Erledigung und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Eigenverwaltungsprozessrecht der EU: Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung der deutschen und französischen Rechtslage [1 ed.] 9783428580637, 9783428180639

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem Deutschlands eine unverzichtbare K

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Erledigung und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Eigenverwaltungsprozessrecht der EU: Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung der deutschen und französischen Rechtslage [1 ed.]
 9783428580637, 9783428180639

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Schriften zum Europäischen Recht Band 201

Erledigung und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Eigenverwaltungsprozessrecht der EU Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung der deutschen und französischen Rechtslage

Von Lisa Ruess

Duncker & Humblot · Berlin

LISA RUESS

Erledigung und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Eigenverwaltungsprozessrecht der EU

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 201

Erledigung und fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Eigenverwaltungsprozessrecht der EU Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter Einbeziehung der deutschen und französischen Rechtslage

Von Lisa Ruess

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 16 Alle Rechte vorbehalten © 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-18063-9 (Print) ISBN 978-3-428-58063-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Disser­tation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis März 2020 berücksichtigt. Die Arbeit entstand im Wesentlichen während meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für deutsches und europäisches Verwaltungsrecht meines Doktorvaters Prof. Dr. Dr. Wolfgang Kahl, M. A. an der Ruprecht-KarlsUniversität Heidelberg. Ihm gilt auch mein besonderer Dank für die Anregung zur Auseinandersetzung mit diesem Thema, für die Betreuung und die weitgehenden Freiheiten bei der Bearbeitung. Frau Prof. Dr. Ute Mager danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Siegfried Magiera, M. A., Herrn Prof. Dr. Dr. Detlef Merten, Herrn Prof. Dr. Matthias Niedobitek und Herrn Prof. Dr. Dr. Karl-Peter Sommermann danke ich für die Aufnahme der Dissertation in die Reihe „Schriften zum Europäischen Recht“. Meinen Kollegen und Kolleginnen am Institut sowie meinen Freunden, die mich auf diesem Weg begleitet haben, danke ich für die gemeinsame Zeit, die sowohl in fachlicher wie auch in persönlicher Hinsicht stets bereichernd war und an die ich immer wieder gerne zurückdenken werde. Mein größter Dank gilt meinen Eltern und meinem Bruder, die mich auf meinem bisherigen Weg begleitet und stets ermutigt haben. Die Verwirklichung meiner Ziele wäre ohne ihre bedingungslose Unterstützung nicht denkbar gewesen. Hamburg, im Juli 2020

Lisa Ruess

Inhaltsübersicht Einleitung

25

A. Folgen eines Entfallens des Klagegegenstandes in Deutschland, Frankreich und dem Eigenverwaltungsprozessrecht der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Rechtsvergleichender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Kapitel 1

Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem Deutschlands

30

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 B. Die bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Sozial- und Finanzgerichtsordnung . . 89

Kapitel 2

Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung in Frankreich 

99

A. Verwaltungskontrolle in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 B. Prozessuale Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in Frankreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 C. Die prozessualen Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in der Recht­ sprechungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

8

Inhaltsübersicht Kapitel 3



Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ im EU-Eigenverwaltungsprozessrecht

135

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualnichtigkeits­ klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 B. Konzeptsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 C. Das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Individualnichtigkeitsklage in der praktischen Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 D. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten . . . 228 E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 G. Das Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems . . . . . 250

Kapitel 4

Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse

256

A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Inhaltsverzeichnis Einleitung

25

A. Folgen eines Entfallens des Klagegegenstandes in Deutschland, Frankreich und dem Eigenverwaltungsprozessrecht der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Zielsetzung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Rechtsvergleichender Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

Kapitel 1 Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem Deutschlands



30

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I.

Die Ratio des Fortsetzungsfeststellungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

II.

Inhalt des Feststellungsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

III. Die unterschiedlichen Prozesssituationen in der Auslegungspraxis . . . . . . . . . . 34 1. Analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf die Verpflichtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Anwendung im Berufungszulassungsverfahren bzw. Nichtzulassungs­ beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Die bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 I.

Individualrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Erledigung des Verwaltungsakts und verwaltungsgerichtliches Individualrechtsschutzsystem der VwGO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Funktion des Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Hinblick auf den Individualrechtsschutzgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

II.

Die Verobjektivierung der Fortsetzungsfeststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Objektive Rechtskontrolle im System des Individualrechtsschutzes . . . . . . . 42 2. Einfluss der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3. Folgen für die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses . . . . . . . . 44

III. Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

10

Inhaltsverzeichnis

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 I.

Funktion einer Einteilung in Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

II.

Rehabilitationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1. Anforderungen an ein Rehabilitationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Anhaltende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers 47 aa) Diskriminierende Wirkung des Verwaltungsakts . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Stigmatisierung mit Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Nachwirkende Beeinträchtigung von Grundrechten durch den erledigten Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Rechtsschutzgrund und Rechtsschutzleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

III. Eingriff in Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Grundkonzeption und Inkonsistenz der Anforderungen an ein Eingreifen der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Entwicklung der Fallgruppe in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Grundposition der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 c) Neueste Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Rechtsschutzerwägungen und grundrechtliche Reaktionsansprüche . . . . . . 60 3. Kontrollinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 4. Dogmatische Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 5. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Vorbeugender Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Rechtsschutzmöglichkeiten bei Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . 69 b) Objektive Verwaltungskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 3. Handhabung der Fallgruppe in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Indizien für die Instrumentalisierung als objektives Kontrollverfahren . . 75 b) Subjektiver Rechtsschutz weiterhin von Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 V.

Berechtigtes Interesse der Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Anforderungen an ein „berechtigtes Interesse“ der Beklagten . . . . . . . . . . . 78 a) Prozessuale Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Relevante Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Systematische Beurteilung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Bedenken in Bezug auf das durch die Behörde initiierte Verfahren . . . . . 79 b) Fortsetzungsfeststellungsklage der Beklagten bei Wiederholungsgefahr . 81

Inhaltsverzeichnis

11

VI. Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 1. Anforderungen an das Vorliegen der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Einordnung in das verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem . . . . . . . . . 83 3. Folgen für die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Systematische Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 VII. Fazit: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Garant subjektiven Rechtsschutzes und Legitimitätskriterium für objektive Kontrollverfahren . . . . . . . . . 87 D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Sozial- und Finanzgerichtsordnung . . 89 I.

Die Bedeutung der Rechtsprechung der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Systematisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses . . . . . . . . . . . 89

II.

Besonderheiten der Auslegung des „berechtigten Interesses“ durch die Sozial­ gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 1. Sozialrechtliche Besonderheiten bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Grundrechtsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

III. Besonderheiten der Auslegung des „berechtigten Interesses“ durch die Finanz­ gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Steuerrechtliche Besonderheiten bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Verfahren mit Ziel eines vorbeugenden Rechtsschutzes . . . . . . . . . . 94 bb) Objektive Kontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Präjudizinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 c) Rehabilitationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 VI. Folgerung für die Systematik des Fortsetzungsfeststellungsinteresses . . . . . . . . 97

Kapitel 2 Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung in Frankreich 



99

A. Verwaltungskontrolle in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 I.

Die verwaltungsgerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100

II.

Der recours pour excès de pouvoir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Statthaftigkeit des recours pour excès de pouvoir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Charakter des recours pour excès de pouvoir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

12

Inhaltsverzeichnis

B. Prozessuale Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in Frankreich und Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I.

Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung als Klageziel . . . . 106 a) Wirkung einer gerichtlichen Aufhebungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Prozessuale Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Aufhebung der Verwaltungsentscheidung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

II.

Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Erledigung des Verwaltungsakts und Folgen für die Anfechtungsklage . . . . 109 2. Erledigung der Hauptsache und des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

C. Die prozessualen Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in der Recht­ sprechungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I.

Rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

II.

Entfallen der Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung ex nunc . . . . . . . . . . . 113 1. Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Ex-nunc-Erledigung und keine nachteiligen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Ex-nunc-Erledigung und nachteilige Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Ex-nunc-Erledigung und faktische Folgewirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Klagegegenstand entfällt mit ex-nunc-Wirkung und keine nachteiligen Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 b) Klagegegenstand entfällt mit ex-nunc-Wirkung und nachteilige Folgen . 116 aa) Vollzug der Verwaltungsentscheidung führt zu nachteiligen Folgen . 116 bb) Zurücknahme der Verwaltungsentscheidung und nachteilige Folgen . 119 cc) Ablehnungsentscheidung als Klagegegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

III. Verpflichtungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Verpflichtungssituation in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Erledigung in der Verpflichtungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 IV. Ergebnis des Rechtsvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 I.

Faktische Folgen einer Verwaltungsentscheidung und ihre Behandlung . . . . . . 124

Inhaltsverzeichnis

13

1. Bedeutung des Rechtsschutzes in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Bestehendes Rechtsschutzdefizit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Vorbeugender Rechtsschutz in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Rehabilitationsinteresse und Grundrechtsbeeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . 127 4. Typischerweise kurzfristige Erledigung einer Verwaltungsentscheidung . . . 130 5. Vorbereitung einer Amtshaftungsklage / ​Präjudizinteresse . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Fazit: Gerichtliche Kontrollmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes in Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Kapitel 3 Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ im EU-Eigenverwaltungsprozessrecht



135

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualnichtigkeitsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 I.

Erledigung der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Gegenstandslosigkeit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 a) Gegenstandslosigkeit nach Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 aa) Aufhebung des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bb) Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Wegfall des Regelungsobjekts oder Regelungssubjekts aus tatsäch­ lichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 dd) Objektiver Interessenwegfall / ​Sinnlosigkeit des Klagebegehrens . . . 139 ee) Keine Gegenstandslosigkeit durch Vollzug des Angriffsgegenstands 140 b) Gegenstandslosigkeit vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Zurücknahme des Streitgegenstandes oder Zeitablauf . . . . . . . . . . . 141 bb) Wegfall des Regelungsobjekts oder Regelungssubjekts aus tatsäch­ lichen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Rechtsfolgen: Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Gegenstandslosigkeit nach Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Gegenstandslosigkeit vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

II.

Das fortbestehende Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung . . . . 144 1. Fortsetzung des Verfahrens aufgrund fortbestehenden Rechtsschutzinteresses 144 a) Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualnichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Entwicklung der Rechtsprechungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Begriffliche Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Entfallen des Klagegegenstandes mit ex-tunc- und ex-nunc-Wirkung und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

14

Inhaltsverzeichnis a) Hybrides Klagegerüst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 b) Grundsätzlich: Ex-nunc-Entfallen des Klagegegenstandes . . . . . . . . . . . 149 3. Funktion des Rechtsschutzinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

B. Konzeptsuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I.

Dezentraler Vollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152

II.

Objektive Rechtmäßigkeitskontrolle als normativer Ausgangspunkt . . . . . . . . . 154 1. Klageberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Stellung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3. Wirkung des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 4. Kontrollbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 5. Wirksamkeit des Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 6. Schadenersatzklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 7. Beibringungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

III. Bedeutungszuwachs des Individualrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes in der Rechtsprechung des EuGH 159 2. Einfluss der Rechtsschutzgarantie auf das Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . 160 a) Individualrechtsschutz als Auslegungspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Restriktive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 bb) Extensive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 c) Systementscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Fazit: Gerichtliches Verfahren zwischen objektiver Rechtskontrolle und subjektivem Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 IV. Konsequenzen für die Auslegung des Rechtsschutzinteresses . . . . . . . . . . . . . . 166 C. Das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Individualnichtigkeitsklage in der praktischen Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I.

Die Konkretisierungsleistung der Rechtsprechung in Bezug auf das Rechts­ schutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Berücksichtigung nationaler Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 171

II.

Rehabilitationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Anhaltende diskriminierende Wirkung des aufgehobenen Rechtsakts . . 173 aa) Restriktive Maßnahmen und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Bedeutungszuwachs von individualisierten Sanktionsmaßnahmen 174

Inhaltsverzeichnis

15

(2) Sanktionsmaßnahmen und Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . 176 bb) Gebotenheit des Rechtsschutzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (1) Grundrechtsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (2) Rufschädigung und grundrechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . 180 b) Anhaltende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen . . . 182 aa) Restriktive Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Sanktionen auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 cc) Beeinträchtigung des beruflichen oder geschäftlichen Ansehens, Art. 15, Art. 16 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Allgemeiner Anforderungskatalog an das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Genugtuung als Ziel der Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Stigmatisierung mit Außenwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Wiederherstellung des grundrechtkonformen Zustands . . . . . . . . . . . . . . 189 d) Rufschädigung auf der Grundlage einer UN-Resolution . . . . . . . . . . . . . 189 e) Formelle und materielle Nichtigkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 f) Rehabilitierung bei Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Rechtsvergleichender Hinweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 bb) Postmortaler Ehrschutz auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 g) Rehabilitationsinteresse nicht auf Ersetzen des Klagegegenstandes beschränkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 h) Feststellungsurteil statt Gestaltungsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Systematische Einordnung und rechtsvergleichende Aussagekraft . . . . . . . . 196 III. Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Anforderungen an das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . 197 a) Entwicklung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b) Vergleichbarkeit des Sachverhalts und Wahrscheinlichkeit einer Wieder­ holung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Zugang zu Dokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Bindungswirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 a) Wiederholungsverbot aus Art. 266 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 b) Abstrakte Gefahr der Wiederholung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Vorbeugender Rechtsschutz im Recht der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. Eingeschränkter Anwendungsbereich der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 5. Pragmatischer Ansatz der Unionsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 6. Systematische Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Vorbereitung von Amtshaftungsklagen – Präjudizialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Rechtsprechung der Unionsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

16

Inhaltsverzeichnis 2. Verhältnis Nichtigerklärung und Schadenersatzklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Schadenersatzklage vor den Unionsgerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 b) Schadenersatzklage vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Verhältnis von nationalen und unionalen Rechtsbehelfen . . . . . . . . . 209 bb) Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung für nationalen Schadenersatz­ prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Erfolgsaussichten der nationalen Haftungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . 211 dd) Prüfungskompetenz der Unionsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 4. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse aufgrund Bindungswirkung der Nichtig­erklärung für sonstige Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 a) Sonstige Klagen vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 b) Abwendung der Gefahr einer Klageerhebung durch Dritte . . . . . . . . . . . 213 c) Finanzieller Ausgleich nach Art. 266 Abs. 1 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 d) Frage der Kostentragung nicht ausreichend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 5. Systematische Verortung der Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 V.

Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse außerhalb der anerkannten Fallgruppen 216 1. Effektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Rechtsprechung der Unionsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Eigenständige Fallgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Bedeutung für das Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

VI. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nach Ersetzung des Klagegegenstandes 221 1. Änderung der Anträge und Klagegründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 2. Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 VII. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . 222 1. Das Rechtsmittelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Entfallen des Klagegegenstandes des Rechtsmittelverfahrens . . . . . . . . . . . 223 3. Rechtsprechungslinie des Rechtsmittelgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Grundsätzlich Einzelfallentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Fortwirkender Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 VIII. Gesamtkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 D. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten . . . 228 I. II.

Aufhebungsklage in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse bei dienstrechtlichen Streitigkeiten . . . 229 1. Rehabilitationsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Beamtenrechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

Inhaltsverzeichnis

17

2. Wiederholungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3. Vorbereitung einer Amtshaftungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Gesamteindruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I.

Fehlende praktische Relevanz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

II.

Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

III. Abgeschlossenes System von Klagen und Verfahrenshandlungen . . . . . . . . . . 238 1. Entgegenstehen eines in sich geschlossenen Klagesystem des Primärrechts? 238 2. Keine unzulässige Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. II.

Eigenschaften der Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Entfallen des Klagegegenstandes bei der Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Klagegegenstand der Untätigkeitsklage und Rechtsschutzinteresse . . . . . . . 242 2. Gegenstandslosigkeit der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Rechtslage vor Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Rechtslage nach Klageerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Keine Fortführungsmöglichkeiten aufgrund fortbestehenden Rechtsschutz­ interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4. Keine Möglichkeit der Klageumstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

III. Erschwerte Rechtsschutzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Eingeschränkte gerichtliche Kontrollmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 2. Erledigungsszenarien der Untätigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Anhaltendes Bedürfnis für ein Untätigkeitsurteil? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 4. Streitgegenstandsbegriff als Hindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 G. Das Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems . . . . . 250 I.

Individualrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

II.

Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251

III. Systembildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 IV. Verzahnung der Rechtsschutzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 V.

Konvergenzbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

18

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4



Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse

256

A. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I.

Unionsrechtliche Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Das deutsche Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Anpassungsdruck? . 257 a) Rechtsschutzmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Folgen für die Auslegung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Effektivitätsgrundsatz und Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 aa) Entscheidung des BVerwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (1) Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nach Art. 47 Abs. 1 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (2) Effektivitätsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (3) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 bb) Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267

II.

Einflüsse der EMRK auf das nationale Fortsetzungsfeststellungsinteresse . . . . 267 1. Verhältnis nationaler Verfahrensvoraussetzungen zum Recht der EMRK . . 267 2. Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 a) Zulässige Einschränkungen des Gerichtszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Art. 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Art. 13 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der europäischen Rechtsprechung 271 c) Rechtsschutzinteresse im Erledigungsfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 3. Rechtsprechung nationaler Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274

B. Rechtslage in Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 I.

Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

II.

EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Ansicht a. F. alte Fassung ABl Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften / Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis (Zeitschrift) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AJDA Actualités juridiques – Droit Administratif (Zeitschrift) Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law (Zeitschrift) Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Appl. No. Application Number Ass. L’Assemblée du Contentieux (Spruchkörper des Conseil d’État) AuslG Ausländergesetz AWG Außenwirtschaftsgesetz BAG Bundesarbeitsgericht BauR Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht (Zeitschrift) BayLSG Bayerisches Landessozialgericht BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) BayVGH Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online BeckRS BFH Bundesfinanzhof BFHE Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Amtliche Sammlung) Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BundesfiBFH / N V nanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch BGB Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts BGE BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (Amtliche Sammlung) BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Amtliche Sammlung) BNetzA Bundesnetzagentur Breith. Breithaupt (Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht) BSG Bundessozialgericht BSGE Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Amtliche Sammlung) BSt Statut der Beamten (Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft)

20

Abkürzungsverzeichnis

BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Amtliche SammBVerfGE lung) Amtliche Sammlung der Kammerentscheidungen des BundesBVerfGK verfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Amtliche SammBVerwGE lung) BW Baden-Württemberg Cour administrative d’appel C. A. A. Conseil constitutionnel C. C. Cour de Cassation Chambre mixte C.cass.Ch.Mixte Conseil d’État C. E. Cardozo J. Int’l & Comp. L Cardozo Journal of International and Comparative Law (Zeitschrift) Cahiers de droit européen (Zeitschrift) CDE Code de justice administrative CJA Common Market Law Review (Zeitschrift) CMLRev. Code des relations entre le public et l’administration CRPA Deutscher Juristentag DJT Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DÖV Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) – Entscheidungsdienst DStRE Die Verwaltung (Zeitschrift) DV Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) DVBl Entscheidung des Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte ECHR (European Court of Human Rights) (Amtliche Sammlung) European Case Law Identifier ECLI EG Einführungsgesetz, Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGV Einl. Einleitung European Journal of International Law (Zeitschrift) EJIL EL Ergänzungslieferung European Law Review (Zeitschrift) ELRev. Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und EMRK Grundfreiheiten EStG Einkommenssteuergesetz Entscheidungssammlung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-​ ESVGH Württemberg Gericht der Europäischen Union EuG Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft EuGH Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union EuGöD Europäische Grundrechte-Zeitschrift EuGRZ Europarecht (Zeitschrift) EuR Vertrag über die Europäische Union EUV Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) EuZW

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21

Europäischer Verwaltungsrechtsschutz (in: Sodan / Ziekow, VwGO) Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende, für Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den An­ gelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FG Finanzgericht FGO Finanzgerichtsordnung Fn. Fußnote Generalanwalt / Generalanwältin GA Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GASP Gewerbearchiv (Zeitschrift) GewArch GG Grundgesetz GlüStV Glücksspielstaatsvertrag GR Grundrechte Charta der Grundrechte der EU GRCh herrschende Meinung h. M. HdB Handbuch Hessischer Verwaltungsgerichtshof HessVGH Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz Handbuch des Staatsrechts HStR im Rahmen der / der i. R. d. im Sinne der / der i. S. d. in Verbindung mit i. V. m. Internationaler Gerichtshof IGH International Studies Review (Zeitschrift) ISR Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) JA Juris Monatszeitschrift (Zeitschrift) jM Juristische Rundschau JR JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristen-Zeitung (Zeitschrift) JZ Kap. Kapitel KStG Körperschaftssteuergesetz LG Landgericht littera (Buchstabe) lit. Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland LottStV LS Leitsatz LSG Landessozialgericht M. Monsieur mit weiteren Nachweisen m. w. N. Mlle Mademoiselle Mme Madame MultiMedia und Recht (Zeitschrift) MMR MenschenRechtsMagazin (Zeitschrift) MRM nicht veröffentlicht n. v. n° numéro Nds. Niedersachsen Niedersächsische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) NdsVBl

EVR EWS f. FamFG

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Abkürzungsverzeichnis

Neue Juristische Online-Zeitschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenzeitschrift (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenzeitschrift, Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland (Zeitschrift) NordÖR NRW Nordrhein-Westfahlen Natur und Recht (Zeitschrift) NuR Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht, Rechtsprechungs-Report NVwZ-RR (Zeitschrift) Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter NWVBl Neue Zeitschrift für Sozialrecht (Zeitschrift) NZS OLG Oberlandesgericht OVG Oberverwaltungsgericht Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales PrivatRabelsZ recht (Zeitschrift) Recueil Lebon (Entscheidungssammlung des Conseil d’État) Rec. RL Richtlinie Rn. Randnummer Rs. Rechtssache Revue trimestrielle des droits de l’homme (Zeitschrift) RTDH Rivista trimestrale di diritto pubblico (Zeitschrift) RTDP Société Anonyme S. A. Sächsisches Oberverwaltungsgericht SächsOVG SchlH Schleswig-Holstein Schlussantr. Schlussanträge Section du Contentieux (Spruchkörper des Conseil d’État) Sect. SG Sozialgericht SGB Sozialgesetzbuch SGG Sozialgerichtsordnung Slg. Sammlung SR Sicherheitsrat StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordung T. Tableau Tribunal administratif T. A. UAbs. Unterabschnitt L’Union européenne UE United Nations UN United Nations Organization UNO UStG Umsatzsteuergesetz Verwaltungsblätter Baden-Württemberg VBlBW Verfahrensordnung des Europäischen Gerichts VerfO-EuG Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs VerfO-EuGH Verfahrensordnung des Europäischen Gerichts für den öffent­ VerfO-EuGöD lichen Dienst Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) VerwArch VerwR Verwaltungsrecht NJOZ NJW NJW-RR

Abkürzungsverzeichnis

23

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland (Sammlung obergerichtlicher Entscheidungen aus dem Verfassungs- und Verwaltungsrecht) VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof VN Vereinte Nationen VO Verordnung Vorb. Vorbemerkung Veröffentlichung der Vereinigung der Deutschen StaatsrechtsVVDStRL lehrer (Zeitschrift) VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz VwVG Verwaltungsvollstreckungsgesetz VwZG Verwaltungszustellungsgesetz Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht (Zeitschrift) wistra World Trade Organization (Übereinkommen zur Errichtung der WTO Welthandelsorganisation) Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht ZaöRV (Zeitschrift) Zeitschrift für europarechtliche Studien (Zeitschrift) ZEUS Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (Zeitschrift) ZFAS Zeitschrift für öffentliches Recht (Zeitschrift) ZöR ZPO Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik ZRP Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (Zeitschrift) ZVglRWiss Zeitschrift für Zivilprozeß (Zeitschrift) ZZP VerwRspr

Einleitung Das Thema der Fortsetzungsfeststellungklage und insbesondere des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gem. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ist ein „Klassiker“ des deutschen Verwaltungsprozessrechts. Die Vielzahl an Literatur und Rechtsprechung, die dazu vorliegt, veranschaulicht, welche Bedeutung der Fortsetzungsfeststellungsklage insbesondere in der verwaltungsgerichtlichen Praxis zukommt. Maßgebliche Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, insbesondere im Polizeiund Versammlungsrecht, wären ohne die Möglichkeit einer Klageumstellung nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO nie ergangen.1 Wenn also die Fortsetzungsfeststellungsklage ein unverzichtbares Klagemittel in unserem Rechtsschutzsystem darstellt, ist es nur folgerichtig anzunehmen, dass entsprechende prozessuale Wege auch in anderen Rechtsordnungen vorhanden sein müssten. An wissenschaftlichen Untersuchungen zu dieser Thematik fehlt es bislang jedoch. Das Entfallen des Klagegegenstandes vor oder während des Verfahrens ist allerdings keine Eigenheit der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sehr plastisch zeigt sich dies am Fall von Abdulbasit Abduldrahim, ein Restaurantbesitzer aus London, der ohne Anhörung oder Begründung auf eine EU-Terrorliste gesetzt wurde und damit entsprechende Beeinträchtigungen in seinem geschäftlichen wie auch privaten Leben hinnehmen musste. Sein Name wurde schließlich wieder von der Terrorliste genommen. Das Gericht erster Instanz entschied aus diesem Grund, dass der Klagegegenstand entfallen und die Hauptsache folglich für erledigt zu erklären ist.2 Keine Berücksichtigung fand dabei der Umstand, dass Herr Abdulrahim als vermeintlicher Terrorist öffentlichkeitswirksam „an den Pranger gestellt wurde“ und infolgedessen eine entsprechende Stigmatisierung erfuhr. Nach deutschem Recht könnte er mit der Fortsetzungsfeststellungsklage wegen eines Rehabilitationsinteresses die Rechtswidrigkeit der Verordnung in Bezug auf seinen Namen feststellen lassen. Wie aber lassen sich auf Unionsebene nachwirkende Beeinträchtigungen eines Rechtsakts noch beseitigen, wenn dieser bereits aufgehoben wurde? Ist nachträglicher Rechtsschutz in bestimmten Situationen nicht auch Ausdruck eines effektiven und lückenlosen Rechtsschutzsystems und muss der Rechtsweg folglich nicht auch noch offenstehen, wenn sich der Klagegegenstand auf andere Weise erledigt hat? So viel sei 1 Zur Bedeutung der Fortsetzungsfeststellungsklage BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (89); OVG NRW, Urt. v. 07.08.2018 – Az.: 5 A 294/16, NVwZ 2018, 1497; OVG NRW, Urt. v. 12.12.2017 – 5 A 2428/15, BeckRS 136485; BVerwG, Urt. v. 25.06.2008 – Az.: 6 C 21/07, BVerwGE 131, 216; BVerwG, Urt. v. 26.02.2014 – Az.: 6 C 1/13, NVwZ 2014, 883; ebenso Sennekamp, in: Quaas / Zuck / Funke-Kaiser (Hrsg.), Prozesse in Verwaltungssachen, § 3 Rn. 118. 2 EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-127/09, Abdulrahim / Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:​ 2012:93 Rn. 35–41.

26

Einleitung

schon einmal gesagt: Der EuGH folgte der Auffassung des Gerichts erster Instanz nicht und entschied ungeachtet einer Gegenstandslosigkeit der Klage über den Antrag von Herrn Abdulrahim.3 Gibt es auf Unionsebene folglich eine „europäische Fortsetzungsfeststellungsklage“ und ist diese auch in der Lage, den Anspruch an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zu erfüllen?

A. Folgen eines Entfallens des Klagegegenstandes in Deutschland, Frankreich und dem Eigenverwaltungsprozessrecht der EU Steht eine den Einzelnen belastende Verwaltungsmaßnahme im Raum, wird vor Gericht regelmäßig ihre Aufhebung begehrt. Kommt es noch während des gerichtlichen Verfahrens, aber vor Urteilsverkündung auf andere Weise zu der begehrten Aufhebung, wird die gerichtliche Entscheidung vorweggenommen. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sich das Klagebegehren damit erledigt hat. In der Regel bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung dann nicht mehr. Dennoch kann es aus rechtlichen Gründen erforderlich sein, das Verfahren bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung fortzuführen. Diesem Bedürfnis wird im deutschen Verwaltungsprozessrecht mit der Fortsetzungsfeststellungsklage Rechnung getragen. Entscheidend für die Fortsetzung des Verfahrens ist nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO die Darlegung eines „berechtigten Interesses“ oder auch eines sogenannten Fortsetzungsfeststellungsinteresses durch den Kläger. Damit wird die Fortführung des Verfahrens von den subjektiven Interessen des Klägers abhängig gemacht. Einen anderen prozessualen Weg geht demgegenüber das französische Verwaltungsprozessrecht. Ein der Fortsetzungsfeststellungsklage vergleichbares Prozessinstitut ist nicht vorhanden. Stattdessen kann im französischen Verwaltungsprozessrecht weiterhin an der Aufhebungsklage, dem recours pour excès de pouvoir, festgehalten werden. Voraussetzung ist die objektiv beeinträchtigende Wirkung der Verwaltungsmaßnahme.4 Es stehen sich somit zwei in ihrer Ausgestaltung unterschiedliche Ansätze gegenüber. Nicht überraschend ist es vor diesem Hintergrund, dass auch auf Unionsebene die Fortsetzung der Nichtigkeitsklage nach Entfallen des Klagegegenstandes in Betracht kommt. Dafür wird, vergleichbar dem deutschen Recht, ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Klägers verlangt.5 Allerdings wurde dafür keine eigenständige Klage mit Feststellungscharakter geschaffen6, sondern es soll weiterhin, vergleichbar der französischen Rechtslage, 3 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 72–85. 4 Dazu 2. Kap. B. 5 Grundlegend EuGH, Urt. v. 06.03.1979, Rs. C-92/78, Simmenthal / Kommission, Slg. 1979, 777 Rn. 32. 6 Insoweit unzutreffend von einer europäischen Fortsetzungsfeststellungsklage ausgehend Kamann / Weinzierl, EUR 2016, 569 passim.

B. Zielsetzung der Arbeit

27

über die Aufhebung des belastenden Unionsrechtsakts entschieden werden.7 Strukturell wurde damit für die Erledigung des Rechtsakts ein Rechtsbehelf geschaffen, der sich Elementen deutscher und französischer Rechtstradition bedient.

B. Zielsetzung der Arbeit Ziel der Dissertation ist zum einen die vollständige Erfassung und dogmatische Durchdringung der prozessualen Möglichkeiten in den verschiedenen Rechtsordnungen, die nach Entfallen des Klagegegenstandes vorgesehen sind. Die nähere Untersuchung der prozessualen Ansätze soll zum anderen Aufschluss darüber geben, inwiefern sich die konzeptionelle Ausrichtung des jeweiligen Rechtsschutzsystems an dieser Stelle wiederspiegelt: Während in Deutschland primär das Klägerinteresse über die Zulässigkeit der Klage entscheidet, stellen die französischen Verwaltungsgerichte für die Fortsetzung des Verfahrens ausschließlich auf objektive Kriterien ab. Dies steht im Einklang mit den häufig hervorgehobenen8 gegensätzlichen Grundkonzepten des subjektiven Rechtsschutzsystems in Deutschland und des objektiven Kontrollsystems in Frankreich. Die Unterschiede in der Ausrichtung der verschiedenen Rechtsschutzmodelle nahmen in den letzten Jahren allerdings zunehmend ab: Die Europäisierung hat vor allem Anpassungen der deutschen Ausrichtung erforderlich gemacht9, aber auch in Frankreich vollzog sich insbesondere aufgrund der Einwirkungen der EMRK und der Rechtsprechung des EuGH eine Subjektivierung des Rechtsschutzsystems10. Es interessiert daher auch, ob sich dieser Wandel zumindest in der Rechtsprechungspraxis niederschlägt und inwieweit sich die unterschiedlichen Ansatzpunkte in den Rechtsordnungen damit angenähert haben. Das Ergebnis des horizontalen Rechtsvergleichs soll als Grundlage der Untersuchung auf EU-Ebene dienen. Hier fehlt es bislang an einer ausdifferenzierten Auseinandersetzung mit der Systematik des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses und der dahinterstehenden konzeptionellen Ausrichtung.11 Ein erster Blick zeigt vor allem die Gemeinsamkeiten der Rechtsprechung der Unionsgerichte mit 7

Vgl. 3. Kap. E. Vgl. etwa Epiney, NVwZ 2014, 465 (468 f.); Halfmann, VerwArch 91 (2000), 74 (78–80); Wahl, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 20 f.; Woehrling, NVwZ 1998, 462 (463) 9 Dazu 3.  Kap. B. I. 10 Epiney, VVDStRL 61 (2002), 361 (384–386, insbes. Fn. 119); Fromont, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 93 (100–103, 108–112); Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (4–9); Groß, DV 33 (2000), 415 passim; Grote, in: Festschrift Starck, 775 (778, 781–782); Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Baustein europäischen Verwaltungsrecht, S. 108–117. 11 Eine erste Auseinandersetzung mit dem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse nehmen Kamann / Weinzierl, EUR 2016, 569 vor. Dabei werden vor allem Parallelen zur deutschen Fallgruppensystematik aufgezeigt. Eine systematische Einordnung bzw. Unterschiede zur deutschen Vorgehensweise bleiben dabei jedoch unberücksichtigt. 8

28

Einleitung

deutschem Recht, denn entscheidende Zugangshürde nach Erledigung des angegriffenen Rechtsakts ist ein individuelles Klägerinteresse. Die deutsche Literatur hat sich infolgedessen auch darauf konzentriert, die bisherigen Entscheidungen der Unionsgerichte über ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nach Fallgruppen zu sortieren, die der deutschen Fallgruppensystematik entspricht.12 Daraus sollte jedoch nicht zu schnell geschlossen werden, dass Auslegung des deutschen Fortsetzungsfeststellungsinteresses und des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses auf Unionsebene parallel verlaufen. Wenn die deutsche Literatur zur Erfassung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses auf Unionsebene auf die aus Deutschland bekannten Fallgruppen zurückgreift, dann vor allem auch deshalb, weil sie es in ihrer deutschen Rechtsprägung so kennt, so versteht und so auslegt. Ein Blick in die ausländische Literatur zum Unionsrecht veranschaulicht jedoch, dass eine dem deutschen Recht vergleichbare dogmatische Durchdringung des Rechtsschutzinteresses nicht der einzige Weg ist.13 Tatsächlich ist ein im Vergleich zur deutschen Rechtslage unterschiedlicher Zugang an das prozessuale Problem der Erledigung auf Unionsebene nicht unwahrscheinlich, da einerseits auf nationaler Verfassungsebene mit Art. 19 Abs. 4 GG eine „Systementscheidung für den Individualrechtsschutz“ getroffen wurde und auf der anderen Seite das primäre Anliegen des EuGH steht, einen wirksamen Vollzug des Unionsrechts im nicht zuletzt auch (objektiven) Unionsinteresse (Einheit und Wirksamkeit des Unionsrechts) sicherzustellen14. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dass der Individualrechtsschutzgedanke mit Blick auf Art. 47 Abs. 1 GRCh auf Unionsebene verstärkt in den Mittelpunkt gestellt wird und sich entsprechend in der Auslegung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses widerspiegelt. Die Auslegung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses ist damit auch eine Frage des Systemverständnisses auf Unionsebene.

12

Einen Überblick über die europäischen Fallgruppen geben Kamann / Weinzierl, EuR 2016, 569 (578–581). 13 Vgl. etwa nur die Ausführungen bei Lenaerts / Maselis / Gutman, EU Procedural Law, Rn.  7.141; Louis / Vandersanden / Waelbroeck, D. / Waelbroeck, M., Commentaire Megret, Bd.  10, Art. 173 Rn. 32; Barav, in: Rideau (Hrsg.), Le droit au juge dans l’UE, 191 (194 f.) und Rideau, Droit institutionel de l’Union et des Communautés Européennes, S. 850 f., die sich für das fortbestehende Rechtsschutzinteresse auf eine beispielhafte Aufzählung der bisherigen Rechtsprechung beschränken, ohne dabei jedoch eine Systematisierung vorzunehmen oder GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / Kommission, ECLI:EU:C:2015:409 Rn. 28, der zwischen wirtschaftlichem und rechtlichem Interesse unterscheiden will. Vgl. eingängig zu den Schwierigkeiten, die sich bei rechtsvergleichenden Arbeit ergeben Hatje / Mankowski, EuR 2014, 155 (159–162); Kischel, VVDStRL 77 (2018), 285 (286 ff.). 14 Kahl, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grdl. des VerwR, Bd. III, § 47 Rn. 131.

D. Gang der Untersuchung

29

C. Rechtsvergleichender Ansatz Der rechtsvergleichende Zugang kann aufzeigen, inwieweit sich die nationalen Rechtsgrundsätze und Wertungen, die in der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Interesses“ oder in der Rechtsprechungspraxis in Frankreich zum Ausdruck kommen, in die Unionsrechtsordnung übertragen lassen. Die deutsche und französische Rechtsordnung wurden als Vergleichsgegenstand herangezogen, da das französische Prozessrecht bekanntlich als Vorbild für die Ausgestaltung auf Unionsebene diente. Zugleich verfolgen französische und deutsche Aufhebungsklage in ihrem grundlegenden Verständnis von Zweck und Ausgestaltung des Verfahrens zwei gegensätzliche Ansätze und eignen sich damit besonders gut für einen Vergleich.

D. Gang der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung werden zunächst die Feststellungen zu den deutschen, französischen und europäischen Rechtsordnungen hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Konsequenzen für das Entfallen des Klagegegenstandes während des Verfahrens sein. Einen großen Teil der Arbeit wird dabei die Analyse der Rechtsprechung in Deutschland (1. Kapitel) und Frankreich (2. Kapitel) einnehmen. Dazu kann nicht der gesamte Bestand an einschlägigen Urteilen und Beschlüssen berücksichtigt werden. Aber aus der Vielzahl an veröffentlichten Urteilen können sich durchaus Erkenntnisse zu Ziel und Zweck einer Fortsetzung des Verfahrens nach Entfallen des Klagegegenstandes ergeben. Mit Frankreich und Deutschland stehen sich prozessual zwei unterschiedliche Lösungsansätze gegenüber, die im direkten Vergleich mit der Rechtslage auf Unionsebene Gemeinsamkeiten, aber auch Divergenzen offenlegen werden (3. Kapitel). Um die systematische Untersuchung abzurunden, wird anschließend noch auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Unionsverwaltungsprozessrecht eingegangen (4. Kapitel). Dabei geht es um die Frage, ob eine Überformung der tradierten deutschen Dogmatik des Fortsetzungsfeststellungsinteresses für Sachverhalte mit Unionsbezug festzustellen ist, weil das Unionsrecht eine wirksame Umsetzung verlangt. Der Europäisierungsprozess veranlasst – wie allgemein auch die bisherigen Untersuchungen zur Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit belegen15 – auch insoweit darüber nachzudenken, ob die unionsrechtlichen Anforderungen an die verwaltungsgerichtliche Kontrolle zu Brüchen im nationalen Rechtsschutzsystem führen. Dabei kann der Einfluss der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), im Besonderen Art. 6 und Art. 13 EMRK, auf das nationale Prozessrecht nicht unbeachtet bleiben. 15

Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht; Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit; Dörr, Der europäisierte Rechtsschutzauftrag deutscher Gerichte; Dünchheim, Verwaltungsprozeßrecht unter europäischem Einfluss; Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts; Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes.

Kapitel 1

Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem Deutschlands § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlangt ein „berechtigtes Interesse“ des Klägers, um die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nach seiner Erledigung gerichtlich feststellen zu können. Der Begriff ist allerdings zu unscharf, um ohne Weiteres eine Subsumtion vornehmen zu können.1 Ohne eine Rückbindung an möglichst präzise außergesetzliche Wertungen und allgemeine Rechtsgrundsätze ließe sich für fast jede denkbare Sachverhaltskonstellation ein „berechtigtes Interesse“ an einer gerichtlichen Entscheidung trotz Erledigung des Verwaltungsakts annehmen. Von einem berechtigten Interesse könnte so auch noch auszugehen sein, wenn es dem Kläger ausschließlich um seine persönliche Genugtuung ginge. Umgekehrt ist die Begrifflichkeit so vage, dass sich mit entsprechender Begründung ein „berechtigtes Interesses“ auch verneinen ließe, um sich einer Entscheidung enthalten zu können.2 Bedenkt man, dass das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im konkreten Fall darüber entscheidet, ob trotz Erledigung des Verwaltungsakts eine Sachentscheidung ergehen wird oder die Klage als unzulässig abzuweisen ist, erscheint eine willkürliche Handhabung dieser besonderen Sachurteilsvoraussetzung der Fortsetzungsfeststellungsklage schon mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht hinnehmbar. Es ist daher eine Konkretisierung bzw. Präzisierung erforderlich. Zur Bestimmung eines „berechtigten Interesses“ kann auf bestimmte Fallgruppen zurückgegriffen werden. Die Fallgruppen befinden sich nach einer Phase der Systematisierung und Typisierung nunmehr auf einem sehr ausdifferenzierten Stand. Überspitzt formuliert droht man heute im Meer der Kasuistik zu ertrinken. Nach der Präzisierung tritt nun sozusagen das Bedürfnis nach Verallgemeinerung wieder in den Vordergrund. Der Rechtsanwender sollte sich wieder mehr auf die auslegungsleitenden Erwägungen konzentrieren.3 Um sie zu ermitteln, sind jene Präzedenzfälle heranzuziehen, die Grundlage der einzelnen Fallgruppen bilden und sich aufgrund von Gemeinsamkeiten unter einem umschreibenden Rechtssatz zusam 1

Allgemein dazu Möllers, Juristische Methodenlehre, § 8 Rn. 26. So auch Gerhardt, in: Schoch / Schneider / Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 91 „Zudem fällt nicht selten auf, welch geradezu akrobatische Kunst dem Feststellungsinteresse gewidmet wird, um es verneinen zu können“; ähnlich, jedoch nicht in derart generalisierender Weise Lange, NdsVBl 2014, 120 (123). 3 So auch Weber, AcP 192 (1992), 516 (529), allerdings für Fallgruppen zur Konkretisierung von Generalklauseln. 2

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse 

31

menfassen lassen.4 Ihnen sind auch die allgemeinen Rechtsgedanken und Wertungsgesichtspunkte zu entnehmen, die aus dem „berechtigten Interesse“ des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als solches nicht herauszulesen sind. Eine Rückbesinnung auf die im Hintergrund stehenden Wertungen soll daher das dem „berechtigten Interesse“ innewohnende Konzept der Fortsetzungsfeststellungsklage als Auslegungstopos freilegen.5 Eine solche Freilegung allgemeiner Wertungsgesichtspunkte kann die Entwicklung neuer Fallgruppen fördern.6 Zugleich können damit Abweichungen von der Systematik als solche kenntlich gemacht und erklärt werden.7 Die Untersuchung zum deutschen Recht nimmt ihren Ausgangspunkt in einer kurzen Rekapitulation zum Inhalt des Fortsetzungsfeststellungsinteresses (dazu A.). Die Rechtsprechung nimmt zur Bestimmung eines „berechtigten Interesses“ des Klägers i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO Rückgriff auf Fallgruppen. Dabei sollen zunächst Überlegungen angestellt werden, welche Wertungen und Rechtsgedanken zur Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses führen können (dazu B.). Anhand konkreter Beispiele aus der Rechtsprechung soll dann überprüft werden, inwieweit sich diese Wertungen in der Praxis tatsächlich auch niederschlagen (dazu C.). Es stellt sich zudem die Frage, ob sich für die besonderen Verwaltungsgerichte signifikante Unterschiede ergeben (dazu D.).

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse I. Die Ratio des Fortsetzungsfeststellungsinteresses Damit das mit der Sache befasste Gericht nach Erledigung des Verwaltungsakts noch über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts entscheidet, muss der Kläger ein „berechtigtes Interesse“ an der Entscheidung geltend machen.8 Vielerorts wird die Ratio der Fortsetzungsfeststellungsklage auf den „Fortsetzungsbonus“ reduziert: Der Kläger soll nicht ohne Not um die Früchte der bisherigen Prozessführung gebracht werden.9 Besitzt der Kläger vor diesem Hintergrund ein „berechtigtes 4

Dazu umfassend Ohly, AcP 201 (2001), 1 (17 f.); Schlüchter, Die Mittlerfunktion der Präjudizien, S. 122 f. 5 Zur Freilegungs- und Verknüpfungsfunktion einer Systembildung Kahl, DV Beiheft 10 (2010), 39 (47). 6 Möllers, Juristische Methodenlehre, § 8 Rn. 38. 7 Weber, AcP 192 (1992), 516 (529). 8 Das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, vgl. § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO. Der Kläger hat allerdings die Umstände darzulegen, aus denen sich dieses ergeben soll, vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.03.1976 – Az.: I WB 54/74, BVerwGE 53, 134 (137 f.). 9 So etwa Decker, in: Posser / Wolff (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 85; Emenegger, in: Fehling / ​ Kastner / ​Störmer (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 98; Stuhlfauth, in: Bader / ​Funke-Kayser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 67; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 265 f.

32 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Interesse“ an der Rechtswidrigkeitsfeststellung, kommt ihm das Privileg zuteil, die wegen Erledigung des Verwaltungsakts unzulässig gewordene Klage unter erleichterten Voraussetzungen als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen.10 Den Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage ausschließlich im prozessualen Fruchterhalt zu erblicken, ist jedoch zu pauschal.11 Es verleitet zu der Annahme, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts im Erledigungsfall vor allem aus prozessökonomischen Gründen motiviert ist – die bis zur Erledigung bereits feststehenden Ergebnisse sollen nicht als nutzlos verworfen werden. Tatsächlich sind es jedoch insbesondere Erwägungen effektiven Rechtsschutzes, die eine Sachentscheidung nach Erledigung des Verwaltungsakts verfassungsrechtlich erforderlich machen.12 Im Übrigen können in Ausnahmefällen auch übergeordnete Gesichtspunkte für eine gerichtliche Kontrolle nach Erledigung des Verwaltungsakts sprechen.13 Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse erbringt in diesem Zusammenhang den Nachweis, dass eine gerichtliche Entscheidung trotz Erledigung des Verwaltungsakts zu ergehen hat.14 Welche Gründe dies genau sind und wie sie sich in das System der Verwaltungsgerichtsordnung einordnen lassen, soll im Folgenden näher analysiert werden.

II. Inhalt des Feststellungsinteresses Sowohl § 43 Abs. 1 VwGO wie auch § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlangen ein „berechtigtes Interesse“ an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts. Ein Unterschied besteht lediglich in zeitlicher Hinsicht, denn § 43 Abs. 1 VwGO fordert ein „berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit“. Nach der Rechtsprechung umschließt das berechtigte Interesse im Sinne beider Vorschriften „jedes nach Lage des Falls anzuerkennende schutzwürdige Interesse, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art“15. An anderer 10 Prozessual stellt der Übergang von der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage keine Klageänderung i. S. d. § 91 VwGO dar. Der Streitgegenstand ändert sich nicht, da die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts ein „Minus“ zu dem bisherigen Antrag darstellt und der Streitgegenstand lediglich eingeschränkt wird, § 173 S. 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO. Der Kläger kann damit unter gegenüber § 91 VwGO vereinfachten Voraussetzungen die Klage ändern, die sonst wegen Unzulässigkeit abzuweisen wäre, BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – Az.: 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62 (65). 11 Ebenso Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 96. 12 So auch Berkemann, jM 2014, 421; Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 90; Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 57; Wolff, in: Sodan / ​ Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 266. Auf die für die Regelung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO maßgeblichen Gründe abstellend BVerwG, Urt. v. 06.09.1962 – Az.: BVerwG VIII C 78/60, NJW 1963, 553. 13 So Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 266. 14 So auch Wolff, in: ders. / ​Decker (Hrsg.), VwGO / ​VwVfG, § 113 VwGO Rn. 108. 15 Für die allgemeine Feststellungsklage BVerwG, Urt. v. 28.10.1970  – Az.: VI C 55/68, BVerwGE 36, 218 (226); für die Fortsetzungsfeststellungsklage BVerwG, Beschl. v. 04.03.1976 – Az.: I WB 54/74, BVerwGE 53, 134 (137).

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse 

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Stelle heißt es, „jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, das hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern“16. Dennoch stellt das BVerwG an das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO strengere Anforderungen als an das berechtigte Interesse nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO.17 Grund hierfür sei der gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage bereits erfolgte Prozessaufwand wegen der zuvor erhobenen Anfechtungsklage („Fortsetzungsbonus“), der bei einer zu engen Auslegung des berechtigten Interesses entwertet würde.18 Dieser Auffassung hält ein Teil der Literatur entgegen, dass weithin anerkannt sei, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage auch analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei einer Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung erhoben werden könne19, ein Prozessaufwand in dieser Konstellation aber überhaupt noch nicht betrieben wurde.20 Es wird außerdem angeführt, dass die allgemeine Feststellungsklage im Bereich des erledigten tatsächlichen Verwaltungshandelns dieselbe Funktion erfülle wie die Fortsetzungsfeststellungsklage für den Verwaltungsakt. Denn erledige sich ein Leistungsbegehren nach Erhebung der allgemeinen Leistungsklage könne Rechtsschutz noch durch Erhebung der allgemeinen Feststellungsklage erreicht werden.21 Ihr liege dann dieselbe Ausgangssituation mit prozessualem Voraufwand zugrunde wie im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage.22 Im Übrigen sei dem Gesetzgeber ein einheitlicher Sprachgebrauch zu unterstellen.23 Die Erwägungen mögen allesamt zutreffend sein. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei der allgemeinen Feststellungsklage und der ­Fortsetzungsfeststellungsklage24 um 16

BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 – Az.: 5 C 40/84, BVerwGE 74, 1 (4). BVerwG, Urt. v. 24.10.1980 – Az.: 4 C 3/78, BVerwGE 61, 128 (134 f.); Urt. v. 20.01.1989 – Az.: 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226 (228); Urt. v. 27.06.1997 – Az.: 8 C 23/96, NJW 1997, 3257 (3258); Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 265; dagegen aber OVG NRW, Urt. v. 12.06.2003 – Az.: 8 A 4281/02, GewArch 2003, 418; OVG Nds., Urt. v. 25.11.2010 – Az.: 12 LB 59/08, juris Rn. 39. 18 BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 – Az.: 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226 (228); Urt. v. 29.04.1997 – Az.: 1 C 2/95, NJW 1997, 2534; Urt. v. 27.06.1997 – Az.: 8 C 23/96, NJW 1997, 3257 (3258); Urt. v. 28.04.1999 – Az.: 4 C 4–98, BVerwGE 109, 74 (80). 19 Für eine entsprechende Anwendung bei Erledigung des Verwaltungsakts vor Klage­ erhebung etwa BVerwG, Urt. v. 28.02.1961 – Az.: I C 54/57, BVerwGE 12, 87 (90); anders aber BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – Az.: 6 C 7/98, BVerwGE 109, 203 (208 f.); zweifelnd Wolff, in: Sodan / ​Ziekow, VwGO, § 113 Rn. 262; ablehnend Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), 32. EL 10/2016, VwGO, § 113 Rn. 99. 20 Sodan, in: ders. / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 43 Rn. 84. 21 OVG NRW, Urt. v. 14.10.1993 – Az.: 1 A 904/90, NJW 1994, 1673; Riese, in: Schoch / ​ Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102; a. A. BayVGH, Urt. v. 14.01.1991 – Az.: 2 B 90.1756, NVwZ-RR 1991, 519; OVG Bautzen, Urt. v. 19.01.2016 – Az.: 4 C 17/14, BeckRS 2016, 42112, Rn. 38. 22 Sodan, in: ders. / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 43 Rn. 84. 23 W.-R. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 43 Rn. 23. 24 Zur Rechtsnatur der Fortsetzungsfeststellungsklage als Unterfall der Anfechtungsklage BayVGH, Urt. v. 02.12.1991 – Az.: 21 B 90/1066, BayVBl 1993, 429 (430); OVG RheinlandPfalz, Urt. v. 15.07.1981 – Az.: 2 A 10/81, NJW 1982, 1301 (1302); a. A. wonach die Fortsetzungsfeststellungsklage eine besondere Form der Feststellungsklage ist etwa BVerwG, Urt. v. 17

34 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands zwei verschiedene Klageformen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist aufgrund des Feststellungsurteils zwar eine besondere Form der Feststellungsklage.25 Sie geht jedoch aus einer ehemals zulässigen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage hervor und hat daher auch die charakteristischen Voraussetzungen der Gestaltungsklage zu erfüllen. Nach der gesetzlichen Grundkonzeption liegt ihr demnach eine gegenüber der allgemeinen Feststellungsklage unterschiedliche Ausgangssituationen zugrunde. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn das „berechtigte Interesse“ entsprechend der prozessualen Grundkonzeption unterschiedlich ausgelegt wird.

III. Die unterschiedlichen Prozesssituationen in der Auslegungspraxis Obwohl der Fortsetzungsfeststellungsklage in ihren verschiedenen Ausformungen unterschiedliche Ausgangssituationen zugrunde liegen, werden in der Praxis an das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses die gleichen Anforderungen gestellt. Im Interesse der Übersichtlichkeit und einer angemessenen Handhabung der Fallgruppen in der Praxis ist dies nicht zu beanstanden. Zudem würde es sonst dem zufälligen Zeitpunkt der Erledigung überlassen sein, welche Anforderungen an das Vorliegen eines Feststellungsinteresses zu stellen sind.26 1. Analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO bei Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung Der „Fortsetzungsbonus“ hilft nichts, wenn die Erledigung bereits vor Klageerhebung eingetreten ist. Hier kann nicht mit einem Erhalt der bereits gewonnenen Früchte des Prozesses argumentiert werden. Aus diesem Grund lehnt die Rechtsprechung auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung einer beabsichtigten Amtshaftungsklage bei Erledigung des Verwaltungsakts vor Klageerhebung ab.27 Die Situation, in der sich der Kläger befindet, entspricht derjenigen der allgemeinen Feststellungsklage nach § 43 VwGO. Da die allgemeinen Erwägungen eines Fruchterhalts für die Auslegung des „berechtigten Interesses“ nicht herangezogen werden können, liegt es nahe, an das Vorliegen eines Feststellungsinteresses in diesem Fall strengere Anforderungen zu stellen als im Fall einer Erledigung des Verwaltungsakts nach Klageerhebung.28 Sollte sich allerdings herausstellen, dass angesichts der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine gerichtliche 09.02.1967 – Az.: I C 49/64, BVerwGE 26, 161 (166); BayVGH, Urt. v. 13.05.1997 – Az.: 22 B 96/3327, BayVBl 1997, 594; Rozek, JuS 1995, 598 (598 f.). 25 So auch Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 107. 26 Göpfert, Die Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 39; R. P.  Schenke, NVwZ 2000, 1255 (1257); Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (447 f.); Rozek, JuS 2000, 1162 (1166). 27 Siehe hierzu 1. Kap. C. VI. 1. 28 Stuhlfauth, in: Bader / ​Funke-Kayser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  74.

A. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse 

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Entscheidung in dieser Konstellation erforderlich ist, muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als dieses Anliegen konkretisierende Sachentscheidungsvoraussetzung bejaht werden. 2. Analoge Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auf die Verpflichtungsklage Sofern eine Verpflichtungssituation29 zugrunde liegt, kann für die Auslegung des „berechtigten Interesses“ kein Unterschied zur Anfechtungssituation gemacht werden.30 Subjektive Rechtsschutzerwägungen wie auch objektive Kontrollanliegen spielen hier in gleicher Weise eine Rolle. 3. Anwendung im Berufungszulassungsverfahren bzw. Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren Erledigt sich der Verwaltungsakt erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils, aber vor Ablauf der Frist zur Begründung eines Antrags auf Zulassung der Berufung, sind neben dem Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO auch die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO und damit insbesondere ein Feststellungsinteresse durch den Rechtsmittelführer geltend zu machen.31 Gleiches gilt für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Revision nach § 133 Abs. 3 VwGO.32 Fehlt es an einem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse, muss der Antrag auf Zulassung zur Berufung bzw. die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erfolglos bleiben. Im Ergebnis erweist sich die vom zuständigen Gericht getroffene Entscheidung über die Nichtzulassung des Rechtsmittels dann als zutreffend.33 Tritt die Erledigung des Verwaltungsakts erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO ein, muss nachträglich im Berufungsverfahren das „berechtigte Interesse“ dargelegt werden.34 An die Auslegung 29

Die Fortsetzungsfeststellungsklage wird analog auch für die Verpflichtungssituation angewendet, BVerwG, Urt. v. 21.01.1992 – Az.: 7 C 24/91, BVerwGE 89, 354 (355). Eine doppelte Analogie wird angenommen, wenn sich die Verpflichtungsklage vor Klageerhebung erledigt hat, BVerwG, Urt. v. 22.04.1977 – Az.: VII C 17/74, BVerwGE 52, 313 (316). 30 So auch BVerwG, Urt. v. 06.09.1962 – Az.: BVerwG VIII C 78/60, NJW 1963, 553 (553 f.). 31 VGH BW, Beschl. v. 07.01.1998 – Az.: 7 S 3117/97, NVwZ-RR 1998, 371; OVG Nds., Beschl. v. 17.08.2006 – Az.: 2 LA 1192/04, NVwZ-RR 2007, 67 (67 f.); BayVGH, Beschl. v. 21.01.2008 – Az.: 11 ZB 07/371, BeckRS 2008, 27429; jüngst auch OVG NRW, Beschl. v. 21.09.2018 – 19 A 2613/17, BeckRS 2018, 31305. 32 BVerwG, Beschl. v. 21.08.1995 – Az.: 8 B 43/95, NVwZ-RR 1996, 122. 33 So BayVGH, Beschl. v. 21.01.2008 – Az.: 11 ZB 07/371, BeckRS 2008, 27429; Decker, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO § 113 Rn. 103; Happ, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 124a Rn. 78a. 34 BayVGH, Beschl. v. 02.03.2017 – Az.: 4 ZB 16.1852, BayVBl 2018, 281 (282); Decker, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO § 113 Rn. 103; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 106; Seibert, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 124a Rn. 341a; Stuhlfauth, in: Bader / ​Funke-Kaiser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 124a Rn.  89.

36 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands des „berechtigten Interesses“ bei Erledigung des Verwaltungsakts nach einem erstinstanzlichen Urteil werden insoweit die gleichen Anforderungen gestellt wie bei Erledigung des Verwaltungsakts während der ersten Instanz und damit bevor ein Urteil überhaupt ergehen konnte. Dies steht auch im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Zwar verlangt die verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie nicht die Gewährleistung eines mehrstufigen gerichtlichen Verfahrens.35 Ist allerdings ein Instanzenzug vorgesehen, ist auch die zweite Instanz Rechtsweg i. S. d. Art. 19 Abs. 4  S. 1 GG. Der Zugang darf auch hier nicht in „unzumutbarer Weise“ erschwert werden.36 An das Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ dürfen dann grundsätzlich keine strengeren Anforderungen gestellt werden, wie sie für den Zugang zur ersten Instanz gelten.

B. Die bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ zu berücksichtigenden Wertungsgesichtspunkte Die folgende Darstellung ist als Vorüberlegung für die anschließende Rechtsprechungsanalyse gedacht. An dieser Stelle soll der Frage nachgegangen werden, welche Wertungen bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ eine Rolle spielen. Damit lässt sich auch beantworten, welche Funktion das Fortsetzungsfeststellungsinteresse neben den sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Im zweiten Schritt sollen dann anhand konkreter Einzelfallentscheidungen die für die Gerichte bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ entscheidenden Wertungsgesichtspunkte offengelegt werden.

I. Individualrechtsschutz 1. Erledigung des Verwaltungsakts und verwaltungsgerichtliches Individualrechtsschutzsystem der VwGO Das deutsche Individualrechtsschutzsystem ist von der Vorstellung eines „reak­ tiven Rechtsschutzes“37 gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt geprägt. Die Rechtsverletzung muss bereits eingetreten sein38 oder es muss zu 35

So die h. M., vgl. BVerfG, Urt. v. 21.10.1954 – Az.: 1 BvL 2/53, BVerfGE 4, 74 (94 f.); Urt. v. 22.01.2004 – Az.: 4 A 32/02, BVerwGE 120, 87 (93); Ibler, in: Friauf / ​Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar, GG, Art. 19 IV Rn. 191; Sachs, Verfassungsrecht II – Grundrechte, Kap. 30 Rn.  27; a. A. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 243 f. 36 BVerfG, Beschl. v. 29.10.1975 – Az.: 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272 (275). 37 Schmidt-Aßmann / ​Schenk, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Einl. Rn. 23; ebenso Dietlein, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/2, § 123 IV 3 a). 38 Papier, in: Isensee / ​Kirchhof (Hrsg.), HStR VIII, § 177 Rn. 92; R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozess, S. 125; W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 465 f.

B. Wertungsgesichtspunkte

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mindest eine konkrete Rechtsgefährdung zu erwarten sein, bei der ein Abwarten zu irreversiblen Schäden führen könnte39. Umgekehrt nimmt die Notwendigkeit für gerichtlichen Rechtsschutz naturgemäß ab bzw. entfällt, wenn die Rechtsverletzung zwischenzeitlich wieder beendet wurde und keine Beeinträchtigungen hinterlassen hat. Unzutreffend wäre es allerdings, von der Erledigung des Verwaltungsakts auf die Beendigung der damit verbundenen Rechtsverletzung zu schließen.40 Das mag zwar teilweise der Fall sein; hält die Rechtsverletzung aber auch nach Erledigung des Verwaltungsakts an, ist dem Betroffenen wegen Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auch hier ein wirksames gerichtliches Rechtsschutzverfahren zur Seite zu stellen. Nicht überzeugend ist es, Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren unter Verweis auf ein fehlendes Fortsetzungsfeststellungsinteresse abzulehnen, weil dem Rechtsschutzsuchenden die Möglichkeit des Rechtsschutzes im Eilverfahren offenstand und er damit eine gerichtliche Entscheidung vor Erledigung des Verwaltungsakts hätte erreichen können.41 Ein Eilverfahren gewährleistet lediglich vorläufigen Rechtsschutz; die behördliche Entscheidung wird insoweit nur einer summarischen Überprüfung unterzogen. Zudem entfiele damit auch die Möglichkeit, im Revisionsverfahren eine Rechtsvereinheitlichung zu erreichen, da nach § 152 Abs. 1 VwGO eine Entscheidung des OVG / ​VGH im Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung der Revision unanfechtbar ist.42 Aus diesem Grund ist in der Rechtsordnung grundsätzlich ein Hauptsacheverfahren vorzusehen, dessen Ausgestaltung sich nach den materiell-rechtlich vorgesehenen Sanktionsfolgen bestimmt.43 Das gerichtliche Verfahren muss so ausgestaltet sein, dass es in der Lage ist, einen andauernden rechtswidrigen Eingriff in die Rechte des Bürgers abzuwehren und die Rechtsstellung des Klägers wiederherzustellen.44 Dabei stellt die Rechtswidrigkeitsfeststellung das Minimum an Rechtsschutz dar, das Art. 19 Abs. 4 39 Jarass, in: ders. / ​Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 58; W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​ Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 467; ders., Verwaltungsprozessrecht, Rn. 356–362a.; Ule, VerwArch 65 (1974), 291 (306 f.). 40 So auch W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102. 41 BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (86–88): „Wenn die Verwaltungsgerichte das Hauptsacheverfahren wegen des vermeintlichen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses nicht durchführen müssten, würde einer fortbestehenden verfassungsrechtlichen Beschwer im fachgerichtlichen Verfahren nicht abgeholfen.“ 42 So auch Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 121 unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (86). 43 Bettermann, in: ders. / ​Nipperdey / ​Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/2, 779 (802); Kingreen / ​Poscher, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 1171; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 274 f.; ders., AöR 105 (1980), 623 (626); W.-R. Schenke, in: Kahl / ​ Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 470; ders., in: Festschrift Mühl, 571 (584). 44 Siehe hierzu Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, S. 21–31; W.-R.  Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 470.

38 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands S. 1 GG verlangt.45 Regelmäßig wird sie allerdings nicht ausreichen, um die einmal eingetretene Rechtsverletzung zu beseitigen, da die Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht gewährleisten kann, dass sie auch tatsächlich beseitigt wird.46 Ist der Ursprung der Rechtsverletzung allerdings nicht mehr existent und kann deshalb auch nicht mehr beseitigt werden, bleibt nur noch die Rechtswidrigkeitsfeststellung. So stellt sich die Sachlage nach Erledigung des Verwaltungsakts im Klageverfahren dar. Abgesehen von jenen Fällen, in denen sich der Verwaltungsakt mit ex-nunc-Wirkung47 erledigt und eine gerichtliche ex-tunc-Aufhebung noch in Betracht gezogen48 und tatsächlich verfolgt wird49, ist grundsätzlich die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Hoheitsakts ausreichend, um individuellen Rechtsschutz leisten zu können, obschon das Urteil nicht vollstreckbar ist.50 Hierfür kommt neben der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO auch die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO51 in Betracht. Im Gegensatz zur Fortsetzungsfeststellungsklage werden für die allgemeine Feststellungsklage weniger strenge Sachurteilsvoraussetzungen verlangt. Es ist zwar umstritten ob eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO zu verlangen ist52, eine Klagefrist und ein Vorverfahren sind jedoch grundsätzlich nicht vorgesehen53. System 45

Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 136; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 280; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4 Rn. 106. 46 Brenner, DV 31 (1998), 1 (23); Dietlein, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/2, § 123 V 4 b); W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 225; a. A. Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 288. 47 Das ist nach Schemmer, in: Bader / ​Ronellenfitsch (Hrsg.), VwVfG, § 43 Rn. 46 regelmäßig der Fall. 48 In der Regel ist der Mehrwert einer solchen gerichtlichen Entscheidung vor dem Hintergrund, dass er infolge der Erledigung jedenfalls für die Zukunft keine Regelungswirkung mehr entfaltet, nicht ersichtlich, so auch R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 130; W.-R. Schenke, in: Festschrift Menger, 461 (461, 464 f.). 49 Vgl. zu den Fällen, die trotz ex-nunc-Erledigung über die Anfechtungsklage gelöst werden, 2.  Kap, C., II., 1., b). 50 Die Rspr. geht davon aus, dass der Verwaltungsakt mit rechtskräftiger Feststellung seiner Rechtswidrigkeit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, BVerwG, Urt. v. 31.01.2002 – Az.: 2 C 7/01, BVerwGE 116, 1 (2), so auch Bettermann, in: ders. / ​Nipperdey / ​Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte III/2, 779 (802). 51 Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ist zwar kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i. S. d. § 43 VwGO. Der Verwaltungsakt geht aber aus einem solchen hervor, sodass die Frage nach der Berechtigung der Behörde zum Erlass des Verwaltungsakts ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist. Zudem kann die allg. Feststellungsklage auch auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von vergangenen Rechtsverhältnissen gerichtet sein. Vgl. hierzu W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 401–404. 52 Die h. M. bejaht dies, vgl. BVerwG, Urt. v. 29.06.1995 – Az.: 2 C 32/94, BVerwGE 99, 64 (66); Brüning, JuS 2004, 882 (884); Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (143 f.); Kugele, in: ders. (Hrsg.), VwGO, § 42 Rn. 45; a. A. Knöpfle, in: Festschrift Lerche, 771 (783 f.); Laubinger, VerwArch 82 (1991), 459 (485–495); W.-R. Schenke. / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 42 Rn. 63. 53 Im Gegensatz zur allgemeinen Feststellungsklage ist für die Fortsetzungsfeststellungsklage nach h. M. jedenfalls bei Erledigung des Verwaltungsakts nach Bestandskraft ein Vorverfahren erforderlich, vgl. statt vieler W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO,

B. Wertungsgesichtspunkte

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konform ist im Fall der Erledigung des Verwaltungsakts daher nur die Fortsetzungsfeststellungsklage54, da andernfalls Rechtsschutz gegen eine vergangene Rechtsverletzung in weiterem Umfang zulässig wäre als es durch Anfechtungsund Verpflichtungsklage bei einer gegenwärtigen Rechtsverletzung möglich wäre.55 Dies steht zudem im Einklang mit dem Subsidiaritätsgrundsatz nach § 43 Abs. 2 VwGO, der insoweit auch im Verhältnis Fortsetzungsfeststellungsklage – allgemeine Feststellungsklage greift.56 2. Funktion des Fortsetzungsfeststellungsinteresses im Hinblick auf den Individualrechtsschutzgedanken Der Entscheidung des Gesetzgebers nach zu urteilen soll die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nach Erledigung nur in Ausnahmefällen erfolgen, nämlich nur, wenn dafür ein „berechtigtes Interesse“ besteht (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO). Die Darlegung eines Klägerinteresses stellt also die Hürde für den Zugang zu Gericht dar. Zugangsbeschränkungen sind mit der Rechtsweggarantie grundsätzlich vereinbar, sofern dadurch der Rechtsschutz nicht in unzumutbarer Weise erschwert wird.57 Als klassische Zugangsbeschränkung kann auf das allgemeine Rechtsschutzinteresse bzw. Rechtsschutzbedürfnis verwiesen werden. Beide Begriffe werden häufig synonym verwendet. Es entspricht der allgemeinen Auffassung, dass für jede Verfahrensart ein allgemeines Rechtsschutzinteresse bzw. -­bedürfnis zu verlangen ist, auch wenn sich dieses in seinen Ausprägungen nach den verschiedenen Klagearten unterscheidet.58 Der Gang vor das Verwaltungsgericht steht aus diesem Grund dann nicht offen, wenn es an einem Rechtsschutzin-

§ 113 Rn. 126. Für eine entsprechende Anwendung der Klagefrist bei Erledigung des Verwaltungsakts nach Klageerhebung etwa Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 149. Bei Erledigung vor Klageerhebung wird auf die Durchführung eines Vorverfahrens und die Einhaltung der Klagefrist zwar verzichtet, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt noch nicht bestandskräftig ist. 54 Siehe hierzu W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 99; soweit das BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – Az.: 6 C 7/98, BVerwGE 109, 203 (208 f.) in jüngerer Zeit eine Entscheidung zwischen beiden Klageformen für entbehrlich hielt, kann dem vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. 55 W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 98; W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (139). 56 BVerwG, Urt. v. 11.07.1968 – Az.: VIII CB 45/67, Buchholz § 113 VwGO Nr. 38, S. 76; Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 77; W.R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 98. 57 BVerfG, Beschl. v. 12.01.1960 – Az.: 1 BvL 17/59, BVerfGE 10, 264 (268); Krebs, in: v. Münch / ​Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, Art. 19 Rn. 70; Papier, in: Isensee / ​Kirchhof (Hrsg.), HStR VIII, § 177 Rn. 63; W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 190. 58 So W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 560.

40 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands teresse bzw. -bedürfnis fehlt.59 Das Rechtsschutzinteresse bzw. -bedürfnis ist auch nach Erledigung des Streitgegenstands zweifelhaft, sodass es naheliegend wäre, das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Unterfall des allgemeinen Rechtsschutzinteresses einzuordnen. Parallelen zwischen Fortsetzungsfeststellungsinteresse und allgemeinem Rechtsschutzinteresse lassen sich nicht von der Hand weisen. Die Einstufung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses als besondere Ausprägung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses scheint daher zunächst eine plausible Erklärung zu sein, da infolge der Erledigung eine Aufhebung des Verwaltungsakts nicht mehr möglich ist und damit eine Situation der Nutzlosigkeit der Klage eingetreten ist, die grundsätzlich das Fehlen des allgemeinen Rechtsschutzinteresses indiziert60.61 Im Gegensatz zum allgemeinen Rechtsschutzinteresse wurde das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Sachurteilsvoraussetzung der Klage jedoch positiv normiert. Während das Vorliegen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses grundsätzlich vermutet und nur verneint wird, wenn trotz Vorliegens aller Sachurteilsvoraussetzungen die angestrebte Klage zum Schutz subjektiver Rechte nicht erforderlich ist62, muss das Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO positiv dargelegt werden.63 Dies ist der unterschiedlichen prozessualen Situation geschuldet: Das Rechtsschutzinteresse bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zu vermuten, da der Kläger keine andere Möglichkeit besitzt, die Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts oder den Erlass des begehrten Verwaltungsakts zu erreichen und das Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz damit offensichtlich ist.64 Zwar fehlt es auch nach Erledigung des angegriffenen Verwaltungsakts an Rechtsschutzalternativen.65 Infolge der Erledigung des Verwaltungsakts kann allerdings nicht mehr ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass gerichtlicher Rechtsschutz noch erforderlich ist. Mit der Darlegung eines Fortsetzungsfeststel-

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Ehlers, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 40 Rn. 74; Ibler, in: Friauf / ​ Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 330; W.-R. Schenke, in: Kahl / ​ Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 190; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 244. 60 Das Fehlen eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses wird u. a. angenommen, wenn die Klage für den Kläger nutzlos ist, der Kläger das Ziel auf einfacherer Art und Weise erreichen kann, eine andere mögliche Rechtsschutzform dem Kläger weiterreichenden Rechtsschutz bietet als die gewählte Klage oder das Rechtsschutzbegehren nicht schutzwürdig ist. Siehe zu den nicht abschließenden Fallgruppen Bock, Rechtsschutzbedürfnis, S. 63–76; Christonakis, Das verwaltungsprozessuale Rechtsschutzinteresse, S. 40–46; mit weiteren Erscheinungsformen Ehlers, in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 21 Rn. 187–204; Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, § 13 Rn. 1; W.-R. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 40 Rn. 38–57; Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 29 ff. 61 So Geiger, in: Festschrift 45. DJT, 61 (77); Lewer, Das Merkmal des berechtigten Interesses bei der Fortsetzungsfeststellungsklage, S. 99 ff.; in diese Richtung auch Mann / ​Wahrendorf, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 165. 62 R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 130. 63 Vgl. hierzu bereits 1. Kap., Fn. 8. 64 W.-R. Schenke, in: Festschrift Menger, 461 (470). 65 Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 90.

B. Wertungsgesichtspunkte

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lungsinteresses wird insoweit sichergestellt, dass eine gerichtliche Entscheidung im Erledigungsfall nur ausnahmsweise erfolgt. Soweit die Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine Entscheidung verlangt, findet diese Wertung Eingang in die Auslegung des „berechtigten Interesses“; es übernimmt insoweit die Funktion eines besonderen Nachweises für das anhaltende Bedürfnis nach individuellem Rechtsschutz.

II. Die Verobjektivierung der Fortsetzungsfeststellungsklage Im System des Individualrechtsschutzes ist es nicht selbstverständlich, dass eine gerichtliche Kontrolle auch noch in Betracht kommen kann, nachdem die subjektive Rechtsverletzung des Klägers bereits beseitigt wurde. In Anbetracht dessen nimmt die Fortsetzungsfeststellungsklage eine besondere Stellung im nationalen Rechtsschutzsystem ein, denn sie eröffnet die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung eines Verwaltungsakts nachdem die Rechtsverletzung bereits beendet ist. Damit sich die Verwaltungsgerichte in diesen Fällen nicht zu einer reinen Gutachteninstanz erheben, die zu lediglich hypothetischen Rechtsfragen Stellung bezieht, hat der Gesetzgeber die Fortführung des Verfahrens nach Erledigung des Ver­ waltungsakts von einem „berechtigten Interesse“ des Klägers abhängig gemacht; ein Feststellungsurteil soll nach Erledigung folglich nur ergehen, wenn es geeignet ist, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern66. Vor diesem Hintergrund finden typischer­weise subjektive Rechtsschutzanliegen Eingang in die Auslegung des „berechtigten Interesses“. Da die Fortführung des Verfahrens jedoch gerade nicht an eine anhaltende Rechtsverletzung des Klägers geknüpft ist, sondern stattdessen ein „berechtigtes Interesse“ des Klägers ausreichend ist, können mit der Fortsetzungsfeststellungsklage auch andere Zwecke als die subjektive Rechtsdurchsetzung verfolgt werden. Die Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG steht dem nicht entgegen, denn sie schließt objektive Kontrollverfahren keineswegs aus67; der Gesetzgeber kann vielmehr – wie es auch beispielsweise in §§ 42 Abs. 2, Hs. 1 VwGO, 54 Abs. 1 S. 2, Hs. 1 SGG, 40 Abs. 2, Hs. 1 FGO erfolgte68 – objektive Kontrollverfahren im Einzelfall zulassen.

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Vgl. 1. Kap., Fn. 16. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – Az.: BVerwG 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62 (72); Brüning, in: Stern / ​Becker (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 101; Dietlein, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/2, § 123 II 4 a), b); Eichberger, Objektive Verwaltungskontrolle aus verfassungsrechtlicher Sicht, S. 3; Krebs, DV 21 (1988), 155 (164); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 9; Schwachheim, in: Umbach / ​Clemens (Hrsg.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 162. 68 Dazu Wahl / ​Schütz, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 37–42. 67

42 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands 1. Objektive Rechtskontrolle im System des Individualrechtsschutzes Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht durchaus Verfahren vor, die losgelöst von einem potenziell verletzten subjektiven Recht in erster Linie eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zum Ziel haben.69 Aber auch Individualrechtsschutzverfahren lassen sich zu Zwecken einer objektiven Kontrolle des Verwaltungshandelns instrumentalisieren, wenn die subjektive Rechtsverletzung nur noch den Vorwand bzw. Anlass der Gerichtskontrolle darstellt, Ziel des Verfahrens jedoch nicht mehr der Schutz subjektiver Rechte, sondern die objektive Rechtskontrolle der Verwaltung ist.70 Zumindest dem Grunde nach ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zur Verfolgung objektiver Kontrollinteressen besonders geeignet: Ausgangspunkt des Verfahrens ist die von dem Verwaltungsakt ausgehende Rechtsverletzung des Klägers. Je weiter sich das gerichtliche Kontrollprogramm nach Erledigung des Verwaltungsakts von der subjektiven Rechtsverletzung entfernt, umso mehr wird damit auch der Zweck des Verfahrens geändert.71 Sofern von dem streitgegenständlichen Verwaltungsakt nach seiner Erledigung keine anhaltende, die Rechtsstellung des Klägers beeinträchtigende Wirkung mehr ausgeht und der Kläger folglich keines gerichtlichen Rechtsschutzes zur Verteidigung seiner subjektiven Rechte mehr bedarf, erfolgt eine gerichtliche Überprüfung des Verwaltungsakts in erster Linie noch zu dem Zweck einer objektiven Verwaltungskontrolle.72 Ist das Feststellungsurteil dennoch geeignet, die Rechtsstellung des Klägers zu verbessern, ist dies – auch aus systematischer Sicht – nicht zu beanstanden. Wird die Verfahrensfortsetzung jedoch nicht mehr von einem individuellen Klägerinteresse abhängig gemacht, sondern stattdessen bereits ein abstraktes Interesse an der Klärung streitiger Rechtsfragen für ausreichend erachtet, ergeht ein Fortsetzungsfeststellungsurteil in diesem Fall ausschließlich noch zu objektiven Kontrollzwecken. Durch eine entsprechende Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses wird den Gerichten damit die Möglichkeit eröffnet, zu einer Rechtsfrage Stellung zu beziehen, die für die konkrete Streitbeilegung nicht mehr erforderlich wäre.73

69 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 61; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 113 Rn. 9–15. Zu denken ist hier nur an die verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle auf Antrag einer Behörde nach § 47 VwGO, vgl. W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 873; Würtenberger / ​Heckmann, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 499. In diese Kategorie lassen sich auch die umweltrechtlichen Verbandsklagen nach § 64 BNatSchG, § 3 UmwRG einreihen. 70 Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 62. 71 Dies feststellend Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 65 f. 72 Diering, Instanzenverlust durch Selbstbindung, S. 35. 73 Dies unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 23.03.1982 – Az.: 1 C 157/79, BVerwGE 65, 167 (168–174) feststellend Krebs, DV 21 (1988), 155 (171 Fn. 78): „Das Gericht weist eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Ergebnis mit der Begründung ab, daß der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. Gleichwohl prüft es die objektive (!) Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts und stellt seine Rechtswidrigkeit fest. Dieser (entscheidungsirrelevante) Teil des Urteils ist reine Rechtsberatung.“

B. Wertungsgesichtspunkte

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Das ist bedenklich, weil es nicht der Funktion der Judikativen entspricht, jenseits des Einzelfalls und der konkreten Streitentscheidung im Interesse der Allgemeinheit rechtskonkretisierend tätig zu werden. 2. Einfluss der Rechtsprechung Die mit einer „Verobjektivierung“ des Fortsetzungsfeststellungsinteresses verbundene Veränderung des Zwecks der Fortsetzungsfeststellungsklage ist angesichts des Einflusses, den die die Rechtsprechung auf die Gesetzesinterpretation und Gesetzesanwendung ausübt, bedenklich. Den Rechtsausführungen der obersten Gerichte wird regelmäßig eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen.74 Rechtsbildung durch Präjudizien existiert im Verfassungs- wie Verwaltungsrecht, ungeachtet der Vielzahl an Fragen, die damit aufgeworfen werden.75 Dass sich die Verwaltung in gleich oder ähnlich gelagerten Streitfällen nicht noch einmal auf die von den Verwaltungsgerichten verworfene Rechtsauffassung stützen wird76, ist in erster Linie ein empirischer Befund77. Die Behörde und auch untergeordnete Gerichte sind rechtlich nicht verpflichtet, einer höchstrichterlichen Entscheidung zu folgen.78 Wollten sie jedoch abweichend von der höchstrichterlichen Rechtsauffassung entscheiden, bedarf dies zumindest einer überzeugenden Begründung.79 Einzukalkulieren sind zudem die Möglichkeit der Aufhebung des Verwaltungsakts im Rechtsmittelverfahren und drohende haftungsrechtliche Konsequenzen.80 Das Urteil trägt damit zwar nicht rechtlich verbindlich, jedoch in 74

Bumke, in: ders. (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 33 (40 f.); Krebs, DV 21 (1988), 155 (156); ders., Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 58; Meyer-Hentschel, DÖV 1978, 596 und passim; W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 399; ausführlich zur faktischen Bindungswirkung obergerichtlicher Rechtsprechung gegenüber den Instanzengerichten Knill / ​Schäfer / ​ Winkler, DV 42 (2009), 55 (56 f.). 75 Badura, in: Blaurock (Hrsg.), Die Bedeutung von Präjudizien, 49 (50). 76 Brohm, DV 24 (1991), 137 (144). 77 Allgemein zur „wirklichkeitswissenschaftlichen Erkenntnis“ hinsichtlich der Wirkung von Kontrolle Kempny, Verwaltungskontrolle, S. 251 f.; ebenso Schmidt-Aßmann, in: ders. / ​ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 9 (40 f.); Schwarze, DVBl 1974, 893 (896). 78 Die herrschende Meinung und auch die Rechtsprechung verneinen die Normqualität und die Bindung an verallgemeinerungsfähige Äußerungen der Gerichte, so etwa BVerfG, Beschl. v. 15.01.2009 – Az.: 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248 (277); Beschl. v. 15.07.2015 – Az.: 2 BvR 2292/13, BVerfGE 140, 42 (61); Schröder, Gesetzesbindung des Richters und Rechtsweggarantie im Mehrebenensystem, S. 58. Auch sie verkennen den tatsächlichen Einfluss der höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch nicht, vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 432; dies speziell für unbestimmte Rechtsbegriffe feststellend ders., in: Festschrift Schima, 247 f.; Ossenbühl, Richterrecht im demokratischen Rechtsstaat, S. 10 ff.; Picker, JZ 1988, 62 (74). Auch die Rspr. geht davon aus, dass sich die Gerichte mit der höchstrichterlichen Rspr. auseinanderzusetzen haben, um einem Vorwurf der Willkürhandlung zu entgehen, vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.01.2010 – 2 BvR 906/09, BeckRS 2011, 48479. 79 BFH, Beschl. v. 07.12.2010 – IX R 70/07, BFHE 232, 121 (130–132). 80 Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 42 f.

44 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands tatsächlicher Weise zur Bestimmung und Lenkung des künftigen Verwaltungshandelns bei. Auslegung, Konkretisierung und Lückenschließung der Gesetze durch die Gerichte ist zwar Teil der Rechtsprechungsaufgabe und stellt die notwendige Verbindung zwischen abstrakter Norm und konkretem Fall her.81 Abstrakt-generelle Rechtsausführungen sind allerdings nur legitim, wenn sie sich als entscheidungserheblich erweisen.82 Den Gerichten ist es daher verwehrt, zu streitunabhängigen Rechtsfragen Stellung zu beziehen.83 Gehen die Verwaltungsgerichte von einem „berechtigten Interesse des Klägers“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO aus, obwohl das Urteil in diesen Fällen nicht mehr dem Zweck dient, die individuelle Rechtsstellung des Klägers zu verbessern, wird mit dem Urteil zu einer vom Einzelfall losgelösten abstrakten Rechtsfrage Stellung bezogen, ohne dass dies zur Beilegung des konkreten Streitfalls noch beitragen könnte. Mit Blick auf die Gewaltengliederung und die Eigenständigkeit der Verwaltung ist diese Einflussnahme der Rechtsprechung höchst fragwürdig, denn je umfassender die Verwaltungsgerichte das administrative Handeln kontrollieren und korrigieren und damit lenkend auf den Entscheidungsprozess der Verwaltung einwirken, umso eher beschränkt sich die Arbeit der Behörde darauf, die Entscheidung in Einklang mit der Rechtsprechungslinie zu bringen.84 3. Folgen für die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann also relativ leicht zum Einfallstor für eine gerichtliche Kontrolle werden, deren primärer Zweck nicht mehr in der Beseitigung der Rechtsverletzung des Klägers liegt, sondern stattdessen Raum für eine umfassende Verwaltungskontrolle im Interesse der Allgemeinheit bietet. Die subjektive Rechtsverletzung stellt damit tatsächlich nur noch den Anlass für eine auf objektive Kontrollinteressen gestützte Verwaltungskontrolle als Beitrag zur Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Im Einklang mit dem Gesetz ist dies möglich, soweit der Kläger dennoch ein „berechtigtes Interesse“ an dem Feststellungsurteil darlegen kann. Sollte in der Rechtsprechungspraxis allerdings die Tendenz zu einer Instrumentalisierung der Fortsetzungsfeststellungsklage für ausschließlich objektive Kontrollinteressen jenseits eines individuellen 81

Badura, in: Verhandlungen des Dt. Sozialgerichtsverbands, 40 (47 f.); Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, S. 93; Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, S. 164–174; Schmidt-Aßmann / ​Schenk, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Einl. Rn. 165; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 102; Wolff / ​ Bachof / ​Stober / ​Kluth, VerwR I, § 25 Rn. 28. 82 Payandeh, Judikative Rechtserzeugung, S. 213. 83 So etwa Cappelletti, The Judicial Process in Comparative Perspective, S. 34. 84 Badura, in: Blaurock (Hrsg.), Die Bedeutung von Präjudizien, 49 (60 f.); Brohm, DVBl 1986, 321 (323 f.); ders., DV 24 (1991), 137 (145); überspitzt Kissel, NJW 1982, 1777 (1782); Maier, in: 57. DJT, Bd. II, H 32 (43); Schmidt-Aßmann, in: Festschrift Menger, 107 (113); Sendler, VBlBW 1989, 41 (50).

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Klägerinteresses festzustellen sein, wird damit weniger ein Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Hinblick auf subjektives / ​objektives Kontrollmodell angesprochen, sondern vielmehr ein Wandel in der judikativen Funktion und dem richterlichen Selbstverständnis erkennbar.85

III. Prozessökonomie Die Fortführung des Verfahrens nach Erledigung des Verwaltungsakts ist auch eine prozesswirtschaftliche Frage. Dies wurde von der Rechtsprechung zum „berechtigten Interesse“ zum Teil ausdrücklich hervorgehoben.86 Das Verfahren in diesem Stadium zu beenden heißt auch immer, wertvolle Arbeit der Gerichte zu verwerfen. Vertretbar ist dies nur, wenn für das begehrte Urteil tatsächlich kein Bedürfnis mehr besteht. Anschaulich wird insoweit von dem prozessualen Fruchterhalt oder „Fortsetzungsbonus“ gesprochen. Prozessökonomie bedeutet allerdings auch, die nur in beschränktem Maße zur Verfügung stehenden gerichtlichen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Damit die Gerichte ihren Rechtsschutzauftrag erfüllen können, muss der sinnvolle Einsatz der gerichtlichen Mittel sichergestellt werden.87 Das heißt auch, dass Einschränkungen des Gerichtszugangs hinzunehmen sind, wenn damit einer Überlastung der Gerichte entgegengewirkt wird und damit ein Beitrag zu Verwirklichung eines Gesamtsystems effektiven Rechtsschutzes geleistet werden kann.88 Die Gefahr, dass Gerichte zu einer schlichten Gutachteninstanz werden, ist im Fall der Fortsetzungsfeststellungsklage besonders groß. Das Argument des prozessualen Fruchterhalts und „Fortsetzungsbonus“ sollte aus diesem Grund nur in Maßen Eingang in die Auslegung des „berechtigten Interesses“ finden.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen  Ob ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der konkreten Situation gegeben ist, wird anhand bestimmter Fallgruppen überprüft. Im Einklang mit der verwaltungsprozessualen Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG würde es stehen, wenn die Fallgruppen all jene Situationen zusammenfassen, in denen der Schutz individueller Rechte auch nach Erledigung des Verwaltungsakts weiterhin erforderlich ist. Damit eng verbunden ist die Frage, inwiefern der Schutz subjektiver Rechte noch erreicht werden kann, wenn eine Aufhebung des rechtswidrigen Ver 85

Diesen Wandel nachzeichnend Rennert, Der Funktionswandel der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 10–12. 86 BVerwG, Urt. v. 06.09.1962 – Az.: BVerwG VIII C 78/60, NJW 1963, 553; ebenso Heinze  / ​ Sahan, JA 2007, 805 (806). 87 Nolte, Die Eigenart des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 200 f.; Pitschas, ZRP 1998, 96 (97 f.); W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 77a; Sodan, DÖV 2005, 764 (765 f.). 88 Anders aber Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 124 Fn. 658.

46 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands waltungsakts bzw. die Verpflichtung oder Bescheidung der Behörde offensichtlich ausscheiden muss. Sofern einzelne Fallgruppen nicht der Durchsetzung der Rechte des Klägers dienen, ist zu untersuchen, inwieweit damit anderweitige Kontrollinteressen befriedigt werden und wie dies rechtlich zu bewerten ist.

I. Funktion einer Einteilung in Fallgruppen Nach der Rechtsprechung kann ein „berechtigtes Interesse“ des Klägers in rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Hinsicht gegeben sein.89 Erforderlich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers zu verbessern.90 Dieser allgemeinen Präzisierung des „berechtigten Interesses“ kann für die Praxis nur wenig abgewonnen werden. Rechtsprechung und Literatur haben deshalb zur Bewältigung der Vielzahl von Klageverfahren verschiedene Konstellationen, für die ein „berechtigtes Interesse“ anzunehmen ist, nach Fallgruppen sortiert. Zu den anerkannten Fallgruppen zählen die der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses und des Präjudizinteresses. Darüber hinaus kursiert eine weitere Kategorie, die hier vorerst allgemein die Bezeichnung „Beeinträchtigung von Grundrechten“ tragen soll. Die Bildung von Fallgruppen birgt allerdings die Gefahr, dass diese in ihrem Bedeutungsgehalt überbewertet werden. Angesichts der Vielfältigkeit von Fallgestaltungen, die täglich vor den Verwaltungsgerichten verhandelt werden, sollten sie in ihrer Funktion nicht mehr als „systematisierte Beispiele“91 darstellen, die keineswegs als abschließend zu verstehen sind.92 In der Praxis der Gerichte lassen sich insoweit zwei in sich gegensätzliche Tendenzen feststellen: Einerseits wird das Feststellungsinteresse verneint, weil sich der gegebene Sachverhalt keiner Fallgruppe zuordnen lässt93, was vor allem dem Bestreben der Rechtsprechung geschuldet ist, eine gerichtliche Überprüfung erledigter Verwaltungsakte auf Ausnahmefälle zu beschränken.94 Auf der anderen Seite sind Gerichte teilweise dazu verleitet, in bestimmten Situationen das Verfahren im Interesse der Klarstellung und Konkre 89

Vgl. 1. Kap., Fn. 15. BVerwG, Beschl. v. 04.03.1976  – Az.: I WB 54/74, BVerwGE 53, 134 (137); Urt. v. 21.11.1980 – Az.: 7 V 18/79, BVerwGE 61, 164 (165 f.); Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (306). 91 So Emenegger, in: Fehling / ​Kastner / ​Stömer (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 100. 92 BVerwG, Beschl. v. 14.12.2018 – Az.: 6 B 133/18, NVwZ 2019, 649 (650); Emenegger, in: Fehling / ​Kastner / ​Stömer (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  100; Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 57; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 124. 93 So auch Emenegger, in: Fehling / ​Kastner / ​Stömer (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 100; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  124. 94 Beispielsweise lehnte der VGH BW, Urt. v. 11.09.2015  – Az.: 3 S 411/15, NVwZ-RR 2016, 7 (8) ein Feststellungsinteresse, das sich nicht in eine bekannte Fallgruppen einordnen ließ, ab, da sonst „eine Überprüfung erledigter Verwaltungsakte (oder erledigter Begehren auf deren Erlass) nahezu immer erreicht werden könnte“. 90

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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tisierung des Rechts ungeachtet eines grundsätzlich geforderten Klägerinteresses fortzuführen. Wichtig ist insoweit, einerseits zu vermeiden, dass sich Gerichte zu einer Gutachtinstanz zur Klärung abstrakter Rechtsfragen erheben. Andererseits sollte den bisherigen Fallgruppe keine gesetzesgleiche Bedeutung beigemessen werden, sodass auch jene Sachverhalte einer Verfahrensfortführung zugänglich sind, die sich zwar nur schwer verallgemeinern lassen, für die aber dennoch eine gerichtliche Entscheidung geboten sein kann.95 Die Auslegung des „berechtigten Interesses“ sollte daher nicht einseitig durch Prüfung der Übereinstimmung des Einzelfalls mit einer Fallgruppe erfolgen, sondern der Einzelfall sollte wieder zunehmend gewürdigt werden. Hilfreich kann es hierfür sein, die Fallgruppen auf ihren jeweiligen Grundgedanken zurückzuführen. Die hier vorgenommene Systematisierung ist aus diesem Grund deutlich abstrakter.96 Sie wird zeigen, dass sich die Fallgruppen auf drei Leitgedanken zurückführen lassen: Das Feststellungsinteresse kann  – systemkonform  – durch individuelle Rechtsschutzerwägungen motiviert sein. Es wird sich aber auch zeigen, dass für bestimmte Verwaltungsakte ungeachtet einer noch vorhandenen Rechtsverletzung eine gerichtliche Kontrolle notwendig ist, um rechtsstaatlich bedenkliche gerichtsfreie Räume zu vermeiden. Festzustellen sein wird außerdem, dass in einem gewissen Umfang auch wirtschaftliche bzw. prozessökonomische Interessen eine Rolle spielen können.

II. Rehabilitationsinteresse 1. Anforderungen an ein Rehabilitationsinteresse a) Anhaltende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers aa) Diskriminierende Wirkung des Verwaltungsakts Ein Rehabilitationsinteresse wird von der Rechtsprechung angenommen, soweit von dem Verwaltungsakt eine diskriminierende Wirkung ausgeht, die auch nach seiner Erledigung noch anhält.97 Dies soll regelmäßig der Fall sein, sofern der erledigte Verwaltungsakt auf dem Vorwurf einer strafbaren Handlung beruhte, das allgemeine Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird oder wenn er geeignet war, den 95

Beispielhaft BVerfG, Beschl. v. 27.12.2006 – Az.: 2 BvR 803/05, NVwZ 2007, 807 (807 f.), das ein berechtigtes Interesse annahm, da das Gericht selbst durch Fehler im Verfahren verhinderte, dass eine Entscheidung vor Erledigung zustande kam. 96 So auch Emenegger, in: Fehling / ​Kastner / ​Stömer (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 101, der zwischen Fällen mit „Entscheidungsrelevanz“ und „Grundrechtsrelevanz“ differenzieren möchte. Die beabsichtigte Ausweitung des Auslegungsspielraums zugunsten des Einzelfalls kann damit zwar erreicht werden. Eine Steuerung der Auslegung durch Freilegung der gesetzlichen Wertungen wird dadurch allerdings nicht gefördert. Gewonnen ist hiermit also nur wenig. 97 BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 – Az.: 7 C 18/79, BVerwGE 61, 164; Urt. v. 15.02.1989 – Az.: 6 A 1/87, BeckRS 1989, 31235285.

48 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Betroffenen in der Achtung der Öffentlichkeit oder seiner Kollegen herabzusetzen.98 Diese Aufzählung ist wenig aussagekräftig: Der Vorwurf einer strafbaren Handlung ist stets mit einer den Einzelnen benachteiligenden Wirkung verbunden, die geeignet ist, ihn in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Beides sind Merkmale einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Insgesamt lassen sich die Anforderungen, die die Rechtsprechung an ein Rehabilitationsinteresse stellt, nicht immer eindeutig festmachen.99 Grundsätzlich wird eine objektive Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Menschenwürde verlangt, die in der Regel bei einer Ehrverletzung durch einen persönlichen Vorwurf oder die Herbeiführung eines Makels festzustellen ist.100 Die diskriminierende Wirkung muss von dem Verwaltungsakt selbst oder den Umständen seines Erlasses ausgehen101; sie kann auch aus der Begründung des Verwaltungsaktes folgen.102 Einen geringen Anwendungsbereich hat diese Fallgruppe in der Verpflichtungssituation. Das Bedürfnis nach einer Rehabilitierung kann sich hier allenfalls aus der den Antrag des Klägers ablehnenden Begründung ergeben.103 Schutzwürdig ist das Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nur, wenn bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise die abträgliche Nachwirkung der Maßnahme fortbesteht.104 bb) Stigmatisierung mit Außenwirkung Darüber hinaus fordert die Rechtsprechung neustens, dass sich aus der angegriffenen Maßnahme eine „Stigmatisierung des Betroffenen“ ergebe, die geeignet sei, dessen Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Eine solche Stigmatisierung müsse Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern.105 Nicht ausreichend ist demnach, dass die Maßnahme von dem

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Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 273. So auch Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 138; Wolff, in: Sodan / ​ Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 274. 100 BVerwG, Beschl. v. 04.03.1976 – Az.: I WB 54/74, BVerwGE 53, 134 (138 f.); ­W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (142); Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 274. 101 BVerwG, Urt. v. 19.03.1992 – Az.: 5 C 44/87, BayVBl 1992, 596 (597); Wolff, in: Sodan / ​ Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 273. 102 BVerwG, Urt. v. 21.03.2013  – Az.: 3 C 6/12, NVwZ 2013, 1550, kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, weil es an einer Herabsetzung in der Öffentlichkeit fehlte, da die Begründung lediglich dem Adressaten bekannt gemacht wurde. Anders dagegen BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 – Az.: 2 A 4/78, DVBl 1981, 502 (503); siehe auch W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 143. 103 Decker, JA 2016, 241 (245). 104 BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 – Az.: 7 C 18/79, BVerwGE 61, 164 (166). 105 Zuletzt etwa BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (308–310); BayVGH, Beschl. v. 28.11.2016 – Az.: 4 ZB 16/1610, BayVBl 2017, 380 (382); OVG SchlH, Urt. v. 28.04.2016 – Az.: 4 LB 8/15, BeckRS 2016, 52589; VGH BW, 22.01.2015 – Az.: 6 S 2234/13, VBlBW 2015, 298 (299). 99

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Kläger lediglich als stigmatisierend empfunden wird.106 Das BVerwG lehnte jüngst ein Rehabilitationsinteresse mit der Begründung ab, „in der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 I StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft kriminellen Verhaltens überschritten.“107 Kritiker dieser Rechtsprechung entgegnen, die Klägerin sei aufgrund der Untersagungsverfügung mit strafbaren Verhaltensweisen in Verbindung gebracht worden und infolge dessen habe sie eine persönlichkeitsrelevante Herabwürdigung ihres Ansehens in der Öffentlichkeit108 hinnehmen müssen, auch wenn die Behörde ihr (noch) keinen persönlichen Schuldvorwurf gemacht habe. Dies sei für ein Rehabilitationsinteresse ausreichend.109 Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass die restriktive Anwendung des Rehabilitationsinteresses angesichts der Besonderheiten des Einzelfalls nicht verallgemeinert werden sollte. Grundsätzlich ist eine der Öffentlichkeit gegenüber unterstellte Erfüllung eines objektiven Straftatbestands geeignet, den Adressaten in seinem öffentlichen Ansehen zu beeinträchtigen und ihn als Straftäter zu stigmatisieren.110 Entscheidend sollte insofern der Einzelfall bleiben.111 b) Nachwirkende Beeinträchtigung von Grundrechten durch den erledigten Verwaltungsakt Neben der diskriminierenden Wirkung eines erledigten Verwaltungsakts erfüllt auch eine anhaltende beeinträchtigende Wirkung des Verwaltungsakts die Anforderungen eines Rehabilitationsinteresses.112 Sie unterscheiden sich von der diskri 106

BVerwG, Urt. v. 21.03.2013 – Az.: 3 C 6/12, NVwZ 2013, 1550 (1551); Urt. v. 11.11.1999 – Az.: 2 A 5/98, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 8. 107 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (309); ebenso VGH BW, Urt. v. 22.01.2015 – Az.: 6 S 2234/13, VBlBW 2015, 298 (299); BayVGH, Urt. v. 18.09.2014 – Az.: 10 ZB 12/1484, BeckRS 2014, 57010. 108 Auch juristische Personen des Privatrechts können sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen, wenn auch mit abgesenktem Schutzniveau, vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.10.1984 – Az.: 1 BvR 753/83, BVerfGE 68, 226 (231 f.); Di Fabbio, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224. 109 So auch B.  Huber, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 16.05.2013  – Az.: 8 C 14/12, NVwZ 2013, 1481 (1488); Lindner, NVwZ 2014, 180 (181 f.); ebenso Vorinstanz BayVGH, Urt. v. 12.01.2012 – Az.: 10 BV 10/2271, ZfWG 2012, 118 (129); BayVGH, Urt. v. 24.04.2012 – Az.: 10 BV 11/2770, BayVBl 2013, 215 (216). 110 So auch B. Huber, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, NVwZ 2013, 1481 (1488 f.); Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 138. 111 Zutreffend ist insofern jedoch die strenge Auslegung des Rehabilitationsinteresses durch BayVGH, Urt. v. 07.03.2018 – Az.: 3 BV 16/2040, BeckRS 2018, 7009. 112 So auch Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 92.

50 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands minierenden Wirkung des Verwaltungsakts dadurch, dass die beeinträchtigende Wirkung des wirksamen Verwaltungsakts trotz seiner Erledigung für das zukünftige berufliche oder gesellschaftliche Leben des Betroffenen abträglich ist und damit der spezielle grundrechtlich geschützte Freiheitsbereich, der bereits durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt beeinträchtigt wurde, anhaltend verletzt wird.113 Die beeinträchtigende Wirkung ist also dem Inhalt des Verwaltungsakts immanent und endet nicht mit dessen Erledigung. Auf die Außenwirkung der Maßnahme kommt es demgegenüber nicht entscheidend an. Beispielsweise hat das BVerwG ein Rehabilitationsinteresse im Fall eines Widerrufs einer gewerblichen Erlaubnis angenommen, weil „auch dann, wenn seine Begründung keine ‚ehrenrührigen Formulierungen‘ aufweist, nach seiner Erledigung noch geeignet sein [kann], den Betroffenen in seinem beruflichen Fortkommen zu beeinträchtigen“114. Beispielhaft hierfür sind auch die Ausführungen des BVerwG zu der Klage eines Schülers gegen den Beschluss über die Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse: „Es ist nicht auszuschließen, daß im vorliegenden Fall auch der Kl. durch seine Nichtversetzung in seiner Ausbildung und zukünftigen beruflichen Entwicklung benachteiligt wird und derartigen möglichen Beeinträchtigungen durch die von ihm begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Nichtversetzung wirksam begegnen kann.“115 In diese Kategorie lässt sich auch ein Urteil des OVG NRW einfügen.116 Das Gericht ging hier von einem Rehabilitationsinteresse aus, nachdem von der Klägerin nach Eröffnung einer in den Universitätsräumen stattfindenden Kunstausstellung die Schließung verlangt wurde, da die Präsentation und die Qualität ihrer dort ausgestellten Objekte geeignet seien, den Ruf des Fachbereichs zu schädigen. Bereits die erfolgte Schließung der Ausstellung stellt einen Eingriff in den durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten künstlerischen Werkund Wirkbereich dar. Auch nach Ablauf der vorgesehenen Ausstellungszeit bleibt es bei einer Beeinträchtigung des künstlerischen Ansehens der Klägerin, werden ihr doch mit der Schließung der Ausstellung mangelnde künstlerische Fähigkeiten unterstellt, woran die Erledigung des Verwaltungsakts nichts ändert. 2. Rechtsschutzgrund und Rechtsschutzleistung Ziel der Fortsetzungsfeststellungsklage in der genannten Konstellation ist die Rehabilitierung des Klägers und damit die Wiederherstellung seiner verletzten Ehre und seines öffentlichen Ansehens. Durch das Feststellungsurteil soll die dis 113 Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 92; nicht differenzierend etwa OVG NRW, Beschl. v. 10.05.2016 – Az.: 1 A 2421/14, BeckRS 2016, 45931. 114 BVerwG, Beschl. v. 09.08.1990 – Az.: 1 B 94/90, NVwZ 1991, 270. 115 BVerwG, Urt. v. 14.07.1978 – Az.: 7 C 11/76, NJW 1979, 229; zuletzt auch OVG NRW, Beschl. v. 08.03.2016 – Az.: 19 A 108/14, BeckRS 2016, 43962. 116 OVG NRW, Urt. v. 28.01.1992 – Az.: 15 A 1133/89, NVwZ 1993, 75.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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kriminierende Wirkung des Verwaltungsakts beendet werden.117 Plastisch wird dies an den folgenden Ausführungen des BVerwG: „Der Kläger wurde nach ­seiner Darstellung bei dem Tumult von Polizeivollzugsbeamten geschlagen. […]. Sollte dies wirklich zutreffen, so wäre er durch eine obrigkeitliche Maßnahme in seiner Menschenwürde verletzt worden. Eine solche Grundrechtsverletzung ließe sich zwar durch die Klage nicht mehr aus der Welt schaffen. Durch die ausdrückliche gerichtliche Feststellung, dass das Vorgehen der Polizei gegen den Kläger rechtswidrig war, könnte jedoch der durch den polizeilichen Übergriff diskriminierte Bürger angemessen rehabilitiert werden.“118 Ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive Rechtsschutz im Erledigungsfall bei einer anhaltenden Beeinträchtigung subjektiver Rechte also geboten, wird mit der Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses der Nachweis für ein fortwährendes Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz trotz Erledigung des belastenden Verwaltungsakts erbracht.119 Das Feststellungsinteresse knüpft damit an den erledigten Verwaltungsakt und die ursprüngliche Rechtsverletzung des Klägers an. Der Ausspruch der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts durch das Gericht soll die anhaltende Beeinträchtigung des Klägers beenden. Damit wird dem aus der Verletzung von Grundrechten folgenden Reaktionsanspruch in Form einer Beseitigung der anhaltenden, jedoch mangels vorhandener Regelungswirkung des Verwaltungsakts nicht mehr „greifbaren“ Rechtsverletzung nachgekommen.120 Nach der Konzeption der Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses wird das Ansehen und die Ehre des Klägers durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts wiederhergestellt. Es findet sich zuweilen Kritik an der Fallgruppe, die sich darauf stützt, dass die für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage angeführte Ehrverletzung nicht zwingend Gegenstand der Begründetheitsprüfung sein muss. Die für die Zulässigkeit der Klage erforderliche diskriminierende Wirkung des Verwaltungsakts würde durch das Gericht zwar festgestellt werden. Ist der Verwaltungsakt allerdings rechtmäßig, wäre die Klage abzuweisen, ohne nochmals auf die Ehrverletzung eingehen zu können.121 Vereinzelt wird deshalb gefordert, dass die für ein Rehabilitationsinteresse sprechenden Umstände auch zu der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führen können müssen.122 Demzufolge soll sich ein Kläger, der sich auf die formelle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts beruft, nicht auf ein Rehabilitationsinteresse stützen können, da formelle Fehler in der Regel nicht zu einer Stigmatisierung des Klägers führen könnten.123 Beispielhaft 117

So auch Fezer, JURA 1982, 18 (25). BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 – Az.: BVerwG I C 49/64, BVerwGE 26, 161 (168); ähnlich VG Berlin, Urt. v. 10.02.1972 – Az.: VG I A 201/69, DÖV 1972, 103. 119 So in etwa auch Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 90, der von „Rechtsschutzerwägungen“ schreibt. 120 Siehe zu dem grundrechtlichen Reaktionsanspruch noch ausführlich 1. Kap. C. III. 2. 121 Dies hervorhebend Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (439). 122 Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (439). 123 So VG Köln, Urt. v. 23.02.1989 – Az.: 6 K 2311/88 (n. V.); für die Wiederholungsgefahr BSG, Urt. v. 15.03.1995 – Az.: 6 RKa42/93, NZS 1996, 36, wonach sich eine Wiederholungs 118

52 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands werden die Begründung des Verwaltungsakts oder ­sonstige Begleitumstände angeführt, die auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts keinen Einfluss haben.124 Eine solche Situation ist allerdings nur schwer vorstellbar. Sowohl die Begründung wie auch sonstige Begleitumstände können durchaus Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts haben. Es ist zudem daran zu erinnern, dass für die Zulässigkeit eine diskriminierende, bisweilen auch stigmatisierende Wirkung lediglich möglich erscheinen muss. Ob der Verwaltungsakt rechtswidrig und das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder sonstige grundrechtlich geschützte Freiheitsbereiche dadurch verletzt wurden, ist eine Frage der Begründetheit. Sollte das Gericht trotz der festgestellten diskriminierenden Wirkung zu dem Ergebnis gelangen, dass der Verwaltungsakt rechtmäßig ist, könnte der Kläger ohnehin nicht von den abträglichen Folgen seines Handelns, das überhaupt erst Anlass für das behördliche Tätigwerden gab, rehabilitiert werden.125 Auch die Rechtsprechung steht einer Differenzierung zwischen formellen und materiellen Rechtswidrigkeitsgründen kritisch gegenüber: „Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes ist im Rahmen des Fortsetzungsfeststellungsverfahrens gleichermaßen Bezugspunkt des zu fordernden Feststellungsinteresses und Mittel zum Ausgleich der festgestellten Beeinträchtigung. Für eine Differenzierung nach Rechtswidrigkeitsgründen ist im Rahmen des § 113 I 4 VwGO kein Raum.“126 Der gegenläufigen Ansicht liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Rehabilitierung des Klägers nur durch die Feststellung der Ehrverletzung selbst geleistet werden könne. Die Fortsetzungsfeststellungsklage zum Zwecke der Rehabilitierung des Klägers darf allerdings nicht im Sinne eines negatorischen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstanden werden, deren Funktion allein darin liegt, zu klären, ob die hoheitliche Maßnahme einen unzulässigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers darstellt, um damit den konkreten Schaden zu beseitigen.127 Rechtsschutz wird insoweit dadurch geleistet, dass der diskriminierenden Wirkung des Verwaltungsakts abgeholfen wird. Dem Kläger, der sich auf die Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses beruft, geht es in erster Linie um die Beseitigung eines ideellen Schadens; die Fallgruppe ist folglich Ausdruck eines ideellen Interesses.128 Dazu bedarf es keines Leistungs- oder Gestaltungsurteils (ein Gestaltungsurteil wäre kaum in der Lage, der Öffentlichkeit aufzugeben, wie sie den Kläger wahrzunehmen hat), sondern einer Klarstellung, dass der Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger nicht hätte ergehen dürfen. Zu beseitigen ist also die Störungsquelle, die in diesem Fall nicht mehr aufgehoben,

gefahr nur in Bezug auf materielle Aspekte, nicht hingegen auf formelle Gründe der Rechtswidrigkeit beziehe. 124 Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (439). 125 So auch VG Würzburg, Urt. v. 09.04.2014 – Az.: W 2 K 12/880, BeckRS 2014, 51430. 126 OVG NRW, Urt. v. 28.01.1992 – Az.: 15 A 1133/89, NVwZ 1993, 75 (75 f.); für das BVerfG Fröhlinger, Die Erledigung der Verfassungsbeschwerde, S. 176. 127 So Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 198. 128 Ebenso BVerwG, Beschl. v. 18.02.2008 – Az.: 3 B 88/07, BeckRS 2008, 33361.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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aber mit der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit versehen werden kann.129 Bereits dadurch kann eine Verbesserung der Position des Klägers erreicht werden.130 Das Ansehen des Klägers wird wiederhergestellt, indem die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts durch die autoritative Entscheidung des Gerichts festgestellt wird. Damit wird öffentlichkeitswirksam klargestellt, dass der Verwaltungsakt so nicht hätte ergehen dürfen und damit auch nicht in dieser Art und unter diesen Begleitumständen. Einer Feststellung, dass der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt wurde, bedarf es darüber hinaus nicht. 3. Systematische Einordnung Die Fortsetzung des Verfahrens aufgrund eines Rehabilitationsinteresses des Klägers steht beispielhaft für das Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz trotz Erledigung des Verwaltungsakts, obschon seine verpflichtende Wirkung damit entfallen ist. Sie fügt sich ohne Weiteres in das verwaltungsgerichtliche Individualrechtsschutzsystem (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) ein. Dass insofern zur Gewährleistung individuellen Rechtsschutzes nicht mehr die Aufhebung des Verwaltungsakts (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) in Betracht kommt, ist nicht zu beanstanden, denn auch das Feststellungsurteil  – wenn auch in deutlich schwächerer Form wie das Anfechtungsurteil – kann zur Verbesserung der individuellen Klägerposition beitragen.

III. Eingriff in Grundrechte Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann sich aus der Art des Eingriffs ins­ besondere im grundrechtlich geschützten Bereich ergeben. Sie steht daher in einem engen Zusammenhang mit einem Rehabilitationsinteresse, ohne jedoch deckungsgleich zu sein. Während sich die Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses durch eine anhaltende Grundrechtsverletzung auszeichnet, ist der Grundrechtseingriff im Fall der hier zu betrachtenden Fallgruppe bereits vollständig beendet. Über die Anforderungen an diese Fallgruppe besteht bis heute große Uneinigkeit.131 Dabei geht es im Kern um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz bei Beeinträchtigung von Grundrechten auch nach der Erledigung des Hoheitshandelns noch zu gewährleisten ist.132

129 So auch W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (142); zum Folgenbeseitigungsanspruch etwa Schoch, VerwArch 79 (1988), 2 (47). 130 So auch OVG NRW, Urt. v. 28.01.1992 – Az.: 15 A 1133/89, NVwZ 1993, 75 (75). 131 Siehe hierzu nur B. Huber, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, NVwZ 2013, 1488 f.; Lange, NdsVBl 2014, 120 ff.; Lindner, NVwZ 2014, 180 (182–185); Thiele, DVBl 2015, 954 (955–958); Unterreitmeier, NVwZ 2015, 25 (26–29). 132 So Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 141.

54 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands 1. Grundkonzeption und Inkonsistenz der Anforderungen an ein Eingreifen der Fallgruppe a) Entwicklung der Fallgruppe in der Rechtsprechung In der Rechtsprechung war lange Zeit die Ansicht vorherrschend, dass sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein aus einer Verletzung von Grundrechten ohne fortwirkende Beeinträchtigung nicht herleiten lasse.133 In vielen Fällen musste die Fortsetzungsfeststellungsklage deshalb wegen Fehlen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen werden. Sofern es an einem Öffentlichkeitsbezug fehlte und ein Rehabilitationsinteresse damit mangels diskriminierender und stigmatisierender Wirkung ausscheiden musste, führte diese Rechtsprechung insbesondere im Polizei- und Ordnungsrecht zu unbefriedigenden Rechtsschutzlücken.134 Mit Urteil vom 29.04.1997 zum Feststellungsinteresse bei einer allgemeinen Feststellungsklage über ein vergangenes Rechtsverhältnis stellte das BVerwG deshalb klar, dass auch die Art des Eingriffs, insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich, verbunden mit dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz es erfordern kann, ein Feststellungsinteresse anzuerkennen.135 In solchen Fällen fehle es zwar an einem „berechtigten Interesse“, wie es § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlange. Dennoch gebiete Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit.136 In dem besagten Urteil ging es um den Einsatz von verdeckten Ermittlern, die zielgerichtet Daten über den Kläger erhoben, um ihre eigene Legende abzusichern. Wegen der Art und des Gewichts des Eingriffs in die Privatsphäre des Klägers und zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes müsse dem Kläger die Möglichkeit offenstehen, die Rechtmäßigkeit des Einsatzes gerichtlich überprüfen zu lassen.137 Eine fortwirkende diskriminierende Wirkung der behördlichen Maßnahme sei hingegen nicht erforderlich. Nur einen Tag nach Erlass des bundesverwaltungsgerichtlichen Urteils legte das BVerfG in einem Beschluss über eine Verfassungsbeschwerde wegen Verwerfung einer Beschwerde gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung durch das zuständige Landgericht seine Auffassung zu den Anforderungen, die an ein Rechtsschutzinteresse bei prozessualer Überholung zu stellen sind, dar.138 Demnach ist ein „Rechtsschutzinteresse auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne 133

BVerwG, Urt. v. 21.11.1980 – Az.: 7 C 18/79, BVerwGE 61, 164 (166); OVG NRW, Urt. v. 13.11.1992 – Az.: 12 A 949/90, NWVBl 1993, 192 (193); VGH BW, Urt. v. 24.11.1994 – Az.: 1 S 2909/93, DVBl 1995, 367 (368) für die allg. Feststellungsklage zu einem vergangenen Rechtsverhältnis. 134 So auch Sodan / ​Kluckert, VerwArch 94 (2003), 3 (12). 135 BVerwG, Urt. v. 29.04.1997 – Az.: 1 C 2/95, NJW 1997, 2534. 136 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (310). 137 BVerwG, Urt. v. 29.04.1997 – Az.: 1 C 2/95, NJW 1997, 2534 (2534 f.). 138 BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – Az.: 2 BvR 817/90 u. a., BVerfGE 96, 27.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozeßordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann.“139 Zwar beziehen sich die Aussagen des Gerichts auf die Zulässigkeit eines Rechtsmittels. Für das Verfahren in erster Instanz kann insoweit jedoch nichts Anderes gelten.140 In der Folgezeit orientierte sich die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung für die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses bei fehlender Nachwirkung des Verwaltungsakts sowohl an den Ausführungen des BVerwG und des BVerfG.141 In einem späteren Beschluss des BVerfG stellte dieses fest, dass es wegen der Rechtsschutzgarantie geboten sei, die bisherige Rechtsprechung zum Rechtsschutzinteresse auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu übertragen.142 Anfang des Jahres 1999 ergingen deshalb zwei Urteile und ein Beschluss des BVerwG, in denen es die durch das BVerfG zum Rechtsschutzinteresse im Erledigungsfall aufgestellten Anforderungen auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse anwandte.143 Demnach sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse über die bekannten Fallgruppen hinaus in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht fortwirkender Grundrechtseingriffe anzunehmen, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränke, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung kaum erlangen könne. Die anschließenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen folgten ganz überwiegend der Rechtsprechung des BVerwG.144 Fortan konnte neben den anerkannten Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Präjudiz- und des Rehabilitationsinteresses ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch bei einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff angenommen werden, der sich nach dem typischen Verfahrenslauf kurzfristig erledigte, sodass Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren regelmäßig nicht zu erreichen war.

139

BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – Az.: 2 BvR 817/90 u. a., BVerfGE 96, 27 (40). So auch W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 145. Da Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls eine gerichtliche Instanz garantiert, müssen die Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse im Rechtsmittelverfahren erst recht für die erste Instanz gelten. 141 Ausschließlich auf die Art des Eingriffs abstellend OVG NRW, Urt. v. 24.11.1998 – Az.: 5 A 1107/96, NJW 1999, 2202 (2203); ebenfalls für die allgemeine Feststellungsklage VGH BW, Urt. v. 26.01.1998 – Az.: 1 S 3280/96, NVwZ 1998, 761 (762); Urt. v. 23.03.1999 – Az.: 1 C 12/97, NVwZ 1999, 991. 142 BVerfG, Beschl. v. 07.12.1998 – Az.: 1 BvR 831/89, NVwZ 1999, 290 (291 f.). 143 BVerwG, Urt. v. 03.02.1999 – Az.: 1 PKH 2/99, Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 1, S. 2; Urt. v. 23.03.1999 – Az.: 1 C 12/97, NVwZ 1999, 991; Beschl. v. 30.04.1999 – Az.:1 B 36/99, BeckRS 1999, 31353198. 144 OVG SchlH, Beschl. v. 25.04.2001 – Az.: 2 W 29/01, NVwZ 2002, Beilage I 3/2001, 47, Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Bezug auf vorbeugenden Polizeigewahrsam bejahend; BayVGH, Beschl. v. 05.05.2003 – Az.: 5 ZB 03.81, BeckRS 2003, 27795, Veröffentlichung einer Presseerklärung vor Aushändigung der Anklageschrift an Angeschuldigten kein tiefgreifender Eingriff in das Recht auf faires Verfahren; OVG NRW, Beschl. v. 30.10.2003 – Az.: 21 A 2602/02, NVwZ 2004, 508, kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da es einer Verpflichtungssituation an der typischerweise kurzfristigen Erledigung mangelt. 140

56 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Gleichwohl zeigte die nachfolgende Judikatur, dass die so aufgestellten Anforderungen an die Fallgruppe der Grundrechtsverletzung beliebig interpretiert und ausgetauscht wurden. So hatte der VGH Baden-Württemberg über die Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Beschlagnahme von Fahrzeugen im Zusammenhang mit einer Großdemonstration zu entscheiden.145 Zu prüfen war eine Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit. Obgleich eigentlich eine spezifische Grundrechtsverletzung zu fordern sei, um eine Ausweitung der Fallgruppe zu vermeiden, war nach Ansicht des Gerichts in diesem Fall unter rechtsstaatlichen Aspekten ein großzügiger Zugang zur gerichtlichen Kontrolle angezeigt, da das beanstandete polizeiliche Vorgehen Teil eines komplexen Maßnahmenkatalogs sei, welches in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Großdemonstration stand. Zudem bestehe ein großes öffentliches Interesse an der gerichtlichen Klärung, infolgedessen die Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zurückzunehmen seien. Auch weitere gerichtliche Entscheidungen belegen, dass das öffentliche Interesse an der Klärung einer rechtlichen Fragestellung eine entscheidende Rolle bei der Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses spielte.146 Mitunter wurden die Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses und eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs auch vermengt, wie es in einem Urteil des OVG Saarland erkennbar ist.147 Demnach sollte einem Rehabilitationsinteresse nicht entgegenstehen, dass es sich dabei um eine polizeiinterne Maßnahme gehandelt habe, die nicht an die Öffentlichkeit gedrungen sei. Inwiefern der Kläger einer Rehabilitierung bedurfte, obwohl es an einer Ehrverletzung wegen anhaltender diskriminierender Wirkung des Verwaltungsakts fehlte, wird nicht deutlich. Dogmatisch zutreffend wäre hier die Prüfung der Fallgruppe eines tiefgreifenden Grundrechtseingriffs gewesen. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wäre dann aber mangels typischerweise kurzfristiger Erledigung eines Verpflichtungsbegehrens gerichtet auf Löschung erkennungsdienstlicher Maßnahmen abzulehnen gewesen.148 Es ist erkennbar, dass in all diesen Fällen das Interesse der Gerichte an der Klärung einer komplexen Rechtsfrage gegenüber dem Bestreben nach einer stringenten Dogmatik überwog. Das öffentliche Interesse an der Thematik und bestehende Unsicherheiten hinsichtlich bestimmter Rechtsfragen verleiteten Gerichte zum Teil zu einer sehr weiten Auslegung der Anforderungen, die an das Vorliegen der Fallgruppe gestellt werden, um in der Tendenz den Weg zu einer objektiven Rechtskontrolle zu ebnen. b) Grundposition der Literatur Die Kommentarliteratur formuliert die Anforderungen an die Fallgruppe der Grundrechtsverletzung überwiegend in Übereinstimmung mit der Rechtspre 145

VGH BW, Urt. v. 14.04.2005 – Az.: 1 S 2362/04, VBlBW 2005, 431. BayVGH, Urt. v. 08.03.2010 – Az.: 10 B 09/1102, 10 B 09/1837, BayVBl 2011, 109. 147 OVG Saarland, Urt. v. 05.10.2012 – Az.: 3 A 72/12, BeckRS 2012, 58861. 148 So bereits OVG NRW, Beschl. v. 30.10.2003 – Az.: 21 A 2602/02, NVwZ 2004, 508. 146

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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chung. Demnach sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei einem tiefgreifenden Grundrechtseingriff anzunehmen, der sich typischerweise so kurzfristig erledige, dass ansonsten eine gerichtliche Überprüfung entfiele.149 Vereinzelt wird darin keine eigenständige Fallgruppe gesehen, sondern ein Unterfall des Rehabilitationsinteresses.150 Dem kann jedoch nicht zugestimmt werden, liegt doch der maßgebliche Unterschied darin, dass bei der Fallgruppe der typischerweise kurzfristigen Erledigung auf den Fortbestand der Grundrechtsbeeinträchtigung verzichtet wird und insoweit eine Rehabilitierung des Klägers gerade nicht erforderlich ist.151 Manche Autoren vertreten, dass sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bereits aus einer spezifischen Grundrechtsverletzung ergeben soll.152 Die Bedeutung einer Gerichtskontrolle gebiete es in einem solchen Fall, insbesondere vor dem Hintergrund des verfassungsprozessualen Subsidiaritätsgrundsatzes, das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen.153 Andere hingegen verzichten auf die Schwere des Grundrechtseingriffs. Demzufolge sei es von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG geboten, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei jedem sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt anzunehmen.154 Tragendes Argument dieser Ansicht ist, dass Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Rechtsschutz nicht von der Schwere der möglichen Rechtsverletzung abhängig mache, sodass es im Erledigungsfall nicht darauf ankomme, ob es sich um eine tiefgreifende Grundrechtsverletzung handle. c) Neueste Entwicklungen Möglicherweise ist es auf die Ausführungen der Literatur zurückzuführen, dass die Gerichte auf das Kriterium einer „typischerweise kurzfristigen Erledigung des Verwaltungsakts“ vermehrt verzichteten. In den Urteilsgründen wurde dies zum Teil überhaupt nicht mehr erwähnt.155 So nahm der Bayerische VGH ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Fall einer Untersagungsverfügung für die Vermitt 149

So Bamberger, in: Wysk (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 89–91; Decker, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 87.4; Ehlers, in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 26 Rn. 60; Redeker, in: ders. / ​v. Oertzen (Begr.), § 113 Rn. 49; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 282. 150 So Bamberger, in: Wysk (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 89–91; Binninger, in: Brandt / ​Domgörgen (Hrsg.), HdB Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, M Rn. 126; Riese, in: Schoch / ​ Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 137; einschränkend Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 282. 151 So auch Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 60. 152 So Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 91; Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 60. 153 Vergleiche zu den Argumenten Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 91. 154 So insbes. W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 145; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 583. 155 So etwa OVG Nds., Beschl. v. 03.01.2011 – Az.: 11 LA 507/09, BeckRS 2011, 45160; VGH BW, Urt. v. 30.06.2011 – Az.: 1 S 2901/10, DVBl 2011, 1305 (1306); HessVGH, Beschl. v. 28.11.2011 –Az.: 8 A 199/11.Z, NVwZ-RR 2012, 344 (345).

58 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands lung und Veranstaltung von Sportwetten in der Betriebsstätte des Klägers wegen eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit an.156 Damit wurde auf den Umstand, dass es sich um einen Dauerverwaltungsakt handelt, der sich typischerweise nicht kurzfristig erledigt, überhaupt nicht mehr eingegangen. Das BVerwG konnte diesen Ausführungen allerdings nichts abgewinnen.157 Bestehe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, sondern erschöpfe sich das Anliegen des Klägers in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts (sic!), verlange der Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für Maßnahmen anzunehmen, „die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt.“158 Dieses Urteil enthält hinsichtlich der Anforderungen an die Fallgruppe der Grundrechtsverletzung zwei maßgebliche Neuerungen: Es soll für die Beurteilung einer typischerweise kurzfristigen Erledigung zum einen entscheidend auf die Art des Verwaltungsakts ankommen. Gemäß dem Urteil unterfällt etwa ein Dauerverwaltungsakt nicht dieser Kategorie, da er charakteristisch auf eine langfristige Wirkung angelegt ist. Konsequenterweise dürfte dieser Fallgruppe nur noch bei einer analogen Anwendung der Fortsetzungsfeststellungsklage für die Erledigung vor Klageerhebung Bedeutung zukommen, da nur in dieser Situation ein Verwaltungsakt vorliegt, der sich nach seiner Eigenart typischerweise kurzfristig erledigt, sodass regelmäßig kein Rechtsschutz mehr erlangt werden kann.159 Für die Effektivität des Rechtsschutzes soll es zum anderen nicht auf die Intensität des Eingriffs oder den Rang der betroffenen Rechte ankommen.160 Schon die aus der Eigenart des Verwaltungsakts folgende Typik einer kurzfristigen Erledigung könne demnach ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen. Damit werde zudem eine Ausweitung der Klagemöglichkeit im Erledigungsfall verhindert.161 Umgekehrt kann allein ein tiefgreifender Eingriff in Grundrechte für sich nicht zur Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses führen.162 Die Literatur steht dieser Rechtsprechungsänderung kritisch gegenüber.163 Zunächst schien auch die obergerichtliche Rechtsprechung von den Änderungen nicht 156

BayVGH, Urt. v. 15.05.2012 – Az.: 10 BV 10/2258, allerdings aufgehoben durch BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303. 157 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303. 158 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (311 f.). 159 So auch Lindner, NVwZ 2014, 180 (182). 160 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (311). 161 So Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 144. 162 Jüngst auch OVG Bremen, Urt. v. 08.01.2019 – 1 LB 252/18, BeckRS 2019, 437. 163 B.  Huber, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 16.05.2013  – Az.: 8 C 14/12, NVwZ 2013, 1488 (1489); Lange, NdsVBl 2014, 120 (123), Lindner, NVwZ 2014, 180 (182); Stuhlfauth, in: ­Bader / ​Funke-Kaiser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  72.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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überzeugt, denn es wurde weiterhin verlangt, dass es sich um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelt, der sich typischerweise kurzfristig erledigte.164 Entscheidend dürfte aber sein, dass das BVerfG die durch das BVerwG aufgestellten Anforderungen in einer nachfolgenden Entscheidung nicht beanstandet hat.165 Die vorgehende Instanz hatte die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresses abgewiesen, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt handelte, der sich typischerweise kurzfristig erledigte.166 Das BVerfG stimmte dieser Entscheidung zu, obgleich es auch feststellte, dass der in Rede stehende Verwaltungsakt einen gewichtigen Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit darstelle. Entscheidend sei jedoch, dass gegen die angegriffene Maßnahme im hierzu verfügbaren Zeitraum wirksamer Rechtsschutz grundsätzlich zu erlangen war. Nunmehr werden die durch das BVerwG aufgestellten Anforderungen für das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses von der obergerichtlichen Rechtsprechung vermehrt zugrunde gelegt.167 Problematisch an der Entscheidung des BVerfG ist allerdings, dass es die typischerweise kurzfristige Erledigung des Verwaltungsakts in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Fachinstanzen168 verneinte, da im konkreten Fall die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes offenstand.169 Für die Beurteilung, ob Rechtsschutz typischerweise vor Erledigung des Verwaltungsakts erreicht werden konnte, ist ausschließlich auf die Möglichkeit eines Hauptsacheverfahrens abzustellen.170 Die Verwaltungsprozessordnung geht gerade nicht von einer Subsidiarität des Hauptsacheverfahrens gegenüber einem Eilrechtsschutzverfahren aus. Im Übrigen ist das Eilrechtsschutzverfahren nicht geeignet, eine umfassende Klärung der Rechtsfragen zu leisten, die mit dieser Fallgruppe jedoch gerade angestrebt wird.171 Es ist deshalb entscheidend darauf abzustellen, ob die Eigenart des Verwaltungsakts es ausschließt, nach dem typischen Verfahrensablauf Rechtsschutz 164 Auffällig BayVGH, Beschl. v. 30.01.2017 – Az.: 11 C 16/2607, BeckRS 2017, 102446; Beschl. v. 13.03.2017 – Az.: 10 ZB 16/965, NJW 2017, 2779 (2780); OVG NRW, Beschl. v. 24.10.2016 – Az.: 19 A1467/15, BeckRS 2016, 53639; SächsOVG, Beschl. v. 17.11.2015 – Az.: 3 A 440/15, BeckRS 2016, 42774; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2015, Az.: 7 N 72.13, BeckRS 2015, 42093; BayVGH, Urt. v. 04.02.2014 – Az.: 10 B 10.2913, BeckRS 2014, 48573; Beschl. v. 25.04.2014 – Az.: 12 ZB 13/1197, BeckRS 2014, 51031. 165 BVerfG, Beschl. v. 06.07.2016 – Az.: 1 BvR 1705/15, NJW 2017, 545. 166 BayVGH, Beschl. v. 15.06.2015 – Az.: 5 ZB 14/1919, BeckRS 2015, 48093. 167 So BayVGH, Beschl. v. 25.04.2014 – Az.: 12 B 13/1197, BeckRS 2014, 51031; OVG NRW, Beschl. v. 24.10.2016 – Az.: 19 A 1467/15, BeckRS 2016, 53639; in der Begründung nicht ganz eindeutig, allerdings i. E. ebenso BayVGH, Beschl. v. 13.03.2017 – Az.: 10 ZB 16/965, NJW 2017, 2779 (2780); OVG Nds., Urt. v. 14.01.2010 – Az.: 11 LB 464/18, BeckRS 2020, 245. 168 VG München, Urt. v. 26.06.2014 – Az.: M 17 K 13/808, NJW 2014, 3467 (3470); BayVGH, Beschl. v. 15.06.2015 – Az.: 5 ZB 14/1919, BeckRS 2015, 48093. 169 BVerfG, Beschl. v. 06.07.2016 – Az.: 1 BvR 1705/15, NJW 2017, 545 (546 f.); anders BayVGH, Beschl. v. 15.06.2015 – Az.: 5 ZB 14/1919, BeckRS 2015, 48093, der insoweit auf die grundsätzliche Möglichkeit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens abstellt. 170 So auch Bamberger, NVwZ-Extra 18a/2017, 1 (5 f.). 171 So auch Bamberger, NVwZ-Extra 18a/2017, 1 (5 f.); BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (91).

60 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands im Hauptsacheverfahren zu erreichen.172 Dies hat selbst dann zu gelten, wenn nach den Einzelfallumständen wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung zunächst nur im Eilrechtsschutzverfahren effektiver Rechtsschutz erreicht werden kann. Einer rechtlichen Überprüfung der Entscheidung im Hauptsacheverfahren kann dies jedoch nicht entgegenstehen. 2. Rechtsschutzerwägungen und grundrechtliche Reaktionsansprüche Wie bereits festgestellt wurde, gebietet Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG Rechtsschutz im Fall der Erledigung des Verwaltungsakts, wenn von diesem eine noch anhaltende Beeinträchtigung von Rechten des Klägers ausgeht. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist hier anzunehmen, um den Kläger durch die Rechtswidrigkeitsfeststellung angemessen rehabilitieren zu können und die andauernde Beeinträchtigung zu beseitigen. Die hier im Mittelpunkt der Betrachtung stehende Fallgruppe der Grundrechtsverletzung zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass es an einer anhaltenden Verletzung von Grundrechten fehlt. Lindner geht allerdings ungeachtet dessen davon aus, dass im Fall einer Grundrechtsverletzung ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse auf der Grundlage eines grundrechtlichen Reaktionsanspruchs anzunehmen sei, demzufolge jede Grundrechtsverletzung eine Reaktion verlange.173 Sofern sich die reaktionsbedürftige Beeinträchtigung erledigt hat und eine Beseitigung folglich ausscheidet, müsse ein grundrechtskonformer Zustand durch Kompensation wiederhergestellt werden. Grundsätzlich solle eine Kompensation durch staatshaftungsrechtliche Entschädigungsansprüche erfolgen. Dies setze jedoch das Vorliegen von aus der Grundrechtsverletzung resultierenden Folge­schäden voraus. Sei die Grundrechtsverletzung letzten Endes aber folgenlos geblieben und fehle es demnach an zu kompensierenden Schäden und Nachteilen, solle der grundrechtliche Reaktionsanspruch durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erfüllt werden.174 Im Ergebnis wäre bei jeder Grundrechtsverletzung 172 So auch BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (86–88); BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (311 f.); BayVGH, Beschl. v. 15.06.2015 – Az.: 5 ZB 14/1919, BeckRS 2015, 48093; ebenso W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 145. 173 Lindner, Theorie der Grundrechtsdogmatik, S. 509–533; zur Reaktionsbedürftigkeit Rede­ ker, DÖV 1987, 194 (196, 198). 174 Lindner, NVwZ 2014, 180 (184). Die in diesem Zusammenhang verwendeten Begrifflichkeiten sind mit diesem Ergebnis allerdings nicht konform. Bei einer Kompensation bleibt der Schaden bestehen, wird jedoch durch anderweitige Leistung an den Geschädigten ausgeglichen. Hingegen wird bei einer Restitution der Schaden beseitigt, indem der Zustand hergestellt wird, der ohne den Schadensfall bestehen würde, sodass letztlich der vor dem Schadensfall bestehende Zustand wiederhergestellt wird. Siehe zu den Begrifflichkeiten Bettermann, DÖV 1955, 528 (529). Nach dem Gedanken Lindners soll mangels Folgeschäden ein Ausgleich in Geld nicht in Betracht kommen. Stattdessen soll durch Rechtswidrigkeitsausspruch der grundrechtskonforme Zustand, der ohne den Verwaltungsakt bestünde, wiederhergestellt werden. Damit geht er tatsächlich von einer Restitution, nicht Kompensation aus, so Unterreitmeier, NVwZ 2015, 25 (26 f.).

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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unabhängig von der Art des Grundrechts und der Schwere des Eingriffs ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen. Soweit nach dieser Ansicht also subjektive Reaktionsansprüche des Klägers eine gerichtliche Durchsetzung verlangen, müsste sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus der Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG herleiten lassen. Dieser Ansatz kann jedoch nicht überzeugen. Nicht nur würde das Fortsetzungsfeststellungsinteresse seine verfahrenseinschränkende Funktion verlieren, wenn jeder beliebige, fast immer vorliegende Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit eine Restitution verlangen würde, die gerichtlich durchzusetzen wäre. Es bedarf in einer solchen Situation schon keiner Restitution eines grundrechtskonformen Zustands, da bereits durch die Erledigung des Verwaltungsakts ein solcher Zustand wiederhergestellt ist. Der Umstand, dass damit in der Vergangenheit erfolgte Grundrechtsverletzungen folgenlos bleiben müssen, kann schließlich auch mit dem Untermaßverbot in Einklang gebracht werden. Denn zur Erfüllung seiner Schutzpflichten hat der Staat diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, „die dazu führen, daß ein – unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter – angemessener und als solcher wirksamer Schutz erreicht wird.“175 Die Kollision widerstreitender Interessen verlangt einen angemessenen Ausgleich. In diesem Fall müssen die grundrechtlichen Reaktionsansprüche eine Einschränkung zugunsten der Funktionsfähigkeit und Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hinnehmen.176 Unter welchen Bedingungen eine solche Einschränkung erfolgt, ist durch Auslegung des Begriffs des „berechtigten Interesses“ unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen zu ermitteln. Kriterien, die für einen Verzicht auf grundrechtliche Reaktionsansprüche sprechen, können sich aus der Intensität des Eingriffs in das betroffene Grundrecht, dessen Rang oder die Art des Eingriffs (typischerweise kurzfristige Erledigung des Verwaltungsakts) ergeben. Es besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, jede Grundrechtsverletzung nachträglich gerichtlich kontrollieren zu lassen. Für die hier vertretene Ansicht lässt sich schließlich auch noch die Überlegung anführen, wonach in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO auch bei der Fortsetzungsfeststellungsklage eine Klagebefugnis bestehen muss und für diese zumindest in der Anfechtungssituation ausreichend ist, dass die Möglichkeit einer Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG besteht. Insofern ist für ein berechtigtes Feststellungsinteresse mehr als die mögliche Verletzung in der allgemeinen Handlungsfreiheit zu verlangen. Allein eine Verletzung von Grundrechten des Klägers kann deshalb grundsätzlich nicht für das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses sprechen.

175 BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 – Az.: 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92, BVerfGE 88, 203 (261); siehe auch Merten, in: ders. / ​Papier (Hrsg.), HGR III, § 68 Rn. 81–88, insbes. 87. 176 So im Ergebnis auch Thiele, DVBl 2015, 954 (957), der die Abwägung jedoch i. R. d. Art. 19 Abs. 4 GG vornimmt. Dogmatisch ist dies jedoch nicht haltbar, da vorliegend nicht die Einschränkung der Rechtsschutzgarantie, sondern der grundrechtlichen Reaktionsansprüche im Raum steht.

62 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands 3. Kontrollinteressen Soweit grundrechtliche Reaktionsansprüche damit nicht zur Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses führen, müssen es andere Gründe sein, die eine gerichtliche Kontrolle in dieser Situation rechtfertigen können. Das BVerfG und das BVerwG halten eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns für verfassungsrechtlich geboten, wenn ein Verwaltungsakt sich typischerweise vor einer erstinstanzlichen gerichtlichen Entscheidung erledigt. Denn eine gerichtliche Überprüfung der beschwerenden staatlichen Maßnahme könnte andernfalls wegen der Eigenart des Verwaltungsakts faktisch nie erfolgen. Selbst wenn man den Kläger auf den erneuten Erlass eines vergleichbaren Verwaltungsakts verweisen würde, müsste eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder entfallen, da es in der Eigenheit des Verwaltungsakts selbst begründet liegt, sich zu erledigen, bevor in realistischer Weise Rechtsschutz vor Gericht erreicht werden könnte. Im Ergebnis würde der Verwaltung damit eine „Freikarte“ zum Erlass rechtswidriger, nicht kontrollfähiger hoheitlicher Maßnahmen gewährt.177 Rechtlich würden alle Betroffene schutzlos gestellt, könnte für bestimmte Verwaltungsakte eine gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns typischerweise nicht erfolgen. Obwohl ein lückenloser gerichtlicher Rechtschutz verfassungsrechtlich garantiert wird, müssten erhebliche Rechtsschutzlücken hingenommen werden.178 Aus diesem Grund kann eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit jedenfalls für solche Verwaltungsakte nicht abgesprochen werden, die sich wegen ihrer Eigenart typischerweise einer gerichtlichen Entscheidung entziehen. Ob typischerweise eine ober- oder höchstgerichtliche Entscheidung nicht zu erreichen ist, kann jedoch nicht maßgeblich sein, da selbst Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG keinen Instanzenzug garantiert und dem rechtsstaatlichen Bedürfnis nach gerichtlicher Kontrolle bereits mit einem erstinstanzlichen Urteil entsprochen wird.179 In rechtsstaatlicher Hinsicht können gerichtsfreie Räume nicht hingenommen werden. Es wäre mit der Bedeutung der grundrechtlich geschützten Freiheit unvereinbar, offenen Auges zuzusehen, wie die Behörde Grundrechte verletzt. Der Bedarf für eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle trotz Erledigung des Verwaltungsakts reduziert sich naturgemäß, sofern dem Betroffenen grundsätzlich Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen, diese in der konkreten Situation aufgrund von Umständen des Einzelfalls jedoch entfallen mussten. Mit Abstellen auf die Eigenart des Verwaltungsakts wird der

177

Ebenso Sodan / ​Kluckert, VerwArch 94 (2003), 3 (14). In diese Richtung Rhinow, in: Festschrift Eichenberger, 657 (668). 179 So BVerwG, Urt. v. 21.01.2015 – Az.: 10 C 11/14, BVerwGE 151, 179 (181 Rn. 13); Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 144. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu oben getroffener Feststellung, wonach keine strengeren Anforderungen an den Zugang zur weiteren Instanz gestellt werden dürfe, sofern ein Instanzenzug vorgesehen ist. Für diese Fallgruppe kommt es entscheidend darauf an, ob überhaupt Rechtsschutz in der Hauptsache erlangt werden kann. Insofern wird ein Feststellungsinteresse nur zu bejahen sein, wenn der Verwaltungsakt sich bereits vor Erhebung der Klage in der ersten Instanz erledigt hat. 178

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Behörde zudem die Möglichkeit genommen, sich durch schnelles, vor der gerichtlichen Überprüfung bereits abgeschlossenes Handeln, einer gerichtlichen Kontrolle zu entziehen.180 Damit stellt sich noch die Frage, ob ein rechtsstaatlicher Kontrollbedarf in jedem Fall eines Grundrechtseingriffs anzunehmen ist oder nur bei einem besonders intensiven Eingriff oder einem Eingriff in ein bedeutendes Grundrecht. Die Kriterien der Eingriffsintensität und des Rangs des Grundrechts sind sehr unspezifisch und könnten zu Rechtsunsicherheit führen. Die Vorbehalte gegenüber den mit diesen Kriterien verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten lassen sich andererseits mit Hilfe bestimmter Indizien zur Bestimmung der Schwere des Eingriffs ausräumen. Beispielsweise hat das BVerfG als Indiz für einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff auf das Bestehen eines Richtervorbehalts abgestellt, wie es etwa bei Art. 13 Abs. 2, 104 Abs. 2, 3 GG normiert ist.181 Auch für die Bedeutung eines Grundrechts kann auf die bisherige Judikatur verwiesen werden.182 Entscheidend ist allerdings, dass Zweck dieser Fallgruppe die Vermeidung rechtsstaatlich bedenklicher Kontrolllücken ist. Dieses überragend wichtige Ziel lässt sich nicht auf bestimmte Grundrechtseingriffe begrenzen. Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage kann es daher nicht auf die Intensität des Eingriffs oder die Bedeutung des betroffenen Grundrechts ankommen. Von einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist damit auszugehen, sofern bei generalisierender Betrachtungsweise ein Verwaltungsakt vorliegt, der sich typischerweise vor einer gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit erledigt. Im Übrigen wird es sich bei den sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten um eine überschaubare Anzahl handeln, sodass eine Ausweitung der Klage nicht zu befürchten ist.183 4. Dogmatische Klarstellung Der überkommenen Definition zufolge ist ein „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO anzunehmen, wenn das Urteil geeignet ist, die individuelle Position des Klägers zu verbessern. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse knüpft damit in aller Regel an die Wirkung des Feststellungsurteils für die Rechtsstellung des Klägers an. Da mit einem sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt allerdings keine anhaltende Beeinträchtigung der Klägerposition verbunden ist, kann das Feststellungsurteil in diesen Fällen nicht zu einer Verbesserung 180

So bereits Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (440 f.). BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – Az.: 2 BvR 817/90, 728/92, 802 u. 1065/95, BVerfGE 96, 27 (40); Beschl. v. 05.12.2001 – Az.: 2 BvR 527/99, 1337, 1777/00, BVerfGE 104, 220 (233); für den einfachgesetzlichen Richtervorbehalt BVerfG, Beschl. v. 12.02.2007 – Az.: 2 BvR 273/06, NJW 2007, 1345. 182 Für die Versammlungsfreiheit BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004  – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (89 f.); vgl. auch Enders, in: Epping / ​Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 81. 183 So auch Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 143. 181

64 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands der individuellen Rechtsstellung des Klägers führen. Die gerichtliche Überprüfung des Rechtsakts ist in jenen Fällen jedoch im Allgemeininteresse zur Verwirklichung eines lückenlosen Rechtsschutzsystems geboten. Genaugenommen gehen die Gerichte in diesem Fall also über die einfach-rechtlichen Anforderungen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO hinaus, indem sie auf ein berechtigtes Interesse des Klägers zumindest nach der überkommenen Definition verzichten. Zur Zulässigkeit der Klage gelangen die Gerichte, weil sie das „berechtigte Interesse“ im Lichte der Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verfassungskonform auslegen und eine Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger ausnahmsweise nicht erforderlich ist. Die Ausführungen der Gerichte sind allerdings diesbezüglich nicht immer sauber; so gehen sie häufig auch in diesem Fall noch von einem „berechtigten Interesse des Klägers“ aus.184 5. Systematische Einordnung Dem Kläger, der die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage mit einem sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakt begründet, geht es nicht mehr darum, eine Verletzung seiner individuellen Rechte zu beseitigen. Die Rechtsverletzung ist mit Erledigung des Verwaltungsakts beendet; das Feststellungsurteil wirkt sich in dieser Situation nicht mehr auf die Rechtsstellung des Klägers aus. Hier zeigt sich auch der maßgebliche Unterschied zu den restlichen Fallgruppen, denen gemeinsam ist, dass das Feststellungsurteil in der Lage ist, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern. Ein Urteil, welches wegen des typischerweise kurzfristig erledigten Verwaltungsakts ergeht, führt demgegenüber nicht zu einem unmittelbaren Vorteil für den Kläger, selbst wenn es sich dabei um einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff handelt, da dieser bereits beendet ist. Ausschlaggebend für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist vielmehr das Bestreben, Kontrolldefizite zu vermeiden.185 Eine auf diese Fallgruppe gestützte Fortsetzungsfeststellungsklage verfolgt in erster Linie das Ziel, staatliches Handeln aus rechtsstaatlichen Gründen zu kontrollieren und das Feststellungsurteil zur „Maßstabsbildung“ zu instrumentalisieren. Das bezieht sich zunächst auf den konkreten, allerdings in der Vergangenheit liegenden, mit Erledigung des Verwaltungsakts eigentlich bereits gelösten Rechtsstreit. Aber es ist in dieser Situation mindestens ebenso naheliegend, dass das gerichtliche Urteil zwar nicht normativ, aber zumindest faktisch zur Rationalisierung der Verwaltung beitragen soll. Die Ausführungen des Gerichts erfolgen ersichtlich auch in der Absicht, dass sich die Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung zukünftig an den gerichtlichen Wertungen orientieren wird und dadurch vergleichbare Grundrechtsverletzungen 184 So z. B. OVG NRW, Urt. v. 07.08.2018 – Az.: 5 A294/16, NVwZ 2018, 1497 (1498); OVG Sachsen, Urt. v. 31.05.2018 – Az.: 3 A 199/18, LKV 2018, 375 (376). 185 So wohl auch Diering, Instanzenverlust durch Selbstbindung, S. 44, der von einem nur „mittelbaren“ Einfluss der gerichtlichen Entscheidung auf die subjektive Rechtsstellung des Klägers spricht.

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vermieden werden können.186 Auch wenn die Behörde nicht verpflichtet ist, ihre Entscheidung nach dem Urteil auszurichten, setzt eine höchstrichterliche Entscheidung zumindest wichtige Impulse. Insoweit wird auch die Befürchtung genährt, das Fortsetzungsfeststellungsurteil werde zu Zwecken der allgemeinen Rechtsklärung instrumentalisiert, selbst wenn es für die konkrete Streitentscheidung nicht mehr erforderlich ist. Die individuelle Rechtsverletzung stellt zwar weiterhin den Anlass für das gerichtliche Verfahren dar. Dadurch wird auch ausgeschlossen, dass sich die Gerichte zu einer schlichten Gutachteninstanz erheben. Das Urteil dient jedoch in diesem Fall nicht mehr der Durchsetzung der individuellen Rechte des Klägers, sondern erfüllt den im Allgemeininteresse liegenden Anspruch an ein lückenloses Rechtsschutzsystem, wie es auch von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet wird. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist damit in dieser Konstellation in erster Linie ein objektives Rechtsklärungsinteresse.187 Aus rechtsstaatlicher Sicht ist eine derartige Auslegung des „berechtigten Interesses“ notwendig und wird von einem System, dass die Lückenlosigkeit des Rechtsschutzes für sich postuliert, erwartet. Rechtsschutzeffektivität heißt auch, dass Rechtsschutz nicht nur in der Theorie offen stehen muss, sondern tatsächlich wirksam zu sein hat.188 Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ist nicht nur Individualgrundrecht, sondern verlangt als objektive Wertentscheidung von Gesetzgeber und Rechtsprechung, bestehende Prozessinstitute entsprechend auszulegen, um dem Anspruch eines wirkungsvollen Rechtsschutzes auch gerecht werden zu können.189 Es ist nicht festzustellen, dass die Gerichte in ihren rechtlichen Ausführungen über die konkrete Streitfrage hinausgingen. Die Vermeidung rechtsstaatlich bedenklicher Kontrolldefizite zählt zudem zu den grundlegenden Funktionen der Rechtsprechung und rechtfertigt damit die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle auch nach Erledigung des Verwaltungsakts. Dass insofern allein wegen der Schwere des Grundrechtseingriffs eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit nicht geboten ist, ist in rechtsstaatlicher Hinsicht unbedenklich. Von Kontrolldefiziten kann nicht gesprochen werden, wenn eine gerichtliche Überprüfung allein deshalb entfallen muss, weil ausnahmsweise Einzelfallumstände zu einer Erledigung des Verwaltungsakts vor der gerichtlichen Entscheidung führen.

186 So bereits Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (440 f.), der von einem „vorwirkenden Grundrechtsschutz“ schreibt. 187 Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 122. 188 So eingängig W.-R. Schenke, in: Kahl / ​Waldhoff / ​Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 637. 189 P. M. Huber, in: v. Mangoldt / ​Klein / ​Starck, GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4 Rn. 375.

66 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands

IV. Wiederholungsgefahr 1. Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse besteht nach Ansicht der Rechtsprechung auch bei einer Wiederholungsgefahr. Sie liegt vor, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.190 Die Gefahr einer Wiederholung muss im Verhältnis der am Rechtsstreit beteiligten Parteien vorliegen.191 Eine konkrete Gefahr der Wiederholung kann angenommen werden, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich ein vergleichbarer Sachverhalt wieder ereignen wird und nach der Interessenlage oder den Erklärungen der Beteiligten zu erwarten ist, dass die Behörde in absehbarer Zukunft an ihrer Rechtsauffassung festhalten und darauf gestützt einen inhaltsgleichen oder gleichartigen Verwaltungsakt erneut erlassen wird.192 In der Verpflichtungssituation muss die konkrete Gefahr bestehen, dass die Behörde einen erneuten Antrag des Klägers aus den gleichen Gründen ablehnen würde.193 Die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr verfolgt das Ziel, voraussehbaren künftigen Rechtsstreitigkeiten in gleich gelagerten Fällen zuvorzukommen, indem der handelnden Behörde mit der gerichtlichen Klärung einer Rechtsfrage eine Richtschnur für zukünftige Maßnahmen zur Seite gestellt wird.194 „Wiederholungsvorbeugungsinteresse“ bzw. „Weiterverfolgungsinteresse“ in der Verpflichtungssituation sind passende Umschreibungen.195 Dieser Zweck kann nur erfüllt werden, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht geändert haben.196 Dazu ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass einem 190 BVerwG, Urt. v. 16.10.1989  – Az.: 7 B 108/89, NVwZ 1990, 360; BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (306 f.); Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 58; Redeker, in: ders. / ​v. Oertzen (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 47; Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 112. 191 HessVGH, Beschl. v. 15.09.2009 – Az.: 7 A 2550/08, DÖV 2010, 48 (LS); W.-R. Schenke  / ​ R. P.  Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 141; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 271. 192 BVerfG, Beschl. v. 08.02.2011  – Az.: 1 BvR 1946/06, NVwZ-RR 2011, 405 (405 f.); BVerwG, Beschl. v. 26.04.1993 – Az.: 4 B 31/93, NVwZ 1994, 282; Urt. v. 18.12.2007 – Az.: C-47/06, NVwZ 2008, 571. 193 BVerwG, Beschl. v. 24.08.1979 – Az.: 1 B 76/76, Buchholz 402.24 § 2 AuslG Nr. 16; Urt. v. 24.02.1983 – Az.: 3 C 56/80, Buchholz 310 § 113 Nr. 129; Urt. v. 25.08.1993 – Az.: 6 C 7/93, NVwZ-RR 1994, 234. 194 BVerwG, Beschl. v. 09.05.1989 – Az.: 1 B 166/88, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 202; VGH BW, Urt. v. 12.02.1990 –Az.: 1 S 1646/89, NVwZ-RR 1990, 602; OVG NRW, DVBl 1994, 234; Heinze / ​Sahan, JA 2007, 805 (806); Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 58; ­Rozek, JuS 1995, 598. 195 Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 102. 196 BVerfG, Beschl. v. 08.02.2011  – Az.: 1 BvR 1946/06, NVwZ-RR 2011, 405 (405 f.); BVerwG, Urt. v. 24.02.1983  – Az.: 3 C 56/80, Buchholz 310 § 113 Nr. 129; Beschl. v.

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zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen wie vor Erledigung des Verwaltungsakts.197 Sind aber nach der Erledigung des Verwaltungsakts und vor der gerichtlichen Entscheidung neue Tatsachen eingetreten oder hat sich die einst zugrunde liegende Rechtslage geändert, ist die nachträgliche gerichtliche Überprüfung des Verwaltungsakts für die künftige Verwaltungspraxis bedeutungslos.198 Mit einer Wiederholung der Entscheidung ist in einer solchen Situation nicht mehr zu rechnen, sodass ein berechtigtes Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung nicht besteht. Gleiches muss gelten, wenn der befürchtete Verwaltungsakt in der Zwischenzeit erlassen wurde und sich die Wiederholungsgefahr damit realisiert hat. In diesem Fall kann eine mit der Rechtswidrigkeitsfeststellung durch Urteil bezweckte Steuerung der Behörde nicht mehr erreicht werden; das Fortsetzungsfeststellungsurteil ist für den Kläger letztlich ohne Nutzen, da sich der Erlass des Verwaltungsakts nicht mehr abwenden lässt. Im Übrigen besteht für eine Rechtswidrigkeitsfeststellung auch kein Bedürfnis, da der Kläger den Verwaltungsakt anfechten kann und auch muss, um seine Rechte durchzusetzen.199 2. Systematische Einordnung Die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts bei Wiederholungsgefahr dient nicht der Beseitigung einer noch aktuellen Rechtsverletzung. Mit ihr soll aber eine mit hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehende Rechtsverletzung verhindert werden. Es geht also um die Verwirklichung eines präventiven Rechtsschutzes gegen zukünftige Verwaltungsakte. a) Vorbeugender Rechtsschutz aa) Verfassungsrechtlicher Hintergrund Von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG kann es in Ausnahmefällen geboten sein, den Einzelnen nicht auf nachträglichen Rechtsschutz zu verweisen, sondern den Rechtsschutz „vorzuverlagern“, das heißt gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten bereits zuzulassen, bevor die Rechtsverletzung eingetreten ist.200 Um die Wirksamkeit des 09.05.1989 – Az.: 1 B 166/88, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 202; Urt. v. 25.11.1986 – Az.: 1 C 10/86, Buchholz 310 § 113 Nr. 162. 197 BVerwG, Urt. v. 18.12.2007 – Az.: C-47/06, NVwZ 2008, 571; Urt. v. 14.01.1980 – Az.: 7 C 92/79, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95; Beschl. v. 09.05.1989 – Az.: 1 B 166788, BeckRS 1989, 31277075. 198 BVerwG, Beschl. v. 09.05.1989 – Az.: 1 B 166/88, BeckRS 1989, 31277075. 199 OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.11.2010 – Az.: 3 L 91/10, BeckRS 2010, 56933; Decker, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 87.2. 200 Zuletzt eingehend BVerfG, Beschl. v. 14.01.2014 – Az.: 2 BvR 2728, 2729, 2730, 2731/13, 2 BvE 13/13, BVerfGE 134, 366 (391 f.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 278.

68 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Rechtsschutzes zu garantieren, verlangt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die nach Art und Wirkungsweise des staatlichen Handelns geeigneten prozessualen Abwehrmöglichkeiten bereit zu stellen. In bestimmten Fällen kann die Möglichkeit eines vorbeugenden Rechtsschutzes erforderlich sein. Bei einer erst noch bevorstehenden Rechtsverletzung ist eine gerichtliche Entscheidung jedoch stets auch mit einem Eingriff in einen noch nicht abgeschlossenen Entscheidungsprozess der Verwaltung verbunden. Vorbeugender Rechtsschutz gerät damit in Konflikt mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz. Aus diesem Grund ist eine zurückhaltende Anwendung geboten. Dazu wird ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis verlangt.201 An einem solchen soll es fehlen, wenn dem Betroffenen zuzumuten ist, sich auf den von dem System der VwGO bereitgestellten nachträglichen Rechtsschutz verweisen zu lassen.202 Soweit die Abwehr eines erst noch zu erlassenden Verwaltungsakts in Rede steht, ist es dem Adressaten grundsätzlich zumutbar die davon ausgehende Rechtsverletzung abzuwarten, da ihm insoweit die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO ausreichend Rechtsschutz bietet.203 Ausnahmen davon sind restriktiv und nur in speziellen Situationen geboten. Einen solchen Ausnahmefall stellt bei Erledigung des Verwaltungsakts die Gefahr der Wiederholung eines gleichartigen Verwaltungsakts dar. Dass die Klage in diesem Fall durch eine bereits erfolgte Rechtsverletzung veranlasst ist, steht ihrer vorbeugenden Funktion nicht entgegen. Die bereits eingetretene Rechtsverletzung ist insofern Auslöser für ein Bedürfnis nach vorbeugendem Rechtsschutz, „weil und wenn diese Rechtsverletzung ersichtlich macht, daß für die Zukunft mit weiteren Rechtsverletzungen gerechnet werden muß.“204 Der Kläger findet sich in einer sehr speziellen Situation wieder. Rechtsschutz gegen die vergangene Rechtsverletzung im Wege der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage kann er infolge der Erledigung des Verwaltungsakts nicht mehr erlangen. Gleichwohl muss der Adressat in naher Zukunft mit dem wiederholten Erlass des Verwaltungsakts mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechnen. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass er wegen vergleichbarer Umstände erneut nicht rechtzeitig eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen kann. Sofern der Adressat hinreichend substantiiert darlegen kann, dass die konkrete Gefahr besteht, dass die Behörde weiterhin an ihrer Rechtsauffassung festhalten und einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen wird, kann es dem Kläger daher nicht zuzumuten sein, den Erlass des Verwaltungsakts abzu­warten und sich womöglich wegen erneuter Erledigung ein weiteres Mal auf den erst noch zu erlassenden Verwaltungsakt verweisen zu

201

Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 278 f. BVerwG, Urt. v. 12.01.1967 – Az.: III C 58/65, BVerwGE 26, 23 (24 f.); Urt. v. 29.07.1977 – Az.: IV C 51/75, BVerwGE 54, 211 (215 f.); VGH BW, Beschl. v. 07.12.1993 – Az.: 1 S 2702/93, DÖV 1994, 309; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 16 Rn. 10; W.-R. Schenke, Verwaltungs­ prozessrecht, Rn. 355 f.; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 279. 203 Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 279. 204 BVerwG, Urt. v. 08.09.1972 – Az.: IV C 17/71, BVerwGE 40, 323 (326). 202

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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lassen.205 Hinzu kommt, dass der Kläger zumindest in der gesetzlich vorgesehenen Situation der Fortsetzungsfeststellungsklage bereits einen gewissen prozessualen Aufwand betrieben hat. Ihm in dieser Situation „die Früchte des Prozesses“206 zu nehmen, obschon ein Folgeprozess wahrscheinlich ist, ist weder prozessökonomisch noch rechtsschutzfreundlich. bb) Rechtsschutzmöglichkeiten bei Wiederholungsgefahr Statt einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen Verwaltungsakte wurde mit der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr der Weg über die Fortsetzungsfeststellungsklage gewählt. Aufgrund der bestehenden systematischen Bedenken gegenüber einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen Verwaltungsakte wegen der damit verbundenen Möglichkeit einer Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungsklage207 und der hohen Anforderungen, die an ein dafür erforderliches Rechtsschutzbedürfnis gestellt werden208, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage die in rechtlicher Hinsicht einfachere und rechtssicherere Wahl.209 Der vereinzelt gebliebenen Kritik an der Fallgruppe der Wiederholungsgefahr zufolge könne der Erlass eines zukünftigen Verwaltungsakts hingegen nur mit Hilfe eines präventiven Rechtsschutzverfahrens verhindert werden.210 Argumentiert wird, dass mit einem Fortsetzungsfeststellungsurteil lediglich die Rechtswidrigkeit für einen vergangenen Verwaltungsakt festgestellt werde. Die Einmaligkeit des vergangenen Sachverhalts stehe einer Generalisierung der Entscheidung entgegen, sodass dieses Urteil in ähnlichen Fällen nicht verhaltensbestimmend für die Zukunft wirken kön-

205

So auch Diering, Instanzenverlust durch Selbstbindung, S. 43. So die Argumentation etwa von BVerwG, Beschl. v. 16.10.1989 – Az.: 7 B 108/89, NVwZ 1990, 360 (361); BayVGH, Urt. v. 07.08.2013 – Az.: 10 B 13 12/31, BeckRS 2013, 58320. 207 Für die Zulässigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage lediglich unter entsprechender Anwendung der Vorschriften betreffend Anfechtungs- und Verpflichtungsklage W.-R. Schenke, AöR 95 (1970), 223 (242–253, insbes. 247 f.). Dagegen Ule, VerwArch 65 (1974), 291 ­(298–309), der kein Bedürfnis für ein Vorverfahren sieht. Bedenken bestehen außerdem wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Entscheidungsfreiheit der Verwaltung BayVGH, Beschl. v. 28.04.1992 – Az.: 21 CE 92/949, NVwZ-RR 1993, 54 (54 f.); OVG SchlH, Beschl. v. 14.12.1993 – Az.: 4 M 133/93, NVwZ-RR 1994, 918 (919). 208 Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob ein Abwarten im Einzelfall unzumutbar ist; BVerwG, Urt. v. 16.04.1971 – Az.: IV C 66/67, DVBl 1971, 746 (747); OVG Berlin, Urt. v. 02.05.1977  – Az.: II B 2/77, NJW 1977, 2283 (2283 f.). Siehe auch die Systematisierungsvorschläge aus der Literatur Haug, DÖV 1967, 86 (88); Peine, JURA 1983, 285 (292–294); ­W.-R. Schenke, AöR 95 (1970), 223 (250–253); Ule, VerwArch 65 (1974), 291 (305–308). 209 So auch W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (142 f.). 210 So Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 273 Fn. 15; Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 48; Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 295 f. 206

70 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands ne.211 Darüber hinaus könne ein Fortsetzungsfeststellungsurteil mangels Vollstreckbarkeit keinen wirksamen Schutz vor künftigen belastenden Maßnahmen bieten.212 Zuzugeben ist, dass die vorbeugende Unterlassungsklage das rechtsschutzintensivere Klagemittel ist. Durch sie wird die Behörde verpflichtet, den Erlass künftiger Verwaltungsakte zu unterlassen. Handelt sie ihrer Verpflichtung, den Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts gegenüber dem Adressaten zu unterlassen, zuwider, kann das Gericht des ersten Rechtszugs in entsprechender Anwendung des § 172 VwGO auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken.213 Im Fall der Rechtswidrigkeitsfeststellung ist die Behörde hingegen aufgrund der materiellen Rechtskraft lediglich daran gehindert gegenüber dem Kläger denselben Verwaltungsakt bzw. Versagungsbescheid zu erlassen, hinsichtlich dessen die rechtskräftige Entscheidung getroffen wurde.214 Der Erlass eines in dieser Angelegenheit inhaltsgleichen Verwaltungsakts stellt einen neuen Streitgegenstand dar215, der von der materiellen Bindungswirkung des Fortsetzungsfeststellungsurteils nicht erfasst ist. Der Behörde ist es aufgrund der Präjudizialität des Urteils gleichwohl untersagt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage einen vergleichbaren Verwaltungsakt aus den durch das Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (Verwaltungsaktwiederholungsverbot).216 Die Vermutung, dass die Behörde die Entscheidung des Gerichts beachten und auf einen erneuten Erlass des 211 So Martersteig, Fortsetzungsfeststellungsklage?, S. 48; Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 181–202, 295 f. 212 So OVG Nds., Urt. v. 26.08.1970 – Az.: IV OVG A 76/70, NJW 1971, 1149; dem zustimmend Ule, VerwArch 65 (1974), 291 (306). 213 So Ule, VerwArch 65 (1974), 291 (309 f.). 214 Lindner, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 17. 215 Zum umstrittenen Streitgegenstandsbegriff der Fortsetzungsfeststellungsklage siehe nur ­W.-R. Schenke, JZ 2003, 31 (33); ders., in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 90 Rn. 8; ders., Verwaltungsprozessrecht, Rn. 610; ebenso Wolff, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), § 90 Rn. 12, wonach Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage die Feststellung der durch den Verwaltungsakt begründeten subjektiven Rechtsverletzung des Klägers einschließlich der Feststellung der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts ab Erledigung sein soll. A. A. dagegen ­Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 67; Detterbeck, Streitgegenstand, S. ­289–295; Fechner, NVwZ 2000, 121 (125), die davon ausgehen, dass der Streitgegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts umfasst, nicht hingegen die subjektive Rechtsverletzung des Klägers. Ungeachtet dessen, ob die Rechtsverletzung des Klägers zum Streitgegenstand zählt, wird jedenfalls die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts mit der Fortsetzungsfeststellungsklage verbindlich festgestellt. Aufgrund dessen gelten die Erwägungen zum Verwaltungsaktwiederholungsverbot bei der Anfechtungsklage ebenso für die Fortsetzungsfeststellungsklage. 216 Für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage BVerwG, Urt. v. 30.08.1962  – Az.: I C 161/58, BVerwGE 14, 359 (362); Urt. v. 08.12.1992 – Az.: 1 C 12/92, BVerwGE 91, 256 (257); Urt. v. 28.01.2010 – Az.: 4 C 6/08, NVwZ 2010, 779 (780); Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​ Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 26; Germelmann, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 51 f., 95. Für die gleiche Wirkung bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage Bettermann, Anm. zu VG Braunschweig, Urt. v. 15.06.1972 – I A 16/72, DVBl 1973, 48 f.; Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 93.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Verwaltungsakts verzichten wird, spricht für das Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung.217 Dogmatisch wird diese erweiterte Rechtskraftwirkung überwiegend mit der Präjudizialität des Urteils begründet.218 Eine präjudizielle Wirkung der Rechtskraft setzt jedoch voraus, dass über eine entscheidungserhebliche Frage des Folgeprozesses in einem vorangegangenen Prozess rechtskräftig entschieden wurde.219 Da aber über die Rechtswidrigkeit des nachfolgenden Verwaltungsakts mangels Identität der Streitgegenstände nicht rechtskräftig entschieden wurde, könnte von dem ersten Urteil streng genommen keine präjudizielle Bindung ausgehen. Dennoch steht mit der ersten gerichtlichen Entscheidung bindend fest, dass ein Verwaltungsakt mit diesem Inhalt und in dieser Form nicht hätte ergehen dürfen.220 Die Rechtsprechung begründet dieses Ergebnis mit der friedensstiftenden Funktion der materiellen Rechtskraft. Ihr würde es widersprechen, könnte die Verwaltung durch Erlass eines vergleichbaren Verwaltungsakts die materielle Bindungswirkung umgehen.221 Durch das gerichtliche Urteil wird verbindlich festgestellt, dass die von der Behörde getroffene Regelung für einen konkreten Einzelfall gegen geltendes Rechts verstößt. Damit ist es der Behörde nach Art. 20 Abs. 3 GG untersagt, bei unveränderter Sach- und Rechtslage den inhaltsgleichen Verwaltungsakt aus den gleichen Gründen erneut zu erlassen.222 Dass das Gericht eine „natürliche Autorität“ ausstrahlt, die zu einem loyalen Verhalten der Behörde anhält223, wird wahrscheinlich auch an der mit einer Missachtung der gerichtlichen Entscheidung verbundenen Amtspflichtverletzung der Behörde liegen.224 Dies kann die Behörde zwar nicht in gleicher Weise wie ein vollstreckbares Urteil daran hindern, den Klä-

217 Decker, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 87.2; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​ Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 127. 218 So BVerwG, Urt. v. 10.05.1994 – Az.: 9 C 501/93, BVerwGE 96, 24 (26); Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn.  26; Kilian / ​Hissnauer, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO § 121 Rn. 76; Lindner, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 20; Payandeh, Judikative Rechtserzeugung, S. 42 f.; Rennert, VBlBW 1993, 281 (282). 219 So Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 24; Detterbeck, AöR 116 (1991), 391 (399); für den Zivilprozess Althammer, in: Stein / ​Jonas (Begr.), ZPO, § 322 Rn. 119, 194–201. 220 Siehe hierzu nur Detterbeck, AöR 116 (1991), 391 (400 f.), der den Streitgegenstand der Anfechtungsklage auf Verwaltungsakte „dieser Art“ beschränken möchte. Kritisch Erfmeyer, DVBl 1997, 27 (28). 221 Auf Sinn und Zweck der Rechtskraft abstellend BVerfG, Beschl. v. 31.01.1978  – Az.: 2 BvL 8/77, BVerfGE 47, 146 (165 f.); BVerwG, Urt. v. 30.08.1962 – Az.: I C 161/58, BVerwGE 14, 359 (362 f.). 222 So eingängig Kilian / ​Hissnauer, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO § 121 Rn. 78; i. E. auch Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 26; Heinze / ​Sahan, JA 2007, 805 (806); Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 127. Auf die sonstigen Vorschläge zur dogmatischen Begründung einer erweiterten Rechtskraftwirkung kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. aber den Vorschlag von Detterbeck, AöR 116 (1991), 391 (399 f.). 223 So BVerwG, Beschl. v. 09.02.2000 – Az.: 4 B 11/00, Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 78. 224 Darauf abstellend Gerhardt, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, 32. EL 10/2016, § 113 Rn. 93; Ossenbühl / ​Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 53; Ossenbühl, AöR 92 (1967), 478 (490 f.); Wolff / ​Bachof / ​Stober / ​Kluth, VerwR II, § 67 Rn. 59.

72 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands ger durch Verwaltungsakt erneut in Anspruch zu nehmen.225 Rechtsschutzlos ist der Adressat bei Erlass eines erneuten Verwaltungsakts gleichwohl nicht gestellt. Er kann diesen anfechten; die Rechtskraft der vorhergehenden Entscheidung steht der Zulässigkeit einer Klage gegen den nachfolgenden Verwal­tungsakt insoweit nicht entgegen, da es an einem identischen Streitgegenstand fehlt. Aufgrund der Erstentscheidung steht für jeden nachfolgenden Prozess ohne Sachprüfung jedoch verbindlich fest, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist.226 Die Fortsetzungsfeststellungsklage bei Wiederholungsgefahr ist demzufolge als grundsätzlich geeignetes Rechtsschutzmittel anzusehen, wenn auch mangels Vollstreckungsmöglichkeit nicht in gleicher Intensität wie das Unterlassungsurteil. Dieses Manko kann jedoch mit den gegenüber der Anerkennung einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen Verwaltungsakte bestehenden Unsicherheiten und Bedenken wieder aufgewogen werden. Bleibt noch die Frage nach der grundsätzlichen Eignung des Fortsetzungsfeststellungsurteils zur Lenkung der Verwaltung. Da das Urteil insoweit vergangenheitsbezogen ist und einen konkreten Einzelfall zum Gegenstand hat, fehlt es ihm naturgemäß an einem generalisierenden Inhalt. Deshalb dem Urteil die Eignung zur Lenkung der Verwaltung abzusprechen, geht jedoch fehl. Die Verwaltung ist durchaus in der Lage, aus dem Urteil heraus­zulesen, aus welchen Gründen das Gericht die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts verneinte. Da zur Annahme einer Wiederholungsgefahr strenge Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Sachlage gestellt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich aufgrund einer entsprechenden Parallelität der Sachverhalte die im Urteil genannten Rechtswidrigkeitsgründe auf die spätere Situation übertragen lassen, umso größer. Insoweit wird man dem Feststellungsurteil die Eignung zur Lenkung der Verwaltung nicht absprechen können. b) Objektive Verwaltungskontrolle Vorbeugender Rechtsschutz wird umso eher geleistet, je größer die Wahrschein­ lichkeit ist, dass aufgrund der Vergleichbarkeit von Sach- und Rechtslage ein ähnlicher Verwaltungsakt gegenüber dem ursprünglichen Adressaten erneut erlas­sen werde. Dann erfüllt das Feststellungsurteil tatsächlich den Zweck, einer zukünftigen Rechtsverletzung gegenüber dem Kläger zuvorzukommen. Mit Zurücknahme der Anforderungen an die Vergleichbarkeit des Sachverhalts und der Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung, sinkt auch die Gefahr, dass es in Zukunft zu einer vergleichbaren Rechtsverletzung kommen wird. Damit ändert sich dann aller 225

So Erfmeyer, DVBl 1997, 27 (28). Für die Anfechtungsklage BVerwG, Urt. v. 30.08.1962  – Az.: BVerwG I C 161/58, BVerwGE 14, 359, (362); Urt. v. 16.07.1963 – Az.: VII C 96/72, BVerwGE 16, 224 (226); Beschl. v. 15.03.1968 – Az.: VII C 1183/65, BVerwGE 29, 210 (213); Urt. v. 08.12.1992 – Az.: 1 C 12/92, BVerwGE 91, 256 (257 f.); Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 26, 81; Kilian / ​Hissnauer, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 78; Lindner, in: Posser / ​Wolff (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 20; Rennert, VBlBW 1993, 281 (282 f.); W.R. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 121 Rn. 11. 226

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

73

dings auch die Zweckrichtung des gerichtlichen Urteils. Es steht dann weniger der subjektive Rechtsschutz im Vordergrund als das Anliegen, über eine allgemeine Rechtsfrage Klarheit zu schaffen. In einem solchen Fall erschöpft sich der mit dem gerichtlichen Urteil verfolgte Zweck darin, den Verwaltungsbehörden Maßstäbe für rechtmäßiges Verwaltungshandeln an die Hand zu geben, um wieder­ kehrende Rechtsstreitigkeiten um kontroverse Rechtsfragen zu vermeiden und insgesamt zu einer einheitlichen Rechtsanwendung beizutragen. Dazu werden die Anforderungen an die Wiederholungsgefahr von den Verwaltungsgerichten großzügig interpretieren.227 Zwar wird grundsätzlich verlangt, dass „die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird“228. Diese strengen Anforderungen werden jedoch zurückgenommen, wenn es ausreichen soll, dass „sich die in Bezug auf den erledigten Verwaltungsakt kontroversen Rechtsfragen zwischen den Beteiligten in anderer Weise erneut stellen werden“229. Noch deutlicher zeigt sich das Kontrollanliegen, wenn es für das Vorliegen einer Wiederholungs­gefahr entscheidend sein soll, „ob die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können. Dazu reicht es aus, wenn sich zwar die Rechtmäßigkeit eines konkreten Verwaltungs- oder Realaktes auch nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt, zwischen den Beteiligten aber hinsichtlich Vorfragen ein grundsätzlicher Dissens besteht und sich diese streitigen Vorfragen mutmaßlich auch zukünftig in gleicher Weise stellen werden. Dass einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter diesen Umständen eine ‚Leitfunktion‘ zukommen kann, begründet das berechtigte Feststellungsinteresse.“230 Eine entsprechende Absicht wird auch deutlich, wenn das Gericht ausführt: „Vielmehr können nur solche Rechtsfragen geklärt werden, deren Entscheidung für die Beteiligten als Richtschnur für künftiges Verhalten von praktischer Bedeutung ist, weil sich ein vergleichbarer Sachverhalt schon konkret abzeichnet und sein Eintritt in absehbarer Zeit nicht nur theoretisch möglich erscheint“231. Auch wenn diese Formulierungsbeispiele als Indiz für eine weite Auslegung des 227

Vgl. zu dieser Feststellung ebenso Mehde, VerwArch 100 (2009), 432 (437 f.); ders., DV 43 (2010), 379 (393 f.); in diese Richtung auch Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 112. 228 BVerwG, Urt. v. 16.10.1989 – Az.: 7 B 108/89, NVwZ 1990, 360; Urt. v. 12.10.2006 – Az.: 4 C 12/04, BeckRS 2006, 27434; BVerwG, Urt. v. 18.12.2007 – Az.: C-47/06, NVwZ 2008, 51; zuletzt bestätigt durch BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (306 f.). 229 So etwa VG München, Urt. v. 12.10.2011 – Az.: M 18 K 10/4531, BeckRS 2012, 49362 (Hervorhebung durch die Verfasserin); ebenso VG Köln, Urt. v. 09.12.2014 – Az.: 7 K 1814/13, BeckRS 2015, 40323. 230 So OVG Nds., Urt. v. 30.08.2012 – Az.: 11 LB 372/10, DVBl 2012, 1437 (1438); ebenso BVerwG, Urt. v. 14.01.1980 – Az.: 7 C 92/79, NJW 1980, 2426 (2427); Beschl. v. 09.05.1989 – Az.: 1 B 166/88, BeckRS 1989, 31277075; Beschl. v. 21.10.1999 – Az.: 1 B 37/99, BeckRS 2014, 54665; Urt. v. 18.12.2007 – Az.: C-47/06, NVwZ 2008, 51. 231 VG Düsseldorf, Urt. v. 15.08.2005 – Az.: 18 K 6365/04, NVwZ 2006, 241 (241 f.).

74 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Fortsetzungsfeststellungsinteresses angeführt werden können und die Vermutung nähren, dass sich die Fortsetzungsfeststellungsklage von dem Ziel des subjektiven Rechtsschutzes entfernt, so ist dennoch zu betonen, dass allein mit der Beobachtung einer Zurücknahme der Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse noch kein Nachweis für eine institutionelle Systemverschiebung erbracht ist. Dazu ist des Weiteren erforderlich, dass sich die Gerichte, sofern sie die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage aufgrund einer sich über das Ziel des individuellen Rechtsschutzes hinwegsetzenden Interpretation der Wiederholungsgefahr bejahen konnten, letztlich auch im Urteilsspruch und den Entscheidungsgründen entsprechend äußern und positionieren. 3. Handhabung der Fallgruppe in der Rechtsprechung Die Rechtsprechung selbst scheint sich hinsichtlich des mit der Wiederholungsgefahr verfolgten Zwecks uneins zu sein. Diese Unsicherheit zeigt sich beispielsweise, wenn einerseits Hinweise ergehen, dass der Tenor des Urteils im Fortsetzungsfeststellungsprozess auf die Vergangenheit bezogen sei232, andererseits aber erklärt wird, dass der Feststellungsantrag als richtungsweisend für die Zukunft verstanden werden könne233.234 Der Bayerische VGH urteilte etwa, „es mangelt an der konkreten Gefahr einer Wiederholung der Durchsuchungsmaßnahme unter im Wesentlichen gleichen Bedingungen, weshalb eine gerichtliche Entscheidung dem Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage, für künftig zu treffende Polizeimaßnahmen eine Richtschnur rechtmäßigen Handelns aufzuzeigen und so weitere gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, nicht gerecht werden kann“235. Offensichtlich ist es die Absicht des Gerichts, einen vergangenen Verwaltungsakt auf seine Rechtswidrigkeit / ​Rechtmäßigkeit zu überprüfen und die im Zuge dessen getroffenen Feststellungen der Polizeibehörde als Leitlinie für künftiges Verwaltungshandeln an die Hand zu geben. In anderen Fällen wird hingegen explizit verlangt, dass sich die gleiche kontroverse Rechtsfrage im Verhältnis der Beteiligten nochmals stellen muss.236 Dann aber will das Gericht, einen Maßstab für künftiges Verwaltungshandeln setzen, damit sich der Kläger nicht wiederholt mit der gleichen Rechtsfrage an das Gericht wenden muss. 232

BVerwG, Urt. v. 18.07.1969 – Az.: VII C 56/68, BVerwGE 32, 333 (335). BVerwG, Beschl. v. 24.03.2004 – Az.: 1 WB 46/03, BeckRS 2004, 17741; ebenso BVerwG, Beschl. v. 02.03.1994 – Az.: 1 WB 4/93, BeckRS 1994, 31308737. 234 Diesen Hinweis gibt ebenso Trzaskalik, Die Rechtsschutzzone der Feststellungsklage im Zivil- und Verwaltungsprozeß, S. 196 Fn. 56. 235 BayVGH, Beschl. v. 13.03.2017 – Az.: 10 ZB 16/965, BeckRS 2017, 105395; ähnlich BayVGH, Beschl. v. 28.11.2011 – Az.: 8 ZB 11/886, BeckRS 2011, 56930, der insoweit einen prozessualen Mehrwert verlangt, der bei Wiederholungsgefahr darin liegt, eine Richtschnur für künftiges rechtmäßiges Verwaltungshandeln aufzuzeigen. 236 BVerwG, Beschl. v. 24.03.2004  – Az.: 1 WB 46/03, BeckRS 2004, 17441; ähnlich VG Köln, Urt. v. 09.12.2014  – Az.: 7 K 1814/13, BeckRS 2015, 40323; BayVGH, Beschl. v. 30.06.2014 – Az.: 5 ZB 12/2574, BeckRS 2014, 53534. 233

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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a) Indizien für die Instrumentalisierung als objektives Kontrollverfahren Das BVerwG237 hatte für einen Sachverhalt aus dem Regulierungsrecht das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses aufgrund einer Wiederholungsgefahr zu erörtern. Es führte aus, dass eine Wiederholungsgefahr bestehe, da die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen künftigen Verwaltungshandelns unter Anwendung der dafür maßgeblichen Rechtsvorschriften geklärt werden können. Fordert man hingegen, dass – wie sonst auch – die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung der Behörde ergehen wird, ist dieses Ergebnis nicht so eindeutig, wie es das BVerwG darstellt. Tatsächlich gab der Sachverhalt keinen Anlass, von einer Wiederholung des streitigen Verwaltungsakts auszugehen. Aus diesem Grund setzte die Argumentation des BVerwG auch an einem früheren Zeitpunkt an: „Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten setzen aber bereits früher ein. Sie betreffen die grundsätzliche Frage, […]. Ange­ sichts dieses grundlegenden Dissenses besteht die hinreichend bestimmte Gefahr, dass die Bundesnetzagentur auch künftig zeitliche Ungleichbehandlungen zugunsten eines vorstoßenden Wettbewerbs als sachlich gerechtfertigt billigen könnte, obwohl die Klägerin dies für prinzipiell rechtswidrig hält. Der vorliegende Rechtsstreit bietet insoweit die Möglichkeit, die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit künftiger Entscheidungen der Bundesnetzagentur zu klären. Dies rechtfertigt die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses.“238 Das Gericht geht insoweit sehr großzügig mit den Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr um. Die Entscheidung kann aufgrund des Abstellens auf eine grundsätzliche Fragestellung für eine Vielzahl von Fällen richtungweisend sein. Für die konkrete Streitbeilegung war es nach Erledigung und mangels tatsächlich bestehender Wiederholungsgefahr jedoch nicht mehr erforderlich. Offensichtlich hat sich das Gericht zum Ziel ge­ ukunft aufzulösen. Zu betonen ist setzt, einen „grundlegenden Dissens“ für die Z allerdings, dass es sich hier um einen Einzelfall, noch dazu im Regulierungsrecht handelt, wo ein besonderes Bedürfnis zur Lenkung des Verwaltungshandelns besteht, um den unbestimmten Normen Konturen zu verleihen und damit die Marktregulierung zu kontrollieren.239 Ein Urteil des OVG Niedersachsen240 veranschaulicht jedoch, dass auch außerhalb des Regulierungsrechts entsprechende Kontrolltendenzen zu erkennen sind. Das für die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse war nach Auffassung des OVG Niedersachsen wegen Wiederholungsgefahr gegeben. Das Gericht griff dazu auf die gleichlautende Begründung des BVerwG in dem oben erwähnten Urteil zum Regulierungsrecht241 zurück und formuliert zudem: „Dass einem verwaltungsgerichtlichen 237

BVerwG, Urt. v. 18.12.2007 – Az.: 6 C 47/06, NVwZ 2008, 571. BVerwG, Urt. v. 18.12.2007 – Az.: 6 C 47/06, NVwZ 2008, 571 (572). 239 So Mehde, DV 43 (2010), 379 (394). 240 OVG Nds., Urt. v. 30.08.2012 – Az.: 11 LB 372/20, DVBl 2012, 1437. 241 1. Kap., Fn. 237. 238

76 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Verfahren unter diesen Umständen eine ‚Leitfunktion‘ zukommen kann, begründet das berechtigte Feststellungsinteresse.“242 Damit wäre auch geklärt, welcher Zweck mit der gerichtlichen Entscheidung noch erfüllt werden soll. Ebenso wie in dem bereits dargestellten Urteil des BVerwG wird auch hier ein „grundsätzlicher ­Dissens“ zum Anlass für eine gerichtliche Entscheidung genommen. Ein über den konkreten Streitfall hinausgehender Dissens war in der Fallkonstellation des OVG Niedersachsen jedoch nicht ohne weiteres erkennbar. Auch bei Streitigkeiten um versammlungsrechtliche Fragen ist es nicht überraschend, wenn durch eine großzügige Auslegung der Anforderungen an die Fallgruppe der Wiederholungsgefahr eine nachträgliche Verwaltungskontrolle ermöglicht wird. So hat das BVerfG243 ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr angenommen, da der Wille des Klägers erkennbar sei, „in Zukunft Versammlungen abzuhalten, die ihrer Art nach zu den gleichen Rechtsproblemen und damit der gleichen Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit führen können“. Es dürfe wegen der Bedeutung der Versammlungsfreiheit nicht verlangt werden, „dass die möglichen weiteren Versammlungen unter gleichen Umständen, mit einem identischen Motto und am selben Ort durchgeführt werden“. b) Subjektiver Rechtsschutz weiterhin von Bedeutung Diese Rechtsprechungsbeispiele dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit der Fortsetzungsfeststellungsklage bei Wiederholungsgefahr weiterhin das Ziel eines vorbeugenden subjektiven Rechtsschutzes zugunsten des Klägers verfolgt wird. Es lassen sich ausreichend Rechtsprechungsbeispiele anführen, bei denen die gerichtliche Entscheidung mit der Absicht ergeht, einen erneuten rechtswidrigen Eingriff in die Rechte des Klägers zu verhindern. Dies wird vor allem anhand strenger Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines wiederholten Erlasses eines vergleichbaren Verwaltungsakts umgesetzt. Der Hessische VGH244 etwa lehnte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ab, da mit dem erneuten Erlass des Verwaltungsakts im Verhältnis von Kläger und Beklagten nicht zu rechnen sei. Ein abstraktes, d. h. vom konkreten Rechtsstreit der Beteiligten losgelöstes Interesse an der Klärung der Rechtslage sei nicht ausreichend. Soweit in diesem Zusammenhang darauf abgestellt wird, einen Maßstab für künftiges Verwaltungshandeln aufzustellen, soll dies mit dem Ziel erfolgen, dass der Kläger sich nicht wiederholt an das Gericht mit der gleichen Rechtsfrage wenden muss. Indem die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung

242

OVG Nds., Urt. v. 30.08.2012 – Az.: 11 LB 372/20, DVBl 2012, 1437 (1438). BVerfG, Beschl. v. 03.03.2004 – Az.: 1 BvR 461/03, BVerfGE 110, 77 (90 f.). 244 HessVGH, Beschl. v. 15.09.2009 – Az.: 7 A 2550/08, DÖV 2010, 48 (LS); ebenfalls auf das Beteiligungsverhältnis abstellend BVerwG, Beschl. v. 24.03.2004 – Az.: 1 WB 46/03, BeckRS 2004, 17441; ähnlich VG Köln, Urt. v. 09.12.2014 – Az.: 7 K 1814/13, BeckRS 2015, 40323; BayVGH, Beschl. v. 30.06.2014 – Az.: 5 ZB 12/2574, BeckRS 2014, 53534. 243

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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des vergangenen Verwaltungsakts nur unter engen Voraussetzungen angenommen wird, wird auch die Möglichkeit, eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich einer abstrakten Rechtsfrage zu erlassen, eingeschränkt.245 4. Systematische Einordnung Die Fallgruppe kann sich bedenkenlos in das System des Individualrechtsschutzes einfügen, sofern sie einen ausreichenden Bezug zur ursprünglichen Rechtsverletzung herstellen kann und die gerichtliche Kontrolle mit dem Ziel eröffnet wird, eine zukünftige Rechtsverletzung des Klägers zu vermeiden. Soweit „Wiederholungsgefahr“ eng ausgelegt und nur bejaht wird, wenn sie sich auf die am Rechtsstreit beteiligten Personen und den streitbehafteten Verwaltungsakt bezieht, lässt sich dieser Zweck grundsätzlich auch verwirklichen. Der vorbeugende Rechtsschutz des Klägers gibt insoweit die Grundintention der Fallgruppe wieder. Teilweise ist jedoch auch eine gegenläufige Tendenz in der Rechtsprechung erkennbar: Wenn es für eine zukünftige Rechtsverletzung des Klägers an Anhaltspunkten fehlt, sind es primär Kontrollabsichten der Gerichte, die die Auslegung des Feststellungsinteresses des Klägers bestimmen. Die Verwaltungsgerichte scheinen ihre Absichten auch nicht leugnen zu wollen, wenn sie formulieren: „Dass einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren unter diesen Umständen eine ‚Leitfunktion‘ zukommen kann, begründet das berechtigte Feststellungsinteresse.“246 Der subjektive Rechtsschutzgedanke im konkreten Streitfall ist für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht mehr entscheidend. Stattdessen wird der vergangene Rechtsstreit zum Anlass genommen, um entsprechende Leitlinien auszusprechen. Erkennbares Ziel des Verfahrens ist insoweit nicht mehr die Vermeidung einer zukünftigen Rechtsverletzung des Klägers. Die Rechtsausführungen des Gerichts sind für den konkreten Rechtsstreit nicht mehr entscheidend, sondern dienen der endgültigen Klärung einer komplexen Rechtsfrage. Das Urteil ist für den Kläger selbst nicht mehr vorteilhaft; ein „berechtigtes Interesse“ des Klägers ist nicht mehr gegeben. Die Gerichte werden stattdessen im Interesse der Allgemeinheit an einem rechtmäßigen Gesetzesvollzug tätig. Die Verwaltungsgerichte dürfen sich allerdings nicht eigenmächtig zu einer Gutachteninstanz erheben, die Befugnis zur Rechtsfindung ist auf den konkreten Rechtsstreit begrenzt. 245 So etwa zuletzt BVerwG, Beschl. v. 14.09.2017  – Az.: 3 C 4/16; Urt. v. 16.05.2013  – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (306 f.); BayVGH, Beschl. v. 17.09.2018 – 4 ZB 17/1360, BeckRS 2018, 23420; BayVGH, Beschl. v. 13.03.2017  – Az.: 10 ZB 16/965, NJW 2017, 2779 (2780 f.); BayVGH, Beschl. v. 17.01.2017 – Az.: 7 B 16/153, BeckRS 2017, 101140; Beschl. v. 04.01.2017 – Az.: 11 ZB 16/2285, BeckRS 2017, 100329; OVG Saarland, Beschl. v. 28.06.2016 – Az.: 1 A 224/15, ZFS 2016, 539 (539 f.). 246 So OVG Nds., Urt. v. 30.08.2012 – Az.: 11 LB 372/10, DVBl 2012, 1437 (1438); ebenso BVerwG, Urt. v. 14.01.1980 – Az.: 7 C 92/79, NJW 1980, 2426 (2427); Beschl. v. 09.05.1989 – Az.: 1 B 166/88, BeckRS 1989, 31277075; Beschl. v. 21.10.1999 – Az.: 1 B 37/99, BeckRS 2014, 54665; Urt. v. 18.12.2007 – Az.: C-47/06, NVwZ 2008, 51.

78 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands

V. Berechtigtes Interesse der Beklagten 1. Anforderungen an ein „berechtigtes Interesse“ der Beklagten a) Prozessuale Anforderungen Bisher wurde lediglich auf das „berechtigte Interesse“ des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit abgestellt. Der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO sieht auch ausschließlich diese Variante vor. Es entspricht jedoch der Auffassung der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung247, dass auch die Beklagte im Falle des Erledigungseintritts die Möglichkeit hat, mit Darlegung eines „berechtigten Interesses“ eine Entscheidung in der Sache herbeizuführen. In prozessualer Hinsicht ist dazu erforderlich, dass die Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers mit dem Hinweis widerspricht, dass ungeachtet eines Erledigungseintritts eine Sachentscheidung durch das Gericht begehrt wird.248 Damit wird der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des von ihr erlassenen Verwaltungsakts herbeizuführen, sofern diese ein berechtigtes Interesse analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO besitzt.249 Besteht ein schützenswertes Interesse an einer Sachentscheidung der Beklagten, wird gerichtlich festgestellt, dass die ursprüngliche Klage unzulässig / ​unbegründet oder zulässig und begründet war.250 b) Relevante Fallgruppen Auf die bereits dargestellten Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses251 und eines sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakts kann auf Beklagtenseite nicht zurückgegriffen werden, da die Behörde selbst Grundrechts­ verpflichtete ist. Sie kann jedoch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der 247 Anders noch kurz nach Inkrafttreten der VwGO VGH BW, Entsch. v. 17.08.1962 – Az.: I 436/60, ESVGH 13, 82 (84); vor Erlass der VwGO zu den inhaltsgleichen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsgesetze der Länder HessVGH, Urt. v. 08.12.1950 – Az.: VGH OS 280/49, VerwRspr 1952, 248 (248 f.); OVG NRW, Bescheid v. 07.04.1954 – Az.: VIII A 998/53, NJW 1955, 197 (198 f.). 248 So Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 98. Die Beklagte besteht in diesem Fall auf ihren Klageabweisungsantrag. Geprüft wird dann, ob die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war. Bei Unzulässigkeit der Klage bzw. Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, wird die Klage abgewiesen, vgl. Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 99. 249 Siehe hierzu nur die Entscheidungen BVerwG, Urt. v. 14.01.1965  – Az.: I C 68/61, BVerwGE 20, 146 (154); Urt. v. 28.04.1988 – Az.: 9 C 1/87, Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 13; Urt. v. 14.04.1989 – Az.: 4 C 22/88, NVwZ 1989, 860 (861 f.). 250 Bader, in: ders. / ​Funke-Kaiser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn.  34. 251 Ein berechtigtes Interesse der Beklagten soll jedoch bestehen, wenn diese sich von dem Vorwurf befreien möchte, über einen Rechtsbehelf nicht in angemessener Zeit entschieden zu haben, BFH, Urt. v. 9.8.1977 – Az.: VII R 123/74, BFHE 122, 443 (444).

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Rechtmäßigkeit ihres Handelns haben, um zu erwartende Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesse abzuwehren.252 Bisher ist diese Fallgruppe jedoch – soweit ersichtlich – praktisch nicht relevant geworden. Weitaus häufiger geltend gemacht wurde hingegen ein berechtigtes Interesse der Behörde wegen einer konkreten Wiederholungsgefahr. Dafür ist allerdings das Interesse an der Klärung allgemeiner Rechtsfragen, die für Rechtsbeziehungen zu anderen Personen bedeutsam sind, für die Beziehung zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten jedoch keinen Aussagewert haben, nicht ausreichend.253 Eine Ausnahme hiervon wurde für den Fall angenommen, dass die Beklagte im Verhältnis zum Rechtsnachfolger des Klägers mit der Entscheidung noch „etwas anfangen“ könne, auch wenn der Rechtsnachfolger mangels ihm gegenüber bestehender Rechtskraft der Entscheidung hierdurch nicht gebunden werde.254 Das BVerwG hat es außerdem für ausreichend erachtet, dass der Beklagten wegen der Eigenart des Sachgebiets eine Entscheidung im Revisionsverfahren verwehrt bleibt, da sich die Hauptsache typischerweise zuvor erledigt.255 2. Systematische Beurteilung und Kritik a) Bedenken in Bezug auf das durch die Behörde initiierte Verfahren Das von einer Behörde initiierte Verfahren dient ausschließlich der Befriedigung ihres Interesses an der Klärung einer strittigen Rechtsfrage, die sich mit hoher Wahrscheinlichkeit trotz Erledigung erneut stellen wird. Es erscheint zwar befremdlich, dass die Klage bei erfolgreicher Durchsetzung der Begehren der Beklagten abgewiesen wird.256 Dennoch kann dem Anliegen der Beklagten, eine Richtschnur für künftiges Verhalten zu erhalten, auf diese Weise Rechnung getragen werden.257 Die der Behörde so eingeräumte Möglichkeit, ihr Handeln einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, ist in dogmatischer Hinsicht höchst fragwürdig. Die Fortsetzungsfeststellungsklage als Fortsetzung der ursprünglichen Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage dient den Interessen eines rechtsschutzsuchenden Bürgers, der sich gegen einen ihm gegenüber erlassenen Verwaltungsakt nur gerichtlich zur Wehr setzen kann. Soweit sich der Verwaltungsakt erledigt, soll ihm als Ausgleich für den mit dem Erlass eines Verwaltungsakts verbundenen Kla 252 So BVerwG, Urt. v. 14.01.1965 – Az.: I C 68/61, BVerwGE 20, 146 (155); Neumann  / ​ Schaks, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 163. 253 BVerwG, Urt. v. 14.01.1965 – Az.: BVerwG I C 68/61, BVerwGE 20, 146 (155); Urt. v. 28.04.1988 – Az.: 9 C 1/87, Buchholz 402.25 § 28 AsylVfG Nr. 13; Urt. v. 03.06.1988 – Az.: 8 C 18/87, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 181; Urt. v. 25.04.1989 – Az.: 9 C 61/88, BVerwGE 82, 41 (44); Urt. v. 31.10.1990 – Az.: 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62 (67). 254 BVerwG, Urt. v. 18.04.1986 Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69. 255 BVerwG, Urt. v. 25.04.1989 – Az.: 9 C 61/88, BVerwGE 82, 41 (44). 256 BVerwG, Urt. v. 25.03.1981 – Az.: 8 C 85/80, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 104. 257 So BVerwG, Urt. v. 25.03.1981 – Az.: 8 C 85/80, BeckRS 1981, 31287478; ebenso VGH BW, Beschl. v. 15.07.2010 – Az.: 10 S 2400/09, VBlBW 2011, 33 (34).

80 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands gezwang bei berechtigtem Interesse dennoch die Möglichkeit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eröffnet werden. Umgekehrt muss ihm bei fehlendem Interesse auch die Möglichkeit zustehen, mittels Erledigungserklärung aus dem Prozess „auszusteigen“.258 Die so beabsichtigte Privilegierung des Klägers lässt sich auf die Situation der Beklagten auch nicht unter Hinweis auf die Waffengleichheit im Prozess259 übertragen. Die Behörde hat mit Erlass des Verwaltungsakts vielmehr die Ursache für den Prozess gesetzt. Es kann ihr daher grundsätzlich auch zugemutet werden, auf eine Sachentscheidung in der Sache zu verzichten.260 Soweit der 8. Senat des BverwG261 ein Interesse an der Klärung der Rechtsfrage im Verhältnis zu anderen Personen als dem Kläger für ausreichend erachtet, kann dem in systematischer Hinsicht erst recht nicht zugestimmt werden. Das Gericht beruft sich dabei auf die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundgedanken zu § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO: Ein schutzwürdiges Sachentscheidungsinteresse sei bereits dann anzunehmen, wenn die Partei mit dem von ihr erstrebten Urteil zur Sache „noch etwas anfangen“ könne und deshalb nicht ohne Not um „die Früchte des bisherigen Prozesses gebracht werden“ sollte.262 Sicherlich profitiert die Behörde auch dann noch von der Sachentscheidung, wenn sich daraus Hinweise für eine zukünftige Entscheidung im Verhältnis zu einer von dem Kläger verschiedenen Person ergeben. Die Behörde kann damit allerdings zulasten des Klägers die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage erzwingen. Der Kläger wird infolge der Erledigung des Verwaltungsakts zur Klärung einer allgemeinen Rechtsfrage mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko belastet.263 Das Verfahren wird dadurch zu einem objektiven Kontrollverfahren. Das gilt erst recht, wenn auf der Grundlage 258

So Kremer, NVwZ 2003, 797 (802). BVerwG, Urt. v. 14.04.1989 –Az.: 4 C 22/88, NVwZ 1989, 860, 862. 260 Burgi, DVBl 1991, 193 (200); Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 32; Cormann, Die Erledigung im Verwaltungsprozeß, S. 224–237, insbes. S. 234 f.; El-Gayar, Die einseitige Erledigungserklärung des Klägers im Zivil-, Arbeits- und Verwaltungsgerichtsprozess, S. 173–176; Feser / ​Kirchmaier, BayVBl 1995, 641 (644); Kremer, NVwZ 2003, 797 (802); Maetzel, DÖV 1971, 613 (616 f.); Manssen, NVwZ 1990, 1018 (1022 f.); Neumann / ​Schaks, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 180; Pietzner, VerwArch 77 (1986), 299 (321 f.); J. Schmidt, DÖV 1984, 622 (623); a. A. R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 26, demzufolge mit § 92 VwGO zum Ausdruck kommen soll, dass die VwGO auch die Sachentscheidungsinteressen der Beklagten als schutzwürdig ansieht. 261 BVerwG, Urt. v. 03.06.1988 – Az.: 8 C 86/86, NJW 1988, 2630 (2630 f.). 262 BVerwG, Urt. v. 03.06.1988 – Az.: 8 C 86/86, NJW 1988, 2630 (2631); Urt. v. 14.04.1989 – Az.: 4 C 22/88, NVwZ 1989, 860 (861 f.); ebenso Bader, in: ders. / ​Funke-Kaiser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 30. 263 So Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 124; a. A. R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 27. Seiner Ansicht nach ist es nicht unbillig, den Kläger an dem Verfahren festzuhalten, da die nach § 154 VwGO ergehende Kostenentscheidung bei urspr. zulässiger und begründeter Klage gegenüber der summarischen Prüfung nach § 161 Abs. 2 S. 1 VwGO eine erhöhte Richtigkeitsgewähr verspricht und bei ursprünglich unzulässiger und unbegründeter Klage der Kläger ohnehin nicht schutzwürdig sei. Inwiefern die Verwaltung damit ihrer besonderen demokratischen Verantwortung nachkommt, ist allerdings fraglich. Siehe hierzu Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 521. 259

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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eines schutzwürdigen Interesses der Beklagten rechtliche Streitfragen im prozessualen Bereich geklärt werden sollen.264 Damit wird die eindeutige Wertung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, wonach ein berechtigtes Interesse an der Sachentscheidung zu bestehen hat, übergangen.265 Die Klärung abstrakter Rechtsfragen durch die Verwaltungsgerichte ist in der VwGO nicht vorgesehen und würde selbst ein durch den Kläger veranlasstes objektives Kontrollverfahren in seinem Umfang deutlich übersteigen. Die Idee der Fortsetzungsfeststellungsklage, wonach der Kläger trotz Erledigung des Verwaltungsakts noch Vorteile aus der gerichtlichen Entscheidung über dessen Rechtswidrigkeit erhalten soll, kann nicht auf die durch die Beklagte angestoßene Fortsetzungsfeststellungsklage übertragen werden. b) Fortsetzungsfeststellungsklage der Beklagten bei Wiederholungsgefahr Die durch die Beklagte initiierte Fortsetzungsfeststellungsklage vermag sich auch dann nicht in das verwaltungsgerichtliche Individualrechtsschutzsystem einfügen, wenn damit eine wiederholte Auseinandersetzung zwischen Kläger und Beklagten vermieden werden soll. Zwar machen die divergierenden Rechtsauffassungen der Beteiligten Folgeprozesse wahrscheinlich.266 Primärer Zweck der Fortsetzungsfeststellungsklage ist in der Beklagtensituation allerdings nicht der Rechtsschutz des Bürgers. Es geht einzig darum, eine streitige Rechtsfrage im Interesse der Beklagten endgültig zu klären. Die Beklagte kann allerdings eine einer subjektiven Rechtsverletzung vergleichbare Legitimation nicht vorweisen, um eine gerichtliche Kontrolle überhaupt rechtfertigen zu können.267 Der Kläger wird damit gegen seinen Willen in ein Verfahren gedrängt, dessen alleiniger Zweck darin besteht, der Behörde Verhaltensmaßstäbe an die Hand zu geben. Die Behörde kann sich zudem in späteren Rechtsstreitigkeiten auf die gerichtliche Entscheidung berufen und dadurch ihrer Verantwortung für die Rechtmäßigkeit zulasten eines einzelnen Klägers entziehen.268 Das Gericht wird auf diesem Weg zu einer „schlichten Gutachterinstanz“, was in einem klaren Widerspruch zur verwaltungsgerichtlichen Systematik steht.269 Ein anderes Ergebnis kann auch nicht im Interesse der Prozessökonomie gerechtfertigt werden.

264

So aber BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – Az.: BVerwG 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62 (67). So auch R. P. Schenke, Der Erledigungsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 203 f.; ders., in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 27. 266 Christonakis, Das verwaltungsprozessuale Rechtsschutzinteresse, S. 321–326. 267 So auch Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 125. 268 Würtenberger / ​Heckmann, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 731. 269 Würtenberger / ​Heckmann, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 731. 265

82 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands

VI. Präjudizialität 1. Anforderungen an das Vorliegen der Fallgruppe Ein berechtigtes Interesse liegt auch vor, wenn die ernsthafte Absicht besteht, auf der Grundlage der Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Ansprüche aus Amtshaftung oder sonstige Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen270 und das künftige Verfahren nicht offensichtlich ohne Erfolgsaussichten ist.271 Aufgrund der prä­ judiziellen Wirkung, die von der Rechtswidrigkeitsfeststellung des Verwaltungsakts ausgeht, haben die ordentlichen Gerichte in der nachfolgenden Entscheidung die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu beachten und zugrunde zu legen.272 Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts indiziert regelmäßig einen Verstoß gegen die allgemeine Amtspflicht zu rechtmäßigem Verwaltungshandeln.273 Das Ziel, „die Früchte des bisherigen Prozesses zu erhalten“274 kommt speziell in dieser Fallgruppe zum Ausdruck. Der bisherige Stand des Prozesses soll nicht ungenutzt verworfen werden; zugleich soll so verhindert werden, dass sich mehr als ein Gericht mit identischer Fragestellung befassen muss.275 Es leuchtet daher ein, ein berechtigtes Interesse zur Herbeiführung einer Entscheidung der Verwaltungsgerichte abzulehnen, wenn sich der Verwaltungsakt bzw. der geltend gemachte Anspruch auf Erlass eines Verwaltungsakts bereits vor Klageerhebung erledigt hat und sich die Verwaltungsgerichte noch gar nicht mit dem konkreten Fall beschäftigt haben.276 Da es insoweit auch an einem Anspruch auf den sachnäheren Richter277 270

BVerwG, Urt. v. 02.07.1963 – Az.: II C 157/60, DVBl 1964, 278; Urt. v. 28.04.1967 – Az.: IV C 163/65, NJW 1967, 1819 (1819 f.); Urt. v. 16.10.1987 – Az.: 4 C 35/85, NVwZ 1988, 1120 (1121); die Fallgruppe „Vorbereitung einer Amtshaftungsklage“ ablehnend Tietgen, DVBl 1960, 261 (262). 271 BVerwG, Urt. v. 14.01.1980 – Az.: 7 C 92/79, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95; Urt. v. 15.11.1984 – Az.: 2 C 56/81, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 145; Urt. v. 28.08.1987 – Az.: 4 C 31/86, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 173. 272 BGH, Urt. v. 11.07.1985 – Az.: III ZR 62/84, BGHZ 95, 238 (242); Urt. v. 17.03.1994 – Az.: III ZR 15/93, NJW 1994, 1950 (1951); Rozek, JuS 1995, 598 (600); Stuhlfauth, in: Bader / ​ Funke-Kaiser / ​Stuhlfauth / ​v. Albedyll (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  69; a. A. H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 36 Fn. 57; W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (143). 273 BGH, Urt. v. 15.11.1990 – Az.: III ZR 302/89, BGHZ 113, 17 (18 f.); Urt. v. 22.03.1979 – Az.: III ZR 22/78, NJW 1979, 2097 (2098); BVerwG, Urt. v. 09.10.1959 – Az.: V C 165 u. 166/57, BVerwGE 9, 196 (199); Ossenbühl / ​Cornils, Staatshaftungsrecht, S. 44; Rozek, JuS 1995, 598 (600). Ausnahmsweise kann die Rechtswidrigkeit und Amtspflichtwidrigkeit auseinanderfallen, BGH, Urt. 12.12.1974 – Az.: III ZR 76/70, BGHZ 63, 319 (324 f.). 274 BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 – Az.: 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226 (227). 275 So ausdrücklich Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 62. 276 BVerwG, Urt. v. 20.01.1989 – Az.: 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226 (227); Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 62; Rozek, JuS 1995, 598 (600). 277 BVerwG, Urt. v. 20.01.1989  – Az.: 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226 (227 f.); Urt. v. 12.07.2000 – Az.: 7 C 3/00, BVerwGE 111, 306, (309); Pohle, Anm. zu OVG Münster, Beschl. v. 17.05.1965 – Az.: IV B 717/64, ZZP 79 (1966), 473 (473 f.); Rozek, JuS 1995, 598 (600); a. A. Kopp, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 24.01.1991 – Az.: 7 C 24.91, JZ 1992, 1078 (1079).

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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fehlt, ist die Rechtswidrigkeitsfeststellung des Verwaltungsakts unmittelbar den ordent­lichen Gerichten überlassen.278 2. Einordnung in das verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG garantiert den Zugang zu den Gerichten auch zur Durchsetzung sekundärer Ansprüche.279 Staatshaftungsrechtliche Streitigkeiten sind jedoch in weitestem Umfang den ordentlichen Gerichten zugewiesen, sodass eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Erledigungsfall zur Herstellung eines Präjudizes aus individualrechtsschützender Perspektive nicht zwingend geboten ist, da der Kläger selbst bei Abweisung der Klage vor den Verwaltungsgerichten nicht rechtsschutzlos ist. Er kann weiterhin vor den ordentlichen Gerichten seine Sekundäransprüche einklagen.280 Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage wird auch nicht das Ziel verfolgt, der Verwaltung eine bestimmte Rechtsansicht für ihre Entscheidung vorzugeben.281 Die Rechtswidrigkeitsfeststellung soll aber zur Entscheidung über die Leistung von Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüchen beitragen, womit dem Kläger zumindest ein Ausgleich für die eingetretene Rechtsverletzung gewährt werden soll, die sich gerichtlich nicht mehr beseitigen lässt.282 Die Rechtsprechung stellt daher auch darauf ab, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage zur Durchsetzung von Amtshaftungs- oder Entschädigungsansprüchen geeignet sein muss, die Rechtsposition des Klägers im Staatshaftungsprozess zu verbessern.283 Der Fallgruppe sind in erster Linie prozesswirtschaftliche Erwägungen imma­ nent.284 Die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts sollen nicht als nutzlos verworfen werden, sondern zur Entscheidungsfindung über 278

Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 62; Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 114. 279 So Axer, DVBl 2001, 1322 (1328 f.); Höfling, VVDStRL 61 (2002), 260 (268); P. M. Huber, in: v. Mangoldt / ​Klein / ​Starck, GG, Bd. 1, Art. 19 Abs. 4 Rn. 459; Ibler, in: Friauf / ​Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar, GG, Art. 19 IV Rn. 196. 280 So auch Christonakis, BayVBl 2002, 390 (392); Dietlein, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. IV/2, § 123 V 3 b; Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, S. 273 Fn. 15; Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 245; a. A. Tietgen, DVBl 1960, 261 (264). 281 So ausdrücklich OVG Bremen, Beschl. v. 25.09.2014 – 2 A 140/12, NVwZ 2015, 381 (382). 282 So etwa für Amtshaftungsansprüche Maurer / ​Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 6. Die individuelle Motivation bei Ansprüchen wegen Beeinträchtigungen des Eigentums liegt insoweit auf der Hand, siehe zu den Voraussetzungen eines enteignungsgleichen Eingriffs für entsprechende Entschädigungsansprüche Ossenbühl / ​Cornils, Staatshaftungsrecht, S. ­262–264. 283 BVerwG, Urt. v. 10.12.2013 – Az.: 8 C 5/12, NVwZ-RR 2014, 465 (467). 284 Burgi, Anm. zu VGH BW, Urt. v. 08.06.1993  – Az.: 10 S 110/92, VBlBW 1994, 317; Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 62; Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 114; anders aber BVerwG, Urt. v. 28.04.1967 – Az.: IV C 163/65, NJW 1967, 1819 (1819).

84 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Schaden­ersatz- und Entschädigungsansprüche der Klägers vor den ordentlichen Gerichten beitragen.285 Dass namentlich der Kläger, der beabsichtigt, Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche geltend zu machen, in den Genuss einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung kommen soll und ihm damit – im Vergleich zu der sonst nach § 161 II VwGO ergehenden Kostenentscheidung nach billigem Ermessen – ein erleichterter Ausstieg aus dem Verwaltungsprozess ermöglicht wird, lässt sich mit dem grundsätzlichen Vorrang des Primärrechtsschutzes rechtfertigen, der den Kläger – will er seine Rechte durchsetzen – letztlich zunächst zu der Erhebung einer Klage zwingt.286 Kann mit einer Aufhebung des Verwaltungsakts nach dessen Erledigung die Rechtsverletzung nicht mehr beseitigt werden, so soll sie zumindest zur Durchsetzung sekundärrechtlicher Ansprüche beitragen. Dem Grundsatz der Prozessökonomie eine eigenständige Bedeutung beizumessen wird jedenfalls im Zivilprozessrecht überwiegend abgelehnt.287 Gleichwohl lässt sich der Rechtsgrundsatzcharakter nicht leugnen, wie er in der Verwaltungs­ gerichtsordnung in Einzelvorschriften288 zum Ausdruck gelangt und auch bei der Auslegung einzelner Prozessrechtsvorschriften289 eine Rolle spielt. Verfassungsrechtlich lässt sich ein Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit290 und der Garantie effektiven Rechtsschutzes291 herstellen. Das Prinzip der Prozessökonomie erfüllt allerdings keinen Selbstzweck. Es zielt vielmehr auf die Optimierung der Relation von Verfahrenszweck und Verfahrensaufwand ab.292 Der Verfahrensaufwand muss stets in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit 285

BVerwG, Urteil v. 18.04.1986 – Az.: 8 C 84/84, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 69; Urt. v. 24.01.1992 – Az.: 7 C 24/91, BVerwGE 89, 354 (355); VGH BW, Urt. v. 08.06.1993 – Az.: 10 S 110/92, NVwZ 1994, 709 (712). 286 So auch BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 – Az.: 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295 (297); Burgi, Anm. zu VGH BW, Urt. v. 08.06.1993 – Az.: 10 S 110/92, VBlBW 1994, 317 (318). 287 Noske, Die Prozeßökonomie als Teil des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, S. 56; Pohle, in: Festschrift Lent, 195 (204); Stephan, Das Rechtsschutzbedürfnis, S. 20 f.; Wieser, Das Rechtsschutzinteresse des Klägers im Zivilprozeß, S. 145. 288 Z. B. W.-R. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 158 Rn. 1. 289 Für den Zivilprozess Hütten, Die Prozeßökonomie als rechtserheblicher Entscheidungsgesichtspunkt, S. 141; J.-J. Rupp, Nachschieben von Gründen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, S. 39; aus dem Verwaltungsprozessrecht bspw. zu § 68 VwGO W.-R. Schenke, in: Kopp / ​ Schenke (Hrsg.), VwGO, § 68 Rn. 4; zu § 65 VwGO Bier / ​Steinbeiß-Winkelmann, in: Schoch / ​ Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 65 Rn. 6. 290 Für das Zivilprozessrecht Gottwald, ZZP 93 (1980), 1 (20); Noske, Die Prozeßökonomie als Teil des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, S. 58 ff.; Schumann, in: Festschrift Larenz, 271 (281 f.). 291 So auch BVerfG, Beschl. v. 02.03.1993 – Az.: 1 BvR 249/92, BVerfGE 88, 118 (123 f.); Schmidt-Aßmann / ​Schenk, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Einl. Rn. 154; Hoeren, in: summus ius summa iniuria, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler, 117 (141); Pitschas, in: ders. (Hrsg.), Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 59 (80 f.). Anders aber Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn.  124 Fn.  658. 292 So dezidiert Lüke, Die Beteiligung Dritter im Zivilprozeß, S. 236; allgemeiner R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 191 f.; Schumann, in: Festschrift Larenz, 271 (279); für das Zivilprozessrecht auch v. Mettenheim, Der Grds. der Prozeßökonomie im Zivilprozeß, S. 15 ff.; E. Schmidt, Der Zweck des Zivilprozesses und seine Ökonomie, S. 8.

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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verfolgten Nutzen stehen.293 Prozessökonomische Beurteilungen im verwaltungs­ gerichtlichen Rechtsschutzverfahren sind daher auf das Verhältnis von Verfahrensaufwand und Gewinn für den individuellen Rechtsschutz zu beziehen. So verstanden, muss die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens umfassend erfolgen. Im Optimalfall zielen prozessökonomische Erwägungen auf eine Entlastung der Rechtspflege in ihrer Gesamtheit ab.294 Durch ein rechtskräftiges Urteil der Verwaltungsgerichte wird verhindert, dass sich die ordentlichen Gerichte wiederholt mit einer identischen Streitfrage befassen müssen. Dem damit verbundenen Mehraufwand der Verwaltungsgerichte – der im Idealfall ohnehin bereits vor dem Eintritt der Erledigung erfolgt ist – steht der Zugewinn an Rechtsgewissheit zugunsten des Klägers gegenüber. Dagegen würde bei einer Einstellung des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten die ökonomische Bilanz negativ ausfallen: Letzten Endes müssten sich die ordentlichen Gerichte durch eine erneute Rechtsund Tatsachenaufnahme mit derselben Streitsache befassen wie bereits zuvor die Verwaltungsgerichte, ohne dass sich dieser Mehraufwand durch einen Gewinn an anderer Stelle kompensieren ließe. Der Kritik W.-R. Schenkes295, wonach die Fallgruppe nicht mit Gedanken der Prozessökonomie gerechtfertigt werden könne, da sich letztendlich zwei Gerichte mit derselben Sache befassen müssten, liegt insoweit eine zu pauschale Betrachtungsweise zugrunde, weshalb ihr nicht gefolgt werden kann.296 3. Folgen für die Rechtsprechung Unter Berücksichtigung einer Kosten-Nutzen-Analyse müsste ein „berechtigtes Interesse“ abzulehnen sein, sofern das Verwaltungsgericht bei Erledigung des Verwaltungsakts nach Anhängigkeit der Klage noch weitere Sachverhaltsaufklärungen und umfangreiche Beweiswürdigungen vornehmen müsste, bevor es eine Entscheidung treffen könnte.297 Nach Ansicht des BverwG298 ist für die Beurteilung, ob im konkreten Fall ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gegeben ist, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen. Sofern das Verfahren im Zeitpunkt der Erledigung des Verwaltungsakts noch keine „Früchte“ getragen 293

R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 192. BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 – Az.: 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295 (300); Burgi, Anm. zu VGH BW, Urt. v. 08.06.1993  – Az.: 10 S 110/92, VBlBW 1994, 317 (318); Christonakis, BayVBl 2002, 390 (393); R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 194. 295 W.-R. Schenke, JURA 1980, 133 (143 f.). 296 Gegenteilig argumentiert Kopp, Anm. zu BVerwG, Urt. v. 24.01.1991 – Az.: 7 C 24.91, JZ 1992, 1078 (1079), demzufolge das Fortsetzungsfeststellungsinteresse auch bei Erledigung vor Klageerhebung anzunehmen ist, da bei negativem Ausgang des Verwaltungsrechtsstreits der Kläger von der Erhebung einer zivilrechtlichen Klage absehen wird. 297 So VGH BW, Urt. v. 08.06.1993 – Az.: 10 S 110/92, NVwZ 1994, 709 (711 f.); zustimmend Göpfert, NVwZ 1997, 143 und passim. 298 BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 – Az.: 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295 (299). 294

86 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands habe, könne dies durch die Herstellung der Spruchreife bis zur letzten mündlichen Verhandlung noch geändert werden. Der Gedanke der „Fruchterhaltung“ sei keine normative Voraussetzung für ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Da mit dem Prinzip der Prozessökonomie eine doppelte Arbeit der mit der Sache befassten Gerichte vermieden werden solle, seien selbst verspätet gewonnene Erkenntnisse durch die Verwaltungsgerichte zu verwerten. Das BVerwG will bei der Beurteilung eines berechtigten Interesses wegen beabsichtigter Entschädigungsund Amtshaftungsklagen auf eine typische Ausgangslage abstellen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sich ein Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt und der Prozess typischerweise einen gewissen Sach- und Streitstand erreicht hat, der die Fortsetzung des Verfahrens rechtfertigt. Nichtsdestotrotz – und das sieht auch das BVerwG so299 – dürfen bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „berechtigten Interesses“ die Einzelfallumstände nicht unberücksichtigt bleiben. Soweit allerdings eine erstinstanzliche Sachentscheidung vorliegt, können die damit erbrachten „Früchte“ nach dem Prinzip der Prozessökonomie nicht unberücksichtigt bleiben, auch wenn diese insoweit an einem Sach- oder Rechtsmangel leiden.300 Für eine typisierende Beurteilung der Fallgruppe spricht vor allem auch die nur schwer vorzunehmende Abgrenzung, wann ein solches Maß an Sach- und Streitstand erreicht ist, das es rechtfertigen könnte, eine verwaltungsgerichtliche Klage fortzuführen.301 4. Systematische Beurteilung Das Feststellungsurteil, das zur Durchsetzung von Schadenersatz- und Entschädigungsansprüchen beiträgt, ist zum Schutz der individuellen Rechte des Klägers nicht zwingend geboten. Er könnte seine Ansprüche auch ohne eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen. Die Fallgruppe des Präjudizinteresses unterscheidet sich von den sonstigen Fallgruppen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses dadurch, dass es infolge der Erledigung des Verwaltungsakts nicht an Rechtsschutzalternativen fehlt. Jene – wozu namentlich die des Rehabilitationsinteresses und der Wiederholungsgefahr gehören – sind auch nach Erledigung des Verwaltungsakts weiterhin auf Primärrechtsschutz angewiesen. Eine Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung des Klägers kann in diesem Fall ausschließlich noch über den Weg der Fortsetzungsfeststellungsklage erreicht werden. Diese besondere Lage rechtfertigt es, trotz Erledigung ein gerichtliches Urteil über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts herbeizuführen. Der Kläger, der (ausschließlich) ein Präjudizinteresse für sich beanspruchen kann, ist demgegenüber auf den Primärrechtsschutz nicht mehr zwingend angewiesen. 299

BVerwG, Urt. v. 27.03.1998 – Az.: 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295 (300 f.), so auch Göpfert, NVwZ 1997, 143 und passim. 300 So auch Christonakis, BayVBl 2002, 390 (392 f.). 301 Burgi, Anm. zu VGH BW, Urt. v. 08.06.1993 – Az.: 10 S 110/92, VBlBW 1994, 317 (318).

C. Inhalt und Bedeutung der einzelnen Fallgruppen   

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Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten steht dem Kläger ungeachtet einer zuvor eingetretenen Erledigung des Verwaltungsakts offen. Im Gegensatz zu den sonstigen Fallgruppen, die aufgrund der Rechtsschutzgarantie ausnahmsweise eine gerichtliche Entscheidung trotz Erledigung des Verwaltungsakts erforderlich machen, wird mit der Fallgruppe zur Vorbereitung von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen lediglich auf den persönlichen Nutzen des Klägers abgestellt.302 Eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen eines Präjudizinteresses ist damit von der Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht zwingend gefordert. Das muss es allerdings auch nicht. Der Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verlangt ein berechtigtes Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung und in Konkretisierung der Rechtsprechung zählen dazu auch wirtschaftliche Interesse. Im Übrigen stehen auch solche Klagen, die bloß mittelbar zum individuellen Rechtsschutz des Klägers beitragen, im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG.

VII. Fazit: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Garant subjektiven Rechtsschutzes und Legitimitätskriterium für objektive Kontrollverfahren Abschließend bleiben zwei Punkte besonders zu betonen. Erstens: Trotz Erledigung des Verwaltungsakts kann in bestimmten Situationen die Durchsetzung der subjektiven Rechte des Klägers weiterhin notwendig sein. Sofern dieser Zweck verfolgt wird, fügt sich die Fortsetzungsfeststellungsklage bedenkenlos in das verwaltungsgerichtliche System des Individualrechtsschutzes ein. Die Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses und der Wiederholungsgefahr sind Belege für diese Systemkonformität. Zweitens: Zugleich ist es nicht ausgeschlossen, dass mit Erledigung des Verwaltungsakts die damit einhergehende Belastung entfällt und folglich mit der Fortsetzungsfeststellungsklage vermehrt Kontrollinteressen verfolgt werden. Auch dies ist nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber die Fortführung des Verfahrens im Erledigungsfall von einem „berechtigten Interesse“ des Klägers an der Rechtswidrigkeitsfeststellung abhängig gemacht hat und sich dieses Interesse nicht zwingend aus individualrechtsschützenden Gesichtspunkten ergeben muss. Insoweit können mit der Fortsetzungsfeststellungsklage subjektive Rechtsschutz- und objektive Kontrollinteressen verfolgt werden, ohne dass damit die Systemkonformität in Frage gestellt wird. Mit Art. 19 Abs. 4 GG wurde zwar eine Systementscheidung für den Individualrechtsschutz getroffen; eine Umsetzung als Idealmodell wird dabei jedoch nicht verlangt. Vielmehr finden sich auch im deutschen Verwaltungsgerichtssystem objektive Kontrollelemente, die durch einfaches Gesetz eingefügt wurden und die Systementscheidung nicht erschüttern. So kann beispielsweise im Einzelfall auf gesetzlicher Grundlage von der 302 So auch Christonakis, Das verwaltungsprozessuale Rechtsschutzinteresse, S. 65; ders., BayVBl 2002, 390 (392); a. A. Diering, Instanzenverlust durch Selbstbindung, S. 59.

88 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung des Klägers abgesehen werden, § 42 Abs. 2, Hs. 1 VwGO. Auch der Untersuchungsgrundsatz ist in einem subjektiven Rechtsschutzmodell nicht zwingend vorgegeben, sondern beruht letztlich auf einer einfachgesetzlichen Entscheidung, um eine im Interesse des effektiven Rechtsschutzes umfassende Tatsachenwürdigung vornehmen zu können.303 Insoweit reiht sich auch das „berechtigte Interesse“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO in die auf einfachgesetzlicher Ebene vorgesehene Möglichkeit eines auf objektiven Kontrollinteressen beruhenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein. Problematisch ist demgegenüber die Tendenz, statt auf ein individuelles Kläger­ interesse auf ein Interesse der Allgemeineinheit an der Klärung streitiger Rechtsfragen abzustellen. Ermöglicht wird dies durch die Ausnutzung weiter Auslegungsspielräume für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr. Je großzügiger Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines wiederholten Erlasses eines vergleichbaren Verwaltungsakts und die Vergleichbarkeit des Sachverhalts gestellt werden, desto eher wird die Rechtsprechung in die Lage versetzt, abstrakte Rechtsfrage zum Zwecke einer Steuerung zukünftigen Verwaltungshandelns zu behandeln. Zu einer ausschließlich am Maßstab des objektiven Rechts orientierten gerichtlichen Kontrolle wird es dadurch zwar nicht kommen, denn die Fortsetzungsfeststellungsklage erfährt durch die Klagebefugnis und den Rechtswidrigkeitszusammenhang im Rahmen der Begründetheit304 stets eine Rückbindung an die subjektive, in der Vergangenheit erfolgte Rechtsverletzung des Klägers. Die Fortsetzungsfeststellungsklage wird damit jedoch zu einem Zweck instrumentalisiert, der der grundlegenden Funktion der Rechtsprechung widerspricht. Das spiegelt letztlich auch ein verändertes richterliches Selbstverständnis wider. Es ist nicht Aufgabe der Rechtsprechung, der Verwaltung über ein gerichtliches Verfahren Vorgaben zu machen, die nicht mehr zur konkreten Streitbeilegung beitragen. In diesem Sinne als funktionswidrig anzusehen ist daher auch die Anerkennung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses der Beklagten. Anders fällt die Bewertung hingegen aus, wenn die Fortsetzung des Verfahrens nach Erledigung damit begründet wird, dass die typischerweise kurzfristige Erledigung des Verwaltungsakts einer gerichtlichen Kontrolle prinzipiell entgegenstünde. In diesem Fall verlangt der Anspruch an die Lückenlosigkeit des Rechtsschutzsystems, dass eine gerichtliche Kontrolle auch noch erfolgt, wenn es die singuläre Streitfrage nicht mehr erfordert. Die Fallgruppe des Präjudizinteresses ist schließlich im Interesse der Ressourcenschonung gerechtfertigt.

303

Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts?, S. 12 Fn. 36; ders., DVBl 2015, 793 (794); Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 49 f.; SchmidtAßmann, in: Maunz / ​Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 219. 304 So auch BVerwG, Urt. v. 03.03.1987 – Az.: 1 C 15/85, BVerwGE 77, 70 (73).

D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Sozial- und Finanzgerichtsordnung 

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D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Sozial- und Finanzgerichtsordnung I. Die Bedeutung der Rechtsprechung der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Systematisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses Die Sozial- und Finanzgerichtsordnung enthalten mit § 131 Abs. 1 S. 3 SGG und § 100 Abs. 1 S. 4 FGO inhaltsgleiche Regelungen zu § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Die Rechtsprechung der Sozial- und Finanzgerichte nimmt für die Auslegung des „berechtigten Interesses“ überwiegend Bezug auf die Rechtsprechung der allgemei­ nen Verwaltungsgerichte. Das bezeugt die Anpassungsfähigkeit305 der allgemeinen Fallgruppen an die Besonderheiten des Sozial- und Steuerrechts, die sich in der Auslegung des „berechtigten Interesses“ widerspiegeln. Die allgemeinen Verwaltungsgerichte nehmen dagegen umgekehrt äußerst selten Bezug auf die Rechtsprechungspraxis der Sozial- und Finanzgerichte. Mit der vorliegenden Analyse der Rechtsprechung der Sozial- und Finanzgerichte zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse sollen Sonderentwicklungen gegenüber den allgemein anerkannten Fallgruppen offengelegt werden. Sie sind in der Regel den Eigenheiten der Materie geschuldet, dürfen dabei jedoch nicht in Widerspruch zur bestehenden Systematik des Fortsetzungsfeststellungsinteresses geraten, um die Konsistenz des rechtswegübergreifenden Verwaltungsrechtsschutzes nicht zu stören.306

II. Besonderheiten der Auslegung des „berechtigten Interesses“ durch die Sozialgerichte 1. Sozialrechtliche Besonderheiten bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ Nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG ist bei Erledigung des Verwaltungsakts nach Klageerhebung die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der sozialgerichtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage unterscheiden sich nicht von denen der allgemeinen Fortsetzungsfeststellungsklage.307 Im Wesentlichen wird auf die Fallgruppen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresses nach 305 Zur Aufgabe der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit als „Stimmführer“ gegenüber Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit Schmidt-Aßmann, in: Festschrift Menger, 107 (119); 306 Zur Begrifflichkeit im juristischen Sprachgebrauch Alexy, in: Symposium Wieacker, 95 (96 f.); Bracker, Kohärenz und juristische Interpretation; Bumke, Der Staat 49 (2010), 77 ­(85–105); Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 4–8. 307 Vgl. zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen nur Hintz, in: Rolfs / ​Giesen / ​Kreikebohm / ​ Udsching (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 6 f.; Keller, in: Meyer-Ladewig / ​Keller / ​Leitherer / ​Schmidt (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 7–10i; Lowe, in: Hintz / ​Lowe, SGG, § 131 Rn. 16–27.

90 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO und die einschlägige Rechtsprechung Bezug genommen. Vereinzelt sind Abweichungen von der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung erkennbar, für die im Folgenden der Grund ermittelt werden soll. a) Wiederholungsgefahr Die Fallgruppe der Wiederholungsgefahr ist im sozialgerichtlichen Verfahren von nicht unwesentlicher Bedeutung.308 Beispielhaft sind der Anspruch auf Pflegeleistung nach §§ 36–45 SGB XI bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit309 oder der wiederholte Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes durch das Jobcenter310 nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II als Klagegegenstand anzuführen. Leistungen, für die ein anhaltender Bedarf besteht, werden häufig zunächst nur für einen bestimmten Zeitraum gewährt und sind daher unter Vorbehalt, dass die Leistungsvoraussetzungen weiterhin gegeben sind, in gewissen Zeitabständen neu zu beantragen.311 Auch für die sozialgerichtliche Fortsetzungsfeststellungsklage wird teilweise eine abstrakte Wiederholungsgefahr für ausreichend erachtet. Das BSG312 nahm etwa eine Wiederholungsgefahr ungeachtet des Umstands an, dass der Kläger in der Zwischenzeit die Krankenkasse gewechselt hatte, infolgedessen der Leistungsanspruch des Klägers nach § 19 Abs. 1 SGB V gegenüber der ursprünglichen Krankenkasse erloschen und nunmehr eine andere Behörde für die Entscheidung über einen künftigen Antrag zuständig war. Wegen der Bedeutung höchstrichterlicher Entscheidungen für die Rechtsfortbildung sei davon auszugehen, dass sich die neue Krankenkasse als an Recht und Gesetz gebundene Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 4 Abs. 1 SGB V i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) den Gründen eines obsiegenden Feststellungsurteils nicht verschließen werde.313 Diese Entscheidung ist auch der besonderen Situation im Krankenversicherungsrecht geschuldet, wonach sich der Anspruch auf Leistung gegenüber den verschiedenen Kranken­kassen jeweils nach denselben Vorschriften des SGB V richtet. Da die verschiedenen Kranken-

308

BSG, Urt. v. 18.05.2011  – Az.: B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206 (212 f.); Beschl. v. 28.11.2011 – Az.: B 4 AS 70/11 BH, BeckRS 2011, 79077; Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 50; Bolay, in: Lüdtke / ​Berchtold (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 17; Humpert, in: Jansen (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 19; Keller, in: Meyer-Ladewig / ​Keller / ​Leitherer / ​Schmidt (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 10b; Lowe, in: Hintz / ​Lowe, SGG, § 131 Rn. 22; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz / ​Fichte (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 7. 309 Beispielhaft hierfür BSG, Urt. v. 20.05.1992 – Az.: 14a 6/RKa 29/89, Breith. 1993, 260 (262); Urt. v. 08.11.2011 – Az.: B 1 KR 19/10 R, BSGE 109, 211 (212 f.). 310 BSG, Urt. v. 14.02.2013 – Az.: B 14 AS 195/11 R, BSGE 113, 70 (72); ebenso Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 50. 311 Beispielhaft BSG, Urt. v. 25.10.2012 Az.: B 9 SB 1/12 R, NJOZ 2013, 1636 (1637) für Anspruch auf Ausgabe von Wertmarken nach § 27d BVG. 312 BSG, Urt. v. 18.05.2011 – Az.: B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206. 313 BSG, Urt. v. 18.05.2011 – Az.: B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206 (212 f.).

D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Sozial- und Finanzgerichtsordnung 

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kassen regelmäßig dieselben Interessen verfolgen314, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass auch die nachfolgende Krankenkasse, die nach denselben Vorschriften zu entscheiden hat, gegenüber dem Versicherten die gleiche Rechtsaufassung einnimmt wie die ursprünglich zuständige Krankenkasse. Auch wenn das Feststellungsurteil für das Rechtsverhältnis zwischen den am Streitfall Beteiligten nicht mehr von Bedeutung ist, ist ein Interesse an der Rechtswidrigkeitsfeststellung somit gerechtfertigt, da mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass der Kläger erneut mit der Streitfrage konfrontiert sein wird.315 b) Grundrechtsbeeinträchtigung Die sozialgerichtliche Rechtsprechung verzichtet – soweit ersichtlich – weitgehend auf die Fallgruppe der Grundrechtsbeeinträchtigung. Vereinzelt finden sich in Urteilen zwar Ausführungen zu einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff. Häufig geschieht dies jedoch im Zusammenhang mit einem Rehabilitationsinteresse.316 Unter Bezug auf das zuletzt maßgebliche Urteil des BVerwG vom 16.05.2013317 wird vereinzelt auch ein „sich typischerweise kurzfristig erledigender Verwaltungsakt“ verlangt.318 Dass die Fallgruppe im sozialgerichtlichen Erledigungsfeststellungsstreit lediglich eine untergeordnete Rolle spielt, ist bei genauerem Hinsehen allerdings nur wenig überraschend. Der Fallgruppe kommt vor allem im Bereich der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung Bedeutung zu.319 Soweit auf diesem Gebiet keine der anerkannten Fallgruppen einschlägig ist, wären die mit einer Unzulässigkeit der Klage verbundenen Kontrolldefizite in rechtsstaatlicher Hinsicht nicht hinzunehmen. Regelmäßig drehen sich Streitigkeiten im Sozialrecht um 314

Siehe beispielsweise nur das allgemein zu beachtende Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nach § 4 Abs. 4 SGB V oder das Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 29 SGB XI. 315 Insoweit ähnlich BSG, Urt. v. 06.04.2000 – Az.: B 11 AL 47/99 R, NZS 2001, 104 (106). 316 So beispielsweise BayLSG, Urt. v. 21.12.2016  – Az.: L 18 AS 669/16, BeckRS 2016, 119275; LSG Hamburg, Urt. v. 27.02.2014 – Az.: L 4 AS 429/11 ZVW, BeckRS 2014, 67773; ebenso Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 55; Bolay, in: Lüdtke / ​Berchtold (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 20, die jeweils darauf abstellen, dass die Grundrechtsverletzung fortdauert; Hauck, in: Hennig (Begr.), SGG, Bd. 2, § 131 Rn. 93 zitiert demgegenüber die bekannte Rspr. des BVerfG zu der Fallgruppe; sozialgerichtliche Urteile werden dazu jedoch nicht zitiert. Als eigenständige Fallgruppe dargestellt, jedoch lediglich unter Hinweis auf die Rspr. des BVerwG bei Keller, in: Meyer-Ladewig / ​Keller / ​Leitherer / ​Schmidt (Hrsg.), SGG, § 131 Rn.  10a. 317 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303. 318 SG Hannover, Gerichtsbescheid v. 26.02.2014 – Az.: S 53 AY 29/13, BeckRS 2014, 68280; LSG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 24.10.2012 – Az.: L 4 KR 30/10, BeckRS 2013, 70178, ohne Verweis auf vorangehende Rspr. Insgesamt ist die Entscheidung auch wenig überzeugend, da sich laut Begründung ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege typischerweise kurzfristig erledigt, obwohl in diesem Fall die häusliche Krankenpflege für einen Zeitraum über ein Jahr angeordnet wurde; auf die Rspr. des BVerfG verweisend LSG Sachsen, Urt. v. 21.04.2016 – Az.: L 3 AS 7/15, BeckRS 2016, 69034. 319 So auch SG Hannover, Gerichtsbescheid v. 26.02.2014 – Az.: S 53 AY 29/13, BeckRS 2014, 68280.

92 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands Rechtsfragen rund um die Gewährung von Leistungen. Die Fallgruppe muss daher unter Beachtung der Anforderungen des BVerwG schon deshalb ausscheiden, weil es sich charakteristisch um Dauerverwaltungsakte handelt, die sich nicht typischerweise kurzfristig erledigen. Da mit dem Sozialrecht ein essentieller Bereich der Lebenswirklichkeit betroffen ist – zu denken ist nur an die Grundversorgung, Krankenbehandlung, Altersversorgung – wird jede hoheitliche Maßnahme mit einer fortdauernden Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Lebensbereichs verbunden sein, sei es die Menschenwürde oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht wegen einer diskriminierenden Wirkung des Verwaltungsakts.320 c) Präjudizialität Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kann sich auch im sozialgerichtlichen Verfahren aus der damit verbundenen Präjudiziabilität der Entscheidung ergeben. Dies gilt in erster Linie für die beabsichtigte Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen.321 Im sozialgerichtlichen Verfahren wird das Präjudizinteresse jedoch nicht nur im Hinblick auf bevorstehende Amtshaftungs- und Schadenersatzverfahren bejaht. Weitaus häufiger wie im Verfahren vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten wird ein Präjudizinteresse darüber hinausgehend angenommen, sofern die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Voraussetzung für weitere Leistungen bzw. Genehmigungen ist.322 Auch hierdurch sollen Verfahrensergebnisse gesichert und voraussehbare Folgeprozesse  – beispielsweise gerichtet auf die Gewährung der 320 Siehe hierzu die Erläuterungen zum Rehabilitationsinteresse Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 54 f.; Bolay, in: Lüdtke / ​Berchtold (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 20; Humpert, in: Jansen (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 21–23; Keller, in: Meyer-Ladewig / ​Keller / ​Leitherer / ​Schmidt (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 10a; Lowe, in: Hintz / ​Lowe, SGG, § 131 Rn. 24; WolffDellen, in: Breitkreuz / ​Fichte (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 9. 321 BSG, Urt. v. 10.07.1996 – Az.: 3 RK 27/95, BSGE 79, 33 (34); Urt. v. 11.12.2002 – B 6 KA 32/01 R, NZS 2003, 670 (671); LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23.04.2013 – Az.: L 14 AL 194/10, BeckRS 2013, 69927; Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 51 f.; Bolay, in: Lüdtke / ​Berchtold (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 19; Humpert, in: Jansen (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 20; Lowe, in: Hintz / ​Lowe, SGG, § 131 Rn. 23; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz / ​Fichte (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 8. 322 BSG, Urt. v. 22.09.1976 – Az.: 7 RAr 107/75, BSGE 42, 212 (218); Urt. v. 21.06.1995 – Az.: 6 RKa 48/94, Breith. 1996, 538 (539 f.); BSG, Urt. v. 18.05.2011 – Az.: B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206 (212); LSG Bayern, Urt. v. 21.12.2016 – Az.: L 18 AS 669/16, BeckRS 2016, 119275; die Bindungswirkung im konkreten Fall ablehnend LSG Nds.-Bremen, Urt. v. 17.10.2012 – Az.: L 3 KA 1/09 KL, BeckRS 2012, 75583. Als neben der Präjudizialität für Amtshaftungsklagen selbstständiger Teil der Fallgruppe genannt von Aussprung, in: Roos / ​Wahrendorf (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 51 f.; Bolay, in: Lüdtke / ​Berchtold (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 19; Keller, in: Meyer-Ladewig / ​Keller / ​Leitherer / ​Schmidt (Hrsg.), SGG, § 131 Rn. 10a. Als eigenständige Fallgruppe genannt von Hauck, in: Hennig (Begr.), SGG, Bd. 2, § 131 Rn. 83–86. Für die allgemeinen Verwaltungsgerichte nur vereinzelt etwa BVerwG, Beschl. v. 07.05.1996 – Az.: 4 B 55/96, BeckRS 1996, 12550; Beschl. v. 27.09.1993 – Az.: 1 B 73/93, Buchholz 310 § 113 Nr. 261.

D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Sozial- und Finanzgerichtsordnung 

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Leistung oder Erteilung der Genehmigung – vermieden werden.323 Das ist in erster Linie aus Gründen der Ressourcenschonung gerechtfertigt. Zugleich liegt es hier jedoch auch im individuellen Interesse des Rechtsschutzsuchenden, sich bei der Durchsetzung seiner Rechte auf eine gerichtliche Entscheidung berufen zu können. Im Sozialrecht ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Folgeprozessen kommen wird, aufgrund der sich relativ häufig ergebenden Situation eines wiederkehrenden Leistungsanspruchs besonders groß. 2. Fazit Unterschiede zur Auslegung des „berechtigten Interesses“ durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte ergeben sich vor allem für die Fallgruppe der Grundrechtsbeeinträchtigung, die im sozialgerichtlichen Verfahren nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dafür kommt den Fallgruppen der Wiederholungsgefahr und des Präjudizinteresses einschlägige Bedeutung zu. Dies vor allem deshalb, da wiederkehrende Leistungsansprüche bzw. eine über einen längeren Zeitraum zu gewährende Leistung für das Sozialrecht prägend sind. Es ist insofern nur wenig überraschend, dass auf diese Fallgruppen wiederholt zurückgegriffen wird. Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr sind die Sozialgerichte deshalb auch geneigt, keine allzu strengen Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen zu stellen. Die damit verbundenen Kontrolltendenzen sind hier besonders naheliegend, da die Sozialbehörden häufig in einer Vielzahl von Fällen mit vergleichbaren Fragen konfrontiert werden.

III. Besonderheiten der Auslegung des „berechtigten Interesses“ durch die Finanzgerichte 1. Steuerrechtliche Besonderheiten bei der Auslegung des „berechtigten Interesses“ Nach § 100 Abs. 1 S. 4 FGO ist bei Erledigung des Verwaltungsakts nach Klageerhebung die Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft. Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Auch in Bezug auf die Ausbildung der Fallgruppen wird im Wesentlichen auf die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen. Es zeichnen sich allerdings auch hier Besonderheiten ab, die sich vor allem daraus ergeben, dass Rechtsfragen rund um eine jährlich wiederkehrende Steuerpflicht324 in Streit stehen, die sich regelmäßig gegenüber derselben Behörde, dem Finanzamt, ergeben. 323

BSG, Urt. v. 18.05.2011 – Az.: B 3 KR 7/10 R, BSGE 108, 206 (212). Zu denken ist nur an die Einkommenssteuer, § 2 Abs. 7 S. 1 EStG sowie die Gewerbesteuer, § 14 S. 2 GewStG, die Körperschaftssteuer, § 7 III S. 1 KStG und die Umsatzsteuer nach § 16 Abs. 1 UStG. 324

94 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands a) Wiederholungsgefahr aa) Verfahren mit Ziel eines vorbeugenden Rechtsschutzes Soweit mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass das Finanzamt bei im Wesentlichen unveränderter Sach- und Rechtslage einen vergleichbaren Verwaltungsakt erneut erlassen wird, ist auch für die finanzgerichtliche Fortsetzungsfeststellungsklage ein „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 100 Abs. 1 S. 4 FGO wegen Wiederholungsgefahr anzunehmen.325 Die Fallgruppe der Wiederholungsgefahr spielt vor den Finanzgerichten eine verhältnismäßig große Rolle, sofern Rechtsfragen betreffend eine Jahressteuer in Rede stehen und davon auszugehen ist, dass das Finanzamt auch zukünftig an der für den Kläger ungünstigen Rechtsauffassung festhalten wird.326 Dadurch soll der Kläger vor wiederkehrenden vergleichbaren Entscheidungen des Finanzamts bewahrt werden. Beispielhaft trifft dies auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärung zu, die sich jährlich erneut stellt und insofern im Interesse des Klägers der gerichtlichen Entscheidung offenstehen muss.327 Im Steuerrecht ist es zudem nicht ungewöhnlich, dass eine Person sich mit parallel verlaufenden Verfahren konfrontiert sieht. Der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines durch Bescheid abgelehnten Antrags auf Erhöhung des im Lohnsteuerermäßigungsverfahrens eingetragenen Freibetrags nachdem sich das Verfahren wegen Zeitablaufs erledigt hat kommt für das Veranlagungsverfahren zwar keine rechtliche Bindungswirkung zu.328 Dennoch nahm der BFH ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse an, da davon auszugehen sei, dass die Streitfrage für die Lohnsteuerermäßigungsverfahren der Folgejahre bedeutsam werde.329 Das Gericht stützte sich dabei auf prozessökonomische Erwägungen.330 Es sei zu erwarten, dass das Finanzamt in 325 Vergleiche nur die Entscheidungen BFH, Urt. v. 28.06.2000  – Az.: X R 24/95, BFHE 192, 32 (40); Beschl. v. 07.04.2009 – Az.: XI B 115/08, BFH / ​NV 2009, 1085 (1086); Brandis, in: Tipke / ​Kruse (Hrsg.), AO / ​FGO, § 100 FGO Rn.  53; Lange, in: Hübschmann / ​Hepp / ​Spitaler (Begr.), AO / ​FGO, § 100 FGO Rn. 173; Stapperfend, in: Gräber (Begr.), FGO, § 100 Rn. 89; Wagner, in: Kühn / ​v. Wedelstädt (Hrsg.), AO / ​FGO, § 100 FGO Rn. 24. 326 Siehe hierzu nur BFH, Urt. v. 16.12.1971 – Az.: IV R 221/67, BFHE 103, 555 (556 f.); Urt. v. 20.04.2004 – Az.: VIII R 88/00, BFH / ​NV 2004, 1103; Urt. v. 11.04.2006 – Az.: VI R 64/02, BFHE 213, 268 (270); Urt. v. 23.09.2008 – Az.: I R 57/07, BFH / ​NV 2009, 390; Urt. v. 22.11.2011 – Az.: VIII R 11/09, BFHE 235, 470 (472). 327 Siehe hierzu nur die Vielzahl an Entscheidungen diesbezüglich BFH, Urt. v. 28.06.2000 – Az.: X R 24/95, BFHE 192, 32 (40); Urt. v. 29.01.2003 – Az.: XI R 82/00, BFHE 201, 399 (400); Urt. v. 21.02.2006 – Az.: IX R 78/99, BFHE 212, 8 (9); Urt. v. 11.04.2006 – Az.: VI R 64/02, BFHE 213, 268 (270). 328 BFH, Urt. v. 12.05.1955 – Az.: IV 69/55 U, BFHE 61, 39 (42); zur Abgrenzung BFH, Urt. v. 02.11.2000 – X R 156/97, BFH / ​NV 2001, 476. 329 BFH, Urt. v. 29.05.1979 – Az.: VI R 21/77, BFHE 128, 148 (151); ebenso BFH, Urt. v. 16.09.2004 – Az.: X R 54/99, BFH / ​NV 2005, 677 (679); Urt. v. 07.06.1989 – Az.: X R 12/84, BFHE 157, 370 (372 f.). 330 BFH, Urt. v. 29.05.1979 – Az.: VI R 21/77, BFHE 128, 148 (152); Urt. v. 02.11.2000 – X R 156/97, BFH / ​NV 2001, 476 (477); Urt. v. 07.06.1989 – Az.: X R 12/84, BFHE 157, 370 (373); Urt. v. 16.09.2004 – Az.: X R 54/99, BFH / ​NV 2005, 677 (679).

D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Sozial- und Finanzgerichtsordnung 

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den nachfolgenden Parallelverfahren die Auffassung des Gerichts beachten werde und dadurch Folgeprozesse vermieden werden können. Im Urteil wird darauf zwar ausdrücklich nicht hingewiesen, doch lassen sich neben den prozessökonomischen Gründen auch Rechtsschutzaspekte anführen. Denn der Kläger wird so vor einer erneuten Beeinträchtigung seiner Rechte durch das Finanzamt in einem parallelen Verfahren aufgrund der gleichen rechtlichen Fragestellung bewahrt. Das Gericht betont insofern, dass von einer hinreichend konkreten Gefahr, dass die Behörde an ihrer Rechtsauffassung festhalten wird, ausgegangen werden könne, da nicht zu erwarten sei, dass das Finanzamt in einem Parallelverfahren eine andere Rechtsauffassung einnehmen werde.331 Dass insofern nicht – wie gewöhnlich – darauf abgestellt wird, ob ein vergleichbarer Verwaltungsakt erneut zu erwarten ist, ist der steuerrechtlichen Besonderheit geschuldet. bb) Objektive Kontrollverfahren Objektive Kontrollverfahren im Rahmen einer Wiederholungsgefahr stehen in engem Zusammenhang mit § 68 FGO. Diese Vorschrift sieht die Möglichkeit eines Auswechselns des Klagegegenstandes vor, sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt durch die Finanzbehörde nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Wird ein Vorauszahlungsbescheid durch einen Jahressteuerbescheid ersetzt, fehlt es deshalb in der Regel an einem berechtigten Interesse für die Rechtswidrigkeitsfeststellung des ursprünglichen Bescheids, da die streitigen Rechtsfragen im Anfechtungsverfahren geklärt werden können.332 Ausnahmsweise geht die Rechtsprechung jedoch in einem solchen Fall von der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr aus, wenn die maßgebende Frage nur in einem Verfahren gegen einen Vorauszahlungsbescheid geklärt werden kann, weil die streitige Norm nur für dieses Verfahren gilt.333 Andernfalls „entstünden nicht zu rechtfertigende Rechtsschutzlücke, weil Rechtsfragen, die ausschließlich das Vorauszahlungsverfahren betreffen, regelmäßig nicht in der bis zum Ergehen des Jahressteuerbescheids verbleibenden Zeit gerichtlich geklärt werden können“334. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung ist in diesem Fall ausschließlich durch ein Interesse an einer objektiven Kontrolle der Verwaltung motiviert mit dem Ziel, dass sich die Behörde zukünftig der Rechtsauffassung des Gerichts anschließen wird.

331

BFH, Urt. v. 29.05.1979 – Az.: VI R 21/77, BFHE 128, 148 (152). Brandis, in: Tipke / ​Kruse (Hrsg.), AO / ​FGO, § 100 FGO Rn. 49. 333 In Bezug auf die Umsatzsteuer BFH, Urt. v. 01.10.1992 – Az.: V R 81/89, BFHE 169, 117 (119); Urt. v. 10.02.2010 – Az.: XI R 3/09, BFH / ​NV 2010, 1450 (1452); für die Einkommenssteuer BFH, Urt. v. 22.11.2011 – Az.: VIII R 11/09, BFHE 235, 470 (472); Beschl. v. 08.11.2013 – Az.: X B 58/13, BFH / ​NV 2014, 361 (363). 334 BFH, Beschl. v. 08.11.2013 – Az.: X B 58/13, BFH / ​NV 2014, 361 (363). 332

96 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands b) Präjudizinteresse Die Anforderungen, die an ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen beabsichtigter Schadenersatzansprüche gestellt werden, entsprechen der allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Fallgruppe.335 Darüber hinaus wird ein berechtigtes Interesse angenommen, wenn im Rahmen der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung Umstände zu prüfen sind, die für eine nachfolgende Festsetzung der Steuerbehörde von Bedeutung sind.336 Ferner wird ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bejaht, wenn sich auf der Grundlage der Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Prüfungsanordnung ein Verwertungsverbot bezüglich der so erlangten Kenntnisse herleiten lässt.337 Ebenso wie im sozialgerichtlichen Verfahren kann auch die finanzgerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts für nachfolgende Steuerfestsetzungsverfahren von Bedeutung sein und damit der Durchsetzung der Rechte des Klägers dienen. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung ist im Hinblick auf die Einordnung des so begründeten Fortsetzungsfeststellungsinteresses in die Fallgruppe des Präjudizinteresses zurückhaltend. Fälle, bei denen ein Interesse an einer präjudiziellen Entscheidung für nachfolgende künftige Rechtsfälle besteht, stehen allerdings nicht außerhalb dieser Fallgruppe, sondern lassen sich unter dem Stichwort „Bindungswirkung für nachfolgende Entscheidungen“ zusammenfassen. c) Rehabilitationsinteresse Auch das Interesse an einer Rehabilitierung des Klägers spielt in der finanzgerichtlichen Fortsetzungsfeststellungsklage eine nicht unerhebliche Rolle. Ein solches besteht etwa dann, wenn der Steuerbescheid zur Grundlage verschiedener Vollstreckungsmaßnahmen wird338, wenn dieser den Vorwurf der Steuerhinterziehung enthält339 oder bei Ablehnung der Zulassung zur Steuerberaterprüfung340. Die

335 Siehe nur BFH, Urt. v. 18.05.1976  – Az.: VII R 108/73, BFHE 119, 26 (30); Urt. v. 27.07.1994 – Az.: II R 109/91, BFH / ​NV 1995, 322 (323); Beschl. v. 20.09.2000 – Az.: VII B 33/00, BFH / ​NV 2001, 458 (459); Beschl. v. 17.05.2001 – Az.: I S 2/01, BFH / ​NV 2001, 1426; Wagner, in: Kühn / ​v. Wedelstädt (Hrsg.), AO / ​FGO, § 100 FGO Rn. 24. 336 BFH, Beschl. v. 12.03.2009 – Az.: X B 265/07, BFH / ​NV 2009, 1083 (1084). 337 BFH, Urt. v. 16.04.1986 – Az.: I R 32/84, BFHE 147, 14 (17); Urt. v. 16.12.1986 – Az.: VIII R 123/86, BFHE 148, 426 (429); Beschl. v. 04.02.1988 – Az.: V R 57/83, BFHE 152, 217 (219); Urt. v. 12.01.1995 – Az.: IV R 83/92, BFHE 177, 4 (6); Beschl. v. 15.12.1999 – Az.: X B 86/99, BFH / ​NV 2000, 681 (682); Urt. v. 16.09.2004 – Az.: X R 30/13, BFH / ​NV 2015, 150 (151). 338 FG Thüringen, Urt. v. 08.11.2006 – Az.: II 410/05, EFG 2007, 534; FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.12.2011 – Az.: 7 K 7203/08, EFG 2012, 1006 (1007). 339 BFH, Urt. v. 27.07.1994  – Az.: II R 109/91, BFH / ​NV 1995, 322 (323); Beschl. v. 12.06.2008 – Az.: VI B 62/07, BFH / ​NV 2008, 1514. 340 BFH, Urt. v. 23.03.1976 – Az.: VII R 106/73, BFHE 118, 503 (506 f.).

D. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in Sozial- und Finanzgerichtsordnung 

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Anforderungen an diese Fallgruppe und an die der Grundrechtsbeeinträchtigung überschneiden sich vereinzelt.341 2. Fazit Vor den Finanzgerichten spielen ebenfalls die Fallgruppen der Wiederholungsgefahr und des Präjudizinteresses die bedeutendste Rolle. Dabei liegt es in der Eigenart der Materie begründet, dass auf diese Fallgruppen vermehrt zurückgegriffen wird. Verfahren zur Verhinderung von Wiederholungen dienen in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung verstärkt dem Anliegen des vorbeugenden Rechtsschutzes des Klägers. Dies verwundert kaum, zeichnen sich die steuerrechtlichen Streitfälle doch gerade durch jährlich wiederkehrende Rechtsfragen aus. Aus diesem Grund wird in Steuerstreitfällen auch vermehrt auf das Präjudizinteresse zurückgegriffen. Die Fallgruppe der Wiederholungsgefahr wird auch von den Finanzgerichten vereinzelt zu objektiven Kontrollzwecken genutzt.

VI. Folgerung für die Systematik des Fortsetzungsfeststellungsinteresses Grundsätzlich lässt sich konstatieren, dass die Auslegung des „berechtigten Interesses“ im sozial- und finanzgerichtlichen Verfahren parallel zur Auslegung durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte verläuft. Unterschiede, die in den beiden besonderen Gerichtszweigen auszumachen sind, gehen auf Besonderheiten der Materie zurück, die die inhaltlichen Anpassungen tolerierbar erscheinen lassen. In systematischer Hinsicht ergeben sich dadurch allerdings keine nennenswerten Diskrepanzen: Die Fortsetzungsfeststellungsklage wird auch vor den Sozial- und Finanzgerichten primär mit der Absicht der Durchsetzung der individuellen Rechte des Klägers erhoben. Objektive Kontrolltendenzen werden – in Übereinstimmung mit der sonstigen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – vornehmlich durch eine großzügige Auslegung der Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr verwirklicht. Dagegen spielt eine objektive Rechtskontrolle bei sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten, die in grundrechtsrelevante Bereiche eingreifen,  – wenn überhaupt  – nur eine untergeordnete Rolle. Demgegenüber wird ein Präjudizinteresse häufiger bejaht, sofern die Rechtswidrigkeitsfeststellung durch die Gerichte für ein nachfolgendes Sozial- oder Finanzverwaltungsverfahren von Bedeutung ist. Dies ist – ebenso wie das Präjudizinteresse in Bezug auf ein beabsichtigtes Verfahren vor den ordentlichen Gerichten – für Masseverfahren, wie sie es im Steuer- und Sozialrecht häufig sind, prozessökonomisch motiviert. Darüber hinaus ist in diesen Verfahren der individuelle Rechtsschutzgedanke deut 341 BFH, Urt. v. 11.12.2007 – Az.: VII R 52/06, BFH / ​NV 2008, 749 (750); die Vorinstanz FG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 06.04.2006 – Az.: 2 K 262/05, DStRE 2007, 1460 (1461).

98 Kap. 1: Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Rechtsschutzsystem Deutschlands lich stärker ausgeprägt, da das Feststellungsurteil der Durchsetzung von Folgeansprüchen in einem weiteren Verwaltungsverfahren dient und insofern nicht auf die alternative Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung vor den ordentlichen Gerichten verwiesen werden kann. Abgesehen von kleineren Abweichungen ist die sozial- und finanzgerichtliche Auslegung des „berechtigen Interesses“ somit insgesamt systemkonform: Sie dient vornehmlich dem Individualrechtsschutz des Einzelnen. Zwar ist auch in der besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit ein gesteigertes Interesse erkennbar, die Fortsetzungsfeststellungsklage für Steuerungszwecke nutzbar zu machen. Die Anzahl solcher Verfahren ist jedoch überschaubar, sodass insgesamt von einer konsistenten Anwendung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses durch die besonderen Verwaltungsgerichte ausgegangen werden kann.

Kapitel 2

Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung in Frankreich  Vor dem Hintergrund der noch anstehenden Untersuchung der europäischen Nichtigkeitsklage ist der französische Lösungsweg von besonderem Interesse. Denn die europäische Nichtigkeitsklage folgt dem Vorbild der französischen Aufhebungsklage und es liegt deshalb im Bereich des Möglichen, dass prozessuale Fragestellungen mit besonderem Blick auf die französische Rechtsprechungspraxis behandelt werden. Zweck der Verwaltungsgerichtskontrolle in Frankreich liegt mitunter in der Sicherstellung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Die französischen Verwaltungsgerichte nehmen im Rahmen des recours pour excès de pouvoir eine objektive Verwaltungskontrolle vor, wohingegen der Schutz von Rechten Einzelner – zumindest dem Idealmodell zufolge – nicht den primären Zweck darstellt.1 Angesichts dieser konzeptionellen Verschiedenheit gegenüber der deutschen Anfechtungsklage und vor dem Hintergrund der bisherigen Erkenntnisse zur Bedeutung der Fortsetzungsfeststellungsklage für den subjektiven Rechtsschutz ist nicht auszuschließen, dass das Entfallen des Klagegegenstandes jeweils unterschiedliche prozessrechtliche Konsequenzen hat. Tatsächlich ist in Frankreich kein der Fortsetzungsfeststellungsklage vergleichbares Prozessinstitut vorhanden. Stattdessen wird die Erledigung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung nach Klageerhebung als Frage der Statthaftigkeit des recours pour excès de pouvoir behandelt. Für die rechtsvergleichende Untersuchung hat dies zur Folge, dass nicht einfach auf das französische Äquivalent zum deutschen Fortsetzungsfeststellungsinteresse zurückgegriffen werden kann. Die Untersuchung „verschiebt“ sich daher zunächst hin zu den Folgen, die ein Entfallen des Streitgegenstandes für die Zulässigkeit der Aufhebungsklage, das heißt in Frankreich für den recours pour excès de pouvoir und in Deutschland für die Anfechtungsklage, hat. Eine Gegenüberstellung von deutscher und französischer Rechtslage soll ihre Gemeinsamkeiten wie auch Unterschiede aufzeigen. Da eine gerichtliche Aufhebung logisch zwingend voraussetzt, dass der Streitgegenstand noch aufhebbar ist, werden Abweichungen in der Rechtsanwendung nicht zu erwarten sein. Von Interesse ist jedoch wie Fallkonstellationen, die nach deutschem Recht nach Erledigung des Verwaltungsakts über die Fortsetzungsfeststellungsklage einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können, in Frankreich behandelt werden. Mangels entsprechendem Klageäquivalent ist es zumindest nicht 1

Auf diesen Gegensatz hinweisend v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 60.

100

Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

ausgeschlossen, dass die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten in Frankreich nach Erledigung der Verwaltungsentscheidung im direkten Vergleich mit Deutschland zurückgenommen sind und sich ein entsprechendes Kontrolldefizit abbildet. Andererseits könnten die auch im französischen Verwaltungsrechtsschutz festzustellenden Konvergenzprozesse2 dazu führen, dass die französischen Verwaltungsgerichte die Statthaftigkeit der Aufhebungsklage entsprechend ausdehnen und diese sich damit an die deutsche Kasuistik annähert. Dazu sollen zunächst die verschiedenen gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten in Frankreich und speziell der recours pour excès de pouvoir dargestellt werden (dazu A.). Hier geht es vor allem darum, Zweck und Zulässigkeitsvoraussetzungen näher zu betrachten, um das Verfahren in das verwaltungsgerichtliche System Frankreichs einordnen zu können und sich der Unterschiede zur deutschen Ausrichtung bewusst zu werden. Anschließend daran soll untersucht werden, welche prozessualen Folgen eine Erledigung der Verwaltungsentscheidung in Frankreich hat. Dazu werden auch die Folgen der Erledigung eines Verwaltungsakts für die deutsche Anfechtungs- und Verpflichtungsklage für ein besseres Verständnis und die Möglichkeit eines Vergleichs in den Blick zu nehmen sein (dazu B.). Eine Rechtsprechungsanalyse der französischen Verwaltungsgerichte soll die bis dahin nur theoretisch dargestellte Prozesssituation in der Anwendungspraxis darstellen (dazu C.). In einem letzten Schritt wird es dann darum gehen, diejenigen Fälle, die nach deutschem Recht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründen, in die französische Kasuistik einzuordnen (dazu D.).

A. Verwaltungskontrolle in Frankreich  I. Die verwaltungsgerichtlichen Verfahren Verwaltungsgerichtliche Verfahren werden in Frankreich in unterschiedliche Kategorien unterteilt, die sich nach den jeweiligen richterlichen Befugnissen richten.3 Zu der Kategorie der „contentieux de la légalité / ​contentieux de l’annula­tion“ (Aufhebungsverfahren) sind objektive Beanstandungsverfahren zu zählen, die die Aufhebung einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung zum Ziel haben. Hierzu gehört auch der in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehende recours pour excès de 2

Dazu Fromont, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 93 (100–103, 108–111); Groß, DV 33 (2000), 415 passim. 3 Siehe zur Differenzierung der Verfahrensarten grundlegend Laferriére, Traité de la juridiction administrative et des recours contentieux, Bd. I, S. 19 ff.; siehe auch J.-B. Auby  / ​­Cluzel-​ Métayer / ​Xenou, in: Seerden (Hrsg.), Administrative Law of the European Union, its Member States and the United States, 5 (33–35); v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 64; Gonod, in: v. Bogdandy / ​Cassese / ​P. M. Huber (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. V, § 75 Rn. 125; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 101–104; ders., VerwArch 89 (1998), 560 und passim.

A. Verwaltungskontrolle in Frankreich  

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p­ ouvoir. Klageverfahren der „contentieux de pleine juridiction“4 (Verfahren mit voller richterlicher Entscheidungskompetenz) sind demgegenüber individuelle Rechtsschutzverfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen aus einem Verwaltungsvertrag oder wegen Staatshaftung. Im Gegensatz zu Deutschland entscheiden in Frankreich die Verwaltungsgerichte und nicht die ordentlichen Gerichte über Staatshaftungsansprüche des Klägers.5 Die richterlichen Befugnisse bei Verfahren der contentieux de pleine juridiction sind nicht auf die Aufhebung einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung begrenzt. Die Richter können die Verwaltung zu einer Geldleistung verurteilen oder – noch weitreichender – Verwaltungsentscheidungen ändern oder selbst erlassen. Verfahren dieser Art lassen sich mit der deutschen Leistungsklage vergleichen. Sie sind als subjektive Verfahren zu charakterisieren.6 Insofern sind auch französische Verwaltungsgerichtsverfahren nicht ausschließlich einer objek­tiven Rechtskontrolle verpflichtet, sondern dienen gleichermaßen der Durchsetzung subjektiver Rechte.7 Schließlich gibt es noch die contentieux de l’interprétation, die wie die deutsche Feststellungsklage auf eine Feststellung durch die Gerichte beschränkt sind. Dazu zählt zum einen der recours direct en interprétation, mit dem das Verwaltungsgericht zur Auslegung einer Verwaltungsentscheidung oder eines Urteils angerufen werden kann. Da eine streitunabhängige Auslegung von Entscheidungen jedoch nicht zu den Aufgaben des Verwaltungsrichters zählt, ist von einem Ausnahmecharakter des Verfahrens auszugehen. Die Anforderungen an die Zulässigkeit dieses Verfahrens werden aus diesem Grund sehr restriktiv ausgelegt.8 Beantragt werden kann zum anderen auch die Feststellung der Nichtigkeit einer Verwaltungsentscheidung mittels recours en déclaration de nullité des actes administratifs inexistants. Abgesehen von der Nichtigkeitsfeststellung verbietet sich insgesamt jedoch ein Vergleich zur deutschen Feststellungsklage, da das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses genauso wie die Rechtswidrigkeitsfeststellung eines erledigten Verwaltungsakts nicht Gegenstand eines französischen Feststellungsverfahrens sein kann.9 Ein Urteil, das vergleichbar dem nationalen Fortsetzungsfeststellungsurteil die Rechtmäßigkeit einer Verwaltungsentscheidung überprüft, ist dem französischen Verwaltungsprozessrecht fremd. Die richterlichen Befugnisse sind in diesem Fall auf die Aufhebung der Verwaltungs 4

Synonym verwendet wird auch recours de plein contentieux. Einen Überblick über das französische Staatshaftungsrecht gibt Chrétien / ​Chifflot / ​Tourbe, Droit administratif, Rn. 753–805; Frier / ​Petit, Droit administratif, Rn. 1019–1106; Fromont, DÖV 1982, 925 und passim; Waline, Droit administratif, Rn. 492–554; zum Rechtsweg Marsch, in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa, 195 (220). 6 J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 402; Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 263; Thouroude, Pratique de contentieux administratif, Rn. 13; Woehrling, NVwZ 1985, 21 (25). 7 Ziller, in: v. Bogdandy / ​P. M. Huber / ​Marcusson (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, § 130 Rn. 31. 8 Peiser, Contentieux administratif, S. 274; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 232. 9 Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 231; noch deutlicher ders., VerwArch 89 (1998), 560 (584). 5

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

entscheidung begrenzt. Scheidet eine Kassation aus, endet damit in der Regel auch die gerichtliche Kontrollmöglichkeit.

II. Der recours pour excès de pouvoir 1. Statthaftigkeit des recours pour excès de pouvoir Wie die deutsche Anfechtungsklage ist auch der recours pour excès de pouvoir auf die Aufhebung einer einseitigen Verwaltungsentscheidung (acte administratif) gerichtet.10 Unter einseitigen Verwaltungsentscheidungen werden nach französischem Recht einseitige Rechtsakte eines der Verwaltung zugehörigen Organs gezählt, die gegenüber einer Person außerhalb der Verwaltung Rechte und Pflichten begründen.11 Darunter fallen zum einen konkret-individuelle Entscheidungen (acte administratif unilatéral). Im Unterschied zum deutschen Verwaltungsakt werden darüber hinaus auch abstrakt-generelle Regelungen (acte administratif réglementaire) erfasst.12 Alle einseitigen Rechtsakte können mit dem recours pour excès de pouvoir angegriffen werden, sodass einer Differenzierung zwischen den verschiedenen Ausprägungen prozessual nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt.13 Tauglicher Angriffsgegenstand des recours pour excès de pouvoir kann allerdings nur eine Verwaltungsentscheidung sein, der eine potenziell beeinträchtigende Wirkung (de nature à faire grief) zukommt.14 Die beeinträchtigende Wirkung der Verwaltungsentscheidung stellt den Grund für die Erhebung des Rechtsbehelfs dar; der Kläger kann die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung insoweit nur 10

Siehe zur Aufhebungsklage im Allgemeinen J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 108; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 831–944; Dupuis  / ​ Guédon / ​Chrétien, Droit administratif, Rn. 807 ff.; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 104; Marsch, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2, 33 (160). 11 Siehe zu der Definition des acte administratif unilatérale etwa Frier / ​Petit, Droit administratif, Rn. 518–534; Dupuis / ​Guédon / ​Chrétien, Droit administratif, Rn. 595 ff.; aus der deutschen Literatur Junker, Der Verwaltungsakt im deutschen und französischen Recht und die Entscheidung im Recht der Europäischen Gemeinschaft, S. 59–66; Überblick über die verschiedenen Handlungsformen bei Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 123–130; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 111–114; Marsch, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2, 33 (98– 103). 12 J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 112; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 111 f.; Woehrling, NVwZ 1985, 21 (25). 13 Für die Überprüfung individueller Rechtsakte (acte administratif individuell et particuliere) ist erstinstanzlich der Tribunal administratif zuständig, Art. L311–1 CJA. 14 Die commissaires du gouvernement, die vergleichbar zu den Vertretern des öffentlichen Interesses i. S. d. §§ 35, 36 VwGO mit einer beratenden Funktion das Gericht bei der Rechtsfindung unterstützen sollen, neigen dazu die Voraussetzung einer beeinträchtigenden Wirkung des Verwaltungsakts im Rahmen eines wirtschaftlichen oder ideellen Interesses (intérêt matériel ou moral) zu behandeln, vgl. etwa Anm. M. Long zu C. E., Sect., 14.2.1958, Abisset, n° 7715, Rec. S. 98 (100); dazu Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 328.

A. Verwaltungskontrolle in Frankreich  

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verlangen, wenn sich die rechtskräftige Entscheidung auch auf seine Rechtsstellung auswirkt.15 Keinesfalls sollte man dabei eine subjektive Rechtsverletzung vor Augen haben. Die Verwaltungsentscheidung muss lediglich zur Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Klägers geeignet sein. Die Gerichte beschränken sich in der Regel auf die Prüfung der Rechtswirkung der Verwaltungsentscheidung, da bereits mit der Sachurteilsvoraussetzung des intérêt à agir die besondere Beziehung des Klägers zur Verwaltungsentscheidung festgestellt wird. Die nachteilige Wirkung wird folglich ausschließlich aus objektiver Perspektive beurteilt.16 Speziell nach einer beeinträchtigenden Wirkung der Verwaltungsentscheidung für den Kläger wird an dieser Stelle daher nicht mehr gefragt. Regelmäßig erfolgt nur noch eine Abgrenzung von Verwaltungsentscheidungen, die Rechtswirkung gegenüber außerhalb der Verwaltung stehenden Personen entfalten, und solchen, denen keine Außenwirkung zukommt ebenso wie bloß vorbereitende oder bestätigende Verwaltungsentscheidungen.17 2. Charakter des recours pour excès de pouvoir Das Herzstück der französischen Verwaltungsgerichtskontrolle stellt der ­recours pour excès de pouvoir dar, der wie auch die deutsche Anfechtungsklage auf die Aufhebung einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung gerichtet ist. Im Gegensatz zur besagten Anfechtungsklage setzen Zulässigkeit und Begründetheit des recours pour excès de pouvoir allerdings keine subjektive Rechtsverletzung des Klägers voraus. Stattdessen muss der Kläger ein Interesse an der Aufhebung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung haben (intérêt à agir). Verlangt wird ein direktes und persönliches Interesse (intérêt direct et personnel)18, das gegenwärtig sein muss (intérêt né et actuel)19 und sowohl wirtschaftlicher wie auch ideeller Natur sein kann (intérêt materiél ou moral)20. Im Unterschied zur deutschen Rechtslage ist im französischen Recht bereits eine tatsächliche Betroffenheit des Klägers ausreichend, die nicht auf normativer Grundlage zu beruhen hat.21 Diese tatsächliche Betroffenheit

15

Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 328; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 667; Koch, VerwArch 89 (1998), 560 (565). 16 Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 328; Ricci, Contentieux administratif, Rn. 119; Übersicht bei Peiser, Contentieux administratif, S. 218–222. 17 Dupuis / ​Guédon / ​Chrétien, Droit administratif, Rn. 822 ff.; Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, S. 210 f.; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 133–139. 18 Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 574; Dupuis / ​Guédon / ​Chrétien, Droit ­administratif, Rn.  816. 19 Ricci, Contentieux administratif, Rn. 109. 20 Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 327–329; Dupuis / ​Guédon / ​Chrétien, Droit administratif, Rn. 818. 21 Ladenburger, Verfahrensfehlerfolgen im französischen und im deutschen Verwaltungsrecht, S. 333.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

kann in Frankreich auch nicht vergleichbar der Elfes-Doktrin22 auf die allgemeine Handlungsfreiheit zurückgeführt werden. Zwar erkennt der Conseil constitutionnel (französisches Verfassungsgericht) eine allgemeine Handlungsfreiheit gestützt auf Art. 2 und Art. 4 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen de 1789 an. Allerdings wird die allgemeine Handlungsfreiheit in erster Linie zur Begründung neuer Freiheiten, denen bislang kein Verfassungsstatus zukam, angeführt, hingegen nicht, um jegliche Verhaltensweise einem grundrechtlichen Schutz zu unterwerfen.23 Mit der Darlegung eines intérêt à agir sollen insofern primär Popularklagen ausgeschlossen werden, die die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung gefährden könnten.24 Derjenige, der ein intérêt à agir darlegen kann, grenzt sich von dem Kreis der Allgemeinheit ab. Das Klägerinteresse ist insoweit Beleg für eine besondere Beziehung des Klägers zu der konkreten Verwaltungsentscheidung.25 Charakteristisch für ein objektives Beanstandungsverfahren ist des Weiteren, dass das Aufhebungsurteil erga omnes wirkt26 und der Einlegung des Rechtsbehelfs keine aufschiebende Wirkung zukommt27. Auch das Verständnis der Rolle des Bürgers im Verwaltungsprozess unterscheidet sich gegenüber der deutschen Sichtweise: In Frankreich erfüllt dieser die Funktion eines Initiators der Verwaltungskontrolle (dénonciateur de l’abus de pouvoir, gardien vigilant oder surveillant de l’administration)28. Er ist also lediglich derjenige, der die Kontrolle der Verwaltung veranlasst. Aus diesem Grund wird der recours pour excès de pouvoir gemeinhin als objektives Beanstandungsverfahren zur Gewährleistung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung charakterisiert, dessen primäres Ziel nicht die Verteidigung subjektiver Rechte darstellt.29 Das französische Verwaltungsgerichtssystem ist dennoch nicht ausschließlich einer objektiven Verwaltungskontrolle verpflichtet. Zum einen ist der Übergang von recours pour excès de pouvoir zum auf die subjektive Rechtsdurchsetzung gerichteten recours de pleine juridiction unter bestimmten Bedingungen unproblematisch mög-

22

BVerfG, Urt. v. 16.01.1957 – Az.: 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 (36). Hochmann, in: Marsch / ​Vilain / ​Wendel (Hrsg.), Franz. und Dt. Verfassungsrecht, § 7 Rn. 49–53. 24 Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 309 f.; Fromont, DVBl 1978, 89 (92); Peiser, Contentieux administratif, S. 223. 25 Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, S. 210. 26 Barray / ​Boyer, Contentieux administratif, S. 101; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 939. 27 Art. L4 CJA „Sauf dispositions législative spéciales, les requêtes n’ont pas d’effet suspensif s’il n’en est autrement ordonné par la juridiction“. 28 So v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 61. 29 C. E., Ass., 17.02.1950, Ministre de l’Agriculture contre dame Lamotte, n° 86949, Rec. S. 110; Epiney / ​Sollberger, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten, S. 114; Fromont, Droit administratif des États européens, S. 164 f.; Halfmann, VerwArch 91 (2000), 74 (78–80); Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 108 f.; ders., VerwArch 89 (1998), 560 (563); Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. 39; Woehrling, NVwZ 1985, 21 (23); ders., VBlBW 1998, 134 (135). 23

B. Prozessuale Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage  

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lich.30 Zudem ist nicht zuletzt unter dem Einfluss des Europarechts, insbesondere der EMRK, ein gewisser Subjektivierungstrend festzustellen, der beispielsweise zur Einführung von einstweiligen Rechtsschutzverfahren führte.31 Obwohl der recours pour excès de pouvoir mit seinen objektiven Kontrollelementen insbesondere im Vergleich zum deutschen Verwaltungsprozessrecht einen gegensätzlichen Ansatz verfolgt, entspricht das französische Verwaltungsgerichtssystem nicht dem Idealtypus eines objektiven Kontrollmodells. Vielmehr sind die Unterschiede zwischen subjektivem und objektivem Verwaltungsgerichtssystems in der Rechtswirklichkeit nicht so stark ausgeprägt wie es die Idealmodelle nahelegen wollen.

B. Prozessuale Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in Frankreich und Deutschland Wie bereits zuvor kurz angerissen wurde, gibt es in Frankreich keine Möglichkeit, die Aufhebungsklage im Erledigungsfall auf eine Feststellungsklage umzustellen. Die prozessualen Konsequenzen der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens werden daher ausschließlich als Frage der Zulässigkeit des recours pour excès de pouvoir behandelt. Dazu untersuchen die französischen Verwaltungsgerichte, ob eine rückwirkende gerichtliche Aufhebung der Verwaltungsentscheidung trotz Entfallen des Klagegegenstandes in Betracht kommt. Eine Fortführung des Verfahrens ist möglich, soweit die streitige Verwaltungsentscheidung bereits in irgendeiner Weise ihre Wirkung entfaltet hat und die Auswirkungen nicht auf andere Weise wieder rückwirkend beseitigt wurden. Entscheidend ist also die fortbestehende objektiv nachteilige Wirkung der Verwaltungsentscheidung. Wenn also die französischen Verwaltungsgerichte das Entfallen des Klagegegenstandes als Problem der Statthaftigkeit des recours pour excès de pouvoir auffassen, bedeutet dies für die rechtsvergleichende Darstellung zunächst auf ebendiese Situation im nationalen Recht und damit auf die prozessualen Konsequenzen einer Erledigung für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage einzugehen.

30

Ziller, in: v. Bogdandy / ​P. M. Huber / ​Marcusson (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, § 130 Rn. 31; 2.  Kap. D. I. 5. 31 Vgl. bereits Einl., Fn. 10; ausführlich auch Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts, S. 108–117; Ziller, in: v. Bogdandy / ​P. M. Huber / ​Marcusson (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, § 130 Rn. 105–109.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

I. Rechtslage in Frankreich 1. Rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung als Klageziel a) Wirkung einer gerichtlichen Aufhebungsentscheidung Der recours pour excès de pouvoir ist auf die rückwirkende Aufhebung (l’annulation) der angegriffenen Verwaltungsentscheidung gerichtet. Nach der Formulierung der Verwaltungsgerichte hat die gerichtliche Aufhebung zur Folge, dass die Rechtslage zu betrachten sei, als wurde die aufgehobene Verwaltungsentscheidung nie erlassen („les actes annulés pour excès de pouvoir sont réputés n’être jamais intervenus“).32 Das verlangt nach einer Wiederherstellung der Rechtslage, die vor Erlass der rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung bestand. Dazu sind sowohl die mit der Verwaltungsentscheidung unmittelbar verbundenen Folgen33 wie auch die auf ihr beruhenden nachfolgenden Verwaltungsentscheidungen und Maßnahmen zu beseitigen34. Es lässt sich daher auch ohne Probleme nachvollziehen, dass für eine gerichtliche Aufhebung der Verwaltungsentscheidung kein Bedarf mehr besteht, wenn diese Rechtslage während des Verfahrens auf andere Weise wiederhergestellt wird. Da Gegenstand des recours pour excès de pouvoir un acte de nature à faire grief und damit ein Rechtsakt mit entsprechender Wirkung ist, verliert das Verfahren seinen Angriffsgegenstand, wenn die Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung rückwirkend entfällt. Die Rechtslage stellt sich dann so dar, wie es der Kläger durch gerichtliches Verfahren begehrte. Das Ziel der Klage konnte also bereits auf andere Weise erfüllt werden („il a déjà été donné satisfaction au requérant“). Einer gerichtlichen Entscheidung über die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung würde keine weitergehende Wirkung zukommen. Sie hätte nur noch einen deklaratorischen Wert und wäre letztlich nutzlos. Nach Auffassung der französischen Verwaltungsgerichte ist es dieser Situation gleichzustellen, wenn rechtliche oder tatsächliche Umstände die Verwirklichung des Klageziels unmöglich machen. Auch in diesem Fall soll über die Aufhebung der rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung nicht mehr entschieden werden. Das Klageziel des Klägers wurde dann 32

Grundlegend C. E., 26.12.1925, Sieur Rodière, n° 88369, Rec. S. 1065 (1067); dazu J­ .-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 372; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 937; Thouroude, Pratique du contentieux administratif, Rn. 386. 33 Insofern richtet sich die Verpflichtung an die Verwaltung, die Situation wiederherzustellen, die vor der aufgehobenen Verwaltungsentscheidung bestand („restitutio in integrum“), ­J.-M.  Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 377; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 942; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 898–907. 34 Grundsätzlich sind diese Verwaltungsentscheidungen selbstständig anfechtbar. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit einer Art Folgenbeseitigung, indem das Gericht „l’annulation par voie de conséquence“ ausspricht, sofern zwischen der angegriffenen und der nachfolgenden Verwaltungsentscheidung ein enger Zusammenhang besteht, beispielhaft etwa C. E., 25.05.1979, Sécréctaire d’État aux universités et autres c / ​Mme Toledano-Abitbol, n° 4065 – 4286, Rec. S. 228 f.; J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 379; Debbasch  / ​ Ricci, Contentieux administratif, Rn. 940; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 987.

B. Prozessuale Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage  

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zwar nicht erreicht, doch ist dies aus objektiven Gründen auch nicht mehr möglich („Ne peut plus être donné satisfaction au requérant“).35 b) Prozessuale Rechtslage Die streitige Verwaltungsentscheidung muss im Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsbehelfs wirksam sein. Entfällt die Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung rückwirkend noch vor einer Anrufung des Gerichts, ist das Verfahren mangels tauglichem Aufhebungsgegenstand als unzulässig abzuweisen.36 Demgegenüber steht es der Zulässigkeit des recours pour excès de pouvoir nicht entgegen, wenn die Verwaltungsentscheidung bereits vor Klageerhebung mit lediglich ex-nunc-Wirkung entfällt.37 Wird die Verwaltungsentscheidung erst nach Einlegung des Rechtsbehelfs aufgehoben oder entfällt die Wirksamkeit aus anderen außerprozessualen Gründen und hat das Verfahren damit den Verfahrensgegenstand verloren, bleibt dem Richter regelmäßig nur noch die Möglichkeit, die Erledigung der Hauptsache zu erklären („le non-lieu à statuer“38).39 Die französischen Verwaltungsgerichte erklären die Erledigung der Hauptsache von Amts wegen oder nach einem entsprechenden Hinweis des Klagegegners.40 Damit ist der Rechtsstreit in der Hauptsache beendet.41

35

Diese Systematisierung vorschlagend Barray / ​Boyer, Contentieux administratif, S. 250 f.; Pacteau, Contentieux administratif, Rn. 206 f. 36 C. E., 11.07.1947, Sieur Ampoulange, n° 83031, Rec. S. 310; 22.12.1954, Herbecq et ­Société Hydro-Éléctrique du Var, AJDA 1955, S. 217. 37 C. E., 10.06.1936, Dame Lechazette, n° 45.859, Rec. S. 629; J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 145; zu diesem Unterschied auch Soulié, AJDA 2003, 418 (421). 38 Im französischen Verwaltungsprozessrecht wird zwischen der „non-lieu en l’état“, der „non-lieu législatif“ und der „normalen“ non-lieu unterschieden. Eine non-lieu en l’état wird erklärt, wenn ein wesentlicher Aspekt des Rechtsstreits entfällt oder verschwindet, beispielsweise durch den Tod des Klägers oder den Verlust der Gerichtsakte. Die Umstände führen jedoch nicht zwingend zur Einstellung des Verfahrens. Stattdessen wird das Verfahren häufig unterbrochen, bis die Gerichtsakte wiedergefunden wird oder die Erben das Verfahren fortführen. Eine endgültige Einstellung des Verfahrens ist damit also nicht zwingend verbunden, da es jederzeit wieder fortgeführt werden kann. Bei der „non-lieu législatif“ wird die angegriffene Verwaltungsentscheidung durch ein Gesetz nachträglich wirksam, vgl. hierzu Le Bot, Contentieux administratif, Rn. 511 Fn. 1174; Ricci, Contentieux administratif, Rn. 312, 314–319. 39 C. E., 06.02.1948, Sieur Fontanié, n° 85265, Rec. S. 65; 02.05.2016, SARL Nice Music, n° 386655, Rec. S. 890 (T.); J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 145; Chapus, Droit du Contentieux administratif, Rn. 1065 f.; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 608 f.; Pacteau, Contentieux administratif, Rn. 205; ders., Manuel de contentieux administratif, Rn. 156. 40 Barray / ​Boyer, Contentieux administratif, S. 250; Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1065; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 535. 41 Pacteau, Contentieux administratif, Rn. 205.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

2. Aufhebung der Verwaltungsentscheidung außerhalb des gerichtlichen Verfahrens Zu einem Wirksamkeitsverlust der Verwaltungsentscheidung während des Verfahrens kann es etwa kommen, wenn die Verwaltungsentscheidung durch Zeitablauf ihre Wirksamkeit verliert oder außer Kraft tritt.42 Zudem sind neben gerichtlichen Kontrollverfahren auch verwaltungsinterne Rechtsbehelfe vorgesehen, die sog. recours administratifs.43 Eine vorherige Durchführung ist grundsätzlich keine Zulässigkeitsvoraussetzung des recours pour excès de pouvoir. Der Gesetzgeber hat jedoch für bestimmte Rechtsbereiche die zwingende Durchführung eines Vorverfahrens angeordnet und auch die Rechtsprechung verweist in vielen Bereichen auf den obligatorischen Charakter der Rechtsbehelfe.44 Damit können nicht nur die Verwaltungsgerichte über die Aufhebung der Verwal­ tungsentscheidung entscheiden. Auch außerhalb des gerichtlichen Verfahrens besteht die Möglichkeit, die Verwaltungsentscheidung rückwirkend (le retrait oder l’annulation) oder mit Wirkung für die Zukunft (l’abgrogation oder la révocation) aufzuheben. Das mit einer Aufhebung der Verwaltungsentscheidung verfolgte Ziel, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen, gerät dabei allerdings in Konflikt mit dem Prinzip der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.45 Die Rechtsprechung versucht, die widerstreitenden Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, indem sie die Anforderungen an die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung näher konkretisierte.46 Heute besteht ein kompliziertes Regelungssystem, dass zum einen zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen und zum anderen zwischen rechtsbegründenden (actes créateurs de droits) und nicht rechtsbegründenden (actes non créateurs de droits) Verwaltungsentscheidungen ­differenziert.47 Seit 2016 42

Überblick bei Crouzatier-Durand, La fin de l’acte administratif unilateral, S. 95–127; Plessix, Droit administratif général, Rn. 881 ff. 43 Zu differenzieren ist zwischen dem recours graçieux, dem recours hiérarchique und dem recours de tutelle. Mit dem recours gracieux wendet sich der Bürger an die Behörde, die die angegriffene Entscheidung erlassen hat. Der recours hiérarchique ist an den Vorgesetzen des Beamten zu richten, der die Ausgangsentscheidung erlassen hat. Mit dem recours de tutelle wird die Kontrolle der Verwaltungsentscheidung an eine übergeordnete Stelle übertragen, die weitreichende Kontroll- und Eingriffsbefugnisse besitzt, vgl. Gebhardt, VBlBW 2007, 1 f.; Sydow  / ​ Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, S. 43–48. 44 Siehe die Übersicht bei Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (2); Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 68–70; Sydow / ​Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, S. 50–55; aus der französischen Literatur Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 506; Thouroude, Pratique du contentieux administratif, Rn. 106–114. 45 Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (3); Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 79; Ritleng, in: Schwarze (Hrsg.), Bestand und Perspektiven des Europäischen Verwaltungsprozessrechts, 237. 46 Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 79. 47 Vgl. die Darstellung bei J.-M. Auby / ​Drago, Traité des recours en matière administrative, Nr. 27–29; Braibant / ​Stirn, Le droit administratif français, S. 304 f.; Chapus, Droit administratif général, Bd. I, Rn. 1342; Chrétien / ​Chifflot / ​Tourbe, Droit administratif, Rn. 640–644; Dupuis  / ​ Guédon / ​Chrétien, Droit administratif, Rn. 641 f.; Frier / ​Petit, Droit administratif, Rn. ­635–676;

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sind die Regeln über die Aufhebung von Verwaltungsentscheidungen gesetzlich festgeschrieben.48

II. Rechtslage in Deutschland 1. Erledigung des Verwaltungsakts und Folgen für die Anfechtungsklage Auch in Deutschland ist die Zulässigkeit der Anfechtungsklage von der Wirksamkeit des Verwaltungsakts abhängig. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO verdeutlicht, dass nach Erledigung des Verwaltungsakts eine gerichtliche Aufhebung nicht mehr in Betracht kommt. Es gilt jedoch zwischen einer Erledigung des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zu differenzieren. Im Gegensatz zum französischen Recht wird dies in der Regel nicht als Frage des tauglichen Anfechtungsgegenstandes, sondern des Rechtsschutzinteresses diskutiert.49 Mit Erledigung des Verwaltungsakts kann nicht mehr selbstverständlich davon ausgegangen werden, dass an der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts noch ein schutzwürdiges Interesse besteht. Die Differenzierung zwischen rückwirkender Erledigung und einer solchen mit Wirkung für die Zukunft wird von den deutschen Verwaltungsgerichten zwar nicht mit der gleichen Gründlichkeit und Sorgfalt vorgenommen, wie es die französischen Verwaltungsgerichte praktizieren. Häufig ist Urteilen lediglich zu entnehmen, dass sich der Verwaltungsakt erledigt hat, ohne näher auf den Zeitpunkt der Erledigung einzugehen. Im Einklang mit den französischen Verwaltungsgerichten wird allerdings auch die deutsche Rechtsprechungspraxis davon ausgehen, dass es keinen überzeugenden Grund gibt, an einer Anfechtungsklage festzuhalten, wenn sich der Verwaltungsakt ex tunc erledigt hat.50 Die Umstände, die zu einer Erledigung einer individuellen Verwaltungsentscheidung führen, sind nach französischem und deutschem Verständnis im Wesentlichen deckungsgleich. Die Vorschriften der VwGO definieren zwar nicht, wann eine Erledigung des Verwaltungsakts eintritt. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO lässt sich zumindest entnehmen, dass die Zurücknahme des Verwaltungsakts zu seiner Erledigung Waline, Droit administratif, Rn. 454–457; in deutscher Sprache Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S.136; Marsch, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2, 33 (135 f.). 48 Vgl. Art. L240–1 – L243–4 CRPA. 49 So BVerwG, Urt. v. 12.04.1991 – Az.: 7 C 36/90, BVerwGE 88, 111 (112 f.); dazu auch Enders, NVwZ 2000, 1232 (1233); W.-R. Schenke / ​R.  P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102; W.-R. Schenke, in: Festschrift Menger, 460 (464); ders., Verwaltungsprozessrecht, Rn. 318; a. A., die mangels tauglichem Angriffsgegenstandes die Anfechtungsklage für unstatthaft hält, vgl. Ehlers, JURA 2004, 30 (31); ders., in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 22 Rn. 14; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 12; Sodan, in: ders. / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 42 Rn. 24; insofern nicht eindeutig R. P. Schenke, in: Kopp / ​ Schenke (Hrsg.), VwGO § 42 Rn. 54. 50 So auch W.-R. Schenke / R. P. Schenke, in: Kopp / Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

führt. Unter Rückgriff auf § 43 Abs. 2 VwVfG kann neben der Zurücknahme des Verwaltungsakts auch sein Widerruf, eine anderweitige Aufhebung, der Zeitablauf und sonstige Umstände die Erledigung zur Folge haben.51 Gemeinsam ist ihnen, dass der Verwaltungsakt seinen Regelungscharakter verliert, sodass von ihm keine rechtliche Wirkung mehr ausgeht und die aus seinem verpflichtenden Inhalt folgende Steuerungswirkung entfällt.52 2. Erledigung der Hauptsache und des Rechtsstreits Die Erledigung des Verwaltungsakts entzieht der Anfechtungsklage die Entscheidungsgrundlage, denn das einstige Klagebegehren gerichtet auf die Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts lässt sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr verwirklichen. Die Klage wird gegenstandslos; die Hauptsache hat sich damit erledigt.53 Aufgrund der Erledigung des Verwaltungsakts droht eine kostenpflichtige Abweisung der Klage entweder, weil das Rechtsschutzinteresse entfällt oder wegen fehlender Statthaftigkeit der Anfechtungsklage. Um dies zu vermeiden verlangt die den Verwaltungsprozess beherrschende Dispositionsmaxime eine Reaktion des Klägers.54 Der Kläger kann unter den Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage übergehen.55 Möglich ist es auch, eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO herbeizuführen. Dazu ist die Beendigung des Rechtsstreits erforderlich, die die übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten voraussetzt.56 Im Unterschied zum franzö­ 51 Ausführlich zu den Umständen einer Erledigung Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 102–107. 52 BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – Az.: 6 C 7/98, BVerwGE 109, 203 (208); Urt. v. 25.09.2008 – Az.: 7 C 5/08, NVwZ 2009, 122; VGH BW, Urt. v. 14.05.1976 – Az.: III 741/75, NJW 1977, 861; Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 10; Riese, in: Schoch / ​ Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 112; W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 247. 53 Erledigung des Verwaltungsakts ist mit der Erledigung der Hauptsache nicht gleichzusetzen. In der Regel führt die Erledigung des Verwaltungsakts allerdings zur Erledigung der Hauptsache, vgl. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, § 36 Rn. 38 f.; R. P. Schenke, Der Erledigungsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 24. 54 R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 7. 55 Selbst eine erfolglose Fortsetzungsfeststellungsklage wäre kostentechnisch günstiger, denn der Streitwert für die Fortsetzungsfeststellungsklage wird in der Regel auf die Hälfte des Streitwertes der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage festgesetzt, vgl. hierzu HessVGH, Beschl. v. 12.06.1991 – Az.: 1 UE 2797/86, NVwZ-RR 1992, 218. 56 Dazu anschaulich OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.11.2016 – Az.: OVG 11 S 42/16, BeckRS 2016, 55568; vgl. auch Bünnigmann, JuS 2017, 650; Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​ Bier (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 8–12; Neumann / ​Schaks, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 29; R. P. Schenke, Der Erledigungsrechtsstreit im Verwaltungsprozeß, S. 24 f.; ders., in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 7; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 246. Ein Widerspruch der Beklagten gegenüber der einseitigen Erledigungserklärung des Klägers führt zu einem sog. Erledigungsrechtsstreit, vgl. die Rspr. des BVerwG, Urt.

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sischen Recht ist nach deutscher Rechtslage also zur Beendigung des Rechtsstreits eine prozessuale Handlung der Beteiligten notwendig. Dies entspricht auch der subjektiven Ausrichtung des Verwaltungsprozesses, in der der Kläger nicht nur im Interesse der Gewährleistung einer rechtmäßig handelnden Verwaltung agiert, sondern zur Durchsetzung seiner individuellen Rechte tätig wird. Es muss daher auch grundsätzlich in der Entscheidungsmacht des Klägers liegen, ob und wann er den Rechtsstreit beenden möchte.57

C. Die prozessualen Folgen einer Gegenstandslosigkeit der Klage in der Rechtsprechungspraxis Die Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens nach Zurücknahme der streitigen Verwaltungsentscheidung wird in Frankreich also nicht von einem berechtigten Interesse des Klägers abhängig gemacht. Stattdessen prüfen die Verwaltungsgerichte, ob sich der Angriffsgegenstand rückwirkend oder lediglich für die Zukunft erledigt hat. Damit beurteilt sich die Fortführung eines Verfahrens ausschließlich nach objektiven Faktoren. Für eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidung besteht demnach nur Raum, wenn die Auswirkungen der Verwaltungsentscheidung auch durch ihre Zurücknahme nicht beseitigt werden können, was regelmäßig der Fall ist, wenn die behördliche Aufhebung nicht vergangenheitsbezogen, sondern ausschließlich für die Zukunft wirkt. Auch die deutschen Verwaltungsgerichte nehmen im Ergebnis eine Differenzierung zwischen ex-nunc- und ex-tunc-Rücknahme vor. Hier wird es allerdings nicht als Problem der Statthaftigkeit der Anfechtungsklage, sondern überwiegend als Frage eines bestehenden Rechtsschutzinteresses behandelt. Die prozessuale Verortung des Problems weist auf die systematischen Unterschiede der Rechtsordnungen hin. Allerdings untersuchen auch die deutschen Verwaltungsgerichte im Rahmen des Prüfungspunkts „Rechtsschutzinteresse“, ob sich der Verwaltungsakt für die Zukunft oder für die Vergangenheit erledigt hat, sodass nur zu vermuten ist, dass sich der deutsche und französische Lösungsweg in Teilen überschneidet oder zumindest ähnlich verläuft.

v. 14.01.1965 – Az.: BVerwG I C 68/61, BVerwGE 20, 146; Urt. v. 27.02.1969 – Az.: VIII C 37, 38/67, BVerwGE 31, 318; Urt. v. 22.01.1993 – Az.: 8 C 40/91, NVwZ 1993, 979. 57 Zur Dispositionsmaxime im Individualrechtsschutzsystem Schmidt-Aßmann, in: Maunz / ​ Dürig (Begr.), GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 264.

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I. Rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung 1. Rechtslage in Deutschland Ein Verwaltungsakt kann sich mit Wirkung für die Vergangenheit erledigen. Dies kann aus dem inhaltlichen Regelungsgehalt des Verwaltungsakts folgen, beispielsweise wenn dessen Geltung unter einer auflösenden Bedingung steht.58 Eine rückwirkende Erledigung kann auch auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung eintreten. § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG sieht etwa die Möglichkeit einer rückwirkenden behördlichen Aufhebung des Verwaltungsakts vor. Ist die rechtsverbindliche Regelung nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit entfallen, hat sich der Verwaltungsakt folglich vollständig erledigt, besteht an einer gerichtlichen Aufhebung des Verwaltungsakts nach § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO kein schutzwürdiges Interesse mehr. Eine Anfechtungsklage ist aus diesem Grund mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.59 2. Rechtslage in Frankreich Auch die französische Rechtsprechung lehnt eine gerichtliche Aufhebung der Verwaltungsentscheidung ab, wenn von ihr keinerlei Wirkung mehr ausgeht. Denn die Rechtslage nach einer ex-tunc-Rücknahme einer Verwaltungsentscheidung durch die Verwaltung (le retrait) entspricht der Rechtslage infolge einer rückwirkenden Aufhebung der Verwaltungsentscheidung durch das Verwaltungsgericht (l’annulation).60 Entsprechendes hat zu gelten, wenn die Verwaltungsentscheidung bereits zuvor gerichtlich aufgehoben wurde (l’annulation par une juridiction). Voraussetzung ist allerdings, dass die Entscheidung über die Rücknahme bestandskräftig ist.61 Die Einlegung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen die Rücknahme der Verwaltungsentscheidung steht einer Erledigungserklärung ebenso entgegen 58

So W.-R. Schenke, in: Festschrift Peine, 503 (512); Peine / ​Siegel, Allg. Verwaltungsrecht, Rn. 457. 59 BVerwG, Beschl. v. 27.07.2005 – Az.: 6 B 37/05, BeckRS 28819; W.-R. Schenke, in: Festschrift Peine, 503 (512–514); W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102. 60 C. E., 19.04.2000, Borusz, n° 207469, Rec. S. 157; ähnlich bereits 12.10.1956, Société de la Hogue et Guèze, n° 1479, Rec. S. 368; 29.07.1994, von Lintel, n° 152101, Rec. S. 1123 (T.); 06.07.1992, Stephan, n° 122874, Rec. S. 1225 (T.); 09.11.1992, Coz, n° 94138, Rec. S. 1225 (T.); vgl. auch Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 537. 61 C. E., Sect., 13.07.1961, Consorts Bec., n° 42531, Rec. S. 485; 07.07.1995, S. A. Clinique medico-chirurgicale Lambert, n° 129137, 132285, Rec. S. 978 (T.); 19.04.2000, Borusz, n° 207469, Rec. S. 157; 30.12.2002, Confédération nationale des syndicats dentaires, n° 238032, Rec. S. 609, 881 (T) (Gegenstand dieses Verfahrens war eine abstrakt-generelle Regelung (arrêté); die Rspr. kann jedoch für eine konkret-individuelle Maßnahme gleichermaßen angeführt werden); 23.07.2003, Laboratoire Lafon, n°   225491, n. v., Zusammenfassung von Aubert, AJDA 2003, 1413.

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wie die noch nicht in Rechtskraft erwachsene Entscheidung über die Aufhebung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung in der vorherigen Instanz.62 Zudem hat die Entscheidung über die Rücknahme wirksam zu sein. Sofern Formerfordernisse, namentlich eine fehlende Bekanntmachung, der Wirksamkeit einer Rücknahme entgegenstehen und die angegriffene Verwaltungsentscheidung damit ihre Wirksamkeit nicht verloren hat, kann auch weiterhin die gerichtliche Aufhebung verfolgt werden.63 Dabei soll es unschädlich sein, dass die Verwaltungsentscheidung bereits vollständig vollzogen wurde.64 Eine Erledigung kann auch in diesem Fall noch erklärt werden, da die Rücknahme der Verwaltungsentscheidung für die Vergangenheit erfolgt und damit auch die Folgen der Verwaltungsentscheidung beseitigt werden.65 Insoweit ist die Rechtslage bei ex-tunc-Erledigung der Verwaltungsentscheidung mit der deutschen Rechtspraxis konform.

II. Entfallen der Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung ex nunc 1. Rechtslage in Deutschland a) Ex-nunc-Erledigung und keine nachteiligen Folgen Eine Erledigung des Verwaltungsakts mit Wirkung lediglich für die Zukunft ist der Regelfall. Der Verwaltungsakt verliert im Zeitpunkt des Erledigungseintritts seine Wirkung; die mit ihm verbundene verbindliche Verhaltenspflicht gegenüber dem Adressaten entfällt damit für die Zukunft.66 Die Rechtsfolgen des Verwaltungsakts bleiben daher ausschließlich für die Vergangenheit bestehen. Allerdings ergeben sich für den Kläger daraus gewöhnlich keine rechtlichen Konsequenzen mehr. Obschon es durchaus möglich wäre, die in der Vergangenheit fortbestehende Wirksamkeit gerichtlich zu beseitigen, wird einer derartigen Klage das Rechtsschutzinteresse abzusprechen sein.67

62 C. E., 06.07.1988, Commune de Saumous, n° 67156, 71576, Rec. S. 962; 07.07.1995, S. A.  Clinique medico-chirurgicale Lambert, n° 129137, 132285, Rec. S. 978; 31.07.1996, Commune de Courapalay, n° 116500, Rec. S. 335 f. 63 C. E., 31.07.1996, Commune de Courapalay, n° 116500, Rec. S. 335 f. 64 Ausdrücklich C. E., 19.04.2000, Borusz, n° 207469, Rec. S. 157; 23.7.2003, Laboratoire Lafon, n° 225491, n. v., Zusammenfassung von Aubert, AJDA 2003, 1413. 65 C. E., 23.07.2003, Laboratoire Lafon, n° 225491, n. v., Zusammenfassung von Aubert, AJDA 2003, 1413. 66 Baumeister, in: Obermayer / ​Funke-Kaiser (Hrsg.), VwVfG, § 43 Rn. 30; Ehlers, in: Liber Amicorum Erichsen, 1 (7); Ruffert, BayVBl 2003, 33 (34); W.-R. Schenke, Festschrift Peine, 503 (514); ders. / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102. 67 Reimer, DV 48 (2015), 259 (270); W.-R. Schenke, in: Festschrift Peine, 503 (515); ders.  / ​ R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 102.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

b) Ex-nunc-Erledigung und nachteilige Rechtsfolgen Ausnahmsweise kann ein schutzwürdiges Interesse an einer gerichtlichen Aufhebung eines lediglich für die Zukunft erledigten Verwaltungsakts bestehen, wenn an die Wirksamkeit des Verwaltungsakts in der Vergangenheit nachteilige Rechtsfolgen für den Kläger geknüpft sind. Diese nachteiligen Rechtsfolgen ergeben sich nicht unmittelbar aus dem Regelungsinhalt des Verwaltungsakts, sind jedoch unmittelbar auf diesen zurückzuführen. Die Erledigung des Verwaltungsakts ex nunc lässt die Rechtsfolgen, die an die Wirksamkeit des Verwaltungsakts in der Vergangenheit anknüpfen, grundsätzlich unberührt.68 Nur durch die rückwirkende gerichtliche Aufhebung des Verwaltungsakts können diese Rechtsfolgen noch beseitigt werden. Es besteht dann weiterhin ein schutzwürdiges und berechtigtes Interesse an einem Aufhebungsurteil. Hat sich der Verwaltungsakt technisch gesehen ex nunc erledigt, sind mit der Wirksamkeit des Verwaltungsakts in der Vergangenheit jedoch nachteilige Folgen verbunden, fehlt es nach Ansicht der Rechtsprechung daher an einer Erledigung des Verwaltungsakts.69 Die Rechtsprechung geht in derartigen Fällen also nicht von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse aus, sondern bejaht die Zulässigkeit der Anfechtungsklage auf Grund der fehlenden Erledigung des Verwaltungsakts. Daher soll nach Ansicht der Rechtsprechung auch keine Erledigung des Verwaltungsakts eintreten, wenn dieser zum Gegenstand von Vollstreckungsmaßnahmen wurde, die nachteiligen Folgen also auf die Wirksamkeit des Verwaltungsakts in der Vergangenheit zurückzuführen sind und die Vollstreckung nicht zu irreversiblen Folgeschäden geführt hat, sodass sich die Vollstreckungsmaßnahmen auch tatsächlich rückgängig machen lassen.70 Zu einer Erledigung soll es auch dann nicht kommen, wenn die Vollstreckung nicht rückgängig zu machen ist, die Grundverfügung jedoch Grundlage für weitere Vollstreckungsmaßnahmen ist. Denn gegen die Kosten der Vollstreckung kann sich der Adressat nur durch die vollständige Aufhebung des Grundverwaltungsakts zur Wehr setzen, da anerkanntermaßen ein rechtmäßiger Kostenbescheid nicht die Rechtmäßigkeit des vollstreckten Verwaltungsakts, sondern lediglich dessen Wirksamkeit im Zeitpunkt der Vollstreckung voraussetzt.71 68

W.-R. Schenke, in: Festschrift Peine, 503 (510); Steinweg, Zeitlicher Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes, S. 67; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 250. 69 Vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 25.09.2008 – Az.: 7 C 5/08, NVwZ 2009, 122; ebenso Bücking, Rechtsschutz bei zurückgenommenen und erledigten Verwaltungsakten, S. 29–67 (insbes. S. 57–67). 70 BVerwG, Urt. v. 09.02.1967 – Az.: I C 49/64, BVerwGE 26, 161 (165); Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (305 f.). 71 Dazu BVerwG, Urt. v. 25.09.2008  – Az.: 7 C 5/08, NVwZ 2009, 122; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.11.1996  – Az.: 8 A 13546/95, NVwZ 1997, 1007; OVG NRW, Urt. v. 04.11.1996 – Az.: 10 A 3363/92, BauR 1997, 455 (457); zustimmend Knauff, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 38; Reimer, DV 48 (2015), 259 (270 f.); a. A. noch BayVGH, Urt. v. 18.07.1997 – Az.: 22 B 97/268, BayVBl 1998, 500 (501); Enders, NVwZ 2000, 1232 passim; Jäckel, NVwZ 2014, 1625 passim; Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 119; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 258.

C. Gegenstandslosigkeit der Klage in der Rechtsprechungspraxis

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c) Ex-nunc-Erledigung und faktische Folgewirkung Nicht zu den dargestellten nachteiligen Rechtsfolgen eines ex nunc erledigten Verwaltungsakts sind die faktisch nachteiligen Wirkungen eines Verwaltungsakts zu zählen. Sie ergeben sich nicht aus der mit dem Verwaltungsakt einhergehenden Verhaltenspflicht, sondern aus der mit dem Erlass des Verwaltungsakts verbundenen Aussage über Eigenschaften oder Verhaltensweisen des Adressaten. Die damit verbundenen Folgen sind nicht beabsichtigt, sondern schlichtweg Folge der tatsächlichen Existenz des Verwaltungsakts. Demnach ändert die Wirksamkeit des Verwaltungsakts auch nichts an dem gegenüber dem Adressaten gewonnen Eindruck. Klassisches Beispiel ist etwa die diskriminierende Wirkung eines Verwaltungsakts oder die nachwirkende Beeinträchtigung eines grundrechtlich geschützten Freiheitsbereichs, die auch nach Erledigung des Verwaltungsakts anhält. Diese faktischen Folgen sind nicht von dem Bestand des Verwaltungsakts abhängig. Die Aufhebung des Verwaltungsakts entspricht in diesem Fall nicht dem primären Rechtsschutzziel des Klägers. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Rechtswidrigkeitsfeststellung, sodass Rechtsschutz nach der gesetzgeberischen Intention mittels Fortsetzungsfeststellungsklage zu ersuchen ist.72 2. Rechtslage in Frankreich Eine gerichtliche Aufhebung kann grundsätzlich auch noch verfolgt werden, wenn die Verwaltungsentscheidung durch die Behörde nur mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (l’abrogation) wurde. Denn die so erfolgte Aufhebung der Verwaltungsentscheidung lässt die in der Vergangenheit eingetretenen Rechtsfolgen unberührt. Nur durch eine gerichtliche Entscheidung können diese Rechtsfolgen rückwirkend noch beseitigt werden, sodass für die gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung durch Gericht weiterhin ein nachvollziehbares Bedürfnis bestehen kann. Grundsätzlich wird deshalb von der Einstellung des Verfahrens abgesehen. Allerdings sind auch hier die besonderen Fallkonstellationen zu beachten. a) Klagegegenstand entfällt mit ex-nunc-Wirkung und keine nachteiligen Folgen Eine Einstellung des Verfahrens wird selbst bei einer ex-nunc-Rücknahme der Verwaltungsentscheidung erklärt, wenn diese bisher nicht vollzogen wurde und die

72 Huxholl, Die Erledigung des Verwaltungsakts im Widerspruchsverfahren, S. 96; Mikorey, Probleme der Erledigung im Rahmen des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO, S. 33 f.; Müller, DÖV 1965, 38 (39); W.-R. Schenke, in: Festschrift Peine, 503 (511).

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

Entscheidung über die Rücknahme bestandskräftig ist.73 In diesem Fall entspricht die Rechtslage der Rechtslage, die nach einer gerichtlichen ex-tunc-Aufhebung eintreten würde. b) Klagegegenstand entfällt mit ex-nunc-Wirkung und nachteilige Folgen aa) Vollzug der Verwaltungsentscheidung führt zu nachteiligen Folgen An der rückwirkenden Aufhebung der Verwaltungsentscheidung durch das Gericht kann allerdings weiterhin festgehalten werden, sofern die Regelungswirkung einer Verwaltungsentscheidung für die Zukunft entfällt, mit der Wirksamkeit der Verwaltungsentscheidung in der Vergangenheit jedoch rechtlich nachteilige Folgen verbunden sind. Denn nur durch die rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung können die nachteiligen Rechtsfolgen vollständig beseitigt werden.74 Es ist aus diesem Grund nur folgerichtig, dass die französischen Verwaltungsgerichte über die rückwirkende Aufhebung eines actes administratif entscheiden, nachdem die Verwaltungsentscheidung vollständig vollzogen wurde und dies zu irreversiblen Folgen geführt hat. Im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung geht deshalb auch die französische Rechtsprechung nicht von der Erledigung der Hauptsache aus, wenn eine baurechtliche Beseitigungsverfügung bereits vollständig vollzogen wurde. Lediglich in der Begründung unterscheiden sie sich: Die französischen Gerichte lehnen eine Einstellung des Verfahrens ab, da der Vollzug der Verwaltungsentscheidung nicht zum Entfallen des Klagegegenstandes führen kann.75 Entscheidend dürfte jedoch sein, dass die Verwaltungsentscheidung ihre Wirkung bereits entfalten konnte und die so vorgefundene Rechtslage einer rückwirkenden Aufhebung durch das Gericht nicht gleichgestellt werden kann. Auch in Deutschland führt die Ausführung einer Beseitigungsverfügung nicht zu ihrer Erledigung, sodass sie weiterhin mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Der Erledigung des Verwaltungsakts steht hier allerdings entgegen, dass „die Wirksamkeit der Verfügung zum Zeitpunkt der Ersatzvornahme Voraussetzung für

73

C. E., 06.05.1985, Commune du Pellerin, n° 16722, Rec. S. 735 (T.); 08.10.1993, Préfet de la Seine-Maritime c / ​Esen, n° 139670, Rec. S. 963 (T.); 19.04.2000, Borusz, n° 207469, Rec. S. 157; vgl. auch Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1066; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 538. 74 Gegebenenfalls steht dem Adressaten ein Entschädigungsanspruch zu, insbesondere wenn sich die nachteiligen Folgen nicht mehr rückgänging machen lassen. Von Relevanz ist dies beispielsweise in beamtenrechtlichen Streitigkeiten, die zu einer Aufhebung einer Beförderungsoder Einstellungsentscheidung führen, vgl. dazu die Darstellung bei Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 199 f. 75 So die Begründung C. E., 21.04.2000, Nghiem, n° 198360, Rec. S. 1163 (T.); ebenso, allerdings im Rahmen des contentieux de pleine juridiction Sec., 12.10.1984, Mme Hirsch et autres, n° 87636, 87728, 87743, Rec. S. 328; vgl. auch Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1066.

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die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung und damit für die Heranziehung zu den Kosten dieser Vollzugsmaßnahme ist“.76 Doch nicht in jeder Konstellation befinden sich französische und deutsche Rechtsprechung auf einer gemeinsamen Linie. Dass die Verwaltungsgerichte in der dargestellten Vollzugskonstellation zu demselben Ergebnis gelangen, liegt vor allem an der umstrittenen Rechtsprechung des BVerwG, wonach selbst bei irreversiblen Folgen des Vollzugs des Verwaltungsakts keine Erledigung anzunehmen ist, wenn dieser noch Grundlage eines Kostenbescheids für Vollstreckungsmaßnahmen ist.77 Steht ein Kostenbescheid jedoch nicht im Raum und führte der Vollzug des Verwaltungsakts zu irreversiblen Folgen, ist nach nationalem Verständnis der Verwaltungsakt erledigt. Eine Anfechtungsklage scheidet in dieser Situation aus, da die Aufhebung des Verwaltungsakts für den Kläger letztlich nutzlos ist. An dem eingetretenen Zustand kann aufgrund der Irreversibilität auch ein gerichtliches Aufhebungsurteil nichts mehr ändern.78 In diesem Fall weicht die französische Rechtsprechung von der deutschen Rechtsprechungspraxis ab und lässt die Fortführung des Aufhebungsverfahrens in weiterem Umfang zu. Der Conseil d’État lehnte es in der Rechtssache Cohn-Bendit ab, das Verfahren für erledigt zu erklären, obwohl die Ausweisungsverfügung gegenüber dem Kläger nach Verfahrenseröffnung zurückgenommen (abrogé) wurde. Ausschlaggebend für die Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens war, dass der Adressat aufgrund der Ausweisungsverfügung für mehrere Jahre gehindert war, nach Frankreich zurückzukehren.79 Aus diesem Grund konnte die Rechtslage des Betroffenen nicht mit einer rückwirkenden Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung durch das Gericht verglichen werden. Die Folgen des Vollzugs der angegriffenen Verwaltungsentscheidung konnten durch die spätere Zurücknahme der streitigen Entscheidung nicht mehr beseitigt werden, sodass für eine gerichtliche Entscheidung weiterhin ein Bedarf bestand.80 Ähnlich beurteilt sich die Sachlage in der Rechtssache Mehrzi. Der Conseil d’État entschied in diesem Zusammenhang, dass der Rechtsbehelf gerichtet gegen den Beschluss über die Zwangshaft des Klägers nicht seinen Gegenstand verloren habe, weil die Zwangshaft in der Zwischenzeit beendet und der Kläger nunmehr aus der Haft entlassen wurde.81 Auch hier führte der Vollzug der Verwaltungsentscheidung nicht zu einem Entfallen des Klagegegenstandes, da sich die Vollzugsmaßnahmen nicht rückgängig machen ließen. Die deutschen Gerichte gehen demgegenüber von einer Erledigung der Anordnung einer Abschiebungshaft aus, sobald der Betroffene aus 76

So speziell für den Fall einer baurechtlichen Beseitigungsverfügung OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 20.11.1996 – 8 A 13546/95, NVwZ 1997, 1009. 77 Vgl. 2. Kap., Fn. 70. 78 So auch Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 107. 79 C. E., Ass., 22.12.1978, Ministre de l’Intérieur c / ​Cohn-Bendit, n° 11604, Rec. S. 524. 80 Vgl. Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1066; zu den Rechtsbeeinträchtigungen, die mit der Einreiseverweigerung verbunden sind Lambert, J. C. P. 1998, n° 51, Juris­ prudence n° 10210. 81 C. E., 04.03.2013, Ministre de l’intérieur, de l’outre-mer, des collevtivités territoriales et de l’immigration c / ​Mehrzi, n° 359428, Rec. S. 23 f.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

der Haft entlassen wurde.82 Allerdings sind die deutschen Rechtsschutzmöglichkeiten damit nicht erschöpft, denn der Kläger kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnung der Abschiebungshaft verlangen, wenn er ein berechtigtes Interesse – grundsätzlich ist in dieser Situation ein Rehabilitationsinteresse gegeben – darlegen kann. Denn eine richterliche Haftanordnung beinhaltet den Vorhalt, „der betroffene Ausländer habe sich in einer Weise gesetzwidrig verhalten – oder drohe sich so zu verhalten –, die seine Inhaftierung rechtfertige. Die Haftanordnung ist damit auch geeignet, das Ansehen des Betroffenen in der Öffentlichkeit herabzusetzen.“83 Der direkte Vergleich mit Fällen der Abschiebungshaft nach deutschem Recht veranschaulicht, dass der recours pour excès de pouvoir in Frankreich auch nach der Haftentlassung und damit in weiterem Maße zulässig ist. Allerdings kann nach nationalem Recht mit der Fortsetzungsfeststellungsklage eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle erfolgen, sodass die Rechtsschutzmöglichkeiten nach französischem und nationalem Recht als ausgeglichen anzusehen sind.

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Für den Rechtsvergleich passender wäre in diesem Zusammenhang der Sachverhalt der Entscheidung des C. E., 29.07.1998, Ministre de l’intérieur c / ​Mwinyl, n° 169139, Rec. S. 945. Ein Asylsuchender hatte sich hier gegen die zunächst erfolgte Einreiseverweigerung gerichtlich zur Wehr gesetzt. Die Einreiseverweigerung wurde wenige Tage später durch den Erlass einer Einreiseerlaubnis zwar konkludent zurückgenommen. In der Zwischenzeit wurde jedoch angeordnet, dass der Antragsteller zum Zwecke der Abschiebung auf dem Schiff zu verbleiben hatte, mit dem er die Küste Frankreichs erreicht hatte. Obgleich mit Gewährung der Einreiseerlaubnis dem Antragsziel des Antragstellers entsprochen wurde, ist eine gerichtliche Entscheidung über die Aufhebung der Ablehnung seines Asylantrags nicht gegenstandslos geworden, denn der Antragsteller wurde mehrere Tage gegen seinen Willen festgehalten. Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1066 führt dies als Beispiel für eine „absence de non-lieu“ im Fall einer l’abrogation an. Grund für die Freilassung war jedoch keine Zurücknahme durch die Verwaltung, sondern eine l’ordonnance de référé, d. h. eine einstweilige Anordnung durch Gericht im Wege des Eilverfahrens. Auch die deutschen Gerichte kommen in besonderen Ausnahmekonstellationen, wenn eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes unerlässlich ist, zu einer Erledigung der Hauptsache, vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 13.08.1999 – 2 VR 1/99, BVerwGE 109, 258; dazu auch Dombert, in: Finkelnburg / ​Dombert / ​Külpmann (Hrsg.), Vorl. Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, § 17 Rn. 176. 83 So BVerfG, Beschl. v. 05.12.2001 – Az.: 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00, BVerfGE 104, 220 (235); ebenso BGH, Beschl. v. 25.02.2010 – Az.: V ZB 172/09, NVwZ 2010, 726 (727). Gegen die Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht nach § 62 AuslG ist eine Beschwerde am Landgericht statthaft, vgl. § 58 AuslG. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist schließlich die Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG statthaft. Die Anfechtungsklage als Gegenstand des Vergleichs kann hier zwar nicht angeführt werden. Nach der Haftentlassung kann allerdings die Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung fortgeführt werden. Eine Freiheitsentziehung indiziert grundsätzlich ein Rehabilitationsinteresse. Insofern sind hier die Parallelen zum verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzverfahren nicht von der Hand zu weisen, sodass ein aussagekräftiger Vergleich möglich ist.

C. Gegenstandslosigkeit der Klage in der Rechtsprechungspraxis

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bb) Zurücknahme der Verwaltungsentscheidung und nachteilige Folgen Die französische Rechtsprechung verneint im Einklang mit der deutschen Rechtsprechung die Einstellung des Aufhebungsverfahrens, wenn an die Wirksamkeit des Verwaltungsakts in der Vergangenheit nachteilige Folgen geknüpft werden, die auf andere als gerichtliche Weise nicht vollständig beseitigt wurden. Davon umfasst sind insbesondere Fälle, die in den Anwendungsbereich eines Amnestiegesetzes fallen.84 So entschied der Conseil d’État in einem Rechtsstreit über die Erteilung einer Genehmigung zur Kündigung eines Arbeitnehmers mit besonderem Kündigungsschutz durch den zuständigen Arbeitsinspektor, dass das Verfahren seinen Gegenstand nicht verloren habe, weil der Arbeitnehmer infolge des Eingreifens eines Amnestiegesetzes zwischenzeitlich wieder einzustellen war und dem Klageziel damit entsprochen wurde.85 Da die gerichtliche Aufhebung durch Urteil auch für die Vergangenheit wirkt, hat sie im Hinblick auf Folgeansprüche weitreichendere Folgen als im Falle einer Amnestie des Arbeitnehmers. Deshalb sei eine Entscheidung trotz Erledigung des Rechtsstreits weiterhin möglich. cc) Ablehnungsentscheidung als Klagegegenstand Ist nicht die belastende Verwaltungsentscheidung selbst, sondern die ablehnende Entscheidung über einen Antrag auf Aufhebung (l’abrogation) dieser Verwaltungsentscheidung Gegenstand des recours pour excès de pouvoir, ist ein Umdenken erforderlich. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die angegriffene ablehnende Entscheidung über die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung (l’abrogation) aufzuheben ist, heißt das für die Verwaltung im Ergebnis, dass die streitige Verwaltungsentscheidung zurückzunehmen (l’abrogation) ist. Wird die begehrte l’abrogation der Verwaltungsentscheidung bereits während des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde vorgenommen, entspricht dies der Rechtslage, die auch durch die gerichtliche Entscheidung eintreten würde. Dem Begehren des Klägers wird entsprochen, sodass die Erledigung erklärt werden kann.86 Das gilt sowohl für eine ausdrückliche Zurücknahme durch die Behörde wie auch für eine konkludente Zurücknahme durch Erlass einer abgeänderten Entscheidung.87 Auf den Vollzug der streitigen Verwaltungsentscheidung, deren Aufhebung begehrt wird, kommt es in dieser Konstellation nicht an.88 Die Rechtsprechung ist dadurch jedoch teil 84

Siehe zur Zuständigkeit des C. E. für Disziplinarstreitigkeiten Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 130–133. 85 C. E., 07.05.1993, S. A. Compagnie industrielle des chauffe-eau (C. I. C. E.), n° 107464, Rec. S. 962 (T.). 86 Broyelle, Contentieux administratif, Rn. 350. 87 C. E., sect., 05.10.2007, Ordre des avocats du barreau d’Evreux, n° 282321, Rec. S. 411; 24.01.2007, Groupement d’information et de soutien des immigrés (GISTI), n° 243976, Rec. S. 17. 88 C. E., 30.12.2002, Confédération nationale des syndicats dentaires, n° 238032, Rec. S. 609, 881 (T) (arrêté); 30.05.2005, Association française des opérateurs de résaux et services de tele-

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

weise zu zweifelhaften Entscheidungen gezwungen. Sobald die eigentlich streitige Verwaltungsentscheidung wegen Zeitablaufs nicht mehr anwendbar ist und damit dem Begehren des Klägers im Ergebnis entsprochen wird (die Nichtanwendbarkeit entspricht insoweit der Aufhebung der angegriffenen ablehnenden Entscheidung über die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung), hat das Gericht das Verfahren einzustellen, da durch das Urteil keine weitergehende Änderung der Rechtslage erreicht werden kann. Dies gilt auch dann, wenn die streitige Verwaltungsentscheidung, deren Aufhebung gegenüber der Behörde beantragt wurde, als Grundlage für zukünftige Verwaltungsentscheidungen dient. Über die Ablehnung der Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung, die eine Preiserhöhung für Leistungen eines Altenpflegeheims für das Jahr 2004 betragsmäßig begrenzte, sollte demnach nicht mehr entschieden werden, obgleich sich die Beitragsgrenzen für das Jahr 2005 an dieser ausrichten sollte und insoweit die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme weiterhin von Relevanz sein wird.89 3. Fazit Französische und deutsche Rechtsprechung befinden sich hinsichtlich der Frage nach der Einstellung des Verfahrens im Falle einer ex-nunc-Erledigung des angegriffenen Rechtsakts im Wesentlichen auf einer Linie. Eine gerichtliche Entscheidung ist in beiden Rechtsordnungen geboten, sofern trotz Wirksamkeitsverlusts nachteilige Folgen von dem angegriffenen Rechtsakt ausgehen, die auch durch die Erledigung des Rechtsakts nicht beseitigt wurden. Während die deutschen Gerichte dies mit dem schutzwürdigen Interesse des Klägers an der Aufhebung des Verwaltungsakts begründen, verweisen die französischen Gerichte auf die objektiv nachteiligen Folgen der Verwaltungsentscheidung, die einer Einstellung des Verfahrens entgegenstehen. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen deutsche und französische Gerichte lediglich im Falle eines Rechtsakts mit irreversiblen Folgen, der nicht zugleich Grundlage eines Kostenbescheids für Vollstreckungsmaßnahmen darstellt. Die deutschen Gerichte gehen in diesem Fall von einer Erledigung des Verwaltungsakts aus, wohingegen die französischen Gerichte das Verfahren aufgrund der nachteiligen Folgen fortführen. Rechtsschutzlücken bestehen im deutschen Recht dennoch nicht, da insoweit noch die Möglichkeit besteht, die nachteiligen Folgen im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage zu beseitigen.

communications, n° 250516, Rec. S. 1047 (T) (Gegenstand dieses Verfahrens war eine abstraktgenerelle Regelung (décret); die Rspr. kann jedoch für eine konkret-individuelle Maßnahme gleichermaßen angeführt werden). 89 So C. E., 11.01.2006, Mme veuve Lellouche née Moatti, n° 274282, Rec. S. 1023 (T.) (Gegenstand dieses Verfahrens war eine abstrakt-generelle Regelung (arrêté); die Rspr. kann jedoch für eine konkret-individuelle Maßnahme gleichermaßen angeführt werden); 11.1.2008, Villes de Nîmes, n° 298388, Rec. S. 866 (T.); dazu auch Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 538.

C. Gegenstandslosigkeit der Klage in der Rechtsprechungspraxis

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III. Verpflichtungssituation 1. Rechtslage in Deutschland Erledigung in der Verpflichtungssituation tritt ein, wenn das auf den Erlass des Verwaltungsakts gerichtete Begehren objektiv entfällt.90 Das ist typischerweise der Fall, wenn dem zunächst abgelehnten Antrag nachträglich doch noch stattgegeben wird.91 Bei Untätigkeit der Behörde erledigt sich das Begehren des Klägers, sobald dem Leistungsbegehren nachgekommen wird.92 Obwohl eine Änderung der Sachoder Rechtslage nicht zur Erledigung des Verpflichtungsbegehrens führt, sondern die Unbegründetheit des Begehrens des Klägers zur Folge hat, geht die Rechtsprechung von einer Erledigung i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO aus.93 2. Rechtslage in Frankreich a) Verpflichtungssituation in Frankreich Aufgrund der strikten Verwirklichung des Gewaltenteilungsgrundsatzes hielten sich die französischen Verwaltungsgerichte bei Ausspruch einer Verpflichtung gegenüber der Verwaltung lange Zeit zurück.94 Erst durch das Gesetz vom 08.02.1995 wurden die Richter ermächtigt, mit „injonctions“ der Verwaltung Anweisungen zur Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zu erteilen.95 Wie auch im Rahmen einer Verpflichtungsklage i. S. d. § 42 Abs. 1 VwGO können die französischen Verwaltungsgerichte nun nach Art. L911–1 CJA bei gebundenen Verwaltungsentscheidungen die Verwaltung im Urteilstenor verpflichten, im Rahmen einer Frist eine bestimmte Entscheidung zu erlassen. Auch für Ermessensentscheidung kann die Verwaltung nach Art. L911–2 CJA verpflichtet werden, eine neue Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erlassen. Durch die Möglichkeit der Verhängung von injonctions nähert sich der recours pour excès de pouvoir zwar der deutschen Verpflichtungsklage deutlich an. Nichtsdestotrotz 90

BVerwG, Urt. v. 01.03.1991 – Az.: 3 C 50/86, NVwZ 1991, 568; OVG Hamburg, Beschl. v. 30.11.2010 – Az.: 2 Bf 93/09, BauR 2011, 816 (817 f.). 91 BVerwG, Urt. v. 01.10.1985 – 9 C 25/85, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 154. 92 Ingold, JA 2009, 711 (714); Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 113. 93 BVerwG, Urt. v. 24.10.1980 – Az.: 4 C 3/78, BVerwGE 61, 128 (134); Urt. v. 20.04.1994 – Az.: 11 C 60/92, NVwZ-RR 1995, 172 (173); VGH BW, Urt. v. 08.06.1993 – Az.: 10 S 110/92, NVwZ 1994, 709 (711 f.); Riese, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 117; Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 132; Wolff, in: Sodan / ​Ziekow (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 307. 94 Berst, Der Grundsatz der Gewaltentrennung im französischen Verwaltungsprozeßrecht, S. 298–310. 95 Dazu Fromont, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 93 (108–111); Koch, NVwZ 1998, 1259 passim; Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. ­178–223.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

bleibt der recours pour excès de pouvoir auf die Aufhebung einer belastenden Verwaltungsentscheidung gerichtet. Dementsprechend wird auch mit dem Urteilstenor zunächst die Aufhebung der rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsentscheidung ausgesprochen. Die injonctions dienen letztendlich nur der Vollstreckung des Urteils. Der Kläger kann jedoch die Erhebung des Rechtsbehelfs mit einem Antrag auf Erlass bestimmter injonctions verbinden. In diesem Fall ist der Urteilstenor dem des deutschen Verpflichtungsurteils sehr ähnlich.96 b) Erledigung in der Verpflichtungssituation Eine Erledigung der Hauptsache kann erklärt werden, wenn der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass der begehrten Verwaltungsentscheidung gerichtet ist und die begehrte Entscheidung in der Zwischenzeit erteilt wird. Die ursprünglich ablehnende Entscheidung gegenüber dem Antrag des Klägers wird dadurch zwar nicht – wie es gerichtlich erfolgen würde – aufgehoben. Gleichwohl entspricht der Erlass der begehrten Verwaltungsentscheidung dem Rechtsschutzziel. Die Ablehnung einer Baugenehmigung, die während des Verfahrens doch noch erteilt wird, lässt sich als typisches Beispiel anführen.97 Die Erledigung der Hauptsache ist in dieser Situation nicht Ergebnis eines Entfallens des Klagegegenstandes, sondern eines Interessenwegfalls.98 Es sind vor allem pragmatische Erwägungen, die für die Erledigungserklärung sprechen. Damit wird jedoch auch in Kauf genommen, dass die eventuell rechtswidrige Ablehnungsentscheidung gegenüber dem Antrag des Klägers keiner gerichtlichen Kontrolle unterzogen wird und damit für die Behörde letztlich folgenlos bleibt.99 Der Rechtsbehelf gegen eine Ablehnungsentscheidung wird allerdings nicht gegenstandslos, wenn die zwischenzeitlich erteilte Baugenehmigung nicht dem beantragten Inhalt entspricht und sie damit nicht der beantragten Genehmigung gleichgestellt werden kann.100 Auch von dieser Regel werden allerdings wieder Ausnahmen akzeptiert. So wurde die Erledigung der Hauptsache ausgesprochen, 96

So Koch, NVwZ 1998, 1259 (1262); Marsch, in: Schneider (Hrsg.), Verwaltungsrecht in Europa, Bd. 2, 33 (165 f.). 97 C. E., 21.05.1953, Consorts Bernabé, n° 2577, Rec. S. 244. Im Ergebnis ebenso C. E., 02.05.1980, Bouliou, n° 15293, Rec. S. 840 (T.), Einsichtnahme in Dokumente wird nachträglich doch gewährt; 04.10.1991, Mme Bonardel, n° 112690, Rec. S. 1133 f. (T.), Entscheidung über Berufung zu Professorenstelle wird während des Verfahrens entsprochen; 09.12.1994, Association Flavien, n° 117596, Rec. S. 543, abgelehnte Genehmigung für Sozialhilfe wird nachträglich erteilt; 08.12.2000, Mlle Cherraj, n° 214479, Rec. S. 1164 (T.), Aufenthaltsgenehmigung wird während des Verfahrens schließlich erteilt. 98 So Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 1067; Guyomar / ​Seiller, Contentieux administratif, Rn. 548; Soulié, AJDA 2003, 418 (424–426) nennen es eine „non-lieu d’expédient“, also einer Einstellung des Verfahrens als Notlösung. 99 Soulié, AJDA 2003, 418 (424 f.). 100 C. E., 26.09.2016, M. de Simencourt, n° 385627, Rec. S. 889 (T.).

C. Gegenstandslosigkeit der Klage in der Rechtsprechungspraxis

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nachdem dem Antragsteller zwar nicht das begehrte Visum für einen längerfristigen Aufenthalt erteilt wurde, stattdessen jedoch ein Visum für Minderjährige zum Zweck der Schulausbildung erhalten hat. Entscheidend für die Erledigung sollte sein, dass das Visum auf eine Dauer von 5 Jahren angelegt war und zudem die Möglichkeit einer Verlängerung bestand.101

IV. Ergebnis des Rechtsvergleichs In der überwiegenden Zahl der Fälle gelangen die deutschen und französischen Gerichte zu den gleichen Ergebnissen, wenngleich die Beurteilung einerseits in subjektiv und andererseits in objektiver Hinsicht erfolgt. Gemeinsam ist beiden, dass die zeitliche Wirkung der Erledigung des Streitgegenstandes über die Fortführung des Prozesses entscheidet. Verliert die streitige Verwaltungsentscheidung rückwirkend ihre Wirksamkeit besteht in beiden Rechtsordnungen Einigkeit, dass eine Aufhebung der Verwaltungsentscheidung ausscheidet, entweder weil es an einem Rechtsschutzinteresse fehlt oder weil die Verwaltungsentscheidung objektiv keine Wirkung mehr entfaltet. Das ist nur eine logische Konsequenz des auf Aufhebung des Streitgegenstands gerichteten Verfahrens. Differenzierter fällt demgegenüber die Beurteilung der Folgen eines Wirksamkeitsverlusts für die Zukunft aus. Hier kann für eine rückwirkende Aufhebung durch die Verwaltungsgerichte weiterhin ein Bedürfnis bestehen. Dabei sind geringfügige Unterschiede in der Behandlung des Entfallens des Klagegegenstands zu verzeichnen. Festzustellen ist, dass die deutschen Gerichte die Erledigung des Verwaltungsakts enger verstehen. Namentlich geht es hier um Verwaltungsakte mit irreversiblen Folgen, die ohne Grundlage für einen Kostenbescheid zu sein von den deutschen Gerichten im Gegensatz zur französischen Rechtsprechungspraxis als erledigt angesehen werden. Keineswegs folgt daraus jedoch eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten im Vergleich zu der französischen Rechtsprechung. Denn dem französischen Verwaltungsprozessrecht ist ein der Fortsetzungsfeststellungsklage vergleichbares Prozessinstitut fremd. Erledigte Verwaltungsakte mit irreversiblen Folgen können in Deutschland als Gegenstand der Fortsetzungsfeststellungsklage einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der „non-lieu à statuer“ durch die französische Literatur. Die Erledigungserklärung wird vereinzelt als eine „défense abusive“, eine missbräuchliche Verteidigungsmöglichkeit der Verwaltung, umschrieben, denn die Verwaltungsbehörde kann sich durch eine Rücknahme der Verwaltungsentscheidung einem gerichtlichen Verfahren entziehen. Die Verwaltungsbehörde ist somit weiterhin „Herrin des Verfahrens“, ungeachtet einer

101 So C. E., 09.11.2005, Maillot et Berre, n° 251952, Rec. S. 1047 (T.); ähnlich 22.01.2007, n° 286327, Mallek, n. v., Anm. Aguila, AJDA 2007, 701 (703).

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

bereits erfolgten Anrufung des Gerichts. Da damit im parallelen Verwaltungsverfahren über die Statthaftigkeit des gerichtlichen Verfahrens entschieden werden könnte, würde die seit 1872 bestehende Trennung zwischen Verwaltung und Gericht in gewissem Maße verschwimmen.102 Eine derartige Kritik ist in Deutschland bislang noch nicht laut geworden. Das liegt vor allem daran, dass allein die Rücknahme des Verwaltungsakts durch die Behörde in keinem Fall zu einer Beendigung des Rechtsstreits führen könnte. Dazu ist noch eine Erklärung der Beteiligten erforderlich. Damit liegt die Beendigung des Rechtsstreits nicht allein in den Händen der Verwaltung. Nur wenn der Kläger zustimmt, wird der Rechtsstreit beendet. Der Kläger kann jedoch auch widersprechen oder auf die Fortsetzungsfeststellungsklage umstellen und damit eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen. Das ist Ausdruck der Dispositionsmaxime. Die Kritik in Frankreich findet ihren Grund damit in erster Linie in der fehlenden Dispositionsmöglichkeit des Klägers. Festzuhalten ist, dass die Verortung der Problematik im Einklang mit der jeweiligen Ausrichtung der verwaltungsgerichtlichen Aufhebungsklage steht. Die deutschen Gerichte untersuchen, ob die Gegenstandslosigkeit der Klage das Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen lässt. Demgegenüber ist im französischen Recht die objektive Wirkung der Verwaltungsentscheidung für die Fortführung des Verfahrens entscheidend. Obgleich der Streitgegenstand in der Zukunft keine Wirkung mehr zeitigen wird, ist das Verfahren fortzusetzen, um Auswirkungen in der Vergangenheit zu beseitigen. Trotz unterschiedlicher Anknüpfungspunkte kommen die französischen und deutschen Gerichte zu im Wesentlichen gleichen Ergebnissen. Dies konnte auch für die Erledigung in der Verpflichtungssituation festgestellt werden. Ohne nennenswerten Begründungsaufwand stellen die französischen Verwaltungsgerichte und mit ihnen die Literatur den Interessenwegfall einem Entfallen des Streitgegenstandes gleich und erklären demzufolge die Erledigung der Hauptsache, wenn die begehrte Verwaltungsentscheidung im Laufe des Verfahrens noch ergeht.

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  I. Faktische Folgen einer Verwaltungsentscheidung und ihre Behandlung Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist Ausdruck der Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1  GG, soweit trotz Erledigung des Verwaltungsakts weiterhin nachteilige Rechtsfolgen von ihm ausgehen können, die zwar nicht durch seine Kassation, jedoch durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts

102

So Gohin / ​Poulet, Contentieux administratif, Rn. 360 Fn. 164.

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  

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zu beseitigen sind. Gründe des subjektiven Rechtsschutzes sind für die Zulässigkeit des recours pour excès de pouvoir zwar nur von untergeordneter Bedeutung. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes ist aber auch der französischen Rechtsordnung nicht unbekannt. In diesem Sinne zeigt die französische Kasuistik für bestimmte Fallkonstellationen Annäherungen an die deutsche Fallgruppensystematik. 1. Bedeutung des Rechtsschutzes in Frankreich Rechtsschutzmöglichkeiten sind in einem Rechtsstaat unabdingbar. Aus diesem Grund kann auch in Frankreich nicht auf eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit verzichtet werden. Ein subjektives Recht auf Rechtsschutz ist damit aber nicht verbunden. Eine Rechtsschutzgarantie vergleichbar Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG kennt das französische Recht nicht. In der grundlegenden Entscheidung „Dame Lamotte“ erklärte der Conseil d’État, dass gegen jede Entscheidung der Verwaltung ein recours pour excès de pouvoir offenzustehen hat.103 Der Conseil constitutionnel geht gestützt auf Art. 16 der Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen de 1789 („Toute Société dans laquelle la garantie des Droits n’est pas assurée, ni la sépara­tion des Pouvoirs déterminée, n’a point de Constitution.“) davon aus, dass einer „personne intéressée“ eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung stehen muss.104 Dieser Rechtsprechungswandel bildete schließlich die Grundlage für umfassende Reformen105, die zu einem Ausbau des Eilrechtsschutzes106 und der Einführung der „injonctions“107 führte. Das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz wird dabei allerdings keineswegs absolut verstanden. Es kann Einschränkungen unterworfen werden, solange es sich dabei um keine substantielle Beschränkung handelt.108 Damit besteht auch in der französischen Rechtsordnung ein zur deutschen Rechtsordnung vergleichbarer Widerstreit zwischen dem Interesse an einem möglichst effektiven Rechtsschutz und dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege und einem sinnvollen Einsatz gerichtlicher Ressourcen.

103 C. E., 17.02.1950, Ministre de l’Agriculture contre dame Lamotte, n° 86949, Rec. S. 111; zur Entwicklung Favoreu (Begr.) u. a., Droit des libertés fondamentales, Rn. 437 f.; Guyomar  / ​ Seiller, Contentieux administratif, Rn. 512–517; Vandermeeren, AJDA 2005, 1102 und passim; Vilain, in: Marsch / ​Vilain / ​Wendel (Hrsg.), Franz. und Dt. Verfassungsrecht, § 3 Rn. 139; vgl. dazu auch Löhr, Prozeßgrundrechte in Deutschland, Frankreich und England, S. 115–118. 104 C. C., 09.04.1996, 96–373 DC, Journal officiel 13.04.1996, S. 5724. 105 v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 61 f. 106 Dazu Castellani-Dembélé / ​Labrune, NVwZ 2016, 974 und passim; Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. 292–353. 107 Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. ­178–223. 108 C. C., 09.04.1996, 96–373 DC, Journal officiel 13.04.1996, S. 5724; dazu auch Löhr, Prozeßgrundrechte in Deutschland, Frankreich und England, S. 115.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

2. Wiederholungsgefahr a) Bestehendes Rechtsschutzdefizit? Die Gefahr einer sich wiederholenden fehlerhaften Verwaltungsentscheidung ist auch im französischen Verwaltungsgerichtsprozess gegenwärtig. Dies belegen Entscheidungen des Conseil d’État, die nach rechtskräftiger Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung erneut über die Aufhebung einer vergleichbaren Verwaltungsentscheidung zu entscheiden hatten.109 Wie aus dem deutschen Recht bekannt, steht auch in Frankreich die Rechtskraft der ersten gerichtlichen Entscheidung (l’auto­ rité de la chose jugée) dem Erlass einer erneuten Verwaltungsmaßnahme entgegen, soweit sie hinsichtlich „objet“, „cause“ und „parties“ identisch ist.110 Dies allein würde ausreichend Anlass geben, das Verfahren auch nach Entfallen des Klagegegenstandes fortzuführen, um durch die rechtskräftige Entscheidung einen erneut zu erwartenden Rechtsverstoß verhindern zu können. Eingang in die französische Rechtsprechung hat das Argument einer Wiederholungsgefahr dennoch nicht gefunden. Die Literatur erkennt die Misere, denn der Verwaltung wird auf diese Weise die Möglichkeit eröffnet, durch Zurücknahme der Verwaltungsentscheidung nach Einlegung des Rechtsbehelfs einem Prozess zu entgehen und unmittelbar im Anschluss eine vergleichbare Verwaltungsentscheidung erneut zu erlassen.111 b) Vorbeugender Rechtsschutz in Frankreich Der Verzicht auf eine Verfahrensfortsetzung zur Vermeidung zukünftiger Rechtsverstöße ist im Ergebnis jedoch konsequent. Die französische Rechtsordnung sieht einen vorbeugenden gerichtlichen Rechtsschutz in Form einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen Einzelakte der öffentlichen Gewalt nicht – auch nicht in Ausnahmefällen – vor.112 Der recours pour excès de pouvoir knüpft an eine bereits existente Verwaltungsentscheidung an, wenngleich nicht erforderlich ist, dass sich die Beeinträchtigung damit bereits realisiert hat113. Der Verzicht auf eine vorbeu 109

C. E., 04.10.1972, Societé civile immobilière de construction des 5 et 5 bis, rue des Chalets à Bourges (Cher) et ministre de l’Equipement et du Logement c / ​sieur Guillaumin et autres, n° 81445, 81469, Rec. S. 598; C. E., 18.03.1983, Min. de l’environnement et du cadre de vie c / ​ S. C. I., Rec. S. 126. 110 C. E., 26.02.1937, Societé des ciments Portland de Lorraine, n° 29606, n° 20208, Rec. S. 254; dazu auch Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 164– 169; Weil, Les conséquences de l’annulation d’un acte administrative pour excès de pouvoir, S. 55 ff. 111 So auch Gohin / ​Poulet, Contentieux administratif, Rn. 360. 112 H. Schiedermair, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 123 (129) unter Verweis auf Fromont, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 1, 221 (248). 113 Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 332; Schmidt, Die Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte im franz. Verwaltungsrecht, S. 117 f.

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  

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gende Rechtsschutzmöglichkeit ist Ausdruck der klaren Aufgabenverteilung zwischen Exekutive und Judikative in Frankreich: Die Aufgabe der Rechtsanwendung wird der Verwaltung überlassen, während sich die Aufgabe der Gerichte in der Rechtmäßigkeitskontrolle vergangener Verwaltungsentscheidungen erschöpft.114 Eine gerichtliche Entscheidung zu einem früheren Zeitpunkt wäre als unzulässige Einmischung in die Verwaltungstätigkeit einzustufen, das dem hiesigen Verständnis von einer unabhängigen Verwaltung, die sich den Verwaltungsgerichten nur ungern unterordnen möchte, widersprechen würde.115 Vorbeugender Rechtsschutz ließe sich zudem mit dem Instrument der Annullierung einer Verwaltungsentscheidung nur schwierig in Einklang bringen. Gleichwohl kann dem individuellen Bedürfnis nach Rechtsschutz auf andere Weise Rechnung getragen werden116: Schwerwiegende Nachteile können durch die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes verhindert werden.117 Zudem sieht das französische Staatshaftungsrecht Kompensationsmöglichkeiten für bereits eingetretene Schäden vor. Von einem Rechtsschutzdefizit wegen der fehlenden Möglichkeit eines präventiven Rechtsschutzes nach Erledigung kann aus diesem Grund nicht ausgegangen werden. Selbst nach deutschem Recht ist vorbeugender Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte nur in Ausnahmefällen zulässig. Gewichtiges Argument für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage ist neben dem Interesse an einer Vermeidung zukünftiger Rechtsverstöße der Gedanke des Fruchterhalts. Die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr ist damit auch im Interesse der Prozessökonomie begründet. 3. Rehabilitationsinteresse und Grundrechtsbeeinträchtigungen Zumindest nicht ausdrücklich wird das Interesse an der Rehabilitierung bei anhaltender diskriminierender Wirkung oder fortwirkender Beeinträchtigung von Grundrechten als Argument für die Fortführung des Verfahrens herangezogen. Dennoch halten auch die französischen Gerichte in dieser Art Fallgestaltung eine Fortführung des Verfahrens für angebracht. Anschaulich wird dies anhand der Entscheidung in der Rechtssache „Stephan“ vom 06.07.1992. Der Kläger wehrte sich gegen einen ihm gegenüber erlassenen Auslieferungsbescheid, auf dessen Grundlage er auch festgehalten wurde. Dieser wurde während des Verfahrens durch die zuständige Stelle rückwirkend zurückgenommen. Dennoch sollte weiterhin gerichtlich über die rückwirkende Aufhebung entschieden werden, da mit dem Voll 114

Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. 60 f. Berrang, Vorbeugender Rechtsschutz in der EG, S. 62; Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 332. 116 Kritisch Berrang, Vorbeugender Rechtsschutz in der EG, S. 63–65. 117 Zu den Voraussetzungen der référé-suspension, référé-liberté und référé-mesures utiles in deutscher Sprache Cuno, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, S. 99–117, 149–157, 167–172. 115

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

zug bereits begonnen wurde.118 Entscheidend für die Fortsetzung des Verfahrens war die nicht unerhebliche Einschränkung in seiner Bewegungsfreiheit, die der Kläger für mehrere Tage erdulden musste. Die in der Vergangenheit verursachte Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit war also Grund genug, um auch nach Zurücknahme der streitigen Verwaltungsentscheidung über ihre Aufhebung zu entscheiden. Eine noch andauernde Beeinträchtigung war in diesem Fall nicht festzustellen. Ausschlaggebendes Argument, um eine Fortführung des Verfahrens zu begründen, ist für die französischen Gerichte die beeinträchtigende Wirkung der Verwaltungsentscheidung zu einem bestimmten Zeitpunkt und der Umstand, dass diese nicht vollständig beseitigt wurde. Es ist an dieser Stelle allerdings auch zu betonen, dass in jenem Fall die einmal erfolgte Freiheitsbeschränkung nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte. Die gerichtliche Aufhebung der Verwaltungsentscheidung hat in einem solchen Fall nur noch deklaratorischen Charakter. Eine Wiedergutmachung kann nur noch durch einen finanziellen Ausgleich erfolgen. Zum Zeitpunkt dieser Entscheidung waren Regelungen über den Eilrechtsschutz bei Grundrechtsverletzungen, der référé liberté, noch nicht in Kraft.119 Heute würde in solchen Fällen daher bevorzugt darauf zurückgegriffen werden, um sich nicht ausschließlich auf eine nachträgliche Kontrolle beschränken zu müssen. Dennoch steht dieser Fall beispielhaft dafür, dass auch in Frankreich das Bedürfnis für eine gerichtliche Kontrolle im grundrechtsrelevanten Bereich nach Entfallen des Klagegegenstandes anerkannt wird. Auch diejenigen Fallgestaltungen, die unter den Anwendungsbereich eines Amnestiegesetzes (une loi d’amnistie) fallen, lassen sich in diese Rubrik einordnen. Das Gesetz regelt, unter welchen Bedingungen eine gegenüber einer natürlichen oder juristischen Person verhängte Strafe erlassen werden kann. Gründe für eine Amnestie können beispielsweise die Art des Verstoßes oder die Umstände seiner Begehung sein ebenso wie das Strafmaß oder die Natur der Strafe eine Rolle spielen können.120 Viele Gesetze sehen außerdem die Amnestie eines Beamten oder Amtsträgers vor, der infolge eines Dienstvergehens entsprechende Disziplinarmaßnahmen verbüßen musste, es sei denn der Pflichtverstoß zeugt von einem Fehlen an guten Sitten, Ehre und Redlichkeit.121 Die verhängte Disziplinarmaßnahme entfällt damit wie auch das vorangehende Disziplinarverfahren ungültig wird. Die amnestierte Strafe darf auch nicht mehr veröffentlicht werden.122 Eine Amnestie kann allerdings nicht verhindern, dass Pflichtverstöße selbst (nicht jedoch die Disziplinarmaßnahme) in der Personalakte weiterhin festgehalten werden.123 Die 118

C. E., 06.07.1992, Stephan, n° 122874, Rec. S. 1225 (T.). Dieser ist mit Loi n° 2000–597 v. 30.06.2000 am 01.01.2001 in Kraft getreten. 120 Vgl. beispielsweise Loi n° 2002–1062 du 6 août 2002 portant amnistie. 121 So Art. 11 de loi n° 2002–1062 du 6 août 2002 portant amnistie. 122 C. E., 18.05.1960, Glon, AJDA 1960 S. 247; 28.11.1962, Ministre des affaires étrangères c / ​Sieur Roger Peyrefitte, AJDA 1963, S. 227; siehe hierzu auch Silvera / ​Salon, La Fonction publique et ses problemes actuels, Nr. 394. 123 Silvera / ​Salon, La Fonction publique et ses problemes actuels, Nr. 394. 119

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  

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französischen Verwaltungsgerichte sind stets bemüht zu betonen, dass mit gerichtlicher Aufhebung einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung die Rechtslage herzustellen sei, wie sie sich ohne die Verwaltungsentscheidung darstellen würde. Es sind alle Folgeentscheidungen, die auf der aufgehobenen Verwaltungsentscheidung beruhen, rückgängig zu machen. Die Rechtslage stellt sich dann so dar, als habe es die rechtswidrige Verwaltungsentscheidung nie gegeben. Es scheint deshalb im Widerspruch zu dieser Rechtsprechung zu stehen, dass die Erledigung der Hauptsache von den französischen Verwaltungsgerichten auch erklärt wird, wenn der recours pour excès de pouvoir auf die Aufhebung einer Disziplinarstrafe gerichtet ist, die unter den Anwendungsbereich eines Amnestiegesetzes fällt. Für eine rückwirkende Aufhebung der Sanktion soll nach Ansicht der französischen Verwaltungsgerichte in diesem Fall kein Bedürfnis mehr bestehen. Eine Amnestie hat jedoch nicht zur Folge, dass die verhängte Disziplinarmaßnahme rückwirkend entfällt. Es wird lediglich von der Ausführung der Strafe abgesehen.124 Ungeklärt bleibt damit, ob die verhängte Disziplinarmaßnahme rechtmäßig ergangen ist. In Deutschland wäre ein solcher Sachverhalt geeigneter Gegenstand einer Fortsetzungsfeststellungsklage. Denn die unrechtmäßige Verhängung einer Disziplinarstrafe kann, wenn dies öffentlichkeitswirksam geschieht, zu einer Stigmatisierung des Betroffenen führen oder ihn in seinem beruflichen Fortkommen einschränken. Auch die französische Rechtsprechung scheint erkannt zu haben, dass der Kläger trotz Amnestie mit fortbestehenden negativen Folgen der Verwaltungsentscheidung konfrontiert ist. Es ist deshalb nur folgerichtig, einen recours pour excès de pouvoir gegen eine erteilte Disziplinarstrafe nicht für gegenstandslos zu erklären, wenn mit der Amnestie nicht alle mit der Verwaltungsentscheidung verbundenen negativen Folgen beseitigt werden. Ein öffentlich bekannt gemachter Verweis kann aus diesem Grund auch noch gerichtlich überprüft werden, obwohl er in den Anwendungsbereich eines Amnestiegesetzes fällt.125 Ähnlich entschieden die Verwaltungsgerichte im Fall einer Klägerin, die wegen eines Verstoßes vorübergehend von ihren Funktionen ausgeschlossen wurde, aufgrund eines Amnestiegesetzes jedoch wieder eingestellt werden konnte. Dennoch sollte das Verfahren fortgeführt werden, da die Klägerin bereits vor Inkrafttreten des Amnestiegesetzes von ihrer Anstellung freigestellt wurde und der Vollzug der Disziplinarstrafe damit bereits begonnen hatte.126

124

So auch Ricci, Contentieux administratif, Rn. 316. So C. E., 03.10.1997, Clappier, n° 136120, Rec. S. 1009 (T.); ebenso C. E., 17.02.1956, Sieurs Basignan et Largentier, n° 84351, 84352, Rec. S. 75. 126 C. A. A. Bordeaux, 13.10.1997, Mlle Try-Arreckx, n° 95BX00682, Rec. S. 1009 (T.); T. A. de Paris, 24.06.1967, Demoiselle son et autres, Rec. S. 585 f. 125

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

4. Typischerweise kurzfristige Erledigung einer Verwaltungsentscheidung Ohne größeren Begründungsaufwand gehen die französischen Gerichte von der Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle bei einer typischerweise kurzfristigen Erledigung der Verwaltungsentscheidung vor Klageerhebung aus. Zuletzt hatte der Conseil d’État in einem Rechtsgutachten nach Art. L113–1 CJA127 zu der Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle einer Hausdurchsuchung128 Stellung genommen.129 Ausdrücklich erklärte er, dass der Umstand, dass die Hausdurchsuchung noch vor Klageerhebung vollzogen wurde, den Klagegegenstand nicht entfallen ließe. Das dürfte vor allem daran liegen, dass nach der Rechtsprechung der französischen Verwaltungsgerichte der Vollzug der Verwaltungsentscheidung nicht zum Entfallen des Klagegegenstandes führen kann.130 Die deutschen Gerichte kamen demgegenüber nur mit Mühe und unter Beteiligung der obersten Bundesgerichte zu diesem Ergebnis.131 5. Vorbereitung einer Amtshaftungsklage / ​Präjudizinteresse Bevor Staatshaftungsansprüche in Frankreich gerichtlich eingeklagt werden können, muss der Geschädigte einen Antrag auf Schadenersatz bei der zuständigen Behörde gestellt haben (règle de la décision préalable).132 Die ablehnende Entscheidung über die Gewährung der Geldleistung wird dann gerichtlich im Verfahren des contentieux de pleine juridiction angegriffen. Die Gerichte entscheiden dabei nicht nur über die Aufhebung der ablehnenden Entscheidung. Sie können darüber hinaus die Verwaltung zur Zahlung einer Schadenersatzleistung verpflichten.133 Es 127 Der Vorschrift zufolge können die T. A. und die C. A. A. den C. E. anrufen, damit dieser über eine neue Rechtsfrage von erheblicher Schwierigkeit, die sich in einer Vielzahl von Fällen gestellt hat, entscheiden. 128 Genaugenommen ging es um eine Hausdurchsuchung auf der Grundlage des Art. 11 Loi n° 55–358 du 3 avril 1955 relative à l’état d’urgence (Ausnahmezustand). Der Ausnahme­zustand wurde nach den Terroranschlägen am 13.11.2015 in Paris erklärt. Für die Beurteilung der gerichtlichen Kontrollmöglichkeit spielen die materiellen Voraussetzungen einer solchen Hausdurchsuchung jedoch keine Rolle. Entscheidend ist, dass die Hausdurchsuchung beispielhaft für eine Verwaltungsmaßnahme steht, die sich typischerweise kurzfristig erledigt. Zu dieser Einschätzung gelangen auch die deutschen Gerichte, vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 30.04.1997 – Az.: 2 BvR 817/90, BVerfGE 96, 27 (39 f.); Beschl. v. 05.07.2013 – Az.: 2 BvR 370/13. 129 C. E., 06.07.2016, M. N. et autres, n° 398234, Rec. S 320 (323) „Les decisions qui ordonnent des perquisitions sur le fondement de l’article 11 de la loi du 3 avril 1955 sonst susceptibles de faire l’objet d’un recours pour excès de pouvoir. La circonstance qu’elles ont produit leurs effets avant la saisine du juge n’est pas de nature à priver d’objet le recours.“ 130 Vgl. bereits die Nachweise in 2. Kap., Fn. 75. 131 Vgl. zur Rechtsprechungsentwicklung 1. Kap. C. III. 1. 132 Art. R412–1, Abs. 2 CJA; dazu Chrétien / ​Chifflot / ​Tourbe, Droit administratif, Rn. 94, 797; Pacteau, Contentieux adminsitratif, Rn. 140 f. 133 Barray / ​Boyer, Contentieux administratif, S. 115; Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 263; Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 206 f.; Woehrling, NVwZ 1999, 502 (503).

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  

131

ist aus diesem Grund grundsätzlich denkbar, dass über das Aufhebungsbegehren des Klägers nach Entfallen des Klagegegenstandes die Erledigung erklärt wird und im selben Verfahren über den Schadenersatzantrag entschieden wird.134 Damit fehlt es in Frankreich nicht nur an einer dem deutschen Recht vergleichbaren Rechtswegspaltung, denn die Zuständigkeit für eine Entscheidung im contentieux de pleine juridiction liegt bei den Verwaltungsgerichten.135 Das französische Recht geht zudem nicht von einem prinzipiellen Vorrang des Primärrechtsschutzes vor dem Sekundärrechtsschutz aus. Der Erfolg der Schadenersatzklage ist nicht von einer zuvor erfolgreich erhobenen Aufhebungsklage gegen die ursprünglich schadensstiftende Verwaltungsentscheidung abhängig.136 Es ist sogar unschädlich, dass der Geschädigte diese bestandskräftig werden lässt.137 Damit steht ihm grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen recours pour excès de pouvoir gegen die schadensstiftende Verwaltungsentscheidung und contentieux de pleine juridiction zur Verpflichtung einer Geldleistung zu.138 Sobald sein Begehren jedoch auf eine Geldleistung gerichtet ist, ist nur ein contentieux de pleine juridiction statthaft. Ein Präjudizinteresse ist in Frankreich daher praktisch nicht vorhanden.

II. Fazit: Gerichtliche Kontrollmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes in Deutschland und Frankreich Das Entfallen des Angriffsgegenstandes hat sowohl in Deutschland wie auch in Frankreich zwangsläufig Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Aufhebungsklage. Die Differenzierung zwischen ex-nunc- und ex-tunc-Aufhebung und die damit verbundenen Folgen für die Zulässigkeit des gerichtlichen Aufhebungsverfahrens sind in weiten Teilen mit der deutschen Rechtsprechung deckungsgleich. Viel Raum für eine unterschiedliche Beurteilung der prozessualen Konsequenzen für die Aufhebungsklage besteht ohnehin nicht, denn eine Aufhebung einer Entscheidung der 134

C. E., 27.07.2005, Association Bretagne Aterliers, n° 261694, Rec. S. 350. Mit Ausnahme einer Haftung wegen einer faute personelle und einer Enteignungsentschädigung. Hier sind die Zivilgerichte zuständig, Marsch, in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa, 195 (220). 136 C. E., 03.12.1952, Sieur Dubois, n° 470 u. 471, Rec. S. 555; Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 780; Delaunay, La faute de l’administration, Rn. 221; Herrmann, Das französische Staatshaftungsrecht, S. 127 f.; Marsch, in: Dörr (Hrsg.), Staatshaftung in Europa, 195 (220). 137 Um eine Umgehung der Rechtsschutzfristen zu vermeiden, wird der contentieux de pleine juridiction für unzulässig erklärt, dessen Klageziel sich in der Aufhebung einer ablehnenden und mittlerweile bestandskräftig gewordenen Entscheidung über die Bewilligung einer Geldleistung erschöpft, vgl. C. E. Sect., 02.05.1959, Ministre des Finances c / ​sieur Lafon, n° 44419, Rec. S. 282; dazu Chapus, Droit du contentieux administratif, Rn. 841; Thouroude, Pratique du contentieux administratif, Rn. 252. 138 Da im Verfahren des recours de pleine juridiction allerdings die Beauftragung eines Anwalts erforderlich wird, verzichtet der Betroffene zumindest bei kleineren Beträgen in der Regel auf eine Geltendmachung und greift lediglich die Verwaltungsentscheidung im Wege des recours pour excès de pouvoir an, vgl. Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 822 f. 135

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

Verwaltung durch die Verwaltungsgerichte weiterhin zu verfolgen ist nur sinnvoll, wenn trotz Aufhebung Nachteile von dem Angriffsgegenstand ausgehen, die sich durch eine gerichtliche Aufhebung noch beseitigen lassen. Dass die prozessualen Folgen für die Aufhebungsklage nach Entfallen des Klagegegenstandes trotz der unterschiedlichen Ausrichtung der Verwaltungsgerichtssysteme grundsätzlich ähnlich ausfallen, ist daher wenig überraschend. Ein Unterschied in prozessualer Hinsicht stellt das Institut der Fortsetzungsfeststellungsklage dar. Die Klage ermöglicht es, im Erledigungsfall und trotz rückwirkender Aufhebung der mit der Verwaltungsentscheidung verbundenen nachteiligen Rechtsfolgen eine gerichtliche Entscheidung über die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts herbeizuführen. Das Feststellungsurteil wird insoweit als ausreichend erachtet, um dem Zweck des Verfahrens – subjektive Rechtsdurchsetzung oder objektive Rechtskontrolle – nachzukommen. Die französischen Verwaltungsgerichtsentscheidungen zeichnen sich demgegenüber durch eine „contrôle restreint“, eine richterliche Zurückhaltung, aus.139 Eine Einmischung der Gerichte in die Tätigkeit der Verwaltung soll möglichst unterbleiben. Die Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der Verwaltung spielt in Frankreich eine bedeutende Rolle; eine Steuerung des Verwaltungshandelns durch die Rechtsprechung ist nur in sehr eingeschränktem Umfang vorstellbar.140 Zwar ist der Prüfungsumfang im Rahmen des recours pour excès de pouvoir nicht, wie etwa in Deutschland, auf bestimmte Normen mit individueller Schutzrichtung beschränkt. Die Verwaltungsentscheidung wird vollumfänglich auf ihre Übereinstimmung mit der Rechtsordnung überprüft. Dafür ist jedoch eine Zurücknahme in der Kontrolldichte festzustellen, denn sowohl für die Tatbestands- wie auch für die Rechtsfolgenseite sind weitgehende Gestaltungsspielräume der Verwaltung anerkannt.141 Aus diesem Grund wird in Frankreich die Erledigung der Verwaltungsentscheidung während des Verfahrens auch nicht zum Anlass genommen, statt einer Aufhebung zumindest zukünftiges Verwaltungshandeln zu steuern, wie es etwa bei einem Fortsetzungsfeststellungsurteil wegen Wiederholungsgefahr beabsichtigt ist. Eine abweichende Handhabung würde der Bedeutung der Eigenständigkeit der Verwaltung in Frankreich widersprechen. Im Erledigungsfall beschränken sich die Verwaltungsgerichte daher darauf, über die rückwirkende Aufhebung der Verwaltungsentscheidung zu

139

So Riedel, VVDStRL 58, (1999), 180 (188). Halfmann, VerwArch 91 (2000), 74 (79); Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 62 f.; Masing, Die Mobilisierung des Bürgers, S. 85; Riedel, VVDStRL 58 (1999), 180 (188); Schwarze, NVwZ 1996, 22 (24); ders., DVBl 1999, 261 (267); Woerhling, NVwZ 1985, 21 (22); Varadinek, Ermessen und gerichtliche Nachprüfbarkeit im französischen und deutschen Verwaltungsrecht, S. 10 f. 141 J.-B. Auby / ​Cluzel-Métayer / ​Xenou, in: Seerden (Hrsg.), Administrative Law of the European Union, its Member States and the United States, 5 (27 f.); Epiney, NVwZ 2014, 465 (472); Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (6 f.); Riedel, VVDStRL 58 (1999), 180 (189 f.); Schwarze, NVwZ 1996, 22 (25); zur Überprüfung von Tatsachenfehlern Debbasch / ​Ricci, Contentieux administratif, Rn. 920–922; Waline, Droit administratif, Rn. 680. 140

D. Französische Kasuistik und Fortsetzungsfeststellungsinteresse  

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entscheiden, sofern eine solche Rücknahme nicht bereits in anderer oder zumindest vergleichbarer Weise erfolgt ist. Obwohl man damit zu der Vermutung gelangen könnte, dass die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten in Frankreich gegenüber der deutschen Rechtslage zurückgenommen sind, können gerichtliche Kontrolldefizite für die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit gleichwohl nicht festgestellt werden. Das dürfte vor allem auch daran liegen, dass sich das individuelle Interesse des Klägers an der Fortführung des Verfahrens mit Fällen eines objektiv beeinträchtigenden Verwaltungsakts deckt. Aus diesem Grund besteht in Frankreich auch kein Problem, Verwaltungsentscheidungen mit Auswirkungen auf Grundrechte und Freiheiten oder sonstige geschützte Rechtspositionen einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen, sofern sich aus ihnen Nachteile für den Betroffenen ergeben, die auf andere Weise nicht vollständig beseitigt wurden. Obwohl auf französischer Ebene keine Fortsetzungsfeststellungsklage vorgesehen ist, überschneiden sich die Fallgestaltungen, für die eine Fortführung des Verfahrens des recours pour excès de pouvoir in Betracht kommt, weitestgehend mit den deutschen Fallgruppen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse, namentlich einem Rehabilitationsinteresse und einer typischerweise kurzfristigen Erledigung des Verwaltungsakts. Auch der Umstand, dass die Gefahr eines vergleichbaren Rechtsverstoßes in Zukunft nicht als Argument für die Fortführung des Verfahrens angeführt werden kann, führt zu keinem Kontrolldefizit. Der Betroffene wird insoweit auf die Möglichkeit des nachträglichen Rechtsschutzes verwiesen. Das mag aus praktischen Gründen nicht die beste Lösung sein, wenn sich deshalb Gerichte wiederholt mit demselben Sachverhalt zu befassen haben. Angreifbar ist dies jedoch in erster Linie in prozessökonomischer Hinsicht. Auch für ein Präjudizinteresse besteht in Frankreich mangels Vorrangs des Primärrechtsschutzes und fehlender Rechtswegspaltung kein Bedürfnis. Da es sich in Frankreich und Deutschland um zwei unterschiedliche Klageformen handelt, einerseits Gestaltungsklage andererseits Feststellungsklage, ist es insofern zwar ungenau, wenn in der deutschen Literatur bisweilen von einer Nähe des recours pour excès de pouvoir zur deutschen Fortsetzungsfeststellungsklage gesprochen wird.142 Das französische Verwaltungsprozessrecht sieht eine Feststellung der Rechtswidrigkeit einer erledigten Verwaltungsentscheidung nicht vor. Die Frage nach den Folgen, die ein Entfallen des Klagegegenstandes für den recours pour excès de pouvoir haben, wird in Deutschland ebenfalls im Rahmen der Zulässigkeit der Anfechtungsklage diskutiert. Ungeachtet dessen gelangen die deutschen und französischen Verwaltungsgerichte dennoch überwiegend zu den gleichen Ergebnissen. Obwohl die unterschiedlichen prozessualen Ansätzen auf den ersten Blick in sich gegensätzliche Ziele und Zwecke der Verfahrensfortsetzung nach Entfallen des Streitgegenstands vermuten ließen, sind die Unterschiede in den Rechtsordnungen bei genauerem Hinsehen nur minimal. 142

So etwa Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (6); Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, S. 139 f.

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Kap. 2: Verwaltungskontrolle bei Erledigung der Verwaltungsentscheidung  

Häufig werden deutsches und französisches Verwaltungsgerichtssystem als repräsentativ für ein subjektives und objektives Idealmodell herangezogen.143 Dabei werden vor allem die Unterschiede zwischen den Modellen hervorgehoben. Allerdings – und dies geht häufig unter – bestehen darüber hinaus auch eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Beispielsweise sehen sowohl französisches wie auch deutsches Verwaltungsgerichtssystem den Untersuchungsgrundsatz vor, der insbesondere objektiven Kontrollzwecken dient, für die Gewährleistung einer umfassenden Tatsachenwürdigung im Interesse des effektiven Rechtsschutzes in beiden Rechtsordnungen jedoch seine Berechtigung hat.144 Umgekehrt wurden in Frankreich einstweilige Rechtsschutzverfahren eingeführt, bei denen vor allem der référé-liberté der Verhinderung einer Gefährdung von Grundfreiheiten und damit in erster Linie dem subjektiven Rechtsschutz des Einzelnen dient.145 Obwohl Unterschiede zwischen deutschem und französischem Verwaltungsgerichtssystem weiterhin vorhanden sind und auch vorhanden sein werden, zeigen nicht zuletzt auch die Überschneidungen in der Erledigungs- bzw. Fortsetzungssituation, dass subjektives und objektives Rechtsschutzmodell tatsächlich nur Idealvorstellungen sind. In der Rechtswirklichkeit gibt es demgegenüber in vielen Bereichen Parallelen, die zu einer gewissen Relativierung in den Unterschieden der verschiedenen Ausrichtungen beitragen.

143

Vgl. bereits Einleitung, Fn. 8. Für Deutschland bereits 1. Kap., Fn. 303; für Frankreich Ziller, in: v. Bogdandy / ​P. M. Huber / ​ Marcusson (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, § 130 Rn. 99. 145 Ziller, in: v. Bogdandy / ​P. M. Huber / ​Marcusson (Hrsg.), Ius Publicum Europaeum, Bd. VIII, § 130 Rn. 106 ff., insbes. 107; Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. 327 ff. 144

Kapitel 3

Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ im EU-Eigenverwaltungsprozessrecht Nach der Darstellung der deutschen und französischen Rechtslage widmet sich die Untersuchung nun mit besonderem Interesse der prozessualen Situation im EU-Eigenverwaltungsprozessrecht. Da der Vergleichsgegenstand im deutschen und französischen Teil durch die Fortsetzungsfeststellungsklage und recours pour excès de pouvoir bereits auf Individualklagen beschränkt wurde, wird sich auch die Untersuchung auf Unionsebene auf die Nichtigkeitsklage und Untätigkeitsklage natürlicher und juristischer Personen nach Art. 263 Abs. 41, Art. 265 Abs. 3 AEUV konzentrieren. Passenderweise werden diese Klagen auch als verwaltungsgerichtliche Klagen eingeordnet.2 Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung der prozessualen Konsequenzen eines Entfallens des Klagegegenstandes (dazu A.) auf Unionsebene. Die Vorschriften der Verfahrensordnung des EuG und EuGH sehen für den Fall der Gegenstandslosigkeit der Klage grundsätzlich die Erledigungserklärung vor. Über die ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung des „Rechtsschutzinteresses“ besteht jedoch die Möglichkeit, das Verfahren nach Gegenstandslosigkeit der Klage fortzuführen. Die Erörterung, für welche Fälle von einem „fortbestehenden Rechtsschutzinteresse“ auszugehen ist, wird den Hauptteil der Untersuchung einnehmen (dazu  C.–H.). Ermittelt werden soll, welche grundlegenden Erwägungen nach Auffassung der Rechtsprechung zur Annahme eines fortbestehenden Rechtsschutz­ 1 Für Nichtigkeitsklagen privilegierter Kläger nach Art. 263 Abs. 2 AEUV wird ohnehin kein Rechtsschutzinteresse verlangt, denn die Erhebung der Klage erfolgt in Wahrnehmung ihrer institutionellen Verantwortung für die Wahrung des Unionsrechts. Ein über ein Aufhebungsinteresse hinausgehendes persönliches Interesse wird nicht gefordert, vgl. etwa EuGH, Urt. v. 26.03.1987, Rs. C-45/86, Kommission / ​Rat, Slg. 1987, 1493 Rn. 3; Urt. v. 23.02.1988, Rs. C-131/86, Vereinigtes Königreich / ​Rat, Slg. 1988, 905 Rn. 6; dazu Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​ Nettesheim (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 110 m. w. N.; anders dagegen GA Kokott, Schlussantr. v. 16.01.2020, Rs. C-456/18 P, Ungarn / ​Kommission, ECLI:EU:C:2020:8 Rn. 26–42, die insoweit bei Entfallen des Klagegegenstandes die Darlegung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses auch für privilegierte Kläger fordert, damit sich der EuGH nicht mit Klagen zu befassen hat, die nur rein hypothetischer Natur sind. 2 Everling, in: Festschrift Redeker, 293 (297); Rengeling / ​Kotzur, in: Rengeling / ​Middeke / ​ Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 4 Rn. 21; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 20. Zu den verwaltungsgerichtlichen Klagen kann auch die Amtshaftungsklage nach Art. 268 AEUV gezählt werden. Sie bleibt als sekundärer Rechtsschutzbehelf für die Zwecke dieser Untersuchung jedoch außer Betracht.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

interesses führen sollen. An dieser Stelle soll dann die Verbindung zu den vorangehenden Untersuchungen des deutschen und französischen Lösungswegs hergestellt werden. Es ist anzunehmen, dass sich auch in der Auslegung des Rechtsschutz­ interesses durch die Rechtsprechung Grundtendenzen einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle oder eines subjektiven Rechtsschutzverfahrens wiederfinden werden. Vorauszugehen hat daher die Frage, welches Rechtsschutzkonzept dem Klagesystem des Primärrechts überhaupt zugrunde liegt (dazu B.). Am Ende kann anhand der Erkenntnisse des Vergleichs mit deutscher und französischer Rechtslage eine Einordnung des europäischen Rechtsschutzinteresses erfolgen.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualnichtigkeitsklage Mit der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV wird die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union überprüft.3 Ziel ist die Wiederherstellung eines unionsrechtmäßigen Zustands.4 Das stattgebende Urteil stellt nicht nur die Nichtigkeit des angegriffenen Rechtsakts verbindlich fest5, sondern beseitigt darüber hinaus seine Geltung mit ex-tunc-Wirkung6. Die Nichtigkeitsklage ist damit Gestaltungsklage, der EuGH hat das Verwerfungsmonopol für rechtswidrige Unionsrechtsakte, für die bis zu ihrer Aufhebung die Vermutung ihrer Gültigkeit spricht7.

I. Erledigung der Hauptsache Die Erledigung der Hauptsache und ihre Folgen werden in Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131  VerfO-EuG geregelt. In den insoweit identischen Vorschriften werden die Begriffe „Gegenstandslosigkeit der Klage“ und „Erledigung der Hauptsache“ genannt.

3 Oppermann / ​Classen / ​Nettesheim, Europarecht, § 13 Rn. 41; Pechstein / ​Görlitz, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 263 AEUV Rn. 1; Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 9 Rn. 1. 4 Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 3; Pechstein / ​Görlitz, in: Pechstein / ​Nowak / ​ Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 263 AEUV Rn. 3. 5 Vgl. Art. 264 Abs. 1 AEUV. 6 Cremer, in: Callies / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 1; Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 10. 7 EuGH, Urt. v. 12.07.1957, verb. Rs. C-7/56 u. C-3/57 bis C-7/57, Algera u. a. / ​Assemblée commune, Slg. 1957, 81 (126); Urt. v. 15.06.1994, Rs. C-137/92, BASF / ​Kommission, Slg 1994, I-2555 Rn. 48.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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1. Gegenstandslosigkeit der Klage Die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung.8 Tauglicher Angriffsgegenstand kann nur ein wirksamer Rechtsakt sein, denn im Fall seiner Unwirksamkeit könnte eine Nichtigerklärung die Rechtslage nicht mehr ändern. Sie wäre für den Kläger letztlich ohne Nutzen. Es kann allerdings passieren, dass der zunächst wirksame Klagegegenstand nach Klageerhebung, aber noch vor Urteilsverkündung seine Wirksamkeit verliert. Dann wird begrifflich von der Gegenstandslosigkeit der Klage und nicht wie im deutschen Recht von der Erledigung des Rechtsakts gesprochen.9 Die Begriffswahl „Gegenstandslosigkeit der Klage“ ist allerdings ungenau.10 Denn nimmt man die Formulierung beim Wort, könnte einer Klage nur dann die Gegenstandslosigkeit attestiert werden, wenn der Angriffsgegenstand vollständig und damit ex tunc beseitigt wurde.11 Hat der Angriffsgegenstand seine Wirkung demgegenüber nur ex nunc verloren, lässt sich an der Einordnung als „gegenstandslos“ zweifeln. Denn zumindest entfaltet dieser dann noch Wirkung in der Vergangenheit, sodass die Klage ihren Gegenstand streng genommen nicht vollständig verloren hat.12 Noch schwieriger stellt sich die Einordnung als gegenstandslos dar, wenn der angegriffene Rechtsakt weiterhin Bestand hat, jedoch äußere Umstände dazu führen, dass eine gerichtliche Entscheidung objektiv sinnlos bzw. unmöglich wurde. Die französische Literatur hat, wie bereits dargelegt wurde, die Erledigung des Rechtsstreits in zwei Kategorien unterteilt: Einerseits wenn dem Begehren des Klägers aus objektiven Gründen nicht mehr entsprochen werden kann und andererseits wenn dem Klageziel des Klägers bereits entsprochen wurde, was letztlich auf einen Interessenwegfall auf Klägerseite hinausläuft.13 Auch nach deutscher Dogmatik tritt Erledigung in der Verpflichtungssituation nicht aufgrund einer Erledigung des Verwaltungsakts ein, sondern weil es aus objektiver Sicht sinnlos wird, das klägerische Begehren weiter zu verfolgen.14

8

EuGH, Urt. v. 16.12.1963, Rs. C-14/63, Forges de Clabecq / ​Hohe Behörde, Slg. 1963, 721 (799); EuG, Urt. v. 15.12.1999, Rs. T-22/97, Kesko / ​Kommission, Slg. 1999, II-3775 Rn. 55; Urt. v. 14.04.2005, Rs. T-141/03, Sniace / ​Kommission, Slg. 2005, II-1197 Rn. 25. 9 Vgl. etwa EuG, Beschl. v. 17.09.1977, Rs. T-26/97, Antillean Rice Mills / ​Kommission, Slg. 1997, II-1347 Rn. 9; Beschl. v. 24.03.2011, Rs. T-36/10, Internationaler Hilfsfond / ​Kommission, Slg. 2011, II-1403 Rn. 50 f.; dazu Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​EuG, Art. 131 VerfO-EuG Rn. 3. 10 So auch Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage, Rn. 68. 11 So wohl auch GA Reischl, Schlussantr. v. 24.11.1981, Rs. C-74/81, Flender / ​Kommission, Slg. 1982, 395 (409 f.). 12 Eine Erledigung in diesem Fall ablehnend GA Lagrange, Schlussantr. v. 12.02.1960, verb. Rs. C-16/59, C-17/59 u. C-18/59, Geitling Ruhrkohlen-Verkaufsgesellschaft u. a. / ​Hohe Behörde, Slg. 1960, 47 (74). 13 Vgl. 2.  Kap. B. I. 1. a). 14 Vgl. 2.  Kap. C. III. 1.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Die Unionsgerichte halten sich – wie noch zu zeigen sein wird – nicht streng an den Wortlaut. Sowohl das Entfallen des Angriffsgegenstandes selbst wie auch die objektive Sinnlosigkeit des Aufhebungsanspruchs aus anderen Gründen kann zu einer „Gegenstandslosigkeit der Klage“ und damit zu einer Erledigung der Hauptsache führen.15 Die französische Sprachfassung der Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG ist ebenfalls nicht aussagekräftig, denn auch dort ist die Rede von „le recours est devenu sans objet“. Eine passende Formulierung für das hier gefundene Ergebnis ergibt sich jedoch aus der englischen Sprachfassung, die es mit der Formulierung „the action has become devoid of purpose“ erlaubt, auch diejenigen Fälle zu erfassen, die außerhalb einer Gegenstandslosigkeit der Klage im engeren Sinne liegen, sondern vielmehr aufgrund der Sinnlosigkeit des Klagebegehrens nicht weiterzuverfolgen sind. a) Gegenstandslosigkeit nach Klageerhebung Hinsichtlich der Umstände, die zu einem Entfallen des Klagegegenstandes führen, bestehen keine nennenswerten Unterschiede zu den nach deutscher und französischer Dogmatik anerkannten Ereignisse. aa) Aufhebung des Streitgegenstandes Der wohl häufigste Fall, der zu einer Gegenstandslosigkeit der Klage führt, ist die Aufhebung des angegriffenen Streitgegenstands nach Klageerhebung.16 Denkbar ist, dass die angegriffene Verordnung, Richtlinie oder der Beschluss in einem Zeitraum nach Klageerhebung durch den Erlass einer neuen Verordnung, Richtlinie 15 Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage, Rn. 69 hält es für falsch, bei Sinnverlust der Klage aus anderen Gründen von der Gegenstandslosigkeit und Erledigung der Hauptsache zu sprechen und schlägt daher vor, die Klage wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen. Anders dagegen EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-127/09, Abdulrahim  / ​ Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:2012:93, das trotz Aufhebung des Klagegegenstandes mit exnunc-Wirkung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage gegenstandslos und die Hauptsache damit erledigt ist, ebenso EuGH, Beschl. v. 08.03.1992, Rs. C-123/92, Lezzi Pietro / ​Kommission, Slg. 1993, I-809; beispielhaft für eine Erledigung wegen Interessenwegfalls etwa EuGH, Beschl. v. 11.11.1985, Rs. C-82/85, Eurasian Corporation / ​Kommission, Slg. 1985, 3603; Beschl. v. 18.01.1989, verb. Rs. C-167/87, C-168/87, C-28/88 u. C-123/88, OPAGAC / ​Kommission, Slg. 1989, 55; EuG, Beschl. v. 08.06.2005, Rs. T-151/03, Nuova Agricast / ​Kommission, Slg. 2005, II-1967; Urt. v. 02.07.2015, Rs. T-214/13, Typke / ​Kommission, ECLI:EU:T:2015:448; Beschl. v. 26.04.2016, Rs. T-221/08, Strack / ​Kommission, ECLI:EU:T:2016:242 Rn. 53–58. 16 Beispielhaft etwa EuG, Beschl. v. 14.03.1997, Rs. T-25/96, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und Hapag-Lloyd / ​Kommission, Slg. 1997, II-363 Rn. 12–20; Beschl. v. 28.05.1997, Rs. T-145/95, Proderec / ​Kommission, Slg. 1997, II-823 Rn. 26 f.; Urt. v. 19.01.2010, verb. Rs. T-355/04 u. T-446/04, Co-Frutta / ​Kommission, Slg. 2010, II-1 Rn. 45; zur Zurücknahme von Rechtsakten im Unionsrecht Ritleng, in: Schwarze (Hrsg.), L’état actuel et les perspectives du droit administratif européen, 251 und passim.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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oder eines Beschlusses ersetzt wird.17 Möglich ist auch, dass die zuständige Stelle ihre Entscheidung nachträglich zurücknimmt.18 bb) Zeitablauf Der Klagegegenstand entfällt auch dann, wenn er durch Zeitablauf seine Wirksamkeit verloren hat.19 In der Regel verliert der Klagegegenstand dadurch seine Wirkung für die Zukunft. cc) Wegfall des Regelungsobjekts oder Regelungssubjekts aus tatsächlichen Gründen Schließlich kann die Klage auch aus tatsächlichen Gründen gegenstandslos werden. Dazu ist beispielsweise der Wegfall des Regelungssubjekts zu zählen, etwa wenn nach Klageerhebung die Liquidation des Klägers beschlossen wird.20 Aus tatsächlichen Gründen entfallen kann auch das Regelungsobjekt des Klagegegenstandes, beispielsweise wenn der Bedarf für eine Ausschreibung entfallen ist.21 dd) Objektiver Interessenwegfall / ​Sinnlosigkeit des Klagebegehrens Von der Gegenstandslosigkeit der Klage wird selbst bei einer zunächst ablehnenden Entscheidung über eine Verwaltungsleistung gesprochen, die anschließend noch positiv beschieden wird. Häufig sind es Begehren von Unionsbürgern gerich 17 EuG, Urt. v. 16.12.2001, Rs. T-291/04, Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​ Kommission, Slg. 2011, II-8281 Rn. 95; Urt. v. 07.10.2009, Rs. T-420/05, Vischim / ​Kommission, Slg. 2009, II-3841 Rn. 58–61; Urt. v. 14.11.2013, Rs. T-456/11, ICdA u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:T:2013:594 Rn. 33–39; Urt. v. 26.10.2015, Rs. T-290/14, Portnov / ​Rat, ECLI:EU:T:​ 2015:806 Rn. 27–32. 18 EuGH, Beschl. v. 19.10.1983, Rs. C-75/83, Ferriere San Carlo / ​Kommission, Slg. 1983, 3123 Rn. 6–8; Beschl. v. 28.11.1985, Rs. C-19/85, Gregoire-Foulon / ​Parlament, Slg. 1985, 3771 Rn. 4 f.; Beschl. v. 08.03.1993, Rs. C-123/92, Lezzi Pietro / ​Kommission, Slg. 1993, I-809 Rn. 9; EuG, Urt. v. 24.10.1997, Rs. T-239/94, EISA / ​Kommission, Slg. 1997, II-1839 Rn. 34; Beschl. v. 14.03.1997, Rs. T-25/96, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und ­Hapag-​Lloyd  / ​Kommission, Slg. 1997, II-363; Urt. v. 14.09.1997, verb. Rs. T-480/93 u. T-483/93, Antillean Rice Mills u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, II-2305 Rn. 60 f.; Beschl. v. 24.03.2011, Rs. T-36/10, Internationaler Hilfsfonds / ​Kommission, Slg. 2011, II-1403 Rn. 50; Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-127/09, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:​2012:93 n. v.; Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-320/09, Planet / ​Kommission, ECLI:EU:T:2015:223 Rn. 28–32. 19 EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise u. Shanghai Adeptech Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 44. 20 EuG, Urt. v. 19.06.2009, Rs. T-269/03, Socratec / ​Kommission, Slg. 2009, II-88 Rn. 40; Urt. v. 28.10.2015, Rs. T-134/11, Al-Faqih u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:T:2015:812 Rn. 45 f. 21 EuG, Beschl. v. 13.06.1997, Rs. T-13/96, TEAM / ​Kommission, Slg. 1997, II-983 Rn. 28.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

tet auf den Zugang zu Dokumenten, die zunächst abgelehnt, nach Klageerhebung dann aber doch noch gewährt wurden.22 Das entspricht der Situation der deutschen Versagungsgegenklage. Dem Aufhebungsanspruch wird mit Erlass der positiven Entscheidung die Grundlage entzogen. Es handelt sich dabei um ein typisches Beispiel für den Fall eines objektiv sinnlosen Klagebegehrens. Die Rechtsprechung geht allerdings regelmäßig von einer in der positiven Entscheidung liegenden konkludenten Rücknahme der angegriffenen Entscheidung aus.23 In diesem Fall ist der Klagegegenstand tatsächlich entfallen. ee) Keine Gegenstandslosigkeit durch Vollzug des Angriffsgegenstands Da der Nichtigkeitsklage keine aufschiebende Wirkung zukommt, kann allein der Vollzug der Entscheidung nicht zu einer Gegenstandslosigkeit der Klage führen.24 Die Unionsgerichte halten dies nicht ausdrücklich fest. Sie gehen jedoch von einem bestehenden Rechtsschutzinteresse des Klägers aus, welches sich daraus ergebe, dass das Unionsorgan nach Art. 266 Abs. 1 AEUV verpflichtet sei, die Vollzugsfolgen zu beseitigen.25 Im Übrigen wäre es mit dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, in diesen Fällen gerichtlichen Rechtsschutz zu versagen.26 b) Gegenstandslosigkeit vor Klageerhebung Es ist allgemein anerkannt, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage entsprechend anzuwenden ist, wenn der streitige Verwaltungsakt nicht nach, sondern noch vor Klageerhebung erledigt ist, vorausgesetzt der Kläger kann ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse darlegen. Auch auf europäischer Ebene kann die Nichtigkeitsklage in Ausnahmefällen dann zulässig sein, wenn der fehlerhafte Rechtsakt zum Zeitpunkt der Klageerhebung seine Rechtswirkung bereits verloren hat, sofern der Kläger ein Rechtsschutzinteresse darlegen kann. Die Rechtsprechung selbst differenziert nicht zwischen dem Wirksamkeitsverlust des Klagegegenstandes vor oder nach Klageerhebung, sondern prüft schlichtweg das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses des Klägers. Die Umstände, die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung zu einem Entfallen des wirksamen Klagegegenstandes führen, unterscheiden sich 22 EuG, Urt. v. 23.11.2004, Rs. T-84/03, Turco / ​Rat, Slg. 2004, II-4061 Rn. 28–30.; Urt. v. 09.09.2011, Rs. T-29/08, LPN / ​Kommission, Slg. 2011, II-6021 Rn. 57. 23 EuG, Urt. v. 19.01.2010, verb. Rs. T-355/04 u. T-446/04, Co-Frutta / ​Kommission, Slg. 2010, II-1 Rn. 45. 24 EuG, Urt. v. 09.11.1994, Rs. T-46/92, Scottish Football / ​Kommission, Slg. 1994, II-1039 Rn. 14. 25 EuG, Urt. v. 14.09.1995, verb. Rs. T-480/93 u. T-483/93, Antillean Rice Mills u. a. / ​Kommis­ sion, Slg. 1995, II-2305 Rn. 59 f. 26 So auch Dittert, in: Kamann / ​Ohlhoff / ​Völcker (Hrsg.), Kartellverfahren u. Kartellprozess, § 14 Rn. 19.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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insoweit auch nicht von den Umständen, die nach Klageerhebung den Streitgegenstand entfallen lassen. aa) Zurücknahme des Streitgegenstandes oder Zeitablauf So wurde die Nichtigkeitsklage in der Rechtssache Apesco / ​Kommission zu einem Zeitpunkt erhoben, als die streitige Regelung bereits aus zeitlichen Gründen nicht mehr anzuwenden war. Damit war die Klage bereits vor Klageerhebung ohne wirksamen Klagegegenstand.27 Allerdings handelte es sich insoweit nur um einen ex-nunc-Wirksamkeitsverlust, der einer Fortführung des Verfahrens grundsätzlich nicht entgegensteht. bb) Wegfall des Regelungsobjekts oder Regelungssubjekts aus tatsächlichen Gründen Überwiegend sind es tatsächliche Gründe, die Zweifel am Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung aufkommen lassen. In der Rechtssache Simmenthal ergab sich die Gegenstandslosigkeit der Klage aus dem Umstand, dass die Entscheidung im öffentlichen Ausschreibungsverfahren bereits zugunsten eines anderen Teilnehmers erfolgte und der ursprünglichen Ausschreibung für das geplante Projekt nach Ausführung damit die Grundlage entzogen wurde.28 In der Rechtssache Könecke wurde das Ausschreibungsverfahren eingestellt, da es für das geplante Projekt an Bedarf fehlte und folglich überhaupt kein Auftrag mehr vergeben werden konnte.29 Von einer Gegenstandslosigkeit der Klage wurde des Weiteren auch noch ausgegangen, nachdem das von der Richtlinie betroffene Produkt bereits aus dem Verkehr gezogen wurde.30 Das Regelungssubjekt fehlte, da sich die Klägerin bereits vor Klageerhebung in Liquidation befand.31 2. Rechtsfolgen: Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG a) Gegenstandslosigkeit nach Klageerhebung Gem. Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG führt die Gegenstandslosigkeit der Klage zu einer Erledigung in der Hauptsache, denn grundsätzlich entfällt mit 27

EuGH, Urt. v. 26.04.1988, Rs. C-207/86, Apesco / ​Kommission, Slg. 1988, 2151 Rn. 16. So EuGH, Urt. v. 06.03.1979, Rs. C-92/78, Simmenthal / ​Kommission, Slg. 1979, 777 Rn. 31–33; ebenso EuG, Urt. v. 11.05.2010, Rs. T-121/08, PC-Ware Information Technologies  / ​ Kommission, Slg. 2010, II-1541 Rn. 31, 39. 29 So EuGH, Urt. v. 05.03.1980, Rs. C-76/79, Könecke / ​Kommission, Slg. 1980, 665 Rn. 9. 30 EuG, Urt. v. 26.01.2017, Rs. T-474/15, GGP Italy / ​Kommission, ECLI:EU:T:2017:36 Rn. 57. 31 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609. 28

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Wegfall des Angriffsgegenstandes auch das Bedürfnis für dessen Aufhebung.32 Die Rechtsprechung begründet die Erledigung der Hauptsache mit einem Verlust des Rechtsschutzinteresses.33 Dieses hat nicht nur im Zeitpunkt der Klageerhebung vorzuliegen, sondern muss darüber hinaus bis zur Verkündung des Urteils bestehen.34 Grundsätzlich kann von einem Entfallen des Klagegegenstands auf einen Verlust des Rechtsschutzinteresses des Klägers geschlossen werden.35 Sofern im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Rechtsschutzinteresse gegeben war, dieses allerdings aufgrund nachträglicher Umstände entfallen ist, führt der Verlust des Rechtsschutzinteresses nach Klageerhebung nicht zu einer Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit; in diesem Fall kommen die Regelungen der Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG zum Zuge.36 Auch im deutschen Verwaltungsprozessrecht werden die Gegenstandslosigkeit der Klage und die Erledigung der Hauptsache miteinander verknüpft.37 Zu einer Erledigung des Rechtsstreits mit der für die Beteiligten günstigeren Kosten­regelung nach § 161 Abs. 2 VwGO kommt es allerdings erst, wenn die Beteiligten die Erledigung auch erklären. Fehlt es an einer Erklärung des Klägers, wird die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abgewiesen.38 Damit wird auch auf nationaler Ebene die Gegenstandslosigkeit der Klage mit einem fehlenden Rechtsschutzinteresse in Beziehung gesetzt. Im Gegensatz zum Unionsrecht führt das Entfallen des Rechtsschutzinteresses im deutschen Recht allerdings zu einer Klageabweisung mit der Anwendung der Grundregel des § 154 Abs. 1 VwGO über die Kostenfolge. Das Unionsrecht sieht dagegen vor, dass die Erledigung der Hauptsache durch das mit dem Rechtsstreit betraute Gericht von Amts wegen nach Anhörung der Parteien erklärt werden kann, sofern es nach Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Rechtsschutzinteresse wegen Entfallens des Klagegegenstandes nicht mehr besteht, Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG. Stellt der zuständige Spruchkörper die Erledigung der Hauptsache von Amts wegen fest, wird das 32 So Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  263 AEUV Rn.  105; Frenz, HdB EuR, Bd. V, Rn. 2513; Kamann / ​Weinzierl, EuR 2016, 569 (576 f.). 33 EuGH, Urt. v. 07.06.2007, Rs. C-362/05 P, Wunenburger / ​Kommission, Slg. 2007, I-4333 Rn. 42; EuG, Urt. v. 22.03.2011, Rs. T-233/09 Access Info Europe / ​Rat, Slg. 2011, II-1073 Rn. 33; Urt. v. 05.10.2011, Rs. T-19/06, Mindo / ​Kommission, ECLI:EU:T: 2011:561, Slg. 2011, II-6795 Rn. 102; Urt. v. 20.06.2013, Rs. C-269/12 P, Cañas / ​Kommission, ECLI:EU:C:2013:415 Rn. 15. 34 EuGH, Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:​2018:​ 842 Rn. 38. 35 Kamann / ​Weinzierl, EuR 2016, 569 (573 f.). 36 Anschaulich insoweit GA Lagrange, Schlussantr. v. 28.10.1963, Rs. C-14/63, Forges de Clabecq / ​Hohe Behörde, Slg. 1963, 721 (810); GA Roemer, Schlussantr. v. 19.11.1955, verb. Rs. C-7/54 u. C-9/54, Groupement des industries sidérurgiques Luxembourgeoises / ​Hohe ­Behörde, Slg. 1955, 53 (130). 37 BVerwG, Urt. v. 14.01.1965 – Az.: I C 68/61, BVerwGE 20, 146 (149); Urt. v. 31.10.1990 – Az.: 4 C 7/88, BVerwGE 87, 62 (64 f.); BayVGH, Urt. v. 04.10.1985 – Az.: 23 B 84 A.28, NVwZ 1986, 1032. 38 Clausing, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, § 161 Rn. 12.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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Verfahren durch Beschluss beendet und die Rechtssache wird aus dem Register des zuständigen Gerichts gestrichen.39 Für eine Erledigungserklärung ist kein Antrag der Beteiligten notwendig.40 Das Gericht kann jederzeit die Erledigung der Hauptsache prüfen. Häufig wird es allerdings nach einem Hinweis der Beklagten zu einer Prüfung der Erledigung der Hauptsache übergehen.41 Eine dahingehende Erklärung beider Beteiligten darf allerdings nicht als übereinstimmende Erledigungserklärung ausgelegt werden, denn diese ist für Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage nicht vorgesehen, Art. 147 Abs. 2 VerfO-EuGH, Art. 124 Abs. 2 VerfO-EuG.42 Der Kläger kann allerdings die Beendigung des Verfahrens durch eine einseitige Klagerücknahme herbeiführen, Art. 148 VerfO-EuGH, Art. 125 VerfO-EuG.43 Sie stellt als actus contrarius gegenüber der Klageerhebung eine zulässige Klageänderung dar.44 Die Klagerücknahme führt zur Beendigung des Verfahrens und Beseitigung der Rechtshängigkeit. Durch Beschluss wird die Streichung der Rechtssache im Register angeordnet. Art. 148 VerfO-EuGH, Art. 125 VerfO-EuG enthalten einen Verweis auf die Kostenregelung nach Art. 141 VerfO-EuGH, Art. 136 VerfO-EuG, wonach nach dem jeweiligen Abs. 1 im schlimmsten Fall die Kosten vollständig von dem Kläger zu tragen sind. Wird hingegen die Erledigung der Hauptsache erklärt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach freiem Ermessen, Art. 137 VerfO-EuG, Art. 142 VerfO-EuGH. In die Kostenentscheidung sind Gründe und Umstände der jeweiligen Erledigung der Rechtssache einzubeziehen45. Auch die nach Sach- und 39 Vgl. beispielsweise EuG, Beschl. v. 06.03.2001, Rs. T-187/00, Gödecke / ​OHMI  – Teva Pharmaceutical (ACAMLO), Slg. 2001, II-859; Geppert, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 29 Rn. 7; Lenaerts / ​Maselis / ​Gutman, EU Procedu­ ral Law, Rn. 25.82; Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​EuG, Art. 137 ­VerfO-​ EuG Rn. 1. 40 GA Alber, Schlussantr. v. 29.05.2001, Rs. C-248/99 P, Frankreich / ​Monsanto und Kommission, Slg. 2002, I-1 Rn. 85. 41 Entweder in der Klagebeantwortung der Beklagten oder als Einrede oder Zwischen­urteil, vgl. Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 224; Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfOEuGH / ​EuG, Art. 131 VerfO-EuG Rn. 4. Beispielhaft für einen Hinweis durch die Beklagte EuGH, Urt. v. 10.05.2005, Rs. C-400/99, Italien / ​Kommission, Slg. 2005, I-3657 Rn. 15; EuG, Beschl. v. 22.05.2000, Rs. T-103/99, Associazione delle Cantine Sociali Vente / ​Bürgerbeauftragter und Parlament, Slg. 2000, II-4165 Rn. 15, 19; Beschl. v. 30.06.1998, Rs. T-73/97, BSC Footwear Supplies u. a. / ​Kommission, Slg. 1998, II-2619 Rn. 8 f. Der Hinweis kann selbstverständlich auch vom Kläger ausgehen, in diese Richtung EuGH, Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:842 Rn. 39. 42 Dem steht nicht entgegen, dass das Gericht die Erledigung der Klage feststellt, nachdem die Beteiligten die Erledigung übereinstimmend beantragt haben, vgl. EuG, Urt. v. 16.09.1998, Rs. T-28/95, IECC / ​Kommission, Slg. 1998, II-3597 Rn. 12 f. 43 Laut, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 27 Rn. 51; Neumann, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 21 Rn. 6. 44 Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 229; Wägenbaur, in: ders.(Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​ EuG, Art. 148 VerfO-EuGH Rn. 1, Art. 125 VerfO-EuG Rn. 1. 45 So etwa in EuGH, Beschl. v. 08.03.1993, Rs. C-123/92, Lezzi Pietro / ​Kommission, Slg. 1993, I-809 Rn. 13–15; EuG, Beschl. v. 24.03.2011, Rs. T-36/10, Internationaler Hilfsfond  / ​ Kommission, Slg. 2011, II-1403 Rn. 52–55.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Streitstand im Zeitpunkt der Erledigung absehbaren Erfolgsaussichten der Klage können eine Rolle spielen.46 Lassen sich die Erfolgsabsichten der Klage in diesem Stadium nicht sicher feststellen, werden die Kosten gegeneinander aufgehoben.47 Je nach Sach- und Streitstand, kann die Erledigung der Hauptsache für den Kläger also den günstigeren Weg darstellen. b) Gegenstandslosigkeit vor Klageerhebung Ein Rechtsschutzinteresse muss im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen. Fehlt es und befindet man sich damit in der Situation einer „Erledigung der Hauptsache vor Klageerhebung“ wird die Klage als unzulässig abgewiesen mit der Folge, dass der Kläger als unterliegende Partei gem. Art. 137 VerfO-EuGH, Art. 134 VerfO-EuG die Kosten zu tragen hat.48 Dies stellt einen wesentlichen Unterschied zur Rechtslage bei Erledigung nach Klageerhebung dar.49

II. Das fortbestehende Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung 1. Fortsetzung des Verfahrens aufgrund fortbestehenden Rechtsschutzinteresses Nach den Vorschriften des Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfO-EuG stehen das Entfallen des Klagegegenstandes nach Klageerhebung und die Erledigung der Hauptsache in einem inneren Zusammenhang. Zwingend ist der Schluss von der Gegenstandslosigkeit der Klage auf die Erledigung der Hauptsache allerdings nicht. Denn mit Entfallen des Klagegegenstandes muss nicht zwingend auch das Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen. Eine Fortsetzung des Verfahrens ist also möglich, soweit der Kläger weiterhin ein Rechtsschutzinteresse besitzt.

46

EuG, Beschl. v. 13.12.2002, Rs. T-81/01, Verdooodt u. Rademakers-Verdoodt / ​Kommission, Slg. 2002, II-5327 Rn. 5–10; Geppert, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 29 Rn. 18; Lasok’s European Court Practice and Procedure, 14.41; Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​EuG, Art. 137 VerfO-EuG Rn. 4. 47 EuGH, Beschl. v. 11.11.1985, Rs. C-82/85, Eurasian Corporation / ​Kommission, Slg. 1985, 3603 Rn. 15; Beschl. v. 18.01.1989, verb. Rs. C-167/87, C-168/87, C-28/88 u. C-123/88, ­OPAGAC / ​Kommission, Slg. 1989, 55 Rn. 10; EuG, Beschl. v. 17.10.2005, Rs. T-28/02, First Data u. a. / ​Kommission, Slg. 2005, II-4119 Rn. 55. 48 EuG, Urt. v. 19.01.2010, verb. Rs. T-355/04 u. T-446/04, Co-Frutta / ​Kommission, Slg. 2010, II-1 Rn. 41; Urt. v. 10.12.2010, verb. Rs. T-494/08, T-500/08 u. T-509/08, Ryanair / ​Kommission, Slg. 2010, II-5723 Rn. 41 f.; dazu Lenaerts / ​Maselis / ​Gutman, EU Procedural Law, Rn. 7.138. 49 Dieser Unterschied wird besonders deutlich in EuG, Urt. v. 11.05.2010, Rs. T-121/08, PC-Ware Information Technologies / ​Kommission, Slg. 2010, II-1541 Rn. 33–36, 39–41, wo zwischen Zulässigkeit einerseits und Gegenstandslosigkeit andererseits differenziert wird.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

145

a) Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung der Individualnichtigkeitsklage Nichtigkeitsklagen nichtprivilegierter Kläger nach Art. 263 Abs. 4 AEUV verlangen als ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung neben einer individuellen Beschwer ein Rechtsschutzinteresse des Klägers. Die Unionsgerichte bezeichnen es als eine „wesentliche Grundvoraussetzung für jede Klage“50. Von einem Rechtsschutzinteresse des Klägers ist auszugehen, wenn die Nichtigerklärung als solche Rechtswirkung hat und der Rechtsbehelf dem Kläger einen Vorteil verschaffen kann.51 Fehlt es, kommt es auf die restlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht mehr an und folglich kann auf eine weiterführende Prüfung verzichtet werden.52 Als Sachurteilsvoraussetzung der Nichtigkeitsklage nach Art  263 Abs. 4 AEUV hat es im Zeitpunkt der Klageerhebung vorzuliegen.53 Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich auch unschädlich, wenn der Klagegegenstand bereits vor Klageerhebung seine Wirkung verloren hat, soweit im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Rechtsschutzinteresse des Klägers festzustellen ist.54 Als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage hat der Kläger im Zeitpunkt der Klageerhebung den Nachweis eines bestehenden Rechtsschutzinteresses zu erbringen.55 Nach Klageerhebung können die Gerichte jederzeit von Amts wegen oder nach einer entsprechenden Rüge den Wegfall des anfänglich bestehenden Rechtsschutzinteresses prüfen.56 Dann steht es dem Kläger offen, Umstände darzulegen, die für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse sprechen.57 50 Jedenfalls für Individualklagen EuGH, Beschl. v. 31.07.1989, Rs. C-206/89, S. / ​Kommission, Slg. 1989, 2841 Rn. 8; EuG, Beschl. v. 30.04.2003, Rs. T-167/01, Schmitz-Gotha Fahrzeugwerke / ​Kommission, Slg. 2003, II-1873 Rn. 58; Urt. v. 14.04.2005, Rs. T-141/03, Sniace  / ​ Kommission, Slg. 2005, II-1197 Rn. 31. Fehlt es, kann auf die Prüfung einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Klägers verzichtet werden, denn dann kommt es darauf ohnehin nicht mehr an, EuG, Urt. v. 18.12.2003, Rs. T-326/99, Fern Olivieri / ​Kommission u. EMEA, Slg. 2003, II-6053 Rn. 66. 51 EuG, Urt. v. 19.09.2001, Rs. T-118/00, Procter & Gamble / ​HABM, Slg. 2001, II-2731 Rn. 12; Urt. v. 28.09.2004, Rs. T-310/00, MCI / ​Kommission, Slg. 2004, II-3253 Rn. 44; Beschl. v. 30.04.2007, Rs. T-387/04, EnBW Energie Baden-Württemberg / ​Kommission, Slg. 2007, II-1195 Rn. 96; Urt. v. 22.03.2011, Rs. T-233/09, Access Info Europe / ​Rat, Slg. 2011, II-1073 Rn. 33. 52 EuG, Urt. v. 25.06.2003, Rs. T-41/01, Pérez Escolar / ​Kommisison, Slg. 2003, II-2157 Rn. 47. 53 Vgl. etwa EuG, Urt. v. 30.04.1998, Rs. T-16/96, Cityflyer Express / ​Kommission, Slg. 1998, II-757 Rn. 30; Urt. v. 15.12.1999, Rs. T-22/97, Kesko / ​Kommission, Slg. 1999, II-3775 Rn. 55. 54 So etwa EuGH, Urt. v. 06.03.1979, Rs. C-92/78, Simmenthal / ​Kommission, Slg. 1979, 777 Rn. 31–33; Urt. v. 26.04.1988, Rs. C-207/86, Apesco / ​Kommission, Slg. 1988, 2151 Rn. 16; ebenso EuG, Urt. v. 11.05.2010, Rs. T-121/08, PC-Ware Information Technologies / ​Kommission, Slg. 2010, II-1541 Rn. 30 ff. 55 EuGH, Urt. v. 04.06.2015, Rs. C-682/13 P, Andechser Molkerei Scheitz / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2015:356 Rn. 27; Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:​ EU:C:2018:214 Rn. 38. 56 EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13; Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 38 f. 57 EuGH, Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:​ 214 Rn. 40.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

b) Entwicklung der Rechtsprechung Dass die Gegenstandslosigkeit der Klage nicht zwingend zu einer Beendigung des Rechtsstreits führen muss, wurde durch den EuGH in der Entscheidung zur Rechtssache Simmenthal anschaulich herausgearbeitet.58 Gegenstand der Klage war die Entscheidung der Kommission über die Nichtberücksichtigung des Kaufangebots der Klägerin für gefrorenes Rindfleisch. Da das Angebot der Klägerin unterhalb der festgesetzten Mindestpreise lag, wurde dieses durch die zuständige Interventionsstelle zugunsten anderer Teilnehmer abgelehnt. Die Klägerin ging gegen die Festsetzung der Mindestpreise durch die Kommission im Wege der Nichtigkeitsklage vor. Zwischenzeitlich wurde mit einem konkurrierenden Unternehmen allerdings ein Vertrag über die Fleischeinfuhr geschlossen und auch durchgeführt. Obwohl sich der Zuschlag nicht rückgängig machen ließ, dem Angebot der Klägerin damit die Grundlage entzogen wurde und eine rückwirkende Aufhebung der Kommissionsentscheidung an der Situation auch nichts mehr ändern konnte, sollte das Rechtsschutzinteresse des Klägers gleichwohl nicht entfallen sein: „Auch wenn die angegriffene Entscheidung bereits zugunsten anderer Teilnehmer der gleichen Ausschreibung durchgeführt sein sollte, behält die Klägerin doch ein Interesse an der Aufhebung dieser Entscheidung, sei es um eine angemessene Berichtigung ihrer Rechtssituation durch die Kommission zu erreichen, sei es, um die Kommission zu veranlassen, das Ausschreibungssystem für die Zukunft in geeigneter Weise zu ändern, falls festgestellt werden sollte, daß es bestimmten rechtlichen Forderungen nicht genügt.“59 Der Gerichtshof geht damit erstmals auf das Interesse des Klägers an der Klärung einer rechtlichen Fragestellung ein, um vergleichbare Rechtsstreitigkeiten in Zukunft zu vermeiden. Es dauerte nicht lange, bis auch ein Rechtsschutzinteresse zur Vorbereitung einer Haftungsklage anerkannt wurde. Nur ein Jahr nach der Entscheidung Simmenthal wurde in der Rechtssache Könecke / ​Kommission mit einem nahezu identischen Sachverhalt erneut die Frage nach dem Fortbestand des Rechtsschutzinteresses aufgeworfen. Auf die im Urteil Simmenthal herausgearbeitete Wiederholungsgefahr ging das Gericht nicht mehr ein. Stattdessen erklärte der Gerichtshof: „Mit dieser Einrede verkennt die Kommission die Verpflichtung, die sich für sie aus Art. 176 des Vertrages im Falle der Nichtigerklärung einer ihrer Handlungen ergibt. Nach dieser Vorschrift hat das Organ, dem das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergebenden Maßnahmen zu ergreifen’. Selbst wenn sich die Erfüllung dieser Verpflichtung aufgrund der Umstände als unmöglich erweisen sollte, so bestünde für die Nichtigkeitsklage als Grundlage einer möglichen Haftungsklage noch immer ein Interesse.“60

58

EuGH, Urt. v. 06.03.1979, Rs. C-92/78, Simmenthal / ​Kommission, Slg. 1979, 777 Rn. 32. Ebd., Rn. 32. 60 EuGH, Urt. v. 05.03.1980, Rs. C-76/79, Könecke / ​Kommission, Slg. 1980, 665 Rn. 9. 59

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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Damit standen die wesentlichen Gründe, die für ein fortbestehendes Rechtsschutz­ interesse sprechen können, fest. Sie wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten angewendet, angepasst, erweitert und geändert. Dass diese eine auffallende Ähnlichkeit zu den Fallgruppen des nationalen Fortsetzungsfeststellungsinteresses haben, ist ohne Weiteres erkennbar. Sie deshalb als identisch anzusehen, würde jedoch eine vorschnelle Folgerung darstellen, denn das nationale und europäische Rechtsschutzsystem können sich durchaus in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Von Interesse ist deshalb zunächst, welche Erwägungen auf Unionsebene angestellt werden, um die Fortsetzung des Verfahrens trotz Entfallens des Klagegegenstandes zu begründen. c) Begriffliche Klarstellung Die begriffliche Umschreibung mit „Rechtsschutzinteresse“ ist den Urteilen des Gerichtshofs in deutscher Sprache entnommen. In der Rechtssache Planet / ​ Kommission greift der EuGH auf die Formulierung „bestehendes und gegenwärtiges Interesse, das Rechtsschutz erforderlich gemacht habe“ zurück61, das insoweit dessen Zweck und Inhalt treffend wiedergibt. Nicht zu verwechseln ist das Rechtsschutzinteresse mit der Klageberechtigung des Klägers. Letztere verlangt, dass der Kläger durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen ist, wenn er nicht ohnehin Adressat der Entscheidung ist oder es sich um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt.62 Zur allgemeinen Verwirrung beitragen dürften allerdings die in den verschiedenen Rechtsordnungen verwendeten Begrifflichkeiten. Die Klageberechtigung im französischen Recht wird unter der Bezeichnung „intérêt à agir“ geführt.63 Wenn in der französischsprachigen Literatur zum EU-Eigenverwaltungsprozessrecht und der Rechtsprechung der Unionsgerichte von „intérêt à agir“ die Rede ist, ist dagegen das Rechtsschutzinteresse gemeint, wie es auch dem deutschen Verständnis entspricht.64

61 EuGH, Urt. v. 26.02.2015, Rs. C-564/13 P, Planet / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:124 Rn. 28, 34. 62 Vgl. zur Klageberechtigung natürlicher oder juristischer Personen etwa Dervisopoulos, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 52–88; Thiele, Europ. Prozessrecht, § 7 Rn. 36–84. Den Unterschied zwischen Klageberechtigung und Rechtsschutzinteresse hervorhebend EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 62. 63 Vgl. bereits 2. Kap. A. II. 2. 64 Darauf hinweisend auch van Raepenbusch, in: Mélanges en hommage à Vandersanden, 381 (385).

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

2. Entfallen des Klagegegenstandes mit ex-tunc- und ex-nunc-Wirkung und seine Folgen a) Hybrides Klagegerüst Die Unionsgerichte unterscheiden vereinzelt zwischen einem Entfallen des Klagegegenstandes mit ex-tunc- und ex-nunc-Wirkung.65 Da das Unionsrecht im Gegensatz zum französischen Recht die Fortsetzung des Verfahrens vorsieht, sofern der Kläger nur ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse darlegen kann, sind Parallelen zur deutschen Fortsetzungsfeststellungsklage nicht zu bestreiten. Allerdings ist die Nichtigkeitsklage nicht auf eine Rechtswidrigkeitsfeststellung gerichtet. Stattdessen bleibt die rückwirkende Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts weiterhin Ziel der Nichtigkeitsklage. Ein sinnvoller Anwendungsbereich besteht für die Nichtigkeitsklage daher nur, wenn der Rechtsakt seine Wirkung nicht vollständig, sondern lediglich für die Zukunft verloren hat und für eine Nichtigerklärung mit Wirkung für die Vergangenheit tatsächlich noch Raum ist.66 Entscheidend für die Fortführung des Verfahrens ist also die anhaltende beeinträchtigende Wirkung des Rechtsakts. Damit überschneiden sich auch die Anwendungsbereiche des französischen recours pour excès de pouvoir und der europäischen Nichtigkeitsklage mit einem wesentlichen Unterschied: In Frankreich entscheidet über die Fortsetzung des Verfahrens die nach objektiven Kriterien zu beurteilende anhaltende beeinträchtigende Wirkung des Rechtsakts. Auf Unionsebene bestimmt hingegen das individuelle Interesse des Klägers über die Fortführung des Verfahrens. Damit wurde ein hybrides Klagegerüst geschaffen, dass sich an Elementen aus der französischen und deutschen Rechtstradition bedient. Von erkennbarem Vorteil ist dies allerdings nicht. Im Gegenteil: Die Unionsgerichte haben sich somit selbst eine Schranke gesetzt, denn sinnvoll und technisch möglich ist eine Fortsetzung des Verfahrens damit nur bei einem Entfallen des Klagegegenstandes mit ex-nunc-Wirkung; eine Fortführung des Verfahrens nach Entfallen des Klagegegenstandes mit ex-tunc-Wirkung muss dagegen ausscheiden und dies selbst dann, wenn faktische Nachwirkungen vorhanden sind, die sich durch eine gerichtliche Aufhebung des Rechtsakts nicht beseitigen lassen.

65

EuG, Urt. v. 14.09.1995, Rs. T-480/93, Antillean Rice Mills u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, II-2305 Rn. 61; Beschl. v. 28.05.1997, Rs. T-145/95, Proderec / ​Kommission, Slg. 1997, II-823 Rn. 26. 66 EuG, Beschl. v. 14.03.1997, Rs. T-25/96, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und Hapag-Lloyd / ​Kommission, Slg. 1997, II-363 Rn. 19 f.; Beschl. v. 28.05.1997, Rs. T-145/95, Proderec / ​Kommission, Slg. 1997, II-823 Rn. 26 f.; Beschl. v. 17.09.1997, Rs. T-26/97, Antillean Rice Mills / ​Kommission, Slg. 1997, II-1347 Rn. 14–16; Urt. v. 19.01.2010, verb. Rs. T-355/04 u. T-446/04, Co-Frutta / ​Kommission, Slg. 2010, II-1 Rn. 45 f.

A. Das Rechtsschutzinteresse als Zulässigkeitsvoraussetzung  

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b) Grundsätzlich: Ex-nunc-Entfallen des Klagegegenstandes Konstruieren ließe sich die Fortführung des Verfahrens auch bei einem ex-​tunc-​ Entfallen des Klagegegenstandes. Selbst in diesem Fall kann ein gerichtliches Urteil für den Kläger im Vergleich zu einer Aufhebung durch das Unionsorgan selbst ohne Anerkennung der Rechtswidrigkeit seines Handelns oder eines Wirksamkeitsverlusts in sonstiger Weise (Zeitablauf, Bedingungseintritt etc.) die vorzugswürdigere Lösung sein. Die Gründe, die nach der Rechtsprechung für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse sprechen, lassen sich theoretisch auch bei einer Aufhebung des Klagegegenstandes für die Vergangenheit anführen. Dies gilt namentlich für das Rehabilitationsinteresse wie auch für eine Wiederholungsgefahr. Raum für ein kassatorisches Urteil bleibt allerdings lediglich bei einem Wirksamkeitsverlust ex nunc, nicht jedoch bei ex-tunc-Entfallen des Klagegegenstandes. Es verwundert daher nicht, dass die Unionsgerichte im Zusammenhang mit einem Entfallen des Klagegegenstandes in aller Regel von einer ex-nunc-Wirkung ausgehen.67 Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die ex-tunc-Rücknahme eines Rechtsakts grundsätzlich möglich ist. Denn obwohl die Verträge Vorschriften über die Rücknahme oder den Widerruf eines adressatenbezogenen Beschlusses, einer Richtlinie oder einer Verordnung nicht enthalten, erkennt die Rechtsprechung die Möglichkeit eines Widerrufs sowie einer Rücknahme grundsätzlich an.68 Eine rückwirkende Aufhebung rechtswidriger Beschlüsse ist folglich unter Abwägung der Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung möglich; dagegen ist eine rückwirkende Aufhebung rechtmäßiger begünstigender Beschlüsse ausgeschlossen.69 Die Unionsgerichte gehen darüber mehr oder weniger stillschweigend hinweg; auf die zeitliche Wirkung der Aufhebung eines Rechtsakts wird im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage höchst selten eingegangen. Sobald feststeht, dass die Wirksamkeit des Klagegegenstandes in irgendeiner Weise berührt wurde, wird unmittelbar das Rechtsschutzinteresse in Frage gestellt. Soweit ersichtlich wurde die Erledigung der Hauptsache bislang nicht wegen der 67

EuG, Urt. v. 13.12.1995, verb. Rs. T-481/93 u. T-484/93, Vereiniging van Exporteurs in Levende Varkens und Nederlandse Bond van Waaghouders van Levend Vee / ​Kommission, Slg. 1995, II-2941 Rn. 46. 68 Überblick bei Auby / ​Dutheil de la Rochère, Droit administratif européen, S. 483 f.; v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 396–412; Gundel, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 3 Rn. 99; Haratsch, EuR 1998, 387 und passim; Haratsch / ​Koenig / ​Pechstein, Europarecht, Rn. 440 f.; Lübbig, EuZW 2003, 233 (236); Rangnemalm, in: Mélanges en ­hommage à Schockweiler, 511 und passim; Ritleng, in: Schwarze (Hrsg.), L’état actuel et les perspectives du droit administratif européen, 251 und passim; Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht, S. 956–1000. 69 Grundlegend EuGH, Urt. v. 12.07.1957, verb. Rs. C-7/56 u. C-3/57 bis C-7/57, Algera u. a. / ​Assemblée commune, Slg. 1957, 81 (117–119); Urt. v. 22.03.1961, verb. Rs. C-42/59 u. C-49/59, S. N. U. P. A. T. / ​Hohe Behörde, Slg. 1961, 101 (172–174); Urt. v. 09.03.1978, Rs. C-54/77, Herpels / ​Kommission, Slg. 1978, 585 Rn. 37/41; für eine rückwirkende Änderung einer Verordnung etwa EuGH, Urt. v. 20.06.1991, Rs. C-248/89, Cargill / ​Kommission, Slg. 1991, I-2987 Rn. ­17–24.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

rückwirkenden Aufhebung des Klagegegenstandes, sondern ausschließlich wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses erklärt. Ungeachtet des französischen und deutschen Vorbilds, unterscheiden die Unionsgerichte nicht trennscharf zwischen der Gegenstandslosigkeit der Klage einerseits und einem fehlenden Rechtsschutzinteresse andererseits. 3. Funktion des Rechtsschutzinteresses Vereinzelt ist der pauschale Hinweis zu finden, dass die Darlegung des Rechtsschutzinteresses dem Ausschluss von Popularklagen diene.70 Da jedoch bereits durch die Anforderungen an die Klageberechtigung der Kreis der Kläger eingeschränkt wird, kann die Verhinderung von Klagen ausschließlich im öffentlichen Interesse zumindest nicht das primäre Anliegen des Rechtsschutzinteresses darstellen.71 Grundsätzlich gilt, dass zwischen Klageberechtigung einerseits und Rechtsschutzinteresse andererseits zu differenzieren ist. Die Klageberechtigung belegt die besondere Beziehung des Klägers zu der angegriffenen Unionshandlung, die es schließlich auch rechtfertigt, gerichtlichen Rechtsschutz einzufordern. Sie bestimmt sich nach der objektiven Wirkung des Rechtsakts, nicht jedoch nach der subjektiven Rechtsverletzung des Klägers.72 Das Rechtsschutzinteresse des K ­ lägers bezieht sich ebenfalls auf den Kläger, knüpft allerdings nicht an die Wirkung des Rechtsakts, sondern an die Wirkung des Nichtigkeitsurteils an. Nicht auszuschließen ist es daher, dass trotz Darlegung einer Klageberechtigung einem Kläger das Rechtsschutzinteresse fehlen kann, nämlich wenn sich das Nichtigkeitsurteil nicht positiv auf die Rechtsstellung des Klägers auswirkt.73 Unstreitig besteht jedoch ein enger Zusammenhang zwischen Klageberechtigung einerseits und Rechtsschutzinteresse andererseits. Von der beschwerenden Wirkung des Rechtsakts lässt sich grundsätzlich auf die Vorteilhaftigkeit seiner Aufhebung schließen.74 Die an die objektive Wirkung des Klagegegenstandes anknüpfende Klageberechtigung wird so durch ein aus der Klägerperspektive zu beurteilendes Rechtsschutzinteresse ergänzt. Entfällt der Klagegegenstand und damit seine beschwerende Wirkung nach Erhebung der Klage, ist der Vorteil einer 70 Beispielhaft etwa der Vortrag der Hohen Behörde in EuGH, Urt. v. 17.07.1959, verb. Rs. C-36/58, C-37/58, C-38/58, C-40/58 u. C-41/58, Simet u. a. / ​Hohe Behörde, Slg. 1959, 331 (361); GA Sharpstone, Schlussantr. v. 22.03.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills  / ​ Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 31; wohl auch van Raepenbusch, in: Mélanges en hommage à Vandersanden, 381 (385). 71 Vgl. zur Differenzierung zwischen Rechtsschutzinteresse und individueller Betroffenheit EuG, Urt. v. 08.03.2012, Rs. T-221/10, Iberdrola / ​Kommission, ECLI:EU:T:2012:112 Rn. 40. 72 Vgl. zu der objektiven Wirkung des Rechtsakts etwa Classen, VerwArch (88) 1997, 645 (674); Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 442. 73 GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2015:409 Rn. 27 f. 74 Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der EU, Rn. 667.

B. Konzeptsuche 

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Nichtig­erklärung allerdings nicht mehr indiziert. In der Regel wird der Kläger an der Weiterführung des gerichtlichen Verfahrens ohnehin kein Interesse mehr haben, da durch die außergerichtlichen Umstände bereits die Situation eingetreten ist, die er durch das Urteil angestrebt hat.75 Auch aus der Perspektive der Rechtsschutzinstanz ist die Fortführung des Verfahrens nicht selbstverständlich. Denn grundsätzlich ist in dieser Situation davon auszugehen, dass das gerichtliche Urteil keine Wirkung mehr entfalten kann. Für den Erlass einer gerichtlichen Entscheidung ist es nicht ausreichend, dass der Kläger sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt sehen möchte. Die Gerichte würden Gefahr laufen, zu einer schlichten Gutachteninstanz instrumentalisiert zu werden.76 Damit würden sie sich in Widerspruch zur grundlegenden Funktion als Rechtsschutzinstanz setzen. Andererseits sind Situationen denkbar, die trotz Entfallen des Klagegegenstandes eine Nichtigerklärung nicht nur wünschenswert, sondern auch erforderlich machen. Über die Darlegung eines Rechtsschutzinteresses lassen sich derartige Fälle von jenen unterscheiden, die eine gerichtliche Entscheidung als schlichte Rechtsauskunft nutzen wollen. Ein Rechtsschutzinteresse kann demnach nur angenommen werden, soweit das Urteil auf die Rechtsordnung noch Einfluss nehmen kann. In seiner Funktion dient das Rechtsschutzinteresse damit im Interesse einer geordneten Rechtspflege als Nachweis für die anhaltende Notwendigkeit eines Nichtigkeitsurteils.77 Nach Entfallen des Klagegegenstandes wird es zu dem entscheidenden Legitimationskriterium für die Zulässigkeit der Klage.

B. Konzeptsuche Die konzeptionell unterschiedliche Ausrichtung des deutschen und französischen Rechtsschutzmodells wirkt sich – wie dargestellt – auch auf die Ausgestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes aus. Gleichwohl sind in gewissem Umfang auch Überschneidungen erkennbar. Von Interesse ist deshalb, welche Umstände auf Unionsebene die Fortsetzung des Verfahrens trotz Entfallens des Klagegegenstandes rechtfertigen, welch grundlegende Wertentscheidung damit zum Ausdruck kommt und inwieweit sich dies mit der systematischen Ausrichtung des Rechtsschutzsystems auf Unionsebene deckt. In einem ersten Schritt sollen insofern Ziel und Zweck des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf Unionsebene einer näheren Untersuchung unterzogen werden.

75

EuGH, Urt. v. 08.03.1993, Rs. C-123/92, Lezzi Pietro / ​Kommission, Slg. 1993, I-809 Rn. 10. Lasok’s European Court Practice and Procedure, 7.14. 77 Ausdrücklich EuG, Urt. v. 30.09.2009, verb. Rs. T-192/01 u. T-245/04, Lior / ​Kommission, Slg. 2009, II-178 Rn. 247; Beschl. v. 04.12.2004, Rs. T-165/13, Talanton / ​Kommission, ECLI:​ EU:T:2014:1027 Rn. 34; Beschl. v. 17.10.2005, Rs. T-28/02, First Data u. a. / ​Kommission, Slg. 2005, II-4119 Rn. 36; GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u.  a.  / ​ Kommission, ECLI:EU:C:2015:409 Rn. 28. 76

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

I. Dezentraler Vollzug Es mag naheliegen, aus der Diskussion über einen Funktionswandel der ­deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit78, die vor allem durch die sekundärrechtlich angeordnete Einführung einer Umweltverbandsklage79 und der Erweiterung der deutschen Schutznormlehre durch unionsrechtliche Vorgaben80 gespeist wird, auf eine in erster Linie objektive Ausrichtung des europäischen Rechtsschutzsystems zu schließen. Nur mit Zurückhaltung sollte allerdings von einer systematisch einheitlichen Ausrichtung des Rechtsschutzsystems auf zentraler wie dezentraler Ebene ausgegangen werden. Zwischen der mitgliedstaatlichen Ebene und der Unionsebene bestehen zum Teil erhebliche Unterschiede in der Ausgestaltung des Rechtsschutzverfahrens. Nur als Beispiel kann das fehlende überindividuelle Klagerecht für Direktklagen im EU-Primärrecht angeführt werden. Mangels individueller Betroffenheit wurde in der Rechtssache Greenpeace die Klage eines Umweltverbands zurückgewiesen.81 Diese Rechtsprechungslinie behielt der EuGH selbst nach Inkrafttreten der Aarhus-Konvention bei.82 Eine systematische Betrachtung hat insoweit die unterschiedlichen Zweckerwägungen im Blick zu behalten. Die Rechtsprechung des EuGH zum mitgliedstaat­ lichen Vollzug versucht in erster Linie, die Übernahme europarechtlich vorgegebener Initiativberechtigungen in das nationale Prozessrecht sicherzustellen. Friktionen mit nationalem Recht sind hier vorprogrammiert, weil die effektive Durchsetzung des Unionsrechts im Vordergrund steht; Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz verlangen Anpassungen des nationalen Verwaltungsprozessrechts ungeachtet entgegenstehender nationaler Vorstellungen. Um eine möglichst unproblematische Integration der Vorgaben in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen gewährleisten zu können, ist der EuGH – auch unter Preisgabe dogmatischer und systematischer Fundiertheit – an einer entsprechend neutralen Formulierung interessiert83.84 Im Unterschied zum Unionsverwaltungsprozessrecht muss im Klage­system des 78

v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europ. Integration, S. 334 f.; Redeker, NJW 1997, 373 (374); Rennert, DVBl 2015, 793 (797 f.). 79 Mangold / ​Wahl, DV 48 (2015), 1 (18); Rennert, VBlBW 2015, 45 (46). 80 Zu den Divergenzen von nationalem subjektivem Recht und klagefähigen Unionsrechten etwa Dünchheim, Verwaltungsprozeßrecht unter europ. Einfluß, S. 121–162; Ehlers, Europ. des Verwaltungsprozeßrechts, S. 47–64. 81 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Rs. C-321/95 P, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Slg. 1998, I-1651 Rn. 14. 82 EuGH, Beschl. v. 05.05.2009, Rs. C-355/08 P, WWF-UK / ​Rat, Slg. 2009, I-73 Rn. 43; EuG, Beschl. v. 28.11.2005, Rs. T-236/04, EEB und Stichting Natuur en Milieu / ​Kommission, Slg. 2005, II-4945 Rn. 50–63; Beschl. v. 02.06.2008, Rs. T-91/07, WWF-UK / ​Rat, Slg. 2008, II-81 Rn. 72 f. 83 Nettesheim, AöR 132 (2007), 333 (341–343). 84 Die wesentlichen Unterschiede zwischen Primärrechts- und Sekundärrechtsebene erkennend Böcker, Wirksame Rechtsbehelfe zum Schutz der Grundrechte der EU, S. 42; Kokott, DV 31 (1998), 335 (362 f.); Ruthig, in: Kluth / ​Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungs­ prozessrecht, 35 (38).

B. Konzeptsuche 

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EU-Eigenverwaltungsprozessrechts einer besonderen Integrationsfähigkeit gerade nicht Rechnung getragen werden. Es ist daher auch festzustellen, dass für die Zulassungshürden vor den Unionsgerichten teilweise eine im Vergleich zu den Anfor­derungen gegenüber den Mitgliedstaaten strengere Auslegung gewählt wird.85 So entnimmt der EuGH dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes einerseits sehr weitreichende Vorgaben für die mitgliedstaatlichen Gerichte86, rückte aber zugleich nicht von seiner restriktiven Linie in Bezug auf die Klagebefugnis Einzelner nach Art. 230 Abs. 4 EGV ab87. Aufgrund ihrer Funktionsbedingungen muss zwischen der Rolle des EuGH auf horizontaler und vertikaler Ebene, zwischen EU-Eigen­ verwaltungsprozessrecht und Unionsverwaltungsprozessrecht differenziert werden.88 Trotz der dualen Struktur des europäischen Rechtsschutzsystems ist eine auf die Klagen des Primärrechts beschränkte systematische Betrachtung89 damit möglich, da selbst der EuGH nicht verlangt, dass ein nationales Rechtsschutzkonzept in seinen Grundzügen geändert wird und damit gerade nicht den Anspruch erhebt, sein eigenes Rechtsschutzkonzept auf die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu übertragen90. Die Rechtsschutzmöglichkeiten vor den mitgliedstaatlichen Gerichten lassen sich zwar nicht vollständig ausblenden. Aufgrund ihrer Auffangfunktion und dem Umstand, dass die Anzahl an möglichen Individualklagen auf Unionsebene nur gering veranschlagt ist, ließe sich dies ohnehin nur bedingt umsetzen. Wenn im Folgenden aber das Rechtsschutzsystem auf Primärebene einer näheren Untersuchung unterzogen wird, dann geht es vor allem darum, die Ausrichtung der Individualklagen, ihre Funktion und das damit verfolgte Rechtsschutzziel systematisch zu erfassen. Die Unionsgerichte nehmen dabei als „Universalgerichte“91 verschiedene Funktionen wahr.92 Während verfassungsrechtliche Verfahren naturgemäß objektive Zwecke verfolgen93, bildet sich in den für die Zwecke dieser Arbeit im 85

Dazu etwa Halfmann, VerwArch 91 (2000), 74 (91); Kadelbach, Allg. VerwR unter ­europ. Einfluß, S. 382 Fn. 456; zur Rechtslage vor Lissabon v. Danwitz, NJW 1993, 1108 (1114); ­Ehlers, VerwArch 84 (1993), 139 (156); Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 507 (519). 86 Beispielhaft zur Ausweitung der Klagebefugnis EuGH, Urt. v. 17.09.1997, Rs. C-54/96, Dorsch Consult Ingenieurgesellschaft / ​Bundesbaugesellschaft Berlin, Slg. 1997, I-4961 Rn. 46. 87 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Rs. C-50/00, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Slg. 2002, I-6677 Rn. 44. 88 Dies für das Verwaltungsrecht feststellend Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Baustein europ. Verwaltungsrechts, S. 13; Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, S. 186–192; a. A. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 140 f. 89 Der EuGH selbst greift insoweit auf den Begriff „Rechtsschutzsystem“ zurück und bezieht sich damit offenbar auf die Klagen des Primärrechts, vgl. EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Rs. C-294/83, Les Verts / ​Parlament, Slg. 1986, 1339 Rn. 23. 90 Schmidt-Aßmann / ​Schenk, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Einl. Rn. 109. 91 Everling, in: Festschrift Redeker, 293 (294). 92 So auch v. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europ. Integration, S. 178–181. 93 Dazu zählt etwa die Überprüfung der Vereinbarkeit von Sekundärrecht mit Primärecht, die Wahrung des institutionellen Gleichgewichts oder Kompetenzfragen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, dazu Rengeling / ​Kotzur, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann, HdB des Rechtsschut­ zes in der EU, § 4 Rn. 19; Rodríguez Iglesias, EuR 1992, 225–236; Schwarze, NJW 1992, 1065 f.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Mittelpunkt stehenden verwaltungsgerichtlichen Individualverfahren das spezifische Union-Bürger Verhältnis ab. Die Ausgestaltung dieser Verfahren bringt auch zum Ausdruck, in welchem Verhältnis Verwaltung und Gericht zueinanderstehen. Die Betrachtung darf daher nicht unberücksichtigt lassen, dass das zulässige Maß an gerichtlicher Kontrolle nicht zuletzt auch eine Frage der Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Institutionen ist. Im Widerstreit zwischen dem Recht auf eine umfassende gerichtliche Überprüfung einerseits (Art. 47 Abs. 1 GRCh) und der Anerkennung eines angemessenen Handlungsspielraums der Kommission andererseits obliegt es dem Gerichtshof in seiner besonderen Verantwortung als „Wahrer des Rechts“ (Art. 19 EUV) ein institutionelles Gleichgewicht herzustellen. Das kommt im Besonderen in der vielbeachteten Frage nach der Kontrolldichte des Gerichtshofs zum Ausdruck.94 Die in den Verträgen festgelegte Kompetenzverteilung zeigt sich aber auch am Regelungsgehalt des Art. 266 Abs. 1 AEUV95: Die Unionsgerichte sind auf die Nichtigerklärung des angegriffenen Rechtsakts beschränkt, die Umsetzung des Urteils obliegt allein dem beklagten Organ. Es ist ihnen damit ganz im Sinne der französischen Rechtstradition verwehrt, der Verwaltung gegenüber Handlungsanweisungen zu erteilen.96 Eine Verpflichtungsklage, wie sie das deutsche Recht kennt, ließe sich damit nur schwer vereinbaren. Auch ein Feststellungsurteil ist, jedenfalls soweit es allein zu dem Zweck ergeht, den Entscheidungsfindungsprozess der Verwaltung zu beeinflussen, nur schwer mit der klar abgegrenzten Aufgabenverteilung in Einklang zu bringen.

II. Objektive Rechtmäßigkeitskontrolle als normativer Ausgangspunkt Die Entscheidung für ein bestimmtes Kontrollkonzept ist zunächst als Auftrag an den Gesetzgeber zu verstehen.97 Will man also die konzeptionelle Ausrichtung des europäischen Rechtsschutzsystems nachzeichnen, muss dafür zuerst am normativen Bestand angesetzt werden. Ein Bekenntnis für ein bestimmtes Rechtsschutzmodell – vergleichbar Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG – wurde auf Unionsebene nicht getroffen. Am nächsten kommt dem noch Art. 19 Abs. 1 S. 2 EUV, der mit der Formulierung „Wahrung des Rechts“ eher auf den objektiv-rechtlichen Gehalt des Rechtsschutzauftrags hinweist.98 Demnach ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshof sicher 94 Fritzsche, CMLRev. 47 (2010), 361 (387); Schermers / ​Waelbroeck, Judicial Protection in the European Union, § 806. 95 Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 1; Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​ Hatje (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 2. 96 EuGH, Urt. v. 23.03.1993, Rs. C-314/91, Weber / ​Parlament, Slg. 1993, I-1093 Rn. 13; Urt. v. 01.04.1993, Rs. C-25/91, Pesqueras Echebastar / ​Kommission, Slg. 1993, I-1719 Rn. 14. 97 Für das deutsche Recht BVerfG, Beschl. v. 19.12.2012 – Az.: 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1 (23). 98 Deutlich zeigt sich dies in der Formulierung des EuGH, Urt. v. 31.03.1979, Rs. C-22/70, Kommission / ​Rat, Slg. 1971, 263 Rn. 38/42 „Diese Klage soll dazu dienen, gemäß der Vorschrift

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zustellen, dass das Handeln der Unionsorgane im Einklang mit dem Unionsrecht steht. Gerichtskontrolle, wie sie hier umschrieben ist, will in erster Linie die Beachtung des Unionsrechts gewährleisten, um die Wirksamkeit der Verträge sicherzustellen.99 Diese objektiv-rechtliche Prägung zeichnet sich auch im Klagesystem des Primärrechts mit seinen spezifischen Zulässigkeitsvoraussetzungen ab. 1. Klageberechtigung Zentrales Individualklageverfahren stellt auf Unionsebene die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV dar. Diese findet ihr Vorbild im französischen recours pour excès de pouvoir.100 Dies erklärt die objektiv ausgerichteten Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie Klagegründe der Nichtigkeitsklage. Für die Zulässigkeit der Klage wird eine individuelle und unmittelbare Betroffenheit des Klägers verlangt; die für ein subjektives Rechtsschutzsystem zentrale Rechtsverletzung ist nicht notwendig.101 Vielmehr ist bereits die Beeinträchtigung eines relevanten Interesses ausreichend und dies primär, um Popularklagen ausschließen zu können102. Der Initiativberechtigung nach zu urteilen ist die Individualnichtigkeitsklage als Interessenklage ausgestaltet.103 Auch für die Begründetheit der Klage wird eine subjektive Rechtsverletzung nicht verlangt.104 Stattdessen werden die in Art. 263 Abs. 2 AEUV abschließend aufgezählten objektiv-rechtlich gefassten Nichtigkeitsgründe gevon Artikel 164 die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags zu sichern.“ Der subjektive Rechtsschutzgedanke findet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung. Darauf hinweisend Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 153 Fn. 2; ebenso Bast, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 35 Rn. 12; Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europ. Verwaltungsverbund, S. 191 f.; Nowak, Europarecht nach Lissabon, 4. Teil Rn. 24; sehr deutlich auch Pechstein / ​Kubicki, in: Pechstein / ​ Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 1, Art. 19 EUV Rn. 17. 99 Frenz, HdB EuR, Bd. V, Rn. 2171; Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 3. 100 Dazu P. Becker, Der Einfluss des französischen Verwaltungsrechts, S. 1 ff.; Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 57–65; ders., NJW 1995, 2457 (2461); Everling, NVwZ 1987, 1 (9); ders., in: Festschrift Rodríguez Iglesias, 537 (539); Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 336; Rengeling, VVDStRL 53 (1994), 202 (215); Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht, S. 5; zu den mittlerweile erfolgten Änderungen im französischen Verwaltungsgerichtsverfahren Everling, in: Festschrift Starck, 535 (546–548). 101 Siehe zu den Anforderungen an die Betroffenheit des Klägers EuGH, Urt. v. 31.03.1977, Rs. C-88/76, Exportation des sucres / ​Kommission, Slg. 1977, 709 Rn. 9/12; Urt. v. 11.11.1982, Rs. C-60/81, IBM / ​Kommission, Slg. 1981, 2639 Rn. 16–25. 102 Andeutungsweise EuGH, Urt. v. 31.03.1977, Rs. C-88/76, Exportation des sucres / ​Kommission, Slg. 1977, 709 Rn. 8 f.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 889; Borchardt, in: Lenz / ​Borchardt (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 33; Dervisopoulos, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 56; Kotzur, in: Geiger / ​Khan / ​Kotzur (Hrsg.), Art.  263 AEUV Rn. 6; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 449; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​ Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  263 AEUV Rn.  39; Thiele, Europ. Prozessrecht, Rn. 39. 103 Wahl, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 122. 104 Darauf hinweisend Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 9 Rn. 4 Fn. 11.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

prüft. Auch die Untätigkeitsklage natürlicher und juristischer Personen (Art. 265 Abs. 3 AEUV) weist objektive Kontrollelemente auf. Die Rechtsprechung greift für die Klageberechtigung auf die Kriterien zurück, die für die Nichtigkeitsklage entwickelt wurden.105 Die Klage ist bereits dann begründet, wenn objektiv eine „Verletzung der Verträge“ (Art. 265 Abs. 1 AEUV) festzustellen ist; auf eine subjektive Rechtsverletzung kommt es nicht an. Insbesondere die Nichtigkeitsklage weist insoweit vielfältige Parallelen zum französischen recours pour excès de pouvoir auf. 2. Stellung des Klägers Der Kläger wird vor den Unionsgerichten jedoch nicht als ausschließlich derjenige angesehen, der die Verwaltungskontrolle veranlasst. Zwar ist es dem Kläger einer Nichtigkeits- bzw. Untätigkeitsklage nach Art. 147 Abs. 2 VerfO-EuGH, Art. 124 Abs. 2 VerfO-EuG nicht möglich, durch eine außergerichtliche Einigung die Verfahrensbeendigung herbeizuführen, weil das Ziel einer Rechtmäßigkeitskontrolle nicht der Disposition des Klägers unterliegen dürfe.106 Aus diesem Grund verbietet es sich auch, eine beiderseits erklärte Erledigung als übereinstimmende Erledigungserklärung auszulegen.107 Andererseits wird es dem Kläger nicht versagt, die Klage zurückzunehmen, Art. 148 VerfO-EuGH, Art. 125 VerfO-EuG oder die Erledigung der Klage herbeizuführen, Art. 149 VerfO-EuGH, Art. 131 VerfOEuG. Insoweit steht ihm die Möglichkeit offen, über die von ihm erhobene Klage zu disponieren. An dieser Stelle ist auch darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit einer Klagerücknahme (le désistement) selbst im französischen Verwaltungsprozessrecht vorgesehen ist, vgl. Art. 636–1 CJA. Eine eindeutige Aussage hinsichtlich der systematischen Ausrichtung des Klagesystems kann daher daraus nicht abgeleitet werden. 3. Wirkung des Urteils Als wenig aussagekräftig erweist sich außerdem der Verweis auf die erga-­omnesWirkung der Nichtigerklärung. Unstreitig wird eine erga-omnes-Wirkung der Nichtigerklärung von Unionsrechtsakten mit allgemeiner Geltung angenommen.108 Dies 105

Vgl. etwa Dervisopoulos, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 8 Rn. 34; Pechstein, in: ders. / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 265 AEUV Rn. 51, 53 jeweils unter Verweis auf die Ausführungen zur Nichtigkeitsklage. 106 Frenz, HdB EuR, Bd. V, Rn. 2514; Laut, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 27 Rn. 50; Neumann, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 21 Rn. 6; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 228. 107 Vgl. 3.  Kap. A. I. 2. a). 108 Vgl. statt vieler Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 3; Cremer, in: Calliess / ​ Ruffert (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 3.

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lässt sich als Wesensmerkmal eines objektiven Verfahrens anführen.109 Allerdings geht die wohl überwiegende Auffassung davon aus, dass sich die Wirkung der Nichtigerklärung in Bezug auf individualadressierte Beschlüsse nur auf die jeweiligen Adressaten (inter partes) beschränke.110 In Fällen der Drittanfechtung würde der Aufhebung des Beschlusses damit zwar nur Wirkung zwischen den am Rechtsstreit Beteiligten zukommen. Da sich aber die Aufhebung des Beschlusses im Verhältnis zum Adressaten automatisch auch, zumindest faktisch, auf die Rechtsstellung des Dritten auswirkt, ist der Unterschied zwischen inter-partes- und erga-omnes-Wirkung letztlich als sehr gering zu veranschlagen.111 4. Kontrollbefugnisse Die Unionsgerichte besitzen wie vormals der Conseil d’État ausschließlich Kassationsbefugnisse; es ist ihnen verwehrt, der Verwaltung Handlungsanweisungen zu erteilen.112 Das entspringt in erster Linie der Idee des Gewaltenteilungsgrundsatzes113: Den Unionsgerichten ist funktional die rechtsprechende Aufgabe übertragen; sie ist von den exekutiven und legislativen Aufgaben klar zu trennen.114 Daher gilt es auch tunlichst zu vermeiden, dass sich die Gerichte an die Stelle der Verwaltung oder des Gesetzgebers setzen könnten. Im Individualrechtsschutzsystem überwiegt demgegenüber das Bestreben, ein rechtswidriges Unterlassen der Verwaltung zugunsten der Rechte des Einzelnen beseitigen zu können. Die Kassationsbefugnis der Gerichte wäre in einer derartigen Situation nicht zielführend. Aus diesem Grund ist im deutschen Verwaltungsprozessrecht die Verpflichtungsklage vorgesehen.115 Auf Unionsebene besteht hingegen lediglich die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit eines Unterlassens im Wege der Untätigkeitsklage nach

109 Nach französischem Recht wirkt die Aufhebung der Verwaltungsentscheidung aufgrund des objektiven Charakters des recours pour excès de pouvoir ohne Ausnahme gegenüber jedem (erga omnes), vgl. Gohin / ​Poulet, Contentieux administratif, Rn. 445. 110 Dafür Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 3; Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​ Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art.  264 AEUV Rn.  3; Pache, in: Vedder / ​Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 3; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art. 264 AEUV Rn. 4. Zum Teil wird eine erga omnes Wirkung der Nichtigerklärung auch für an einen bestimmten Adressaten gerichteten Beschluss angenommen Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art.  264 AEUV Rn.  3; Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  264 AEUV Rn. 7. Relevanz kommt dem Streit insbesondere für gleichlautende Beschlüsse, die gegenüber Dritten erlassen wurden, zu. 111 Dazu Pechstein, in: ders. / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 264 AEUV Rn. 5. 112 Zur Rechtslage in Frankreich Woehrling, NVwZ 1985, 21 (22). 113 Gleichwohl kann von der Gewaltentrennung im klassischen Sinne auf Unionsebene mangels Staatlichkeit nicht gesprochen werden. 114 Schmidt, in: Schöbener (Hrsg.), Europarecht, Rn. 1515 f. 115 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Wahl, in: Schoch / ​Schneider / ​Bier (Hrsg.), VwGO, Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 8.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Art. 265 AEUV gerichtlich festzustellen. Sie wird gemeinhin auch als (objektives) Beanstandungsverfahren bezeichnet116. 5. Wirksamkeit des Rechtsschutzes Im Unionsrecht besitzen Klagen – im Gegensatz zum deutschen Verwaltungs­ prozessrecht  – keine aufschiebende Wirkung, Art. 278 AEUV. Gleiches gilt im Rechtsmittelverfahren, Art. 60 EuGH-Satzung. Dem französischen Vorbild folgend117, besteht im Unionsrecht grundsätzlich eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns, solange ein Gericht nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt118. Dem Vollzugsinteresse, genauer dem Interesse an der Kontinuität der Verwaltungsarbeit119, wird damit ein Übergewicht gegenüber einem Suspensivinteresse des Klägers eingeräumt. 6. Schadenersatzklage Neben Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage, besteht mit Art. 268 AEUV die Möglichkeit, Schadenersatzansprüche gegen die Union gem. Art. 340 Abs. 2 und 3 AEUV gerichtlich durchzusetzen. Die Klagemöglichkeit ergänzt insoweit das Klagesystem und dient in erster Linie dem individuellen Rechtsschutz des Betroffenen gegen Handlungen der Union.120 7. Beibringungsgrundsatz Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich besteht auf Unionsebene keine generelle Amtsermittlungspflicht der Unionsgerichte, d. h. grundsätzlich haben es die Parteien in der Hand, den erforderlichen Tatsachenstoff vorzutragen. Dem Einzelnen wird damit eine nicht unerhebliche Mitwirkungspflicht auferlegt. Allerdings besteht gemäß Art. 24 ff. Satzung- EuGH, Art. 63 ff. VerfO-EuGH die Möglichkeit, den Tatsachenstoff und die Beweismittel von Amts wegen zu erheben.121 116

So Thiele, Europ. Prozessrecht, § 8 Rn. 5 f., der insoweit aber zwischen objektivem (Art. 265 Abs. 1 AEUV) und subjektivem (Art. 265 Abs. 3 AEUV) Beanstandungsverfahren unterscheidet. 117 Estler, Zur Effektivität des einstweiligen Rechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, S. 52; Frenz, HdB Europarecht, Bd. V, Rn. 3593; Schwarze, DVBl 1987, 1037 und passim; Stoll / ​­Rigod, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  278 AEUV Rn.  1. 118 EuGH, Urt. v. 15.06.1994, Rs. C-137/92 P, Kommission / ​BASF u. a., Slg. 1994, I-2555 Rn. 48. 119 Gebhardt, VBlBW 2007, 1 (7) spricht von der „Furcht vor einer Blockierung der Verwaltung“; Sommermann, in: R. P. Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 189 (195 f.); Wägenbaur, EuZW 1996, 327. 120 Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 268 AEUV Rn. 3; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 670. 121 Dazu Neumann, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 21 Rn. 8.

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8. Fazit Der Einfluss der französischen Rechtstradition auf das unionale Rechtsschutzsystem ist nicht zu verkennen. Eine eindeutige Entscheidung für ein objektives Kontrollsystem kann dem jedoch – insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch in Frankreich keine Umsetzung des Idealmodells erfolgte122 – nicht entnommen werden. Vielmehr sind sowohl Unterschiede wie auch Gemeinsamkeiten mit deutschem und französischem Konzept auszumachen. Die Unionsgerichte haben beispielsweise die in den letzten Jahren erfolgten Erweiterungen der Rechtsschutzmöglichkeiten in Frankreich nicht nachvollzogen. So etwa sind Zahlungs- und Leistungsklagen in Frankreich nunmehr über das Mittel der „injonctions“ möglich123; die Befugnisse der Unionsgerichte sind nach wie vor auf die Kassation der angegriffenen Entscheidung begrenzt.124 Im Gegensatz zur deutschen Verwaltungsgerichtsordnung ist auf Unionsebene keine übereinstimmende Erledigungserklärung oder Verpflichtungsklage vorgesehen. Dafür gilt vor den Unionsgerichten der Beibringungsgrundsatz, der eher Ausfluss einer subjektiven Rechtsschutzausrichtung ist. Eine eindeutige Zuordnung zu einem subjektiven oder objektiven Rechtsschutzmodell ist insoweit nicht möglich. Vielmehr sind Elemente beider Konzepte verwirklicht und insoweit auch vielfältige Überschneidungen mit deutschen und französischen Verfahrenselementen festzustellen.

III. Bedeutungszuwachs des Individualrechtsschutzes 1. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes in der Rechtsprechung des EuGH Bislang unberücksichtigt geblieben ist die Rechtsprechung und damit das Prozessrecht in seiner praktischen Anwendung. Dabei hat der Gerichtshof bereits früh das Bewusstsein für den Schutz der individuellen Rechte des Einzelnen geschärft125 und das Recht des Einzelnen auf einen effektiven Rechtsschutz als all-

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Vgl. 2.  Kap. A. II. 2. Ausführlich dazu Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, S. 178–223. 124 Everling, in: Festschrift Starck, 535 (546–552). 125 Vgl. Barents, CMLRev. 51 (2014), 1437 (1448); Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 31–34; ders., NJW 1995, 2457 (2462 f.); ders., VerwArch 88 (1997), 645 (671–674); v. Danwitz, in: Magiera / ​Sommermann (Hrsg.), Verwaltung in der EU, 121 (131); Drewes, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der EG, S. 116–123; Everling, in: Festschrift Rodríguez Iglesias, 537 (539); Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europ. Verwaltungsverbund, S. 188–199; Kokott, StudZR 2008, 3 (7–11, 12–17); Pliakos, Le principe général de la protection juridictionelle efficace en droit communautaire, S. 181; Schwensfeier, Individual’s access to justice under Community Law, S. 7 ff.; Woehrling, in: Schwarze (Hrsg.), L’état actuel et les perspectives du droit administratif européen, 297 (310 f.). 123

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

gemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt.126 Der Gewährleistungsgehalt wurde im Wege der wertenden Rechtsvergleichung aus den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und den völkerrechtlichen Verträgen sowie den Verfahrensgarantien der Art. 6 und Art. 13 EMRK bestimmt.127 Nunmehr hat es mit Art. 47 Abs. 1 GRCh seine Kodifizierung erfahren. Die Vorschrift garantiert ein Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen Akte der Unionsorgane, die unionsrechtlich garantierte Rechte und Freiheiten verletzen und könnte sich damit wie Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als Entscheidung für eine Verletztenklage interpretieren lassen.128 Gewährleistet wird die umfassende Überprüfung des Unionshandelns und damit korrespondierend die Möglichkeit einer wirksamen Beseitigung der Rechtsverletzung.129 Der Gerichtshof hat dazu wiederholt betont, dass das Unionsrecht von einem umfassenden System des Rechtsschutzes ausgeht, welches die Eröffnung des Zugangs zur gerichtlichen Kontrolle für die Überprüfung jeglicher Handlungen der Organe vorsieht.130 Rechtsschutzlücken gilt es insoweit zu vermeiden. Last geht sogar so weit und entnimmt Art. 47 Abs. 1 GRCh eine „Grundentscheidung in Richtung eines subjektiv-rechtlich geprägten Rechtsschutzsystems“131. 2. Einfluss der Rechtsschutzgarantie auf das Prozessrecht Der Subjektivierungstrend hat also durch die Kodifizierung des Art. 47 Abs. 1 GRCh nochmals seine Bestätigung gefunden. Die objektiv-rechtliche Ausprägun­gen der europäischen Klagearten wurde dadurch subjektiv aufgewertet und verstärkt.132 126 EuGH, Urt. v. 15.05.1986, Rs. C-222/84, Johnston / ​Chief Constable of the Royal Ulster Constbulary, Slg. 1986, 1651 Rn. 19; zur Entwicklung v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 281; Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europ. Verwaltungsverbund, S. 188–190; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 200–205. 127 EuGH, Urt. v. 15.05.1986, Rs. C-222/84, Johnston / ​Chief Constable of the Royal Ulster Constbulary, Slg. 1986, 1651 Rn. 18. 128 Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 144; in diese Richtung auch Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 21–23. 129 Allkemper, Der Rechtsschutz des einzelnen, S. 43; Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im  Europ. Verwaltungsverbund, S. 197; Nowak, in: ders. / ​Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und WTO, 47 (49); ders., in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 13 Rn. 6. 130 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Rs. C-294/83, Les Verts / ​Parlament, Slg. 1986, 1339 Rn. 23; Urt. v. 04.10.1991, Rs. C-70/88, Parlament / ​Rat, Slg. 1990, I-2041 Rn. 23; Urt. 22.10.1987, Rs. C-314/85, Foto-Frost / ​Hauptzollamt Lübeck-Ost, Slg. 1987, 4199 Rn. 16–20; dazu auch Schwarze, in: Festschrift Starck, 645 f. 131 Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 144; in diese Richtung auch Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 21–23; Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, S. 312. 132 So Frenz, Europarecht, Rn. 1310; Rengeling / ​Kotzur, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 4 Rn. 2; P. M. Huber, in: Streinz (Hrsg.), Art. 19 EUV Rn. 18; Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 133–146.

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Damit steht allerdings noch nicht fest, inwieweit sich die Bedeutung des subjektiven Rechtsschutzes in der Anwendungspraxis auch tatsächlich niederschlägt. a) Individualrechtsschutz als Auslegungspostulat Art.  47 Abs. 1  GRCh enthält ein einklagbares Recht, ist insoweit Leistungsgrundrecht und besitzt nicht bloßen Grundsatzcharakter im Sinne des Art. 52 Abs. 5 GRCh.133 Bereitzustellen sind also Klagemöglichkeiten, damit der Einzelne von der Rechtsschutzgarantie auch tatsächlich Gebrauch machen kann. Die Vorstellung, die Rechtsschutzgarantie durch einfachrechtliche Verfahrensnormen auszugestalten, entstammt dem deutschen Recht: Die Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gibt den Rechtsschutzstandard vor; die Ausgestaltung des gesamten Verwaltungsgerichtssystems hat sich an ihr zu orientieren. Die subjektiven Rechte des Klägers stehen im Mittelpunkt; sie bilden den Bezugspunkt, an dem sich das einfache Recht ausrichtet. Ein signifikanter Unterschied zum nationalen Recht ergibt sich daraus, dass sich die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 Abs. 1 GRCh und die Verfahrensarten mit ihren Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Art. 251 ff. AEUV normenhierarchisch auf der gleichen Stufe befinden.134 Art. 47 Abs. 1 GRCh wirkt insoweit nicht als höherrangiges Recht auf die einfachrechtlichen Verfahrensvorschriften ein. Den Erläuterungen des Präsidiums zu Art. 47 Abs. 1 GRCh zufolge soll mit der Aufnahme der Rechtsschutzgarantie in die Charta der Grundrechte der Europäischen Union „das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere nicht die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Union“135 geändert werden. Keineswegs folgt daraus jedoch die Bedeutungslosigkeit der Rechtsschutzgarantie.136 Denn zum einen ist der Gehalt des Art. 47 Abs. 1 GRCh, soweit es um die Durchführung oder den Vollzug von Unionsrecht geht, für die Rechtsschutzmöglichkeiten vor mitgliedstaatlichen Gerich­ten zu beachten.137 Zum anderen – und das scheint auch der Europäische 133 Blanke, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 47 GRCh Rn. 5; Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 3; Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 63–68; Schmittmann, Rechte und Grundsätze in der GRCh, S. 128 f; zur Unterscheidung zwischen Rechten und Grundsätzen Schwerdtfeger, in: Meyer / ​Hölscheidt (Hrsg.), GRCh, Art. 52 Rn. 25. 134 Vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV. 135 Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/29. 136 So aber R. P. Schenke, in: Festschrift Knemeyer, 365 (378); wohl auch Mahlmann, Cardozo J. Int’l&Comp. L. 11 (2003–2004), 903 (933 f.). 137 So bereits EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Rs. C-263/02 P, Kommission / ​Jégo-Quéré, Slg. 2004, I-3425 Rn. 31; Beschl. v. 19.04.2005, Rs. C-521/04 P, Tillak / ​Kommission, Slg. 2005, 3103 Rn. 38; Gundel, in: Ehlers (Hrsg.), Europ. GR und Grundfreiheiten, § 27 Rn. 51; Hilf, Sonderbeilage zu NJW, EuZW, NVwZ und JuS 2000, 5 (6); Huber, Recht der Europ. Integration, § 8 Rn. 58; Lenaerts, EuR 2012, 3 (6); Rademacher, JuS 2018, 337 (338); R. P. Schenke, in: Festschrift W.-R. Schenke, 305 (320 f.); Schulte, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, S. 171.

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Konvent so zu sehen, wenn er das System des gerichtlichen Rechtsschutzes der Union, wie es heute vorhanden ist, bestätigt138 – ist nicht davon auszugehen, dass Art. 47 Abs. 1 GRCh und Art. 251 ff. AEUV unverbunden nebeneinander stehen. Vielmehr wird damit zum Ausdruck gebracht, dass die Verfahren vor dem EuGH und damit allen voran die Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV den Zweck erfüllen, der Rechtsschutzgarantie Gehalt zu verleihen. Nur durch die Regelungen des Art. 251 ff. AEUV ist der Einzelne überhaupt erst in der Lage, Individualrechtsschutz bei Verletzungen seiner unionalen Rechte zu erlangen. Art. 47 Abs. 1 GRCh soll insoweit nicht zu einer Änderung oder einem Absehen von den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klagen führen. Weil die Vorschriften aber in einem inneren Zusammenhang zueinander stehen, sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechend ihrem Zweck, einen möglichst effektiven Individualrechtsschutz zu garantieren, auszulegen und anzuwenden.139 Damit kommt dem Streben nach einer effektiven Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems als allgemeines Unionsprinzip ein überschießender Gehalt insoweit zu, als dieses Ziel in den Einzelnormen der Verträge nicht deutlich zum Ausdruck kommt. Bezeichnend ist insoweit der Begriff der prinzipienorientierten Auslegung.140 Im Unterschied zum deutschen Recht soll Art. 47 Abs. 1 GRCh allerdings nicht in der Lage sein, das primärrechtliche Prozessrecht der Art. 251 ff. AEUV in seinen Grundfesten zu verändern oder anzupassen.141 Wirkung vermag Art. 47 Abs. 1  GRCh damit nur innerhalb der Grenzen der bereits vorhandenen Klagen mit ihren spezifischen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu entfalten. aa) Restriktive Auslegung Der nur begrenzte Einfluss wurde besonders in der ­Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores deutlich. Der EuGH sah sich gehindert, der Auffassung des EuG142 zu folgen, da die Unionsgerichte mit einem Verzicht auf die „individu 138

Erläuterungen zur Charta der Grundrechte, ABl 2007 C 303/29 „Der Europäische Konvent hat sich mit dem System des gerichtlichen Rechtsschutzes der Union, einschließlich der Zulässigkeitsvorschriften, befasst und hat es mit einigen Änderungen, die in die Artikel 251 bis 281 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und insbesondere in Artikel 263 Absatz 4 eingeflossen sind, bestätigt.“ 139 So dezidiert Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 110– 113, ebenso Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 57. Von einer Auslegung „im Lichte von Art. 47“ ausgehend Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 16, 25; Nowak, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), HdB der Europ. GR, § 55 Rn. 45; Rade­ macher, JuS 2018, 337 (338); Schonard, in: Lenz / ​Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar, Art. 47 GRCh Rn. 10; zweifelnd Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 18. 140 Bast, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 35 Rn. 33. 141 Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der EU, S. 110–113. 142 EuG, Urt. v. 03.05.2002, Rs. T-177/01, Jégo-Quéré / ​Kommission, Slg. 2002, II-2365 Rn. 47; ebenso Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 25; einschränkend Magiera, in: Merten / ​ Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 161 Rn. 69, demzufolge Änderungen oder Ergänzungen des Rechts-

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elle Betroffenheit“ des Klägers ihre Kompetenzen überschreiten würden.143 Dem Anspruch an effektiven gerichtlichen Rechtsschutz müsste in jenen Fällen vor den mitgliedstaatlichen Gerichten Rechnung getragen werden. Ob dadurch eine Rechtsschutzlücke entstanden ist, beurteilt sich auch danach, wie effektiv die Mitgliedstaaten ihren Rechtsschutzauftrag erfüllen.144 Das muss an dieser Stelle allerdings nicht weiter erörtert werden, da es hier um die systematische Ausrichtung der Individualklagen auf Unionsebene geht und damit darum, welche Bedeutung die Unionsgerichte dem Individualrechtsschutz beimessen. Eine Absage an den Individualrechtsschutz wurde mit dieser Entscheidung gerade nicht getroffen, die Aufgabe wurde vielmehr nur an die Mitgliedsstaaten übertragen. Dass der Kläger damit Verzögerungen im Rechtsschutzgesuch in Kauf nehmen muss, ist der dualen Struktur des Rechtsschutzsystems geschuldet, ändert jedoch nichts an dem Umstand, dass der effektive Rechtsschutz subjektiver Rechte auf Unionsebene eine bedeutende Rolle einnimmt. bb) Extensive Auslegung Tatsächlich haben sich die Unionsgerichte nicht immer an die Grenzen der Art. 251 ff. AEUV gehalten und eine extensive Auslegung wider den Wortlaut des Primärrechts vorgenommen.145 So hat das Gericht erster Instanz unter Verweis auf den Anspruch an ein umfassendes Rechtsschutzsystem, entgegen der damaligen vertraglichen Regelung, die dezentralen Agenturen der EU als taugliche Beklagte benannt.146 Dabei berief es sich auf die Rechtssache Les Verts, mit der der EuGH, ebenfalls entgegen damaliger vertraglicher Regelung, eine Klage gegen das Europäische Parlament für zulässig erklärte.147 Der Gerichtshof sah sich zudem unter Berufung auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes zu einer extensiven Auslegung von Klagemöglichkeiten veranlasst, mit der Folge, dass Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, obwohl diese nicht unter die Regelungen der außervertraglichen Haftung fallen würden, im Wege der Schadenersatzklage nach Art. 268 i. V. m. Art. 340 AEUV (damals Art. 235 EG i. V. m. Art. 288 Abs. 2 EG) geltend gemacht werden können.148 Eine entsprechende rechtsschutzfreundlischutzsystems zulässig sein sollen, sofern das Mindestniveau eines Rechtsschutzes i. S. d. Art. 6 und 13 EMRK nicht erreicht wird. 143 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Rs. C-50/00, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Slg. 2002, I-6677 Rn. 44; ebenso Urt. v. 01.04.2004, Rs. C-263/02, Kommission / ​Jégo-Quéré, Slg. 2004, I-3425 Rn. 36; Urt. v. 22.11.2007, Rs. C-260/05, Sniace / ​Kommission, Slg. 2007, I-10005 Rn. 64 f.; EuG, Beschl. v. 25.05.2004, Rs. T-264/03, Schmoldt u. a. / ​Kommission, Slg. 2004, II1515 Rn. 156. 144 So auch Pache, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), HdB der Europ. GR, § 11 Rn. 83. 145 Dazu Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 26. 146 EuG, Urt. v. 08.10.2008, Rs. T-411/06, Sogelma / ​EAR, Slg. 2008, II-2771 Rn. 36 f. 147 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Rs. C-294/83, Les Verts / ​Parlament, Slg. 1986, 1339 Rn. 22–25. 148 EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-47/07 P, Masdar (UK)/Kommission, Slg. 2008, I-9761 Rn. 50 f.

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che Haltung des EuGH kommt auch zum Ausdruck, wenn er Unionsrechtsakte unter Verweis auf die Rechtsschutzgarantie einer gerichtlichen Kontrolle unterwirft, obwohl diese auf einer UN-Resolutionen beruhen.149 Weiter hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang gestützt auf Art. 47 Abs. 1 GRCh Anforderungen an das Verfahren aufgestellt, die über das gerichtliche Verfahren hinaus in das Verwaltungsverfahren hineinreichen.150 Eine derart extensive Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRCh und die sich abzeichnende Entwicklung hin zu einem „Supergrundrecht“151 wird zu Recht kritisch gesehen, betont jedoch zugleich den Kontrast zur restriktiven Haltung des EuGH in der Rechtssache UPA. Nicht zuletzt wirkt die stetige Erweiterung um subjektive Rechte erwartungsgemäß auch auf den Ausbau des Rechtsschutzes zurück.152 Als rechtsschutzfreundlich einzustufen ist daher auch die teilweise erfolgte Intensivierung der Kontrolldichte durch die Unionsgerichte insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich.153 b) Folgen Die Unionsgerichte sahen sich nicht gehindert, eine Auslegung oder gar Lückenschließung im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes vorzunehmen. Mit aus diesem Grund geht Rademacher daher auch von der Möglichkeit einer prozessrechtsunabhängigen Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRCh jenseits der Vorgaben der Art. 251 ff. AEUV und damit von einer insgesamt breiteren Einwirkungsmöglichkeit auf das europäische Klagesystem des Primärrechts aus.154 Die Schließung von Lücken im Primärrecht soll unter anderem durch sekundärrechtliche Regelungen 149 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Rat u. Kommission, Slg. 2008, I-635; Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. C-595/10 P, Kommission u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518; so auch Schmidt-­ Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 59. 150 Dazu Wiater, JuS 2015, 788 (789). 151 Nehl, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 1, Art. 47 GRCh Rn. 45. 152 Zur Stärkung des Grundrechtsschutzes in der EU nicht zuletzt auch dank der GRCh Iglesias Sánchez, CMLRev. 49 (2012), 1565 ff.; Kühling, NVwZ 2014, 681 (684 f.); v. Oettingen, Effet utile und individuelle Rechte im Recht der EU, S. 121–125; Weiß, EuZW 2013, 287 ff. 153 So etwa zuletzt EuGH, Urt. v. 19.12.2018, Rs. C-530/17 P, Azarov / ​Rat, ECLI:EU:C:​2018:​ 1031 Rn. 20 ff. in Bezug auf die Verhängung restriktiver Maßnahmen, dazu Egger, EuZW 2019, 326 ff.; EuGH, Urt. v. 16.12.2008, Rs. C-127/07, Arcelor Atlantique und Lorraine u. a., Slg. 2008, I-9895 Rn. 47 (Vorabentscheidungsverfahren), der zur Rechtfertigung einer Verletzung des Gleichheitssatzes auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zurückgriff; in diese Richtung auch EuGH, Urt. v. 08.04.2014, Rs. C-293/12, Digital Rights Ireland and Seitlinger u. a., ECLI:EU:C:2014:328 Rn. 38–69; Urt. v. 08.06.2010, Rs. C-58/08, Vodafone u. a., Slg. 2010, I-4999 Rn. 5, 54 f., 58, 65 (beides Vorabentscheidungsverfahren), die eine zunehmend intensive Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen und den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers von einer gerichtlichen Kontrolle nicht ausnehmen; dazu v. Danwitz, EuGRZ 2013, 253 (255–258); Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 23. 154 Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 156–170.

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oder durch die Rechtsfortbildung durch die Gerichte möglich sein. Ohne Zweifel gangbar ist dieser Weg, wenn das Primärrecht keine zwingenden Vorgaben enthält. Soweit aber Sekundärrecht oder die Gerichte den Vorgaben der Art. 251 ff. AEUV widersprechen wollen, steht der systematische Gleichrang von Art. 47 Abs. 1 GRCh und Art. 251 ff. AEUV dem entgegen. Es bleibt damit normenhierarchisch bedingt bei einer Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen in den Grenzen dessen, was das Primärrecht für die Individualklagen vorgibt. Daraus folgt aber nicht, dass die Bedingungen, unter denen Individualrechtsschutz auf Unionsebene gewährleistet wird, aufgrund des geringen Einflusses, den die Rechtsschutzgarantie für sich beansprucht, statisch vorgegeben sind. Die restriktive Haltung des EuGH in der Rechtssache UPA kann letztlich auf den klaren Wortlaut des Primärrechts zurückgeführt werden, der einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung entgegenstand. Wenn es aber an eindeutigen Vorgaben fehlt, wie es etwa bei der Begründung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung oder den Klagegegnern der Fall war, sieht sich der EuGH nicht gehindert eine extensive Auslegung vorzunehmen.155 Das aber spricht dafür, dass die individuelle Durchsetzung der Rechte des Einzelnen gegebenenfalls durch die Schließung von Rechtsschutzlücken ein Anliegen der Unionsgerichte darstellt, welches diese innerhalb der Grenzen der Art. 251 ff. AEUV auch progressiv verfolgen. c) Systementscheidung? Im Vergleich zu Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sind die Einwirkungsmöglichkeiten des Art. 47 Abs. 1 GRCh auf das Klagesystem des Primärrechts damit bescheiden.156 Individualklagen richten sich nicht an den Vorgaben der Rechtsschutzgarantie aus, sondern umgekehrt richtet sich die Rechtsschutzgarantie an den Art. 251 ff. AEUV aus. Dies zeigt sich etwa, wenn entgegen dem Wortlaut des Art. 47 Abs. 1 GRCh keine Verletztenklagen, sondern vielmehr eine Interessenklage vorgesehen ist. Art. 47 Abs. 1 GRCh ist jedoch Ausdruck einer über den Lauf der Zeit zunehmenden Bedeutung des Individualrechtsschutzes, die über die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe auf die Zulässigkeit der Klagen entsprechend Eingang in das Klagesystem nimmt. Damit aber finden sich das Ziel des individuellen Rechtsschutzes 155

So überzeugend Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 167 f.; in diese Richtung, jedenfalls soweit das Mindestniveau der Art. 6 und 13 EMRK nicht erreicht wurde, Magiera, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 161 Rn. 69. Die Literatur will die restriktive Haltung des EuGH in der Rechtssache UPA mit der Kompetenzverteilung zwischen den Unionsgerichten und den mitgliedstaatlichen Gerichten erklären und führt dazu das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und das Subsidiaritätsprinzip an, vgl. Haratsch, in: Merten / ​ Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 165 Rn. 20 f. Dies hätte der Gerichtshof allerdings auch in der Rs. Masdar (3. Kap., Fn. 148) anführen können, sodass sich aus der Rs. UPA keine allgemeingültige Aussage herleiten lässt, vgl. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 166. 156 Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, S. 362, 445.

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und der objektiven Rechtskontrolle gleichermaßen im Klagesystem auf Unionsebene wieder mit der Folge, dass es an einer eindeutigen Entscheidung für ein objektives Kontrollsystem oder ein subjektives Rechtsschutzsystem fehlt. 3. Fazit: Gerichtliches Verfahren zwischen objektiver Rechtskontrolle und subjektivem Rechtsschutz Normativ erinnert die Individualnichtigkeitsklage stark an den recours pour excès de pouvoir. Für die Zulässigkeit ist dementsprechend auch nicht die Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung des Klägers darzulegen und für die Begründetheit neben einer Rechtswidrigkeit des angegriffenen Rechtsakts keine Rechtsverletzung des Klägers erforderlich. Der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes findet dennoch seit Anbeginn der Rechtsprechung Eingang in die Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage. Die Anrufung der Gerichte erfolgt zumindest auch, um die dem Einzelnen durch das Unionsrecht verliehenen Rechte durchsetzen zu können. Subjektiver Rechtsschutz ist nicht nur Nebenzweck einer gerichtlichen Kontrolle. Damit existiert ein duales Konzept von objektiver Legalitätskontrolle und subjektivem Rechtsschutz, in dem beide Funktionen gleichrangig nebeneinanderstehen.157 Dabei ist sich der Gerichtshof seines Rechtsschutzauftrags bewusst und hat darauf, wie gezeigt, auch schon vermehrt zur Begründung einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung zurückgegriffen.158 Die progressive Durchsetzung subjektiver Rechte ist damit letztlich auch Ausdruck des richterlichen Selbstverständnisses.

IV. Konsequenzen für die Auslegung des Rechtsschutzinteresses Obwohl die Nichtigkeitsklage dem recours pour excès de pouvoir nachgebildet wurde, wählten die Unionsgerichte für die Erledigungssituation den deutschen Ansatz und erörtern nach Entfallen des Klagegegenstandes das individuelle Interesse des Klägers. Vor diesem Hintergrund ist von Interesse, wie sich die Auslegung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses in der Rechtsprechungspraxis darstellt. Sollten sich hier subjektive Rechtsschutzanliegen wiederfinden, kann die Auslegung des Rechtsschutzinteresses als weiteres Beispiel für den Subjektivierungstrend auf Unionsebene angeführt werden.

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Groß, DV 43 (2010), 349 (351); Haratsch / ​Koenig / ​Pechstein, Europarecht, Rn. 525; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 340; Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 153; Schmidt-Aßmann, JZ 1994, 832 (834). 158 Dazu Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 21–23; Sommermann, in: R. P.  Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 189 (204).

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  167

C. Das fortbestehende Rechtsschutzinteresse der Individualnichtigkeitsklage in der praktischen Rechtsanwendung C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung

I. Die Konkretisierungsleistung der Rechtsprechung in Bezug auf das Rechtsschutzinteresse 1. Auslegungsgrundsätze Aufgeworfen ist damit die Frage, für welchen Fall die Unionsgerichte von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse des Klägers ausgehen. Die Nichtigerklärung muss für die Position des Klägers vorteilhaft sein. Damit bleibt allerdings offen, ob sich der Vorteil unmittelbar auf die Rechtsposition des Klägers auszuwirken hat oder ob ein mittelbarer Vorteil genügt, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit der Vorteil einzutreten, wie glaubwürdig und groß der Vorteil zu sein hat.159 Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung ist damit Wertungsfrage und einzelfallabhängig. Diejenigen Sachverhaltskonstellationen, für die die Nichtigerklärung von Vorteil ist, lassen sich aber auf Gemeinsamkeiten zurückführen, die es wiederrum erlauben, sie in typisierender Weise zusammenzufassen. Eine solche Typisierung und Abstrahierung von dem konkreten Einzelfall ermöglicht eine einfache und unkomplizierte Rechtsanwendung. Sie ist der Erwartung geschuldet, dass ein Gericht gleiche Fälle zukünftig auch gleich entscheiden wird.160 Eine Schematisierung kann andererseits aber auch Einzelfallgerechtigkeit entgegenstehen, wenn die besonderen Umstände des Falles eine außerhalb der gängigen Fallgruppen liegende Bewertung erfordern. Der Widerstreit zwischen den beiden Interessen kann gelöst werden, indem nach den hinter den einzelnen Gründen stehenden Wertungen gesucht wird. Die Auslegung kann sich in einem gewissen Grad steuern lassen, wenn dem Rechtsanwender bewusst ist, mit welchem Ziel das Verfahren nach Gegenstandslosigkeit der Klage fortgeführt wird und welche Funktion das fortbestehende Rechtsschutzinteresse in diesem Zusammenhang erfüllt. Dazu wäre zu klären, ob grundsätzlich eine enge oder weite rechtsschutzfreundliche Auslegung geboten ist. Ohne einen solchen allgemeinen Orientierungspunkt wäre das Ergebnis der Zulässigkeitsprüfung nicht nur schwer vorhersehbar, sondern stünde zudem einer einheitlichen Rechtsanwendung entgegen.161 Es geht also darum, unionsrechtliche Prinzipien und Leitbilder zur Steuerung der Konkre­

159 Diese Kriterien anführend GA Sharpston, Schlussantr. v. 22.03.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 48. 160 Zur Abstraktion Schwarze, Die Befugnis zur Abstraktion im europäischen Gemeinschaftsrecht, S. 11 f., 15 f. 161 GA Sharpston, Schlussantr. v. 22.03.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 46; Mariatte / ​Ritleng, Contentieux de l’Union européenne, Bd. 1, S. 108 f.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

tisierungsleistung des Rechtsschutzinteresses herauszuarbeiten.162 Da das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses über die Zugangsberechtigung des Einzelnen zu Gericht entscheidet, steht zu vermuten, dass die Auslegung durch den Gehalt des Art. 47 Abs. 1 GRCh dirigiert wird. Methodisch möglich ist dies aufgrund der offenen und insoweit konkretisierungsbedürftigen Begriffswahl wie etwa „Rechtsschutzinteresse“, „intérêt à agir“ oder „interest in bringing proceedings“.163 Es darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Rechtsschutzinteresse als ungeschriebene Prozessvoraussetzung eine weitere Zulässigkeitshürde für den Kläger darstellt.164 Soweit der Kläger weiterhin oder gerade trotz Entfallen des Klagegegenstandes auf eine gerichtliche Entscheidung zur Durchsetzung seiner Rechte angewiesen ist, spricht vieles für eine weite, rechtsschutzfreundliche Auslegung des Rechtsschutzinteresses im Lichte des Art. 47 Abs. 1 GRCh.165 Selbstverständlich darf das Bestreben nach einer rechtsschutzfreundlichen Auslegung nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung namentlich nach Entfallen des Klagegegenstandes ein gewichtiges Argument für die Einschränkung der Klagemöglichkeiten darstellt. Der Rechtsweg hat wie auch im nationalen Recht nicht uneingeschränkt offen zu stehen. Art. 47 Abs. 1 GRCh ist wie die sonstigen Grundrechte nach Art. 52 Abs. 1 GRCh einschränkbar.166 Insbesondere nach Entfallen des Klagegegenstandes kann es ein nachvollziehbares Anliegen darstellen, die Anzahl an anhängigen Verfahren einzuschränken. Es liegt in der Sache selbst begründet, dass nach einer Auslegung im Lichte des Gehalts des Art. 47 Abs. 1 GRCh ein Rechtsschutzinteresse namentlich dann anzunehmen ist, wenn es die Durchsetzung individueller Rechtspositionen noch verlangt. Für Fälle, die jenseits dieses Ziels liegen, ist der Ausschluss des Rechtswegs im Interesse einer geordneten Rechtspflege eher hinzunehmen, wenn dadurch Rechtsschutz an anderer, drängenderer Stelle effektiver und schneller geleistet werden kann. In die Erwägungen, den Rechtsweg einzuschränken, werden damit auch prozessökonomische Gründe einbezogen.167 Der Grundsatz der Prozessökonomie 162

So Röthel, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 12 Rn. 37 für das europ. Vertragsrecht. 163 Allgemein auch Bast, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 35 Rn. 32. 164 Arnull, The European Union and its Court of Justice, S. 81. 165 Dafür GA Kokott, Schlussantr. v. 21.03.2013, Rs. C-274/12 P, Telefónica / ​Kommission, ­ECLI:EU:C:2013:204 Rn. 86; GA Bobek, Schlussantr. v. 08.06.2017, Rs. C-268/16 P, Binca Seafoods / ​Kommission, ECLI:EU:C:2017:444 Rn. 95; GA Sharpston, Schlussantr. v. 22.03.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 43; GA Sharpston, Schlussantrag. v. 13.09.2018, Rs. C-225/17 P, Islamic Republic of Iran Shipping Lines u. a. / ​ Rat, ECLI:EU:C:2018:720 Rn. 38; allgemein zu einer grds. weiten Auslegung EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Rs. C-25/62, Plaumann / ​Kommission der EWG, Slg. 1963, 199 (237); EuG, Urt. v. 11.07.1996, verb. Rs. T-528/93, T-542/93, T-543/93 u. T-546/93, Métropole Télévision / ​Kommission, Slg. 1996, II-649 Rn. 60; so auch Schwensfeier, Individual’s Access to Justice under Community Law, S. 120. 166 Nowak, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 14 Rn. 30–33. 167 So ausdrücklich GA Capotorti, Schlussantr. v. 13.03.1980, Rs. C-155/78, M. / ​Kommission, Slg. 1980 1797 (1814); ebenso Nowak, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 14 Rn. 32.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  169

und das Interesse an einer geordneten Rechtspflege stehen nicht unverbunden nebeneinander. Vielmehr ist von einem engen inneren Zusammenhang auszugehen.168 Dem Interesse an einer geordneten Rechtspflege wird von den Unionsgerichten ein hohes Gewicht beigemessen.169 Mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK haben prozesswirtschaftliche Bestrebungen zudem eine normative Verankerung gefunden.170 Demnach hat eine gerichtliche Entscheidung in angemessener Frist zu erfolgen. Es wird daher erwartet, dass das Gerichtssystem so eingerichtet wird, dass die Gerichte den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK entsprechen können.171 Eine Beschleunigung des Verfahrens erfolgt in erster Linie im Interesse der Verfahrensbeteiligten und wirkt sich dennoch in einem übergreifenden Sinne auf die gesamte Gerichtsorganisation aus, indem sich die an der einen Stelle eingesparten Ressourcen an anderer Stelle wieder sinnvoll verwenden lassen. Angesichts der Anzahl an jährlich neu eingehenden Rechtssachen am Gerichtshof sind Einschränkungen der Klageflut auch notwendig.172 Die Erstellung von Rechts­gutachten ohne rechtliche Wirkung würde einer geordneten Rechtspflege widersprechen, weil damit drängendere Klagen zurückstehen müssten.173

168 In diesem Sinne Ottaviano, Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, S. 47, der eine Verbindung zwischen der Verringerung der Arbeitslast bzw. des Arbeitsaufwandes und dem Beschleunigungsgebot herstellt. 169 Nach EuGH, Urt. v. 18.05.2017, Rs. C-99/16, Lahorgue, ECLI:EU:C:2017:391 Rn. 34 stellt das Interesse an einer geordneten Rechtspflege einen zwingenden Grund des Allgemein­ interesses dar, das eine Einschränkung der Grundfreiheiten zu rechtfertigen vermag. Vgl. außerdem zur Rechtfertigung von Klagefristen EuGH, Urt. v. 14.09.1999, Kommission / ​Assi​ Domän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 Rn. 61; das Interesse an einer geordneten Rechtspflege wurde außerdem zur Rechtfertigung einer Klageabweisung als unbegründet herangezogen ohne noch auf eine Prüfung der Zulässigkeit einzugehen, vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2007, Rs. C-6/06 P, Cofradía de pescadores „San Pedro“ de Bermeo u. a. / ​Rat, Slg. 2007 I-164 Rn. 20 f.; EuG, Urt. v. 10.09.2008, Rs. T-284/06, Gualtieri / ​Kommission, Slg. 2008, II-170 Rn. 22; EuGöD, Urt. v. 08.04.2008, Rs. F-134/06, Bordini / ​Kommission, Slg. 2008, FP-I-A-1-87, FP-II-A-1-435 Rn. 56; ebenso Nowak, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), HdB der Europ. GR, § 55 Rn. 49; Wägenbaur, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 7 Rn. 39; zur Bedeutung einer „geordneten Rechtspflege“ auf EMRK-Ebene Costa, Mélanges en l’honneur de Buffet, 159 (167–169). 170 Ottaviano, Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, S. 46 f. geht insoweit von Berührungspunkten mit dem Grundsatz der Prozessökonomie aus. Auch eine Reihe von Vorschriften in der VerfO lassen das Interesse an einer prozessökonomischen Inanspruchnahme der Gerichte zum Ausdruck kommen, vgl. etwa Art. 53 Abs. 2, Art. 54 VerfOEuGH. So auch Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​EuG, Art. 53 EuGHVerfO Rn. 3, Art. 54 VerfO-EuGH Rn. 1. 171 EGMR, Urt. v. 25.02.2000 – 29357/95, ECHR 2000-II, 467 – Gast u. Popp / ​Deutschland, Rn. 75; Urt. v. 31.05.2001 – 37591/97, NVwZ 2002, 2856 (2857) – Metzger / ​Deutschland. 172 Im Jahr 2017 waren 917 Klagen neu eingegangen, wovon 371 Nichtigkeitsklagen darstellten, vgl. Gerichtshofs der EU, Jahresbericht 2017, Rechtsprechungstätigkeit, S. 225. 173 So etwa GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:409 Rn. 28.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

2. Fallgruppen Im Vergleich zu den deutschen Urteilen sind die Urteile des EuGH, zum Teil auch des EuG, durch einen knappen Begründungsstil geprägt.174 Häufig fällt die Subsumtion nur sehr kurz aus.175 Man gewinnt schnell den Eindruck, dass die Rechtsprechung des EuGH in erster Linie an einer fallorientierten Einzelbegründung interessiert ist. Von eher untergeordneter Bedeutung ist demgegenüber die Begründung der gefundenen Lösung unter Auseinandersetzung mit den in vorangegangenen Urteilen zu ähnlich gelagerten Fällen angeführten Gründen.176 Da bestimmte Rechtsprobleme in der Praxis häufig wiederholt auftreten, kann sich dennoch eine gewisse Regelhaftigkeit in der Rechtsanwendung abbilden. Regelmäßig führt das Gericht deshalb auch die bereits zuvor erarbeiteten Rechtsregeln zur Lösung des Einzelfalls an.177 Allerdings fehlt es häufig an Ausführungen zu der Frage, inwiefern sich die Umstände des jeweiligen Sachverhalts zu den vorangegangenen Entscheidungen unterscheiden und in welchen Punkten eine Übereinstimmung erforderlich ist.178 Stattdessen beschränken sich die Unionsgerichte darauf, bestimmte Schlagwörter ohne eine tiefergehende Erklärung anzuführen.179 Dies kann sich als entscheidendes Hindernis für eine ausgereifte Fallgruppen­dogmatik erweisen. Bei der nachfolgenden Sichtung der Rechtsprechung der Unionsgerichte sollten diese Unterschiede zur deutschen Rechtsprechung insoweit Berücksichtigung finden. Die Einteilung in Fallgruppen wird – wie noch zu zeigen sein wird – auf Unionsebene nicht die gleiche strenge Beachtung finden, wie es aus der deutschen Rechtsprechung bekannt ist. Vielmehr liegt gerade hier die besondere Herausforderung, nämlich die deutsche Dogmatik nicht eins zu eins auf die Unionsebene zu übertragen, sondern die Eigenheiten des unionsrechtlichen Ansatzes gebührend zu berücksichtigen.180 Da die Ähnlichkeiten in der Fallgruppenbildung jedoch nicht von der Hand zu weisen sind, können die systematischen Ansätze

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Classen, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 4 Rn. 95; Gündisch, Rechtsschutz in der EG, S. 141 f.; Klinke, Der Gerichtshof der EG, Rn. 199 ff. Anders dagegen die Urteile des EuG, vgl. dazu Everling, EuR 1994, 127 (139); Jung, EuR 1992, 246 (253); Laut, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 27 Rn 15. 175 Klinke, Der Gerichtshof der EG, Rn. 200. 176 Hager, Rechtsmethoden in Europa, 6. Kap. Rn. 14; Kühling / ​Lieth, EuR 2003, 371 (382) unter Verweis auf Kötz, RabelsZ 37 (1973), 245 (253) für das common law; Streinz, Europarecht, Rn. 635. 177 Dazu Bieber / ​Epiney / ​Haag / ​Kotzur, Die EU, § 9 Rn. 20; Fairhurst, Law of the European Union, S. 164; Schermers / ​Waelbroeck, Judicial Protection in the European Union, §§ 260 ff.; Stotz, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europ. Methodenlehre, § 22 Rn. 55; vgl. zu dem Wesen eines pragmatischen Ansatzes insoweit Kühling / ​Lieth, EuR 2003, 371 (382 f.); für das common law Dainow, Am. J. Comp. L. 15 (1967), 419 (425). 178 Due, in: Mélanges en hommage à Schockweiler, 73 (84); Everling, EuR 1994, 127 (138). 179 Fritzsche, CMLRev. 47 (2010), 361 (389); Lasser, Judicial Deliberations, S. 318 f. 180 Zur Schwierigkeit, bei der Rechtsvergleichung von der nationalen Dogmatik Abstand zu nehmen, etwa Kühling / ​Lieth, EuR 2003, 371 (384) unter Verweis auf Kötz, RabelsZ 54 (1990), 203 (209 f.).

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  171

aus der deutschen Rechtsprechung zumindest als Orientierung dienen, ohne dass sie dabei als bindende Vorgaben zu verstehen wären. Lässt sich aus der bisherigen Rechtsprechung schließlich eine allgemeine Rechtsregel herauslesen, so sind die Gegensätze zwischen dogmatischer und pragmatischer Arbeitsweise doch nicht so groß, wie anfangs zu vermuten war.181 Eine Systematisierung dieser Grundregeln und Prinzipien kann nicht nur zu einer besseren Nachvollziehbarkeit und Vorhersehbarkeit der Entscheidungsfindung beitragen, sondern darüber hinaus auch die Systemkonsistenz fördern. 3. Berücksichtigung nationaler Rechtsschutzmöglichkeiten Effektiver Rechtsschutz wird durch die Unionsgerichte gemeinsam mit den mitgliedstaatlichen Gerichten gewährleistet.182 Die Beurteilung, ob der Kläger ein Rechtsschutzinteresse besitzt, kann in bestimmten Fällen nicht ohne Einbeziehung seiner rechtlichen Position in seinem Mitgliedstaat vorgenommen werden. Das ist selbstredend der Fall, wenn der Kläger sein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse an der Nichtigerklärung mit der auf dieser Grundlage beabsichtigten Haftungsklage vor den nationalen Gerichten begründet.183 Aber auch jenseits nationaler Haftungsklagen kann die rechtliche Stellung des Klägers nach nationalem Recht bei der Beurteilung eines Rechtsschutzinteresses Berücksichtigung finden. So sollte der Kläger nach Auffassung des Gerichts sein Interesse an der Nichtigerklärung einer ablehnenden Entscheidung über den aus Anlass eines nationalen Strafverfahrens gestellten Antrag auf Immunität verloren haben, nachdem das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren beendet wurde. Einer Nichtigerklärung der ablehnenden Entscheidung käme insoweit keine Rechtswirkung mehr zu und bliebe letztlich ohne praktische Relevanz.184 Ähnliche Gesichtspunkte berücksichtigte das Gericht in der Rechtssache Centre de Coordination Carrefour / ​Kommission. Die Klägerin wendete sich gegen die Entscheidung der Kommission, der zufolge die Klägerin nicht in den Genuss von festgesetzten Übergangsfristen für das Auslaufen einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe kommen sollte. Nachdem die zuständige belgische Behörde allerdings bereits zuvor entschieden hatte, dass die Klägerin nicht mehr in den Kreis der von der Beihilfe Begünstigten fallen sollte, wurde die Klage mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig

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So auch Kühling / ​Lieth, EuR 2003, 371 (384). Statt vieler EuGH, Urt. v. 13.03.2007, Rs. C-432/05, Unibet, Slg. 2007, I-2271 Rn. 37 f., 64; Urt. v. 21.02.2008, Rs. C-426/05, Tele2 Telecommuncation, Slg. 2008, I-685 Rn. 30; Urt. v. 27.02.2007, Rs. C-355/04 P, Segi u. a. / ​Rat, Slg. 2007, I-1657 Rn. 56. 183 Vgl. dazu unten 3.  Kap. C. IV. 3. b). 184 EuG, Urt. v. 19.03.2010, Rs. T-42/06, Gollnisch / ​Parlament, Slg. 2010, II-1135 Rn. 63 f.; ähnlich unter Bezugnahme auf ein nationales Gerichtsverfahren z. B. EuG, Urt. v. 16.12.2011, Rs. T-291/04, Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​Kommission, Slg. 2011, 8281 Rn. 86–90. 182

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

abgewiesen.185 Die Nichtigerklärung könnte der Klägerin insoweit keinen Vorteil mehr verschaffen.186 Rechtsstreitigkeiten vor einem nationalen Gericht können andererseits aber auch entscheidend für ein Rechtsschutzinteresse sprechen. In Rechtssache RSV / ​ Kommis­sion ging die Klägerin gegen die durch die Kommission festgestellte Unvereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt und die infolgedessen ergangene Anordnung ihrer Aufhebung vor.187 Aufgrund einer Vereinbarung mit der niederländischen Regierung war die RSV allerdings ohnehin verpflichtet, die erhaltene Beihilfe aufgrund einer zuvor bewilligten Zahlungseinstellung zurückzuzahlen. Die Kommission argumentierte, ein Rechtsschutzinteresse an der Nichtigkeitserklärung könne nicht bestehen, da die RSV selbst bei Erfolg der Klage zu einer Rückzahlung verpflichtet sei. Der Gerichtshof ging dennoch von einem Rechtsschutzinteresse aus und führte dazu an, dass die RSV zeitgleich auch vor einem nationalen Gericht die Erstattung des Beihilfebetrags von der niederländischen Regierung einklagte. Sollte ihr in dem Verfahren der begehrte Betrag entgegen der Erwartung der Kommission zugesprochen werden, könnte die Regierung ihr Erstattungsverlagen nur noch auf Grundlage der Entscheidung der Kommission durchsetzen. Über die Nichtigkeitsklage zu entscheiden war deshalb durchaus notwendig. In dieser Entscheidung sprach für die Annahme eines Rechtsschutzinteresses in erster Linie die Sicherstellung der Durchsetzung des Unionsrechts.

II. Rehabilitationsinteresse Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte kann ein Rechtsschutzinteresse aufgrund eines Rehabilitierungsbedürfnisses bestehen. Welche Bedeutung der Fallgruppe insbesondere auch aus grundrechtlicher Perspektive zukommt, wurde allerdings erst in den letzten Jahren sichtbar. Eine inhaltliche Ausdifferenziertheit der Fallgruppe, wie sie aus der deutschen Rechtsprechung bekannt ist, sollte allerdings nicht erwartet werden. Interessanterweise wird diese Fallgruppe in der gängigen Kommentar- und Lehrbuchliteratur nicht erwähnt.188 Umso wichtiger ist es daher, eine Auswertung der bisherigen Rechtsprechung vorzunehmen, um auf dieser Grundlage allgemeine Regeln und Entscheidungsmuster herausarbeiten zu können,

185 Es erfolgt die Abweisung der Klage wegen Unzulässigkeit, da die Klägerin bereits vor Klageerhebung nicht mehr über eine gültige Anerkennung nach nationalem Recht verfügte. 186 EuG, Urt. v. 18.03.2010, Rs. T-94/08, Centre de Coordination Carrefour / ​Kommission, Slg. 2010, II-1015 Rn. 50–58. 187 EuGH, Urt. v. 24.11.1987, Rs. C-223/85, RSV / ​Kommission, Slg. 1987, 4617. 188 So beispielsweise bei Dervisopoulos, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 7 Rn. 102; Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  263 Rn. 109; Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 99; Gornig, in: Schöbener (Hrsg.), Europarecht, Rn. 2208; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 539; Thiele, Europ. Prozessrecht, § 7 Rn. 88.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  173

die sich dann für zukünftige, ähnlich gelagerte Rechtssachen heranziehen lassen und damit zu einer rechtssicheren und einheitlichen Entscheidungspraxis beitragen. Das Bedürfnis nach Rehabilitierung kann sich aus einer Vielzahl von Gründen ergeben. Zu denken ist nur an die Ausführungen zum deutschen Recht, die gezeigt haben, in welch unterschiedlichsten Sachverhaltskonstellationen eine persönliche Rehabilitierung notwendig werden kann. Die Auswertung der Rechtsprechung der europäischen Gerichte hat gezeigt, dass der Fallgruppe im Wesentlichen zwei unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen zugrunde liegen (dazu 1.). Der Hauptanwendungsbereich der Fallgruppe liegt dabei im Bereich der restriktiven Maßnahmen nach Art. 215 Abs. 2 AEUV. Der Schwerpunkt der Rechtsprechungsanalyse wird sich aus diesem Grund auch damit beschäftigten, wenngleich damit nicht ausgeschlossen ist, dass ein Rehabilitationsinteresse zukünftig auch in abweichenden Konstellationen vorliegen kann. Im Interesse der Ordnung und Systematisierung wird es allerdings Ziel sein, die Anforderungen an die Fallgruppe in allgemeiner und abstrakter Form wiedergeben zu können (dazu 2.). 1. Anwendungsbereiche Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass die Unionsgerichte grundsätzlich eine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle zu gewährleisten haben, insbesondere, wenn es sich um Rechtsakte mit Grundrechtsbezug handelt.189 Dabei bringt es der Anspruch auf einen wirksamen Schutz der Grundrechte mit sich, dass eine gerichtliche Kontrolle auch nach Aufhebung des angegriffenen Rechtsakts offen zu stehen hat, sofern die Beeinträchtigung weiterhin anhält. a) Anhaltende diskriminierende Wirkung des aufgehobenen Rechtsakts Die häufigsten Fallgestaltungen, für die ein Rehabilitationsinteresse angenommen wird, betrifft  – wie bereits erwähnt wurde  – restriktive Maßnahme i. S. d. Art. 215 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AEUV gegenüber Personen oder Personengruppen. Das Rehabilitierungsbedürfnis der betroffenen Personen oder Personengruppen rührt dabei aus der anhaltenden Rufschädigung her. Zur besseren Nachvollziehbarkeit wird an dieser Stelle zunächst näher auf die besondere Situation der Adressaten solcher restriktiven Maßnahme einzugehen sein (dazu aa)). In einem nächsten Schritt soll sodann die Grundrechtsrelevanz der Fallgruppe und damit die Gebotenheit der Rechtsschutzmöglichkeit dargelegt werden (dazu bb)).

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Z. B. für eine Verordnung auf der Grundlage des Art. 215 AEUV EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 326.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

aa) Restriktive Maßnahmen und ihre Folgen (1) Bedeutungszuwachs von individualisierten Sanktionsmaßnahmen Dass die Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses überwiegend in Verbindung mit restriktiven Maßnahmen steht, liegt nicht zuletzt am Wandel der Sanktions­ praxis: Vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon fehlte es an einer ausdrücklichen Ermächtigungsnorm für Sanktionsmaßnahmen gegenüber Einzelpersonen oder Organisationen (sog. smart oder targeted sanctions). Art. 301 EGV sah lediglich die Möglichkeit vor, Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittländern zu erlassen.190 Sollten Maßnahmen gezielt gegen Personen oder Personengruppen erfolgen, musste ergänzend auf Art. 308 EGV (heute Art. 352 AEUV) zurückgegriffen werden. Hierzu mussten die Sanktionsmaßnahmen allerdings zur Erfüllung eines Ziels der Gemeinschaft im Rahmen des Gemeinsamen Marktes beitragen, wozu die Bekämpfung des internationalen Terrorismus nicht zu zählen ist.191 Die bestehende Rechtslage war unter mehreren Gesichtspunkten unzureichend. Nicht nur musste unter den Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittländern in besonderem Maße die unbeteiligte Zivilbevölkerung leiden, sodass vor allem aus humanitärer Sicht Kritik laut wurde.192 Zum anderen zeigte sich, dass eine Veränderung in der Art der Bedrohung selektive Maßnahmen gegen Einzelpersonen oder Gruppen erforderlich machten. Während die Zeit des Kalten Krieges von Bedrohungen durch einzelne Länder oder Ländergruppe geprägt war, zeigten spätestens die Terroranschläge des 11. September 2001, dass in der heutigen Zeit die Gefahr von einzelnen Personen oder Personengruppen ausgeht, die sich zudem über private Mittel finanzieren können.193 Im Zuge des Vertrags von Lissabon wurde deshalb mit Art. 215 Abs. 2 AEUV eine Ermächtigungsgrundlage für Sanktionen gegen

190 Unter engen Voraussetzungen konnten auf der Grundlage des Art. 301 EGV Maßnahmen gegen Personen oder Personengruppen erlassen werden, sofern zwischen dem Drittland und der Person eine Verbindung bestand, wie es etwa bei Machthabern oder mit diesen verbundenen Personen der Fall ist EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Rat u. Kommission, Slg. 2008, I-6351 Rn. 166; Urt. v. 13.03.2012, Rs. C-376/10 P, Tay Za / ​Rat, ECLI:EU:C:2012:138 Rn. 63. 191 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Rat u. Kommission, Slg 2008, I-6351 Rn. 195–201; anders noch die Begründung der Vorinstanz EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-315/01, Kadi / ​Rat u. Kommission, Slg. 2005, II-3649 Rn. 122–131; ebenso Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-306/01, Yusuf u. Al Barakaat International Foundation / ​Rat u. Kommission, Slg. 2005, II-3533 Rn. 166–170. 192 Dazu Brozoska, VN 2001, 56; Giegerich, ZVglRWiss 104 (2005), 163 (185 f.); Piotrowicz  / ​ Zanetti, MRM 2004, 274. 193 Hoffmann-Riem, ZRP 2002, 497 und passim; Schöbener, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 3, Art. 215 AEUV Rn. 14; Spranger, EuR 2009, 514; Wagner, ZaöRV 63 (2003), 879 (893 f., 897–916); ausführlich zur Entwicklung der smart sanctions Bianchi, EJIL 17 (2006), 881 und passim; Drezner, ISR 13 (2011), 96 und passim; Mir ­Djawadi, Individualsanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al Qaida und die Taliban, S. 61 ff.; Nie­ stedt, in: Krenzler / ​Herrmann / ​dies. (Hrsg.), EU-Außenwirtschats- und Zollrecht, § 50 Rn. 5 f.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  175

Einzelpersonen oder Gruppen eingefügt, ohne dass zwischen diesen und einem bestimmten Hoheitsland eine Verbindung erforderlich wäre.194 Da insoweit eine wirksame und effiziente Bekämpfung des Terrorismus am Entzug der finanziellen Mittel gegenüber den drahtziehenden Personen oder Organisationen anzusetzen hat, eröffnet Art. 215 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 AEUV nunmehr die Möglichkeit der Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen gegenüber Privatpersonen oder nichtstaatlichen Einrichtungen.195 Auf dieser Grundlage erlassene Verordnungen sehen das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen196 oder die Unterbindung der wirtschaftlichen Beziehungen197 vor. Typische Adressaten solcher Maßnahmen können Mitglieder der Regierung und Sympathisanten, verdächtige Personengruppen, Terroristen und Geldwäscher sein.198 Die Sanktionsmaßnahmen werden nicht ausschließlich zur Bekämpfung von Terrorismus eingesetzt. Wirkungsvoll erweisen sich die Sanktionsmaßnahmen auch – in diesen Fällen dann jedoch bevorzugt gegenüber Regierungsmitgliedern oder Personen, die einer Regierung nahestehen – um proliferationsrelevante nukleare Tätigkeiten, Menschenrechtsverletzungen, Annektierung fremder Hoheitsgebiete oder einer bewussten Destabilisierung eines souveränen Landes einzuschränken oder zu unterbinden.199

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Art. 75 AEUV sieht zur Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und damit verbundener Aktivitäten vor, dass das Europäische Parlament und der Rat im ordentlichen Gesetz­ gebungsverfahren durch Verordnungen einen Rahmen für Verwaltungsmaßnahmen in Bezug auf Kapitalbewegungen und Zahlungen sowohl für Drittländer wie auch natürliche oder juristische Personen schaffen. Insoweit wird Art. 75 AEUV aufgrund seiner systematischen Stellung in Kapitel V des AEUV als lex specialis gegenüber Art. 215 AEUV angesehen, sofern es sich um Sanktionen im Kapitalverkehrsbereich handelt, die der Bekämpfung des Terrorismus im Binnenbereich der EU dienen. Sind die Finanzmaßnahmen hingegen außen- und sicherheitspolitisch motiviert und auf der Grundlage eines GASP-Beschlusses umzusetzen, ist Art. 215 AEUV einschlägig, vgl. EuGH, Urt. v. 19.07.2012, Rs. C-130/10, Parlament / ​Rat, ECLI:EU:C:2012:472 Rn. 50–66; Bungenberg, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 67 f.; Hummer, in: Vedder / ​Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 4. 195 Ohler, EuR 2006, 848 (850). 196 Vgl. etwa Art. 2 VO (EG) Nr. 881/2002 vom 27.05.2002, ABl 2002 L 139/9 über die Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und mit diesem in Verbindung stehende terroristische Gruppen. Zur Umsetzung Vogt / ​Arend, in: Hocke / ​Sachs / ​Pelz (Hrsg.), ­Außenwirtschaftsrecht, Kap. 4 Rn. 79 ff. 197 Beispielsweise sieht Art. 2 Abs. 3 VO (EG) Nr. 881/2002 vor, dass den aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen dürfen. Ebenso Art. 14 Abs. 2 VO (EU) Nr. 36/2012 vom 18.01.2012, ABl 2012 L 16/1 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Syrien. 198 So die Aufzählung von Hummer, in: Vedder / ​Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 31. 199 So die Aufzählung des Europäischen Rats, Rat der Europäischen Union.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

(2) Sanktionsmaßnahmen und Rechtsschutzmöglichkeiten Die von den Sanktionsmaßnahmen nach Art. 215 AEUV betroffenen natür­ lichen und juristischen Personen können Rechtsschutz im Wege der Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV erlangen. Eine Handlungsform wird von Art. 215 AEUV nicht vorgegeben, sodass alle Formen des Art. 288 AEUV denkbar sind, wenngleich in der Praxis die Maßnahmen regelmäßig in Verordnungsform erlassen werden.200 Konkret-individuelle Sanktionsmaßnahmen gegenüber Einzelpersonen oder Personengruppen werden ebenfalls in Form der Verordnung erlassen.201 Ein Kläger, der in einer Verordnung namentlich aufgelistet wird, ist unmittelbar und individuell i. S. d. Art. 263 Abs. 4 AEUV betroffen.202 Zwar schließen Art. 24 Abs. 1 S. 6 EUV und Art. 275 Abs. 1 AEUV die gerichtliche Kontrollmöglichkeit von GASP-Beschlüssen durch den Gerichtshof aus; für Individualnichtigkeitsklagen sieht Art. 275 Abs. 2 AEUV allerdings eine Ausnahme vor.203 Die Regelungsbefugnis des Art. 215 AEUV umfasst auch die Aufhebung der Sanktionsmaßnahme oder die Verringerung der Eingriffsintensität.204 Mit Sanktionsmaßnahmen sollen natürliche oder juristische Personen und Organisationen unter Druck gesetzt werden, um sie zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.205 Dieses Ziel ließe sich nicht wirksam umsetzen, wenn nach einer erfolgreichen Verhaltensbeeinflussung die Befugnis zur Aufhebung oder Anpassung der Sanktion fehlen würde.206 Überdies kann eine Anpassung der Liste durch die Kommission erforderlich werden, wenn ein Name aus der durch den UN-Sanktionsausschuss 200

Bungenberg, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 33. Eine abstrakt-generelle Geltung der Verordnung ist gegeben, da zur Durchsetzung der Sanktionsmaßnahmen die enthaltenen Ge- und Verbote auch von Dritten Personen zu beachten sind, EuGH, Urt. v. 11.10.2007, Rs. C-117/06, Möllendorf u. Möllendorf-Niehuus, Slg. 2007, I-8361, Rn. 50 f.; dies ebenfalls herausstellend Schneider / ​Terhechte, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 9. 202 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat Inter­ national Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 241; Urt. v. 23.04.2013, Rs. C-478/11 P, Gbagbo u. a. / ​Rat, ECLI:EU:C:2013:258 Rn. 56 f.; Urt. v. 28.11.2013, Rs. C-348/12 P, Rat / ​Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, ECLI:EU:C:2013:776 Rn. 50; EuG, Urt. v. 12.12.2006, Rs. T-228/02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran / ​Rat, Slg. 2006, II-4665 Rn. 9; so auch Harings, in: Ehlers / ​Terhechte / ​Wolffgang / ​Schröder (Hrsg.), Rechtsschutz im Außenwirtschaftsrecht, S. 211 (218 f.). 203 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 23.04.2013, Rs. C-478/11 P, Gbagbo u. a. / ​Rat, ECLI:EU:C:​ 2013:258 Rn. 57. Im Übrigen würde andernfalls der Entscheidung EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 über die Justiziabilität von Verordnungen auf der Grundlage einer UNSicherheitsresolution kaum praktische Bedeutung zukommen. 204 So sieht Art. 1 Abs. 6 des gemeinsamen Standpunkts des Rates vom 27.12.2001, Nr. 2001/​ 931/GASP, ABl 2001, L 344/94 eine regelmäßige Überprüfung vor, ob der Verbleib auf der Liste nach wie vor gerechtfertigt ist. 205 So die Definition von Kokott, in: Streinz (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 1. 206 So die herrschende Meinung Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 26; Kokott, in: Streinz (Hrsg.), Art. 215 AEUV Rn. 29; Zeleny, ZÖR 52 (1997), 197 (213). 201

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  177

erstellten Liste207 entfernt wird. Dementsprechend häufig werden die Listen mit natürlichen und juristischen Personen, die Sanktionsmaßnahmen ausgesetzt sind, angepasst und geändert.208 Über das Verfahren, das zu einer Entfernung des Namens aus der Liste führt, ist allerdings kaum etwas bekannt.209 Jedenfalls bleiben die Gründe, weshalb die Verordnung in Bezug auf eine Person aufgehoben wird, im Verborgenen; eine Anerkennung der Rechtswidrigkeit der Listung erfolgt im Rahmen der Aufhebung damit nicht. Wird der Name des Betroffenen auf diese Weise von der Liste entfernt, hat er sein angestrebtes Ziel zwar vermeintlich erreicht. Allerdings ist nur die gerichtliche Entscheidung in der Lage, die Rechtswidrigkeit der Listung verbindlich festzustellen. Der Gerichtshof erklärte deshalb in der insoweit maßgebenden Entscheidung in der Rechtssache Abdulrahim / ​Kommission, dass die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Handlung geeignet

207 Die Sanktionsmaßnahmen werden nach Art. 215 AEUV in einem zweistufigen Verfahren nach einstimmig gefasstem Beschluss im Rahmen der GASP und dessen Umsetzung durch den Rat mit qualifizierter Mehrheit nach einem gemeinsamen Vorschlag von Kommission und Rat erlassen, vgl. zum Verfahren Hoffmann, in: Schöbener (Hrsg.), Europarecht, Rn. 2593–2957. Häufig wird eine Resolution des Sicherheitsrates der UN damit umgesetzt. Die EU kann aber auch aus eigener Initiative Maßnahmen ergreifen. EU-Mitgliedstaaten, die zugleich UN-Mitglieder sind, haben die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nach Art. 25 UN-Charta verpflichtend umzusetzen. Die EU ist selbst kein UN-Mitglied. Aus diesem Grund bestand Unsicherheit, ob die EU an die UN-Resolutionen gebunden ist. Das EuG ging zunächst von einer Bindung der EU an die UN-Resolutionen aus und berief sich dazu auf die Figur einer Funktionsnachfolge, vgl. EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs T-315/01, Kadi / ​Rat u. Kommission, Slg. 2005 II-3659 Rn. 193–204. Dies stieß jedoch vielfach auf Kritik, vgl. etwa Niestedt, in: Krenzler / ​Herrmann / ​ dies. (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, § 50 Rn. 25; Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die EG, S. 236–292. Überwiegend wird eine unmittelbare Bindung an die UN-Resolution abgelehnt, so auch Ohler, EuR 2006, 848 (863). Stattdessen wird eine mittelbare Bindung z. T. über den unionalen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit befürwortet, vgl. Kotzur, EuGRZ 2006, 19 (24); Neudorfer, ZaöRV 69 (2009), 979 (988); Schmalenbach, JZ 2006, 349 (352). Soweit eine UN-Resolution eine Umsetzung verlangt, die in den Kompetenzbereich der EU fällt, ist sie zur Umsetzung verpflichtet, vgl. EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​ Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 296. 208 Eine Klagemöglichkeit der gelisteten Person gegen den UN-Sicherheitsrat vor dem IGH ist nicht vorgesehen. Der Betroffene kann gegenüber dem UN-Sicherheitsrat eine Löschung von der Liste (De-Listing) im Wege des diplomatischen Schutzes erreichen, worüber der Sanktionsausschuss einstimmig zu beschließen hat, vgl. Ziff. 7 (f) der Security Council Committee Guide­ lines. Nunmehr besteht nach SR-Resolution 1730 (2006) v. 19.12.2006 auch die Möglichkeit eines direkten Antrags des Betroffenen gegenüber einem sog. focal point, eine Koordinationsstelle im UNO-Sekretariat, der den Antrag sodann an den Ausschuss weiterleitet. Damit wird allerdings kein formales Beschwerdeverfahren eingeleitet. Kritisch gegenüber der Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze im Verfahren Fehling, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 12 Rn. 125–133; Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 437–451; Kotzur, EuGRZ 2006, 19 (26); Ohler, EuR 2006, 848 (859–861); Tietje / ​Hamelmann, JuS 2006, 299 (302). 209 Dazu zusammenfassend Eckes, EU Counter-Terrorist Policies and Fundamental Rights, S. 48 f.; unter Verweis auf EuG, Urt. v. 04.12.2008, Rs. T-284/08, People’s Mojaheding Organi­ zation of Iran / ​Rat, Slg. 2008, II-3487 Rn. 27–34.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

sein kann, den Kläger zu rehabilitieren und somit den Fortbestand seines Rechtsschutzinteresses zu begründen.210 bb) Gebotenheit des Rechtsschutzverfahrens Nach deutschem Recht ist die Fallgruppe des Rehabilitationsinteresses auf der Grundlage des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG verfassungsrechtlich insoweit angezeigt, als jeder Verletzung von subjektiven Rechten ist ein wirksamer Rechtsbehelf zur Seite zu stellen und dies ungeachtet des Umstands, ob die Rechtsgrundlage aus anderen Gründen bereits entfallen ist, eine Beeinträchtigung der subjektiven Rechte des Einzelnen jedoch noch fortbesteht. Auch auf Unionsebene wird mit Art. 47 Abs. 1 GRCh ein wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf bei Verletzungen von durch die Union eingeräumten Rechten und Freiheiten garantiert. Für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist bereits die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ausreichend.211 Gewährleistet wird der Zugang zu den Gerichten212, der durch Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage eine Einschränkung erfährt. Die Klagevoraussetzung des Rechtsschutzinteresses stellt neben Fristen und Formalien eine weitere Beschränkung des Art. 47 Abs. 1 GRCh dar, die im Interesse einer geordneten Rechtspflege zulässig ist, soweit damit der Zugang zu Gericht nicht unangemessen eingeschränkt wird.213 Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Rechtsschutzinteresse entfällt, wenn der angegriffene Rechtsakt auf andere Weise beseitigt wird und die Nichtigerklärung in der Folge für den Kläger keinen ­Vorteil mehr enthält. Stellt der angegriffene Rechtsakt jedoch einen Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheiten dar und wird dieser auch durch die Beseitigung des Rechtsakts nicht beendet, wirkt dieser vielmehr fort, dann kann sich der Betroffene auch nicht auf andere Weise von der nachwirkenden beeinträchtigenden Wirkung befreien. In einer solchen Situation muss das Interesse an einer geordneten Rechtspflege hinter dem Anspruch des Betroffenen auf Beseitigung der Rechtsverletzung zurücktreten. Daher hat einer betroffenen Person ein Verfahren zur Wiederherstellung des persönlichen Ansehens offenzustehen.

210 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 72. 211 Alber, in: Tettinger / ​Stern (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 25; Blanke, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 47 GRCh Rn. 6. 212 Vgl. auch Art. 47 Abs. 3 GRCh, wo der Zugang zu Gericht explizit genannt wird. 213 EuG, Urt. v. 05.10.2011, Rs. T-19/06, Mindo / ​Kommission, Slg. 2011, II-6795 Rn. 97.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  179

(1) Grundrechtsrelevanz Restriktive Maßnahmen berühren regelmäßig die Grundrechte der Betroffenen. So sind in verfahrensrechtlicher Hinsicht Art. 41 und 47 GRCh zu beachten.214 In materieller Hinsicht hat eine solche Verordnung im Einklang mit den Grundrechten und den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu stehen. Bereits die Aufnahme des Namens einer Person auf eine Liste enthält eine gewisse Wertung, denn es bedeutet, dass eine Verbindung zwischen ihr und terroristischen oder ähnlich geahndeten Tätigkeiten hergestellt werden konnte. Damit verbunden ist eine gravierende Rufschädigung des Betroffenen, noch dazu in öffentlicher Form.215 Naturgemäß führt dies zu erheblichen Nachteilen für das gesellschaftliche und private Leben der Person. Sie wird sich infolgedessen einem erheblichen Misstrauen der Öffentlichkeit ausgesetzt sehen, ihr wird ein entsprechender Ruf vorauseilen und Mitmenschen werden versuchen sie zu meiden.216 Dieser Eindruck bleibt auch nach Entfernung des Namens aus der Liste bestehen, zumindest wenn für die Öffentlichkeit damit nicht auszuschließen ist, dass ein entsprechender Verdacht gegenüber der Person tatsächlich begründet ist. Eine Stigmatisierung der Person ist nach Veröffentlichung der Liste daher nicht zu vermeiden.217 Vergleichbare Auswirkungen auf den Ruf und das Ansehen einer Person in der Öffentlichkeit kann die Aufnahme des Namens einer Person auf eine Sanktionsliste haben, wenn dies aufgrund eines Ermittlungsverfahrens zur Veruntreuung öffentlicher Gelder erfolgte.218 Für eine Person des politischen Lebens, für die Glaubhaftigkeit und Vertrauens­

214 Aufgrund der Grundrechtsrelevanz restriktiver Maßnahmen verlangt nunmehr Art. 215 Abs. 3 AEUV ausdrücklich, dass die auf Art. 215 Abs. 1 und 2 AEUV gestützten Rechtsakte die erforderlichen Bestimmungen über den Rechtsschutz vorsehen müssen, damit der jeweilige Adressat seine notwendigen Verteidigungsrechte wirksam ausüben kann. Sanktionsmaßnahmen sind demzufolge zum einen mit einer Begründung zu versehen; insbesondere sind ihm die Umstände, die die Aufnahme der Namen der Betroffenen in die Verordnung rechtfertigen, mitzuteilen, vgl. EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 345; Urt. v. 16.11.2011, Rs. C-548/09 P, Bank Melli Iran / ​Rat, Slg. 2011, I-11381 Rn. 47; kritisch zu der Begründungspraxis der Kommission Eckes, ZFAS 2013, 345 (353). Zum anderen ist die Möglichkeit einer Anhörung vorzusehen, so EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 345; Urt. v. 21.12.2011, Rs. C-27/09 P, Frankreich / ​People’s Mojahedin Organization of Iran, Slg. 2011, I-13427 Rn. 61. 215 So EuGH, Urt. v. 18.01.2007, Rs. C-229/05 P, PKK u. KNK / ​Rat, Slg. 2007, I-439 Rn. 110; GA Bot, Schlussantr. v. 22.01.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:​ EU:C:2013:30 Rn. 62. 216 EuGH, Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. C-595/10 P, Kommission u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518 Rn. 132. 217 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​​ 2013:331 Rn. 70. 218 So EuG, Urt. v. 26.10.2015, Rs. T-290/14, Portnov / ​Rat, ECLI:EU:T:2015:806 Rn. 31; ebenso Urt. v. 28.01.2016, Rs. T-331/14, Azarov / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:49 Rn. 29; Beschl. v. 12.07.2016, Rs. T-347/14, Yanukovych / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:433 Rn. 69.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

würdigkeit eine maßgebliche Rolle spielen, kann eine öffentlich bekanntgemachte Verbindung zu einem strafbewehrten Verhalten erhebliche Einschnitte darstellen. In der Rechtssache Portnov beispielsweise wehrte sich der Kläger gegen die ihm gegenüber verhängten restriktiven Maßnahmen. Der Begründung der Verordnung zufolge war er im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder einer strafrechtlichen Verfolgung in der Ukraine ausgesetzt. Die Nichtigkeitsklage hatte schlussendlich Erfolg, denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung hatte tatsächlich nicht einmal eine strafrechtliche Ermittlung gegen den Kläger stattgefunden.219 In einer vergleichbaren Situation befanden sich die Mitglieder der Regierung Simbabwes, denen schwere Verstöße gegen die Menschenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit vorgeworfen wurden.220 Gemeinsam ist den Entscheidungen, dass sich die klagenden Personen einem Vorwurf verwerflichen und verachtenswerten Handelns ausgesetzt sehen, der persönliche Ruf und damit die persönliche Ehre der entsprechenden Person Schaden abbekommt. (2) Rufschädigung und grundrechtliche Verankerung Der Schutz der persönlichen Ehre wird im europäischen Recht nicht unmittelbar garantiert.221 Der EGMR erkennt allerdings den Schutz des guten Rufs einer Person über den Gehalt des Art. 8 EMRK an.222 Verlangt wird eine hinreichend schwere Beeinträchtigung des guten Rufes, welche sich auf das Privatleben des Betroffenen auswirkt.223 Den Erläuterungen des Präsidiums des Grundrechtskonvents zufolge sind die Rechte des Art. 7 GRCh den Rechten des Art. 8 EMRK nachgebildet und entsprechen sich insoweit im Umfang des Schutzgehalts (Art. 52 Abs. 3 GRCh).224 Die Bestimmung des Schutzumfangs des Privatlebens i. S. d. Art. 7 GRCh erfolgt daher überwiegend unter Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR.225

219

EuG, Urt. v. 26.10.2015, Rs. T-290/14, Portnov / ​Rat, ECLI:EU:T:2015:806 Rn. 30–33. EuG, Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-190/12, Tomana u. a. / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:2015:​ 22 Rn. 66 f. 221 Siehe dazu etwa Nettesheim, in: Grabenwarter (Hrsg.), Europ. Grundrechtsschutz, § 9 Rn. 61; allgemein zu Art. 8 EMRK Stern, in: Festschrift Ress, 1259 (1271–1274). 222 EGMR, Urt. v. 29.06.2004 – 64915/01, ECHR 2004-VI, 175 – Chauvy u. a. / ​Frankreich, Rn. 70; Urt. v. 19.09.2006 – 42435/02, ECLI:CE:ECHR:2006:0919JUD004243502 – White  / ​ Schweden, Rn. 30; Urt. v. 15.11.2007 – 12556/03, NJW-RR 2008, 1218 (1219) – Pfeifer / ​Österreich, Rn. 35; Lange-Tramoni, Analyse der Achtung des Privatlebens nach Art. 7 GRCh, S. 25; Marauhn / ​Thorn, in: Dörr / ​Grote / ​Marauhn (Hrsg.), EMRK / ​GG, Bd. I, Kap. 16 Rn. 36; S. Schiedermair, Der Schutz des Privaten als internat. Grundrecht, S. 296–299. 223 EGMR, Urt. v. 28.04.2009 – 39311/05, ECLI:CE:ECHR:2009:0428JUD003931105 – Karakó / ​Ungarn, Rn. 23. 224 Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (2007/C 303/02), ABl 2007, L 303/20 dazu Rengeling / ​Szczekalla, Grundrechte in der EU, Rn. 655. 225 Speziell zum Schutz des guten Rufs bzw. der persönlichen Ehre etwa Hochmann, RTDH 19 (2008), 1171 und passim; Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 7 Rn. 16; Kingreen, in: ­Calliess  / ​ Ruffert (Hrsg.), Art. 7 GRCh Rn. 6; Weber, in: Stern / ​Sachs (Hrsg.), GRCh, Art. 7 Rn. 15. 220

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  181

Der EGMR hatte sich bisher ausschließlich in der Rechtssache Segi mit der Aufnahme zweier Organisationen auf eine Terrorliste zu befassen.226 Die Beschwerde wurde allerdings als unzulässig abgewiesen, denn sie richtete sich unmittelbar gegen einen GASP-Beschluss. Dieser verletze die EMRK nicht; Rechtsschutz könne mit einer Klage vor den europäischen Gerichten lediglich gegen die nationalen Umsetzungsmaßnahmen ersucht werden. Wörtlich führte das Gericht aus, die Aufnahme der beiden Organisationen auf die Terrorliste sei zwar „beschämend“227, würde jedoch noch keine Verletzung der EMRK darstellen.228 Unzutreffend wäre es jedoch, daraus den Schluss ziehen zu wollen, der EGMR würde die Einstufung als Terrorist nicht als Rufschädigung anerkennen. In dem konkreten Fall scheitert die Klage letztendlich mangels tauglichem Beschwerdegegenstand, denn es fehlte an einem Rechtsakt eines Mitgliedstaates. Darüber hinaus ließ sich eine Rufschädigung in diesem Fall durchaus in Frage stellen, denn Zweck der Namensnennung in der entsprechenden Verordnung war nicht die Verhängung restriktiver Maßnahmen, sondern die polizeiliche Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zu unterstützen und erleichtern.229 In einer Reihe von Entscheidungen, die zwar nicht die Einstufung als Terrorist zum Gegenstand hatten, die Beschwerdeführer allerdings ebenfalls mit falschen Anschuldigungen und ehrunwürdigen Vorwürfen konfrontiert waren, führte der EGMR aus, dass nach Art. 6 Abs. 1 EMRK ein Verfahren zu garantieren sei, um seine persönliche Ehre wiederherzustellen und eine Kompensation für eine Rufschädigung zu erhalten.230 In diesem Sinne verlangen auch die europäischen Gerichte ein gerichtliches Verfahren zum Schutz gegen Beeinträchtigungen des guten Rufs in öffentlicher Handlungsform.231 Für die Begründung eines Rechtsschutzinteresses zur Rehabilitierung des Klägers im Wege der Nichtigkeitsklage wird der Schutz des guten Rufs und die grundrechtliche Dimension (Art. 7 GRCh, Art. 8 EMRK) des Klägers zwar nicht ausdrücklich angeführt. Ausführungen über die Stigmatisierung des Betroffenen und der öffentliche Ansehensverlust gemeinsam

226

EGMR, Entsch. v. 23.05.2002 – 6422/02 u. 9916/02, ECHR 2002-II, 357 – Segi u. a./15 Mitgliedsstaaten der EU verb. mit Gestoras Pro-Amnistiá u. a./15 Mitgliedsstaaten der EU; dazu umfassend auch Eckes, EU Counter-Terrorist Policies and Fundamental Rights, S. 160 f. 227 Wörtlich „embarrassing“. 228 EGMR, Entsch. v. 23.05.2002 – 6422/02 u. 9916/02, ECHR 2002-II, 357 – Segi u. a./15 Mitgliedsstaaten der EU verb. mit Gestoras Pro-Amnistiá u. a./15 Mitgliedsstaaten der EU. 229 Vgl. Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates v. 27.12.2001, Art. 4, ABl 2001 L 344/94. 230 EGMR, Urt. v. 21.02.1975 – 4451/70, Series A Nr. 18 – Golder / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 27; Entsch. v. 08.03.1962 – 808/60, Yearbook ECHR 5 (1962), S. 108 – ISOP / ​Österreich, Rn. 15; Urt. v. 29.10.1991 – 11826/85, Series A Nr. 212-A – Helmers / ​Schweden, Rn. 27; dies anführend Eckes, EU Counter-Terrorist Policies and Fundamental Rights, S. 169. 231 Beispielsweise EuGH, Urt. v. 12.10.2007, Rs. T-474/04, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse / ​Kommission, Slg. 2007, II-4225 Rn. 75–81; nun auch EuGH, Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. 595/10 P, Kommission u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518 Rn. 133.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

mit der Anerkennung einer Beeinträchtigung des Privatlebens und dem in diesem Zusammenhang entstandenen immateriellen Schaden sind jedoch ein deutlicher Hinweis auf die Anerkennung des Rechts, seine persönliche Ehre und seinen guten Ruf gegen Beeinträchtigungen durch öffentlich bekannt gemachte Rechtsakte zu verteidigen.232 Für die Erörterung der Klagegründe wird dann auch vereinzelt explizit auf den Schutz des guten Rufes durch Art. 8 EMRK Bezug genommen.233 Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch erwähnenswert, dass der Schutz des guten Rufes nicht auf natürliche Personen beschränkt wird. Auch juristische Personen können sich insoweit auf Art. 7 GRCh berufen und ihr geschäftliches Ansehen gegen Beeinträchtigungen verteidigen.234 b) Anhaltende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen Als besondere Ausprägung der Fallgruppe eingestuft werden können – wie auch im deutschen Recht – jene Fälle, die sich durch die anhaltende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Positionen auch nach Wirksamkeitsverlust des belastenden Unionsrechtsakts auszeichnen. Nicht entscheidend ist in diesen Fällen die diskriminierende Wirkung des Unionsrechtsakts. aa) Restriktive Maßnahmen In der überwiegenden Zahl der Fälle ist das Einfrieren von Geldern und wirtschaftlichen Ressourcen einer in einer Sanktionsliste genannten Person bereits Anlass genug, sich im Wege der Nichtigkeitsklage gerichtlich dagegen zur Wehr zu setzen. Das Einfrieren von Geldern und sonstigen finanziellen Ressourcen greift in das Recht auf Achtung des Eigentums der betroffenen Person ein, wie es durch Art. 17 GRCh grundrechtlich gewährleistet wird. Es stellt zwar keine Enteignung dar. Gleichwohl wird die Verfügungsbefugnis über das Eigentum eingeschränkt.235 Dies kann zu einem materiellen Schaden führen, der allerdings nicht durch die Nichtigerklärung der Verordnung zu beseitigen ist. Vielmehr muss der Kläger diesen Schaden im Wege des sekundärrechtlichen Rechtsschutzes nach Art. 268 i. V. m.

232 Vgl. nur stellvertretend für viele EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim  / ​ Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​2013:331 Rn. 70 f. 233 EuG, Urt. v. 15.09.2016, Rs. T-340/14, Klyuyev / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:496 Rn. 35 234 Für Art. 7 GRCh ohne speziell auf den Ruf einzugehen EuGH, Urt. v. 14.02.2008, Rs. C-450/06, Varec, Slg. 2008, I-581 Rn. 48; GA Wathelet, Schlussantr. v. 16.09.2015, Rs. C-419/14, WebMindLicences, ECLI:EU:C:2015:606 Rn. 111; zustimmend Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 7 Rn. 17; Frenz, HdB EuR, Bd. IV, Rn. 1173. 235 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 358; Urt. v. 15.11.2012, Rs. C-539/10 P, Al-Aqsa / ​Rat u. Pays-Bas / ​Al-Aqsa, ECLI:EU:C:2012:711 Rn. 120.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  183

Art. 340 Abs. 2 AEUV geltend machen.236 Dennoch kann es selbst nach Löschung des Namens aus der Liste Anliegen des Klägers sein, neben Schadenersatz eine Nichtigerklärung der Verordnung zu erstreiten. Der Eingriff beschränkt sich in der Regel nicht allein auf die Rechte am Eigentum der gelisteten Person. Vielmehr können damit ganz erhebliche Auswirkungen auf die Lebensführung der Person einhergehen, beispielsweise wenn der Adressat der Maßnahme infolgedessen auf soziale Unterstützung angewiesen ist. Neben dem Einfrieren von vorhandenen Geldern enthalten die Verordnungen häufig auch das Verbot den gelisteten Personen Geld oder wirtschaftliche Ressourcen zuzuwenden. Damit wird ihnen letztlich die Möglichkeit genommen, am Geschäftsleben teilzunehmen. Dies schränkt die unternehmerische Freiheit der betroffenen Person, wie sie durch Art. 16 GRCh gewährleistet wird, ein, denn faktisch kann die Person ihren Beruf nicht mehr ausüben, wenn ihr das Entgegennehmen von Geld für Leistungen oder Waren untersagt ist237.238 Zugleich haben die Maßnahmen einschneidende Auswirkungen auf die Beziehungen zu Geschäftspartnern der gelisteten Person, die ohne die Möglichkeit eines Austauschs von Wirtschaftsgütern effektiv nicht fortgeführt werden können, wenn sich diese nicht ohnehin bereits infolge der Auflistung abgewandt haben.239 Für die betroffenen Personen kann dies die vollständige wirtschaftliche Isolation bedeuten.240 In gleicher Weise kann das Einfrieren der Gelder auch finanzielle

236 Vgl. beispielsweise EuGH, Urt. v. 15.06.2000, Rs. C-237/98 P, Dorsch Consult / ​Rat u. Kommission, Slg. 2000, I-4549; EuG, Urt. v. 23.11.2011, Rs. T-341/07, Sison / ​Rat, Slg. 2011, II-7915. Die Schadenersatzklage Sisons blieb mangels hinreichend qualifiziertem Rechtsverstoß erfolglos. Kritisch gegenüber dem Ergebnis der Entscheidung Bülow, EuR 2013, 609; Marsch, EuZW 2012, 499. 237 § 34 Abs. 4 AWG sieht eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten bei Verstöße gegen Sanktionen in den Verordnungen, die der Durchführung von Resolutionen des UN-Sicherheitsrats oder des Rats der EU im Bereich der GASP dienen, vor. 238 Anschaulich EuG, Urt. v. 12.07.2006, Rs. T-253/02, Ayadi / ​Rat, Slg. 2006, II-2139 Rn. 100, 123; eine Beeinträchtigung von Art. 16 GRCh in diesem Zusammenhang verneinend EuGH, Urt. v. 28.11.2013, Rs. C-348/12 P, Rat / ​Manufacturing Support & Procurement Kala Naft, ECLI:EU:C:2013:776 Rn. 123 f.; EuG, Urt. v. 27.02.2014, Rs. T-256/11, Ezz u. a. / ​Rat, ECLI:​ EU:T:2014:93 Rn. 218–233. 239 So EuGH, Urt. v. 30.07.1996, Rs. C-84/95, Bosphorus / ​Minister for Transport, Energy and Communications u. a., Slg. 1996, I-3953 Rn. 22 f.; Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 361; Urt. v. 03.12.2009, Rs. C-399/06 P u. C-403/06 P, Hassan u. Ayadi / ​Rat u. Kommission, Slg. 2009, I-11393 Rn. 92. 240 EuGH, Urt. v. 11.10.2007, Rs. C-117/06, Möllendorf u. Möllendorf-Niehuus, Slg. 2007, I-8361 zeigt sehr deutlich, welch weitreichende Folgen restriktive Maßnahmen für die aufgelistete Person haben können. Der EuGH hatte in dem Vorabentscheidungsverfahren über die Frage zu entscheiden, ob Art. 2 Abs. 3 der VO (3. Kap., Fn. 197) der Eigentumsumschreibung zugunsten der gelisteten Person entgegensteht und dies bejaht. Die Auswirkungen von Sanktionsmaßnahmen ebenfalls nachzeichnend Eckes, EU Counter-Terrorist Policies and Fundamental Rights, S. 172 unter Verweis auf die allzu positive Darstellung der Auswirkungen solcher Maßnahmen durch den EuG, Urt. v. 12.07.2006, Rs. T-253/02, Aydai / ​Rat, Slg. 2006, II-2139 Rn. 129.

184

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Einschränkungen für das Familienleben der betroffenen Person (Art. 7 GRCh) zur Folge haben.241 Ungeachtet einer Löschung des Namens sind die Auswirkungen des Rechtsakts auf die persönlichen Rechte und Freiheiten der Betroffenen auch noch nach Entfallen des Klagegegenstandes spürbar. Das mag zwar nicht für die Beeinträchtigung des Eigentums der betroffenen Person gelten, denn mit Aufhebung des Rechtsakts wird diese beendet. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass die mit den restriktiven Maßnahmen verbundenen Auswirkungen auf das Familienleben, die unternehmerische Freiheit und die berufliche Verwirklichung damit ebenfalls beseitigt werden. bb) Sanktionen auf nationaler Ebene In einer ähnlich misslichen Lage wie eine gelistete Person befindet sich der Kläger, der zwar nicht Adressat einer EU-Verordnung ist, jedoch auf der Grundlage einer EU-Richtlinie Sanktionsmaßnahmen auf nationaler Ebene zu befürchten hat, aufgrund derer der Kläger mit abträglichen Eigenschaften in Verbindung gebracht wird. In der Rechtssache Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​Kommission wendete sich die Klägerin gegen die im Anhang einer Richtlinie erfolgte Einstufung des von ihr betriebenen Produkts als gesundheitsschädlich. Nach Klageerhebung wurde der streitgegenständliche Anhang der Richtlinie durch Verordnung aufgehoben.242 Nach Auffassung des Gerichts behielt die Klägerin gleichwohl ihr Rechtsschutzinteresse, da diese auf nationaler Ebene mit Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen rechnen musste, nachdem sie sich über die in einer nationalen Vorschrift zur Umsetzung der Richtlinie enthaltenen Einstufung ihres Produkts und den damit verbundenen Vorgaben hinwegsetzte. Die Aufhebung der angegriffenen Richtlinie erfolgte nur mit Wirkung ex nunc, sodass an ihre Wirksamkeit in der Vergangenheit weiterhin repressive nationale Sanktionsmaßnahmen geknüpft werden konnten. Eine rückwirkende Beseitigung der Wirksamkeit der Richtlinie durch Urteil war für die Klägerin insoweit weiterhin von Vorteil.243 Ausführungen zur Notwendigkeit einer Rehabilitierung der Klägerin wie sie in der Rechtssache Abdulrahim dargelegt wurden, erfolgten zwar nicht; doch ist die Interessenlage vergleichbar. Aussagen über die Gesundheitsschädlichkeit eines Produkts der Klägerin können einschneidenden Einfluss auf den Vertrieb des Produkts haben und damit die unternehmerische Freiheit der Klägerin beeinträchtigen. Durch die Aufhebung des Anhangs der Richtlinie konnte dieser Eindruck nicht beseitigt werden.

241 Vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.2010, Rs. C-340/08, M u. a., Slg. 2010, I-3913. Der EuGH hat in einem Vorabentscheidungsverfahren über die Frage zu entscheiden, ob das Verbot, der gelisteten Person direkt oder indirekt Gelder zur Verfügung zu stellen, auch Leistungen zur sozialen Sicherheit und Sozialhilfe an die Ehefrau umfasst, dies allerdings verneint. 242 EuG, Urt. v. 16.12.2011, Rs. T-291/04, Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​ Kommission, Slg. 2011, II-8281 Rn. 87. 243 Ebd., Rn. 88 f.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  185

Insbesondere musste die Klägerin nach Verhängung von Sanktionen wegen jenes Verstoßes weiterhin Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten führen. cc) Beeinträchtigung des beruflichen oder geschäftlichen Ansehens, Art. 15, Art. 16 GRCh Ebenso können Kritik gegenüber einer Person im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Eignung und Kompetenz wie auch sonstige abträgliche Aussagen die berufliche oder unternehmerische Freiheit nicht nur unerheblich beeinträchtigen.244 In gleicher Weise können sich Unionsrechtsakte zum Nachteil des unternehmerischen Ansehens und Tätigwerdens auswirken und damit für ein Rechtsschutzinteresse sprechen, wie beispielhaft die Rechtssache Planet / ​Kommission zeigt.245 Die Klägerin wurde auf Antrag des OLAF in ein sog. Frühwarnsystem eingetragen, welches die Weitergabe von Informationen über Dritte ermöglicht, die den finanziellen Interessen oder dem Ruf der Union Schaden zufügen könnten. Dass sich eine solche Einstufung negativ auf das unternehmerische Ansehen auswirken kann, steht außer Frage. Es kommt hinzu, dass auf der Grundlage solcher Warnmeldungen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen gegenüber Unternehmen getroffen werden, die den unternehmerischen Erfolg einschränken können. Deshalb sollte auch nachdem die Klägerin aus dem Frühwarnsystem gelöscht wurde, ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen sein, „insbesondere weil die Eintragung der Klägerin geeignet war, ihrem Ansehen zu schaden, und daher allein eine Nichtigerklärung diesen Missstand beheben […] kann.“246 Insgesamt spielte das Rechtsschutzinteresse außerhalb des Bereichs restriktiver Maßnahmen bisher eine noch sehr untergeordnete Rolle. Der Grund hierfür dürfte sich vor allem auch daraus ergeben, dass ein Rechtsschutzinteresse in diesen Fallkonstellationen bereits aufgrund einer Wiederholungsgefahr oder zur Vorbereitung einer Haftungsklage begründet werden konnte, sodass das Rehabilitationsinteresse in den Hintergrund trat.247 Der Gerichtshof verzichtet grundsätzlich darauf, auf die sonstigen vom Kläger vorgebrachten Gründe einzugehen, wenn bereits ein Umstand ausreicht, um ein Rechtsschutzinteresse begründen zu können.248 Gleichwohl sollte die Bedeutung der Fallgruppe im Hinblick auf den Grundrechtsschutz auch in diesen Sachverhaltskonstellationen nicht unterschätzt werden.

244

So etwa bei EuGH, Urt. v. 10.06.1980, Rs. C-155/78, M. / ​Kommission, Slg. 1980, 1797 Rn. 6; EuG, Urt. v. 18.12.2003, Rs. T-326/99, Fern Olivieri / ​Kommission u. EMEA, Slg. 2003, II-6053 Rn. 97; Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-320/09, Planet / ​Kommission, ECLI:EU:T:2015:223 Rn. 32. 245 EuG, Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-320/09, Planet / ​Kommission, ECLI:EU:T:2015:223. 246 Ebd., Rn. 32. 247 Vgl. ebd., Rn. 32. 248 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 66.

186

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

c) Zwischenergebnis Aus grundrechtlicher Perspektive ist Rechtsschutz damit zu gewährleisten, wenn erstens der aufgehobene Rechtsakt rufschädigende Eigenschaften besitzt und nur durch eine gerichtliche Entscheidung das persönliche Ansehen wieder herzustellen ist. Die Gebotenheit des Rechtsschutzes ergibt sich in diesem Fall in erster Linie aufgrund der stigmatisierenden, d. h. aufgrund der öffentlich bekannt gewordenen abträglichen Wirkung des Rechtsakts. Ein Rechtsschutzverfahren hat zweitens offenzustehen, um eine anhaltende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Rechtspositionen zu beseitigen. Hierfür ist nicht die diskriminierende Wirkung des Rechtsakts entscheidend. 2. Allgemeiner Anforderungskatalog an das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses Mit der Entscheidung in der Rechtssache Abdulrahim erlangte das Rehabilitationsinteresse die notwendige Aufmerksamkeit. Gegenstand dieser Entscheidung sowie der nachfolgenden Entscheidungen, die sich hierauf beriefen, waren stets restriktive Maßnahmen nach Art. 215 Abs. 2 AEUV. Diese werden sicherlich auch zukünftig einen Hauptanwendungsbereich der Fallgruppe darstellen. Nichtsdestotrotz kann es lohnend sein, Inhalt und Zweck der Fallgruppe an allgemeinen Kriterien auszurichten, um die Fallgruppe auch in anderen Konstellationen anwenden zu können. Insbesondere im Hinblick auf die grundrechtliche Determinierung der Fallgruppe sollte der Anwendungsbereich nicht auf diese spezielle Konstellation beschränkt werden. a) Genugtuung als Ziel der Nichtigkeitsklage Einer Person, die durch einen Rechtsakt oder das zu diesem führende Verfahren öffentlich mit Vorwürfen konfrontiert wird, die geeignet sind, die Ehre, Würde, das Selbstwertgefühl oder den Ruf der Person zu schädigen, wird ein immaterieller Schaden zugefügt.249 Dieser immaterielle Schaden ist nicht Folge der formellen oder materiellen Rechtswidrigkeit des Rechtsakts. Denn die mit der Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts verbundene Belastung des Klägers ist mit Aufhebung des Rechtsakts beendet, gleich in welcher Weise (gerichtlich / ​behördlich) dies geschieht. Ist der fehlerhafte Rechtsakt einmal aus der Rechtsordnung entfernt, entfallen auch die sich für den Kläger daraus ergebenden ihn belastenden Verpflichtungen. Das öffentliche Ansehen des Klägers hat hingegen Risse abbekommen, die 249

So etwa EuGH, Urt. v. 07.02.1990, Rs. C-343/87, Cullin / ​Kommission, Slg. 1990, I-225 Rn. 27; EuG, Urt. v. 10.06.2004, Rs. T-307/01, François / ​Kommission, Slg. 2004, II-1669 Rn. 110; Urt. v. 09.12.2010, Rs. T-526/08 P, Kommission / ​Strack, ECLI:EU:T:2010:506 Rn. 108.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  187

auch noch vorhanden sind, wenn der Rechtsakt bereits vollständig beseitigt wurde. Dann besitzt der Kläger ein berechtigtes Interesse für eine Rehabilitierung, denn ohne gerichtlichen Rechtsschutz müsste der Kläger die mit der Eigenart des Rechtsakts verbundene diskriminierende Wirkung, die nicht identisch mit den verpflichtenden Folgen des Rechtsakts ist, dulden. Dem Kläger muss aus diesem Grund die Möglichkeit der Richtigstellung offenstehen. Mit dem Urteil in der Rechtssache Abdulrahim wurde der Zweck einer auf ein Rehabilitationsinteresse gestützten Nichtigkeitsklage näher dargelegt: „Das Bejahen der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Handlung kann nämlich zwar als solches einen materiellen Schaden oder eine Beeinträchtigung des Privatlebens nicht wiedergutmachen, es ist aber gleichwohl – wie Herr Abdulrahim geltend gemacht hat – geeignet, ihn zu rehabilitieren oder eine Form der Wiedergutmachung des immateriellen Schadens darzustellen, der ihm aufgrund dieser Rechtswidrigkeit entstanden ist, und somit den Fortbestand seines Rechtsschutzinteresses zu begründen.“250 Diese Formulierung erinnert stark an die nationalen Begründungsbemühungen eines Rehabilitationsinteresses. Auch auf Unionsebene liegt demnach das Ziel einer Fortsetzung der Nichtigkeitsklage in der Rehabilitierung des Klägers, die dadurch zu erreichen ist, dass der Unionsrichter anerkennt, „dass er niemals in diese Liste hätte aufgenommen werden dürfen oder dass dies nicht in dem von den Organen der Union durchgeführten Verfahren hätte geschehen dürfen.“251 Mit der Möglichkeit, die Nichtigkeitsklage auch nach Aufhebung des streitigen Rechtsakts fortzuführen, soll also das öffentliche Ansehen des Klägers wiederhergestellt werden. Wird gerichtlich festgestellt, dass der Kläger zu Unrecht auf die Liste gesetzt wurde, erfolgt eine Richtigstellung der Tatsachenlage, noch dazu in öffentlicher Form252. Das hat ersichtlich eine völlig andere Wirkung als die häufig unbemerkt bleibende Aufhebung eines belastenden Rechtsakts durch die zuständige Stelle. Dass insoweit davon ausgegangen wird, dass ein gerichtliches Urteil die Rehabilitierung des Klägers bezwecken kann, wird insbesondere der fachlichen Autorität, die den europäischen Gerichten zukommt, zu verdanken sein. Der Gerichtshof betont allerdings in der Rechtssache Abdulrahim, dass die Rechtswidrigkeitsfest 250

EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 72; ebenso Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. 595/10 P, Kommission u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518 Rn. 66; EuG, Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-190/12, Tomana u. a. / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:2015:22 Rn. 67; Beschl. v. 12.07.2016, Rs. T-347/14, Yanukovych / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:433 Rn. 68; Urt. v. 26.10.2015, Rs. T-290/14, Portnov / ​Rat, ECLI:EU:T:2015:806 Rn. 28; Urt. v. 28.01.2016, Rs. T-331/14, Azarov / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:49 Rn. 28; Urt. v. 28.01.2016, Rs. T-341/14, Klyuyev / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:47 Rn. 28. 251 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 71; zuletzt auch EuGH, Urt. v. 29.11.2018, Rs. C-248/17 P, Bank Tejarat / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:967 Rn. 28–30. 252 Die Urteile des EuGH und des EuG werden nach Art. 92 VerfO-EuGH, Art. 122 VerfO-EuG im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Nach dessen Abschaffung werden nun nahezu alle Urteile und viele Beschlüsse auf der Website des Gerichtshofs veröffentlicht.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

stellung nur eine „Form der Wiedergutmachung“ darstellen kann. Damit nimmt er seine noch deutlich engere Formulierung in der Rechtssache Cullin zurück, „wonach die Aufhebung der angefochtenen Handlung als solche eine angemessene Wiedergutmachung des immateriellen Schadens darstellt, den dieser [der Kläger] in dem jeweiligen Fall möglicherweise erlitten hat“253. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung ist demzufolge nicht die einzige Form der Wiedergutmachung eines immateriellen Schadens. Abhängig von Schwere und Dauer einer Zuwiderhandlung kann es in bestimmten Fällen erforderlich sein, dem Kläger Schadenersatz für den erlittenen immateriellen Schaden zuzusprechen, soweit durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser nicht vollständig ausgeglichen werden kann.254 Auch nach deutschem Recht kann ein Amtshaftungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die Entschädigung immaterieller Nachteile gerichtet sein, vorausgesetzt es liegt ein hinreichend schwerer Eingriff vor und anderweitige Genugtuungsmöglichkeiten bestehen nicht.255 In Verbindung mit der Begründung eines Rehabilitationsinteresses wird auf diese Möglichkeit allerdings nur selten hingewiesen, was jedoch vorwiegend daran liegen dürfte, dass diese Form der Wiedergutmachung nicht in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte fällt. b) Stigmatisierung mit Außenwirkung Der EuGH formulierte in der für die Fallgruppe bedeutsamen Rechtssache Abdulrahim, dass „auch die Stigmatisierung und das Misstrauen zu berücksichtigen [sind], die mit der öffentlichen Bezeichnung der Betroffenen als mit einer terroristischen Vereinigung in Verbindung stehend einhergehen.“256 In nachfolgenden Entscheidungen gingen die Unionsgerichte von einem Rehabilitationsinteresse des Klägers aus, ohne erneut auf dessen Stigmatisierung einzugehen, obgleich diese jedenfalls in Verbindung mit restriktiven Maßnahmen ohnehin gegeben war. Dennoch wurde auch für weniger schwere Vorwürfe gegenüber dem Kläger ein Rehabilitationsinteresse bejaht.257 Entscheidend für die Annahme eines Rehabilitationsin 253

EuGH, Urt. v. 07.02.1990, Rs. C-343/87, Cullin / ​Kommission, Slg. 1990, I-225 Rn. 26. So EuGH, Urt. v. 30.05.2017, Rs. C-45/15 P, Safa Nicu Sepahan / ​Rat, ECLI:EU:C:2017:​ 402 Rn. 47–49; insoweit bereits durch die Vorinstanz zugesprochen EuG, Urt. v. 25.11.2014, Rs. T-384/11, Safa Nicu Sepahan / ​Rat, ECLI:EU:T:2014:986 Rn. 86–92; EuG, Urt. v. 06.06.2006, Rs. T-10/02, Giradot / ​Kommission, Slg. 2004, FP-I-A-2–129 Rn. 131; ausführlich zu den möglichen Formen einer Wiedergutmachung GA Mengozzi, Schlussantr. v. 08.09.2016, Rs. C-45/15 P, Safa Nicu Sepahan / ​Rat, ECLI:EU:C:2016:658 Rn. 50–57; eine Wiedergutmachung durch die Nichtigerklärung annehmend EuG, Urt. v. 18.02.2016, Rs. T-328/14, Jannatian / ​Rat, ECLI:​ EU:T:2016:86 Rn. 62–67. 255 Vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 29.06.2016 – Az.: 1 BvR 1717/15, NVwZ 2017, 317 (318); BGH Urt. v. 23.10.2003 – Az.: III ZR 9/03, NJW 2003, 3693 (3697); Urt. v. 04.11.2004 – Az.: III ZR 361/03, NJW 2005, 58 (59). 256 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 70. 257 Vgl. nur 3.  Kap. C. II. 1. b) bb). 254

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  189

teresses sollte jedenfalls bei rufschädigenden Rechtsakten die Außenwirkung sein. Demgegenüber wird bei einer anhaltenden Beeinträchtigung von Grundrechten auf das Merkmal der Außenwirkung verzichtet. Hier spricht bereits die fortwirkende Beeinträchtigung für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse. c) Wiederherstellung des grundrechtkonformen Zustands Ein Rehabilitationsinteresse kann ungeachtet einer fehlenden stigmatisierenden Wirkung auch für den Fall angenommen werden, dass ein Rechtsakt auch nach seiner Erledigung fortwährend eine Einschränkung für einen grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich darstellt. Die Entscheidung des Gerichts in der bereits dargestellten Rechtssache M. / ​Kommission ist bisher ein Einzelfall geblieben. Doch muss es den betroffenen Personen auch in einer solchen Situation offenstehen, sich gerichtlich gegen die Einschränkung zu wehren, vor allem wenn es sonst an einer Möglichkeit fehlt, die beeinträchtigende Wirkung des Rechtsakts zu beseitigen. Dann aber liegt das Ziel der Nichtigkeitsklage weniger in der Wiederherstellung des öffentlichen Ansehens als in der Wiederherstellung eines grundrechtskonformen Zustands. d) Rufschädigung auf der Grundlage einer UN-Resolution Unerheblich soll es in diesem Zusammenhang sein, dass die Rufschädigung und Diskriminierung bereits durch die Aufnahme des Klägers in eine Liste des UNSanktionsausschusses hervorgerufen wurde, deren Aufhebung durch die Nichtigkeitsklage allerdings nicht erreicht werden kann. Mit der Entscheidung in der Rs. Kadi I und II hat der Gerichtshof klargestellt, dass ein umfassender Rechtsschutz auch zu leisten ist, wenn die angegriffene Verordnung auf der Grundlage einer UN-Resolution ergangen ist.258 Das Gericht erster Instanz sah dies noch anders. Nach Auffassung des EuG konnte die streitige Verordnung nicht auf ihre Vereinbarkeit mit den Unionsgrundrechten überprüft werden.259 Da der Union bei der Umsetzung der UN-Resolution kein Ermessen zustünde, würde eine gerichtliche Kontrolle der Verordnung einer indirekten gerichtlichen Kontrolle der Rechtmäßigkeit der UN-Resolution gleichkommen. Allerdings habe der UN-Sicherheitsrat selbst die zwingenden völkerrechtlichen Grundsätze und insbesondere den Schutz der Grundrechte des Menschen zu beachten, sodass die Unionsgerichte insoweit

258 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351; Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. C-595/10 P, Kommission u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518. 259 EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-315/01, Kadi / ​Rat und Kommission, Slg. 2005, II-3649 Rn. 283.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

prüfen dürften, ob diese durch die UN-Resolution willkürlich verletzt wurden.260 Für den Gerichtshof war die Nichtjustiziabilität eines Rechtsakts der Union mit der Eigenschaft der Rechtsgemeinschaft hingegen nicht haltbar. Der Umsetzungsakt, nicht aber die UN-Resolution, könnte deshalb Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle durch die Unionsgerichte sein. Sein Bestand setzt die Vereinbarkeit mit den Unionsgrundrechten voraus.261 In diesem Sinne bejahte der Gerichtshof das Bedürfnis für die Rehabilitierung auf Unionsebene, da die in einer EU-Verordnung enthaltene Namensliste das Stigma und Misstrauen gegenüber dem Kläger und damit den immateriellen Schaden noch verstärken könne.262 Grund hierfür sei der Unterschied in der rechtlichen Tragweite einer Verordnung als Umsetzungsakt, da diese im Gegensatz zu einer UN-Resolution unmittelbar wirke.263 Dennoch wird damit die Frage aufgeworfen, ob durch die Nichtigerklärung der Verordnung auf Unionsebene der gewünschte Rehabilitierungserfolg überhaupt eintreten kann. Bereits die Aufnahme in eine Namensliste des UN-Sanktionskomitees stellt gegenüber den aufgelisteten Personen und Gruppen eine Freiheitsbeschränkung dar und greift unmittelbar264 oder mittelbar265 in die Grund- und Menschenrechte der betroffenen Personen ein.266 Für die Wahrnehmung des Klägers in der Öffentlichkeit macht es keinen Unterschied, ob er auf Unions- oder UN-Ebene Adressat von Sanktionen ist. Den Gerichten der Union fehlt es allerdings an der Kompetenz zur Verwerfung einer Sanktionsliste der UN. Die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der EU hat auf die Gültigkeit der Sanktionsliste der UN keine Auswirkungen.267 In der Literatur wird vereinzelt vertreten, dass eine fehlerhafte Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrats als ultra vires-Akt

260 Ebd., Rn. 228–252 (insbes. 231 und 240); ebenso Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-306/01, Yusuf u. Al Barakaat International Foundation / ​Rat u. Kommission, Slg. 2005, II-3533 Rn. 265–283. 261 EuGH, Urt. v. 03.09.2008, verb. Rs. C-402/05 P u. C-415/05 P, Kadi u. Al Barakaat International Foundation / ​Kommission u. Rat, Slg. 2008, I-6351 Rn. 281–328. 262 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 76. 263 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 77; Eckes, EU Counter-Terrorist Policies and Fundamental Rights, S. 174 geht sogar davon aus, dass die Umsetzung der UN-Liste in eine Maßnahme der EU den Vorwurf gegenüber den gelisteten Person noch verstärken kann. 264 Die Aufnahme in die Liste der UN-Resolution stellt einen unmittelbaren Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der gelisteten Person dar, vgl. Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 430 f. 265 Die Verpflichtung der UN-Mitgliedstaaten zur Umsetzung der restriktiven Maßnahmen auf der Grundlage der UN-Sicherheitsresolution stellt einen mittelbaren Eingriff in die Freiheitsgrundrechte der Betroffenen dar. 266 Ausführlich zu der Durchgriffswirkung von restriktiven Maßnahmen Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 430–433; EuGH, Urt. v. 27.02.2007, Rs. C-355/04 P, Segi u. a. / ​Rat, Slg. 2007, I-1657 Rn. 53 f. stellt heraus, dass bereits der Inhalt eines gemeinsamen Standpunkts des Rats rechtliche Auswirkungen auf die Rechtsposition der gelisteten Person hat, auch wenn diese nicht dazu bestimmt sind. Für die UN-Resolution kann insoweit nichts anderes gelten. 267 So Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 443 f.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  191

unanwendbar ist.268 Überwiegend wird dieser Lösungsansatz allerdings aufgrund offener Fragen und Unklarheiten gegenüber der ultra vires-Doktrin im Völkerrecht abgelehnt.269 Es ist anzunehmen, dass die Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrats infolge eines Nichtigkeitsurteils der europäischen Gerichte einer erneuten Überprüfung unterzogen wird. Verpflichtend ist dies allerdings nicht. Effektiver Rechtsschutz gegen die UN-Resolution kann demzufolge nach heutiger Rechtslage nicht erreicht werden, wenngleich es vor dem Hintergrund der international rule of law einen nur unzureichenden Stand der Dinge darstellt.270 Auch wenn damit feststeht, dass die Nichtigerklärung nicht für eine vollständige Rehabilitierung sorgen kann, so ist die gerichtliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Rechtsakts durchaus in der Lage, die Situation des Klägers zu verbessern und ihm damit letztlich Genugtuung zu verschaffen. Es wäre ohnehin kaum vertretbar, dem Kläger in dieser Situation ein Rehabilitationsinteresse mit der Begründung abzusprechen, die Nichtigkeitsklage habe keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der UN-Resolution. Vielmehr ist, wenn der betroffenen Person schon kein gerichtliches Verfahren auf UN-Ebene zur Verfügung steht, zumindest auf Unionsebene eine gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen. Der Anspruch auf eine vollständige Rehabilitierung kann demzufolge zwar nicht erfüllt werden. Der Rehabilitierungserfolg bleibt auf den Kompetenzbereich der europäischen Gerichte beschränkt. Urteile, die ein Rehabilitationsinteresse wegen nationaler Umsetzungsmaßnahmen bejahen271, veranschaulichen nur zu gut, dass zur vollständigen Rehabilitierung auf nationaler Ebene zunächst ein europäisches Nichtigkeitsurteil erforderlich sein kann. e) Formelle und materielle Nichtigkeitsgründe Keine Rolle soll es nach Auffassung des Gerichtshofs spielen, ob die Rehabilitierungsbedürftigkeit des Klägers auf formelle oder materielle Mängel des angegriffenen Rechtsakts zurückzuführen ist.272 Damit liegt die Rechtsprechung auf einer Linie mit der deutschen Rechtsprechung.273 So kann sowohl die mit dem angegriffenen Rechtsakt verbundene Aussage über die Eigenschaft des Klägers wie auch die Art der Vorgehensweise der Behörde das Bedürfnis für eine Rehabi 268 Frowein, in: Festschrift Tomuschat, 785 (795); für die nationale Ebene Fassbender, AöR 132 (2007), 257 (263–268). 269 Holley, Das Recht der internationalen Terrorismusbekämpfung, S. 189 ff.; Kastler, Föderaler Rechtsschutz, S. 446–450. 270 So die überwiegende Auffassung, die zugleich die Einrichtung eines gerichtlichen Verfahrens verlangt Fassbender, AöR 132 (2007), 257 (285 f.). 271 vgl. 3.  Kap. C. II. 1. b) bb). 272 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 71; im Anschluss daran ebenso EuG, Beschl. v. 12.07.2016, Rs. T-347/14, Yanukovych / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:433 Rn. 70. 273 Vgl. 1.  Kap. C. II. 2.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

litierung auslösen. Die Nichtigerklärung des Rechtsakts kann einen erlittenen immateriellen Schaden – gleich auf welchen Gründen er beruhen mag – beseitigen. Eine vollständige Rehabilitierung des Klägers wird demnach auch dann befürwortet, wenn die negativen Auswirkungen auf das Ansehen des Klägers vor allem auf einem fehlerhaften Vorgehen der Behörde beruhen und das selbst dann, wenn der Rechtsakt nach materiellem Recht grundsätzlich hätte ergehen dürften. Insofern wird die Behörde auf die Möglichkeit eines nochmaligen Erlasses des Rechtsakts verwiesen, diesmal allerdings in formell fehlerfreier Weise. f) Rehabilitierung bei Rechtsnachfolge Nach Auffassung des Gerichts soll ein Interesse an der Nichtigerklärung des angegriffenen Rechtsakts mit dem Ziel einer Rehabilitierung des Adressaten selbst nach dessen Tod in der Person der Rechtsnachfolgerin fortbestehen.274 Interessanterweise wird für das Entfallen des Klagegegenstandes nicht auf den Tod des Klägers, sondern auf die infolge des Todes erfolgte Streichung des Namens aus der Liste abgestellt.275 Mit Blick auf den Zweck der Nichtigkeitsklage scheint diese Rechtsprechung zu verwundern. Denn ein Interesse an der Wiederherstellung des öffentlichen Ansehens ist als solches ein höchstpersönliches, das mit dem Tod des Klägers eigentlich entfallen müsste. Ein verstorbener Kläger kann mit einer Nichtigerklärung keine Genugtuung mehr erlangen; die Beeinträchtigung des Rufs lässt sich nicht mehr kompensieren. aa) Rechtsvergleichender Hinweis Interessant kann in diesem Zusammenhang ein rechtsvergleichender Blick auf die deutsche und französische Rechtsordnung sein. Das LG Lüneburg lehnte mangels Genugtuungserfolg die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage gestützt auf ein Rehabilitationsinteresse nach dem Tod des Klägers ab.276 Diese Auffassung scheint an die Rechtsprechung zum Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts anzuknüpfen, wonach Ansprüche auf Geldentschädigung wegen Verletzung immaterieller Interessen nicht vererblich sind und insoweit nach dem 274

EuG, Beschl. v. 12.07.2016, Rs. T-347/14, Yanukovych / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:433 Rn. 70. Anders dagegen im deutschen Recht. Hier führt der Wegfall des Regelungssubjekts jedenfalls bei höchstpersönlichen Regelungen, für die eine Rechtsnachfolge ausscheidet, zu einer Erledigung des Verwaltungsakts, vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.1990 – Az.: 8 C 37/88, BVerwGE 84, 274 (277 f.); Beschl. v. 25.09.2000 – Az.: 1 B 49/00, NVwZ 2001, 209; OVG Nds., Beschl. v. 17.07.2014 – Az.: 1 ME 84/14, NVwZ 2014, 1465 (1466); Huxholl, Erledigung eines Verwaltungsakts, S. 97 f.; Sachs, in: Stelkens / ​Bonk / ​Sachs (Hrsg.), VwVfG, § 43 Rn. 210. 276 So beispielsweise LG Lüneburg, Beschl. v. 23.11.2010 – 6 T 85/10, BeckRS 2011, 27359 für ein Beschwerdefahren gegen die Anordnung der Abschiebungshaft nach § 62 FamFG, das insoweit jedoch sinngemäß herangezogen werden kann. 275

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  193

Tod des Betroffenen nicht mehr geltend gemacht werden können. Begründet wurde dies mit der Genugtuungsfunktion zugunsten des Klägers, die nach dessen Tod nicht mehr erfüllt werden könne.277 Gleichermaßen wird die Vererblichkeit von Ansprüchen verneint, die noch zu Lebzeiten in der Person des Trägers des Persönlichkeitsrechts entstanden sind, allerdings nicht durchgesetzt wurden.278 Zuletzt entschied der BGH, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dann nicht vererblich ist, wenn der Tod nach Rechtshängigkeit der Klage eintritt.279 Dies ist nur konsequent, denn von einer Genugtuungsfunktion wird man auch in jenem Fall nicht mehr ausgehen können. Abwehransprüche gegen eine postmortale Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hingegen können auch noch nach dem Tod des Trägers durch den Wahrnehmungsberechtigten durchgesetzt werden.280 Dann aber muss erst Recht die Abwendung rechtswidriger Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch noch möglich sein, wenn der Kläger noch vor erfolgreicher Durchsetzung seiner Ansprüche verstirbt. Verfolgt ein Kläger mit seiner Klage seine persönliche Rehabilitierung, so kann dies als eine auf die Abwendung eines andauernden Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht gerichtete Klage verstanden werden, die auch nach dessen Tod von den Wahrnehmungsberechtigten verfolgt werden kann. In diesem Sinne entschied dann auch der BGH und ging entgegen der Ansicht in dem bereits dargestellten Urteil des Beschwerdegerichts LG Lüneburg281 von einem Rehabilitationsinteresse zugunsten des verstorbenen Klägers aus.282 Deutlich großzügiger verfahren demgegenüber die französischen Gerichte: Sie haben bereits 1976 mit einer Grundsatzentscheidung die Vererblichkeit von Schadenersatzansprüchen für immaterielle Schäden anerkannt.283 Unerheblich soll es den Ausführungen der Entscheidung zufolge sein, ob der Anspruch bereits rechtshängig gemacht oder ob die Durchsetzung des Anspruchs durch den Verstorbenen angestrebt wurde. bb) Postmortaler Ehrschutz auf Unionsebene Auf Unionsebene ist grundsätzlich anerkannt, dass eine von dem Adressaten ­eines Rechtsakts erhobene Nichtigkeitsklage durch den alleinigen Rechtsnach-

277 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 19.10.2006 – Az.: 1 BvR 402/06, BVerfGK 9, 325 (327– 330); BGH, Urt. v. 01.12.1999 – Az.: I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 (223 f.); Urt. v. 06.12.2005 – Az.: VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203 (206). 278 BGH, Urt. v. 01.12.1999 – Az.: I ZR 49/97, BGHZ 143, 214 (223 f.); Urt. v. 29.04.2014 – Az.: VI ZR 246/12, BGHZ 201, 45 (48 f.). 279 BGH, Urt. v. 23.05.2017 – Az.: VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 f. 280 BGH, Urt. v. 06.12.2005 – Az.: VI ZR 265/04, BGHZ 165, 203 (206). 281 Vgl. 3. Kap., Fn. 276. 282 BGH, Beschl. v. 06.10.2011 – Az.: V ZB 314/10, NJOZ 2012, 1473 (1474). 283 C.cass.Ch.Mixte, 30.04.1976, Dalloz 1977, S. 185; C. E., 29.3.2000, Assistance publique-​ Hôpitaux de Paris, n° 195662, Rec. S. 147; dazu Le Tourneau, La responsabilité civile, Nr. 227.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

folger fortgeführt werden kann.284 Einschränkend wird in der Literatur jedoch verlangt, dass mit der Klage kein höchstpersönliches Recht verfolgt wird.285 Demzufolge müsste die Nichtigkeitsklage des Rechtsnachfolgers mit dem Ziel einer persönlichen Rehabilitierung des verstorbenen Klägers als unzulässig abzuweisen sein.286 Auf Unionsebene fehlt es allerdings an einer ausdifferenzierten Rechtsprechung zum postmortalen Persönlichkeitsrechtsschutz wie sie im nationalen Recht vorhanden ist.287 Der EGMR nimmt unproblematisch die Vererblichkeit von Entschädigungsansprüchen wegen vom Verstorbenen erlittene immaterielle Schäden an.288 Insofern sind der Erbe oder die Familienangehörige berechtigt, das Verfahren fortzusetzen, obgleich eine immaterielle Entschädigung nicht mehr zur Genugtuung des Betroffenen beitragen kann.289 Dass der EuGH auch nach dem Tod des Klägers ein Rehabilitationsinteresse bejahte, steht damit im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR. g) Rehabilitationsinteresse nicht auf Ersetzen des Klagegegenstandes beschränkt Das Gericht erster Instanz argumentiert in der Rechtssache Abdulrahim, dass ein Interesse an der Nichtigerklärung einer restriktiven Maßnahme nach deren Aufhebung nur fortbestehen könne, wenn der angegriffene Rechtsakt durch einen Rechtsakt mit vergleichbarem Inhalt ersetzt wurde und die Beeinträchtigung der immateriellen Interessen des Klägers folglich noch gegenwärtig ist.290 Das Gericht berief sich hierfür auf vorangegangene Entscheidungen des Gerichts und Gerichtshofs, die sowohl den ersetzenden wie auch den ersetzten Rechtsakt zum Gegenstand

284

EuGH, Urt. v. 20.10.1983, Rs. C-92/82, Gutmann / ​Kommission, Slg. 1983, 3127 Rn. 2; EuG, Urt. v. 08.07.2004, verb. T-67/00, T-68/00, T-71/00 u. T-78/00, Nippon Steel / ​Kommission, Slg. 2004, II-2501 Rn. 46; Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-190/12, Tomana u. a. / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:2015:222 Rn. 50; Kirschner / ​Klüpfel, Das Gericht erster Instanz der EG, Rn. 106. 285 So Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 204 unter Verweis auf Hackspiel, in: v. d. Groeben / ​ Schwarze (Hrsg.), 6. Aufl. 2004, Bd. 4, nach Art. 245 EG, Art. 21 EuGH-Satzung Rn. 36. 286 Anders aber EuG, Beschl. v. 12.07.2016, Rs. T-347/14, Yanukovych / ​Rat, ECLI:EU:T:​ 2016:433 Rn. 70. 287 Vgl. Richter, in: Dörr / ​Grote / ​Marauhn (Hrsg.), EMRK / ​GG, Bd. II, Kap. 20 Rn. 46. 288 Vgl. etwa EGMR, Urt. v. 31.03.1992  – 18020/91, Series A Nr. 234-C  – X / ​Frankreich, Rn. 54; Urt. v. 09.07.2002 – 33424/96, ECLI:CE:ECHR:2002:0709JUD003342496 – Nouhaud u. a. / ​Frankreich, Rn. 51; Urt. v. 18.09.2009 – 16064/90 u. a., ECHR 2009-V, 13 – Varnava u.  a.  / ​ Türkei, Rn. 225; anders noch Urt. v. 18.10.1982 – 7215/75, Series A Nr. 55 – X / ​Frankreich, Rn. 19; Urt. v. 24.10.1983 – 5947/72, 6205/73, 7052/75, 7061/75, 7107/75, 7113/75, 7136/75, Series A Nr. 67 – Silver u. a. / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 12; dazu Dannemann, Schadensersatz bei Verletzung der EMRK, S. 98–103. 289 Zusammenfassend Dörr, in: ders. / ​Grote / ​Marauhn (Hrsg.), EMRK / ​GG, Bd.  II, Kap.  33 Rn. 37. 290 EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-127/09, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:​ 2012:93 Rn. 35.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  195

hatten.291 Das Gericht möchte daraus den Schluss ziehen, dass ein Interesse an der Rehabilitierung des Klägers durch Nichtigerklärung des aufgehobenen Rechtsakts nur bestehen könne, wenn sich die anhaltende beeinträchtigende Wirkung noch auf den nachfolgenden Rechtsakt zurückführen lässt. Dieser Auffassung ist der Gerichtshof allerdings nicht gefolgt. Er hat insoweit völlig zutreffend klargestellt, dass ein Rechtsschutzinteresse auch noch bestehen könne, wenn der Rechtsakt vollständig aufgehoben wurde.292 Ob sich die beeinträchtigende Wirkung noch auf eine wirksame Rechtsgrundlage zurückführen lässt, ist insoweit nicht entscheidend. h) Feststellungsurteil statt Gestaltungsurteil Der Beschluss des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Abdulrahim wurde durch den Gerichtshof zwar aufgehoben. Dennoch enthält es einen Gedanken, der es Wert ist aufgegriffen zu werden. Es lehnte ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Klägers mit dem Argument ab, eine Nichtigerklärung könne dem Kläger keinen spürbaren Vorteil verschaffen.293 Die Entfernung des Namens des Klägers aus der Liste der angegriffenen Verordnung noch vor der Urteilsverkündung hat zwar grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft. Technisch ist es daher weiterhin möglich durch Urteil die Wirkung des angegriffenen Rechtsakts für die Vergangenheit zu beseitigen, jedenfalls soweit der Klagegegenstand mit ex-nuncWirkung entfällt.294 Da allerdings bereits mit Streichung des Namens des Klägers aus der Liste die Freigabe der eingefrorenen Gelder erfolgte und auch die sonstigen Sanktionsmaßnahmen ihr Ende gefunden haben, bleibt faktisch kein Raum für eine rechtsgestaltende Änderung der Rechtsordnung mehr. Allerdings ist die mit einer Nichtigerklärung verbundene gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung in der Lage, den erlittenen immateriellen Schaden endgültig zu beseitigen. Der Gerichtshof statuiert selbst, dass es einem Kläger, dem es gelingt sein Rehabilitierungsbedürfnis darzulegen, in erster Linie um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der beanstandeten Maßnahme geht. Weitergehende Pflichten, die sich aus dem Urteil ergeben, spielen in diesem Zusammenhang dann eine eher untergeordnete Rolle. Damit ist die Nichtigkeitsklage im Fall eines Rehabilitationsinteresses mehr Fest 291

EuG, Beschl. v. 15.02.2005, Rs. T-229/02, PKK u. KNK / ​Rat, Slg. 2005, II-539 Rn. 49; Urt. v. 12.12.2006, Rs. T-228/02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran / ​Rat, Slg. 2006, II-4665 Rn. 27–35; EuG, Urt. v. 23.10.2008, Rs. T-256/07, People’s Mojahedin Organization of Iran / ​Rat, Slg. 2008, II-3019 Rn. 45–49. 292 EuGH, Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​ 2013:331 Rn. 82–84. 293 EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-127/09, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:​ 2012:93 Rn. 32. 294 Wie die Entscheidung in der Rs. Abdulrahim nach Aufhebung des Urteils des Gerichts durch den EuGH und Zurückverweisung an dieses zeigt, vgl. EuG, Urt. v. 14.01.2015, Rs. T-127/09 RENV, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:T:2015:4. Das Gericht kam schließlich zu der Entscheidung, dass die Verordnung, soweit sie Herrn Abdulrahim betraf, für nichtig zu erklären ist.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

stellungsklage als Gestaltungsklage.295 Das steht mit dem von den Unionsgerichten in diesem Fall anerkannten Zweck der Nichtigkeitsklage, das Ansehen des Klägers wiederherzustellen, im Einklang. Denn wie sonst sollte der Kläger zu seiner Rehabilitierung gelangen, wenn nicht durch eine Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme. Das Beispiel des Rehabilitationsinteresses führt damit sehr deutlich vor Augen, dass für eine Feststellungsklage im Klagesystem der Union durchaus Raum besteht. 3. Systematische Einordnung und rechtsvergleichende Aussagekraft Eine Fortführung der Nichtigkeitsklage nach Entfallen des Klagegegenstandes kommt nach Ansicht der Unionsgerichte in Betracht, wenn für die Rehabilitierung des Klägers weiterhin eine Notwendigkeit besteht. In den Fokus gerückt ist das Rehabilitationsinteresse erst in den letzten Jahren und dies insbesondere im Zusammenhang mit Klagen gegen restriktive Maßnahmen. In der Literatur ist diese Fallgruppe bisher überwiegend unberücksichtigt geblieben. Daraus sollte allerdings keinesfalls auf eine insgesamt nur untergeordnete Bedeutung des Rehabilitationsinteresses für den Individualrechtsschutz geschlossen werden. Tatsächlich ist die Fallgruppe vor dem Hintergrund des Gehalts des Art. 47 Abs. 1 GRCh und auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK zum Schutz des Klägers geboten. Gedanken des subjektiven Rechtsschutzes dominieren den Anwendungsbereich dieser Fallgruppe. Mit ihr finden subjektive Rechte Eingang in die Zulässigkeitsprüfung, wenngleich sich der Gerichtshof dabei nicht auf normative Grundlagen beruft. Damit ist das Rechtsschutzinteresse wegen Rehabilitationsinteresse als Ausdruck der wachsenden Bedeutung des Individualrechtsschutzes im Unionsrecht zu verstehen und einzuordnen. Der EuGH hat sich in der Rechtssache Abdulrahim erstmals ausführlich mit den Anforderungen, die an das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses gestellt werden, auseinandergesetzt. In vielen Punkten entspricht dies dem deutschen Verständnis eines Rehabilitationsinteresses. Es geht hier um die Wiedergutmachung eines immateriellen Schadens nach einer stigmatisierenden Verhaltensweise durch die Verwaltung. Zuletzt entschied das BVerwG296, dass der Vorwurf eines objektiv strafbaren Verhaltens keinen Anlass für eine Rehabilitierung bieten soll. Die europäischen Gerichte scheinen auf eine Differenzierung nach objektiv und subjektiv begründeten Vorwürfen eines die Person verächtlich machenden Vorwurfs bisher keinen Wert zu legen. Abgestellt wird insoweit ausschließlich auf die Wirkung des Rechtsakts und die damit verbundenen Auswirkungen auf das persönliche Ansehen des Klägers. Dies ist mit Rücksicht auf die Bedeutung der Fallgruppe für den Rechtsschutz des Klägers zu begrüßen. 295 296

So auch Ehlers, in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 8 Rn. 54. Vgl. 1.  Kap. C. II. 1. a) aa).

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  197

Die Fallgruppe nimmt mitunter auch deshalb eine besondere Stellung im Gefüge der unionalen Direktklagen ein, weil sich der Gerichtshof hier ausnahmsweise zu ausführlichen Ausführungen hinreißen ließ und damit ganz ungewohnt auch Einblicke in Zweck und Grundlage der Fallgruppe gegeben hat. Dies betrifft vor allem die Ausführungen in der Rechtssache Abdulrahim. In vielen seiner nachfolgenden Entscheidungen kehrte er dann zwar wieder zu seinem eher knappen Begründungsstil zurück. Dennoch ist relativ unproblematisch zu erkennen, wann ein Rehabilitationsinteresse anzunehmen ist. Dies ist vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz, die sowohl auf Unionsebene wie auch auf der Ebene der Mitgliedstaaten in diesen Fällen gleichermaßen betroffen ist, zu begrüßen und sollte von den deutschen Verwaltungsgerichten in Grundsätzen übernommen werden.

III. Wiederholungsgefahr Mit am häufigsten führen die Unionsgerichte zur Begründung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses die Gefahr einer Wiederholung des vermeintlichen Rechtsverstoßes an. Ungeachtet des Umstands, dass dem angefochtenen Rechtsakt im Zeitpunkt der Entscheidung keine Wirkung mehr zukommt, könnte „durch eine mögliche Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses vermieden werden […], dass sich der geltend gemachte Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt.“297 Aus der nationalen Rechtsprechung ist diese Formulierung bekannt. Dennoch verbietet es sich, die durch jahrelange Rechtsprechung erreichte Konkretisierungsleistung auf das europäische Rechtsschutzinteresse zu übertragen. Wenngleich die Unionsgerichte jedenfalls in zeitlicher Hinsicht noch keine vergleichbare Rechtsprechungshistorie vorweisen können, konnten sich in den bisher ergangenen Entscheidungen die Anforderungen an die Wiederholungsgefahr doch mehr und mehr herauskristallisieren. 1. Anforderungen an das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr a) Entwicklung der Rechtsprechung Dass ein Nichtigkeitsurteil auch noch ergehen soll, wenn dadurch ein erneuter Rechtsverstoß durch das handelnde Unionsorgan verhindert werden kann, wurde erstmals in der Entscheidung in der bereits dargestellten Rechtssache Simmenthal erwähnt.298 Der Gerichtshof formulierte, ein Rechtsschutzinteresse könne sich auch daraus ergeben, das Ausschreibungssystem für die Zukunft in geeigneter Weise zu 297

Jüngst etwa EuG, Urt. v. 26.01.2016, Rs. T-474/15, GGP Italy / ​Kommission, ECLI:EU:T:​ 2017:36 Rn. 57; Urt. v. 28.04.2017, Rs. T-264/15, Gameart / ​Kommission, ECLI:EU:T:2017:290 Rn. 20; Urt. v. 14.11.2013, Rs. T-456/11, ICdA u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:T:2013:594 Rn. 34. 298 EuGH, Urt. v. 06.03.1979, Rs. C-92/78, Simmenthal / ​Kommission, Slg. 1979, 777 Rn. 31–33.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

ändern, falls dieses den rechtlichen Anforderungen nicht genüge.299 Nicht näher bestimmt wurden allerdings die Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Sachverhalte und die Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung. Die anschließenden Entscheidungen des Gerichtshofs sind den Aussagen in der Rechtssache Simmenthal sehr ähnlich.300 Sie alle betonen den Zweck, den die Nichtigerklärung in dieser Situation noch zu erfüllen vermag, ohne jedoch nähere Angaben zu den Spezifika der Fallgruppe zu machen. b) Vergleichbarkeit des Sachverhalts und Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung Das Gericht übernahm in den folgenden Jahren die Konkretisierung der Anforderungen, die an ein Interesse zur Vermeidung einer Wiederholung des Rechts­ verstoßes in Zukunft zu stellen sein sollten. Verlangt wird, dass sich „der behauptete Rechtsverstoß unabhängig von den Umständen der Rechtssache, die zur Klageerhebung geführt haben, in Zukunft wiederholen kann.“301 Ausgehend von dieser Prämisse wurde eine Wiederholungsgefahr etwa angenommen, wenn sich der behauptete Rechtsverstoß auf eine überkommene Auslegung von Bestimmungen einer Verordnung zurückführen lässt302 oder die Modalitäten eines gängigen Verfahrens beanstandet wurden303. Demgegenüber wurde die Gefahr einer Wiederholung des behaupteten Rechtsverstoßes für den Fall abgelehnt, dass der Erlass des streitigen Rechtsakts den konkreten Umständen des Einzelfalls geschuldet war.304 c) Zugang zu Dokumenten Wachsende Bedeutung erlangte die Fallgruppe in den vergangenen Jahren vor allem mit Klagen, die sich gegen die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten richteten. Regelmäßig stellen sich die den Klagen zugrundeliegenden Sachverhalte ähnlich dar: Ein Unionsbürger305 stellt einen Antrag auf Zugang zu den Dokumen 299

Ebd., Rn. 32. EuGH, Urt. v. 24.06.1986, Rs. C-53/85, AKZO Chemie / ​Kommission, Slg. 1986, 1965 Rn. 21; Urt. v. 26.04.1988, Rs. C-207/86, Apesco / ​Kommission, Slg. 1988, 2151 Rn. 16. 301 EuG, Urt. v. 24.09.2008, Rs. T-45/06, Reliance Industries / ​Rat und Kommission, Slg. 2008, II-2399 Rn. 43; Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptecht Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 48; Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-153/10, Schneider España de Informática / ​Kommission, ECLI:EU:T:2012:94 Rn. 41. 302 EuG, Urt. v. 24.09.2008, Rs. T-45/06, Reliance Industries / ​Rat und Kommission, Slg. 2008, II-2399 Rn. 43. 303 EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptecht Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 51. 304 EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-153/10, Schneider España de Informática / ​Kommission, ECLI:EU:T:2012:94 Rn. 42. 305 Oder eine natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem M ­ itgliedstaat, vgl. Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1049/2001 des Europ. Parlaments u. Rats v. 30.05.2001 über den 300

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  199

ten. Nachdem zunächst eine ablehnende Entscheidung erging, wird dem Kläger noch während des Klageverfahrens der Inhalt der Dokumente eröffnet. Sofern es sich um Dokumente von Organen der Union handelt und das Zugangsrecht insoweit auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt wird, ist die Wiederholung eines erneuten Rechtsverstoßes nicht unwahrscheinlich, wenn das zuständige Organ dafür an einer bestimmten Auslegungspraxis festhält und abzusehen ist, dass der Kläger erneut einen Antrag stellen wird.306 Das trifft vor allem auf die auslegungsbedürftigen Ausnahmeregelungen des Art. 4 der Verordnung zu.307 Das Gericht hat festgestellt, „dass eine hinreichend konkrete und von den Umständen des Einzelfalls unabhängige Gefahr [zu bestehen habe], dass sich die Klägerin in Zukunft in einer vergleichbaren Situation dem gleichen behaupteten Rechtsverstoß ausgesetzt sieht.“308 Der Rechtsverstoß darf folglich nicht auf individuellen Gegebenheiten beruhen, die es ausschließen, dass die gleiche Rechtsfrage zukünftig erneut auftreten wird. 2. Bindungswirkung der Entscheidung a) Wiederholungsverbot aus Art. 266 Abs. 1 AEUV Die Unionsgerichte stützen diese Fallgruppe auf den Regelungsgehalt des Art. 266 Abs. 1 AEUV, wonach die Organe, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt oder deren Untätigkeit als vertragswidrig erklärt worden ist, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebenden Maßnahmen zu ergreifen haben.309 Nähere Ausführungen zu der Reichweite der Befolgungspflicht des Art. 266 Abs. 1 AEUV erfolgen jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht. Für das deutsche Recht konnte bereits festgestellt werden, dass ein rechtskräftiges Urteil nicht in der Lage sein kann, in genereller Weise zu verhindern, dass es zu einem Rechtsverstoß wie er dem Rechtsstreit zugrunde lag, nicht mehr kommen werde. Denn die Rechtskraft des Urteils bezieht sich auf den konkreten Sachverhalt und bindet die am Rechtsstreit beteiligten Parteien. Versagt wird der Behörde bei Erfolg der Fortsetzungsfeststellungsklage lediglich den VerwaltungsZugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, Rats und der Kommission, ABl 2001 L 145/44. 306 So etwa EuG, Urt. v. 22.03.2011, Rs. T-233/09, Access Info Europe / ​Rat, Slg. 2011, II-1073 Rn. 35 f.; Urt. v. 09.09.2011, Rs. T-29/08, LPN / ​Kommission, Slg. 2011, II-6021 Rn. 60–62. 307 Die Auslegung der Ausnahmeregelungen war bereits wiederholt Gegenstand gerichtlicher Rechtsstreitigkeiten, vgl. EuGH, Urt. v. 01.02.2007, Rs. C-266/05 P, Sison / ​Rat, Slg. 2007, I-1233 Rn. 54–76; Urt. v. 01.07.2008, verb. Rs. C-39/05 P u. C-52/05 P, Schweden u. Turco / ​Rat, Slg. 2008, I-4723; Urt. v. 02.10.2014, Rs. C-127/13 P, Strack / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2014:2250 Rn. 99–116. 308 Vgl. etwa EuG, Urt. v. 28.04.2017, Rs. T-264/15, Gameart / ​Kommission, ECLI:EU:T:2017:​ 290 Rn. 21. 309 Beispielsweise EuG, Urt. v. 22.03.2011, Rs. T-233/09, Access Info Europe / ​Rat, Slg. 2011, II-1073 Rn. 35; Urt. v. 09.09.2011, Rs. T-29/08, LPN / ​Kommission, Slg. 2011, II-6021 Rn. 60; Urt. v. 28.04.2017, Rs. T-264/15, Gameart / ​Kommission, ECLI:EU:T:2017:290 Rn. 20.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

akt, der auch Gegenstand des Rechtsstreits war, erneut zu erlassen. Auch auf Unionsebene stellt sich damit die Frage, in welchen Grenzen Art. 266 Abs. 1 AEUV eine Pflicht statuiert, der Auffassung des Gerichts in vergleichbaren Konstellationen zu folgen. Inhalt und Reichweite der Befolgungspflicht des Art. 266 Abs. 1 AEUV ­wurden durch die Unionsgerichte in ausreichendem Maße konkretisiert. Personell knüpft die Vorschrift an das Prozessrechtsverhältnis an. Art. 266 Abs. 1 AEUV kann Rechtswirkung lediglich gegenüber den am Rechtsstreit beteiligten Parteien begründen, d. h. an die Entscheidung gebunden und dementsprechend an einem erneuten Erlass des aufgehobenen Rechtsakts gehindert ist das handelnde Unionsorgan gegenüber dem Adressaten des angefochtenen Rechtsstreits.310 Dies geht auch deutlich aus der Formulierung der Vorschrift hervor, die insoweit ausdrücklich auf die „Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen, denen das für nichtig erklärte Handeln zur Last fällt“, abstellt. In sachlicher Hinsicht schließt es die Umsetzungspflicht aus, einen inhaltsgleichen Rechtsakt erneut zu erlassen.311 Soll der aufgehobene durch einen neuen Rechtsakt ersetzt werden, der auf denselben Sachverhalt bezogen und inhaltlich mit dem vorangehenden Rechtsakt identisch ist, hat das handelnde Unionsorgan die Entscheidungsgründe zu beachten und ist demnach gehindert, einen inhaltlich übereinstimmenden Rechtsakt erneut zu erlassen.312 Rechtskräftig bindend ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit allerdings nur bezogen auf den Anfechtungsgrund, auf den das Gericht seine Entscheidung stützt.313 Eine allgemeine Pflicht, Tenor und Entscheidungsgründe des entsprechenden Nichtigkeitsurteils zukünftig auch gegenüber den am Prozess nicht beteiligten Personen zu beachten, folgt aus Art. 266 Abs. 1 AEUV jedoch nicht.314 In diesem Sinne entschied auch der Gerichtshof315, der es ablehnte, Art. 266 Abs. 1 AEUV 310

Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  25 f. EuGH, Urt. v. 23.10.1986, Rs. C-142/85, Schwiering / ​Rechnungshof, Slg. 1986, 3177 Rn. 15; Dörr / ​Lenz, Europ. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 199; Gutsche, Die Bindungswirkung der Urteile des EuGH, S. 86. 312 Gutsche, Die Bindungswirkung der Urteile des EuGH, S. 86 f.; Thies, in: Smit / ​Herzog / ​ Campbell / ​Zagel, Law of the EU, § 266.04 [3]. 313 Wird also der Rechtsakt wegen Verstoßes gegen wesentliche Formvorschriften aufgehoben, kann trotz rechtskräftigem Nichtigkeitsurteil der identische Rechtsakt erneut, diesmal unter Beachtung der Formvorschriften erlassen werden, vgl. EuGH, Urt. v. 14.09.1999, Rs. C-310/97 P, Kommission / ​AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 Rn. 50, 56; Urt. v. 06.03.2003, Rs. C-41/00 P, Interporc / ​Kommission, Slg. 2003, I-2125 Rn. 30; jüngst auch Urt. v. 29.11.2018, Rs. C-248/17 P, Bank Tejarat / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:967 Rn. 67–83; so bereits André, EuR 1967, 97 (109). 314 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  25; Kirschner / ​Klüpfel, Das Gericht erster Instanz der EG, Rn. 134; Reiling, EuZW 2002, 136 (140); Schermers / ​Waelbroeck, Judicial Protection in the EU, § 266; Schwarze, Die Befugnis zur Abstraktion im europ. Gemeinschaftsrecht, S. 138 f. 315 EuGH, Urt. v. 14.09.1999, Rs. C-310/97 P, Kommission / ​AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 Rn. 54–63; ebenso Urt. v. 15.02.2001, Rs. C-239/99, Nachi Europe, Slg. 2001, I-1197 Rn. 26. 311

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  201

eine Pflicht zu entnehmen, identische, mit dem gleichen Rechtsfehler behaftete Rechtsakte, die allerdings nicht angefochten wurden, aufzuheben.316 Wenngleich sich der Grund für diese Entscheidung vor allem daraus ergeben dürfte, den Klagefristen und der Bestandskraft von Rechtsakten nicht den Sinn zu rauben317, so lässt sich der Entscheidung zumindest die allgemeine Wertung entnehmen, dass Art. 266 Abs. 1 AEUV keine Handlungs- bzw. Unterlassungspflicht für die am Verfahren nicht beteiligten Unionsorgane bereit hält.318 Es sind vor allem die jüngeren Urteile der Unionsgerichte, die veranschaulichen, dass die Gefahr einer Wiederholung im Verhältnis der Prozessbeteiligten und in Bezug auf den gleichen Streitgegenstand zu bestehen hat. Beispielhaft lassen sich hierfür die bereits dargestellten gerichtlichen Entscheidungen über das Recht auf Zugang zu Dokumenten anführen.319 Die Urteile sind hinsichtlich ihrer Ausführungen vorbildlich, denn nicht nur wurden die Anforderungen an eine Wieder­ holungsgefahr herausgearbeitet; auch die Subsumtion wird durch die Unionsgerichte ersichtlich auf das Prozessrechtsverhältnis begrenzt. In der Tat konnte für jede in diesem Bereich ergangene Entscheidung festgestellt werden, dass der jeweilige Kläger erneut einen vergleichbaren Zugangsantrag stellen werde, sei es, weil sie durch die Kommission dazu aufgefordert wurden, sei es, weil es das erklärte Ziel der Klägerin als Vereinigung ist, die Transparenz in der Union zu fördern320. Es kommt hinzu, dass eine Ablehnung des Antrags stets auf die gleichen Ablehnungsgründe der Verordnung gestützt wurde. Bereits aus diesem Grund konnte ohne Umschweife davon ausgegangen werden, dass sich die Wiederholung des Rechts­verstoßes durch eine gerichtliche Entscheidung in Zukunft vermeiden ließ. Abgesehen von Klagen gegen die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten wurde auf die Wiederholungsgefahr zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses häufig auch im Zusammenhang mit Klagen gegen die Verhängung von Antidumpingzöllen zurückgegriffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es erneut zu dem beanstandeten Rechtsverstoß kommen wird, ist zumindest dann nicht nur gering, wenn es sich bei der Klägerin um ein in einem Drittland ansässiges Unternehmen handelt, das entsprechende Waren zu Dumpingpreisen herstellt und es infolgedessen berechtigterweise damit rechnen konnte, erneut mit einem Antidumpingzoll belegt zu werden. Folglich erklärte das Gericht dann auch, „dass wegen der Möglichkeit künftiger Antidumpingverfahren gegen sie das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen in Bezug auf die angefochtene Verordnung selbst dann fortbesteht,

316

Diese Parallele ziehend Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  23; dazu auch Schermers / ​Waelbroeck, Judicial Protection in the EU, § 1019 ff.; Schockweiler, in: Festschrift Pescatore, 613 (616 ff.). 317 So EuGH, Urt. v. 14.09.1999, Rs. C-310/97 P, Kommission / ​AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 Rn. 57. 318 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  26. 319 EuG, Urt. v. 28.04.2017, Rs. T-264/15, Gameart / ​Kommission, ECLI:EU:T:2017:290 Rn. 21. 320 So EuG, Urt. v. 22.03.2011, Rs. T-233/09, Access Info Europe / ​Rat, Slg. 2011, II-1073 Rn. 35.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

wenn die Verordnung ihnen gegenüber keine Wirkung mehr entfaltet“321. Konse­ quenterweise wurde in einer ähnlich gelagerten Entscheidung allerdings eine Wiederholungsgefahr abgelehnt, weil sich das Absehen von einer nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrabgaben nach Art. 220 Abs. 2 lit. b des Zollkodex der Gemeinschaft322 richtete und insoweit auf die besondere Situation des Klägers abgestellt wurde.323 Daneben gibt es natürlich auch Entscheidungen, die in ihrer Begründung nur vermuten lassen, dass für die Wiederholung des streitigen Rechtsverstoßes auf das Verhältnis der beteiligten Personen abgestellt wird. Hinsichtlich der Identität des Streitgegenstandsbegriffs wird dann jedoch großzügiger verfahren.324 Namentlich ist dies der Fall, wenn es sich um einen Streitgegenstand handelt, der in bestimmten Zeitabschnitten erneut zu erlassen ist, sodass zu erwarten ist, dass der gleiche Rechtsfehler erneut eintreten wird. Jedenfalls rechtlich ist das handelnde Unionsorgan dann mangels Identität des Streitgegenstandes nicht nach Art. 266 Abs. 1 AEUV an die Entscheidung gebunden. In rechtsstaatlicher Hinsicht dürfte dann jedoch zu erwarten sein, dass sich das handelnde Organ dennoch an die Rechtsauffassung des Gerichts halten wird. b) Abstrakte Gefahr der Wiederholung In deutlich stärkerem Maße als dies in der nationalen Rechtsordnung der Fall ist, verfolgt ein rechtskräftiges Urteil auf Unionsebene mitunter auch das Ziel zur Sicherung der Einheit des Unionsrechts und seiner effektiven Durchsetzung beizutragen. Das ist auch der Grund, weshalb die Unionsgerichte die Rechtskraftwirkung eines Nichtigkeitsurteils nicht nur auf den Tenor der Entscheidung, sondern auch auf die Gründe der Entscheidung erstrecken.325 Natürlich darf auch hier nicht übersehen werden, dass dieses Ziel nur in den Grenzen der Reichweite der Rechtskraft verfolgt werden kann.326 Doch gerade weil damit das Rechtsfortbildungsmandat betont wird und insoweit jedenfalls aus rechtsstaatlichen Gründen anzunehmen ist, dass auch die übrigen Unionsorgane sich an der Rechtsprechung der Unionsgerichte orientieren und dafür Sorge zu tragen haben, dass ein vergleichbarer Rechtsverstoß 321 EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 51. 322 VO (EWG) Nr. 2913/92 des Rates v. 12.10.1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft, ABl 1992, L 302/43. 323 EuG, Beschl. v. 28.02.2012, Rs. T-153/10, Schneider España de Informática / ​Kommission, ECLI:EU:T:2012:94 Rn. 42. 324 So etwa EuGH, Urt. v. 26.04.1988, Rs. C-207/86, Apesco / ​Kommission, Slg. 1988, 2151 Rn. 16; EuG, Urt. v. 11.05.2010, Rs. T-121/08, PC-Ware Information Technologies / ​Kommission, Slg. 2010, II-1541 Rn. 40. 325 Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 432 unter Verweis auf Bleckmann, Europarecht, Rn. 1002. 326 Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 432.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  203

nicht erneut erfolgt327, wäre es nur folgerichtig anzunehmen, dass die Nichtigkeitsklage im Fall einer Wiederholungsgefahr in deutlich stärkerem Maße für den Zweck der Rechtsfortbildung und der Klärung von Rechtsfragen instrumentalisiert wird als es für die deutsche Rechtspraxis festgestellt werden konnte. Das Gegenteil ist jedoch festzustellen: Die Unionsgerichte sind zwar im Vergleich zu den deutschen Gerichten deutlich weniger bemüht, ausdifferenzierte Vorgaben für die Fallgruppe auszuarbeiten. Eine Abstrahierung des Sachverhalts, wie sie die deutschen Verwaltungsgerichte bisweilen vornehmen, wird demgegenüber nicht vorgenommen. Stattdessen hält sich der Gerichtshof in aller Regel im Rahmen des konkreten Einzelfalls. Sicherlich gibt es vereinzelt auch Ausreißer. So wurde in der Rechtssache Reliance Industries / ​Rat und Kommission das Rechtsschutzinteresse des Klägers damit begründet, dass der Rechtsverstoß der Kommission auf einer „Auslegung der Bestimmungen der Antidumping- und der Antisubventions-Grundverordnung im Licht der entsprechenden Bestimmungen der WTO-Übereinkommen“328 beruhe. Weder wurde der konkrete Sachverhalt zur Erläuterung herangezogen noch sollte es scheinbar auf die Wiederholung des konkreten Rechtsakts gerade im Verhältnis der Prozessparteien ankommen. Häufiger kam es bereits vor, dass die Gerichte auf die Subsumtion einer Wiederholungsgefahr verzichten. Festgestellt wird lediglich, dass sich der behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholen kann.329 Gründe, die für eine mögliche Wiederholung eines vergleichbaren Rechtsakts gegenüber dem Kläger sprechen, werden der Entscheidung dagegen nicht mitgegeben. Im Übrigen aber kann grundsätzlich festgehalten werden, dass sich der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung am konkreten Einzelfall orientiert. Eine Wiederholungsgefahr wird damit von den Unionsgerichten nicht zur Klärung abstrakter Rechtsfragen instrumentalisiert.

327

In diese Richtung auch EuGH, Urt. v. 03.07.1986, Rs. C-34/86, Rat / ​Parlament, Slg. 1986, 2155 Rn. 47; Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 6; Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​ Nettesheim (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 23, 26; Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 10; Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 12; Gutsche, Die Bindungswirkung der Urteile des EuGH, S. 100 ff.; Schwarze, Die Befugnis zur Abstraktion im europ. Gemeinschaftsrecht, S. 139 f. 328 EuG, Urt. v. 24.09.2008, Rs. T-45/06, Reliance Industries / ​Rat und Kommission, Slg. 2008, II-2399 Rn. 43. 329 EuGH, Urt. v. 03.09.2009, Rs. C-535/06 P, Moser Baer India / ​Rat, Slg. 2009, I-7051 Rn. 25; EuG, Urt. v. 02.07.2015, Rs. T-425/04 RENV, Frankreich u. Organe / ​Kommission, ECLI:​EU:T:​ 2015:450 Rn. 119; Urt. v. 26.01.2017, Rs. T-474/15, GGP Italy / ​Kommission, ECLI:​EU:T:​ 2017:36 Rn. 57.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

3. Vorbeugender Rechtsschutz im Recht der Union Vorbeugender gerichtlicher Rechtsschutz gegen Unionsrechtsakte ist auf Unionsebene nicht vorgesehen.330 Das lässt sich vor allem auf die Wurzeln im französischen Verwaltungsgerichtsverfahren zurückführen.331 Zwingend ist ein vorbeugendes Verfahren gegen Unionsrechtsakte auch nach der Kodifizierung des Art. 47 Abs. 1 GRCh nicht, soweit andere Schutzinstrumente vorhanden sind, die in ausreichendem Maße Rechtsschutz gewährleisten. Zu nennen sind hier nur die Möglichkeiten eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nach Art. 279 AEUV332, die Anordnung der vorläufigen Vollzugsaussetzung nach Art. 278 AEUV sowie eine extensive Auslegung des Schadenersatz- und Entschädigungsrechts333.334 Die Unionsgerichte stellen grundsätzlich sicher, dass umfassende Rechtsschutzmöglichkeiten – wenn auch über umständliche Hilfskonstrukte – bereitstehen, um einem endgültigen Schadenseintritt zuvorzukommen.335 Die Fortsetzung der Nichtigkeitsklage wegen Wiederholungsgefahr stellt einen weiteren Rechtsbehelf dar, um zukünftige Rechtsverletzungen zu vermeiden. Für die Fortführung des Verfahrens sprechen dabei vor allem prozessökonomische Gründe. Der Gerichtshof hatte es bereits in einem anderen Zusammenhang ausdrücklich als prozessökonomisch bewertet, wenn mit einem Urteil eine erneute Klage der Klägerin vermieden werden könnte.336 4. Eingeschränkter Anwendungsbereich der Fallgruppe Wenngleich die Fallgruppe der Wiederholungsgefahr deutlich an die deutsche Fallgruppe angelehnt ist, darf dennoch nicht außen vor bleiben, dass es sich auf Unionsebene um eine Gestaltungsklage gerichtet auf die Aufhebung des Unionsrechtsakts handelt. Anders als im deutschen Recht kommt die Fallgruppe also 330 Andeutungsweise EuGH, Urt. v. 15.10.1987, Rs. C-222/86, Unectef / ​Heylens, Slg. 1987, 4097 Rn. 16. 331 Vgl. 2.  Kap. D. I. 2. b). 332 Demgegenüber kritisch, da der Erlass einer einstweiligen Anordnung die Einleitung des Hauptsacheverfahrens voraussetzt Classen, in: R. P. Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 11 (21). 333 So geschehen in EuG, Urt. v. 10.05.2006, Rs. T-279/03, Galileo International Technology u. a. / ​Kommission, Slg. 2006, II-1291 Rn. 61–71. Die Naturalrestitution als Form des Schadensausgleichs könne demnach auch die Anordnung eines Tuns oder Unterlassens umfassen. 334 Zu den einzelnen Rechtsschutzmöglichkeiten Berrang, Vorbeugender Rechtsschutz im Recht der EG, S. 84–98. 335 So etwa EuGH, Urt. v. 24.06.1986, Rs. C-53/85, AKZO Chemie / ​Kommission, Slg. 1986, 1965 Rn. 29, wonach die Kommission zur Vermeidung eines schweren Schadens für die Klägerin zunächst verpflichtet ist, der Klägerin die Entscheidung über die Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen an Wettbewerber mitzuteilen, damit diese Entscheidung dann vor Gericht vor Akteneinsicht angegriffen werden kann. 336 EuGH, Urt. v. 14.07.1988, Rs. C-103/85, Stahlwerke Peine-Salzgitter / ​Kommission, Slg. 1988, 4131 Rn. 11.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  205

auf Unionsebene nur bei einem ex-nunc-Entfallen des Unionsrechtsakts zur Anwendung. Allerdings scheinen sich die Unionsgerichte mit einer Differenzierung zwischen ex-tunc- und ex-nunc-Erledigung nicht auseinanderzusetzen. Es handelt sich tatsächlich auch in aller Regel um eine Erledigung mit ex-nunc-Wirkung, sodass für eine Aufhebung des streitigen Unionsrechtsakts weiterhin Raum besteht. Soweit allerdings ein Wirksamkeitsverlust mit ex-tunc-Wirkung im Raum steht, muss eine Fortsetzung des Verfahrens selbst dann ausscheiden, wenn eine Wiederholungsgefahr konkret feststeht. Verfahrensökonomisch ist das allerdings nur wenig überzeugend. 5. Pragmatischer Ansatz der Unionsgerichte Wenn die Analyse der Fallgruppe Wiederholungsgefahr eines deutlich vor Augen geführt hat, dann ist es die sehr einzelfallbezogene Vorgehensweise der Unionsgerichte.337 Zwar wurde stets auf dieselben Begrifflichkeiten unter Verweis auf vorangegangene Urteile zurückgegriffen. Doch verzichteten die Gerichte näher darauf einzugehen, was unter einer Wiederholungsgefahr genau zu verstehen ist. Vordergründig sollte hier eine sachgerechte Einzelfallentscheidung gefunden werden. Dies bietet sich natürlich für einen so wertungsoffenen Begriff wie dem des Rechtsschutzinteresses besonders an. Ein systematischer Zugang wird dadurch erwartungsgemäß erschwert. Nichtsdestotrotz liegt es in der Natur der Sache, dass der Streitgegenstand während des Verfahrens entfallen kann und dementsprechend häufig auf die Wiederholungsgefahr zur Rechtfertigung eines Rechtsschutzinteresses zurückgegriffen wird. Da die Gerichte regelmäßig wiederkehrend die Wiederholungsgefahr anführen, kann in der Rechtsanwendung dann doch eine gewisse Regelhaftigkeit erblickt werden, die zwar nicht so weit geht, dass von detaillierten Anwendungsvoraussetzungen gesprochen werden kann, aber zumindest grundsätzlich eine an den Grenzen des Art. 266 Abs. 1 AEUV orientierte Subsumtion möglich ist. Sehr deutlich zeigt sich hier die unterschiedliche Arbeitsweise der Gerichte. Während die deutschen Verwaltungsgerichte in besonderem Maße an der dogmatischen Fundiertheit der Fallgruppe interessiert sind, versuchen die Europäischen Gerichte vor allem Einzelfallgerechtigkeit herzustellen, notfalls auch unter Verzicht auf klare Strukturen. Für welchen Fall eine Fortsetzung des Verfahrens nach Gegenstandslosigkeit der Klage zu bejahen ist und in welchem Fall nicht, ist letztlich eine Wertungsfrage. Ein deutlicheres Kommunizieren der Anforderungen an die Wiederholungsgefahr trägt zur Vorhersehbarkeit und Akzeptanzfähigkeit der Entscheidungen bei und garantiert damit einen gewissen Grad an Rechtssicherheit. Auf diese Weise kann auch verhindert werden, dass der Anwendungsbereich der Fallgruppe überdehnt wird.

337

Dazu Kühling / ​Lieth, EuR 2003, 371 (382 f.).

206

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

6. Systematische Ausrichtung Während für Deutschland festzustellen war, dass sich die richterliche Subsumtion einer Wiederholungsgefahr von den Anforderungen an die Vergleichbarkeit des Sachverhalts und der Gefahr eines wiederholten Rechtsverstoßes entfernte und dadurch die gerichtliche Entscheidung weniger im Interesse des Klägers statt im Interesse der Allgemeinheit erging, dient die Nichtigkeitsklage wegen Wieder­ holungsgefahr in erster Linie dem individuellen Rechtsschutz des Klägers gegenüber zukünftigen voraussehbaren Rechtsverletzungen. Die Unionsgerichte befassen sich insoweit stets mit der Frage nach der Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger und kommen auf diese Weise zu einer konsisten Anwendungspraxis.

IV. Vorbereitung von Amtshaftungsklagen – Präjudizialität 1. Rechtsprechung der Unionsgerichte Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte ist ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse anzunehmen, wenn die Nichtigerklärung die Grundlage für eine mögliche Haftungsklage bilden kann.338 Die Fallgruppe ist bereits aus der deutschen Rechtsordnung bekannt: Auch hier ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage anerkannt. Welche Anforderungen an die Fallgruppe zu stellen sind, wurde in jahrelanger Rechtsprechung ausgearbeitet und konkretisiert.339 Die Unionsgerichte sind – wie zu erwarten war – in dieser Hinsicht deutlich zurückhaltender. Häufig beschränken sich die Feststellungen darauf, dass die Nichtigerklärung Grundlage einer möglichen Haftungsklage sein kann, ohne dabei auf die konkreten Erfolgsaussichten oder die Absicht, einen solchen Prozess anzustreben, näher einzugehen.340 Vereinzelt gibt es jedoch Entscheidungen, die einen deutlich größeren Begründungsaufwand vorweisen. Aus ihnen geht hervor, dass die bloße Behauptung, eine Haftungsklage anzustreben, zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses nicht ausreicht. Dabei differenzieren die Gerichte nach den unterschiedlichen Haftungsebenen. Vorbildlich dargestellt wurde dies von Generalanwalt Mendoza in den Schlussanträgen zur Rechtssache Mory u. a. / ​Kommission341, an denen sich die nachfolgenden Ausführungen orientieren werden.

338

Grundlegend EuGH, Urt. v. 05.03.1980, Rs. C-76/79, Könecke / ​Kommission, Slg. 1980, 665 Rn. 9; Urt. v. 31.03.1998, Rs. C-68/94, Frankreich u. Société commerciale des potasses und de l’azote u. Entreprise minière und chimique / ​Kommission, Slg. 1998, I-1375 Rn. 74. 339 Vgl. 1.  Kap. C. VI. 1. 340 Die Rechtsprechung in Deutschland verlangt insoweit, dass der Kläger einen solchen Prozess anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, vgl. 1. Kap. C. VI. 1., Fn. 271. 341 GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2015:409 Rn. 78.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  207

2. Verhältnis Nichtigerklärung und Schadenersatzklage Da die außervertragliche Haftung eine rechtswidrige Verhaltensweise eines Unionsorgans voraussetzt342, kann die Fortführung der Nichtigkeitsklage für den Kläger von Vorteil sein, weil er sich im Schadenersatzprozess auf die getroffenen gerichtlichen Feststellung berufen kann. Die Rechtswidrigkeit eines Rechtsakts ist zwar nicht mit dessen Nichtigkeit identisch; sie führt nur in Ausnahmefällen zu seiner Ungültigkeit.343 Mit Erklärung der Nichtigkeit steht jedoch die Rechtswidrigkeit des streitigen Rechtsakts verbindlich fest. Dies folgt aus der positiven Bindungswirkung einer rechtskräftig entschiedenen Vorfrage, an deren Feststellungen sich die Unionsgerichte in einem Folgerechtsstreit zu halten haben.344 In Haftungsurteilen beschränken sich die Unionsgerichte daher in der Regel auf einen Verweis auf das Nichtigkeitsurteil. Eine eigenständige Prüfung der Rechtswidrigkeit erfolgt nicht mehr.345 Insoweit besteht kein Unterschied zur deutschen Rechtslage. Auch hier ist ein Feststellungsurteil für einen nachfolgenden Amtshaftungsprozess bindend.346 3. Anforderungen an das Rechtsschutzinteresse a) Schadenersatzklage vor den Unionsgerichten Erwartungsgemäß sind es überwiegend die nach Art. 268 AEUV vor den Unionsgerichten durchzusetzenden Schadenersatzklagen gegen ein handelndes Unionsorgan, auf die dieses Rechtsschutzinteresse gestützt wird.347 Auffallend ist in die 342

Statt vieler EuGH, Urt. v. 28.04.1971, Rs. C-4/69, Lütticke / ​Kommission, Slg. 1971, 325 Rn. 10; Urt. v. 08.04.1992, Rs. C-55/90, Cato / ​Kommission, Slg. 1992, I-2533 Rn. 18; EuG, Urt. v. 02.03.2010, Rs. T-16/04, Arcelor / ​Parlament u. Rat, Slg. 2010, II-211 Rn. 139; zu den Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung auch Böhm, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 12 Rn. 27–30; Detterbeck, AöR 125 (2000), 202 (208–215); Grabitz, in: Schweitzer (Hrsg.), Europ. Verwaltungsrecht, 167 (174–185); Thiele, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 39 Rn. 24–45. 343 EuGH, Urt. v. 15.06.1994, Rs. C-137/92 P, Kommission / ​BASF u. a., Slg. 1994, I-2555 Rn. 48; Urt. v. 08.07.1999, Rs. C-200/92, ICI / ​Kommission, Slg. 1999, I-4399 Rn. 69; dazu auch Glaser, Die Entwicklung des Europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, S. 424 f.; Ruffert, in: Festschrift Krause, 215 (223 f.); Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht, S. 945 f. 344 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  30; Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 423 f.; Gutsche, Die Bindungswirkung der Urteile des EuGH, S. 85 f. 345 EuG, Urt. v. 06.03.2003, Rs. T-56/00, Dole Fresh Fruit International / ​Kommission u. Rat, Slg. 2003, II-577 Rn. 72; Urt. v. 03.03.2010, Rs. T-429/05, Artegodan / ​Kommission, Slg. 2010, II-491 Rn. 48. 346 Vgl. 1. Kap. C. VI. 1., Fn. 272. 347 So etwa EuGH, Urt. v. 05.03.1980, Rs. C-76/79, Könecke / ​Kommission, Slg. 1980, 665 Rn. 9; Urt. v. 31.03.1998, Rs. C-68/94, Frankreich u. Société commerciale des potasses und de l’azote u. Entreprise minière und chimique / ​Kommission, Slg. 1998, I-1375 Rn. 74; Urt. v. 28.05.2013, Rs. C-239/12 P, Abdulrahim / ​Rat u. Kommission, ECLI:EU:C:​2013:331 Rn. 64; Urt.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

sem Zusammenhang zunächst, dass für die Unionsgerichte bereits eine „mögliche Haftungsklage“ zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses ausreichend ist. Im Vergleich zur deutschen Rechtsprechung werden die Anforderungen hinsichtlich Absicht und Erfolgsaussichten eines Schadenersatzprozesses damit deutlich zurückgenommen. Das soll allerdings nicht bedeuten, dass jede noch so hypothetische Klageerhebung genügt. In der Rechtssache Socratec / ​Kommission hatte das Gericht eben aus jenem Grund ein Rechtsschutzinteresse verneint. Zum einen war die klagende Gesellschaft durch die Anteilseigner schon nicht ermächtigt, eine Schadenersatzklage zu erheben. Zum anderen hatte die Gesellschaft bislang von der Erhebung einer Schadenersatzklage abgesehen, obwohl die Schädigung bereits seit geraumer Zeit feststand.348 Gleichwohl folgt daraus nicht, dass eine Haftungsklage bereits anhängig zu sein hat. Nichtigkeitsklage und Haftungsklage sind selbstständige Rechtsbehelfe, die auf unterschiedliche Zwecke gerichtet sind und aus diesem Grund nicht in einem Subsidiaritätsverhältnis stehen, sondern grundsätzlich nebeneinander anzuwenden sind.349 Eine Schadenersatzklage ist daher nicht von einer zuvor erfolgreich durchgesetzten Nichtigkeitsklage abhängig. Gleichwohl räumen die Unionsgerichte auch ein, dass die Schadenersatzklage nicht zu einer Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage führen darf.350 Erwartet wird daher, dass der Kläger zunächst die Gültigkeit des streitigen Rechtsakts im Wege der Nichtigkeitsklage beseitigt und damit die Schadensentwicklung beendet.351 In der Regel wird der Kläger zunächst auch den Weg der Nichtigkeitsklage beschreiten, um die belastende Wirkung des Rechtsakts zu beseitigen und erst im Anschluss daran eine

v. 26.03.2013, Rs. C-149/12 P, Xeda International und Paace International / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2013: 433 Rn. 33; EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 53; Urt. v. 19.06.2009, Rs. T-269/03, Socratec / ​Kommission, Slg. 2009, II-88 Rn. 45–48; Urt. v. 05.09.2014, Rs. T-471/11, Éditions Odile Jacob / ​Kommission, ECLI:EU:T:2013:739 Rn. 44. 348 EuG, Urt. v. 19.06.2009, Rs. T-269/03, Socratec / ​Kommission, Slg. 2009, II-88 Rn. 45–48. Ein Rechtsschutzinteresse ablehnend, da die Rechtswidrigkeitsfeststellung keinen Einfluss auf die erfolgreiche Durchsetzung des Schadenersatzantrags haben wird, etwa EuGH, Urt. v. 05.10.1988, verb. Rs. C-294/86 u. C-77/87, Technointorg / ​Kommission u. Rat, Slg. 1988, 6077 Rn. 13; Urt. v. 11.07.1990, verb. Rs. C-305/86 u. C-160/87, Neotype Techmashexport / ​Kommission u. Rat, Slg. 1990, I-2945 Rn. 14 349 Grundlegend EuGH, Urt. v. 02.12.1971, Rs. C-5/71, Zuckerfabrik Schoeppenstedt / ​Rat, Slg. 1971, 975 Rn. 3. 350 Den Widerstreit von Primär- und Sekundärrecht darstellend Ehlers, JURA 2009, 187 (191). 351 So EuGH, verb. Rs. C-199/94 P u. C-200/94 P, Beschl. v. 26.10.1995, Pevasa u. Inpesca / ​ Kommission, Slg. 1995, I-3709 Rn. 27; Urt. v. 14.09.1999, Rs. C-310/97 P, Kommission / ​AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363 Rn. 59; EuG, Urt. v. 04.02.1998, Rs. T-93/95, Laga  / ​ Kommission, Slg. 1998, II-195 Rn. 48; Jacob / ​Kottmann, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 340 AEUV Rn. 50; insoweit anders EuG, Urt. v. 19.03.2010, Rs. T-42/06, Gollnisch / ​Parlament, Slg. 2010, II-1135 Rn. 72: Da der Kläger neben seinem Nichtigkeitsantrag zugleich einen Schadenersatzantrag gestellt hat, bestand nach Auffassung des Gerichts kein Bedürfnis mehr für eine Nichtigerklärung.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  209

Schadenersatzklage in Betracht ziehen. Da das Rechtsschutzinteresse überwiegend nur deshalb bezweifelt wird, weil die Wirkung des Rechtsakts nach Erhebung der Nichtigkeitsklage entfallen ist, kann kaum vorausgesetzt werden, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt eine Schadenersatzklage erhoben hat, insbesondere wenn er sich zunächst der Rechtswidrigkeit des Rechtsakts versichern möchte. Es kommt hinzu, dass eine Rechtswidrigkeitsfeststellung im Rahmen eines Schadenersatzantrags nur ex nunc und nur begrenzt auf diesen Prozess wirken würde. Eine rückwirkende Beseitigung erfolgt damit jedoch nicht.352 Als Grundlage nationaler Ausführungsmaßnahmen würde der Rechtsakt so zumindest für die Vergangenheit bestehen bleiben. b) Schadenersatzklage vor nationalen Gerichten aa) Verhältnis von nationalen und unionalen Rechtsbehelfen Die Mehrzahl der Rechtssachen, für die ein Rechtsschutzinteresse mit Klagen vor nationalen Gerichten begründet wurde, stehen im Zusammenhang mit einer Beihilfengewährung. Da hierzu Umsetzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene notwendig sind, wird Rechtsschutz sowohl auf Unions- wie auch auf mitgliedstaatlicher Ebene gewährt: Schadenersatzansprüche des Beihilfebegünstigten wie auch des Konkurrenten sowie Rückforderungsverlangen sind vor den nationalen Gerichten einzuklagen353; über die Wirksamkeit der Beschlüsse der Kommission zum vorläufigen Prüfverfahren oder förmlichen Prüfverfahren können hingegen ausschließlich die Unionsgerichte entscheiden.354 Fehlt es auf Unionsebene an der Klageberechtigung des Nichtigkeitsklägers mangels unmittelbarer oder individueller Betroffenheit, können zwar nationale Umsetzungsmaßnahmen vor den nationalen Gerichten angegriffen werden. Über die Wirksamkeit der Kommissions­ 352 EuG, Urt. v. 16.12.2011, Rs. T-291/04, Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​ Kommission, Slg. 2011, II-8281 Rn. 89. 353 EuGH, Urt. v. 09.03.1994, Rs. C-188/92, TWD / ​Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1994, I-833 Rn. 14; Urt. v. 20.09.2001, Rs. C-453/99, Courage und Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 27; Urt. v. 05.10.2006, Rs. C-368/04, Transalpine Ölleitung in Österreich, Slg. 2006, I-9957 Rn. 38; so auch Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, ABl 2009, C-85/7–9; zusammenfassend zum Verhältnis der Rechtsschutzebenen Kühling, in: Ehlers / ​Fehling / ​Pünder (Hrsg.), Bes. VerwR, Bd. 1, § 30 Rn. 77 ff.; ders. / ​Rüchardt, in: Streinz (Hrsg.), Art. 108 AEUV Rn. 56–71; Lessenich, in: v. d. Groeben / ​ Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art.  108 AEUV Rn.  158 f.; Staebe, Rechtsschutz bei gemeinschaftswidrigen Beihilfen, S. 148–225. 354 EuGH, Urt. v. 21.10.2003, Rs. C-261/01, van Calster und Cleeren, Slg. 2003, I-12249 Rn. 75; Urt. v. 18.07.2013, Rs. C-6/12, P, ECLI:EU:C:2013:525 Rn. 38; siehe auch die Bekanntmachung der Kommission: Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten, ABl 2007, C-272/13 Nr. 57; siehe auch Staebe, Rechtsschutz bei gemeinschaftswidrigen Beihilfen, S. 95–147.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

entscheidung entscheidet jedoch auch in diesem Fall der Gerichtshof im Wege des Vorlageverfahrens.355 Im Übrigen kann zwar grundsätzlich auch eine Schaden­ ersatzklage vor Unionsgerichten in Betracht kommen. Soweit sich der Schaden allerdings auf innerstaatliche Maßnahmen zurückführen lässt, geht die Rechtsprechung von einer Subsidiarität der Amtshaftungsklage gegenüber nationalen Rechtsschutzmöglichkeiten aus.356 bb) Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung für nationalen Schadenersatzprozess Nicht zwingend muss die Haftungsklage gegen ein Unionsorgan gerichtet sein. Ein Interesse an der Nichtigerklärung eines Rechtsakts wurde unter anderem auch angenommen, um zu dem Erfolg einer Schadenersatzklage zwischen Privaten vor einem nationalen Gericht beizutragen.357 Der mit der Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts verbundene Vorteil ist nicht auf das Staat-Bürger-Verhältnis beschränkt. Anschaulich wird dies in der Rechtssache Mory u. a. / ​Kommission dargestellt.358 Gegenstand der Nichtigkeitsklage war ein Beschluss der Kommission mit dem diese von der Rückforderung einer mit dem Binnenmarkt unvereinbaren Beihilfe gegenüber den Übernehmern der insolventen Beihilfeempfängerin absah, da es an der wirtschaftlichen Kontinuität fehlte. Gegen diesen Beschluss wendete sich die Klägerin, die vormals selbst in einem unmittelbaren Wettbewerb mit der Begünstigten stand. Zwischenzeitlich wurde jedoch auch über sie das Liquidationsverfahren eröffnet. Das Gericht erster Instanz verneinte aus diesem Grund ein Rechtsschutzinteresse. Der Gerichtshof sah dies jedoch anders. Er nahm ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin an, da der Übernehmer im Falle einer Nichtig­ erklärung des streitigen Beschlusses als Empfänger der Beihilfe anzusehen sei. Das würde unweigerlich die Erfolgschancen der Schadenersatzklage der Klägerin vor den nationalen Gerichten erhöhen, soweit diese gegen die Übernehmerin und damit Empfängerin der Beihilfe gerichtet ist.359 Insofern ist zumindest – wie in den Schlussanträgen des Generalanwalts ausführlich dargestellt wurde, auf die der Gerichtshof in diesem Zusammenhang auch Bezug nimmt – ein innerer Zu-

355

EuGH, Urt. v. 23.02.2006, verb. Rs. C-346/03 u. C-529/03, Atzeni u. a., Slg. 2006, I-1875 Rn. 30–34; Bekanntmachung der Kommission: Rechtswidrige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen: Gewährleistung der Umsetzung von Rückforderungsentscheidungen der Kommission in den Mitgliedstaaten, ABl 2007, C-272/13 Nr. 58. 356 EuGH, Urt. v. 02.03.1978, verb. Rs. C-12/77, C-18/77 u. C-21/77, Debayser SA / ​Kommission, Slg. 1978, 553 Rn. 25/26; Urt. v. 23.05.1990, Rs. C-72/90, Asia Motor France / ​Kommission, Slg. 1990, I-2181 Rn. 14. 357 So aber EuG, Urt. v. 22.11.2001, Rs. T-9/98, Mitteldeutsche Erdöl-Raffinerie / ​Kommission, Slg. 2001, II-3367 Rn. 34. 358 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609. 359 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 74 f.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  211

sammenhang zwischen Nichtigerklärung der angefochtenen Unionshandlung und der Klage vor den nationalen Gerichten zu verlangen.360 cc) Erfolgsaussichten der nationalen Haftungsklage Es ist nicht erforderlich, dass die Schadenersatzklage auf nationaler Ebene bereits im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtigkeitsklage anhängig ist.361 Eine rein hypothetische Klagemöglichkeit ist jedoch nicht ausreichend.362 Im Fall Mory u. a. war die Schadenersatzklage vor dem zuständigen nationalen Gericht bereits eingereicht, als die Nichtigkeitsklage anhängig war, sodass insoweit kein Problem bestand. Zu einem anderen Ergebnis kam das Gericht dagegen in der Rechtssache First Data u. a. / ​Kommission.363 Gegenstand der Klage war eine Entscheidung der Kommission im Rahmen eines Negativattests.364 Die Kommission sah nach gegebener Tatsachenlage grundsätzlich keinen Anlass, gegen eine bestimmte Verfahrensweise der Visa International Service Association aufgrund von Art. 81 Abs. 1 EGVertrag (jetzt: Art. 101 Abs. 1 AEUV) einzuschreiten. Nach Klageerhebung wurde das streitige Verfahren durch Visa wieder aufgehoben. Ein Rechtsschutzinteresse sollte der Klägerin, eine durch das Verfahren der Visa betroffene Gesellschaft, nicht zukommen, da das nationale Gericht an das Ergebnis des Negativattests nicht gebunden sei und dessen Nichtigerklärung zu den Erfolgsaussichten der Schadenersatzklage gegen Visa damit nicht mehr beitragen könnte.365 dd) Prüfungskompetenz der Unionsgerichte In einem engen Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit der Klageerhebung steht die Frage, in welchem Umfang die Unionsrichter befugt sind, die Erfolgsaussichten der Klage vor nationalen Gerichten zu prüfen. Nur zur Erinnerung sei auf die Rechtsprechung nationaler Verwaltungsgerichte verwiesen, wonach ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage nur anzunehmen ist, wenn der Haftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos ist. Es wird zwar keine umfassende Prüfung des behaupteten Schadens- oder Entschädi 360

GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2015:409 Rn. 76. 361 So etwa EuGH, Beschl. v. 25.01.2001, Rs. C-111/99 P, Lech Stahlwerke / ​Kommission, Slg. 2001, I-727 Rn. 19. 362 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 79. 363 EuG, Beschl. v. 17.10.2005, Rs. T-28/02, First Data u. a. / ​Kommission, Slg. 2005, II-4119. 364 Bis 2004 sah Art. 2 der Verordnung 17/62 die Möglichkeit eines Negativattests vor. 365 EuG, Beschl. v. 17.10.2005, Rs. T-28/02, First Data u. a. / ​Kommission, Slg. 2005, II-4119 Rn. 47–52; ähnlich bereits EuG, Urt. v. 17.09.1992, Rs. T-138/89, NBV u. NVB / ​Kommission, Slg. 1992, II-2181 Rn. 33.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

gungsanspruchs verlangt. Dennoch lässt sich nicht vermeiden, auf materiell-rechtliche Erwägungen bereits auf Zulässigkeitsebene einzugehen. Auf Unionsebene würde sich dies hingegen schwierig gestalten, denn mit einer Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage vor nationalen Gerichten befinden sich die Gerichte an der Grenze ihres Zuständigkeitsbereichs. Nach Auffassung des Gerichtshofs ist es insoweit ausreichend, dass die Klage dem Kläger einen Vorteil verschaffen kann.366 Ob dies tatsächlich auch der Fall ist, wird hingegen der Prüfung durch die zuständigen Gerichte im Rahmen der jeweiligen Klage überlassen. Der Generalanwalt Mengozzi führt in seinen Schlussanträgen an, dass die Unionsgerichte einerseits nicht mit rein theoretischen Fragen befasst sein sollen, zum anderen aber auch die Zuständigkeitsbereiche zwischen Unionsgerichten und nationalen Gerichten zu wahren sind.367 Aus diesem Grund sei auf die Plausibilität des Vortrags des Klägers im Hinblick auf die Realisierbarkeit der angestrebten Klage abzustellen.368 Daran hat sich anschließend auch der EuGH orientiert.369 4. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse aufgrund Bindungswirkung der Nichtigerklärung für sonstige Klageverfahren a) Sonstige Klagen vor nationalen Gerichten In der Rechtssache Mory u. a. / ​Kommission kam außerdem die Frage auf, ob auch andere Klagen als Schadenersatzklagen geeignet sein können, ein Rechtsschutzinteresse zu begründen. Bereits vor Einreichung der Klage am Gericht hatte die Klägerin vor einem französischen Verwaltungsgericht Klage auf Anordnung der Rückforderung der in Rede stehenden Beihilfe erhoben. Nach Ansicht des Gerichts erster Instanz konnte diese Klage ein Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht begründen, weil sie nicht auf den Ersatz des angeblich erlittenen Schadens gerichtet sei.370 Der Gerichtshof war gegenteiliger Ansicht und stellte klar, dass es nicht auf den Gegenstand der Klage ankommen könne. Grundsätzlich kann jede Klage vor den nationalen Gerichten für ein Rechtsschutzinteresse des Klägers sprechen. Entscheidend sei einzig, dass die Nichtigerklärung dem Kläger einen Vorteil verschaffen könne.371 In diesem Sinne sollten selbst die Aussichten auf ­etwaige außer 366

EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 76. 367 GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:​ EU:C:2015:409 Rn. 78. 368 Ebd., Rn. 79. 369 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 76. 370 EuG, Urt. v. 11.11.2013, Rs. T-545/12, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:T:2013:607 Rn. 40. 371 EuGH, Urt. v. 17.09.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u. a. / ​Kommission, ECLI:EU:C:2015:609 Rn. 81 unter Verweis auf GA Mengozzi, Schlussantr. v. 18.06.2015, Rs. C-33/14 P, Mory u.  a.  / ​ Kommission, ECLI:EU:C:2015:409 Rn. 40.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  213

gerichtliche Verhandlungen zwischen Kommission und Klägerin für ein Rechtsschutzinteresse sprechen.372 b) Abwendung der Gefahr einer Klageerhebung durch Dritte Nach Ansicht der Unionsgerichte kann ein Rechtsschutzinteresse auch bestehen, um der Gefahr einer Klage von Seiten Dritter zuvorzukommen. Bisher betraf dies vor allem Klagen von unmittelbar im Wettbewerb mit dem Kläger stehenden Dritten, die vor den nationalen Gerichten unter Berufung auf Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV die Rückforderung der rechtswidrig gewährten Beihilfe durch den Mitgliedstaat zu erreichen versuchten.373 Vorgetragen wurde zudem auch, dass die Nichtigerklärung einer Verordnung zur Abwendung einer Schadenersatzklage wegen unzulässiger Verwendung einer geschützten geografischen Bezeichnung dienen sollte.374 Das Interesse an einer Nichtigerklärung wurde zudem auch bejaht, um behördliche Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen auf nationaler Ebene zu beenden.375 Auch in diesen Fällen ist die hypothetische Gefahr der Klageerhebung nicht ausreichend.376 Das Gericht erinnert daran, dass es grundsätzlich Aufgabe des Klägers ist, ein bestehendes Rechtsschutzinteresse nachzuweisen. Verlangt wird aus diesem Grund, dass der Kläger das Risiko einer Beeinträchtigung seiner Rechtslage durch eine Klage darlegen kann377 oder dass die Gefahr einer Klageerhebung zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor den Unionsgerichten bestehend und gegenwärtig ist.378 Da gegen TV2 A / ​S eine Schadenersatzklage vor einem nationalen Gericht eingereicht wurde, hatte sich die Gefahr der Klageerhebung tatsächlich realisiert. Insoweit war es dann auch unerheblich, dass diese Klage erst nach Erhebung der Nichtigkeitsklage verfolgt wurde.379 Die Schutzgemeinschaft Milch u. Milch­ erzeugnisse  e. V. hingegen konnte das Rechtsschutzinteresse nicht nach­weisen, 372 EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise und Shanghai Adeptech Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 55; Urt. v. 14.11.2013, Rs. T-456/11, ICdA u.  a.  / ​ Kommission, ECLI:EU:T:2013:594 Rn. 38. 373 EuG, Urt. v. 14.04.2005, Rs. T-141/03, Sniace / ​Kommission, Slg. 2005, II-1197 Rn. 29; Urt. v. 22.10.2008, verb. Rs. T-309/04, T-317/04, T-329/04 u. T-336/04, TV 2/Danmark / ​Kommission, Slg. 2008, II-2935 Rn. 79–82. 374 EuG, Urt. v. 03.09.2014, Rs. T-113/11, Schutzgemeinschaft Milch u. Milcherzeugnisse / ​ Kommission, ECLI:EU:T:2014:756 Rn. 32 f. 375 EuG, Urt. v. 16.12.2011, Rs. T-291/04, Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / ​ Kommission, Slg. 2011, II-8281 Rn. 87–90. 376 EuG, Urt. v. 14.04.2005, Rs. T-141/03, Sniace / ​Kommission, Slg. 2005, II-1197 Rn. 30. 377 EuG, Urt. v. 20.09.2007, Rs. T-136/05, Salvat père & fils u. a. / ​Kommission, Slg. 2007, II4063 Rn. 43. 378 EuG, Urt. v. 22.10.2008, verb. Rs. T-309/04, T-317/04, T-329/04 u. T-336/04, TV 2 Danmark  / ​​Kommission, Slg. 2008, II-2935 Rn. 79; Urt. v. 03.09.2014, Rs. T-113/11, Schutzgemeinschaft Milch u. Milcherzeugnisse / ​Kommission, ECLI:EU:T:2014:756 Rn. 33. 379 EuG, Urt. v. 22.10.2008, verb. Rs. T-309/04, T-317/04, T-329/04 u. T-336/04, TV 2/Danmark / ​Kommission, Slg. 2008, II-2935 Rn. 79 f.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

da sich ihr Vortrag allein auf die nicht substantiierte Behauptung beschränkte, ohne Nichtigerklärung der streitigen Verordnung könnten ihre Mitglieder verklagt werden.380 c) Finanzieller Ausgleich nach Art. 266 Abs. 1 AEUV Ein Rechtsschutzinteresse ist nach der Rechtsprechung des Gerichts auch anzunehmen, „um gemäß der Verpflichtung aus Art. 266 AEUV eine angemessene Berichtigung ihrer Situation […] zu erhalten, die gegebenenfalls die Form eines angemessenen Ausgleichs des erlittenen Schadens in Geld annehmen kann“381. Systematisch sind diese Rechtssachen eigentlich nicht in die Rubrik „Rechtsschutzinteresse zur Durchsetzung einer Haftungsklage“ einzuordnen. In der Tat fällt das Stichwort „Haftungsklage“ in diesem Zusammenhang auch nicht. Dennoch wird in beiden Fällen ein Rechtsschutzinteresse angenommen, um auch nach Aufhebung des streitigen Rechtsakts einen Schadensausgleich auf der Grundlage seiner Nichtigerklärung zu erhalten. Eine ausdrückliche Stellungnahme, ob aus Art. 266 Abs. 1 AEUV auch ein Entschädigungsanspruch folgen kann, steht bislang noch aus. In einer Reihe von Urteilen hat der Gerichtshof allerdings bereits eben jene Entschädigungspflicht auf Art. 266 Abs. 1 AEUV gestützt.382 Dies ist mit Verweis auf den systematischen Aufbau der Norm und der daraus deutlich hervorgehenden Unterscheidung von Befolgungspflicht einerseits und Unionshaftung andererseits erwartungsgemäß Kritik ausgesetzt.383 Andere befürworten daher einen finanziellen Folgenausgleich in all jenen Fällen, in denen die strengen Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nicht erfüllt sind.384 Solange die Unionsorgane eine Entschädigungspflicht nach Art. 266 Abs. 1 AEUV annehmen, ist es im Hinblick auf den umfangreichen Anwendungsbereich der Fallgruppe „Haftungsklage“ nur konsequent, ein Rechtsschutzinteresse auch dann zu bejahen, wenn die Nichtigerklärung als Grundlage für eine finanzielle Entschädigung eines rechtswidrigen Organhandelns dient.

380 EuG, Urt. v. 03.09.2014, Rs. T-113/11, Schutzgemeinschaft Milch u. Milcherzeugnisse / ​ Kommission, ECLI:EU:T:2014:756 Rn. 34. 381 So EuG, Urt. v. 20.09.2011, Rs. T-461/08, Evropaïki Dynamik / ​EIB, Slg. 2011, II-6367 Rn. 67; Urt. v. 29.10.2015, Rs. T-126/13 Direct Way und Directway Worldwide / ​Parlament, ECLI:​EU:T:2015:819 Rn.  44. 382 EuGH, Urt. v. 09.08.1994, Rs. C-412/92 P, Parlament / ​Meskens, Slg. 1994, I-3757 Rn. 24; Urt. v. 14.05.1998, Rs. C-259/96 P, Rat / ​De Nil und Impens, Slg. 1998, I-2915 Rn. 20. 383 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  29 f.; Sauer, in: Hailbronner / ​Wilms (Hrsg.), Art. 233 EGV Rn. 9. 384 Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 17; Pechstein, in: ders. / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 266 Rn. 14; Sack, EuR 1986, 241 (251); Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn. 12.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  215

d) Frage der Kostentragung nicht ausreichend Zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses nicht ausreichend ist hingegen der Verweis auf die Klärung der Kostentragung.385 Dies ergibt sich in systematischer Hinsicht aus der Regelung des Art. 134 Abs. 1 VerfO-EuG, wonach die Kosten der unterliegenden Partei auf Antrag übertragen werden können. Damit ist bereits ein gesondertes Verfahren zur Bestimmung der Kostentragung vorgesehen; eine eigenständige Klage zur Klärung der Kostenfrage ist darüber hinaus nicht erforderlich. Zudem muss die Kostentragung nicht zwingend in Abhängigkeit von dem Ausgang des Rechtsstreits entschieden werden, denn nach Art. 135 Abs. 2 VerfO-EuG können die Kosten selbst der obsiegenden Partei auferlegt werden. Ein Bedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung zur Bestimmung der Kostentragung ist damit nicht zu erkennen. 5. Systematische Verortung der Fallgruppe Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage wird im nationalen Recht in erster Linie mit prozessökonomischen Erwägungen begründet. Dies ist vor allem der Rechtswegspaltung und der insoweit bestehenden Bindungswirkung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils gegenüber den zuständigen Zivilgerichten geschuldet: Es sollen sich nicht zwei Gerichte mit der identischen Rechtsfrage befassen müssen. Sofern ohnehin das Verwaltungs­gericht über den Schadenersatzanspruch zu entscheiden hat, vermögen prozessökonomische Gesichtspunkte eine Fortsetzung des Verfahrens nicht zu rechtfertigen.386 Da auf Unionsebene keine geteilten Zuständigkeiten vorhanden sind – das Gericht ist sowohl für die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage wie auch gem. Art. 268 AEUV für Schadenersatzklagen zuständig387  – lassen sich prozessökonomische Gründe insoweit nicht anführen. Auch die Rechtsprechung hat bisher nicht durchblicken lassen, welchen Zweck sie genau mit einer Nichtigkeitsklage zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage verfolgen möchte. Lediglich an einen Fruchterhalt lässt sich insoweit noch denken. Ein aus der Perspektive des Individualrechtsschutzes zwingendes Bedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung lässt sich hier zwar nicht ausmachen. Ermöglicht wird allerdings die rechtssichere Durchsetzung von wirtschaftlichen bzw. finanziellen Interessen. Unter Verweis auf die grundlegende Funktion des Rechtsschutzinteresses, die darin liegt zu vermeiden, dass die Gerichte zu einer reinen Gutachteninstanz instrumentalisiert werden, 385 Dazu EuG, Urt. v. 15.12.2016, Rs. T-199/04 RENV, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:​ EU:T:2016:740 Rn. 52. 386 BVerwG, Urt. v. 06.03.1975 – Az.: II C 20/73, Buchholz 237.6 § 8 LBG Nds. Nr. 1; Urt. v. 17.12.1981 – Az.: 2 C 69.81, BayVBl 1982, 348; OVG Bremen, Beschl. v. 25.09.2014 – Az.: 2 A 140/12, NVwZ 2015, 381. 387 Vgl. Art. 51 EuGH-Satzung.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

lassen sich wirtschaftliche Interessen durchaus als Argument für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse anführen. Es darf außerdem nicht übersehen werden, dass der Kläger sein Recht, Schadenersatzansprüche gerichtlich durchzusetzen, verwirkt, wenn er die Schadensentwicklung durch die Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht verhindert. Mit der Fortführung des Verfahrens wird dem Kläger und seinem insoweit erbrachten Prozessaufwand ein Stück weit entgegengekommen. Anders stellt sich die Sachlage demgegenüber bei Nichtigkeitsurteilen zur Durchsetzung einer Schadenersatzklage vor nationalen Gerichten dar. In jenem Fall ist eine Fortführung des Verfahrens nicht etwa nur im Interesse eines Fruchterhalts angebracht, sondern zudem notwendig, da nur die Unionsgerichte befugt sind, über die Wirksamkeit eines Kommissionsbeschlusses zu entscheiden. Fehlt es auf Unionsebene an der Klageberechtigung mangels unmittelbarer oder individueller Betroffenheit, können nationale Umsetzungsmaßnahmen vor den nationalen Gerichten angegriffen werden. Über die Wirksamkeit des Kommissionsbeschlusses entscheidet jedoch auch in diesem Fall der Gerichtshof im Wege des Vorlageverfahrens. Der Rechtsweg ist dann tatsächlich zweigeteilt: Sekundärrechtliche Ansprüche gegen den Staat sind vor den nationalen Gerichten durchzusetzen. Ist zu deren Durchsetzung zunächst der Beschluss der Kommission anzugreifen, hat dies grundsätzlich auf Unionsebene zu erfolgen.388 Soweit eine Nichtigerklärung damit zur Durchsetzung sekundärrechtlicher Ansprüche erforderlich ist, lässt sich die Begründung des Rechtsschutzinteresses tatsächlich auf die fehlenden Rechtsschutzalternativen und damit auf den Gedanken des Individualrechtsschutzes zurückführen.

V. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse außerhalb der anerkannten Fallgruppen Die Unionsgerichte wie auch die Literatur halten sich nicht immer nur an die bereits dargestellten Fallgruppen, sondern nehmen ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse auch in sonstigen Fällen an. Das ist grundsätzlich eine begrüßenswerte Entwicklung, denn sie bezeugt, dass die Unionsgerichte den Blick für den Einzelfall trotz der anerkannten Fallgruppen nicht verloren haben. Damit ist jedoch auch die Frage aufgeworfen, inwieweit dies der inneren Systematik der Auslegungsgrundsätze entgegensteht bzw. damit konform ist. 388

Zu einer Rechtswegspaltung im Mehrebenensystem kann es zudem nach Auffassung des EuGH bei Klagen betreffend Maßnahmen im Rahmen des ESM-Vertrags kommen. So bestätigte der EuGH im Rechtsmittelverfahren, dass die Nichtigkeitsklage gegen Sanierungsmaßnahmen mangels Handlung eines Unionsorgans abzuweisen war, EuGH, Urt. 20.09.2016, verb. Rs. C-105/15 P u. C-109/15 P, Mallis und Malli / ​Kommission und EZB, ECLI:EU:C:2016:702; Rechtsschutz ist damit vor den mitgliedstaatlichen Gerichten zu ersuchen. Die Schadenersatzklage gegen Kommission und EZB wiederrum hielt der EuGH (entgegen der Ansicht des EuG) für zulässig, EuGH, Urt. v. 20.09.2016, verb. Rs. 8/15 P bis C-10/15 P, Ledra Avertising / ​Kommission und EZB, ECLI:EU:C:2016:701; Besprechung der Urteile durch Frenz, EuR 2017, 332.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  217

1. Effektiver Rechtsschutz a) Rechtsprechung der Unionsgerichte Nach der Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte ist die Fortsetzungs­ feststellungsklage zulässig, wenn sich der Verwaltungsakt typischerweise kurzfristig erledigt und aus diesem Grund die Möglichkeit, Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren zu erreichen, unmöglich ist. Ohne eine Klagemöglichkeit würde die Rechtsschutzgarantie praktisch ins Leere laufen, denn der Verwaltungsakt wäre gerichtlich nicht angreifbar. Ebenso sprechen rechtsstaatliche Gründe für eine gerichtliche Kontrolle, könnte sich die Verwaltung ihr andernfalls doch entziehen. Beide Aspekte lassen sich auf Unionsebene übertragen: Sowohl die Rechtsschutzgarantie wie auch das Prinzip Rechtsstaat sind im Unionsrecht anerkannt und können bei der Auslegung des Rechtsschutzinteresses eine Rolle spielen.389 In der Tat wurde diese Wertung von den Unionsgerichten in einigen wenigen Urteilen aufgegriffen. Erstmals in der Rechtssache Shanghai Excell führen sie aus, das Verneinen eines Rechtsschutzinteresses würde „von den Gemeinschaftsorganen erlassene Maßnahmen mit zeitlich begrenzter Wirkung, die nach Erhebung einer Nichtigkeitsklage, jedoch noch vor Erlass des Urteils des Gerichts hierüber außer Kraft treten, jeglicher gerichtlichen Kontrolle [entziehen] […].“390 Es folgten noch zwei weitere Urteile, die zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses auf dieses Urteil verwiesen. Sie gingen in diesem Zusammenhang zusätzlich noch auf Sinn und Zweck von Art. 263 AEUV ein. Diesem würde es zuwiderlaufen, könnten sich die Unionsorgane auf diese Weise einer Rechtmäßigkeitskontrolle entziehen.391 b) Eigenständige Fallgruppe Vereinzelt ist von einer eigenständigen Fallgruppe die Rede.392 Bei genauerem Lesen der Urteile ist jedoch festzustellen, dass bereits unter Rückgriff auf die bekannten Fallgruppen ein Rechtsschutzinteresse dargelegt werden konnte. Weitergehende Erwägungen bedurfte es in diesen Situationen daher tatsächlich nicht. Scheinbar sollten die Ausführungen über die zu gewährleistende Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle lediglich zur Untermauerung des gefundenen Ergebnisses dienen. In der Tat werden diese Ausführungen meist zur Entkräftigung der 389

Zur Rechtsschutzgarantie vgl. bereits 3. Kap. B. III.; zum Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit auf Unionsebene Classen, EuR Beiheft 3/2008, 7 (10 ff.); Scheuing, in: Schwarze (Hrsg.), L’état actuel et les perspectives du droit administratif européen, 45 ff., insbes. 59 f. 390 EuG, Urt. v. 18.03.2009, Rs. T-299/05, Shanghai Excell M&E Enterprise u. Shanghai Adeptech Precision / ​Rat, Slg. 2009, II-565 Rn. 56. 391 EuG, Urt. v. 17.07.2014, Rs. T-457/09, Westfälisch-Lippischer Sparkassen- und Giroverband / ​Kommission, ECLI:EU:T:2014:683 Rn. 140; Urt. v. 22.04.2015, Rs. T-320/09, Planet  / ​ Kommission, ECLI:EU:T:2015:223 Rn. 31. 392 So etwa Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  263 AEUV Rn.  109.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Argumentation der Beklagten angeführt.393 Wie wäre die Zulässigkeit der Klage allerdings zu beurteilen, wenn keine der bekannten Fallgruppen in Betracht käme? Ließe sich für ein Rechtsschutzinteresse wie im deutschen Recht auch anführen, dass der Rechtsakt sonst einer gerichtlichen Kontrollmöglichkeit entzogen wäre? Die Unionsgerichte hatten in ihren Ausführungen in erster Linie auf den Zeitablauf abgestellt. In der Tat könnte kaum noch von einem effektiven Rechtsschutzsystem gesprochen werden, würde die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung durch den bloßen Zeitablauf entfallen. Die Unionsgerichte selbst haben in der maßgebenden Rechtssache Les Verts / ​Parlament ausdrücklich erklärt, dass es der Eigenschaft einer Rechtsgemeinschaft widersprechen würde, wären die Unionsorgane einer Rechtmäßigkeitskontrolle entzogen.394 Es ist allerdings auch einzuräumen, dass das gerichtliche Kontrollbedürfnis entfällt oder zumindest relativiert wird, sobald der Rechtsakt seine Wirkung verloren hat. Nur unter bestimmten Voraussetzungen soll sich das Gericht weiterhin mit der Rechtssache befassen müssen, nicht zuletzt auch um zu vermeiden, dass es entgegen seiner Funktion als Rechtsprechungsorgan als Gutachteninstanz instrumentalisiert wird. Aus diesem Grund wird für das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses auch die Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung für den Kläger verlangt. Sofern bereits durch das zeitliche Ende des Rechtsakts die Rechtsstellung des Klägers wieder vollständig hergestellt wurde, könnte das Urteil im Ergebnis ohnehin nicht mehr bewirken. Die Fallgruppen des Rehabilitationsinteresses, der Wiederholungsgefahr und der Vorbereitung einer Amtshaftungsklage dienen dabei als Indiz für eben diesen Vorteil. Mit ihnen wurden die mit einer Nichtigerklärung nach Entfallen des Klagegegenstandes typischerweise noch erreichbaren Vorteile in einer allgemeinen Umschreibung gesammelt und geordnet. Ist keine der Fallgruppen einschlägig und auch sonst kein Vorteil für den Kläger erkennbar, kann der Zeitablauf allein allerdings nicht für das Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses angeführt werden, selbst wenn dies bedeutet, dass damit ein rechtswidriger Rechtsakt keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt.395 Effektiver Rechtsschutz verlangt nicht, dass über jeden streitigen Rechtsakt ein Gericht zu entscheiden hat. Stattdessen müssen gerade auch im Interesse der Funktionsfähigkeit eines effektiven Rechtsschutzsystems Einschränkungen im gerichtlichen Kontrollumfang hingenommen werden. Der Unterschied zum deutschen Recht liegt dabei in der Betonung der „typischerweise kurzfristigen Erledigung des Verwaltungsakts“, die einer gerichtlichen Kontrolle generell entgegensteht. Die Unionsgerichte hatten zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses soweit ersichtlich bisher noch nicht auf dieses Merkmal zurückgreifen müssen. Es würde der strengen 393 Unter Bezug auf das Urteil Shanghai Excell M&E Enterprise u. Shanghai Adeptech Precision / ​Rat (3. Kap., Fn. 390) nun auch jüngst EuGH, Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 50. 394 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Rs. C-294/83, Les Verts / ​Parlament, Slg. 1986, 1339 Rn. 23. 395 So GA Sharpston, Schlussantr. v. 22.03.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills  / ​ Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 80 f.; nunmehr bestätigt durch EuGH, Urt. v. 18.10.2018, Rs. C-100/17 P, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:C:2018:214 Rn. 50.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  219

Ausrichtung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses an der Vorteilhaftigkeit des Nichtigkeitsurteils auch entgegenstehen, denn ein individueller Vorteil erhält der Kläger durch das Nichtigkeitsurteil aufgrund der bereits erfolgten Beendigung der Rechtsverletzung nicht. Wie im deutschen Recht, stellt sich auch auf Unionsebene die Frage, ob in diesem Fall im Interesse effektiven Rechtsschutzes und der rechtsstaatlich geforderten gerichtlichen Kontrollmöglichkeit der Unionsrechtsakte ausnahmsweise von der Dogmatik abzuweichen ist. Es ist kein Grund ersichtlich, auf Unionsebene eine andere Wertung vorzunehmen als auf deutscher Ebene. Daher ist für sich typischerweise kurzfristig erledigende Rechtsakte ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse zu bejahen. Ob darüber hinaus Einschränkungen etwa aufgrund der Schwere oder Bedeutung des Grundrechts vorzunehmen sind, ist der Entscheidung der Unionsgerichte vorbehalten. 2. Rechtssicherheit Nach Auffassung des Gerichts sollte die Klägerin in der Rechtssache Tiedeland Signal / ​Kommission auch nach Entfallen des Klagegegenstandes ein Rechtsschutzinteresse aus Gründen der Rechtssicherheit behalten.396 Grund für die Klage war die Ablehnung eines Angebots der Klägerin aus formalen Gründen. Offenbar revidierte die Kommission ihre Entscheidung über die Ablehnung nach Klageerhebung. Der Klägerin sollte daher ein Rechtsschutzinteresse zustehen, „um die Ungewissheit über die Rechtmäßigkeit und den Status der Entscheidung, mit der das Angebot der Klägerin abgelehnt wurde, förmlich und abschließend zu beseitigen“397. Die Entscheidung ist bisher ein Einzelfall geblieben. Hieraus muss nicht zwingend auf ihren Ausnahmecharakter geschlossen werden. Nach der Definition des Rechtsschutzinteresses, an der sich die Unionsgerichte stets orientieren, kann auch ein zur Rechtsklarheit beitragendes Urteil dem Kläger einen Vorteil verschaffen. Die Entscheidung belegt, dass die anerkannten Fallgruppen nicht abschließend sind. Überdies steht das Interesse an der Schaffung von Rechtssicherheit der inneren Systematik der Fallgruppendogmatik nicht entgegen. Denn unstreitig ist das Interesse an einem Rechtssicherheit stiftenden Urteil ein subjektives, in der besonderen Situation des Klägers begründetes Interesse, das für seine Rechtsposition von Vorteil sein kann. Nicht ausreichend ist demgegenüber das allgemeine Interesse, eine streitige Rechtsfrage zu klären, die den Kläger selbst nicht betrifft. Insoweit könnte das Urteil zur Verbesserung der Rechtsposition des Klägers nichts beitragen.

396 397

EuG, Urt. v. 27.09.2002, Rs. T-211/02, Tiedeland Signal / ​Kommission, Slg. 2002, II-3781. Ebd., Rn. 49.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

3. Bedeutung für das Unionsrecht Nach Auffassung einzelner Autoren ist ein Rechtsschutzinteresse auch anzu­ nehmen, wenn Rechtsfragen von wesentlicher Bedeutung für die Union aufgeworfen werden.398 In der Praxis der Unionsgerichte wurde das Rechtsschutzinteresse für eine Nichtigkeitsklage allerdings bisher noch nicht auf diese Erwägung gestützt. Stattdessen wurde sie jedoch zur Begründung eines Rechtsschutzbedürfnisses für eine Vertragsverletzungsklage herangezogen.399 Wäre es also möglich, auch im Rahmen der Nichtigkeitsklage auf diese Fallgruppe Rückgriff zu nehmen? Die Begriffe „Rechtsschutzinteresse“ statt „Rechtsschutzbedürfnis“ wurden nicht ohne Grund gewählt. Bereits die Definition des Rechtsschutzinteresses, die insoweit nach dem individuellen Vorteil des Klägers fragt, verdeutlicht dessen subjek­ tive Ausrichtung. Das Rechtsschutzbedürfnis des Vertragsverletzungsverfahrens ist hingegen an dessen objektivem Zweck ausgerichtet.400 Aus diesem Grund kann es zweckgebunden sein, von einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis auszugehen, wenn der Vertragsverstoß zwar nach Ablauf der Stellungnahmefrist beseitigt wurde, der Rechtsfrage jedoch grundsätzlich Bedeutung zukommt. In jüngerer Zeit verzichtet der Gerichtshof vollständig auf die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses für das Vertragsverletzungsverfahren. Maßgeblich sei insoweit allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Ablaufs der Stellungnahmefrist.401 Das dürfte insoweit dem objektiven Zweck einer Legalitätskontrolle am ehesten gerecht werden. Die Analyse der Rechtsprechung zur Nichtigkeitsklage hat demgegenüber gezeigt, dass sich die Unionsgerichte streng an der am individuellen Interesse des Klägers ausgerichteten Auslegung des Rechtsschutzinteresses orientieren. Eine Übertragung dieser Fallgruppe auf die Nichtigkeitsklage ist von den Unionsgerichten aus diesem Grund nicht zu erwarten und wäre im Übrigen systematisch auch deutlich fehl am Platz.

398

Gornig, in: Schöbener (Hrsg.), Europarecht, Rn. 2208; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 539; ders., in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 263 AEUV Rn. 170. 399 So EuGH, Urt. v. 09.07.1970, Rs. C-26/69, Kommission / ​Frankreich, Slg. 1970, 565 Rn. 11/13. 400 Das betont auch Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 255, 292. 401 EuGH, Urt. v. 06.10.2009, Rs. C-562/07, Kommission / ​Spanien, Slg. 2009, I-9553 Rn. 23; Urt. v. 14.04.2005, Rs. C-519/03, Kommission / ​Luxemburg, Slg. 2005, I-3067 Rn. 18 f.; Urt. v. 31.03.2011, Rs. C-407/09, Kommission / ​Griechenland, Slg. 2011, I-2467 Rn. 16.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  221

VI. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nach Ersetzung des Klagegegenstandes 1. Änderung der Anträge und Klagegründe Streng genommen müssten die Unionsgerichte die Nichtigkeitsklage auch dann für erledigt erklären, wenn der angefochtene Rechtsakt während des Verfahrens durch einen neuen Rechtsakt ersetzt wird. Da es grundsätzlich unzulässig ist, die in der Klageschrift formulierten Anträge nachträglich zu ändern402, wäre der Kläger auf die Erhebung einer neuen Klage gerichtet gegen den geänderten Rechtsakt zu verweisen. Dass dies allerdings aus prozessökonomischer Sicht wenig sinnvoll ist, sehen auch die Unionsgerichte so. Dem Kläger wird aus diesem Grund die Möglichkeit eröffnet, seine Anträge und Klagegründe entsprechend anzupassen.403 Die Anpassung hat innerhalb der Klagefrist des Art. 263 Abs. 6 AEUV von zwei Monaten zu erfolgen.404 Für erledigt erklärt wird dann nur der ursprüngliche Klageantrag.405 Bezüglich des geänderten Rechtsakts kann das Verfahren fortgeführt werden. 2. Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens Ungeachtet einer Ersetzung des Klagegegenstandes kann in bestimmten Situationen dennoch ein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Kontrolle des ursprünglich angegriffenen Rechtsakts bestehen. Die Rechtsprechung verlangt auch hier die Darlegung eines Rechtsschutzinteresses durch den Kläger. In prozessualer Hinsicht unterscheidet sich dieser Fall damit nicht von jenem eines vollständig aufgehobenen Klagegegenstandes. Mit Ersetzung verliert der ursprüngliche Klagegegenstand wie auch bei seiner Aufhebung seine rechtliche Wirkung ex nunc. Ein Rechtsschutzinteresse kann sich insoweit daraus ergeben, dass der Kläger den Schaden ersetzt verlangen möchte, der während der Zeit entstanden ist, als die angegriffene Maßnahme noch wirksam war.406 Es ist zudem allgemein anerkannt, dass 402 Statt vieler EuG, Urt. v. 18.09.1992, Rs. T-28/90, Asia Motor France u. a. / ​Kommission, Slg. 1992, II-2285 Rn. 43. 403 So EuGH, Urt. v. 03.03.1982, Rs. C-14/81, Alpha Steel / ​Kommission, Slg. 1982, 749 Rn. 8; Urt. v. 14.07.1988, Rs. C-103/85, Stahlwerke Peine-Salzgitter / ​Kommission, Slg. 1988, 4131 Rn. 11 f.; EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-306/01, Yusuf u. Al Barakaat International Foundation / ​ Rat u. Kommission, Slg. 2005, II-3533 Rn. 72; Urt. v. 12.12.2006, Rs. T-228/02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran / ​Rat, Slg. 2006, II-4665 Rn. 28–30; Urt. v. 15.01.2013, Rs. T-392/07, Strack / ​Kommission, ECLI:EU:T:2013:8 Rn. 69; Urt. v. 26.10.2012, Rs. T-53/12, CF Sharp Shipping Agencies / ​Rat, ECLI:EU:T:2012:578 Rn. 24 f. 404 EuG, Urt. v. 26.10.2012, Rs. T-53/12, CF Sharp Shipping Agencies / ​Rat, ECLI:EU:T:2012:​ 578 Rn. 26 f.; Urt. v. 05.12.2012, Rs. T-421/11, Qualitest / ​Rat, ECLI:EU:T:2012:646 Rn. 23 f. 405 EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-306/01, Yusuf und Al Barakaat International Foundation / ​ Rat u. Kommisison, Slg. 2005, II-3533 Rn. 72–74; dazu Kamann / ​Weinzierl, EuR 2016, 569 (584). 406 EuG, Urt. v. 26.01.2016, Rs. T-331/14, Azarov / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:49 Rn. 30; Urt. v. 28.01.2016, Rs. T-341/14, Klyuyev / ​Rat, ECLI:EU:T:2016:47 Rn. 31.

222

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

an der Nichtigerklärung des ersetzten Rechtsakts auch weiterhin ein berechtigtes Interesse bestehen kann, wenn die beeinträchtigende Wirkung über den Bestand des ursprünglich angegriffenen Rechtsakts hinaus fortbesteht, namentlich wenn ein Reputationsschaden auch durch den nachfolgenden Rechtsakt nicht beseitigt wird.407 Ein Interesse wegen Wiederholungsgefahr lässt sich in dieser Situation dagegen nicht in sinnvoller Weise vorbringen, denn dem Zweck dieser Klage, zu vermeiden, dass erneut ein insoweit mit den selben Rechtsfehlern behafteter Rechtsakt erlassen wird, kann durch die Klage gegen den nachfolgenden Rechtsakt ausreichend Rechnung getragen werden.

VII. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse im Rechtsmittelverfahren 1. Das Rechtsmittelverfahren Das Rechtsschutzinteresse des Klägers spielt nicht nur in Verfahren in erster Instanz eine Rolle. Auch für die Zulässigkeit des Rechtsmittelverfahrens ist ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers erforderlich. Gegen Entscheidungen des EuG kann beim EuGH ein Rechtsmittel eingelegt werden. Entscheidungen des EuGöD waren bislang nach Art. 256 Abs. 2 AEUV vor dem EuG angreifbar.408 Das Rechtsmittelverfahren wird in Art. 56–61 Satzung-EUGH und Art. 190a VerfOEuGH bzw. Art. 192–223 VerfO-EuG409 geregelt. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels setzt neben einer formellen Beschwer410 des Klägers ein bestehendes Rechtsschutzinteresse voraus. Davon ist auszugehen, wenn das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.411 Grundsätzlich kann von der anhaltenden beeinträchtigenden Wirkung des Urteils auf das Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers geschlossen werden.412 Wie im Verfahren in erster Instanz ist es allerdings auch im Rechtsmittelverfahren denkbar, dass neue 407

EuG, Urt. v. 12.12.2006, Rs. T-228/02, Organisation des Modjahedines du peuple d’Iran / ​ Rat, Slg. 2006, II-4665 Rn. 35; Urt. v. 11.07.2007, Rs. T-327/03, Al-Aqsa / ​Rat, Slg. 2007, II-79 Rn. 39; Urt. v. 23.10.2008, Rs. T-256/07, People’s Mojahedin Organization of Iran / ​Rat, Slg. 2008, II-3019 Rn. 48. 408 Vgl. Mehde, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 38 Rn. 56. 409 Die jedoch nach Wegfall des EuGöD obsolet geworden sind. 410 So Schwarze / ​Wunderlich, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  256 AEUV Rn. 12; Thiele, Europ. Prozessrecht, § 12 Rn. 11; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 238; a. A. Geppert, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 28 Rn. 15, die insoweit auf die materielle Beschwer abstellt. 411 EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13; Beschl. v. 25.01.2001, Rs. C-111/99 P, Lech Stahlwerke / ​Kommission, Slg. 2001, I-727 Rn. 18; Urt. v. 17.04.2008, verb. Rs. C-373/06 P, C-379/06 P u. C-382/06 P, Flaherty u.  a.  / ​ Kommission, Slg. 2008, I-2649 Rn. 25; Urt. v. 10.09.2009, Rs. C-97/08 P, Akzo Nobel u. a. / ​ Kommission, Slg. 2009, I-8237 Rn. 33. 412 EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  223

Tatsachen die beschwerende Wirkung des angegriffenen Urteils entfallen lassen.413 Dann bedarf es auch im Rechtsmittelverfahren einer eigenständigen Prüfung, ob dennoch ein Rechtsschutzinteresse des Klägers gegeben ist. 2. Entfallen des Klagegegenstandes des Rechtsmittelverfahrens Der Gegenstand des Rechtsmittels ist nicht der in erster Instanz angegriffene Rechtsakt, sondern die in Art. 56 Abs. 1 Satzung-EuGH aufgeführten Entscheidungsformen des Gerichts.414 Streng genommen würde eine Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels damit nicht in Betracht kommen, solange das angefochtene Urteil weiterhin Bestand hat. Konsequenterweise sah die alte Verfahrensordnung des EuGH auch nicht die Möglichkeit der Erledigungserklärung im Rechtsmittelverfahren vor.415 Die Ende 2012 in Kraft getretene Novelle der Verfahrensordnung enthält diesen Ausschluss nicht mehr, vgl. Art. 190, Art. 149 VerfO-EuGH. Damit werden auch im Rechtsmittelverfahren die „Gegenstandslosigkeit“ des Rechtsmittels und die Erledigung der Hauptsache in Verbindung gesetzt.416 Allerdings kann mit „Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels“ nicht der tatsächliche Wegfall des erstinstanzlichen Urteils gemeint sein. Vielmehr wird das Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers in Zweifel gezogen, wenn „nach dem Urteil des Gerichts Tatsachen eingetreten [sind], die dem Urteil seinen für den Rechtsmittelführer beeinträchtigenden Charakter nehmen kann“417. Das ist, soweit es um ein Rechtsmittel gegen ein Urteil geht, welches einen den Kläger in seinen Rechten beeinträchtigenden Rechtsakt bestätigt, regelmäßig anzunehmen, sofern dieser selbst weggefallen oder aus anderen Gründe unwirksam geworden ist.418 Denn dann resultieren aus dem erstinstanzlichen Urteil – jedenfalls soweit es den Rechtsakt bestätigt – für den Rechtsmittelführer keine Beeinträchtigungen mehr, sodass das dagegen eingelegte Rechtsmittel gerichtet auf dessen Aufhebung keine praktische Wirkung mehr hätte. In der Rechtssache Rendo / ​Kommission wurde zudem in Erwägung gezogen, ob ein paralleles Gerichtsverfahren die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren vorwegnehmen und in der Folge das Rechtsschutzinteresse entfallen 413

EuGH, Beschl. v. 25.01.2001, Rs. C-111–99 P, Lech Stahlwerke / ​Kommission, Slg. 2001, I-727 Rn. 18. 414 Ausführlich zum Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens etwa Bölhoff, Das Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof der EG, S. 35–40; Langner, Der Europäische Gerichtshof als Rechtsmittelgericht, S. 44–57. 415 Vgl. Art. 118, Art. 92 § 2 Verfahrensordnung-EuGH a. F. Darauf hinweisend GA Kokott, Schlussantr. v. 13.12.2007, Rs. C-413/06 P, Bertelsmann u. Sony Corporation of America / ​Impala, Slg. 2008, I-4951 Rn. 78. 416 So etwa im Fall EuGH, Beschl. v. 15.11.2012, Rs. C-145/12 P, Neubrandenburger Wohnungsgesellschaft / ​Kommission u. a., ECLI:EU:C:2012:724 Rn. 25; Beschl. v. 16.05.2013, Rs. C-260/12 P, Volkswagen / ​HABM, ECLI:EU:C:2013:316 Rn. 15; Beschl. v. 12.04.2018, Rs. C-327/17 P, Cyro-Save / ​EUIPO, ECLI:EU:C:2018:235 Rn. 16. 417 EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13. 418 Dittert, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 256 AEUV Rn. 56.

224

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

lassen könnte.419 Im Ergebnis wurde dies allerdings verneint, da der Gegenstand des besagten Parallelverfahrens nicht identisch mit dem des angegriffenen Urteils war.420 Nach den Aussagen des Gerichtshofs in ebendieser Rechtssache ist überdies nicht entscheidend, ob die Gegenstandslosigkeit vor Einlegung des Rechtsmittels oder während des Verfahrens eingetreten ist.421 Keinen Einfluss auf die Zulässigkeit des Rechtsmittels hat ein rechtskräftig gewordenes erstinstanzliches Urteil in einer anderen Rechtssache, selbst wenn dieses insoweit die gleiche Rechtsfrage zum Gegenstand hat.422 Generalanwältin Kokott weißt in ihren Schlussanträgen zudem auf eine Reihe von Beschlüssen des Gerichtshofs hin, mit denen dieser das eingelegte Rechtsmittel für erledigt erklärte – entgegen der zu dieser Zeit noch von der Verfahrensordnung ausgeschlossenen Möglichkeit.423 Diese Beschlüsse sind aber vor allem deshalb erwähnenswert, weil sie ausgehend von ihren Begründungserwägungen eine nähere Befassung mit den Umständen enthalten, die zu einer Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels führen können.424 Von der Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels ist demzufolge zum einen auszugehen, soweit der Rechtsmittelführer sein Ziel bereits erreichen konnte.425 Zum anderen sind es diejenigen Fälle, in denen das Ziel des Rechtsmittelführers nicht mehr zu erreichen war.426 Es handelt sich dabei um die gleiche Einteilung, die nach Entfallen des Klagegegenstandes auch von den französischen Verwaltungsgerichten vorgenommen wird und bestätigt insoweit, dass die Umstände, die zu einer Gegenstandslosigkeit des Rechtsmittels führen, einer allgemeinen Logik folgen.

419

EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13–16. 420 Ebd., Rn. 16. 421 Ebd., Rn. 13. 422 EuGH, Beschl. v. 11.04.2001, Rs. C-459/00 P (R), Kommission / ​Trenker, Slg. 2001, I-2823 Rn. 54. 423 GA Kokott, Schlussantr. v. 13.12.2007, Rs. C-413/06 P, Bertelsmann u. Sony Corporation of America / ​Impala, Slg. 2008, I-4951 Rn. 78 Fn. 47. 424 GA Kokott, Schlussantr. v. 13.12.2007, Rs. C-413/06 P, Bertelsmann u. Sony Corporation of America / ​Impala, Slg. 2008, I-4951 Rn. 78 Fn. 47. 425 EuGH, Beschl. v. 23.10.2001, Rs. C-281/00 P, Una Film „City Revue“/Parlament u. Rat, n. v., Rn. 4 f.; Beschl. v. 23.10.2001, Rs. C-313/00 P, Davidoff / ​Parlament u. Rat, n. v., Rn. 4 f. (auf Anfrage wurden die Beschlüsse von der Kanzlei des Gerichtshofs für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt). 426 So EuGH, Urt. v. 27.02.2002, Rs. C-477/01, Reisebank / ​Kommission, Slg. 2002, I-2117 Rn. 21–26; Urt. v. 27.02.2002, Rs. C-480/01 P(R), Commerzbank / ​Kommission, Slg. 2002, I-2129 Rn. 21–25; Urt. v. 15.02.2005, Rs. C-13/03 P, Kommission / ​Tetra Laval, Slg. 2005, I-1113 Rn. 21 f.

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  225

3. Rechtsprechungslinie des Rechtsmittelgerichts a) Grundsätzlich Einzelfallentscheidung Um es vorwegzunehmen: Eine Fallgruppensystematik, wie sie aus Verfahren der ersten Instanz bekannt ist, sucht man im Rechtsmittelverfahren vergeblich. Einzuräumen ist an dieser Stelle allerdings auch, dass die Anzahl an Rechtsmittelsachen, die sich mit einem Rechtsschutzinteresse auseinanderzusetzen haben, deutlich geringer ist. Stattdessen wird aber mit größter Genauigkeit die Vorteilhaftigkeit einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren erörtert.427 Ist Rechtsmittelführer die klagende Partei der ersten Instanz dürfte der Vorteil einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich dem Vorteil einer Nichtigerklärung entsprechen. Dann ist es natürlich durchaus möglich, dass das Rechtsschutzinteresse auf die bereits bekannten Wertungen gestützt wird. So wurde das Interesse der Klägerin an der Aufhebung des angefochtenen Urteils auch schon damit begründet, die Wiederholung einer rechtswidrigen Praxis seitens der Gemeinschaftsorgane zu verhindern.428 Auch in der umgekehrten Konstellation hat der Klagegegner als unterlegene Partei der ersten Instanz und folglich Rechtsmittelführer ein Rechtsschutzinteresse darzulegen. Damit befinden sich ausnahmsweise die Unionsorgane in der Position, die Vorteilhaftigkeit der Rechtsmittelentscheidung darlegen zu müssen. Ein Rehabilitationsinteresse muss hier schon begriffsnotwendig ausscheiden. In Betracht kommt allerdings die Möglichkeit einer Wiederholungsgefahr. Auch die deutschen Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass selbst der Klagegegner ein berechtigtes Interesse an der Aufhebung des Urteils haben kann, um eine Wiederholung desselben Rechtsfehlers in Zukunft zu vermeiden.429 Auf Unionsebene wurde bisher allerdings nur vorgebracht, dass das handelnde Organ so vor Schadenersatzforderungen des Klägers bewahrt werden könnte.430 b) Fortwirkender Grundrechtseingriff Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Akzo Nobel Chemicals u. Akcros Chemicals / ​ Kommission.431 Anlass für den Rechtsstreit gab die Beschlagnahme von Doku 427

EuGH, Urt. v. 19.10.1995, Rs. C-19/93 P, Rendo u. a. / ​Kommission, Slg. 1995, I-3319 Rn. 13–16; Urt. v. 17.09.2009, Rs. C-519/07 P, Kommission / ​Koninklijke FrieslandCampina, Slg. 2009, I-8495 Rn. 63–67; Urt. v. 25.07.2002, Rs. C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Slg. 2002, I-6677 Rn. 23. 428 EuGH, Urt. v. 03.09.2009, Rs. C-535/06 P, Moser Baer India / ​Rat, Slg. 2009, I-7051 Rn. 25. 429 Vgl. 1.  Kap. C. IV. 430 EuGH, Urt. v. 13.07.2000, Rs. C-174/99 P, Parlament / ​Richard, Slg. 2000, I-6189 Rn. 34; Urt. v. 03.04.2003, Rs. C-277/01 P, Parlament / ​Samper, Slg. 2003, I-3019 Rn. 31. 431 EuGH, Urt. v. 14.09.2010, Rs. C-550/07 P, Akzo Nobel Chemicals u. Akcros Chemicals / ​ Kommission, Slg. 2010, I-8301.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

menten bei den Klägerinnen, die nach Auffassung der Kommission nicht unter den Schutz der Vertraulichkeit zwischen Rechtsanwalt und Mandat fielen. Die Kommission lehnte die Herausgabe der Dokumente in der Folge ab. Die gegen die Ablehnungsentscheidung gerichtete Nichtigkeitsklage wurde als unbegründet abgewiesen. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens wurde das Verwaltungsverfahren, für das die Nachprüfung überhaupt durchgeführt wurde, abgeschlossen. Gegenüber Akcros Chemicals wurde daraufhin ein Bußgeld verhängt, nicht jedoch gegenüber der Gesellschaft Akzo Nobel Chemicals. In der Folge argumentierte die Kommission, das Rechtsschutzinteresse für das Rechtsmittelverfahren sei entfallen, da die Verhängung des Bußgelds nicht auf die streitigen Dokumente gestützt wurde. Der Gerichtshof lies dieses Argument nicht gelten und wies darauf hin, dass die Rechte der Klägerin nicht erst durch die Bußgeldentscheidung, sondern bereits durch die Beschlagnahme der Schriftstücke beeinträchtigt wurden. Solange sich diese im Besitz der Kommission befänden, sei von einem Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen auszugehen.432 Noch viel aussagekräftiger sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Generalanwältin Kokott in ihren Schlussanträgen: „Dementsprechend wird dieser Grundrechtseingriff auch nicht dadurch ausgeräumt oder ,geheilt‘, dass die Kommission das in Frage stehende Dokument letztendlich nicht als Beweismittel herangezogen hat. Vielmehr wirkt der Grundrechtseingriff mindestens so lange fort, wie die Kommission das Dokument oder eine Kopie davon in ihrem Gewahrsam hat. So lange behält das betroffene Unternehmen auch sein Rechtsschutzinteresse, gerichtlich gegen diese Maßnahme vorzugehen“433. Überschneidungen mit einem Rehabilitationsinteresse wegen fortwirkender Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten lassen sich nicht von der Hand weisen. Der Zweck einer Fortsetzung der Klage in einem solchen Fall wurde von den Unionsgerichten jedoch nie so deutlich hervorgehoben, wie es hier erfolgte. Demnach verlangt effektiver Rechtsschutz, gegen anhaltende Verletzungen von grundrechtlich geschützten Freiheiten vor Gericht vorgehen zu können, selbst wenn der Rechtsakt, der insoweit als Grundlage diene, zwischenzeitlich seine Wirkung verloren hat. Auch Generalanwältin Kokott führt den Grundsatz effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes an, der verlange, dass die im Rahmen einer Beschlagnahme vorgenommenen Handlungen einer gerichtlichen Kontrolle zu unterziehen sind.434 Es handelt sich dabei keineswegs um eine den Besonderheiten des Rechtsmittelverfahrens geschuldete Entscheidung. Die Ausführungen sind von grundlegender Bedeutung und in jeder Verfahrenslage zu beachten und anzuwenden.

432

Ebd., Rn. 22–26. GA Kokott, Schlussantr. v. 29.04.2010, Rs. C-550/07 P, Akzo Nobel Chemicals u. Akcros Chemicals / ​Kommission, Slg. 2010, I-8301 Rn. 41. 434 Ebd., Rn. 42 f. 433

C. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in der praktischen Rechtsanwendung  227

VIII. Gesamtkonzept Die Rechtsprechung der Unionsgerichte zeichnet sich durch eine auf Einzelfallgerechtigkeit zielende pragmatische Vorgehensweise und einem damit verbundenen zurückhaltenden Begründungsaufwand aus. Eine so ausdifferenzierte Fallgruppendogmatik wie sie im deutschen Recht vorherrscht, ist auf Unionsebene nicht vorhanden. Dennoch orientiert sich die Unionsrechtsprechung jedenfalls in ihren wesentlichen Grundgedanken an den deutschen Fallgruppen, ohne jedoch vergleichbar ausführlich auf die Anforderungen an diese einzugehen. Besonders deutlich zeigt sich die Konzentration auf eine Einzelfallbegründung am Rechtsschutzinteresse wegen Wiederholungsgefahr. Denn wenngleich sich in der Zwischenzeit allgemeine Rechtsregeln herausgebildet haben, so erfolgt die Subsumtion regelmäßig sehr knapp, ohne auf die Unterschiede in den Umständen der Sachlage näher einzugehen. Das erschwert naturgemäß aussagekräftige Ergebnisse zur Systematik und Konsistenz der Rechtsprechung der Unionsgerichte. Feststellen lässt sich insoweit lediglich, dass sich die Unionsgerichte mit der Vorteilhaftigkeit des Nichtigkeitsurteils in deutlich umfassenderer Weise auseinandersetzen als es die deutsche Rechtsprechung handhabt. Die deutschen Gerichte stellen zwar für die Definition des Fortsetzungsfeststellungsinteresses auch auf die Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger ab; die Subsumtion orientiert sich jedoch maßgeblich an den Anforderungen der einzelnen Fallgruppen, ohne nochmals näher auf den individuellen Nutzen für den Kläger einzugehen. Das hat zur Folge, dass die Unionsgerichte die fortgesetzte Nichtigkeitsklage erst gar nicht zur Verfolgung abstrakter statt individueller Kontrollinteressen instrumentalisieren können, weil sie stets mit der subjektiven Vorteilhaftigkeit für den Kläger argumentieren und eine objektive Kontrolle der Handlungen der Unionsorgane im Allgemeininteresse für die Darlegung eines individuellen Klägerinteresses nicht ausreichend wäre. Dadurch lässt sich die Auslegung des Rechtsschutzinteresses durch die Unionsgerichte auch ganz überwiegend auf individualrechtsschützende Bestrebungen zurückführen. Das ist einem Rehabilitationsinteresse und einem Interesse an der Vermeidung einer Wiederholung des fehlerhaften Rechtsakts immanent. Das Interesse an der Verfolgung von Schadenersatzansprüchen fügt sich in diese Reihe nicht bruchlos ein, denn hier ist das Nichtigkeitsurteil nicht zwingend zur individuellen Rechtsdurchsetzung erforderlich. Grundsätzlich könnte sich der Kläger für Haftungsklagen auf Unionsebene auch unmittelbar mit einer Schadenersatzklage an den Gerichtshof wenden. Da jedoch erwartet wird, dass er zur Schadensbeendigung zunächst Nichtigkeitsklage erhebt, trägt auch diese Fallgruppe mittelbar zur Durchsetzung der individuellen Rechte des Klägers bei. Für Haftungsklagen auf nationaler Ebene ist das Nichtigkeitsurteil demgegenüber zur Durchsetzung der Sekundäransprüche notwendig.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

D. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten  I. Aufhebungsklage in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten Dienstrechtliche Streitigkeiten wurden seit dem Jahr 2005 vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union als erstes Fachgericht i. S. d. Art. 257 AEUV behandelt. Nach Art. 91 BSt435 kann jede beschwerende Maßnahme gegenüber einem Bediensteten im Klageverfahren angegriffen werden. Statthafte Klagearten sind damit insbesondere Aufhebungs- und Schadenersatzklagen wie auch Leistungsklagen.436 Häufig wird die Aufhebung einer beschwerenden Maßnahme begehrt. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind im Vergleich zur herkömmlichen Nichtigkeitsklage durch die Einhaltung einer Frist (Art. 91 Abs. 3 BSt) und der zwingend erforderlichen Durchführung eines Vorverfahrens (Art. 90 Abs. 2 BSt) verschärft. Hinsichtlich des Rechtsschutzinteresses besteht jedoch zumindest definitionsgemäß kein Unterschied, denn es wird ebenfalls nach einem Vorteil für den Kläger gefragt.437 Bedeutung erlangt das Rechtsschutzinteresse insbesondere für den Fall, dass sich der Streitgegenstand nach Klageerhebung erledigt. Seit dem 1. September 2016 entscheidet der EuG wieder über die Rechtsstreitigkeiten in dienstrechtlichen Angelegenheiten. Gleichwohl kann weiterhin zwischen den Zuständigkeiten differenziert werden, denn die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art. 90–91a BSt sind nach wie vor anzuwenden. Dienstrechtliche Streitigkeiten haben einen nicht unwesentlichen Stellenwert in der Europäischen Union. Viele der heute anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze wurden im Zuge einer dienstrechtlichen Klage entwickelt.438 Das veranlasst näher auf die Auslegung des Rechtsschutzinteresses in jenen Fällen einzugehen und der Frage nachzugehen, ob die Besonderheiten der Sachmaterie439 eine Anpassung der Auslegung erforderlich machen.440

435

Verordnung Nr. 31 (EWG) 11 (EAG) über das Statut der Beamten und über die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft. 436 Reithmann, in: v. der Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 270 Rn. 5; Wohlfahrt, in: Dauses / ​Ludwigs (Hrsg.), HdB des EU-Wirtschaftsrechts, P. I. Rn. 333. 437 EuGöD, Urt. v. 28.10.2010, Rs. F-23/09, Cerafogli / ​EZB, ECLI:EU:F:2010:138 Rn. 39; Urt. v. 28.06.2011, Rs. F-55/10, AS / ​Kommission, ECLI:EU:F:2011:94 Rn. 35; EuG, Urt. v. 29.11.2006, verb. Rs. T-35/05, T-61/05, T-107/05, T-108/05 u. T-139/05, Agne-Dapper u.  a.  / ​ Kommisison, Slg. 2006, FP-I-A-2–291, FP-II-A-2–1497 Rn. 35; Urt. v. 09.12.2010, Rs. T-526/08 P, Kommission / ​Strack, ECLI:EU:T:2010:506 Rn. 43. 438 So etwa Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 270 AEUV Rn. 4. 439 Zu den Besonderheiten des Europäischen Dienstrechts Mehde, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 38 Rn. 57–65. 440 Soweit ersichtlich fehlt es bislang an aussagekräftigen Entscheidungen des EuG in dienstrechtlichen Streitigkeiten mit der Frage nach einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse als Gegenstand.

D. Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten 

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II. Fortbestehendes Rechtsschutzinteresse bei dienstrechtlichen Streitigkeiten 1. Rehabilitationsinteresse a) Disziplinarmaßnahmen Auffallend ist zunächst, dass sich die für dienstrechtliche Streitigkeiten zuständigen Gerichte zur Begründung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses jedenfalls begrifflich außerhalb der bekannten Fallgruppen bewegen. Das bedeutet allerding nicht, dass speziell für Streitigkeiten zwischen der Union und ihren Bediensteten andere Gründe für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse streiten müssen. Vor allem dienstrechtliche Maßnahmen sind in der Lage, das persönliche Ansehen des Betroffenen negativ zu beeinflussen. Besonders plastisch wird dies für Klagen gegen Disziplinarmaßnahmen. Darstellungswürdig ist in diesem Zusammenhang die Rechtssache Wenig / ​Kommission.441 Nachdem bekannt wurde, dass der Kläger, ein Kommissionsbeamter, der als Direktor im Bereich Marktzugang und Industrie für die Durchführung von Antidumpingpolitik zuständig war, vertrauliche Informationen über laufende Kommissionsverfahren an vermeintliche Mitarbeiter eines chinesischen Exportunternehmens weitergegeben hatte, wurde er für unbestimmte Zeit seines Dienstes enthoben und ein Teil seiner Dienstbezüge einbehalten. Die Kommission argumentierte, der Kläger besitze kein Rechtsschutzinteresse mehr, da er zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt wurde und Disziplinarmaßnahmen nur die im aktiven Dienst befindlichen Beamten treffen könnten. Das Gericht ging gleichwohl von einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse aus und begründete dies sehr knapp damit, dass sich „die Entscheidung nicht nur auf seine materielle Lage, sondern auch auf seine Ehrenhaftigkeit ausgewirkt hat.“442 In der Rechtssache M. / ​Kommission wendete sich die Klägerin gegen die Entscheidung der Kommission, sie aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen, nachdem ihre mangelnde Eignung ärztlich festgestellt wurde. Im Laufe des Verfahrens wurde sie zwar als Beamtin am Europäischen Parlament ernannt. Ihr Rechtsschutz­ interesse sollte dennoch nicht entfallen, denn es liege „[a]uf jeden Fall […] auf der Hand, daß die Klägerin daran interessiert ist, jede Spur einer Feststellung über eine mangelnde psychische Eignung beseitigt zu sehen.“443 Nicht entscheidend war demnach, dass der Einstufung der Klägerin mangels Veröffentlichung keine diskriminierende Wirkung zukam. Ein Rechtsschutzinteresse sollte sich allerdings aus der nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs der 441

EuGöD, Urt. v. 30.11.2009, Rs. F-80/08, Wenig / ​Kommission, Slg. 2009, FP-I-A-1-479, FP-II-A-1-2609. 442 Ebd., Rn. 35. 443 EuGH, Urt. v. 10.06.1980, Rs. C-155/78, M. / ​Kommission, Slg. 1980, 1797 Rn. 6.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

Klägerin ergeben. Sie konnte zwar wieder als Beamtin am Europäischen ­Parlament angestellt werden. Ein Beamtenstatut in der Kommission sollte für sie jedoch aufgrund ihrer Einstufung als psychisch ungeeignet nicht mehr in Betracht kommen. Auffallend an dieser Entscheidung ist, dass es auf eine Veröffentlichung nicht ankommen sollte. Ziel jenes Verfahrens lag damit vor allem darin, die auch nach Entfallen des Klagegegenstandes anhaltenden negativen Auswirkungen auf die berufliche Laufbahn der Klägerin zu beseitigen. Beiden Entscheidungen gemeinsam war die anhaltende beeinträchtigende Wirkung des Rechtsakts. Dies allein stellte einen ausreichenden Grund dar, das Verfahren aufgrund eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses fortzuführen. Das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union hat hierfür nicht auf die Fallgruppensystematik des Gerichts und Gerichtshofs zurückgegriffen. Es betonte wiederholt, den Besonderheiten von dienstrechtlichen Streitigkeiten Rechnung tragen zu wollen444, wozu sicherlich auch Disziplinarmaßnahmen gegenüber Bediensteten zu zählen sind. Vor diesem Hintergrund kann es nicht zu beanstanden sein, dass sich das Gericht nicht an die gängigen Formulierungen hält, wenngleich es sich im Ergebnis auf einer Linie mit EuG und EuGH befindet. Aufgrund der grundrechtlichen Aufladung des Interesses an einer Rehabilitierung wäre eine abweichende Rechtsprechung im Übrigen nicht vertretbar. Denn wie insbesondere der hier dargestellte Fall gezeigt hat, kann die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme auch das private Ansehen des Betroffenen negativ beeinflussen. b) Beamtenrechtliche Beurteilung Das Gericht musste sich bereits wiederholt mit der Frage nach einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse im Zusammenhang mit beamtenrechtlichen Beurteilungen auseinandersetzen. In rechtlicher Hinsicht war zu entscheiden, ob das Interesse an der Aufhebung einer Beurteilung über die berufliche Entwicklung auch noch schutzwürdig sein kann, nachdem das Dienstverhältnis beendet wurde, eine anhaltende Beeinträchtigung der Berufsfreiheit folglich ausschied. Die Beantwortung dieser Frage stellte sich mitunter als schwierig dar, denn bei der streitigen Beurteilung handelt es sich um ein internes Dokument, das der Verwaltung als Information über die Qualität der Erledigung dienstlicher Aufgaben dienen soll. Besonders der Umstand, dass der Inhalt der Beurteilung nicht veröffentlicht wurde, lässt berechtigterweise Zweifel an der Rehabilitierungsbedürftigkeit des Klägers aufkommen. Aus diesem Grund verneinte das Gericht erster Instanz in der Rechts 444 EuGöD, Urt. v. 23.11.2010, Rs. F-8/10, Gheysens / ​Rat, ECLI:EU:F:2010:151 Rn. 60. Zu den Besonderheiten des Verfahrens van Raepenbusch, in: Govaere / ​Vandersanden (Hrsg.), La fonction publique communtautaire, 141 (152). Zu der Bedeutung der Rechtsprechung im dienstrechtlichen Bereich für die Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze Gervasoni, CDE 2010, 731 (775 ff.); Krämer, CMLRev. 46 (2009), 1873–1879; Lindemann, Allg. Rechtsgrundsätze und europ. öffl. Dienst, S. 61–80.

D. Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten 

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sache Gordon / ​Kommission ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.445 Nachfolgende Entscheidungen hingegen hoben das in der Beurteilung eines Beamten enthaltene Werturteil hervor, das „einen schriftlichen und förmlichen Beweis über die Qualität der Arbeit des Beamten darstellt“446. Unerheblich sollte es insoweit sein, dass das Dienstverhältnis nicht mehr bestand, da jedenfalls nicht auszuschließen war, dass die streitige Beurteilung auf seinem beruflichen Werdegang nochmals Beachtung finden werde. Diese Begründung ist überzeugend, sofern die Beendigung des Dienstverhältnisses auf eine Versetzung des Klägers zurückzuführen ist und es daher tatsächlich möglich erscheint, dass sich die Beurteilung nochmals auf die Karriere des Klägers auswirken kann.447 Ein Rechtsschutzinteresse wurde jedoch selbst für den Fall angenommen, dass der Kläger aufgrund seiner Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde. Es sollte ausreichen, dass nicht auszuschließen war, dass er auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird.448 Entscheidend war hierbei allerdings, dass der Kläger nicht wegen Erreichens des Ruhestandsalters aus dem Dienst entlassen wurde, sondern aufgrund seiner Dienstunfähigkeit. Das Gericht führte aus „[ein] von einer solchen Dienstunfähigkeit betroffener Beamter könnte nämlich angesichts des Wortlauts von Art. 16 des Anhangs VIII des Statuts eines Tages seinen Dienst innerhalb eines Gemeinschaftsorgans wieder aufnehmen.“449 Weiter meint es „[im] vorliegenden Fall wurde es nicht als definitiv feststehend angesehen, dass beim Rechtsmittelführer sämtliche Voraussetzungen vorliegen, die seine Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen gemäß Art. 13 des Anhangs VIII des Statuts wegen dauernder voller Dienstunfähigkeit rechtfertigen.“450 Das sind insgesamt sehr ungewisse Umstände, auf die das Gericht hier abstellt, wenngleich es auch festhält, „dass die Möglichkeit einer Wiedereinstellung des Rechtsmittelführers nicht nur hypothetisch, sondern durchaus real ist.“451 Mit Urteil in der Rechtssache Strack / ​Kommission wird darauf nochmals Bezug genommen und betont, dass eine Wiedereinstellung des Beamten nicht sicher

445

EuG, Urt. v. 07.02.2007, Rs. T-175/04, Gordon / ​Kommission, Slg. 2007, FP-I-A-2-47, FPII-A-2-343 Rn. 28. 446 So EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-198/07 P, Gordon / ​Kommission, Slg. 2008, I-1071, FP-I-B-2-25, FP-II-B-2-193 Rn. 44; EuGöD, Urt. v. 10.11.2009, Rs. F-71/08, N / ​Parlament, Slg. 2009, FP-I-A-1-429, FP-II-A-1-2319 Rn. 33; Urt. v. 10.11.2009, Rs. F-93/08, N / ​Parlament, Slg. 2009, FP-I-A-1-433, FP-II-A-1-2339 Rn. 46; Urt. v. 11.12.2012, Rs. F-107/11, Ntouvas  / ​ ECDC, ECLI:EU:F:2012:182 Rn. 35. 447 EuGöD, Urt. v. 10.11.2009, Rs. F-71/08, N / ​Parlament, Slg. 2009, FP-I-A-1-429, FP-IIA-​1-2319 Rn. 34; Urt. v. 10.11.2009, Rs. F-93/08, N / ​Parlament, Slg. 2009, FP-I-A-1-433, FPII-A-1-2339 Rn. 47; Urt. v. 11.12.2012, Rs. F-107/11, Ntouvas / ​ECDC, ECLI:EU:F:2012:182 Rn. 36. 448 EuGH, Urt. v. 22.12.2008, Rs. C-198/07 P, Gordon / ​Kommission, Slg. 2008, I-1071, FPI-B-2–25, FP-II-B-2–193 Rn. 46 f. 449 Ebd., Rn. 47. 450 Ebd., Rn. 48. 451 Ebd., Rn. 48.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

bevorstehen muss. Ausreichend sei lediglich, dass die dauernde Dienstunfähigkeit nicht bereits feststehe.452 Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Wiederholungsgefahr und Amtshaftungsklage, denen gemeinsam ist, dass zukünftige und rein hypothetische Umstände zur Begründung eines Rechtsschutzinteresses nicht ausreichend sind, ist diese Auslegung vergleichsweise sehr weitgehend. Andererseits darf bei der Beurteilung nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich in diesem Fall um die andauernde Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit handelt. Auch im Rahmen der herkömmlichen Nichtigkeitsklage wurden zur Begründung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses die auch nach Erledigung des Rechtsakts noch vorhandenen negativen Auswirkungen für den beruflichen Werdegang angeführt.453 Die Interessenlage stellt sich bei dienstrechtlichen Streitigkeiten nicht anders dar. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus vertretbar, ein Rechtsschutzinteresse anzunehmen, wenngleich sich das Gericht für den öffentlichen Dienst mit einem Abstellen auf die doch sehr hypothetische Aussicht auf Rückkehr in das Berufsleben von der bisherigen Rechtsprechungslinie des Gerichtshofs zu entfernen mag. 2. Wiederholungsgefahr Auch in dienstrechtlichen Streitigkeiten wird für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse die Möglichkeit angeführt, dass der streitige Rechtsakt sich in Zukunft wiederholen wird. Gegenstand einer Klage in der Rechtssache Wunenburger / ​ Kommission454 war die Ablehnung der Bewerbung des Klägers auf eine Direktorenstelle durch die Kommission. Zuständig war damals noch das Gericht bzw. der Gerichtshof als Rechtsmittelgericht. Aus diesem Grund war zu erwarten, dass sowohl in Bezug auf die dogmatische Grundlage der Fallgruppe wie auch für die Anforderungen an die Gefahr einer Wiederholung auf die bisherige Rechtsprechung zu dieser Fallgruppe verwiesen wird. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang jedoch die Ausführungen zur Wahrscheinlichkeit einer Wiederholung: „Entscheidungen über die Besetzung von Beamtenplanstellen wiederholen sich zwar, wie die Generalanwältin in Nr. 45 der Schlussanträge ausgeführt hat, nie gleichsam mechanisch, da jede Entscheidung einmalig ist und von der Würdigung der jeweiligen Eigenheiten der Bewerber und den Anforderungen an die zu besetzende Stelle abhängt, die in den einzelnen Fällen erheblich voneinander abweichen können.“455

452

EuGöD, Urt. v. 23.10.2012, Rs. F-44/05 RENV, Strack / ​Kommission, ECLI:EU:F:2012:144 Rn. 101. 453 Vgl. bereits C. II. 1. b) cc). 454 EuGH, Urt. v. 07.06.2007, Rs. C-362/05 P, Wunenburger / ​Kommission, Slg. 2007, I-4333, FP-I-B-2-9, FP-II-B-2–101 Rn. 50. 455 EuGH, Urt. v. 07.06.2007, Rs. C-362/05 P, Wunenburger / ​Kommission, Slg. 2007, I-4333, FP-I-B-2-9, FP-II-B-2-101 Rn. 56, bezugnehmend auf GA Kokott, Schlussantr. v. 15.02.2007, Rs. C-362/05 P, Wunenburger / ​Kommission, Slg. 2007, I-4333, FP-I-B-2–9, FP-II-B-2-101 Rn. 45.

D. Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Rechtsstreitigkeiten 

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Entscheidend sei jedoch, dass der Kläger nicht nur den Inhalt der Entscheidungen der Kommission beanstande, sondern zudem auch das zu dieser Entscheidung führende Verfahren. Die Modalitäten eines Ausleseverfahrens könnten im Gegensatz zur inhaltlichen Beurteilung der Bewerbungen bei entsprechenden Verfahren in Zukunft wiederaufgegriffen werden.456 Das entspricht der Rechtsprechung der Unionsgerichte außerhalb dienstrechtlicher Streitigkeiten, die insoweit ebenfalls auf die grundsätzliche Möglichkeit der Wiederholung abstellen und dies namentlich auch für die Beurteilung von Verfahrensmodalitäten annahmen.457 Soweit ersichtlich ist diese Entscheidung bisher die einzige geblieben, die ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse in dienstrechtlichen Streitigkeiten auf eine Wiederholungsgefahr stützte. Das muss allerdings nicht zwingend bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit der Wiederholung eines vergleichbaren Rechtsakts in diesem Bereich nur von untergeordneter Bedeutung ist. Es ist nur ein weiteres Indiz dafür, dass es in dienstrechtlichen Streitigkeiten an einer ausgeprägten Dogmatik noch fehlt. 3. Vorbereitung einer Amtshaftungsklage In dienstrechtlichen Streitigkeiten wurde bisher nicht die Absicht des Klägers, einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse angeführt. Der Grund hierfür dürfte in den Besonderheiten des dienstrechtlichen Verfahrens liegen. Ausdrücklich normiert wurden die Klagearten in dienstrechtlichen Streitigkeiten nicht. Die Rechtsprechung differenziert insoweit zwischen dienstrechtlichen Klagen und den Klagearten des AEUV.458 Dennoch sind gewisse Parallelen vorhanden. So stehen Aufhebungsklage und Schadenersatzklage auch hier selbstständig nebeneinander.459 Damit steht es dem Beamten grundsätzlich frei, welche Klageart er wählt. Allerdings darf die Erhebung der Schadenersatzklage nicht zu einer Umgehung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der Aufhebungsklage führen.460 Das ist besonders vor dem Hintergrund des bei dienstrechtlichen Streitigkeiten erforderlichen Vorverfahrens von Bedeutung. Soweit zwischen Aufhebung und Entschädigung ein enger Zusammenhang besteht, sieht das Gericht allerdings von einem Vorverfahren für den Entschädigungsanspruch ab. Die Scha-

456

Ebd., Rn. 58. Dazu 3.  Kap. C. III. 1. b). 458 EuGH, Urt. v. 22.10.1975, Meyer-Burckhardt / ​Kommission, Slg. 1975, 1171 Rn. 7; Urt. v. 17.02.1977, Rs. C-48/76, Reinarz / ​Kommission u. Rat, Slg. 1977, 291 Rn. 9/12. 459 Grundlegend EuGH, Urt. v. 22.10.1975, Rs. C-9/75, Meyer-Burckhardt / ​Kommission, Slg. 1975, 1171 Rn. 10; dazu Kirschner / ​Klüpfel, Das Gericht erster Instanz der EG, Rn. 73. 460 EuGH, Urt. v. 19.11.1981, Rs. C-106/80, Fournier / ​Kommission, Slg. 1981, 2759 Rn. 17; Urt. v. 07.10.1987, Rs. C-401/85, Schina / ​Kommission, Slg. 1987, 3911 Rn. 9. Begehrt der Kläger Schadenersatz, muss er zunächst einen Antrag nach Art. 90 Abs. 1 BSt stellen. Da er hierfür an keine Frist gebunden ist, könnte er eine ablehnende Entscheidung über seinen Antrag auch noch weit nach dem Ablauf der Klagefrist stellen. Hieraus ergibt sich die besondere Gefahr einer Umgehung. 457

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

denersatzklage ist dann als Zusatz zur Anfechtungsklage zulässig.461 Auf diesen Zusammenhang nimmt das Gericht schließlich auch im Rahmen der Begründetheit Bezug, wenn es von der Erfolglosigkeit des Aufhebungsantrags auf die Erfolglosigkeit des Entschädigungsanspruchs schließt.462 Das ist folgerichtig, soweit die Aufhebung mangels Rechtswidrigkeit der Entscheidung ohne Erfolg bleiben musste. Streng genommen wäre der Antrag auf Entschädigung demzufolge auch dann abzuweisen, wenn sich der Aufhebungsantrag nach Klageerhebung erledigt, obgleich damit keinesfalls feststeht, dass die streitige Entscheidung auch rechtmäßig ist. An dieser Stelle scheint es insoweit nur konsequent zu sein, ein Rechtsschutzinteresse zur Vorbereitung einer Haftungsklage anzunehmen. In diesem Zusammenhang wird allerdings darauf hingewiesen, dass die akzessorische Verknüpfung des Entschädigungsanspruchs mit dem angegriffenen Rechtsakt nicht absolut und die konkreten Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs insoweit einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen seien.463 Soll heißen: Aufgrund der Verknüpfung der beiden Anträge ist die Darlegung eines Rechtsschutzinteresses nicht erforderlich. Das Gericht kann nach Feststellung der Erledigung des Aufhebungsantrags einfach zur Prüfung des Antrags auf Entschädigung übergehen, soweit von der Begründetheit der Schadenersatzforderungen auszugehen ist. Prozessökonomische Gründe lassen sich in dieser Situation gerade nicht anführen. Es ist weder notwendig, einem weiteren Gericht, das über den Entschädigungsanspruch zu entscheiden hat, Arbeitsaufwand zu ersparen, noch im Interesse des Klägers erforderlich, die Früchte des Prozesses zu erhalten. Beide Aspekte sind nur von untergeordneter Bedeutung, wenn aufgrund der Verknüpfung der beiden Anträge ohne erneute Klageerhebung über den Entschädigungsanspruch zu entscheiden ist. Insoweit bedarf es dann auch keiner Darlegung eines besonderen Rechtsschutzinteresses. Fehlt es dagegen an einem Zusammenhang zwischen der rechtswidrigen Handlung und dem geltend gemachten Schaden, so wird auch für den Schadenersatzantrag die Durchführung eines Vorverfahrens verlangt.464 Dann aber handelt es sich um zwei selbstständige Verfahren, sodass die Fortsetzung des Aufhebungsverfahrens nach Entfallen des Klagegegenstandes unter Berufung auf ein Präjudizinteresse möglich sein muss.

461

EuG, Urt. v. 11.04.2006, Rs. T-394/03, Angeletti / ​Kommission, Slg. 2006, FP-I-A-2-00095, FP-II-A-2-00441 Rn. 47; EuGöD, Urt. v. 14.04.2011, Rs. F-82/08, Clarke u. a. / ​HABM, ECLI:​ EU:F:2011:45 Rn. 211. 462 EuG, Urt. v. 13.07.2005, Rs. T-5/04, Scano / ​Kommission, Slg. 2005, FP-I-A-00205, FPII-​00931 Rn. 77; EuGöD, Urt. v. 07.11.2007, Rs. F-57/06, Hinderyckx / ​Kommission, Slg. 2007, FP-I-A-1-00329, FP-II-A-1-1831 Rn. 69; Urt. v. 13.12.2007, Rs. F-28/06, Sequeira Wandschneider / ​Kommission, Slg. 2006, FP-I-A-1-00432, FP-II-A-1-02443 Rn. 183. 463 So Mader, EuR 2012, 355 (366). 464 EuG, Urt. v. 06.11.1997, Rs. T-15/96, Liao / ​Rat, Slg. 1997, FP-I-A-00329, FP-II-00897 Rn. 57; EuGöD, Urt. v. 13.12.2007, Rs. F-65/05, Sequeira Wandschneider / ​Kommission, Slg. 2007 FP-I-A-1-00417, FP-II-A-1-002339 Rn. 187.

E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage?  

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III. Gesamteindruck Die Analyse der Rechtsprechung in dienstrechtlichen Streitigkeiten zeigt Abweichungen von der sonstigen Rechtsprechungspraxis des EuG und EuGH, die aufgrund der Autonomie der Gerichte465 grundsätzlich nicht zu beanstanden waren. Obwohl das Gericht nicht auf die bekannten Formulierungen und bisherige Rechtsprechung Bezug nimmt, sind die damit verbundenen Wertungsgesichtspunkte hiermit konform. Das wird besonders für das Rehabilitationsinteresse deutlich, das bereits aufgrund seiner grundrechtlichen Determiniertheit ein anderes Ergebnis nicht zulassen würde. Die überwiegende Anzahl von Dienststreitigkeiten ist mit einer andauernden Beeinträchtigung im beruflichen Bereich verbundenen, sodass sich ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse regelmäßig mit dem Ziel der Beendigung der Beeinträchtigung begründen lässt. Das vermag dann auch zu erklären, weshalb auf eine Wiederholungsgefahr und eine beabsichtigte Schadenersatzklage bislang kaum Bezug genommen wurde. Insgesamt ist die Auslegung des fortbe­stehenden Rechtsschutzinteresses bei weitem nicht so ausgeprägt wie in der Rechtsprechung des EuG und EuGH. Es steht zu vermuten, dass es in den folgenden Jahren zu einer Anpassung der Rechtsprechungslinie kommen wird, nachdem nun wieder der EuG für dienstrechtliche Streitigkeiten zuständig ist.

E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage?  Der EuGH466 lässt ein Verständnis von gerichtlicher Kontrolle und effektivem Rechtsschutz durchblicken, welches verlangt, dass am Ende die gerichtliche Aufhebung des angefochtenen Rechtsakts steht. „Das Wesen eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes muss nämlich gerade darin bestehen, es der betroffenen Person zu ermöglichen, durch ein Nichtigkeitsurteil, mit dem die angefochtene Handlung rückwirkend aus der Rechtsordnung entfernt und so behandelt wird, als ob sie niemals bestanden hätte, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Aufnahme ihres Namens in die fragliche Liste oder seine Belassung auf dieser Liste mit einem Rechtsverstoß behaftet ist, dessen Anerkennung geeignet ist, sie zu rehabilitieren oder für sie eine Form der Wiedergutmachung des erlittenen immateriellen Schadens darzustellen.“467

Dies kann sich gerade nach einem Entfallen des Klagegegenstandes als zu formalistisch erweisen, denn eine rückwirkende Aufhebung durch das Gericht ist nur solange möglich, wie der Rechtsakt in der Vergangenheit tatsächlich noch Wirkung entfaltet. Einerseits ist die europäische Individualnichtigkeitsklage nach Klageform und Zulässigkeitsvoraussetzungen am recours pour excès de pouvoir angelehnt; 465 Everling, EuR Beiheft 1/2009, 71 (81); J.  Hamer, in: v. der Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 257 AEUV Rn. 3. 466 EuGH, Urt. v. 18.07.2013, verb. Rs. C-584/10 P, C-593/10 P u. C-595/10 P, Kommission  u. a. / ​Kadi, ECLI:EU:C:2013:518 Rn. 134 (Hervorhebung durch die Verfasserin). 467 Bast, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 35 Rn. 16.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

für die Auslegung des Rechtsschutzinteresses wurde aber auf den deutschen Weg zurückgegriffen. Damit wurde ein quasi hybrides Regelwerk geschaffen, das sich strukturell am recours pour excès de pouvoir und am Fortsetzungsfeststellungsinteresse orientiert. Wenngleich ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht zwingend an die Möglichkeit einer rückwirkenden Aufhebung des angegriffenen Rechtsakts gebunden ist, sodass Rechtsschutzmöglichkeiten eigentlich in einem weiteren Umfang offenstehen müssten als es im französischen Recht der Fall ist, sind die Unionsgerichte aufgrund der mit der Gestaltungsklage einhergehenden kassatorischen Wirkung des Urteils gezwungen, die Fortsetzung einer Nichtigkeitsklage auf ex-nunc-Erledigungen des Klagegegenstandes zu beschränken. Der Rechtsprechung der Unionsgerichte kann allerdings entnommen werden, dass der mit der Fortführung des Verfahrens verfolgte Zweck oftmals über die Feststellungswirkung des Urteils zu erreichen ist.468 Dies gilt im Besonderen im Fall eines Rehabilitationsinteresses. Zu erwägen ist daher eine „europäische Fortsetzungsfeststellungsklage“, die wie die deutsche Fortsetzungsfeststellungsklage eine Umstellung von Nichtigkeits- auf Feststellungsurteil nach Entfallen des Klagegegenstandes ermöglicht. Eine gerichtliche Kontrolle stünde damit auch noch offen, nachdem der Rechtsakt mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wurde oder im Fall eines Wirksamkeitsverlusts mit ex-nunc-Wirkung, für faktische Nachteile, die sich auf den Rechtsakt zurückführen lassen, durch eine Aufhebung allerdings nicht zu beseitigen wären. In der Folge müssten sich die Unionsgerichte im Rahmen der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, ob die beeinträchtigende Wirkung des angegriffenen Unionsrechtsakts vollständig beendet wurde oder nachteilige Folgen in der Vergangenheit weiterhin bestehen. Nur im letzteren Fall besteht noch Raum für ein Gestaltungsurteil. Damit würde sich der Gerichtshof auf einer Linie mit den deutschen und französischen Verwaltungsgerichten und ihrer Erörterung zur Statthaftigkeit des recours pour excès de pouvoir bzw. zum bestehenden Rechtsschutzinteresse der Anfechtungsklage nach Entfallen des Klagegegenstandes befinden.469 In den restlichen Fällen müsste  – gegebenenfalls nach einem entsprechenden Hinweis durch das befasste Gericht – auf ein Feststellungsurteil umgestellt werden. An dieser Stelle würde dann die Erörterung des Bestehens eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses relevant werden.

I. Fehlende praktische Relevanz? Wenngleich sich die Unionsgerichte durchaus darüber bewusst sind, dass nach Entfallen des Klagegegenstandes die Gestaltungswirkung des Urteils häufig nur noch von untergeordneter Bedeutung ist, ist die Idee einer europäischen Fortsetzungsfeststellungsklage vor allem mit der deutschen Rechtsprägung zu erklären. 468 469

Vgl. 3.  Kap. C. II. 2. a), Fn. 250, h). Vgl. 2.  Kap. B. I. 1. b) und II. 1.

E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage?  

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Die Unionsgerichte gehen in der Regel von einem Wirksamkeitsverlust des Klagegegenstandes mit ex-nunc-Wirkung aus.470 Im Übrigen wird auf den Zeitpunkt des Wirksamkeitsverlusts des Klagegegenstandes nur äußerst rudimentär eingegangen. Aus diesem Grund können die Unionsorgane die Nichtigkeit des angegriffenen Rechtsakts im formalen Rahmen des Aufhebungsurteils auch noch erklären, wenn faktisch nichts mehr vorhanden ist, das noch aufzuheben wäre. Inwieweit dann noch von der Gestaltungswirkung des Urteils ausgegangen werden kann, ist fraglich.471 Dennoch kann dem Klageziel, wenn auch dogmatisch unsauber, auf diese Weise Rechnung getragen werden.

II. Beeinträchtigung des institutionellen Gleichgewichts? Es kommt hinzu, dass das europäische Klagesystem einer Feststellungsklage eher verhalten gegenübersteht. Eine allgemeine Feststellungsklage gerichtet auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ist in den Verträgen nicht vorgesehen.472 Auch eine Klage gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Unionsrechtsakts enthält das Klagesystem des Primärrechts nicht. Ein Abweichen von einem nach Art. 264 Abs. 1 AEUV für die Nichtigkeitsklage vorgesehenen Gestaltungsurteil ist daher nicht nur wegen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art.  5 Abs. 1 S. 1  EUV) bedenklich473, sondern auch, weil Art. 47 Abs. 1 GRCh nicht zu einer Erweiterung des vorhandenen Klagesystems führen soll474. Grund für eine derartige Zurückhaltung liegt in der Verteilung der verschiedenen Funktionen zwischen den Unionsorganen, die es den Unionsgerichten untersagt, den beklagten Organen Anordnungen oder Handlungsanweisungen zu erteilen.475 Aus diesem Grund haben die Gerichte im Zusammenhang mit dienstrechtlichen Streitigkeiten, für die Art. 91 Abs. 1 BSt ein Klagesystem sui generis vorsieht476, bereits wiederholt betont, dass ein Antrag gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit bestimmter Klagegründe unzulässig ist.477 Offenbar wollen die Gerichte auf diese Weise vermeiden, allgemeine Feststellungen zur Rechtslage vorzunehmen, die die Entscheidungsfindung der Verwaltung auf irgendeine Weise

470

Vgl. 3.  Kap. A. II. 2. b). So auch Ehlers, in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 8 Rn. 54. 472 Wenngleich ihr Fehlen jüngst auch von Generalanwältin Kokott beklagt wurde GA Kokott, Schlussantr. v. 08.06.2017, verb. Rs. C-593/15 P u. C-594/15 P, Slowakei / ​Kommission, ECLI:EU:C:2017:800 Rn. 10. 473 Dies anführend Wegener, EuR Beiheft 3/2008, 45 (66). 474 Vgl. dazu 3.  Kap. B. III. 2. a) 475 Siehe bereits 3. Kap. B. I. u. II. 4. 476 B. Egers / ​Linder, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  270 AEUV Rn.  11. 477 EuGH, Urt. v. 13.07.1989, Rs. C-108/88, Jaenicke Cendoya / ​Kommission, Slg. 1989, 2711 Rn. 8 f.; EuG, Urt. v. 30.11.1993, Rs. T-15/93, Vienne / ​Parlament, Slg. 1993, II-1327 Rn. 13; EuGöD, Urt. v. 18.09.2012, Rs. F-58/10, Allgeier / ​FRA, ECLI:EU:F:2012:130 Rn. 49. 471

238

Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

beeinflussen könnten.478 Würde sich das Klageziel also darin erschöpfen, der Verwaltung Anweisungen zu erteilen, ließe sich eine europäische Fortsetzungsfeststellungsklage in den Verträgen in der Tat nur schwer umsetzen lassen. Anhaltspunkte, dass ein Feststellungsurteil derart instrumentalisiert werden könnte, gibt es allerdings nicht. Vielmehr erschöpft sich im Falle eines Rehabilitationsinteresses der Zweck der Klage vollständig in der Rechtswidrigkeitsfeststellung.479 Handlungsanweisungen wären einem derartigen Feststellungsurteil auch nicht zu entnehmen, wenn es sich um eine ex-tunc-Aufhebung des Klagegegenstandes handelt. Die Rechtswidrigkeitsfeststellung selbst wäre in der Lage, dem Einzelnen auch noch nach Aufhebung des Klagegegenstandes zu einem wirksamen Rechtsschutz zu verhelfen.480 Auch im Fall einer Wiederholungsgefahr und eines Präjudizinteresses kann mit der schlichten Rechtswidrigkeitsfeststellung des streitgegenständlichen Rechtsakts dem Klageziel entsprochen werden. Auf darüber hinausgehende Anweisungen würde es nicht ankommen.

III. Abgeschlossenes System von Klagen und Verfahrenshandlungen 1. Entgegenstehen eines in sich geschlossenen Klagesystems des Primärrechts? Das derzeitige Klagesystem auf Primärebene würde einer europäischen Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entgegenstehen. Der Gerichtshof ist zwar im Einklang mit dem eindeutigen Wortlaut des Art. 256 Abs. 1 AEUV sehr bedacht, sich auf die im Vertrag festgelegten Klagearten zu beschränken. Allerdings folgt aus dem Fehlen einer allgemeinen Feststellungsklage nicht zwingend, dass Feststellungs­klagen per se unzulässig sind. Das EU-Rechtsschutzsystem sieht mit Untätigkeitsklage sowie Vertragsverletzungsverfahren durchaus Formen von Feststellungs­klagen vor. Auch das für die Nichtigkeitsklage nach Art. 264 Abs. 1 AEUV vorgesehene Gestaltungsurteil würde einer derartigen Regelung nicht entgegenstehen, denn mit

478

So die Schlussfolgerungen von Reithmann, EuR 2011, 121 (126); ders., in: v. d. Groeben / ​ Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art.  270 AEUV Rn.  5; Seyr, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 270 AEUV Rn. 6. Auch das Gericht erster Instanz scheint davon auszugehen, dass eine Feststellungsklage zwingend mit etwaigen Anweisungen gegenüber der Verwaltung verbunden ist, EuG, Urt. v. 15.01.2003, verb. Rs. T-377/00, T-379/00, T-380/0, T-260/00 u. T-272/01, Philip Morris International / ​Kommission, Slg. 2003, II-1 Rn. 124. 479 Vgl. 3.  Kap. C. II. 2. a), Fn. 250, h). 480 So auch Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, S. 199 unter Verweis auf die sehr passenden Ausführungen der Kommission, wonach es undenkbar wäre, dass sie eine Entscheidung des Gerichts, mit der dieses die Rechtswidrigkeit einer Entscheidung der Kommission feststellte, missachten würde, EuG, Urt. v. 10.05.2006, Rs. T-279/03, Galileo International Technology u. a. / ​Kommission, Slg. 2006, II-1291 Rn. 72.

E. Europäische Fortsetzungsfeststellungsklage?  

239

Art. 264 Abs. 2 AEUV wird die Möglichkeit eröffnet, die Gestaltungswirkung des Nichtigkeitsurteils einzuschränken. 2. Keine unzulässige Klageänderung Eine Änderung der Klageanträge ist nach der Rechtsprechung als eigenmächtige Änderung des Streitgegenstands grundsätzlich unzulässig.481 Die Umstellung von Nichtigkeits- auf Fortsetzungsfeststellungsklage wäre daher nur möglich, wenn der Streitgegenstand davon unberührt bliebe. Nach deutschem Recht stellt die Umstellung von Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage auf die Fortsetzungsfeststellungsklage keine Klageänderung, sondern eine Klageumstellung dar.482 Entscheidend ist insoweit, dass der ursprüngliche Klageantrag – Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts aufgrund seiner Rechtswidrigkeit und der damit einhergehenden Rechtsverletzung  – auf die Rechtswidrigkeitsfeststellung reduziert wird, der Streitgegenstand damit keine Änderung, sondern lediglich eine Einschränkung erfährt.483 Im Unionsrecht bestimmt sich der Streitgegenstand in Anlehnung an die französische Rechtstradition nach „objet“, „cause“ und „partie“, also „Gegenstand“, „Gründe bzw. Sachverhalt“ und „Parteien“.484 Dabei wird das „objet“ der Nichtigkeitsklage grundsätzlich weit verstanden und umfasst nicht nur Klagegegenstand und Klageantrag, sondern zudem auch das Klageziel.485 Da mit der Nichtigkeitsklage die gerichtliche Kontrolle von Handlungen der Unionsorgane verfolgt wird, ist nahezu unstreitig, dass die Rechtswidrigkeitsfeststellung Teil des „objet“ der Nichtigkeitsklage ist.486 Damit würde eine derartige Klageumstellung keine unzulässige Klageänderung darstellen, sondern ebenfalls lediglich zu einer Einschränkung des Klageantrags führen. Das Klageziel würde nach wie vor in der Rechtmäßigkeitskontrolle der Exekutive liegen. Rechtstechnisch wäre es daher möglich, eine entsprechende Vorschrift über eine Umstellungsmöglichkeit nach Entfallen des Klagegegenstandes in die VerfO einzufügen. 481

Vgl. nachfolgend noch 3. Kap. F. II. 4. BVerwG, Urt. v. 04.12.2014 – Az.: BVerwG 4 C 33/13, BVerwGE 151, 36 (38); Urt. v. 17.11.2016 – Az.: BVerwG 2 C 27/15, BVerwGE 156, 272 (274); Bühler / ​Brönnecke, JURA 2017, 34 (35); Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 88; vgl. bereits 1. Kap. A. I., Fn. 10. 483 So auch W.-R. Schenke / ​R. P. Schenke, in: Kopp / ​Schenke (Hrsg.), VwGO, § 113 Rn. 121. 484 EuGH, Urt. v. 19.09.1985, verb. Rs. C-172/83 u. C-226/83, Hoogovens Groep / ​Kommission, Slg. 1985, 2831 Rn. 9; Beschl. v. 28.11.1996, Rs. C-277/95 P, Lenz / ​Kommission, Slg. 1996, I-6109 Rn. 53; EuG, Urt. v. 05.06.1996, Rs. T-162/94, NMB France u. a. / ​Kommission, Slg. 1996, II-427 Rn. 37; Urt. v. 13.02.2003, Rs. T-333/01, Meyer / ​Kommission, Slg. 2003, II-117 Rn. 23; Urt. v. 25.06.2010, Rs. T-66/01, Imperial Chemical Industries / ​Kommission, Slg. 2010, II-2631 Rn. 197. 485 EuGH, Beschl. v. 01.04.1987, verb. Rs. C-159/84, C-267/84, C-12/85 u. 264/85, Ainsworth / ​Kommission, Slg. 1987, 1579 Rn. 3; Urt. v. 22.09.1988, verb. Rs. C-358/85 u. 51/86, Frankreich / ​Parlament, Slg. 1988, 4821 Rn. 12. 486 So Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 380; Gutsche, Die Bindungswirkung der Urteile des EuGH, S. 76–84. 482

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

IV. Fazit Die Einführung einer europäischen Fortsetzungsfeststellungsklage wäre damit grundsätzlich denkbar. Als „Regelungsort“ bietet sich dazu die Verfahrensordnung des Gerichts an, das insoweit für die Individualnichtigkeitsklagen erstinstanzlich zuständig ist. Die Verfahrensordnung wird allgemein dem Sekundärrecht zugeordnet, wenngleich sie sich nicht in den Katalog von Sekundärrechtsakten nach Art. 288 AEUV einordnen lässt.487 Mit ihr sollen die Prozessregeln des Primärrechts und der Satzung des EuGH näher definiert und gegebenenfalls ergänzt werden.488 Die Möglichkeit der Klageumstellung einer Nichtigkeitsklage stellt eine derartige Prozessregel zur näheren Ausgestaltung der Nichtigkeitsklage dar. Eine Umsetzung sollte allerdings aufgrund der fehlenden praktischen Relevanz nicht erwartet werden. Die Unionsgerichte haben mit ihrer Rechtsprechung zum Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses des Klägers nach Entfallen des Klagegegenstandes einen mittlerweile auch systematisch weitgehend ausdifferenzierten Lösungsweg gewählt, der sich auch mit einem Nichtigkeitsurteil umsetzen lässt. Dass einem Nichtigkeitsurteil dabei mitunter keine kassatorische Wirkung mehr zukommt, ist ein Umstand, über den die Unionsgerichte ungeachtet seiner dogmatischen Ungenauigkeit, geflissentlich hinwegsehen. Vor diesem Hintergrund ist ein Bedarf für eine derartige Klageumstellung auf europäischer Ebene nicht ersichtlich.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage I. Eigenschaften der Untätigkeitsklage Die Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV ist in ihrer Funktion auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Unionsorgane gerichtet.489 Im Gegensatz zur Nichtigkeitsklage wird mit der Untätigkeitsklage kein aktives Tun, sondern ein pflichtwidriges Unterlassen beanstandet. Abgesehen von dieser erkennbaren Parallele zur deutschen Verpflichtungsklage bestehen jedoch einschneidende Unterschiede. Die Untätigkeitsklage ist keine Gestaltungs-, sondern Feststellungsklage.490 Mit Erfolg der Untätigkeitsklage wird lediglich die Verletzung einer unionsrechtlichen Handlungspflicht durch ein Unionsorgan festgestellt. Eine 487

Frenz, HdB EuR, Bd. V, Rn. 2349; Karpenstein, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 253 AEUV Rn. 33; Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), Art. 253 AEUV Rn. 9. 488 Wägenbaur, in: ders. (Hrsg.), Satzung u. VerfO-EuGH / ​EuG, Einf. VerfO-EuGH Rn. 2. 489 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  1; Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 1; Pechstein, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 265 AEUV Rn. 3. 490 Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 2; Haratsch  / ​ Koenig / ​Pechstein, Europarecht, Rn. 555; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​ Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  2.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage 

241

Klage gerichtet auf den Erlass einer positiven Entscheidung wird als unzulässig abgewiesen.491 Zudem kann nur die Untätigkeit selbst angegriffen werden, nicht hingegen eine ablehnende Entscheidung. Eine Versagungsgegenklage wie sie im deutschen Recht besteht, gibt es auf europäischer Ebene nicht.492 Es besteht lediglich die Möglichkeit eine nach erfolglosem Antrag bei der zuständigen Stelle ergehende Ablehnungsentscheidung im Wege der Nichtigkeitsklage anzufechten.493 Da die Beeinträchtigung subjektiver Rechte keine Voraussetzung für die Klageerhebung darstellt, wird vereinzelt vertreten, dass die Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 3 AEUV ausschließlich einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle diene und der subjektive Rechtsschutz keine Rolle spiele.494 Der überwiegende Teil der Literatur ist hingegen der Ansicht, der Zweck der Untätigkeitsklage natürlicher und juristischer Personen liege neben der objektiven Legalitätskontrolle im subjektiven Rechtsschutz.495 Für den individualrechtsschützenden Zweck sollen die subjektiven Anforderungen an den Klagegegenstand (Adressatenbezogenheit oder unmittelbare und individuelle Betroffenheit des Klägers) sprechen.496 Die Untätigkeitsklage ermöglicht dem Einzelnen, ein ihm gegenüber erfolgtes pflichtwidriges Unterlassen gerichtlich zu beanstanden. Zumindest als Reflex kann die Untätigkeitsklage daher zum subjektiven Rechtsschutz des Klägers beitragen, sofern er damit die Durchsetzung seiner subjektiven Rechtsansprüche anregen kann. Den Haupt­anteil an der Gewährleistung des Individualrechtsschutzes trägt jedoch weiterhin die Individualnichtigkeitsklage. Die Untätigkeitsklage nimmt daneben nur eine sehr untergeordnete Rolle ein. Dies liegt mitunter an der Ausgestaltung der Klage, die sich insbesondere nach ihrer Gegenstandslosigkeit als wenig praxis­ tauglich erweist.

II. Entfallen des Klagegegenstandes bei der Untätigkeitsklage Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist analog auch für die Verpflichtungs­ situation anwendbar, sodass nach Erledigung noch über die Rechtswidrigkeit der Untätigkeit oder der Versagung durch die Behörde entschieden werden kann. Die 491

EuGH, Urt. v. 25.05.1993, Rs. C-199/91, Foyer culturel du Sart-Tilmann / ​Kommisison, Slg. 1993, I-2667 Rn. 17 f.; Urt. v. 23.03.1993, Rs. C-314/91, Weber / ​Parlament, Slg. 1993, I-1093 Rn. 13 f. 492 Dies herausstellend Classen, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 4 Rn. 20; Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 11 Rn. 6; Ehlers, in: ders. / ​Schoch, Rechtsschutz im Öff. Recht, § 9 Rn. 1; Groß, DV 33 (2000), 415 (422 f.). 493 Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  2. 494 So Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  1. 495 Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 1; Pache, in: Vedder / ​Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 2; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 572. 496 So auch Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 577; Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 11 Rn. 5.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

bekannten Fallgruppen aus der Anfechtungssituation werden auch für die Verpflichtungssituation herangezogen. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die Nichtigkeitsklage ist es daher überraschend, dass eine Fortsetzung der europäischen Individualuntätigkeitsklage bei Gegenstandslosigkeit nicht möglich ist.497 Der Grund hierfür ergibt sich, wie zu zeigen sein wird, aus der Eigenart der europäischen Untätigkeitsklage. 1. Klagegegenstand der Untätigkeitsklage und Rechtsschutzinteresse Gegenstand der Individualuntätigkeitsklage ist gemäß der Formulierung des Art. 265 Abs. 3 AEUV der Nichterlass eines adressatenbezogenen Rechtsakts.498 Ein Klagerecht wird von der Rechtsprechung darüber hinaus anerkannt, um den Nichterlass eines drittgerichteten Rechtsakts zu beanstanden, soweit der Kläger in Anlehnung an die Nichtigkeitsklage durch die Untätigkeit unmittelbar und individuell betroffen ist.499 Für die Untätigkeitsklage wird auf den Nachweis eines besonderen Rechtsschutzinteresses verzichtet. Die Klageberechtigung wird als ausreichendes Indiz für dessen Vorliegen angesehen. In der Regel wird es von der Rechtsprechung daher nicht mehr ausdrücklich erwähnt.500 2. Gegenstandslosigkeit der Klage a) Rechtslage vor Klageerhebung Eine gerichtliche Entscheidung in der Sache kann allerdings am Fehlen eines Rechtsschutzinteresses scheitern, wenn die begehrte Handlung oder eine Stellungnahme durch das zuständige Unionsorgan doch noch vorgenommen wird. Wird die beantragte Entscheidung bzw. der beantragte Beschluss nach Ablauf der Stellungnahmefrist, aber noch vor Klageerhebung erlassen, scheiden Untätigkeits- wie auch

497

Gleiches gilt auch für die Untätigkeitsklage privilegierter Kläger nach Art. 265 Abs. 1 AEUV. Hier soll jedoch ausschließlich die Individualuntätigkeitsklage als Vergleichsgegenstand herangezogen werden. 498 Hier zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen Klageantrag und Streitgegenstand, vgl. Germelmann, Die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen in der EU, S. 373–381. 499 Für die alte Rechtslage EuGH, Urt. v. 26.11.1996, Rs. C-68/95, T.  Port / ​Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Slg. 1996, I-6065 Rn. 59; EuG, Urt. v. 15.09.1998, Rs. T-95/96, Gestevisión Telecino / ​Kommission, Slg. 1998, II-3407 Rn. 58; anders noch EuGH, Urt. v. 10.06.1982, Rs. C-246/81, Lord Bethell / ​Kommission, Slg. 1982, 2277 Rn. 16. Für die neue Rechtslage Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn. 17. 500 So Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 26; Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 652; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​ Schwarze (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 26.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage 

243

Nichtigkeitsklagen mangels Rechtsschutzinteresses aus.501 An einem Rechtsschutzinteresse fehlt es auch dann, wenn das Unionsorgan im Rahmen des Vorverfahrens noch vor Klageerhebung Stellung bezieht.502 Allerdings ist dafür erforderlich, dass das Unionsorgan einen konkreten und abschließenden Beschluss fasst503, damit dieser im Wege der Nichtigkeitsklage angreifbar ist.504 Würde man jede Äußerung des Unionsorgans ausreichen lassen, ohne dass es dabei auf eine Rechtswirkung ankäme, nähme man Rechtsschutzlücken in Kauf, weil auf diese Weise weder Untätigkeits- noch Nichtigkeitsklage statthaft wären. b) Rechtslage nach Klageerhebung Denkbar ist außerdem, dass die begehrte Handlung nach Klageerhebung, aber noch vor Urteilsverkündung vorgenommen wird.505 In diesem Fall erledigt sich die Hauptsache und es folgt nur noch eine Entscheidung über die Kosten.506 Dasselbe gilt im Fall einer ablehnenden Entscheidung über die begehrte Handlung507 oder wenn eine vom Begehren des Klägers abweichende Handlung vorgenommen wird508. Die Untätigkeitsklage ist daher nur bei völliger Untätigkeit des zuständigen Organs zulässig. Auch die Stellungnahme nach Ablauf der Stellungnahmefrist steht einer Zulässigkeit der Untätigkeitsklage entgegen.509

501 Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage, Rn. 309; Dervisopoulos, in: Rengeling / ​Middeke / ​Gellermann (Hrsg.), HdB des Rechtsschutzes in der EU, § 8 Rn. 43; Dörr, in: Grabitz / ​ Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  33. 502 EuGH, Urt. v. 01.04.1993, Rs. C-25/91, Pesqueras Echebastar / ​Kommission, Slg. 1993, I-1719 Rn. 11. 503 EuGH, Urt. v. 16.02.1993, Rs. C-107/91, ENU / ​Kommission, Slg. 1993, I-599 Rn. 35 f.; dazu auch Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage, Rn. 343. 504 Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 11 Rn. 45. 505 Pechstein, in: ders. / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 265 AEUV Rn. 61. 506 EuG, Urt. v. 17.02.1998, Rs. T-107/96, Pantochim / ​Kommission, Slg. 1998, II-311 Rn. 56– 58; Beschl. v. 15.03.2004, Rs. T-66/02, Institouto N. Avgerinopoulou u. a. / ​Kommission, Slg. 2004, II-855 Rn. 36. 507 EuGH, Urt. v. 24.11.1992, Rs. C-15/91, Buckl u. a. / ​Kommission, Slg. 1992, I-6061 Rn. 15. 508 EuGH, Urt. v. 13.07.1971, Rs. C-8/71, Deutscher Komponistenverband / ​Deutschland, Slg. 1971, 705 Rn. 2 f.; Beschl. v. 13.12.2000, Rs. C-44/00 P, Sodima / ​Kommission, Slg. 2000, I-11231 Rn. 83. 509 EuG, Urt. v. 10.07.1997, Rs. T-212/95, Oficemen / ​Kommission, Slg. 1997, II-1161 Rn. 65– 68; EuG, Urt. v. 17.02.1998, Rs. T-105/96, Pharos / ​Kommission, Slg. 1998, II-285 Rn. 42; Urt. v. 26.02.2003, verb. Rs. T-344/00 u. T-345/00, CEVA u. Pharmacia entreprises / ​Kommission, Slg. 2003, II-229 Rn. 85.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

3. Keine Fortführungsmöglichkeiten aufgrund fortbestehenden Rechtsschutzinteresses Ungeachtet des Umstands, dass ein Untätigkeitsurteil ausschließlich feststellenden Charakter besitzt, folgt aus Art. 266 Abs. 1 AEUV für das betreffende Unionsorgan daneben noch die Pflicht, die sich aus dem Urteil ergebende Maßnahmen zu ergreifen. Da eine Handlungspflicht obsolet wird, sobald das Unionsorgan tätig geworden ist, geht die Rechtsprechung nach Erlass der begehrten Entscheidung, aber auch bei einer ablehnenden oder anderweitigen Entscheidung von einem Entfallen des Klagegegenstandes aus.510 Das Urteil verliert in diesen Fällen seinen praktischen Nutzen. Aus diesem Grund kommt eine Fortsetzung des Verfahrens durch den Nachweis eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses auch nicht in Betracht. 4. Keine Möglichkeit der Klageumstellung Nach Tätigwerden des Unionsorgans kann sich jedoch ein praktisches Bedürfnis für eine Klageumstellung der Untätigkeitsklage auf eine Nichtigkeitsklage ergeben. Allerdings ist eine nachträgliche Umstellung des Klageantrags auf eine Nichtigkeitsklage als eigenmächtige Änderung des Streitgegenstandes unzulässig.511 Eine Ausnahme von der grundsätzlich unzulässigen Klageänderung sehen Art. 84 Abs. 1 VerfO-EuG, Art. 127 Abs. 1  VerfO-EuGH lediglich für die Klagegründe vor. Eine Änderung des Klageantrags hingegen ist nach Ansicht der Rechtsprechung unzulässig, da dadurch die Rechtsnatur des ursprünglich eingeleiteten Verfahrens geändert wird.512 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Stahlwerke Peine-Salzgitter mit der die Klageänderung von der zunächst erhobenen Untätigkeits- auf eine Nichtigkeitsklage wegen ihrer Sachdienlichkeit als zulässig erachtet wurde.513 Nach damaliger Rechtslage wurde nach zweimonatigem Schweigen der Hohen Behörde eine ablehnende Entscheidung fingiert. Das hatte zur Folge, dass der Klagegegenstand der Untätigkeitsklage mit der nachträglich erlassenen ausdrücklichen Entscheidung der Hohen Behörde über die Ablehnung des Antrags identisch sein konnte.514 Damit waren Untätigkeits- und Nichtigkeitsklage letztlich auf denselben Gegenstand gerichtet; aus diesem Grund sollte eine Klageänderung im Interesse der Prozessökonomie auch möglich sein. Eine solche Fiktion der ablehnenden Entscheidung gibt es nach der 510 EuGH, Urt. v. 24.11.1992, verb. Rs. C-15/91 u. C-108/91, Buckl u. Söhne u. a. / ​Kommission, Slg. 1992, I-6061 Rn. 14; EuG, Urt. v. 17.02.1998, Rs. T-107/96, Pantochim / ​Kommission, Slg. 1998, II-311 Rn. 28–32; Urt. v. 19.05.2011, Rs. T-423/07, Ryanair / ​Kommission, Slg. 2011, II-2397 Rn. 26. 511 EuG, Urt. v. 18.09.1992, Rs. T-28/90, Asia Motor France u. a. / ​Kommission, Slg. 1992, II-2303, Rn. 43 f.; Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  34. 512 Dazu auch Classen, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 4 Rn. 105. 513 EuGH, Urt. v. 14.07.1988, Rs. C-103/85, Stahlwerke Peine-Salzgitter / ​Kommission, Slg. 1988, 4131 Rn. 10–13. 514 Art. 35 Abs. 3 EGKS-Vertrag; vgl. dazu auch Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 202.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage 

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heutigen Rechtsordnung allerdings nicht mehr. Deshalb ist nach Ansicht der Gerichte eine Änderung der Klageanträge nach Klageerhebung auch nicht möglich. Gericht bzw. Gerichtshof bleibt daher nur die Erledigungserklärung. Es entscheidet dann gem. Art. 142 VerfO-EuGH bzw. Art. 137 VerfO-EuG über die Kosten nach freiem Ermessen.515

III. Erschwerte Rechtsschutzmöglichkeiten 1. Eingeschränkte gerichtliche Kontrollmöglichkeiten Obwohl die Unionsgerichte für Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage von „demselben Rechtsbehelf“516 ausgehen, kommt letzteren eine vergleichsweise geringe praktische Bedeutung zu517. Das liegt zum einen an der nur beschränkten Rechtsschutzwirkung eines Feststellungsurteils. Sicherlich mit ein Grund ist zum anderen aber auch die Möglichkeit des betroffenen Organs durch ein Tätigwerden nach Klageerhebung die Erledigung des Rechtsstreits herbeizuführen und damit eine gerichtliche Entscheidung zu verhindern.518 Das Organ wird in der Regel spätestens im Rahmen des zwingenden Vorverfahrens Stellung beziehen. Erkennt es seine Handlungspflicht an, besteht für eine Klage ohnehin kein Bedürfnis mehr. Bei ablehnender Entscheidung sowie bei einer Entscheidung, die nicht dem Antrag des Klägers entspricht, scheidet eine Untätigkeitsklage ebenfalls aus; in Betracht kommt nur noch eine Nichtigkeitsklage.519 Sie ist die europäische Versagungsgegenklage, wenngleich damit nur festgestellt werden kann, dass die Ablehnung rechtswidrig war, nicht hingegen, was nach geltendem Recht als rechtmäßige Entscheidung zu ergehen hat.520 Der Zweck der Untätigkeitsklage erschöpft sich damit darin, ein Untätigbleiben des zuständigen Unionsorgans zu beanstanden. Rechtliche Konsequenzen hat dieses dadurch jedoch nicht zu fürchten, denn es kann durch ein Tätigwerden dem Klageantrag die Grundlage entziehen. Eine derartige Einflussmöglichkeit eines Unionsorgans auf ein gerichtliches Verfahren ist höchst fragwürdig und ruft ähnliche Bedenken wie bereits in Frankreich hervor.521 515

Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 27. EuGH, Urt. v. 18.11.1970, Rs. C-15/70, Chevalley / ​Kommission, Slg. 1970, 975, Rn. 5/7; Urt. v. 26.11.1996, Rs. C-68/95, T. Port / ​Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, Slg. 1996, I-6065 Rn. 59; EuG, Urt. v. 03.06.1999, Rs. T-17/96, TF1/Kommission, Slg. 1999, II-1757 Rn. 27; Urt. v. 10.05.2006, Rs. T-395/04, Air One / ​Kommission, Slg. 2006, II-1343 Rn. 25; Urt. v. 11.07.2007, Rs. T-167/04, Asklepios Kliniken / ​Kommission, Slg. 2007, II-2379, Rn. 45. 517 Hakenberg / ​Stix-Hackl, Handbuch zum Verfahren vor dem EuGH, S. 55 f.; Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 11 Rn. 8; Ehlers, in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 9 Rn. 2. 518 So Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  265 AEUV Rn.  3. 519 Thiele, in: Leible / ​Terhechte (Hrsg.), Europ. Rechtsschutz- und Verfahrensrecht, § 11 Rn. 8. 520 Dies herausstellend Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der EU, S. 369; Krämer, EuR 2008, 104 (105). 521 Vgl. 2.  Kap. C. IV. 516

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

2. Erledigungsszenarien der Untätigkeitsklage Da bereits eine Handlung des Unionsorgans ausreicht, um die Erledigung der Untätigkeitsklage herbeizuführen, befasst sich die Rechtsprechung nicht mit außerprozessualen Erledigungsereignissen. Der Blick in die deutsche und französische Rechtsordnung zeigt jedoch, dass insbesondere in der Verpflichtungssituation, in der sich der Kläger als Antragsteller auch hier befindet, noch andere Erledigungsszenarien eintreten können. So kann es passieren, dass der Erlass des begehrten Rechtsakts aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich geworden ist, sei es, weil nach neuer Rechtslage eine Bescheidungspflicht nicht mehr besteht, sei es, weil die Dokumente, deren Einsicht erwünscht war, nicht mehr vorhanden sind.522 Sowohl die französischen wie auch die deutschen Verwaltungsgerichte gehen in diesen Fällen von einer Erledigung der Aufhebungs- bzw. Verpflichtungsklage aus. Allerdings besteht nach deutschem Recht auch in diesen Situationen noch die Möglichkeit, eine gerichtliche Kontrolle über die Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zu erreichen. Das zuständige Unionsorgan wird in einer derartigen Situation in seiner Stellungnahme auf die Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Umstände verweisen und den Antrag des Klägers ablehnen. Die Rechtsschutzmöglichkeiten sind in einem solchen Fall zwar nicht erschöpft, da der Betroffene gegen die seinem Begehren widersprechende Entscheidung (Ablehnung oder anderweitige Maßnahme) dann im Wege der Nichtigkeitsklage vorgehen könnte. Insoweit ist die Aufhebung der Entscheidung auch der rechtsschutzintensivere Weg gegenüber einem einfachen nicht vollstreckungsfähigen Feststellungsurteil. Unberücksichtigt bleibt damit allerdings die Interessenlage des Klägers. Für ihn kann sich diese Situation als höchst unbefriedigend herausstellen. Das Gericht wird die Untätigkeitsklage für erledigt erklären. Im schlimmsten Fall können dem Kläger die Kosten auferlegt werden, wenn das Gericht nach summarischer Prüfung von keiner Handlungspflicht des Organs ausgeht.523 Das Verfahren ist damit erledigt, die Früchte des Prozesses sind verloren. Eine gerichtliche Kontrolle der Untätigkeit der Unionsorgane scheidet so vollständig aus. Letztlich ist es damit Sache des zuständigen Unionsorgans, ob es sich durch ein Tätigwerden einer gerichtlichen Kontrolle entziehen wird. Sollte sich der Kläger trotzt seines Interessenwegfalls für die Erhebung einer Nichtig 522

In der Literatur wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Handlungspflicht nach Art. 266 Abs. 1 AEUV bei Unmöglichkeit oder Sinnlosigkeit entfällt, Gaitanides, in: v. d. Groeben / ​ Schwarze / ​Hatje (Hrsg.), Art.  266 AEUV Rn.  10; Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 266 AEUV Rn. 9; Pechstein, in: ders. / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 266 AEUV Rn. 10. Auf die Folgen einer Unmöglichkeit oder Sinnlosigkeit der Handlung vor Klageerhebung oder während des Verfahrens wird nicht eingegangen. Dass ein entsprechendes Interesse nach Einsicht in die Dokumente bestehen kann, sieht auch der Gerichtshof so, allerdings im Rahmen einer Nichtigkeitsklage, EuGH, Urt. v. 04.09.2018, Rs. C-57/16 P, ClientEarth / ​Kommission, ECLI:EU:C:2018:660 Rn. 46, 53. 523 Das Gericht kann die Kosten allerdings auch dem untätigen Organ auferlegen, wenn dieses zu lange untätig geblieben ist und damit eine Mitschuld an der Klageerhebung trägt, EuG, Urt. v. 10.07.1997, Rs. T-212/95, Oficemen / ​Kommission, Slg. 1997, II-1161 Rn. 72–75.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage 

247

keitsklage entscheiden, erweist sich die Rechtsprechung der Unionsgerichte als hinderlich, die in dieser Situation die Möglichkeit einer Umstellung von Untätigkeits- auf Nichtigkeitsklage ablehnt, sodass der Kläger zu einer erneuten Klageerhebung gezwungen ist. Das führt unweigerlich zu nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerungen.524 Soweit der Kläger durch die Untätigkeit Schäden erlitten hat, kann er diese über die Amtshaftungsklage zwar einklagen. Aber auch hierzu ist ein neues Verfahren in Gang zu setzen.525 Nichtigkeits- und Untätigkeitsklage stellen damit nach einer Gegenstandslosigkeit der Klage unterschiedliche Rechtsschutzmöglichkeiten bereit. Selbst in Frankreich wird auf einen solchen Sonderweg nach Entfallen des Klagegegenstandes verzichtet. Die französischen Verwaltungsgerichte sind wie auch der Gerichtshof im Rahmen des recours pour excès de pouvoir auf die Kassationsbefugnis beschränkt, eine Untätigkeitsklage sucht man vergeblich. Im Klagewege angreifbar ist daher ausschließlich eine ablehnende oder anderweitige Entscheidung. Damit erklärt sich auch die Konstruktion einer fingierten Entscheidung nach zweimonatigem Schweigen (décision implicite)526, denn andernfalls ließe sich das Unterlassen der Verwaltung überhaupt nicht beanstanden. Da in Frankreich damit ausschließlich die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung klägerisch begehrt werden kann, unterscheiden sich die prozessualen Konsequenzen nach Erlass der begehrten Verwaltungsentscheidung in der „Verpflichtungssituation“ insoweit nicht von der Aufhebungssituation.527 Über die Fortsetzung des Verfahrens entscheidet in jedem Fall die anhaltende Rechtswirkung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung. Konnte diese auch nicht durch den Erlass der ursprünglich begehrten Entscheidung beseitigt werden, entscheidet das Verwaltungsgericht über die Aufhebung der angegriffenen ablehnenden Entscheidung. Insoweit besteht ein Gleichlauf in den Klagemöglichkeiten bei Aufhebungs- und Verpflichtungsbegehren. Auf Unionsebene hingegen kann Rechtsschutz regelmäßig nur unter Inkaufnahme eines erhöhten prozessualen Aufwands gewährt werden. Der Verzicht auf eine Fortführung des Verfahrens für die Untätigkeitsklage ist zwar angesichts der engen Definition des Klagegegenstandes nur konsequent. Aber dieser Befund geht in erster Linie davon aus, dass das Rechtsschutzsystem in dieser Situation durch die Nichtigkeitsklage 524

So auch Gornig, in: Schöbener (Hrsg.), Europarecht, Rn. 2840. Zur erfolgreichen Durchsetzung der Schadenersatzansprüche wird nicht verlangt, dass zuvor Untätigkeitsklage erhoben wurde, vgl. zum Verhältnis von Primär- und Sekundärrechtsschutz, C., IV., 3., a). 526 Art. L231–1 CRPA „Le silence gardé pendant deux mois par l’administration sur une demande vaut decision d’acception“. Bis zur Gesetzesänderung 2013 folgte auf das Schweigen der Verwaltung eine fingiert ablehnende Entscheidung (décision implicite de rejet). Nunmehr wird nach zweimonatigem Schweigen auf einen Antrag eine positive Entscheidung fingiert (décision implicite d’acceptation). Allerdings gibt es davon zahlreiche Ausnahmen, für die das Schweigen weiterhin eine ablehnende Entscheidung fingiert, vgl. Chrétien / ​Chifflot / ​Tourbe, Droit administratif, Rn. 624; Frier / ​Petit, Droit administratif, Rn. 596; Waline, Droit administratif, Rn. 437. 527 Dazu bereits Czasche, Die Untätigkeitsklage vor dem EuGH, S. 23 ff. 525

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

komplementiert wird. Wenn aber das Interesse des Klägers vor allem darin liegt, die Rechtswidrigkeit des Unterlassens des Unionsorgans festgestellt zu wissen, kann die derzeitige Rechtslage und im speziellen die Nichtigkeitsklage dem nicht gerecht werden. 3. Anhaltendes Bedürfnis für ein Untätigkeitsurteil? Mit dem Untätigkeitsurteil wird festgestellt, dass es das beklagte Unionsorgan pflichtwidrig unterlassen hat, eine Entscheidung bzw. einen Beschluss in der Sache zu treffen. Damit steht nicht nur fest, dass eine Handlungspflicht bestand. Nach Art. 266 Abs. 1 AEUV ist das Unionsorgan darüber hinaus auch verpflichtet, die unterbliebene Maßnahme zu erlassen. Durch das nach Art. 265 Abs. 2 AEUV zwingend durchzulaufende Vorverfahren sowie die Urteilsgründe wird in weitgehendem Maße konkretisiert, was das beklagte Unionsorgan bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat.528 Damit spricht das Gericht zwar selbst kein Verpflichtungsurteil aus. Aber das beklagte Unionsorgan kann den Ausführungen des Urteils zumindest dem Grunde nach entnehmen, auf was es bei seiner Entscheidungsfindung zu achten hat. Vor diesem Hintergrund kann ein Untätigkeitsurteil durchaus auch noch von Nutzen sein, nachdem das Unionsorgan eine Entscheidung in der Sache bereits getroffen hat. Der Kläger kann sich erstens in einer anschließenden Amtshaftungsklage auf die Feststellungen des Gerichts stützen. Sind dem Kläger durch das pflichtwidrige Unterlassen der Behörde also Schäden entstanden, wird er an den Prozessfrüchten der Untätigkeitsklage durchaus ein berechtigtes Interesse haben können. Zweitens kann mit der gerichtlichen Feststellung einem erneuten Untätigbleiben des Unionsorgans vorgebeugt werden. Prozessökonomisch ist dies begrüßenswert, weil den Unionsgerichten damit eine erneute Befassung mit dem inhaltsgleichen Streitgegenstand erspart werden könnte. Dem Verweis der Rechtsprechung auf die fehlende Relevanz des Urteils nach Tätigwerden des Unionsorgans und einem Leerlaufen der Pflicht aus Art. 266 Abs. 1 AEUV kann daher nur zugestimmt werden, soweit dem Antrag des Klägers entweder entsprochen wurde oder sich das Rechtsschutzziel des Klägers nur durch eine Aufhebung der ablehnenden Entscheidung durch ein Nichtigkeitsurteil verfolgen lässt. Hat sich das Klagebegehren des Klägers jedoch trotz ablehnender Entscheidung auf andere Weise erledigt und ist er damit in erster Linie an der Feststellungswirkung des Urteils interessiert, um ein zukünftiges Unterlassen der Unionsorgane zu vermeiden,

528 In diese Richtung EuGH, verb. Urt. v. 09.07.1981, Rs. C-59/80 u. C-129/80, Turner / ​Kommission, Slg. 1981, 1883 Rn. 72; Urt. v. 15.12.1983, Rs. C-283/82, Schoellershammer / ​Kommission, Slg. 1983, 4219 Rn. 9. Diesen gerichtlichen Feststellungen sind zwar keine rechtlich verbindlichen Handlungspflichten zu entnehmen. Faktische Bindungswirkung entfalten sie dennoch, soweit man eine erneute gerichtliche Verwerfung vermeiden will.

F. Die Erledigung der Untätigkeitsklage 

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könnte seinem Rechtsschutzbegehren durchaus auch mit einem Untätigkeitsurteil Rechnung getragen werden. Beide Interessen lassen sich auch aus prozessökonomischer Perspektive hören. 4. Streitgegenstandsbegriff als Hindernis Ehrlicherweise muss man an dieser Stelle allerdings einräumen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Unionsorgan in derselben Sache erneut untätig bleiben wird, nachdem es in der Zwischenzeit eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, gering zu veranschlagen ist. Naheliegender ist, dass sich das Unionsorgan, sollte der Kläger erneut einen entsprechenden Antrag in der Sache stellen, wieder auf seine Rechtsauffassung stützen und eine inhaltlich identische Entscheidung treffen wird. Dann aber liegt das Interesse des Klägers vor allem darin begründet, erneut eine ablehnende oder anderweitige Entscheidung in der Sache zu vermeiden. Eine Fortführung der Untätigkeitsklage mit dem Ziel, einen fehlerhaften Rechtsakt in der Zukunft zu vermeiden, wäre mit Verweis auf die sich aus dem Untätigkeitsurteil in hinreichend konkretisiertem Maße ergebende Handlungspflicht zwar theoretisch denkbar, würde jedoch im Ergebnis auf eine Nichtigerklärung des fehlerhaften Rechtsakts hinauslaufen und ist damit als Änderung des Streitgegenstands unzulässig. Eine Fortsetzung des Verfahrens wäre auf Fälle zur Durchsetzung von Amtshaftungsansprüchen begrenzt, wenn man nicht die Dogmatik zum Streitgegenstandsbegriffs unterlaufen möchte. Das praktische Bedürfnis für die Fortführung des Verfahrens ist also als gering einzustufen. Die Untätigkeitsklage besitzt damit in erster Linie eine Ordnungsfunktion, die darauf beschränkt ist, das beklagte Unionsorgan zu einem Tätigwerden anzuhalten.529 Dies wird ihr in der überwiegenden Zahl der Fälle auch gelingen, denn das Unionsorgan wird sich eher zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, wenn es sich damit einer gerichtlichen Rüge entziehen kann. Der Verweis auf die Nichtigkeitsklage hilft dem rechtsschutzsuchenden Kläger  – wie dargestellt wurde  – nur bedingt. Rechtsschutzlücken können so zwar vermieden werden. Unbeanstandet bleibt aber der damit verbundene prozessuale Aufwand für den Kläger, der dem Anspruch an ein umfassendes Rechtsschutzsystem zumindest aus praktischer Sicht Abbruch tun kann. Insbesondere in der deutschen Literatur wurde daher eine Ergänzung des Rechtsschutzsystems um eine Verpflichtungsklage vorgeschlagen.530 Sicherlich ist der Befund einer aus praktischer Sicht umständlichen prozessualen Gestaltung des Rechtsschutzes nach Entfallen des Klagegegenstandes allein kein überzeugendes Argument für eine entsprechende Ergänzung. Aber er zeigt anschaulich, welche Umstände man bereit ist, in Kauf zu nehmen, um den Gerichten nicht mehr Kompe 529

So Dörr, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 265 AEUV Rn. 33, der in diesem Zusammenhang den objektiven Kontrollcharakter des Verfahrens unterstreicht. 530 Ehlers, JURA 2009, 366; ders., in: ders. / ​Schoch (Hrsg.), Rechtsschutz im Öff. Recht, § 9 Rn. 1; Wegener, EuGRZ 2008, 354 und passim.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

tenzen einzuräumen. Der Verweis auf das französische Vorbild kann wie dargestellt heute nicht mehr überzeugen.531 Die Gefahr einer Verschiebung des institutionellen Gleich­gewichts zugunsten der Judikative532 scheint vor dem Hintergrund der bereits nach derzeitiger Rechtslage festzustellenden großzügigen Hinweispraxis der Gerichte, deren Beachtung zumindest im Interesse einer Vermeidung einer erneuten gerichtlichen Auseinandersetzung empfehlenswert ist, zumindest relativiert. Damit sich der Zweck der Untätigkeitsklage nicht in einer bloßen Ordnungsfunktion erschöpft, sollte – auch im Interesse eines effektiven Rechtsschutzsystems – über die Einführung einer Verpflichtungsklage oder zumindest über eine fingierte Entscheidung wie es in Frankreich der Fall ist, nachgedacht werden.

IV. Fazit Das Rechtsschutzniveau in der Verpflichtungssituation fällt im Vergleich zu Deutschland, aber auch zu Frankreich deutlich ab. Da lediglich die Untätigkeit eines Unionsorgans im Klagewege angegriffen werden kann, bestehen auf Unionsebene keine der Versagungsgegenklage vergleichbaren Klagemöglichkeiten. Mit Tätigwerden des Unionsorgans entfällt der Klagegegenstand der Untätigkeitsklage, sodass es relativ häufig zu einer Erledigung der Untätigkeitsklage kommt. Rechtsschutz kann in diesem Fall nur im Wege der Nichtigkeitsklage erreicht werden. Der Einführung einer Umstellungsmöglichkeit von Untätigkeits- auf Feststellungsklage vergleichbar der Regelung des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO steht der Streitgegenstand der Untätigkeitsklage entgegen. Rechtsschutzlücken entstehen angesichts der Möglichkeiten einer Erhebung von Nichtigkeits- und Schadenersatzklage zwar nicht. Dennoch zeigt die nähere Auseinandersetzung mit der Erledigungssituation, dass die Einführung einer Verpflichtungsklage nicht nur praktikabel wäre, sondern darüber hinaus einen Beitrag zum Ausbau eines effektiven Rechtsschutzsystem leisten würde.

G. Das Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems Über die Fortführung des Verfahrens entscheidet nach Entfallen des Klagegegenstandes das Rechtsschutzinteresse des Klägers. Von dessen Fortbestand ist es abhängig, ob der Zugang zu Gericht zu gewähren ist. Damit wird einer ungeschriebenen Zulässigkeitsvoraussetzung eine nicht unerhebliche Bedeutung zugeschrieben. Die Auslegung des Rechtsschutzinteresses wurde in die Hände der Rechtsprechung gelegt und was sie daraus gemacht hat, ist dem deutschen Juristen nicht unbekannt. 531 532

Vgl. 2.  Kap. C. III. 2. a). So Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 178.

G. Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems 

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Für das fortbestehende Rechtsschutzinteresse wird nach der Vorteilhaftigkeit des Nichtigkeitsurteils gefragt. Dazu griffen die Unionsgerichte wiederholt auf gleiche oder ähnliche Begründungsansätze zurück, die sich in typisierender Weise mit Rehabilitationsinteresse, Wiederholungsgefahr und Vorbereitung von Amtshaftungsansprüchen umschreiben lassen und den aus der deutschen Rechtsprechung bekannten Fallgruppen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse entsprechen.

I. Individualrechtsschutz Auf Unionsebene sind es inbesondere Gedanken des Individualrechtsschutzes, die Eingang in die Auslegung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses finden. Repräsentativ hierfür steht das Rechtsschutzinteresse wegen Rehabilitierungsbedarfs des Klägers. Die Rechtsschutzgarantie verlangt auch nach Aufhebung des Unionsrechtsakts eine Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle, wenn sich nur auf diese Weise die nachwirkenden Folgen einer Grundrechtsverletzung beseitigen lassen. Ähnliche Erwägungen konnten für das Rechtsschutzinteresse zur Vermeidung einer Wiederholung des Rechtsverstoßes festgestellt werden. Die Rechtsprechung stellt für die Gefahr einer Wiederholung auf das Verhältnis der Prozessbeteiligten ab. Damit geht es dem Gericht – ohne dies explizit auszusprechen – auch mit dieser Fallgruppe um den individuellen Rechtsschutz des Klägers, wobei zusätzlich auch ökonomische Erwägungen für die Fortführung des Verfahrens sprechen, wenn auf diese Weise eine erneute Rechtsverletzung und die damit verbundene Gefahr eines absehbaren Folgeprozesses des Klägers vermieden wird. Das Rechtsschutzinteresse zur Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen ist schließlich der besonderen Situation des dualen Vollzugskonzeptes geschuldet. Vor allem im Zusammenhang mit der Gewährung von Beihilfen ist es möglich, dass Primärrechtsschutz auf Unionsebene und Sekundärrechtsschutz auf nationaler Ebene zu suchen ist. Die europäischen Fallgruppen entsprechen den deutschen Fallgruppen damit nicht nur begrifflich, sondern darüber hinaus auch in ihrer grundlegenden Zielsetzung, Individualrechtsschutz unabhängig von der zeitlichen Dauer der Wirksamkeit der Klagegegenstände gewährleisten zu können. Dass die Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte die Auslegung des Rechtsschutzinteresses auf Unionsebene in einem gewissen Grad beeinflusst hat, ist daher naheliegend.533

II. Vergleich Während Frankreich einem objektiven Lösungsweg folgt, orientiert sich Deutschland für die Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens an den subjektiven Interessen des Klägers. Auf Unionsebene wird ebenfalls auf ein subjektives Interesse des Klägers abgestellt. Zugleich ergibt sich ein entscheidender Unterschied 533

Dies prophezeiend R. P. Schenke, in: Festschrift W.-R. Schenke, 305 (326 f.).

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

zur deutschen Fortsetzungsfeststellungsklage aus dem Umstand, dass die fortgesetzte Nichtigkeitsklage weiterhin Gestaltungsklage gerichtet auf die Aufhebung des Klagegegenstandes ist. Überschneidungen mit der französischen Rechtsprechungspraxis sind aus diesem Grund insoweit vorhanden, als eine Fortsetzung der Nichtigkeitsklage nur in Betracht kommt, sofern der angefochtene Unionsrechtsakt noch Wirkung in der Vergangenheit entfaltet. Die Rechtsschutzmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes auf Unionsebene gehen jedoch über die französischen Rechtsschutzmöglichkeiten hinaus, denn hier können die Gefahr eines wiederholenden Verwaltungsakts und ein Präjudizinteresse als Argument für die Fortführung des Verfahrens angeführt werden. Möglich ist dies vor allem auch deshalb, weil die Unionsgerichte dem Aufhebungscharakter des Urteils deutlich weniger Bedeutung beimessen als es aus der französischen Rechtsprechung bekannt ist. Damit besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen französischem und europäischem Ansatz. Die in den Gründungsverträgen erfolgte Anlehnung an den französischen recours pour excès de pouvoir ist insoweit nicht als bindend zu verstehen.534 Die Unionsgerichte sind nicht ausschließlich einer objektiven Rechtskontrolle verpflichtet, sondern der Schutz individueller Rechte rückt zunehmend in den Mittelpunkt. Die Klagemöglichkeit natürlicher und juristischer Personen gegenüber den an sie adressierten bzw. sie individuell und unmittelbar betreffenden Rechtsakten wird daher durchaus zu Recht als Ausdruck der Garantie individuellen Rechtsschutzes verstanden.535 Mit der Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV wird ein duales Konzept von objektiver Legalitätskontrolle und subjektivem Rechtsschutz verfolgt.536 Der Individualrechtsschutz stellt aufgrund der Verankerung in Art. 47 Abs. 1 GRCh das Ziel der gerichtlichen Kontrolle dar. Die Individualnichtigkeitsklage weist damit Parallelen zur deutschen Anfechtungsklage und dem französischen recours pour excès de pouvoir auf. Im Ergebnis nähern sich deutsches, französisches und europäisches Rechtsschutzkonzept im Interesse eines wirksamen Individualrechtsschutzes daher deutlich an. Im Gegensatz zu den deutschen Verwaltungsgerichten, die sich teilweise über die gesetzgeberische Entscheidung für die Darlegung eines „berechtigten Interesse des Klägers“ im Interesse der Rechtskonkretisierung und Klarstellung hinwegsetzen, sind die Unionsgerichte stets bestrebt die individuelle Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger herauszuarbeiten. Als problematisch erweist sich auf Unionsebene allerdings die Beschränkung auf die Kassationsbefugnis der Gerichte. Diese Ein 534

Classen, NJW 1995, 2457 (2461 f.); Drewes, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der EG, S. 116; v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 301; Everling, in: Festschrift Starck, 535 (536–552). 535 So Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der EU, Rn. 651; Dörr / ​Lenz, Europ. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 80; Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), Art. 263 AEUV Rn. 1; Pechstein / ​Görlitz, in: Pechstein / ​Nowak / ​Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar, Bd. 4, Art. 263 AEUV Rn. 11; Schwarze / ​Voet van Vormizeele, in: Becker / ​Hatje / ​Schoo / ​Schwarze (Hrsg.), Art.  263 AEUV Rn. 2. 536 Pechstein, EU-Prozessrecht, Rn. 340.

G. Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems 

253

grenzung ist hinderlich, weil bei einem ex-tunc-Entfallen des Klagegegenstandes eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle ausgeschlossen ist, obwohl die Fallgruppensystematik anderes vermuten ließe. Insoweit sind dann wiederum Parallelen zur französischen Rechtslage erkennbar. Auch die Untätigkeitsklage erweist sich generell und im Besonderen bei Gegenstandslosigkeit der Klage als wenig praxistauglich. Den Unionsorganen wird insoweit eine Möglichkeit eingeräumt, sich durch Tätigwerden einer gerichtlichen Kontrolle zu entziehen. Dies ist mit Blick auf das institutionelle Gleichgewicht und die Machtverteilung im Gefüge der Organe bedenklich. Hier ist insoweit über eine Änderung des bestehenden Klagesystems nachzudenken.

III. Systembildung Die bislang konsistente Auslegungspraxis der Unionsgerichte veranschaulicht, unter welcher Prämisse Rechtsschutz nach Entfallen des Klagegegenstandes noch zu gewähren ist. Die grundlegenden Erwägungen wurden durch die Rechtsprechung klar herausgearbeitet. Sie alle sind von dem Bemühen um einen effektiven Rechtsschutz nach Entfallen des Klagegegenstandes geprägt. Detaillierte Angaben zu den einzelnen Anforderungen an die Fallgruppen bedarf es darüber hinaus nicht. Der Kläger kann sich für seinen Vortrag zum Rechtsschutzinteresse an den bisherigen Entscheidungen orientieren. Der befürchtete Zustand genereller Rechtsunsicherheit in der Rechtsanwendung lässt sich daher nicht ausmachen. Für das Rechtsmittelverfahren und dienstrechtliche Streitigkeiten fehlt es noch an einer gefestigten Rechtsprechung, die richtungsweisende Grundregeln kommuniziert. Hier kommt die Bedeutung einer auf den Einzelfall bezogenen Rechtsprechung in deutlich stärkerem Maße zum Ausdruck. Dennoch lassen die wenigen Urteile darauf schließen, dass im Grunde die gleichen Erwägungen angestellt worden sind, die sonst auch für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse des Klägers angeführt werden.

IV. Verzahnung der Rechtsschutzverfahren Verwaltungshandeln besitzt heutzutage vielfach unionsrechtlichen wie auch internationalen Hintergrund.537 Das wurde anhand der Rechtsstreitigkeiten um restriktive Maßnahmen des UN-Sicherheitsrats sehr deutlich. Die Rechtsschutzgarantien im Mehrebenensystem können daher nicht unverbunden nebeneinander stehen. Zur Effektivität des Verwaltungsrechtsschutzes tragen die Gerichte der verschiedenen Rechtsordnung gemeinsam bei. Das kommt mit Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV sehr deutlich zum Ausdruck. Gelingen kann dies allerdings nur, wenn sich die verschiedenen Rechtsschutzverfahren auf einer gemeinsamen Linie bewegen 537 Siehe zur Rechtsschutzvernetzung Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik, S. 124–129.

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Kap. 3: Das „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“  

und sich gegenseitig ergänzen. Der Kohärenzgedanke will im Mehrebenensystem durch die Verzahnung der Verfahren zur Wirksamkeit des Rechtsschutzes beitragen.538 An der Verwirklichung hat vor allem das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV seinen Anteil. Die Vorstellung einer Verzahnung der Rechtsschutzsysteme kommt darüber hinaus auch in der Auslegung des Rechtsschutzinteresses zum Ausdruck. So nimmt der Gerichtshof ein Rechtsschutzinteresse nicht nur zur Vorbereitung von Haftungsklagen vor den Unionsgerichten, sondern darüber hinaus auch vor nationalen Gerichten an539 und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass die Verteilung der Vollzugszuständigkeiten zu einer geteilten Rechtsschutzzuständigkeit führen kann. Um die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleisten zu können, hat der Gerichtshof im Sinne der „Kadi“-Doktrin ein Rehabilitationsinteresse angenommen, um die diskriminierende Wirkung einer Verordnung, die ihrerseits aufgrund einer UN-Verordnung erlassen wurde, zu beseitigen, wenngleich das Nichtigkeitsurteil an dem Bestand der UN-Verordnung nichts ändern kann.540 Calliess ging sogar so weit, das Rechtsschutzinteresse zum „Anker der Prüfung“ zu erheben, ob gegen einen EG-Rechtsakt unmittelbar vor dem EuGH geklagt werden könne.541 Das mag zwar vereinzelt zutreffen; zur Durchsetzung nationaler Haftungsklagen kann eine vorherige Entscheidung des Gerichtshofs in der Tat notwendig sein. In der Regel spielt die Aufteilung der Rechtsschutzzuständigkeiten zwischen Union und Mitgliedstaaten im Rahmen des Rechtsschutzinteresses keine entscheidende Rolle. Einzuräumen ist jedoch die Funktion des Rechtsschutzinteresses als Auffangtatbestand, um auf bisher unbekannte Situationen entsprechend reagieren zu können.542 Unter diesem Blickwinkel können dann fehlende Rechtsschutzmöglichkeiten auf nationaler Ebene die Auslegung des Rechtsschutzinteresses durchaus beeinflussen.

V. Konvergenzbewegung Am Ende steht die Erkenntnis, dass vielfältige Konvergenzbewegungen nicht nur zwischen den einzelnen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen auszumachen sind.543 Der subjektive Rechtsschutz des Einzelnen wird auch im Primärrecht der Europäischen Union zunehmend in den Vordergrund gerückt.544 Dieser Entwicklungstrend 538 Dazu Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, insbes. S. 93–95. 539 Vgl. 3.  Kap. C. IV. 3. b). 540 Vgl. 3.  Kap. C. II. 2. d). 541 Calliess, NJW 2002, 3577 (3852). 542 So Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 236 für das Rechtsschutzbedürfnis auf nationaler Ebene. 543 Zur Entwicklung in Frankreich ausführlich Fromont, RTDP 51 (2001), 125 (141–145); Ludwigs, NVwZ 2018, 1417 (1422); Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich; Schwarze, NVwZ 1996, 22 und passim; Sommermann, DÖV 2002, 133 (142). 544 Vgl. 3.  Kap. B. III.

G. Rechtsschutzinteresse im Spiegel des europäischen Rechtsschutzsystems 

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spiegelt sich nicht zuletzt auch in der Auslegung des Rechtsschutzinteresses wieder. Insoweit ist eine deutliche Nähe zur deutschen Rechtsprechung auszumachen. Obwohl die französischen Verwaltungsgerichte nicht auf ein Klägerinteresse zur Begründung der Fortführung des Verfahrens abstellen, überschneiden sich einige Fallkonstellationen mit den bekannten Fallgruppen auf Unions- und deutscher Ebene, namentlich dem Rehabilitationsinteresse und der typischerweise kurzfristigen Erledigung der Klagegegenstände. Damit aber werden die Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Systemausrichtungen und insoweit auch die unterschiedlichen Lösungsansätze in der Erledigungssituation deutlich geschmälert.

Kapitel 4

Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse Die Arbeit würde nur ein unvollständiges Bild abgeben, ließe sie die europäischen Einflüsse auf die nationale Rechtsprechung zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse unberücksichtigt. Angesprochen sind damit zum einen die erforderlichen Anpassungen des nationalen Verwaltungsprozessrechts an die unionsrechtlichen Standards bei Rechtsstreitigkeiten, die umgesetztes oder unmittelbar geltendes Unionsrecht zum Gegenstand haben. Diese Einwirkungen wurden bisher vor allen Dingen anhand der Klagebefugnis und im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes sichtbar.1 Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse wurde in diesem Zusammenhang bislang nicht thematisiert. Gleichwohl ist es grundsätzlich auch nach Entfallen des Klagegegenstandes denkbar, dass unionsrechtlich determinierte Fallgestaltungen ein Umdenken in der Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses notwendig machen. Entsprechende Einwirkungsvorgänge sind zum anderen auch auf die Verfahrensgarantien der EMRK, namentlich auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK, zurückzuführen. Das führt zu der übergreifenden Frage, der in diesem Zusammenhang konsequenterweise nachzugehen ist: Welche Folgen haben etwaige Anpassungen im nationalen Recht auf die Konsistenz des eigenen Rechtsschutzkonzepts (dazu A.)? Diese Frage stellt sich ebenso mit Blick auf die französische Rechtsordnung, sodass auch hier eine Auseinandersetzung mit den Folgen der Einwirkung des Unionsrechts auf das französische Recht folgen soll (dazu B.).

1

Vgl. zu den konkreten Einwirkungen auf das deutsche Verwaltungsprozessrecht Burgi, Verwaltungsprozeß und Europarecht, S. 64; Schoch, in: Festgabe 50 Jahre BVerwG, 507 (516–531); ders., in: Hoffmann-Riem / ​Schmidt-Aßmann / ​Voßkuhle (Hrsg.), Grdl. des VerwR, Bd. III, § 50 Rn. 149–161.

A. Deutschland  

257

A. Deutschland  I. Unionsrechtliche Einflüsse 1. Das deutsche Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Anpassungsdruck? a) Rechtsschutzmaßstab Auch der Kläger, der seine unionsrechtlichen Rechtspositionen vor mitgliedstaatlichen Gerichten durchsetzen möchte, muss nach Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse darlegen. Ist er dazu nicht imstande, scheidet eine nachträgliche gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle des Verwaltungsakts aus. Die Rechtsprechung orientiert sich auch bei Sachverhalten mit Unionsbezug an der überkommenen Fallgruppendogmatik. Da es Aufgabe der mitgliedstaatlichen Gerichte ist, ein wirksames Rechtsbehelfssystem zum Schutz von unionsrechtlich garantierten Rechten zur Verfügung zu stellen2, kann in diesen Fällen die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 Abs. 1 GRCh sowie der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz eine Anpassung der tradierten Auslegungspraxis zum „berechtigten Interesse“ des Klägers erforderlich machen. Im deutschen Recht bestimmt sich die Auslegung des „berechtigten Interesses“ im Wesentlichen nach dem Rechtsschutzstandard des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Es kann daher grundsätzlich von einem hohen Rechtsschutzniveau nach Entfallen des Klagegegenstandes ausgegangen werden. Ein Defizit an Rechtsschutzmöglichkeiten konnte in dieser Arbeit in der Tat nicht ausgemacht werden. Angesichts erkennbarer Parallelen zu Art. 47 Abs. 1 GRCh scheint es fast schon abwegig, dass zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts Anpassungen des nationalen Prozessrechts erforderlich werden könnten. Aufgrund der Eigenständigkeit der Rechtsordnungen kann jedoch nicht unreflektiert auf einen Gleichlauf in der Dogmatik der Rechtsschutzgarantien geschlossen werden.3 Als Beispiel sei nur auf die Unterschiede im Hinblick auf ihre Einschränkungsmöglichkeiten hingewiesen: Während Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG vorbehaltlos formuliert wurde4, können nach Art. 52 Abs. 1 GRCh Einschränkungen der Rechtsschutzgarantie auf der Grundlage eines einfachen Gesetzesvorbehalts erfolgen, sofern sie einem legitimen Zweck dienen und sich im 2

Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV. R. P. Schenke, in: Festschrift W.-R. Schenke, 305 (308). 4 Umstritten ist, ob die Ausgestaltungsbedürftigkeit des Art. 19 Abs. 4 GG mit einem Gesetzesvorbehalt gleichzusetzen ist, dafür Jarass, in: ders. / ​Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 19 Rn. 52 f.; Maurer, in: Festschrift 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 467 (489); in diese Richtung wohl auch BVerfG, Beschl. v. 20.04.1982 – Az.: 2 BvL 26/81, BVerfGE, 60, 253 (269); a. A. Ibler, in: Friauf / ​Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar, GG, Art. 19 IV Rn. 316; Kingreen / ​Poscher, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 1177, R. P. Schenke, in: Festschrift W.-R. Schenke, 305 (321 f.), die insoweit aufgrund der Vorbehaltlosigkeit von einer Rechtfertigung durch kollidierendes Verfassungsrecht ausgehen. 3

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Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

Verhältnis zu dem verfolgten Ziel nicht als unverhältnismäßig erweisen.5 Keine der Rechtsschutzgarantien verlangt jedoch einen voraussetzungslosen Zugang zu Gericht. Die Rechtsschutzgarantie ist kein absolutes Recht und kann durchaus auch zugunsten anderer Rechtspositionen eingeschränkt werden. Eine Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen, welche den Wesensgehalt des Rechts auf Zugang zu Gericht tangieren würde, verbietet sich jedoch sowohl auf Unions- wie auf nationaler Ebene.6 Auch die Unionsgerichte wurden in der Auslegung des fortbestehenden Rechtsschutzinteresses im Wesentlichen durch das Ziel, einen effektiven Rechtsschutz (Art. 47 Abs. 1 GRCh) zu gewährleisten, gelenkt. Dabei ist die Rechtsschutzgarantie des Art. 47 Abs. 1 GRCh nicht nur für das EU-Eigenverwaltungsprozessrecht bindend, sondern nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh auch für die mitgliedstaatlichen Gerichte, soweit sie Unionsrecht durchführen. Das ist Ausdruck der dualen Struktur des Rechtsschutzsystems der Union. Wenn also das fortbestehende Rechtsschutzinteresse auf Unionsebene am Maßstab des Art. 47 Abs. 1 GRCh ausgelegt wird, kann der Lösungsweg des EU-Eigenverwaltungsprozessrechts als Leitbild für den dezentralen Rechtsschutz vor den mitgliedstaatlichen Gerichten dienen.7 Art. 47 Abs. 1 GRCh ist insoweit Ausgangspunkt für die Übertragung der zum Eigenverwaltungsprozessrecht entwickelten Grundsätze auf die nationale Ebene. Es wäre jedoch zu weitgehend, die ausdifferenzierte Rechtsprechung der Unionsgerichte zum fortbestehenden Rechtsschutzinteresse zur verbindlichen Vorgabe für das nationale Prozessrecht zu erheben. Der Rechtsprechung der Unionsgerichte lässt sich jedoch das Mindestniveau an Rechtsschutz entnehmen, welches insoweit auch für das Unionsverwaltungsprozessrecht maßgeblich ist: Der Zugang zu Gericht muss auch noch gewährleistet werden, nachdem der Rechtsakt seine Wirksamkeit verloren hat, wenn von ihm weiterhin fortwirkende Beeinträchtigungen subjektiver Rechtspositionen ausgehen. Ein Unterschreiten dieses Rechtsschutzstandards kann insoweit als Indiz für einen Verstoß gegen das Effektivitätsgebots gewertet werden.8

5 Im Ergebnis ist der Unterschied gegenüber der Einschränkungsmöglichkeit von Art. 19 Abs. 4 GG allerdings nur minimal, da die Rechtfertigungsgründe sich weitgehend decken, vgl. die Übersicht bei Nowak, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), HdB der Europ. GR, § 55 Rn. 49 und Ibler, in: Friauf / ​Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar, GG, Art. 19 IV Rn. 318. 6 EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-279/09, DEB, Slg. 2010, I-13849 Rn. 60; Beschl. v. 13.06.2012, Rs. C-156/12, GREP, ECLI:EU:C:2012:342 Rn. 39 f.; BVerfG, Beschl. v. 12.01.1960 – Az.: 1 BvL 17/59, BVerfGE 10, 264 (268). 7 Für eine Indizwirkung insoweit Classen, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  197 AEUV Rn. 26; Gundel, in: Schulze / ​Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 3 Rn. 176 f.; Kahl, VerwArch 95 (2005), 1 (18 f.); Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 151. 8 Wahl, DVBl 2003, 1285 (1291).

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b) Folgen für die Auslegung im deutschen Recht In erster Linie individualrechtsschützend ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zu Zwecken der Rehabilitierung des Klägers. Die nationalen Verwaltungsgerichte verlangen im Einklang mit den Unionsgerichten zur Fortsetzung des Verfahrens eine anhaltende Beeinträchtigung des Klägers. Ein Rehabilitationsinteresse zeichnet sich auf beiden Ebenen durch die anhaltende Wirkung des erledigten Rechtsakts aus. Die Annahme eines berechtigten Interesses des Klägers ist in diesem Fall aus individuellen Rechtsschutzgründen geboten und zur Beseitigung einer anhaltenden Diskriminierung auch erforderlich. Über die grundsätzliche Anerkennung der Fallgruppe besteht auf beiden Rechtsprechungsebenen Einigkeit. Kritisch zu beurteilen ist vor diesem Hintergrund allerdings die teils sehr strenge Auslegung durch das BVerwG, welches in dem Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens keine für ein Rehabilitationsinteresse erforderliche Stigmatisierung erblickt.9 Dies kann sich als Hindernis für den Zugang zu Gericht zur Durchsetzung unionsrechtlicher Rechtspositionen nach Erledigung des Verwaltungsakts erweisen. Im Vergleich zur Rechtsprechung der Unionsgerichte ist die Auslegung in der Tat sehr eng. Beispielsweise war in der Rechtssache Portnov10 für ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse aus Gründen der Rehabilitierung bereits ausreichend, dass die mit seiner Person verbundenen Ermittlungen wegen Beteiligung an Straftaten veröffentlicht wurden. Vor diesem Hintergrund ist die Verneinung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses wegen des bloßen Vorwurfs eines objektiv strafbaren Verhaltens in Form der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zwar auf den ersten Blick bedenklich. Entscheidend für die strenge Auslegung des BVerwG sollte jedoch die speziell in diesem Fall fehlende Außenwirkung sein, auf die auch die Unionsgerichte nicht verzichten wollen.11 Wenn Mindeststandard des Rechtsschutzes heißt, dass gegen eine anhaltende Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Freiheiten Rechtsschutz geboten ist, bedeutet dies auch, dass mit einer Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr oder wegen eines Präjudizinteresses Rechtsschutz über das Mindestniveau hinaus offensteht. Die ihnen zugrundeliegenden Fallgestaltungen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass es an einer aktuell anhaltenden Beeinträchtigung fehlt. Selbst die Möglichkeit des vorbeugenden Rechtsschutzes durch die Fortsetzungsfeststellungsklage wegen Wiederholungsgefahr ist von Art. 47 Abs. 1 GRCh im Anbetracht des Umstandes, dass repressiver Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, nicht geboten. Die Amtshaftungsklage wegen einer Verletzung unionsrechtlicher Bestimmungen kann auch unabhängig von einem verwaltungsgerichtlichen Feststellungsurteil vor den Zivilgerichten erhoben werden. Ihre Existenzberechtigung finden beide Auslegungsvarianten allerdings in dem durchaus legitimen Interesse an einem möglichst öko 9

Vgl. BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (309). Vgl. EuG, Urt. v. 26.10.2015, Rs. T-290/14, Portnov / ​Rat, ECLI:EU:T:2015:806 Rn. 31. 11 Vgl. 1.  Kap. C. II. 1. a) bb). 10

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nomischen Einsatz von Ressourcen. Wie die nationalen Gerichte ihre vorhandenen Ressourcen verteilen, ist letztlich ihnen überlassen, solange jedenfalls dadurch Unionsrechte keine Beeinträchtigung erfahren müssen. Das ist gerade Ausdruck der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Die nationale Rechtsprechungspraxis zur Auslegung des „berechtigten Interesses“ bietet damit im Grunde ausreichend Rechtsschutzmöglichkeiten, um unionsrechtliche Rechte auch noch nach Erledigung des Verwaltungsakts durchsetzen zu können. c) Effektivitätsgrundsatz und Grundfreiheiten Möglich ist allerdings, dass die nationalen Verwaltungsgerichte unter dem Blickwinkel des Effektivitätsgrundsatzes gehalten sind, eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit für den Fall einer schwerwiegenden Beeinträchtigung von EUGrundrechten oder Grundfreiheiten vorzusehen, und dies selbst dann, wenn der Eingriff und damit auch die Rechtsverletzung zwischenzeitlich beendet wurden. Es ist keineswegs selten, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Direktklagen auf Unionsebene enger ausgelegt werden als für Klagen vor den mitgliedstaatlichen Gerichten.12 Die Ansätze des Eigenverwaltungsprozessrechts können eben nur als Indiz für die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsprechung mit dem Effektivitäts­grundsatz dienen. Wie bereits an anderer Stelle festgestellt wurde, verfolgt die Rechtsprechung zum Eigenverwaltungsprozessrecht einerseits und die zum Unionverwaltungsprozessrecht andererseits jeweils unterschiedliche Ziele, die es jedenfalls nicht ausschließen, dass sie sich in ihren Anforderungen unterscheiden.13 Die nationalen Verwaltungsgerichte lehnen es bislang ab, das klägerische Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens allein mit der Schwere des Eingriffs in eine geschützte Rechtsposition zu begründen. Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz haben jedoch bereits in Teilen zu einer Überformung des nationalen Verwal­tungsprozessrechts geführt.14 Das Gleichwertigkeits- oder Äquivalenzgebot ist in diesem Zusammenhang zwar von keiner nennenswerten Bedeutung, denn ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wird unabhängig davon verlangt, ob die Klage eine Verletzung innerstaatlicher oder unionsrechtlicher Vorgaben zum Gegenstand hat.15 Insbesondere unter dem Effektivitätsgebots können jedoch Erweiterungen

12

Vgl. bereits 3. Kap. B. I. Vgl. 3. Kap. B. I. So auch Baumeister, Der Beseitigungsanspruch als Fehlerfolge des rechtswidrigen Verwaltungsakts, S. 280 f. 14 Umfassend dazu Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrecht­ lichem Anpassungsdruck. 15 Allgemein zur geringen Bedeutung des Äquivalenzgebots im deutschen Verwaltungsprozess­ recht Dörr / ​Lenz, Europ. Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 418; Steinbeiß-Winkelmann, NJW 2010, 1233 (1234); Stotz, Effektiver Rechtsschutz in der EU, S. 12. 13

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wie auch Einschränkungen der Rechtsschutzmöglichkeiten16 erforderlich werden, sofern die Anwendung des nationalen Rechts zur Beeinträchtigung von Tragweite und Wirksamkeit des Unionsrechts führen kann17. aa) Entscheidung des BVerwG Bisher sind es in der Anzahl nur wenige Entscheidungen nationaler Verwaltungsgerichte, die sich mit einer Anpassung der Auslegung des „berechtigten Interesses“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO an unionsrechtliche Vorgaben auseinanderzusetzen hatten. Den Verfahren lagen allesamt Fragen zum Glücksspielstaatsvertrag zugrunde, eine Materie, die von besonderer unionsrechtlicher Relevanz insbesondere in Bezug auf die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) ist. Die Fortsetzungsfeststellungsklage war nach Erledigung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung statthaft und es musste über das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses entschieden werden. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die bereits zu Beginn dieser Arbeit dargestellte Entscheidung des BVerwG zur Untersagung der Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten.18 Das Gericht hatte sich hier nicht nur lehrbuchmäßig zu den bekannten Fallgruppen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses geäußert. Es hat auch dazu Stellung genommen, inwieweit die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses durch Art. 47 Abs. 1 GRCh sowie Äquivalenz- und Effektivitätsgebot bestimmt werden kann. Die Vorinstanz bejahte das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses und begründete dies mit einer gewichtigen Beschränkung der Grundfreiheiten.19 Die Mitgliedstaaten seien nach Art. 47 Abs. 1 GRCh und Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet sei. Bei der Auslegung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sei dem dadurch Rechnung zu tragen, „dass auch bei einer gewichtigen Beschränkung der Grundfreiheiten, wie sie hier im Raum steht, von einem berechtigten Feststellungsinteresse auszugehen

16 Überblick bei Nowak, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 13 Rn. 83 f.; Rodríguez Iglesias, EuGRZ 1997, 289 (294). 17 So beispielsweise nach EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. C-33/76, Rewe / ​Landwirtschaftskammer für das Saarland, Slg. 1976, 1989 Rn. 5; Urt. v. 21.09.1983, verb. Rs. C-205/82 bis C-215/82, Deutsche Milchkontor GmbH, Slg. 1983, 2633 Rn. 22; Urt. v. 15.09.1998, Rs. C-231/96, Edilizia Industriale Siderurgica / ​Ministero delle Finanze, Slg. 1998, I-4951 Rn. 19, 34; Urt. v. 09.02.1999, Rs. C-343/96, Dilexport, Slg. 1999, I-579 Rn. 25; Urt. v. 04.07.2006, Rs. C-212/04, Adeneler u. a., Slg. 2006, I-6057 Rn. 95; Urt. v. 15.04.2008, Rs. C-268/06, Impact, Slg. 2008, I-2483 Rn. 46; Urt. v. 28.01.2015, Rs. C-417/13, Starjakob, ECLI:EU:C:2015:38 Rn. 61; ausführlich auch Seyr, Der effet utile in der Rechtsprechung des EuGH, S. 153–271. 18 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303. 19 VGH München, Urt. v. 24.04.2012 – Az.: 10 BV 11/2770, BayVBl 2012, 214 (216).

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ist.“20 Das würde bedeuten, dass für Fälle mit Unionsbezug eine abweichende Auslegung des „berechtigten Interesses“ und damit ein Sonderweg erforderlich wäre, da allein die Intensität des Eingriffs und die Bedeutung des verletzten Rechts grundsätzlich nicht für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse spricht. Das BVerwG folgte dem nicht und verneinte ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin auch unter dem Blickwinkel des Unionsrechts. In dem besagten Urteil stellte es die Forderung auf, dass sich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse aus der Beeinträchtigung von nationalen Grundrechten ergeben könne, wenn sich der Eingriff typischerweise so kurzfristig erledigt, dass Rechtsschutz nicht zu erreichen ist.21 Eine gewichtige Beeinträchtigung von Grundfreiheiten allein könnte demnach ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Ein anderes Ergebnis sei nach Auffassung des BVerwG weder von der Rechtsschutzgarantie nach Art. 47 Abs. 1 GRCh gefordert noch aufgrund des Effektivitätsgebots angebracht. (1) Anforderungen der Rechtsschutzgarantie nach Art. 47 Abs. 1 GRCh Zutreffend stellt das BVerwG fest, dass ein „berechtigtes Interesse“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO als Zulässigkeitsvoraussetzung den Wesensgehalt des Art. 47 Abs. 1 GRCh nicht berühre.22 Dieser sei nach der Rechtsprechung des EuGH erst beeinträchtigt, wenn die streitige Regelung ein unüberwindbares Hindernis für den Zugang zu Gericht darstelle.23 Das BVerwG führt dazu an, dass die Untersagungsverfügung bis zu ihrer Erledigung mittels Anfechtungsklage gerichtlich angegriffen werden konnte. Mit der Fortsetzungsfeststellungsklage könnte eine gerichtliche Überprüfung auch nach Erledigung erfolgen, sofern fortwirkende Nachteile bestünden. Der Wesensgehalt des Art. 47 Abs. 1 GRCh verlange jedoch keinen Zugang zu Gericht allein zu dem Zweck der nachträglichen Rechtsklärung.24 Im Übrigen entspricht es nach Ansicht des BVerwG dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Zugang zu Gericht von einem berechtigten Interesse abhängig zu machen, da dieses geeignet, erforderlich und angemessen sei, dem Anliegen der Prozessökonomie zur Verwirklichung eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen.

20

Ebd. Vgl. 1.  Kap. C. III. 1. c). 22 In Übereinstimmung mit dem EuGH (bspw. EuGH, Urt. v. 22.01.2013, Rs. C-283/11, Sky Österreich, ECLI:EU:C:2013:28 Rn. 48; Urt. v. 08.04.2014, verb. Rs. C-293/12 u. C-594/12, Digital Rights Ireland u. Seitlinger u. a., ECLI:EU:C:2014:238 Rn. 39) prüft auch das BVerwG an dieser Stelle den Wesensgehalt eigenständig neben der Verhältnismäßigkeit der Regelung. Der Unterschied dürfte insoweit darin liegen, dass nach dem Wesensgehalt der Kernbereich der Garantie unangetastet zu bleiben hat, während die Verhältnismäßigkeit die Relation von Belastung und Ziel betrachtet, so auch Jarass, in: ders. (Hrsg.), GRCh, Art. 47 Rn. 28. 23 Ebd., mit Bezugnahme auf EuGH, Urt. v. 22.12.2010, Rs. C-279/09, DEB, Slg. 2010, I-13849 Rn. 61; Urt. v. 13.06.2012, Rs. C-156/12, GREP, ECLI:EU:C:2012:342 Rn. 41. 24 BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (315). 21

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(2) Effektivitätsgebot Ähnlich fällt die Bewertung des BVerwG im Hinblick auf die Anforderungen des Effektivitätsgebots an die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aus. Dieses verlange nämlich lediglich, „dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet.“25 Es verpflichte die Mitgliedstaaten jedoch nicht, eine gerichtliche Überprüfung der beeinträchtigenden Maßnahme unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein aufgrund abstrakter Rechtsklärungsinteressen vorzunehmen.26 (3) Bewertung Sowohl die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes wie auch der Effektivitätsgrundsatz stehen nationalen Verfahrensmodalitäten entgegen, die die Durchsetzung subjektiver Unionsrechte unmöglich machen oder zumindest wesentlich erschweren. Der EuGH begründet Einschränkungen der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten in der Regel mit Äquivalenz- und Effektivitätsgebot27, wenngleich aus der Rechtsprechung auch hervorgeht, dass die Übergänge zu den Anforderungen, die von der Rechtsschutzgarantie aufgestellt werden, letztlich fließend sind28. Es würde der effektiven Durchsetzung individueller Rechte des Unionsrechts sicherlich entgegenstehen, wenn Rechtsschutzmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes generell ausgeschlossen wären. Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse stellt jedoch grundsätzlich kein solches Hindernis dar. Nach Erledigung des Verwaltungsakts kann Rechtsschutz über die Fortsetzungsfeststellungsklage gewährt werden, sofern der Kläger ein „berechtigtes Interesse“ darlegen kann. Solange die Beeinträchtigung trotz Erledigung des Verwaltungsakts anhält, ist von einem „berechtigten Interesse“ des Klägers auszugehen. Durch die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses werden Rechtsschutzmöglichkeiten damit nicht 25

Ebd.; zweifelnd Schübel-Pfister, in: Eyermann (Begr.), VwGO, § 113 Rn. 123. BVerwG, Urt. v. 16.05.2013 – Az.: 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 (316). 27 Grundlegend EuGH, Urt. v. 16.12.1976, Rs. C-33/76, Rewe / ​Landwirtschaftskammer für das Saarland, Slg. 1976, 1989 Rn. 5. 28 Nowak, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), HdB der Europ. GR, § 55 Rn. 26 unter Verweis auf ein Urteil des EuGH, Urt. v. 13.01.2005, Rs. C-174/02, Streekgewest, Slg. 2005, I-85 Rn. 18. Hier wurde als Schranke der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten die Rechtsschutzgarantie anführt. Interessant ist dabei der Verweis auf EuGH, Urt. v. 11.07.1991, verb. Rs. C-87/90, C-88/90 u. C-89/90, Slg. 1991, I-3757 Rn. 24, wo sowohl auf den Grundsatz effektiven Rechtsschutzes und den Effektivitätsgrundsatz als Grenze der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten verwiesen wurde. Auf die Rechtsschutzgarantie abstellend EuGH, Urt. v. 11.09.2003, Rs. C-13/01, Safalero, Slg. 2003, I-8679 Rn. 50; Urt. v. 19.03.2015, Rs. C-510/13, E.ON Földgáz Trade, ECLI:EU:C:2015:189 Rn. 50. Dies feststellend Gundel, in: Ehlers (Hrsg.), Europ. GR und Grundfreiheiten, § 27 Rn. 49; Schilling, EuGRZ 2000, 3 (18). 26

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generell ausgeschlossen. Dass darüber hinaus eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines beendeten Eingriffs offenzustehen hat, ist auch nicht der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, die gestützt auf den Abwehrcharakter der Grundfreiheiten und Grundrechte verlangt, dass Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die diesen Gewährleistungsbereich einschränken, einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sind.29 Der Abwehr einer Beeinträchtigung von Grundfreiheiten bedarf es gerade nicht mehr, wenn der Eingriff während des gerichtlichen Verfahrens oder davor beendet wurde und damit der Zustand hergestellt wurde, der vor dem Eingriff bestand. Die Bewertung fiele sicherlich anders aus, wenn der Effektivitätsgrundsatz im Interesse der Durchsetzung des Unionsrechts verlangen würde, jede Verletzung des Unionsrechts auch gerichtlich festzustellen. Dann ließe er sich als Argument für eine nachträgliche Kontrolle des die Grundfreiheiten beeinträchtigenden Verwaltungsakts anführen. In der überwiegenden Zahl der Fälle macht der Gerichtshof den Effektivitätsgrundsatz jedoch zur Durchsetzung individueller Rechtspositionen fruchtbar.30 Die wenigen Ausnahmen, in denen eine Verletzung des Effektivitätsgebots damit begründet wird, dass das nationale Recht „die Tragweite und die Wirksamkeit des Unionsrechts“31 bzw. „die Verwirklichung der Unionsregelungen“32 beeinträchtigt und damit auf einen Bezug zu den Rechten des Einzelnen verzichtet wird, betreffen ausschließlich Sachverhalte, für die mangels subjektiven Interesses ein erhöhtes objektives Durchsetzungsinteresse besteht, insbesondere wenn 29

In diese Richtung EuGH, Urt. v. 12.03.1987, Rs. C-178/84, Kommission / ​Deutschland, Slg. 1987, 1227 Rn. 45 f.; Urt. v. 15.10.1987, Rs. C-222/86, Unectef / ​Heylens, Slg. 1987, 4097 Rn. 17; Urt. v. 07.05.1991, Rs. C-340/89, Vlassopoulou / ​Ministerium für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten Baden-Württemberg, Slg. 1991, I-2357 Rn. 22; Urt. v. 13.12.1991, Rs. C-18/88, RTT / ​GB-Inna-BM, Slg. 1991, I-5941 Rn. 34 f.; Urt. v. 07.05.1992, Rs. C-104/91, Aguirre Borrell u. a., Slg. 1992, I-3003 Rn. 15; Urt. v. 05.02.2004, Rs. C-95/01, Greenham u. Abel, Slg. 2004, I-1333 Rn. 35; zur Überschneidung von Verfahrensrechten und Grundfreiheiten allgemein Dörr, Der europ. Rechtsschutzauftrag dt. Gerichte, S. 47 f.; Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europ. GR und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 41; Frenz, HdB EuR, Bd. I, Rn. 196 f.; Gundel, in: Ehlers (Hrsg.), Europ. GR und Grundfreiheiten, § 27 Rn. 47 f.; Hirschberger, Prozeduralisierung im europ. Binnenmarktrecht, S. 216–219; Nowak, in: Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der EU, § 13 Rn. 8. 30 Beispiele aus der jüngeren Rspr. etwa EuGH, Urt. v. 24.10.2018, Rs. C-234/17, XC u. a., ECLI:EU:C:2018:853 Rn. 49–59; Urt. v. 08.06.2017, Rs. C-54/16, Vinyls Italia, ECLI:​EU:C:​ 2017:433 Rn. 33; umfassende Analyse der Rechtsprechung bei Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 43 und passim; zustimmend Classen, NJW 2016, 2621 (2622); Gärditz, in: 71. DJT, Bd. I, D 21–23; zur subjektiven und objektiven Ausprägung des Effektivitätsgrundsatzes F. Becker, CMLRev. 44 (2007), 1035 (1051); König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rspr. des EuGH, S. 52; Nebbia, ELRev. 33 (2008), 427 (438); Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 292–298. 31 EuGH, Urt. v. 21.09.1983, verb. Rs. C-205/82 bis C-215/82, Deutsche Milchkontor GmbH, Slg. 1983, 2633 Rn. 22. 32 EuGH, Urt. v. 21.09.1983, verb. Rs. C-205/82 bis C-215/82, Deutsche Milchkontor GmbH, Slg. 1983, 2633 Rn. 19; Urt. v. 12.05.1988, Rs. C-366/95, Landbrugsministeriet / ​Steff-Houlberg Export u. a., Slg. 1988, I-2661 Rn. 15; Urt. v. 21.06.2007, Rs. C-158/06, ROM-projecten, Slg. 2007, I-5103 Rn. 23.

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es sich um die Durchsetzung des Unionsrechts zu Lasten des Einzelnen handelt wie etwa im Bereich zu Unrecht ausgezahlter Beihilfen.33 Soweit es um die Bereitstellung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten vor nationalen Gerichten geht, wurde auf die objektiv-rechtliche Ausprägung des Effektivitätsgrundsatzes bislang nicht zurückgegriffen34; auch, weil es in der Regel wegen der Betroffenheit individueller Rechtspositionen ohnehin keines Rückgriffs auf die objektive Dimension mehr bedurfte.35 Der EuGH selbst hat klargestellt, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht mehr verlange als die Wahrung der Grundrechte und dabei insbesondere das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz.36 Ein gerichtliches Verfahren, welches nach Beendigung des Eingriffs zur Durchsetzung unionsrechtlicher Rechte nicht mehr erforderlich ist, wird damit auch nicht im Wirkungsbereich des Effektivitätsgrundsatzes gefordert. Im Übrigen kann in einer generalisierenden Weise festgestellt werden, dass der EuGH regelmäßig dann von einer Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes ausgeht, wenn mit einem mitgliedstaatlichen Ansatz eine Wertung offenbart wird, die sich im Rechtsvergleich als „extrem“, „außergewöhnlich“ oder „besonders problematisch“ darstellt.37 Dazu greift der EuGH entweder auf die Parallelwertungen im Unionsrecht38 oder aber auch auf die anerkannten Grundsätze in den anderen Mitgliedstaaten39 zurück. Die Aussage, dass ein im Vergleich zum Eigenverwaltungsprozessrecht höheres Rechtsschutzniveau von den Mitgliedstaaten in der Regel 33 Vgl. hierzu König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rspr. des EuGH, S. 109–126; Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 109–177, insbes. S. 143–145. 34 So die Feststellungen von König, Der Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in der Rspr. des EuGH, S. 52 unter Verweis auf die Schlussantr. GA Bot v. 06.05.2008, Rs. C-455/06, Heemskerk und Schaap, Slg. 2008, I-8763 Rn. 122, der sich für eine Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes in seiner objektiven Ausprägung aussprach, obwohl sich die streitgegenständlichen niederländischen Verfahrensregelungen zulasten des Einzelnen ausgewirkt hätten. Der EuGH ist dem jedoch nicht gefolgt, EuGH, Urt. v. 25.11.2008, Rs. C-455/06, Heemskerk und Schaap, Slg. 2008, I-8763; dazu Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 133. 35 Beispielsweise dürfen Beweisvorschriften keine Anwendung finden, wenn damit die Durchsetzung unionsrechtlicher Rechtspositionen unmöglich oder wesentlich erschwert werden, EuGH, Urt. v. 07.09.2006, Rs. C-526/04, Laboratoires Boiron, Slg. 2006, I-7529 Rn. 51–57; Ausschlussfristen sind unzulässig, wenn damit die Durchsetzung der Rechte des Einzelnen unmöglich wird, EuGH, Urt. v. 25.07.1991, Rs. C-208/90, Emmott / ​Minister for Social Welfare und Attorney General, Slg. 1991, I-4269 Rn. 23. 36 EuGH, Urt. v. 26.09.2018, Rs. C-180/17, X und Y, ECLI:EU:C:2018:775 Rn. 43; Urt. v. 26.09.2018, Rs. C-175/17, Belastingdienst / ​Toeslagen, ECLI:EU:C:2018:776 Rn. 47. 37 Classen, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art.  197 AEUV Rn.  26; ders., in: Schulze / ​ Zuleeg / ​Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, § 4 Rn. 118; in diese Richtung auch Nettesheim, in: Gedächtnisschrift Grabitz, 447 (461). 38 So etwa EuGH, Urt. v. 21.09.1983, verb. Rs. C-205/82, C-215/82, Deutsche Milchkonto GmbH, Slg. 1983, 2633 Rn. 30; Urt. v. 21.02.1991, verb. Rs. C-143/88 u. C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest / ​Hauptzollamt Itzehoe und Hauptzollamt Paderborn, Slg. 1991, I-415 Rn. 27. 39 EuGH, Urt. v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430/93 u. C-431/93, Van Schijndel / ​Stichting Pensioenfonds voor Fysiotherapeuten, Slg. 1995, I-4705 Rn. 21; Urt. v. 20.09.2001, Rs. C-453/99, Courage und Crehan, Slg. 2001, I-6297 Rn. 31.

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Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

nicht verlangt wird, erscheint im Hinblick auf die Feststellungen zu den durch den EuGH aufgestellten im Vergleich zum Eigenverwaltungsprozessrecht weitergehenden Anforderungen an die Initiativberechtigung im Unionsverwaltungsprozessrecht zu pauschal.40 Soweit aber sowohl die Auslegung des Rechtsschutzinteresses auf Unionsebene wie auch des Fortsetzungsfeststellungsinteresses durch Art. 47 Abs. 1  GRCh bestimmt werden, fehlt es an überzeugenden Gründen, die dafür sprechen könnten, im Unionsverwaltungsprozessrecht eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle durchzuführen. Im Widerstreit der Interessen an einem effektiven Rechtsschutz einerseits und einer geordneten Rechtspflege andererseits geben die Unionsgerichte letzterem den Vorzug, soweit der Unionsrechtsakt vollständig aufgehoben wurde und der Kläger aus der Nichtigerklärung keinen Vorteil mehr ziehen kann. Da die Unionsgerichte selbst ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse nicht allein wegen der Schwere des Eingriffs in eine unionsrechtliche Rechtsposition annehmen, ist auch nicht von einer weitergehenden Pflicht der Mitgliedstaaten auszugehen. bb) Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte Interessant sind in diesem Zusammenhang die Äußerungen des VGH München, der als Vorinstanz des BVerwG in gerade dargestelltem Urteil noch die gegenteilige Auffassung vertreten hat und auch später ausdrücklich offen ließ, ob er den Ausführungen des BVerwG folgen werde.41 Mit seinem Urteil vom 12. Dezember 2016, dem die Versagung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis zugrunde lag, hat das Gericht schließlich klargestellt, dass es sich der Auslegung des BVerwG anschließen werde und ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse demnach nicht bereits dann anzunehmen sei, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in grundrechtlich geschützte Freiheitssphären handle, sondern zusätzlich gefordert, dass sich der Eingriff typischerweise kurzfristig erledige.42 Das gelte auch dann, wenn der Sachverhalt unionsrechtlich determiniert sei. Art. 47 Abs. 1 GRCh gemeinsam mit dem Effektivitätsgebot forderten nicht, dass eine gerichtliche Entscheidung nach Entfallen des Klagegegenstandes unabhängig von einem individuellen Nutzen allein zum Zwecke der Rechtswidrigkeitsfeststellung erfolge. Auch andere Oberverwaltungsgerichte schlossen sich der Auffassung des BVerwG an.43 40 In diese Richtung, allerdings in keiner Weise generalisierend, EuGH, Urt. v. 21.01.1999, Rs. C-120/97, Upjohn, Slg. 1999, I-223 Rn. 35; so auch Classen, in: Grabitz / ​Hilf / ​Nettesheim (Hrsg.), Art. 197 AEUV Rn. 26; v. Danwitz, Europ. Verwaltungsrecht, S. 487; Kulms, Der Effektivitätsgrundsatz, S. 152. 41 Vgl. etwa nur BayVGH, Urt. v. 04.02.2014 – Az.: 10 B 10/2913, BeckRS 2014, 48573 Rn. 48; Urt. v. 18.09.2014 – Az.: 10 ZB. 12/1448, BeckRS 2014, 57010 Rn. 17. 42 BayVGH, Urt. v. 12.12.2016 – Az.: 10 BV 13/1005, BeckRS 2016, 119325. 43 OVG Saarland, Urt. v. 26.11.2013 – Az.: 3 A 106/12, BeckRS 2014, 45493; OVG Sachsen, Urt. v. 02.12.2013 – Az.: 3 A 242/11, VGH BW, Urt. v. 20.05.2015 – Az.: 6 S 494/15, allerdings für das Feststellungsinteresse i. S. d. § 43 Abs. 1 VwGO in Bezug auf ein vergangenes Rechtsverhältnis; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.06.2016 – Az.: OVG 1 B 2/14.

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2. Fazit Die überkommene Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte wird den Anforderungen, die Effektivitätsgrundsatz wie auch Art. 47 Abs. 1 GRCh an das nationale Verfahren stellen, gerecht. Eine erweiterte Auslegung des „berechtigten Interesses des Klägers“ ist daher auch für unionsrechtlich determinierte Sachverhalte nicht erforderlich. Stärkstes Indiz hierfür ist die Rechtsprechung der Unionsgerichte zur Nichtigkeitsklage, die mit der deutschen Rechtsprechungspraxis konform ist. Effektiver Rechtsschutz bedeutet demnach nicht, dass ein Verfahren nach Erledigung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts allein im Interesse einer Klärung problematischer Rechtsfragen fortzuführen ist. Aus diesem Grund ist allein wegen eines Eingriffs in Grundfreiheiten keine Klagemöglichkeit zu eröffnen. Während in vielen Bereichen des Rechts aktuell noch eine duale Struktur erkennbar ist, die zwischen nationalem (Prozess-)Recht und Unions(verwaltungsprozess)recht unterscheidet, kann die bisherige Auslegungspraxis der deutschen Verwaltungsgerichte für den Bereich der Fortsetzungsfeststellungsklage den Anforderungen des Unionsrechts gerecht werden. Eine besondere Behandlung dieser Fälle ist unionsrechtlich nicht geboten; das dogmatische Grundgerüst des Fortsetzungsfeststellungsinteresses wird insoweit durch Unionsrecht nicht berührt.

II. Einflüsse der EMRK auf das nationale Fortsetzungsfeststellungsinteresse44 1. Verhältnis nationaler Verfahrensvoraussetzungen zum Recht der EMRK Der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) lassen sich verbind­ liche Vorgaben für den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz entnehmen, die als Mindeststandard zu verstehen sind. Die Art der Einwirkung der Konvention unter 44

Zu einer Erledigung des Beschwerdegegenstandes während des Verfahrens kann es natürlich auch im Rahmen der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK kommen, vgl. die Übersicht zum erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis bei Peukert, in: Frowein / ​Peukert (Hrsg.), EMRK, Art. 34 Rn. 43–46. Obwohl sich der EGMR durchaus auch mit verwaltungsrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Fragestellungen auseinanderzusetzen hat, ist die Funktion der Individualbeschwerde nicht vergleichbar mit der Funktion der innerstaatlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Während durch verwaltungsgerichtliche Verfahren Maßnahmen der Verwaltung auf ihre Übereinstimmung mit den Gesetzen überprüft und die Ausgestaltung des Rechtsschutzsystems damit nicht zuletzt auch geprägt ist von dem Verhältnis von Verwaltung und Bürger zueinander, kann mit der Individualbeschwerde die Kontrolle jeglichen staatlichen Handelns am Maßstab der Menschenrechte überprüft werden. Der EGMR kann zudem lediglich eine Konventionsverletzung feststellen, sie allerdings nicht aufheben. Schließlich ist vor Anrufung des EGMR eine Rechtswegerschöpfung erforderlich, Art. 35 Abs. 1 EMRK, was in Deutschland zunächst auch die Befassung der Rechtssache durch das BVerfG voraussetzt. In ihrer Funktion ist sie damit eher vergleichbar mit einer Verfassungsbeschwerde, dazu Peukert, in: Frowein / ​Peukert (Hrsg.), EMRK, Art. 34 Rn. 6; Pabel, in: R. P. Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.),

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scheidet sich zwar von der des Unionsrechts.45 Die Gerichte sind jedoch verpflichtet, die Vorgaben der EMRK möglichst schonend in das nationale Recht einzufügen. Dies erfolgt in Deutschland ungeachtet des Rangs als einfaches Bundesrecht durch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes und damit der enthaltenen Grundrechte und rechtsstaatlichen Prinzipien.46 Vorgaben für den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz sind insbesondere den Gewährleistungen der Art. 5 Abs. 4, 6 und 13 EMRK zu entnehmen. Dies gilt ungeachtet des Normtexts des Art. 6 EMRK, der nur auf „zivilrechtliche Ansprüchen und Verpflichtungen“ verweist. Die Rechtsprechung des EGMR bestimmt den Anwendungsbereich nicht nach der nationalen Zuständigkeitsverteilung, sondern autonom. In einem gewissen Umfang sind Art. 6 EMRK damit auch Vorgaben für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu entnehmen.47 Für Verfahren, die außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 6 EMRK liegen, übernimmt Art. 13 EMRK eine Auffangfunktion.48 Ungeachtet der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG haben die Verfahrensgarantien der Konvention nicht zuletzt aufgrund der differenzierten Spruchpraxis des EGMR in gewissem Umfang zu Anpassungen im nationalen Prozessrecht geführt.49 Für viele Bereiche lassen sich allerdings auch Übereinstimmungen in den Gewährleistungsgehalten feststellen.50 Dies geht aus der Rechtsprechungspraxis des EGMR hervor, dessen Urteile über die Wirkung der Rechtskraft hinaus Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 121 f., die allerdings zumindest für ausgewählte Referenzgebiete den Einfluss der Rspr. des EGMR erkennt und ihn insoweit – zumindest im Fall einer hohen Kontrolldichte – als Verwaltungsgericht bezeichnet. Die Beschwerde wird daher entsprechend ihrem Zweck als unzulässig abgewiesen, wenn die Opfereigenschaft durch Wiedergutmachung des Konventionsstaats nachträglich entfällt. Hierbei wird allerdings ein strenger Maßstab angelegt. Eine Systematik lässt sich in der Rechtsprechung nur schwer erkennen, EGMR, Urt. v. 29.03.2006  – 64897/01, ECLI:CE:ECHR:2006:0329JUD006489701, Zullo  / ​ Italien, Rn. 73. 45 Vgl. dazu Schoch, in: Hoffmann-Riem / ​Schmidt-Aßmann / ​Voßkuhle (Hrsg.), Grdl. des VerwR, Bd. III, § 50 Rn. 43 f. 46 BVerfG, Beschl. v. 26.03.1987 – Az.: 2 BvR 589/79, 740/81 u. 284/85, BVerfGE 74, 358 (370); Beschl. v. 14.10.2004 – Az.: 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (327–330); Urt. v. 04.05.2011 – Az.: 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, BVerfGE 128, 326 (366–372). 47 Einen Überblick über die Einordnung als zivilrechtlich i. S. d. Art. 6 EMRK bei Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 48 ff.; Gundel, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 146 Rn. 22–28; Meyer-Ladewig / ​Harrendorf / ​König, in: Meyer-Ladewig / ​ Nettesheim / ​v. Raumer (Hrsg.), EMRK, Art. 6 Rn. 21 f.; Peukert, in: Frowein / ​Peukert (Hrsg.), EMRK, Art. 6 Rn. 17–19. 48 Gundel, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 146 Rn. 5. 49 Repräsentativ hierfür steht die Rechtsprechung des EGMR zu den Rechtsschutzmöglichkeiten bei überlanger Verfahrensdauer, die zur Einführung des Kompensationsanspruchs nach § 198 Abs. 1 S. 1 GVG führte, vgl. dazu auch Gundel, DVBl 2004, 17 und passim; W.-R. Schenke, NVwZ 2012, 257 (264), oder die Anforderungen an die Mündlichkeit des Normenkontrollverfahrens, vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1999 – Az.: 4 CN 9/98, BVerwGE 110, 203. Einen Überblick über die Einwirkungen des Art. 6 EMRK auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren bei Kraft, EuGRZ 2014, 666 (672–674). 50 Dörr, Der europ. Rechtsschutzauftrag dt. Gerichte, S. 55–57; ders., in: Sodan / ​Zikow (Hrsg.), VwGO, EVR Rn. 289.

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auch in parallel gelagerten Fällen als Leit- und Orientierungsmaßstab für einen europäischen Mindeststandard hinsichtlich der Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens dienen.51 Auch für die Situation der Gegenstandslosigkeit der Klage kann anhand der bisherigen Rechtsprechung des EGMR das generelle Rechtsschutzniveau relativ gut nachgezeichnet werden. Anhand dessen kann beurteilt werden, ob sich die nationalen Gerichte mit der Auslegung des einfachen Rechts im Rahmen der Vorgaben der Konvention bewegen. 2. Rechtsprechung des EGMR a) Zulässige Einschränkungen des Gerichtszugangs aa) Art. 6 EMRK Das in Art. 6 Abs. 1 EMRK enthaltene Recht auf Zugang zu Gericht ist kein absolutes. Es kann Einschränkungen unterworfen werden, solange damit ein legitimes Ziel verfolgt wird und sich das Mittel als verhältnismäßig erweist.52 Der Wesensgehalt des Rechts muss zudem unberührt bleiben.53 Dies ist konform mit den vorangegangenen Ausführungen zu den Rechtsschutzgarantien auf nationaler und Unionsebene und ist dem Umstand geschuldet, dass es sich um normgeprägte Grundrechte handelt, die auf die Ausgestaltung durch den nationalen Gesetzgeber angewiesen sind.54 Der EGMR belässt den Vertragsstaaten bei der Ausgestaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einen grundsätzlich weiten G ­ estaltungsspielraum.55 Einschränkungen des Gerichtszugangs im Interesse einer ordnungs­gemäßen Rechtspflege56 51

Zur Orientierungswirkung von Urteilen des EGMR BVerfG, Urt. v. 04.05.2011  – Az.: 2 BvR 2365/09, 740/10, 2333/08, 1152/10, 571/10, BVerfGE 128, 326 (368); BVerwG, Urt. v. 16.12.1999 – Az.: 4 CN 9/98, BVerwGE 110, 203 (210); ausführlich auch Grabenwarter / ​Pabel, EMRK, § 16 Rn. 8 f.; Kraft, EuGRZ 2014, 666 f.; Peters / ​Altwicker, EMRK, § 37 Rn. 18; Ress, ZaöRV 64 (2004), 621 (630 f.). 52 Grundlegend EGMR, Urt. v. 21.02.1975 – 4451/70, Series A Nr. 18 – Golder / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 38; Urt. v. 18.02.1999 – 26083/94, ECHR 1999-I, 393 – Waite u. Kennedy / ​ Deutschland, Rn. 59. 53 EGMR, Urt. v. 28.05.1985 – 8225/78, Series A Nr. 93 – Ashingdane / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 57; Urt. v. 27.08.1991 – 12750/87, 13780/88, 14003/88, Series A Nr. 209 – Philis  / ​ Griechenland, Rn. 59. 54 EGMR, Urt. v. 19.06.2001 – 28249/95, ECHR 2001-VI, 127, Kreuz / ​Polen, Rn. 53; Gundel, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 146 Rn. 76; Marauhn / ​Merhof, in: Dörr / ​Grote / ​Marauhn (Hrsg.), ERMK / ​GG, Bd. I, Kap. 7 Rn. 64; Meyer, in: Karpenstein / ​Mayer (Hrsg.), Art. 6 EMRK Rn. 10. 55 Meyer, in: Karpenstein / ​Mayer (Hrsg.), Art. 6 EMRK Rn. 53. Als Gründe für die Einschränkung des Gerichtszugangs anerkannt wurden bspw. das Ziel, eine Vielzahl von Klagen abzuwenden, EGMR, Urt. v. 08.07.1986 – 9006/80, 9262/81, 9263/81, 9265/81, 9266/81, 9313/81, 9405/81, Series A Nr. 102 – Lithgow u. a. / ​Vereinigtes Königreich. 56 So auch EGMR, Urt. v. 16.11.2000 – 39442/98, ECHR 2000-XII, 39 – Sotiris u. Nikos Koutras Attee / ​Griechenland, Rn. 20.

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Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

wie es beispielsweise für Fristenregelungen57 zutrifft, wurden insoweit als grundsätzlich zulässige Zugangsbeschränkungen anerkannt. Als legitimes Ziel zur Beschränkung des Gerichtszugangs wurden etwa die Verhinderung missbräuchlicher Klagen58 sowie die Vermeidung einer Überlastung des Gerichts durch Klagen von untergeordneter Relevanz59 gebilligt. Von einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK ist allerdings auszugehen, sobald die streitige Bestimmung den Zugang zu Gericht in bestimmten Situationen vollständig ausschließt.60 Die Anforderungen an die Beschränkung des Zugangs zu Gericht unterscheiden sich insoweit nicht wesentlich von den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Rechtsschutz im Erledigungsfall von einem besonderen Interesse abhängig zu machen, kann daher grundsätzlich als zulässige Beschränkung des Gerichtszugangs eingestuft werden. Belege aus der Rechtsprechung zur Vereinbarkeit mit der Verfahrensgarantie des Art. 6 Abs. 1 EMRK lassen sich hierfür allerdings nicht anführen. Soweit ersichtlich wurden Rechtsschutzmöglichkeiten im Erledigungsfall bislang ausschließlich im Zusammenhang mit Art. 13 EMRK erörtert. bb) Art. 13 EMRK Neben Art. 6 Abs. 1 EMRK tritt Art. 13 EMRK mit dem Recht auf eine w ­ irksame Beschwerde bei einer unabhängigen Instanz in Bezug auf eine behauptete Verletzung (arguable claim)61 eines materiellen Rechts aus der Konvention. Lange Zeit fristete Art. 13 EMRK neben Art. 6 Abs. 1 EMRK nur ein Schattendasein, was vor allem der Rechtsprechung des EGMR zuzuschreiben ist, die auch heute noch davon ausgeht, dass die Anforderungen, die an eine wirksame Beschwerde zu stellen sind, weniger streng sind, als jene, die für den Zugang zu Gericht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK gelten.62 Eine Prüfung neben Art. 6 Abs. 1 EMRK wird daher in der Regel nicht mehr vorgenommen.63 Von einer eigenständigen Bedeutung wurde 57

EGMR, Urt. v. 22.10.1996 – 22083/93, 22095/93, ECHR 1996-IV, 1487 – Stubbings u.  a.  / ​ Vereinigtes Königreich, Rn. 50–57; Urt. v. 19.05.2005  – 14021/02, ECLI:CE:ECHR:​2005:​ 0519JUD001402102 – Kaufman / ​Italien, Rn. 31–33; Urt. v. 14.06.2011 – 21974/07, ECLI:​CE:​ ECHR:​2011:0614JUD002197407 – Mercieca u. a. / ​Malta, Rn. 47. 58 EGMR, Urt. v. 28.05.1985 – 8225/78, Series A Nr. 93 – Ashingdane / ​Vereinigtes ­Königreich, Rn. 58. 59 EGMR, Urt. v. 27.11.2012  – 37569/06, ECLI:CE:ECHR:2012:1127JUD003756906  – Bayer und Gürbüz / ​Türkei, Rn.  43. 60 EGMR, Urt. v. 28.10.1999  – 28342/95, ECHR 2001-I, 143  – Brumarescu / ​Rumänien, Rn. 65. 61 EGMR, Urt. v. 16.03.1987 – 9248/81, Series A Nr. 116 – Leander / ​Schweden, Rn. 77; Urt. v. 27.04.1988 – 9659/82, 9658/82, Series A Nr. 131 – Boyle u. Rice / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 52–55. 62 EGMR, Urt. v. 25.04.1983  – 5947/72, 6205/73, 7052/75, 7107/75, 7113/75, 7136/75, ­Series A Nr.  67 – Silver u. a. / ​Vereinigtes Königreich, Rn. 110; dazu Békés, in: Liber Amicorum Nørgaard, 25 (27); Matscher, in: Festschrift Seidl-Hohenveldern, 315 f. 63 Nicht eindeutig erklärt ist jedoch die Art der Konkurrenz zwischen Art. 6 Abs. 1 und 13 EMRK.

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allerdings in der Rechtssache Kudla / ​Polen ausgegangen, mit der der EGMR gestützt auf Art. 13 EMRK die Forderung nach einem innerstaatlichen Rechtsbehelf gegen eine überlange Verfahrensdauer formulierte.64 Von Relevanz ist der Gewährleistungsbereich des Art. 13 EMRK zudem auch hinsichtlich des Rechtsschutzes gegen erledigte Eingriffe.65 b) Das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der europäischen Rechtsprechung Die Europäische Kommission für Menschenrechte66 kam in einem vorgeschalteten Verfahrensgang erstmals mit einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse als Beschränkung des Zugangs zu Gericht in Kontakt.67 Der Beschwerdeführer begehrte die gerichtliche Rechtswidrigkeitsfeststellung der polizeilichen Durchsuchung seines Wohnwagens. Nach Auffassung der nationalen Verwaltungsgerichte fehlte ihm allerdings nach Erledigung des Verwaltungsakts das notwendige Interesse i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Weder konnte eine Wiederholungsgefahr festgestellt werden, noch bestand ein Bedürfnis für eine Rehabilitierung des Klägers. Die Klage wurde folglich als unzulässig abgewiesen. Er wendete sich daraufhin unter Berufung auf eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK in Verbindung mit Art. 13 EMRK an die Kommission. Diese musste zwar auf einen Verstoß gegen Art. 13 EMRK nicht mehr eingehen, da eine Verletzung von Art. 8 Abs. 1 EMRK als offensichtlich unbegründet abzuweisen war. In einem Nebensatz erklärt die Kommission jedoch, dass die Auslegung des „berechtigten Interesses“ grundsätzlich nicht dazu führen dürfe, dass die Maßnahme unter jedem denkbaren Gesichtspunkt von einer gerichtlichen Überprüfung ausgeschlossen sein dürfte.68 Dieser Einschub sollte damals zum Nachdenken anregen. Denn zwar waren die Ausführungen der auf nationaler Ebene mit der Rechtssache befassten Verwaltungsgerichte nicht zu beanstanden, soweit sie ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Beschwerdeführers wegen Wiederholungsgefahr, aus Präjudizinteresse oder wegen Rehabilitierungsbedarfs verneinten. Ein berechtigtes Interesse wurde von dem Verwaltungsgericht erster Instanz und dieses bestätigend auch von der Berufungsinstanz jedoch auch 64

EGMR, Urt. v. 26.10.2000, 30210/96, ECHR 2000-XI, 197 – Kudla / ​Polen. So ausdrücklich Gundel, DVBl 2004, 17 (18); in diese Richtung auch Breuer, in: Karpenstein / ​Mayer (Hrsg.), Art. 13 EMRK Rn. 48; Richter, in: Dörr / ​Grote / ​Marauhn (Hrsg.), EMRK / ​ GG, Bd. II, Kap. 20 Rn. 42 Fn. 95. 66 Bis zum Inkrafttreten des 11. Protokolls zur EMRK im Jahr 1998 bestand das Rechtsschutzsystem aus drei Kontrollorganen. Neben dem Gerichtshof und dem Ministerkomitee des Europarats prüfte die Menschenrechtskommission in einem Vorverfahren die Verletzung eines Menschenrechts. Wurde dies bejaht, konnte der Gerichtshof für eine Entscheidung angerufen werden. Die Menschenrechtskommission wurde im Zuge der Neuregelung abgeschafft, vgl. zur Entwicklung Grabenwarter / ​Pabel, EMRK, § 6 Rn. 1–4. 67 Kommission, Entsch. v. 11.10.1988, Appl. No. 12474/86, Kanthak / ​Germany. 68 Kommission, Entsch. v. 11.10.1988, Appl. No. 12474/86, Kanthak / ​Deutschland; ähnlich Kommission, Entsch. v. 10.12.1986, Appl. No. 10949/84, N / ​Deutschland. 65

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Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

nicht aufgrund der Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Grundrecht auf Schutz der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG angenommen, da allein die Verletzung eines Grundrechts kein berechtigtes Interesse des Klägers begründen könnte. Damit stand dem Betroffenen letztlich keine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der polizeilichen Durchsuchungsmaßnahme offen, da sich die Maßnahme typischerweise noch vor Klageerhebung erledigte. Die deutschen Gerichte gehen zwar in einem solchen Fall mittlerweile im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes in der Regel von einem berechtigten Interesse des Klägers aus.69 Die entscheidende Rechtsprechungsänderung durch BVerwG und BVerfG erfolgten allerdings erst im Jahr 1997 und damit mehr als 10 Jahre nach der hier streitigen Verwaltungsgerichtsentscheidung. c) Rechtsschutzinteresse im Erledigungsfall Der EGMR selbst nahm schließlich in der Rechtssache Camenzind zur fehlenden gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Hausdurchsuchung nach ihrer Durchführung Stellung.70 Nach Auffassung der Schweizer Gerichte fehlte es dem Beschwerdeführer an einem aktuellen Rechtsschutzbedürfnis, da die Maßnahme beendet wurde und er nicht mehr länger beschwert war.71 Der EGMR konnte zwar die Vereinbarkeit der Hausdurchsuchung mit Art. 8 EMRK feststellen. Allerdings standen dem Beschwerdeführer keine wirksamen Beschwerdemöglichkeiten i. S. d. Art. 13 EMRK zur Verfügung. Diese hätte dem Beschwerdeführer jedoch offenstehen müssen, da nach Auffassung des EGMR es nicht von vornherein auszuschließen war, dass die Hausdurchsuchung das Recht des Beschwerdeführers aus Art. 8 EMRK auf Achtung seiner Wohnung verletzte (arguable claim).72 Nach den Feststellungen des EGMR fehlte es vorliegend an einer derartigen Möglichkeit, da eine gerichtliche Kontrolle an einem aktuellen Interesse des Klägers scheitern musste. Der noch vor Urteilsverkündung veröffentlichte Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte stellte aus diesem Grund eine Verletzung von Art. 13 EMRK fest. Vor diesem Hintergrund erscheint es keineswegs nur dem Zufall geschuldet, dass das BVerfG noch kurz vor der Entscheidung des EGMR in dieser Rechtssache die Anforderungen an ein Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung nach deren Durchführung verschärfte.73 Demnach verlange effektiver Rechtsschutz i. S. d. 69

So etwa OVG Nds., Beschl. v. 04.03.2015 – Az.: 4 LA 178/14, BeckRS 2015, 42630. EGMR, Urt. v. 16.12.1997 – 21353/93, ECHR 1997-VIII, 2880, Camenzind / ​Schweiz. 71 BGE 118 IV 67 (69) E 1c. 72 Insoweit ist es beachtlich, dass der EGMR eine Verletzung von Art. 13 EMRK annahm, obwohl es die Vereinbarkeit der Hausdurchsuchung mit Art. 8 EMRK feststellte. Entscheidend ist insoweit, dass der Kläger die Möglichkeit einer Rechtsverletzung überzeugend darlegen kann, vgl. hierzu auch de Bruyn, in: Mélanges en hommage à Lambert, 185 (192). 73 So Gundel, DVBl 2004, 17 (18 Fn. 7). Siehe zu dem Phänomen der Urteilsvorwirkung auch Ress, in: Maier (Hrsg.), Europ. Menschenrechtsschutz, 227 (274–276). 70

A. Deutschland  

273

Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG bei tiefgreifenden, jedoch nicht mehr fortwirkenden Grundrechtseingriffen auch dann eine gerichtliche Kontrollmöglichkeit, wenn sich der Eingriff dem typischen Verfahrensablauf nach auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann.74 In der Rechtssache Buck / ​Deutschland nahm der EGMR auf eben diese Entscheidung des BVerfG Bezug.75 Der Beschwerde lag wieder die Frage nach der Vereinbarkeit einer Hausdurchsuchung mit Art. 8 EMRK zugrunde. Der Gerichtshof führte aus, dass der Betroffene in ausreichendem Maße vor den Gefahren des Missbrauchs bei Durchsuchungen und Beschlagnahme geschützt sei. Mit Ausnahme einer Gefahr im Verzug erfolge die Anordnung der Durchsuchung grundsätzlich durch einen Richter. Zudem bestünde mit der Rechtsprechungsänderung des BVerfG auch die Möglichkeit, die richterliche Anordnung nachträglich gerichtlich überprüfen zu lassen. Das ist als Zustimmung gegenüber der Auslegungspraxis der deutschen Gerichte zu interpretieren. 3. Rechtsprechung nationaler Gerichte Die häufigsten Beschwerden, die den Gerichtshof erreichen, machen eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer geltend.76 Eine zu lange Dauer eines gerichtlichen Verfahrens kann naturgemäß zur Folge haben, dass sich der Klagegegenstand noch während des Verfahrens erledigt. Der Bayerische VGH musste in diesem Zusammenhang als Berufungsgericht entscheiden, ob sich eine überlange Verfahrensdauer auf die Auslegung des „berechtigten Interesses“ i. S. d. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO zugunsten der Klägerin auswirken könnte.77 Die Klägerin, eine Grundschullehrerin, richtete ihre Klage gegen die ihr gegenüber erfolgte Anordnung der Unterrichtung einer Deutschförderklasse. Die streitige Zuweisung hatte sich mit Ende des Schuljahres erledigt. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse konnte sich nach Auffassung des VGH nicht aus der überlangen Verfahrensdauer ergeben. Wörtlich formuliert er: „Eine unangemessen lange Verfahrensdauer hat nicht zur Folge, dass dem Betroffenen eine Rechtsstellung eingeräumt werden muss, die ihm nach dem zugrundeliegenden Recht nicht zusteht.“78 Die Klägerin sei daher wegen einer vermeintlichen überlangen Verfahrensdauer auf die Geltendmachung eines Kompensationsanspruches nach § 173 S. 2 VwGO i. V. m. §§ 198 ff. GVG zu verweisen. Systematisch ist dies nur folgerichtig. Der Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK wird im Wege des Entschädigungsanspruchs sanktioniert. Ihn darüber hinaus noch zusätzlich als Verfahrensmangel einzustufen, ist weder durch die Rechtsprechung des EGMR vorgegeben noch würde dies 74

Vgl. 1.  Kap. C. III. 1. a). EGMR, Urt. v. 28.04.2005 – 41604/98, ECHR 2005-IV, 1 – Buck / ​Deutschland, Rn. 46. 76 So etwa Gundel, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/1, § 146 Rn. 1. 77 BayVGH, Beschl. v. 16.11.2016 – Az.: 3 ZB 15/726. 78 Ebd., Rn. 10. 75

274

Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

dem Willen des Gesetzgebers79 entsprechen.80 Die Unionsgerichte sehen dies im Übrigen ebenso und lehnten ein Rechtsschutzinteresse gestützt auf die überlange Verfahrensdauer ab.81 Sie verwiesen den Kläger insoweit auf die Erhebung der Schadenersatzklage, um Schäden, die aus einer überlangen Verfahrensdauer resultieren, liquidieren zu können.82 4. Ergebnis Wesentliche Neuerungen in Bezug auf die Auslegung des „berechtigten Interesses“ des Klägers nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO ergeben sich aus europäischer Perspektive nicht. Die Auslegung des Rechtsschutzinteresses durch die Unionsgerichte wie auch die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 13 EMRK lassen sich vielmehr als Bestätigung der tradierten Rechtsprechung der deutschen Gerichte auffassen.83 Die Auslegung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses durch die nationalen Gerichte entspricht dem gebotenen Rechtsschutzniveau im Mehrebenensystem. Der heutige Stand der nationalen Rechtsprechung zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist damit auch Beleg für die Wechselwirkung zwischen der Rechtsprechung auf nationaler, europäischer und Unionsebene. Sicherlich handelt es sich dabei um keine „in Stein gemeißelte Erkenntnis“. Neuartige Herausforderungen vermögen entsprechende Anpassungen der Gerichte zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich machen. Entsprechende Impulse gingen bereits einmal, wenn auch kaum merklich, von der Rechtsprechung des EGMR aus, als dieser formulierte, dass Art. 13 EMRK auch dann eine effektive Beschwerdemöglichkeit fordere, wenn ungeachtet eines gegenwärtigen Interesses eine Kontrollmöglichkeit andernfalls ausscheiden müsste. Rechtsschutzeffektivität heißt demnach auch, von dem Erfordernis eines gegenwärtigen Interesses abzusehen, wenn anderenfalls Rechtsschutzmöglichkeiten generell ausgeschlossen wären. Die nationalen Gerichte haben entsprechende Anpassungen getroffen und auf das Erfordernis eines berechtigten Interesses des Klägers ausnahmsweise verzichtet. Sie haben damit auch demonstriert, dass das deutsche Modell neue Herausforderungen aufnehmen und ihnen begegnen kann. Dies steht der Konsistenz der nationalen Rechtsprechung nicht entgegen.84 Im Gegenteil: Würden die Gerichte auch in dieser speziellen Situation an der Forderung nach der Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger festhalten, könnte sich 79

Vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 16 Ziff. 6. Ebenso BVerwG, Beschl. v. 22.01.2013 – Az.: 2 B 89/11, NVwZ-RR 2013, 421 (422 f.). 81 EuG, Urt. v. 15.12.2016, Rs. T-199/04 RENV, Gul Ahmed Textile Mills / ​Rat, ECLI:EU:​ T:2016:740 Rn. 53. 82 So EuGH, Urt. v. 26.11.2013, Rs. C-40/12 P, Gascogne Sack Deutschland / ​Kommission, ECLI:EU:C:2013:768 Rn. 89. 83 Zur Bekräftigungswirkung Grabenwarter, in: Merten / ​Papier (Hrsg.), HGR VI/2, § 169 Rn. 56. 84 Zur Begrifflichkeit Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 6. 80

B. Rechtslage in Frankreich 

275

die Verwaltung einer gerichtlichen Kontrolle ohne Weiteres entziehen. Das würde nicht nur dem Ziel eines effektiven Rechtsschutzes entgegenstehen. Es wäre zudem ein rechtsstaatlich nicht zu akzeptierendes Ergebnis. Die Fortsetzungsfeststellungsklage bei sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten nimmt als weitere Fallgruppe ihren Platz neben den drei anerkannten Fallgruppen zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse ein und steht damit der durch die Rechtsprechung herausgearbeiteten Auslegungssystematik nicht entgegen. Die nationale Rechtsprechung geht damit sogar über die Forderung der Unionsgerichte hinaus und akzeptiert die Fortführung des Verfahrens unabhängig von einem rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interesse bei sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakten, um so entstehende Rechtsschutzlücken zu vermeiden. Die Unionsgerichte selbst haben zur Begründung eines fortbestehenden Rechtsschutzinteresses darauf bislang nicht abgestellt. Damit würden sie sich auch in Widerspruch zu ihrer anerkannten Auslegungspraxis setzen, die sich insoweit sehr streng an der Vorteilhaftigkeit des Urteils orientiert. Ein individueller Vorteil im Sinne einer Besserstellung des Klägers wäre durch das Nichtigkeitsurteil in diesem Fall nicht zu erreichen. Dementsprechend sollte den Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Akzo Nobel Chemicals zufolge ein Rechtsschutzinteresse auch nur anzunehmen sein, wenn der Grundrechtseingriff noch fortwirke.85 Auf die zeitlich begrenzte Wirkung des Verwaltungsakts wurde bisher kein Rückgriff genommen, was auch daran liegen dürfte, dass sich ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse bislang stets auf andere Weise bejahen ließ. Sollte es allerdings einmal zu einer derartigen Fallkonstellation kommen, würden sich die Unionsgerichte dem gleichen Dilemma ausgesetzt sehen wie einst die deutschen Verwaltungsgerichte: Über das individuelle Rechtsschutzinteresse wäre der Zugang zu Gericht mangels Vorteilhaftigkeit des Nichtigkeitsurteils nicht eröffnet. Da Art. 51 Abs. 3 GRCh allerdings einem Unterschreiten des Rechtsschutzstandards der EMRK entgegensteht, müssten auch die Unionsgerichte in einer derartigen Fallkonstellation den Rechtsweg eröffnen, um dem Anspruch an einen effektiven Rechtsschutz gerecht werden zu können. Ob sie sich dazu wieder an der überkommenen Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte orientieren und entgegen der anerkannten Dogmatik auf die Vorteilhaftigkeit des Urteils für den Kläger verzichten, bleibt abzuwarten, ist allerdings nach den Erkenntnissen dieser Arbeit zu erwarten.

B. Rechtslage in Frankreich Nachdem sich diese Arbeit auch mit der französischen Rechtslage beschäftigt hat, ist es nur konsequent zu hinterfragen, inwieweit dort Anpassungen unter dem Einfluss des Unionsrechts erforderlich werden und als wie anpassungsfähig sich das französische Recht erweist. 85 EuGH, Urt. v. 14.09.2010, Rs. C-550/07 P, Akzo Nobel Chemicals u. Akcros Chemicals / ​ Kommission, Slg. 2010, I-8301.

276

Kap. 4: Fortsetzungsfeststellungsinteresse und europäische Einflüsse  

I. Unionsrecht Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der französische Weg über die anhaltende objektiv beeinträchtigende Wirkung der Verwaltungsentscheidung am Maßstab des Art. 47 Abs. 1 GRCh und des Effektivitätsgebots eine Anpassung erfahren muss, auch weil dieser Lösungsweg dem der Unionsgerichte zum fortbestehenden Rechtsschutzinteresse nicht entspricht. Als Mindeststandard entnehmen die Unionsgerichte Art. 47 Abs. 1 GRCh, dass Rechtsschutz auch nach Entfallen des Klagegegenstandes zu gewährleisten ist, wenn eine fortwirkende Beeinträchtigung besteht. Dem können die französischen Verwaltungsgerichte mit ihrem Lösungsansatz gerecht werden, da subjektives Klägerinteresse und objektiv beeinträchtigende Wirkung der Verwaltungsentscheidung in der Regel „Hand in Hand“ gehen. Rechtsschutzmöglichkeiten stehen hier auch nach Entfallen des Klagegegentandes offen, sofern nur eine anhaltende Beeinträchtigung einer unionsrechtlich geschützten Rechtsposition gegeben ist. Damit wird das geforderte Mindestniveau an Rechtsschutz nach Entfallen des Klagegegenstandes gewährt. Darüber hinaus bestehen allerdings nach französischer Dogmatik keine weitergehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nach Entfallen des Klagegegenstandes. Rechtsschutz wegen Wiederholungsgefahr oder zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage ist nicht vorgesehen, auch dann nicht, wenn der Klage die Verletzung einer unionsrechtlichen Rechtsposition zugrunde liegt. Die Vorgehensweise im Eigenverwaltungsprozessrecht dient allerdings allenfalls als Indiz für die Grundsätze im Unionsverwaltungsprozessrecht. Da sowohl die Situation der Wiederholungsgefahr wie auch die eines Präjudizinteresses nicht durch eine andauernde Rechtsverletzung gekennzeichnet sind, ist es jedenfalls aus der Perspektive der Rechtsschutzeffektivität ausreichend, auf alternative Rechtsschutzmöglichkeiten zu verweisen. Der Einzelne ist tatsächlich nicht rechtsschutzlos gestellt. Eine Amtshaftungsklage kann unabhängig von einer Aufhebung der rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung im Wege des recours de pleine juridiction eingeklagt werden. Ein wiederholender Rechtsakt muss erneut mit dem recours pour excès de pouvoir angegriffen werden. Nach den obigen Feststellungen ist also den französischen Gerichten weder ein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz noch eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie vorzuwerfen. Dass sie sich gegen eine, zumindest im Hinblick auf eine potentielle Wiederholungsgefahr, prozessökonomische Vorgehensweise entschieden haben, mag zwar aus nationaler Sicht zu kritisieren sein86, führt jedoch nicht dazu, dass unionsrechtliche Pflichten damit verletzt werden.

86

Vgl. 2.  Kap. D. I. 2. a).

B. Rechtslage in Frankreich 

277

II. EMRK Neben Art. 47 Abs. 1 GRCh muss sich auch in Frankreich (verwaltungsgerichtlicher) Rechtsschutz am Maßstab der Art. 6  und 13 EMRK messen lassen. Die EMRK nimmt in Frankreich den Rang zwischen Verfassung und einfachem Gesetz ein. Die Kontrolle der Einhaltung der EMRK wird in Frankreich von den Fachgerichten übernommen, da der Conseil constitutionnel die Vereinbarkeit der Gesetze mit der Konvention nicht überprüft.87 Der EMRK und der Rechtsprechung des EGMR kommt in der nur wenig ausgeprägten französischen Grundrechtsdogmatik eine nicht unwesentliche Bedeutung zu; die französischen Gerichte orientieren sich in ihrer Rechtsprechung an den Vorgaben des EGMR.88 Teilweise gehen sie über die Anforderungen der EMRK sogar hinaus.89 Mit der Anerkennung des Rechts auf einen effektiven Rechtsschutz durch den Conseil Constitutionnel90 wurde auch der Rechtsschutzgarantie der Art. 6 und 13 EMRK Rechnung getragen.91 Der Forderung des EGMR nach ausreichend Rechtsschutzmöglichkeiten bei Erledigung der beschwerenden Maßnahme noch vor Klageerhebung können die französischen Verwaltungsgerichte unproblematisch Rechnung tragen. Sie gehen auch noch von der Zulässigkeit des recours pour excès de pouvoir aus, wenn der Klagegegenstand typischerweise vor Klageerhebung vollzogen wurde.92 Unter Anpassungsdruck stehen sie daher im Hinblick auf die Rechtsschutzgewährleistung bei typischerweise kurzfristig erledigten Verwaltungsentscheidungen nicht.

87

C. C., 15.01.1975, 74–54 DC, Rec. S. 19 (20); 12.05.2010, 2010–605 DC, Rec. S. 78 (81 f.). Vgl. zur Bedeutung der EMRK in Frankreich etwa Hochmann, in: Marsch / ​Vilain / ​Wendel (Hrsg.), Franz. und Dt. Verfassungsrecht, § 7 Rn. 22; Marsch, in: Ders. / ​Vilain / ​Wendel (Hrsg.), Franz. und Dt. Verfassungsrecht, § 6 Rn. 55; Wendel, in: Marsch / ​Vilain / ​Wendel (Hrsg.), Franz. und Dt. Verfassungsrecht, § 8 Rn. 27; umfassende Analyse bei Mellech, Die Rezeption der EMRK, S. 162–173. 89 Okitsu, Kobe University Law Review 47 (2013), 15 (32 f.); Schmaltz, in: R. P. Schenke / ​ Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 99 (119). 90 Vgl. 2.  Kap. D. I. 1. 91 Sommermann, in: R. P. Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 189 (202). 92 Vgl. 2.  Kap. D. I. 4. 88

Endergebnis Ungeachtet der konzeptionellen Unterschiede in den drei begutachteten Rechtsordnungen, konnte auf jeweils unterschiedliche Weise dem Anspruch an effektiven Rechtsschutz nach Entfallen des Klagegegenstandes Rechnung getragen werden: Während die deutschen Verwaltungsgerichte ein berechtigtes Interesse des Klägers prüfen, untersuchen die französischen Verwaltungsgerichte die objektiv nachteilige Wirkung einer Verwaltungsentscheidung. Auf Unionsebene wird die Fortführung des Verfahrens ebenfalls von einem fortbestehenden Klägerinteresse abhängig gemacht, wenngleich eine der Fortsetzungsfeststellungsklage vergleichbare Umstellungsmöglichkeit nicht vorgesehen ist. Trotz unterschiedlicher Anknüpfungspunkte kommt es zu weitgehenden Überschneidungen in den verschiedenen Fallkonstellationen. Selbst in Frankreich, wo die Darlegung eines subjektiven Klägerinteresses nicht erforderlich ist, kann subjektiven Rechtsschutzanliegen Rechnung getragen werden. Auch die Fortführung der Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV wird durch individualrechtsschützende Wertungen bestimmt. Wenn sich damit deutsche und europäische Rechtsprechung an der Auslegung des Rechtsschutzinteresses treffen und zudem Überschneidungen mit dem französischen Ansatz festzustellen sind, ist dies ein Beleg für die aktuellen Konvergenzbewegungen in der Europäischen Union, mit der der subjektive Rechtsschutz und die Rechte des Einzelnen zunehmend in den Fokus des Rechtsschutzsystems rücken.1 Das hat natürlich auch zur Folge, dass die Klagesysteme zunehmend eine duale Struktur annehmen, wodurch die Bedeutung einer eindeutigen Zuordnung zu einem subjektiven oder objektiven Rechtsschutz stetig abnimmt.2 Die Untersuchung zeigt zudem, dass unter unionsrechtlichem Einfluss kein einheitlicher Lösungsweg zu verlangen ist. Die französischen Verwaltungsgerichte haben sich für einen anderen Ansatz entschieden, bleiben damit aber nicht hinter dem europäischen Rechtsschutzniveau zurück. Unterschiede in den Klageformen sind damit nach wie vor vorhanden und können auch aufgrund des unterschiedlichen Verständnisses von Gewaltenteilung und Zweck des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht ohne Weiteres einer Anpassung unterzogen werden. Solange trotz vielfältiger Unterschiede den Anforderungen an einen effektiven Rechtsschutz entsprochen wird, kann auf Anpassungen ohnehin verzichtet werden. Ein funktionales

1

Allgemein zur „Konvergenzbewegung des Verwaltungsprozessrechts“ Fromont, in: ­Mélanges Chapus, 197 und passim; Ludwigs, NVwZ 2018, 1417 (1422); Sommermann, in: R. P. Schenke / ​ Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der EU, 189 (199–207, insbes. 205 f.); ders., in: Festschrift Merten, 443 und passim. 2 Sommermann, DÖV 2002, 133 (142).

Endergebnis

279

Äquivalente kann – wie auch im Rechtsvergleich mit Frankreich deutlich wurde – ausreichend sein. Schließlich konnte die Untersuchung der verschiedenen Rechtsordnungen den Blick für die hinter einer Fortsetzung der Klage stehenden Wertungen wieder schärfen. Die Fokussierung der Unionsgerichte auf das fortbestehendes Rechtsschutzinteresse und die Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung für den Kläger sollte auch durch die deutschen Verwaltungsgerichte wieder mehr gewürdigt werden. Der Umgang der Unionsgerichte mit den Fallgruppen, insbesondere die enge Auslegung und die Orientierung an der subjektiven Vorteilhaftigkeit gibt Anlass, die kritische Entwicklung der Fortsetzungsfeststellungsklage im Fall einer Wiederholungsgefahr nochmals zu überdenken. Aus der rechtsvergleichenden Untersuchung können damit gewisse Lerneffekte resultieren.

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Sachverzeichnis Abgrogation  115, 119 Achtung des Privat- und Familienlebens ​ 180 ff. Acte administratif  102, 106, 108, 116 Allgemeines Persönlichkeitsrecht  47 ff., 51 ff., 92, 188, 193 f. Allgemeines Rechtsschutzinteresse  39 f. Amtshaftung  34, 71, 79, 82 ff., 92 f., 96, 101, 127, 130 f., 188, 206 ff., 233 f., 247 ff., 259, 276 Anfechtungsklage  33, 69 ff., 99, 103, 109 ff., 112, 114, 116 ff., 252, 262 Anhängigkeit  85, 208, 211 Äquivalenzgebot  260 ff. Art. 13 EMRK  268 ff. Art. 131 VerfO-EuG  136, 141 ff., 144, 156 Art. 149 VerfO-EuGH  136, 141 ff., 144, 156, 223 Art. 16 GRCh  183, 185 Art. 17 GRCh  182 Art. 19 Abs. 4 GG  35 ff., 54 ff., 124 f., 154, 160 ff., 178, 257 f., 268, 270, 273 Art. 47 Abs. 1 GRCh  154, 160 ff., 178, 196, 204, 237, 252, 257 ff., 276 f. Art. 6 EMRK  160, 169, 181, 196, 268 ff. Aufschiebende Wirkung  68, 104, 140, 158 Auslegung  34 ff., 89 ff., 93 ff., 161 ff., 167 ff., 217, 220, 257 ff. Beamtenrechtliche Beurteilung  230 ff. Begründetheit  51 f., 88, 103, 155, 166 Beibringungsgrundsatz 158 Beihilfenrecht  171 f., 209 ff., 251, 265 Berufungszulassungsverfahren 35 Conseil constitutionnel  104, 125, 277 Conseil d’État  117, 119, 125, 126, 130, 157 Contentieux de l’interprétation  101 Contentieux de pleine jurisdiction  101, 104 f., 130 f., 276

Décision implicite  247 Dienstleistungsfreiheit 261 Diskriminierung  47 ff., 115, 173 f., 182 ff., 259 Dispositionsgrundsatz  110, 124, 156 Disziplinarmaßnahmen  128 f., 229 f. Effektivitätsgebot  260 ff., 276 Einschränkung der Rechtsschutzgarantie  61, 168 f., 178 Entfallen des Klagegegenstandes – nach Klageerhebung  86, 137 ff., 141 ff., 243 – vor Klageerhebung  34 f., 82, 107, 130, 140 f., 144 f., 242 f., 277 Erledigungserklärung  78, 80, 110, 112, 122 f., 143, 156, 159, 223, 245 EuGöD 222 Fallgruppenbildung  31 f., 34, 45 ff., 89, 93, 125, 167 ff., 216 ff., 225 ff., 229, 241 f., 251 ff., 257 ff. Feststellungsklage, allgemeine  32 f., 38 f., 237 Finanzgerichte  93 ff. Fortsetzungsbonus  31 ff., 45 Fruchterhalt, prozessualer  32, 45, 86, 127, 215 f. GASP-Beschluss  176 f., 181 Gestaltungsurteil  195, 237 f. Gewaltenteilung  44, 68, 121, 157 Grundfreiheiten  260 ff. Haft  117 f. Hausdurchsuchung  130, 272 f. Idealmodel  87, 99, 105, 134 Immaterieller Schaden  181 ff. Individualrechtsschutz  36 ff., 87 f., 98, 161 ff., 196, 251 ff.

Sachverzeichnis Individuelle Betroffenheit  152, 155, 162 f., 209, 216, 241, 265 Injonctions  121 f., 125, 159 Institutionelles Gleichgewicht  154, 237 f., 253 Interesse der Beklagten  78 ff. Interessenwegfall  122, 137, 139, 246 Intérêt à agir  103 f., 147, 168 Klageänderung  32, 143, 221, 239, 244 f. Klagebefugnis  38, 61, 88, 153 Klagegründe  155, 182, 221, 237, 244 Klagerücknahme  143, 156 Klageumstellung  239 f., 244 f. Kontrolldichte  132, 154, 164 Kostenentscheidung  84, 110, 143 Leistungsklage  33, 101 Leitbild 258 Nichtzulassungsbeschwerde  35 f. Non-lieu à statuer  107, 123 Persönliche Ehre  180 ff., 193 f. Popularklage  104, 150, 155 Postmortaler Ehrschutz  192 ff. Präjudiz  43 ff., 70 f., 82 ff., 92 f., 96, 130 f., 206 ff., 233 f. Prozessökonomie  45, 84 f., 127, 168 f., 244, 262 Reaktionsanspruch  51, 60 ff. Rechtskraft  70 ff., 85, 126, 199 ff., 268 f. Rechtsmittel  35 f., 222 ff. Rechtssache Abdulrahim / Rat u. Kommission  177, 186 ff., 194 ff. Rechtssache Akzo Nobel Chemicals u. Akcros Chemicals / Kommission  225 ff., 275 Rechtssache Buck / Deutschland  273 Rechtssache Camenzind / Schweiz  272 Rechtssache Cohn-Bendit  117 Rechtssache Cullin / Kommission  188 Rechtssache Dame Lamotte  125 Rechtssache Enviro Tech Europe u. Enviro Tech International / Kommission  184 Rechtssache First Data u. a. / Kommission ​ 211

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Rechtssache Gordon / Kommission  230 f. Rechtssache Greenpeace u. a./Kommission  152 Rechtssache Kadi I, II  189 f., 254 Rechtssache Könecke/Kommission  141, 146 Rechtssache Les Verts / Parlament  163, 218 Rechtssache M. / Kommission  229 f. Rechtssache Mehrzi  117 Rechtssache Mory u. a. / Kommission  206, 210 ff. Rechtssache Planet / Kommission  147, 185 Rechtssache Portnov / Rat  179 f., 259 Rechtssache Reliance Industries / Rat und Kommission 203 Rechtssache Rendo u. a. / Kommission  223 Rechtssache RSV / Kommission  172 Rechtssache Segi u. a. / 15 Mitgliedstaaten der EU  181 Rechtssache Shanghai Excell M&E Enterprise u. Shanghai Adeptech Precision /  Rat 217 Rechtssache Simmenthal / Kommission  141, 146, 197 f. Rechtssache Socratec / Kommission  208 Rechtssache Stahlwerke Peine-Salzgitter/ Kommission 244 Rechtssache Stephan  127 f. Rechtssache Strack / Kommission  231 f. Rechtssache Tiedeland Signal / Kommission 219 Rechtssache Unión de Pequeños Agricul­ tores / Rat  162 f. Rechtssache Wenig / Kommission  229 Rechtssache Wunenburger / Kommission  232 Rechtsschutz, vorbeugender  67 ff., 94 f., 126 f., 204, 259 Rechtsvergleichung  29, 99, 105, 123, 192 ff., 196, 265, 279 Recours administratifs  108 Recours pour excès de pouvoir  102 ff., 148, 155 f., 166, 235 f., 247, 252, 276 f. Rehabilitationsinteresse  47 ff., 78, 91 f., 96, 118, 127 ff., 172 ff., 229 ff. Restriktive Maßnahmen  173 ff. Retrait  106, 108, 112 Richtlinie  138, 141, 149, 184 Rufschädigung  173, 179 ff., 189

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Sachverzeichnis

Schadenersatzklage  82 ff., 92, 96, 130 f., 158, 163, 183, 188, 193, 207 ff., 225, 227, 228, 233 ff., 250 f., 274 Schweigen  244, 247 Sozialgerichte  89 ff. Stellungnahmefrist  220, 242 f. Stigmatisierung  48 ff., 129, 179, 181, 188 f., 259 Strafbarkeit  47 ff., 196, 259 Streitgegenstand  70 ff., 138 ff., 201 f., 205, 239, 244, 248 ff.

Verfahrensordnung  223 f., 240 Verhältnismäßigkeitsprinzip  84, 262 Verobjektivierung  41 ff. Verpflichtungsklage  35, 121, 154, 157, 159, 240, 249 f. Verwaltungskontrolle  41 ff., 72 ff., 100 ff., 156 Vorverfahren  38, 108, 228, 233 f., 243, 245, 248

Terrorliste  176 ff. Tiefgreifender Grundrechtseingriff  54 ff., 272 f. Typischerweise kurzfristige Erledigung  53 ff., 88, 91 f., 97, 130, 217 ff., 254 f., 262 266, 274 f.

Waffengleichheit 80 Wahrung des Rechts  154 Wesensgehalt  258, 262, 269 Wiederholungsgefahr  66 ff., 81, 87 f., 90 f., 94 f., 126 f., 146, 149, 185, 197 ff., 222, 225, 232 f., 238, 259, 271, 276 Wiederholungsvorbeugungsinteresse /  Weiterverfolgungsinteresse 66

Übereinstimmende Erledigungserklärung  110, 142 f., 156, 159 Überlange Verfahrensdauer  270 ff. UN-Resolution  163 f., 176 f., 189 ff. Unionsverwaltungsprozessrecht  152 f., 257 ff. Untätigkeitsklage  143, 156 ff., 238, 240 ff., 253 Unterlassungsklage  69 ff., 126 Untersuchungsgrundsatz  88, 134

Zeitablauf  94, 108, 110, 120, 139, 141, 149, 218 Zugang – zu Dokumenten  139 f., 198 ff., 226, 246 – zu Gericht  36, 39, 45, 53, 56, 83, 160, 168, 178, 250, 258 f., 262, 269 ff. Zuständigkeit  131, 188, 212, 215, 228, 254, 268