Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Recht der Schuldverhältnisse, 9 [Reprint 2018 ed.] 9783110588514, 9783110237221

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Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen: Recht der Schuldverhältnisse, 9 [Reprint 2018 ed.]
 9783110588514, 9783110237221

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen
Unerlaubte Handlungen
Sachregister

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Entscheidungen

des Reichsgerichts in Zivilsachen Sammlung der noch wichtigen Entscheidungen nach Fachgebieten geordnet Herausgegeben von Professor Dr. L. Auerbach, Berlin, Präsident des Reichspatentamtes a. D. Dr. Johannes Eylau, München, R e c h t s a n w ä l t i n Charlotte Graf, Berlin, Ministerialdirektor z . W v . Senatspräsident Dr. Ernst Knoll, Berlin, R e c h t s a n w a l t Erich Kommerow, Berlin, R e c h t s a n w a l t H e r m a n n Reusa, Berlin, R e c h t s a n w a l t Dr. Walter Schmidt, Düsseldorf, Landgerichtsdirektor Alexander Swarzenski, Berlin, R e c h t s a n w a l t Dr. Werner Vahldiek, Berlin Gruppe I Bürgerliches

Recht

Recht der Schuldverhältnisse Teil 9

Berlin

1952

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J . Gögchen'sche Verlagshandlung / J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung / Georg Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp.

Recht der Schuldverhältnisse

Herausgegeben von

Dr. Emst Knoll Ministerialdirektor z. V v , Senatspräsident

Teil 9

Berlin

1952

Walter de Gruyter & Co. •ormala G. J . Göschen'sche Verlagehandlung / J . Gattentag, Verlag»bachhandlang / Georg Reimer / Karl J . Trübner / Veit & Comp.

Archiv-Nr. 28 17 52 S a t i u n d D r u c k : A. W. H a y n ' s

Erben, Berlin

SO 36

V

Inhaltsverzeichnis Seit«

Verzeichnis der aufgenommenen Entscheidungen

VII

Recht der Schuldverhältnisse Teil 9 Besonderer Teil Unerlaubte Handlungen Sachregister

1 374

VII

Verzeichnis ;en aus der alten Sammlung

der aufgenommenen RGZ.

50, 50, 52, 53, 53, 53, 54, 55, 55, 56, 58, 58, 59, 59, 59, 59, 59, 59, 60, 60, 60, 60, 60, 61, 61, 61, 61, 63, 64, 65, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 71, 71, 72. 74, 74, 74, 74, 74,

60 219 236 53 276 312 73 24 367 271 357 393 8 49 104 236 305 326 1 138 294 300 313 54 250 366 430 146 344 103 290 251 431 429 422 48 170 217 432 175 1 131 143 224 249

Seite

RGZ.

1 7 12 15 20 20 23 25 29 29 42 46 53 55 55 57 58 59 61 65 67 70 70 71 72 75 79 83 88 90 93 94 97 100 102 108 111 113 115 119 121 125 127 130 135

74, 74, 75, 75, 76, 76, 76, 77, 78, 78, 78, 79, 79, 79, 82, 82, 82, 83, 84, 85, 86, 86, 87, 88, 88, 90. 90. 90. 91, 91, 91. 91. 91, 92. 92, 92. 92, 93, 93. 94. 94, 95. 95, 95. 95,

Seite 250 375 251 302 110 225 409 211 14 107 389 55 101 194 112 206 299 65 294 440 96 191 1 406 433 65 106 226 60 72 80 350 398 125 345 359 401 19 302 1 220 61 173 238 283

136 140 142 147 152 154 156 156 158 162 166 166 171 175 178 181 189 189 191 194 196 197 197 200 203 207 210 214 216 219 226 228 229 233 235 238 243 245 249 252 256 258 261 262 265

VIII RGZ.

96, 97, 97, 98, 100, 100, 101, 101, 101, 102, 102, 102, 102, 103, 105, 106,

224 229 343 24 69 175 1 307 335 38 77 223 372 419 336 283

Seite

RGZ.

267 270 273 277 281 282 284 286 286 293 299 299 301 304 308 310

107, 107, 108, 108, 113, 115, 115, 115, 116, 117, 118, 118, 119, 119, 121, 123,

Seite

386 337 58 86 293 74 289 416 286 423 91 312 204 435 400 271

314 314 317 319 323 327 335 342 344 346 349 352 356 360 363 366

Die Entscheidungen sind grundsätzlich — von unwesentlichen Streichungen abgesehen — ungekürzt gebracht worden. Ausnahmsweise gekürzte Entscheidungen sind mit einem f gekennzeichnet. Soweit eine Entscheidung mehrere Fachgebiete betrifft, ist sie nur in einem Fachgebiet aufgenommen worden. Die anderen Gebiete enthalten nur den Leitsatz der betreffenden Entscheidung mit einem Hinweis, wo der vollständige Abdruck erfolgt ist. Um das Auffinden der Entscheidungen zu erleichtern, wird am Schluß der Sammlung ein Gesamt-Fundstellenregister erscheinen, in dem alle Entscheidungen der amtlichen Sammlung verzeichnet sind. Die in der Sammlung abgedruckten Entscheidungen sind nach der Fundstelle der alten und der neuen Sammlung zitiert; bei den nicht aufgenommenen findet sich ein Hinweis über den Grund des Ausscheidens.

Besonderer Teil Unerlaubte Handlungen (ohne § 8 3 9 B G B . ) R G Z . 50, 6 0 1. H a f t e n i m F a l l e d e s § 8 3 2 B G B . die E l t e r n a u c h dann, wenn sie n a c h g e w i e s e n haben, d a B s i e den an sie in betreff d e r Aufsicht zu s t e l l e n d e n A n f o r d e r u n g e n genügt, die Kinder a b e r ihre Anordnungen nicht befolgt h a b e n ? 2. Sind sie zum E r s ä t z e d e s durch ihre Kinder einem Dritten d u r c h e i n e objektiv w i d e r r e c h t l i c h e Handlung zugefügten S c h a d e n s nur dann verpflichtet, wenn die K i n d e r bei Begehung d e r T a t schuldhaft gehandelt h a b e n ? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Stettin.

U r t . v. 30. D e z e m b e r

1901.

II. Oberlandesgericht daselbst.

A m 24. J u n i 1 9 0 0 s c h o ß auf d e r S t r a ß e zu B r . d e r zehnjährige S o h n d e r B e k l a g t e n , Rudolf S t r . , m i t e i n e m F l i t z b o g e n . E r traf mit e i n e m a b g e s c h o s s e n e n P f e i l e das r e c h t e A u g e des e b e n f a l l s zehn J a h r e alten Klägers. D a s A u g e m u ß t e auf o p e r a t i v e m W e g e e n t f e r n t werden. D e n E r s a t z des ihm h i e r d u r c h e n t s t a n d e n e n S c h a d e n s v e r l a n g t e K l ä g e r v o n den B e k l a g t e n , weil d i e s e die ihnen o b l i e g e n d e Aufsichtspflicht über ihren Sohn gröblich vernachlässigt hätten. In b e i d e n I n s t a n z e n w u r d e d e r S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h des K l ä g e r s dem G r u n d e nach für f e s t g e s t e l l t e r k l ä r t . Auf die R e v i s i o n der B e k l a g t e n ist das U r t e i l des Berufungsg e r i c h t e s a u f g e h o b e n , und die S a c h e zur a n d e r w e i t e n V e r h a n d l u n g und E n t s c h e i d u n g an das B e r u f u n g s g e r i c h t z u r ü c k v e r w i e s e n , aus den folgenden G r ü n d e n : „1. D a s B e r u f u n g s g e r i c h t h ä l t die B e k l a g t e n für v e r p f l i c h t e t , den d e m K l ä g e r durch den S c h u ß des R u d o l f S t r . e r w a c h s e n e n S c h a d e n zu e r s e t z e n , w e i l v o n ihnen d e r B e w e i s nicht geführt sei. und aus den v o r g e b r a c h t e n T a t s a c h e n sich auch nicht e r g e b e n w ü r d e , daß sie i h r e r A u f s i c h t s p f l i c h t genügt h a b e n o d e r d a ß d e r S c h a d e auch bei g e h ö r i g e r Aufsichtsführung e n t s t a n d e n sein w ü r d e . Zur B e g r ü n d u n g Zivils. Sdiuldredit 9

1

2

Schuldrecht, Besonderer Teil

dieser Annahme führt das Gericht aus, daß die Eltern den Kindern den Besitz von gefährlichen Spielzeugen, wie Armbrüsten, Flitzbogen, zwar gestatten dürfen, und daß sie auch nicht verbunden seien, die Kinder beim Spielen ständig zu beaufsichtigen; es sei von ihnen aber zu fordern, daß sie das Spielzeug der Kinder im Auge und diese selbst so erzogen haben, daß ihnen der Besitz solcher gefährlichen Spielzeuge nicht verborgen bleibe, und daß sie, wenn sie Kenntnis davon haben, die Kinder ernstlich ermahnen, mit dem Spielzeuge vorsichtig umzugehen. Der im Besitz des Rudolf Str. gewesene Flitzbogen sei ein gefährliches Spielzeug gewesen. Der Knabe habe ihn schon seit Monaten besessen, habe damit ganz offen gespielt und auf Hühner, Vögel, Häuser geschossen. Da die Zeugin R. dies wiederholt beobachtet, so könne es nur auf einer Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht beruhen, wenn den Beklagten dies entgangen sei, und könnten sie sich nicht damit entschuldigen, daß ihr Sohn den Bogen an einem Orte aufbewahrt habe, wo er ihren Blicken entzogen gewesen sei. Die mitverklagte Ehefrau habe übrigens erwiesenermaßen von dem Besitze des Flitzbogens vor dem Unfälle Kenntnis gehabt. Dem verklagten Ehemanne sei diese Kenntnis allerdings nicht nachgewiesen; es sei aber nicht erforderlich, auf die vom Kläger hierfür angetretenen Beweise einzugehen, weil der verklagte Ehemann den ihm obliegenden Beweis der Nichtkenntnis nicht geführt habe, und das, was er zum Beweise hierfür angeführt habe, nicht genügend sei, um den Beweis zu erbringen. Von den Beklagten sei hiernach nicht nachgewiesen, daß sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben, von dem verklagten Ehemanne nicht, weil er nicht dargetan habe, daß er ohne Verschulden von dem Besitze des Flitzbogens keine Kenntnis gehabt, oder daß er, wenn er diese Kenntnis gehabt, seinen Sohn ernstlich dazu angehalten habe, nicht auf andere Kinder zu schießen, von der verklagten Ehefrau nicht, weil sie diesen letzteren Nachweis nicht erbracht, obwohl sie jene Kenntnis gehabt habe. Diese Ausfuhrungen sind, wie auch die Revision hervorhebt, nicht frei von Bedenken. Die Eltern haben allerdings nach den §§ 1627, 1634 B G B . das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen. Diese Sorge umfaßt nach § 1631 daselbst das Recht und die Pflicht, das Kind zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen. Sie haften nach § 832 für einen von ihren minderjährigen Kindern einem Dritten widerrechtlich zugefügten Schaden, wenn sie nicht nachweisen, daß sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben, oder daß der Schade auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde. Die Eltern haben hiernach nicht dafür einzustehen, daß die Erziehung und Beaufsichtigung des Kindes auch einen günstigen E r folg herbeigeführt hat, sondern nur dafür, daß sie das Kinder tatsächlich genügend beaufsichtigt haben.

3 Das Berufungsgericht führt nun aus, daß von den Eltern zu verlangen sei, daß sie das Spielzeug ihrer Kinder soweit im Auge haben und diese selbst so erzogen haben, daß ihnen der Besitz gefährlicher Spielzeuge nicht verborgen bleibe. Das Berufungsgericht hält die Eltern also auch dann für haftbar, wenn sie das Spielzeug der Kinder zwar gehörig beaufsichtigt haben, diesen es aber doch gelungen ist, gefährliches Spielzeug den Blicken der Eltern zu entziehen, wenn also die Erziehung nicht den Erfolg gehabt hat, daß ihnen die Kinder gefährliches Spielzeug nicht verbergen. Diese Annahme entspricht indes nicht der Vorschrift des § 832 a. a. O., nach welcher die Haftbarkeit der Eltern schcm dann ausgeschlossen ist, wenn sie den Nachweis der genügenden Beaufsichtigung der Kinder erbringen, sie aber nicht dafür aufkommen müssen, daß die Beaufsichtigung und Erziehung auch einen günstigen Erfolg gehabt hat. Das Berufungsgericht findet ferner darin eine Vernachlässigung der den Beklagten obliegenden Aufsichtspflicht, wenn, obwohl dies die Zeugin R. gesehen habe, ihnen entgangen sei, daß ihr Sohn Rudolf schon seit Monaten im Besitze des Flitzbogens gewesen sei und mit demselben ganz offen gespielt, auf Hühner, Vögel und Häuser geschossen habe, und sie könnten sich nicht damit entschuldigen, daß ihr Sohn den Bogen an einem ihren Blicken entzogenen Orte aufbewahrt habe. Eis ist indes nicht ersichtlich, weshalb die Beklagten das Schießen ihres Sohnes mit dem Flitzbogen sollten haben wahrnehmen müssen, weil es die Zeugin R. gesehen hat. Es ist nicht festgestellt, zu welcher Zeit und an welchem Orte das vor dem 24. Juni erfolgte Schießen stattgefunden hat. Wie das Berufungsgericht vorher zutreffend ausgeführt hat, sind die Eltern nicht verpflichtet, das Spiel ihrer Kinder ständig zu beaufsichtigen. Hat nun ihr Sohn Rudolf zu einer Zeit geschossen, wo er die Eltern abwesend oder beschäftigt wußte, hat er hierzu eine Stelle gewählt, bei der es zwar die Zeugin R. von ihrem Fenster aus sehen konnte, nicht aber die Beklagten von ihrer Wohnung, so würde aus dem vom Berufungsgerichte hervorgehobenen Umstände nicht ohne weiteres eine Vernachlässigung der Aufsichtspflicht zu entnehmen sein. Weshalb die Beklagten ihre Unkenntnis von dem Besitze des Flitzbogens nicht damit entschuldigen könnten, daß der Sohn denselben an einem ihren Blicken entzogenen Orte aufbewahrt habe, hat das Berufungsgericht nicht angegeben. Sollte es der Ansicht sein, daß sie sich deshalb nicht entschuldigen könnten, weil sie für den Erfolg der Erziehung einstehen müßten, so würde dies, wie erwähnt, unzutreffend sein. Das Berufungsgericht begründet auch die Ausführung nicht, daß dem verklagten Ehemanne der Beweis seiner Unkenntnis von dem Vorhandensein des Flitzbogens obliege. Nach dem Gesetze hat er nur nachzuweisen, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt hat. Hat er

4 dies bewiesen, und verlangt Kläger trotzdem Schadensersatz, weil der verklagte Ehemann Kenntnis von dem Besitze des Flitzbogens hatte, und es deshalb zu seinen Pflichten gehörte, dafür zu sorgen, daß sein Sohn nicht unvorsichtig mit demselben umgehe, so muß Kläger die b e h a u p t e t e Kenntnis beweisen. Das Berufungsgericht mußte deshalb zunächst prüfen, ob die Beklagten nachgewiesen oder durch Angabe geeigneter Tatsachen in gehöriger Weise unter Beweis gestellt haben, daß sie ihrer Aufsichtspflicht genügt haben. In dieser Beziehung haben Beklagte unter Bezeichnung von Beweismitteln namentlich angegeben, daß ihr Sohn ein ruhiger, gehorsamer und wohlerzogener Knabe sei, der in und außerhalb der Schule zu irgendwelchem Tadel über sein Betragen keine Veranlassung gegeben habe. Das Berufungsgericht hat sich aber nicht darüber ausgesprochen, ob im Falle der Richtigkeit dieser Tatsachen der Beweis, der Aufsichtspflicht genügt zu haben, als erbracht anzusehen sein würde. 2. Die Beklagten haben aber auch geltend gemacht, daß der Vorfall selbst bei der weitestgehenden Aufsicht nicht habe verhindert werden können, weil ihr Sohn den Kläger beim Spiele habe auf den R ü c k e n schießen wollen und der Unfall nur dadurch eingetreten sei, daß der Kläger gerade in dem Augenblicke des Abschießens den Kopf gehoben und sich umgedreht habe. Das Berufungsgericht hält diesen Einwand für unerheblich, weil Rudolf Str. auf andere Kinder überhaupt nicht habe schießen dürfen, da immer die Möglichkeit vorliege, daß ein leicht verletzbarer Körperteil, wie z. B. das Auge, getroffen werde. Es sei deshalb die Pflicht der Beklagten gewesen, dies zu verhindern. Daß sie dies nicht erreicht haben würden, wenn sie das Spielzeug des Sohnes gehörig im Auge gehabt und ihm untersagt hätten, auf andere Kinder zu schießen, sei nicht anzunehmen, wenn, wie sie selbst behaupten, ihr Sohn ein ruhiger und folgsamer Knabe sei. W ü r d e man aber annehmen müssen, daß er dem Verbote nicht Folge geleistet hätte, so würde sie der Vorwurf treffen, daß sie es nicht verstanden haben, den Knaben zum Gehorsam zu erziehen, und hierin die Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflicht liegen. Das Berufungsgericht erachtet also auch diesen Einwand für nicht begründet, weil die Eltern für den Erfolg der Erziehung aufkommen müssen, während § 832 BGB. ihre Haftung für den durch ihre Kinder verursachten Schaden ausschließt, wenn sie beweisen, daß sie i h r e r Aufsichtspflicht genügt haben. Aber selbst wenn sie diesen Nachweis nicht erbringen können, sind sie auch dann nicht zum Schadensersätze verpflichtet, wenn sie dartun, daß der Schade auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde, also auch dann, wenn die erforderliche Aufsicht bzw. Erziehung nicht den Erfolg gehabt hat, die schädigende Handlung zu verhüten.

5 Es mußte deshalb zunächst geprüft werden, was unter den vorliegenden Umständen verständige Eltern nach den vernünftigerweise an sie zu stellenden Anforderungen zur Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht hätten tun müssen, namentlich ob und inwieweit sie ihren Sohn Rudolf darüber hätten belehren müssen, wie er mit seinem Spielzeuge umgehen müsse, und ob ihnen eine Verpflichtung zur Belehrung auch oblag, wenn sie von dem Vorhandensein des Flitzbogens keine Kenntnis oder keinen Grund zu der Annahme hatten, daß ihr Sohn mit demselben Schaden anstiften werde. Dabei wird zu beachten sein, daß nicht jedes Spielzeug als ein gefährliches angesehen werden kann, durch welches unter besonders unglücklichen Verhältnissen einem anderen Menschen eine erhebliche Körperverletzung, wie die Beschädigung seines Auges, zugefügt werden kann. Denn dies kann unter besonderen Umständen fast durch jeden Gegenstand geschehen, der im täglichen Leben auch bei Beobachtung der im Verkehre erforderlichen Sorgfalt als ungefährlich angesehen wird. E s muß deshalb festgestellt werden, von welcher Beschaffenheit der Flitzbogen des Rudolf Str. war, und hiernach ist zu beurteilen, welche Verpflichtungen den Eltern in Beziehung auf die Erziehung oblagen. Ferner ist zu ermitteln, wie sich der Vorfall im einzelnen zugetragen hat, ob insbesondere der verletzte Kläger sich an dem Spiele der Kinder beteiligt hat oder ob, wie er nach dem Tatbestande des ersten Urteils angegeben hat, dies nicht der Fall gewesen ist. Auf Grund des sich ergebenden Sachverhalts ist sodann zu prüfen, ob Rudolf Str. in der geschehenen Weise auch geschossen haben und der Schade also entstanden sein würde, wenn die Eltern das getan hätten, was sie bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt in Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht hätten tun müssen. 3. Zutreffend ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichtes, daß Rudolf Str. dem Kläger durch die Zerstörung eines A"rfes widerrechtlich Schaden zugefügt hat. Denn die Körperverletzung eines Menschen ist eine objektiv widerrechtliche Handlung, wenn sie nicht aus einem besonderen Grunde, wie Notwehr, Notstand usw., zu einer rechtmäßigen wird. Vgl. E n n e c c e r u s - L e h m a n n , Bürgerliches Recht Bd. 1 § 359 III; C o s a c k , Bürgerliches Recht Bd. 1 § 163; O e r t m a n n , Kommentar Bern. 7. zu § 823; S t a u d i n g e r , Bern. B. zu § 823. Daß der Täter in den Fällen der §§ 831 und 832 BGB. außerdem schuldhaft gehandelt habe, ist aber nicht erforderlich. Nach § 823 a. a. O., welcher die Grundlage für die Ansprüche auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen bildet, ist derjenige, welcher v o r s ä t z l i c h o d e r f a h r l ä s s i g das Leben, den Körper usw. eines anderen w i d e r r e c h t l i c h verletzt, dem

6 anderen zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. E s wird also nicht nur verlangt, daß die Verletzung widerrechtlich erfolge, sondern auch, daß sie entweder gewollt — vorsätzlich — oder doch fahrlässig begangen sei. Hätte das Gesetz mit dem Ausdrucke „widerrechtlich" sowohl die objektive Widerrechtlichkeit als auch das subjektiv widerrechtliche, also schuldhafte Verhalten des Täters gemeint, so bedurfte es nicht noch der Hervorhebung des Umstandes, daß nur die vorsätzliche oder fahrlässige Begehung der widerrechtlichen Tat die Verpflichtung zum Schadensersatze begründe. Da dies dennoch geschehen, so ergibt sich mit Notwendigkeit, daß im § 823 das W o r t „widerrechtlich" nur die objektive Widerrechtlichkeit bedeutet. Auch die Motive zu § 704 des ersten Entwurfes — § 823 des Gesetzes — erklären, daß widerrechtlich die Verletzung eines subjektiven Rechtes sei, und daß die w i d e r r e c h t l i c h e H a n d l u n g zum Schadensersatze nur verpflichte, wenn sie mit Vorsatz oder aus Fahrlässigkeit begangen ist, und der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit sich auf die Schadenszufügung bezieht. Ferner heißt es in den Motiven zu § 736 — § 839 des Gesetzes — „Nach dem § 704 zieht jede a u s V o r s a t z oder Fahrlässigkeit verübte w i d e r r e c h t l i c h e Handlung die Verpflichtung zum Ersätze des dadurch einem anderen zugefügten Schadens nach sich." Es wird also auch hier unter widerrechtlicher Handlung nur die abjektiv widerrechtliche Tat verstanden. E s kann aber nicht angenommen werden, daß der Ausdruck „widerrechtlich" in den §§ 831, 832 a . a . O . eine andere Bedeutung habe als im § 823. Die Haftung des Geschäftsherrn oder Aufsichtspflichtigen beruht nicht auf dem Gedanken, daß derselbe für die Schuld des Angestellten oder zu Beaufsichtigenden einstehen solle, sondern darauf, daß sie wegen ihres eigenen Verschuldens bei der Auswahl der bestellten Person usw. oder der Beaufsichtigung zum Schadensersatze verpflichtet sein sollen. Vgl. P l a n c k , Kommentar, Bern. 1 zu § 831; L e s k e , Vergleichende Uebersicht des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit dem Landrecht S. 339; N ö l d e c k e in G r u c h o t ' s Beiträgen Bd. 41 S. 472; O e r t m a n n , a. a. O. Bern. 2 c zu § 831 und Bern. 2 zu § 832. Auch aus § 840 Abs. 2 ist zu entnehmen, daß in den §§ 831, 832 ein schuldhaftes Verhalten des T ä t e r s nicht vorzuliegen braucht, da im § 840 unterstellt wird, daß der Geschäftsherr oder Aufsichtspflichtige auch haften könne, wenn der Angestellte oder zu Beaufsichtigende nicht haftet, also nicht schuldhaft gehandelt hat. Vgl. D e r n b u r g , Bürgerliches R e c h t Bd. 2 § 387, 3 und Anm. 5; v. L i s z t , Die Deliktsobligationen S. 102.

Unerlaubte Handlungen

7

Die Annahme, daß der Täter in den Fällen der §§ 831, 832 schuldhaft gehandelt haben müsse, um die Haftbarkeit des Geschäftsherrn oder Aufsichtspflichtigen zu begründen, würde auch nicht zu dem vom Gesetze gewollten Resultate führen. Denn hat der Geschäftsherr den Angestellten mangelhaft instruiert oder ihm scheinbar taugliche Geräte gestellt oder ihn zu Verrichtungen gebraucht, zu denen er nicht die nötigen Kenntnisse oder Fähigkeiten hatte, so wird dem Angestellten häufig kein Verschulden zur Last fallen, wohl aber dem Geschäftsherrn. Ebenso wird der zu Beaufsichtigende im Falle des § 832 nicht selten überhaupt nicht deliktsfähig sein. In diesen Fällen hat aber gerade der Aufsichtspflichtige die ihm obliegende Aufsicht gewissenhaft auszuüben und haftet, wenn er dies nicht tut. In der Literatur wird denn auch überwiegend die Ansicht vertreten, daß das Wort „widerrechtlich" in den §§ 831, 832 nur die objektive Widerrechtlichkeit bezeichnet. Vgl. die vorerwähnten Schriftsteller und G o l d m a n n - L i l i e n t h a l , Bürgerliches Gesetzbuch S.209 Anm. 2 und S. 212 Anm. 2. Nur C o s a c k (Bd. 1 S. 603) hält ein Verschulden des Geschäftsführers für erforderlich, meint aber weiter, daß auch bei Schuldlosigkeit desselben der Geschäftsherr hafte, wenn ihn selbst ein Verschulden trifft. Dies liegt aber gerade dann vor, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person, bei der Beschaffung der Gerätschaften oder der ihm obliegenden Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beobachtet, oder der Aufsichtspflichtige die Aufsicht nicht genügend ausgeübt hat." . . . RGZ. 50, 219 f 1. Ist in § 833 BGB. ein durch u n m i t t e l b a r e Einwirkung des Tieres verursachter Schade vorausgesetzt? Haltet der Tierhalter, wenn jemand zum Schutze anderer gegen die von dem Tiere drohende Gefahr aus freiem Entschlüsse eingegriffen hat und hierbei verletzt worden ist? 2. . . .*) VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 20. Februar 1902. I. Landgericht II Berlin.

II. Kammergericht daselbst.

Der Kläger verunglückte am 9. März 1900 dadurch, daß er bei dem Versuche, die mit dem Wagen durchgehenden Pferde, welche dem Beklagten M. gehörten und welche dessen Dienstknecht, der Mitbeklagte W., vor dem Hause des Klägers ohne Aufsicht hatte stehenlassen, mittels Ergreifens der Leine aufzuhalten, zu Falle kam, wobei sein linker Unterschenkel durch ein Wagenrad überfahren und *) Geringere Bedeutung.

8 gebrochen wurde. E r nahm die Beklagten auf Ersatz des Schadens in Anspruch. Vom Landgerichte wurde die Klage abgewiesen. Das Kammergericht erkannte dahin, daß der Kläger nur dem Beklagten M gegenüber mit der Klage abgewiesen, gegenüber dem Beklagten W. aber der Klaganspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt wurde. Sowohl der Kläger als der Beklagte W. legten Revision ein. Vom Reichsgericht ist das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben, auf die Revision des Klägers der Klaganspruch gegen den Beklagten M. dem Grunde nach für berechtigt erklärt, und in diesem Umfange die Sache zur weiteren Verhandlung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, auf die Revision des Beklagten W. die Sache, soweit im Berufungsurteile über die Klage gegen diesen Beklagten erkannt war, an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden. Aus den G r ü n d e n : ,,In tatsächlicher Beziehung ist soviel unstreitig, daß am 9. März 1900 der Beklagte W. im Auftrage seines Dienstherrn M. eine Fuhre Strauchholz dem Kläger auf dessen Gehöft geführt hatte, daß derselbe die Pferde mit dem Wagen auf der Straße stehenließ, während er sich auf kurze Zeit davon entfernte, daß in dieser Zeit die Pferde davongingen, der Kläger ihnen nachlief und sie durch Ergreifen der Leine zum Stillstehen zu bringen versuchte, hierbei aber zu Falle gekommen ist. Der Kläger behauptet, er sei von den durchgehenden Pferden zu Boden gerissen worden; die Beklagten haben vorgebracht, der Kläger sei durch eigene Ungeschicklichkeit gefallen, gegen einen Zaun geprallt und habe sich so die Verletzung zugezogen. Der Kläger will nach seiner Erklärung in der Berufungsinstanz den Klaganspruch gegen den Beklagten M. auf § 833 B G B . , gegen den Beklagten W . auf § 834 B G B . — oder wenigstens in erster Linie auf diese Gesetzesbestimmungen — gestützt haben. Der erste Richter hat eine Verantwortlichkeit des Beklagten M. aus § 831 bzw. § 823 B G B . verneint, die Frage nach einem Verschulden des Beklagten W. aber dahingestellt gelassen, weil jedenfalls ein konkurrierendes Verschulden des Klägers vorliege. Das Berufungsgericht geht davon aus, „daß der Beklagte M. als derjenige, welcher die Pferde hielt, auch ohne vorliegendes Verschulden nach § 833 B G B . den dem Kläger zugefügten Schaden zu ersetzen hätte, w e n n als erwiesen anzunehmen wäre, daß der Körper oder die Gesundheit des Klägers d u r c h die von dem Beklagten gehaltenen P f e r d e verletzt worden seien." Diesen Beweis aber, welcher gegenüber jener Behauptung der Beklagten dem K l ä g e r obliege, hält der Berufungsrichter nicht für erbracht. Der Kläger sei, als er den mit dem Wagen davonlaufenden Pferden nachlief und sie durch Ergreifen der Leine oder der Zügel zum Stillstehen bringen wollte, dabei zu Falle gekommen und dadurch an seinem Körper verletzt

9 worden, daß ihm das linke Hinterrad des Wagens über seinen linken Unterschenkel gegangen und dieser hierdurch gebrochen sei. Selbst wenn nun der Kläger, wie er behaupte, durch die in schnellerer Gangart davonlaufenden Pferde niedergerissen worden sei, so sei doch die Körperverletzung nicht unmittelbar d u r c h d i e P f e r d e erfolgt, und deshalb die Anwendung des § 833 B G B . hier für ausgeschlossen zu erachten. Es wird dann im Berufungsurteile weiter dargelegt, daß den Beklagten M. auch nicht eine Verantwortung gemäß § 823 oder § 831 B G B . treffe. Dem Beklagten W . dagegen legt das Berufungsurteil eine durch Fahrlässigkeit und schuldhafte Verletzung eines Schutzgesetzes herbeigeführte Körperverletzung zur Last, wofür derselbe, indem ein eigenes Verschulden des Klägers verneint wird, aus § 823 B G B . als haftbar und schadensersatzpflichtig erklärt ist, Die Revision des Klägers macht geltend, daß die Nichtanwendung des § 833 B G B . gegenüber dem Beklagten M. auf einer rechtsirrigen Auffassung der genannten Gesetzesbestimmung beruhe, und diese Rüge ist auch als begründet anzuerkennen. Die vorstehend wiedergegebene Urteilsbegründung läßt sich wohl nicht anders als dahin verstehen: der § 833 B G B . treffe nicht zu, weil die Verletzung des Klägers nicht unmittelbar durch die Pferde, sondern durch den von diesen gezogenen W a g e n verursacht worden sei. Das wäre allerdings rechtsirrtümlich. Die dem Beklagten gehörigen Pferde sind, während sie ohne Aufsicht gelassen waren, aus eigenem Antriebe durchgegangen. Ist infolge dieses Durchgehens der Pferde der Unfall eingetreten, so konnte ein Zweifel an der Anwendbarkeit des § 833 B G B . nach d e r Richtung hin nicht entstehen, in welcher eine Abgrenzung des Begriffes der „durch das Tier" verursachten Verletzung sich als notwendig erweist, nämlich gegenüber den Fällen, wo die schädigende Einwirkung eines lediglich als Werkzeug in der Hand des Menschen sich bewegenden Tieres, eines vom Kutscher gelenkten Pferdes usw., in Frage steht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 6. Februar 1902 i. S. A. w. K., Rep. VI. 383'01). Im vorliegenden Falle handelt es sich zweifellos um ein selbständiges, willkürliches Tun der — sich selbst überlassenen — Tiere, um einen Ausfluß ihrer tierischen Natur. Dagegen kann für die Anwendung des § 833 B G B . das nicht entscheidend sein, ob die Verletzung durch eine d i r e k t e Einwirkung des Tieres selbst, oder nur mittelbar, durch einen von dem Tiere in Bewegung gesetzten Gegenstand, hier durch den von den Pferden gezogenen Wagen, zugefügt worden ist. Eine durch den Körper des Tieres unmittelbar (durch Pferdes Huf, Hundes Biß usw.) verursachte Beschädigung verlangt das Gesetz nicht. Wenn eine derartige Einschränkung der Haftpflicht für Tierschaden schon bisher

10 nach den Grundsätzen des gemeinen Rechtes oder des französischen Rechtes (Art. 1385 Code civil) nicht bestanden hat, so würde sie keinesfalls dem Kausalitätsbegriffe des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechen, welcher auch dem § 833 zugrunde liegt. Um das gesetzliche Merkmal „ d u r c h ein Tier" zu erfüllen, muß vielmehr auch eine mittelbare Verursachung genügen, vorausgesetzt nur, daß ein kausaler Zusammenhang im Rechtssinne („adäquate Verursachung") gegeben ist . . . Im gegenwärtigen Falle behauptet der Kläger, er sei durch die Pferde zu Boden gerissen worden, als er sie an der Leine festzuhalten versuchte. Es kommt indes auch darauf nicht an, ob der Kläger durch eine besondere Kraftäußerung der Pferde zu Boden geschleudert oder durch die nicht zu hemmende Bewegung der davoneilenden Pferde an der von ihm ergriffenen Leine mit fortgezogen und so niedergerissen worden ist, oder ob er auch nur bei dem Versuche, die Pferde anzuhalten, gestrauchelt und zu Boden gestürzt ist. Selbst in dem letzteren Falle ist der Sturz und die in dessen Folge eingetretene Verletzung ursächlich auf das Durchgehen der Pferde zurückzuführen, „durch" dieselben verursacht. Nun wird zwar von dem Revisionsbeklagten M. das Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges aus einem Gesichtspunkte in Abrede gezogen, welcher möglicherweise auch für den Berufungsrichter bei den vorangeführten Urteilsgründen mitbestimmend gewesen ist: der § 833 BGB. wolle lediglich den Fall treffen, wo rein nur die Tätigkeit des Tieres für die Beschädigung kausal geworden sei, nicht aber auch die Fälle, wo das Zwischenglied der Verursachung eine auf freier Willensbestimmung, selbständigem Entschlüsse beruhende eigene Handlung des Beschädigten gebildet habe. Allein wenn das im allgemeinen nach Maßgabe der für den Kausalzusammenhang überhaupt geltenden Grundsätze als zutreffend anzuerkennen wäre, so kann doch nicht zugegeben werden, daß in dem besonderen Falle, wie er hier liegt, der ursächliche Zusammenhang durch das selbsttätige Eingreifen des Verletzten unterbrochen bzw. aufgehoben worden sei. Wie im Berufungsurteile bei Erörterung der Haftpflicht des Mitbeklagten W. dargelegt und tatsächlich festgestellt ist, hat der Kläger den Versuch, die durchgehenden Pferde aufzuhalten, unternommen, um ein drohendes Unglück zu verhüten, um zu verhindern, daß die führerlos davonlaufenden Pferde auf der Dorfstraße befindliche Menschen, insbesondere die gerade um jene Zeit aus der Schule kommenden Kinder, gefährden würden. Das Berufungsgericht nimmt für seine Folgerung, daß unter diesen Umständen ein Verschulden in der Handlungsweise des Klägers nicht zu finden sei, und daß der Beklagte W. sich der Haftung für den bei dem Versuche, die Gefahr zu verhüten, entstehenden Schaden nicht entschlagen

Unerlaubte Handlungen

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könne, Bezug auf das Urteil des Reichsgerichts vom 21. März 1892 {Enfcsch. desselben in Zivils. Bd. 29 S. 120 flg.). Die in dieser Entscheidung ausgesprochenen Grundsätze müssen aber auch für den Fall des § 833 BGB. entsprechend zur Anwendung kommen. Gleichwie derjenige, der durch seine Schuld eine Situation herbeigeführt hat, in welcher es für einen anderen zur rechtlichen oder moralischen Pflicht wird, ohne Rücksicht auf die damit verbundene eigene Gefahr zum Schutze von Leib und Leben Dritter einzugreifen, für den bei solchen Rettungsversuchen entstehenden Schaden verantwortlich ist, so muß auch der Tierhalter für den Schaden dem einstehen, welcher zur Abwendung der von dem Tiere drohenden Gefahr, obwohl aus freiem Willensentschlusse, tätig geworden und hierbei durch das Tier verletzt worden ist. Auch ein derartiges, in Erfüllung einer rechtlichen oder sittlichen Pflicht zum Schutze anderer betätigtes Eingreifen ist eben als eine Folge der durch das Tier für die Allgemeinheit herbeigeführten Gefahren anzusehen und also in dem damit verknüpften Erfolge einer Schädigung von demjenigen, welcher jene Gefahren nach dem Gesetze verantworten muß, mit zu vertreten. Anders würde die Sache liegen, wenn der Kläger selbst — allein oder zusammen mit dem Beklagten W. — die gefährliche Situation, welche ihn zum Eingreifen veranlaßte, schuldhafterweise geschaffen hätte, wie denn überhaupt ein mitwirkendes eigenes Verschulden des Verletzten auch gegenüber dem § 833 nach § 254 BGB. in Rücksicht zu nehmen wäre. Das Berufungsgericht hat jedoch mit rechtlich einwandsfreier Begründung, welche für die Klage gegen den Beklagten M. gleichfalls zutrifft, nach jeder Richtung hin ein auf Seiten des Klägers vorliegendes Verschulden als ausgeschlossen angenommen. So ist der dem Kläger gemachte Vorwurf, dieser habe den Beklagten W. selbst veranlaßt, von den Pferden weg mit ihm in sein (des Klägers) Haus zu gehen, habe es geduldet, daß W. die Pferde ohne Aufsicht auf der Straße ließ, ohne sich selbst von der Vorkehrung erforderlicher Sicherheitsinaßregeln zu überzeugen, im Berufungsurteile mit der zutreffenden Erwägung zurückgewiesen, Kläger habe mit Recht voraussetzen dürfen, daß der Beklagte W., wenn er die Pferde ohne Aufsicht ließ, zuvor aus eigenem Antriebe zureichende Sicherheitsmaßregeln treffen würde. So ist weiterhin als unerwiesen bezeichnet, daß der Kläger bei dem Versuche, die Pferde zum Stehen zu bringen, nicht mit der gehörigen Vorsicht und Besonnenheit verfahren sei, und ist ferner ausgeführt, daß, auch wenn objektiv keine Gefahr vorhanden gewesen wäre, der Kläger unter den obwaltenden Umständen wohl zu der Annahme berechtigt gewesen sei, daß durch die führerlosen Pferde Menschen, namentlich die bald zu erwartende Schar der Schulkinder, in Gefahr geraten könnten. . . .

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RGZ. 52, 236 Ist der § 836 BGB. anwendbar ani den Fall, wenn der morsch gewordene Fußboden eines Stockwerks mit der daraui stehenden Person durchbricht? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.

U r t . v. 6. O k t o b e r II. Oberlandesgericht

1902. daselbst.

Die K l ä g e r i n s t a n d als K ö c h i n im D i e n s t e b e i e i n e r F a m i l i e , w e l c h e in der z w e i t e n E t a g e des dem B e k l a g t e n g e h ö r i g e n H a u s e s w o h n t e . A l s sie sich am 2 1 . J u l i 1 9 0 0 vor dem H e r d e in d e r K ü c h e der W o h n u n g b e f a n d , w i c h e n plötzlich die S t e i n f l i e s e n , auf d e n e n s i e s t a n d ; der B o d e n b r a c h durch, und die K l ä g e r i n s t ü r z t e in die daru n t e r l i e g e n d e K ü c h e des e r s t e n S t o c k w e r k e s h i n a b , w o b e i sie e r h e b liche V e r l e t z u n g e n e r l i t t . S i e v e r l a n g t e v o n dem B e k l a g t e n S c h a d e n s e r s a t z auf G r u n d des § 8 3 6 B G B . D a s L a n d g e r i c h t und d a s O b e r l a n d e s g e r i c h t e r k l ä r t e n den K l a g a n s p r u c h dem G r u n d e n a c h für b e rechtigt. Die R e v i s i o n d e s B e k l a g t e n gegen das B e r u f u n g s u r t e i l ist z u r ü c k g e w i e s e n aus den folgenden Gründen: „ D e r U n f a l l ist, w i e t a t s ä c h l i c h f e s t s t e h t , d a d u r c h h e r b e i g e f ü h r t w o r d e n , d a ß d e r die F l i e s e n t r a g e n d e B r e t t e r b o d e n ( „ B l e n d b o d e n " ) an d e r b e t r e f f e n d e n S t e l l e m o r s c h g e w o r d e n w a r und i n f o l g e d e s s e n einbrach. Der B e k l a g t e hat bestritten, daß der vorliegende S a c h v e r h a l t u n t e r den § 8 3 6 B G B . falle, w e i l nicht d e r E i n s t u r z e i n e s G e b ä u d e s in F r a g e s t e h e , und nur ein D u r c h b r u c h der D e c k e z w i s c h e n der e r s t e n und z w e i t e n E t a g e s t a t t g e f u n d e n h a b e . Das Berufungsg e r i c h t v e r w i r f t d i e s e A u f f a s s u n g : der § 8 3 6 B G B . lege dem B e s i t z e r e i n e s G r u n d s t ü c k s die V e r p f l i c h t u n g auf, die auf dem G r u n d s t ü c k b e f i n d l i c h e n G e b ä u d e und s o n s t i g e n b a u l i c h e n E i n r i c h t u n g e n in e i n e m s o l c h e n Z u s t a n d e zu e r h a l t e n , d a ß D r i t t e durch d i e s e l b e n n i c h t gef ä h r d e t w e r d e n , und m a c h e ihn für den infolge V e r l e t z u n g d i e s e r P f l i c h t durch das G e b ä u d e v e r u r s a c h t e n S c h a d e n e r s a t z p f l i c h t i g . B e i diesem dem G e s e t z e zugrunde liegenden G e d a n k e n sei es für d e s s e n A n w e n d b a r k e i t völlig gleichgültig, o b das g a n z e G e b ä u d e , o d e r n u r T e i l e d e s s e l b e n e i n s t ü r z e n , o d e r o b T e i l e d e s s e l b e n sich a b l ö s e n . D a ß dies auch die M e i n u n g des G e s e t z g e b e r s g e w e s e n sei, gehe — w i e n ä h e r d a r g e l e g t w i r d — a u s den K o m m i s s i o n s b e r a t u n g e n h e r v o r . Die R e v i s i o n glaubt, d e r B e r u f u n g s r i c h t e r w e n d e den § 8 3 6 B G B . mit U n r e c h t auf den v o r l i e g e n d e n F a l l an. In w e l c h e m U m f a n g d e r g e s e t z g e b e r i s c h e G e d a n k e , d e r d i e s e m P a r a g r a p h e n zugrunde liege, B e r e c h t i g u n g h a b e , k ö n n e d a h i n g e s t e l l t b l e i b e n , w e n n e r in d e m W o r t l a u t e nur e i n e n b e s c h r ä n k t e n A u s d r u c k gefunden h a b e . D a r ü b e r a b e r k ö n n e k e i n Z w e i f e l b e s t e h e n , daß im v o r l i e g e n d e n F a l l v o n

13 einer A b l ö s u n g von Gebäudeteilen, welche die Verletzung eines Menschen verursacht hätte, nicht gesprochen werden könne; dies auch darum nicht, weil die Klägerin nicht durch die schadhaften Gebäudeteile selbst, sondern durch den Sturz verletzt worden sei. Gegen die Ansicht des Berufungsrichters spreche auch der Umstand, daß dieselben Worte, w i e in § 836, auch in § 908 BGB. gebraucht seien, und daß unter den letzteren Paragraphen ein Sachverhalt der vorliegenden Art niemals fallen könne. Die Auffassung der Revision ist verfehlt. Der § 836 BGB. statuiert eine Schadenersatzpflicht des Besitzers eines Grundstücks für den Fall, wenn durch den Einsturz eines Gebäudes oder eines anderen mit einem Grundstücke verbundenen W e r k e s oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes oder des W e r k e s ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt, oder eine Sache beschädigt wird. Die der gesetzlichen Vorschrift gegenüber dem ersten Entwurf (§ 735) gegebene Erweiterung auf den Fall der Ablösung von T e i l e n des Gebäudes oder W e r k e s beruht, wie im Berufungsurteil richtig angeführt ist, auf einem Beschlüsse der Kommission für die zweite Lesung. Es war, besagen die Protokolle (S. 2878; M u g d a n , Materialien Bd. 2 S. 1149), die Frage aufgeworfen, ob auch beim Absturz von Teilen des Gebäudes die Haftung des § 735 eintreten solle; der § 735 in seiner jetzigen Fassung rede nur von dem Einsturz eines Gebäudes. „Man w a r darüber einverstanden, daß auch beim Loslösen von Teilen eines Gebäudes der § 735 anwendbar sein soll; es werde Sache der Redaktionskommission sein, etwaige Zweifel in dieser Richtung durch eine entsprechende Fassung auszuschließen." Durch die Fassung, welche daraufhin der jetzige § 836 erhalten hat, ist somit die Geltung der Vorschrift in Ansehung einzelner Teile des Gebäudes nur noch besonders zum Ausdrucke gebracht worden. Ob, wie das Berufungsgericht ausführt, hierbei dem Worte „Ablösung" keine andere Bedeutung hat beigelegt werden sollen, als den Wörtern „Einsturz", „Absturz", und man den ersteren Ausdruck nur für das Niederstürzen und Loslösen einzelner Teile für bezeichnender gehalten hat, als den für ein ganzes Gebäude zutreffenden Ausdruck „Einsturz", oder ob nicht sachlich durch den Ausdruck „Ablösung" der Begriff über den Fall des Absturzes (der v o l l s t ä n d i g e n Trennung des Teils vom Ganzen) hinaus erweitert werden sollte, darauf braucht hier nicht eingegangen zu werden. Ueberhaupt bedurfte es nicht einmal eines Zurückgreifens auf die Entstehungsgeschichte der Gesetzesbestimmung, um deren Anwendung auf den gegenwärtigen Fall zu rechtfertigen, da sich die Anwendbarkeit schon aus dem Wortlaute des Gesetzes unmittelbar ergibt. Als T e i l e eines Gebäudes sind sicherlich im Sinne des Gesetzes wie nach allgemeinem Sprachgebrauch auch der Fußboden,

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die Decke, die Steinfliesen auf dem Boden anzusehen. Im gegebenen Falle hat sich ein solcher Gebäudeteil „abgelöst"; die morsch gewordenen Stücke des Holzbodens sind .samt den darauf lagernden Fliesen aus- und durchgebrochen, haben sich also aus dem Gefüge und der Verbindung mit dem Gebäude getrennt, sogar v o l l s t ä n d i g vom Ganzen losgelöst, sofern die Stücke in den unteren Raum hinabgefallen sind. Mit dem Durchbrechen des Bodens ist freilich nur ein Loch in der Decke entstanden, während diese im übrigen an der Stelle blieb; aber jenes Durchbrechen geschah eben in der Weise, daß sich die Holzteile und Fliesen an der betreffenden Stelle ablösten, und es ist keineswegs Voraussetzung des § 836 BGB., daß ein bestimmter größerer oder für sich einheitlicher Gebäudeteil i m g a n z e n — die ganze Mauer, die ganze Decke — einstürzt oder abstürzt. Die gesetzliche Vorschrift trifft nicht bloß den völligen Zusammenbruch solcher Teile, sondern auch das Abstürzen einzelner Steine, Balken, Stuckbekleidungen u. dgl. Vgl. auch O e r t m a n n , Schuldverhältnisse, zu § 836 Bern. 3; E n n e c c e r u s u. L e h m a n n , Das bürgerliche Recht Bd. 1 § 364 S. 850; E n d e m a n n , Einführung usw. Bd. 2 § 73 Ziff. 2, 3./5. Aufl. S. 289. Ganz auf dem Abwege befindet sich die Revision aber mit der Ausführung, daß die Klägerin nicht durch die schadhaften Gebäudeteile selbst, sondern durch den S t u r z verletzt worden sei. Die Klägerin hat die Verletzung erlitten infolge der Ablösung von Teilen des Gebäudes, welche Ablösung eben ihren Sturz verursacht hat. Das genügt nach den, auch für den Fall des § 836 BGB. geltenden, allgemeinen Grundsätzen des Kausalzusammenhangs vollkommen, um die Ursächlichkeit jenes Ereignisses für den eingetretenen Unfall zu begründen. Die Haftpflicht des Gebäudebesitzers ist von dem Gesetze nicht darauf beschränkt, daß die Verletzung oder Beschädigung durch u n m i t t e l b a r e Einwirkung der einstürzenden, abstürzenden Gebäudeteile auf den menschlichen Körper, bzw. auf die Sache und l e d i g l i c h durch die Berührung mit den sich ablösenden Stücken bewirkt wird; das Gesetz spricht von der Verletzung „durch den Einsturz eines Gebäudes", „durch die Ablösung von Teilen", nicht etwa von einer solchen durch das einstürzende Gebäude, durch sich ablösende Teile. Es ist, wenn ein Balkon oder eine Decke abstürzt, durchbricht, für die Anwendung des § 836 völlig einerlei, ob die herabfallenden Teile einen unten befindlichen Menschen treffen, oder ob der auf dem Balkon, der Decke Stehende mit abstürzt. Gleichgültig ist es auch für die Kausalität des Einsturzes oder der Ablösung, wenn hierzu das eigene körperliche Schwergewicht des Verletzten mit wirksam gewesen ist. Den § 908 BGB. zieht die Revision mit Unrecht für ihre Auffassung herbei. Allerdings läßt sich aus den in dieser Gesetzes-

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stelle gleichlautend mit dem § 836 gebrauchten Ausdrücken entnehmen, daß hier wie dort die betreffenden von einem Gebäude ausgehenden Ereignisse, so die Ablösung von Gebäudeteilen, im gleichen Sinne verstanden sind. Allein wenn es je richtig sein sollte, daß auf einen Fall der vorliegenden Art, wie die Revision meint, der § 908 keine Anwendung finden könnte, so würde das in keiner Weise einen Schluß gegen die Anwendbarkeit des § 836 rechtfertigen. Der § 908 BGB. trifft in Anlehnung an den vorausgehenden § 836, aber nach einer anderen Richtung, auf dem Gebiete des Nachbarrechtes, eine Bestimmung, die dem Grundstückseigentümer Schutz gegen Gefahren gewährt, welche seinem Grundstück von einem Nachbargrundstück drohen. Vgl. Protokolle der II. Kommission S. 3609; M u g d a n , Materialien Bd. 3 S. 603. Ob und inwieweit eine schädigende Einwirkung der Ablösung von Gebäudeteilen auf ein Nachbargrundstück möglich ist, wäre für den Fall des § 908 nach den besonderen Voraussetzungen d i e s e r Gesetzesbestimmung zu beurteilen. Uebrigens ist es auch ganz wohl denkbar, daß unter Umständen durch ein ähnliches Ereignis, wie das hier in Frage stehende, ein benachbartes Grundstück beschädigt werden könnte." . . .

RGZ. 53, 53 1. Verpflichtung des Eisenbahnunternehmers, die ihm gehörige, zum Bahnhofe führende ZufahrtsstraBe während verkehrsüblicher Zeit bei Dunkelheit zu beleuchten. 2. Ueber den nach § 831 BGB. vom Geschäftsherrn zu führenden Beweis. 3. Verhältnis des § 823 zum § 831 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Karlsruhe.

Urt. v. 20. November 1902. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger stürzte im Januar 1901 abends, bei dem Versuche, auf den nach dem Bahnhofe M. führenden Zufahrtsweg zu gelangen, von der Landstraße auf diesen Weg herab und verletzte sich dabei. Er forderte sodann von der Beklagten Schadensersatz, weil jener ihr gehörige und von ihr unterhaltene Weg bei seiner Einmündung in die Landstraße nicht beleuchtet gewesen sei. Das Landgericht stellte den erhobenen Anspruch dem Grunde nach fest, und die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Auf die Revision hat das Reichsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

16 Aus den G r ü n d e n : Der Angriff der Revision, das Berufungsgericht habe eine Verpflichtung der Beklagten, die Zufahrtsstraße und insbesondere deren Abzweigung von der Landstraße zu beleuchten, mit Unrecht angenommen, geht fehl. In dieser Beziehung ist im angefochtenen Urteil folgendes ausgeführt. Als Unternehmerin eines öffentlichen Verkehrsmittels habe die Beklagte die für die Sicherheit des Publikums bei Benutzung des Verkehrsmittels erforderlichen Vorkehrungen zu treffen und namentlich die notwendige Beleuchtung der dem Bahnbetrieb und dem öffentlichen Verkehr dienenden Bahnanlagen und der einen wesentlichen Bestandteil der letzteren bildenden Zufahrtsstraße zur verkehrsüblichen Zeit bei Nacht zu bewirken. Wenn auch die Bahnordnung für die Nebenbahnen Deutschlands vom j,""' 1892 eine solche Beleuchtung nicht ausdrücklich vorschreibe, so ergebe sich doch die Verpflichtung dazu aus der in der Natur der Sache liegenden allgemeinen Regel, daß die Bahn, wenn sie dem Publikum Zugangswege zu ihren Bahnhöfen darbiete, auch die ungefährdete Benutzung, namentlich durch zweckentsprechende Beleuchtung, zu gewähren habe. Diese Ausführungen sind durchaus zutreffend und entsprechen den Grundsätzen, von denen dais Reichsgericht in ähnlichen Fällen ausgegangen ist. Die betreffende Zufahrtsstraße gehört zum örtlichen Bereich der Bahnanlage, steht im Eigentum der Beklagten und ist für den Verkehr des Publikums nach dem Bahnhof bestimmt. Hat die Beklagte eine solche Straße dem Verkehr zu dem Zwecke zugänglich gemacht, damit das Publikum zum Bahnhof gelange, so muß ihr auch die Verpflichtung auferlegt werden, den Weg, wie ihr das auch bei anderen Bahnanlagen obliegt, in verkehrssicherem Zustand zu erhalten. Dazu gehört auch die Beleuchtung der Straße bei Dunkelheit während der verkehrsüblichen Zeit, und zwar eine Beleuchtung in der Weise, daß auch der Zugang zur Straße erkennbar ist. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Verhältnis der Eisenbahn als einer öffentlichen Verkehrsanstalt, als Unternehmerin des Personen- und Gütertransports gegenüber dem an diesem Betrieb interessierten Publikum. Das Berufungsgericht ist, nachdem es festgestellt hat, daß der Stationswärter R. der ihm erteilten allgemeinen Dienstanweisung zuwider die Laterne Nr. 1 an dem betreffenden Abend nicht angezündet hatte, mit Recht davon ausgegangen, daß die Beklagte für den in Ausführung seiner Verrichtung von R. dem Kläger widerrechtlich zugefügten Schaden gemäß § 831 B G B , haftet, sofern sie nicht den ihr in dieser Gesetzesbestimmung nachgelassenen Entlastungsbeweis erbringen würde. Diesen Beweis hält es nicht für geführt. In dieser Beziehung ergeben die Gründe zum angefochtenen Urteil folgendes.

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Die Beklagte habe sich nicht mit der Tatsache der Anstellung eines ordentlichen und nicht nur zu seinen anderen in Betracht kommenden, sonstigen Dienstverrichtungen, sondern auch zur Vornahme der Beleuchtung des Bahnhofsgebietes objektiv geeigneten Mannes begnügen dürfen; sie sei vielmehr auch verpflichtet gewesen, sich genügend zu vergewissern, daß sie auch hinsichtlich der Zuverlässigkeit des R. in der Ausübung seines Dienstes in der letztgenannten Richtung die richtige Wahl getroffen habe, und dieser dabei seine Verrichtungen nach Vorschrift tatsächlich besorge, daß sie insbesondere hierüber Erkundigungen einzuziehen oder durch eine ihm vorgesetzte Dienststelle Kontrolle zu üben gehabt habe und nicht erst etwaige Beschwerden des Publikums habe abwarten dürfen. Wenn nun der über zwei Jahre im Dienst befindliche Stationswärter R. trotz seiner Dienstweisung, regelmäßig zur Nachtzeit alle Laternen des Bahnhofsgebietes anzuzünden, es oftmals unterlassen habe, dieser Weisung in bezug auf die Laterne Nr. 1 nachzukommen, und wenn überdies oftmals die Laternen durch den Wind ausgeblasen worden seien, so sei die Beklagte jenen Verpflichtungen nicht in genügender Weise nachgekommen. Nach den Angaben des Bahnverwalters L. sei der Dienst des seiner Aufsicht unterstellten R. bei den von ihm vorgenommenen Revisionen stets in Ordnung befunden worden. Allein da R. die Laterne Nr. 1 anzuzünden öfters unterlassen habe, so sei jedenfalls nach der Richtung des Anzündens der Laternen die Beaufsichtigung und Kontrolle von Seiten des L. nicht in genügender Weise geübt worden; es müsse sich dessen Wahrnehmung bei den Revisionen auf die übrigen Dienstverrichtungen des R. bezogen haben. Es fehle sonach auf Seiten der Beklagten sowohl an der Betätigung der vom Verkehr erforderten Sorgfalt, die ihr bei der A u s w a h l des mit der Verrichtung des Anzündens der Laternen angestellten Stationswärters R. auch nach der subjektiven Seite seiner Zuverlässigkeit hin obgelegen habe, als an der B e a u f s i c h t i g u n g dieses Angestellten nach dieser Richtung durch ihr dazu berufenes Organ. D e r B e k l a g t e n sei d a h e r der ihr o b l i e g e n d e B e w e i s n i c h t g e l u n g e n , d a ß s i e in d e r A u f s i c h t u n d L e i t u n g d e r V e r r i c h t u n g e n d e s R. e i n V e r s c h u l d e n nicht treffe. Diese Ausführungen geben . . . in mehrfacher Beziehung zu Bedenken Anlaß. Zunächst lassen sie nicht deutlich erkennen, ob das Berufungsgericht auch den der Beklagten nach § 831 BGB. obliegenden Beweis, daß sie bei der A u s w a h l des R. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe, für nicht erbracht einsieht. Denn wenn auch an einer Stelle positiv festgestellt wird, daß die Beklagte diese Sorgfalt nicht beobachtet hat, geht das Berufungsgericht doch an anderer Stelle davon aus, daß die Beklagte in der Person des R. einen an sich ordentlichen Mann angestellt habe, und Zivils. Srfiulilrcdit 9

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Schuldrecht, Besonderer Teil

es erwähnt als das Ergebnis seiner Ausführungen, daß die Beklagte den Beweis dahin, daß sie bei der Aufsicht und Leitung der Verrichtungen des R. — nicht auch bei der Auswahl — ein Verschulden nicht treffe, nicht geführt habe. Sollte es aber auch den Beweis hinsichtlich der Beobachtung der Sorgfalt bei der Auswahl nicht für erbracht angesehen haben, so würde diese Annahme der erforderlichen Begründung entbehren. Die Beklagte hat den ihr in dieser Richtung obliegenden Beweis erbracht, wenn sie nachweist, daß R. bei seiner Anstellung ein für seinen Dienst geeigneter, ordentlicher Mann war, und dieses Beweisergebnis kann mangels besonderer von dem Kläger anzuführender Umstände nicht dadurch erschüttert werden, daß R. w ä h r e n d des Dienstes bei der Beklagten sich als unzuverlässig erwiesen hat, zumal da schon der Beweis genügt haben würde, daß die Beklagte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt a n n e h m e n d u r f t e , daß die von ihr ausgewählte Person ein geeigneter, ordentlicher Mann war. Der Revision ist aber weiter auch darin beizutreten, daß es rechtsirrtümlich ist, wenn das Berufungsgericht von der Beklagten den Beweis verlangt, daß sie bei der Beaufsichtigung und Leitung der Verrichtungen des R. ein Verschulden nicht treffe. Eine Pflicht, d i e A u s f ü h r u n g d e r V e r r i c h t u n g z u l e i t e n , ist selbstverständlich nicht in allen Fällen für denjenigen gegeben, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt. Das ergibt schon der Wortlaut des § 831 B G B . : „ s o f e r n er die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat". Das Gesetz verlangt daher den Entlastungsbeweis nach der Richtung, daß der Geschäftsherr die im Verkehr erforderliche Sorgfalt auch bei Leitung der Ausführung der Verrichtung beobachtet habe, nur beä solchen Verrichtungen, die unter Leitung des Geschäftsherrn vorgenommen zu werden pflegen. Daß es sich vorliegendenfalls nicht um derartige Verrichtungen handelt, bedarf nicht weiter der Darlegung. E s beruht ferner ebenfalls auf einer Verkennung der Bedeutung des § 831, wenn das Berufungsgericht auf Grund d i e s e r Gesetzesbestimmung annimmt, daß die Beklagte zu einer B e a u f s i c h t i g u n g der Dienstverrichtungen des R. verpflichtet gewesen sei. Eine solche Beaufsichtigung wird in § 831 in keiner Weise gefordert; es wird neben einer diligentia in eligendo nicht auch eine solche in custodiendo statuiert. Wenn der Geschäftsherr den Beweis führt, daß er bei der A u s w a h l die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat, tritt die Haftpflicht nicht ein, und nur in den Fällen, in denen es sich um Verrichtungen handelt, die ihrer Beschaffenheit nach unter Leitung des Geschäftsherrn vorgenommen zu werden pflegen, sowie in den Fällen, in denen er Verrichtungen und Gerätschaften zu beschaffen hat, hat er den Beweis auch darauf zu erstrecken, daß er bei der Leitung, bzw. der Beschaffung sorgfältig verfahren ist. Mehr zu beweisen ist er aber nicht verpflichtet, und

Unerlaubte

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Handlungen

wenn auch soviel zugegeben werden kann, daß in der Verpflichtung zu einer sorgfältigen Auswahl auch die Verpflichtung enthalten ist, fortgesetzt zu erwägen, ob der zu dauernden Verrichtungen in früherer Zeit Bestellte auch gegenwärtig nach seinen physischen und geistigen Kräften zu den Verrichtungen befähigt ist, daß daher der Geschäftsherr unter Umständen auch nach § 831 zu beweisen hat, daß jener die Befähigung auch zur Zeit der Schadenszufügung noch hatte, so kann doch in der Verpflichtung zu sorgfältiger Auswahl nicht auch die Verpflichtung zu einer Beaufsichtigung gefunden werden. Gleichwohl kann es nicht für rechtsirrtümlich erachtet werden, wenn das Berufungsgericht die Beklagte zu einer Beaufsichtigung der Dienstverrichtungen des R. für verpflichtet erachtet hat. Als Betriebsunternehmerin liegt der Beklagten die Pflicht ob, die Zufahrtsstraße zu beleuchten; ihre Haftung wegen Vernachlässigung dieser Pflicht bestimmt sich daher nicht ausschließlich nach den Vorschriften über die Haftung des Geschäftsherrn für das Tun und Lassen des zur Verrichtung Bestellten, sondern auch nach der Vorschrift in § 823 B G B . Sie selbst hat, bzw. durch ihrfe verfassungsmäßigen Vertreter, dafür zu sorgen, daß jene Verpflichtung erfüllt werde, und sie würde nicht die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet haben, wenn sie jedwede Kontrolle darüber unterlassen hätte, ob eine ihr obliegende Pflicht, deren Erfüllung sie einer Person übertragen hatte, für deren Handlungen und Unterlassungen sie nicht schlechthin haftet, auch wirklich erfüllt werde. Die rechtsirrtümliche Ansicht des Berufungsgerichts, daß sich eine solche Verpflichtung aus § 831 ergebe, hat eine unrichtige Verteilung der Beweislast zur Folge gehabt. Denn bei Anwendung des § 823 ist es Sache des Klägers, eine schuldhaftc Verletzung der der Beklagten obliegenden Beaufsichtigungspflicht nachzuweisen*) W a s nun den Umfang dieser Pflicht anlangt, so macht die Revision gegenüber den Ausführungen des Berufungsgerichts mit Recht geltend, daß die Ueberwachung ihrer Beamten sich nicht auf alle untergeordneten Nebendienste und nicht auf jede einzelne Funktion erstrecken kann. Wie vom erkennenden Senat wiederholt ausgesprochen worden, hat, namentlich bei untergeordneten, einfachen Diensten, eine besondere Ueberwachung nicht für jede dienstliche Tätigkeit und nicht ununterbrochen stattzufinden; vielmehr ist nach Lage des Einzelfalles zu entscheiden, ob und inwieweit die Umstände Anlaß zu einer Kontrolle geben. Eine solche wird in Fällen vorliegender Art bezüglich der einzelnen Funktion nur dann geboten sein, wenn bei der allgemeinen Revision der Dienstverrichtungen überhaupt Unregelmäßigkeiten sich ergeben, die auch Unregelmäßigkeiten *) In gleichem Sinne hat sich der erkennende Senat über §§ 823 und 831 B G B . am 3. November 1902 in der S a c h e E. u. Gen. w. H„ Rep. VI. 177/02, ausgesprochen. 2*

Schuldrecht, Besonderer Teil bei Verrichtung jener einzelnen Funktion befürchten lassen. Es würde eine Ueberspannung der an einen Eisenbahnunternehmer billigerweise zu stellenden Anforderungen sein, wenn man ihn unter allen Umständen für verpflichtet erachten wollte, fortdauernd zu kontrollieren oder sonst Erkundigungen darüber einziehen zu lassen, ob die Laternen zu der Zufahrtsstraße zum Stationsgebäude regelmäßig angezündet werden; das würde sich im vorliegenden Falle schon dadurch verbieten, daß R. der einzige Stationsbeamte war. Der Unternehmer darf, wenn gegen die Auswahl des mit der Verrichtung Bestellten keine Bedenken obwalten, davon ausgehen, daß dieser eine solche einfache, der Kontrolle durch das Publikum tatsächlich unterliegende Arbeit pünktlich verrichten werde, solange ihm kein besonderer Anlaß gegeben ist, an deren ordnungsmäßiger Verrichtung zu zweifeln. Aus diesen Gründen muß das angefochtene Urteil aufgehoben, und die Sache zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Es wird zu erörtern sein, ob die Beklagte Veranlassung hatte, den R. auch in bezug auf das Anzünden einer Laterne einer besonderen Kontrolle zu unterwerfen, und wie oft und in welcher Weise die Revisionen nach Lage der Verhältnisse stattzufinden hatten und stattgefunden haben; auf Grund der hierbei gewonnenen Feststellungen wird zu beurteilen sein, ob die Beklagte ein Verschulden wegen mangelhafter Beaufsichtigung des R. trifft." . . . RGZ. 53, 276 1. Durch welche Merkmale unterscheidet sich der „andere verfassungsmäßig berufene Vertreter" des § 31 BGB. von der zu einer Verrichtung bestellten Person des § 831? 2. Wie werden diese Merkmale insbesondere bei der Vertretung des Staates als juristischer Person bestimmt? 3. Eigenes Verschulden des verfassungsmäßig berufenen Vertreters neben dem des Angestellten aus vernachlässigter Aufsicht. BGB. §§ 31, 89, 823 Abs. 2, 831. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 15. Januar 1903.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil". RGZ. 53, 312 Kann, wenn ein geschäftsunfähiges Kind infolge seines (objektiv) unvorsichtigen Verhaltens durch einen Straßenbahnwagen verletzt worden ist, und dessen Vater, gestützt auf das Haftpflichtgesetz und

21 nützliche Geschäftsführung, von dem Betriebsunternehmer Ersatz der von ihm aus eigenen Mitteln bestrittenen Heilungskosten fordert, deren Erstattung deshalb abgelehnt werden, weil er durch Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht den Unfall verschuldet habe? Sind die Vorschriften, durch welche den in § 832 BGB. bezeichneten Personen eine Aufsichtspflicht auferlegt ist, Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.? Zum Begriff „sonstiges Recht" in § 823 Abs. 1 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Arnsberg.

Urt. v. 19. Januar 1903. II. Oberlandesgericht Hamm.

Der Kaufmann Karl R. in S. bewohnte dort mit seiner Familie ein Haus- und Gartengrundstück, in dessen unmittelbarer Nähe ein Gleis der von der Beklagten betriebenen Dampfstraßenbahn lag. Am 25. August 1890 hatte der damals im 7. Lebensjahre stehende Sohn desselben mit anderen Kindern in dem Garten seines Vaters und auf dem an diesem hinlaufenden Bürgersteige gespielt; er war die von dem Garten nach der Straße führende Treppe hinablaufend über den Bürgersteig hinweg an einen eben vorüberfahrenden Bahnzug gerannt, dabei zu Fall und unter die Räder gekommen. Karl R. klagte in Vertretung seines Sohnes gegen die verklagte Gesellschaft auf Gewährung einer Rente; zugleich forderte er in eigenem Namen Erstattung der Beträge, die er aus seinem Vermögen für die Heilung des Kindes, sowie für Anschaffung künstlicher Gliedmaßen aufgewendet zu haben behauptete. Diesem seinem Ansprüche setzte die Beklagte den Einwand entgegen, er könne Ersatz dieses Aufwandes nicht verlangen, weil er es an der erforderlichen Aufsicht über seinen Sohn habe fehlen lassen. Der Einwand wurde in allen Instanzen verworfen; in dem Revisionsurteil ist hierüber ausgeführt in den Gründen*): Von dem Kläger zu 1 ist der . . . aus eigenem Recht erhobene Anspruch dahin begründet worden: durch den Unfall sei seinem Sohne gegen die Beklagte auch das Recht erwachsen, zu verlangen, daß sie ihm den Aufwand ersetze, der zur Heilung der durch den Unfall verursachten Verletzungen seines Körpers und zur Beschaffung künstlicher Gliedmaßen erforderlich gewesen sei. Von der danach der Beklagten gegenüber dem Kläger zu 2 obliegenden Verpflichtung sei sie von dem Kläger zu 1 durch Bezahlung jenes Aufwandes aus seinen Mitteln befreit worden; er habe also die Geschäfte der Beklagten besorgt. Von dieser ist nicht in Abrede gestellt wor») Als Kläger zu 1 ist der V a t e r Karl R., als Kläger zu 2 der Sohn desselben bezeichnet.

22 den, daß der Kläger zu 1 den in Frage stehenden Aufwand bestritten hat; sie will aber angenommen wissen, daß ihm insoweit ein Erstattungsanspruch nicht zustehe, weil er seinen Sohn nicht genügend beaufsichtigt und nicht in zureichender Weise Vorkehrungen getroffen habe, die Bewohner seines Grundstücks, insbesondere die Kinder, vor den Gefahren zu schützen, die ihnen durch die in unmittelbarer Nähe seines Grundstücks befindliche Straßenbahn bereitet werden. Nun würde aber nach der Art, wie der Anspruch begründet worden ist, ein eigenes Verschulden des Klägers zu 1 nur dann von Bedeutung sein, wenn vermöge desselben der Kläger verpflichtet erschiene, seinerseits der Beklagten Schadensersatz zu leisten; aus den Vorschriften über die Haftung aus unerlaubten Handlungen, die nach Lage der Sache allein in Betracht kommen könnten, ist aber eine solche Verpflichtung nicht herzuleiten. Sie kann zunächst nicht auf § 823 Abs. 2 B G B . gestützt werden. Allerdings hat das Gesetz die Aufsicht über Minderjährige und über die Personen, welche diesen wegen geistiger oder körperlicher Mängel gleichgestellt sind, nicht bloß in deren eigenem Interesse, sondern auch deshalb angeordnet, weil solche Personen anderen Gefahr bereiten können; die Bestimmungen, durch welche die Aufsichtspflicht statuiert wird, bezwecken deshalb auch, Beschädigungen Dritter durch die der Aufsicht unterworfenen Personen zu verhüten. Vgl. die Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. 2 S. 594 und die Denkschrift des Bundesrats S. 102 der Guttentagschen Ausgabe. Daraus folgt indes noch nicht, daß gesetzliche Bestimmungen dieser Art, unter welche die hier in Frage kommende in § 1627 B G B . fällt, zu den Schutzgesetzen im Sinne von § 823 Abs. 2 zu rechnen seien. E s bedarf hier keines Eingehens darauf, wie weit dieser Begriff auszudehnen sei, insbesondere keiner Stellungnahme zu der Frage, ob zu den Schutzgesetzen auch privatrechtliche Vorschriften gehören können; vgl. P l a n c k , Bürgerliches Gesetzbuch Bern. 2 b zu § 823, S. 612: andererseits C o s a c k , Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts Bd. 1 S. 599 (3. Aufl.); denn wenn man das auch zugibt, so muß doch aus der Tatsache, daß, und aus der Art, wie die Haftung der aufsichtspflichtigen Personen in § 832 B G B . besondere Regelung gefunden hat, entnommen werden, daß das Gesetz jedenfalls die Vorschriften, durch welche den in § 832 bezeichneten Personen eine Aufsichtspflicht auferlegt ist, nicht als Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 aufgefaßt hat, und die Haftung dieser Personen für den Schaden, den die von ihnen zu beaufsichtigende Person infolge ungenügender Beaufsichtigung einem

Unerlaubte Handlungen

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Dritten zugefügt hat, durch § 823 erschöpfend hat geregelt werden sollen. Auf die soeben angezogene Vorschrift aber kann eine Schadenersatzpflicht des Klägers zu 1 auch nicht gestützt werden. Denn § 832 statuiert eine Haftung des Aufsichtspflichtigen gegenüber dem geschädigten Dritten nur, wenn die zu beaufsichtigende Person eines der in § 823 Abs. 1 besonders erwähnten Lebensgüter oder das Eigentum oder e i n s o n s t i g e s R e c h t des Dritten durch eine objektiv rechtswidrige, wenn auch subjektiv nicht schuldhafte Handlung, vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 50 S. 65 flg., verletzt hat. Nun kann aber, wenn jemand sich einem Bahnzuge unvorsichtigerweise so nähert, daß sein Leben und seine Gesundheit, nicht aber der Zug und dessen Insassen gefährdet werden, nicht wohl gesagt werden, daß er damit eine objektiv rechtswidrige Handlung vornehme; keinesfalls aber wird dadurch e i n R e c h t des Betriebsunternehmers im Sinne von § 823 Abs. 1 verletzt, mag auch dessen Vermögen wegen der Bestimmungen des Haftpflichtgesetzes unter Umständen eine Schädigung erfahren. Aus diesem Grunde würde es übrigens auch ausgeschlossen erscheinen, eine Schadensersatzpflicht des Klägers zu 1 gegenüber der Beklagten unmittelbar auf § 823 Abs. 1 zu stützen." . . .

RGZ. 54, 73 Zur Auslegung dar Worte „durch ein Tier" im § 833 BGB. Einwirkung eines äußeren Ereignisses aui den Körper oder die Sinne des Tieres. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Stendal.

Urt. v. 26. Februar 1903.

II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Der Beklagte fuhr im Juni 1901 mit seinem Einspänner nach Fl. Unterwegs nahm er Sp., den Ehemann bzw. Vater der Kläger, auf dessen Bitten auf. Nachdem sie eine Strecke gefahren waren, überholte sie der betrunkene Knecht K. mit seinem Fuhrwerk im schnellsten Tempo; als dieser mit dem Gefährte des Beklagten in gleicher Höhe war, fiel von seinem Wagen ein Koffer herab, der unbefestigt darauf gestanden hatte. Das Pferd des Beklagten ging darauf durch und schleuderte, nachdem es eine kurze Zeit auf der Landstraße dahingerast war, das Gefährt an einen Baum. Infolgedessen stürzten die Insassen heraus, wobei Sp. einen Schädelbruch erlitt, dem er noch an demselben Tage erlag. Die Kläger forderten gemäß § 844 B G B . Schadensersatz. Die vorderen Instanzen erklärten den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die Revision ist zurückgewiesen worden.

24 Aus den

Gründen:

Die Vorschrift in § 833 B G B . verlangt zu ihrer Anwendung nur, daß d u r c h ein Tier ein Schade angerichtet worden ist; ob dies der Fall ist, ist an der Hand der über den Kausalzusammenhang geltenden Grundsätze zu prüfen, Wie bereits vom erkennenden Senat, vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 50 S. 180 flg., 219 flg., dargelegt worden, kann von einer Schadenzufügung d u r c h das Tier dann nicht die Rede sein, wenn die schädigende Einwirkung eines lediglich als Werkzeug in der Hand des Menschen sich bewegenden Tieres in Frage steht; eine Haftung des Tierhalters kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn es sich um ein selbständiges, willkürliches Tun des Tieres, um einen Ausfluß seiner tierischen Natur handelte. Nun darf zwar an und für sich davon ausgegangen werden, daß, wenn ein Pferd durchgeht, mithin der Leitung sich entzieht und in diesem Zustande Schaden anrichtet, ein selbständiges, willkürliches Tun des Pferdes vorliegt. Allein der Beklagte hat sich darauf berufen, daß jener Zustand, nämlich das Durchgehen des Pferdes, durch ein äußeres Ereignis hervorgerufen worden sei, und daß dieses als die eigentliche Ursache des eingetretenen Schadens zu gelten habe. Diesem Einwand wird das Berufungsgericht nicht gerecht, wenn es sich auf die Ausführung beschränkt, das Pferd habe nicht als Werkzeug des K. gehandelt; dieser habe zwar durch seine Unvernunft das schädigende Verhalten des Tieres bewirkt; das Pferd sei aber dabei nicht dem Willen des K., sondern seinem eigenen Willen gefolgt. Es würde zu weit gehen und den Grundsätzen über den Kausalzusammenhang widersprechen, wenn man in jedem schädigenden Tun eines nicht unter menschlicher Leitung befindlichen Tieres, gleichviel wodurch dieses Tun veranlaßt oder verursacht worden ist, die eigentliche Ursache des entstandenen Schadens, die causa efficiens, erblicken wollte. Wie, r e i n ä u ß e r l i c h b e t r a c h t e t , auch der Schade, den ein in der Hand des Menschen sich bewegendes Tier anrichtet, d u r c h das Tier verursacht worden ist, in Wahrheit aber die eigentliche den Schaden bewirkende Ursache nicht in einem willkürlichen Tun des Tieres, sondern in der Handlung des Tierleiters liegt, ebensowenig kann von einem selbständigen, willkürlichen Tun des Tieres dann die Rede sein, wenn ein äußeres Ereignis auf den Körper oder die Sinne des Tieres mit einer Gewalt eingewirkt hat, der Tiere der in Frage kommenden Art nach physiologischen Gesetzen nicht widerstehen können, und wenn es im Zustande eines solchen Zwanges Schaden anrichtet. In einem solchen Falle ist die Haftung des Tierhalters ausgeschlossen; denn der Schade ist nicht durch das Tier, sondern durch das mit unwiderstehlicher Gewalt über das Tier hereingebrochene äußere Ereignis

25 verursacht worden. Eine andere Beurteilung hat aber dann einzutreten, wenn das Tier in den Zustand, in dem es Schaden anrichtet, durch ein äußeres Ereignis versetzt worden ist, das nach physiologischen Gesetzen einen solchen Zustand bei Tieren der fraglichen Art in der Regel nicht hervorzurufen pflegt, wenn mithin ein Verhalten des Tieres vorliegt, für welches in den Umständen des Falls keine zwingende Veranlassung gegeben ist, so daß es auf ein willkürliches Verhalten des Tieres zurückzuführen ist. Dann ist die eigentliche den Schaden bewirkende Ursache nicht in jenem äußeren Ereignis, sondern in dem Tiere selbst, in seiner tierischen Natur zu erblicken. Die Anwendung dietser Grundsätze, die auch für das gemeine Recht, vgl. das Urteil des erkennenden Senats in den Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 48 S. 259 flg., wie für Art. 1385 Code civil, vgl. Z a c h a r i ä - C r o m e , Handbuch des französischen Zivilrechts 8. Aufl. Bd. 2 § 418, Geltung haben, auf den vorliegenden Fall ergibt nun, daß der Tod des Sp. in einem selbständigen, willkürlichen Tun des Pferdes des Beklagten seine eigentliche Ursache hat, durch dieses Tun herbeigeführt worden ist." (Wird näher ausgeführt.) . . . RGZ. 55, 2 4 1 1. . . .*) 2. Findet der § 254 BGB. auch dann Anwendung, wenn bei der Entstehung des Schadens ein eigenes Verschulden des auf Grund von § 844 oder § 845 BGB. ersatzberechtigten Dritten mitgewirkt hat? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hildesheim.

Urt. v. 18. Mai 1903. II. Oberlandesgericht

Celle.

Der Ehemann der Klägerin stürzte am Abend des 14. Dezember 1900 gegen lO'A Uhr im Dorfe Schi, beim Passieren der im Zuge der Dorfstraße über den W.'bach führenden Brücke über die steinerne Bordschwelle der Brücke in den Bach hinab und starb am folgenden oder zweitfolgenden Tage. Die Klägerin belangte die verklagte Gemeinde auf Ersatz der Beerdigungskosten und auf Schadensersatz wegen des ihr durch den Tod ihres Ernährers entgehenden Unterhaltes. Das Landgericht wies die Klage ab; das Berufungsgericht dagegen erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Auf die Revision der Beklagten ist das Urteil aufgehoben, und die Sache in die Instanz zurückverwiesen worden. *) Geringere Bedeutung.

26 Aus den

Gründen:

Die Ansicht des Berufungsgerichts nun, daß ein Verschulden des D r i t t e n , der nach § 844 oder § 845 B G B . schadensersatzberechtigt ist, nicht zu berücksichtigen sei und seinem Ersatzanspruch gegenüber einredeweise nicht geltend gemacht werden könne, ist rechtlich unzutreffend. Der Berufungsrichter folgert den von ihm aufgestellten Satz aus dem § 846 B G B . Danach fänden allerdings auch dann, wenn gemäß der §§ 844, 845 ein Dritter schadensersatzberechtigt ist, die Vorschriften des § 254 B G B . Anwendung, aber — wie sich aus § 846 selbst ergebe — immer n u r dann, wenn ein Verschulden des Verletzten, d. h. desjenigen, der s e l b s t in der aus §§ 823 flg. B G B . ersichtlichen Weise an seinem Leben, Körper usw. verletzt worden ist, mitgewirkt habe. Richtig ist zwar, daß unter dem „Verletzten" in § 846, wie schon der Wortlaut und die Gegenüberstellung des „Dritten" erweisen, nur der unmittelbar (an Leben, Körper, Gesundheit oder Freiheit) Verletzte verstanden sein kann. Das rechtfertigt jedoch die hieraus vom Vorderrichter gezogene Folgerung nicht; vielmehr würde damit dem § 846 eine Bedeutung beigelegt, die ihm nach der Absicht des Gesetzes und dem System des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht zukommt. Der Einfluß eines mitwirkenden eigenen Verschuldens des Beschädigten ist in § 254 B G B . für das gesamte Gebiet der Verpflichtung zum Schadensersatz, welches auch die Schadensersatzpflicht aus unerlaubten Handlungen umfaßt, mit allgemeiner Geltung geregelt. Diese Vorschriften müssen auch auf das Verhältnis zwischen dem nach § 844 oder § 845 B G B . Ersatzberechtigten und dem Schadensersatzpflichtigen hinsichtlich eines mitwirkenden Verschuldens des ersteren Anwendung finden, wofern einmal auch dieser Ersatzberechtigte als „Beschädigter" anzusehen ist, und weiter die Anwendung des § 254 nicht durch eine positive Gesetzesvorschrift für diesen Fall ausgeschlossen ist. Die beiden Voraussetzungen treffen aber zu. Einen Ersatzanspruch aus einer unerlaubten Handlung gewährt das Bürgerliche Gesetzbuch grundsätzlich nur dem unmittelbar Verletzten; ausnahmsweise aber hat es — aus Gründen der Billigkeit und in Anlehnung an das bisherige Recht — in den §§ 844, 845 auch solchen Personen, welche durch die unerlaubte Handlung nur mittelbar geschädigt sind, einen Anspruch auf Schadensersatz eingeräumt.. . E s ist derjenige, welchem durch die Tötung des Ernährers das Recht auf Unterhalt, durch Verletzung des gesetzlich ihm zu Diensten Verpflichteten diese Dienstleistungen entzogen sind, infolge der begangenen unerlaubten Handlung an seinem Vermögen geschäd i g t , und das Gesetz gewährt ihm dafür einen Ersatzanspruch. Und zwar ist dieser Anspruch nicht etwa ein an die Stelle des bisherigen Unterhaltsanspruches gegen den Getöteten tretender U n -

Unerlaubte Handlungen

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t e r h a 11 s anspruch, jetzt gegen den Schuldigen, sondern ein wirklicher S c h a d e n s e r s a t z anspruch. Der Ersatzpflichtige hat im Falle des § 844 Abs. 2 BGB. dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente „Schadensersatz zu leisten". Vgl. Motive Bd. 2 S. 781. Der Ersatzanspruch des Dritten in den Fällen der §§ 844, 845 ist sodann, mag es sich auch hierbei, wie P l a n c k , Kommentar zu § 844 Bern. 1 S. 644, meint, um eine „Nebenwirkung" der gegen den unmittelbar Verletzten begangenen unerlaubten Handlung, um eine mittelbare Rechtsfolge derselben handeln, doch keineswegs nur als ein unselbständiger, abgeleiteter Anspruch oder als bloßer Reflex eines für den Verletzten begründeten Rechtes einzusehen. Allerdings muß der Tatbestand der unerlaubten Handlung gegenüber dem unmittelbar Verletzten vorliegen, und sind nach diesem Gesichtspunkte zunächst die Voraussetzungen einer Ersatzpflicht — Verschulden, Widerrechtlichkeit — zu beurteilen. Im übrigen jedoch sind die Schadensersatzansprüche der dritten, mittelbar verletzten Personen ihrem rechtlichen Charakter nach s e l b s t ä n d i g e , in der Person dieser Geschädigten von vornherein entstandene, von dem Rechte des unmittelbar Verletzten unabhängige und seiner Verfügung entzogene Ansprüche. Auf den dem Dritten wegen eigener Schädigung und aus eigenem Recht gesetzlich zustehenden Schadensersatzanspruch mußte folgeweise auch der § 254 BGB. Anwendung finden. Diese Gesetzesvorschrift unterscheidet nicht zwischen einem unmittelbar und dem nur mittelbar Geschädigten, und als „Beschädigter" im Sinne des § 254 ist auch der aus § 844 oder § 845 BGB. Ersatzberechtigte zu betrachten, nachdem einmal demselben vom Gesetz ein eigener Schadensersatzanspruch verliehen ist. Die Auffassung, daß die Ersatzansprüche der Dritten v ö l l i g selbständige, nicht aus der Person des unmittelbar Verletzten abgeleitete seien, hätte nun bei konsequenter Durchführung zu dem Ergebnisse gelangen lassen, daß diesen Ansprüchen gegenüber ein mitwirkendes Verschulden des Getöteten, des körperlich Verletzten gar nicht berücksichtigt werden könne, oder doch nur insoweit, als es für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der unerlaubten Handlung und der Verletzung von Bedeutung war. . . . Dieses Ergebnis erschien bei Beratung des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches der II. Kommission als unannehmbar. Es wurde geltend gemacht, die Anschauung, daß der Ersatzanspruch des Dritten gegen den Verletzenden ein vollkommen selbständiger sei, beruhe auf theoretischen Erwägungen und enthalte eine Uebertreibung der logischen Konsequenzen; ihre strenge Anwendung führe zu Ergebnissen, die der Gerechtigkeit und Billigkeit zuwiderliefen. Der An-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

spruch des Hinterbliebenen eines G e t ö t e t e n habe seinen Grund in der Tötung; es Liege in der Natur der S a c h e , daß sie mit R ü c k s i c h t auf ihre Beziehungen zu dem V e r l e t z t e n auch die Folgen aus dessen fahrlässigem Verhalten, insofern dieses den tödlichen Ausgang herbeigeführt oder beschleunigt habe, auf sich nehmen müßten. D e r G e d a n k e , w e l c h e r dem Prinzip des § 2 2 2 (jetzt § 254) zugrunde liege, passe auch auf die hier in F r a g e kommenden F ä l l e . Vgl. Protokolle B d . 2 S. 2853; M u g d a n , Materialien B d . 2 S . 1118 flg. Aus diesen Erwägungen ist der nunmehrige § 846 B G B . hervorgegangen. Nach seiner Vorschrift kommt für die S c h a d e n s e r s a t z pflicht gegenüber dem aus §§ 844, 845 Ersatzberechtigten a u c h das persönliche Verhalten des unmittelbar V e r l e t z t e n entsprechend dem § 254 B G B . in Rechnung. Auf diesen einen P u n k t a b e r b e s c h r ä n k t sich der Inhalt des § 846. Daß derselbe die Anwendung des § 254 n u r rücksichtlich eines konkurrierenden Verschuldens des V e r l e t z t e n zulasse, bezüglich eines Verschuldens des Dritten, m i t t e l b a r Geschädigten ausschließe, läßt sich w e d e r aus dem W o r t l a u t noch aus der Entstehungsgeschichte der Gesetzesvorschrift entnehmen. Vielmehr wird man zu der A u s legung geführt, daß der Ersatzanspruch des Unterhaltsberechtigten usw. nach M a ß g a b e des § 254 ausgeschlossen oder gemindert wird, wenn e n t w e d e r i h m s e l b s t , o d e r d e m G e t ö t e t e n ein eigenes Verschulden zur L a s t fällt. D a ß ein mitwirkendes Verschulden des mittelbar B e s c h ä d i g t e n bei der Ersatzpflicht wegen des i h m erwachsenen S c h a d e n s zu b e rücksichtigen ist, liegt auch durchaus in dem Sinne des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dessen Ausfluß der § 254 B G B . ist. E s ist unbillig, von einem Dritten E r s a t z für Schaden zu fordern, den man selbst verursacht hat, oder den man hätte verhüten können und sollen. Dem Rechtsgefühl würde es wenig entsprechen, wenn beispielsweise in einem Falle, wo der durch die Fahrlässigkeit e i n e s D r i t t e n am K ö r p e r V e r l e t z t e an den Folgen der Verletzung g e s t o r b e n ist, der tödliche Verlauf aber durch rechtzeitiges ärztliches E i n g r e i f e n oder durch angemessene Pflege sicher hätte abgewendet werden können, die Hinterbliebenen, welche grobfahrlässigerweise die B e i ziehung des A r z t e s unterlassen, bzw. die Pflege versäumt h a b e n , gleichwohl im v o l l e n Umfange die E r s a t z a n s p r ü c h e nach § 8 4 4 B G B . geltend machen dürften. Die S a c h e wird diesfalls selten s o liegen, daß durch das schuldhafte V e r h a l t e n des u n t e r h a l t s b e r e c h tigten Dritten der ursächliche Zusammenhang zwischen der Handlung des V e r l e t z e n d e n und dem T o d e des V e r l e t z t e n vollständig aufgehoben, und aus diesem Grunde schon eine Schadensersatzpflicht a u s -

29 geschlossen wäre. Zwar würde man vielleicht auch auf einem anderen Wege dahin kommen können, dem Schadenersatzpflichtigen den Einwand eines mitwirkenden eigenen Verschuldens des mittelbar Beschädigten zu gewähren, nämlich (abgesehen von dem Falle eines dolosen Verhaltens des letzteren) durch eine — direkte oder analoge — Anwendung der Grundsätze, welche sich aus § 830, § 840 und § 426 BGB. bezüglich der Haftung mehrerer wegen einer gemeinschaftlich begangenen unerlaubten Handlung und für die Ausgleichungspflicht der Mitschuldigen in ihrem Verhältnisse zueinander ergeben. Allein hierbei würde man von einer der Rechtslage doch nicht entsprechenden Unterstellung, als sei der mittelbar Geschädigte in Ansehung des eigenen Schadens zugleich Ersatzpflichtiger, ausgehen. Und dieses Umweges bedarf es auch nicht, wenn, wie ausgeführt wurde, der § 254 BGB. unmittelbar Platz greift, dessen Vorschriften übrigens eine billige Ausgleichung in weiterem Maße ermöglichen, als die vorangeführten Gesetzesbestimmungen. Im vorliegenden Falle durfte also der Einwand eines eigenen Verschuldens der Klägerin nicht von vornherein zurückgewiesen werden." . . . RGZ. 55, 367 1. . . .

2. Handelt ein Käufer gegen die guten Sitten, wenn er auf Erfüllung eines Kaufgeschäfts besteht, obgleich er zu einer Zeit, als er ohne Schaden in dessen Aufhebung einwilligen konnte, von einem Rechenfehler in der Preiskalkulation des Verkäufers Kenntnis erlangt h a t ?

BGB, § 826. II. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 16. Oktober 1903.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil". RGZ. 56, 271 1 Finden § 823 oder § 826 BGB. in dem Falle Anwendung, wenn eine Vereinigung von Gewerbetreibenden über Gewerbegenossen Maßregeln in der Richtung verhängt, um diese zur Unterwerfung unter gewisse für den Geschäftsbetrieb angenommene Grundsätze durch Ausschließung der Zuwiderhandelnden von bestimmten Einrichtungen, durch Lieferungssperre oder Erschwerung des Bezuges von Gewerbserzeugnissen zu veranlassen? Steht demjenigen, gegen den solche Maßregeln getroffen worden sind, nach Umständen ein Klagerecht aus § 824 BGB. zu, und kann er auf Unterlassung oder Zurücknahme der Kundgebung klagen? Ist § 6 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 anwendbar?*) *) J e t z t § 14 des Ges. v. 7. 6. 1909 — RGBl. S. 499.

30 VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 14. Dezember 1902. Rep. VI. 167/03. I. Landgericht Leipzig.

II. Oberlandesgericht

Dresden.

Der verklagte Verein hatte zu dem Zweck, im Interesse des deutschen Buchhandels übermäßigen Rabattgewährungen vorzubeugen, statutarisch seinen Mitgliedern die Pflicht auferlegt, jedes öffentliche Anbieten von Rabatt an das Publikum zu unterlassen, bei Verkäufen an das Publikum die von den Verlegern festgesetzten Ladenpreise einzuhalten und gegen den Willen des Verlegers den Verlag desselben an solche Buchhändler und Wiederverkäufer, welche vom Börsenvereinsvorstand oder durch die Hauptversammlung von der Benutzung der Einrichtungen des Börsenvereins ausgeschlossen seien, nicht zu liefern. Um aber auch Nichtvereinsmitglieder von einer übermäßigen Rabattgewährung abzuhalten, hatte der Verein eine große Anzahl von Verlegern zur Eingehung der Verpflichtung veranlaßt, denjenigen Buchhändlern, welche laut Mitteilung des Vorstandes des Börsenvereins gegen die den Rabatt betreffenden Satzungen verstoßen haben, bis auf Widerruf „ g a r n i c h t o d e r nur mit b e s c h r ä n k t e m R a b a t t " z u l i e f e r n . Wurde ein Buchhändler als solcher, der den zugelassenen Rabattsatz überschritten habe, — „Schleuderer" — oder als Begünstiger eines Schleuderers ermittelt, so wurde dies den sämtlichen Vereinsmitgliedern und denjenigen Nichtmitgliedern, welche jene „Verlegererklärung" unterschrieben hatten, durch ein Rundschreiben mitgeteilt. Diesem Rundschreiben wurde eine Liste derjenigen Firmen beigelegt, welche als Schleuderer galten. Die klagende Firma wurde durch ein Rundschreiben vom 20. Mai 1891 zufolge Beschlusses des Vereinsvorstandes, der sie mit dem Ausschluß vom Bezug und von der Benutzung des Börsenblattes, sowie von Benutzung aller Vereinsanstalten belegte, auf die Schleudererliste gesetzt und seit dieser Zeit bis zum 3. November 1900 fortlaufend in diesen Listen namhaft gemacht. In den späteren Listen wurde sie nicht mehr aufgeführt; doch war ein ausdrücklicher Widerruf von Seiten des Beklagten nicht erfolgt. Die Klägerin behauptete, daß die von dem Beklagten gegen sie ins W e r k gesetzten Maßregeln rechtswidrig seien, eine Acht- und Verrufserklärung enthielten, gegen die guten Sitten verstießen, daß sie übrigens gar nie Schleuderei betrieben habe, und daß der Beklagte neuerdings die weitergehende Veranstaltung getroffen habe, daß den Schleuderern g a r nicht o d e r n u r z u m L a d e n p r e i s e geliefert werde, Sie klagte auf Unterlassung der in Frage stehenden Maßregeln und auf Rückgängigmachung derselben, bzw. der entsprechenden Kundgebungen. Die Klage wurde vom Landgericht abgewiesen, die Berufung vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin ist

31 — unter Zurückweisung der Revision im übrigen — das Berufungsurteil insoweit, als es die Klage aus § 824 BGB. betrifft, aufgehoben worden. Aus den G r ü n d e n : . . . Was im allgemeinen die Beurteilung des von dem Beklagten im Kampfe gegen die sog. Schleuderei betätigten Vorgehens anlangt, so ist für die Frage, was erlaubt, was unerlaubt sei, auch von dem Boden der neuen Rechtsordnung und — soweit es hierauf ankommt — der heutigen sittlichen Auffassung aus einerseits auf den von dem Beklagten verfolgten Z w e c k , andrerseits aber auf die von ihm hierzu gewählten M i t t e l zu sehen. Dem prinzipiellen Vereinszweck des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler — Pflege und Förderung des Wohls, sowie Vertretung der Interessen des deutschen Buchhandels — sollen nach der Meinung des Beklagten auch dessen Bestrebungen zur Aufstellung und Durchführung eines einheitlichen Kundenrabatts dienen. Es ist hier nicht der Ort, zu untersuchen, ob d i e s e Bestrebungen v o l k s w i r t s c h a f t l i c h gerechtfertigt seien, und zu dem neuerdings deswegen entbrannten Kampfe der wissenschaftlich und wirtschaftlich sich entgegenstehenden Meinungen, vgl. die im Auftrage des Akademischen Schutzvereins verfaßte Denkschrift von B ü c h e r , Der deutsche Buchhandel und die Wissenschaft Kap. V 2. Aufl. S. 69 flg., prinzipiell Stellung zu nehmen. Soviel steht außer Frage, daß der von dem Beklagten im Kampfe gegen die sog. Schleuderei nach seiner Angabe verfolgte Zweck, den Buchhandel gegen Entwertung der Bücher und die sonstigen aus Preisunterbietungen einzelner hervorgehenden Nachteile zu schützcn und durch solchen Schutz namentlich auch die kleineren Sortimentsbetriebe lebensfähig zu erhalten, rechtlich ein völlig erlaubter und keinenfalls unsittlicher Zweck ist. An sich verstößt es auch weder gegen die Rechtsordnung, noch gegen die guten Sitten, wenn der Beklagte das in gutem Glauben erstrebte Ziel im Wege einer genossenschaftlichen Selbsthilfe zu erreichen sucht, indem er nicht bloß den Mitgliedern des Vereins satzungsgemäß bestimmte Verpflichtungen auferlegt, sondern auch außerhalb des Vereins stehende Gewerbegenossen zur Beteiligung an der Durchführung seines Zwecks heranzieht. Eine derartige genossenschaftliche oder vertragliche Vereinigung von Gewerbetreibenden zu Herbeiführung und Erhaltung angemessener Preise für ihre Gewerbserzeugnisse und Handelsartikel würde, auch wenn sie die Bedeutung eines gewerblichen Kartells hätte, darum allein noch nicht als gesetzlich unstatthaft oder sittlich verwerflich zu betrachten sein. Vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 4. Februar 1897 in den Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 38 S. 155 flg.

32 Insoweit ist das Vorgehen des verklagten Börsenvereins auch in dem Urteil des II. Zivilsenats des Reichsgerichts vom 24. Oktober 1902 i. S. M. & M. w. S. und P. (Rep. II. 190/02) rechtlich nicht beanstandet worden. Es kann also nur darauf ankommen, ob der verklagte Verein in der Wahl und Anwendung der K a m p f m i t t e l , abgesehen von dem Zusammenschluß der in und mit dem Verein verbundenen Gewerbegenossen an sich, die Grenze des Erlaubten überschritten, unberechtigterweise in die Rechtssphäre Dritter — hier der jetzt klagenden Buchhändlerfirma — eingegriffen habe. Hierbei stehen unter der neuen Rechtsordnung die Bestimmungen des § 823 Abs. 1 und 2, des § 826, sowie des § 824 B G B . in Frage. Die in § 823 Abs. 1 B G B . statuierte Schadensersatzpflicht setzt die widerrechtliche Verletzung eines der dort genannten Rechtsgüter oder Rechte voraus. Die Ansicht, daß unter die „sonstigen Rechte" im Sinne dieses Gesetzes die sämtlichen, wenn auch nicht als subjektive Rechte vom Gesetz ausgestalteten, sog. Persönlichkeitsoder Individualrechte zu rechnen seien, ist vom erkennenden Senat bisher mehrfach abgelehnt worden, so namentlich in Beziehung auf die Befugnis zu ungehinderter Verwertung der Arbeitskraft oder Erwerbsmöglichkeit. Vgl. Entsch. RG.'s in Zivils. Bd. 51 S. 373 flg. Ein bestehender selbständiger Gewerbebetrieb aber mag, wenigstens insoweit, als er durch positive Gesetzesvorschrift, namentlich durch das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896, besonders geschützt ist, als ein wohlerworbenes Recht anzusehen sein. Allein damit wäre noch nicht gegeben, daß jede Störung oder Beeinträchtigung eines Anderen in diesemGewerbebetrieb sich als rechtswidrige, unter § 823 Abs. 1 B G B . fallende Rechtsverletzung darstellte. Das wäre namentlich insoweit nicht anzunehmen, als der fragliche Eingriff in Betätigung der dem Gegner seinerseits zustehenden gewerblichen Handlungsfreiheit und in den Grenzen erlaubter Konkurrenz, bzw. Koalition erfolgt ist. Gegen unberechtigte Schädigungen oder Störungen anderer in Ausübung des Gewerbebetriebes gewährt das geltende Recht in dem Wettbewerbsgesetz, in § 823 Abs. 2 B G B . , verbunden mit den strafgesetzlichen Normen über Ehrverletzung und Kreditgefährdung, sowie in § 824 und § 826 B G B . in ausreichendem Maße Schutz; insbesondere ist die Vorschrift des § 826 B G B . dazu bestimmt und geeignet, in umfassender Weise auch den Gewerbebetrieb gegen illoyale Schädigung sicherzustellen. Im vorliegenden Falle hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum einmal den § 823 Abs. 2 BGB., sodann den § 6 des Reichsgesetzes vom 27. Mai 1896 für nicht anwendbar erachtet. In dem Berufungsurteil wird, anscheinend sogar als zwischen den Parteien unstreitig festgestellt, daß der Ausdruck „Schleuderer" eine buchhändlerisch-technische Bezeichnung sei, mit der ein be-

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stimmtes geschäftliches Verfahren gekennzeichnet, in der jedoch nach der Auffassung der beteiligten Kreise der Vorwurf eines ehrenrührigen Handelns nicht enthalten sei. Danach würde der Gebrauch jener Bezeichnung (die freilich von B ü c h e r , a. a. 0 . S. 70, als „Schimpfname" qualifiziert wird) weder den Tatbestand einer Beleidigung im Sinne des § 185 StGB., noch die Behauptung einer Tatsache, welche den so Bezeichneten verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist (§ 186 StGB.), darstellen. Uebrigens ist der fragliche Ausdruck in den die Klägerin betreffenden Rundschreiben und Zettellisten gar nicht gebraucht. Die Anwendung des § 6 des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes hält das Berufungsgericht hier für ausgeschlossen, weil sich nach seiner Ansicht im vorliegenden Falle schon nicht sagen lassen würde, daß die fragliche Behauptung z u Z w e c k e n des W e t t b e w e r b e s aufgestellt worden sei. Denn die Organe des Beklagten hätten bei ihrem Vorgehen nur gemeinnützige Zwecke verfolgt, nämlich den, ein Geschäftsgebaren zu beseitigen oder wenigstens unschädlich zu machen, in welchem sie eine erhebliche Gefährdung des Buchhändlerstandes und eine Ursache seines wirtschaftlichen Ruins erblicken zu müssen glaubten. Ob es nun wirklich „n u r gemeinnützige" Zwecke sind, welche der Beklagte bei seinem Kampfe gegen die sog. Schleuderer im Auge hat, mag dahinstehen; auch bei abweichender Auffassung und bei Unterstellung eines wenigstens zum Teil eigennützigen Zwecks der in dem Börsenverein verbundenen Buchhändlerfirmen wäre die Annahme, daß das fragliche Vorgehen vom Beklagten ,,zu Zwecken des W e t t b e w e r b e s " betätigt sei, noch nicht begründet. Das Bestreben des Beklagten ging den getroffenen Feststellungen zufolge nicht dahin, den Wettbewerb bestimmter einzelner Buchhändlerfirmen oder einer ganzen Interessentengruppe von solchen a u f K o s t e n der Gegner zu fördern. Vgl. Entsch. des RG. s in Zivils. Bd. 50 S. 108 flg. Vielmehr will der Beklagte im Interesse der g e s a m t e n Buchhändlerschaft, zu dessen Vertretung er sich berufen glaubt, den nach seiner Meinung schädlichen Wettbewerb der sog. Schleuderer von den Gewerbegenossen abwehren, einen Wettkampf durch Preisunterbietungen im Gebiet des Sortimentsbuchhandels a u s s c h l i e ß e n . Die von der Revision zu diesem Punkt erhobenen Einwendungen sind nicht als begründet anzuerkennen. Ein Interessenkampf ist nicht notwendig ein Wettbewerb im Sinne des Gesetzes. Daß der Beklagte w i d e r besseres Wissen gehandelt, wissentlich unwahre Tatsachen über die Klägerin behauptet oder verbreitet hätte, macht die letztere selbst nicht geltend. Die Bestimmungen in § 7 des Gesetzes vom 27. Mai 1896 und in § 187 S t G B . Zivils. Sdiuldredlt

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Schuldrecht, Besonderer Teil

verbunden mit § 823 Abs. 2 BGB. bleiben daher schon aus diesem Grunde außer Betracht. Prüft man im Hinblick auf die nach Vorstehendem noch in Frage bleibenden Gesetzesvorschriften, insbesondere den § 826 BGB., die von dem Beklagten als Kampfmittel gegen die sog. Schleuderei zur Anwendung gebrachten Maßregeln, so ergibt sich folgendes. Soweit der Beklagte N i c h t m i t g l i e d e r n , weil sie sich den von ihm wegen des Kundenrabattes getroffenen Festsetzungen nicht fügen, die Benutzung aller Vereinsanstalten und Vereinseinrichtungen, worauf jene kein Recht hatten, versagt, und soweit der Beklagte seinen Mitgliedern satzungsgemäß die Verpflichtung auferlegt, an solche Personen gegen den Willen des Verlegers aus dessen Verlag nicht zu liefern, ist sein Vorgehen in ersterer Beziehung überhaupt nicht, in letzterer nicht schon ohne weiteres zu beanstanden. An sich kann es einem Gewerbetreibenden oder auch einem gewerblichen Verband nicht verwehrt sein, Dritten für die Eingehung von Geschäften oder die Aufrechterhaltung geschäftlicher Beziehungen besondere Bedingungen zu stellen und bei Nichterfüllung solcher die Lieferung ihrer Erzeugnisse oder Handelsartikel zu verweigern. Mag damit auch ein gewisser Druck auf den anderen, um ihn zu einem bestimmten geschäftlichen Verhalten zu veranlassen, ausgeübt werden, so ist doch nicht jede die freie Willensbestimmung des anderen irgendwie beeinflussende Einwirkung als rechtswidrig oder unsittlich anzusehen. Sittlich verwerflich und nach § 826 BGB. unerlaubt wäre aber das Vorgehen des Beklagten, falls die von ihm angewendeten Maßregeln nach ihrer Art und beabsichtigten Wirkung den davon Betroffenen in seiner geschäftlichen Existenz bedrohten, insofern sein gewerblicher Betrieb dadurch lahmgelegt oder untergraben, sein Kredit oder Ansehen in der Geschäftswelt dauernd geschädigt würde. Eine derartige Bedeutung hat das Reichsgericht in dem Urteil vom 25. Juni 1890 denjenigen Veranstaltungen beigelegt, wodurch der Beklagte in der dem Urteil vorangehenden Zeit gegen die „Schleuderer" eine vollständige Geschäftssperre ins W e r k gesetzt hatte. Als rechtsverletzend wurden solche Veranstaltungen angesehen, einmal weil mit ihnen in für einen Erfolg geeigneter Weise vorsätzlich darauf abgezielt werde, einem Gewerbetreibenden die Möglichkeit seiner Versorgung mit den ihm für seinen Gewerbebetrieb unentbehrlichen Erzeugnissen gänzlich zu verschließen. Ein zweiter Gesichtspunkt für die Rechtswidrigkeit der d a m a l s in Frage stehenden Maßregeln wird in dem genannten Urteil darin gefunden, daß die Bekanntgabe der Ausschließung in dem „allseitig in Benutzung stehenden" B ö r s e n b l a t t e sich als ein öffentlich verkündetes Verdikt mit Strafverhängung darstelle, und durch dergleichen Maßregelungen „das Recht auf Achtung der Person und das Ansehen des individuellen Geschäftsbetriebes" verletzt werde. Und ein drittes Moment der mit

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Handlungen

der Rechtsordnung unverträglichen Handlungsweise erblickte das Reichsgericht in dem angewandten Mittel unberechtigter Androhung derselben Maßregeln gegen diejenigen — Mitglieder wie Nichtmitglieder —, welche die den Verlegererklärungen entsprechende Lieferungssperre nicht bewirken würden, sofern sich hieraus ein ganzes System von unberechtigten Einwirkungen und Schädigungen im Gewerbetrieb ergebe, und der Börsenverein hiermit eine Zwangs- und Strafgewalt über sämtliche Gewerbegenossen sich anmaße. Von diesen mehreren Gesichtspunkten scheidet der zweitgenannte im vorliegenden Falle aus, da bei der Art und Weise der gegen die K l ä g e r i n erfolgten Kundgebung eine öffentliche Aechtung oder Verrufserklärung nicht in Frage steht. Dagegen wäre auch nach jetzigem Recht eine, wenn nicht nach § 823, so doch nach § 826 B G B . unerlaubte Handlungsweise in der Anwendung des Z w a n g e s dann zu finden, wenn diejenigen, welche sich den Rabattbestimmungen des Beklagten nicht fügen, diesfalls von dem schweren materiellen Nachteil einer vollständigen Auslieferungssperre und der damit verknüpften Abschneidung der Erwerbsmöglichkeit bedroht wären. Eine derartige Vergewaltigung von Gewer.bsgenossen würde gegen die guten Sitten — „das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" — verstoßen. Vgl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 48 S. 124 flg. Die ethische Auffassung nach d i e s e r Richtung hat in der Zwischenzeit, auch im Wechsel der wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Anschauungen auf dem Gebiete des Buchhandels, eine Veränderung nicht, keinenfalls aber zugunsten der in Frage stehenden Zwangsmaßregeln erfahren. Nun hat aber der Beklagte der K l ä g e r i n gegenüber eine Maßregel der vorstehend bezeichneten Art bisher nicht zur Anwendung gebracht. Abgesehen von der Ausschließung derselben vom Bezug des Börsenblattes und von der Benutzung der Vereinsanstalten und -einrichtungen, ist gegen sie nur die (mittels der Aufnahme in die Schleudererliste in Verbindung mit den Vereinssatzungen und den Verlegererklärungen ausgeführte) Maßregel verhängt worden, daß ihr g a r n i c h t o d e r n u r m i t b e s c h r ä n k t e m R a b a t t geliefert werden sollte. Dieses Kampfmittel, wobei den Verlegern die W a h l gelassen wird, den zu Bekämpfenden nicht oder nur mit verkürztem Rabatt Bücher zu liefern, hat der I. Zivilsenat des Reichsgerichts in dem mehrerwähnten Urteil — im Gegensatze zu der Lieferungss p e r r e — für unbeanstandlich erachtet. Die so gemachte Unterscheidung ist als unbegründet angefochten worden, insbesondere von B a h r , Ein Buchhändlerprozeß, in den „Grenzboten" Jahrg. 51 Nr. 7 S. 325 flg., welchem zu diesem Punkte auch das Landgericht Leipzig in seinen Urteilen vom 7. Mai 1892 i. S. M. & M. w. S. und vom 19. April 1893 i. S. Artistische Union w. Börsenverein beigetreten ist, 3»

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freilich um j e n e w a h l w e i s e V e r p f l i c h t u n g e b e n s o wie die v o l l s t ä n d i g e L i e f e r u n g s s p e r r e als w i d e r r e c h t l i c h zu e r k l ä r e n . Auf d e n letzteren S t a n d p u n k t hat sich im g e g e n w ä r t i g e n F a l l e die R e v i s i o n gestellt. E s sei, führt s i e a u s , wenn m a n auch zwischen völliger S p e r r e u n d bloßer E r s c h w e r u n g d e s B e z u g s u n t e r s c h e i d e n wolle, doch nicht j e d e E r s c h w e r u n g e r l a u b t ; v i e l m e h r k ä m e e s auf den G r a d der E r s c h w e r u n g an, a l s o d a r a u f , w i e v i e l an d e m R a b a t t v e r k ü r z t w e r d e . U n z u l ä s s i g sei j e d e n f a l l s eine solche R a b a t t v e r k ü r z u n g , w e l c h e r sachlich die gleiche W i r k u n g w i e einer S p e r r e z u k ä m e . D a s Wahlrecht s e i a b e r ü b e r h a u p t nicht g e e i g n e t , die S a c h l a g e a n d e r s b e u r t e i l e n zu lassen, d a e b e n auf A n d r ä n g e n d e s B e k l a g t e n die Buchh ä n d l e r es a n g e m e s s e n finden k ö n n t e n , d e m B e t r o f f e n e n d a s G e s c h ä f t gänzlich zu u n t e r b i n d e n . Die K l ä g e r i n sei schon g e s c h ä d i g t , wenn sie in diese G e f a h r g e b r a c h t w e r d e , a u c h w e n n der E r f o l g nicht unbedingt eintreten m ü s s e . D e r R e v i s i o n k a n n z u g e g e b e n w e r d e n , daß eine M a ß r e g e l , w e l c h e z w a r nicht in d e r F o r m , a b e r d e r g e w o l l t e n W i r k u n g nach einer völligen G e s c h ä f t s s p e r r e g l e i c h k o m m t , e b e n d e s h a l b für u n s t a t t h a f t zu e r a c h t e n w ä r e , u n d daß d i e s a u c h b e i d e r den V e r l e g e r n b e l a s s e n e n Wahl, gar nicht, o d e r mit b e s c h r ä n k t e m R a b a t t zu liefern, dann zuträfe, w e n n e n t w e d e r die R a b a t t v e r k ü r z u n g , der A b s i c h t des B e k l a g t e n e n t s p r e c h e n d , d e m d a v o n b e t r o f f e n e n S o r t i m e n t e r einen G e s c h ä f t s g e w i n n nicht mehr übrig l a s s e n w ü r d e , oder w e n n die W a h l in W a h r h e i t nicht in d a s freie E r m e s s e n der V e r l e g e r gestellt, s o n d e r n v e r m ö g e einer a u t o r i t a t i v e n S t e l l u n g n a h m e d e s B ö r s e n v e r e i n s auf d i e Richtung der N i c h t lieferung hin v o r a u s b e s t i m m e n d g e w e s e n w ä r e . Allein daß d a s eine o d e r a n d e r e der F a l l g e w e s e n sei, ist von der K l ä g e r i n nicht d a r g e t a n , und die L i e f e r u n g mit v e r k ü r z t e m R a b a t t hat o f f e n b a r auch nach der M e i n u n g d e s B e k l a g t e n (der inzwischen zu w i r k s a m e r e n M a ß n a h m e n g r e i f e n zu sollen glaubte) nicht d e n E f f e k t einer d e r a r t i g e n E r s c h w e r u n g des G e s c h ä f t s b e t r i e b e s g e h a b t , um den „ S c h l e u d e r e r " zur U n t e r w e r f u n g zu nötigen. Vgl. die A u s f ü h r u n g v o n W i e n e r in der Zeitschr. f. H a n d e l s r . B d . 40 S. 373. K e i n e n f a l l s ist e s rechtsirrtümlich, w e n n im v o r l i e g e n d e n F a l l e d a s B e r u f u n g s g e r i c h t diejenige M a ß r e g e l des B e k l a g t e n , w e l c h e in d e m U r t e i l des R e i c h s g e r i c h t s v o m 25. J u n i 1890 noch für rechtlich zulässig e r a c h t e t w o r d e n ist, bei W e g f a l l der früher v o m B e k l a g t e n ang e w e n d e t e n s c h ä r f e r e n K a m p f m i t t e l und indirekten E i n w i r k u n g e n , vgl. d a s Urteil d e s R e i c h s g e r i c h t s , I. Zivilsenats, v o m 24. J u n i 1891 i. S . M.-G. & P. w. M . & M „ R e p . I. 104/91, nicht als u n e r l a u b t a n g e s e h e n hat. U n d e s k a n n hier d a v o n a b g e s e h e n w e r d e n , ob insoweit, als e s auf ein s u b j e k t i v s c h u l d h a f t e s H a n d e l n a n k ä m e , a n g e s i c h t s der f r ü h e r e n R e c h t s p r e c h u n g ein V e r s c h u l d e n und d a s B e w u ß t s e i n der R e c h t s w i d r i g k e i t auf seiten des B e k l a g t e n ,

37 auch wenn die betreffende Maßregel nach jetzigem Rechte für unstatthaft erklärt würde, jedenfalls zu verneinen wären. Nun hat allerdings der Beklagte in neuester Zeit ausweislich seines Rundschreibens vom 2. Dezember 1900 die Einholung von Verlegererklärungen unternommen, worin die Verleger sich verpflichten sollen, den von der Benutzung der Einrichtungen und Anstalten des Börsenvereins ausgeschlossenen Firmen gar nicht oder n u r z u m L a d e n p r e i s e zu liefern. Diese neue und verschärfte Maßregel würde das Berufungsgericht für unerlaubt halten, da, wie des näheren ausgeführt wird, die Sortimentsbuchhändler, wenn sie die Bücher höchstens zum Ladenpreise erhalten, überhaupt nicht mehr mit Gewinn verkaufen könnten, mit anderen Worten, ihren Geschäftsbetrieb einstellen müßten, und da somit die Lieferung der Bücher nur zum Ladenpreise auf eine gänzliche Unterbindung des Geschäftsbetriebes hinauslaufe. Dem Berufungsgericht ist in dieser Auffassung beizupflichten; nach dem schon Ausgeführten würde eine durch das erwähnte Zwangsmittel herbeigeführte Schädigung der davon Betroffenen eine nach § 826 B G B . unerlaubte Handlungsweise darstellen. Allein diese neue Sperrmaßregel, welche den sog. Schleuderern gegenüber vom 1. J a n u a r 1901 ab in Wirkung gesetzt worden sein soll, ist bis jetzt von dem Beklagten gegen die K l ä g e r i n nicht zur Anwendung gebracht worden und ist nach Annahme des Berufungsgerichts gegen die K l ä g e r i n gar nicht gerichtet gewesen. Letzteres entnimmt der Berufungsrichter einmal daraus, daß die gegen die Klägerin angeordneten Maßnahmen schon im Dezember 1900 ihre Endschaft erreicht hätten, weiterhin daraus, daß die Verleger denjenigen Firmen gegenüber, die schon vor dem 1. J a n u a r 1901 als Schleuderer bezeichnet worden waren, ihr Wahlrecht nach Maßgabe der f r ü h e r e n Verlegererklärungen behalten sollten, daß also insoweit der frühere Zustand bestehen geblieben seiDie Revision macht hiergegen, unter dem Hinweis darauf, daß zur Zeit der — im Januar 1901 erfolgten — Klagerhebung die neue Maßnahme bereits in Kraft getreten gewesen sei, weiterhin geltend: auch die Klägerin würde von diesen neuen Verlegererklärungen getroffen. Solange die gegen die Klägerin verhängte Sperre nicht ausdrücklich von dem Beklagten zurückgenommen sei, habe diese zu befürchten, daß auch ihr gegenüber die verschärfte Maßregel zur Anwendung kommen könne, wogegen sie durch das den Verlegern belassene Wahlrecht nicht genügend geschützt sei. E s ist nun zwar — wie noch zu erörtern sein wird — nicht ohne weiteres richtig, daß die gegen die Klägerin verhängten Maßnahmen schon im Dezember 1900 ihre Endschaft erreicht hatten; aber die bisherige Maßregelung der Klägerin ist noch innerhalb der gesetzlich zulässigen Grenzen geblieben, und nach den im Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist die Klägerin von der für unzulässig erachteten

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n e u e n Maßregel zurzeit auch nicht b e d r o h t . Sie hat also, wofern das seitherige Vorgehen des B e k l a g t e n gegen sie nicht aus einem a n d e r e n Grunde sich als rechtswidrig darstellt, keinen rechtlichen Grund zu einer Klage auf Unterlassung der fraglichen Maßregel oder auf Feststellung der Unzuläss : gkeit derselben, sollte auch ein aktuelles Interesse für sie nicht schon durch die Beschaffenheit ihres B e t r i e b e s als eines bloßen Verlagsgeschäftes ausgeschlossen sein. Die Abweisung der Klage erscheint hiernach, soweit sie auf die vorgehend bezeichneten Gesetzesvorschriften, abgesehen von dem § 824 B G B . , gestützt ist, als gerechtfertigt, auch wenn dabei die F r a g e außer B e t r a c h t gelassen wird, ob die Klägerin durch das Vorgehen des Beklagten gegen sie einen Vermögensschaden erlitten hat oder möglicherweise erleiden kann. Die Klägerin hat nun a b e r behauptet, sie habe den Rabattfestsetzungen des Beklagten n i e m a l s z u w i d e r g e h a n d e l t , habe weder selbst Schleudergeschäfte betrieben — was sie bei ihrem ausschließlich auf Verlagsbuchhandel beschränkten B e t r i e b auch gar nicht habe tun können — , noch auch die Schleuderei anderer begünstigt. E s ist vom B e k l a g t e n nicht bestritten und vom Berufungsgericht, freilich in Verwertung dieses Umstandes g e g e n die Klägerin, angenommen, daß die Klagfirma selbst stets nur V e r l e g e r i n gewesen sei. D e r Berufungsrichter erkennt auch an, daß im F a l l e des § 824 B G B . ebenso, wie bei der böswilligen Kreditschädigung im Sinne von § 187 S t G B . , nicht vorausgesetzt werde, daß die behauptete T a t s a c h e eine ehrenrührige sein müsse. E r verneint aber die Frage, ob dadurch, daß der B e k l a g t e die Klägerin als eine Firma bezeichnet hat, die zu den Schleuderern gehöre oder diese doch wenigstens unterstütze, der T a t b e s t a n d jener Rechtisnormen erfüllt sein könne, weil die fragliche Behauptung nicht geeignet gewesen sei, ihren Kredit zu gefährden oder Nachtedle für ihre Erwerbstätigkeit herbeizuführen. B e i d e s wäre zwar nach Ansicht des Berufungsgerichts der F a l l gewesen, wenn die Klägerin Sortimentsgeischäfte betrieben hätte. Allein sie habe, wie sie nachdrücklich hervorhebe, stets nur Verlagsgeschäfte betrieben, habe somit durch die Erschwerung des Warenbezugs gar nicht geschädigt oder in ihrem Kredit gefährdet werden können und habe selbst nicht zu behaupten vermocht, daß sie durch die fraglichen Maßnahmen geschmälert worden sei oder eine Einbuße erlitten habe. E s s e i das „bei der ganzen S a c h l a g e " auch für die Zukunft nicht zu befürchten. Diese Erwägungen werden von der Revision als gegen materielles Recht und gegen Prozeßnormen verstoßend angegriffen. Der T a t bestand des § 824 B G B . sei gegeben. Die Bekanntmachung des Beklagten in dem Rundschreiben vom 20. Meli 1891 w ä r e zwecklos und unerklärlich, wenn der B e k l a g t e nicht mit der Möglichkeit gerechnet hätte, daß die Klägerin Sortimentsgeschäfte betreiben könne.

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Daran «ei die Klägerin gehindert, mindestens werde es ihr erschwert, solange nicht vom B e k l a g t e n die gegen sie verhängten Sperrmaßregeln ausdrücklich aufgehoben würden. D a h e r k ö n n e der B e k l a g t e der Klägerin nicht entgegenstellen, daß sie eine Sortimentsbuchhandlung nicht führe. Die Verbindung einer Verlags- und einer Sortimentsbuchhandlung sei auch so gewöhnlich, daß ein Verlagsbuchhändler geschädigt sei, wenn ihm von vornherein die Errichtung eines Sortimentsgeschäftes wesentlich e r s c h w e r t werde. E s sei aber auch nicht richtig, daß ein V e r l e g e r in seinem G e s c h ä f t s b e t r i e b durch eine Bekanntmachung der in R e d e stehenden A r t nicht geschädigt würde. Der Verleger sei auf den geschäftlichen V e r k e h r mit den Sortimentern angewiesen. W e r d e er diesen als ein Buchhändler dargestellt, welcher selbst Sortimentsgeschäfte betreibe, sie unterbiete und in dem bestehenden Interessenkampf der gegnerischen P a r t e i angehöre und vom B e k l a g t e n b o y k o t t i e r t werde, so müsse dies auf die Beziehungen des Verlegers zu den S o r t i m e n t e r n schädigend einwirken. Die Klägerin habe denn auch . . . dargelegt, daß und inwiefern sie durch das Vorgehen des Beklagten geschädigt werde. . . . Diese Ausführungen verdienen Beachtung, soweit sie auf die Anwendung des § 824 B G B . Bezug haben. Zweifellos liegt in den Kundgebungen des Beklagten — den Rundschreiben und den mit denselben versandten Listen — die B e hauptung und Verbreitung der T a t s a c h e , daß die klägerische Firma Schleudergeschäfte betreibe oder doch die Schleuderei anderer unterstütze. Daß diese T a t s a c h e unter den obwaltenden Verhältnissen g e e i g n e t i s t , wenn nicht den Kredit der Klägerin zu gefährden, so doch sonstige N a c h t e i l e für deren E r w e r b oder Fortkommen h e r b e i z u f ü h r e n , ist von vornherein sehr wohl glaubhaft und wird durch den Umstand, daß die Klägerin bisher nur Verlagsgeschäfte betrieben hat, keineswegs ausgeschlossen. E s kommt nicht bloß darauf an, ob die Klägerin durch die gegen sie verhängten Maßregeln einen ziffernmäßig zu berechnenden Vermögensschaden erlitten h a t , und ob -die Schädigung gerade darin besteht, daß der Klägerin bisher der Bezug von Verlagsartikeln anderer V e r l e g e r abgeschnitten oder erschwert wurde. Die ihr durch die fraglichen Kundgebungen unmittelbar oder mittelbar zugefügten Nachteile können möglicherweise in einer ungünstigen Beeinflussung ihres E r werbsgeschäftes in der Art, wie dieses seither betrieben wurde, gelegen sein. Abgesehen von den mit der verhängten S p e r r e nach den Satzungen des Börsenvereins direkt verknüpften Folgen — Ausschließung von der Benutzung des Börsenblattes, der sonstigen Vereinsanstalten und -einrichtungen — kommen die von der Revision hervorgehobenen M o m e n t e in B e t r a c h t . Die Annahme, daß es auch für einen V e r l e g e r Nachteile im Geschäft und E r w e r b mit

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Schuldrecht, Besonderer Teil

sich bringt, wenn er von dem B ö r s e n v e r e i n den G e w e r b e g e n o s s e n gegenüber als S c h l e u d e r e r g e k e n n z e i c h n e t wird, ist eine gewiß naheliegende. Die von der K l ä g e r i n zu d e m P r o z e ß z w e c k , den Vorwurf der S c h l e u d e r e i zu e n t k r ä f t e n , aufgestellte (Behauptung, d a ß sie immer nur V e r l a g s g e s c h ä f t e b e t r i e b e n h a b e , durfte nicht ohne w e i t e r e s in dem S i n n e g e g e n sie v e r w e r t e t werden, daß sie dieses Umstandes w e g e n durch die betreffenden M a ß n a h m e n auch nicht benachteiligt sein k ö n n e . B e i dem V e r l a g s g e s c h ä f t e der Klägerin kommt möglicherweise noch speziell ihr Verhältnis zu der F i r m a M. & M. in R ü c k s i c h t , w o r ü b e r allerdings bis jetzt B e s t i m m t e s nicht feststeht. W e n n sodann auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht in Aussicht zu nehmen ist, sie w e r d e in n a h e r Zeit selbst S o r t i m e n t s g e s c h ä f t e in ihren B e t r i e b aufnehmen, so ist doch der Revision zuzugeben, daß die K l ä g e r i n in der gewerblichen B e wegungsfreiheit auf dem die einzelnen G e s c h ä f t s z w e i g e umfassenden G e b i e t e des Buchhandels beengt und dadurch materiell beeinträchtigt sein kann, solange sie u n t e r den S c h l e u d e r e r n aufgeführt wird. Die U n w a h r h e i t der über sie behaupteten T a t s a c h e h ä t t e nach § 824 B G B . die Klägerin zu beweisen. Daß sie in ihrem e i g e n e n G e s c h ä f t e den F e s t s e t z u n g e n des B e k l a g t e n nicht zuwidergehandelt, bzw. ü b e r m ä ß i g e n K u n d e n r a b a t t nicht gewährt habe, würde sich, wofern sie ausschließlich Verlagsgeschäfte b e t r e i b t , e b e n hieraus ergeben. O b die Klägerin — im Sinne der vom B e k l a g t e n v e r t r e t e n e n Auffassung — die S c h l e u d e r e i anderer unterstützt habe, ist b e s t r i t t e n . . . . Zu den von der K l ä g e r i n nachzuweisenden Voraussetzungen des § 824 B G B . gehört w e i t e r , daß der B e k l a g t e die U n w a h r h e i t der behaupteten oder v e r b r e i t e t e n T a t s a c h e n k e n n e n mußte, daß er also fahrlässig gehandelt hat. E i n e eventuelle Entscheidung hierüber zu treffen, ist das R e v i s i o n s g e r i c h t bei dem Mangel der tatsächlichen Feststellungen nicht in der L a g e ; b e m e r k t werden mag nur, daß eine F a h r l ä s s i g k e i t des B e k l a g t e n durch die bis jetzt zur S p r a c h e g e k o m m e n e n Beziehungen der Klägerin zu der F i r m a M. & M. nicht von v o r n h e r e i n ausgeschlossen wäre. Nach § 824 A b s . 2 B G B . wird durch eine Mitteilung, deren Unwahrheit dem Mitteilenden unbekannt ist, dieser nicht zum S c h a densersatze verpflichtet, wenn er oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein b e r e c h t i g t e s I n t e r e s s e hat. Daß ein solches, und zwar nicht bloß vermeintliches, sondern o b j e k t i v berechtigtes, vgl. Entsch. des R G . ' s in Zivils. B d . 51 S. 379, I n t e r e s s e für ihn oder die E m p f ä n g e r der Rundschreiben und L i s t e n bestanden habe, w ä r e vom B e k l a g t e n darzutun. Wenn in dem U r teile des R e i c h s g e r i c h t s Bd. 2 8 S . 2 3 8 flg. die unmittelbare o d e r analoge Anwendung des § 193 S t G B , für den damaligen F a l l (S. 249) abgelehnt ist, weil das von dem V e r e i n frei gewählte S y s t e m ü b e r

Unerlaubte

Handlungen

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ein N i c h t m i t g l i e d zu v e r h ä n g e n d e r M a ß r e g e l n n i c h t die W a h r n e h mung b e r e c h t i g t e r I n t e r e s s e n d a r s t e l l e , so l ä ß t sich z w a r diese B e gründung n i c h t d i r e k t auf den v o r l i e g e n d e n F a l l ü b e r t r a g e n ; a b e r k e i n e n f a l l s liegt hier d i e S a c h e so, daß ein b e r e c h t i g t e s I n t e r e s s e des B e k l a g t e n , b z w . d e r mit ihm v e r b ü n d e t e n B u c h h ä n d l e r an d e r f r a g l i c h e n M i t t e i l u n g und an der f e r n e r e n A u f r e c h t e r h a l t u n g der ü b e r die K l ä g e r i n b e h a u p t e t e n T a t s a c h e als s c h o n durch die U m s t ä n d e gegeben erachtet werden könnte. D e r § 8 2 4 B G B . spricht (wie a u c h die § § 8 2 3 und 8 2 6 das.) nur v o n der V e r p f l i c h t u n g zum S c h a d e n s e r s a t z . D a s h a t jedoch n i c h t die B e d e u t u n g , daß d e r durch die u n e r l a u b t e H a n d l u n g V e r l e t z t e darauf b e s c h r ä n k t w ä r e , für den i h m b e r e i t s e r w a c h s e n e n V e r m ö g e n s s c h a d e n E n t s c h ä d i g u n g zu v e r l a n g e n . W i e der erkenn e n d e S e n a t s c h o n früher a u s g e s p r o c h e n hat, vgl. E n t s c h . des R G . ' s in Zivils. B d . 4 8 S . 1 1 8 flg., ist n a m e n t l i c h e i n durch K l a g e v e r f o l g b a r e r A n s p r u c h auf U n t e r l a s s u n g w e n i g s t e n s da zu g e w ä h r e n , w o ein u n e r l a u b t e s V e r h a l t e n b e r e i t s v e r w i r k l i c h t wurde, und w e i t e r e E i n g r i f f e zu b e s o r g e n sind, w o m i t der K l a g e die F o r t s e t z n u g o d e r V o l l e n d u n g d e r v e r ü b t e n o d e r b e g o n n e n e n S c h ä d i g u n g v e r h ü t e t w e r d e n soll. Vgl. auch E n d e m a n n , L e h r b u c h des B ü r g e r l i c h e n Rechts 8. Aufl. B d . 1 § 201 S . 1265. E s m u ß f e r n e r in e i n e m F a l l e , w o durch e i n e u n e r l a u b t e Handlung ein den a n d e r e n dauernd s c h ä d i g e n d e r oder mit N a c h t e i l b e d r o h e n der Z u s t a n d g e s c h a f f e n ist, o d e r wo, n a m e n t l i c h durch öffentliche K u n d g e b u n g e n , die B e d i n g u n g e n e i n e r f o r t w i r k e n d e n , b z w . sich e r n e u e n d e n B e n a c h t e i l i g u n g g e s e t z t w o r d e n sind, dem V e r l e t z t e n ein R e c h t s m i t t e l g e g e b e n sein, um j e n e m Zustand ein E n d e zu m a c h e n , die Quelle w e i t e r e r S c h ä d i g u n g e n zu v e r s c h l i e ß e n . Aus d i e s e m G e s i c h t s p u n k t , mag e r aus den B e s t i m m u n g e n ü b e r S c h a d e n s e r s a t z (§ 2 4 9 vgl. mit §§ 251, 2 5 3 B G B . ) , o d e r den für die K l a g e auf U n t e r l a s s u n g m a ß g e b e n d e n G r ü n d e n h e r z u l e i t e n sein, ergibt sich, daß im F a l l e d e s § 8 2 4 B G B . n a c h U m s t ä n d e n der V e r l e t z t e die Z u r ü c k n a h m e der a u f g e s t e l l t e n , b z w . v e r b r e i t e t e n B e h a u p t u n g o d e r sonstige die K u n d g e b u n g a u ß e r W i r k u n g s e t z e n d e M a ß n a h m e n — seine Rehabilitation — beanspruchen kann. Vgl. n o c h E n t s c h . des R G . ' s in Zivils. B d . 5 3 S . 171 flg. S. 1 7 9 ; a u c h C r o m e , D e u t s c h e s B ü r g e r l i c h e s R e c h t B d . 2 § 3 2 7 S . 1027. E s f r a g t sich nun, ob die K l ä g e r i n w e g e n d i e s e r A n s p r ü c h e b e r e i t s k l a g l o s gestellt sei, ob die B e s o r g n i s e i n e r B e n a c h t e i l i g u n g d e r s e l b e n a u c h für die Zukunft n i c h t m e h r b e s t e h e . D i e R e v i s i o n b e s t r e i t e t dies, w i e es die K l ä g e r i n auch in den V o r i n s t a n z e n b e s t r i t t e n h a t . D a s B e r u f u n g s g e r i c h t s e l b s t hat am S c h l ü s s e d e r U r t e i l s g r ü n d e d e m B e d e n k e n R a u m g e g e b e n , ob n i c h t d e r B e k l a g t e v e r p f l i c h t e t gew e s e n w ä r e , die g e g e n die K l ä g e r i n e r g r i f f e n e n M a ß r e g e l n mit aus-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

drücklichen Worten, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise rückgängig zu inachen. In der Tat wäre diese Verpflichtung des Beklagten zweifellos begründet, falls er der Wahrheit zuwider fahrlässigerweise die Klägerin als Schleuderin oder Begünstigerin der Schleuderei gekennzeichnet hätte. Damit, daß die Klägerin in den Schleudererlisten nach dem 3. November 1900 nicht mehr erwähnt ist, sind die Folgen der früheren Kundgebungen nicht ohne weiteres beseitigt. Auch der „Friedensschluß" des Beklagten mit der Firma M. & M. wirkte an sich und nach der hierüber erlassenen Bekanntgabe nicht zugleich zugunsten der Klägerin; nicht formell, aber auch nicht notwendig dem Erfolge nach. Wenn auch den beteiligten Kreisen durch das Rundschreiben vom 20. Mai 1891 erkennbar gemacht war, die Klägerin sei zufolge ihrer Beziehungen zu der Firma M. & M. ausgeschlossen und auf die Liste gesetzt worden, so folgt daraus nicht, daß die Aufhebung der Sperre über die letztere Firma überall auf die Klägerin bezogen werde; das um so weniger, als, wie festgestellt ist, die Streichung einer Firma aus der Schleudererliste in der R e g e l den Beteiligten durch Rundschreiben besonders eröffnet wurde, und die Listen wenigstens zur Zeit der über die Klägerin verhängten Sperre diese als „bis zur anderweiten Bekanntmachung des Vorstands" geltend bezeichneten. Ist die Klägerin, wie sie behauptet, mit Unrecht auf die Schleudererliste gesetzt worden, so kann sie verlangen, daß die Rücknahme dieser Maßregel in Form der sicher wirksamen Bekanntmachung, sei es im Börsenblatte, oder durch besonderes Rundschreiben, erfolge; mit der vom Beklagten behaupteten mündlichen Mitteilung eines Vorstandsmitgliedes des Beklagten ist die Klägerin nicht klaglos gestellt. Da der Beklagte auch im gegenwärtigen Prozesse gegen die Klägerin die Bezichtigung der Schleuderei oder der Teilnahme an solcher, wenn nicht ausdrücklich, doch der Sache nach aufrecht erhalten hat, so ist auch die Behauptung der Klägerin, daß sie eine Wiederholung der in Frage stehenden Maßregeln zu gewärtigen hätte, nicht schlechthin zu verwerfen." . . . RGZ. 58, 357 Inwiefern setzt die Beteiligung im Sinne des § 830 Abs. 1 Satzes 2 BGB. eine Gemeinsamkeit des Handelns der mehreren •orans? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Mannheim.

Urt. v. 30. Juni 1904. II. Oberlandesgericht Karlsruhe.

Die Klägerin wurde am 8. Februar 1902 in der Wirtschaft zur „Krone" in H. während einer von der dortigen Kegelgesellschaft veranstalteten Abendunterhaltung von einer in der Richtung gegen sie

43 geworfenen Knallerbse in das rechte Auge getroffen. Die hierdurch verursachte Verletzung hatte eine erhebliche Schwächung des Sehvermögens auf diesem Auge zur Folge. Die Klägerin erhob gegen sechs Teilnehmer der Gesellschaft auf Grund der Behauptung, daß sie durch eine gemeinschaftliche unerlaubte Handlung, das Werfen mit Knallerbsen, den Schaden verursacht hätten, und unter der Aufstellung -der weiteren Behauptung gegen jeden derselben, daß der schädigende Wurf von ihm ausgegangen sei, Klage mit dem Antrage, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5800 M. nebst Zinsen zu verurteilen. Nach Beschränkung der Verhandlung und Entscheidung auf den Grund des Anspruches wurde durch Zwischenurteil des Landgerichts festgestellt, daß die Beklagten H. Q. und E. Ha. der Klägerin denjenigen Schaden als Gesamtschuldner zu ersetzen haben, der ihr durch jene Verletzung ihres Auges verursacht worden sei, während durch Teilurteil die gegen die weiteren vier Beklagten gerichtete Klage abgewiesen wurde. Die Berufungen der Beklagten Qu. und Ha., und sodann die Revision des Beklagten Ha. wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : „Das Landgericht hat die Beklagten Qu. und Ha. als Beteiligte im Sinne des § 830 Abs. 1 Satzes 2 erachtet und demgemäß die Klage gegenüber diesen beiden Beklagten für begründet erklärt. Das Berufungsgericht billigt die Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Haftbarmachung der beiden Beklagten Qu. und Ha.; denn an dem Werfen der Knallerbsen hätten sie sich beteiligt; von dem Orte aus, an dem sie gesessen, seien sie in der Lage gewesen, die Klägerin zu treffen, und daß sie in dem Zeitpunkte, in dem die Klägerin getroffen worden sei, geworfen hätten, sei auf Grund der Beweiserhebung unbedenklich anzunehmen. In dem Werfen von Knallerbsen in einem mit Menschen vollbesetzten Saal „in der Richtung der Menschen" sei zweifellos eine unerlaubte Handlung zu erblicken (§ 366 Ziff. 7 StGB.). Daß die Knallerbsen, weil mit Explosivstoffen gefüllt, der Gesundheit anderer gefährlich gewesen seien, habe sich erwiesen. Auch die Beschädigung der Kleider sei nicht ausgeschlossen. Das Dulden des Werfens von seiten des Vorstandes der Gesellschaft beseitige nicht die Verantwortlichkeit des Werfenden. Von einem Mitverschulden der Klägerin, weil sie im Saale geblieben, könne keine Rede sein. Daß die beiden Beklagten als „Beteiligte" im Sinne des § 830 Abs. 1 Satzes 2 BGB. anzusehen seien, sei gleichfalls als festgestellt zu erachten. Ein gemeinsamer Vorfall, bei dem der Schade sich ereignet habe, sei vorhanden. Daß die beiden Beklagten zur Zeit dieses Ereignisses tätig gewesen seien, sei festgestellt; nach der Beweiserhebnug sei gleichfalls festgestellt, daß jeder derselben den Schaden habe verursachen können. Jeder

44 derselben sei daher für den ganzen S c h a d e n v e r a n t w o r t l i c h . Die A r g u m e n t a t i o n des B e k l a g t e n Qu., e s müßte b e w i e s e n werden, daß gerade zu dem fraglichen Zeitpunkte b e s t i m m t e P e r s o n e n in der Richtung gegen die Klägerin geworfen hätten, i n dieser Hinsicht a b e r sei die K l a g e gegen ihn weder begründet, noch b e w i e s e n worden, sei nicht durchschlagend, da anzunehmen sei, daß die beiden B e k l a g t e n zu der Zeit, da die Verletzung der K l ä g e r i n verursacht worden sei, mit Knallerbsen geworfen hätten. O b noch andere, insbesondere an dem runden T i s c h e sitzende, P e r s o n e n , gleichfalls in der Richtung, in der die Klägerin gesessen, K n a l l e r b s e n geworfen hätten, sei nicht zu untersuchen. E s handle sich nur um die Beteiligung der beiden Beklagten, und die Beteiligung e i n e r dritten P e r s o n berühre die F r a g e der Haftbarkeit der B e k l a g t e n für den einget r e t e n e n Schaden nicht. Die Revision . . , rügt unter anderem, . . . ein gemeinsames V o r gehen im Sinne des § 830 B G B . liege nicht vor. E s liege vielmehr nur vor, daß zwei Personen gleichzeitig dieselbe Handlung begangen hätten. Dies erschöpfe den T a t b e s t a n d der Beteiligung im Sinne des § 8 3 0 B G B . nicht. . . . Die Anwendung des § 8 3 0 Abs. 1 S a t z e s 2 B G B . erfordert . . , k e i n e s w e g s ein gemeinsames b e w u ß t e s V o r g e h e n d e r „ m e h r e r e n B e t e i l i g t e n " in dem Sinne, wie die Revision darzutun versucht. Gemeinschaftlichkeit der Verursachung umfaßt das b e w u ß t e und gewollte Zusammenwirken mehrerer, auch das bloß t a t s ä c h l i c h e Zusammenwirken mehrerer, sei es mit n a c h g e w i e s e n e m , oder nicht n a c h g e w i e s e n e m Einzelerfolg der T ä t i g k e i t des einzelnen, ja selbst das Zusammenwirken fahrlässiger Handlungen m e h r e r e r , aber immer unter der Voraussetzung, daß der eingetretene S c h a d e sich als das P r o d u k t der Gesamtwirkung der Handlungen der einzelnen darstellt, also jeder der mehreren tatsächlich zur Entstehung des S c h a dens mitgewirkt hat. Gänzlich verschieden hiervon ist der F a l l , daß m e h r e r e je eine Handlung begangen haben, die den S c h a d e n hervorgerufen haben kann, die Handlung e i n e s dieser m e h r e r e n auch den Schaden erzeugt hat, a b e r nicht ermittelt werden k a n n , wer der U r h e b e r der wirklich schadenstiftenden Handlung ist, der w i r k l i c h e ursachliche Zusammenhang also nicht b e w i e s e n w e r d e n kann. Vgl. E n t s c h . des R G . ' s in Zivils. Bd. 10 S. 143. D i e s e r Gegensatz zur gemeinschaftlichen Verurs a c h u n g des Schadens im Sinne des ersten S a t z e s des e r s t e n A b s a t z e s des § 830 B G B . führt zu der „ B e t e i l i g u n g " im S i n n e des zweiten Satzes. U e b e r die Auslegung, w e r im S i n n e des S a t z e s 2 als „ b e t e i l i g t " zu e r a c h t e n sei, gehen die A n s i c h t e n allerdings auseinander. W ä h r e n d D e r n b u r g (Bürgerl. R e c h t B d . 2 A b t . 2 S. 622) selbst die Auslegung der „ B e t e i l i g u n g " im S i n n e des

45 § 227 S t G B , für das Zivilrecht ablehnt und den Nachweis von T ä t l i c h k e i t e n an dem G e s c h ä d i g t e n fordert, unterstellt Rümelin (Die V e r w e n d u n g der Kausalbegriffe im S t r a f r e c h t und Zivilrecht S. 174) die Beteiligung an einer causa remota, an einem allgemeineren unerlaubten, die G e f a h r der speziellen Verletzung nahelegenden Handeln, v. L i s z t (Deliktsobligation S. 76) ein gemeinsames Handeln irgendwelcher A r t einerseits, den feststehenden Kausalzusammenhang zu dem eingetretenen Erfolg und einer in dieses gem e i n s a m e Handeln hineinfallenden Handlung andererseits, O e r t • m a n n ( K o m m e n t a r zum B G B . zu § 830) die Beteiligung an einem allgemeinen T a t b e s t a n d , aus dem als der causa r e m o t a sich die unm i t t e l b a r schädigende k ö r p e r l i c h e Handlung als causa proxima entwickelt. Vgl. auch C r o m e , System des B R . Bd. 2 S. 1060. D e r § 714 des ersten Entwurfes des Bürgerlichen G e s e t z b u c h e s enthielt noch k e i n e den F a l l n i c h t g e m e i n s c h a f t l i c h e r Veru r s a c h u n g des S c h a d e n s deckende Bestimmung. E r lautete vielm e h r in S a t z 1: „Haben m e h r e r e durch gemeinsames Handeln, sei es als Anstifter, T ä t e r oder Gehilfen, einen Schaden verschuldet, so haften sie als G e s a m t s c h u l d n e r " ; in S a t z 2: ,,Das gleiche gilt, wenn im F a l l e e i n e s v o n m e h r e r e n v e r s c h u l d e t e n Schadens von den mehreren nicht gemeinsam gehandelt, der A n t e i l des einzelnen an dem S c h a d e n a b e r nicht zu ermitteln ist". In der Kommission wurde zu dem § 714, gegen dessen ersten Satz von k e i n e r S e i t e W i d e r s p r u c h e r h o b e n wurde, der Antrag gestellt, den S a t z 2 zu fassen: ,,Das gleiche gilt, wenn m e h r e r e nicht gemeinschaftlich gehandelt haben, und sich nicht ermitteln läßt, wessen Handlung den S c h a d e n v e r u r s a c h t hat". Nach dem Kommissionsbericht sollte durch den Antrag, der unter V o r b e h a l t der Prüfung der Fassung durch die Redaktionskommission angenommen wurde, k l a r gestellt werden, daß der S a t z 2 des § 714 auch in den F ä l l e n Anwendung finde, in welchen ein rechtswidriger Erfolg n i c h t durch das Z u s a m m e n w i r k e n mehrerer v e r u r s a c h t sei, und daß in der Person jedes der Handelnden, eines von m e h r e r e n Beteiligten herbeigeführt sei, sich a b e r der Urheber der Handlung nicht nachweisen lasse. Vorausgesetzt werde also nur, daß von den mehreren Handelnden einer den S c h a d e n verursacht habe, daß der S c h a d e möglicherweise von einem jeden der mehreren v e r u r s a c h t sei, und daß in der Person jedes der Handelnden, wenn er der Schädigende sei, auch Verschuldung vorliege. In der Redaktionskommission erhielt sodann der Satz 2 des § 7 3 3 die mit Satz 2 des § 8 3 0 B G B . übereinstimmende Fassung: „Das gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren B e t e i l i g t e n den S c h a d e n durch seine Handlung verursacht hat". Vgl. M u g d a n ,

Materialien zum B G B . Bd. 2 S. 412, 1095 flg.

46 Nach der Fassung und der Entstehung des Satzes 2 des § 830 Abs. 1 B G B . besteht also die Voraussetzung der B e t e i l i g u n g im Sinne dieser Bestimmung darin, daß mehrere eine unerlaubte Handlung begangen haben, die den eingetretenen Schaden verursachen konnte, daß eine dieser Handlungen, also die unerlaubte Handlung e i n e s dieser mehreren, den Schaden auch wirklich verursacht hat, die Handlung eines jeden der mehreren den Schaden hätte verursachen können, der wirkliche Urheber der schadenstiftenden Handlung aber nicht ermittelt werden kann. Das Zusammentreffen dieser Voraussetzungen führt notwendig auf einen Vorgang, der zeitlich und räumlich die mehreren in eine freilich von der Gemeinschaftlichkeit des Zusammenwirkens des Satzes 1 ganz verschiedene Gemeinsamkeit des Tuns zusammenfaßt, in dessen Bereich der rechtswidrige Erfolg fällt und eine gemeinsame Grundlage des Verschuldens in der von j e d e m bewirkten Gefährdung findet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind hiernach gegen den Beklagten Ha. die Voraussetzungen des Satzes 2 des Abs. 1 des § 830 gegeben." . . . RGZ. 58, 393 Beurteilung eines Abkommens, durch welches eine Person, die ein zur Zwangsversteigerung stehendes Grundstück erstehen will, mit einem Hypothekengläubiger, der seine Hypothek ausbieten will, vereinbart, daß er hiervon gegen Bezahlung seiner Hypothekeniorderung Abstand nehme; Schadensersatzansprüche derjenigen Realberechtigten, die, wenn der Hypothekengläubiger sein« Absicht ausgeführt hätte, gedeckt worden wären, infolge' des Abkommens aber leer ausgehen. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I München.

Urt. v. 11. Juli 1904. II. Oberlandesgericht daselbst.

Im Februar 1901 wurde ein damals dem Baumeister B. gehöriges Hausgrundstück in München zwangsweise versteigert, und zwar noch nach Maßgabe der bayerischen Subhastationsordnung. Auf dem Grundstücke haftete an sechster Stelle eine Hypothek von 1562 M. für den Kläger, einen Handwerker, der Arbeiten für den Hausbau ausgeführt hatte. Vor gingen ihr zunächst drei Hypotheken im Gesamtbetrage von 74 000 M., ferner eine solche von 10 000 M. für die Firma G. & B., sowie eine von 1260,86 M. für den Schieferdeckermeister B. Im Range hinter der Hypothek des Klägers stand noch eine Kautionshypothek von 4000 M. für den Fabrikanten V. Das Grundstück wurde der Beklagten um 87 500 M. zugeschlagen; der Erlös reichte nach Tilgung der Kosten und Zinsen

47 nur zur Deckung der drei ersten Hypotheken und von 9790,60 M. von der vierten Hypothek, so daß diese mit einem Teilbetrag von 209,40 M., die späteren Hypotheken aber ganz ausfielen. Der Kläger forderte für den Vermögensverlust, der ihm hierdurch bezüglich seiner nicht zur Hebung gelangten Forderung von 1562 M. erwachsen war, Ersatz von der Beklagten und machte zur Begründung dessen geltend, die Beklagte habe schon vor der Zwangsversteigerung des Grundstücks in diesem ihr Lohnfuhrwerksgeschäft betrieben und, um sich dessen Fortbetrieb dort zu sichern, das Grundstück erstanden, nachdem sie vorher vergeblich dem Eigentümer einen Preis von 108 000 M. geboten gehabt. Um bei der Versteigerung das Grundstück billiger zu erlangen, habe sie den Hypothekengläubiger V., der bereit und in der Lage gewesen sei, so weit auf dasselbe zu bieten, daß seine durch die Kautionshypothek gesicherte Forderung zur Hebung komme, bestimmt, hiervon Abstand zu nehmen. Sie habe zu diesem Behufe während des Versteigerungstermins mit ihm ein Abkommen dahin getroffen, daß sie ihm 3500 M. zahlen, und er dafür sich an dem Bieten nicht weiter beteiligen solle. Infolgedessen habe V. nicht weiter geboten; der Kläger aber und der Inhaber der fünften Hypothek seien nicht im Besitz der erforderlichen Mittel gewesen, ihrerseits das Gebot der Beklagten zu übersetzen; sie hätten auch mit der Notwendigkeit, dies zur Wahrung ihrer Interessen tun zu müssen, gar nicht gerechnet gehabt, da V. vorher bestimmt erklärt gehabt habe, daß er seine Hypothek ausbieten werde. Der Kläger wollte das von der Beklagten mit V. getroffene Abkommen als eine unerlaubte, zum Schadensersatz verpflichtende Handlung angesehen wissen. Die Beklagte stellte in Abrede, mit V. einen Vertrag des behaupteten Inhalts geschlossen zu haben; sie habe sich vielmehr dessen durch die Kaulionshypothek gesicherte Forderung abtreten lassen, und deswegen habe er nicht weiter geboten, eventuell bestritt sie, daß ein Abkommen des vom Kläger behaupteten Inhaltes für sie eine Schadensersatzpflicht begründen würde. Das Landgericht erkannte nach dem Klagantrage; dagegen wies das Oberlandesgericht die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben, und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, aus folgenden Gründen: „Das Berufungsgericht sieht als festgestellt an, daß die . . . Beklagte in dem Versteigerungstermine vom 12. Februar 1901 mit dem Kaufmann V. ein Abkommen dahin getroffen habe, daß dieser gegen Gewährung einer Abfindung von 3500 M. sich nicht weiter an dem Bieten auf das zur Versteigerung stehende Grundstück beteilige. Ohne dieses Abkommen würde V. das von der Beklagten getane

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Höchstgebot übersetzt und den Preis des Grundstücks auf die Höhe von ungefähr 90 000 M. getrieben haben, und das habe die Beklagte gewußt. Bekannt sei ihr auch gewesen, daß der Forderung V.'s, die ihn zum Bieten bis zu der bezeichneten Höhe veranlaßt haben würde, die jetzt in Frage stehende Forderung des Klägers im Range vorgegangen sei. Dagegen stehe nicht fest, daß die Beklagte gewußt habe, der in dem Versteigerungstermine mitanwesende Kläger sei nicht in der Lage, sein Interesse bezüglich der auf dem Grundstücke gesicherten Forderung durch Mitbieten bis zu einem sie deckenden Preise selbst zu wahren. Dementsprechend sei nicht erwiesen und könne auch durch die vom Kläger angebotenen Beweise nicht dargetan werden, daß die Beklagte die Absicht gehabt habe, sich auf Kosten des Klägers oder des ihm im Range vorgehenden Schieferdeckermeisters B. durch billigen Erwerb des Grundstückes zu bereichern. Aber, so führt das Berufungsgericht weiter aus, wenn man selbst annehmen wollte, die Beklagte habe damit rechnen müssen, daß der Kläger nicht in der Lage sein werde, das Grundstück selbst zu erstehen, und daß er deshalb durch die von ihr mit V. getroffene Vereinbarung geschädigt werden könne, so sei doch zu einem dem Kläger günstigen Ergebnis nicht zu gelangen. Das sogenannte pactum de non licitando sei nicht unbedingt als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen. V. habe von der Beklagten nicht einmal den vollen Betrag seiner Forderung, die er auszubieten beabsichtigt gehabt habe, erhalten; man könne also nicht sagen, daß er eine Vergütung für die Abstandnahme von weiteren Geboten erhalten habe. Es könne auch die Beeinflussung, die sein Wille erfahren habe, nicht als unzulässig bezeichnet werden, da er nur seine Forderung zu retten beabsichtigt und dieses Ziel vermöge der mit der Beklagten getroffenen Verabredung in einer W e i s e erreicht habe, die ihm lieber gewesen sei, als der Erwerb des Grundstücks. Die Erzielung eines angemessenen Preises sei dadurch, daß für einen einzelnen Interessenten der Grund, der ihn zum Mitbieten bis zu einer gewissen Höhe bestimmt haben würde, beseitigt wurde, noch keineswegs ausgeschlossen worden. Es liege auch keine Schädigung des Schuldners B. vor, da er, wenn V. das Grundstück erstanden, aber aus dem Erstehungspreis Befriedigung für seine Forderung nicht erlangt hätte, Schuldner des V. geblieben sein würde. Ebensowenig könne von einer rechtswidrigen Schädigung des Fiskus die Rede sein. Das Bestreben billigen Erwerbes beherrsche den geschäftlichen Verkehr überhaupt, und es bestehe keine Verpflichtung, aus Rücksichten auf andere einen möglichen Gewinn abzulehnen. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liege in solchem Falle nur vor, wenn vom Recht mißbilligte Mittel angewendet, oder darauf ausgegangen worden sei, zur Schädigung anderer eine Sache unter ihrem W e r t e zu erlangen. Diese Voraussetzungen

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t r ä f e n hier nicht zu. Eis k ö n n e d a h e r eine S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t d e r B e k l a g t e n aus § 826 BGB. nicht abgeleitet w e r d e n . E b e n s o w e n i g k ö n n e sie auf § 823 Abs. 2 gestützt w e r d e n . Die b a y e r i s c h e S u b h a s t a t i o n s o r d n u n g vom 23. F e b r u a r 1879/29. M a i 1886, in welcher das Landgericht eine S c h u t z v o r s c h r i f t im Sinne von § 823 Abs. 2 finden wolle, sei k e i n e solche; sie e n t h a l t e keine a u s d r ü c k liche, das p a c t u m d e non licitando v e r b i e t e n d e Bestimmung, und es k ö n n e auch nicht a n e r k a n n t w e r d e n , d a ß ein solches V e r b o t aus der T e n d e n z des Gesetzes im allgemeinen h e r g e l e i t e t w e r d e n k ö n n e . Die Revision greift zunächst die zuletzt e r w ä h n t e n A u s f ü h r u n g e n an, indem sie angenommen wissen will, daß dabei der Begriff des Schutzgesetzes im Sinne von § 823 A b s . 2 BGB. v e r k a n n t sei. D a f ü r b i e t e n i n d e s die A u s f ü h r u n g e n des B e r u f u n g s g e r i c h t s k e i n e n A n h a l t ; es wird darin geprüft, ob die b a y e r i s c h e S u b h a s t a t i o n s o r d n u n g den Schutz der bei dem Ausfall e i n e r Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g interessierten P e r s o n e n nach der hier in F r a g e s t e h e n d e n Richtung b e z w e c k e , und dies v e r n e i n t ; die Richtigkeit dieser A u f f a s s u n g unterliegt, d a es sich u m irrevisibles R e c h t handelt, der N a c h p r ü f u n g d e s Reichsgerichts nicht. Anlangend die Beurteilung d e r S a c h e aus § 826 BGB., so würde, sofern die Handlungsweise der . . . B e k l a g t e n als gegen die guten Sitten verstoßend zu e r a c h t e n w ä r e , es zur Begründung ihrer Schadensersatzpflicht gegenüber dem Kläger genügen, w e n n sie sich b e i dem A b k o m m e n mit V. b e w u ß t w a r , es w e r d e durch dessen Ausf ü h r u n g der Kläger an seinem V e r m ö g e n geschädigt w e r d e n , da eine vorsätzliche Schadenszufügung im Sinne von § 826 auch d a n n anzun e h m e n ist, w e n n der H a n d e l n d e bei V o r n a h m e der Handlung sich des schädigenden Erfolges n u r b e w u ß t w a r . Vgl. Protokolle der Kommission f ü r die zweite Lesung des E n t w u r f e s des Bürgerlichen G e s e t z b u c h e s Bd. 6 S. 202; Urt. des V. Zivilsenates des Reichsgerichts in S a c h e n Sch. w. K. vom 1. Juni 1904, Rep. V. 539/03. Auf der a n d e r e n Seite w ü r d e dieses E r f o r d e r n i s der Klagebegründung nicht durch den N a c h w e i s e r s e t z t w e r d e n k ö n n e n , daß die Beklagte irgendeinen anderen, i n s b e s o n d e r e den damaligen Eigent ü m e r des zur Versteigerung gestellten G r u n d s t ü c k s o d e r einen a n d e r e n Hypothekengläubiger, zu schädigen beabsichtigt h a b e oder sich b e w u ß t gewesen sei, daß diese P e r s o n e n durch ihre mit V. g e t r o f f e n e Vereinbarung Schaden erleiden w ü r d e n . Die nach d i e s e r Richtung vom Kläger aufgestellten B e h a u p t u n g e n sind also rechtlich unerheblich. Die Vorinstanz hält nicht für erwiesen, d a ß die ursprüngliche Beklagte vorsätzlich in dem v o r s t e h e n d b e z e i c h n e t e n Sinne den Kläger geschädigt habe, und ist der Meinung, daß die insoweit vom Kläger angebotenen w e i t e r e n Beweismittel auch nicht geeignet seien, die Ueberzeugung des Gerichts n a c h d e r in F r a g e s t e h e n d e n Richtung Zivils. Sifiulüre.M 9

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Schuldrecht, Besonderer Teil

zu begründen. Das Reichsgericht hat indes diese tatsächliche Würdigung nicht als ein wandsfrei angesehen. Der Kläger hat in der Berufungsverhandlung vier Zeugen dafür benannt, daß die Beklagte bei Abschluß ihres Abkommens mit V. den Zweck verfolgt habe, den Kläger um seine Hypothekenforderung zu bringen. . . . Es ist zuzugeben, daß dieser Beweisantrag so, wie e r vorliegt, ungenügend ist. Er bezweckt den Nachweis einer Absicht, bzw. eines Bewußtseins der . . . Beklagten, also von Vorgängen, von denen die benannten Zeugen nur dann etwas Positives wissen könnten, wenn diese inneren Vorgänge einen besonderen, von den Zeugen wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten äußeren Ausdruck gefunden haben sollten. Daß und wie dies geschehen sei, hat der Kläger nicht angegeben, und es liegt nicht fern, anzunehmen, es sollten durch die Befragung der Zeugen erst noch solche besondere Umstände ermittelt werden, in denen der Ausdruck des Willens der Beklagten, den Kläger zu schädigen, zu finden sei. Dies würde, wie das Reichsgericht oft ausgesprochen hat, unzulässig gewesen sein. Vgl. u. a. Jurist. Wochenschr. 1892 S. 13 Nr. 7 und S. 180 Nr. 2. Indes liegt doch eben nur die Möglichkeit vor, daß der Kläger die Umstände, welche von den Zeugen bekundet werden sollen, zur Zeit gar nicht kennt, und es hätte zur Klarstellung des Sachverhaltes das Fragerecht ausgeübt werden sollen. Weiter gewinnt es nach den Ausführungen des Berufungsurteils den Anschein, die Vorinstanz sei der Meinung gewesen, es bedürfe unbedingt des Nachweises besonderer Umstände dafür, daß die . . . Beklagte mindestens mit dem Bewußtsein gehandelt habe, es werde die durch Abkommen mit V. bewirkte Ausschaltung des letzteren als Bieters die Folge haben, daß ein Gebot, das die Forderung des Klägers decke, nun überhaupt nicht werde abgegeben werden. Wäre dies die Auffassung der Vorinstanz gewesen, so würde die Bestimmung in § 286 ZPO. durch Nichtanwendung verletzt sein. Das Berufungsgericht war nach dieser Vorschrift sehr wohl in der Lage, aus der Tatsache, daß die . . . Beklagte in dem Versteigerungstermin den letzten Hypothekarier, der seinen Willen, zur Rettung seiner Hypothek das Grundstück nötigenfalls selbst zu erstehen, an den Tag gelegt hatte, durch das Versprechen einer relativ hohen Abfindungssumme . . . bestimmte, ihr Gebot nicht zu übersetzen, in Verbindung mit der ganzen sonstigen Sachlage ohne weiteres die Ueberzeugung zu entnehmen, daß die Beklagte darauf ausgegangen sei, das Grundstück um ein Gebot zu erwerben, bei dem die Hypothek des Klägers leer ausgehe. D.a es, wie bemerkt, zweifelhaft erscheint, ob das Berufungsgericht die Verhältnisse von diesem Standpunkte aus gewürdigt habe, war auch aus diesem Grunde die in Rede stehende tatsächliche Feststellung des angefochtenen Urteils zu beanstanden.

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Was aber den von der Vorinstanz eventuell in zweiter Linie geltend gemachten materiellrechtlichen Entscheidungsgrund anlangt, daß das Verhalten der . . . Beklagten auch dann nicht gegen die guten Sitten verstoßen würde, wenn sie das Abkommen mit V. in der Absicht oder doch mit dem Bewußtsein, den Kläger zu schädigen, getroffen haben sollte, so hat das Reichsgericht dem nicht beipflichten können. Ohne durchgreifende Bedeutung ist insoweit zunächst der Hinweis der Vorinstanz darauf, daß bei den Beratungen über das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund und über die Aenderungen, welche das Strafgesetzbuch durch das Gesetz vom 26. Februar 1876 erfahren hat, eine Bestrafung der pacta de non licitando, als den heutigen Anschauungen und Verkehrsverhältnissen nicht mehr entsprechend, abgelehnt worden ist; der Umstand, daß es dem Gesetzgeber nicht angemessen erscheint, eine Handlung unter Strafe zu stellen, beweist noch keineswegs, daß er sie auch als nicht gegen die guten Sitten verstoßend erachtet. Ebensowenig würde es entscheidend sein, wenn man zugeben müßte, die zwischen der ursprünglichen Beklagten und V. getroffene Vereinbarung sei nicht geeignet, g e g e n d e n l e t z t e r e n den Vorwurf eines Verstoßes gegen die guten Sitten zu begründen. Wie von dem erkennenden Senate bereits in einem Falle, wo es sich um sogenanntes Schweigegeld bei einer strafbaren Handlung handelte, hervorgehoben worden ist (Urteil vom 30. Mai 1904, Rep. VI. 582/03), kann es gerechtfertigt und geboten sein, bei einem und demselben Vertrage die Frage, ob sein Abschluß eine unsittliche Handlung darstelle, für die verschiedenen Beteiligten verschieden zu beantworten, und eine solche Verschiedenheit der Beurteilung kann sehr wohl auch bei einem Vertrage der hier in Rede stehenden Art geboten erscheinen. Was die danach allein in Betracht kommende Handlungsweise der . . . Beklagten anlangt, so ist unter den früher geltenden Rechten mehrfach auch in den Staaten, in denen nicht, wie in Preußen (Verordnung vom 14. Juli 1797, Preuß. Strafgesetzbuch § 270), ausdrückliche Bestimmungen in diesem Sinne bestanden, und speziell auch in Bayern angenommen worden, es enthalte eine der öffentlichen Ordnung zuwiderlaufende und auch als unsittlich zu verwerfende Handlung, wenn jemand seines Vorteils halber, um einen zu öffentlicher Versteigerung kommenden Gegenstand billiger, als es bei freier Konkurrenz annehmbar der Fall sein würde, erwerben zu können, andere vom Mitbieten abhalte, und diese Auffassung ist auch in neuerer Zeit vielfach vertreten worden. Vgl. S e u f f e r t , Archiv Bd. 33 Nr. 115; die Nachweisungen bei O r t e n a u e r - H e n l e , Bayer. Subh.-Ordnung Aufl. 3 S. 297

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Schuldrechl, Besonderer Teil Bern. 5, und bei B e c h e r , R e c h t s r h e i n i s c h e s b a y e r . L a n d e s z i v i l r e c h t B d . 2 S. 1475; D e u t s c h e J u r i s t e n - Z e i t u n g 1902 S . 156; f e r n e r Zachariae, F r a n z . Z i v i l r e c h t A u f l . 7 B d . 2 § 3 7 8 A n m . 4; J a c u b e z k y , B e m e r k u n g e n zum E n t w . des B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h e s § 106; K o h 1 e r , im A r c h . f. B ü r g . R e c h t B d . 5 S . 2 2 5 ; L o t m a r , D e r u n m o r a l i s c h e V e r t r a g S . 7 2 . 19.

Auf der a n d e r e n S e i t e ist in d e r L i t e r a t u r und J u d i k a t u r und i n s b e s o n d e r e a u c h v o m R e i c h s g e r i c h t für das g e m e i n e R e c h t ausgeführt w o r d e n , d a ß sog. p a c t a de n o n l i c i t a n d o n i c h t i m m e r und prinzipiell als sittlich v e r w e r f l i c h zu e r a c h t e n seien, dies v i e l m e h r nur a n z u n e h m e n sei, w e n n die b e s o n d e r e B e s c h a f f e n h e i t des F a l l e s den V e r t r a g zu e i n e m u n s i t t l i c h e n s t e m p e l e . V g l . E n t s c h . des R G . s in Zivils. B d . 18 S . 2 2 2 ; S e u f f e r t , A r c h i v B d . 4 3 Nr. 102, B d . 5 6 Nr. 2, und die K o m m e n t a r e zum B G B . von v. S t a u d i n g e r , Bern. 6 zu § 138; R e h b e i n , B d . 1 S. 1 6 8 flg.; N e u m a n n , A u f l . 3 A n m . 2 N r . 1 zu § 138; G o l d m a n n u. L i l i e n t h a i , B ü r g . R e c h t Aufl. 2 B d . 1 § 4 3 A n m . 3. M a g nun auch d e r l e t z t e r e n A u f f a s s u n g d e r Vorzug zu g e b e n s e i n , so ist doch a u c h b e i ihrer B e f o l g u n g die H a n d l u n g s w e i s e d e r . . . B e k l a g t e n als e i n e g e g e n die g u t e n S i t t e n v e r s t o ß e n d e a n z u s e h e n , w e n n die B e h a u p t u n g e n des K l ä g e r s in W a h r h e i t b e r u h e n . Nach den F e s t s t e l l u n g e n des B e r u f u n g s u r t e i l s w a r d e r B e k l a g t e n in dem V e r s t e i g e r u n g s t e r m i n e v o m 12. F e b r u a r 1901 b e k a n n t , d a ß V . e n t s c h l o s s e n sei, ,.im I n t e r e s s e s e i n e r H y p o t h e k e r n s t l i c h mitzus t e i g e r n " ; sie w u ß t e ferner, daß s e i n e H y p o t h e k der F o r d e r u n g des K l ä g e r s im R a n g e n a c h s t a n d ; sie r e c h n e t e s o n a c h damit, d a ß V . die G e b o t e a n d e r e r so lange ü b e r s e t z e n w e r d e , bis e n t w e d e r e r H ö c h s t b i e t e n d e r blieb, o d e r das G e b o t e i n e s a n d e r e n ihm B e f r i e d i g u n g s e i n e r H y p o t h e k e n f o r d e r u n g v e r s c h a f f t e , und daß s i e selbst d a h e r das G r u n d s t ü c k nur e r w e r b e n k ö n n e , w e n n sie s o viel dafür b i e t e , d a ß a l l e dem V. v o r a n g e h e n d e n G l ä u b i g e r und d i e s e r selbst gedeckt w a r e n . B e i i h r e m A b k o m m e n m i t V . w a r f e r n e r , wie das B e r u f u n g s u r t e i l gleichfalls f e s t s t e l l t , i h r e A b s i c h t in W a h r h e i t nicht e t w a d a r a u f g e r i c h t e t , d e s s e n F o r d e r u n g an den S u b h a s t a t e n zu e r w e r b e n ; sie hatte vielmehr, weil diese Forderung „nahezu wertlos" war, hieran gar kein Interesse. W a r ihr nun w e i t e r , wie v o m K l ä g e r b e h a u p t e t wird, a u c h b e k a n n t , daß w e d e r er, n o c h sein u n m i t t e l b a r e r V o r m a n n B . in d e r L a g e seien, durch U e b e r s e t z u n g des v o n i h r a b g e g e b e n e n G e b o t e s i h r e e i g e n e n F o r d e r u n g e n zu v e r t e i d i g e n , o d e r n a h m sie a u c h nur an, d a ß dies n i c h t w e r d e g e s c h e h e n k ö n n e n , und ging sie f e r n e r d a v o n aus, d a ß b e i d e r H ö h e d e r b e r e i t s v o r l i e g e n d e n G e b o t e k e i n e r d e r sonst im T e r m i n a n w e s e n d e n B i e t e r sich w e i t e r an der S t e i g e r u n g b e t e i l i g e n w e r d e , h a t t e sie i n s b e s o n d e r e a u c h durch ein A b k o m m e n mit d e r F i r m a G . & B . d e r e n K o n k u r r e n z b e s e i t i g t , so h a t s i e d u r c h

53 die Vereinbarung mit V. tatsächlich den einzigen Bieter, der neben ihr noch in Betracht kam, ausgeschaltet. In Wirklichkeit ist dann ihre Operation als ganzes dahin gegangen: sie war entschlossen, für das Grundstück jedenfalls die Summe aufzuwenden, die dem, was sie gegenüber dem Notar geboten hatte, zuzüglich des Betrages der Abfindung, die sie an V. zu zahlen versprochen hat, entsprach. Da sie jedoch im Verlaufe des Termins erkannte, daß durch ein diesem Gesamtbetrage entsprechendes Höchstgebot ihr Ziel, das Grundstück zu erwerben, nicht erreichbar sei, sie vielmehr noch mindestens so viel, als zur Befriedigung B.'s und des Klägers erforderlich sei, würde aufwenden müssen, traf sie zur Vermeidung dessen mit V. eine Vereinbarung, wonach es bei dem von ihr getanen Höchstgebot bleiben, und der Mehrbetrag von 3500 M., den sie für die Erwerbung des Grundstücks aufwenden wollte, entgegen den gesetzlichen Bestimmungen über die Befriedigung der Realgläubiger unter Uebergehung B.'s und des Klägers zur Deckung des ihnen im Range nachstehenden V. verwendet werden sollte. Eine solche Gebarung geht über das, was anständige und redlich denkende Menschen als bei der Verfolgung ihres Vermögensvorteiles erlaubt ansehen, unzweifelhaft hinaus und ist als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen. Sind, wie das Oberlandesgericht bemerkt, gleiche oder ähnliche Uebereinkommen bei Zwangsversteigerungen von Grundstücken nicht selten, so handelt es sich dabei nicht um eine der Beachtung würdige Gestaltung des Geschäftslebens, sondern um Auswüchse desselben, die nicht Sitte, sondern Unsitte sind. Speziell in Bayern werden sie auch nach der Stellung, welche bisher die obersten bayerischen Landesgerichte zu dem pactum de non licitando genommen haben, schwerlich anders als versteckterweise in Uebung haben sein können." .. . RGZ. 59, 8 Auslegung des § 837 BGB. Ist unter dem dort vorausgesetzten Besitze an dem Gebäude nur der Eigenbesitz oder auch der Mietbesitz zu verstehen? VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 22. September 1904. I. L a n d g e r i c h t B i e l e f e l d .

II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

Hamm.

Der Kläger war am 23. Juni 1900 durch den Zusammenbruch der zu seiner Mietwohnung führenden Haustreppe verletzt worden. Er klagte gegen die Beklagte als die Eigenbesitzerin des Grundstücks auf Entschädigung. Das Landgericht verurteilte die Beklagte; ihre Berufung wurde zurückgewiesen. Ihre Revision blieb erfolglos aus folgenden

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Gründen: „Die Verurteilung der Beklagten ist auf § 836 BGB. gegründet. Der Tatbestand dieses Gesetzes ist in dem Berufungsurteile mit bedenkenfreier Begründung festgestellt. Die Beklagte ist Eigenbesitzerin des Grundstücks, auf dem sich das Gebäude befindet, dessen Treppe infolge mangelhafter Unterhaltung eingestürzt ist. Die Revision hat gegen diese Feststellung rechtliche Bedenken nicht erhoben und auch die Annahme nicht beanstandet, daß die Beklagte den durch § 836 ihr offen gelassenen Entlastungsbeweis nicht geführt habe. Sie rügt aber Verletzung des § 837, weil sie in den Vorinstanzen mit ihrem Einwand abgewiesen sei, nicht sie treffe die im § 836 bestimmte Verantwortlichkeit, sondern die Eheleute Tischler Br., die von ihr das Haus im ganzen gemietet und sich überdies vertraglich zur Unterhaltung des gemieteten Gebäudes verpflichtet hätten. Die erhobene Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision hat ausgeführt, nur der § 836 bestimme, daß unter „Besitzer" im Sinne seiner Vorschriften der Eigenbesitzer verstanden werden solle. Der § 837 enthalte eine gleiche Vorschrift nicht. Jeder, der auf einem fremden Grundstücke in Ausübung eines Rechts ein Gebäude besitze, habe die im § 836 bestimmte Verantwortlichkeit anstatt des Besitzers des Grundstücks zu tragen. Der Mieter eines Hauses habe an diesem auf einem fremden Grundstücke befindlichen Gebäude in Ausübung seines Mietrechts Besitz; damit sei der Tatbestand gegeben, bei dessen Vorhandensein der Eigenbesitzer des Grundstücks von seiner Verantwortlichkeit frei werde. Diese Auslegung des § 837, für die sich die Revision auf N e u m a n n (BGB., Bern. 1 zu § 837) beruft, ist nicht haltbar. Der § 837 schafft eine Ausnahme von der Regel des § 836. Wo nach diesem der Eigenbesitzer des G r u n d s t ü c k s haften würde, soll an dessen Stelle der treten, der in Ausübung eines Rechts ein auf dem fremden Grundstücke befindliches Gebäude besitzt. Dieser Zusammenhang ergibt, daß der Besitz, der im § 837 vorausgesetzt wird, nicht jeder Besitz des Gebäudes sein kann, daß er vielmehr so geartet sein muß, daß die Haftung für fehlerhafte Einrichtung oder mangelhafte Unterhaltung anstatt des Eigenbesitzers des Grundstücks dem Besitzer des Gebäudes zufällt. Für den Besitz des Mieters eines Hauses, der hier allein in Frage steht, trifft das nicht zu. Denn der Mieter ist nach § 536 BGB. zur Unterhaltung des gemieteten Gebäudes nicht verpflichtet, und sollte er, wie die Beklagte behauptet hat, vertraglich die Unterhaltung übernommen haben, so bliebe nach § 838 BGB. der Eigenbesitzer des Grundstücks dennoch neben ihm ersatzpflichtig. Mit diesen Bestimmungen setzt sich die von der Revision vertretene Auslegung in Widerspruch. Der § 837 spricht ferner allein von dem in Ausübung eines Rechts geübten Besitz an

Unerlaubte Handlangen

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dem G e b ä u d e und bringt damit zum Ausdrucke, daß er abgesondert von dem Besitz an dem Grundstücke bestehen soll. D e r B e s i t z eines gemieteten Hauses umfaßt in gleicher W e i s e den Besitz des Gebäudes und den des Grundstücks, auf dem es steht. Eine Scheidung zwischen dem B e s i t z an dem G e b ä u d e und dem Grundstück ist nur da möglich, wo ersteres nicht Bestandteil des letzteren ist; das trifft zu in dem durch § 95 B G B . geregelten Falle, wo jemand in Ausübung eines R e c h t s an einem fremden Grundstücke ein Gebäude mit diesem verbunden hat. Dann ist der Berechtigte, also gegebenenfalls der Mieter, Eigenbesitzer des Gebäudes, mit dem der Eigenbesitzer des Grundstücks nichts zu tun hat, und es ist nur folgerichtig, wenn § 837 für diesen Ausnahmefall die im § 8 3 6 bestimmte Verantwortlichkeit für Einrichtung und Unterhaltung des Gebäudes auf dessen Eigenbesitzer überträgt. Die Verhandlungen, aus denen die Fassung des § 837 hervorgegangen ist, stehen der Auslegung der Revision nicht, wie diese auszuführen gesucht hat, zur Seite. D e r erste Entwurf und die Beratungen der zweiten Kommission fußten, wie die Revision zugeben muß, völlig auf der Auffassung, daß die in Frage stehende Ausnahme von der Regel sich auf den Fall des § 95 (§ 785 des I. Entw.) beziehe. W e n n dann die Redaktionskommission dem § 837 eine Fassung gegeben hat, die nicht unmittelbar zum Ausdrucke bringt, welche Art des Besitzes a n dem Gebäude vorausgesetzt wird, so wird dadurch die B e w e i s k r a f t der obigen Darlegung nicht abgeschwächt." . . . RGZ. 59, 49 Ist der Vorstand einer eingetragenen Genossenschalt, welcher die Aufkündigung eines Genossen nicht rechtzeitig dem Gerichte zur Liste der Genossen einreicht und dadurch den aufkündigenden Genossen schädigt, diesem aui Grund eines Vertragsverhältnisses oder an! Grund des Abs. 1 oder des Abs. 2 von § 8 2 3 B G B . zum Schadensersatze verpflichtet? Gesetz,

betr. die E r w e r b s - und Wirtschaftsgenossenschaften, 20. Mai 1898 §§ 69, 70, 72—74. B G B . § 823. III. Z i v i l s e n a t .

vom

Urt. v. 4. Oktober 1904.

Die Entscheidung ist abgedruckt gesellschaften Genossenschaftsgesetz".

unter

„Recht

der

Handels-

RGZ. 59, 104 Steht dem Kanter eines Grundstücks, der über einen Mangel desselben arglistig getäuscht ist, nach der in Kenntnis des Mangels ge-

56

Schuldrecht, Besonderer Teil

schehenen Annahme der Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB. nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Annahme vorbehält? B G B . §§ 826, 464. V. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 2 6 . O k t o b e r

I. Landgericht Schweidnitz.

1904.

II. Oberlandesgericht Breslau.

Die F r a g e ist b e j a h t aus f o l g e n d e n Gründen: V o n der R e v i s i o n w i r d die A n n a h m e des B e r u f u n g s g e r i c h t s gerügt, daß g e g e n ü b e r der K l a g e a u s e i n e r u n e r l a u b t e n Handlung die für den K a u f g e t r o f f e n e V o r s c h r i f t u n a n w e n d b a r sei, daß dem K ä u f e r , d e r eine m a n g e l h a f t e S a c h e in K e n n t n i s des M a n g e l s a n g e n o m m e n hat, der A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z n i c h t z u s t e h t , wenn e r sich s e i n e R e c h t e w e g e n des M a n g e l s bei d e r A n n a h m e der S a c h e n i c h t v o r b e h a l t e n h a t (§ 4 6 4 B G B . ) . D i e R ü g e ist b e g r ü n d e t ; die A n n a h m e d e s B e r u f u n g s g e r i c h t s beruht auf e i n e m R e c h t s i r r t u m . Z w a r hat das B ü r g e r l i c h e G e s e t z b u c h , o b w o h l die A r g l i s t e i n e u n e r l a u b t e Handlung v o n so a l l g e m e i n e m C h a r a k t e r ist, d a ß sie b e i a l l e n R e c h t s v e r h ä l t nissen v o r k o m m e n k a n n , n e b e n d e r a l l g e m e i n e n A n o r d n u n g der E r s a t z p f l i c h t für den durch e i n e n V e r s t o ß g e g e n die guten S i t t e n v o r s ä t z l i c h zugefügten S c h a d e n für e i n z e l n e V e r t r ä g e und unter ihnen i n s b e s o n d e r e für den Kauf e i n e r S a c h e die H a f t u n g des V e r ä u ß e r e r s w e g e n arglistigen V e r s c h w e i g e n s e i n e s F e h l e r s der S a c h e b e s o n d e r s g e r e g e l t (§§ 4 6 0 S a t z 2, 4 6 3 B G B . ) . A b e r d i e s e R e g e l u n g hat nicht die B e d e u t u n g , daß sie a u s s c h l i e ß l i c h für den F a l l g e l t e n soll, d a ß d e r E r s a t z des durch das a r g l i s t i g e V e r s c h w e i g e n entstandenen S c h a d e n s mit der K l a g e aus d e m K a u f v e r t r a g e b e a n s p r u c h t w i r d ; ihr soll v i e l m e h r j e d w e d e G e l t e n d m a c h u n g des S c h a d e n s a n s p r u c h s a u s d i e s e r A r t d e r Arglist u n t e r s t e h e n . D e n n durch die V o r s c h r i f t e n b e i dem K a u f e und den a n d e r e n V e r t r ä g e n ist der S o n d e r f a l l der A r g l i s t , d e r in dem arglistigen V e r s c h w e i g e n v o n M ä n g e l n d e r S a c h e sich e r s c h ö p f t , in U n t e r o r d n u n g unter d e n A l l g e m e i n b e g r i f f d e r u n e r l a u b t e n Handlungen in seinen W i r k u n g e n u m f a s s e n d und e i g e n a r t i g g e s t a l t e t . W ä h r e n d nämlich b e i ihm e i n e r s e i t s d e r arglistig v e r s c h w e i g e n d e V e r k ä u f e r im I n t e r e s s e t u n l i c h s t e r S i c h e r u n g des V e r k e h r s auf S c h a d e n s e r s a t z w e g e n Nichterfüllung b e l a n g t w e r d e n k a n n , i s t a n d e r e r s e i t s m i t der in K e n n t n i s e i n e s M a n g e l s d e r S a c h e v o r b e h a l t l o s erfolgten A n n a h m e d e r s e l b e n für den K ä u f e r der V e r l u s t seines A n s p r u c h s aus dem M a n g e l v e r k n ü p f t , um zur W a h r u n g v o n T r e u und G l a u b e n im I n t e r e s s e des V e r k e h r s dessen n a c h t r ä g l i c h e V e r f o l g u n g auszus c h l i e ß e n (Mot. z. B G B . B d . 2 S. 229). D a r a u s e r g i b t sich, daß d e r S c h a d e n s a n s p r u c h aus arglistigem V e r s c h w e i g e n e i n e s F e h l e r s d e r

57 verkauften S a c h e durch die vorbehaltlose Annahme der S a c h e in K e n n t n i s des F e h l e r s unter allen Umständen ausgeschlossen wird. D a h e r kann dieser Ausschluß nicht nur d e r Geltendmachung des S c h a d e n s a n s p r u c h s mit der K l a g e aus dem Kaufe, sondern auch derjenigen mit der K l a g e aus der unerlaubten Handlung entgegengesetzt werden. W ä r e der entgegengesetzten Annahme des Berufungsrichters beizutreten, so w ä r e der Rechtszustand für die gleiche S a c h l a g e v e r schieden, je nachdem der Anspruch auf die Gewährleistungspflicht, oder auf die Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung gestützt wird, und der K ä u f e r hätte es in der Hand, durch die W a h l der K l a g e aus unerlaubter Handlung statt der Kaufklage dem V e r k ä u f e r den E i n w a n d des § 464 B G B . abzuschneiden. Das kann das Bürgerliche G e s e t z b u c h nicht wollen. Nach ihm findet vielmehr der § 464 auch der K l a g e aus § 8 2 6 gegenüber Anwendung. Der B e k l a g t e hat b e hauptet, dem K l ä g e r stehe der § 464 entgegen; denn er habe v o r dem T a g e der U e b e r n a h m e und Auflassung des Hotelgrundstücks von den P a c h t a b z ü g e n und ihrer U r s a c h e volle Kenntnis b e s e s s e n . D e n für diese Behauptung angetretenen B e w e i s hat der B e r u f u n g s r i c h t e r nicht erhoben. Diese Unterlassung ist nachzuholen." . . .

RGZ. 59, 236 t 1. Zum Begrifie des den Schutz eines anderen bezweckenden Gesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. 2. Ist der den lahrlässigen Falscheid mit Strafe bedrohende § 163 Abs. 1 StGB, ein solches Schutzgesetz? VI. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t I B e r l i n .

Aus den

Urt. v. 1. Dezember 1904. II. K a m m e r g e r i c h t

daselbst.

Gründen:

„Der Kläger begehrt in diesem Prozesse den E r s a t z eines V e r mögensschadens, den ihm der B e k l a g t e -nach seiner Behauptung dadurch verursacht haben soll, daß dieser als Zeuge in einem früher vom Kläger gegen den Grafen v. P. angestellten P r o z e s s e u n t e r E i d U n w a h r e s ausgesagt habe. Nach seiner Darstellung hat der K l ä g e r damals hierdurch sich genötigt gesehen, sich, während er 68 6 6 0 M. eingeklagt hatte, auf einen Vergleich einzulassen, nach w e l c h e m er sich gegen Zahlung von 20 000 M. für befriedigt e r k l ä r t e . E r hat seinen Klagantrag auf Zahlung von 3 0 0 0 M., als einem T e i l e des von ihm viel höher bemessenen Gesamtschadens, gerichtet. Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Beziehung angenommen, d a ß in der T a t in jenem Vorprozesse der jetzige B e k l a g t e ein o b j e k t i v falsches Zeugnis e r s t a t t e t habe, daß auch ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Vorgange und dem dem K l ä g e r entstandenen

Schuldrecht, Besonderer Teil

58

Schaden bestehe, und hat auch, während es als nicht erwiesen ansah, daß der Beklagte w i s s e n t l i c h falsch ausgesagt habe, ihm mindestens F a h r l ä s s i g k e i t zur Last gelegt; es hat aber trotzdem die Klage abgewiesen, weil nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B . nur die fahrlässige Verletzung e i n e s b e s t i m m t e n R e c h t s zum Schadensersatze verpflichte, eine solche hier aber nicht vorliege. (Es folgen Ausführungen von § 826 und § 823 Abs. 1 B G B . ) . . . Dagegen unterliegt das angefochtene Urteil deshalb der Aufhebung, weil die Anwendbarkeit des A b s. 2 des § 823 B G B . auf den vorliegenden Fall übersehen worden ist. W e n n d e r B e k l a g t e nach der Feststellung des Berufungsgerichts im Vorprozesse einen fahrlässigen Falscheid geleistet hat, so hat er damit gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz, nämlich gegen § 163 A b s . 1 S t G B . , verstoßen. Zu den Schutzgesetzen im Sinne des § 823 Abs. 2 gehören von den Strafgesetzen nicht bloß diejenigen, die den Schutz eines größeren oder engeren Kreises von Privatinteressen sich zu ihrer nächsten Aufgabe gestellt haben, sondern auch solche, die in erster Reihe höheren Interessen der Allgemeinheit zu dienen bestimmt sind, wenn sie nur nebenher auch den einzelnen zum Schutze gereichen. Auf eine durchgreifende Abgrenzung des Begriffs kommt e s hier nicht an; die Grenzen zu eng zu ziehen verbietet sich schon deshalb, weil dann das Fehlen eines allgemeinen Ersatzanspruchs für fahrlässige Vermögensbeschädigung im Bürgerlichen Gesetzbuche um so drückender empfunden werden würde. Daß jedenfalls der § 163 S t G B , hierher gehört, ergibt sich schon aus dem Abs. 2 desselben, der dem T ä t e r in gewissen Fällen Straflosigkeit gewährt, wenn er seine falsche Aussage gehörigen Orts widerruft, b e v o r a u s i h r für einen anderen ein R e c h t s n a c h t e i 1 e n t s t ä n d e n i s t." . . .

RGZ. 59, 305 Wem Ist der Schlepp vertrag W e r k v e r t r a g oder Dienst v e r t r a g ? liegt die nautische Leitung des Schleppzugs o b ? Rechtsfolgen, wenn das geschleppte Schiff durch Schuld der B e satzung des Schleppers einen Schiffsunfall erleidet und wenn dabei der Besatzung des geschleppten Schiffes ein mitwirkendes Verschulden zur Last fällt. Hat der Schlepper einen Hilfslohn zu beanspruchen, wenn er in einem solchen Falle das geschleppte Schiff aus der durch den Unfall herbeigeführten Seenot r e t t e t ? I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 17. Dezember 1904.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Handelsrecht S e e r e c h t " .

59 RGZ. 59, 326 Kann der im Besitze befindliche Mieter ans widerrechtlichen Eingriffen eines Dritten in sein Mietrecht Schadensersatzansprüche herleiten? BGB. § 823. V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. Dezember 1904.

I. Landgericht I Berlin.

II. Kammergericht

daselbst.

Der Beklagte betrieb seit dem 14. Oktober 1902 in einem gemieteten Lokale die Gastwirtschaft. Im Nebenhause betrieb der Kläger den Großhandel mit Petroleum. Der Beklagte behauptete schon im Oktober 1902, daß Petroleum durch die Zwischenmauer gedrungen sei, seine Räume mit Petroleumgeruch erfüllt habe, und dadurch Feuersgefahr entstanden sei. Er verlangte vom Kläger Ersatz des Schadens, den er vorläufig auf 2000 M. bezifferte. Der Kläger lehnte dies nicht nur ab, sondern stellte Klage an mit dem Antrage, festzustellen, daß dem Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz, insbesondere nicht in Höhe von 2000 M., zustehe. Der Beklagte, der auf polizeiliche Anordnung die gemieteten Räume hatte verlassen müssen, weil die Brandmauer von der Seite des Klägers her mit Petroleum durchtränkt, und die Wohnung wegen des Geruchs und der Feuersgefahr zum dauernden Aufenthalte von Menschen nicht geeignet war, beantragte die Abweisung der Klage, und nach diesem Antrage erkannte auch der erste Richter. Der Berufungsrichter erkannte dagegen nach dem Klagantrage. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die Revision erweist sich als unbegründet, wenn auch den Ausführungen des Berufungsrichters nicht überall beigetreten werden kann. Richtig ist die Ausführung, daß die Eigentumsfreiheitsklage, mit der die Unterlassung schädlicher Immissionen (§ 906 BGB.) oder die Beseitigung schädigender Anlagen (das. § 907) verlangt wird, dem Mieter nicht zusteht. Das Recht des Mieters ist obligatorischer Natur (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 54 S. 233). Die Eigentumsklagen aber stehen begrifflich nur dem Eigentümer zu; andere Personen können von ihnen nur dann Gebrauch machen, wenn das Gesetz ausdrücklich die Befugnis dazu erteilt. Das ist aber im Bürgerlichen Gesetzbuche nur geschehen hinsichtlich des Erbbauberechtigten (§ 1017), des Nießbrauchers (§ 1065) und des Berechtigten einer Grunddienstbarkeit (§ 1027) oder einer beschränkten persönlicher. Dienstbarkeit (§ 1090). Zweifellos können die zur Eigentumsfreiheitsklage Berechtigten neben den ihnen in den §§ 906, 907 gewährten

60 R e c h t e n im F a l l e des V e r s c h u l d e n s des N a c h b a r s auf Grund des § 823 Abs. 1 B G B . S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e geltend machen, da zu den „sonstigen R e c h t e n " , deren w i d e r r e c h t l i c h e Verletzung nach dieser Vorschrift zum S c h a d e n s e r s a t z e verpflichtet, unstreitig dingliche und andere absolute R e c h t e gehören. Streitig ist, ob w i d e r r e c h t liche Eingriffe in obligatorische R e c h t e , die zwischen dritten Personen bestehen, eine Entschädigungspflicht begründen, wenn nicht die Voraussetzungen des § 8 2 6 vorliegen. D a s R e i c h s g e r i c h t hat sich (in den Entsch. in Zivils. B d . 57 S. 353) der verneinenden A n s i c h t angeschlossen, und die nochmalige Prüfung dieser F r a g e hat k e i n e Veranlassung geboten, diese A n s i c h t aufzugeben. Mit U n r e c h t a b e r verneint der Berufungsrichter die A n w e n d b a r k e i t des § 8 2 3 auf schuldhafte Beeinträchtigungen des durch die Einräumung des unmittelbaren B e s i t z e s vollzogenen R e c h t s des M i e t e r s . M i t der U e b e r g a b e der M i e t s a c h e e n t w ä c h s t das R e c h t des M i e t e r s dem reinen Obligationenrechte. E s b e s t e h e n nicht m e h r bloß zwischen den obligatorisch Verbundenen R e c h t e und Pflichten, sondern jedermann hat das durch den B e s i t z e r k e n n b a r e M i e t r e c h t zu achten. Ist dies aber der Fall, dann k a n n es nicht zweifelhaft sein, daß schädigende Eingriffe von P e r s o n e n , die nicht im obligatorischen M i e t v e r b a n d e stehen, S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e erzeugen können. Die S c h a d e n s ersatzpflicht kann sowohl aus A b s . 1, als auch aus Abs. 2 des § 8 2 3 hergeleitet werden. E s läßt sich die Ansicht rechtfertigen, daß das infolge der Besitzeinräumung von jedermann zu achtende R e c h t des M i e t e r s auf ungestörte Benutzung der M i e t s a c h e zu den mit dem Mietvertrage verfolgten Z w e c k e n , eben weil es von jedermann geachtet werden muß, zu den absoluten R e c h t e n gehört, von denen § 823 Abs. 1 handelt. Nicht minder läßt sich aber auch die A n w e n dung des § 8 2 3 Abs. 2 rechtfertigen, wonach die S c h a d e n s e r s a t z pflicht durch V e r s t o ß gegen ein den Schutz eines anderen bez w e c k e n d e s G e s e t z begründet wird. D e n Schutz -des B e s i t z e r s bez w e c k t der § 858, der es als w i d e r r e c h t l i c h bezeichnet und mithin v e r b i e t e t , dem B e s i t z e r ohne seinen W i l l e n den Besitz zu entziehen, oder ihn im B e s i t z e zu stören. E i n e Besitzstörung kann a b e r in schädigenden Immissionen in den Mietgegenstand gefunden w e r d e n . E i n e r Entscheidung darüber, ob e i n e r dieser Konstruktionen der Vorzug zu geben sei, oder ob beide nebeneinander b e s t e h e n können, bedarf es nicht, weil der S t r e i t darüber lediglich theoretische B e deutung hat. K a n n sonach insoweit dem Berufungsrichter nicht gefolgt werden, so enthält doch sein U r t e i l einen w e i t e r e n selbständigen E n t scheidungsgrund, der zur Zurückweisung der Revision führen muß. Der Berufungsrichter hält nämlich nicht für erwiesen, daß der K l ä g e r in das durch den B e s i t z geschützte M i e t r e c h t des B e k l a g t e n rechtswidrig eingegriffen hat, sondern für erwiesen, daß das D u r c h t r ä n k e n

61 der Wand mit Petroleum bereits stattgefunden hatte, als der Beklagte die Wohnung mietete. Nicht eine Besitzstörungsklage hat der Beklagte dem Kläger in Aussicht gestellt, sondern eine Schadensersatzklage. Es kann daher unerörtert bleiben, ob und inwieweit der in einen gestörten Besitz Eintretende auf die fortwirkende Störung eine Besitzklage zu gründen vermag. Die Schadensersatzklage setzt jedenfalls voraus, daß die widerrechtliche schädigende Handlung ein Recht des Klagenden verletzt hat. Daran fehlt es, wenn der Klagende das Recht bereits in verletztem Zustand erworben hat. Die Revision brachte zur Widerlegung dieser Ansicht ein Beispiel, in dem der Keim zur Verletzung bereits gelegt war, als das geschädigte Recht erworben wurde, und knüpfte daran die Behauptung, daß, wenn -die wirkliche Schädigung erst nach dem Erwerbe des Rechts eingetreten sei, dem Erwerber die Schadensersatzklage zustehe. Es kann die Richtigkeit dieser Ansicht jedoch dahingestellt bleiben; denn im vorliegenden Falle war die Mietsache bereits voll beschädigt, als der Beklagte sie mietete. Die Handlung des Klägers hat mithin sich gegen das Recht des Hauseigentümers und der etwaigen früheren Mieter gerichtet und diese geschädigt; das Recht des Beklagten ist nicht weiter verletzt worden. Ebensowenig, wie der Käufer einer beschädigten Sache Ansprüche gegen den erheben kann, der sie beim Verkäufer vor dem Kaufe beschädigt hat, kann der Mieter einer beschädigten Wohnung Schadensersatzansprüche gegen den erheben, der die Wohnung vor dem Mietvertrage beschädigt hat." RGZ. 60, 1 Begründet eine abfällige öffentliche Kritik eines sog. Geheimmittels, insbesondere eines kosmetischen Mittels, einen Ansprach auf Unterlassung und Unterdrückung der Veröffentlichung und auf Schadensersatz? VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 2. Januar 1905. I. Landgericht 1 Berlin.

II. Kammergericht

daselbst.

Im 7. Bande der 14. Auflage des von der Beklagten herausgegebenen Brockhaus'schen Konversations-Lexikons fand sich ein Artikel über Geheimmittel, der im allgemeinen eine abfällige Kritik über dieselben enthielt und in einer Uebersicht „über die landläufigsten Geheimmittel und pharmazeutischen Spezialitäten" auch das von der Klägerin hergestellte ,,Javol" unter Angabe der Bestandteile desselben aufführte. Die Klägerin hielt sich durch diesen Artikel in ihrer geschäftlichen Ehre verletzt und in ihrem Erwerbe geschädigt und erhob demgemäß auf Grund des § 823 BGB. Klage, mit dem Antrage, die Beklagte zu verurteilen a) zur Unterlassung der Behauptung und Verbreitung folgender Angaben: das von der Klägerin her-

62

Schuldrecht, Besonderer Teil

gestellte Haarwasser „ J a v o l " gehöre zu den Geheimmitteln, bezüglich deren die wissenschaftliche Untersuchung bisher fast stets ergeben habe, daß sie, wenn nicht aus ganz wirkungslosen Substanzen, so doch aus längst bekannten Arzneistoffen bestehen, die sich nur durch ihren enormen Preis von den sonst gebräuchlichen unterscheiden; wer sich des Javols bediene, fördere daher eine verwerfliche Industrie und verschwende sein Geld, weil er dasselbe Mittel zu einem viel geringeren Preis in jeder Apotheke erhalten könne; außerdem setze er sich der Gefahr aus, etwas Schädliches zu gebrauchen oder wenigstens über der Quacksalberei den Zeitpunkt zu verpassen, bis zu dem vielleicht noch ärztliche Hilfe möglich wäre; das Javol bestehe aus einer Mischung von Chinatinktur, Zitronenöl und Wasser mit etwas Talgseife; b) zur Sistierung der weiteren Ausgabe des betreffenden Bandes und zur Zurückziehung der in den Verkehr gegebenen Exemplare des Bandes, soweit er das Javol betreffe. Die Klage wurde abgewiesen; die Berufung und die Revision der Klägerin wurden zurückgewiesen, letztere aus folgenden Gründen: . . . „Die Klage ist als Schadensersatzklage auf Grund des § 823 B G B . erhoben und erst in zweiter Linie auf die §§ 824 und 826 B G B . gestützt. Die Geltendmachung des erlittenen Schadens ist vorbehalten, und vorläufig die Antragstellung auf die Abwendung künftigen Schadens a) durch Unterlassung der Behauptung und Verbreitung der zum Gegenstande der Klage gemachten Angaben, b) durch Sistierung der weiteren Ausgabe des 7. Bandes der 14. Auflage des Brockhaus'schen Konversations-Lexikons, c) durch Zurückziehung der in den Verkehr gegebenen Exemplare des 7. Bandes beschränkt. Das Berufungsgericht hat den Antrag a zurückgewiesen, weil die Beklagte der Formulierung des Antrags entsprechende Behauptungen nicht aufgestellt habe. Die Klägerin hat allerdings den von ihr aus dem Artikel gezogenen Folgerungen eine positive, unmittelbar auf das J a v o l gerichtete Fassung gegeben, die mit der allgemeinen Fassung des Artikels nicht übereinstimmt. Wäre die Klägerin als berechtigt zu erachten, die Unterlassung der Behauptung und Verbreitung in dem Artikel enthaltener Angaben zu verlangen, so würde nur die F a s s u n g des Antrags in Frage kommen, und allenfalls eine Richtigstellung zu veranlassen gewesen sein. Die Anträge b und c würden die Berechtigung des Antrags a zur Voraussetzung haben. Läge in der Tat ein unerlaubtes Verhalten der Beklagten im Sinne der §§ 823, 826, 824 B G B . vor, so wäre die rechtliche Zulässigkeit der erhobenen Klage auf Unterlassung nicht zu beanstanden. Vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 11. April 1901, Rep. VI. 443 00, Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 48 S. 114.

63 Als den Gegenstand der Rechtsverletzung hat die Klägerin in den Verhandlungen ihre geschäftliche Ehre und das aus der Ausübung ihres Gewerbebetriebs entfließende Recht auf Erwerbung von Kundschaft bezeichnet; ihre geschäftliche Ehre sei verletzt, das Recht auf Erwerbung von Kundschaft geschädigt. Der den Gegenstand der Klage bildende Artikel beginnt mit einer Definition der „Geheimmittel" („Arcana") als wirklicher oder angeblicher Arzneimittel, deren Zusammensetzung geheim gehalten werde. Hieran schließt sich die Erörterung über die Wertlosigkeit und Ueberteuerung der Mittel, die Förderung einer verwerflichen Industrie und die Gefährdung des Publikums. Auf die Einleitung „Von den bekannten Geheimmitteln und pharmazeutischen Spezialitäten sind besonders die folgenden hervorzuheben" folgt ein umfassendes Verzeichnis solcher Mittel, und unter diesen „Javol, Haarwasser", mit der oben angeführten Analyse. Bei einer großen Anzahl dieser Mittel ist der Verkaufspreis und im Gegensatz dazu der wirkliche Wert angegeben. Bei sehr vielen ist die Schädlichkeit oder Gefährlichkeit des Mittels bezeichnet, vor einzelnen geradezu gewarnt (vgl. z. B. Morrison-Pillen, Schweizerpillen von Brandt, La médecine nouvelle, Pélagine). Beim Javol findet sich kein derartiger Zusatz. Der Artikel ist nicht logisch durchgeführt, insofern nach der an die Spitze gestellten Definition anzunehmen wäre, daß das Verzeichnis nur Waren enthalten werde, die unter diese Definition fielen, während die Einleitung des Verzeichnisses n e b e n die „Geheimmittel" — wohl im Sinne der gegebenen Definition — „pharmazeutische Spezialitäten" stellt. Die unterschiedslose Anreihung der angeführten „Geheimmittel und pharmazeutischen Spezialitäten"- kann auch auf den ersten Blick die Vermutung erwecken, daß die zwischen der Definition und der Einleitung zum Verzeichnis stehenden kritischen Bemerkungen und Erörterungen sich unterschiedslos auf alle im Verzeichnisse aufgeführten Waren, und zwar ihrem ganzen Inhalte nach, bezögen. Die Behandlung, die der Verfasser aber den von ihm für gefährlich erachteten Waren zuteil werden läßt, die besondere Kennzeichnung der Gefährlichkeit bestimmter Mittel, die insbesondere bei Haarwassern, allerdings Haarfärbemitteln, wie bei dem Eckert'schen Kopfwasser, dem Eau de Lapille, dem Eau des Fées hervortritt, läßt bei aufmerksamer Durchsicht des Artikels erkennen, daß das Javol von dem Vorwurfe der Gefährlichkeit nicht betroffen ist. Insoweit das Fabrikat herabsetzende Kennzeichnungen aus dem Artikel gefolgert werden müßten, erschiene es gleichgültig, ob anzunehmen wäre, daß die Beklagte Javol als Geheimmittel habe bezeichnen wollen, sowie ob es unter den B e g r i f f der G e h e i m m i t t e l fällt, oder nicht. Ob kosmetische Mittel hierunter fallen,

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Schuldrecht, Besonderer Teil

ist zweifelhaft. Die Entscheidungen des Reichsgerichts in Bd. 4 S. 512 und Bd. 9 S. 625 der Rechtspr. des RG.'s in Strafs. und in Bd. 16 S. 359 der Entsch. des RG's in Strafs. betreffen Heilmittel. Nach den Motiven der Novelle zur Gewerbeordnung von 1883 S. 44 hat die Regierung auch Schönheitsmittel unter die Geheimmittel einbegriffen. Vgl. v. L a n d m a n n - R o h m e r , Gewerbeordnung 4. Aufl. Bd. 1 S. 463. Nach der Einleitung des Artikels hat aber die Beklagte nur A r z n e i m i t t e 1 als Geheimmittel, das Javol somit nicht als Geheimmittel im engeren Sinne bezeichnet. Das Berufungsgericht schließt ein vorsätzliches Handeln der Beklagten, und damit von vornherein die Anwendung des § 826 BGB. aus. Welche Willensbestimmung dem Handeln der Klägerin zugrunde gelegen, gehört zunächst dem Gebiete der tatsächlichen Feststellung an. Ein auf die Belehrung der Allgemeinheit gerichteter Wille schlösse zwar nicht aus, daß die Bekämpfung für schädlich erachteter Geschäfte auch von dem Willen des Verfassers umfaßt würde. Ein Unternehmen, das offensichtlich in erster Linie den Zweck verfolgt, angesichts die Allgemeinheit gefährdender Erscheinungen das Publikum in breiten Schichten zu warnen und zu belehren, kann aber nicht als ein gegen die guten Sitten verstoßendes Handeln erachtet werden. Die Schädigung der geschäftlichen Ehre w ä r e eine unmittelbare, die Schädigung des Erwerbsrechts eine mittelbare. Es liegt kein Eingriff in den Erwerb, keine unmittelbare Hinderung oder Hemmung des Anbietens und Abschließens von Verkäufen und dergleichen oder irgendwelcher Be- oder Vertriebshandlungen vor. Die Schädigung könnte lediglich darin bestehen, daß durch die Verbreitung der in dem Artikel behaupteten Tatsachen der Verteuerung und Gefährdung die Kauflust abgeschwächt würde. Hinsichtlich des Javols würde aber, wie bereits erörtert, ohnedies nur die Ueberteuerung in Betracht kommen. W a s nun die Schädigung der geschäftlichen Ehre betrifft, so fällt die E h r e , wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1902, Rep. VI. 50'02 (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 51 S. 369), ausgesprochen hat, nicht unter die „sonstigen R e c h t e " im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. Die Verfolgung aus § 823 Abs. 2 BGB. wegen Verletzung der als Schutzgesetze zu erachtenden Vorschriften des Strafgesetzbuchs, welche die Beleidigung mit Strafe bedrohen (§§ 186, 187 StGB.), erscheint aber dadurch ausgeschlossen, daß, abgesehen von der Ausnahme des § 193 StGB., die Verfolgung einer Verletzung des Rechts auf Ehre nur den hiervon betroffenen individuellen Personen, und nicht einer unter dem Namen einer Handelsgesellschaft zusammengefaßten Personenmehrheit zusteht. Vgl. Entsch. des RG.'s in Strafs. Bd. 1 S. 178, Bd. 4 S. 75.

Unerlaubte

65

Handlungen

Hiernach käme nur eine mittelbare Schädigung des Erwerbsrechts durch die angebliche Behauptung und Verbreitung von, die Beschaffenheit der Ware und die Vertrauenswürdigkeit der Firma herabsetzenden Tatsachen, mit anderen Worten: eine fahrlässige Kreditgefährdung im Sinne des § 824 BGB., in Frage. In dieser Beziehung fehlt es aber schon an dem Nachweise, daß die Beklagte der Wahrheit zuwider schädigende Tatsachen behauptet oder verbreitet habe. In Frage kommt, wie schon erörtert ist, nur die M i n d e r w e r t i g k e i t der Ware und die U e b e r t e u e r u n g des Publikums. Die Klägerin hat weder hinsichtlich der Qualität, noch hinsichtlich des Preises der Ware etwas vorgebracht, woraus die Unwahrheit einer Behauptung der Beklagten folgern würde. Hiernach verbleibt lediglich die Qualifikation der Industrie als einer verwerflichen. Hierin liegt zweifellos ein Urteil, das wiederum nur unter den Gesichtspunkt der Beleidigung gestellt werden könnte. Abgesehen von dem Mangel der Klageberechtigung der Klägerin, stände der Beklagten der Schutz des § 193 StGB, zur Seite. Denn es muß als ein gutes Recht eines literarischen Unternehmens, das sich die große und verdienstliche Aufgabe stellt, auf allen Gebieten de« menschlichen Wissens eine der allgemeinen Durchschnittsbildung zugängliche und entsprechende Unterweisung zu geben, erachtet werden, auch auf dem Gebiete des Geheimmittelwesens im weitesten Sinne nach der wirtschaftlichen, wie nach der Seite der Gesundheitspflege aufklärend und belehrend einzugreifen. Das Vorhandensein einer Beleidigung ist aber weder aus der Form der Aeußerung, noch aus den Umständen, unter denen sie geschehen, zu entnehmen." . . . RGZ. 60, 138 1. Begriii eines Werkes im Sinne von § 836 BGB. 2. Zu § 907 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I.

Landgericht

Kiel.

Urt. v. 9. Februar 1905. II.

Oberlandesgericht

daselbst.

Die Kläger waren Eigentümer von Grundstücken, die nach dem Kaiser-Wilhelm-Kanal zu begrenzt wurden von einem Grundbesitz, der bis zum März 1901 dem Reichsfiskus eigentümlich zugestanden hatte und sich seitdem im Eigentum, und schon seit 1898 im Eigenbesitz des Beklagten befand. Auf diesem Grundbesitze hatte das Kanalamt in Anlaß des Kanalbaus Massen nassen Schlamms und ausgehobener Erde in Höhe von 10 Metern und darüber aufgetürmtDie Kläger behaupteten, daß von diesen Sandkippen bei jedem Wind außerordentliche Mengen Sand aufgewirbelt worden seien, die, auf ihre Grundstücke getragen, diese in ihrer Benutzbarkeit und Ertragsfähigkeit stark beschädigt hätten. Sie verlangten den auf diese ZjviU. SAuldrtcfct 1

>

66 Weise während der Jahre 1900 und 1901 entstandenen Schaden von dem Beklagten ersetzt. Das Landgericht wies die Klage ab; das Oberlandesgericht erklärte den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt. Da« Berufungsurteil ist aufgehoben worden. Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht erblickt in den Schlamm- und Erdmassen . . . ein mit den Grundstücken des Beklagten verbundenes Werk im Sinne von § 836 BGB.; es führt aus, daß sich von diesem Werk infolge des Windes Teile, nämlich Sandkörner, abgelöst hätten, und daß diese Ablösung eine Folge fehlerhafter Einrichtung jener Sandkippen deswegen sei, weil keine Schutzvorrichtungen dagegen getroffen gewesen seien. Es hält daher auf Grund jener Bestimmung den Beklagten zum Ersatz des Schadens für verpflichtet, der den Klägern durch Hinüberwehen von Sand von den Sandkippen auf ihre Grundstücke entstanden ist. Der Revision ist nun darin beizutreten, daß die Auffassung, es handle sich hier um ein Werk im Sinne von § 836 BGB., nicht zutreffend ist. Sie wird weder durch die Höhe der Sandkippen, noch dadurch gerechtfertigt, daß diese, wie das Be rufungsgericht hervorhebt, nicht den Zwecken der Grundstücke dienen, auf denen sie aufgeschüttet worden; auch ist es nicht richtig, wenn ausgeführt wird, die Sandkippen hätten ihren eigenen Zweck, nämlich die möglichst gedrängte Unterbringung und Verwahrung der Sandmassen; denn die Kippen sind die Sandmassen selbst. Gegen die Annahme eines „Werkes" spricht schon der Sprachgebrauch, der darunter einen einem b e s t i m m t e n Z w e c k dienenden, nach gewissen Regeln der Kunst oder der Erfahrung hergestellten Gegenstand versteht; an einer solchen Zweckbestimmung fehlt es den Kippen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vollständig Weiter spricht dagegen, daß § 836 ein G e b ä u d e und ein a n d e r e s Werk zusammenstellt, endlich daß er die Möglichkeit einer f e h l e r h a f t e n Errichtung und einer m a n g e l h a f t e n U n t e r h a l t u n g voraussetzt; weder von dieser, noch von jener kann bei einem zusammengeschütteten Erdhaufen, gleichviel von welcher Höhe, die Rede sein. Ein solcher wird zu einem Werk erst durch die Bearbeitung zu einem bestimmten Zweck z. B. wenn eine Böschung hergegestellt wird. Können daher die Sandkippen nicht als ein Werk im Sinne des § 836 angesehen werden, so erledigt sich ein Eingehen aur die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen darzulegen versucht wird, daß die sonstigen Voraussetzungen jener Gc setzesbestimmung gegeben seien. Der Klaganspruch ist aber nicht bloß auf § 836, sondern auch auf § 823 BGB. gestützt. Das Berufungsgericht hat einwandfrei festgestellt, daß die Grundstücke det Kläger durch das Hinüber

67 wehen von Sand von den Sandkippen in doppelter Weise geschädigt worden sind: einmal durch das Hinüberwehen von Sand auf den Boden der Grundstücke selbst, dann durch die Anfüllung des über den Grundstücken befindlichen, nach § 905 BGB. zu diesen gehörigen Luftraums mit Sand dergestalt, daß die Arbeiter der Kläger genötigt waren, die Arbeit einzustellen. In beiden Beziehungen liegt eine Verletzung des Eigentums (§ 823 BGB.) vor. Diese Verletzung war auch eine widerrechtliche. Die Anwendung des § 906 auf den vorliegenden Fall versagt schon deswegen, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Benutzung der Grundstücke der Kläger durch die Einwirkung w e s e n t l i c h beeinträchtigt wird, und die Einwirkung auch nicht durch eine Benutzung des Grundbesitzes des Beklagten herbeigeführt wird, die nach den örtlichen Verhältnissen bei Grundstücken dieser Lage gewöhnlich wäre. Die Widerrechtlichkeit der Einwirkung ergibt sich aber unmittelbar aus § 907 BGB. Durch die Aufschüttung der Schlammund Sandmassen ist eine A n l a g e hergestellt worden, von der mit Sicherheit vorauszusehen war, daß ihr Bestand eine unzulässige Einwirkung auf die benachbarten Grundstücke zur Folge habe werde. Die Kläger waren daher berechtigt, auch vom Beklagten, der die Sandkippen zwar nicht errichtet hat, sie aber ,,hält", die Beseitigung der Sandkippen, soweit sie eine unzulässige Einwirkung auf ihre Grundstücke hervorrufen mußten, oder doch die Ergreifung von Maßregeln zu fordern, die eine solche Einwirkung hinderten. Sie sind aber auch nach § 823 BGB. berechtigt, vom Beklagten Schadensersatz wegen der widerrechtlichen Verletzung ihres Eigentums zu verlangen, d a f e r n ihn der Vorwurf trifft, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei dem Halten der Sandkippen nicht beobachtet zu haben, wenn er also diejenigen Maßregeln nicht oder nicht rechtzeitig getroffen haben sollte, die er bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen seiner Nachbarn hätte treffen sollen." . . . (Es wird dann ausgeführt, daß in dieser Beziehung noch nicht genügende Feststellungen getroffen seien.)

RGZ. 60, 294. 1. Kann der durch eine unerlaubte Handlang beim Abschließen eines Vertrages Verletzte die Erfüllung einer dem Verletzer gegen ihn durch die unerlaubte Handlung entstandenen Forderung nach Verjährung des Anspruchs an! Aufhebung der Forderung auch dann •erweigern, wenn er bei dem Vertrage stehen bleiben will? BGB. § 853. 2. Kann die in einem Kaufvertrag enthaltene Ausschließung teder Aufrechnung vom Verkäufer auch gegenüber solchen Forde5«

68

Schuldrecht, Besonderer Teil

runden geltend gemacht werden, die darauf beruhen, daß der Verkäufer den Käufer betrogen hat? B G B . § § 138, 157, 242. V. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Koblenz.

U r t . v.

15. M ä r z

1905.

II. Oberlandesgericht Köln.

D e r K l ä g e r h a t t e sich ein P a t e n t für ein V e r f a h r e n zur Herstellung v o n H o r n g l a s erteilen l a s s e n . E r s t e l l t e d i e s e s E r z e u g n i s auf e i n e m ihm g e h ö r i g e n F a b r i k g r u n d s t ü c k e her. D u r c h n o t a r i e l l e n V e r t r a g vom 13. M ä r z 1 9 0 0 v e r k a u f t e er das G r u n d s t ü c k s o w i e das P a t e n t (nebst L i z e n z und G e b r a u c h s m u s t e r ) an den B e k l a g t e n für e i n e n G e s a m t p r e i s von 5 0 0 0 0 M., w o v o n 2 0 0 0 0 M . auf das P a t e n t , die Lizenz und das G e b r a u c h s m u s t e r g e r e c h n e t w u r d e n . An Kaufp r e i s b l i e b e n 2 3 0 0 0 M . r ü c k s t ä n d i g , w o v o n 3 0 0 0 M. b e r e i t s am 1. A p r i l 1900 fällig w u r d e n . D i e s e 3 0 0 0 M und 1 1 5 0 M. r ü c k s t ä n d i g e Zinsen vom g a n z e n R e s t k a u f p r e i s e v e r l a n g t e d e r K l ä g e r im vorliegenden R e c h t s s t r e i t e . Der B e k l a g t e beantragte Abweisung der K l a g e , weil e r durch arglistige V o r s p i e g e l u n g e n d e s K l ä g e r s b e i den V e r t r a g s v e r h a n d l u n g e n w e i t ü b e r den e i n g e k l a g t e n B e t r a g hinaus geschädigt w o r d e n sei; i n s b e s o n d e r e sei d a s auf 2 0 0 0 0 M. b e w e r t e t e P a t e n t völlig w e r t l o s . Im K a u f v e r t r a g e w a r j e d e A u f r e c h n u n g ausgeschlossen. D e r K l ä g e r ist in b e i d e n V o r i n s t a n z e n u n t e r l e g e n . A u f seine R e v i s i o n w u r d e das B e r u f u n g s u r t e i l a u f g e h o b e n , und die S a c h e in die V o r i n s t a n z z u r ü c k v e r w i e s e n , aus f o l g e n d e n Gründen: „Der B e k l a g t e h a t z w e i f e l l o s einen auf den B e t r u g des K l ä g e r s g e g r ü n d e t e n S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h zur A u f r e c h n u n g g e s t e l l t . B e i d e V o r i n s t a n z e n h a b e n r e c h t s i r r t u m s f r e i f e s t g e s t e l l t , d a ß der K l ä g e r den B e k l a g t e n b e i m V e r t r a g s s c h l u s s e ü b e r den W e r t des P a t e n t s get ä u s c h t hat. H i e r g e g e n sind R e v i s i o n s a n g r i f f e nicht g e r i c h t e t . Der e r s t e R i c h t e r n a h m a u c h für e r w i e s e n an, d a ß dem B e k l a g t e n durch den B e t r u g des K l ä g e r s ein S c h a d e n von m i n d e s t e n s 5 0 0 0 M . ents t a n d e n sei. E r hielt a b e r den B e k l a g t e n zur A u f r e c h n u n g n i c h t für befugt, w e i l im V e r t r a g e v o m 13. M ä r z 1 9 0 0 die A u f r e c h n u n g ausg e s c h l o s s e n ist. D a g e g e n n a h m e r an (und h i e r i n folgt ihm der B e rufungsrichter), d a ß dem B e k l a g t e n der § 8 5 3 B G B . zur S e i t e stehe, der dahin l a u t e t : „ E r l a n g t j e m a n d durch eine von ihm b e g a n g e n e u n e r l a u b t e H a n d l u n g e i n e F o r d e r u n g g e g e n den V e r l e t z t e n , so k a n n d e r V e r l e t z t e die E r f ü l l u n g a u c h dann v e r w e i g e r n , wenn der A n s p r u c h auf A u f h e b u n g d e r F o r d e r u n g v e r j ä h r t i s t . " Der Berufungsrichter

Unerlaubte

Handlungen

69

limmt an, daß der b e i m V e r t r a g s s c h l u s s e B e t r o g e n e sich auf d i e s e B e s t i m m u n g auch d a n n b e r u f e n dürfe, w e n n — w i e im v o r l i e g e n d e n ¡ alle — d e r V e r t r a g n i c h t i n n e r h a l b der e i n j ä h r i g e n F r i s t des § 124 ' ; G B . a n g e f o c h t e n ist. E r n i m m t f e r n e r an, d a ß der B e k l a g t e zur R ü c k g a b e des E m p f a n g e n e n v e r p f l i c h t e t sei und dieser P f l i c h t hinichtlich des P a t e n t s nicht g e n ü g e n k ö n n e , weil e r d i e s e s durch N i c h t Entrichtung der P a t e n t g e b ü h r h a b e v e r f a l l e n lassen, daß das a b e r meiner E i n r e d e nicht e n t g e g e n s t e h e , w e i l das P a t e n t k e i n e n W e r t ¿ehabt habe. G e g e n diese A u s f ü h r u n g e n r i c h t e t sich die R e v i s i o n Sie vertritt die A n s i c h t , daß der § 8 5 3 B G B . auf den B e t r u g s f a l l dann k e i n e A n w e n d u n g finde, w e n n die B e t r u g s k l a g e n i c h t v e r j ä h r t , s o n d e r n die A n f e c h t u n g s f r i s t des § 124 B G B . u n g e n u t z t v e r s t r i c h e n sei. Der E n t s c h e i d u n g d i e s e r F r a g e b e d a r f e s j e d o c h n i c h t , da es j e d e n f a l l s an e i n e r a n d e r e n V o r a u s s e t z u n g zur A n w e n d u n g des § 8 5 3 fehlt. H a n d e l t es sich n ä m l i c h , w i e im v o r l i e g e n d e n F a l l e , um einen z w e i seitigen V e r t r a g , d e r durch B e t r u g des e i n e n T e i l s z u s t a n d e g e k o m m e n ist, so w i r d m i t d e r auf d e r A n f e c h t u n g s e i n r e d e b e r u h e n d e n V e r weigerung der E r f ü l l u n g d e r g a n z e V e r t r a g hinfällig, und auch d e r Betrüger kann seine Leistungen zurückfordern (Protokolle Bd. 2 S . 717). Nun b r a u c h t z w a r d e r die A n f e c h t u n g s e i n r e d e V o r s c h ü t z e n d e sich nicht zur R ü c k g a b e des E m p f a n g e n e n zu e r b i e t e n , s o n d e r n e s ist S a c h e des G e g n e r s , s e i n e L e i s t u n g im W e g e der K l a g e z u r ü c k z u fordern; vgl. E n t s c h . des R G . ' s in Zivils. B d . 2 6 S . 187; a b e r soviel muß j e d e n f a l l s aus den E r k l ä r u n g e n des sich W e i g e r n d e n erhellen, d a ß er w i r k l i c h die A u f l ö s u n g d e s V e r t r a g e s b e g e h r t . D a r a n fehlt es a b e r im v o r l i e g e n d e n F a l l e n i c h t nur, s o n d e r n aus den G r ü n d e n des e r s t e n U r t e i l s und aus dem T a t b e s t a n d e des B e r u f u n g s urteils ergibt sich im G e g e n t e i l e , d a ß der B e k l a g t e beim V e r t r a g e s t e h e n b l e i b e n und den ihm durch das arglistige V e r h a l t e n des K l ä g e r s e n t s t a n d e n e n S c h a d e n g e g e n d e s s e n A n s p r u c h a u f r e c h n e n will. D e m n a c h hat der B e r u f u n g s r i c h t e r den § 8 5 3 B G B . auf einen F a l l a n g e w e n d e t , für den e r nicht g e g e b e n ist. Da das Berufungsurteil hierauf beruht, m u ß t e es a u f g e h o b e n w e r d e n . In d e r S a c h e s e l b s t k o n n t e noch n i c h t e r k a n n t w e r d e n . Die Vorinstanzen haben nämlich den A u f r e c h n u n g s e i n w a n d des B e k l a g t e n zu U n r e c h t v e r w o r f e n . F r e i l i c h ist im K a u f v e r t r a g e jede A u f r e c h n u n g a u s g e s c h l o s s e n , a b e r d i e s e B e s t i m m u n g k a n n nicht auf A n s p r ü c h e b e z o g e n w e r d e n , die dem B e k l a g t e n aus dem b e t r ü g e r i s c h e n V e r h a l t e n des K l ä g e r s b e i m V e r t r a g s s c h l u ß e n t s t a n d e n sind. W e n n der K l ä g e r sich diesem A n s p r ü c h e g e g e n ü b e r auf j e n e V e r t r a g s b e s t i m m u n g b e r u f t , so h a n d e l t e r w i d e r die guten S i t t e n und g e g e n T r e u und G l a u b e n (§§ 138, 157, 2 4 2 B G B . ) . E r k a n n also damit n i c h t g e h ö r t w e r d e n . " . . .

Schuldrecht, Besonderer Teil

70 RGZ. 60, 300

1. . . . 2. Begriii der unerlaubten Handlung im 25. Titel des 7. Abschnittes des zweiten Buches des Bürgerlichen Gesetzbuches. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 20. M ä r z 1905.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Zivilprozeß". R G Z . 60, 313 t 1. . . .*) 2. Halten mehrere Tierhalter dem Geschädigten als Gesamtschuldner? 3. Haltet der Tierhalter neben dem nach § 8 3 4 B G B . Aulsichtspflichtigen dem Geschädigten als Gesamtschuldner? VI. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t F l e n s b u r g .

Aus den

Urt. v. 23. März

1905.

II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

Kiel.

Gründen:

D e r erkennende S e n a t t r i t t . . . der Ansicht des Berufungsrichters bei, daß mehrere T i e r h a l t e r nach § 8 3 3 B G B . dem V e r l e t z t e n als G e s a m t s c h u l d n e r haften. Von D e r n b u r g , Bürgerliches R e c h t Bd. 2 A b t . 2 § 396 unter III, wird dieser, auch in der Literatur herrschenden Ansicht mit dem Hinweis darauf entgegengetreten, daß die Rechtsnormen des 25. T i t e l s Abschn. 7 Buchs 2 B G B . infolge der erst von der Reichstagskommissicm vorgenommenen prinzipiellen Umgestaltung der Haftung für T i e r s c h a d e n auf diese Haftung nicht schlechthin anwendbar seien. Allein der erkennende Senat hat b e r e i t s (vgl. die in den Entsch. in Zivils. Bd. 53 S. 114 flg., Bd. 58 S. 335 flg. abgedruckten Urteile) eingehend dargelegt, daß der in § 8 4 0 Abs. 1 gebrauchte Ausdruck „unerlaubte Handlungen" die gleiche w e i t e r e Bedeutung hat, wie in der Ueberschrift des 25. Titels. Die Haftung aus § 8 3 3 ist im Sinne des Bürgerlichen G e s e t z b u c h s eane solche aus unerlaubter Handlung; auf die V e r a n t w o r t l i c h k e i t mehrerer T i e r halter findet daher § 8 4 0 Abs. 1 Anwendung. Aus dem gleichen Grunde haftet, wie ebenfalls in der Literatur vorwiegend angenommen wird, dem Verletzten neben dem nach § 834 Aufsichtspflichtigen auch der T i e r h a l t e r als Gesamtschuldner. W e n n v. L i s z t , D e l i k t s obligationen S. 108, den T i e r h a l t e r solchenfalls nur nach M a ß g a b e des § 831 haften lassen will, so fehlt es dieser Ansicht der durch k e i n e Gesetzesbestimmung eingeschränkten Sondervorschrift im § 833 gegenüber an jeder gesetzlichen Grundlage." . . . *)

Geringere

Bedeutung.

Unerlaubte

71

Handlungen

RGZ, 61, 54 t Einfluß des Vertragsverhältnisses zwischen dem Tierhalter und dem Hufschmiede, der die Huie eines Pierdes zu beschlagen übernommen hat, aul einen auf § 833 BGB. gestützten Anspruch des Hufschmiedes. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Kaiserslautern.

Urt. v. 29. Mai 1905. II. Oberlandesgericht

Zweibrücken.

Das Berufungsurteil, welches den Beklagten für verpflichtet erklärt hatte, dem Kläger den vollen Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden sei, daß ihm das Pferd des Beklagten einen Hufschlag versetzt habe, ist aufgehoben worden, aus folgenden Gründen: . . . Außerdem ist das angefochtene Urteil aber auch in materieller Beziehung unhaltbar. Zwar ging d i e Rüge des Beklagten fehl, daß der § 833 BGB. hier überhaupt mit Unrecht gegen ihn zur Anwendung gebracht sei, weil das Ausschlagen mit dem Hufe keine willkürliche Handlung des Pferdes gewesen, sondern mit physiologischer Notwendigkeit durch die dem Tiere zum Zwecke der Bewirkung des Hufbeschlags zuteil gewordene Behandlung hervorgerufen worden sei. Hierfür liegt nicht das mindeste vor, und daran wäre natürlich gar nicht zu denken, daß es etwa die regelmäßige Folge des Anfassens eines Pferdes von seiten des dasselbe beschlagenden Hufschmiedes sein sollte, daß das Pferd mit dem Hufe ausschlagen müßte. Aber das Oberlandesgericht hat darin rechtlich geirrt, daß es dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisse keinen Einfluß auf die Beurteilung der Sache gestattet hat. In dieser Hinsicht ist zunächst auf die Entsch. in Zivils. Bd. 58 S. 410 flg. zu verweisen, wo schon ausgesprochen ist, daß in erster Linie nach dem Inhalte des abgeschlossenen Vertrages zu berurteilen sei, ob und inwieweit die Haftung aus § 833 BGB. ausgeschlossen sei, wenn sich der nunmehr Beschädigte dem Tierhalter vertragsmäßig verpflichtet habe, gewisse Verrichtungen an oder mit dem Tiere vorzunehmen. Dort handelte es sich um einen Trainer; ähnlich, wenn auch natürlich in Einzelheiten abweichend, liegt die Sache bei einem Hufschmied, wie er hier in Frage steht. Der Kläger hatte hier durch Werkvertrag dem Beklagten gegenüber die Beschlagung des Pferdes übernommen. Daraus war er verpflichtet, dieses Werk so auszuführen, daß dadurch keine Unfälle hervorgerufen würden; geschah letzteres doch, so hatte zunächst e r dem Beklagten dafür aufzukommen; freilich konnte er sich exkulpieren; aber hierbei traf i h n die Behauptungs- und Beweislast (vgl. das Urteil i. S. C. w. Kl., Rep. VI. 354/04). Das Berufungsgericht hat nun aber an diese Einrede

Schuldrecht, Besonderer Teil

72

aus dem V e r t r a g e gar nicht g e d a c h t , sondern nur die E i n r e d e de« eigenen V e r s c h u l d e n s aus § 2 5 4 B G B . zugelassen, b e i w e l c h e r die B e w e i s l a s t u m g e k e h r t lag. E s l ä ß t sich nicht ü b e r s e h e n , w i e w e i t durch diese falsche V e r t e i l u n g der B e w e i s l a s t die E n t s c h e i d u n g b e einflußt ist, und auch deshalb m u ß die A u f h e b u n g erfolgen. E n d l i c h w ä r e a b e r auch zu e r w ä g e n g e w e s e n , w i e w e i t n a c h d e r N a t u r d e s V e r t r a g e s der K l ä g e r e t w a die mit der a u s z u f ü h r e n d e n V e r r i c h t u n g unzertrennlich verbundene Gefahr übernommen h a b e . " . . .

RGZ. 61, 250 Schadenersatzanspruch des von einem Dritten über die Eigenschalt eines gekauften Grundstücks getäuschten Käufers gegen den Dritten aus § 826 BGB. Unanwendbarkeit des § 472 BGB. auf die Schadensberechnung. Zur Auslegung des § 249 BGB. B G B . § § 826, 472, 249. V. Z i v i l s e n a t .

U r t . v. 20. S e p t e m b e r

I. Landgericht Bromberg.

1905.

II. Oberlandesgericht Posen.

D e r K l ä g e r k a u f t e von der v e r k l a g t e n E h e f r a u als der B e v o l l m ä c h t i g t e n i h r e s M a n n e s das d i e s e m gehörige G r u n d s t ü c k B . Nr. 3 5 b für 6 5 0 0 0 M. Die Auflassung e r f o l g t e am 2 0 . D e z e m b e r 1902; d e r K a u f p r e i s wurde bis auf 1370 M . b e r i c h t i g t . V o r d e m K a u f a b s c h l ü s s e h a t t e die B e k l a g t e angeblich dem K l ä g e r den M i e t e r t r a g des G r u n d s t ü c k s auf 4 3 2 0 M . a n g e b e n lassen. E i n e Zusicherung ü b e r den M i e t e r t r a g w a r jedoch in den n o t a r i e l l e n K a u f v e r t r a g nicht a u f g e n o m m e n w o r d e n ; d a ß e r nur 3 8 0 0 M . b e t r u g , erfuhr der K l ä g e r b e r e i t s v o r der A u f l a s s u n g . W e g e n des g e r i n g e r e n M i e t e r t r a g s b e r e c h n e t e er den M i n d e r w e r t des G r u n d s t ü c k s gegen den K a u f p r e i s auf 5 0 0 0 M . S e i n e R e c h t e aus dem M a n g e l der z u g e s i c h e r t e n M i e t e , b e h a u p t e t e der K l ä g e r , sich v o r und bei der Auflassung, n a c h d e m die B e k l a g t e n sein A n e r b i e t e n , 5 0 0 0 M. vom K a u f p r e i s e als S t r e i t m a s s e zu hinterlegen, a b g e l e h n t h a t t e n , v o r b e h a l t e n zu h a b e n . E r b e a n t r a g t e , die B e k l a g t e n zu v e r u r t e i l e n , in die H e r a b s e t z u n g des K a u f p r e i s e s um 5 0 0 0 M . nach M a ß g a b e des § 4 7 2 B G B . zu willigen, und z w a r dem verklagten Manne gegenüber wegen Mangels einer zugesicherten Eigenschaft, der v e r k l a g t e n F r a u gegenüber wegen arglistiger Täuschung. D a s B e r u f u n g s g e r i c h t wies die K l a g e ab. K l ä g e r s w u r d e z u r ü c k g e w i e s e n aus folgenden

Die

Revision

des

Gründen: ,,In U e b e r e i n s t i m m u n g mit der R e c h t s p r e c h u n g de R e i c h s g e r i c h t s hat der B e r u f u n g s r i c h t e r dem K l ä g e r Gewährleistungsansprüche

Unerlaubte

Handlungen

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gegen den verklagten Mann aus der angeblich mündlich gegebenen Zusicherung der Mietertragshöhe um deswillen versagt, weil daraus, daß die B e k l a g t e n vor der Grundstücksauflassung die Verbindlichkeit jeder mündlichen A b r e d e abgelehnt haben, zu folgern sei, daß zur Zeit der Auflassung Willensübereinstimmung der P a r t e i e n darüber nicht m e h r vorgelegen habe, daß die Zusicherung der Mietertragshöhe Inhalt des K a u f v e r t r a g e s sein solle. Demgemäß ist von ihm mit Recht, da Auflassung und Eintragung nur den Inhalt des ü b e r das Grunds t ü c k ohne Wahrung der gerichtlichen oder notariellen F o r m abgeschlossenen V e r t r a g e s zu heilen vermag, ihnen diese K r a f t bezüglich einer mündlichen Zusicherung abgesprochen worden, die bei der Auflassung nicht mehr Vertragsinhalt war. Die in dieser Beziehung vorgenommene Nachprüfung des Berufungsurteils hat zu B e d e n k e n keinen A n l a ß gegeben. Auch aus der von seiner F r a u als seiner B e v o l l m ä c h t i g t e n bei Gelegenheit der Verkaufsverhandlungen angeblich verübten Täuschung des B e k l a g t e n ist ein S c h a d e n s e r s a t z anspruch gegen den Mann nicht begründet, weil die auf Grund seiner Vollmacht abgegebene notariell beurkundete Erklärung die Zusicherung eines M i e t e r t r a g s nicht enthält. Der gegen die v e r k l a g t e F r a u wegen einer gegen die guten Sitten verstoßenden Handlung erhobene Schadensersatzanspruch ist, wie wenn gegen sie ein Anspruch auf Herabsetzung des Kaufpreises begründet wäre, vom Kläger, der das gekaufte Grundstück behält, nach der für die Minderung des Kaufpreises beim Mangel zugesicherter Eigenschaften der Kaufsache getroffenen Vorschrift seiner Höhe nach b e r e c h n e t . W e g e n der Unrichtigkeit der Schadensberechnung hat der Berufungsrichter den Anspruch für unbegründet e r k l ä r t , da die B e k l a g t e wegen ihrer angeblichen arglistigen Täuschung nicht nach M a ß g a b e des nur unter den Vertragschließenden anwendbaren § 472 B G B . , sondern nach dem für die Schadensberechnung im F a l l e des § 8 2 6 B G B . allein maßgebenden § 2 4 9 B G B . S c h a d e n s e r s a t z zu leisten habe, in diesem Falle aber der K l ä g e r das Verhalten der B e k l a g t e n in seiner T o t a l i t ä t als das ihn schädigende Ereignis zu behandeln, und demnach zu berücksichtigen habe, daß er durch deren falsche Vorspiegelungen nicht nur Nachteile erlitten, sondern durch den Grundstückserwerb mit tatsächlich vorhandenen M i e t e r t r ä g e n auch Vorteile erlangt habe, die gegen die Nachteile zur Ausgleichung zu bringen seien, um einen richtigen M a ß s t a b für seine Vermögenslage zu gewinnen, wie sie sich durch die Täuschung der B e k l a g t e n gegenüber dem Vermögensstande vor dem Kaufvertrage g e s t a l t e t habe. Diese Begründung wird von der Revision als rechtsirrtümlich gerügt weil die nach § 249 a. a O. geschuldete Herstellung desjenigen Zustandes, der bestehen würde, wenn ein durch arglistige Täuschung G e s c h ä d i g t e - nicht getäuscht wäre, bei arglistiger Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache durch einen Dritten auch von diesem

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durch die Erstattung des Unterschieds zwischen dem vor dem Kaufe infolge der Täuschung zugestandenen Kaufpreise und demjenigen geringeren Preise zu leisten sei, der gezahlt worden wäre, wenn der Käufer den Mangel gekannt hätte. Diese Rüge ist unbegründet. Allerdings hat die B e k l a g t e im F a l l e arglistiger Täuschung dem Kläger den durch dieselbe zugefügten Schaden zu ersetzen, und der Ersatz dieses Schadens ist auch durch die Herstellung desjenigen Zustandes zu leisten, der bestehen würde, wenn die arglistige Täuschung als der zum Ersätze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Diese der Entscheidung des Streitfalls zugrunde zu legenden R e c h t s s ä t z e führen aber nicht zu dem Ergebnisse, daß bei einer durch einen Dritten absichtlich erfolgten unrichtigen Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache der Dritte, der den Kaufpreis nicht erhält, in gleicher W e i s e wie der V e r k ä u f e r als Schaden denjenigen Geldbetrag zu ersetzen habe, der sich aus dem Vergleiche des W e r t e s der S a c h e in mangelfreiem Zustande zu ihrem wirklichen W e r t e für den Käufer ergibt. Denn diese zur Berechnung der Kaufpreisherabsetzung unter den Vertragschließenden gegebene Vorschrift findet nicht auch Anwendung auf die Schadensberechnung außerhalb bestehender Vertragsverhältnisse. W e n n sie vom Reichsgericht in den von der Revision angezogenen Entscheidungen bei Schadensansprüchen wegen Betrugs des V e r k ä u f e r s berücksichtigt worden ist, so war hierfür die Erwägung maßgebend, daß ein das Kaufgeld in seinem vollen B e t r a g e einklagender betrügerischer V e r k ä u f e r nicht günstiger gestellt sein könne, als ein redlicher, der eine zugesagte Eigenschaft nicht zu gewähren vermöge. Dieser für das Verhältnis unter den Vertragschließenden zutreffende Erwägungsgrund trifft nicht auch zu auf das Verhältnis des getäuschten Käufers zu einem ihn täuschenden Dritten, der keinerlei Vertragsansprüche gegen ihn hat. Unter diesen ist daher, unabhängig von der Vorschrift des § 472 a. a. 0 . , die Höhe des Schadens des getäuschten Käufers aus der Vermögensminderung zu ermitteln, die er durch die Täuschung erlitten hat. Der Berufungsrichter hat mithin aus dem von ihm angezogenen Urteil in den Entschdes RG.'s in Zivils. Bd. 54 S. 137 die zutreffenden Folgerungen gezogen. Im vorliegenden F a l l e ist zudem für die Höhe des klägerischen Schadensanspruchs der wirkliche, von der Zusicherung der Mieterträge unabhängige W e r t des gekauften Grundstücks zur Zeit des Verkaufs und dessen Verhältnis zu dem gezahlten Kaufpreise einschließlich des entgangenen Gewinnes maßgebend, wobei auch die Prüfung der F r a g e nicht zu umgehen ist, inwieweit der Kläger durch die in Kenntnis der Unrichtigkeit der Mietangaben der B e k l a g t e n entgegengenommene Auflassung seinen Schaden selbst verursacht hat (§ 254 B G B . ) . D a die Klage auf die Herabsetzung des Kaufpreises

75 gerichtet ist, so ist in ihr die Höhe des Schadensanspruchs nach den für sie maßgebenden Gesichtspunkten nicht begründet; ihre Abweisung ist deshalb der Beklagten gegenüber mit R e c h t erfolgt."

RGZ. 61, 366 Sind der Kredit, der Erwerb und das Fortkommen eines Menschen Rechtsgüter, die, wenn sie durch Verbreitung anwahrer Tatsachen beeinträchtigt werden, Schutz durch Klage aui Unterlassung weiterer Verbreitung der verletzenden Behauptungen zu beanspruchen haben? Beweislast in betreff der Wahrheit der verbreiteten Behauptungen. VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht

Altona.

Urt. v. 16. O k t o b e r 1905. II. Oberlandesgericht

Kiel.

In der Zuckerwarenfabrik, die der Kläger in Altona betrieb, traten in den ersten T a g e n des Novembers 1903 die Arbeiter in Ausstand, um höhere Löhne zu erlangen; es kam indes alsbald zu einer Einigung auf Grund von Verhandlungen, die der B e k l a g t e V. als Vorsitzender des „Zentralverbandes der Konditoren, Leb- und Pfefferküchler" mit dem K l ä g e r führte. Hierbei versprach der Kläger auch, er werde die Vorgänge bei der Arbeitsniederlegung gegenüber den an dieser beteiligt gewesenen Arbeitsnehmern nicht zum Anlaß einer Kündigung machen. Im Dezember 1903 entließ jedoch der Kläger mehrere der am Streik beteiligt gewesenen Personen, zunächst zwei Mädchen und sodann zwei dem genannten Zentralverbande angehörige Arbeiter. Darauf richtete der B e k l a g t e V. unter dem 20. J a n u a r 1904 an den Kläger einen Brief, in dem er auf das erwähnte Versprechen Bezug nahm und aussprach, daß mit diesem die Entlassung der Mädchen und der beiden Arbeiter nicht im Einklang stehe; zugleich bat er um Mitteilung, ob der Kläger jenes Versprechen nicht mehr als bindend betrachte, und fügte hinzu, daß dann auch der Zentralverband sich gezwungen sehen würde, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen. Der Kläger ließ die Zuschrift unbeantwortet und kündigte alsbald noch fünf Arbeitern, von denen er annahm, daß sie sämtlich Mitglieder des Zentralverbandes der Konditoren, L e b - und Pfefferküchler seien; er bezeichnete dabei als Grund der Kündigung die Zugehörigkeit der G e nannten zu dem Verbände, sowie das ihm von V. zugegangene Schreiben. Infolgedessen wurden in A l t o n a Flugblätter in den Straßen an die Vorübergehenden verteilt und in die Läden und Wohnungen getragen, in denen das vom Kläger Anfang November 1903 gegebene Versprechen mitgeteilt und behauptet war, daß der Kläger dasselbe gebrochen habe, und zugleich an die Empfänger der Flugblätter die

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Schuldrecht, Besonderer Teil

B i t t e g e r i c h t e t war, ihren B e d a r f an Z u c k e r w a r e n nicht m e h r bei dem K l ä g e r und denjenigen Händlern, die von ihm b e z o g e n e W a r e n v e r t r i e b e n , zu k a u f e n ; angefügt w a r e n L i s t e n ü b e r die G e s c h ä f t e , die W a r e n des K l ä g e r s führten. U n s t r e i t i g h a t t e n sich die B e k l a g t e n V., R., L.j K., G., T . und B . an der V e r b r e i t u n g der F l u g b l ä t t e r b e t e i l i g t . D e r K l ä g e r e r h o b g e g e n sie K l a g e mit dem A n t r a g e , sie zu verurt e i l e n , bei V e r m e i d u n g einer für j e d e n F a l l der Zuwiderhandlung festz u s e t z e n d e n S t r a f e e s zu u n t e r l a s s e n , F l u g b l ä t t e r zu v e r f a s s e n , zu d r u c k e n oder zu v e r b r e i t e n , in d e n e n das P u b l i k u m a u f g e f o r d e r t w e r d e , nicht m e h r v o n dem K l ä g e r W a r e zu b e z i e h e n o d e r von ihm h e r g e s t e l l t e W a r e zu k o n s u m i e r e n , s o l a n g e n i c h t der B e z u g oder K o n sum von dem V e r b ä n d e der K o n d i t o r e n L e b - und P f e f f e r k ü c h l e r freig e g e b e n sei, u n t e r Aufstellung d e r B e h a u p t u n g , der K l ä g e r h a b e e n t g e g e n s e i n e m V e r s p r e c h e n A r b e i t e r e n t l a s s e n , das seinen A r b e i t e r n o d e r e i n z e l n e n s e i n e r A r b e i t e r g e g e b e n e W o r t g e b r o c h e n , oder ähnlicher Behauptungen. Das L a n d g e r i c h t v e r u r t e i l t e die b e z e i c h n e t e n B e k l a g t e n u n t e r A n d r o h u n g e i n e r G e l d s t r a f e für j e d e n Zuwiderhandlungsfall dahin, es zu u n t e r l a s s e n , F l u g b l ä t t e r in die H ä u s e r zu t r a g e n , auf den S t r a ß e n zu v e r t e i l e n oder in a n d e r e r W e i s e u n t e r das P u b l i k u m zu bringen, in denen das P u b l i k u m u n t e r A u f s t e l l u n g der B e h a u p t u n g , der K l ä g e r h a b e e n t g e g e n seinem V e r s p r e c h e n A r b e i t e r e n t l a s s e n , das seinen A r b e i t e r n oder e i n z e l n e n s e i n e r A r b e i t e r g e g e b e n e W o r t g e b r o c h e n , oder g l e i c h b e d e u t e n d e r B e h a u p t u n g e n aufgefordert w e H c . n i c h t m e h r von dem K l ä g e r h e r g e s t e l l t e W a r e zu b e z i e h e n , oder von dem K l ä g e r h e r g e s t e l l t e W a r e zu k o n s u m i e r e n , solange n i c h t der B e z u g oder K o n s u m vom V e r b ä n d e der K o n d i t o r e n , L e b - und P f e f f e r k ü c h l e r freigegeben w e r d e . A u i die B e r u f u n g der B e k l a g t e n w i e s das O b e r l a n d e s g e r i c h t K i e l die K l a g e ab; das R e i c h s g e r i c h t aber s t e l l t e die e r s t i n s t a n z l i c h e E n t scheidung w i e d e r her. Aus den G r ü n d e n : „Die R e v i s i o n ist als zulässig a n z u s e h e n , und zwar s c h o n deshalb, weil das I n t e r e s s e des K l ä g e r s daran, d a ß von den B e k l a g t e n n i c h t m e h r F l u g b l ä t t e r v e r b r e i t e t w e r d e n , in d e n e n er des W o r t b r u c h s g e g e n ü b e r seinen A r b e i t e r n g e z i e h e n wird, k e i n b l o ß v e r m ö g e n s r e c h t liches ist; es kann d e s h a l b dahingestellt b l e i b e n , ob nicht auch sein v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e an der W i e d e r h e r s t e l l u n g der ersti n s t a n z l i c h e n E n t s c h e i d u n g auf m e h r als 1500 M. zu v e r a n s c h l a gen w ä r e . Die R e v i s i o n e r s c h e i n t auch b e g r ü n d e t . N a c h dem o b e n w i e d e r g e g e b e n e n W o r t l a u t e des K l a g a n t r a g s m u ß a n g e n o m m e n werden, daß der K l ä g e r nur verlangt, es solle den B e k l a g t e n v e r b o t e n werden, auch f e r n e r noch F l u g b l ä t t e r zu v e r -

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Handlungen

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breiten, in denen das Publikum mit der Begründung, daß der K l ä g e r ein seinen A r b e i t e r n gegebenes V e r s p r e c h e n gebrochen habe, aufgefordert wird, bis auf weiteres k e i n e von dem Kläger in den V e r k e h r g e b r a c h t e n W a r e n zu kaufen. J e d e n f a l l s aber muß das erstinstanzliche Urteil dahin verstanden werden, daß damit den jetzigen R e v i •ionsbeklagten nur untersagt sein sollte, F l u g b l ä t t e r zu verbreiten, in denen jene Aufforderung mit der Behauptung, daß der Kläger ein seinen A r b e i t e r n g e g e b e n e s V e r s p r e c h e n gebrochen habe, verknüpft, und die Aufforderung auf diese Beschuldigung gestützt wird. B e i dieser B e s c h r ä n k u n g der von dem Landgerichte ausgesprochenen Verurteilung, bei w e l c h e r der Kläger sich beruhigt hat, war in der Berufungsinstanz, und ist jetzt nicht darüber zu entscheiden, ob den Berufungsklägern und jetzigen Revisionsbeklagten untersagt werden könne, durch Verbreitung von Flugblättern das Publikum in A l t o n a und Umgegend lediglich aufzufordern, in dem S t r e i t e , der zwischen dem K l ä g e r und einzelnen seiner A r b e i t e r entstanden ist, die letzteren, bzw. den ihre I n t e r e s s e n vertretenden Zentralverband der Konditoren, Leb- und Pfefferküchler dadurch zu unterstützen, daß es bis zu einer Gegenerklärung dieses V e r b a n d e s keine W a r e n mehr kaufe; es kommt vielmehr nur darauf an, ob der Kläger berechtigt ist, zu verlangen, daß diese Aufforderung nicht in V e r b i n dung mit dem erwähnten Vorwurfe des W o r t b r u c h s und auf ihn gestützt verbreitet werde. J e d e n f a l l s in dieser Beschränkung ist das Verlangen des Klägers als berechtigt anzuerkennen. Der Vorwurf, der in den von den Revisionsbeklagten v e r b r e i t e t e n Flugblättern gegen den Kläger e r h o b e n ist, geht dahin, er habe dem rem ihm Anfang N o v e m b e r 1903 zur Beilegung des damals in seiner F a b r i k ausgebrochenen S t r e i k s gegebenen Versprechen, die an diesem beteiligt g e w e s e n e n Arbeiter wegen dieser ihrer T e i l n a h m e nicht aus dem Arbeitsverhältnis zu entlassen, insofern zuwidergehandelt, als er im D e z e m b e r 1903 und im J a n u a r 1904 zwei F a b r i k m ä d c h e n und sieben A r b e i t e r doch deshalb entlassen habe, weil sie an der Ausstandsbewegung teilgenommen hätten. Dieser Vorwurf war nicht bloß im allgemeinen geeignet, den K l ä g e r in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, sondern, wie die Vorinstanz nicht verkennt, auch geeignet, ihm Nachteile für den B e t r i e b seines Geschäfts, also für seinen E r w e r b , zu bereiten, insbesondere sein Verhältnis zu den bei ihm beschäftigten Arbeitern ungünstig zu besinflussen und ihm die Gewinnung tüchtiger, auf V e r t r a g s t r e u e haltender A r b e i t e r zu erschweren. Nun müssen aber, Urteil vom 5. J a n u a r Zirils. Bd. 60 S. 6 flg.) und das F o r t k o m m e n

wie der e r k e n n e n d e S e n a t bereits in einem 1905, R e p . VI. 38/04 (Entsch. des R G . ' s in ausgesprochen hat, der Kredit, der E r w e r b eines M e n s c h e n als R e c h t s g ü t e r angesehen

78 werden, denen dann, wenn sie durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer Tatsachen beeinträchtigt werden, Rechtsschutz zu gewähren ist, und zwar nicht bloß unter den in § 824 BGB. vorgesehenen Voraussetzungen in der Form der Schadensersatzklage, sondern nach Analogie der Bestimmungen in den §§ 12, 862, 1004 BGB. mittels der Klage auf Unterlassung künftiger Verletzungen auch dann, wenn demjenigen, welcher die objektiv unwahren Tatsachen behauptet oder verbreitet hat, ein subjektives Verschulden nicht beizumessen ist, oder er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. An dieser Auffassung ist festzuhalten." (Es folgen Darlegungen dahin, im Berufungsurteile sei einwandfrei festgestellt, daß der Kläger den beiden Fabrikmädchen und den beiden zuerst entlassenen Arbeitern nicht deshalb gekündigt habe, weil sie an dem früheren Ausstand beteiligt gewesen seien; insoweit sei also die objektive Unwahrhedt des Vorwurfs, der Kläger habe durch Entlassung dieser Personen sein Wort gebrochen, positiv festgestellt. Dann fährt das Unteil fort:) „Anders liegt die Sache bezüglich der Entlassung der fünf Arbeiter, denen der Kläger nach Empfang des V.'schen Briefes vom 24. Januar 1904 unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß sie Mitglieder des Zentralverbandes seien, gekündigt hat. Hier erachtet die Vorinstanz zwar nicht iür erwiesen, daß der Kläger unter Verletzung seines gegebenen Versprechens die fünf Arbeiter wegen ihrer Teilnahme an dem Anfang November 1903 ausgebrochenen Streik aus ihrem Arbeitsverhältnisse entlassen habe; es stellt aber auch nicht positiv fest, daß die Entlassung nicht aus diesem, sondern aus den anderen in dem Berufungsurteil angegebenen Gründen erfolgt sei. Indes muß diese Sachlage als ausreichend angesehen werden, die Verurteilung der Revisionsbeklagten dahin zu rechtfertigen, daß sie Flugblätter, in denen der Vorwurf des Wortbruchs gegen den Kläger ausgesprochen wird, nicht ferner verbreiten. Das Verlangen des Klägers, daß diese weitere Verbreitung unterbleibe, kommt hier nicht als Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus § 824 BGB. in Betracht, sondern als die Abwehrklage zum Schutze des ein Rechtsgut darstellenden Erwerbes des Klägers. Die Verbreitung einer tatsächlichen Behauptung, welche diesen Erwerb zu beeinträchtigen oder zu gefährden geeignet ist, stellt eine Verletzung dieses Rechtsgutes dar, deren künftige Unterlassung gefordert werden kann, sofern nicht von den Revisionsbeklagten durch den Nachweis der Wahrheit des von ihnen verbreiteten Vorwurfs ihre Berechtigung zur Fortsetzung ihres Verhaltens dargetan wird. Diese Verteilung der Beweislast entspricht auch derjenigen, welche im § 186 StGB, und § 6 des Wettbewerbsgesetzes für ähnliche Fälle ausdrücklich bestimmt worden ist. Wenn in den dort behandelten Fällen, sowie in § 824

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Abs. 2 BGB. zugunsten desjenigen, welcher eine die Ehre, den Kredit, das Fortkommen oder den Geschäftsbetrieb eines anderen schädigende oder gefährdende Tatsache behauptet oder verbreitet hat, bestimmt ist, daß er straflos bleiben, bzw. zum Schadensersatz nicht verpflichtet sein solle, falls er in Wahrnehmung eigener berechtigter Interessen handelte, bzw. der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte, so kann, wie schon in dem Urteil vom 5. Januar 1905 hervorgehoben worden ist, daraus nicht die Folgerung abgeleitet werden, daß das Vorhandensein eines solchen Interesses auch die Klage auf künftige Unterlassung der Verbreifung der betreffenden, als unwahr festgestellten oder mindestens nicht erweislich wahren tatsächlichen Behauptungen ausschließe. Das, was bei einer Verurteilung des Beklagten zu einer solchen Unterlassung auferlegt wird, kann dem Uebel und dem Nachteile, die ihn bei seiner Bestrafung oder bei der Verurteilung zum Schadensersatz treffen, keineswegs gleichgestellt werden. Es genügt sonach, was die Entlassung der fünf Arbeiter anlangt, zur Rechtfertigung der von der ersten Instanz ausgesprochenen Verurteilung schon die Tatsache, daß es den Revisionsbeklagten nicht gelungen ist, die Wahrheit der von ihnen verbreiteten Behauptung, daß der Kläger durch Entlassung dieser Arbeiter das von ihm bei der Beilegung des Streiks im November 1903 gegebene Wort gebrochen habe, nachzuweisen. Voraussetzung für eine Verurteilung der Beklagten zu der in Rede stehenden Unterlassung ist allerdings weiter, daß Anlaß zu der Befürchtung vorliegt, es würden die Beklagten ohne das vom Kläger beantragte gerichtliche Verbot von neuem Flugblätter in Umlauf bringen, in denen er des Wortbruchs beschuldigt wird, der Kläger also weitere Störungen in seinem Erwerbe erleiden." (Es folgen Ausführungen, daß diese Voraussetzung vorliege.) . . . RGZ. 61, 430 Haftet der mit der Widerspruchsklage nach § 771 ZPO. an! Freigabe gepfändeter Sachen verklagte Gläubiger für Schadensersatz nach den Bestimmungen über die Verletzung des Herausgabeanspruchs durch den Besitzer (§§ 987 flg. BGB.) oder nach den allgemeinen Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§§ 823 flg. BGB.)? Zur Frage des Verschuldens in einem solchen Falle. VII. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.

Urt. v. 7. November 1905. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger schloß mit dem Kaufmann F. zu H. unter dem 25. Juli 1901 einen notariellen Vertrag, wonach F. den Empfang eines Dar-

so

Schuldrecht, Besonderer Teil

lehns von 2000 M. seitens des Klägers bekannte, und einen weiteren Kredit von 2000 M. zugesichert erhielt. Nach § 2 des Vertrags übertrug der Schuldner dem Kläger zur Sicherheit für seine Forderungen das in einer Anlage näher verzeichnete Geschäftsinventar zu freiem Eigentum mit der Maßgabe, daß dieser berechtigt sei, bei einem etwaigen Ausfall an Kapital oder Zinsen die Sachen sofort an sich zu nehmen, sie öffentlich oder unter der Hand zu veräußern und sich aus dem Erlöse schadlos zu halten, einen etwaigen Ueberschuß aber an den Darlehnsnehmer auszuzahlen; nach Tilgung der Forderungen sollte der Kläger verpflichtet sein, das Eigentum an den Gegenständen zurückzuübertragen. Dem Schuldner wurde das Inventar einstweilen mietweise belassen; die Miete war durch Zahlung der Darlehnszinsen zu begleichen. E n Teil der zu dem Inventar gehörigen Sachen wurde am 7. März 1903 auf Betreiben der Beklagten wegen einer vollstreckbaren Forderung gegen den Veräußerer F. gepfändet. Die Aufforderung zur Freigabe der Pfandstücke vom 25. März 1903 beantwortete der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten mit dem Ersuchen um abschriftliche Mitteilung des Vertrags vom J a h r e 1901, die am 28. dess. Mts. erfolgte. Am 30. März 1903 wurde der Beklagten die Interventionsklage zugestellt. Nach mehrfachen Verhandlungen wurden die Sachen a m 11. o d e r 14. A p r i l 1903 freigegeben. Der Kläger machte darauf Schadensersatzansprüche geltend, die er damit begründete, daß er die Pfandstücke am 30. Januar 1903 der Witwe R. mit dem übrigen Inventar für 7000 M. verkauft gehabt habe, und daß diese, weil er die für den 1. A p r i l 1903 vereinbarte Lieferzeit und die b i s z u m 4. d e s s . M t s . gewährte Nachfrist nicht habe innehalten können, vom Vertrage zurückgetreten sei und ihn regreßpflichtig gemacht habe. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Oberlandesgericht erklärte den Anspruch des Klägers dem Grunde nach für berechtigt. Auf die Revision der Beklagten ist das erste Urteil wiederhergestellt. Aus den G r ü n d e n : Ob das Vorhandensein eines Schadens dergestalt festgestellt worden ist, daß ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs erlassen werden konnte, kann auf sich beruhen, weil der Berufungsrichter, wie die Revision mit Recht geltend macht, unter Verletzung des Gesetzes angenommen hat, daß der Beklagten ein ihre Ersatzpflicht begründendes schuldhaftes Verhalten zur Last falle, ein solches Verhalten vielmehr nach dem festgestellten Sachstand ausgeschlossen erscheint. Der Berufungsrichter geht davon aus, daß der Kläger die Eigentumsklage auf Herausgabe der im Besitze der Beklagten befindlichen Sachen angestellt habe, und daß die Beklagte als unredliche Besitzerin, die mit der Herausgabe im Verzuge gewesen sei, auf Schadensersatz gemäß § 990 Abs. 2 B G B . hafte. Der Kläger

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hatte indessen die Widerspruchsklage nach § 771 ZPO., die sog. Exekutionsinterventionsklage, erhoben, und bei ihr handelt e9 sich um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung. Ihr Gegenstand ist die Beseitigung der Pfändung; der Pfändungsgläubiger soll nicht sowohl die Sache als Besitzer dem Eigentümer zurückgeben, wie sedn äußerlich bestehendes Pfandrecht, das nach der Darstellung des Klägers sich mit dem Eigentum, als dem die Veräußerung hindernden Recht, in Widerspruch setzt und einen unrechtmäßigen Eingriff in dieses Recht enthält, aufgeben; er soll die Sache freigeben und damit die Unwirksamkeit der Pfändung anerkennen. Darum sind aber auch für die Verpflichtung zum Schadensersatze, die aus einer ungerechtfertigten Pfändung hergeleitet wird, nicht die Sondervorschriften über die Verletzung des Herausgabeanspruchs des Eigentümers durch den Besitzer (§§ 987—993 BGB.), sondern die allgemeinen Normen über den Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen (§§ 82311g. BGB.) maßgebend. Die Frage ist nicht dahin zu stellen, ob der Pfändungsgläubiger redlicher, oder unredlicher Besitzer, und ob er als unredlicher Besitzer im Verzuge war und deshalb für den gesamten aus der Zögerung in der Rückgabe entstandenen Schaden haftet, sondern dahin, ob der Gläubiger, indem er pfänden ließ und die Pfändung aufrecht erhielt, vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum des Dritten widerrechtlich verletzte. Daß der Berufungsrichter nicht von diesem Gesichtspunkte aus den Anspruch des Klägers geprüft hat, würde jedoch zur Aufhebung des Urteils nicht führen, da, wenn die Voraussetzungen des § 990 Abs. 2 B G B . ausreichend festgestellt wären, sich von selbst auch die Anwendbarkeit des § 823 B G B . ergeben würde. Allein an einer solchen Feststellung fehlt es. Der Berufungsrichter leitet die Schlechtgläubigkeit der Beklagten und ihre Verpflichtung zur unverzüglichen Freigabe der Pfandstücke im wesentlichen daraus her, daß sie von dem den Eigentumserwerb des Klägers vermittelnden Vertrage vom 25. Juli 1901 am 28. März 1903 Kenntnis erlangt und stichhaltige Einwendungen gegen den Vertrag nicht vorgebracht habe. Es wird als grobe Fahrlässigkeit bezeichnet, daß der Vertreter der Beklagten, Rechtsanwalt M., in Anlehnung an eine abgetane Rechtsprechung die Gültigkeit der durch den Vertrag beurkundeten Sicherheitsübereignung bezweifelt habe, und ebenso sei die aus dem Anfechtungsgesetze hergeleitete Einrede unbegründet. In ersterer Beziehung ist es zwar richtig, daß das Reichsgericht die Rechtswirksamkeit der fiduziarischen Eigentumsübertragung anerkannt hat (vgl. Entsch. in Zivils. Bd. 57 S. 177, Bd. 59 S. 146); aber dies ist nicht in dem Sinne geschehen, daß jeder konkrete, äußerlich im Gewände fiduziarischer Abmachungen auftretende Vertrag auch als gültig anzusehen sei. Abgesehen davon, daß die Rechtsfrage immer noch zweifelhaft bleibt, kann im Einzelfalle stets das Bedenken entstehen, ob wirklich der Wille, Eigentum zu übertragen, '/-•rilt.

Sdiuldredit 9

6

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Schuldrecht, Besonderer Teil

vorhanden war, oder ob nur eine v e r s c h l e i e r t e Verpfändung vorlag. E s kommt a b e r überhaupt nicht darauf an, ob schließlich dieses B e denken durch R i c h t e r s p r u c h oder auch von dem Gläubiger selbst als unbegründet e r k a n n t w o r d e n ist. V i e l m e h r ist zu prüfen, ob die B e k l a g t e berechtigt war, es aufzuwerfen, und ob sie in Erwägungen nach dieser Richtung, die eine gewisse Zeit erforderten, eintreten durfte, oder o b s i e gehalten war, die Pfändung sofort zurückzunehmen. Hierbei ist in B e t r a c h t zu ziehen, d a ß der A n s p r u c h des Klägers sich lediglich darauf stützt, daß die B e k l a g t e die S a c h e n nicht b i s z u m 4. A p r i l 1903 — dem T a g e des Ablaufs der von der W i t w e R. gewährten Nachfrist — freigegeben habe, und daß der V e r t r a g erst a m 28. M ä r z 1903 in die Hände der B e k l a g t e n gelangt ist. Nun ist es ohne w e i t e r e s klar, daß bei V e r t r ä g e n der vorliegenden A r t immerhin der V e r d a c h t nicht ausgeschlossen ist, daß die Kontrahenten nur ein Pfandrecht haben begründen wollen, und daß der Gläubiger nicht gegen ein G e b o t des V e r k e h r s v e r s t ö ß t , w e n n er eine gewisse Zeit der Ueberlegung, ob diesem V e r d a c h t e F o l g e zu geben sei, für sich in Anspruch nimmt. E s steht im gegenwärtigen F a l l e fest, daß die B e k l a g t e alsbald, nämlich am 1. April, mit ihrem Anwalt konferiert hat, und daß im Anschluß an diese Konferenz ein Anwalt in H. um Auskunft über die P r a x i s der dortigen G e r i c h t e ersucht worden ist. Aus diesem Grunde ist die F r e i g a b e der S a c h e n erst nach dem 4. April erfolgt. E i n e Außerachtlassung der im V e r k e h r erforderlichen Sorgfalt ist, wie auch der e r s t e R i c h t e r zutreffend ausgeführt hat, in dem V e r h a l t e n der B e k l a g t e n nicht ersichtlich. Zu einer k o s t spieligen telegraphischen K o r r e s p o n d e n z w a r die B e k l a g t e um so weniger genötigt, als der Kläger, obschon die Pfändung bereits am 7. März erfolgt war, erst am 28. M ä r z die B e k l a g t e durch U e b e r s e n dung einer A b s c h r i f t des V e r t r a g s in den S t a n d gesetzt hatte, seinen Anspruch zu prüfen. E b e n d e s h a l b ist ihr auch kein Vorwurf daraus zu machen, daß sie aus der Mitteilung von der angeblichen F o r d e rung der W i t w e R . k e i n e n A n l a ß zur Ergreifung besonders schleuniger Maßregeln nahm. Nach L a g e der S a c h e war das V e r l a n g e n des Klägers, das der Berufungsrichter durch seine Entscheidung gebilligt hat, die P f a n d s t ü c k e u n v e r z ü g l i c h und ohne weitere E r ö r t e r u n gen freizugeben, nicht gerechtfertigt. Auch in Ansehung der Anfechtungseinrede war es unerheblich, ob der Berufungsrichter sie für unbegründet e r a c h t e t e . E s k a m darauf an, ob die B e k l a g t e ihre Aussichtslosigkeit so frühzeitig e r k a n n t hat oder erkennen konnte, daß die sofortige Anerkennung des Eigentums des Klägers geboten war. Dafür liegt jedoch nichts vor. D e r Schadensersatzforderung des K l ä gers mangelt es daher an der r e c h t l i c h e n Grundlage; ein Verschulden der B e k l a g t e n gegenüber der Intervention des Klägers ist nicht erkennbar." . . .

Unerlaubte Handlungen

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RGZ. 63, 146 1. Kann der Geschäftsvermittler aus § 826 BGB. zum Schadensersatz verpflichtet sein 7 2. Stillschweigende Uebernahme der Haltung für arglistiges Verhalten des Geschäftsvermittlers durch den Geschäftsherrn bei der Anstellung des Vermittlers. V. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.

Urt. v. 11. April 1906. II. Kammergericht

daselbst.

Durch notariellen Vertrag vom 27. September 1900 hatte der Kläger ein Haus in Charlottenburg von den damaligen Eigentümern, dem Märkischen Immobilienverein und dem Bankdirektor S., gekauft und demnächst übereignet erhalten. Er verkaufte es kurz darauf weiter, wurde aber von der Käuferin wegen Schwammfehler in Anspruch genommen und zahlte ihr im Vergleichswege eine Entschädigung von 15 400 M. Er verlangte nun Schadloshaltung von dem Märkischen Immobilienverein und von dem für diesen Verein bei dem Kaufgeschäft tätig gewesenen damaligen Häuserverwalter P. und klagte gegen diese beiden Beklagten als Gesamtschuldner vorläufig auf Zahlung von 3400 M. nebst Zinsen. Er behauptete: Sowohl die damaligen Direktoren des Vereins, L. und W., als auch der Beklagte P. hätten den Schwammfehler gekannt, aber arglistig verschwiegen, sogar Schwammfreiheit zugesichert. Jedenfalls habe P. den Fehler gekannt, und dessen Arglist müsse von dem Verein vertreten werden, da er als dessen Bevollmächtigter die Kaufverhandlungen geleitet habe. P. hafte aber auch persönlich, indem er in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise den Kläger vorsätzlich in Schaden gebracht habe (§ 826 BGB.). Beide Beklagte bestritten Grund und Betrag des erhobenen Schadensanspruchs. Sie bestritten insonderheit, um den Schwamm gewußt und sich des behaupteten arglistigen Verhaltens schuldig gemacht zu haben, beriefen sich auch auf den Ausschluß der Gewährleistung im § 1 des Kaufvertrags. Der Verein lehnte eine Haftung für P. ab, der nicht sein Bevollmächtigter gewesen sei, sondern nur tatsächlich das Geschäft vermittelt habe. P. wollte mit dem Kläger nicht persönlich verhandelt, sondern ihm nur dufch einen Agenten eine Mitteilung über den Kaufpreis und die Mieterträge zugestellt, und dann das Kaufangebot des Klägers weiter befördert haben. Er machte weiter geltend, daß Kläger sich eine Schadensersatzforderung selbst dadurch abgeschnitten habe, daß er im § 6 des Kaufvertrags sich für den Fall, wenn Fehler zum Vorschein kommen sollten, lediglich das Rücktrittsrecht vorbehalten habe. Auch hielt er seine etwaige Haftung dadurch für erledigt, daß der Kläger beim notariellen Ver-

84 tragsschluß über die Schwammfrage unmittelbar mit dem Direktor L. verhandelt habe. In erster Instanz wurde die Klage gegen den Verein abgewiesen, dagegen dem P. gegenüber dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des P. wurde zurückgewiesen, auf Berufung des Klägers jedoch die Klage auch dem Verein gegenüber dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revisionen beider Beklagten wurden zurückgewiesen, aus folgenden Gründen: „Der Berufungsrichter führt zunächst aus, daß weder der Ausschluß der Gewährleistung im § 1 des Kaufvertrags, noch die vertragsmäßige Beschränkung des Klägers im § 6 auf das Rücktrittsrecht, falls Fehler zum Vorschein kommen sollten, dem auf arglistige Täuschung oder arglistiges Verschweigen gegründeten S c h a d e n e r s a t z ansprüche, wie er hier erhoben ist, entgegenstehen. Das ist unbedenklich und auch von der Revision nicht bezweifelt worden. Daß zur Zeit des Kaufs Schwamm in dem verkauften Hause gewesen, und der Kläger dadurch geschädigt worden ist, wird festgestellt. 1. Zunächst nimmt nun der Berufungsrichter, in Uebereinstimmung mit dem ersten Richter, an, daß für diesen Schaden der B e k l a g t e P. persönlich haftbar sei; er gelangt daher zur Zurückweisung seiner Berufung. Die Haftbarkeit des P., der nicht Vertragspartei gewesen ist, gründet er auf § 826 B G B . , nämlich darauf, daß P. in dem Bewußtsein, daß Kläger dadurch in Schaden kommen werde, den ihm wohlbekannten Schwammfehler dem Kläger gegenüber entweder ausdrücklich abgeleugnet oder verschwiegen, und somit vorsätzlich wider die guten Sitten den Kläger in Schaden gebracht habe. W e n n die Revision hiergegen geltend macht, daß zum Begriff der vorsätzlichen Schadenzufügung nach § 826 B G B . die unmittelbare Richtung des Vorsatzes auf die Schadenzufügung erforderlich 9ei, dan bloße Wissen um die schädlichen Folgen dagegen den Vorsatz nicht ersetze, so ist das ein Irrtum. W e r eine Handlung vornimmt in dem Bewußtsein, daß e ; n anderer dadurch Schaden leide, hat die Schadenzufügung gewollt, und mehr ist zur vorsätzlichen Schädigung nicht erforderlich. Ob der Handelnde dadurch gegen die guten Sitten verstoßen habe, ist freilich eine andere Frage, bei der es darauf ankommen kann, ob ein berechtigtes Interesse zur Vornahme der Handlung vorlag (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 58 S. 215); aber davon kann im vorliegenden Falle keine Rede sein, was auch die Revision nicht zu bezweifeln scheint. Die tatsächliche Feststellung, daß P. um das Vorhandensein des Schwamms zum mindesten — was dem gleichsteht — um die hochgradige Schwammverdächtigkeit des Hauses gewußt und dem Kläger gegenüber den Fehler entweder ausdrücklich abgeleugnet, oder doch verschwiegen habe,

85 war mit der Revision nicht zu beseitigen. Es kann sich daher nur fragen, ob der Berufungsrichter weiter mit Recht angenommen hat, daB der Eintritt des Schadens, nämlich der Kaufabschluß über das schwammverseuchte Haus, sei es überhaupt, oder unter den jetzigen Bedingungen, auf jenes arglistige Verhalten des P., wie diesem auch bewußt gewesen, zurückzuführen sei. In dieser Beziehung kann kein Gewicht darauf gelegt werden, ob P. persönlich, oder nur, wie er behauptet, durch Vermittlung von Agenten mit dem Kläger über den Ankauf verhandelt hat. Denn der Berufungsrichter stellt fest, daß die dabei n Betracht kommenden Agenten bloße Werkzeuge des P. waren, die lediglich nach -dessen Anweisungen handelten, und sowohl in den Erklärungen, die sie dem Kläger übermittelten, als in dem, was sie diesem verschwiegen, an die Vorschriften gebunden waren, die ihnen P. gab, so daß alles, was dem Kläger in den Vorverhandlungen über die Schwammfrage gesagt oder nicht gesagt wurde, auf den Willensentschluß des P. zurückzuführen war. Daß nun aber d u , was der Kläger über die Schwammfrage erfuhr oder nicht erfuhr, für seinen Entschluß zu dem Ankaufe, wie er vorliegt, bestimmend gewesen, und daß dafür P. verantwortlich zu machen ist, entnimmt der Berufungsrichter mit Recht aus den Feststellungen, die er über die von P. bei den Vorverhandlungen und noch beim schließlichen Abschluß des Vertrags entfaltete Tätigkeit getroffen hat. Sie gehen dahin: P., der die Grundstücke des Märkischen Immobilienvereins, jedenfalls eine große Zahl davon, in Oberverwaltung hatte, sei von dem Verein nach außen hin als diejenige Persönlichkeit hingestellt worden, die für den Inhalt der abzuschließenden Grundstücksverkäufe maßgebend sei. E r habe selbständig, nach seinem eigenen Ermessen die Vorverhandlungen zu leiten, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, die Kaufbedingungen zu vereinbaren und überhaupt die Verträge so weit vorzubereiten gehabt, daß die Direktoren des Vereins nur das nach seinen Verhandlungen ausgefüllte Vertragsformular zu unterschreiben und somit die Verträge förmlich zu vollziehen brauchten; jeder Einwirkung auf die Kaufgeschäfte im übrigen hätten sie sich begeben. Für die Preisbemessung werde wohl der Direktor S. von der preußischen Hypotheken-Aktienbank, dem die sämtlichen Geschäftsanteile des Märkischen Immobilienvereins zur Verfügung gestanden hätten, den Ausschlag gegeben haben, aber nach außen sei auch S. nicht hervorgetreten; den Kauflustigen habe immer nur P. als diejenige Person gegenüber gestanden, mit der über die Kaufbedingungen unterhandelt werden mußte, und deren Auskünfte maßgebend waren. Von ursächlicher Bedeutung für den Abschluß und den Inhalt der Verträge sei demnach das gewesen, was P. bei den Vorverhandlungen erklärt oder verschwiegen habe. Dieser ursächliche Zusammenhang sei auch

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Schuldrecht, Besonderer Teil

im vorliegenden Falle gegeben und nicht e t w a dadurch unterbrochen worden, daß der Kläger bei dem förmlichen Vertragsschlusse mit den Direktoren L. und W . selber ü b e r die Schwammfrage verhandelt habe. Kläger habe damals gefragt, ob S c h w a m m im H a u s e sei, sich aber darüber durch eine verneinende Erklärung beruhigen lassen, die — möge sie von dem dabei anwesenden P., oder von einem der Direktoien a b g e g e b e n w o r d e n sein — in jedem F a l l auf P. als den Urheber zurückfalle, weil er der einzige gew e s e n sei, der über die F r a g e Bescheid gewußt habe, und der sich darum auch dann einer Arglist schuldig g e m a c h t haben würde, wenn er selber auf die Frage des K l ä g e r s geschwiegen haben sollte. Die tatsächliche Richtigkeit dieser Feststellungen hat von der Revision nicht bemängelt werden können; die d a r a u s gezogenen Schlüsse aber auf arglistiges V e r h a l t e n des P. und den dadurch herbeigeführten ungünstigen V e r t r a g s a b s c h l u ß des K l ä g e r s unterliegen keinem Bedenken. W i e hiernach die Berufung des P. mit R e c h t z u r ü c k g e w i e s e n worden ist, seine Revision also k e i n e n Erfolg haben konnte, so w a r 2. dem Berufungsrichter auch darin beizutreten, daß, abweichend vom e r s t e n Richter, die Klage gegen den M ä r k i s c h e n I m m o b i l i e n v e r e i n ebenfalls für begründet erachtet w e r d e n muß. Ein unm i t t e l b a r e s Verschulden der beiden Direktoren, der gesetzlichen Vertreter des Vereins, hat auch der Berufungsrichter nicht feststellen können; es ist ihnen weder eine Kenntnis des S c h w a m m s oder der S c h w a m m v e r d ä c h t i g k e i t , noch ein Versehen bei der A u s w a h l des P. zum L e i t e r der Vorverhandlungen (§ 831 BGB ) nachgewiesen worden. W e i t e r hält der Berufungsrichter auch nicht die Grundsätze für anw e n d b a r , die das Bürgerliche Gesetzbuch in den § § 164 flg. über die S t e l l v e r t r e t u n g bei W i l l e n s e r k l ä r u n g e n aufstellt, weil dem P. k e i n e Vollmacht zum Abschluß von K a u f v e r t r ä g e n für den Verein erteilt w o r d e n war, die ihm ü b e r t r a g e n e n Verrichtungen sich vielmehr in tatsächlichen Dienstleistungen erschöpften, und nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch eine unmittelbare Haftung des Geschäftsherrn für die Handlungen des Vertreters bei bloß tatsächlichen Verrichtungen nicht besteht. Endlich erkennt der Berufungsrichter an, daß auch nicht der im § 278 BGB. geregelte Fall einer Vertretung des V e r e i n s bei der Erfüllung übernommener Verbindlichkeiten vorliegt. Gleichwohl nimmt er eine Haftung des V e r e i n s für den durch P. v e r u r sachten Schaden an, und z w a r als F o l g e rechtsgeschäftlicher Erklärung. Die dem P. vom Vereine z u g e w i e s e n e Stellung, w i e sie unter 1 näher dargelegt worden ist, wonach P. die Kaufverhandlungen selbständig, nach eigenem Ermessen zu führen hatte, w ä h r e n d die Direktoren des Vereins nur die so v o r b e r e i t e t e n V e r t r ä g e zum förmlichen Abschluß brachten, habe — so führt der Berufungsrichter aus —

Unerlaubte

Handlungen

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nach außen nur so verstanden werden können, daß die D i r e k t o r e n alle E r k l ä r u n g e n des P., i n s b e s o n d e r e die von ihm zur Erfüllung der dem V e r k ä u f e r obliegenden Verpflichtung zur Auskunfterteilung über etwaige Mängel der K a u f s a c h e a b g e g e b e n e n oder dem K ä u f e r vorenthaltenen E r k l ä r u n g e n , als ihre eigenen gelten lassen, und die V e r t r ä g e ohne Einschränkung auf der von dieser Mittelsperson v o r b e r e i t e t e n Grundlage abschließen wollten. Danach sei auch hier v e r f a h r e n worden; bei Errichtung der notariellen Vertragsurkunde h ä t t e n die Direktoren L. und W . den anwesenden P. als die maßgebliche Auskunftsperson behandelt und den K l ä g e r in dem Glauben belassen, daß er sich auf die S c h w a m m f r e i h e i t des Hauses um deswillen verlassen könne, weil P. sie versichert oder vom Vorhandensein von S c h w a m m nichts erwähnt habe. Der Berufungsrichter findet also in den Vorgängen und Umständen, die die Anstellung des P. als G e s c h ä f t s v e r m i t t l e r s sowie das Zustandekommen des K a u f v e r t r a g s mit dem K l ä g e r begleiteten, die (stillschweigende) A b m a c h u n g der Vertragsparteien, daß der V e r e i n für e t w a i g e s V e r s c h u l d e n des P. bei seiner T ä t i g k e i t , insbesondere auch für dessen Verfehlung gegen die Verpflichtung des K ä u f e r s zur Mängelanzeige, aufzukommen habe. Diese tatsächliche Würdigung des S a c h v e r h a l t s muß die Revision gelten lassen. Die Rüge ist unbegründet, daß der Berufungsrichter nicht, wie geschehen, die Direktoren des Vereins, sondern den Kläger h ä t t e für verpflichtet e r a c h t e n müssen, klarzustellen, ob auch trotzdem, daß er beim förmlichen Vertragsschlusse mit den Direktoren selbst über die Schwammfrage verhandelte, noch das V e r h a l t e n des P . in diesem P u n k t maßgebend bleiben solle. Der Berufungsrichter stellt fest, daß die Direktoren überhaupt keinen Einfluß auf den Inhalt des V e r t r a g e s üben wollten, und auch in den Augen des Klägers bloße S t r o h m ä n n e r waren; bei solcher Sachlage w a r es i h r e Aufgabe, den K l ä g e r darüber aufzuklären, wenn darin eine Aenderung eintreten sollte. Diese vertragsmäßige U e b e r n a h m e der Haftung durch den Verfein war mit dem Berufungsrichtar für rechtswirksam zu e r a c h t e n . W e n n auch, wie schon erörtert ist, von den einzelnen Bestimmungen, die das Bürgerliche Gesetzbuch in den §§ 164 flg., 2 7 8 und 8 3 1 über die Haftung des G e s c h ä f t s h e r r n für Handlungen seines V e r t r e t e r s getroffen hat, k e i n e unmittelbar auf den vorliegenden F a l l paßt, so kommt doch in B e t r a c h t , daß das Bürgerliche G e s e t z b u c h auf dem Standpunkt möglichster Vertragsfreiheit steht, und von diesem Standpunkt aus muß es unbedenklich für zulässig e r a c h t e t werden, daß eine V e r t r a g s p a r t e i sich der anderen gegenüber verpflichtet, für alle etwaigen Verschuldungen einer von ihr benutzten Mittelsperson

88 unmittelbar zu hatten. Daß die g e s e t z l i c h e Haftung des Geschäftsherrn nicht so weit reicht, vgl. das Urteil des erkennenden Senats in den Entsch. des RG.'s Bd. 61 S. 207, steht dem nicht im Wege; um die gesetzliche Haftung handelt es sich hier nicht. Mit Recht weist aber der Berufungsrichter noch auf d u unerwünschte Resultat hin, das entstehen würde, wenn in einem Falle wie dem vorliegenden der Geschäftsherr die Vorteile eines für ihn durch einen Geschäftsführer vorbereiteten Geschäfts genieße, dagegen die durch die Mittelsperson verschuldeten Nachteile für die andere Vertragspartei von sich weisen dürfte. Vgl. auch Entsch. des RG.s in Zivils. Bd. 43 S. 146. Demnach war auch die Revision des verklagten Vereins zurückzuweisen." RGZ. 64, 344 1. Ist der Schade, den ein Unterhaltspflichtiger dadurch erleidet, daß infolge der Tötung des in erster Linie zum Unterhalt Verpflichteten die Unterhaltspflicht auf ihn übergegangen ist, auf Grand des § 823 oder des § 844 Abs. 2 BGB. ersatzfähig 7 2. Bedarf es in dem Zwischenurteil über den Grand eines von dem Unterhaltsberechtigten nach § 844 Abs. 2 BGB. erhobenen Schadenersatzanspruchs der besonderen Feststellung, daß ihm infolge der Tötung des Unterhaltspflichtigen ein Schade entstanden ist? VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 22. Oktober 1906. 1. Landgericht Kassel.

II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Ehemann der Klägerin war von einer geländerlosen Brückenrampe der Beklagten in den Dorfbach gestürzt und an den dabei erlittenen Verletzungen gestorben. Die Klägerin belangte die Beklagte auf Zahlung einer Rente und machte zur Höhe der Rente auch geltend, daß sie infolge der Tötung ihres Ehemannes nunmehr selbst ihren unmündigen Kindern Unterhalt gewähren müsse. Das übrige ergibt sich aus den folgenden Gründen: Diesen Anspruch hat das Berufungsgericht dem Grunde nach zur Hälfte für berechtigt erklärt, so -daß, wenn das Berufungsurteil in Rechtskraft erwüchse, . . . endgültig . . . in die Rente der Klägerin die ihr obliegende Unterhaltsleistung an ihre Kinder einzurechnen wäre. . • . Die Klägerin hat zwar dadurch Schaden erlitten, daß nach dem Tode des Vaters die Unterhaltspflicht gegen ihre Kinder auf

89 sie übergegangen ist (§§ 1601, 1606 BGB.); den Ersatz dieses Schadens versagt ihr aber das geltende Recht. Er läßt sich weder aus § 823 Abs. 1 noch aus § 823 Abs. 2 BGB. begründen. Der Klägerin ist keines der im Abs. 1 geschützten Rechtsgüter verletzt worden. Das Vermögen gehört dazu nicht, •gl. Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 58 S. 28; Jurist. Wochenschr. 1905 S. 367, und nur um eine Vermögensbeschädigung durch den Zuwachs der Unterhaltsverbindlichkeit handelt es sich hier. Die Vorschrift dea § 823 Abs. 2, kraft welcher jeder, auch der Vermögensschade ersetzt wird, ist nicht anwendbar, weil das Gebot des § 367 Nr. 12 StGB., das von der Beklagten übertreten wurde, nur zum Schutze derjenigen bestimmt ist, die an dem Orte verkehren, wo sich der Abhang befindet, nicht zum Schutze ihrer Angehörigen, die durch den Absturz vom Abhang mittelbar geschädigt werden. Schadensersatz kann nach den Grundsätzen des Bürgerlichen Gesetzbuchs überhaupt nur der unmittelbar, nicht der mittelbar Verletzte fordern. Eine Ausnahme hiervon macht § 844 BGB. Der Wortlaut dieser Bestimmung schließt jedoch einen Anspruch der Klägerin, der über den Ersatz des ihr persönlich entzogenen Unterhalts hinausgeht, aus. Nur derjenige ist ersatzberechtigt, dessen Recht auf Unterhalt durch die Tötung vernichtet wurde. Das sind hier die Ehefrau und die Kinder. Der Klägerin in ihrer Eigenschaft als unterhaltspflichtige Mutter ist kein Recht auf Unterhalt entzogen worden, weil sie ein solches Recht nicht hatte. Die Kinder können Schadensersatz nur durch selbständige Klage erlangen. Der Anspruch der Klägerin ist hiernach, insoweit sie den Schaden einbezogen hat, der ihr durch den Unterhalt ihrer Kinder entsteht, ungerechtfertigt.*) Das Berufungsgericht hat endlich ein Zwischenurteil über den Grund des Schadensersatzanspruchs erlassen, ohne das wesentliche Erfordernis einer solchen Entscheidung festzustellen, nämlich daß der Klägerin durch die Tötung ihres Mannes ein Schade entstanden ist. Die Klägerin hat vorgebracht, der Verstorbene sei Landwirt gewesen, er habe 84 Acker Land und den entsprechenden Bestand an Pferden und Vieh gehabt. Der Verdienst des Verstorbenen, dessen Ersatz die *) Der VI. Zivilsenat hat bereits i. S. des Kommunalverbandes Wiesbaden (Bekl.) w. St. W w e . (Kl.), Rep. VI. 40/06, in dem Urteil vom 8. Oktober 1906 über dieselbe Frage sich in gleichem Sinne geäußert und beigefügt: „Das Urteil des I. Senats vom 12. Februar 1902 i. S. S. w. P., Rep. I. 351/01, das eine Entschädigungrforderung der Mutter wegen der durch die Tötung ihres Ehemannes ihr zugewachsenen Unterhaltspflicht gegen die Kinder anerkennt, betrifft einen gemeinrechtlichen Fall aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Die Zitierung des Urteils zu § 844 B G B . — S e u f f e r t Archiv Bd. 57 S. 405, ihm folgend W a r n e y e r (1900—1902), S o e r g e 1 (1902), N e u m a n n , J a h r b u c h I, 1, O e r t m a n n , Schuldverhältnisse Bern. 8 — beruht auf einem Irrtum."

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K l ä g e r i n v e r l a n g t , floß nach i h r e r B e h a u p t u n g aus der B e w i r t s c h a f tung seines G u t e s . E s läßt sich nun n i c h t ohne w e i t e r e s sagen, daß durch den T o d des H. die E r t r ä g n i s s e des L a n d e s sich m i n d e r n w e r den. W e n n auch zumeist der B e s i t z e r g e w i n n b r i n g e n d e r w i r t s c h a f t e n mag, als selbst ein t ü c h t i g e r K n e c h t , so trifft dies dann n i c h t zu, wenn e r der nötigen S a c h k u n d e o d e r des r i c h t i g e n V e r s t ä n d n i s s e s erm a n g e l t oder zu L e i c h t s i n n , Müßiggang, T r u n k s u c h t und ähnlichen U n t u g e n d e n neigt. I m m e r wird es a b e r darauf a n k o m m e n , o b nicht der p e r s ö n l i c h e V e r b r a u c h des G e t ö t e t e n das durch s e i n e A r b e i t s leistung e r z e u g t e M e h r e r t r ä g n i s und die K o s t e n e i n e s g e e i g n e t e n K n e c h t e s ü b e r w o g e n hat. A u c h in d i e s e m F a l l e w ä r e k e i n S c h a d e eing e t r e t e n . D i e b e s o n d e r e F e s s t e l l u n g e i n e s s o l c h e n läßt sich daher nicht umgehen. D e m g e m ä ß w a r das U r t e i l a u f z u h e b e n . " . . . R G Z . 65, 103 Zur Anwendung des § 8 3 3 B G B . ; Schädigung durch d e r Leitung des K u t s c h e r s s t e h e n d e s P f e r d . IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Torgau.

U r t . v. 17. J a n u a r

ein unter

1907.

II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

D i e K l ä g e r i n w a r von einem F u h r w e r k e des B e k l a g t e n überfahren w o r d e n . S i e v e r l a n g t e von dem B e k l a g t e n S c h a d e n s e r s a t z . Das L a n d g e r i c h t wies die K l a g e ab, w e i l § 8 3 3 B G B . nicht a n w e n d bar, und der in § 831 zugelassene E n t l a s t u n g s b e w e i s g e f ü h r t sei. In der B e r u f u n g s i n s t a n z wurde der A n s p r u c h lediglich auf die B e s t i m mung des § 8 3 3 gestützt. D a s O b e r l a n d e s g e r i c h t e r k l ä r t e den Klaganspruch dem G r u n d e nach für g e r e c h t f e r t i g t . D a s R e i c h s g e r i c h t hat das B e r u f u n g s u r t e i l a u f g e h o b e n und die Berufung gegen die E n t s c h e i d u n g des L a n d g e r i c h t s z u r ü c k g e w i e s e n . A u s den

Gründen:

„Nach der F e s t s t e l l u n g des B e r u f u n g s g e r i c h t s fuhr die K l ä g e r i n am 17. J a n u a r 1905 mit einem k l e i n e n W a g e n vom B a h n h o f e B . in der R i c h t u n g nach K . A n der r e c h t e n S e i t e der D e i c h s e l w a r ein Hund eingespannt, an der linken S e i t e ging die K l ä g e r i n . S i e fuhr auf der r e c h t e n S e i t e des s e h r s c h l e c h t e n , ausgefahrenen, h a r t g e f r o r e n e n W e g e s . Zwei W a g e n des B e k l a g t e n k a m e n ihr e n t g e g e n und fuhren, nach r e c h t s a u s w e i c h e n d , an ihr v o r ü b e r . E t w a 10 M i n u t e n s p ä t e r folgten zwei a n d e r e W a g e n des B e k l a g t e n . D e r F ü h r e r des v o r d e r e n ging an der l i n k e n S e i t e s e i n e s W a g e n s ; die K l ä g e r i n k a m ohne S c h w i e r i g k e i t v o r b e i . D e r z w e i t e W a g e n , d e r v o n dem F u h r k n e c h t e K . g e l e i t e t wurde, folgte 5 bis 10 S c h r i t t e hinter d e m vorderen W a g e n . K . b e f a n d sich auf der r e c h t e n S e i t e s e i n e s W a g e n s , e t w a

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z w i s c h e n V o r d e r r a d und H i n t e r r a d ; e r v e r r i c h t e t e s e i n e N o t d u r f t . D i e Zügel w a r e n am W a g e n f e s t g e b u n d e n . D i e K l ä g e r i n rief, in d e r A n n a h m e , d e r W a g e n l e n k e r s i t z e in der S c h o ß k e l l e : A u s w e i c h e n ! K . h ö r t e den Zuruf n i c h t ; die P f e r d e b e h i e l t e n die b i s h e r i g e R i c h t u n g bei, die l i n k e n W a g e n r ä d e r b l i e b e n in dem tief a u s g e f a h r e n e n G l e i s . Die K l ä g e r i n v e r s u c h t e , ihr G e f ä h r t nach r e c h t s zu d r ü c k e n ; d a b e i w u r d e s i e v o n dem l i n k e n H i n t e r r a d e des durch K . g e l e i t e t e n W a g e n s ü b e r f a h r e n . W e g e n f a h r l ä s s i g e r K ö r p e r v e r l e t z u n g w u r d e K. am 6. M a i 1905 zu e i n e r G e l d s t r a f e von 10 M . v e r u r t e i l t . Die r e c h t l i c h e n A u s f ü h r u n g e n des B e r u f u n g s g e r i c h t s

lauten:

„ D i e s e r S a c h v e r h a l t r e c h t f e r t i g t nicht die A n n a h m e des L a n d gerichts, die P f e r d e h ä t t e n dem W i l l e n des K u t s c h e r s K . g e h o r c h t D e r W i l l e K . ' s als v e r s t ä n d i g e n und e r f a h r e n e n K u t s c h e r s k o n n t e im e n t s c h e i d e n d e n A u g e n b l i c k g a r k e i n a n d e r e r sein, als das G e s p a n n nach r e c h t s h i n ü b e r zu l e n k e n , und e r w ü r d e a u c h d i e s e n W i l l e n zur Ausführung g e b r a c h t und damit den Unfall v e r h ü t e t h a b e n , w e n n e r n i c h t die P f e r d e sich selbst ü b e r l a s s e n h ä t t e . E r h a t t e die Zügel angebunden. E r b e f a n d sich auf d e r r e c h t e n S e i t e s e i n e s W a g e n s , und z w a r mehr in der N ä h e des H i n t e r r a d e s , w o d u r c h ihm die M ö g l i c h k e i t des U e b e r b l i c k s b e n o m m e n w u r d e — hat e r d o c h n a c h s e i n e r e i g e n e n A n g a b e die K l ä g e r i n w e d e r g e s e h e n noch i h r e n Zuruf gehört — , und w e n d e t e seine A u f m e r k s a m k e i t e i n e r h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n A n g e l e g e n h e i t s t a t t der L e n k u n g s e i n e r P f e r d e zu. D i e s h a t t e zur Folge, daß die P f e r d e ihrer s p e z i f i s c h t i e r i s c h e n N a t u r e n t s p r e c h e n d ruhig w e i t e r gingen und nicht nach r e c h t s a u s w i c h e n . Die Pferde des B e k l a g t e n w a r e n also zur Zeit des Unfalls sich s e l b s t ü b e r l a s s e n und folgten n i c h t m e n s c h l i c h e r W e i s u n g . D a m i t ist a b e r die A n w e n dung des § 8 3 3 B G B . g e g e b e n . " M i t R e c h t rügt die stimmung des § 8 3 3 .

Revision

unrichtige

Anwendung

der

Be-

W o h l im H i n b l i c k auf die E n t s c h e i d u n g des R e i c h s g e r i c h t s . VI. Zivilsenats, vom 6. F e b r u a r 1902 ( E n t s c h . B d . 50 S. 180) hat das Berufungsgericht die A n w e n d u n g der B e s t i m m u n g des § 8 3 3 von der Prüfung der F r a g e abhängig g e m a c h t , ob die vor den W a g e n gespannten P f e r d e dem W i l l e n des K u t s c h e r s folgten. A b e r b e i d i e s e r U n t e r s u c h u n g k a m es n i c h t darauf an, w e l c h e n W i l l e n K . als verständiger und e r f a h r e n e r K u t s c h e r h ä t t e h a b e n müssen, w e n n e r die S a c h l a g e ü b e r s c h a u t , w e n n er die K l ä g e r i n gesehen und i h r e n Zuruf gehört h ä t t e ; m a ß g e b e n d ist b e i d e r B e u r t e i l u n g des F a l l e s nur d e r Wille, den d e r K u t s c h e r K . t a t s ä c h l i c h h a t t e . D i e s e r W i l l e ging, wie aus den t a t s ä c h l i c h e n F e s t s t e l l u n g e n des B e r u f u n g s g e r i c h t s sich ergibt, dahin, d a ß die P f e r d e in dem durch die hart g e f r o r e n e n G l e i s e ihnen v o r g e z e i c h n e t e n W e g in ruhigem S c h r i t t w e i t e r g e h e n sollten. Diesem W i l l e n folgten die T i e r e ; sie w i c h e n w e d e r r e c h t s n o c h l i n k s

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Schuldrecht, Besonderer Teil

ab, behielten auch ihre Gangart bei. Das Berufungsgericht hebt zwar hervor, daß K. die Zügel nicht in der Hand hielt, daß er sie an den Wagen angebunden hatte. Darauf kommt es aber nicht an. Um zu bewirken, daß die Pferde in dem Gleise ruhig weitergingen, war eine Lenkung mit den Zügeln nicht erforderlich. Sich selbst überlassen waren die Tiere nicht, wenn auch der Führer die Zügel nicht in der Hand hielt. Die Pferde konnten mit einem Zurufe geleitet werden; die Anwesenheit des Kutschers, der neben dem Wagen herging, konnte genügen, sie zu bestimmen, ruhigen Schrittes ihren Weg fortzusetzen. Wenn bei dem Weitergehen der Tiere die Klägerin verletzt worden ist, so ist ihr die Verletzung nicht — im Sinne de« § 833 BGB. — d u r c h d i e T i e r e , sondern durch den Kutscher zugefügt worden. Rein äußerlich betrachtet ist allerdings, wie es in dem Urteile des Reichsgerichts, Entsch. in Zivils. Bd. 54 S. 74, heißt, auch der Schade, den ein in der Hand des Menschen sich bewegendes Tier anrichtet, durch das Tier verursacht; allein die Verpflichtung zum Ersätze des in solcher Weise entstandenen Schadens ergibt sich nicht aus der Bestimmung des § 833. Wie in den Motiven zu § 734 des ersten Entwurfs (Motive Bd. 2 S. 811) dargelegt ist, wurden besondere Bestimmungen darüber für erforderlich gehalten, inwiefern derjenige, der ein Tier hält, zum Ersätze des durch das Tier verursachten Schadens verpflichtet sei; dem Tierhalter sollte die P f l i c h t zur g e h ö r i g e n V e r w a h r u n g und Beaufsichtigung auferlegt werden. Auch nach der Auffassung der Kommission für die zweite Lesung (Kommissionsprot. Bd. 2 S. 647) sollte Schutz gewährt werden gegen d i e v o n d e n T i e r e n d r o h e n d e n G e f a h r e n . In demselben Sinne spricht sich die Denkschrift (S. 650) aus. In der Reichstagskommission (S. 1988) wurde darauf hingewiesen, daß die gleiche Bestimmung des französischen Rechts sich bewährt habe, und betont, daß auch, wer zu gewerblichen Zwecken g e f ä h r l i c h e T i e r e zu halten gezwungen sei, die d a m i t f ü r a n d e r e v e r b u n d e n e n G e f a h r e n übernehmen müsse. Unter § 833 fallen danach nur Verletzungen und Beschädigungen, die auf die T i e r g e f a h r zurückzuführen sind. Derjenige Schade ist nach § 833 zu ersetzen, den das Tier aus eigenem Antriebe verursacht. Aus eigenem Antriebe schädigt das Tier nicht, wenn es lediglich dem Willen des Menschen folgt. Schon für das französische Recht hatte das Reichsgericht, II. Zivilsenat, in einem Urteile vom 11. Januar 1889, Rep. II 271/88, ausgeführt: „Der Art. 1385 Code civil setzt eine eigene, aus der Selbstbestimmung des lebenden Wesens hervorgegangene Tätigkeit v o r a u s . . . Im vorliegenden Falle sind nach der tatsächlichen Feststellung die Pferde der Lenkung des Wagenführers gefolgt; sie waren also nur Werkzeug in dessen Hand und i h r e T ä t i g k e i t war n i c h t s anderes als die g e w o l l t e Handlung des F ü h r e r s s e l b s t . " In gleichem Sinne hat sich für das neue Recht

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das Reichsgericht, VI. Zivilsenat, in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen, so in den erwähnten Urteilen vom 6. Februar 1902 und 26. Februar 1903 (Entsch. Bd. 50 S. 180 und Bd. 54 S. 74), ferner in den Urteilen vom 20. Februar 1902 (Entsch. Bd. 50 S. 221), 14. Mai 1903 (G r u c h o t's Beitr. 1903 S. 948), 30. Januar 1905 (Entsch. Bd. 60 S. 69), 30. März 1905 (Jurist. Wochenschr. S. 318 Nr. 5), 8. Mai 1905 (Jurist. Wochenschr. S. 392 Nr. 10), 2. Oktober 1905 (Entsch. Bd. 61 S. 317). Von diesen Grundsätzen abzugehen, besteht kein Anlaß. Da der der Klägerin verursachte Schade mit der Tiergefahr, gegen die § 833 Schutz gewährt, nicht im Zusammenhang steht, vielmehr lediglich auf die Handlung des Wagenführers zurückzuführen ist, so steht der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch nach § 833 zu." . . . RGZ. 65, 290 Haftet ein Lehrer als aufsichtspflichtige Person nach § 832 BGB. für Handlangen von Schülern? and unter welchen Umständen? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Stettin.

Urt. v. 14. März 1907. II. Oberlandesgericht daselbst.

Aus den G r ü n d e n : ,,Der Kläger fordert von dem Beklagten Ersatz des Schadens, den er dadurch als Neunjähriger an seiner künftigen Erwerbsfähigkeit erlitten hat, daß am 25. Juni 1904 der Knabe H. St. bei einem Schulfest der J.'er öffentlichen Schule mit einem Pustrohr schießend ihn ins rechte Auge getroffen und dadurch die völlige Erblindung dieses Auges herbeigeführt hat, und zwar will er den Beklagten verurteilt wissen, ihm später eine jährliche Rente . . . zu zahlen. Der Beklagte ist hierfür dem Grunde nach gemäß § 832 Abs. 1 BGB. für haftbar erklärt worden, weil er als Lehrer der betreffenden Klasse gesetzlich zur Führung der Aufsicht über den H. St. bei dem Schulfeste verpflichtet gewesen sei und den ihm im Gesetze nachgelassenen Entlaatungsbeweis nicht erbracht habe. . . . In materieller Beziehung handelt es sich vor allem darum, ob einem öffentlichen Lehrer in der Provinz Pommern im Sinne des §832 Abs. 1 ZPO. „kraft Gesetzes" die Pflicht obliegt, die Schüler, in deren Ansehung er nach der augenblicklichen Sachlage die Schulzucht (§ 50 ALR. II. 12) auszuüben hat, während dieser Zeit zu beaufsichtigen. Dies ist (übrigens ohne besondere Beziehung gerade auf die Provinz Pommern) wohl einmal bestritten worden; vgl. N ö l d e k e , in den Beiträgen zur Erläut. des D. Rechts Bd. 41 S. 782 flg., und W i n t e r , im „Recht" von 1902 S. 39. Der Grund für diese Ansicht ist einesteils darin gefunden worden, daß die Aufsicht des

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Lehrers nicht den Zweck habe, Beschädigungen Dritter zu verhüten, sondern nur die gute Wirkung des Schulunterrichts zu sichern, anderenteils darin, daß durch k e i n G e s e t z den Lehrern diese Aufsichtspflicht auferlegt sei. Der erstere Grund ist in entsprechender Weise auch gegen die Aufsichtspflicht des L e h r h e r r n in Ansehung des Lehrlings geltend gemacht, in dieser Anwendung aber vom Reichsgerichte schon widerlegt worden laut der Entsch. in Zivils. Bd. 52 S. 71 flg.; in dieser Beziehung genügt es also, auf die dortigen Ausführungen zu verweisen. W a s aber den anderen Grund anlangt, .so kann als ein hier maßgebendes „ G e s e t z " jedenfalls die allgemeine Bestimmung des § 88 A L R . II. 10 angeführt werden, wonach jeder B e a m t e auf die pflichtmäßige Führung seines Amtes die genaueste Aufmerksamkeit zu wenden hat; im übrigen liegt es in der Natur der Sache, daß zur Ausübung der Schulzucht auch die Aufsichtsführung gehört. Die Sachlage ist hier ganz entsprechend dem Falle, wo ein Kind in die zeitweilige Obhut eines Privatlehrers gegeben ist; ein solcher würde Dritten gegebenen Falles ohne Zweifel aus § 832 A b s . 2 B G B . haften, weil nach § 157 B G B . die Aufsichtsführung nach Treu und Glauben als von ihm v e r t r a g l i c h mit übernommen gelten müßte. Vgl. übrigens v. S t a u d i n g e r (E n e 1 m a n n), Kommentar zum B G B . (2. Aufl.), Bd. 2 Abt. 2, Bern. II. 1. a (i zu § 832 S 899; O e r t m a n n , Schuldverhältnisse (2. Aufl.). Bern. I a zu § 8 3 2 S. 969 Daß aber zwischen der eigentlichen Schulzeit und einem von Schule wegen veranstalteten Schulausfluge ke:-i Unterschied zi; machen ist, versteht sich von selbst " . . . RGZ. 66, 251 Ist zum Begriffe der Tötung im Sinne des § 844 BGB. erforderlich, daß der Ersatzpflichtige den tödlichen Erfolg der Körperverletzung voraussehen konnte? VI. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t

Karlsruhe.

Urt. v

1. J u l i 1907.

II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

daselbst.

Der Ehemann und Vater der Kläger, der Maurer Wilhelm G., wurde am 15. April 1905 auf der Straße zu Bruchsal von dem Beklagten, als er dessen Sohn, der mit anderen Knaben gerauft hatte, fassen wollte, durch einen Schlag mit der Hand ins Gesicht mißhandelt. G. fiel infolgedessen zur Erde und starb an demselben Tage. Das Oberlandesgericht nahm an, daß der Beklagte sich durch den dem G. versetzten Schlag einer vorsätzlichen rechtswidrigen Körperverletzung gemäß § 223 S t G B , schuldig gemacht habe. Es wies

Unerlaubte Handlungen

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aber die auf § 844 BGB. gestützte Schadensersatzklage der Hinterbliebenen ab, weil der Beklagte den tödlichen Erfolg seines Tuns auch bei pflichtmäßiger Aufmerksamkeit und Ueberlegung nicht habe voraussehen können. Das Reichsgericht hat auf die Revision der Kläger das Berufungsurteil aufgehoben. Aus den G r ü n d e n : Der rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts, § 844 BGB. sei nur dann anwendbar, wenn der tödliche Erfolg für den Ersatzpflichtigen voraussehbar war, konnte nicht beigetreten werden. Tötung ist die Zerstörung des menschlichen Lebens, also jede Handlung, durch die der Tod eines Menschen verursacht wurde. Die Tötung im Sinne des § 844 BGB. erfordert nach der Stellung der Vorschrift im Gesetzbuch weiter, daß die Handlung eine unerlaubte war. Die Bedeutung des § 844 (wie des § 845) liegt darin, daß unter Durchbrechung der Regel, wonach nur dem durch eine unerlaubte Handlung u n m i t t e l b a r Verletzten ein Ersatzanspruch zusteht, den m i t t e l b a r geschädigten Personen, denen durch die Tötung des Unterhaltspflichtigen das Recht auf den Unterhalt entzogen wurde, ein Schadensersatzanspruch gewährt wird. Hierfür ist es gleichgültig, ob der Unterhaltspflichtige durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Tötung in dem engeren strafrechtlichen Sinne ums Leben gekommen ist, oder ob sein Tod die t a t s ä c h l i c h e Folge einer schuldhaften Verletzung seines Körpers oder seiner Gesundheit war. Wollte das Gesetz dem Begriff der Tötung jenen engeren Sinn geben, so hätte es dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen, zumal gegenüber dem in der hier erheblichen Beziehung gleichlautenden § 3 des Reichshaftpflichtgesetzes, der für eine solche Einschränkung keinen Raum läßt. Die Rechtsprechung hat denn auch den § 844 unterschiedslos stets dann angewendet, wenn der Tod durch ein als unerlaubte Handlung sich darstellendes Tun oder Unterlassen herbeigeführt war, namentlich in den Fällen der §§ 831, 832, 833 BGB., wo von einer zurechenbaren Tötung, falls nicht auch § 823 einschlug, keine Rede sein konnte. Kommt aber der Tod des Verletzten nur als F o l g e einer unerlaubten Handlung in Betracht, so greift der allgemeine Rechtssatz Platz, daß das Verschulden, d. i. das Kennen oder Kennenmüssen des rechtsverletzenden Tatbestandes (Vorsatz oder Fahrlässigkeit), sich nur auf die unerlaubte Handlung, also hier auf die Körperverletzung, aber nicht auf ihre weitere Schadenswirkung zu erstrecken braucht. Vgl. D e m b ü r g , Bürgerl. Recht Bd. 2 §§ 27, 63; C r o m e , Deutsches bürgerl. Recht Bd. 1 § 109; O e r t m a n n , Schuldverhältnisse S. 87. 90.

% Eis ist nicht einzusehen, warum die Ersatzpflicht vor dem Tode des Verletzten, weil er nicht voraussehbar war, Halt machen, dagegen andere, ebensowenig voraussehbare Folgen, wie Lähmung, Geisteskrankheit, Verlust eines wichtigen Gliedes, schwere Neurose usw., mitumfassen soll, Folgen, deren Ausgleichung, wie die gerichtliche Erfahrung lehrt, sehr häufig den Ersatzpflichtigen weit drückender belastet, als die Schadloshaltung der Hinterbliebenen. Die Anschauung des Berufungsgerichts müßte auch zu dem unannehmbaren Ergebnis führen, daß der nicht voraussehbare tödliche Erfolg einer Körperverletzung den Täter günstiger stellen würde, als der nicht voraussehbare Eintritt einer minder schweren Gesundheitsschädigung.«) Das Berufungsgericht hat sich für seine Ansicht auf die Verhandlungen der zweiten Kommission zu § 844 (Prot. Bd. 2 S. 614, 615) berufen. Allein die Wiedergabe der Verhandlungen scheint ungenau zu sein; denn sie ist widerspruchsvoll und unklar. Es war der Antrag gestellt, in § 722 des Entwurfs (844) neben der Tötung die Körperverletzung, die den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat, aufzunehmen. Die Mehrheit lehnte diesen Zusatz ab, wie es nun heißt: weil sie ihn teils für entbehrlich, teils für unzutreffend hielt. Unter „Tötung" im Sinne des Entwurfs sei jede Handlung zu verstehen, durch die der Tod eines Menschen verursacht worden »ei. Soweit bei einer sich als Tötung in diesem Sinne darstellenden Handlung auch die sonstigen Erfordernisse der Schadensersatzpflicht (Widerrechtlichkeit, Verschulden usw.) erfüllt seien, griffen die Vorschriften über die Ersatzpflicht wegen Tötung Platz. Die Unterscheidungen des Strafgesetzbuchs dürften nicht ins Bürgerliche Gesetzbuch hineingetragen werden. Hiernach werde der Richter bei einer Handlung, die unter § 226 StGB, falle, zu prüfen haben, ob eine Tötung in jenem Sinne vorliege, ob insbesondere die Herbeiführung des Todes dem Täter als Fahrlässigkeit zuzurechnen sei. Aus diesen Anführungen ist die Meinung der Mehrheit der Kommission nicht zu erkennen. Wenn j e d e — unerlaubte — Handlung, die den Tod eines Menschen verursacht hat, als Tötung anzusehen ist, und die Unterscheidungen des Strafgesetzbuchs — also wohl die strafrechtlichen Begriffe der vorsätzlichen und fahrlässigen Tötung *) Die hier v e r t r e t e n e Ansicht ist die h e r r s c h e n d e ; ebenso C o s a c k , Deutsches bürgerl. Recht Bd. 1 § 165; C r o m e , Deutsches bürgerl. Recht Bd. 1 § 109 Anm. 7, Bd. 2 § 339 Anm. 64; D e r n b u r g , Bürgerl. Recht Bd. 2 § 391 Anm. 4; E n d e m a n n , Bürgerl. Recht Bd. 1 § 129 Anm. 21, § 201 Anm. 10; E n n e c c e r u s u. L e h m a n n , Bürgerl. R e c h t (2. Aufl.) Bd. 1. S. 860 Anm. 1; G o l d m a n n u. L i l i e n t h a l , BGB. (2. Aufl.) Bd. 1 § 238, I; P l a n c k , BGB. Bd. 2 § 844 Bern. 1; O e r t m a n n . Schuldverhältnisse § 844 Bern. 5; R ü m e 1 i n , im Arch. f. d. zivilist. Praxis Bd. 90 S. 240 Hg. A. M. v. L i s z t , Deliktsobligationen S. 29; v. Staudinger, K o m m e n t a r zum BGB. Bd. 2 § 844 Bern. IV; N e u m a n n , Handausg. d. BGB. § 844 Bern. I.

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und der Körperverletzung nach § 226 S t G B . — nicht auf das Bürgerliche Gesetzbuch übertragen werden dürfen, so ist nicht verständlich, wie die Tötung im Sinne der beratenen Vorschrift dennoch die z u r e c h e n b a r e Herbeiführung des Todes zur Voraussetzung haben sollte. Wäre die Körperverletzung nach § 226 StGB, nur dann als Tötung anzusehen, wenn der Täter den tödlichen Erfolg voraussehen konnte, also im Falle der (Gesetzes-)Konkurrenz mit fahrlässiger Tötung, und würde dasselbe für jede fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge gelten, so wäre eben unter „Tötung" nicht jede Handlung, durch die der Tod eines Menschen verursacht wurde, zu verstehen, sondern gerade nur die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung nach Maßgabe der Unterscheidungen des Strafgesetzbuchs, die die Mehrheit der Kommission ausschließen wollte. Die Kommissionsverhandlungen sind daher so, wie sie veröffentlicht sind, für die gegenwärtige Streitfrage nicht verwertbar. (Vgl. auch R ü m e 1 i n , im Archiv f. d. Zivilist. Praxis Bd. 90 S. 241 flg.) Jedenfalls würde ihnen dem Wortlaute des Gesetzes gegenüber, das eine Voraussehbarkeit des tödlichen Erfolges nicht fordert, kein durchschlagendes Gewicht zukommen. Hier vollends handelt es sich nach der Feststellung des Berufungsgerichts um eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung, mithin um den schuldhaften Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . Für diesen Fall hat der erkennende Senat bc-eits in dem Urteil vom 19. November 1901 (Jurist. Wochenschr. 1902 S. 11) im Einklang mit der Rechtslehre ausgesprochen, daß es nicht darauf ankomme, ob der das Schutzgesetz Verletzende bestimmte Folgen seines Verhaltens voraussehen mußte, sondern nur darauf, ob er schuldhafter Weise das Gesetz übertreten hat." . . . RGZ. 67, 431 Kann ein Vertrag über den Ausschluß der Tierhalterhaftung nur dann festgestellt werden, wenn sich annehmen läßt, daß die Beteiligten an den Eintritt eines Tierschadens gedacht haben? B G B . §§ 833, 133, 157. IV. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t R o t t w e i l .

Urt. v. 19. März 1908. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

Stuttgart.

Die Ehefrau des Klägers erlitt am 5. Februar 1906 einen Unfall. Der Beklagte, ihr Nachbar, hatte sie zur Heimfahrt vom Markt in seinen Schlitten aufgenommen. Als der Beklagte einem anderen Gefährt vorfahren wollte, drängte das Pferd plötzlich nach der Seite, so daß der Schlitten die Straßenböschung herabfiel. Der Kläger forderte Ersatz des ihm und seiner Frau durch den Unfall erwachsenen Schadens. Das Landgericht wies die Klage ab, Z i v ü j . S . l i u ' - ! r . rfil 'I

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Schuldrecht, Besonderer Teil

weil die E h e f r a u des Klägers und der B e k l a g t e darüber einig gewesen seien, daß der Beklagte, indem er die unentgeltliche Mitfahrt gestattete, zu nichts weiterem, auch nicht zur Tragung der mit der Beförderung verbundenen Tiergefahr, verpflichtet sein solle. Auf Berufung des Klägers e r k l ä r t e das Oberlandesgericht den Klaganspruch dem G r u n d e nach für gerechtfertigt. Das Reichsgericht hat d e r Revision des Beklagten stattgegeben. Aus den G r ü n d e n : „Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf folgenden Gründen: ,,Ohne Frage ist es zulässig, die Haftung aus § 833 BGB. durch Vertrag auszuschließen; eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden; die Annahme, eine solche Vereinbarung ised getroffen worden, mag z- B. im Verhältnis zwischen Tierhalter und Trainer gerechtfertigt sein. Im vorliegenden Fall aber ist sie abzulehnen. J e d e r Vertrag, auch ein stillschweigend geschlossener, setzt Willenseinigung oder Willensübere : nstimmung der Vertragschließenden in betreff der maßgebenden Gesichtspunkte voraus; solche Willensübereinstimmung k a n n aber nur da angenommen werden, wo sich feststellen oder unterstellen läßt, die Beteiligten haben an den angeblich stillschweigend geregelten Fall gedacht und seien übereinstimmend davon ausgegangen, dieser Fall solle, wenn er eintrete, gewisse Rechtsfolgen haben (oder die gesetzlichen Rechtsfolgen n i c h t haben). G e r a d e hieran fehlt es im vorliegenden Fall völlig. Nichts spricht dafür, d a ß Beklagter oder die Frau des Klägers — oder gar beide — an die Möglichke : t gedacht haben, es könnte ein Fall des § 833. eine Verletzung der Frau des Klägers durch da- Pferd des Beklagten, eintreten. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht v ; elmehr dafür, daß kein Teil hieran gedacht hat. Ist dem aber so, so läßt sich auch nicht unterstellen, der übereinstimmende Wille der beiden Bete : ligten sei dahin gegangen, die Haftung des Beklagten für eine etwaige Verletzung der F r a u des Klägers durch das Pferd des Beklagten auszuschließen. Ob die Beteiligten eine solche Vereinbarung (ausdrücklich oder stillschweigend) getroffen hätten, wenn sie den fraglichen Fall ins Auge gefaßt hätten, ist völlig ungew'ß, übHgens rechtlich unerheblich. Eine stillschweigende Vereinbarung der Beteiligten des Inhaltes, daß eine Haftung des Beklagten aus § 833 ausgeschlossen sein solle, einen Verzicht der Frau des Klägers auf die ihr nach § 833 zustehenden Rechte anzunehmen, ist bei der gegebenen Sachlage eine reine Fiktion, die dem wahren Sachverhalte, dem wirklichen Willen der Parteien, der (soviel man sieht) in der fraglichen Richtung sich eben in keiner Weise betätigt hat, Gewalt antut. Mag auch das Ergebnis, daß in einem derartigen Falle d e r

99 Tierhalter den Verletzten zu entschädigen hat, unter Umständen unbillig und unangemessen erscheinen, so kann dies doch den Richter nicht veranlassen oder berechtigen, das Gesetz dessen klarem Inhalte zuwider umzudeuten oder ihm durch die völlig grund- und bodenlose Unterstellung eines stillschweigend abgeschlossenen Vertrages oder Verzichtes die Spitze abzubrechen. Abhilfe kann hier vielmehr nur, falls es einer solchen bedarf, durch eine entsprechende Aenderung des Gesetzes geschaffen werden." Mit Recht rügt die Revision, daß die Erwägungen des Berufungsgerichts auf Gesetzesverletzung beruhen. Der Berufungsrichter irrt, wenn er ausführt, eine Vereinbarung über den Ausschluß der Tierhalter-Haftung könne nur da angenommen werden, wo sich feststellen oder unterstellen lasse, die Beteiligten hätten an den Eintritt des Tierschadens g e d a c h t und darin übereingestimmt, daß ein solches Ereignis gewisse Rechtsfolgen haben solle. Die Auffassung des Be rufungsgerichts ist zu eng; sie wird den Vorschriften der §§ 133, 157 B G B . nicht gerecht. Bei der Auslegung von Willenserklärungen kommt es darauf, was die Beteiligten nur g e d a c h t , nicht auch kundgegeben haben, nicht an. Maßgebend ist der e r k l ä r t e Wille. Als Willenserklärung aber sind zu berücksichtigen nicht bloß die Worte, die gewechselt werden, sondern das ganze Verhalten der Beteiligten. Aus dem, was die Beteiligten ausdrücklich oder stillschweigend erklärt haben, muß unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen sie handelten, entnommen werden, was sie gewollt haben. Häufig sind die Erklärungen unvollständig, erstrecken sich insbesondere nicht auf alle Einzelheiten. Zur Ermittelung des Willens kann es genügen, wenn die leitenden Gesichtspunkte feststehen. Soweit nicht ein anderer Wille kundgegeben ist, darf angenommen werden, daß die Beteiligten die Einzelheiten so geregelt wissen wollten, wie es der allgemeinen Anschauung bei einem Verkehre zwischen billig denkenden Menschen unter den besonderen Umständen des jeweiligen Falles entspricht. Der Richter hat nicht die Aufgabe, den nicht geäußerten Willen der Beteiligten zu ergründen, sondern d e m Willen Geltung zu verschaffen, der nach Maßgabe dieser Grundsätze als erklärt anzusehen ist. Es kann zugegeben werden, daß, wenn Willenserklärungen in der bezeichneten Weise ausgelegt werden, es sich dabei nicht immer um eine Auslegung im streng wissenschaftlichen Sinne, sondern in manchen Beziehungen um eine Ergänzung des fehlenden Willens handelt; allein in diesem Sinne spricht auch das Gesetz (§ 157 BGB.) von Auslegung der Verträge (vgl. Komm.-Protok. Bd. 1 S. 625). Wenn, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, die Frau des Klägers lediglich gefragt hat: „Darf ich mitfahren?", und der Beklagte die Frage mit , , J a " beantwortete, so war die Möglichkeit gegeben, daß eine Reihe von Streitpunkten auftauchte, für die der



100 Richter die Entscheidung nur in den Umständen des Falles finden kann. Es kann in einem solchen Falle streitig werden, ob die Mitfahrt u n e n t g e l t l i c h erfolgt, ob der Fuhrbesitzer v e r p f l i c h t e t sei, den Fahrgast an das Ziel der Reise zu bringen, u. a. Daß die Fahrt unentgeltlich sei, kann in solchen Fällen aus den Umständen zu entnehmen sein, auch wenn es sich um ein Lohnfuhrwerk handelt. Nicht anders verhält es sich mit dem Ausschluß der Tierhalterhaftung. Es kann unter Umständen als selbstverständlich erscheinen, daher als stillschweigend vereinbart zu erachten sein, daß ein Fuhrbesitzer, der eine unentgeltliche Mitfahrt gestattet, von der Haftung für die b e s o n d e r e Gefahr befreit sei, welcher derjenige sich aussetzt, der seine Person dem Fuhrwerk anvertraut. Ob die Umstände eine solche Annahme rechtfertigen, das zu entscheiden ist Sache des Tatrichters. Der Berufungsrichter hat diese rechtlichen Gesichtspunkte bei seiner Entscheidung verkannt.". . . RGZ. 68, 429 1. Feststellung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 843 Abs. 3 BGB., wenn mehrere Verpflichtete au! Grund derselben unerlaubten Handlung auf Leistung von Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in Anspruch genommen werden. 2. Wie ist zu verfahren, wenn einer dieser Verpflichteten zugleich wegen Verletzung eines Vertragsverhältnisses den verlangten Schadensersatz zu leisten hat7 Zu § 251 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Köln.

Urt. v. 27. Mai 1908.

II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger erlitt im Juni 1905 bei einer Automobilfahrt, an der er sich auf Einladung des Beklagten L., des Geschäftsführers der verklagten Gesellschaft, beteiligt hatte, infolge Verschuldens des L. einen Unfall, der eine Minderung seiner Erwerbsfähigkeit zur Folge hatte. Er forderte deswegen Schadensersatz, und zwar in erster Linie in Form einer Kapitalabfindung, und stützte diesen Anspruch auf §§ 823, 843, 31 BGB., gegen die verklagte Gesellschaft außerdem auf ein Vertragsverhältnis, das durch jene Einladung und seine Teilnahme an der Fahrt zustande gekommen sei. Das Berufungsgericht erklärte den Klaganspruch in jener Form beiden Beklagten gegenüber dem Grunde nach für gerechtfertigt. Es legte unter ausführlicher Begründung dar, daß dem Beklagten L. gegenüber ein wichtiger Grund im Sinne des § 843 Abs. 3 B G B . gegeben sei, der die Zuerkennung einer Kapitalabfindung rechtfertige. Bezüglich der verklagten Gesellschaft verneinte es dies ohne Angabe

Unerlaubte Handlungen

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von Gründen, hielt aber auch ihr gegenüber den Anspruch auf Kapitalabfindung für gerechtfertigt, weil sich die schädigende Handlung des Beklagten L. im Verhältnis zwischen ihr und dem Kläger zugleich als die Verletzung eines zwischen diesen beiden geschlossenen Vertrages darstelle, vermöge dessen sie gehalten gewesen sei, dem Kläger eine gesicherte und gefahrlose Fahrt zu gewähren; bei Vertragsverletzungen sei aber Schadensersatz nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 249 flg. BGB. zu leisten, so daß der Kläger auch von ihr Abfindung in Kapital zu fordern berechtigt sei. Auf die Revision beider Beklagten ist das Berufungsurteil aufgehoben, und die Sache zurückverwiesen worden. Nachdem dargelegt worden, daß das Berufungsgericht die Haftung der beiden Bek l a g t e n für den dem Kläger entstandenen Schaden nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen mit Recht angenommen habe, daß dagegen seine weitere Annahme, es habe zwischen dem Kläger und der verklagten Gesellschaft ein Vertragsverhältnis bestanden, nach den bisher getroffenen Feststellungen rechtsirrig sei, heißt es in den Gründen: . . . „Es k a n n . . . auch nicht gebilligt werden, daß das Berufungsgericht die Frage, auf welche Weise der Schadensersatz wegen Aufhebung oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf Grund der Vorschriften über unerlaubte Handlungen von beiden Beklagten, die insoweit in einem Gesamtschuldverhältnis im engeren Sinne zueinander stehen, zu leisten ist, ob in Form einer Geldrente, oder in der einer Kapitalentschädigung, für jeden der beiden Beklagten besonders geprüft und b e a n t w o r t e t hat. Werden mehrere Verpflichtete auf Grund derselben unerlaubten Handlung auf Leistung von Schadensersatz wegen Aufhebung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit in Anspruch genommen, so kann die Frage, auf welche Weise Schadensersatz zu leisten ist, nur einheitlich den sämtlichen Verpflichteten gegenüber beantwortet werden, und es ist diejenige Form zu wählen, die sich aus d e n Verhältnisssn des Berechtigten und der sämtlichen Verpflichteten als die geeignete ergibt. Nach der Gesamtheit der hiernach zu ermittelnden Umstände ist zu beurteilen, ob ein wichtiger Grund für die Gewährung einer Kapitalabfindung im Sinne von § 843 Abs. 3 BGB. ü b e r h a u p t vorliegt. An einer solchen einheitlichen Beurteilung dieser Frage hat es das Berufungsgericht vollständig fehlen lassen, und deshalb kann das angefochtene Urteil nicht aufrecht erhalten werden. Es ist allerdings richtig, daß, wenn der eine der auf Grund der unerlaubten Handlung zum Schadensersatz Verpflichteten den verlangten Schadensersatz zugleich wegen Verletzung seiner Vertragspflichten zu leisten hat — was im vorliegenden Falle nach dem vom

102 Berufungsgerichte nicht gewürdigten Vorbringen des Klägers nicht ausgeschlossen ist —, ihm gegenüber auch die Vorschriften in den §§ 249 flg. B G B . in Betracht zu kommen haben, und daß der Richter dies bei Beantwortung jener Frage mitzuberücksichtigen hat. Das Berufungsgericht hat sich hierbei aber von einer rechtsirr'gen Auffassung dieser Vorschriften leiten lassen, indem es annimmt, daß der Richter bei Anwendung der Vorschrift in § 251 unter allen Umständen verpflichtet sei, dem Berechtigten eine Kapitalabfindung zuzusprechen. Der Ersatzpflichtige hat den Gläubiger „in Geld" zu entschädigen. Der Richter ist daher berechtigt, ohne an die für die Fälle des § 843 aufgestellte Voraussetzung gebunden zu sein, nach freiem Ermessen auf eine Kapitalabfindung zu erkennen. Er ist dazu aber nicht verpflichtet; denn eine G e l d r e n t e ist ebenfalls eine Entschädigung in Geld, und er ist zur Wahl dieser Entschädigungsform jedenfalls berechtigt, wenn er nach Beurteilung aller Umstände des zur Entscheidung stehenden Falles zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine Geldrente genügt oder gerade gee : gnet ist, den durch die Aufhebung oder die Verminderung der Erwerbsfähigkeit herbeigeführten Schaden zu ersetzen." . . . RGZ. 69, 422 1. Steht dem aas §§ 426 Abs. 1, 830 und § 840 Abs. 1 BGB. erhobenen Ausgleichungsanspruche der Umstand entgegen, daß in einem Vorprozesse die Klage des Verletzten gegen den jetzt als Gesamtschuldner auf Ausgleichung Belangten rechtskräftig abgewiesen worden ist? 2. Unterliegt der vorerwähnte Ausgleichungsanspruch der kurzen Verjährung nach § 852 BGB.? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Traunstein.

Urt. v. 16. November 1908. II. Oberlandescsei daher nichtig. Sie b e a n t r a g t e mit der Klage, festzustellen, daß dem B e k l a g t e n gegen sie eine Forderung aus dem Schuldbekenntnisse vom 24. J u n i 1908 nicht zustände. D e r B e k l a g t e beantragte die Abweisung der Klage und erhob W i d e r k l a g e mit dem Antrage, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 5981,70 M. zu zahlen. Das Landgericht e r k a n n t e unter Abweisung der W i d e r k l a g e entsprechend dem Klageintrage. Auf die Berufung des B e k l a g t e n wies das Kammergericht die K l a g e ab und verurteilte nach dem Antrage der Widerklage. Diese Entscheidung wurde auf Revision der Klägerin aufgehoben und die S a c h e an die Vorinstanz zurückverwiesen. Aus den

Gründen:

. . . „Der Berufungsrichter prüft das Verhalten des B e k l a g t e n bei Erlangung des Zahlungsversprechens vom 24. J u n i 1908 aus dem Gesichtspunkte des § 826 B G B . und kommt zu dem Ergebnis, ein Verstoß gegen die guten S i t t e n liege nicht vor, weil sich der B e k l a g t e erst nach dem Zustandekommen des Vergleichs Zahlung des R e s t e s seiner Forderung habe versprechen lassen und ihm dabei eine Täuschung der Gläubiger nicht zur L a s t falle. Diese Begründung wird dem Sachverhalte nicht in ausreichender Weise gerecht. Nachdem der Beklagte den Vergleich vom 11. J u n i 1908, dessen Ernstlichkedt nicht bestritten ist, geschlossen und zum Ausgleich seiner sämtlichen durch die Zahlung der 60 v. H. nicht getilgten Restforderungen die Quittung vom 18. J u n i 1908 ausgestellt hatte, standen ihm irgendwelche Forderungen gegen die Klägerin nicht mehr zu, auch dann nicht, wenn er, wie er behauptet, als Treuhänder der Gläubiger eine so umfangreiche Tätigkeit ausgeübt hätte, daß er hierfür den Rest seiner Forderungen als Entgelt h ä t t e verlangen können. Daß ihm ein solches Entgelt neben den zu zahlenden 60 v. H. vor und bei dem Abschlüsse des Vergleichs von allen Beteiligten versprochen worden wäre, hat der Beklagte selbst nicht behauptet. Wenn er sich nun kurze Zeit nach Ausstellung der dem Vergleich entsprechenden Ausgleichsquittung und noch bevor, wie die Klägerin behauptet, sämtliche Gläubiger diie versprochenen 6 0 v. H. gezahlt erhalten hatten, entgegen den Bestimmungen des Vergleichs und ohne Zuziehung der mit ihren 60 v. H. noch nicht befriedigten Gläubiger, die Zahlung

Unerlaubte

Handlungen

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des Restes «einer Forderung, sei es unentgeltlich, sei es entgeltlich, von der notleidenden Klägerin versprechen ließ, so kann den Umständen nach sehr wohl angenommen werden, daß der Beklagte hierdurch gegen die guten Sitten verstoßen hat. Ganz besonders fällt dabei, was der Berufungsrichter außer acht gelassen hat, der Umstand ins Gewicht, daß zur Zeit der Ausstellung des Schuldversprechens der Beklagte noch Treuhänder der Gläubiger, also verpflichtet war, deren Interessen zu schützen. Das Amt des Treuhänders hatte noch nicht aufgehört, denn noch waren nicht alle Gläubiger dem Vergleich entsprechend befriedigt, und der Beklagte war noch im Besitze des Hypothekenbriefs, den die Klägerin zur Durchführung des Vergleichs verwerten wollte, sowie unstreitig auch im Besitz eines anderen Hypothekenbriefs über 80 000 M., der zur Sicherheit der Gläubiger wegen ihrer Ansprüche aus dem Vergleiche dienen sollte. Unter Berücksichtigung der gesamten Sachlage wird der Berufungsrichter, nach erneuter Verhandlung der Sache, zu prüfen haben, ob hiernach der Beklagte nicht sittenwidrig gehandelt hat, wenn er nach Abgeltung aller seiner Ansprüche sich die Zahlung eines erheblichen Geldbetrags ohne Wissen der noch nicht befriedigten Gläubiger versprechen ließ und dadurch für die Klägerin die Möglichkeit erschwerte, allen am Vergleiche beteiligten Gläubigern die versprochene Zahlung zu leisten. Endlich hat der Berufungsrichter auch die Behauptung der Klägerin nicht genügend berücksichtigt, daß der Beklagte sie durch eine unerlaubte Handlung, nämlich widerrechtlich durch Drohung, zur Abgabe des Schuldversprechens bestimmt habe. Der Berufungsrichter verneint die Möglichkeit, diese Drohung zugunsten der Klägerin zu verwerten deshalb, weil die für die Anfechtung wegen Drohung im § 124 B G B . vorgeschriebene Jahresfrist bei der Klagezustellung schon abgelaufen war. Es ist auch richtig, daß durch den Fristablauf für die Klägerin die Möglichkeit erloschen war, die Nichtigkeit des Abkommens vom 24. Juni 1908 wegen Drohung herbeizuführen (§ 142 BGB.) und damit dessen Rechtserfolg absolut und in einer auch Dritten gegenüber wirksamen Weise zu beseitigen. Damit entfällt aber für die Klägerin noch nicht die Befugnis, die infolge der Drohung ihr zustehenden bloß obligatorischen Rechte gegen denjenigen, welcher durch die Drohung ihr gegenüber eine unerlaubte Handlung begangen hat, nach den Vorschriften des Buch II Tit. 25 B G B . geltend zu machen. Hat der Beklagte durch diese unerlaubte Handlung sittenwidrig gehandelt, so kann die Klägerin nach § 826 Schadensersatz, also Beseitigung des Schuldversprechens in seiner Wirkung gegenüber dem Beklagten verlangen (§ 249 BGB.). Außerdem würde der Geltendmachung der Forderung aus der Schuldurkunde die Vorschrift des § 853 B G B . entgegenstehen, wonach der Verletzte, gegen den jemand durch eine unerlaubte Handlung eine Forderung erlangt hat, / ¡ t i l i . Sdiuldrrcht 1

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die Erfüllung „auch dann" verweigern kann, wenn der Anspruch auf Aufhebung der Forderung verjährt ist. In dieser Vorschrift ist mit Notwendigkeit einbegriffen, daß die Weigerung, eine in der bezeichneten Art entstandene Forderung zu erfüllen, auch ungeachtet des Umstandeis berechtigt bleibt, daß die Frist zur Anfechtung der Willenserklärung, auf der die Forderung beruht, verstrichen ist." RGZ, 82, 112 Ist $ 833 Satz 2 BGB. anwendbar, wenn ein Schade durch eis Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht ist? Kraftfahrzeuggesetz vom 3. Mai 1909 § 17. BGB. § 833. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 31. März 1913. I. Landgericht Oels.

II. Oberlandesgericht Breslau.

Die Kläger sind die Erben des am 8. Februar 1912 verstorbenen Gastwirts Adolf E. in K. Dieser hat die Beklagten wegen eines am 3. Januar 1910 durch ein Kraftfahrzeug erlittenen Unialls als Gesamtschuldner auf Zahlung von 296,30 M. sowie auf Ersatz seines weiteren Schadens verklagt. Das Landgericht erklärte diesen Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt, und die Berufung der Beklagten wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der bezifferte Anspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt und die Beklagten weiter als Gesamtschuldner verurteilt wurden, dem Kläger den durch den Unfall entstandenen und noch entstehenden Erwerbsschaden zu ersetzen. Nachdem dieses Erkenntnis durch Urteil des Reichsgerichts aufgehoben war und die Erben E.'s das Verfahren aufgenommen hatten, erkannte das Oberlandesgericht wiederum in gleicher Weise. Die von den Beklagten erneut eingelegte Revision blieb erfolglos. Aus den G r ü n d e n : Das frühere Urteil des Oberlandesgerichts wurde vom Reichsgericht aufgehoben, weil § 17 des Gesetzes über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 unbeachtet geblieben war. Nach den damaligen, vom Berufungsgericht in seinem jetzt angefochtenen Urteil aufrecht erhaltenen Feststellungen fuhr E. auf der rechten Seite der Chaussee, so daß ihm das von dem Beklagten Schei. geführte Automobil des Beklagten Schoe. auszuweichen hatte. Schei. behielt aber seine Fahrtrichtung bei, bis er sich dem Wagen des E. auf 10 bis 15 Meter genähert hatte und dessen Pferd, das schon vorher Zeichen von Unruhe gegeben hatte, kurz Kehrt machte und

179 durchging. In diesem Verhalten des Schei. hatte das Berufungsgericht mit Recht eine Fahrlässigkeit gefunden, dabei aber nicht erwogen, daß es zu einer körperlichen Verletzung des E. nicht unmittelbar durch das Automobil, sondern nur dadurch gekommen ist, daß das Pferd aus Schrecken durchging und E. hierbei aus dem Wagen geschleudert wurde, der Schaden somit auch durch das Verhalten des Pferdes verursacht worden war. Ueber das Verhältnis dieser beiden Ursachen zueinander hat sich das Berufungsgericht in dem jetzt angefochtenen Urteil ausgesprochen und festgestellt, daß die durch die große Annäherung des Automobils in der Fahrtrichtung des E. geschaffene Lage auch auf ein ruhiges Pferd erfahrungsgemäß mit solcher Gewalt einwirke, daß es aus Furcht, angerannt zu werden, unwillkürlich Kehrt mache und durchgehe. Damit ist noch keine unwiderstehliche, ein willkürliches Tun des Pferdes überhaupt ausschließende Gewalt festgestellt (vgl. RGRKam. Anm. 2 zu § 833 BGB.), sondern ein seiner Natur entsprechendes Verhalten, das gegenüber der andern Ursache des Unfalls, dem Verhalten des Schei., abzuwägen war. Wenn das Berufungsgericht hierbei zu dem Ergebnis kommt, daß der Kraftwagen ganz überwiegend die Ursache des Unfalls gewesen sei, so liegt darin weder ein Verstoß gegen § 565 ZPO. noch überhaupt ein Rechtsirrtum. Ob die Beklagten bereits auf Grund dieser Erwägung zum Ersätze des gesamten Schadens innerhalb der gesetzlichen Grenzen ange halten werden können (vgl. I s a a c , Anm. III 3 zu § 17 KFG.), darf auf sich beruhen bleiben, weil die Entscheidung des Vorderrichters durch seine ferneren Darlegungen getragen wird. Er stellt fest, daß das Pierd ein ruhiges, zehn Jahre altes Tier war, das E. schon sechs Jahre in Gebrauch hatte, und das an sich vor Kraftwagen nicht scheute. Es war bestimmt, der Erwerhstätigkeit des E. zu dienen. Dieser hatte das Pferd ordnungsgemäß angeschirrt und eingespannt und war rechtzeitig nach rechts ausgewichen. Er fuhr vom Kutschersitz aus; daß er nicht abstieg, als das Pferd unruhig wurde, entsprach, wie der Vorderrichter aus eigener Sachkunde feststellt, den Regeln der Fahrkunst. Auch darin sei kein Verschulden zu finden, daß er dem Schei. kein Zeichen zum Ausweichen gab, als das Pferd in einer Entfernung von etwa 120 Meter von dem Kraftwagen die Ohrer; spitzte; denn einmal liege hierin noch kein Anzeichen einer Gefahr, und weiter habe er nicht voraussetzen können, daß das Automobil nicht rechtzeitig ausweichen werde. Bei einer solchen Sachlage konnte das Berufungsgericht, entsprechend der in dem Urteile des Reichsgerichts vom 13. Juni 1912 gegebenen Anregung, ohne Rechtsirrtum den § 833 Satz 2 BGB. anwenden und jede Haftbarkeit des E. ablehnen.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Von der Revision wird die Anwendbarkeit des § 833 Satz 2 BGB. in den Fällen des § 17 Abs. 2 K F G . grundsätzlich beanstandet. § 17 spreche nur von der Verursachung des Schadens, die besondere Entlastung, die § 833 Satz 2 dem Besitzer eines Haustieres gewähre, komme hier nicht in Betracht. Wäre das beabsichtigt gewesen, so hätte es nach Ansicht der Revision nahe gelegen, einen ausdrück liehen Hinweis auf § 833 Satz 2 in das Kraftfahrzeuggesetz aufzunehmen. Diesen Ausführungen konnte nicht zugestimmt werden. § 17 regelt zunächst in Abs. 1 Satz 1 die Schadensausgleichung zwischen mehreren Fahrzeughaltern dahin, daß es auf die Umstände ankommen soll, inisbesondere darauf, inwieweit der Schade vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist. Damit aber diese Vorschrift überhaupt zur Anwendung gelangen kann, müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein, einmal müssen mehrere Kraftfahrzeuge einen Schaden verursacht haben, sodann müssen die beteiligten Fahrzeughalter auch kraft Gesetzes einem Dritten zum Schadensersatze verpflichtet sein. Fehlt es an dieser Verpflichtung aus irgendeinem Grunde, so ist der § 17 trotz gemeinsamer Verursachung nicht anwendbar. Durch Abs. 1 Satz 2 werden diese Grundsätze auf den Fall übertragen, daß der Schade nicht einem Dritten, sondern einem der beteiligten Fahrzeughalter selbst entstanden ist, und nach Abs. 2 soll der Abs. 1 entsprechend gelten, wenn ein Schade durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht wurde. Es wird also nicht nur der von dem Grade der Verursachung abhängige Verteilungsmaßstab auf die in Abs. 2 aufgeführten Fälle übertragen, sondern alle Vorschriften des ersten Absatzes sollen entsprechend in den Fällen des Abs. 2 gelten, auch die, von denen die Anwendbarkeit des § 17 überhaupt abhängt. Wäre § 17 nicht in das Kraftfahrzeuggesetz aufgenommen, so würde die Rechtslage bei einer durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursachten Beschädigung die sein, daß dann, wenn der Fahrzeughalter und Tierhalter nebeneinander einem Dritten haften, ersterer gemäß § 840 Abs. 3 BGB. im Verhältnis zu dem Tierhalter allein verpflichtet wäre. Diese Regel wird durch § 17 für den Anwendungsbereich des Kraftfahrzeuggesetzes beseitigt. An den Voraussetzungen der Haftpflicht wird dagegen nichts geändert und ebensowenig ein Ausgleichsanspruch gegen eine dem Verletzten nicht haftende Person geschaffen. Insoweit aber der Tierhalter in bezug auf die Anwendbarkeit des § 17 ausscheidet, wenn ein Dritter der Beschädigte ist, kann er auch nicht in Betracht kommen, wenn er selbst der Verletzte ist. Weswegen bei Prüfung der Haftbarkeit des Tierhalters nicht auch Satz 2 des § 833 BGB. zu berücksichtigen sein soll, ist um so weniger abzusehen, als bei Erlaß des Kraftfahrzeuggesetzes der durch das Nach-

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Unerlaubte Handlungen

tragsgesetz vom 30. Mai 1908 geschaffene Satz 2 des § 833 bereits in Geltung war. Die tatsächlichen Voraussetzungen des § 833 Satz 2 BGB. hat das Berufungsgericht ausreichend festgestellt." . . . RGZ. 82, 2061 1. . . .*) 2. Sind die §§ 306, 309 StGB. (Brandstiftung) als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. zugunsten des Baulastpllichtigen hinsichtlich einer abgebrannten Kirche anzusehen? 3. Hat der Baulastpflichtige, der die abgebrannte Kirche wiederhergestellt hat, einen Anspruch aus auftragloser Geschäftsführung oder aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den dem Eigentümer zum Schadensersatze verpflichteten Schädiger? 4. Voraussetzungen der Haftung aus § 831 BGB. Was ist unter der „Leitung der Verrichtung" in § 831 Abs. 1 Satz 2 zu verstehen? 5. Verschulden im Sinne der §§ 823 Abs. 1, 254, 276 BGB. durch Nichtzuziehung eines Fachmanns. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hanau.

Urt. v. 26. April 1913. II. Oberlandesgericht

Kassel

Im Juni 1905 fand in F. eine Bonifatius-Jubelfeier statt. Für diese beschloß der Festausschuß, dem der Beklagte M. angehörte, eine Beleuchtung des Domes von außen und von innen durch bengalische Feuer und durch Lämpchen, sowie das Abbrennen eines Feuerwerks, bestehend aus Raketen und Leuchtkugeln, die um den Dom herum von unten nach oben aufsteigen, und aus elektrischen Wasserfällen, die aus den Kirchturmfenstern wie aus den Kirchtunnluken herabfallen sollten. Das Programm für die Beleuchtung und das Feuerwerk hatte der Beklagte Drogist P. aufgestellt, dem daraufhin der Beklagte M. namens des Festausschusses den Auftrag zur Ausführung erteilte. Während des Abbrennens der elektrischen Wasserfälle (römische Lichter) brach zuerst in der Holzlaterne des Südturmes des Domes, danach auch im Nordturme Feuer aus, das anscheinend, ohne größeren Schaden anzurichten, gelöscht war, nach 1 Vs bis 2 Stunden im Nordturme aber von neuem hervorbrach und nun den ganzen Turmhelm sowie das Balkenwerk in den Steinlaternen verzehrte, auch die Glocken des Turmes zum Schmelzen brachte. Der klagende Fiskus hat die Arbeiten zur Aufräumung und zur zunächst vorläufigen Wiederherstellung der beschädigten Bauteile ausführen lassen. Gestützt auf die Baulast, die ihm hinsichtlich des Domes obliege, sowie auf Abtretungsurkunden des bischöflichen Stuhles als des Eigentümers des Domes klagte er gegen die beiden *) Geringere Bedeutung.

182 Beklagten, auf deren Verschulden er die Verursachung des Brandes zurückführt, auf Ersatz seiner Aufwendungen. Die die Beklagten nach dem Klag eintrage verurteilende Entscheidung des Oberlandesgerichts wurde aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen aus folgenden Gründen: In der Sache selbst ergeben sich für die neue Verhandlung vor dem Berufungsgerichte aus der Prüfung des Rechtsstoffs folgende Richtlinien: 1. Das Berufungsgericht verneint in der Sache, daß dem Kläger, als dem Träger der Kirchenbaulast . . . , ein Anspruch aus eigenem Rechte gegen die Beklagten aus unerlaubter Handlung wegen der fahrlässigen Verursachung des Schadenfeuers zustehe, soweit dieser Anspruch auf § 823 Abs. 1 BGB. gestützt wird. Durch § 823 Abs. 1 werde das Eigentum oder ein sonstiges Recht geschützt. Der Kläger sei aber nicht Eigentümer der beschädigten Kirche, noch Träger eines Rechtes an dieser, sondern nur Träger einer Pflicht. Dem ist beizustimmen. Dagegen nimmt nun das Berufungsgericht an, daß die Schutzgesetze, die das Strafgesetzbuch in den §§ 306 und 309 über die Brandstiftung aufrichte, auch den Schutz des baulastpflichtigen Klägers umfassen, so daß ein eigenes Recht des Klägers, von den Beklagten Ersatz des Schadens zu verlangen, durch § 823 Abs. 2 BGB. begründet sei. Diese Annahme muß rechtlichen Bedenken unterliegen. Auch der Schadensersatzanspruch des § 823 Abs, 2 BGB. steht nur dem unmittelbar durch die Verletzung des Schutzgesetzes Beschädigten zu; als Beschädigter kommt nur derjenige in Betracht, zu dessen Schutze das Gesetz erlassen ist (Entsch. des RG.'s in Zivils. Bd. 73 S. 30; Warn. Rechtspr. 1911 Nr. 372). Wer diese Person ist, ist aus dem Inhalte des Schutzgesetzes, den Verhältnissen, die es regeln will, den Zielen, die es verfolgt, zu entnehmen (vgl. die eratangezogene Entscheidung S. 32). Die Bestimmungen des § 306 StGB., der die Norm für die vorsätzliche Brandstiftung enthält, und de:s § 309 ebenda, der die fahrlässige Brandstiftung behandelt, lassen nur als geschützt erkennen einmal die Eigentümer oder sonstigen dinglich Berechtigten an den Gebäuden und den darin befindlichen Eigentumsgegenständen und ferner die Menschen, die sich in den zu gottesdienstlichen Versammlungen bestimmten oder zur Wohnung von Menschen dienenden Gebäuden aufhalten; sie wollen Beschädigungen von Menschen und ihrem Eigentum, außerdem in dem Schutze gottesdienstlicher Gebäude auch die Ordnung der Religionsübunenso vorhanden, wenn die Schadensersatzverpflichtung der Be-

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klagten mit der Beschädigung des Eigentums des bischöflichen Stuhles an dem Domgebäude, also aus § 823 Abs. 1 begründet wird. . . . 4. Die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten M. hat das Berufungsgericht aus § 831 Abs. 2 BGB. ableiten zu können geglaubt. Es hat angenommen, daß der Beklagte P. dem vom Bischof eingesetzten Festausschusse gegenüber vertraglich die Ausführung des Feuerwerks, der Beklagte M. ebenso vertraglich die Leitung der Ausführung der dem P. übertragenen Verrichtung übernommen habe, und es bringt die nach seiner Annahme von M. übernommene Tätigkeit unter den rechtlichen Gesichtspunkt des § 831 BGB. Diese Annahme unterliegt nach Maßgabe der festgestellten Tatsachen und in Ansehung der rechtlichen Stellung der verschiedenen Beteiligten zueinander erheblichen rechtlichen Bedenken. Die Bestimmung des § 831 Abs. 1 BGB. läßt den Geschäftsherrn für einen Schaden haften, den eine von ihm zur Ausführung einer Verrichtung bestellte Person bei dieser Verrichtung widerrechtlich einem Dritten zufügt, sofern er nicht den Nachweis erbringt, daß er bei der Auswahl der bestellten Person, bei der Beschaffung der für die Verrichtung etwa erforderlichen Vorrichtungen oder Gerätschaften oder bei der etwa erforderlichen Leitung der Verrichtung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe. Neben diese Ersatzpflicht des Geschäftsherrn tritt nach Abs. 2 des § 831 die Ersatzpflicht einer Person, die durch Vertrag die Besorgung eines dieser Geschäfte, also die Auswahl der zur Verrichtung bestellten Hilfsperson oder die Beschaffung der Vorrichtungen und Gerätschaften oder die Leitung der Verrichtung für den Geschäftsherrn übernommen hat. Die Bestimmung erfordert nicht schlechthin, daß der Vertrag zwischen dem Uebernehmer dieser Geschäfte und dem Geschäftsherrn geschlossen werde (vgl. RGRKomm. z. BGB. § 831 A. 9); wohl aber muß die Besorgung für den Geschäftsherrn übernommen sein. Die Person, für die durch Vertrag die Besorgung der Geschäfte der Personenauswahl, der Beschaffung der Vorrichtungen und Gerätschaften oder die Leitung der Verrichtung übernommen wird, muß hiernach immer der aus der rechtswidrigen Handlung der von ihm mit einer Verrichtung betrauten Person Schadensersatzpflichtige sein. Der Geschäftsherr des Beklagten M., für den er die Leitung der Verrichtung des P. übernommen haben soll, der bischöfliche Stuhl . .., ist aber der Eigentümer des beschädigten Domes, also der Beschädigte selbst, an dessen Stelle nur nach der Rechts einsieht des Berufungsgerichts der Kläger in Ansehung seiner Baulastverpflichtung getreten ist. Noch ein weiterer Grund läßt die Anwendung des § 831 Abs. 2 BGB. auf die Tätigkeit des Beklagten M. rechtsirrig erscheinen. Die ,,Leitung der Verrichtung", die § 831 im Auge hat, ist nicht die Betätigung einer allgemeinen Aufsicht über den Angestellten und

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dessen Verrichtungen, sondern eine durch die besondere Natur der Verrichtung oder durch die besonderen Eigenschaften der dazu bestellten Person bedingte Sonderaufsicht der Einzelverrichtung, Entsch des RG.'s in Zivils. Bd. 53 S. 53, 123, 276; Jur. Wochenschr. 1903 Beil. Nr. 21 und 294, 1904 S. 165 Nr. 3, 1907 S. 649 Nr. 9, 1909 S. 659 Nr. 18, 1913 S. 203 Nr. 15; Warn. Rechtspr. 1910 Nr. 19, 1911 Nr. 28. Die Verrichtung, die der Beklagte P. übernommen hatte, war die technische Ausführung des Feuerwerks; eine Leitung seiner Verrichtung im Sinne des § 831 BGB. könnte hiernach nur als fachmännische Oberleitung der Veranstaltung gedacht werden, die bei technischen Dingen ein überlegenes Verständnis des Leiters als gedacht voraussetzt. Wenn jedoch der Drogist P. als genügend fachverständig für die pyrotechnische Ausführung des beschlossenen Feuerwerks erachtet wurde, so fehlt es — auch nach den Feststellungen de« Berufungsgerichts — an jeder tatsächlichen Unterlage dafür, daß der Festausschuß daran gedacht hätte, den Beklagten M. als fachmännische Aufsichtsperson und damit als Leiter der Verrichtung des P. im Sinne des § 831 BGB. zu bestellen. Ein solches Amt würde M. kaum zu übernehmen bereit gewesen sein, und die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts lassen auf seine Uebernahme ebenfalls nicht schließen. Die von dem Berufungsgerichte für seine Rechtsauffassung verwerteten Aeußerungen des Beklagten M. in der Strafsache sind von dem Zugeständnis der Annahme einer Leitungspflicht in diesem Sinne weit entfernt. Wenn M. dort erklärt hat, daß er die Sache, nämlich das Feuerwerk, zur Ausführung übernommen und daß er mit der Ausführung beauftragt worden sei, so ist damit die Aufstellung und Verwirklichung des Festprogramms in bezug auf das Feuerwerk und die Bestellung der dazu erforderlichen Arbeiten und Personen gemeint, nicht aber eine Leitung der Verrichtung des Feuerwerkers und eine Ueberwachung seiner besonderen Tätigkeit. Damit entfällt die Anwendbarkeit des § 831 Abs. 2 BGB. auf die Tätigkeit des Beklagten M.; nur eine Anwendung des § 823 in Verbindung mit § 276 BGB. kann in Frage kommen. Eine Entlastungspflicht des genannten Beklagten nach Maßgabe des § 831 besteht nicht, ein Fahrlässigkeitsverschulden in Beziehung auf das Feuerwerk und als Ursache des entstandenen Schadenfeuers muß ihm nachgewiesen werden. 5. Gegen die Annahme, daß der Beklagte M. eine gewisse Tätigkeit bei der Veranstaltung des Feuerwerks und damit auch eine entsprechende Sorgfaltsverpflichtung übernommen hatte, ergeben sich keine rechtlichen Bedenken. War ihm in dem unter 4 erörterten Sinne die Sorge für die Ausführung des Feuerwerks aufgetragen

Unerlaubte Handlungen

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worden, so hatte er auch die Leute zu bestellen, denen die Sicherheitsvorkehrungen und deren Ueberwachung oblagen; nur lag es nicht in seiner Aufgabe, diese Maßregeln selbst in Person zu überwachen. Wenn der Beklagte M. dem Beklagten P. die bestimmte Weisung erteilte, mit dem Feuerwerk keinesfalls über die Steinteile der Domlürme hinauszugehen, und wenn er vertrauen durfte, daß P. vernünftigerweise dieser einleuchtenden Weisung Folge leisten werde, dann hatte er die seinem allgemeinen Auftrag entsprechenden Sorgfaltspflichten erfüllt, solange ihm nicht nachgewiesen wird, daß er dennoch vor der Abbrennung des Feuerwerks von Sachwidrigkeiten des P. Kenntnis erhalten oder selbst Wahrnehmungen gemacht hatte, die ein Einschreiten seinerseits veranlassen mußten. Mit Recht beschwert sich die Revision des Beklagten M. darüber, daß das Berufungsgericht seinem Beweisantrag, er habe den Feuerwehrkommandanten S. zur Sicherheitsüberwachung des Feuerwerks bestellt und dieser habe den Auftrag auch angenommen, nicht entsprochen habe. Mit jener Weisung an P. und mit diesem Auftrag an den Feuerwehrkommandanten, dem zugetraut werden durfte, daß er die geeigneten Vorkehrungen gegen «ine Feuersgefahr zu beurteilen und anzuordnen wissen werde, würde M. zunächst seiner Sorgfaltspflicht entsprochen haben, soweit nicht, wie erörtert, von ihm wahrgenommene oder ihm zur Kenntnis gekommene Ordnungswidrigkeiten ein Einschreiten erforderten. 6. Die Annahme eines Fahrlässigkeitsverschuldens des Beklagten P. ist nach den gegenwärtigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden. Er hatte sich selbst für genügend sachverständig erachtet, um sich dem Festausschusse für die technische Ausführung des beabsichtigten Feuerwerks zur Verfügung zu stellen. Als Drogist besaß er jedenfalls soviel Kenntnis der stofflichen Zusammensetzung und Eigenschaften von Feuerwerkskörpern, daß er deren Gefährlichkeit zu beurteilen vermochte. Er war, soweit er eigener Fachkenntnis entbehrte, in der Lage und demgemäß auch verpflichtet, sich bei der Handlung, von der er die Feuerwerkskörper bezog, über deren besondere Eigenschaften und Wirkungen zu unterrichten. Selbst wenn M. ihm nicht die Weisung erteilt hätte, keinesfalls über die Steinteile der Domtürme hinauszugehen, erforderte es die übernommene Sorgfaltspflicht, daß er sich genau über die baulichen Verhältnisse der Türme vergewisserte; auf diese Notwendigkeit hatte ihn auch nach der Feststellung des Berufungsgerichts der Verkäufer der Feuerwerkskörper hingewiesen. War er selbst nicht imstande, die bauliche Untersuchung vorzunehmen, so gebot sich die Zuziehung eines Bauverständigen, eines Maurer- oder Zimmermeisters. Die Versäumungen, die das Berufungsgericht dem Beklagten P. vorwirft, stellen rechtlich unbedenklich ein Verschulden dar. Gegenüber der

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Annahme des Berufungsgerichts, daß er hinsichtlich der Entfernung der Fahnen seine Sorgfaltspflicht verletzt habe, beschwert sich die Revision des Beklagten P. darüber, daß das Berufungsgericht seiner unter Berufung auf Zeugenbeweis vorgebrachten Verteidigungsbehauptung nicht Rechnung getragen habe: er habe die Entfernung der Fahnen angeordnet, und einer Ueberwaohung der Ausführung habe dieser einfache Auftrag nicht bedurft. Allein anders als der Beklagte M. hatte P. gerade die technisch-praktische Ausführung der Feuerwerksveranstaltung übernommen; er mußte sich, che er an das Abbrennen der Feuerwerkskörper ging, überzeugen, ob allen Gefahren nach Möglichkeit vorgebeugt, alle gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ausgeführt waren. 7. Die beiden Beklagten haben ein eigenes mitwirkendes Verschulden des Eigentümers des beschädigten Kirchengebäudes bei der Veranstaltung des Feuerwerks geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat diesen Einwand als rechtlich unbeachtlich erklärt, insofern der Kläger aus eigenem Rechte den Schadensersatzanspruch erhebe; soweit das mitwirkende Verschulden des beschädigten Eigentümers nach § 254 B G B . in Betracht komme, verneint das Berufungsgericht dieses Verschulden, weil der Bischof und der Festausschuß ihrer Sorgfaltspflicht genügt hätten, wenn sie die Angelegenheit einer zuverlässigen Persönlichkeit, als welche M. ihnen erscheinen durfte, übertrugen. Das erste rechtliche Bedenken erledigt sich durch die in dieser Entscheidung über die Anwendung des § 823 Abs. 2 B G B . auf den vorliegenden Rechtsfall gegebenen Ausführungen. Für die Anwendung des § 254 B G B . auf den Einzelfall aber möchte es sich fragen, ob es nicht für den Bischof und seinen Festausschuß von vornherein durch die im Verkehr erforderliche Sorgfalt geboten gewesen wäre, die Ausführung der Veranstaltung eines so umfassenden Feuerwerks nur in die Hände eines erfahrenen Pyrotechnikers zu legen, den mein, wenn er nicht in F. zu finden war, von auswärts hätte zuziehen müssen. Die Bemerkung der Revision des Beklagten P.: wenn er schuldhaft gehandelt habe, indem er einen Auftrag übernahm, dem er nicht gewachsen war, so treffe doch auch diejenigen ein Vorwurf, welche ihm den Auftrag gaben, kann nicht als abwegig bezeichnet werden. Die Persönlichkeit des Beklagten M. mag mit Recht seinen Auftraggebern als zuverlässig in bezug auf eine allgemeine sorgsame Gestaltung und Durchführung der Festfeierlichkeiten erschienen sein; auf die für die Veranstaltung und technische Ausführung eines Feuerwerks erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen war aber bei ihm doch kaum zu rechnen, nach den unter 4 und 5 gegebenen Ausführungen ist deshalb auch die Annahme nicht begründet, daß er in diesem Sinne und mit diesem Inhalt einen Auftrag übertragen erhalten und seinerseits angenommen hätte." . . .

Unerlaubte

Handlungen

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RGZ. 82, 299 1. . . . 2. Unter welchen Voraussetzungen kann in der Nichterfüllung eines wegen Formmangels ungültigen Vertrags ein Verstoß gegen § 826 BGB. liegen? BGB. § 826. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 22. Mai 1913.

Die Entscheidung ist abgedruckt Gesellschaften, GmbH.".

unter „Recht der

Handels

RGZ. 83, 651 Zeitliche Begrenzung einer nach § 843 BGB. zuerkannten Entschadigungsrente. Zur Anwendung der §§ 287, 323 ZPO. VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Bremen.

Urt. v. 7. Juli 1913.

II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

Hamburg.

Der Kläger, früher Geldbriefträger, hat im Hause des Beklagten einen Unfall erlitten und ist aus diesem Anlasse pensioniert worden. Auf seine Schadensersatzklage ist ihm von den Vorinstanzen u. a. eine Rente zuerkannt worden, die den durch die Pensionierung in seinem Diensteinkommen entstandenen Ausfall ausgleichen soll. Die Rente ist ohne zeitliche Begrenzung zugesprochen worden. Dies wurde beanstandet aus folgenden Gründen: „Das Berufungsgericht hat abgelehnt, die Rente nach dem Zeitpunkte zu begrenzen, zu dem der Kläger voraussichtlich ohne den Unfall pensioniert worden wäre, da es an Anhaltspunkten fehle, um diesen Zeitpunkt mit irgendwelcher Sicherheit zu fixieren; mit Recht verweise das Landgericht den Beklagten auf den Weg des § 323 ZPO. Diese Betrachtungsweise ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Die dem Tatrichter durch § 287 ZPO. eingeräumte freie Würdigung der Umstände, aus denen sich ergibt, ob ein Schade entstanden ist und wie hoch er sich beläuft, umfaßt auch die Abmessung der Dauer einer Rente (Jur. Wochenschr. 1906 S. 204; Warneyer Rechtspr. 1910 Nr. 334; Rep. VI. 3/10 v. 19. Jan. 1911, VI. 13/10 v. 1. Okt. 1910). Auch in der Frage, für wie lange eine zum Ausgleich einer Erwerbsminderung oder einer Erhöhung der Bedürfnisse bestimmte Rente zu gewähren sei, soll kein strenger und vollständiger Beweis verlangt, sondern nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände geschätzt werden, wobei häufig ein hoher Grad von Wahr-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

scheinlichkeit (ür den dieser Schätzung zugrunde zu legenden V e r lauf der Dinge genügen wird. Nur wo das Gericht trotz Würdigung aller Umstände und bei Berücksichtigung auch bloßer Wahrscheinlichkeitsgründe zu einem positiven Schätzungsergebnis nicht zu gelangen vermochte, kann eine Ablehnung unter Darlegung der Schätzung entgegenstehenden Gründe gerechtfertigt werden (vgl. J u r . Wochenschr. 1902 S. 544, 1906 S. 204, 1909 S. 415, 1910 S. 27, 292; Warnever Rechtspr. 1909 Nr. 46; Entsoh. d e s RG.'s in Zivils. Bd. 66 S. 165; auch Rep. VI. 13/10 v. 1. Okt. 1910, VI. 94/10 v. 9. Febr. 1911 u. a. m.). Ob und inwieweit bei der Entscheidung über die Dauer der Rente die zukünftige Gestaltung der Verhältnisse vorauszusehen ist, ist nach dem gewöhnlichen, erfahrungsmäßigen Verlaufe der Dinge zu ermessen. . . E s erscheint materiellrechtlich unzutreffend, wenn das Berufungsgericht ausspricht, die Rente nach dem Zeitpunkte zu begrenzen, zu dem der Kläger voraussichtlich ohne den Unfall pensioniert worden wäre, liege ein hinreichender Anlaß nicht vor, da es an Anhaltspunkten zur Bestimmung dieses Zeitpunktes fehle. Der Mangel solcher Anhaltspunkte, wie sie das Berufungsgericht vermißt, konnte es keineswegs folgerichtig erscheinen lassen, den Kläger um deswillen für dauernd, d. h. bis zu seinem Lebensende geschädigt anzusehen. Vielmehr war gerade auf diesem Wege notwendig zu der Frage, für welche Zeitdauer eine Schädigung des Klägers durch den Unfall als dargetan gelten könne, und danach weiter zu der Erwägung zu gelangen, welche künftige Gestaltung der Verhältnisse des Klägers nach dem im Postdienste gewöhnlichen Verlaufe der Dinge zu erwarten sei. Im übrigen kann es, wie auch der erkennende Senat schon wiederholt angenommen hat (vgl. z. B. Warneyer 1910 Nr. 334), vorkommen, daß dem Schadensersatzberechtigten ohne den vom Gegner zu vertretenden Vorfall ein bestimmter Erwerb bis in das höchste Greisenalter oder bis an das Lebensende möglich gewesen sein würde; aber solche Fälle sind Ausnahmen und können nur unter besonderen konkreten Umständen angenommen werden, die gegebenenfalls darzulegen sind. Nach dem Ausgeführten muß es endlich auch rechtlichen Bedenken begegnen, wenn die Vorinstanzen in diesem Zusammenhange den Beklagten aui die Klage aus § 323 ZPO. verweisen. . . . Gegenüber der Festsetzung einer Rente für Erwerbsminderung als Folge eines Unfalls kann die nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge regelmäßig, z. B . infolge Alters eintretende Minderung der Erwerbsfähigkeit, eben weil sie im Zeitpunkte der Zuerkennung der Rente schon vorauszusehen war, nicht als eine im Sinne de9 § 323 ZPO. wesentliche Aenderung der Verhältnisse angesehen werden." . . .

191 RGZ. 84, 294 Ist in der Veröffentlichung wissenschaftlicher Untersachtingen •ad ihrer Ergebnisse das Behaupten oder Verbreiten von Tatsachen im Sinne des § 824 BGB. zu erblicken? 1. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht II Berlin.

Urt. v. 14. März 1914. II. K a m m e r g e r i c h t

daselbst.

Gemäß Verlagsvertrag vom Februar 1911 hat die Beklagte das Werk des Klägers „Wirtschaftlichkeit der Zentralheizung" buchhändlerisch vertrieben. Durch Schreiben vom 27. September und 5. Oktober 1911 untersagte ihr das Niederrheinische Eisenwerk D. in D. die weitere Verbreitung des Buches, weil es unrichtige Angaben und Berechnungen über die von ihr fabrizierten „Rapidkessel" enthalte. Als der Beklagte diesem Ansinnen nachgab, erhob der Kläger Klage mit dem Antrage, sie zur ordnungsmäßigen Verbreitung des Buches zu verurteilen. Die Beklagte beantragte Abweisung der Klage. Das Niederrheinische Eisenwerk trat ihr als Nebenintervenientin bei. Der erste Richter erhob Sachverständigenbeweis darüber, ob die Angaben des Klägers hinsichtlich der Rapidkessel richtig seien, und erkannte, weil er den Beweis für geführt erachtete, nach dem Antrage des Klägers. Die Nebenintervenientin legte Berufung ein, welche zurückgewiesen wurde. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : „Die Revision meint, die Feststellung des Kammergerichts, dem Kläiger sei die Unrichtigkeit seiner Mitteilungen über die Leistungen der Dampfkessel der Nebenintervenientin unbekannt gewesen, genüge nicht; die Klage wäre vielmehr auch dann abzuweisen gewesen, wenn der Kläger diese Unrichtigkeit auch nur kennen mußte. Diese Rüge ist nicht begründet. Ueber die angebliche Unrichtigkeit der Mitteilungen des Klägers hat das Kammergericht überhaupt keine Feststellung getroffen. Es erklärt, eine zivilrechtliche oder strafrechtliche Haftung des Klägers oder seines Verlegers könne schon deshalb nicht in Frage kommen, weil die §§ 824 Abs. 2 BGB., 193 StGB, eingriffen. Daher sei die Weigerung der Beklagten, das Werk des Klägers weiter zu verbreiten, unberechtigt. Der § 824 Abs. 1 BGB. macht den Urheber oder Verbreiter einer wahrheitswidrigen, kreditgefährdenden Behauptung für den einem andern verursachten Schaden auch schon dann verantwortlich, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kannte, aber kennen mußte. Er knüpft also die Rechtsfolge schon an ein bloß fahrlässiges Verhalten. Hiervon macht aber der § 824 Abs. 2 eine Ausnahme. Wenn der Mit-

Schuldrecht, Besonderer Teil teilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat, dann tritt die Verpflichtung zum Schadensersatze nicht ein, sofern dem Mitteilenden die Unwahrheit unbekannt war. Beim Vorliegen solcher Interessen genügt also bloße Fahrlässigkeit nicht; das Kennenmüssen ist hier dem K e n n e n nicht gleichgestellt. Auf das letztere kommt es ausschließlich an. Allerdings muß es fraglich erscheinen, ob das Kammergericht mit der Verneinung der Schadensersatzpflicht des K l ä g e r s nach § 824 Abs. 2 von seinem Standpunkt aus zur Verurteilung der B e klagten nach dem Klageantrage gelangen durfte. E s ist bestritten, ob in den Fällen des § 824 Abs. 2 auch die Klage des Geschädigten auf Unterlassung ausgeschlossen ist. In v. S t a u d i n g e r ' s K o m m e n t a r 7./8. Aufl. § 824 Anm. 4 b wird dies angenommen. Das Reichsgericht hat dagegen in einer Reihe von Entscheidungen die Zulässigkeit der Unterlassungsklage auch hier beim Vorliegen ihrer sonstigen Voraussetzungen bejaht; vgl. Entsch. in Zivils. Bd. 60 S. 7, Bd. 61 S. 370, Bd. 78 S. 315, J u r . W o c h e n s c h r . 1912 S. 587 Nr. 7. Der Beklagten könnte die buchhändlerische Verbreitung des unveränderten W e r k e s des Klägers wohl auch dann nich". zugemutet werden, wenn sie zwar keinem Schadenersatzanspruch ausgesetzt wäre, wohl aber einen P r o z e ß und demnächstige Verurteilung auf Unterlassung der buchhändlerischen Verbreitung zu gewärtigen hätte (vgl. § 31 VerlagsG.). Zu einer Streichung der von d e r Nebenintervenientin bezeichneten Stellen in seinem W e r k e hatte sich der Kläger nicht bereitgefunden. E i n e s näheren Eingehens auf diese Fragen und ihrer Entscheidung bedurfte es jedoch nicht. Der S e n a t ist der Ansicht, daß sich die Unbegründetheit des Standpunktes der Beklagten aus anderen Gründen ergibt und notwendig zur Zurückweisung der von der Nebenintervenientin eingelegten Revision führen muß. E s kann nämlich nicht zugegeben werden, daß im vorliegenden Falle der T a t bestand des § 824 B G B . überhaupt gegeben ist, daß nämlich im Sinne dieser Gesetzesvorschrift . . T a t s a c h e n " behauptet oder verbreitet worden sind. Der Kläger, ein praktischer Ingenieur, hat unter dem Titel „Wirtschaftlichkeit der Zentralheizung" ein Buch geschrieben, in dem er seine Erfahrungen auf diesem Gebiete, namentlich in den auf dem Titelblatt hervorgehobenen Beziehungen „Richtige Bemessung, Ausführung, sparsamer B e t r i e b " des näheren dargelegt hat. Die Intervenientin, die sich durch die in dem Buche enthaltenen Ausführungen über ihre Rapidkessel geschädigt fühlt, hat doch selbst anerkannt, daß das W e r k des Klägers, mit dem er sich an F a c h k r e i s e wendet, nach F o r m und Inhalt einen durchaus wissenschaftlichen Standpunkt einnimmt. Sie kann auch nicht behaupten, daß der Kläger aus anderen als wissenschaftlichen Beweggründen und im gleichzeitigen B e s t r e b e n , der P r a x i s auf diesem G e b i e t e zu dienen, geschrieben hat.

Unerlaubte Handlungen Sie macht ihm zum Vorwurfe, daß er die von ihm an ihren Dampfkesseln vorgenommenen Untersuchungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgenommen habe; sie glaubt, daß die von ihm erzielten Ergebnisse deshalb unrichtig seien, und fühlt sich durch seine Ausführungen geschädigt. Insbesondere findet sie in dem Satze S. 159/60 „Die Leistung der Kessel, von der es im P r o s p e k t heißt, daß sie nicht über 8000 W.-E. pro qm gehen sollte, blieb demnach weit hinter dieser zurück, ohne daß dadurch eine Wirtschaftlichkeit erzielt wurde. Beide Kessel würden im günstigsten Falle . . . . nur 65 Prozent von der erforderlichen Leistung hergeben." die Behauptung unwahrer Tatsachen und hat zu ihrer Widerlegung sich auf Sachverständigengutachten berufen. Die hier zugrunde liegende Rechtsauffassung ist eine irrige. Bei der Vornahme fachwissenschaftlicher Untersuchungen, bei der Darstellung ihrer Ergebnisse, bei den aus ihnen gezogenen Schlußfolgerungen handelt es sich — wenigstens in der Regel — nicht sowohl um Behauptungen rein tatsächlicher Art, als um subjektive Wahrnehmungen und Urteile. So gewiß das Streben nach Wahrheit ein Kennzeichen jeder echten wissenschaftlichen Tätigkeit ist, so gewiß ist, daß jede wissenschaftliche Untersuchung und jede wissenschaftliche Erkenntnis, die ihrerseits wieder angefochten und bestritten werden kann, nur zu einer relativen Wahrheit führt. Von „Tatsachen", die „der Wahrheit zuwider" behauptet werden, kann daher überall nicht gesprochen werden, so lange, wie hier, lediglich wissenschaftliche Untersuchungen und die daraus gezogenen Schlüsse veröffentlicht werden. Hat sich der Schriftsteller geirrt, sei es auch aus Mangel an Sorgfalt, aus Mangel an Kenntnissen, aus Mangel an Objektivität oder Urteilskraft, so k a n n seine Kundgebung doch nicht als Behauptung einer Tatsache i. S. des § 824 BGB. gewürdigt werden; sie ist nicht mehr als die Kundgebung einer subjektivein wissenschaftlichen Ueberzeugung. Eine „unerlaubte Handlung" i. S. des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat er mit ihr nicht begangen, mag er auch vor dem Forum der Wissenschaft damit nicht bestehen. Im Einzelfalle können die Dinge natürlich anders liegen. Die Grenzen der Wissenschaftlichkeit können in formeller oder auch in sachlicher Hinsicht durchbrochen sein. Es können auch im Rahmen wissenschaftlicher Erörterung die Tatbestandsmerkmale des § 824 BGB. erfüllt werden. Aber nach dem eigenen Vorbringen sowohl der Beklagten als der Nebenintervenientin ist dies im vorliegenden Falle ausgeschlossen. Der Kläger hat die im Prospekt der Nebenintervenientin gemachten Angaben über die Leistungsfähigkeit ihrer Kessel nachgeprüft; er ist auf Grund seiner Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, daß sie unzutreffend sind, er hat dieses Ergebnis veröffentlicht. Mehr hat er nicht getan. Die Nebenintervenientin mag seinen Z i v i l s . S d i u ' d r c r i i l >>

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194 Ausführungen in geeignet scheinender Weise entgegentreten. Einen Zivilrechtsanspruch, dem Kläger oder seinem Verleger die Veröffentlichung seiner Untersuchung zu untersagen, einen Entschädigungsanspruch wegen der ihr durch die Veröffentlichung etwa verursachten Nachteile hat sie nicht. Die gegenteilige Auffassung müßte in ihren Folgerungen dazu führen, jede wissenschaftliche Kritik zu unterbinden und damit jeden wissenschaftlichen Fortschritt lahm zu legen. Dabei kann es auch keine abweichende Beurteilung rechtfertigen, daß es sich im vorliegenden Falle nicht um theoretische Fragen oder um Probleme mehr abstrakter Natur, sondern um technische Fragen handelt, deren unmittelbare Verwertung für das praktische Leben sich ermöglicht. Denn dies ist ein Kennzeichen aller Zweige technischer Wissenschaft, ohne daß sie deshalb aus dem Kreise der Geisteswissenschaften ausscheiden, oder die Beschäftigung mit ihnen als eine minder wissenschaftliche angesehen werden darf."

RGZ. 85, 4401 1. . . .*)

2. Zum Begriffe des objektiv berechtigten Interesses im Sinne des § 824 Abs. 2 BGB. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 9. November 1914.

I. Landgericht III Berlin.

II. Kammergericht

daselbst.

Der Kläger, der im Geschäfte der Beklagten angestellt war, ist von ihnen im J a h r e 1909 entlassen worden. In einer an -die Königliche Staatsanwaltschaft gerichteten Eingabe haben die Beklagten behauptet, der Kläger habe ihnen eine Schreibmaschine entwendet und sich eines Vertrauensbnichs schuldig gemacht. Der Kläger macht des weiteren geltend, die Beklagten hätten diese Behauptung auch Privatpersonen gegenüber wiederholt und bis in die neueste Zeit, ja selbst nach Erhebung der gegenwärtigen Klage noch verbreitet. Er hat deshalb Klage mit dem Antrag erhoben, die Beklagten zu verurteilen: 1. anzuerkennen, daß ihre Behauptung, er habe ihnen im Jahre 1909 eine Schreibmaschine entwendet und einen Vertrauensbruch begangen, unwahr und von ihnen wider besseres Wissen aufgestellt sei; 2. die weitere Aufstellung dieser Behauptung zu unterlassen; 3. ihm den durch diese Behauptung erwachsenen Schaden und den entgangenen Gewinn, die im besonderen Verfahren zu ermitteln seien, zu ersetzen. *) Geringere Bedeutung.

195

Unerlaubte Handlungen

Die Klage ist in den Vorinstanzen zurückgewiesen worden.

abgewiesen, die Revision

Aus den G r ü n d e n : 2. Die Revision rügt endlich, daß das Berufungsgericht aus rechtsirrtümlichen Erwägungen nicht geprüft habe, ob in dem Prozesse 3 C. 352/13 des Amtsgerichts Köpenick die Mitteilung der Beklagten über die angebliche Entwendung der Schreibmaschine durch den Kläger erforderlich gewesen sei. In dieser Hinsicht heißt es allerdings in dem angefochtenen Urteile: mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 824 Abs. 2 BGB. komme es nicht darauf an, ob die Beklagten in der Prozeßsache 3 C. 352/13 des Amtsgerichts Köpenick die beanstandete Behauptung selbst oder durch ihren Bevollmächtigten aufgestellt hätten. „Wenn", fährt das Urteil wörtlich fort, „in den Akten 3 C. 352/13 der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten diese Behauptung vorgetragen hat, so nimmt der Senat hieraus ohne weiteres an, daß er dies deshalb getan hat, weil er hierdurch die Rechte der Beklagten wahrnehmen wollte. Ob in objektiver Hinsicht jene Behauptung für die Entscheidung des Rechtsstreits von Bedeutung war, ist unerheblich. Hieraus ergibt sich ferner, daß die behauptete Mitteilung der Beklagten an ihren Prozeßbevollmächtigten lediglich zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen erfolgt ist." Diese Sätze können den Anschein erwecken, als ob das Kammergericht der Rechtsprechung des Reichsgerichts entgegentreten wolle. Der VI. Zivilsenat des Reichsgerichts hat nämlich im Einklänge mit der in der Rechtslehre herrschenden Ans'cht in ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ. Bd. 51 S. 369; Bd. 56 S. 271, insbes. S. 285) den Standpunkt vertreten, daß § 824 Abs. 2 BGB. das Vorhandensein eines objektiv berechtigten Interesses verlange. Es muß jedoch verneint werden, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des Abs. 2 des § 824 BGB. rechtsirrtümlich ausgelegt oder angewendet hat, mag auch die Ausdrucksweise des Berufungsurteils nicht ganz einwandfrei sein. Die Frage nämlich, ob ein objektiv berechtigtes Interesse vorliegt, ist nicht danach zu entscheiden, ob im konkreten Falle die beanstandete Aeußerung zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung, also hier in dem Prozesse 3 C. 352/13 notwendig war, um den Beklagten zu einem Erfolge zu verhelfen, sondern danach, ob an und für sich das Vorbringen der Beklagten als ein solches angesehen werden konnte, das zur zweckentsprechenden Rechts Verfolgung oder -Verteidigung dienlich war. Dies ist vom Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum bejaht worden, indem es als seine Ueberzeugung hinstellt, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten jene Behauptung vorgebracht hat, um deren Rechte im Prozesse wahrzunehmen- Dies aber muß als ge13*

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Schuldrecht, Besonderer Teil

nügend erachtet werden., um ein „objektiv" berechtigtes Interesse als vorliegend zu erachten, während es nicht darauf ankommt, ob das Vorbringen auch „objektiv betrachtet" für die Entscheidung des Prozesess 3 C 352/13 von maßgebender Bedeutung war. M. a. W.: eine zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung in einem Prozesse aufgestellte Behauptung ist schon dann als ein zur Wahrnehmung objektiv berechtigter Interessen erfolgtes Vorbringen einzusehen, wenn es an und für sich geeignet ist, der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung zu dienen, ohne Rücksicht darauf, ob es im konkreten Falle für die Entscheidung des Rechtsstreits von maßgebender Bedeutung ist. Nimmt man dies nicht an, so würde jede Partei, die in einem Prozesse eine nicht erweislich wahre, den Kredit des Gegners gefährdende Tatsache im S!nne des § 824 Abs. 1 BGB. vorbringt, sich der Gefahr aussetzen, dieserhalb auf Grund des § 824 BGB. belangt zu werden, wenn in jenem Prozesse das Gericht die Ueberzeugung gewinnt, daß das Vorbringen unerheblich war. Aber nicht dies allein. Auch der über den Schadensersatzanspruch urteilende Richter müßte von neuem nachprüfen, ob das Vorbringen in dem Vorprozesse erheblich war oder nicht; er müßte also eine Nachprüfung des bereits abgeurteilten Rechtsstreits vornehmen, um feststellen zu können, ob jene Behauptung „objektiv" zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich war. Zu welchen Schwierigkeiten und Widersprüchen dies führen könnte, liegt ohne weiteres auf der Hand, wenn man unterstellt, daß der Richter des Vorprozesses das Vorbringen für unerheblich erklärt hat. wogegen der über den Schadensersatzanspruch aburteilende Richter das gleiche Vorbringen als erheblich für jenen Prozeß ansieht oder umgekehrt. Man wird deshalb ein „objektiv" berechtigtes Interesse im Sinne des § 824 Abs. 2 BGB. (und RZG. Bd. 51 S. 379) auch dann stets als gegeben erachten müssen, wenn der Mitteilende die Behauptung zum Zwecke der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung in einem Prozesse aufgestellt hat und das über den Schadensersatzanspruch urteilende Gericht, wie im vorliegenden Falle das Berufungsgericht, zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Mitteilung zu diesem Zwecke erfolgt ist." . . . RGZ. 86, 96 Unterliegt der Anspruch, der aus den Rechtsgründen der auftraglosen Geschäftsführung oder der ungerechtfertigten Bereicherung wegen Aufwendungen zur Beseitigung eines Schadens Ton einem Dritten gegen die Person erhoben wird, die für diesen Schaden dem Beschädigten aus unerlaubter Handlung ersatzpflichtig ist, der kurzen Verjährung des § 852 BGB.? VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 4. Januar 1915,

Unerlaubte Handlungen

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Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil". RGZ. 86, 191 1. . . . 2. Verstößt das Verlangen der Herausgabe des Bordellgrundstücks wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags, ohne daß sich der Verkäufer zur Herausgabe der auf den Kaufpreis bezahlten Beträge bereit erklärt, unter allen Umständen gegen die guten Sitten? BGB. § 826. V. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 3. Februar 1915.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil". RGZ. 87, 1 1. Entsteht, wenn eine Ware in der Eigenverpackung des Fabrikanten von einem die Ware vertreibenden Kaufmanne käuflich bezogen wird, ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen dem Fabrikanten und dem Verbraucher? 2. Ueber die Erfordernisse des Entlastungsbeweises nach § 831 Abs. 1 BGB., wenn als Verursacher eines Schadens eine größere Anzahl mit Verrichtungen betrauter Personen in Betracht kommt? VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 25. Februar 1915.

I. Landgericht Hamburg. II. Oberlandesgericht daselbst. Die Klägerin hatte im Juni 1912 auf Anordnung ihres Arztes durch den Apotheker P. in Z. ein Glas des von der Beklagten nach dem Salzbrunner Oberbrunnen hergestellten künstlichen Salzes in der Originalverpackung der Beklagten bezogen. Nach dem Genüsse des Salzes erkrankte sie, und es stellte sich bei einer Untersuchung heraus, daß sich in dem Salze feine Glassplitter befanden. Die Klägerin behauptet, dauernd an der Gesundheit beschädigt zu sein, und hat gegen die Beklagte als die Herstellerin der Salze auf Ersatz ihres Schadens Klage erhoben. Sie stützt ihren Anspruch einmal auf ein behauptetes Vertragsverhältnis, in das die Beklagte durch den Verkauf ihres Fabrikats in Originalpackungen unmittelbar zu den Abnehmern trete, auch wenn diese die Ware durch Zwischenhändler beziehen; ein solches sei indessen auch als dadurch hergestellt zu denken, daß der Abnehmer der Beklagten, Apotheker P., ihr seinen Anspruch auf Gewährleistung durch den Verkauf stillschweigend abgetreten habe. Sie behauptet weiter ein verpflichtendes Anerkenntnis

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der Beklagten. Endlich gründet sie ihren Anspruch auf die §§ 823, 831 BGB. Aus d e n G r ü n d e n : . . . „Das unmittelbare Vertragsverhältnis, in das die Klägerin durch den K a u f . . . des in der Fabrik der Beklagten hergestellten. . . Salzes . . . zu der Beklagten selbst getreten sein will, und auf das sie ihren Schadensersatzanspruch in erster Linie stützt, weil die Beklagte durch die Lieferung einer mit fremden und dem menschlichem Körper schädlichen Stoffen vermischten W a r e die Vertragspflicht verletzt habe, kann als bestehend nicht anerkannt werden. Die Beklagte ist in vertragliche Beziehungen zu ihrem Abnehmer, dem Apotheker, getreten, und dieser wiederum in solche zu der Klägerin; das zwischen ihnen geschlossene Rechtsgeschäft ist in beiden Fällen der Kauf. Daneben wäre gewiß auch zwischen der Beklagten und dem Einzelabnehmer, der von einem Dritten als Zwischenkaufmann deren Fabrik a t e kauft, eine vertragliche Rechtsbeziehung möglich, nicht zwar in Gestalt eines unmittelbaren Kaufvertrags, wohl aber als Uebernahme einer Gewähr auch dem Verbraucher gegenüber für den Inhalt der Verpackung, für die Echtheit, Unverfälschtheit und sorgfältige Zubereitung der in der Originalverpackung an den Kaufmann gelieferten und von diesem im einzelnen an den Verbraucher wiederum kaufweise abgegebenen Ware. Allein lediglich aus der A r t und Weise der Versendung in Originalverpackungen ist ein stillschweigend eingegangenes Vertragsverhältnis zwischen dem Fabrikanten und dem Verbraucher kaum zu entnehmen. Ein solches setzt einen beiderseitigen Vertragswillen voraus, der irgendwie zum Ausdruck gelangt sein muß. Auf Seiten des Fabrikanten würde d ; e s durch einen Aufdruck auf . . . der Verpackung geschehen können, durch den er sein Einstehen für den Inhalt erklärt; der Annahmewillen des Verbrauchers würde alsdann nicht auf Bedenken stoßen. Noch weniger natürlich erscheint die Annahme einer stillschweigenden Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Zwischenabnehmers gegen den Fabrikanten an den Verbraucher, für die es an jeder Unterlage fehlt." . . . . . . „Der Entlastungsbeweäs aus § 831 BGB., daß die Beklagte bei der Auswahl der mit der Verrichtung des Einfüllens der Salze in die Gläser bestellten Personen und bei der Beschaffung der dazu erforderlichen Vorrichtungen und Gerätschaften die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe, kann, im Gegensatze zu der vom Berufungsgerichte vertretenen Auffassung, durch die von ihm angezogenen Erwägungen des landgerichtlichen Urteils nicht für erbracht angesehen werden. Die tatsächliche Grundlage für die Anwendung des § 831 BGB. ist gegeben, wenn feststeht, daß die Ursache der Verletzung der Klägerin in der Fabrik der Beklagten gesetzt

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worden ist. Das haben aber die Gerichte beider Vorinstanzen für erwiesen erachtet. Für diese Tatsache war die Klägerin beweispflichtig; damit hat sie aber auch ihrer Beweispflicht genügt. Es ist verfehlt, wenn das Landgericht, auf dessen Ausführungen das Berufungsgericht verweist, von ihr nähere Angaben darüber verlangt, wie in der Fabrik der Beklagten die Glassplitter zwischen das Salz gekommen seien. Die Beklagte hat sich in vollem Umfange zu entlasten. Deshalb geht es nicht an, daß vom Gericht erwogen wird: eine mangelhafte Sorgfalt in der Beaufsichtigung des Betriebes der Beklagten sei aus dem Vorbringen der Klägerin n'cht zu entnehmen; denn die Klägerin hatte keine Veranlassung und keine Pflicht, für die Beklagte Belastendes vorzubringen. Die dem Gerichte bekannte Tatsache, daß die Fabrik der Beklagten sich des besten Rufes erfreut — was hinsichtlich der in ganz Deutschland und weiter verbreiteten Fabrikate der Beklagten unzweifelhaft richtig sein mag — kann den nach § 831 BGB. für den einzelnen Fall bestimmt (konkret) zu führenden Entlastungsbeweis ebensowenig ersetzen wie die weiteren Erwägungen, daß ohne Verschulden der Beklagten durch deren Leute die Glassplitter vorsätzlich oder fahrlässig in der Fabrik dein Salze beigefügt worden sein könnten. Die Bestimmung des § 831 BGB. verlangt nicht den Nachweis eines Verschuldens des ersatzpflichtigen Geschäftsherrn; dieser muß vielmehr in der im Gesetze vorgeschriebenen Weise die Bobachtung aller im Verkehr erforderlichen Sorgfalt seinerseits beweisen. Daß seine Arbeiter vorsätzlich oder fahrläss'g gehandelt haben, kann ihn von der Haltung selbstverständlich nicht befreien. Auch für vorsätz lieh begangene Schädigungen hat der Geschäftsherr nach § 831 B G B . einzustehen (vgl. RGR. Komm. Anm. 4 zu § 831 BGB.). Er muß den schlüssigen Beweis für den Einzelfall führen, daß se : nerseits alles geschehen sei, um nur Arbeiter zu bestellen, die zuverlässig waren und denen weder Bosheit noch auch nur Fahrlässigkeit bei der Ausführung ihrer Verrichtungen zuzutrauen war. Allgemeine Erwägungen, daß die Sorgfalt des Geschäftsherrn in der Auswahl seiner Leute bei dem Rufe seines Geschäfts selbstverständlich sei, genügen nicht (Jur. Wochenschr. 1904 S. 361 Nr. 17; 1911 S. 594 Nr. 47; 1912 S. 194 Nr. 5; Warneyer Rechtspr. 1912 Nr. 388). Bei einem größeren Personal muß der Geschäftsherr entweder dartun, auf welche Personen die Schaden zufügende Handlung zurückzuführen ist, und alsdann für diese bestimmten Personen seine Sorgfalt in der Auswahl dartun, oder er muß diesen Nachweis für alle Personen im einzelnen führen, die als Urheber der Handlung in Betracht kommen können (Jur. Wochenschr. 1906 S. 1% Nr. 13; Warneyer Rechtspr. 1909 Nr. 507, 1914 Nr. 53). Es muß alsdann die Sorgfalt in der Auswahl des gesamten in Betracht kommenden Personals und weiter die hinreichende

200 Beaufsichtigung des Personals zur Zeit der Verrichtung dargetan werden, da der Entlastungsbeweis für die Zeit der Verrichtung zu führen ist und nur ein wohl beaufsichtigtes Personal als wohl ausgewählt erachtet werden kann (RGZ. Bd. 78 S. 107, Bd. 7 9 S. 101; W a r neyer Rechtspr. 1913 Nr. 93; J u r . Wochenschr. 1913 S . 864 Nr. 10). Auch für diese Aufsichtsführung genügen allgemeine Erwägungen, wie die, daß die Beklagte nur einwandfreies Personal verwende, nicht. E i n Beweis für die sorgfältige Auswahl der einzelnen bestimmten Aufsichtspersonen, zu denen auch die Zeugen St. und Z. gehören, und auf deren Aussagen das Gericht erster Instanz die B e w e : s a n n a h m e der geführten Entlastung gründet, ist nicht geführt. Die einzelnen Sicherheitsanordnungen und deren Durchführung müssen zum Gegenstande des Entlastungsbeweises und der Würdigung dieses Beweises gemacht werden. Dem hinzutreten muß der Beweis der allgemeinen Oberaufsicht des Geschäftsherrn, deren er sich niemals entschlagen und die er auch den sorgfältig ausgewählten Aufsichtsbeamten nicht selbständig überlassen kann (vgl. über die Führung des B e w e i s e s und über seine Begrenzuni die vorangeführten Entsche : dungen, ferner W a r n e y e r Rechtspr. 1913 Nr. 364, 1914 Nr. 187). Nach allen diesen Richtungen sind die vom Berufungsgericht übernommenen Erwägungen des landgerichtlichen Urteils nicht für erschöpfend zu erachten." . . . RGZ. 88, 406 Zum Begriff des Schadens im Sinne des § 826 BGB., wenn der Ersatzberechtigte durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist, eine unentgeltliche Zuwendung zu einem bestimmten Zwecke zu machen. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 25. S e p t e m b e r 1916.

I. Landgericht Nürnberg.

II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Vater und die Brüder der Klägerin, einer geborenen St., die mit dem Weinhändler K. verlobt war, hatten diesem, um die Klägerin zu versorgen, eine Mitgift von 25 000 M. zugesagt, die von ihnen bestellt und in sein Geschäft gcsteckt werden sollte. K. w a r früher Reisender bei dem Beklagten gewesen und bezog seine W e i n e und Kellergerätschaften von ihm. Die bezeichneten Angehörigen der Klägerin wandten sich, da sie den von dem Beklagten schriftlich bestätigten Angaben des K. über seine Vermögensverhältnisse mißtrauten, um mündliche Auskunft über seinen Schuldenstand an den Beklagten. Der Beklagte versicherte, entsprechend seiner schriftlichen Erklärung, daß K. ihm 15 851,33 M. schulde. Dieser Betrag war ganz willkürlich gegriffen. In Wahrheit war ihm K. mehr a ! s 2 6 0 0 0 M . schuldig. K. und die Klägerin verehelichten sich ohne Schließung

201 eines Ehevertrags. Dem K. wurden die 25 000 M. ausbezahlt. Alsbald stellte sich die Unrichtigkeit der Angaben des K. und des Beklagten heraus. Die Klägerin verließ nach fünf Monaten ihren Mann. Die Ehe wurde auf ihre Klage wegen beiderseitigen Verschuldens geschieden. K. verfiel in Konkurs. Das Einbringen der Klägerin ist voraussichtlich verloren. Die Klägerin hat in den ihr abgetretenen Rechten der Besteller der Mitgift Schadensersatzklage aus § 826 BGB. gegen -den Beklagten wegen seiner wissentlich falschen Auskunft erhoben. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht gab ihr dem G r u n d e nach statt. Die Revision des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Aus den G r ü n d e n : . . . „Die wesentliche Rüge der Revision richtet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß das Vermögen der St. beschädigt worden sei. . . . Bei der gegebenen Sachlage sei der Satz des Berufungsgerichts unzutreffend, daß jede Vermögensaufwendung ohne E r w e r b eines entsprechenden Gegenwertes das Vermögen des A u f w e n d e n d e n schädige. Die Aufwendungen hätten hier ü b e r h a u p t keinen Gegenwert erstrebt. Die St. hätten freiwillig und ohne Entgelt der Klägerin eine Mitgift gewährt, der Vater, indem er eine gesetzliche, die Brüder, indem sie eine sittliche Pflicht erfüllten. Dadurch schon hätten sie ihr Vermögen verloren und hätten durch die späteren Wirkungen nicht mehr beeinträchtigt werden können. Der Zweck einer gesicherten Ehe sei erreicht gewesen. Diesen Angriffen war der Erfolg zu versagen und im Ergebnis, wenn auch nicht durchweg in der Begründung, dem Berufungsgerichte beizutreten. . . . Der Revision ist zuzugeben, d a ß der von ihr b e k ä m p f t e Satz in dem Berufungsurteite hier keine Anwendung leidet, weil die Besteller d e r Mitgift keinen Gegenwert — in der buchstäblichen Bedeutung dieses Wortes — erstrebt haben. Der Satz greift im allgemeinen nur bei Verträgen Platz, bei denen der entgeltlichen Leistung des einen Teiles eine entgeltliche Leistung des anderen Teiles gegenübersteht. Einen solchen Vertrag haben die Angehörigen der Braut oder diese selbst mit K. nicht abgeschlossen. Daran ändert der Umstand nichts, daß in den Kreisen, zu denen die Beteiligten gehören, die geldliche und geschäftliche Seite einer Heirat eine bedeutsame Rolle spielt. Die Besteller der Mitgift wollten damit, soweit für den Vater keine Rechtspflicht bestand, freiwillig der Braut eine unentgeltliche Zuwendung machen, die im Geschäfte des Ehemanns verwendet werden und dazu dienen sollte, ihr eine Versorgung und sichere Zukunft zu schaffen. Durch eine unentgeltliche, nicht belastete Zuwendung wird an sich das Vermögen des Schenkgebers verringert. § 826 BGB. erfordert jedoch, daß der Ersatzpflichtige dem Ersatz-

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berechtigten Schaden zufügt, d. h. die adäquate Ursache seines Schadens setzt. W e r aus eigenem freien Willen Vermögensstücke ohne Entgelt hergibt, erleidet zwar eine Vermögenskürzung, aber keinen Schaden im Sinne des § 826; ihm wird auch kein Schade zugefügt. Sein Wille ist jedoch nicht mehr frei, wenn er durch Irrtum hervorgerufen und beeinflußt ist. Dann handelt er nicht, wie er in Wahrheit gewollt hat; sein Vermögen wird, soweit er es aus Irrtum opfert, wider seinen wirklichen Willen vermindert. Von einem Schaden im Rechtssinne wird man ferner dann nicht sprechen können, wenn der Schenkgeber -die unentgeltliche Zuwendung zu einem bestimmten Zwecke macht und der Zweck erreicht wird, so wie er ihn erstrebt hat. Seiner Leistung entspricht dann in gewissem Sinne als Gegenleistung der ideale Gewinn, den er im Auge gehabt und gewollt hat. Er wird aber im Sinne des § 826 geschädigt, wenn er über den beabsichtigten Zweck oder dessen Voraussetzungen getäuscht wird, in der Täuschung befangen zu der Freigebigkeit sich bestimmen läßt, die er ohne die Täuschung nicht gemacht hätte, und wenn der von ihm mit der Freigebigkeit verfolgte Zweck nicht erreicht wird. S o liegt der Fall hier. Vater und Brüder St. wollten die Mitgift nur hergeben, wenn der Bräutigam von dem Beklagten loskomme und nach Tilgung seiner Schuld ein namhaftes Betriebskapital behalte. Aus der nachdrücklichen Erklärung des Bruders St., daß aus der Heirat nichts werde, wenn der Schuldenstand des K. nur um ein Atom von dem von ihm angegebenen und von dem Beklagten schriftlich bestätigten abweiche, folgt weiter, daß die St., denen K. schon vorher seine Vermögensverhältnisse wahrheitswidrig geschildert hatte, ihre Tochter und Schwester unter keinen Umständen einem Manne zur Frau geben wollten, der sie fortgesetzt täuschte und belog, daher weder in kaufmännischer noch in sittlicher Hinsicht das Vertrauen verdiente, das sie für das Wohlergehen des Mädchens und für ihre eigenen persönlichen und die in Aussicht genommenen geschäftlichen Beziehungen zu dem künftigen Schwager als unerläßlich betrachteten. Mindestens in dem Sinne, daß der Ehegatte im Verhältnis zu seiner Frau und ihrer engsten Familie ein verläßlicher Mensch und Geschäftsmann sei, haben sie der Klägerin eine gesicherte Ehe verschaffen wollen, daher nur dann, wenn die schließlichen Angaben des K. über seine Vermögensverhältnisse und seine Schulden bei dem Beklagten genau der Wahrheit entsprachen, die Genehmigung zur Heirat, ohne welche die Klägerin die Ehe nicht eingegangen wäre, erteilen und die Mitgift ausfolgen wollen. Durch seine arglistige Irreführung hat der Beklagte die St. bestimmt, die Mitgift dem K., der sie in das Geschäft stecken sollte, zu behändigen. Die St. haben nicht freiwillig, sondern in dem von dem Beklagten unterhaltenen und geförderten Irrtum das Geld

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hergegeben. Der Zweck, den sie mit der Mitgift verfolgt haben, der Klägerin eine gesicherte Ehe in dem oben bezeichneten Sinne zu verschaffen, ist nicht erreicht worden. Das traurige Schicksal der Ehe hat, wie anzunehmen ist, seinen letzten Grund darin, daß die Frau des K. und ihre nächsten Angehörigen nach dem, was vorgegangen war, jedes Vertrauen in seine persönliche und geschäftliche Verlässigkeit verloren hatten und damit die Unterlage für ein gedeihliches Zusammenleben zerstört war." . . . RGZ. 88, 433 Ueber die Voraussetzungen des Zusammentreffens der Haftung aus Vertrag und aus unerlaubter Handlang. III. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 13. Oktober 1916.

I. Landgericht Cottbus.

II. Kammergericht Berlin.

Aus den G r ü n d e n : „Der Kläger ist am 21. April 1913 beim Kegelspiel auf der ihm und den Mitkeglern durch Mietvertrag zum Gebrauch eingeräumten, im Sommer offenen Kegelbahn des Beklagten über einer im Aufsatzbrett an dem üblichen Aufsatzpunkte befindlichen, wie der Beklagte wissen mußte und wußte, gefährlich glatten Aststelle ausgeglitten and hat dadurch einen Bruch des Unterschenkels erlitten. Die Klage fordert Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; der Berufungsrichter hat den Anspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt. Die Revision greift als rechtsirrig an die den Anspruch auf Schmerzensgeld stützende Annahme einer unerlaubten Handlung des Beklagten. Dieser Angriff der Revision kann für begründet nicht erachtet werden. Der Berufungsrichter begründet das Vorliegen auch einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 BGB. damit, daß die Kegelbahn als offene auch von anderen Personen als den Wirtschaftsgästen betreten und von den in Hof und Garten des Hauses spielenden Kindern benutzt worden sei. Ob dieser Gesichtspunkt einer allgemeinen Verkehrseröffnung vorliegend zutreffen und ausreichen würde, bedarf keiner Erörterung. Denn auch ohne diesen Gesichtspunkt ist zu bejahen, daß der Beklagte dem Kläger nicht nur aus dem über die Kegelbahn geschlossenen Vertrage, sondern auch wegen unerlaubter Handlung haftet. Die Rechtsprechung des RedohsgeHchts erkennt grundsätzlich an die Möglichkeit eines Zusammentreffens der Haftung aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung. Während die Entscheidung des VII. Zivilsenats vom 28. April 1908 (Jur. Wochenschr. S. 432/433) sich darauf beschränkt, im allgemeinen auszusprechen, es sei nach der Sachlage

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des Einzelfalles zu bemessen, ob die Vertragsverletzung zugleich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt, wird die Wirklichkeit eines solchen Zusammentreffens im besonderen für Körperverletzung in mehrfacher Art begründet: mit der Eröffnung eines allgemeinen, nämlich auch Dritten, mit dem Verletzer nicht in einem Vertragsverhältnis befindlichen Personen frei gestellten Verkehrs (RGZ. Bd. 85 S. 186; Jur. Wochenschr. 1904 S. 141 Nr. 9, 1910 S. 112 Nr. 13, 1911 S. 182 Nr. 7), wobei auch die Familienangehörigen, Dienstboten und sonstigen Hausgenossen des Mieters als solche dritte Personen crachtet werden (Jur. Wochenschr. 1910 S. 1003 Nr. 13); mit der allgemeinen Berufspflicht des Arztes (Jur. Wochenschr. 1911 S. 449 Nr. 17); damit, daß die Uebernahmc der Vertragspflicht den anderen Teil dazu bestimmt hat, sich in die Lage zu begeben, in der er zu Schaden gekommen ist, Urteil des VI. Zivilsenats vom 4. J a n u a r 1912 (Jur. Wochenschr. S. 338 Nr. 2). Alle diese Erwägungen bedürfen einer Ergänzung oder Berichtigung. Immer dann, wenn der Vertrag gerade nur oder gerade auch auf Fürsorge für die körperliche Gesundheit und Unversehrtheit des Vertragsgegners geht, sei es auf Vornahme von diese Gesundheit fördernden Handlungen, sei es auf Unterlassung jedes die Gesundheit gefährdenden Verhaltens, kann es darauf nicht ankommen, ob die Fürsorgepflicht gegenüber dem Vertragsgegner gleichzeitig auch daneben gegenüber Dritten besteht (Verkehrseröffnung auch für Dritte). Ebenso muß unerheblich bleiben, ob diese Fürsorgepflicht besteht auch Dritten gegenüber, welche ohne Vertragsband mit dem VerVerletzer statt des Vertragsgegners in den Handlungsbereich des Verletzers kämen (Berufspflicht des Arztes, auch wenn der Arzt zu dem behandelten Kranken nicht in einem Vertragsverhältnis steht. J u r . Wochenschr. 1911 S. 450 Sp. 1; Haftung des familenrechtlich'seinem Kinde gegenüber fürsorgepflichtigen Vaters auch aus unerlaubter Handlung, weil er auch fremden unerwachsenen Kindern für die fahrlässig offen gelassene Zugänglichkeit einer gefährlichen Maschine haften würde, RGZ. Bd. 75 S. 254). Ebenso kann nicht darauf abgestellt werden, ob gerade die Uebernahme der Vertragspflicht den Vertragsgegner erst b e s t i m m t hat, sich in die ihn alsdann schädigende Lage zu begeben (Jur. Wochenschr. 1912 S. 339 Sp. 1). Die allgemeine Rechtspflicht, niemanden körperlich zu verletzen, besteht immer und gegenüber jeder Person, gleichviel ob diese mittels Vertrags oder ohne Vertrag in den Handlungsbereich des Verletzers gekommen ist. Diese allgemeine Rechtspflicht kann dadurch n : cht beseitigt werden, daß es ein Vertrag war, durch den die Möglichkeit der Einwirkung auf den Körper des andern gegeben wurde. Auch der Vertragsgegner bleibt immer der durch § 823 BGB. Geschützte; er wird es in noch stärkerem Grade, wenn der Vertrag den Ver-

205 letzer sogar noch besonders, nämlich eben auch noch vertragsmäßig, zur Fürsorge verpflichtet. Das allgemeine Verbot widerrechtlicher Körperverletzung wird dadurch n u r i n d i v i d u a l i s i e r t und v e r s t ä r k t , daß der Vertrag dem andern sogar noch ein vereinbartes Recht auf Fürsorge, also auf das Gegenteil jeder Körperverletzung gibt. Andernfalls würde die Widerrechtlichkeit der Körperverletzung i. S. des § 823 nur darum verneint, weil dem andern noch ein weiterer besonderer Anspruch auf Unterlassung jeder Körperverletzung zusteht, — ein Ergebnis, dessen Ungereimtheit und Unerträglichkeit auf der Hand liegt. Aus diesem Grunde und schon allein aus diesem Grunde haftet auch wegen unerlaubter Handlung: der Arzt dem Kranken, den er vertragswidrig unter Nichtbeachtung medizinischer Regeln behandelt (vgl. Urt. des RG.'s vom 4. Juli 1916, Rep. III. 142/16, Warneyer 1916 S. 363 Nr. 226), der Dienstherr dem Dienstverpflichteten, dem gegenüber er die Pflichten des § 618 B G B . nicht erfüllt (Warneyer 1912 S. 287 Nr. 250), der Wirt und der Vermieter dem Gaste und Mieter, dem er vertragswidrig gefährliche Räume zur Benutzung überläßt, der Verkäufer dem Käufer, dem er vertragswidrig statt einer Seltersflasche eine Flasche mit ätzender Lauge übergibt (Jur. Wochenschr. 1908 S. 236 Nr. 9, vgl. J u r . Wochenschr. 1910 S. 749 Sp. 2 unten), der Besteller dem Unternehmer, dem er eine gefährliche Arbeitsstätte zuweist. (Jur. Wochenschr. 1910 S. 148 Nr. 10). Die Vertragswidrigkeit einer Körperverletzung hängt nicht davon ab, ob der Vertrag die Fürsorge für die körperliche Gesundheit und Unversehrtheit zum alleinigen oder hauptsächlichen Gegenstande hat, oder ob er in der Hauptsache andere Ziele bezweckt und nur nebenbei und im einzelnen Richtungen eine Fürsorgepflicht auferlegt. Ebensowenig kann für das Bestehen einer unerlaubten Handlung neben der Vertragsverletzung entscheidend sein, ob die Uebernahme der Vertragspflicht für den andern gerade bestimmend war, sich in die ihn alsdann schädigende Lage zu begeben. Wie dort einfach die Gesamtheit des Vertragsinhalts maßgebend ist, so ist hier die Allgemeinheit des Verbots ausschlaggebend, daß n : emand einen andern körperlich verletzen darf, wie auch immer der andere in den Wirkungs- und Handlungsbereich des Verletzers gekommen sein mag. Die Entscheidung Jur. Wochenschr. 1910 S. 339 Sp. 1 sagt über den Fall eines solchen bestimmenden Beweggrundes denn auch nur: , , j e d e n f a l l s d a n n sei das Gebotensein der verletzten Sorgfalt durch eine Vertragspflicht für das Wesen der unerlaubten Handlung gleichgültig". Eine völlig andere Frage liegt dann vor, wenn die allgemeine Rechtspflicht, niemand körperlich zu verletzen, durch Vertrag ge-

206 ändert, insbesondere gemindert ist. Der operative Eingriff des Arztes z. B. wird kraft des ihm durch den Rechtswillen des Kranken eingeräumten Vertragsrechts zu einem nicht rechtswidrigen (RGSt. Bd. 25 S. 378/382, RGZ. Bd. 68 S. 433/434, Jur. Wochenschr. 1910 S. 753 Nr. 13; vgl. K a r l M a n s f e l d in Leipz. Zeitschr. 1915 S. 334/339). Soweit die Einwilligung des Kranken reicht, aber auch nur so weit, ist kraft dieser der Eingriff und die Behandlung vertragsmäßig und darum überhaupt nicht rechtswidrig; ohne solche Einwilligung ist die vom Arzte vorgenommene Verletzung des Körpers des Kranken eine rechtswidrige Körperverletzung im Sinne des § 823, und dies um so mehr, wenn sie zugleich gegen die Vertragspflichten des Arztes diesem Kranken gegenüber verstößt. Ob und inwieweit der Vertrag die an sich natürlich auch zwischen den Vertragsteilen nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen geregelten Rechtsbeziehungen ändert, insbesondere die Haftung mindert, kann nur nach dem auf Gesetz oder auch auf besonderer Abrede beruhenden Inhalte des einzelnen Vertrags bemessen werden (vgl. C r o m e in D. JurZ. 1904 S. 17/20, v o n B l u m e im „Recht" 1905 S . 4 8 3 und die Prüfung dieser Frage in RGZ. Bd. 50 S. 250 und Bd. 58 S. 412). So sagt die Entscheidung des VI. Zivilsenats in Jur. Wochenschr. 1913 S. 376 Nr. 7, welche den Anspruch einer bei der Eisenbahnfahrt durch Auffahren einer Lokomotive verletzten Person behandelt und die in Jur. Wochenschr. 1904 S. 166 Nr. 4 vertretene Rechtsauffassung offensichtlich aufgibt: „Besonderheiten des Vertragsverhältnisses, mit Rücksicht auf welche auch die Haftung aus der unerlaubten Handlung als eine geminderte zu erscheinen hätte (vgl. z. B. §§ 599, 690, 277 BGB.) kommen hier nicht in Frage; vielmehr ist der Maßstab des die Haftung begründenden Verschuldens für die Anwendung der §§ 823 Abs. 1, 831 wie für den Transportvertrag grundsätzlich dieselbe (§ 276 BGB.)"; vgl. die Entscheidung des VI. Zivilsenats vom 19. Juni 1916, Rep. VI. 143/16, in Jur. Wochenschr. 1916 S. 1276 Nr. 8. Und dahin gerade geht der bereits erwähnte allgemeine Ausspruch des VII. Zivilsenats in Jur. Wochenschr. 1908 S. 432/433, durch den die in RGZ. Bd. 67 S. 185 unter Berufung auf allgemeine Grundsätze und durch Hinweis auf Jur. Wochenschr. 1904 S. 166 Nr. 4 gegebene erste Begründung unzweideutig verlassen wird. Im vorliegenden Falle kann von einer Aenderung, insbesondere Minderung der allgemeinen, aus § 823 folgenden Rechtspflicht des Beklagten durch den über die Kegelbahn geschlossenen Vertrag keine Rede sein. Die allgemeine Rechtspflicht des Beklagten war durch seine Vertragspflicht, für einen ungefährlichen Bodenbelag zu sorgen, lediglich den Keglern gegenüber festgelegt und verstärkt." . . .

207 RGZ. 90, 65 1. Zum Begriife des für den vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache im Sinne des § 536 BGB. — Unterlassung eines Widerspruchs des Mieters gegen die Hinausschiebung der Mängelbeseitigung. 2. Bedarf es, um neben der vertraglichen Haftung des Vermieters eine solche aus unerlaubter Handlung zu begründen, einer Verkehrseröffnung an der Unfallstelle? 3. Kann der Ehemann einen Schmerzensgeldanspruch Frau in eigenem Namen geltend machen?

seiner

B G B . §§ 536, 538, 823, 847, 1363, 1365, 1380. III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Würzburg.

Urt. v. 20. März 1917. II. Oberlandesgericht Bamberg.

Der Kläger und seine Ehefrau hatten im Hause des Beklagten eine Wohnung gemietet, zu welcher ein Raum in dem letzten der drei unter dem Dache übereinander liegenden Böden gehörte. Die zwölfstufige Treppe, welche den zweiten Boden mit dem dritten verbindet, hatte auf der rechten Seite — von oben gesehen — keine Stützvorrichtung, auf der linken lehnte sie sich an einen Lattenverschlag an. Unmittelbar vor ihr, d. h. da, wo sie an den dritten Boden anstieß, waren auf diesem zur Verdeckung schadhafter Stellen zwei nach Länge und Breite verschiedene Bretter aufgenagelt, welche die Dielen um einige Zentimeter überragten und Zwischenräume von 1 bis 2 cm, an einer Stelle sogar von 4'/2 cm aufwiesen. Die Frau des Klägers, welche mit ihm im gesetzlichen Güterstande der Verwaltung und Nutznießung lebt, stolperte, als sie den Boden mit einer Holzlast verließ, über das eine der beiden aufgenagelten Bretter und fiel auf die Treppe und von ihr auf den zweiten Boden hinab. Dadurch zog sie sich ein Leiden zu, welches ihre Gehund Arbeitsfähigkeit in hohem Grade beeinträchtigte. Für die Folgen des Unfalls macht der Kläger den Beklagten verantwortlich, weil er den gefährlichen Zugang zur Treppe und ihre Geländerlosigkeit schuldhaft geduldet und nicht rechtzeitig beseitigt habe. Mit der Klage verlangte er ein seiner Frau gebührendes Schmerzensgeld und Ersatz für die durch ihre Erkrankung verursachte Erhöhung der Wirtschafts- und Verpflegungskosten. Der Beklagte bestritt, daß der geschilderte Zustand der Treppe ein ordnungswidriger sei, und maß die Schuld an dem Unfall allein der Frau des Klägers bei. Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht erklärte jedoch die Ansprüche des Klägers dem Grunde nach für berechtigt. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

208 Aus den G r ü n d e n : (Zunächst wird dargelegt, daß die Feststellung d e s O b e r l a n d e s gerichts, die T r e p p e gefährde wegen der b e i d e n vor i h r e r e r s t e n Stufe aufgenagelten B r e t t e r und wegen der Geländerlosigkeit auf d e r einen S e i t e in erheblicher W e i s e a'le diejen'gen, w e l c h e sie zum A b stieg benutzten, nicht zu beanstanden sei. F e r n e r wird dargelegt, daß den B e k l a g t e n deshalb ein Verschulden treffe, weil er es auch dann noch unterlassen habe, den B o d e n und die T r e p p e auf ihre V e r k e h r s sicherheit hin zu prüfen, als der K l ä g e r ihn bei der ersten Mietzahlung am 1. J u l i 1911 auf den ordnungswidrigen und gefährlichen Zustand der T r e p p e hinwies. Darauf wird fortgefahren:) „Der Revision ist zuzugeben, daß der Begriff „des für den v e r tragsmäßigen G e b r a u c h geeigneten Zustandes" im S i n n e des § 5 3 6 B G B . nicht immer der gleiche sein und im Einzelfalle je nach der Ortssitte, der G r ö ß e , dem Z w e c k e und dem P r e : s e der g e m i e t e t e n R ä u m e eine verschiedene Beurteilung erfahren wird. F o r d e r n kann aber jeder Mieter, auch der einer kleinen Dorfwohnung, daß durch die vertragsmäßige Benutzung der Hausteile, die er z w e c k s Ausübung s e ; n e s M i e t r e c h t s betreten muß, sein K ö r p e r und seine G e s u n d h e i t nicht gefährdet werden. Ortsgebräuche, w e l c h e eine die S i c h e r h e i t des M i e t e r s in F r a g e stellende T r e p p e und ebensolche A u s b e s s e r u n gen schadhafter Bodendielen für erlaubt ha'ten, können diesem durch § 536 B G B . gewährleisteten R e c h t e keinen Abbruch tun. Sie b e r u h e n auf einer dem gesunden Rechtsgefühl und dem G e s e t z e w i d e r s t r e i t e n den Auffassung der Pflichten eines Hauseigentümers und V e r m i e t e r s und auf einer mißbräuchlichen Ausnutzung seiner Stellung dem häufig wirtschaftlich schwächeren M i e t e r gegenüber. M ' t R e c h t hat sie das Oberlandesgericht daher für unbeachtÜch e r k l ä r t . Zutreffend verneint es auch, daß aus dem Verhalten der M i e t e r auf eine Billigung des damaligen Zustandes der T r e o p c oder gar auf die Anerkennung ihrer Vertragsmäßigkeit zu schließen sei. S i e hatten mit dem Hinweis auf den „lumpeten A u f g a n g " am 1. J u l i 1911 ihre entgegengesetzte Auffassung zu erkennen gegeben. Damit hatten sie ihre Schuldigkeit getan. S a c h e des B e k l a g t e n war es nun, A b h ' l f e zu schaffen. Eine solche hat ihnen die E h e f r a u des B e k l a g t e n auch noch am 1. November 1911 durch die Zusage, „es würde alles im Hause gemacht werden", ausdrücklich versprochen. Ohne R e c h t s irrtum geht das Oberlandesgericht davon aus, daß d : e M i e t e r diese Zusicherung mit R ü c k s i c h t auf ihre B e s c h w e r d e vom 1. J u l i 1911 verständigerweise auf die B o d e n t r e p p e mitbeziehen k o n n t e n und mitbezogen haben. Die Unterlassung eines Widerspruchs gegen die Hinausschiebung der Aenderung der als gefährlich b e z e i c h n e t e n T r e p p e kann, wie der S e n a t bereits in dem zum A b d r u c k bestimmten

209 Urteile vom 6. Februar 1917 (III 306/16) ausgesprochen hat, nicht als ein einstweiliger Verzicht der Mieter auf ihre aus der ordnungswidrigen Beschaffenheit der Treppe sich ergebenden Vertragsrechte aufgefaßt werden. Sie läßt sich auch von dem Gesichtspunkte des Handelns auf eigene Gefahr gegen den Kläger und seine Ehefrau nicht verwerten. Ebensowenig ist unter den geschilderten Umständen ein Verschulden ihrerseits darin zu finden, daß sie nicht sofort zu dem ersten zulässigen Termine kündigten (Nachdem ausgeführt ist, daß der Frau des Klägers ein mitwirkendes Verschulden nicht zur Last zu legen sei, wird fortgefahren:) Die rechtliche Folgerung, daß der Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalte der Frau des Klägers sowohl aus dem Mietvertrag als auch aus unerlaubter Handlung schadensersatzpflichtig ist, läßt sich gleichfalls nicht beanstanden. Vergeblich sucht die Revision die Haftung aus § 823 B G B . mit dem Hinweis auf den beschränkten Verkehr, dem die Treppe zu dienen bestimmt war, zu bekämpfen. Der Senat hat schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß es zu ihrer Begründung in einem Falle wie dem vorliegenden einer Verkehrseröffnung überhaupt nicht bedürfe (vgl. Urte'le vom 13. Oktober 1916, III. 145/16 und vom 6. Februar 1917 III. 306/16*). Ein jeder, der die Einwirkung seiner Sache auf den Körper eines anderen gestattet, hat die Pflicht, die von ihr diesem drohenden Gefahren, soweit er sie kennt oder bei Anwendung der verkehrsgebotenen Sorgfalt kennen muß, mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln möglichst hintenanzuhalten. Tut er das nicht, macht er sich aus § 823 B G B . verantwortlich. Ist er dem anderen zu der gleichen Maßnahme auf Grund eines Vertrags noch besonders verbunden, so wird dadurch jene allgemeine Rechtspflicht dem Vertragsgegner gegenüber nicht berührt. Sie besteht jedenfalls neben der Vertragspflicht des Schuldners und unabhängig v o n ihr fort, und die Verletzung beider löst neben den vertraglichen Folgen die Rechtsnachtcile aus § 823 B G B . aus. Der Kläger kann daher den i h m aus dem Unfälle seiner Ehefrau erwachsenen Schaden sowohl aus der Verletzung seines sich auch auf seine Angehörigen erstreckenden Mietrechts (vgl. RGZ. Bd. 81 S. 214 flg.) als auch aus § 845 B G B . , den der Verunglückten selbst aber nach § 1380 B G B . in eigenem Namen geltend machen. Diese letztere Befugnis bezieht sich auch auf den Schmerzensgeldanspruch seiner Frau. E r hat zwar nicht den Ersatz eines Vermögensschadens zum Gegenstande, ist aber, weil die Entschädigung in Geld zu leisten ist, ein vermögensrechtlicher Anspruch. Da er in den §§ 1366 bis 1370 BGB., welche die Bestandteile des Vorbehalts*) S. Bd. 88 S. 433 (abgedr. weiter oben in diesem Abschnitt). Zivils. Sdiuldrccht 9

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guts erschöpfend aufzählen, nicht mitaufgeführt ist, gehört er notwendigerweise zum eingebrachten Vermögen der Ehefrau (§§ 1363, 1365 BGB.)*). Gegen diese Eigenschaft und gegen die Anwendung des § 1380 BGB. läßt sich auch aus der Vorschrift des zweiten Satzes des § 847 Abs. 1 a. a. 0 . nichts herleiten. Danach darf der vertraglich nicht anerkannte und noch nicht rechtshängige Anspruch auf Schmerzensgeld nicht übertragen und daher auch nicht mit einem Nießbrauche belastet werden (§ 1069 Abs. 2 BGB.). Aber die Nutznießungsbefugnis des Ehemanns ist rechtlich kein Nießbrauch. Sie hat nur ähnliche Rechtswirkungen wie dieser. Der Mann erwirbt die Früchte des eingebrachten Frauenguts wie ein Nießbraucher (§ 1383 BGB.). Die Nutznießung ist keine Dienstbarkeit im Sinne des 5. Abschnitts des 3. Buches des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sondern hat ihre Wurzel lediglich in dem Wesen der Ehe, in den gegenseitigen nahen Beziehungen der Ehegatten zueinander und bildet ein« entsprechende Ausgleichung der Pflicht des Ehemanns zur Bestreitung des ehelichen Aufwandes (§ 1389 BGB.). Freilich verlangt der Kläger Zahlung nicht an die Verletzte, sondern an sich selbst. Aber auch dagegen sind Bedenken nicht zu erheben, da seine nach dem Tatbestande des landgeniehtlichen Urteils vorgetragene Behauptung, seine Ehefrau sei mit der Einklagung und Vereinnahmung ihrer Schmerzensgeldforderung durch ihn einverstanden, von dem Beklagten nicht bestritten worden ist." RGZ. 90, 106 Wie verhalten ach die Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB. zueinander? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Köln.

Urt. v. 29. März 1917. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Kläger hat dem Anstreichermeister H. gegen zweite, auf dessen in Mühlheim am Rhein belegenes Haus nach einem Sparkassendarlehen von 35 000 M. eingetragene Hypothek im August 1910 ein Darlehen von 8000 M. gewährt. Der Wert des Hauses war in einer von dem vereidigten Taxator He. in Mühlheim a. Rh. gefertigten Taxe vom 28. Mai 1909 auf 71 000 M. geschätzt worden. Unter diese Taxe hatte der Beklagte am 15. Juni 1909 folgenden Vermerk gesetzt: „Die vorstehende Wertschätzung . . . . wurde in ihren Einzelsätzen auf Grund örtlicher Besichtigung geprüft und mit den bestehenden Wertverhältnissen übereinstimmend gefunden; auch ich schätze demgemäß den Wert des Hauses auf 71 000 M." •} Vgl. auch Bd. 139 S. 289 (292) (abgedr. unter „Nebengesetze 1").

Unerlaubte Handlungen

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Vor der Beleihung des Hause* durch den Kläger hatte sich H. eise Abschrift der Taxe geben lassen, deren Richtigkeit unter dem 10. August 1910 von dem Beklagten bescheinigt worden ist. Am 19. Dezember 1912 wurde das H.sche Haus zwangsweise versteigert, wobei nicht einmal die erste Hypothek vollständig ausgeboten wurde. Der Kläger, der behauptet, er habe im Vertrauen auf die Richtigkeit der Taxe dem H. das Darlehen gewährt, macht den Beklagten auf Grund des § 826 BGB. für den ihm durch den Ausfall entstandenen Schaden verantwortlich, indem er weiter behauptet, der Beklagte habe die Richtigkeit der Taxe bestätigt, ohne den Sachverhalt selbst geprüft zu haben. Der Beklagte, der behauptet, das hier fragliche Haus habe zur Zeit der Abschätzung den in der Taxe angegebenen Wert gehabt, beantragt die Abweisung der Klage. Diesem Antrage haben die Vorinstanzen entsprochen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Aus den G r ü n d e n : „Der Revision war der Erfolg nicht zu versagen, da die Rüge einer Verletzung des § 826 BGB. begründet erscheint. Das Berufungsurteil läßt es dahingestellt, ob die Handlungsweise des Beklagten, nämlich die von ihm vorgenommene Schätzung und die Bestätigung der Richtigkeit der Taxe von He., für den dem Kläger entstandenen Schaden ursächlich war. Es läßt auch die Frage offen, ob der Beklagte durch seine Handlungsweise gegen die guten Sitten verstoßen hat, und gelangt zur Zurückweisung der gegen das klagabweisende erste Urteil gerichteten Berufung des Klägers lediglich auf Grund der Erwägung, es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte „vorsätzlich" im Sinne des § 826 BGB. gehandelt habe. In dieser Hinsicht legt es dar, daß zu einem derartigen „Vorsatz" auch der sog. dolus eventualis genüge, d. h. das Bewußtsein des Handelnden, daß der schädigende Erfolg eintreten könne, sofern er diese Möglichkeit nur in sieinen Willen aufgenommen und damit gebilligt habe. Das Reichsgericht habe allerdings auch ausgesprochen, daß in besonders gearteten Fällen eine besonders gesteigerte Fahrlässigkeit, die sich als äußerste Leichtfertigkeit, als Gewissenlosigkeit darstelle, genüge, um Vorsatz anzunehmen. . . . Dabei sei aber der Nachweis besonderer Umstände erforderlich, die eine Arglist erkennen ließen. Besondere Umstände in dieser Richtung seien nicht dargetan. Denn wenn der Beklagte ohne eigene Prüfung die Taxe des He. als richtig bestätigt, der Sachkunde und Gewissenhaftigkeit des ortskundigen He. blindlings vertraut habe, so beweise dies nur große Leichtfertigkeit; für eine „Arglist" sei aber aus einem solchen Verhalten nichts zu entnehmen. Diese Darlegungen geben schon deshalb zu erheblichen rechtlichen Bedenken Anlaß, weil das Berufungsgericht die einzelnen TatH*

212 bestandsmerkmale, die der § 826 BGB. aufstellt, nicht scharf auseinandergehalten hat. In dieser Hinsicht ist nämlich von folgenden rechtlichen Gesichtspunkten auszugehen. Der § 826 BGB. verlangt einmal das Vorliegen einer Handlungsweise, die gegen die guten Sitten verstößt, also die Feststellung eines o b j e k t i v e n Tatbestandes, der ein sittenwidriges Handeln darstellt. Aber nicht eine jede sittenwidrige Handlung erzeugt einen Schadensersatzanspruch auf Grund des § 826 BGB. Vielmehr erfordert diese Vorschrift weiter, daß die sittenwidrige Handlungsweise mit dem V o r s a t z e der Schadenszufügung verbunden ist: es muß also einmal durch die sittenwidrige Handlung einem andern ein Schade entstanden sein, und sodann ist es erforderlich, daß der Vorsatz des Handelnden auf die Schadenszufügung gerichtet war. Als ein derartiger Vorsatz genügt auch schon das bloße Bewußtsein des Täters, daß seine Handlungsweise geeignet ist, einem andern Schaden zuzufügen, und daß er diese Möglichkeit in seinen Willen aufgenommen und gebilligt hat. Diese scharf zu scheidenden Tatbestandsmerkmale werden von dem Berufungsgericht insofern nicht auseinandergehalten, als es zunächst ganz zutreffend davon ausgeht, die Schadenszufügung müsse vorsätzlich oder doch mindestens mit dem Bewußtsein erfolgt sein, daß der schädigende Erfolg eintreten könne, dann jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts darzulegen sucht, daß in dieser Hinsicht in besonders gearteten Fällen auch eine gesteigerte Fahrlässigkeit genüge, die sich als Gewissenlosigkeit oder als Arglist charakterisiere. D:e>enigen Entscheidungen des Reichsgerichts, die das Berufungsgericht in dieser Hinsicht anführt, beziehen sich aber gar nicht auf die Frage, ob im gegebenen Falle der Täter den Schaden vorsätzlich zugefügt hat, sondern lediglich darauf, ob seine Handlungsweise als ein „Verstoß gegen die guten Sitten" an2usehen sei. Wenn demnach das Berufungsgericht 'm Eingange seiner Entscheidungsgründe ausdrücklich erklärt hat, es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte gegen die guten Sitten verstoßen habe, so stehen seine weiteren Darlegungen, die lediil'ch die Frage erörtern, ob der Beklagte „gewissenlas oder arglistig" gehandelt, damit in einem unvereinbaren Widerspruche. Denn die Frage der gewissenlosen oder arglistigen Handlungsweise ist nur dann und insoweit aufzuwerfen, a's es sich darum handelt, zu prüfen, ob die Handlungsweise des Beklagten gegen die guten Sitten verstößt. Wird dagegen untersucht, ob eine Schadenszufügung vorsätzlich erfolgt sei, so ist lediglich zu prüfen, ob der Beklagte den Schaden mit Vorsatz oder mindestens mit dem Bewußtsein zugefügt hat, daß seine Handlungsweise den Schaden zur Folge haben konnte. Das Berufungsgericht hat nun in dieser Hinsicht lediglich die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe ohne eigene Prüfung die

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T a x e des He. als richtig bestätigt und der Sachkunde und Gewissenhaftigkeit des ortskundigen He. blindlings vertraut, als nicht ausreichend erachtet, um aus einem solchen Verhalten eine „Arglist" des Beklagten zu entnehmen. Daraus hat es die Schlußfolgerung gezogen, daß „mangels Nachweises einer vorsätzlichen Schadenszufügung im Sinne des § 826 B G B . " die Klage mit Recht abgewiesen worden sei. J e n e von ihm geprüfte Behauptung des Klägers bezog sich aber lediglich auf die Frage, ob der Beklagte sittenwidrig gehandelt habe, so daß also irgendwelche Tatsachen, die sich auf die Frage beziehen, ob der Beklagte sich einer vorsätzlichen Schadenszufügung im Sinne des § 826 B G B . schuldig gemacht hat, von dem Berufungsgericht in Wirklichkeit gar nicht geprüft worden sind. Dabei mag übrigens noch hervorgehoben werden, daß in vielen Fällen die Frage, ob die Schadenszufügung vorsätzlich erfolgt ist, von der Beantwortung der andern Frage, ob die Handlungsweise des Beklagten gegen die guten Sitten verstoßen hat, sich nicht trennen lassen wird. Es erscheint deshalb in der Regel auch nicht unbedenklich, die Frage unerörtert zu lassen, ob das Verhalten des Beklagten gegen die guten Sitten verstößt, und lediglich zu untersuchen, ob die Schadenszufügung eine vorsätzliche war oder nicht, wie dies das Berufungsgericht beabsichtigt hat. Denn aus der Art und Weise, in der sich das sittenwidrige Verhalten kundgibt, wird nicht selten auch zu folgern sein, ob der Beklagte mit dem Vorsatze der Schadenszufügung gehandelt hat. Nur in diesem Sinne wird man einzelne Wendungen in dem vom Berufungsgericht angezogenen Urteile des erkennenden Senats vom 8. Mai 1916, VI. 24/16 (Warn. 1916 Nr. 254 insbes. S. 415) zu verstehen haben. Daß aber grundsätzlich die vorsätzliche Schadenszufügung von dem Verstoße gegen die guten Sitten scharf zu scheiden ist, wird in mehreren Entscheidungen des Reichsgerichts besonders betont. S o heißt es in RGZ. Bd. 72 S. 175 insbes. 176: „ J e n e Gesetzesbestimmung erfordert vorsätzliche Schadenszufügung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise. . . . Ein doloses, arglistiges Verhalten wird zur Annahme eines Verstoßes wider die guten Sitten n : cht erfordert; auch die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt kann in besonders gearteten Fällen einen solchen Verstoß enthalten, und auch hierbei kann sich der Handelnde ebensogut der Möglichkeit einer Vermogensbeschädigung bewußt sein wie im Falle arglistigen Handelns." Ebenso hebt die Entscheidung des Reichsgerichts vom 20. Oktober 1913, VI. 228/13 (Warn. 1914 Nr. 122) ausdrücklich hervor, daß die mit Bewußtsein vom Nichtwissen oder mit Bewußtsein ohne Ueberzeugung aufgestellte Behauptung bestimmter Tatsachen als eine arglistige und deshalb sittenwidrige Handlung im Sinne des § 826 B G B . anzusehen ist. —

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Hiernach unterliegt das angefochtene Urteil wegen Verletzung des § 826 BGB. der Aufhebung." . . . RGZ. 90, 226 Kann kn Falle des § 844 Abs. 2 BGB. dem Unterhaltsberechtigten eine Geldrente auf dessen Lebenszeit zugesprochen oder muß stets die mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten ermittelt werden? VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Halle a. S.

Urt. v. 14. Mai 1917.

II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Der Ehemann der Klägerin ist im Jahre 1912 im Werke der Beklagten tödlich verunglückt. Nachdem der Anspruch der Klägerin auf Schadensersatz dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt worden war, hat das Berufungsgericht ihr eine jährliche Unterhaltsrente von 1260 M. a u f i h r e L e b e n s z e i t zugesprochen. Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Aus den G r ü n d e n : Die Revision bemängelt mit Recht, daß das Berufungsurteil der Klägerin die Unterhaltsrente auf ihre Lebenszeit zugesprochen und es unterlassen hat, diese zeitlich auf die mutmaßl : che Lebensdauer des Verunglückten abzugrenzen, da insoweit eine Verletzung des § 844 BGB. vorliegt. Das Berufungsgericht hat zwar diese Vorschrift anscheinend nicht übersehen, aber durch unrichtige Anwendung verletzt. Es führt nämlich in dieser Hinsicht folgendes aus: „Der Unterhaltsanspruch der Ehe f r a u besteht während der ganzen Dauer der Ehe, er findet also seine zeitliche Begrenzung lediglich in dem Tode eines der beiden Ehegatten. Daher ist auch die Schadensersatzrente der Klägerin auf Lebenszeit zuzusprechen, falls nicht zu vermuten ist, daß der Getötete vor ihr verstorben sein würde. Hierfür liegt jedoch kein Anhalt vor." Alsdann wird im einzelnen dargelegt, daß, da der Ehemann zur Zeit des Unfalls völlig gesund und nur zwei Jahre älter als seine Ehefrau war, keinesfalls anzunehmen sei, daß die Frau den Mann überlebt haben würde. In diesen Erwägungen tritt die rechtsirrtümliche Auffassung der Vorschrift des § 844 Abs. 2 BGB. und ihres Zweckes zutage. Jener Auffassung steht schon der an sich klare Wortlaut des Gesetzes entgegen. Dies gewährt nämlich der durch den Tod eines Unterhaltspflichtigen geschädigten Person eine Geldrente gegenüber dem Schädiger nicht schlechthin, sondern nur soweit, „als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde". Daraus ergibt sich, daß die nach § 844 Abs. 2 BGB. zu leistende Rente von vornhere'n auf die mutmaßliche Lebensdauer des getöteten Unterhaltspflichtigen

Unerlaubte Handlungen zeitlich begrenzt ist. Dieser Zeitpunkt allein ist deshalb für die Abgrenzung der zeitlichen Dauer der Rente maßgebend und muß vom Gerichte durch entsprechende Feststellung und Schätzung gemäß § 287 ZPO. ermittelt werden. Es ist somit grundsätzlich verfehlt, die Rente unter Zugrundelegung der Lebensdauer des Unterhaltsberechtigten zeitlich zu begrenzen; und es geht auch nicht an, eine derartige Begrenzung mit der Erwägung vorzunehmen, daß der unterhaltspflichtige Getötete vermutlich ebenso lange gelebt haben würde, wie der Unterhaltsberechtigte, der die Rente begehrt. Denn mit einem derartigen auf die Lebensdauer des Berechtigten lautenden Ausspruche wird in Wirklichkeit die Dauer der Rente zeitlich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt begrenzt, sondern auf einen Zeitraum von ganz ungewisser Dauer (nämlich auf die Lebensdauer des Berechtigten) zugesprochen, während es die Aufgabe des über den Rentenanspruch entscheidenden Richters ist, die dem Unterhaltsberechtigten zustehende Rente gemäß § 844 Abs. 2 BGB. zeitlich genau zu begrenzen, mag die Ermittelung dieses Zeitpunkts in manchen Fällen auch mit Schwierigkeiten verknüpft sein. Auf keinen Fall kann dem Unterhalbsberechtigten, wie kurz oder lang auch seine Lebensdauer sein möge, die Rente für einen längeren Zeitraum zugesprochen werden, als für die mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten. Wenn in einzelnen Wendungen älterer Entscheidungen des Senats eine andere Ansicht zutage getreten sein sollte (vgl. RGZ. Bd. 64 S. 33, insbes. S. 35; vgl. jedoch auch Jur. Wochenschr. 1908 S. 109 Nr. 7), so kann insoweit daran nicht festgehalten werden. Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man auf Grund der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. In der amtlichen Begründung (Bd. 2 S. 786 flg.) zu dem 1. Entw. des § 724 B G B . (jetzt § 844) sind eingehende Erwägungen darüber angestellt worden, ob und in welcher Weise die dem Unterhaltsberechtigten zu gewährende Rente zeitlich zu begrenzen sei. In Anlehnung an die damalige neuere Rechtsprechung, insbesondere auch des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 5 S. 108, Bd. 7 S. 50, Bd. 13 S. 7), hat man sich dann dahin entschieden, daß die Rente unter allen Umständen auf die mutmaßliche Lebensdauer des Getöteten zu begrenzen sei. Daran ist auch bei der Beratung des Entwurfs in der Kommission für die 2. Lesung (Prot. Bd. 2 S. 621 flg.) festgehalten und dem gesetzgeberischen Gedanken lediglich durch eine Fassungsänderung des Entwurfs noch ein klarerer Ausdruck gegeben worden. Endlich weist auch die gemäß § 844 Abs. 2 B G B . entsprechend anwendbare Vorschrift des § 843 Abs. 3 B G B . darauf hin, daß der Zeitpunkt, bis zu welchem die Geldrente zu gewähren ist, genau und zwar kalendermäßig bestimmt sein soll. Denn danach kann statt

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der Rente eine Abfindung in Kapital verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Eine solche Kapitalabfindung läßt sich aber dann viel einfacher, genauer und leichter berechnen, wenn es sich um die Umwandlung einer zeitlich abgegrenzten Rente handelt, als wenn die Rente auf die ganz ungewisse Lebensdauer des Berechtigten zugesprochen wird. Nach alledem ist der Vorschrift des § 844 Abs. 2 BGB. nur dann in einer dem Gesetz entsprechenden Weise Genüge geleistet, wenn spätestens in dem Verfahren über die Höhe des Rentenanspruchs dieser nach Maßgabe der mutmaßlichen Lebensdauer des unterhaltspflichtigen Getöteten kalendermäßig abgegrenzt wird." . . . RGZ. 91, 60 1-2 *) t 3. Widerrechtliche Entziehung des Besitzes der Telegrammurkunde seitens des Post- und Telegraphenbeamten, der ein bestelltes Telegramm bei dem Empfänger ohne dessen Willen wieder abholen läBt. Haftung des Reichspostfiskus für den dem Empfänger dadurch entstandenen Schaden. Inhalt des Schadensersatzanspruchs. 4. Rechtliche Bedeutung der Reichstelegraphenordnung vom 16. Juni 1904 (RZentrBl. S. 229)**) BGB. §§ 823, 831. VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Straßburg.

Urt. v. 25. Otkober 1917. II. Oberlandesgericht Colmar.

Aus den G r ü n d e n : Die Telegraphenordnung vom 16. Juni 1904 (RZentrBl. S. 229) bestimmt, daß ein Telegramm, das durch die Ursprungsanstalt (Aufgabestation) bereits befördert worden ist, nur durch e'n besonderes Diensttelegramm von Amt zu Amt (§ 22 II) zurückgezogen werden kann (§ 18 II). War das zurückzuziehende Telegramm dem Empfänger bereits zugestellt, so wird er von der Zurückziehung durch Aushändigung des erwähnten Diensttelegramms benachrichtigt und dem Absender hiervon Kenntnis gegeben (§ 18 II). Gegen diese Bestimmung ist im gegebenen Falle verstoßen worden, indem dem Telegraphenboten durch den diensttuenden Postsekretär der Auftrag erteilt wurde, das bereits abgegebene erste Telegramm zurückzuholen, und der Telegraphenbote diesen Auftrag ausführte. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts hat der Telegraphenbote in der Woh*) Geringere Bedeutung. *») Aenderungen: RGBl. I 1916, S. 741; 1917 S. 562; 1919 S. 626, 1726; 1920 S. 1219; 1921 S. 250, 1600; 1922 S. 732, 839, 901; 1923 S. 52, 128, 397, 631, 932, 998, 1175.

217 nung des noch nicht heimgekehrten Klägers das Dienstmädchen gefragt, ob ein Telegramm aus W. für den Kläger gekommen sei. Auf die Antwort, es liege ein Telegramm da, ließ der Telegraphenbote es sich von dem Dienstmädchen geben, eröffnete es, stellte fest, daß es aus W. sei, sagte dem Dienstmädchen, er müsse es wieder mitnehmen, und entfernte sich damit. Ein weiterer Verstoß gegen die Telegraphenordnung fällt dem diensttuenden Postsekretär zur Last, indem er eine Stunde später dem auf dem Postamt erschienenen Kläger die Herausgabe des ordnungswidrig abgeholten Telegramms oder die Mitteilung des Inhalts verweigerte. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß dem Telegraphenboten wie dem diensttuenden Postsekretär eine strafbare Handlung (§§ 242, 299, 355 StGB.) nicht zur Last fällt; für den Tatbestand dieser Vergehen fehlt es vor allem an den persönlichen (subjektiven) Merkmalen. Die Telegraphenordnung hat ferner nicht den Charakter eines Gesetzes; sie ist eine Verwaltungsverordnung, die zugleich die stillschweigende Unterlage für den Beförderungs-werkvertrag zwischen der Telegraphenverwaltung und dem Absender bildet; zwischen denn Empfänger des Telegramms und der Telegraphenverwaltung entsteht ein Vertragsverhältnis überhaupt nicht. Schon daraus ergibt sich, daß sich der Beklagte dem Kläger gegenüber nicht auf § 21 I der Telegraphenordnung berufen kann, wonach die Telegraphenverwaltung für die richtige Ueberkunft der Telegramme oder deren Ueberkunft und Zustellung innerhalb best'mmter Frist keine Gewähr übernimmt und Nachteile, die durch Verlust, Entstellung oder Verspätung der Telegramme entstehen, nicht zu vertreten hat. Die Bestimmung trifft schon dem Wortlaute nach nur das Verhältnis zwischen dem Absender und der Telegraphenverwaltung. Die Voraussetzungen des § 211 treffen aber auch nicht zu. Das Telegramm war weder verlorengegangen noch ist es entstellt oder verspätet bestellt worden; das erste Telegramm wurde ordnungsmäßig bestellt und dem Empfänger ordnungswidrig wieder entzogen. Eine entsprechende Anwendung anderseits der §§ 434, 435 HGB., wonach der Frachtvertrag in gewissem Sinne als ein Vertrag zugunsten des Empfängers als dritten erscheint, auf den Telegraphenbeförderungsvertrag ist, wie die Revision mit Recht geltend macht, nicht zulässig (vgl.-RGZ. Bd. 43 S. 98, Bd. 60 S. 27, wo dies für die gleichgeartete Postbeförderung von Briefen und Postanweisungen ausgesprochen ist). 4. Damit scheidet ebenso eine Haftung des Beklagten aus einem strafrechtlichen Schutzgesetze, gegen das seine Beamten verstoßen hätten, wie aus dem Beförderungsvertrag in Verb, mit § 278 BGB., anderseits auch eine Entlastung des Beklagten einer sonstigen Haftung gegenüber aus dem Gesichtspunkte des § 211 der Telegraphenordnung aus. Dem Berufungsgericht ist aber darin beizutreten, daß

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die Wiederabholung des vorher bestellten Telegramms beim Kläger durch den Telegraphenboten und deren Anordnung durch den diensttuenden Postsekretär gegenständlich den Tatbestand einer unerlaubten Handlung nach § 823 Abs. 1 BGB. erfüllen, für deren Ausführung durch die von ihm angestellten Beamten der Beklagte nach § 831 BGB. haftbar ist; er hat für den Schaden aufzukommen, den seine Angestellten in Ausübung der ihnen aufgetragenen Verrichtungen einem Dritten widerrechtlich zufügten. Der Kläger hatte durch Aushändigung des Telegramms an das Dienstmädchen den Besitz der ausgefertigten Telegrammurkunde erlangt (§§ 854, 855 BGB.). Ob damit zugleich eine Eigentumsübertragung stattgefunden hat, oder ob die für die Erwerbung des Eigentums seitens des Klägers erforderliche Willensbetätigung dessen Kenntnis von dem Telegramme zur Voraussetzung hat, wie die Revision ausführt (vgl. RGZ. Bd. 83 S. 223, 229 flg.), kann dahingestellt bleiben. Es genügt für die Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB. ein gegenständlich widerrechtlicher Eingriff in den Besitz des Klägers; der Besitz wird in Ansehung des Rechtsschutzes gleich einem Rechte behandelt und fällt deshalb unter die „sonstigen Rechte" des § 823 Abs. 1 BGB. (RGZ. Bd. 59 S. 326). Sowohl der Telegraphenbote als der Postsekretär, der diesem den rechtlich unzulässigen Auftrag zur Wiederabholung des Telegramms beim Kläger gab, haben eine widerrechtliche Entziehung des Besitzes an der Telegrammurkunde gegenüber dem Kläger ausgeführt. Ein Verschulden mag hierbei nur den Postsekretär treffen, der die Telegraphenordnung, die das richtige Verfahren vorsieht, kennen mußte, während der Telegraphenbote nur nach seinem Dienstauftrage handelte. Die Bestimmung des § 831 BGB. setzt aber ein Verschulden des Angestellten auch nicht voraus. Einen Entlastungsbeweis aus § 831 BGB. hinsichtlich der sorgfältigen Auswahl der in Betracht kommenden Angestellten, des Postsekretärs und des Telegraphenboten, hat der Beklagte nicht angetreten. Die Revision macht geltend, daß nach der Sachlage, bei der der Beklagte auf die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung nicht gerechnet habe und nicht habe rechnen müssen, das Berufungsgericht Veranlassung gehabt habe, nach dem Bewe : santrdtt in dieser Richtung gemäß § 139 ZPO. zu fragen. Indessen war nicht nur schon in der Klageschrift auf die Haftung des Bek'agten für seine Beamten verwiesen; es lag auch die Anwendung dieser Gesetzesbestimmung nahe genug, um den Beklagten von selbst zu einem Beweisantritte zu veranlassen, so daß e*ne Verpflichtung dies Gerichts, auf eine Ergänzung des Parteivortrags durch Ausübung des Fragerechts hinzuwirken, nicht anerkannt werden kann. Ob, wie das Berufungsgericht annimmt, neben der Verantwortlichkeit für seine Beamten dem Beklagten auch ein Mangel in der Betriebsleitung zur Last zu legen ist, weil bei ge-

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höriger Unterweisung der Beamten Aufträge, wie «inen solchen der Pastsekretär im gegebenen Falle dem Telegraphenboten erteilt hat, ausgeschlossen erscheinen müssen, kann unter diesen Umständen unerörtert bleiben. 5. Was den Inhalt des Schadensersatzanspruchs des Klägers angeht, so meint die Revision, der Anspruch könne nur auf Wiederherstellung des entzogenen Besatzes an der Urkunde, auf Rückgabe des Telegramms gehen, und sei deshalb gegenstandslos, weil das Telegramm nachträglich dem Kläger ausgehändigt worden sei. Was der Kläger begehre, sei ein Anspruch aus Vermögensbeschädigung, die nicht die Grundlage eines Schadensersatzanspruchs nach §§ 823, 831 BGB. bilden könne. Das ist irrig. Die Handlung, deren gegenständliche Rechtswidrigkeit den Beklagten als Geschäftsherrn nach § 831 haftbar macht, ist die Besitzentziehung an der Telegrammurkunde, also der Eingriff in ein „sonstiges Recht", nicht eine bloße Vermogensbeschädigung. Nur die Schadensfolgen sind vermögensrechtliche, wie dies auch bei einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit der Fall zu sein pflegt, wo die Vermögensnachteile auszugleichen sind, die der Verletzte infolge der Einbuße an seiner Erwerbsfähigkeit erle ; det. Ueberall, „wo die Wiederherstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend" ist, hat der Ersatzpflichtige den Beschädigten nach § 251 BGB. in Geld zu entschädigen, und diese Entschädigung umfaßt nach § 252 BGB. auch den entgangenen Gewinn. Der Kläger war durch Entziehung des Besitzes der Telegrammurkunde außerstand gesetzt, vom Inhalte des Vertragsangebotes der Firma B. Kenntnis zu erhalten und das Angebot selbst anzunehmen; er ist dadurch der Vorteile, die ihm das Geschäft gebracht hätte, verlustig gegangen. Es kommt nur auf die tatsächliche Feststellung an, ob er bei ordnungsmäßiger Behandlung des Telegramms durch die Beamten zu dem Abschlüsse des für ihn wertvollen Vertrags mit B. gelangt sein würde. . . . RGZ. 91, 72 1. Kann der Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH., der in dieser Eigenschaft gehandelt hat, im Sinne des § 831 BGB. als von einem anderen Geschäftsführer derselben Gesellschaft zu einer Verrichtung bestellt angesehen werden? 2. § 1 des Reichsgesetzes über die Sicherung der Bauforderungen als Schutzgesetz zugunsten der Bauhandwerker und Baulieferanten. Seine Stellung zu § 5 des Gesetzes. Wer ist Baugeldempfänger? Gegenständlicher und persönlicher Tatbestand des § 1. Verhältnis der unerlaubten Handlung nach § 1 des Gesetzes zum Tatbestande des § 826 BGB.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

3. Haftung der Vertreter einer juristischen Person für die Befolgung der Vorschrift des § 1 des Gesetzes neben der Haftung der juristischen Person selbst. BGB. §§ 30, 31, § 823 Abs. 2, §§826, 831. Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen vom 1. Juni 1909 RGBl. S. 449. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 18. Oktober 1917.

I. Landgericht III Berlin.

II. Kammergericht

daselbst.

Die Kläger waren Bauhandwerker und hatten im Jahre 1912 zum Bau des Hauses Fredericiastraße 14 in Charlottenburg dem Bauherrn, der Gesellschaft mbH. Grundstücksgesellschaft Fredericiastraße 14, deren einzige Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte und der Rentner N. waren, Baustoffe und Bauarbeiten geliefert und geleistet. Daraus standen ihnen noch Restforderungen zu, wegen deren sie gegen den Beklagten persönlich Klage erhoben. Die Klage wurde darauf gestützt, daß die Geschäftsführer der Gesellschaft die von der Rheinischen Hypothekenbank gegebenen Baugelder zum Teil nicht zur Befriedigung der Bauhandwerker verwendet hätten, wofür der Beklagte hafte und wodurch er die Kläger vorsätzlich und durch Uebertretung des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen als eines Schutzgesetzes geschäd : gt habe. Denn die Gesellschaft sei mittellos; das Baugrundstück selbst habe der Beklagte in der Zwangsversteigerung erstanden. Das Landgericht wies die Klage ab, die Berufung der Kläger wurde zurückgewiesen. Auf die Revision der Kläger wurde das Urteil des Kammergerichts aufgehoben aus folgenden Gründen: ..Die Kläger stützen ihre Ansprüche gegen den Beklagten einmal auf die §§ 1, 5 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen vom 1. Juni 1909, indem sie geltend machen, daß der Beklagte als Geschäftsführer der Gesellschaft mbH. Grundstücksgesellschaft Fredericiastraße 14 zu Charlottenburg neben dem zweiten Geschäftsführer N. für die gesetzwidrige Verwendung der Baugelder, die von der Rheinischen Hypothekenbank mit 240 000 M. bewilligt wurden und in Höhe von 210 000 M. zur Auszahlung kamen, verantwortlich sei. Es seien 14 000 M. an die Holzhandlung St. gezahlt worden, die überhaupt keine Lieferungen für den Bau gemacht habe, und es seien weiter Beträge an Provisionen für Beschaffung des Baudarleheo sowie für Gehälter und Bürokosten der Gesellschaft mbH. aus den Baugeldern entnommen worden, was dem angeführten Gesetze zuwiderlaufe. Die Kläger berufen sich ferner auf § 831 BGB.: wenn

221 dem N., wie der Beklagte geltend mache, allein die ungesetzliche Verwendung der Baugelder zur Last falle, sei er als eine von dem Beklagten zu einer Verrichtung bestellte Person im Sinne des § 831 anzusehen und deshalb der Beklagte für die rechtswidrige Handlungsweise des N. mithaftbar. Endlich gründen die Kläger ihre Ansprüche auch auf § 826 BGB. unter der Behauptung, daß der Beklagte darauf ausgegangen sei, das Grundstück mit dem fertigen Bau auf Kosten der Bauhandwerker durch Zwangsversteigerung billig an sich zu bringen, wie er denn auch zu diesem Zwecke auf seinen Namen eine Grundschuld hinter die zunächst eingetragenen 490 000 M. auf dem Baugrundstücke habe eintragen lassen, ohne eine Forderung gegen die Gesellschaft mbH. zu haben, wodurch der Kredit der Gesellschaft schwer erschüttert worden sei. Er habe aber auch von den unzulässigen Machenschaften des N. gewußt und sie nicht gehindert, und auch dadurch werde der Tatbestand des § 826 BGB. erfüllt. Das Berufungsgericht hat die Anwendbarkeit des § 826 verneint, weil ein sittenwidriges Handeln des Beklagten nicht nachgewiesen sei. Für die Geschäftstätigkeit des N. erachtet es den Beklagten nicht für verantwortlich. N. habe die Verträge mit den Bauhandwerkern geschlossen, ohne daß der Beklagte daran beteiligt gewesen »ei; er sei aber gleich dem Beklagten gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft mbH. und nicht Angestellter des Beklagten nach § 831 BGB. gewesen. Aus §§ 1, 5 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 endlich könne nur die Gesellschaft und daneben derjenige ihrer Geschäftsführer in Anspruch genommen werden, welcher das Baugeld in Empfang genommen und darüber verfügt habe, eben der Geschäftsführer N. Die gegen diese Ausführungen gerichtete Revision der Kläger war für begründet zu erachten, insoweit sie s'ch gegen die Ablehnung der Haftung des Beklagten aus § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 wendet. Dem Berufungsgerichte war darin beizutreten, daß es eine Haftung des Beklagten für den Mitgesellschafter und Mitgeschäftsführer N. aus § 831 BGB. nicht für gegeben erachtet hat. Zu Unrecht berufen sich die Kläger für diese Haftung auf eine Entscheidung des erkennenden Senats vom 11. Dezember 1911 Rep. VI. 36/11 (Zeitschr. für Rechtspflege in Bayern Bd. 8 S. 136). Dort war gegen einen nicht rechtsfähigen Verein geklagt auf Ersatz des Schadens, den einer seiner „Vertreter" dem Kläger zugefügt habe. Mit Recht wurde hier der § 831 zur Anwendung gebracht, da auf die Willensorgane der nicht rechtsfähigen Vereine die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Haftung der Vereine und juristischen Personen nicht anwendbar seien, diese Willensorgane vielmehr nur von dem Vereine, d. i. von der Gesamtheit seiner Mitglieder zu ihren Verrich-

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hingen bestellte Personen im Sinne des § 831 darstellten. Es leuchtet ein, daß diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht im mindesten zutrifft. N. wie der Beklagte sind als Geschäftsführer der Gesellschaft mbH. gesetzliche Vertreter einer juristischen Person nach § 31 BGB.; in dieser Eigenschaft hat N. gehandelt, und es ist rechtlich vollständig ausgeschlossen, daß er als eine von dem anderen Geschäftsführer, dem Beklagten, zu ihren Verrichtungen bestellte Person angesehen werden könnte. Die Ablehnung der Haftung der Beklagten aus § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 durch das Berufungsgericht und ihre Begründung geben dagegen zu rechtlichen Bedenken Veranlassung. Zutreffend geht an sich das Berufungsgericht davon aus, daß als Empfänger des Baugeldes im Sinne des § 1 die Gesellschaft mbH. ersehene, nicht die natürliche Person des Geschäftsführers N., der die Gelder ausgezahlt erhalten und in seine Verwaltung genommen habe. Daran ändert eis nichts, daß für die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 5 des Gesetzes nur die natürliche Person in Betracht kommen kann, da es eine solche Verantwortlichkeit nach den Grundsätzen des Strafrechts für eine juristische Person nicht gibt. „Baugeldempfänger" im Sinne des § 5 des Gesetzes ist daher auch in dem Falle, daß der Bauherr und Baudarlehnsnehmer eine juristische Person ist, diejenige natürliche Person, die für jene handelnd die Gelder des Baudarlehens in Empfang genommen hat und verwaltet. Zivilrechtlich aber erscheint die Handlung der natürlichen Person, die gesetzlicher Vertreter einer juristischen Person ist und in dieser Eigenschaft die Baugelder entgegengenommen hat und darüber verfügt, als Handlung der juristischen Person selbst; diese hat für die schadenzufügenden Handlungen ihrer Vertreter nach § 31 BGB. einzustehen. Das gilt auch für die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§§ 6, 35 GmbH.; RGZ. Bd. 57 S. 93). Selbstverständlich haftet aber nicht n u r die juristische Person. Die Handlung ihres Vertreters ist Handlung der juristischen Person, zugleich aber auch seine eigene; die Haftung der durch ihn vertretenen juristischen Person deckt ihn nicht und befreit ihn nicht von seiner eigenen Verantwortlichkeit für gesetzwidrige Handlungen (Jur. Wochenschr. 1911 S. 939 Nr. 2). Das Gesetz über die Sicherung der Bauforderungen bestimmt nun in § 1, daß die Empfänger von Baugeld verpflichtet sind, das Baugeld zur Befriedigung solcher Personen zu verwenden, die an der Herstellung des Baues auf Grund eines Werk-, Dienst- oder Lieferungsvertrags beteiligt sind, und erklärt eine anderweite Verwendung ffir unstatthaft, soweit nicht Ausnahmen im Gesetze selbst gemacht werden. Die Bestimmung ist Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. zugunsten der genannten Baugläubiger (RGZ. Bd. 84 S. 188); eine vorsätzliche wie fahrlässige Zuwiderhandlung dagegen ver-

Unerlaubte Handlungen

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pflichtet die Baugeldempfänger, im gegebenen Falle mithin nach den entwickelten Grundsätzen sowohl die Gesellschaft mbH. wie ihre gesetzlichen Vertreter zum Schadensersatze. Vorsatz und Fahrlässigkeit beziehen sioh aber für die unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 nur auf die Zuwiderhandlung gegen das Gesetz, ohne daß es auf ein Wollen oder auf eine Voraussehbarkeii des schädlichen Erfolgs ankommt (RGZ. Bd. 66 S. 255). Der Sohaden ist nach dem Vortrage der Kläger entstanden, da die Gesellschaft vollständig mittellos und das Baugrundstück unstreitig zur Zwangsversteigerung gebracht ist. Liegt eine Zuwiderhandlung gegen § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 in ihrem äußeren Tatbestände, eine Verwendung von Baugeldern zu unstatthaften Zwecken vor, so können die geschädigten Baugläubiger die Baugeldempfänger, hier die Gesellschaft mbH. wie ihre gesetzlichen Vertreter, ihre Geschäftsführer, auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, ohne daß ihnen in letzterem Falle der Nachweis obliegt, daß und warum gerade den in Anspruch genommenen Vertreter ein Verschulden treffe. Denn die Verletzung eines öffentlichrechtliohen Schutzgesetzes erscheint an und für sich schuldhaft und legt dem Beklagten den Widerlegungsbewe-'s auf, daß er dasjenige getan habe, was geeignet war, die Ausführung des Gesetzes zu sichern; er muß also die Umstände darlegen, die ihn von dem Verschulden zu entlasten geeignet sind (Warneyer Rechtspr. 1909 Nr. 208, 1911 Nr. 474, 1912 Nr. 21 und 164). Wenn mehrere Vertreter einer juristischen Person, im gegebenen Falle zwei Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH., als Organe für den Empfang des Baugeldes in Frage kommen, so sind beide nebeneinander mit der durch sie vertretenen juristischen Person selbst für die Beachtung des Gesetzes verantwortlich und haften für den Schaden, wenn die Baugelder dem Gesetz entgegen verwendet wurden. Keiner von ihnen kann sich damit entlasten, daß er sich nicht darum gekümmert und dem anderen diese Geschäfte überlassen habe; denn eben der Umstand, daß er sich darum nicht kümmerte, ist ihm schon als fahrlässige Zuwiderhandlung gegen das Gesetz anzurechnen. Freilich ist es zulässig, daß die mehreren Geschäftsführer im inneren Verhältnis — im Gegensatze zu der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretung nach außen, vgl. §§ 35, 37 GmbHG. — eine Arbeitsteilung vereinbaren, und ein Geschäftsführer ist deshalb von der Verantwortung aus § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 frei, wenn er zur Zeit, als dai Geschäft der Empfangnahme und Verwaltung der Baugelder dem anderen aufgetragen wurde, ohne Verschulden dieser Geschäftsteilung zustimmen konnte, was voraussetzt, daß er den Mitgeschäftsführer für eine vertrauenswürdige Person hielt und halten durfte. Nicht schon, daß er von der gesetzwidrigen Verwendung nichts

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wußte, befreit ihn, vielmehr erst der entschuldigte gute Glaube, daß das Gesetz erfüllt werden würde. Als die erste der Handlungen, in denen die Kläger eine gesetzwidrige Verwendung der Baugelder erblicken, kommt die Tilgung der auf dem Grundstücke haftenden St.'sehen Hypothek von 14 000M. aus dem von der Rheinischen Hypothekenbank gewährten Baugelderdarlehen in Betracht. Hier muß nun gelten, daß die VerwendungspfLicht der Baugeldempfänger ihre Grenze findet an der rechtlichen Möglichkeit, über die Gelder zu verfügen; wird diese von vornherein durch den Baugeldervertrag eingeschränkt, dann entfällt insoweit auch die Verwendungspflicht. Wenn die Hypothekenbank, wie der Beklagte unter Vorlegung des Baugeldervertrags und unter Bezugnahme auf dessen § 8 behauptet hat, die Eintragung der Baugelder an erster Stelle zur Bedingung und dies die Ablösung einer bereits eingetragenen Hypothek von 14 000 M. notwendig machte, wenn ferner mit ihr vereinbart wurde, daß die hierzu erforderlichen 14 000 M. aus der ersten Baugelderrate genommen werden sollten, ja wenn sie die 14 000 M. selbst einbehalten und an die Gläubigerin St. gezahlt hat, so daß die Darlehnsnehmerin dieses Geld gar nicht in die Hände bekam, dann kann insoweit auch von einer gesetzwidrigen Verwendung der Baugelder nicht die Rede sein; denn insoweit war der Darlehnsbetrag in Wirklichkeit kein Baugeld. Ebenso verhält es sich mit dem Abzüge von Zinsen und Provisionen für die Darlehnsbeschaffung, wenn dieser Abzug durch die Darlehnsgeberin selbst bedungen war; in diesem Falle schränkten die Abzüge gleichfalls von vornherein das Baugelddarlehen ein. Anders liegt es mit den Geldern, die den Vertretern der Gesellschaft mbH. in der Tat ausgezahlt wurden. Wenn daraus andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft mbH. gedeckt, insbesondere allgemeine Unkosten, Gehälter, Bürokosten bestritten wonden sind, so stellt dies eine Zuwiderhandlung gegen das Gesetz dar. Insoweit würde deshalb auch an sich e'ne Verantwortlichkeit des Beklagten gegeben sein, und es bleibt dann weiter zu prüfen, ob die Einwendungen des Beklagten, insbesondere, daß er aus eigenen Mitteln in höherem Betrage a n d e r e Baugläubiger befriedigt habe, ihn zu entlasten vermögen; ob durch diese Befriedigung, so wie sie etwa erfolgt ist, der Bestimmung in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes genügt oder mit Rücksicht darauf den Baugläub : gern in ihrer Gesamtheit ein Schaden nicht entstanden ist, wie das Landgericht angenommen hat. War es der Geschäftsführer N., der tatsächlich die Baugelder in die Hand bekommen und verwaltet und über ihre Verwendung Bestimmung getroffen hat, und hat er hierbei vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Schutzbestimmung des § 1 des Gesetzes zum Schaden der Baugläubiger verstoßen, so kann im ersteren Falle der Beklagte,

225 wenn er, wie die Kläger behaupten, darum wußte und die gesetzwidrigen Verwendungen billigte, als Mittäter oder Gehilfe des N. bei Verübung der gesetzwidrigen Handlung in Frage kommen. Hat N. aber die Verträge mit den Bauhandwerkern geschlossen, und war der Beklagte daran gar nicht beteiligt, auch nicht darüber unterrichtet, dann würde eine solche Haftung des Beklagten ausscheiden. Es besteht dann nur noch die Möglichkeit, daß der Beklagte aus eigener fahrlässiger Verletzung des Gesetzes in Anspruch genommen werden kann, wenn er sich um die Verwendung der Baugelder schuldhafterweise nicht gekümmert hat, wie oben dargelegt wurde; der Beweis für die Umstände, die ihn zu entlasten vermögen, trifft den Beklagten. Die Kläger haben ihre Ansprüche endlich auch auf § 826 BGB. gestützt. Sie haben behauptet, daß der Beklagte von vornherein darauf ausgegangen sei, das Baugrundstück billig an sich zu bringen. Sie berufen sich zur Unterstützung ihrer Behauptung insbesondere auf die Tatsache, daß der Beklagte für sich auf dem Baugrundstück eine Grundschuld von 100 000 M. habe eintragen lassen, ohne, wie sie behaupten, eine Forderung gegen die Gesellschaft mbH. zu haben; hierin erblicken sie ©ine Schädigung der Kläger, die gegen die guten Sitten verstoße. Sie meinen aber ferner, daß der Tatbestand des § 826 bereits erfüllt sei, wenn der Beklagte von den unzulässigen Machenschaften des N. unterrichtet war und diese geschehen ließ, worüber N. als Zeuge benannt sei. Das Berufungsgericht erachtet den Tatbestand des § 826 nicht für dargetan; nach der letztgedachten Richtung hat es sich auf die Ausführungen der Kläger nicht eingelassen, was die Revision beanstandet. Allein die bloße, wenn auch bewußte Uebertretung des § 1 des Gesetzes vom 1. Juni 1909 und ebenso die Kenntnis des Beklagten davon in Verbindung mit der Unterlassung einer Abhilfe stellen eben nur den Sondertatbestand der unerlaubten Handlung aus dem genannten Gesetz und aus § 823 Abs. 2 BGB. dar, die Anwendung des § 826 begründen sie aber noch nicht. Hierzu ist ein weiteres Moment, das der Arglist, der Handlungsweise wider Treu und Glauben, erforderlich; erst dann kann von einer Handlung wider die guten Sitten die Rede sein. In dem Zusammenhang aller von den Klägern behaupteten Tatsachen; der Eintragung jener Grundschuld ohne ihr zugrunde liegende Forderung, der bewußten Billigung eines gesetzwidrigen Handelns des N., und des schließlichen Erwerbs des Grundstücks durch den Beklagten in der Zwangsversteigerung, können, wenn sie von einem einheitlichen Schädigungsvorsatze getragen sind, gewiß die Merkmale des § 826 erblickt werden, sofern diese Behauptungen als der Wahrheit entsprechend festgestellt werden. Nach den bisherigen Feststellungen indessen liegen für eine solche Annahme die tatsächlichen Unterlagen nicht vor. Zivils. S c h u l d r c d i t 9

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Nach dem Ausgeführten mußte das angefochtene Urteil aufgehoben werden, weil das Berufungsgericht die Tragweite des § 1 des Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen in Ansehung der Haftung der b e i d e n Geschäftsführer der Gesellschaft mbH. und die Beweislast hinsichtlich der Schuldfrage verkannt hat, die gegenüber dem äußerlich gegebenen Tatbestand der ungesetzlichen Verwendung von Baugeldern den Beklagten trifft." RGZ. 91, 80 Muß der Gläubiger, der für seine Forderang einen Bürgen sucht, diesen vor Eingehung der BfirgschahsyerpiHchtnng über die Verhältnisse des Hanptschuldners aufklären? Unter welchen Voraussetzungen handelt er zum Schaden des Bürgen wider die guten Sitten, wenn er dies unterläßt? BGB. § 826. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Düsseldorf.

Urt. v. 18. Oktober 1917. II. Oberlandesgericht daselbst.

Laut Bürgschaftsschein vom 16. November 1912 verbürgte sich der Beklagte bis zum Betrage von 15 000 M. und zeitlich bis zum 1. Januar 1914 selbstschuldnerisch für alle Forderungen, die der Klägerin gegen diie Firma F. B. in N. zustehen und noch entstehen würden, auch über einen Wechsel der Inhaber oder der Firma des Hauptschuldners hinaus. Im Dezember 1912 wurde die Firma des Hauptschuldners in eine Gesellschaft mbH. umgewandelt, der der Sohn des Beklagten als Gesellschafter beitrat. Nachdem im Sommer 1913 das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet worden war, verlangte die Klägerin die Zahlung der Bürgschaftssumme. Während das Landgericht antragsgemäß verurteilte, wies das Oberlandesgericht die Klage auf Grund des Einwandes der arglistigen Täuschung ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Aus den G r ü n d e n : „Der Beklagte hat einwandweise behauptet, zur Eingehung der Bürgschaft seitens der Klägerin durch wissentlich unwahre Auskunft über die Verhältnisse des Hauptschuldners sowie durch arglistiges Verschweigen von Umständen, die sie dem Beklagten hätte offenbaren müssen, bestimmt worden zu sein, ersteres in einem Briefe vom 18. November 1912. Das Landgericht verneint beides, das Berufungsgericht erachtet dagegen ein Verschweigen wesentlicher Umstände,

Unerlaubte Handlungen

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die für den Beklagten bestimmend gewesen wären, für dargetan. Zwar enthalte, führt es aas, das Schreiben der Klägerin vom 18. November 1912, worin sie dem Beklagten über die Verhältnisse des Hauptschuldners B. Mitteilungen machte und das nach ihrer Behauptung dem Beklagten bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bereits vorgelegen habe, keine tatsächlichen Unrichtigkeiten, Die Mitteilung sei aber nicht vollständig, indem sie verschweige, daß im Laufe des Sommers 1912 vier B.'sche Wechsel, die die Klägerin in Händen gehabt hatte, nicht eingelöst und unter Protest gegangen seien. Darin erblickt das Berufungsgericht eine gegen § 826 BGB. verstoßende vorsätzliche Schädigung des Beklagten durch die Klägerin, die diese zum Schadensersatz verpflichte und damit den Klaganspruch zerstöre. Die Revision ist begründet. Einem Gläubiger, der für seine Forderung gegen einen Dritten Bürgen sucht, ist es an und für sich nicht zuzumuten, daß er dem in Aussicht genommenen Bürgen die Verhältnisse des Hauptschuldners und 'seine geschäftlichen Beziehungen zu diesem aufdeckt Er wird darauf rechnen können, daß sich der zukünftige Bunge hierüber bei anderen Personen unterrichtet. Der Gläubiger verfolgt sein Gläubigerinteresse und hat dem Bürgen gegenüber keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der wirtschaftlichen und Kreditverhältnisse seines Schuldners, dem er durch eine solche Aufdeckung auch geradezu Schaden zufügen kann. Nur das ist von ihm zu verlangen, daß, wenn er dem zukünftigen Bürgen Tatsächliches über die Verhältnisse des Hauptschuldners mitteilt, seine Angaben der Wahrheit entsprechen, und daß er nichts wissentlich verschweigt, worüber er gefragt wird, sofern er nicht die Beantwortung überhaupt ablehnt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 1917 Rep. VI. 446/16). Im gegebenen Falle hat nach der Unterstellung des Berufungsgerichts die Klägerin in dem Schreiben vom 18. November 1912 vor der Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung die Verhältnisse des Hauptschuldners B. dargelegt. Die mitgeteilten Tatsachen enthalten, wie das Berufungsgericht feststellt, keine Unrichtigkeiten. Wenn die Klägerin indessen bei ihrer Mitteilung, die im übrigen als sehr zurückhaltend und fast als warnend zu bezeichnen ist, da sie die geringen Mittel des Hauptschuldners selbst hervorhebt, Umstände verschwieg, die sie als wesentlich und für die Entschließung des Bürgen bedeutungsvoll erkannte, dann wird darin mit dem Berufungsgericht eine arglistige Täuschung des Beklagten in der Tat gefunden werden können. Nicht das Schweigen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners an sich ist es, das dem Gläubiger zum Vorwurfe gemacht werden kann, sondern die Unterdrückung wesentlicher Umstände in Verbindung mit den wirklich gemachten Angaben, denen der Anschein einer Vollständigkeit gegeben wurde, die ihnen nicht zukam. is*

Schuldrecht, Besonderer Teil Das Berufungsgericht findet dieses arglistige Verschweigen in der Unterdrückung der Tatsache, daß im Sommer 1912 von dem Hauptschuldner vier Wechsel im Gesamtbetrage von etwa 1400 M. nicht eingelöst und deshalb zum Protest gegangen seien. Es stützt seine Annahme auf das Gutachten des Büchersachverständigen P. Seine Fesstellung wird indessen durch dieses Gutachten nicht gestützt. Danach ist nicht nur der erste Wechsel von 288,90 M. überhaupt nicht protestiert worden; es liegt auch nichs dafür vor, daß hinsichtlich der übrigen ein Protest gegenüber dem Hauptschuldner B., dem Aussteller der Wechsel, erfolgt wäre. Wie das Gutachten ergibt, handelt es sich in allen Fällen um Wechsel, die von B. auf andere Personen gezogen und der Klägerin offenbar zahlungshalber zur Befriedigung von Forderungen weitergegeben waren. Diese Wechsel wurden bei Verfall, wie anzunehmen ist, von den Bezogenen und Akzeptanten nicht eingelöst und gegen sie protestiert; das Konto des Hauptschuldners wurde darauf von der Klägerin mit den Wechselbeträgen nebst Zinsen und Provisionen belastet, die natürliche Folge des Umstandes, daß das gegebene Zahlungsmittel, der Wechsel, versagte. Eine den Kredit des Hauptschuldners vernichtende Tatsache ist damit aber keineswegs gegeben; daß er als Aussteller aus diesen Wechseln wechselmäßig in Anspruch genommen worden wäre (Art. 8 WO.) und Deckung nicht schaffen konnte, oder daß und warum er verpflichtet gewesen wäre, selbst für die Zahlung der Wechselsummen bei deren Fälligkeit zu sorgen, erhellt nicht. Aus der Tatsache allein, daß dritte Wechselverpflichtete die Wechselschuld nicht einlösten und Protest gegen sich ergehen ließen, kann ein Schluß auf die Kreditunwürdigkeit eines anderen auf demselben Wechsel stehenden Wechselverpflichteten, hier also auf die Kreditunwürdigkeit des B., nicht gezogen werden. Daß gegen B. aber als Wechselschuldner irgendein Wechsel mangels Zahlung protestiert worden wäre, entspricht nicht dem Gutachten des P., ist auch vom Berufungsgerichte nicht festgestellt. Unter diesen Umständen kann aber auch in dem Schweigen über die Wechsel seitens der Klägerin eine arglistige, wider die guten Sitten verstoßende Täuschung des Beklagten nach § 826 B G B . nicht gefunden werden." . . .

RGZ. 91, 350 1. . . . 2. Kann ein Mitglied einer Gesellschaft mbH. eine Klage wegen Kreditgeiährdnng der Gesellschaft erheben?

3. . . .

229 4. Kann eine Ehrverletzung durch irrtümliche tatsächliche Aufstellungen in einem zum Zwecke wissenschaftlicher Belehrung geschriebenem Buche begangen werden? 5. Liegt eine Ehrverletzung wider besseres Wissen deshalb Tor, weil der Beschuldigte zum Zwecke gütlicher Einigung vor dem Rechtsstreit und während des Rechtsstreits erklärt hat, er sei zu der „Ansicht" gekommen, daS die behauptete Tatsache unrichtig sei? B G B . §§ 823, 824, 826. VI. Z i v i l s e n a t .

S t G B . §§ 186, 187, 189.

Urt. v. 3. Dezember 1917.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil.".

RGZ. 91, 398 1. Sind bei Ermittlung der Höhe des Schadensersatzanspruchs, der der Witwe eines Verunglückten nach § 10 Abs. 2 des Kraftfahrzeuggesetzes oder nach § 844 Abs. 2 BGB. zusteht, die Vorteile in Anrechnung zu bringen, die sie durch Verkauf des von ihrem Manne ererbten Geschäfts erzielt hat? 2. Muß sie sich auch das Vermögen anrechnen lassen, das sie durch Beerbung eines nach dem Verunglückten gestorbenen Kindes erlangt hat? 3. In welcher Weise' sind die bei Ermittelung des Schadens in Abzug zu bringenden Beträge zu verrechnen, falls wegen mitwirkenden Verschuldens des Verunglückten der Schädiger nur ein Bruchteil des entstandenen Schadens zu erstatten braucht? VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 3. J a n u a r 1918. I. Landgericht Freiburg i. B.

Die Revision gegen worden aus folgenden

das

II. Oberlandesgericht

Berufungsurteil

ist

Karlsruhe.

zurückgewiesen

Gründen: 1. „Zunächst bezeichnet die Revison es als rechtsirrtümlich, daß diejenigen Renten und Zinsen, die der Klägerin nach dem von ihr und ihrem inzwischen verstorbenen Kinde, Grete W., mit dem Bruder ihres Erblassers, Edmund W., am 8. November 1913 abgeschlossenen Vertrage zufließen, nicht als den Schadensersatzanspruch der Klägerin mindernde „ausgleichende Vorteile" angesehen worden sind.

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Durch den erwähnten Vertrag hatten die Klägerin und ihre minderjährige Tochter das von dem verunglückten Adoli W. bis zu seinem Tode betriebene Weinhandelsgeschäft mit der Firma und sämtlichen Aktiven und Passiven für 30 274,06 M., verzinslich mit 6 % seit dem 1. Januar 1917 und gegen Gewährung einer an die Klägerin bis zum 31. Dezember 1915 zu zahlenden monatlichen Rente von 350 M. verkauft. Die der Klägerin hierdurch erwachsenen Vorteile soll sie sich nach Ansicht der Beklagten auf ihren Schadensersatzanspruch anrechnen lassen müssen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht angenommen, daß die Vorteile, welche die Klägerin durch den Verkauf des Weinhandelsgeschäfts ihres verstorbenen Ehemaims erlangt hat, in keinem ursächlichen Zusammenhange mit dem schadenbringenden Ereignisse, nämlich dem tödlichen Unfall ihres Ehemanns, stehen, so daß insoweit von einer Vorteilsausgleichung nicht dde Rede sein könne. Ferner bekämpft die Revision die Ansicht des Berufungsgerichts, an einem solchen Zusammenhange fehle e s auch hinsichtlich derjenigen Vermögemsvorteile, welche die Klägerin durch die Beerbung der ursprünglichen Mitklägerin, ihres minderjährigen Kindes Grete W. erlangt habe, als rechtsirrtümlich. Nach beiden Richtungen hin erscheint die Revision unbegründet, Schon der Annahme, daß es sich hier um einen Fall der eigentlichen Vorteilsausgleichung (compensatio lucri cum damno) handelt, kann nicht beigepflichtet werden. Bei der Frage, welcher Schadensersatz in einem Falle wie dem vorliegenden dafür zu gewähren ist, daß dem Unterhaltsberechtigten das Recht auf den Unterhalt durch den Getöteten infolge des Unfalls entzogen wurde (§ 10 Abs. 2 KFG.), handelt es sich ebenso wie im Falle des ähnlich lautenden § 844 Abs. 2 BGB. nur um die Ermittelung des Schadens, d e r dem Ersatzberechtigten durch den Tod seines Ernährers erwachsen ist. Dies ist schon bei der Beratung des jetzigen § 844 deutlich zum Ausdruck gekommen (vgl. M u g d a n , Materialien zum BGB. Bd. 2 S. 1108, 1110 flg.) und auch von dem erkennenden Senat in RGZ. Bd. 64 S. 350, insbesondere S. 351, 354, hervorgehobein. Es findet also nicht etwa eine eigentliche Aufrechnung von Vorteilen und Nachteilen statt, die für den Geschädigten durch dasselbe Ereignis entstanden sind, als vielmehr eine Prüfung der Frage, ob dem Geschädigten durch das schädigende Ereignis überhaupt ein Schaden (eine Vermögenseinbuße) erwachsen ist. Ergibt sich schon danach, daß in solchem Falle von einer Vorteilsausgleichung überhaupt keine Rede sein kann, so folgt daraus anderseits ohne weiteres, daß auf den Schadensersatzanspruch, der dem Berechtigten gemäß § 10 Abs. 2 KFG. zusteht, diejenigen Vermögensvorteile nicht angerechnet, also zu dessen Verkürzung ver-

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wendet werden dürfen, die der Unterhaltsberechtigte dadurch erzielt, daß er durch Veräußerung des durch den Tod Unterhaltspflichtigen ererbten Vermögens irgendeinen Gewinn erlangt. Derartige Handlungen vermögen den Umfang des dem Berechtigten durch den Tod des Unterhaltspflichtigen erwachsenen Schadens ebensowenig zu schmälern, wie sie ihn erhöhen würden, wenn das ererbte Vermögen ungünstig veräußert und durch den Kaufpreis ein geringerer Ertrag erzielt würde, als das Vermögen zu Lebzeiten des Verunglückten ergeben hat. Aehnliche Erwägungen lassen auch den von der Revision bekämpften Standpunkt des Berufungsgerichts als gerechtfertigt erscheinen, demzufolge bei der Berechnung der Schadenshöhe die Vorteile, welche die Klägerin durch 'die Beerbung ihrer im Laufe des Prozesses verstorbenen Tochter Grete W. erlangt hat, nicht zuungunsten der Klägerin berücksichtigt werden dürfen. Wenn nämlich auch nach den Urteilen RGZ. Bd. 69 S. 292 und Bd. 72 S. 437 bei Berechnung der Höhe des der Witwe durch den Tod ihres Mannes erwachsenen Schadensersatzanspruchs die Erträgnisse eines durch Erbschaft oder durch Auflösung der allgemeinen Gütergemeinschaft unmittelbar auf sie übergegangenen Landguts oder Handelsgeschäfts zu berücksichtigen sind, so liegt doch der vorliegende Fall insofern wesentlich anders, als die Erbschaft der Grete W. und damit indirekt ein Teil des von dem verstorbenen Adolf W. {unterlassenen Vermögens nicht infolge des Unfalls des Ehemanns auf die Klägerin übergegangen ist. Der Tod der Tochter der Eheleute W. steht vielmehr mit dem Unfall in gar keinem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang. Die der Klägerin infolge des Todes ihrer Tochter zugeflossenen Einkünfte können deshalb bei Berechnung der Schadensumme, auf die sie gemäß § 10 Abs. 2 KFG. den Beklagten gegenüber Anspruch hat, nioht in Betracht kommen. In dem Urteile des erkennenden Senats vom 14. Mai 1917 Rep. VI. 67/17 ist anscheinend ein abweichender Standpunkt eingenommen worden. In jenem Falle, wo der Verunglückte ein von sämtlichen Kindern zu bewirtschaftendes Ackergut als einzige Unterhaltsquelle hinterlassen hatte, wurde ausgesprochen, der Umstand, daß von seinen Söhnen einer nach ihm starb, sei bei Berechnung der Schadenshöhe mit zu berücksichtigen. Allein jener Fall war nach zwei Richtungen hin von dem vorliegenden verschieden. Einmal handelte es sich um Sohadensersatzansprüche der Kinder des Verunglückten, die gemäß § 1602 BGB. einen Unterhaltsanspruch nur für den Fall der Bedürftigkeit haben, während vorliegend die Klägerin als Ehefrau des Getöteten von diesem auf Grund des § 1360 nach Maßgabe seiner Lebensstellung, seines Vermögens und seiner Erwerbsfähigkeit, ohne Rücksicht auf die Höhe ihres etwaigen eigenen

232 Vermögens, den standesgemäßen Unterhalt zu beanspruchen hatte. Sodann aber war dort ein von dem Getöteten auf seine Kinder vererbtes und von diesen gemeinschaftlich bewirtschaftetes Ackergut als einzige Unterhaltsquelle auf sie übergegangen, wobei allerdings in Rechnung zu ziehen war, daß sich diese Unterhaltsquelle durch den Wegfall eines der mehreren Unterhaltsberechtigten für jeden einzelnen vergrößerte. Daß ein solcher Fall auch in letzterer Hinsicht anders liegt als der vorliegende, in dem der Klägerin nur Kapitalbeträge aus dem Nachlasse zugeflossen sind, die sich selbstverständlich so verzinsen wie die Erträgnisse des von dem Verunglückten betriebenen Weinhandelsgeschäfts, bedarf keiner näheren Darlegung, ist übrigens auch in dem Urteile des erkennenden Senats RGZ. Bd. 72 S. 437, insbesondere S. 439, 440, anerkannt worden. 2. . . . Das Berufungsgericht hat zwecks Ermittelung der der Klägerin zu gewährenden Unterhaltsrente folgende Berechnung aufgestellt. Den Unterhaltsanspruch, der ihr von dem verstorbenen Ehemanne zu gewähren war, hat es auf 4200 M. geschätzt. Davon bringt es die Erträgnisse in Abzug, die der Klägerin infolge des Todes ihres Ehemanns aus ihrem eingebrachten Gute sowie aus ihrem Anteil am Gesamtgut und am Nachlaß, also kraft Erbrechts und ehelichen Güterrechts, zugefallen sind. Diese Erträgnisse berechnet es auf rund 1500 M., so daß sich danach ein Schadensersatzanspruch der Klägerin von 2700 M. für das J a h r ergeben würde. Da nun die Beklagten nur verpflichtet sind, der Klägerin 2/.t des ihr entstandenen Schadens zu ersetzen, so ergibt sich danach die der Klägerin zugesprochene Rente von monatlich 150 M. Diese Art der Berechnung gibt zu rechtlichen Bedenken keinen Anlaß. Insbesondere steht ihr auch das Urteil des erkennenden Senats Rp. VI. 503/08 (Jur. Wochenschr. 1909 S. 471) nicht entgegen, wonach der damalige Beklagte dem Kläger die Hälfte des diesem erwachsenen Schadens abzüglich derjenigen Beträge zu ersetzen hatte, die kraft gesetzlicher Vorschrift auf die „Krankenkasse" und die „Invalidenkasse" übergegangen waren. Das Reichsgericht sprach damals aus, daß die auf die Kranken- und Invalidenkasse übergegangenen Beträge nicht von dem Gesamtschaden des Klägers sondern nur von derjenigen Hälfte in Abzug zu bringen seien, zu deren Ersatz der Beklagte verpflichtet war. Denn erst nach Abzug jener Beträge von der dem Kläger gebührenden Quote des Schadens könne die Summe festgestellt werden, die ihm im Endergebnis zuzusprechen sei. Im vorliegenden Falle handelt es sich dagegen um die Bemessung des Schadensersatzes, den die Klägerin infolge des tödlichen Unfalls ihres Mannes zu beanspruchen hat. Dieser bemißt sich zunächst nach der Höhe der ihr durch den Tod des Mannes entgangenen Unterhaltsbezüge. Um diese ihr zu ersetzende Summe

Unerlaubte Handlungen

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zu ermitteln, muß von dem Unterhaltsbetrage, der ihr an und für sich zusteht, die Summe abgezogen werden, die ihr infolge des Todes ihres Mannes aus den Erträgnissen ihres eingebrachten Gutes, ihres Anteils am Gesamtgut und am Nachlasse des Mannes zufließt. Da nun aber die Beklagten nicht den ganzen der Klägerin erwachsenen Schaden, sondern nur 2/3 dieses Schadens zu ersetzen haben, sind sie keinesfalls dadurch beschwert, daß die von ihnen zu zahlende Jahresrente auf 1800 M. bemessen worden ist." RGZ. 92, 125 Kann der Vater wegen des Schadens, den sein, wie ihm bekannt, geisteskranker, volljähriger und nicht entmündigter Sohn einem Dritten zugefügt hat, aus § 832 Abs. 1 BGB. oder aus § 823 Abs. 1 veranwortlich gemacht werden? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hechingen.

Urt. v. 31. Januar 1918.

II. Oberlandeigericht Frankfurt a. M.

Der geisteskranke Sohn des Beklagtem S, war, nachdem er früher in der Anstalt Zw. untergebracht gewesen war, im Frühjahr 1898 in Familienpflege bei dem Beklagten B. untergebracht worden und seitdem in dessen Landwirtschaft tätig. Am 21. Mai 1915 wurde der Maler Guido Bu., als er auf der Durchreise in H. am Anwesen d«s Beklagten B. vorüberging, durch eine von Gregor S. geschleuderte Dunggabel getroffen und tödlich verletzt. Die vorliegende Schadensersatzklage hat in den Vorinstanzen teilweise Erfolg gehabt; beide Beklagte sind verurteilt worden. Hiergegen hat der Beklagte S. Revision eingelegt, die Erfolg hatte. Aus den G r ü n d e n : ,,Die Verurteilung des Mitbeklagten B. als desjenigen, welcher durch Abkommen mit dem Revisionskläger die Aufsicht über den Kranken übernommen hatte, ist rechtskräftig geworden. Das Verschulden des B. findet das Berufungsgericht darin, daß er bei richtiger Erfassung seiner Aufsichtspflicht die Aufnahme des Kranken überhaupt hätte ablehnen sollen, jedenfalls aber, nachdem seit 1908 wiederholt tätliche Ausschreitungen und Bedrohungen seitens des Kranken vorgekommen waren, wie sie im Berufungsurteil im einzelnen festgestellt sind, den Kranken dem Vater, der Anstalt oder der zuständigen Behörde hätte zur Verfügung stellen sollen. Bezüglich des Revisionsklägers S. geht das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum davon aus, daß ihm als Vater über den volljährigen Sohn eine gesetzliche Aufsichtspflicht im Sinne des § 832 BGB. nicht obgelegen habe; auch eine Entmündigung ist gegen den

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Kranken nicht eingeleitet, es ist ihm kein Vormund oder Pfleger bestellt worden. In „entsprechender Anwendung" aber der in der Entscheidung RGZ. Bd. 70 S. 48 über die Verantwortlichkeit des Ehemanns für Schadensstiftung durch die geisteskranke Ehefrau aufgestellten Grundsätze gründet das Berufungsgericht die ausgesprochene Haftung des Vaters im vorliegenden Falle auf §§ 823, 276 BGB. und die Tatsache, daß er als „Haushaltungsvorstand" tätig geworden sei und den Kranken bei B. untergebracht habe. In der Annahme einer solchen Verantwortlichkeit des Vaters an sich war dem Berufungsgerichte nach der Sachlage beizupflichten; Bedenken indessen begegnen seine Ausführungen darüber, daß dem Revisionskläger ein Verschulden (§ 276 BGB.) zur Last falle. Soweit in der angeführten Entscheidung RGZ. Bd. 70 S. 48 über die Verantwortlichkeit des Ehemanns für schadenstiftendes Verhalten der Ehefiiau auf die unter den Ehegatten bestehende Lebensgemeinschaft (§ 1353 BGB.) abgestellt wird, ist der Revision zuzugeben, daß dieser Gesichtspunkt auf das Verhältnis des Vaters zu dem volljährigen Kinde sticht ohne weiteres zutrifft. Weder rechtlich noch tatsächlich kann eine Lebens- oder Haushaltungsgemeinschaft als für das Verhältnis zwischen Eltern und volljährigen Kindern regelmäßig vorausgesetzt anerkannt werden. Es braucht aber auch nicht im allgemeinen hier untersucht zu werden, ob und unter welchen Voraussetzungen aus einer tatsächlichen Lebens- oder Haushaltungsgemeinschaft die Verpflichtung des Vaters als Familienoberhauptes hergeleitet werden kann, die Oeffentlichkeit vor Schädigungen oder Bedrohungen durch ein volljähriges geisteskrankes Kind zu schützen. Wie schon das Berufungsgericht mit Recht hervorgehoben hat, ergibt sich eine solche Verpflichtung zu Lasten des Revisionsklägers im vorliegenden Falle daraus, daß er tatsächlich eingegriffen und kraft seiner in der sittlichen Eigenart des Fanrlienverbands wurzelnden Stellung als Familienoberhaupt für die Unterbringung des Kranken bei B. Sorge getragen hat. Ob er hierzu rechtlich verpflichtet war, ob er sich statt eigenen Eingreifens auf die Angehung der Behörden und Gerichte hätte beschränken können, mag dahinstehen. Hat er auf Grund der soeben gekennzeichneten Stellung im Familienverband auf die Gestaltung der Lebensverhältnisse des Krankein bestimmend eingewirkt, so hatte das mit der vom Verkehr erforderten Sorgfalt zu geschehen. Die Oeffentlichkeit darf solchenfalls von einem aus dem Kreise der nächstbeteiligten Familienmitglieder ausgehenden, von der — wenngleich nicht rechtlichen, so doch sittlichen — Verantwortlichkeit des Vaters getragenen Eingreifen erwarten, daß den damit für die Allgemeinheit etwa verbundenen Gefahren gebührend vorgebeugt wind. Dies gilt ebensowohl für die Unterbringung selbst, die Wahl des Fürsorgers

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und die mit diesem getroffenen näheren Festsetzungen, wie für die Ueberwachung der eingerichteten Fürsorge und die achtsame Prüfung, welche Erfolge damit bei dem Kranken erzielt werden. Das Verschulden des Revisrionsklägers hat der erste Richter darin gefunden, daß er nicht dafür gesorgt habe, daß der Kranke bei B. keine gefährlichen Werkzeuge wie Dunggabeln und ähnl. in die Hand bekomme. Nicht unwesentlich weicht das Berufungsgericht hiervon ab, indem es das Verschulden des Vaters darin sucht, daß er den Kranken überhaupt in einer Familie, nicht in Anstaltspflege untergebracht habe. Nun kann nach der vorliegenden, inhaltlich unstreitigen Korrespondenz der Anstalt, insbesondere den Briefen vom Ende März 1898, worin übrigens die Anstaltspflege nicht unbedingt, sondern nur zeitweise als geboten bezeichnet wird, in der Tat zweifelhaft sein, ob die Unterbringung des Kranken bei B. zu dem damaligen Zeitpunkte sachgemäß und nioht mit einer Gefährdung für die Allgemeinheit verbunden war, deren Außerachtlassung dem Revisionskläger als schuldhafte Verletzung einer Verkehrspflicht anzurechnen sein möchte, wean hieraus Schaden entstanden wäre. Nach dem bisher festgestellten Sachverhalt aber sind in den ersten zehn Jahren nach der Unterbringung Ausschreitungen des Kranken nicht vorgekommen; erstmals aus dem Jahre 1908 werden solche berichtet. Ist hiernach 'davon auszugehen, daß in fernen ersten zehn Jahren die Unterbringung des Kranken keine schädlichen Folgen zeitigte, so kann diese selbst dem Revisionskläger nicht mehr als schuldhafter Mißgriff angerechnet werden. Dann durfte er zwar nicht ohne weiteres auf eine Fortdauer dieser günstigen Lage der Dinge vertrauen, hatte vielmehr die Verpflichtung, fortlaufend in angemessenen Zwischenräumen Erkundigungen — sei es in eigener Person, sei es durch andere geeignete Personen — nicht bloß bei dem Fürsorger, der an der Belassung des Pfleglings möglicherweise finanziell übermäßig interessiert sein konnte, sondern auch bei unbeteiligten Dritten über das Verhalten des Kranken einzuziehen. Gelangten aber auf diesem Wege oder sonisthin keine Umstände zur Kenntnis des Vaters, die ihn eine Gefährdung anderer in den dem Kranken zugänglichen Lebensverhältnissen erkennen ließen, so besteht kein Anhalt dafür, ihm die Belassung des Kranken in jenen Verhältnissen zum Vorwurf im Sinne des § 276 Abs. 1 BGB. zu machen." . . . RGZ. 92, 345 Zum Begriffe der Bestellung zu einer Verrichtung im Sinne des § 831 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 25. März 1918. I. Landgericht Düsseldorf.

II. Oberlandesgericht daselbst.

236 Aus den G r ü n d e n : „Die Klägerin hat von der Firma We. Schrott gekauft und von dem Beklagten, dem jene Firma die Ausführung des Auftrags übertragen hatte, geliefert erhalten; sie hat nach Maßgabe des auf ihrem Werke von ihrem Platzmeister K. festgestellten Gewichts Zahlung an die Firma We. geleistet und diese wiederum an den Beklagten. Vertragliche Beziehungen bestanden zwischen den Parteien nicht. Die Klägerin ist nun bei jenen Lieferungen von dem Schwager des Beklagten, Wo., der unter der Firma des Beklagten handelnd auftrat, betrogen worden dadurch, daß Wo. den K. bestochen hat, zu hohe Gewichte festzustellen; da die von K. festgestellten Gewichte der Abrechnung zwischen der Klägerin und der Firma We. zugrunde gelegt wurden, ist die Klägerin um eine erhebliche Summe geschädigt worden. Sie fordert u. a. auf Grund von § 831 BGB. Schadensersatz. Der Streit der Parteien betrifft hauptsächlich die Frage, ob diese Bestimmung auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten und Wo. anwendbar ist. Der Beklagte bestreitet dies: das Geschäft mit der Firma We. habe Wo. gemacht; er, Beklagter, habe sich darum nicht gekümmert. Er habe dem Wo. lediglich gestattet, unter des Beklagten Firma Geschäfte in Schrottlieferungen zu machen, da Wo. wegen des über sein Vermögen eröffneten Konkursverfahrens auf eigenen Namen keinen Kredit erhalten hätte. Dieser habe unter Benutzung des Namens des Beklagten ein von dessen Betriebe vollständig getrenntes Geschäft in eigenen Räumen geführt und sei bei Vornahme aller seiner geschäftlichen Handlungen von Anweisungen des Beklagten völlig unabhängig gewesen. Die Vorinstanzen haben diesen Sachverhalt als wahr unterstellt, gleichwohl aber die Bestimmung im § 831 BGB. auf ihn angewendet. Hierzu hat das Landgericht unter Billigung des Berufungsgerichts folgendes ausgeführt. Wenn der Beklagte es gestattete, daß ein anderer unter seinem Geschäftsnamen und seiner handelsgerichtlich eingetragenen Firma Geschäfte abschloß, müsse er auch diese von dem anderen getätigten Geschäfte als von ihm, dem Firmeninhaber, selbst geschlossen gelten lassen. Wo., der unter der Firma des Beklagten Handelsgeschäfte abschloß, habe, da er dies mit Zustimmung des Firmeninhabers getan habe, nach außen hin als dessen Bevollmächtigter gehandelt, er sei dessen Stellvertreter gewesen. Alle Handlungen, die er im Rahmen des geschäftlichen Wirkungskreises vorgenommen habe, seien als Handlungen des Geschäftsherrn anzusprechen. Dieser habe daher hierfür einzustehen und zwar auch für Schäden, die sein Vertreter innerhalb des ihm überlassenen Geschäftskreises Dritten zugefügt habe. Indem der Beklagte seinem Schwager den freien Gebrauch seiner Firma überlassen und ihn frei schalten und walten gelassen habe, habe er ihn im Sinne des § 831

237 mit einer Verrichtung betraut, nämlich für seine Firma Rechtsgeschäfte abzuschließen. Unerheblich sei dabei der Umstand, daß Wo. die einzelnen Schrottlieferungen nach seinen eigenen Entschließungen getätigt haben sollte; er sei darum doch als ein „Bestellter" anzusehen, indem er nach außen hin für die Firma des Beklagten die Geschäfte abgeschlossen habe. Die Revision macht hiergegen geltend: nach dem unterstellten Sachverhalte habe der Beklagte den Wo. nicht zu einer Verrichtung bestellt und demgemäß sei Wo. nicht an des Beklagten Anordnungen bei Ausführung der in Betracht kommenden Handlungen gebunden gewesen, Voraussetzungen, die gegeben sein müßten, wenn § 831 Anwendung finden sollte. Dafür, daß sich der Beklagte so behandeln lassen müsse, als ob er Geschäftsherr und Wo. von ihm zu Verrichtungen bestellt gewesen sei, fehle jede rechtliche Grundlage. Diese Ausführungen sind unbegründet; es ist vielmehr denen der Vorinstanzen beizutreten. Zu einer Verrichtung bestellt ist, wem von einem anderen, von dessen Weisungen er mehr oder minder abhängig ist, eine Tätigkeit übertragen worden ist. Diese kann tatsächlichen oder rechtlichen Charakters, entgeltlich oder unentgeltlich, dauernd oder vorübergehend, niederer oder höherer Art sein, und die Bestellung kann sich auf einen ganzen Geschäftskreis oder eine einzelne Tätigkeit beziehen. Sie kann bei Geschäften rechtlicher Art mit einer Vertretungsmacht verbunden sein oder ohne eine solche ergehen. Eine allgemeine Bestellung begreift auch die einzelnen, im Rahmen des Auftrags liegenden Handlungen (RGZ. Bd. 91 S. 364). An der Hand dieser Grundsätze darf die Anwendbarkeit des § 831 auf den vorliegenden Fall angenommen werden. In der Ermächtigung des Wo., sich bei den mit Dritten abzuschließenden Geschäften der Firma des Beklagten zu bedienen, liegt tatsächlich eine Bestellung zu einer Mehrheit von Verrichtungen, zum Absch'usse von Rechtsgeschäften mit Wirksamkeit für und gegen den Beklagten. Wenn dieser auch nach der mit Wo. getroffenen Vereinbarung mit den einzelnen Geschäften nichts zu tun hatte, sich darum überhaupt nicht kümmerte und nicht kümmern sollte, so trat doch Wo. nach außen mit Willen des Beklagten als dessen Angestellter auf, und wenn er auch bei der Vornahme seiner geschäftlichen Handlungen unter der Firma des Beklagten von dessen Weisungen unabhängig war, so konnte ihm doch der Beklagte jederzeit das Recht, unter seiner Firma Geschäfte abzuschließen, entziehen. Wem das Ergebnis des von ihm mit einem Dritten abgeschlossenen Geschäfts tatsächlich zugute kam oder zur Last fiel, ob ihm oder dem Beklagten, ist für die hier zu entscheidende Frage gleichgültig; entscheidend ist, daß das Geschäft, weil es unter der Firma des Beklagten mit dessen Willen, also mit rechtlicher Wirkung für und gegen ihn ab-

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geschlossen wurde, ein Geschäft des Beklagten war. Ebenso unerheblich ist es, ob die in der Ermächtigung zur Benutzung der Firma liegende Bestellung des Wo. im Interesse des Beklagten lag oder nicht, ob er sie insbesondere nur im Interesse des Wo. selbst vorgenommen hatte. Es lag nicht bloß, wie die Revision meint, dem äußeren Anscheine nach eine Bestellung vor, sandern es hatte tatsächlich eine solche stattgefunden." . . . RGZ. 92, 359») Wird die Verantwortlichkeit des Eigentümers oder die des Mieters Kr die Dritten aus den Eigenschatten der Sache entspringenden Gefahren durch die Vermietung oder durch die Weiteryennietung der Sache aufgehoben? BGB. § 823. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 9. April 1918. I. Landgericht Duisburg.

II. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Der Kläger ist am Abend des 20. August 1913 beim Hinausgehen aus der im ersten Stocke des Hauses Bachstraße 27 zu M.-R. befindlichen Kaffee- und Bierwirtschaft Jägerhof — die er als Gast 'besucht hatte und auf der zur Straße hinunterfährenden Marmortreppe verließ — auf der 6. oberen Stufe dieser Treppe zu Fall gekommen und hat dadurch einen Bruch des linken Unterschenkels erlitten. In den Stufen der Treppe waren Oesen zur Aufnahme von Läuferstangen eingelassen, ein Läufer (Teppich) war jedoch nicht aufgelegt. Der Eigentümer des Hauses Bachstraße 27, der Beklagte Sch., hatte dieses nebst den «amtlichen Mobilien und Einrichtungen durch Vertrag vom 25. September 1912 für die Zeit vom 1. Oktober 1912 bis 31. Dezember 1923 um 9000 M., vom 1. April 1913 um 10 200 M. jährlich an den Beklagten F. vermietet, und der Beklagte F. hatte am 27. September 1912 über die Mietsache für dieselbe Zeit mit dem Beklagten H. einen sich als ,.Vermietung" bezeichnenden Vertrag abgeschlossen, kraft dessen H. als Wirtschaftskonzessionsinhaber die Kaffee- und Bierwirtschaft Jägerhof vom 1. Oktober 1912 ab betrieb. Der Kläger fordert Ersatz des durch den Beinbruch erlittenen Schadens. Das Landgericht wies durch Teilurteil die Klage gegen F. und Sch. ab. Das Berufungsgericht dagegen erklärte den Klaganspruch gegen diese beiden Beklagten dem Grunde nach für berechtigt. Die Revisionen blieben erfolglos. Aus den G r ü n d e n : „Der Berufungsrichter stellt . . . fest, daß die Treppe, auf der der Kläger zu Fall keim, verkehrsgefährlich war, daß das Steigungs») Vgl. auch Bd. 95 S. 61 (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt).

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Verhältnis der Treppe regelwidrig ist, daß insbesondere die Treppe an der Unfallstelle eine Wendung mit schmalen Stufen und geringem Auftritt enthält, aus weißem italienischem Marmor besteht und nicht mit einem Läufer bedeckt war. Er legt das Gutachten des Sachverständigen H. zugrunde, demzufolge „die Treppenanlage ohne jeglichen die Glätte mildernden Stoffbelag verkehrsgefährlich ist". Aus dem Zusammenhalte der Erwägungen des Berufungsrichters ergibt sich, daß er die wirkliche letzte Ursache des Unfalls in dem Fehlen eines ordnungsmäßig gelegten Teppichs (Läufers) findet. . . . Die Revision des Beklagten F. macht gelteod, die Treppe habe nicht mehr seiner Verfügungsgewalt, sondern der des H. unterstanden, das Legen eines Läufers sei lediglich Sache des H. gewesen, diesem habe er die Treppe mit einem Läufer versehen übergeben. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Kläger behauptet, daß H. wie dem Beklagten Sch. so dem Beklagten F. von dem fortgesetzten Losewerden der nur eingegipsten, nicht verschraubten Oesen und von der dadurch — infolge Aufbeulung des Teppichs — fortgesetzt bestehenden und mehrfach verwirklichten Gefahr des Hinfallens mit der Bitte um Abhilfe wiederholt Mitteilung gemacht habe und daß H. nur wegen des wirklichen Fallens einer Anzahl von Gästen auf dem infolge der Loslösung der Oesen ungenügend befestigten Läufer diesen schließlich entfernt habe. Der Berufungsrichter stellt fest, daß F. das Lokal „fortdauernd zuweilen" als Gast besucht habe und ihm das Fehlen des Teppichs hätte auffallen müssen. Aber sogar ohne Bewahrheitung jener vom Beklagten F. bestrittenen Behauptung und ohne diese Feststellung ergibt sich die Haftung des Beklagten F. aus dem von ihm mit H. geschlossenen Vertrage. Dieser Vertrag — dahingestellt sei, ob er wirklich noch ein Mietvertrag ist — zeigt die besondere Eigenart, daß F. durchaus Herr des Betriebes des Wirtschaftskonzessionsinhabers H. blieb. . . . (wird des näheren dargelegt). Endlich ist in dem Vertrage bestimmt, daß H. verpflichtet ist, das Lokal tadellos und ordnungsgemäß zu führen und das untervermietete Inventar in gutem Zustande zu erhalten, und daß H. als Sicherheit für die im Vertrag übernommenen Verpflichtungen dem F. eine Kaution von 3000 M. stellt. Nach diesem Inhalte des Vertrags war H., obschon Inhaber der Wirtschaftskonzessdon, in der Hauptsache Angestellter des F., nämlich dessen B'erverschleißer, und unterstand in allen wesentlichen Beziehungen, insbesondere hinsichtlich der tadellosen und ordnungsmäßigen Führung des Lokals, kraft ausdrücklicher Vertragspflicht dem Vertragsrechte des F. Dieses Vertragsrecht des F. gegenüber dem H. verpflichtete den F. gegenüber jedem Dritten, der durch die Lokalführung berührt wurde, insbesondere gegenüber den Wirtschaftsgästen, dafür zu sorgen, daß der Betrieb auch wirklich tadellos und ordnungsmäßig geführt wurde, daß insbesondere keine Gefahr für Leben und

240 Gesundheit Dritter, namentlich der Gäste, entstand. Die Steilheit und Glätte der Treppe, deren Wendung an der Unfallstelle und die Schmalheit des Auftritts gerade bei den Stufen der Wendung konnten und durften dem Beklagten F. bei irgend sorgfältiger Ueberwachung des Betriebes nicht entgehen; er mußte sich klar sein darüber, daß für diese so beschaffene Treppe ein ordnungsmäßig aufgelegter Teppich zur Verhütung der Gefahr des Ausgleitens unumgänglich notwendig war. Darum gerade war, wie er wußte, von vornherein ein Teppichläufer vorgesehen gewesen; die Treppenstufen hatten Oesein zur Aufnahme der Läuferstangen, und er selbst hatte, wie er vorbringt, dem H. die Treppe mit einem Teppich belegt übergeben. Daß der Teppich auch tatsächlich ordnungsmäßig aufgelegt wurde, darum hatte sich F. als Herr des Betriebes fortgesetzt zu kümmern; eine solche Ueberwachung war sein Vertragsrecht gegenüber H. und war seine Verpflichtung gegenüber allen die Treppe benutzenden Dritten. Das gehörte in erster Linie zur „tadellosen und ordnungsmäßigen Führung des Lokals", daß die Dritten das Lokal ohne Gefährdung von Leib und Leben betreten und verlassen konnten. Dieser Verpflichtung ist der Beklagte F. in keiner Weise nachgekommen (§ 823 BGB.). Er selbst hat vorgetragen, die Treppe werde schon seit zwei Jahren ohne Läufer benutzt; trotzdem ist er nicht eingeschritten und hat in keiner Weise für die Wiederauflage des Teppichs Fürsorge getroffen. Eine solche Fürsorge lag ihm ob und war ihm möglich, gleichviel ob das Fehlen des Teppichs rein auf Nachlässigkeit des H. beruhte, oder ob es durch das Loswerden der Oesen veranlaßt war; auch in letzterem Falle mußte und konnte er sofort Abhilfe schaffen, gleichviel ob die richtige Befestigung der Oesen von ihm und auf seine Kosten oder vom Hauseigentümer, dem Beklagten Sch., auf dessen Kosten zu besorgen war. Dazu kommt die in der Revisionsinstanz nicht angefochtene Feststellung des Berufungsrichters, daß F. das Lokal fortdauernd als Gast besucht hatte; er nahm also sogar schon ohne eine gerade auf Kontrolle gerichtete besondere Durchsicht und Revision des Betriebes durch tatsächliche eigene Benutzung der Treppe das Fehlen des Teppichs wahr. Trotzdem hat er während langer Zeit die dadurch gegebene Gefahr fortbestehen lassen. Der Beklagte Sch. wendet ein, daß das Legen des Teppichs nicht «eine Sache war, sondern allein Sache des den Gastverkehr eröffnenden Wirtes, nämlich des H. und des F., dessen Angestellter H. nur gewesen sei. Sch. ist Eigentümer des Hauses und hatte es gerade zum Zwecke des Betriebes einer Kaffee- und Bierwirtschaft, also behufs Benutzung durch ungezählte unbestimmte Dritte, erbauen lassen. Demnach greifen die Rechtsgrundsätze ein, welche vom VI. und III. Zivilsenat

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des Reichsgerichts wiederholt über die allgemeine Verantwortlichkeit des Eigentümers für die aus der Beschaffenheit der ihm gehörigen Sachen entspringenden Gefahren aufgestellt sind (vgl. RGZ. Bd. 89 S. 122, VI. 325/16; Bd. 52 S. 378/379, VI. 208/02; Bd. 88 S. 435/436, III. 145/16; Bd. 89 S. 385, III. 306/16; Bd. 90 S. 68, III. 452/16 und S. 409/410, III. 122/17, sowie das Urteil vom 27. Februar 1917, III. 422/16). Sch. beruft sich auf den von ihm mit F. geschlossenen Mietvertrag und darauf, daß deshalb das Legen des Teppichs nur seinem Mieter F. und dessen Untermieter und Angestellten H. obgelegen habe. Diese Einwendung schlägt keinenfalls schlechthin durch. Auch Sch. — und er in erster Linie als der Erbauer der Treppe — mußte erkennen, wie der Berufungsrichter zutreffend hervorhebt, daß die Gefahr der Treppe nur durch einen ordnungsmäßig aufgelegten Teppich beseitigt oder ausreichend verringert werden konnte; er selbst hatte ja Oesen für die Stangen des Läufers als einer dauernden Ausstattung der Treppe anbringen lassen. War z. B. der Mieter des Sch., wie dieser wußte oder wissen mußte, eine unzuverlässig« Person, der Ordnungswidrigkeiten und Nachlässigkeiten im Wirtschaftsbetriebe mit Gefahr für Leib und Leben der Gäste zuzutrauen waren, dann gebot es di« Verkehrssorgfalt dem Sch. als Eigentümer, seinerseits darüber zu wachen und seinerseits sich darum zu kümmern, daß kein Dritter durch die Beschaffenheit seiner vermieteten Eigentumsgegenstände gefährdet und verletzt werde, daß insbesondere die Gäste beim Kommen und Gehen die zu den Wirtschaftsräumen führende Treppe mit Verkehrssicherheit benutzen könnten. Nicht entfernt also entbindet schon die Vermietung an sich den Eigentümer von den ihm aus dem Eigentum und dessen mit seinem Wissen und Willen stattfindender Benutzung Dritten gegenüber erwachsenden Pflichten, so daß er, ledig aller solcher Pflichten, nur noch den Mietnutzen der Sache zu beziehen hätte. Die Miete ist nur eine Form der eigenen Nutzung der Sache und kann darum die Eigentumspflichten gegen Dritte nicht ohne weiteres aufheben. Wer z. B. seine schlechthin verkehrsgefährliche Sache durch se : nen Mieter in Berührung mit Dritten bringt, kann sich nicht darauf berufen, daß nicht er, sondern nur der Mieter diese Einwirkung der Sache auf Dritte, diesen Verkehr Dritter in oder an der Sache veranlaßt und eröffnet habe (vgl. über die aus der baulichen Beschaffenheit eines Hauses entspringenden Gefahren Jur. Wochenschr. 1905 S. 80 Nr. 20, VI. 67/04). Inwieweit die Pflichten des Eigentümers durch Vermietung des Eigentumsgegenstandes geändert werden, darüber haben in betreff der Störung anderweiten Eigentums (§ 1004 BGB.) die Entscheidungen des V. und VI. Zivilsenats des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 47 S. 163/164, VI. 316/00, und Jur. Wochenschr. 1904 S. 142 Nr. 11, Zivils. Sdiuldredit 9

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242 V. 311/03; vgl. RGZ. Bd. 45 S. 299, V. 340/99) befunden. Es handelte sich um Einwirkungen im Sinne des § 906 B G B . , und es wird dargelegt, daß bei Auslegung des Mietvertrags nach Treu und Glauben (§ 157 B G B . ) der Mieter die gesetzlichen Einschränkungen im Gebrauch und in der Benutzung der Mietsache, insbesondere die in § 906 angeordneten, zu beobachten hat. Dies sei also Vertragspflicht des Mieters dem vermietenden Eigentümer gegenüber, und die Nichtbeobachtung stelle einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache dar, gegen den der vermietende Eigentümer nach § 550 B G B . einschreiten könne und dem „gestörten" anderen Eigentümer gegenüber einzuschreiten verpflichtet sei. Der vermietende Eigentümer dürfe die von seinem Mieter ausgehenden Eigentumsbeeinträchtigungen nicht in ungehöriger Weise dulden; eine ungehörige Duldung stehe der eigenen Veranlassung gleich. Auch diese Sätze treffen erst recht und noch viel mehr zu auf ein Verhalten des Mieters, durch welches in Verfolg der Eigenschaften und der Eigenart der Mietsache Leib und Leben Dritter, insbesondere der durch den Wirtschaftsbetrieb in möglichst großer Zahl ins Auge gefaßten und herbeigezogenen Wirtschaftsgäste gefährdet wird. Eine solche Gefährdung trifft ungleich höhere Rcchtsgüter, als es das durch §§ 906, 1004 geschützte Eigentum ist. Eine solche Gefährdung zu unterlassen, ist nach § 157 Vertragspflicht des mietenden Wirtes gegenüber dem vermietenden Eigentümer, auch wenn in dem Mietvertrage, wie in dem zwischen Sch. und F., ausdrücklich darüber nichts entha'ten ist. Gegen eine solche Gefährdung hat der vermietende Eigentümer nach § 550 einzuschreiten behufs Erfüllung der ihm allen Dritten gegenüber obliegend bleibenden Verpflichtung, Körperverletzungen durch die ihm gehörenden Eigentumsgegenstände und deren von ihm gewollte Benutzung im Rahmen des Verkehrsmaßstabes zu verhüten. Im vorliegenden Falle ist nun nichts dafür beigebracht, daß Sch. seinen Mieter F. oder dessen Untermieter H. von vornherein für unzuverlässig halten mußte. Eis könnte sich fragen, ob er, trotzdem er diese Personen für zuverlässig erachten durfte, sich dennoch wegen der besonderen Gefährlichkeit der Treppe um deren ordnungsmäßige Instandhaltung, d. h. um deren fortgesetzte und richtige Belegung mit einem Läufer zu kümmern hatte. Diese Frage bedarf jedoch keiner Beantwortung. Denn der Prozeßstoff ergibt eine anderweite Sachlage, aus der die Haftung -des Sch. ohne weiteres folgt. Sch. würde, wie auf der Hand liegt, haften, wenn die von ihm bestrittene Behauptung des Klägers bewahrheitet wäre, H. habe die Beklagten F. und Sch. wiederholt vergeblich auf die Loslösung der Oesen und die dadurch entstehende Gefahr mit der Bitte um Abhilfe aufmerksam gemacht. Aber auch diese Behauptung kann dahin stehen. Der Berufungsrichter stellt nämlich unangefochten fest, daß auch Sch. „fortdauernd zuweilen" das Lokal als Gast besucht hat

243

Unerlaubte Handlungen

und ihm das Fehlen des Teppichs hätte auffallen müssen. Sch. blieb also in dauernder persönlicher Berührung mit der Mietsache und benutzte selbst dauernd die mit einem Teppich nicht belegte Treppe. Er hatte seinem Mieter gegenüber das Recht (§ 550) und jedem Dritten gegenüber die Pflicht (§ 823), gegen diese von ihm selbst tatsächlich und dauernd wahrgenommene vertragswidrige, die Gäste mit Verletzungen durch die Treppe bedrohende Nachlässigkeit des Wirtschaftsführers sofort einzuschreiten und für die Verkehrssicherheit der von ihm zur Benutzung durch Wirtschaftsgäste erbauten und vermieteten Treppe, d. h. für ihre Belegung mit einem ordnungsmäßig befestigten Läufer zu sorgen. Er hat jedoch unter Nichteinhaltung der verkehrsgebotenen Sorgfalt die Gefährdung aller die Treppe benutzenden Dritten fortbestehen lassen, und er hat damit die Verletzung des Klägers auch seinerseits schuldhaft verursacht (RGZ. Bd. 52 S. 376)." . . . RGZ. 92, 4 0 1 1 Minderung von Ersatzansprüchen durch Witwen- und Waisengelder*). BGB. § 844 Abs. 2. RHpfl.Ges. § 3 Abs. 2. IV. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht Königsberg.

Urt. v. 18. April 1918. II. Oberlandesgericht

daselbst.

. . . Aus den G r ü n d e n : „Die rechtliche Grundlage sowohl des landgerichtlichen als des oberlandesgerichtlichen Urteils bildet die Erwägung, daß sich der einem Geschädigten zustehende Ersatzanspruch ohne weiteres um diejenigen Beträge mindere, die ihm auf Grund öffentlichrechtlicher Titel in Gestalt von Pensionen, Witwen- und Waisengeldern und ähnlichen Bezügen zukommen, weil, soweit das der Fall ist, ein Schaden im Rechtssinn überhaupt nicht entstanden und in den Fällen des § 844 Abs. 2 BGB. sowie des § 3 Abs. 2 Haftpflichtgesetzes dem Dritten, dem der Getötete unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, das Recht auf den Unterhalt gar nicht entzogen sei. Den Satz, daß — im Gegensätze zu Bezügen, die dem Geschädigten auf Grund eines Vertrags zufließen, insbesondere eines Versicherungsvertrags — auf Gesetz beruhende Bezüge der vorhin erwähnten Art auf den Ersatzanspruch in Anrechnung zu bringen sind, hat das Reichsgericht schon unter der Herrschaft des früheren *) Der Leitsatz ist neu gefaßt. Vgl. aber jetzt § 81 Abs. 2 des Bundesversorgungsges. v. 20. Dez. 1950 — B G B l . S. 791, bzw. für Berlin: Anl. zum Kriegsopferversorgungsges. v. 12. April 1951, GVB1. S. 317 — ; ferner § 139 des D. Beamtenges, i. d. Bundesfassung — B G B l . 1950 S. 281 (301) — , § 21 a der Fürsorgepflicht-VO und § 1542 RVO, sowie RGZ. Bd. 171 S. 173 (abgedr. unter „Nebengesetze 2"). 16'

244

Schuldrecht, Besonderer Teil

Rechtes ausgesprochen (RGZ. Bd. 15 S. 114/115, Bd. 17 S. 48/49); es hat an ihm, auch nachdem das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft getreten war, ständig festgehalten (RGZ. Bd. 64 S. 352/355, Bd. 70 S. 101, Bd. 73 S. 216, Bd. 80 S. 51) und schließlich (Bd. 82 S. 192) als anerkanntes Recht bezeichnet, daß im Falle unerlaubter Tötung oder Körperverletzung der Verletzte, seine Rechtsnachfolger und sonstige Ersatzberechtigte insoweit nicht als geschädigt angesehen werden, als sie durch gesetzliche Pensionen, Witwen- und und Waisengelder oder ähnliche Bezüge schadlos gehalten werden. Der Satz hat zwar in der Rechtslehre hier und da Widerspruch gefunden, die herrschende Meinung teilt aber den Standpunkt des Reichsgerichts, und es liegt kein Grund vor, von ihm abzugehen. 1. Ist der Satz aber richtig, so versagt zunächst der erste rechtliche Gesichtspunkt, auf den der Kläger den eingeklagten Erstattungsanspruch stützt, nämlich der der ungerechtfertigten Bereicherung. Wenn sich der den Hinterbliebenen Sch.s nach § 3 Abs. 2 HftftpflG. gegen den preußischen Eiisenbahnfiskus zustehende Schadensersatzanspruch ohne weiteres um die Beträge mindert, die ihnen auf Grund des Militärhinterbliebenengesetzes gegen den Reichsmilitärfiskuis zustehen, weil insoweit gar kein Schaden entstanden, also auch keine Ersatzverbindlichkedt des Eisenbahnfiskus begründet worden ist, dann folgt daraus unmittelbar, daß in diesem Umfange der Eisenbahnfiskus durch die Zahlungen, die der Reichsmilitärfiskus leistet, nicht vo« einer ihm obliegenden Schuld befreit wird. Jeder Teil erfüllt vielmehr nur diejenige Verpflichtung, die ihm selbst nach dem Gesetz obliegt. Eine ohne rechtlichen Grund erlangte Bereicherung des Eisenbahnfiskus durch die Leistungen des Reichsmilitärfiskus ist damit ausgeschlossen. Auch diese Annahme des Oberlandesgerichts entspricht der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 68 S. 47, Bd. 82 S. 192), an der festzuhalten ist. Die Revision glaubt zwar, auf § 1 HaftpflG. verweisen zu dürfen, wonach, wenn beim Betrieb einer Eisenbahn ein Mensch getötet oder körperlich verletzt wird, für den dadurch entstandenen Schaden der Betriebsunternehmer haftet, und meint, deshalb gehe es hier nicht an, einen Teil des Schadens an Stelle des Betriebsunternehmers dem Reiche aufzuerlegen. Sie übersieht jedoch dabei, daß nach dem Rechtssatze, von dem auszugehen ist und von dem sie auch selbst ausgeht, die Hinterbliebenen des Verunglückten, soweit ihnen gesetzliche Versorgungsgebührnisse gegen das Reich zustehen, im Rechtssinn einen Schaden überhaupt nicht erlitten haben. Gerade darin aber, daß in dem bezeichneten Umfang ein Schaden überhaupt nicht entstanden ist, insoweit also auch keine Ersatzverbindlichkeit besteht, unterscheiden sich Fälle der hier in Rede stehenden Art wesentlich von solchen Fällen, in denen eine derartige Beschränkung des entstandenen Schadens und damit der Ersatzverbindlichkeit nicht in Frage kommt.

245 Deshalb kann sich der Kläger auch nicht auf das Urteil in RGZ. Bd. 82 S. 206 Hg. (S. 214/215) berufen. 2. Besteht insoweit, als die Hinterbliebenen Sch.s durch die ihnen vom Kläger zu gewährenden Versorgungsgebührnisse schadlos gehalten werden, ihnen gegenüber keine Verbindlichkeit des Beklagten, so kann schon deshalb auch keine Rede davon sein, daß der Kläger, indem er den Hinterbliebenen die Versorgungsgebührnisse zahlt, deren Zahlung ihm gesetzlich obliegt, damit zugleich ein Geschäft des Beklagten besorge. Er kann daher auch insoweit keinen Erfolg erzielen, als er seine Klage auf Geschäftsführung ohne Auftrag gründet, die unter anderen Umständen allerdings ebensowohl wie ungerechtfertigte Bereicherung in Frage kommen könnte. 3. Angesichts der Leistungen, die ihm durch das Milltärhinterbliebenengesetz auferlegt sind, läßt sich nicht in Abrede stellen, daß auch dem Kläger durch die Tötung Sch.s Schaden entstanden ist. Man könnte deshalb vielleicht denken, daß ihm der Beklagte schon nach § 1 HaftpflG. schadensersatzpflichtig und der Klaganspruch schon aus diesem Grunde gerechtfertigt sei. Der Gedanke würde aber abzulehnen sein. Im Herrschaftsbereiche des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann kein Zweifel darüber bestehen, daß nicht jeder schademsersatzberechtigt ist, der durch eine unerlaubte Handlung auch nur mittelbar einen Schaden erleidet, sondern daß sich grundsätzlich die Berechtigung zum Schadensersatz auf die Person des unmittelbar durch die unerlaubte Handlung Verletzten, im Falle des § 823 Abs. 2 auf die Person desjenigen beschränkt, zu dessen unmittelbarem Schutze das übertragene Schutzgesetz bestimmt ist. Ausnahmen bestehen nur gemäß § 844 Abs. 2 und § 845 (vgl. RGZ. Bd. 61 S. 295, Bd. 64 S. 345, Bd. 80 S. 50, Bd. 82 S. 190). Entsprechendes gilt auf dem Gebiete des Haftpflichtgesetzes. . . . RGZ. 93, 19 Sittenwidrige Schädigung Dritter in Ausführung Schutzverträge. BGB. §§ 138, 826. VI. Z i v i l s e n a t .

gewerblicher

Urt. v. 29. April 1918.

I. Landgericht Frankfurt a. M.

II. Oberlandesgericht daselbst.

Zu der vom Kläger vertretenen Konkursmasse in Frankfurt a. M. gehört ein Hau« mit einer Gastwirtschaft im Erdgeschoß, die vom 1. September 1913 bis 31. März 1916 an die Beklagte verpachtet war; die Beklagte hat den Vertrag zum letztbezeichneten Termine gekündigt. Der Kläger trägt vor, daß eine anderweite Verpachtung der Räume durch das Verhalten der Beklagten unmöglich gemacht werde, die das Recht in Anspruch nehme, die Gastwirtschaft auch weiter mit dem Bier aus ihrer Brauerei zu beliefern; es beruhe dies an-

246

Schuldrecht, Besonderer Teil

geblich auf einem zwischen dem Verbände der Brauereien in Frankfurt a. M. und Worms geschlossenen Vertrage, worin sie sich den gegenseitigen Besitzstand garantiert hätten. Die Beklagte, die selbst den Pachtvertrag gekündigt habe und durch ihr Verhalten den Kläger nötigen wolle, die Räume nur ihr zu jedem ihr angenehmen Preise zu verpachten, handle damit gegen die guten Sitten und mache sich der vom Kläger vertretenen Konkursmasse schadensersatzpflichtig. Auf Feststellung dieser Schadenersatzpflicht ist die Klage gerichtet. Das Landgericht hat dem Klagantrag entsprochen, das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Gründe: • . . „Die Beurteilung der Handlungsweise der Beklagten durch das Berufungsgericht läßt einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Die Beklagte stützt sic'.i dafür auf das von dem Verbände der Brauereien in Frankfurt a. M. und Worms und Umgebung durch einen Vertrag von 1906 und Aenderungen von 1907 geschaffene Vertragsverhältnis, das den Wettbewerb der beteiligten Brauereien gegeneinander ausschließen solle und deshalb einer jeden den Besitzstand bei Eingehung des Vertrags auch fernerhin gewährleiste. Selbstverständlich ist ein solches Vertragsverhältnis durchaus rechtlich zulässig, insoweit sich die beteiligten Vertragsbrauereien dadurch freiwillig eine Beschränkung ihrer Freiheit, ihren Absatz zu suchen, zur Verhütung eines unliebsamen Wettbewerbs untereinander auferlegen. Es unterliegt aber rechtlichen Bedenken und kann als wider die guten Sitten verstoßend und deshalb nach § 138 BGB. nichtig erachtet werden, wenn es diese Grenzen verläßt und in den Rechtskreis dritter Personen eingreift, wenn namentlich die Vertragschließenden bewußtermaßen Dritte, die die Wettbewerbsinteressen der Brauer nicht berühren, zwingen wollen, sich diesen auch zu eigenem Schaden zu unterwerfen. Der § 22 des ursprünglichen Vertrags der Brauereien verpflichtet die Mitglieder, Pachtangebote auf Wirtschaften zu unterlassen, die eine andere von ihnen bereits gepachtet hat, es sei denn, daß die seither liefernde Brauerei gekündigt hat. In dieser Fassung greift die Vertragsbestimmung nicht über den Rechtskreis der Brauereien selbst hinaus. Wenn diese sich verpflichten, einander nicht aufzubieten, so wirkt die Ausübung der Vertragsbestimmung zwar auch auf die Eigentümer und Verpächter der Wirtschaftsräume zurück, die durch das Aus- und Ueberbieten der Brauereien gegeneinander Vorteile in Gestalt der Erlangung eines höheren Pachtzinses erlangen können. Dais ist indes ein Vorteil, auf dessen Erlangung sie kein Recht haben; in ihren Rechten, in der Freiheit ihrer Verfügung über ihr Eigentum werden sie nicht beschränkt. Anders aber wenn, wie die Beklagte

247 behauptet, ohne jedoch Zeit und Umstände der Abänderung näher anzugeben, die Bestimmung des § 22 des Vertrags nachträglich dahin erweitert worden wäre, daß andere Brauereien des Verbandes auch dann keine Pachtangebote auf eine bisher von einer anderen Brauerei des Verbandes Innegehabte Wirtschaft abgeben dürfen, wenn die letztere das Pachtverhältnis selbst gekündigt hat. Danach hat die Beklagte in Wirklichkeit gehandelt. Sie hat selbst durch ihre Kündigung das Pachtverhältnis mit dem Kläger zum 31. März 1916 zur Lösung gebracht, verhindert aber, indem sie andere Brauereien von Pachtangeboten auf die freigewordene Wirtschaft abhält, die anderweite Verpachtung überhaupt. Es ist offenbar, daß e ne solche Vertragsbestimmung und ihre Anwendung tief in die Rechte des Verpächters eingreift, der — von Angeboten seitens dem Verbände nicht angehöriger Brauereien abgesehen, die nach der tatsächlichen Annahme des Berufungsgerichts in Wahrheit nicht in Betracht kommen—dadurch vollständig in die Hand der Brauerei gegeben ist, die bisher die Wirtschaft gepachtet hatte, und dieser die Wirtschaft zu jedem dieser genehmen Preise weiterverpachten muß, wenn er überhaupt einen Pächter finden will. Der bisherige Pächter, der selbst das Pachtverhältnis zur Lösung gebracht hat, hat keinerlei Rechte mehr an der Wirtschaft und gegen den E'gentümer, seinen früheren Verpächter. Er hat kein Recht, diesen an der freien Verfügung über seine Grundstücksräume und ein einer anderweiten Verpachtung zu hindern; seine Rechte auf die Wirtschaftsräume beruhen allein auf dem schuldrechtlichen Bande des Pachtvertrags und s'nd mit dessen Lösung beendet. Es ist eine widerrechtliche, gegen den Verpächter gerichtete Handlung, wenn er trotz der Lösung des Pachtverhältnisses das Recht in Anspruch nimmt, über die Wirtschaftsräume in der Weise weiter zu verfügen, daß er jeden anderen Pachtbewerber von dem Eingehen eines Pachtverhältnisses mit dem Verpächter abhält. Es mag sein, daß im gegebenen Falle die Beklagte mit der Kündigung des Pachtverhältnisses, weil sie dar'n bei den durch den Krieg geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen in Anbetracht der Höhe des Pachtzinses ihre Rechnung nicht mehr finden konnte, nur ihrem berechtigten Interesse folgte. Bei den vom Eigentümer einzuleitenden Schritten zur Wiedcrverpachtung der Wirtschaft mußten sich die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse von selbst geltend machen, und die ehemalige Pächterin trat in e'nen natürlichen Wettbewerb mit anderen Pachtliebhabern, wobei dem Eigentümer das in seinem Eigentumsverhältnis und in der Vertra*sfre'lieit beruhende Recht gewahrt blieb, unter den verschiedenen Pacht'iebhabern den ihm genehmsten auszuwählen. Wenn die Beklagte aber, wie sie dies ; n ihrem Schreiben vom 22. Seotember 1916 an die Röderbergbrauerei "nd vom 18. Oktober 1916 an den klagenden Konkursverwalter offen ausspricht, mit ihrem Vorgehen den Kläger zwingen will,

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Schuldrecht, Besonderer Teil

nur ihr allein und unter den ihr genehmen Bedingungen wieder zu verpachten, indem sie dde anderen in Betracht kommenden Pachtbewerber abhält, mit ihren Angeboten überhaupt hervorzutreten, so stellt sich dieses Verhalten als eine widerrechtliche Schädigung der Konkursmasse dar, die vom Berufungsgericht nach Lage der Umstände ohne Rechtisirrtum als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen wird. Die Schädigung ist, wie das Berufungsgericht feststellt, auch eine vorsätzliche, da die schädigende Wirkung für den Eigentümer der Wirtschaftsräume auf der Hand lag und von ihr erkannt werden mußte und erkannt worden ist. Die Berufung auf einen nur zwischen den Brauereien geschlossenen Vertrag ist nicht geeignet, einen guten Glauben der Beklagtem, daß sie zu ihrem Vorgehen berechtigt sei, herzustellen. Denn einem solchen Vertrage sind nur die Vertragsparteien unterworfen, nicht auch dritte Personen, wie keinem Vertragschließenden in den Kreisen, denen die Beklagte angehört, unbekannt ist. Der Vertrag enthält vielmehr, wenn er so geschlossen sein sollte, wie die Beklagte behauptet, an sich schon e'ne Schädigung dritter Personen, der Eigentümer der Wirtschaftsräume, die dadurch ihres freien Verfügungsrechts beraubt werden; er geht über die Grenzen eines erlaubten wirtschaftlichen Wettkampfes h : naus, indem er dritte Personen in diesen hineinzieht und sie die Kosten dieses Wettkampfes tragen läßt. Das Berufungsgericht läßt es dahingestellt, ob es Fälle geben möge, in denen ein solcher Druck auf den Pächter durch Verträge zwischen den möglichen Pachtbewerbern als zulässig erscheinen könne; im gegebenen Falle sei jedenfalls der Konkursmasse ein unerträglicher Nachteil zugefügt, der zu dem Interesse der Beklagten in keinem Verhältnis stehe. Dem ist nicht entgegenzutreten. Gerade die ungünstigen wirtschaftlichen Verhälnisse während des Kriegeis, die eine größere Anzahl von Pachtbewerbern von vornherein ausschließen, lassen diese Annahme gerechtfertigt ersche : nen. Ein rechtliches Bedenken, das gegen den Schadenersatzanspruch des Klägers erhoben werden kann, ist dais, ob durch das Vorgehen der Beklagten der klagenden Konkursmasse ein Schaden erwachsen, ob ihre Handlungsweise ursächlich geworden ist für die Unmöglichkeit, die Wirtschaftsräume anderweit zu verpachten. Wenn der behauptete Vertrag der Beklagten kein Recht gab, andere von dem Eingehen eines Pachtverhältnisses mit dem Kläger abzuhalten, also auch die Röderbergbrauerei oder ein sonstiger Pachtbewerber sich einem solchen Ansprüche der Beklagten nicht zu fügen verpflichtet war, so könnte es scheinen, als ob nicht das Verhalten der Beklagten, sondern die grundlose Abstandnahme der anderen Pachtbewerber den Schaden herbeigeführt hätte. Allein os kommt nicht darauf an, ob die Röderbergbrauerei oder ein sonstiger dritter Pachtliebhaber dem Ansinnen der Beklagten sich hätte widersetzen können, sondern welche Wir-

Unerlaubte Handlungen

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kung, und zwar mit dem Willen der Beklagten, ihr Vorgehen tatsächlich ausgelöst hat. Hat die andere Brauered, einerlei, ob auch sie vielleicht an die angebliche Vertragsbestimmung sich gebunden glaubte, oder ob sie Axtstand nahm, einer anderen Brauereigesellschaft, mit der sie in einer Vertragsgemeinschaft stand, auch wo sie nicht im Rechte war, entgegenzutreten, dem von der Beklagten ausgeübten Drucke weichend von einer Erpachtung Abstand genommen, so ist der Urheber des durch die NichtVerpachtung der Konkürsmasse erwachsenen Schadens die Handlungsweise der Beklagten, von der jener Druck ausgegangen ist. Ohne Rechtsirrtum hat deshalb das Berufungsgericht, indem es feststellt, daß durch das Vorgehen der Beklagten der Kläger an der Wiederverpachtung der Wirtschaft gehindert worden ist, die Beklagte auf Grund des § 826 BGB. für verpflichtet erachtet, der vom Kläger vertretenen Konkursmasse ihren Schaden zu ersetzen." . . .

RGZ. 93, 302 Unter welchen Umständen ist in dem Beschlufi eines arztlichen Standesvereins, wodurch seinen Mitgliedern der berufliche Verkehr mit einem dem Vereine nicht angehörigen Arzte verboten wird, ein Verstofi wider die guten Sitten zu erblicken? BGB. § 826. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Breslau.

Urt. v. 23. September 1918. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der verklagte Verein hatte in ¡seiner Monatsversammlung vom 14. November 1913 folgendes einstimmig beschlossen: 1. Die Aerzte, welche von der Organisation gesperrte Stellen an hiesigen Krankenkassen angenommen haben, sind als außerhalb der Stanidesverbindung stehend anzusehen. 2. Die Annahme von Vertrauensarztstellen an Krankenkassen, die mit standesuntreuen Aerzten besetzt sind, ist verboten. 3. Von jedem standestreuen Kollegen ist zu verlangen, daß er Konsilien mit diesen Herren ablehnt. Diesen Beschluß ließ der Beklagte am 23. November 1913 in der Schlesischen Aerztekorrespondenz, dem Organ der Aerztekammer der Provinz Schlesien, veröffentlichen. Der Kläger war damals bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse zu Breslau, die von der Organisation der Aerzte gesperrt war, als Krankenkassenarzt angestellt. Mit der Behauptung, er sei durch den Beschluß in seiner Standesehre angegriffen, in seiner Privatpraxis geschädigt und in dem Erwerb idealer Güter, nämlich durch den Ausschluß von ärztlichen Vereinen in seiner wissenschaftlichen Fortbildung, beeinträchtigt worden, bean-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

tragte er, den Beklagten zu verurteilen, den in der Schlesischen Aerztekorrespondenz veröffentlichten Beschluß aufzuheben und die Aufhebung in dieser Zeitschrift bekannt zu machen, sowie ihm als Schadensersatz 1500 M. zu zahlen. Während der erste Richter auf Abweisung erkannte, gab das Oberlandesgericht der Klage statt. Es ging davon aus, daß das von dem Beklagten erstrebte Ziel an sich als ein erlaubtes gelten müsse und auch dadurch nicht zu einem sittenwidrigen werde, daß der Beklagte dabei die durch die Kaissen beschränkte Erwerbstätigkeit seiner Vereinsgenossen zu vergrößern, freie Aerztewahl bei den Krankenkassen zu erreichen und den Berufsgenossen so wirtschaftliche Vorteile zu schaffen versucht habe. Als Mittel zur Erreichung dieses Zieles habe er aber eine Verrufserklärung gewählt, die als Verstoß gegen die guten Sitten zu betrachten sei. Zwar sei dabei nicht ausgesprochen, daß er die Kassenärzte dadurch habe zwingen wollen, ihr Amt niederzulegen, oder daß er die Krankenkassen dadurch habe bestimmen wollen, die freie Aerztewahl einzuführen. Aber der Beschluß enthalte einen Angriff gegen die Standesehre der Kassenärzte und eine Untergrabung ihrer ärztlichen Stellung; deshalb sei anzunehmen, daß jener Zwang doch habe ausgeübt werden sollen. Der Beklagte habe sich bewußt sein müssen, daß ein schädlicher Erfolg für die Kassenärzte durch sein Handeln herbeigeführt werden könne. Da er diesen Erfolg durch e : nen Angriff auf die Standesehre derer, gegen die sich der Vorwurf richte, herbeizuführen suche, so widerspreche dies dem Anstandsgefühle billig Denkender und sei objektiv als Verstoß gegen die guten Sitten zu betrachten. Da der Verruf s : ch gegen die Klasse der Breslauer Kassenärzte richte, so sei auch der Kläger dadurch betroffen worden und daher berechtigt, für sich Schadensersatzansprüche aus der unerlaubten Handlung geltend zu machen. Auf die Revision wurde das erste Urteil wiederhergestellt aus folgenden Gründen: Der Zweck des Vorgehens des Beklagten, im Interesse des ärztlichen Star.des und als Hüter der ärztlichen Standesehre eine Schmälerung der freien ärztlichen Berufstätigkeit durch die Einrichtung von Krankenkas&enärzten zu hindern, weil nach sedner Ueberzeugung die Kassenärzte nicht als frei von unsachlicher Beeinflussung anzusehen und nicht unter angemessenen Bedingungen angestellt seien, ist, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, ein erlaubter. Ein Verstoß gegen die guten S tten könnte daher nur in dem Mittel liegen, das der Beklagte zur Verfolgung dieses Zweckes angewendet hat, mithin in dem Besch'usse vom 14. November 1913 und dessen Veröffentlichung in der Schlesischen Aerztekorrespondenz. W i e der

251 erkennende Senat wiederholt ausgesprochen hat, würde die Anwendung des § 826 B G B . auis diesem Gesichtspunkte nur dann gegeben sein, wenn die Maßregel geeeignet war, die wirtschaftliche Existenz des Klägers völlig oder nahezu zu untergraben, oder wenn sie zu derjenigen Handlungsweise des Klägers, die dem Beklagten zu seinem Vorgehen Veranlassung gab, in keinem billigen Verhältnis stände, so daß sie sich als eine Maßnahme der Willkür und Gehässigkeit darstellte (RGZ. Bd. 64 S. 158). Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers hat das Berufungsgericht aus zutreffenden Gründen nicht angenommen, wohl aber hat es den anderen Gesichtspunkt für gegeben erachtet, indem es davon ausgeht, der Beklagte habe den Kläger durch einen Angriff auf seine Standesehre zwingen wollen, sein Amt als Kassenarzt niederzulegen. Gegen die hierfür gegebenen Ausführungen wendet sich die Revision mit Recht. Zwar mag der von ihr darin gefundene Widerspruch nicht vorhanden sein, insofern das Berufungsgericht zunächst ausführt, ein Zwang gegen die Kassenärzte sei in dem Beschlüsse nicht ausgesprochen, ergebe sich also aus seinem W o r t l a u t e nicht, dann aber darlegt, daß der Beklagte mit dem Beschlüsse einen Zwang habe ausüben w o l l e n , dies also aus dem gesamten I n h a l t e sich ergebe. Allein, was es in dieser letzteren Beziehung ausführt, findet, wie die Revision mit Recht rügt, in dem feststehenden Sachverhalte keine Grundlage. Der Beschluß richtet sich nicht gegen die Person des Klägers unmittelbar, sondern gegen eine best'mmte Gruppe von Aerzten, zu der auch der Kläger gehört. Er besagt nicht, daß gegen diese etwas Ehrenrühriges vorliege, er läßt dies auch nicht etwa durchblicken, so daß Uneingeweihte dies annehmen könnten (wie in dem Falle RGZ. Bd. 79 S. 17 flg.). Er spricht bestimmt aus, daß Aerzte, weil und solange sie an Breslauer Krankenkassen Stellen einnehmen, die von der Organisation gesperrt s'nd, außerhalb der Standesverbindung stehen, und ist in der Form nicht verletzend. Er enthält auch nicht, wie das Berufungsgericht meint, einen Angriff des Beklagten auf d : e Standesehre des Klägers. Der Beklagte hat vielmehr, wie ihm freistand, durch den Beschluß dem Kläger nur Vorteile entzogen, auf die dieser an und für sich keinen Ansruch hat, die vielmehr im Wesen der Organisation des Beklagten liegen, und wenn es auch zutreffen sollte, daß das Verkehrsverbot über den Kreis der Aerzte hinaus das persönliche Ansehen des Klägers und damit seinen Erwerb gefährdete sowie eine gewisse Bec'nflussung der Aerzte dahin enthielt, Stellen an gesperrten Kassen nicht anzunehmen oder solche niederzulegen, so war doch hierauf der Wille des Beklagten nicht unmittelbar gerichtet, sondern es waren d'es nur Begleiterscheinungen eines Vorgehens des Beklagten, mit dem ein nicht unerlaubter, ja ein sittlich durchaus gerechtfertigter Zweck erreicht

252 werden sollte. Ein Angriff auf die Standesehre des Klägers kann daher weder in dem Beschlüsse noch in dessen Veröffentlichung in einer Fachzeitung gefundein werden, und auch das Bewußtsein jener Schädigung und Beeinflussung kann bei einer solchen Sachlage nicht bewirken, daß das an sich erlaubte und in berechtigtem Interesse erfolgte Vorgehen des Beklagten zu einem unerlaubten und gegen die guten Satten verstoßenden wird. Die Folgen dieses Vorgehens muß der Kläger tragen, wenn er die Pflichten, deren Erfüllung der Beklagte von seinen Mitgliedern fordert, nicht auf sich nehmen will." . . . RGZ. 94, 1 1. § 299 StGB, als Schutzgesetz zugunsten des Briefempfängers. 2. Schadensersatz durch Herausgabe von Abschriften and Vervielfältigungen eines widerrechtlich eröffneten Briefes. BGB. §§ 249, 823 Abs. 2; StGB. § 299. VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 3. Oktober 1918. I. Landgericht Hamburg.

II. Oberlandesgericht

daselbst.

Am 20. Mai 1916 wurde vom Postboten in der Wohnung des Klägers in H. ein Feldpostbrief abgeliefert, den die Schwester der Beklagten zu 1, die Ehefrau R., an den Kläger abgesandt hatte. Die Beklagte zu 1, die Ehefrau des Klägers, ließ sich durch ihre Tochter, die den Brief gesehein und von dessen Eintreffen ihr Mitteilung gemacht hatte, den Brief aushändigen und übergab ihn dann ihrem Vater, dem Beklagten zu 2, der ihn öffnete, photographisch vervielfältigen ließ, dann in dem ursprünglichen Umschlage wieder verschloß und in einen Briefkasten an der Wohnung des Klägers werfen ließ. Den Inhalt des Briefes hat die Beklagte zu 1 demnächst in ihrem Ehescheidungsprozesse mit dem Kläger verwertet. Die Klage ist auf gesamtschiuldnerische Verurteilung der beiden Beklagten zur Herausgabe der von dem Briefe genommenen Abschriften und photographischen oder sonstigen Vervielfältigungen gerichtet. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht verurteilte die Beklagten nach dem Klagantrage, jedoch mit der Maßgabe, daß die Herausgabe an einen Gerichtsvollzieher zur Vernichtung zu erfolgen hat. Die Revision der Beklagten wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Das Landgericht -nimmt zwar eine unerlaubte Handlung beider Beklagten an, die sie zum Schadensersätze verpflichten könne, meint aber, ein Schaden sei nicht entstanden. Auch § 852 Abs. 2 BGB stütze die Klage nicht. Die Beklagten hätten zwar in Verfolg der

Unerlaubte Handlungen

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unerlaubten Handlung etwas erlangt, aber nicht auf Kosten des Klägers; eine Vermögensverschiebung zwischen den Parteien habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe den Originalbrief zurückerhalten; einen weiteren Anspruch habe er nicht. Dais Berufungsgericht h{it demgegenüber folgendes ausgeführt: Der Beklagte zu 2 habe sich einer Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 299 StGB.) schuldig gemacht; die Beklagte zu 1 habe ihm den Brief zur Oeffnung ausgehändigt und eine Photographie davon in ihrem Ehescheidungsprozesse benutzt. Sie sei Teilnehmerin der unerlaubten Handlung des Beklagten zu 2 und beide Beklagten daher dem Kläger schadensersatzpfüchtig. Ein Schaden müsse nicht notwendig in einer Vermögensverschiebung bestehen; auch durch den Eingriff in ein immaterielles Recht könne ein Schaden entstehen. Sei das Briefgeheimnis verletzt, so sei es nicht möglich, die widerrechtlich erlangte Kenntnis des Schädigers von dem Briefinhalte rückgängig zu machen; wohl aber stelle die Herausgabe genommener Abschriften oder hergestellter Vervielfältigungen eine Form des Schadensersatzes dar (RGZ. Bd. 45 S. 170). Der Kläger könne jedoch die Herausgabe nicht an seine Person verlangen; denn er habe kein Recht auf die Vervielfältigungen, wohl aber habe er einen Anspruch auf ihre Vernichtung, die er in zweiter Instanz hilfsweise auch verlangt habe. Die gegen dieses Urteil seitens der Beklagten eingelegte Revision war nicht für begründet zu erachten. Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht eine von beiden Beklagten gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung gegenüber dem Kläger angenommen. Der Beklagte zu 2 hat einen nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmten verschlossenen Brief vorsätzlich und ohne Recht geöffnet und sich dadurch der Verletzung des Briefgeheimnisses nach § 299 StGB, schuldig gemacht. Die Beklagte zu 1 hat nach der Feststellung des Berufungsgerichts dem Beklagten zu 2 den Brief übergeben und war mit dessen rechtswidriger Oeffnung durch den Beklagten zu 2 einverstanden, als sie ihn hingab. Sie hat sich damit an der strafbaren Handlung des Beklagten zu 2 beteiligt, mag man ihre Beteiligung als Mittäterschaft (§ 47 StGB.) oder als Beihilfe (§ 49) rechtlich bestimmen. Die Vorschrift des § 299 StGB, stellt unverkennbar ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 BGB. dar; sie will die Personen, zwischen denen das Briefgeheimnis besteht und die über die Kenntnisnahme Dritter von seinem Inhalte zu verfügen haben, den Absender und den Empfänger des Briefes, gegen Verletzungen dieses Verfügungsrechts schützen. Mag man nun von der Rechtsansicht ausgehen, daß jede dieser Personen über den Brief verfügungsberechtigt und deshalb auch zur Stellung des Strafantrags nach § 299 Abs. 2 StGB, berechtigt ist, oder mag man bis zur Briefbestellung an den Adressaten durch die Postanstalt den Absender

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allein, nach der Postbestellung den Empfänger allein als verfügungsberechtigt über das Briefgeheimnis und deshalb als zur Stellung des Strafverfolgungsantrages befugt ansehen (vgl. Go'.idArch. f. Strafr. Bd. 26 S. 133, Bd. 56 S. 316, Bd. 61 S. 339; O p p e n h o f f , Rechtspr. d. Ob.-Trib. Bd. 19 S. 71; O l s h a u s e n S t G B . A. 8 zu § 299): in jedem Falle ist die von der Revision bestrittene Befugnis des Klägers, eine Verletzung des Briefgeheimnisses in bezug auf den hier in Rede stehenden Brief zu verfolgen, anzunehmen, da die Postbestellung des Briefes an den Empfänger bereits stattgefunden hatte, der Brief in der Wohnung des Klägers durch den Postbotan abgegeben worden war. Der Kläger ist deshalb auch zur Zivilrechtechen Geltendmachung der Rechte des Verletzten nach § 823 Abs. 2 B G B . befugt. Die Verletzung des Briefgeheimnisrechts des Klägers durch die Beklagten begründet die Forderung auf Schadensersatz, vorausgesetzt, daß ihm ein Schaden entstanden ist. Dies verneint die Revision im Einklänge mit der Begründung des Urteils der ersten Instanz. Allein mit Recht führt das Berufungsgericht aus, daß ein Schadensersatz nach § 249 B G B . , die Wiederherstellung des durch eine Rechtsverletzung gestörten Zustande-;, nicht notwendig einen Vermögensschaden erfordere. Nur eine Entschädigung i n G e l d kann wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, lediglich in den gesetzlich bestimmten Fällen (§§ 847, 1300 BGB.) gefordert werden; im übrigen kennt das Bürgerliche Gesetzbuch eine Beschränkung des Schadens auf ein vermögensrechtliches Interesse n ; cht (vgl. Mot. z. B G B . Bd. 2 S. 21, Prot. Bd. 1 S. 296, 298). Die Verpflichtung zum Schadensersatze reicht so weit, als eine Herstellung des Zustandes möglich ist, der ohne die zum Schadensersatze verpflichtende Rechtsverletzung bestehen würde. Als eine solche Wiederherstellung im Sinne des § 249 B G B . sieht das Berufungsgericht die vom Kläger geforderte Herausgabe der von den Beklagten bewirkten Abschriften und der von ihnen oder in ihrem Auftrage hergestellten photographi6chen Vervielfältigungen zum Zwecke ihrer Vernichtung an, einschließlich der zur Herstellung dieser Vervielfältigungen benutzten Negative und Platten. Es bezieht sich hierfür auf das in der Sammlung der Entscheidungen Bd. 45 S. 170 wiedergegebene Urteil des erkennenden Senats vom 28. Dezember 1899 i. S. der Erben des Fürsten Bismarck wider die Photographen, die nach dem Tode des Fürsten in das Sterbegemach eingedrungen waren und dort photographische Aufnahmen der Leiche und des Sterbezimmers gemacht hatten. Die Revision bestreitet zu Unrecht die Anwendbarkeit der Grundsätze jener Entscheidung, da es sich bei dieser nicht um einen Schadensersatz, sondern um die condictio ob injustam causam des gemeinen Rechtes gehandelt habe. Wie in jener Entscheidung ausgeführt ist, stellt sich die römischrechtliche condictio ob injustam causam in der

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Tat als eine Art der Wiederherstellung des früheren Zustandes (Restitution) dar, wofür es nach dem System des römischen Rechtes eines ergänzenden Rechtsbehelfes bedurfte, da die auf einzelne Tatbestände beschränkte Deliktsklage auch in ihrem Umfange begrenzt war. Im Sinne der Rechtsordnung des Bürgerlichen Gesetzbuchs fällt d : ese Wiederherstellung unter den Begriff des Schadensersatzes nach § 249, so daß es einer besonderen condictio ob injustam causam nicht mehr bedarf (vgl. Mot. z. BGB. Bd. 2 S. 724, 851; W i n d s c h e i d - K i p p Pandekten Bd. 2 §§ 425, 453 A. 1 und 5). So ist denn auch in der Entscheidung des erkennenden Senats RGZ. Bd. 71 S. 358 (360) ausgeführt, daß in der in § 852 Abs. 2 BGB. enthaltenen Vorschrift, wonach der Ersatzpflichtige das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten Erlangte auch nach Vollendung der Verjährung der Klage aus der unerlaubten Handlung nach den Grundsätzen über die Bereicherung herauszugeben hat, diese Bereicherung keineswegs etwas von dem Schaden des Verletzten Verschiedenes darstelle; denn was der Schadensersatzpflichtige auf Kosten des Verletzten erlangt habe, habe er eben zu dessen Schaden erlangt. Vielmehr mache die Bereicherung nur denjenigen Teil des Schadens aus, hinsichtlich dessen der Schaden des Verletzten zugleich mit e : nem Vermögenszuwachse des Schädigers verbunden sei. Der Tatbestand des § 852 Abs. 2 BGB. kommt im übrigen im gegebenen Falle nicht weiter in Frage; maßgebend ist aber auch für die gegenwärtige Klage der in der angezogenen Entscheidung entwickelte Gesichtspunkt, daß die Wiederherstellung nach der gemeinrechtlichen condictio ob injustam cauisam, die die Entscheidung RGZ. Bd. 45 S. 170 behandelt hat, nichts von dem Schadensersatze des § 249 BGB. Verschiedeneis ist, sondern dessen Umfange sich einordnet. Es ist im gegebenen Falle ein Schaden des Klägers, daß die Beklagten Abschriften und photographische Vervielfältigungen des rechtswidrig dem Kläger entzogenem Briefes nehmen und herstellen und davon Gebrauch machen konnten. Diesen Zustand zu beseitigen, hat der Kläger ein Recht, das in den Rahmen der Wiederherstellung nach § 249 BGB. fällt. Die Rüge der Revision, daß die Beklagten nicht auf Kosten des Klägers als des Briefempfängers, sondern nur auf Kosten der Absenderin die Abschriften und Vervielfältigungen des Briefes erlangt hätten, erledigt sich mit der e'ngangs gegebenen Erwägung, daß a b durch die Verletzung des Briefgeheimnisses geschädigt sowohl dei Absender wie auch jedenfalls nach der PostbestelLung des Briefes der Empfänger anzusehen sind. Ob die Beklagten sich zurzeit im Besitze der genommenen Abschriften und Vervielfältigungen sowie der Negative und Platten der photographischen Aufnahmen befinden, zu deren Herausgabe behufs Vernichtung das Berufungsurteil s : e verurteilt, ist Sache der Zwangsvollstreckung. Für die Verurteilung

256 genügt es, daß sie Abschriften und photographische Vervielfältigungen des Briefes bewirkt haben oder haben bewirken lassen; das aber ist vom Berufungsrichter festgestellt." . . . RGZ. 94, 220 1. Ist § 829 BGB. auch im Falle des § 844 anwendbar? 2. Verjährung des Anspruchs aus § 829. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 9. Dezember 1918.

I. Landgericht Hannover.

II. Oberlandesgericht Celle.

Der Beklagte hat am 2. September 1912 die Tochter der Klägerin erschossen; dabei hat er sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden. Die Klägerin forderte auf Grund der §§ 823, 829, 844 Abs. 2 BGB. die Feststellung der Schadenisersatzpflicht des Beklagten. Während das Landgericht die Klage abwies, stellte das Oberlandesgericht fest, daß der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin durch Entrichtung einer Geldrente den ihr durch die Tötung ihrer Tochter entstandenen Schaden insoweit zu ersetzen, als 1. die Getötete während der mutmaßlichen Dauer ihres Lebens zur Gewährung des Unterhalts an die Klägerin verpflichtet gewesen sein würde; 2. die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordere; 3. dem Beklagten nicht die Mittel entzogen würden, deren er zum standesmäßigen Unterhalt sowie zur Erfüllung iseiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedürfe. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen. Gründe: . . . „Das Berufungsgericht hat die Klage, soweit sie sich lediglich auf § 844 Abs. 2 BGB. gründet, in der Erwägung abgewiesen, daß die Klägerin bereits kurz nach dem Tode ihrer Tochter sowohl von dem ihr dadurch erwachsenen Schaden als auch davon, daß der Beklagte ihre Tochter getötet hat, Kenntnis erhalten habe, daß daher die dreijährige Verjährungsfrist zur Zeit der Klagerhebung bereits abgelaufen gewesen sei. Dagegen hat es — unter Darlegung, daß die Voraussetzungen zur Anwendung des § 829 BGB. gegeben seien — den Einwand der Verjährung, soweit er gegen den auf diese Vorschrift sich stützenden Klaganspruch gerichtet ist, für unbegründet erachtet und hierzu ausgeführt, jene Umstände seien nicht ausreichend, um die Kenntnis der Klägerin von der Person des Täters

257 als des Ersatzpflichtigen zu begründen. Denn der Beklagte habe im Sinne des § 829 als Täter erst in Frage kommen können, wenn die Klägerin gewußt habe, daß er für den von ihm verursachten Schaden auf Grund des § 827 nicht verantwortlich war. Vor erlangter Kenntnis von diesem für den Bestand des Anspruchs maßgebenden Umstände könne die Verjährung nicht beginnen. Die Kenntnis von einer schon zur Zeit der T a t bestehenden Geisteskrankheit des Beklagten habe die Klägerin aber erst innerhalb der letzten drei J a h r e vor der Klagerhebung erlangt. Die Revision macht geltend, die Vorschrift im § 829 gewähre nur dem Verletzten einen Anspruch, bestreitet daher, daß sie auf den hier vorliegenden Fall des § 844 anwendbar sei. Diese Ansicht geht fehl. Richtig ist allerdings, daß bei der Singularität jener Vorschrift eine entsprechende Anwendung auf andere unerlaubte Handlungen als die darin ausdrücklich erwähnten (§§ 823 bis 826) ausgeschlossen ist (RGZ. Bd. 74 S. 143). Allein wie vom Reichsgerichte die Anwendbarkeit des § 829 auf die Fälle der §§ 830, 833 Satz 2, 836 deswegen eingenommen worden ist, weil in ihnen nicht eine Handlung besonderer Art aufgestellt, sondern nur ein Anwendungsfall des aus § 823 sich ergebenden Tatbestandes behandelt wird (RGZ. a. a. O.; Warneyer 1915 Nr. 283, 1916 Nr. 278; Komm. v. R G R . zu § 829 Anm. 1), so kann aus dem gleichen Grunde die Anwendbarkeit des § 829 auf den Fall des § 844 keinem Zweifel unterliegen, da auch diese Bestimmung den — objektiven — Tatbestand des § 823 voraussetzt. Es ist auch kedn innerer Grund ersichtlich, der es rechtfertigen könnte, die Anwendbarkeit des § 829 auf den Fall des § 844 auszuschließen. Auch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Einwand der Verjährung, soweit er sich gegen den Anspruch aus § 829 richtet, zurückgewiesen hat, sind frei von Rechtsirrtum. Dieser Anspruch ist kein Schadensersatzanspruch der gewöhnlichen Art. Es läßt sich nicht der Auffassung beitreten, es gebe einen besonderen Anspruch aus § 829 überhaupt nicht, vielmehr bleibe der Anspruch aus den §§ 823 bis 826 trotz der Nichtverantwortlichkeit des Täters nach Maßgabe des § 829, soweit es die Billigkeit verlange, aufrecht und die Behauptung des Mangels der Verantwortlichkeit sei Einrede, die durch Replik gemäß § 829 ganz oder teilweise geschlagen werde. Der Anspruch aus § 829 ist ein Billigkeitsanspruch und unterscheidet sich von den auf §§ 823 bis 826 gestützten Ansprüchen in bezug auf Grundlage und Tragweite (RGZ. Bd. 74 S. 146). E r hat zur Voraussetzung u. a. auch die, daß die schädigende Handlung, die, bei Zurechnungsfähigkeit begangen, den Tatbestand einer unter die § § 8 2 3 bis 826 fallenden unerlaubten Handlung darstellen würde, in einem Zustande der im § 827 beizeichneten Art oder von einem Kinde vorgenommen worden ist. Solange der Geschädigte diesen Umstand Zivils. Sdiuldredit

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noch nicht kennt, läßt sich nicht isagen, daß er von der Person des nach § 829 „Ersatzpflichtigen" Kenntnis erlangt hat, und erst von dem Zeitpunkte dieser Kenntnis — und der Kenntnis des Schadens — an läuft die dreijährige Verjährung (§ 852). Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Klägerin davon, daß der Beklagte ihre Tochter in einem Zustande der im § 827 bezeichneten Art tötete, Kenntnis erst innerhalb der letzten drei Jahre vor der Klagerhebung erlangt hat, ist frei von Rechts irr tum." . . . RGZ. 95, 61 Inwiefern hat neben dem Ladeninliaber and Miefer aach der Hauseigentümer für die Verkehrssicherheit der Zuginge zu den Laden einzustehen? BGB. § 823 Abs. 1. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 4. November 1918.

I. Landgericht II Berlin.

II. Kammergericht daselbst.

Die Klägerin ist am 31. Januar 1917 beim Verlassen des im Hause der Beklagten an der Augsburger Straße zu Berlin befindlichen Ladens des Bäckermeisters H. auf dem vor der Ladentür liegenden Eisenrost infolge von Glatteis zu Fall gekommen und macht für die Folgen des Unfalls für ihre Erwerbsfähigkeit die Beklagte verantwortlich, von der sie auch Ersatz der Kurkosten sowie ein Schmerzensgeld verlangt. Beide Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache in die Vorinstanz zurückverwiesen aus folgenden Gründen: „Die Urteile beider Vorinstanzen nehmen an, daß für den verkehrssicheren Zustand des Kellerrostes bei Glatteis nicht die Beklagte als Hauseigentümerin, sondern der Mieter und Ladeninhaber Bäckermeister H. zu sorgen habe, der einen Verkehr zu seinem Laden eröffnet habe. Das Berufungsgericht führt aus: ursprünglich habe die Klägerin ein Verschulden der Beklagten darin gesehen, daß nicht mit abstumpfendem Material gestreut worden sei; jetzt finde sie — da auf dem Eisenrost dieses Material nicht haften könne — das Verschulden darin, daß keine Vorrichtung getroffen sei, die ein Ausgleiten hindere. Eine Haftung der Beklagten könne nur aus ihren Pflichten als Hauseigentümerin abgeleitet werden. Ein Verkehrsbedürfnis, derartige schmale Eisenroste unmittelbar an der Hauswand zu sichern, bestehe nicht, da der Verkehr der Passanten dort sich nicht bewege, die den breiten Bürgersteig zur Verfügung hätten. Der hier fragliche Rost liege nun allerdings vor einer in das Haus

259 führenden Tür; es möge deshalb eine Pflicht bestehen, ihn zum Schutze der Ein- und Ausgehenden von Glätte freizuhalten. Sie liege aber nicht dem Besitzer des an der Straße liegenden Hauses als solchem, sondern demjenigen ob, der den Verkehr durch die Tür eröffnet habe. Das sei hier der Mieter, dem der Vermieter nur die Berechtigung gebe, den Verkehr zu eröffnen. Die Revision will nicht bemängeln, daß in erster Linie der Mieter und Ladeninhaber die Verpflichtung der Sicherung des Rostes habe. Daneben treffe die Pflicht aber auch den Hausbesitzer. Denn es handle sich um eine Verkehrsgefahr, die aus der Anlage des Rostes von vornherein entspringe; es handle sich um eine gefährliche Beschaffenheit des Hauses, zu dem überhaupt und allgemein der Eigentümer für jeden Mieter und jeden Besucher den Verkehr eröffnet habe. Der Revision war stattzugeben. Die Vermietung des Ladens und die Sorgfaltspflicht des Mieters hinsichtlich der Verkehrssicherung der Ladenzugänge, im gegebenen Falle der Sicherung des zum Laden verkehrenden Publikums vor den Gefahren, welche durch die Einrichtung des unmittelbar vor der Ladentür befindlichen Eisenrostes für die den Laden besuchenden Personen sich ergeben, schließt die Mitverpflichtung des Hauseigentümers nicht aus, wenn es sich um Gefahren handelt, die durch den Eigentümer zu vertretenden baulichen Zustand und die Einrichtungen im und am Hause selbst verursacht sind. Auch wenn der Mieter im Mietvertrag ausdrücklich oder neben diesem stillschweigend die Verkehrssicherungspflichten gegen die Ladenbesucher übernommen hat, und wenn davon abgesehen der Mieter als derjenige, der den Verkehr zu seinem Geschäfte und damit zu dem mit einem Gefahren bietenden Eingang versehenen Ladenraume eröffnet hat, für rechtlich verpflichtet erachtet werden muß, diejenigen Maßregeln zu treffen, die die Sicherheit der Ladenbesucher gewährleisten, bleibt daneben jene Sorgfaltspflicht des Eigentümers bestehen. Auch er handelt schuldhaft und wird verantwortlich für Unfälle, welche den das Geschäft des Mieters besuchenden Personen zustoßen, wenn die Gefahren durch Einrichtungen des Hauses bedingt waren, deren Gefährlichkeit ihm ersichtlich sein mußte, und er es schuldhaft unterlassen hat, sich um die Beseitigung dieser Verkehrsgefahren zu kümmern und eine Aufsicht darüber zu führen, daß der Mieter den von ihm übernommenen oder von selbst ihm obliegenden Verpflichtungen nachkommt. Ein solches Verschulden trifft den Hauseigentümer vor allem dann, wenn die Säumnisse des Mieters unter seinen Augen sich vollziehen, wenn er selbst im Hause wohnt und wahrnimmt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen mußte, daß für die Verkehrssicherheit in Hinsicht auf jene Gefahren nicht gesorgt wird. Der Hauseigentümer hat den Laden vermietet, damit der Ladenimhaber 17'

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dort sein Geschäft betreibe; er selbst hat dadurch die Räume zu einem Verkehr für das Publikum bestimmt. Gewiß wird in solchen Fällen eine Haftung den Hauseigentümer nicht unter allen Umständen treffen, wohl a b e r dann, wenn er wahrgenommen hat, daß der Mieter seiner Verkehrssicherungspflicht nicht nachkam, oder wenn ihm dies gar nicht hätte entgehen können. So hat sich das Reichsgericht auch in dem ähnlichen F a l l e R G Z . Bd. 92 S. 359 ausgesprochen. Im gegebenen Falle lag nach der Darstellung der Beklagten selbst der etwa 2 Meter lange Rost hart unterhalb der Stufe zum B ä c k e r laden, mußte also beim Eintreten in diesen und beim Austreten aus ihm passiert werden. Es lag auf der Hand, daß bei eintretender Wünterglätte, Eis- oder Schneebildung, der metallene Rost den Ladenbesuchern gefährlich werden konnte. Nach der unwidersprochenen Behauptung der Klägerin, die die Parteienbezeichnung beider Urteile bestätigt, wohnte die Beklagte selbst in dem Hause, kannte also den Zustand des Ladenzugangs. Ein Bestreuen mit abstumpfenden Stoffen kam bei einem Rost als Schutzmittel gegen die Gefahren der Glätte nicht in Betracht. Geeignete Sicherungsinittel waren nur das Umwickeln der Roststäbe mit Werg oder Stroh, wenn die Einrichtung des Rostes ein solches Umwickeln zuläßt, oder das B e d e c k e n des Rostes mit einer Decke oder Matte als Belag, das hier allein als zweckdienlich in Frage zu kommen scheint. D a ein solcher Belag, wenn er nicht von besonderer S c h w e r e oder S t ä r k e ist, sich leicht verschiebt, muß für seine Befestigung Sorge getragen werden. Daß der Ladeninhaber, dem diese Maßnahmen in e r s t e r R e i h e obliegen, in der angegebenen W e i s e zur Beseitigung der Gefahr geeignete Maßregeln trifft, darum hat sich auch der Hauseigentümer zu kümmern, dem der hart am Eingang zum Laden befindliche Eisenrost ebenfalls eine Sorge auferlegt, daß diese Einrichtung des Hauses nicht den nach dem Laden verkehrenden Personen zur Gefahr wird. Die Beklagte hat behauptet, daß der Bäckermeister H. ständig bei Winterglätte durch Auflegen einer dicken Strohdecke in der B r e i t e der Ladeneingangstür und, soweit der Rost noch darüber hinausragte, durch B e legen mit d i c k e r Pappe für die Verkehrssicherheit gesorgt habe, und daß der Eisenrost auch am Unfallstage in der geschilderten W e i s e geschützt gewesen sei. Ob das zutrifft und ob diese Art des Belegens des Rostes zur Herstellung eines sicheren Zustandes genügend war, so daß sich die Beklagte bei deT Kenntnis, daß der B ä c k e r m e i s t e r H. diese Sicherungsmaßrege'.n traf, beruhigen konnte, darauf wird e s für die Beurteilung, ob der Beklagteil eine Schuld an dem Unfälle beigemessen werden kann, ankommen. Die B e k l a g t e hat weiter Selbstverschulden der Klägerin eingewendet, das sie nach § 254 B G B . des S c h a d e n e r s a t z a n s p r u c h s beraube, da sie nach dem Laden r ü c k w ä r t s blickend die Türschwelle überschritten habe, ohne auf die S c h w e l l e

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zu achten, so daß sie nicht durch die gefährliche Glätte des Eisenrostes, die ja durch den Belag einer Strohdecke unschädlich gemacht worden sei, sondern infolge des unachtsamen Passierens der die Türschwelle bildenden Stufe zu Falle gekommen sei. Auf die Feststellung dieser Tatsachen kommt es an; nicht aber kann von vornherein die Beklagte von jeder Sorgfaltspflicht als Hauseigentümerin aus dem Grunde freigesprochen werden, daß diese Pflicht allein dem Ladeninhaber obliege." . . .

RGZ. 95, 173 Erstreckt sich die Schadensersatzpflicht für einen körperlichen Unfall auch auf den Mindererlös eines durch den Unfall nötig gewordenen Verkaufs von Geschäftseinrichtungen des Verletzten? BGB. § 842. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht III Berlin.

Urt. v. 20. März 1919. II. Kammergericht daselbst.

Die Frage wurde bejaht. Aus den G r ü n d e n : „Der Kläger hat vorgetragen, daß er die Geschäftseinrichtung im März 1916 infolge der Verschlimmerung der auf den Unfall zurückzuführenden Gesundheitsstörungen habe verkaufen müssen, daß er hierbei am Erlös einen Verlust von mindestens 6000 M. erlitten habe, die er zu Friedenszeiten mehr erlöst hätte, und daß dieser Schaden danach Unfallschaden, mithin zu drei Vierteln zu erstatten sei. Das Berufungsgericht glaubt das Vorbringen ohne sachliches Eingehen aus rechtlichen Gründen zurückweisen zu können: jener Schaden am Erlös der Geschäftseinrichtung sei weder eine Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit (§ 843 BGB.) noch eine Eigentumsbeschädigung (§ 823 Abs. 1 BGB.), vielmehr ein Kapitalschaden und daher ein allgemeiner Vermögensschaden. Dieser Schaden sei, weil nur fahrlässige Verschuldung in Frage kommen könne, nicht ersatzfähig. Für den dafür angeforderten Betrag ( s /i von 6000 M.) sei daher das Klagebegehren abzuweisen, auch wenn die dazu vorgetragenen tatsächlichen Behauptungen des Klägers zutreffen sollten. Mit Recht findet die Revision hierin eine Verletzung der §§ 823, 842, 249 B G B . Eine Beschädigung des Vermögens einer Person im allgemeinen als unerlaubte Handlung kennt das Bürgerliche Gesetzbuch allerdings nicht; nach feststehenden Rechtsgrundsätzen (vgl. Komm. v. R G R . § 823 Erl. 1) muß der Vermögensschaiden gemäß § 823 Abs. 1 die Folge einer widerrechtlichen Verletzung der dort genannten geschützten Rechtsgüter und Rechte oder gemäß § 823

262 Abs. 2 die Folge einer Zuwiderhandlung gegen Schutzgesetze sein, oder es muß einer der besonderen Tatbestände der §§ 824, 826, 839 vorliegen, wenn ein Anspruch auf Ersatz des Schadens bestehen soll. Diese Voraussetzung ist aber hier zweifellos erfüllt; es liegt eine Verletzung an dem Körper und der Gesundheit vor (Abs. 1 des § 823), worauf die Klage gestützt ist. Solchenfalls ist aber nicht nur der in § 843 näher bezeichnete Schaden — für solche Folgen, die ihrer Natur nach fortlaufend sich erneuern — sondern es sind, nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 842 (vgl. Prot. Bd. 2 S. 636) alle Nachteile zu ersetzen, welche die Handlung für den Erwerb oder das Fortkommen des Verletzten herbeiführt. Ist dieser durch die Folgen des Unfalls genötigt worden, sein Erwerbsgeschäft aufzugeben, die Geschäftseinrichtung zu verkaufen oder sonstige Betriebsmittel zu veräußern, so ist eine hierbei in Gestalt eines Mindererlöses eingetretene Vermögenseinbuße rechtlich unbedenklich dem Vermögensschaden zuzuzählen, für den gegebenenfalls der Schädiger dem Verletzten aufzukommen hat. In der Rechtsprechung wurden und werden denn auch Schadensposten wie der hier in Rede stehende ohne rechtliche Beanstandung zuerkannt (vgl. z. B. Warneyer 1908 Nr. 519, 1917 Nr. 265, auch VI 574/14 und im Allgemeinen Komm. v. RGR. § 842). Die Ausführung des Berufungsgerichts beruht auf einer Verwechselung des hier gegebenen Falles einer gegen die Person gerichteten unerlaubten Handlung mit dem anderen, wo diese sich allein gegen das Vermögen des Verletzten gerichtet hat und hiernach im Rahmen des § 823 Abs. 1 gegebenenfalls zu fragen ist, welches Recht der dort gemeinten Art verletzt sei." . . . RGZ. 95, 238 Bedeutung der Zuwiderhandlung gegen Unlallverhütungsvorschriiten für den Nachweb der Verursachung eines Unfalls. BGB. § 823. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Duisburg.

Urt. v. 3. April 1919. II. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Am 17. Juli 1913 ist der Kaminbauer N. von Duisburg, während er in dem Maurereibetriebe des Beklagten in Duisburg tätig war, dadurch verunglückt, daß ihm, als er am Fußpunkte eines Kaminneubaues stand, ein von oben an einem Seile heruntergelassener eiserner Kübel, der sich infolge Anschlagens an den Schornstein aus seiner Befestigung 'gelöst hatte, auf den Kopf fiel und ihm die Schädeldecke und das Genick durchschlug. Für die Witwe des N. wurde von der Klägerin eine Unfallrente festgesetzt. Die Klägerin verlangt nunmehr vom Beklagten als dem Unternehmer gemäß § 903 Abs. 1

263 und 4 RVO. Ersatz ihrer Aufwendungen, indem sie behauptet, der Beklagte habe den Unfall fahrlässig mit Außerachtlassung der Aufmerksamkeit, zu der er vermöge seines Gewerbes besonders verpflichtet war, herbeigeführt. Das Landgericht und das Oberlandesgericht wiesen die Klage ab. Auf die Revision wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gründe: „Insoweit das Beruf ungsurteil ein Verschulden des Beklagten in der Richtung, daß ein den Unfallverhütungsvorschriften entsprechendes Schutzdach unten am Kaminneubau nicht vorhanden gewesen sei, verneint, ist es von der Revision nicht angefochten. Diese wendet sich vielmehr nur dagegen, daß die Klage abgewiesen ist trotz der festgestellten Zuwiderhandlung des Beklagten gegen § 16 Nr. 12 der Unfallverhütungsvorschriften, wo angeordnet ist, daß bei Beförderung von Materialien in Eimern, Kübeln und dergleichen Gefäßen die Aufzugsseile mit Doppel- oder Karabinerhaken zu versehen seien. Nach dem Berufungsurteile hat der Beklagte diese Vorschrift insofern außer acht gelassen, als er bei dem fraglichen Kaminneubau die Verwendung von gewöhnlichen einfachen Haken — an Stelle von Doppel- oder Karabinerhaken — zur Befestigung der hinauf- und herabzubefördernden Kübel am Aufzugsseile duldete. Darüber, ob sich der Beklagte des Verstoßes gegen die Unfallverhütungsvorschriftesn bewußt war oder ob er sich um diese Einzelheiten nicht kümmerte und deshalb von der Verwendung einfacher Haken nichts wußte, hat sich das Berufungsgericht nicht ausgesprochen. Es kann aber nicht zweifelhaft sein, daß sich der Beklagte auch im letzteren Falle einer Außerachtlassung derjenigen Aufmerksamkeit, zu der er vermöge seines Gewerbes als Bauunternehmer besonders verpflichtet war (§ 903 Abs. 1 und 4 RVO.), schuldig gemacht haben würde. Der Berufungsrichter hält die Klägerin für beweispflichtig nicht bloß dafür, daß der Beklagte im gegebenen Falle schuldhaft gegen die UnfallverhütungsVorschriften verstoßen habe, sondern auch dafür, daß bei Benutzung von Haken der vorgeschriebenen Art der Unfall des N. verhütet worden wäre; bei Erbringung auch dieses letzteren Beweises, meint das Berufungsgericht, würde der ursächliche Zusammenhang zwischen der Zuwiderhandlung gegen die Unfallverhütungsvorschriften und dem Unfälle dargetan sein. Diese Auffassung verstößt, wie die Revision mit Recht geltend macht, gegen die Grundsätze über die Beweislast. Die Unfallverhütungsvorschriften stellen den von der zuständigen Behörde kraft öffentlicher Gewalt festgesetzten Niederschlag der in dem betreffenden Gewerbe gemachten Betriebserfahrungen dar. Sie sind, wenn auch keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.,

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Schuldrecht, Besonderer Teil

für den Betriebsunternehmer regelmäßig schlechthin bindend und gestatten dem eigenen abweichenden Ermessen des Betriebsinhabers nur in ganz besonders gelagerten Ausnahmefällen einen Spielraum (vgl. Jur. Wochenschr. 1913 S. 197 Nr. 7, 1911 S. 335 Nr. 41). S.'nn und Zweck der Unfallverhütungsvorschriften als eine« Inbegriffs von Normen, deren Befolgung nach der Erfahrung eine erhöhte Sicherheit gegen Betriebsunfälle bieten soll, führen zu der Annahme, daß die Zuwiderhandlung gegen diese Vorschriften Betriebsunfälle zu verursachen geeignet ist und daß der Zuwiderhandelnde gerade durch die Nichtbefolgung der Vorschriften eine Bedingung des UnJallerfolges gesetzt hat. Dadurch, daß der Schaden möglicherweise auch bei Befolgung der Unfallverhütungs v orschriften eingetreten wäre, wird der ursächliche Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Zunächst hat demnach die Klägerin ihrer Beweispflicht genügt, wenn sie die Nichtbefolgung jener Vorschriften seitens des Beklagten dartut. Sache des Beklagten ist es dann, im Wege des Gegenbeweises Umstände darzutun, die den Schluß auf das Vorliegen des ursächlichen Zusammenhanges für den besonderen Fall als unberechtigt erscheinen lassen. Bei seinen Ausführungen darüber, daß die Klägerin den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Außerachtlassung des § 16 Nr. 12 UVV. und dem Unfälle des N. nicht erwiesen habe, ist dem Berufungsgericht übrigens noch eine weitere Unrichtigkeit unterlaufen. Das Urteil geht davon aus, daß es angesichts des § 16 Nr. 12, wonach der Unternehmer die Wahl zwischen Doppelhaken und Karabinerhaken habe, genüge, wenn die Sicherheit, die der Doppelhaken bot, mit der durch den einfachen Haken gewährleisteten Sicherheit in Vergleich gestellt werde. Weiter wird erörtert, auf Grund der Ausführungen der Sachverständigen sei anzunehmen, daß die Arbeiter beim Vorhandensein von Doppelhaken an Stelle der einfachen Heiken den herabzulassenden leeren Kübel auch nur auf einer Seite — nicht rechts u n d links, wo sich je eine Oese befand — mittels Hakens (Doppelhakens) an dem Aufzugsseile befest ; gt haben würden; und außerdem bestehe die Möglichkeit, daß sie den einen verwendeten Doppelhaken nicht ordnungsmäßig, d. h. nicht mit seinen beiden Windungen in die Oese des Kübels eingedreht hätten, in welchem Falle die Gefahr des Herausgleiteris aus der Oese beim Doppelhaken größer sei als beim einfachen Haken. Sieht man nun auch davon ab, daß die hypothetische Feststellung über die Verwendung nur eines Doppelhakens lediglich auf Grund der Anführung von Sachverständigen getroffen ist, wonach ein solcher Brauch oder Mißbrauch beim Herablassen leerer Kübel ziemlich allgemein besteht, so durfte doch die bloße Möglichkeit, daß der etwa verwendete Doppelhaken unvollständig in die Kübelöse eingedreht worden wäre, nicht als fest-

265 gestellte Tatsache behandelt und als solche gewürdigt werden. Völlig unberücksichtigt ist aber der Gesichtspunkt geblieben, daß der Beklagte dann, wenn der Doppelhaken aus irgendwelchem Grunde — und wäre es auch nur zufolge unsorgfältiger Handhabung von Seiten der Arbeiter gewesen — keine hinreichende Sicherheit bot, zur Verwendung des bei richtigem Arbeiten der Feder eine, wie das Berufungsgericht selbst sagt, fast vollkommene Sicherheit bietenden Karabinerhakens verpflichtet war. Insofern war es, worauf auch die Revision hinweist, nicht richtig, wenn das Berufungsgericht die Frage der Verwendung des Karabinerhakens aus seinen Erwägungen gänzlich ausgeschaltet hat. Endlich ist noch folgendes zu erwähnen. Das Berufungsgericht zieht aus seinen Darlegungen des Inhalts, daß der Klägerin der Beweis für die Verhütung des Unfalls durch Benützung der vorgeschriebenen Haken nicht gelungen sei, einen unrichtigen Schluß. Konnte die Klägerin diesen (ihr zu Unrecht zugemuteten) Beweis nicht erbringen, so hatte das vom Standpunkte des Berufungsrichters selbst aus nur die Folge, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen der Nichtbefolgung der Unfallverhütungsvorschriften und dem Unfälle zu verneinen war. Die Frage, ob der Beklagte die durch sein Gewerbe ihm besonders zur Pflicht gemachte Aufmerksamkeit außer acht gelassen hat oder nicht, ist lediglich aus der Gesamtheit der Verhältnisse heraus zu entscheiden, unten denen er dazu gelangte, bei dem Kaminneubau einfache Haken an Stelle von Doppel- oder Karabinerhaken verwenden zu lassen. Dabei mag darauf hingewiesen werden, daß irgendwelche Umstände, die ein Abgehen des Beklagten von der Anordnung des § 16 Nr. 12 UVV. als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, weder von ihm selbst angeführt noch sonst ersichtlich sind." . . . RGZ. 95, 283 1. Kann der Anspruch des Verletzten auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. angesehen werden? 2. Unfall eines Jugendlieben im landwirtschaftlichen Betrieb? 3. Unterlassung der Unfallanzeige seitens des Betriebsunternehmers. Unfallversicherungsges. f. Land- u. Forstwirtschaft vom 5. Juli 1900 §§ 146, 7, 70*). VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 28. April 1919.

I. Landgericht Frankfurt a. O.

II. Kammergericht Berlin.

*) RVers.O. §§ 898, 930, 555, 1552 flg.

266 Am 1. August 1912 ist der Kläger Max H., damals etwa 13jähri>g, dadurch körperlich verletzt worden, daß er, in Gemeinschaft mit dem erstehelichen Sohne der Beklagten Karl K. an der Häckselmaschine der Beklagten sich betätigend, die linke Hand an die Messer der — nicht mit einer Messerverkleidung versehenen — Maschine brachte. Das Berufungsgericht hat die Klage auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes für Land- und Forstwirtschaft vom 5. Juli 1900 § 146, soweit sie auf Schmerzensgeld gerichtet war, vollständig abgewiesen und im übrigen nur Ersatz für die ersten dreizehn Wochen nach dem Unfall zuerkannt. Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Aus den G r ü n d e n : „Die Revision hat zunächst zur Nachprüfung gestellt, ob die Annahme des Berufungsgerichts zutreffe, daß der Unfall des Klägers Max H. sich im landwirtschaftlichen Betriebe der Beklagten ereignet habe. Die Ausführung des Berufungsgerichts, daß die Betätigung des Verletzten an der Maschine keine bloß spielartige, tändelnde gewesen und daß sie mit Einwilligung der Beklagten geschehen sei, bewegt sich ausschließlich auf tatsächlichem Gebiet, ist insoweit der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen und trägt die Entscheidung, wonach der Verletzte seines jugendlichen Alters ungeachtet als Arbeiter im Betriebe der Beklagten verunglückt ist. (Für die zutreffend vom Berufungsgericht angeführte Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes — Amtl. Nachr. 1899 S. 774 und 1901 S. 420 — sei weiter noch auf das Handbuch der Unfallversicherung 3. Aufl. Bd. 2 S. 15 unter b und auf B r e i t h a u p t , Rechtspr. des RVA., S. 432 flg. unter Nr. 3 bis 12 verwiesen. Vgl. auch RGZ. Bd. 66 S. 42.) Gemäß § 146 landw. UVG. war daher die Haftung der Beklagten wie geschehen einzuschränken. Auch soweit die Klage auf das Verhalten der Beklagten nach dem Unfall, im besonderen auf die Unterlassung der in § 70 das. vorgeschriebenen Unfallanzeige, gestützt ist, war dem Berufungsgerichte darin beizutreten, daß nach den gegebenen Umständen, insbesondere bei der Zweifelhaftigkeit der Rechtslage, der Beklagten diese Unterlassung nicht als Verschulden im Sinne des B G B . §§ 276, 823 anzurechnen ist. Hiernach kann unerörtert bleiben, ob jene Vorschrift überhaupt als ein den Schutz des Verunglückten bezweckendes Gesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . angesehen werden könnte (vgl. dagegen Warneyer 1909 Nr. 227). Daß, wie die Revision meint, auch der Abs. 1 des § 823 anwendbar sei, trifft nicht zu. Dafür, daß die durch den Unfall eingetretene Verletzung des Körpers und der Gesundheit durch das dem Unfall nachgefolgte Verhalten der Beklagten ungünstig beeinflußt worden wäre, liegt nichts vor. Und daß aus dem Verhalten der Beklagten ein schädigender Eingriff in das durch

267 den Unfall an und für sich entstandene Recht des Verunglückten auf die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung entnommen werden könnte, kann der Klage nicht zur Stütze dienen. Nach fester Rechtsprechung des Reichsgerichts (Komm. v. RGR. § 823 Anm. 9) sind unter „sonstigen Rechten" im Sinne des § 823 Abs. 1 nur solche zu verstehen, die mit dem voraufgeführten Eigentum und den weiter genannten Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit das gemeinsam haben, daß sie von jedermann beachtet werden müssen, — ausschließliche Rechte, die alle Personen binden und deshalb auch von allen verletzt werden können. Nicht dahin zählen Forderungsrechte, ebensowenig aber auch das der Unfallversicherungsgesetzgebung entspringende Recht des Verletzten auf die Leistungen dieser Versicherung, deren Gegenstand (GewUVG. § 8, landw. UVG. § 7) der Ersatz des durch Körperverletzung oder Tötung entstandenen Schadens ist. Auf diesen Schademsersatz ist der Anspruch gerichtet, der dem Verletzten aus dem Unfälle gegen den Träger der Versicherung, die Berufsgenossensohaft, erwächst. Dieser Anspruch ist nur persönlich gerichtet, insoweit, wenngleich auf öffentlichrechtlicher Grundlage erwachsen, den Forderungsrechten gleichartig und mithin nicht geeignet, a b „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 zu gelten." . . . RGZ. 96, 224 Zur Haftung mehrerer Personen für einen und denselben einem Dritten zugefügten Schaden, wenn die Täterschaft einer jeden von ihnen möglich ist, aber nicht festgestellt werden kann, and auch eine schnldhafte Beteiligung an gemeinsamer Gefährdung nicht vorliegt. BGB. § 830 Abs. 1 Satz 1 u. 2, § 840 Abs. 1. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.

Urt. v. 12. Juli 1919. II. Kammergericht

daselbst.

Der Beklagte wohnte längere Zeit und noch im Jahre 1917 bei der Klägerin als Untermieter; sie hatten miteinander dreimal, zuletzt vom 7. zum 8. Juli 1917 geschlechtlichen Verkehr. Beide Parteien sind kurz nach dem letzten Verkehr an Gonorrhöe erkrankt und behaupten, von der anderen angesteckt worden zu sein. Die Klägerin hat auf Ersatz des ihr durch die Ansteckung entstandenen Schadens gegen den Beklagten Klage erhoben. Die Klage wurde in beiden Vorinstanzen abgewiesen. Auch die Revision der Klägerin wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . „Die Revision will die Verantwortlichkeit des Beklagten für den der Klägerin entstandenen Schaden an ihrer Gesundheit aus dem

268 Satze abgeleitet wissen, daß mehrere Männer, die mit einer Frauensperson zu derselben Zeit geschlechtlich verkehrt haben, gesamtschuldnerisch für die Folgen der Beiwohnung, namentlich für den Unterhalt eines von der Frauensperson geborenen Kindes, aufkommen müßten. Dieser Satz geht von der in der gemeinrechtlichen Theorie des 19. Jahrhunderts zuweilen vertretenen Auffassung aus (P u c h t a Pand. § 416¡ W i n d s c h e i d Pand. § 415 Anm. 18), daß die uneheliche Beiwohnung eine unerlaubte Handlung darstelle. Diese Auffassung ist dem Bürgerlichen Gesetzbuche jedenfalls fremd, und damit auch jener Satz und in entsprechender Anwendung aus ihm abgeleitete weitere Folgerungen. Die unerlaubte Handlung, die dem Beklagten allein zum Vorwurfe gemacht werden kann und für deren schädliche Folgen er einzustehen hat, wenn sie ihm zur Last fällt, ist die Schädigung der Gesundheit der Klägerin durch ihre Ansteckung mit einer geschlechtlichen Krankheit gelegentlich einer außerehelichen Beiwohnung, nicht diese letztere selbst, zu der die Klägerin ihn verstattet hat. Die von der Revision gemeinte Haftung des Beklagten für die Gesundheitsbeschädigung der Klägerin, auch wenn die Ansteckung durch ihn nicht festgestellt werden kann, ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche nur möglich im Rahmen des § 830. Die Verantwortung mehrerer Personen für einen und denselben durch ihre unerlaubte Handlung einem Dritten zugefügten Schaden behandeln die §§ 830 und 840, wobei § 830 die Tatbestände der gemeinschaftlichen Verursachung, in Abs. 1 Satz 1 die gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung, in Abs. 1 Satz 2 die schuldhafte Beteiligung an gemeinschaftlicher Gefährdung festlegt, während § 840 die Auswirkung des gemeinschaftlichen rechtswidrigen Handelns zu gesamtschuldnerischer Haftung für den einmaligen Schaden ausspricht, über die Tatbestände des § 830 hinausgreifend und außer diesen auch die selbständ : ge Verursachung desselben Schadens durch mehrere nicht miteinander in Verbindung stehende Personen umfassend. Eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten für einen der Klägerin zugefügten Schaden mit anderen Personen zusammen ist im gegenwärtigen Rechtsstreite nicht in Frage. Es handelt sich allein darum, ob der Beklagte in seiner Person für den Schaden, die der Klägerin durch Ansteckung zugefügte Gesundheitsbeschädigung, überhaupt, sei es allein, sei es mit anderen Personen zusammen, verantwortlich ist. Die rechtliche Unterlage für den Schadensersatzanspruch an sich bildet § 823, für die Haftung des Beklagten neben anderen Personen § 830, und zwar, da eine gemeinschaftliche Betätigung in derselben Handlung durch Mittäterschaft, Anstiftung oder Beihilfe (§ 830 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2) nicht vorliegt, lediglich § 830 Abs. 1 Satz 2, die Beteiligung an einer gemeinsamen Gefährdung, aus der jede der daran beteiligten Personen haftet, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von ihnen den

269 Schaden durch seine Handlung verursacht hat. Die Bestimmung des § 830 Abs. 1 Satz 2 setzt eine äußere, zeitliche und örtliche Einheitlichkeit des Vorganges für die mehreren gleichartigen und an sich selbständigen Handlungen voraus, durch die eine tatsächliche Gemeinschaftlichkeit der Gefährdung hergestellt wird (RGZ. Bd. 58 S. 357; Warneyer 1908 Nr. 633, 1909 Nr. 557). Eine solche ist in der Rechtsprechung in einem Falle angenommen worden, wo zwei Männer zeitlich unmittelbar hintereinander und in Kenntnis von der Beiwohnung des anderen mit einer Frauensperson geschlechtlich verkehrt hatten, die letztere geschwängert wurde und im Verlaufe der Schwangerschaft schwer erkrankte (Warneyer 1912 Nr. 387). Die Einheitlichkeit des Vorganges und die Gemeinschaftlichkeit der Gefährdung ist dagegen, wie das Reichsgericht ebenfalls bereits ausgesprochen hat (Warneyer 1913 Nr. 363), zu verneinen, wenn eine Frauensperson, die mit verschiedenen Männern geschlechtlich verkehrt hat, geschlechtlich erkrankt ist, ohne daß ermittelt worden ist, durch wen die Ansteckung erfolgte, und ohne daß eine Beziehung zwischen den mehreren Männern und ein Wissen dieser voneinander vorlag. Auch im gegebenen Falle ist nur eine Mehrzahl von selbständigen, zeitlich und räumlich getrennten Vorkommnissen, von Handlungen verschiedener Personen und von Akten in Frage, die nur dadurch miteinander in Beziehung stehen, daß es dieselbe Frauensperson ist, mit der der Geschlechtsverkehr stattfand. § 830 Abs. 1 Satz 2 ist deshalb nicht anwendbar. Die Bestimmung des § 830 Abs. 1 Satz 2 ersetzt aber ferner nur die sonst erforderliche Feststellung, daß gerade auf den Beklagten die ursächlich wirkende Handlung der Uebertragung der Krankheit auf die Klägerin zurückzuführen wäre; sie ersetzt n'cht den Nachweis, daß der Beklagte selbst zur Zeit seiner Beiwohnung geschlechtlich krank war und damit die Krankheit auf die Klägerin übertragen k o n n t e . Dieser Beweis war, wie das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum annimmt, in doppelter Weise möglich: einmal, indem die Klägerin unmittelbar die Krankheit des Beklagten zum Gegenstand ihrer Beweisführung machte, oder indem sie darlegte, daß sie vor der Beiwohnung mit dem Beklagten gesund gewesen sei und keinen Verkehr mit anderen Männern gepflogen habe, auf die die Ansteckung zurückzuführen sein könnte. Nach beiden Richtungen vermißt das Berufungsgericht einen zum Erfolge geeigneten Beweisantritt. Die Klägerin hat versucht, den ersteren Beweis durch Eideszuschiebung zu führen; diese hat das Berufungsgericht mit Recht nach § 445 ZPO. für unzulässig erachtet, weil nach dem eigenen Vortrage der Klägerin der Beklagte zur Zeit der Beiwohnung mit der Klägerin von der tags zuvor erworbenen Krankheit noch nichts wissen mußte und konnte, die Erkrankung also nicht Gegenstand seiner Wahrnehmung war.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Auch die Eideszuschiebung -darüber, daß der Beklagte am Tage vorher zwei Frauenspersonen von der Straße mit sich in seine Wohnung genommen und mit ihnen geschlechtlich verkehrt habe, kann nicht weiter führen, aU einen gewissen Verdacht zu begründen, daß von diesen -die eine oder die andere möglicherweise krank gewesen sein und ihre Krankheit auf den Beklagten übertragen haben könnte. Der zweite, mittelbare Beweis mußte nach der tatsächlichen Auffassung des Berufungsgerichts an den Umständen scheitern, daß einmal der angerufene Zeuge St. — der einzige Mann, mit dem die Klägerin um die kritische Zeit geschlechtlich verkehrt haben will — gar nicht wissen könne, ob die Klägerin nicht auch noch mit anderen Männern Geschlechtsverkehr gepflogen habe, und ferner, daß ein solcher noch anderweitiger Verkehr der Klägerin mit Männern durch ihre zugestandene Erzählung gegenüber der Tänzerin B., sie habe sich einen Soldaten mit in die Wohnung genommen und sich von ihm ihre Krankheit geholt so nahe gelegt sei, daß auch an einen richterlichen Eid für die Klägerin nicht gedacht werden könne. Auch diese Erwägung ist nicht zu beanstanden. Wenn die Revision sie mit der Ausführung prozeßrechtlich angreift, daß eine solche Verwertung der Erklärung der Klägerin zu ihren Ungunsten nicht zulässig sei, so ist übersehen, daß die Tatsache vom Beklagten behauptet und von der Klägerin zugestanden ist, deren Versuch aber, sie harmlos zu deuten, vom Berufungsgerichte nicht für glaubhaft erachtet wird. Um eine eigene Behauptung der Klägerin, die von dem Beklagten bestritten worden wäre (RGZ. Bd. 86 S.331, Bd. 94 S. 348; Warneyer 1917 Nr. 24), handelt es sich im vorliegenden Falle gar nicht." . . . RGZ. 97, 229 1. Schließt die gegen einen Schadensersatzpflichtigen im Strafverfahren erkannte Bufie weitergehende Schadensersatzansprüche gegen die anderen gesamtschuldnerisch haftenden Schadensersatzpflkhtigen aus? 2. Gehört der kaufmännische Lehrherr in Ansehung seiner minderjährigen Lehrlinge zu den Personen, die im Sinne des § 832 BGB. kraft Gesetzes zur Aufsicht verpflichtet sind? BGB. § 832; HGB. § 76; StGB. § 231. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Thorn.

Urt. v. 1. Dezember 1919.

II. Oberlandesgericht Marienwerder.

Am 26. September 1912 erhielt der Kläger, als er auf dem Markt in G. an dem dort belegenen Eisengeschäfte des Beklagten vorüberging, einen Schuß aus einer Luftbüchse in das rechte Auge, das infolge dieser Verletzung entfernt werden mußte. Der Schuß war

Unerlaubte Handlungen

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abgegeben von dem damals 18jährigen Handlungslehrlinge des Beklagten, Kr., der wegen dieser Handlung strafrechtlich zu einer Geldstrafe von 500 M. und einer Buße von 3000 M. rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Kläger macht für den ihm entstandenen Schaden auch den Beklagten wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht auf Grund des § 832 BGB. verantwortlich und hat gegen ihn auf Zahlung von 447,05 M. an Aufwendungen für Heilungs- und Pflegekosten sowie einer jährlichen Rente von 1200 M. Klage erhoben. Das Landgericht hat diese Klagansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Auch die Revision wurde zurückgewiesen aus folgenden Gründen: „Die Urteile beider Vorinstanzen haben die Klagansprüche aus dem rechtlichen Gesichtspunkte des § 832 BGB. für begründet erachtet, da auch dem kaufmännischen Lehrherrn ebenso wie dem gewerblichen eine Aufsichtspflicht über seine Handlungslehrlinge obliege. Einen dem § 832 BGB. entsprechenden Entlastungsbeweis habe der Beklagte nicht erbracht. Die Revision des Beklagten, die sich gegen die Anwendung des § 832 BGB. auf das Verhältnis des kaufmännischen Lehrherrn zum Lehrling richtet, war nicht für begründet zu erachten. Eine von der Revision nicht berührte Vorfrage für eine Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatze gegenüber dem Kläger ist, ob die in dem Strafverfahren gegen den Urheber der Körperverletzung, den Lehrling Kr., dem Kläger zuerkannte Buße den weiteren Schadensersatzanspruch gemäß § 231 Abs. 2 StGB, auch gegenüber anderen Schadensersatzpflichtigen ausschließt. Die Frage ist vom erkennenden Senat in dem Urteile vom 23. März 1912 (RGZ. Bd. 79 S. 148) im verneinenden Sinne entschieden worden; an den Grundsätzen dieser Entscheidung hält der Senat auch für den gegebenen Fall fest. Der erhobene Schadensersatzanspruch ist somit trotz der dem Kläger zugesprochenen, dem Kr. auferlegten Buße zulässig, deren Betrag selbstverständlich auf den gegen andere Schadenersatzpflichtige geltend gemachten Entschädigungsanspruch angerechnet werden muß. In der von der Revision zur Nachprüfung des Reichsgerichts gestellten Frage, ob § 832 BGB. auch für das Verhältnis des kaufmännischen Lehrherxn zum Handlungslehrling Anwendung zu finden hat, ob also der kaufmännische Lehrherr kraft Gesetzes zur Beaufsichtigung des minderjährigen Lehrlings verpflichtet ist, war den Vorentscheidungen des Landgerichts und des Berufungsgerichts beizutreten. Der erkennende Senat hat in den Entscheidungen RGZ. Bd. 52 S. 69 und Puchelt, Zeitschr. für bürg. Recht Bd. 33 S. 709, 714 die

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Haftung des gewerblichen Lehrmeisters für den Lehrling nach Maßg a b e des § 832 BGB. ausgesprochen. Die Gründe dieser Entscheidungen treffen auch für den kaufmännischen Lehrherrn zu. Zwar weichen die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs über die Pflichten des kaufmännischen Lehrherrn gegenüber dem Handlungslehrling (§ 76 HGB.) von den in der Reichsgewerbeordnung für den gewerblichen Lehrmeister gegebenen Vorschriften ab. Die letzteren (§§ 127, 127 a RGewO.) sind sowohl eingehender als eindringlicher, insofern sie dem mehr patriarchalisch g e a r t e t e n Handwerkslehrverhältnis entsprechend dem Lehrmeister s t ä r k e r e Rechte gegenüber dem Lehrlinge gewähren, denen demgemäß auch größere Pflichten gegenüberstehen. In § 127 ist von der Unterweisungs- und Ausbildungspflicht des Lehrmeisters die Rede, der den Lehrling aber auch ,,zu guten Sitten anhalten und vor Ausschweifungen b e w a h r e n " soll, ihn anderseits „gegen Mißhandlungen seitens der Arbeits- und Hausgenossen zu schützen" hat; nach § 127 a ist der Lehrling „der väterlichen Zucht deis Lehrherrn unterworfen" und diesem „zur Folgsamkeit und Treue, zu Fleiß und anständigem Betragen verpflichtet", auch ist dem Lehrmeister, w i e aus Abs. 2 des § 127 a hervorgeht, ein Züchtigungsrecht zugesprochen, das nur in den Grenzen vernünftigen M a ß e s sich halten muß. In § 76 HGB. ist, nachdem von der Unterweisungs- und Ausbildungspflicht des Lehrherrn gehandelt worden ist, weiter bestimmt, daß der Lehrherr „den Lehrling zur A r b e i t s a m k e i t und zu guten Sitten anzuhalten" hat; von väterlicher Zucht und gar von einem Züchtigungsrecht ist hier nicht die Rede. Von derjenigen Aufsicht, die § 832 BGB. im Sinne hat, der Beaufsichtigung zum Schutze Dritter gegen Gefährdungen und Beschädigungen seitens der Aufsichtsbefohlenen, ist so wenig in den §§ 127, 127 a RGewO. w i e in § 76 HGB. e t w a s bestimmt. Gleichwohl hat das Reichsgericht kein Bedenken getragen, in den oben angeführten Entscheidungen auszusprechen, daß die Aufsicht der §§ 127, 127 a RGewO., soweit es sich um Personen handelt, die der Beaufsichtigung im Sinne des § 832 BGB. bedürfen, sich auch auf jene Dinge erstrecke, da die sittliche Erziehung des Lehrlings ihrem Sinne und Z w e c k e nach über d a s Arbeitsverhältnis hinausgreife und die Verpflichtung des Lehrherrn begründe, sich auch um das Verhalten des Lehrlings außerhalb des B e t r i e b e s zu kümmern. Die gleichen Gesichtspunkte treffen aber für das kaufmännische Lehrlingsverhältnis zu. Aufsichtsrecht und Aufsichtspflicht sind hier w i e dort in der Natur d e s Lehrverhältnisses begründet. Der Lehrling tritt in der überwiegenden Mehrzahl der F ä l l e in jugendlichem Alter, als in der sittlichen Erziehung noch unfertige Persönlichkeit in den Betrieb des Lehrherrn ein, der ihm nicht nur als Lehrer des gewerblichen oder Handelsfaches ausbildend und unterweisend, sondern auch in ähn-

Unerlaubte Handlungen

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licher Weise wie der Lehrer als Erzieher in Ergänzung der elterlichen Tätigkeit entgegentritt. Ausnahmen, in denen schon großjährige Personen mit der Erlernung des Handels beginnen und in eine Lehrlingsstellung eintreten, erheischen naturgemäß eine andere Beurteilung; insbesondere ist die Anwendung des § 832 BGB. hier schon nach dieser Bestimmung selbst ausgeschlossen. Der kaufmännische Lehrherr ist wie der gewerbliche Lehrmeister nach § 76 HGB. den Lehrling „zu guten Sitten anzuhalten" verpflichtet. Damit ist in gleicher Weise wie nach §§ 127, 127 a RGewO. die Erziehungsaufgabe des Lehrherrn festgesetzt, und ihr entspricht, wie in der Entscheidung RGZ. Bd. 52 S. 69 für den gewerblichen Lehrherrn ausgeführt ist, auch die Verpflichtung, sich um das allgemeine Verhalten und die Lebensführung des Lehrlings zu kümmern, und in dieser ist auch die Aufsichtspflicht im Sinne des § 832 BGB. einbegriffen. Der Grad der Erziehung des Lehrlings gibt den Maßstab ab für das Bedürfnis der Beaufsichtigung. Es kann zugegeben werden, daß die Aufsichtspflicht des kaufmännischen Lehrherrn regelmäßig beschränkter sein wird, wie die des gewerblichen Lehrmeisters. Wenn der Handlungislehrling, wie dies gegenwärtig meistens der Fall ist, nicht in den Hausstand des Lehrherrn aufgenommen ist, wird sich die tatsächliche Möglichkeit der Beaufsichtigung wesentlich auf die Geschäftszeit und die Geschäftsräume beschränken, damit aber auch die Aufsichtspflicht. Darüber hinaus wird dem Lehrherrn eine Pflicht zum Einschreiten nur zuzuweisen sein, wenn er von Ausschreitungen des Lehrlings Kenntnis erhält oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt Kenntnis erhalten haben mußte. Wie sich in solchen Fällen die Beweispflicht angesichts der die Entlastung dem Aufsichtspflichtigen zuweisenden Bestimmung des § 832 BGB. gestalten würde, braucht im gegebenen Falle nicht untersucht zu werden. Denn die Handlung des Lehrlings Kr., für die der Beklagte als Aufsichtspflichtiger auf Grund des § 832 BGB. verantwortlich gemacht wird, ist in den Geschäftsräumen und während der Geschäftszeit verübt worden. Vom Laden des Beklagten hat der Genannte nach dem Markt hinaus geschossen. Daß im Hinblick auf diese Handlung des Lehrlings Kr. der Beklagte den ihm in § 832 BGB. auferlegten Beweis, daß er seiner Aufsichtspflicht genügt habe oder daß der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde, nicht geführt hat, hat das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum angenommen." . . . RGZ. 97, 343 1. Ist die Klage aal Widerruf einer Behauptung zulässig, durch die ein geschütztes Rechtsgut des Klägers nnr objektiv, nicht schnldhaft, widerrechtlich verletzt worden ist? Zirili. Scfculdredit 9

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274 2. Kann die Gefährdung der Freiheit eine Verletzung d«T Freiheit bilden? 3. Kann eine unkörperliche Einwirkung auf die freie Willensbetätigung einer Person als Verletzung ihrer Freiheit gelten? BGB. §§ 823 Abs. 1, 249. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Hamburg.

Urt. v. 12. Januar 1920. II. Oberlandesgericht daselbst.

Der Beklagte hat am 2. Juli 1915 der Ehefrau des Klägers, die mit diesem seit langem in Unfrieden lebt, ein Zeugnis ausgestellt, des Inhalts „Herr D. bedarf wegen geistiger Erkrankung der Aufnahme in die Privatheilanstalt des Herrn Dr. L.". Von diesem Zeugnis hat die Ehefrau des Klägers in den Streitigkeiten der Eheleute über die Herausgabe des jüngsten Kindes und darüber, ob dem Ehemanne die Sorge für dessen Vermögen und Person zu entziehen sei, Gebrauch gemacht. Der Kläger behauptet, er sei geistig vollkommen gesund, das in den Händen seiner Frau befindliche Zeugnis bedeute daher eine stete Gefährdung seiner „Aktionsfreiheit"; der daraus folgende Zustand der Rechtsverletzung dauere an, solange das Zeugnis sich in der Welt und namentlich in den Händen seiner Ehefrau befinde; er habe daher auf Grund dieser andauernden Störung gemäß § 1004 BGB., und da der Beklagte das Zeugnis ohne gründliche Untersuchung schuldhaft ausgestellt habe, auch aus unerlaubter Handlung den Anspruch auf Widerruf. Der Kläger hat geklagt mit dem Antrage, den Beklagten zu verurteilen, der Ehefrau des Klägers gegenüber das Zeugnis zu widerrufen. Beide Vordergerichte haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte keinen Erfolg. Aus den G r ü n d e n : „Das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung die Klage auf Widerruf beleidigender oder kreditgefährdender Behauptungen zugelassen, wenn durch diese ein dauernder Zustand geschaffen wurde, der für den Kläger eine stetig sich erneuernde Quelle der Ehrverletzung oder Vermögensschädigung bildete (RGZ. Bd. 60 S. 19; Bd. 88 S. 133; Warneyer 1913 Nr. 449; Jur. Wochenschr. 1919 S. 995). Was für Behauptungen der bezeichneten Art gilt, findet unbedenklich auch Anwendung auf Kundgebungen, durch die in ein anderes geschütztes Rechtisgut des Verletzten eingegriffen wird, oder die unter § 826 BGB. fallen. Wie der Antrag des Klägers zu verstehen ist, verlangt er von dem Beklagten die Erklärung, daß das Zeugnis, als er es ausstellte, unrichtig war, nicht etwa, daß es nachmals seine Geltung verloren habe. Da eine geistige Erkrankung nicht notwendig von Dauer ist,

Unerlaubte Handlungen

so würde die Erklärung, daß das Zeugnis für eine später« Zeit nicht mehr zutreffe, überhaupt keinen Widerruf, d. i. die Zurücknahme der früheren Behauptung, darstellen. Der Widerruf ist eine Form des Schadensersatzes. Der Zustand, der durch die Behauptung entstanden ist, soll durch ihre Zurücknahme beseitigt und der frühere Zustand, wie er ohne die Rechtsverletzung bestand und bestehen würde, wieder hergestellt werden (vgl. RGZ. Bd. 60 S. 17). Hier würde auch der Widerruf, wenn die übrigen Erfordernisse des Klaganspruchs vorlägen, diese Wirkung erzeugen können. Die Klage ist erhoben unter rechtsähnlicher Heranziehung des § 1004 BGB. und aus unerlaubter Handlung gemäß §§ 823, 824 BGB., denen die Revision noch § 826 einreihen will. Als uneigentliche (quasinegatorische) Eigentumsklage fordert sie den Widerruf, unabhängig davon, ob den Beklagten ein Verschulden treffe, oder ob er in Wahrnehmung von Rechten handelte, schon deshalb, weil er widerrechtlich in ein geschütztes Rechtsgut des Klägers eingegriffen habe. Der erkennende Senat lehnt eine so begründete Klage auf Widerruf, deren Statthaftigkeit das Berufungsgericht dahingestellt läßt, ab. Der Widerruf ist, wie bemerkt, eine Art des Schadensersatzes. Nach dem Rechte des Bürgerlichen Gesetzbuchs setzt die Pflicht zum Schadensersatz, soweit das Gesetz nichts anderes sagt, ein Verschulden des Ersatzpflichtigen voraus. Daran iist auch für die Klage auf Widerruf festzuhalten. Auf diese kann nicht ohne weiteres übertragen werden, was für die vorbeugende Unterlassungsklage gilt, die das Reichsgericht auch bei einem nur objektiv widerrechtlichen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut zugelassen hat. Beide Ansprüche haben einen verschiedenen Gegenstand. Die Unterlassungsklage soll regelmäßig erneuter künftiger Schädigung vorbeugen, der Widerruf geschehene Schädigung wieder gut machen. Der Senat vermag auch nach aller Erfahrung kein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Ausdehnung der Klage auf Widerruf anzuerkennen. Mag sie in einzelnen Fällen erwünscht, in andern der Unterlassunigsklage insofern ähnlich sein, als der Kläger sich durch den Widerruf von einem in die Zukunft wirkenden Drucke befreien will, unter dem er infolge der Behauptung des Gegners leidet, so könnte auf der anderen Seite ihre allgemeine Zulassung der Prozeßsucht, Rechthaberei und übertriebenen Empfindlichkeit im öffentlichen Leben besondere Nahrung geben, eine Gefahr für die Freiheit der Meinungsäußerung in Wort und Schrift werden und den Schutz des § 193 StGB, vielfach zunichte machen. Was den Klaggrund der unerlaubten Handlung anlangt, so sieht das Berufungsgericht als Rechtsgüter, die der Beklagte verletzt haben soll, die Freiheit und die Ehre des Klägers an. Es führt dazu folgendes aus: Seine Freiheit sei nicht verletzt worden. Eine bloße Geis»

Schuldrecht, Besonderer Teil

fährdung der Freiheit erfülle nicht den Tatbestand des § 823; im übrigen bestehe auch keine Gefahr, daß der Kläger auf Grund des vor Jahren ausgestellten Zeugnisses gegen seinen Willen in eine Heilanstalt verbracht werden könnte. Der Widerruf sei daher zur Beseitigung einer fortdauernden Gefahr für die Freiheit des Klägers nicht nötig. Die Klage könne aber auch nicht damit begründet werden, daß seine Ehre verletzt sei. Denn das Zeugnis sei zur Wahrung von Rechten ausgestellt. Der Beklagte sei zur Ausstellung derartiger Zeugnisse berufen. Er habe in Wahrnehmung von Rechten gehandelt, wenn er auf Veranlassung der Ehefrau des Klägers 'seiner bei der Untersuchung des Klägers gewonnenen Ueberzeugung gemäß das Zeugnis ausstellte. Ebenso stehe der Anwendung des § 824 BGB. dessen Abs. 2 entgegen. Unter der Freiheit, wegen deren Verletzung der Kläger klagt, versteht das Berufungsgericht offensichtlich die rein körperliche Freiheit im Gegensatze zur Einschließung. Irrig ist seine Ansicht, daß die Gefährdung dieser Freiheit noch keine Verletzung des Rechtsguts enthalte. Regelmäßig wird vielmehr schon eine Bedrohung mit Freiheitsberaubung als Verletzung der Freiheit zu erachten sein. Hierauf braucht indes nicht weiter eingegangen zu werden, weil der Kläger keine Verletzung seiner Freiheit in dem Sinne behauptet hat, daß er wegen des Zeugnisses die Einsperrung in eine Heilanstalt befürchten müsse. Sondern er hat in erster Instanz vorgetragen, daß er, solange das Zeugnis in den Händen seiner Frau sich befände, in seiner „Aktionsfreiheit" behindert werde, und in zweiter Instanz, daß das Zeugnis eine dauernde Gefährdung seiner ungehinderten Verfügungsfähigkeit im Wirtschafts- und Rechtsleben bedeute. Dies ist etwas anderes, als was das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde legt. Der Kläger will offenbar sagen, er sei in seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Bewegungs-, Unternehmungisund Verfügungsfreiheit beschränkt, solange seine Frau in der Lage sei, seine Pläne, Entschlüsse und Geschäfte, sowie iseine Rechtshandlungen zu durchkreuzen, indem sie ihn bei den Personen, mit denen er in Verbindung zu treten suche oder getreten 9ei, oder bei Gerichten und anderen Behörden mittels des Zeugnisses als Geisteskranken und Geschäftsunfähigen verdächtige. Wieweit eine so gestaltete unkörperliche Einwirkung auf die freie Willensbetätigung eines Menschen unter den Begriff der Freiheitsverletzung fällt, ist zweifelhaft und wird sich nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des einzelnen Falles beantworten lassen (vgl. RGZ. Bd. 48 S. 123, Bd. 58 S. 28; Jur. Wochenschr. 1908 S. 679). Auch hier dürfen im Interesse der allgemeinen Freiheit, insbesondere der freien Aeußerung wissenschaftlicher Ueberzeugung, die Schranken, innerhalb welcher von außen sich aufnötigende Hem-

Unerlaubte Handlungen

277

mungen der freien Entschließungs- und Handlungsmöglichkeit als Freiheitsverletzungen im Sinne -des § 823 Abs. 1 zu gelten haben, nicht zu weit gesteckt werden. Aus ähnlichem Grunde hat das Reichsgericht zum Schutze der allgemeinen gewerblichen Freiheit dem Rechte an dem Gewerbebetriebe die Aufnahme unter die durch § 823 Abs. 1 geschützten Rechtsgüter versagt.*) Anderseits kann gerade durch ein ärztliches Gutachten über die geistige oder selbst über die körperliche Gesundheit einer Person, das sich in den Händen eines andern befindet und von ihm zu ihrem Schaden gebraucht wind, eine solche Beengung der rechtlichen, geschäftlichen oder gesellschaftlichen Bewegungsfähigkeit herbeigeführt werden, daß sie die Merkmale einer Verletzung der Freiheit in jenem Sinne trägt. Eine derartige Sachgestaltung müßte der Kläger dartun. Daran fehlt es hier. Das Zeugnis des Beklagten lautet nicht auf Geisteskrankheit, sondern auf geistige Erkrankung des Klägers, die sehr wohl vorübergehender Art sein konnte. Der Kläger hat dafür, daß seine „Aktiomsfreiheit" gefährdet sei, nur anführen können, daß seine Frau mit der auf das Zeugnis gestützten Behauptung, er sei geisteskrank, den Antrag beim Vormundschaftsgericht, ihm die elterliche Gewalt über den jüngsten Sohn zu entziehen, begründet und seine Klage auf Herausgabe dieses Kindes bekämpft habe. In beiden Verfahren haben die Gerichte trotz des Zeugnisses angenommen, daß der Kläger geistig gesund und prozeßfähig sei. Seit der Ausstellung des Zeugnisses sind bis zur Klage drei, bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgerichte vier Jahre verflossen. Wenn in diesem ganzen Zeiträume das Zeugnis nicht weiter und dazu erfolglos verwertet wurde, als in dem Streite zwischen den Eltern über die Sorge für ein Kind, so genügt dies nicht zur Annahme, daß der Kläger, weil sich das Zeugnis in den Händen seiner Frau befinde, in seiner Bewegungsfreiheit in den oben bezeichneten Richtungen dauernd behindert oder gefährdet sei. Der Kläger kann daher mit der Begründung, daß seine Freiheit verletzt sei, nicht durchdringen. Daß er, wie das Berufungsgericht unterstellt, durch dais Zeugnis in seiner Ehre gekränkt sei, hat er nie vorgebracht. Es ist auch nicht abzusehen, inwiefern das der Fall sein sollte." . . . (Sodann wird ausgeführt, daß auch weder § 824 noch § 826 BGB. hier Anwendung finde.) RGZ. 98, 74

Vereinbarung eines Rechtsanwalts mit seiner Partei aber Zahlasg eines übermäßigen Sonderhonorars. Verstößt es gegen die guten *) Vgl. Bd. 102 S. 223 (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt), aber auch Bd. 135 S. 38 (40) (abgedr. unter „Unlauterer Wettbewerb") und namentlich Bd. 163 S. 21 (32) (abgedr. unter „Nebengesetze 1").

278

Schuldrecht, Besonderer Teil

Sitten, wenn er bei dem Abschluß eines Prozeßvergleichs Honorarabkommen dem Gegner verschweigt? B G B . § 826. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Halle a. S.

dieses

Urt. v. 26. Januar 1920.

II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Der Reisende R. erlitt am 7. September 1911 einen Eisenbahnunfall. Mit der gegen den Eisenbahnfiskus 1913 erhobenen Klage verlangte R. unter der Behauptung, daß sich infolge der erlittenen Armverletzung eine traumatische Neurose entwickelt habe, eine Jahresrente von 1500 M. bis zum 65. Lebensjahre und von 1000 M. bis zum vollendeten 70. Lebensjahre. Der Fiskus hatte bereits 1911 seine gesetzliche Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anerkannt, bestritt aber die von R. behauptete Einbuße an seinem Erwerbseinkommen. Durch Schriftsatz vom 29. Januar 1914 erhöhte der Beklagte als Prozeßbevollmächtigter des R. dessen Anspruch auf eine Jahresrente auf 2500 M„ da sein Verdienstausfall infolge Verlustes der festen Anstellung inzwischen größer geworden sei. In der Verhandlung vom 29. Januar 1914 erklärte der Beklagte, R. wolle „eventuell mit 15 000 M. auf einen Vergleich eingehen", worauf der Fiskus erklären ließ, allenfalls 10 000 M. zahlen zu wollen. Nachdem auf den Beweisbeschluß vom 5. März 1914 der Professor Dr. Th. als ärztlicher Sachverständiger vernommen worden war, hielt der Beklagte im Schriftsatze vom 15. Mai 1914 das Vergleichsangebot über 15 000 M. aufrecht und bemerkte dazu: Mit Rücksicht darauf, daß R. erst am 10. April 51 Jahre geworden ist und er infolge völliger Gesundheit sämtlicher inneren Organe noch vermutlich ein längeres Leben vor sich hat, dürfte diese Summe nicht zu hoch sein, zumal R. dann auf die seit dem 16. Oktober 1911 fälligen Rentenbeträge von insgesamt 4500 M. sowie außergerichtlichen Kosten für ärztliche Behandlung usw., die, wie er durch Belege nachweisen kann, mindestens 2000 M. betragen, verzichten würde, so daß R. für die Zukunft tatsächlich noch nicht 8500 M. als Abfindungssumme erhalten würde. Hierauf kam am 28. Mai 1914 der Vergleich dahin zustande, daß der Fiskus dem R. eine Abfindung von 15 000 M. zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen übernahm. Der Fiskus zahlte sodann dem Beklagten als Vertreter des R. 14 700 M. und anweisungsgemäß an die Versicherungsgesellschaft Rhenania die übrigen 300 M. Später erfuhr er aber, daß R. dem Beklagten in einem Schreiben vom 21. Februar 1914 denjenigen Betrag als ,,Sonderhonorar" voll zugesichert hatte, der über 10 000 M. herausspringe. Von den erhaltenen 14 700 M. soll der Beklagte nach der Behauptung des Fiskus nur 9500 M. an R. abgeliefert und die restlichen 5200 M. als ein von

279 R. zugesagtes Sonderhonorar für sich behalten haben. Wegen dieser Vorgänge ist d e r Beklagte vom Ehrengerichte der Anwaltskammer in N. am 7. Juli 1917 wegen schwerer Verletzung seiner Berufspflichten durch Annahme eines übermäßig hohen Honorars mit einem Verweis und einer Geldstrafe von 1000 M. bestraft worden; das Ehrengericht hat angenommen, daß von den erhaltenen Geldern der Beklagte nach Bezahlung einiger Kosten und Rückgabe von 1000 M. an R. schließlich für sich selber ungefähr 4000 M. übrig behalten hat. Der Fiskus behauptet mit der jetzigen Klage, durch die wissentlich falsche Vorspiegelung der Tatsache, daß R. 15 000 M. fordere und durch die Verschweigung der Tatsache, daß der Beklagte davon 5200 M. erhalten solle, getäuscht, zum Vergleichsabschlusse bestimmt und dadurch in Höhe des an den Beklagten gezahlten Betrags von 4700 M. geschädigt worden zu sein. Er beantragt daher, den Beklagten zur Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat jedoch das Oberlandesgericht den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Reichsgericht hat dagegen auf die Revision des Beklagten das klagabweisende Urteil des Landgerichts wieder hergestellt aus folgenden Gründen: „Ebenso wie das Ehrengericht der Anwaltskammer macht das Berufungsgericht dem Beklagten in rechtlich einwandfreier Weise den Vorwurf, er habe dadurch, daß er dais Honorarversprechen des R. vom 21. Februar 1914 angenommen und daraufhin von der Vergleichssumme von 15 000 M. ein übermäßig hohes Sonderhonorar für sich behalten habe, in schwerer Weise die Berufspflichten des Anwalts verletzt. Aber das Berufungsgericht meint weiter, dieses Verhalten des Beklagten habe auch gegen die guten Sitten verstoßen, und zwar nicht nur gegenüber dem R., sondern auch, was das Landgericht verkenne, gegenüber dem Kläger. Schon dadurch, daß der Beklagte das unsittliche Honorarabkommen dem Kläger verschwiegen habe, und zwar in dem zweifellosen Bewußtsein, daß dieser niemals zu einer unsittlich hohen Honorarzahlung im Vergleichswege die Mittel zur Verfügung stellen würde, habe der Beklagte dem Kläger gegenüber den Tatbestand des § 826 BGB. erfüllt. Der Beklagte habe aber auch, als er dem Kläger die Vergleichssumme von 15 000 M. vorschlug, bereits gewußt, daß der über 10 000 M. hinausgehende Betrag ihm als Sonderhonorar versprochen war, und habe dann seinem Angebote noch die oben mitgeteilten Angaben in seinem Schriftsatze vom 15. Mai 1914 hinzugefügt. Auf diese sachwidrige Darstellung hin habe der Kläger annehmen müssen, daß R. mit einer Abfindung unter 15 000 M. nicht zufrieden isein würde. Diese Annahme zu vermeiden, sei Absicht und Zweck des Beklagten gewesen. Durch diese falsche

280

Schuldrecht, Besonderer Teil

Darstellung, ebenso wie durch das Verschweigen des unsittlichen Honorarabkommens, sei der Kläger mindestens mitbestimmt worden, den Vergleich einzugehen und zu erfüllen, was er bei Kenntnis der Sachlage, soweit ein Betrag über 10 000 M. hinaus in Frage stand, nicht getan haben würde. Ohne diese täuschende Tätigkeit des Beklagten hätte R-, was der Beklagte gewußt habe, sich mit einer Summe von bedeutend unter 15 000 M. begnügt. Der Beklagte sei aber in bewußt sittenwidriger Weise gegenüber dem Kläger nur darauf ausgegangen, das Mehr für sich herauszuschlagen. In der Tat habe er dem Kläger insoweit vorsätzlich Schaden zugefügt, als dieser im Vergleichswege über 10 000 M. hinaus gezahlt habe. Diese Ausführungen werden von der Revision anstandet.

mit Recht

be-

Hervorgetreten ist der Beklagte mit dem auf 15 000 M. lautenden Vergleichsvorschlage schon in der Verhandlung vom 29. Januar 1914, hatte also damals noch nicht, wie das Berufungsgericht tatbestandswidrig annimmt, Kenntnis von dem späteren Honorarangebote des R. vom 21. Februar 1914. Damit fällt aber die Erwägung des Berufungsgerichts, es sei der Beklagte von vornherein bei dem Vergleichsvorschlage „nur darauf ausgegangen, das über 10 000 M. hinausgehende Mehr für sich herauszuschlagen". Vielmehr spricht das anfängliche Vorgehen des Beklagten, was der Revision zuzugeben ist, dafür, daß für ihn bei dem Vergleichsvorschlage vom 29. Januar 1914 in erster Linie die Aussichten des Prozesses maßgebend waren. Nach Vernehmung des Professors Dr. Th. hat dann der Beklagte, dem inzwischen R. das Mehr über 10 000 M. als Sonderhonorar zugesichert hatte, den Vergleichsvorwchlag vom 29. Januar 1914 nur wiederholt und ihn in dem Schriftsatze vom 15. Mai 1914 an der Hand des ärztlichen Befundes zu begründen versucht. Der Kläger, der somit durch das Th.'sche Gutachten über das Leiden des R. und die damit verbundene Enwerbseinbuße aufgeklärt war, hat sodann die vorgeschlagene Summe von 15 000 M. anstandslos bewilligt. Die Revision hebt mit Recht hervor, daß dies also lediglich nach einer objektiven Prüfung der ärztlich begutachteten Sachlage geschehen ist. Der Kläger behauptet auch selber nicht, daß das Th.'sche Gutachten nicht sachgemäß ausgefallen oder daß er vom Beklagten über die gesundheitlichen oder geschäftlichen Verhältnisse des R. getäuscht worden sei. Daher kann keine Rede davon sein, daß der Kläger durch den Abschluß des sachlich für angemessen befundenen Vergleichs zu Schaden gekommen sei. R. hat vielmehr gegen den Kläger einen sachlich einwandfreien und rechtlich unanfechtbaren Anspruch auf die Vergleichssumme erworben, und war auch in keiner Weise durch das Vergleiohsabkommen gegenüber dem Kläger gehindert, über die

Unerlaubte Handlungen

281

Vergleichssumme nach freier Entschließung zu verfügen und daraus auch dem Beklagten einen bestimmten Honorarbetrag zuzuwenden. Allerdings hat der Beklagte dem Kläger verschwiegen, daß ihm R. das Mehr über 10 000 M. als Sonderhonorar zugesichert hatte, und den Standpunkt des R. so vertreten, daß der Kläger annehmen mochte, R. werde sich mit weniger als 15 000 M. nicht abfinden lassen. Aber hieraus kann dem Beklagten nicht der Vorwurf gemacht werden, daß er den Kläger in unsittlicher oder sogar betrügerischer Weise getäuscht und geschädigt habe. Als Anwalt des R. hatte der Beklagte die sachlichen Interessen seines Klienten zu vertreten, und er hat auch in der Tat für diesen einen sachlich nicht zu beanstandenden Vergleich über 15 000 M. zustande gebracht. Sein eigenes Verhältnis zu R. brauchte er aber dabei dem Kläger als seinem Gegner nicht zu offenbaren. Insbesondere war er nicht verpflichtet, sogar ohne Wissen und Willen des R. nicht einmal berechtigt, dem Kläger kundzugeben, daß R. ihm von der Vergleichssumme von 15 000 M., die der Beklagte als eine an sich nicht unangemessene Entschädigung des R. in dessen Interesse verlangt hatte und durchzusetzen suchte, inzwischen den Mehrbetrag über 10 000 M. als Sonderhonorar versprochen hatte. Eis wäre sogar mit den anwaltlichen Pflichten des Beklagten nicht vereinbar gewesen, wenn er den Abschluß eines nach den ärztlich begutachteten Verhältnissen sachlich vertretbaren Vergleich» dadurch in Frage gestellt hätte, daß er dein Kläger von jenem Honorarversprechen des R. Kenntnis gegeben hätte. Aus wesentlich gleichen Erwägungen hat übrigens auch das Ehrengericht der Anwaltskammer den Beklagten von dem Vorwurfe freigesprochen, den Kläger beim Vergleichsabschlusse bewußt und pflichtwidrig geschädigt zu haben. Hiernach kann dem Beklagten eine sittenwidrige Schädigung des Klägers im Sinne des § 826 BGB. nicht zur Last gelegt werden. Damit fällt zugleich auch der weitere, auf denselben Tatbestand gestützte Vorwunf eines bezüglichen Verhaltens im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. in Verb, mit dem gleichfalls angezogenen § 263 StGB. Und schließlich versagt auch der geltend gemachte Klaggrund des § 812 BGB.; denn eine etwaige ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten würde, da ihm das übermäßige Honorar nur aus der zu Händen des Beklagten an R. gezahlten Vergleichssumme zugeflossen ist, niemals auf Kosten des Klägers herbeigeführt sein. Bei diesem spruchreifen Tatbestande muß somit nach § 565 Abs. 3 ZPO. in der Sache selbst das klagabweisende Urteil des Landgerichts wieder hergestellt werden." . . . RGZ. 100, 69 1. Setzt die Haltung voraas?

für Luftfahrtschäden

ein Verschulden

282

Schuldrecht, B e s o n d e r e r T e i l

2. Inwieweit findet § 905 BGB. auf den einem Grundstücksbesitzer durch ein abgestürztes Flugzeug zugefügten Sachschaden Anwendung? VI. Z i v i l s e n a t . Die Entscheidung Sachenrecht".

ist

Urt. v. 1. J u l i

abgedruckt

unter

1920.

„Bürgerliches

Recht,

RGZ. 100, 175 1. Haftet der Gründer einer Gesellschaft mbH. dieser wegen betrügerischer Ueberwertung von Sacheinlagen (Uebergründung)? 2. Ist § 826 BGB. anwendbar, wenn die geschädigte Person zur Zeit der Begehung der unerlaubten Handlung noch nicht existierte? II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 2. November 1920.

I. L a n d g e r i c h t III B e r l i n . II. K a m m e r g e r i c h t

daselbst.

Der Beklagte und der Ingenieur R. hatten am 27. F e b r u a r 1912 eine Kommanditgesellschaft unter der F i r m a Elektrizitätswerk Brunnenstraße 188/190 W. K. & Co. gegründet. Nach § 2 des Gesellschaftsvertrags brachte der Beklagte, welcher persönlich haftender Gesellschafter wurde, eine noch nicht fertiggestellte Anlage in die Gesellschaft ein, welche nebst Verträgen auf 75 000 M. bewertet wurde. R . seinerseits brachte einen Geldbetrag von 75 000 M. ein, der vom Beklagten zur Fertigstellung der Anlage verwendet werden sollte. D a diese Summe nach Darlegung des Beklagten nicht ausreichte, wurde das Gesellschaftsvermögen um 30 000 M. erhöht, und zwar für jeden der beiden Gesellschafter um 15 000 M. Nach Fertigstellung der Anlage wurde die Kommanditgesellschaft am 4. November 1912 in eine Gesellschaft m. b. H. „umgewandelt", deren Stammkapital entsprechend dem G e s e l k c h a f t s k a p i t a l e der Kommanditgesellschaft auf 180 000 M. festgesetzt wurde. J e d e r der beiden Gesellschafter übernahm eine Stammeinlage in Höhe von 9 0 000 M. Die Einlagen wurden jedoch nicht in bar geleistet. Vielmehr brachten der B e k l a g t e und R. das gesamte Vermögen der Kommanditgesellschaft ein, welches sie, wie es im Gründungsvertrage heißt, gemäß der Bilanz vom 31. Oktober 1912, die d e r Einbringung zugrunde liege, nach Abzug der Schulden auf 180 000 M. bewerten. E h e es jedoch zur Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister kam, trat der B e k l a g t e von seiner Einlage je 45 000 M. an den Kaufmann D. und den Assessor B. ab. Die klagende Gesellschaft erhob gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche wegen unredlicher Betätigung bei der Gründung der beiden Gesellschaften. Nach der Behauptung der Klägerin soll der B e k l a g t e erklärt haben, daß er die von R . zur Fertigstellung der An-

283 läge eingeschossenen 75 000 M. tatsächlich zweck- und vereinbarungsgemäß verwandt habe. In Wahrheit habe er das aber nicht getan. Die Anlage sei mit erheblich geringeren Mitteln fertiggestellt worden, der Beklagte habe den Ueberschuß zu eigenem Vorteile verwertet und seine Untreue dadurch zu verdecken gesucht, daß er erfundene Bestellungen und gefälschte Empfangsscheine beigebracht habe. Die klagende Gesellschaft sei durch das betrügerische Verfahren des Beklagten übergründet und dadurch geschädigt worden. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Aus den G r ü n d e n : . . . Der Ansicht des Berufungsgerichts, daß der Gesellschaft m. b. H. die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen frühere Gesellschafter aus der Gründung versagt sei, obgleich das GmbHG. in § 46 Nr. 8 vorschreibe, daß die Geltendmachung derartiger Ansprüche der Bestimmung der Gesellschafter unterliege, kann in solcher Allgemeinheit nicht beigetreten werden. Richtig ist, daß das genannte Gesetz keine Bestimmung enthält, die der für Aktiengesellschaften geltenden Vorschrift des § 202 HGB. entspricht. Allein das schließt nicht aus, die Haftung der Gründer einer Gesellschaft m. b. H. nach allgemeinen oder besonderen Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes zu bemessen. Die Nr. 8 in § 46 des angezogenen Gesetzes einfach als gegenstandslos anzusehen, wie das auch der Kommentar von S t a u b H a c h e n b u r g in Anm. 28 zu § 9 tut, ist nicht angängig. Wenn zwar die für die Aktiengesellschaft vom Gesetzgeber angeordnete Ueberwachung und Prüfung der Gründungsvorgänge bewußt nicht auch für die anders geartete Gesellschaft m. b. H. eingeführt worden ist, so bestand doch anderseits kein Anlaß, ¡solche dem Gedeihen der späteren Gesellschaft abträglichen Gründerhandlungen haftfrei zu lassen, durch welche Vorschriften des bürgerlichen Rechtes verletzt werden. Dies trifft ganz besonders für die Folgen einer böswilligen Schädigung der geplanten Gesellschaft durch die Gründer zu, welche auch in § 202 HGB. ausdrückliche Erwähnung erfahren hat, obgleich die dort vorgesehene gesamtschuldnerische Schadenshaftung nicht typisch dem Aktienrecht angehört, sondern einen allgemeinen Rechtsgedanken enthält. Es kann auch nicht etwa daran Anstoß genommen werden, daß in derartigen Fällen die geschädigte Persönlichkeit zur Zeit der schädigenden Handlung noch nicht besteht. Es wird für die Anwendung des § 826 BGB. nicht vorausgesetzt, daß der verursachte Schaden sofort eintritt. Erforderlich ist lediglich, daß zwischen der unerlaubten Handlung und dem eingetretenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht und daß der Handelnde den Erfolg seines Tuns in ¡seiner Wirkung auf gewisse Personen oder Personenkreise in

284

Schuldrecht, Besonderer Teil

sein Bewußtsein aufgenommen hat, mag auch zur Zeit das Opfer der unerlaubten Handlung noch nicht am Leben sein. Nach dem Vorbringen der klagenden Gesellschaft soll sich der Beklagte der betrügerischen Ueberwertung von Sachednlagen schuldig gemacht haben. Sie behauptet, daß ein erheblicher Betrag — etwa 43000 M. — der Einlage des R. vom Beklagten veruntreut und zur Fertigstellung der Fabrikanlage nicht verwandt worden sei, daß aber trotzdem der Beklagte den Wert der Anlage so bestimmt habe, als seien die vollen Beträge in sie hineingesteckt worden. Trifft diese Behauptung zu, so hat sich der Beklagte einer sittenwidrigen Vermögensschädigung der von ihm ins Leben gerufenen Gesellschaft schuldig gemacht und haftet ihr gemäß § 826 BGB. für den entstandenen Schaden (vgl. RGZ. Bd. 84 S. 335). . . . RGZ. 101, 1 Kann der Verkäufer selbstgefertigter kunstgewerblicher Erzeugnisse, die keinen besonderen Urheberschutz haben, die Lieferung verweigern, wenn der Käufer mehrlach zum Schaden des Verkäufers solche Erzeugnisse nachgeahmt hatte? III. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht

Greiz.

Urt. v. 26. Oktober 1920. II. Oberlandesgericht

Jena.

Im Oktober 1916 hat die Beklagte den zu ihrer Zimmereinrichtung Modell „Siegfried" gehörigen Bücherschrank und Schreibtisch um 2450 M., lieferbar in 4 bis 5 Monaten und zahlbar je hälftig 4 Wochen vor Absendung und 30 Tage nach Empfang, an die Klägerin verkauft. Die Lieferung sollte nicht an die Klägerin, die nur mit Zeitkontrollapparaten und Uhren handelt, sondern an die Firma K. Gesellschaft m. b. H. in M. erfolgen, die auch namens der Klägerin die Bestellung gemacht hatte. Bisher ist die Lieferung unterblieben. Mit der Klage beansprucht die Klägerin die Lieferung der Möbel Zug um Zug gegen die vereinbarte Zahlung. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision war erfolglos aus folgenden Gründen: Die Beklagte bestreitet ihre an sich aus dem Kaufvertrag entspringende Lieferpflicht, weil ihr die Lieferung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie nach den Gebräuchen des anständigen loyalen Geschäftsverkehrs nicht zuzumuten sei. Denn die Firma K., deren Verhalten die Klägerin gegen sich gelten lassen müsse, habe in den dem Kaufschlusse vorausgegangenen Jahren und auch später Möbelerzeugnisse anderer Firmen, insbesondere solche aus

285 ihrer — der Beklagten — Fabrik, zum Schaden -der Erzeuger nachgeahmt, und es sei zu befürchten, daß sie im Falle der Lieferung der Kaufware auch diese nachgeahmt hätte. Das Berufungsgericht hat diesen Einwand für berechtigt erklärt. Die von der Revision hiergegen erhobenen Bedenken sind unbegründet. Das Berufungsgericht hat nicht angenommen, daß der Beklagten für ihre Erzeugnisse auf Grund der Gesetze über dais Urheberrecht besondere Befugnisse zuständen. Trotz des Mangels eines solchen Urheberrechtsschutzes waren aber die Erzeugnisse der Beklagten nicht schutzlos jeder Nachbildung preisgegeben. Wie das Reichsgericht schon in mehrfachen Entscheidungen (RGZ. Bd. 73 S. 294, Bd. 77 S. 431, Bd. 79 S. 415, Bd. 83 S. 384; J W . 1913 S. 1106 Nr. 7; Wameyer 1911 S. 86) dargelegt hat, werden durch die Sondergesetzgebung über das Urheberrecht die allgemeinen Vorschriften des BGB., die den Schute gegen illoyale Handlungen im Verkehrsleben bezwecken, insbesondere die des § 826 BGB., nicht ausgeschlossen, außer wenn das Urheberrecht absichtlich den Schutz für einen bestimmten Tatbestand ablehnt. Darüber, ob eine Verletzung des § 826 vorliegt, entscheiden die Umstände des einzelnen Falles. In den erwähnten reichsgerichtlichen Entscheidungen ist ausgeführt, daß die Nachahmung für sich allein regelmäßig eine Verletzung des § 826 nicht enthalte, daß aber ein Verstoß gegen die guten Sitten des anständigen Geschäftsverkehrs dann zu bejahen sei, wenn der Nachahmer durch die Ausnutzung der fremden Arbeitsleistung sich in den Stand setze, die Ware ohne erhebliche Aufwendungen billiger als der Erzeuger in den Handel zu bringen, und so den Erzeuger um die Früchte seines mit Mühe und Kosten hergestellten Erzeugnisses bringe. Zutreffend hat auf dieser Grundlage das Berufungsgericht angenommen, daß die Firma K. der Vorwurf eines den § 826 BGB. verletzenden Geschäftsgebarens treffe. Nach seinen Darlegungen hat diese Firma durch einen Tischlermeister und Bildhauer in M. mehrere Möbelstücke, die zu den von der Beklagten in ihrer Fabrik nach eigenen Plänen und unter besonderer Bezeichnung hergestellten kunstgewerblichen Erzeugnissen gehörten, in wesentlichen Teilen zum Schaden der Beklagten nachgeahmt, so insbesondere noch im Mai 1917 den Bücherschrank „Heinrich". Daß die Firma K. sich der Mißbräuchlichkeit ihrer Nachahmungen bewußt war, ergibt sich daraus, daß sie die Nachahmungen einstellte, als die Beklagte von ihnen Kenntnis erhielt. Die von der Revision gegen diese tatsächlichen Feststellungen erhobenen Angriffe isind nicht gerechtfertigt Lediglich auf dem Boden tatsächlicher Erwägungen beruht auch die fernere Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte mit Recht weitere Nachahmungen im Falle der Ausführung der streitigen Lieferung zu befürchten gehabt habe.

286

Schuldrecht, Besonderer Teil

Bedenkenfrei ist sodann die Darlegung des Berufungsgerichts, daß nach der gegebenen Sachlage die Klägerin im Verhältnis zur Beklagten dieses Geschäftsgebaren der Firma K. gegen sich gelten lassen müsse. Die Kaufsache war, wenn auch der Kaufvertrag wegen der unsicheren Kreditverhältnisse jener Firma formell auf den Namen der Klägerin gestellt war, nach dem Inhalte des Vertrags für jene Firma bestimmt und an sie zu liefern. Die Klägerin selbst war lediglich Händlerin in Zeitkontrollapparaten und Uhren und hatte kein eigeneis Interesse an der Möbellieferung. Die geschäftlichen Verhältnisse der Klägerin und jener Firma sowie ihre Geschäftsleitungen waren auf das engste verbunden. Es war also zu erwarten, daß die Firma K. die Möbel zur freien Verfügung erhalten werde. Dem von der Beklagten erhobenen Einwände steht nicht, wie die Revision meint, entgegen, daß die Klägerin im Prozeß erklärt hat, 'sie verlange die Möbel für sich und sie werde sie zur Ausstattung des Kontors eines Herrn v. Z. verwenden. Auch im Falle solcher nachträglich geplanten Verwendung stand einer vorher bewirkten Nachahmung durch die Firma K. nichts im Wege. Hiernach stand der Beklagten das Recht zu, die Lieferung aus dem Kaufe zu verweigern. Dieses Recht wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte, bis sie Kenntnis von der Nachahmung erhielt, die Lieferung deshalb hinauszögerte, um höhere Preise zu erlangen. RGZ. 101, 307. 1. . . . 2. Ueber das Verhältnis der §§ 987 flg. zu § 823 BGB., insbesondere mit Bezug auf den Fremdbesitzer. IV. Z i v i l s e n a t . Die Entscheidung Sachenrecht".

ist

Urt. v. 17. Januar 1921.

abgedruckt

unter

„Bürgerliches Recht,

RGZ. 101, 335 1. Kann eine vorbeugend« Unterlassungsklage auch schon gegenüber einem drohenden erstmaligen widerrechtlichen Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut oder Recht gewährt werden? 2. Was sind Tatsachen im Sinne des § 824 BGB.? 3. Liegt das Behaupten einer dem anderen nachteiligen Tatsache im Sinne des § 824 BGB. schon dann vor, wenn die Behauptung nur diesem anderen gegenüber aufgestellt worden ist und nur er davon Kenntnis erlangt hat?

Unerlaubte Handlungen

287

VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 17. Februar 1921. I. Landgericht II Berlin.

II. Kammergericht daselbst.

Der verklagte Verband unterhält in Lübeck eine „Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen", als deren Leiter der Beklagte L. in Anspruch genommen ist. Der Kläger betreibt unter der Firma „Deutsches Verkehrsinstitut für Grundbesitz und Hypotheken" in B. die Vermittelung von Landgüterverkäufen und ländlichen Hypotheken. Der Kläger behauptet, daß der Beklagte L. als Leiter des Verbandes über ihn wiederholt ungünstige Auskunft erteilt habe, und wendet sich hiergegen mit dem Antrag, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie hätten in den von ihnen über den Kläger zu erteilenden Auskünften folgende Behauptungen zu unterlassen: „Genau wie so viele andere zweifelhafte M a k l e r seiner Art habe er gar nicht die Absicht, eine zweckentsprechende Vermittlertätigkeit zu entfalten. Selbst wenn er diese Absicht hätte, könnte er es nicht, weil ihm die erforderlichen Verbindungen und Mittel fehlten. Sein Geschäftsbetrieb beruhe auf unreeller Grundlage und bedeute eine Gefahr nicht nur für die Kapitalisten und Grundbesitzer, sondern vor allem auch für den ehrlichen Maklerstand", und Aeiußerungen ähnlichen Inhalts. In zweiter Linie sollten die Beklagten es auch unterlassen, bei einer Verbindung mit dem Kläger Vorsicht anzuraten. Die Vorinstanzen wiesen d i e Klage ab. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils aus folgenden Gründen : Nach dem teils festgestellten, teils unterstellten Sachverhalts, der dem angefochtenen Urteile zugrunde liegt, handelt es sich bei der bekämpften Auskunftserteilung um vier Vorkommnisse: 1. Im J a h r e 1914 habe der Beklagte L. in seiner Eigenschaft als Leiter des Verbandes den Rechtsanwälten Dr. Fr. und Fe. in B. in einem von ihnen gegen den Kläger für den Gutsbesitzer Hans B. geführten Rechtsstreite die Auskunft erteilt, d a ß die Firma des Klägers eine „Schwindelfirma" sei. 2. Auf die Beschwerde des Klägers habe dann der Beklagte L. an jenen einen Brief vom 14. Oktober 1914 gerichtet, aus 'dem die im Klagantrag an erster Stelle angeführten Behauptungen wörtlich entnommen sind. Wegen des Inhalts des Briefes hat der Kläger gegen den Beklagten L. Privatklage wegen Beleidigung bei dem Amtsgericht erhoben; die Klage ist aber mit Beschluß vom 20. Mai 1915 unter Hinweis auf § 193 StGB, abgewiesen, die dagegen eingelegte Beschwerde als unbegründet verworfen worden.

288 3. Im Januar 1919 hat sich der Kläger nach seiner eigenen Darstellung nach Lübeck auf das Bureau des Beklagten L. begeben, hat sich dort unter dem Namen eines Geschäftsfreundes H. eingeführt und um Auskunft über die klägerische Firma gebeten. Bei dieser Gelegenheit habe der Beklagte L. alle in dem Briefe vom 14. Oktober 1914 enthaltenen Behauptungen wiederholt; insbesondere habe er die klägerische Firma eine „Schwindelfirma" genannt und auch sonst in gröblicher Weise auf sie und ihre Inhaber „geschimpft". 4. Auf eine nochmalige schriftliche, mit H. H. unterzeichnete Erkundigung vom 10. März 1919 haibe man beklagterseits mit Postkarte vom 14. Mai 1919 geantwortet: „Herrn H., Lübeck. Bei einer Verbindung mit der Firma Deutsches Verkehrsinstitut für Grundbesitz und Hypotheken von He. und V. in B. müssen wir Vorsicht anraten". Das Berufungsgericht hat diesen Sachverhalt unter drei rechtlichen Gesichtspunkten geprüft, dem des § 823 Abs. 1, des § 824 und des § 823 Abs. 2 BGB. verbunden mit §§ 185, 186 StGB. In allen drei Richtungen hält es den Antrag der Klage, die die Vorinstanzen zutreffend als vorbeugende Unterlassungsklage (Komm. v. RGR. 3. Aufl. Vorbem. 6 vor § 823 unter III, auch Erl. 7 zu § 1004 in b) kennzeichnen, für unbegründet. Frei von Rechtsirrtum ist seine Ausführung darüber, daß der mit der Klage bekämpfte Eingriff nicht ein Recht oder „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. zum Gegenstande habe, insbesondere nicht als «ine Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes gelten könne; in der Tat kann hier von einem Angriff, der sich gegebenenfalls unmittelbar gegen den Bestand des Gewerbebetriebs richtete (Komm. v. RGR. Erl. 9 zu § 823), nicht gesprochen werden*). Von der weiteren Beurteilung scheidet das Berufungsgericht zunächst den Gebrauch der Bezeichnung „Schwindelfirma" aus mit der Annahme, gegen diese Aeußerung richte sich die Klage nicht, wie die gestellten Anträge zeigten. Dem kann nicht beigetreten werden. Wie die Revision zutreffend hervorhebt, wendet sich der Klagantrag von Anfang an gegen die aus dem Briefe vom 14. Oktober 1914 entnommenen Aeußerungen und weiter gegen „Aeußerungen ähnlichen Inhalts". Es ist kein ausreichender Grund dafür ersichtlioh, warum unter den Aeußerungen ähnlichen Inhalts nicht auch die Bezeichnung „Schwindelfirma" zu verstehen sein sollte. Wird doch auch damit der Vorwurf der unreellen, auf Vertrauensmißbrauch gegründeten Geschäft&gebarunig, wenn auch nicht als Behauptung einer Tatsache, so doch als edn Urteil wiederholt, das diesen Vorwurf zum Ausdruck bringen soll. Auch auf diese Aeußerung hatte sich daher die Beurteilung des Berufungsgerichts, und zwar unter dem rechtlichen Gesichtspunkte des § 823 Abs. 2 BGB. verbunden mit § 185 StGB., zu ») Vgl. auch Bd. 163 S. 21 (32) (abgedr. unter „Nebengesetze 1").

Unerlaubte Handlungen

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erstrecken. D a dies bisher nicht geschehen ist, war das angefochtene Urteil schon aus diesem Grunde aufzuheben und die S a c h e zur anderw e i t e n Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. B e i der Anwendung des § 824 B G B . geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß die Vorschrift die Behauptung oder Verbreitung einer T a t s a c h e voraussetzt und daß dem ein bloßes Urteil nicht ohne weiteres genügt (vgl. die im Komm. v. R G R . § 824 Erl. 2 angeführte Rechtsprechung, dazu R G . III 500/05, VI 257/07). Die Abgrenzung kann bisweilen zweifelhaft, auch in einem Urteil kann die Behauptung einer T a t s a c h e enthalten sein. W i e auch in der Rechtsprechung zu § 14 U W G . (RGZ. Bd. 88 S. 437, Bd. 94 S. 271, Bd. 58 S. 207) und in der der Strafsenate (vgl. bes. R G S t . Bd. 24 S. 301, Bd. 31 S. 281, Bd. 41 S. 193) ausgeführt, setzt der Begriff der T a t sache etwas Geschehenes oder Bestehendes, dem Beweise Zugängliches voraus, das zur Erscheinung gelangt und in die Wirklichkeit getreten ist. Daß das Berufungsgericht zu diesem Punkte seiner Beurteilung geirrt hätte, erhellt nicht. Insbesondere kann in der B e zeichnung „Schwindelfirma" — wie dais Berufungsgericht beiläufig ausspricht — und ,in dem R a t e , bei einer Verbindung mit dem Kläger Vorsicht zu beobachten, nur ein Urteil, nicht die Behauptung eines gegebenenfalls beweisbaren Geschehnisses gefunden werden (vgl. bes. W a r n e y e r 1909 Nr. 296; J W . 1911 S. 780 Nr. 49). F ü r diese beiden Aeußerungen kommt daher nur eine Beurteilung aus § 823 Abs. 2 B G B . verbunden mit § 185 S t G B , in F r a g e . F ü r die zweite Aeußerung hat das Berufungsgericht den Tatbestand der Beleidigung ohne erkennbaren Rechtsverstoß verneint, für die erste Aeußerung ist diese Beurteilung, wie schon ausgesprochen, nachzuholen. Bezüglich des B r i e f e s vom 14. O k t o b e r 1914 und des Vorganges vom J a n u a r 1919 (in L ü b e c k auf dem Geschäftszimmer der Beklagten) hat das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des § 824 B G B . verneint, weil die beanstandeten Mitteilungen nicht einem Dritten, sondern nur dem Kläger selbst gegenüber erfolgt seien. Die Revision hat Nachprüfung dieser Rechtsansicht e r b e t e n . D e r Tatbestand des § 824 B G B . spricht von Behaupten und von Verbredten von Tatsachen, die geeignet sind, den Kredit eines anderen zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen E r w e r b oder F o r t k o m m e n herbeizuführen. Daß das V e r b r e i t e n solcher T a t s a c h e n deren Mitteilung an Dritte voraussetzt, kann schon nach dem Wortsinn nicht zweifelhaft sein. Die F r a g e kann nur sein, ob es für den Tatbestand des Behauptens einer T a t s a c h e der gedachten Art genügen kann, wenn jenes nur dem anderen, nicht auch einem Dritten gegenüber erfolgt ist*) (wo*) Vgl. einerseits P l a n c k 3. Aufl. Bd. 2 S. 614 in a, S t a u d i n g e r 7. u. 8. Aufl. Bd. II 2 S. 1722 in ß. Zivil.

Sduililrrdit

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anderseits 19

290 bei nach der hier gegebenen Sachlage dahingestellt bleiben kann, ob es für diese letztgedachte Möglichkeit genügend ist, wenn die Behauptung wenigstens mit Willen des Behauptenden dem Dritten zur Kenntnis kam). Grundsätzlich kann das Behaupten einer dem anderen nachteiligen Tatsache im Sinne des § 824 BGB. nicht ohne weiteres schon dann als geschehen angenommen werden, wenn nur diesem anderen gegenüber die Behauptung aufgestellt worden ist und nur er davon Kenntnis erlangt hat. Es ist mindestens für den Regelfall nicht abzusehen, wie Kredit, Erwerb und Fortkommen gefährdet oder benachteiligt werden könnten durch eine auf die Person des Verletzten beschränkte Mitteilung. Zutreffend hat auch schon das Berufungsgericht auf den Abs. 2 des § 824 hingewiesen, wo eines dritten Empfängers der Mitteilung — ohne Beschränkung auf den Fall der Tatsachenverbreitung — gedacht ist. Ein objektiv den Tatbestand des § 824 verwirklichender Eingriff, wie ihn eine auf diese Vorschrift gestützte vorbeugende Unterlassungsklage nach den in der Rechtsprechung des Reiohsgerichts herausgestellten Grundsätzen neben der für die Zukunft drohenden Wiederholungsgefahr regelmäßig voraussetzt, kann daher weder in dem Briefe vom 14. Oktober 1914 noch in dem Vorfall vom Januar 1919, wie ihn der Kläger dargestellt hat, ohne weiteres gefunden werden. Der Brief war nur an den Kläger gerichtet, bei dem Vorfall im Januar 1919 war gleichfalls nur er iselbst — unter falschem Namen und deshalb vom Beklagten L. für einen Dritten gehalten —beteiligt. Der Kläger macht aber geltend, sowohl der Brief wie das Verhalten des Beklagten L. bei dem letztgedachten Vorfall ließen erkennen, wie sehr dieser gewillt sei, sich in gleicher Weise auch bei Dritten über ihn zu äußern und so den Tatbestand des § 824 mindestens objektiv zu verwirklichen. Dieser ihm von der beklagten Seite drohenden Gefahr will der Kläger mit der Klage begegnen. In Richtung auf die zu erfordernde Wiederholungsgefahr hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Die Frage ist, ob die andere der für die Gewährung der Unterlassungsklage aufzustellenden Voraussetzungen — widerrechtlicher Eingriff im Sinne des § 824 — nach den gegebenen Umständen als erfüllt gelten kann. Grundsätzlich ist die Besorgnis, es drohe ein Eingriff in das geschützte Rechtsgut (oder Recht), dem tatsächlich erfolgten Eingriff nicht ohne weiteres gleichzustellen. Die vorbeugende Unterlassungsklage auf dem Gebiete der unerlaubten Handlungen ist von der Rechtsprechung der abwehrenden Eigentumsklage des § 1004 BGB. nachgebildet worden; dieser entsprechend wind vom der Voraussetzung des Verschuldens abgesehen, anderseits aber auch eine erfolgte Beeinträchtigung gefordert und vorausgesetzt, daß weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. Solange eine Beeinträchtigung noch gar nicht stattgefunden hat, kann von einer Besorgnis „weiterer" Beeinträchtigungen

Unerlaubte Handlungen

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keine Rede sein (Warneyer 1911 Nr. 330). Es hieße, die wesentlichsten Grundlagen dieser Rechtsweiterbildung völlig verlassen, wollte man für die hier in Rede stehende vorbeugende Unterlassungsklage von jenem Erfordernis des erfolgten Eingriffs schlechthin absehen. Auch der im Schrifttum vereinzelt unternommene Versuch, dies aus der Vorschrift des § 259 ZPO. zu rechtfertigen, ist abzulehnen*). Es kann dahingestellt bleiben, ob unter (künftiger) Leistung im Sinne dieser Vorschrift auch eine (künftige) Unterlassung (vgl. § 241 BGB.) verstanden werden kann. Jedenfalls kann jener gleichzeitig mit dem BGB. ergangenen, dem Schöße derselben Gesetzgebimgskommissdon entstammenden Vorschrift der ZPO. nicht die Bedeutung unterstellt werden, daß dadurch die Vorschrift des § 1004 BGB. teilweise abgeändert werden solle. Anderseits kann, wie nicht zu verkennen ist, auch schon die Drohung mit dem Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut (oder Recht) nach Umiständen eine so erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen, daß darin ein widerrechtlicher Eingriff im Sinne des für die Gewährung der vorbeugenden Unterlassungsklage zu Erfordernden gefunden werden kann. Dies insbesondere dann, wenn die Bedrohung unter solchen Umständen geschieht, von solchen Anstalten begleitet ilst, daß der Anfang einer Ausführung schon in ernsthaften Vorbereitungen verwirklicht erscheint. Alsdann würde es eine praktisch nicht befriedigende und grundsätzlich nicht gebotene Einschränkung des vorbeugenden Rechtsschutzes darstellen, wollte man die Klage erst dann gewähren, wenn der drohende widerrechtliche Eingriff vollständig verwirklicht iist. Es entspricht vielmehr den Grundgedanken, die die Rechtsprechung bei der Anerkennung dieses Rechtsbehelfs verfolgt hat, unter den vorausgesetzten Umständen die Unterlassungklage schon dem drohenden erstmaligen Eingriff gegenüber zu gewähren. Wie denn auch schon in dem ensten richtunggebenden Erkenntnis RGZ. Bd. 48 S. 114 die Klage sich gegen eine Drohung mit Erhöhung der Frachttarife seitens der beklagten Dampfschiffahrtsgesellschaft 'gegenüber der klagenden Speditionsfirma gerichtet hat. Es wird also grundsätzlich nach den Umständen deis Einzelfalles zu beurteilen sein, ob und unter welchen Umständen schon gegenüber dem drohenden ersten Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut die vorbeugende Unterlassungklage zu gewähren ist. Im vorliegenden Falle nun liegen diese Umstände wesentlich verschieden bezüglich des *) S o H e l l w i g , Anspruch u. Klagrecht S. 378 flg. Lehrb. d. ZP. Bd. I S. 220 flg., 373 flg., System Bd. 1 § 104. Darüber jüngst F 1 a d , Iherings J a h r b . Bd. 70 S. 348 flg. mit weit. Anf. Vgl. im übrigen bes. L e s s e r , Arch. Bürg. R. Bd. 38 S. 102 flg., 113; H e d e m a n n , Iherings J a h r b . Bd. 63 S. 68; D e r n b u r g - R a a p e , Recht der Schuldverhältnisse Bd. II 2 § 388 a S. 781 zu Anm. 18; S t a u b , HGB. 10. Aufl. Anhang zu § 346 Anm. 13, Anh. zu § 349 Anm. 33; Komm. v. R G R . 3. Aufl. § 1004 Erl. 5 und 7. 19«

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Briefes vom 14. Oktober 1914 einerseits, des Vorfalls vom J a n u a r 1919 anderseits. Daß der Brief vom 14. Oktober 1914 nach seinem Inhalt geeignet war, den Kläger besorgt zu machen, das ungünstige Urteil des Beklagten L. über seine Geschäftsbetätigung könne auch Dritten gegenüber verlautbart werden, kann nicht bezweifelt werden. Anderseits ist nicht zu übersehen, daß darin alles tatsächliche Vorgehen gegen den Kläger ausdrücklich vorbehalten und ihm nur dringend geraten wird, sein unreelles Geschäftsgebaren aufzugeben, widrigenfalls man es als Pflicht ansehen werde, „nicht nur die Oeffentlichkeit auf die unlautere Tätigkeit des Klägers aufmerksam zu machen, sondern vor allem auch den betörten Opfern (des Klägers) zum Rechte zu verhelfen". Darin liegt die Neigung zu abfälliger Beurteilung des Klägers im allgemeinen bekundet; ein bestimmter Angriff dagegen, der in der oben gekennzeichneten Weise angedroht wäre, ist in dem Briefe für sich genommen noch nicht zu finden. Dieser konnte daher von dem Berufungsgerichte ohne Rechtsirrtum als zur Begründung der erhobenen Klage aus § 824 B G B . unzulänglich angesehen werden. Den Vorgang vom Januar 1919 hat das Berufungsgericht dem ohne weiteres gleichgestellt. Demgegenüber ist aber zu beachten, daß bei diesem Vorfall wohl von ernstlichen Anstalten gesprochen werden kann, denen gegenüber die Gewährung der Klage geboten erscheinen kann. Hier lag keine bloß allgemeine und bedingte Ankündigung eines den Kläger bedrohenden Vorgehens mehr vor. Vielmehr hat der Beklagte L. nach der Darstellung der Klage dem Kläger in der Meinung, einen Dritten vor sich zu haben, eine sehr ungünstige Auskunft erteilt. Mit Grund hat der Kläger geltend gemacht, daß er hieraus entnehme, in v/elcher Weise der Beklagte L. Dritten gegenüber überhaupt sich über ihn äußern werde, wenn man bei dem beklagten Verband Auskunft einhole. Das Berufungsgericht wird daher erneut zu prüfen haben, ob nicht wenigstens das Vorbringen des Klägers über den Vorgang vom Januar 1919, das bestritten und bisher noch nicht Gegenstand einer Beweisanordnung gewesen ist, für die hier in Rede stehende Seite der Klagebegründung ausreichend erscheinen kann. Die bisher vorliegende Begründung, aus den auf den Brief bezüglichen Ausführungen des Urteils ergebe sich zugleich, daß auch der Vorfall vom Januar 1919 außer Betracht zu bleiben habe, kann dafür nach dem hier Ausgeführten nicht genügen. Uebe'r die weiteren Voraussetzungen des auf § 824 B G B . gestützten Anspruchs hat sich das Berufungsgericht nicht geäußert, es kann daher hier darauf nicht näher eingegangen werden. Die nach dem Vorstehenden gebotene erneute Würdigung des Sachverhalts wird sachgemäß vor allem auch auf die Tatbestandsvoraussetzung der Wiederholungsgefahr auszudehnen sein. Nach den bisher erörterten Umständen lassen die von dem Kläger angeführten Aeußerungen des

293 Beklagten L. erkennen, daß er sich nach Form und Inhalt fortschreitend zu einer wesentlichen Milderung hat bestimmen lassen. Deren letzte enthält lediglich einen Rat zur Vorsicht. . . . E s wird zu erwägen sein, ob nach allen Umständen eine Wiederholungsgefahr überhaupt in weiterem Umfang droht, als in Gestalt eines solchen Rates zur Vorsicht, und im Falle der Verneinung, welche Folgerungen sich hieraus für die rechtliche Beurteilung ergeben. Bezüglich der Beurteilung des Briefes vom 14. Oktober 1914 und des Vorfalls vom Januar 1919 aus § 823 Abs. 2 B G B . ist dem Berufungsgerichte beizutreten, soweit es die Vorschrift des § 186 StGB, für unanwendbar erachtet hat (RGSt. Bd. 4 S. 401, Bd. 29 S. 41, Bd. 41 S. 61, Bd. 48 S. 62, Bd. 50 S. 322). Auch die Beurteilung des Briefes nach § 185 StGB, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bezüglich des Vorfalls vom Januar 1919 ist zu beachten, daß nach dem Klagevorbringen der Beklagte L. auch hierbei den Kläger als „Schwindelfirma" bezeichnet haben soll. RGZ. 102, 38 1. Eigentumsübertragung beim Versendungskaufe. 2. Ist der Rollfuhrunternehmer, der im Auftrage des Verkäufers eine versendete W a r e am Ankunftsorte dem bereits Eigentümer gewordenen Käufer zuführen soll, diesem letzteren aus schuldhait unterlassener Obhut über die Sache wegen widerrechtlicher Verletzung des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB. schadensersatzpflichtig, wenn infolge der nachlässigen Obhut die Sache vom Rollwagen gestohlen wird? 3. Bedeutung von die Haftung der Rollfuhrunternehmer einschränkenden „Allgemeinen Bedingungen" für diesen Schadensersatzanspruch, VI. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t

Hamburg,

Urt. v. 23. März 1921. Kammer

II. O b e r l a n d e s g e r i c h t

für

Handelssachen.

daselbst.

Die Klägerin hatte im Juni 1919 von der Firma M. & A. in A. einen Ballen Tuch zum Preise von 4317,40 M. gekauft. Die Versendung der Ware an die Klägerin erfolgte durch die Aachener Speditions- und Lagerhaus A.-G., die ihrerseits zur Abfuhr der mit Sammelladungen in H. ankommenden Waren an die Empfänger die Sammelladung an den Beklagten gehen ließ. Die Klägerin hat die Ware nicht erhalten; sie wurde dem Rollkutscher des Beklagten, während er sich vom Wagen in ein Haus entfernt hatte, vom Wagen gestohlen. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Ersatz ihres Schadens in Höhe des dem Verkäufer gezahlten Kaufpreiseis in Anspruch.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Das Landgericht wies die Klage ab, das Oberlandesgericht verurteilte den Beklagten nach dem Klagantrage. Auf die Revision des Beklagten wurde d a s Berufungsurteil aufgehoben aus folgenden Gründen: 1. Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß ein Vertragsverhältnis, das den Beklagten der Klägerin zum Schadensersatz verpflichten könnte, zwischen den Parteien nicht besteht, und daß ebensowenig an eine Geschäftsführung ohne Auftrag, die zu demselben Erfolge führen könnte, zu denken ist. Es ist zwar rechtlich nicht ausgeschlossen, daß eine Person im Auftrag einer anderen und zugleich als Geschäftsführer ohne Auftrag für einen Dritten handelt. Die Sachlage schließt aber im gegebenen Falle den Willen des Beklagten aus, für die Klägerin zu handeln; er hatte von der Aachener Speditionsfirma eine Sammelladung von Waren zur Abrollung der einzelnen Waren an die Empfänger zugesandt erhalten und führte lediglich den damit ihm erteilten Auftrag der Absenderin aus. Den Willen, für den Dritten als Geschäftsherrn zu handeln, setzt aber die Geschäftsführung ohne Auftrag in allen Fällen voraus. Ob &s möglich sein würde, in dem Schreiben der Verkäuferin M. & A. in A. an die Klägerin vom 3. September 1919 eine Uebertragung der vertraglichen Ansprüche der genannten Firma gegen Spediteur und Frachtführer zu erblicken, kann dahingestellt bleiben, da eine solche Uebertragung der Rechte vom Kläger gar nicht behauptet ist. 2. Die Klage ist weiter gestützt auf rechswidrige und schuldhafte Verletzung des Eigentums des Klägers durch den Beklagten (§ 823 Abs. 1, § 276 BGB.). Erste Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs aus Eigentumsverletzung ist, daß die Klägerin dais Eigentum an der seitens der Verkäuferin M. & A. durch die Aachener Speditionsfirma ihr übersandten Ware zur Zeit des Abhandenkommens des Tuchballens bereits erworben hatte. Nach dem Vortrage der ernten Instanz war der Eigentumserwerb der Klägerin lediglich auf das Kaufgeschäft und die Bezahlung des Kaufpreises sowie die mit der Klage in Abschrift überreichte Rechnung der Verkäuferin gestützt worden. Mit Recht sah das Landgericht dadurch den Nachweis für die Eigentumsübertragung nicht als erbracht an. Ein tatsächlicher Vorgang, in welchem nach den §§ 929, 930 B G B . eine Eigenhim«übertragung seitens der Verkäuferin an die Klägerin hätte gefunden werden können, war gar nicht behauptet. An sich aber geht bei Versendungskäufen das Eigentum der Kaufsache auf den Käufer erst dann über, wenn sie in dessen Hände gelangt ist und von ihm in der Absicht des Eigentumserwerbs angenommen wird, was auch ohne ausdrückliche Erklärung geschehen kann (RGZ. Bd. 64 S. 145; Bd. 74 S. 355).

Unerlaubte Handlungen

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Im zweiten Rechtszuge hat die Klägerin ihren Eigentumserwerb auf die für die Lieferung der Ware seitens der Verkäuferin M. & A. in A. in der Auftragsbestätigung ausgesprochene Klausel gestützt: „netto Kasse bei Empfang der Ware loco Fabrik. Die Ware geht mit Ausstellung der Faktura in Ihren Besitz über". Darin erblickt das Berufungsgericht die Eigentumsübertragung: nach Absicht der Vertragsparteien, nimmt es an, isollte das Eigentum der Ware mit der Uebergabe der Ware an die Aachener Speditionsfirma auf die Klägerin übergehen und diese Firma als Vertreter der Klägerin handeln. Diese Auffassung muß rechtlichen Bedenken begegnen. Die Revision sieht in der Klausel nur eine Abmachung über den Uebergang der Gefahr; eine Absicht der Eigentumsübertragung sei ihr nicht zu entnehmen, zumal weder behauptet noch festgestellt sei, daß die Aachener Speditionsfirma tatsächlich als Vertreterin der Klägerin gehandelt habe. In der Tat ist es nach den Uebungen im Handel nicht unwahrscheinlich, daß die Klausel nur über den Erfüllungsort (loco Fabrik) und den Uebergang der Gefahr Bestimmung treffen will. Auch das Schreiben der Firma M. & A. an die Klägerin vom 3. September 1919 folgert aus der Klausel nichts anderes, als d a ß die Klägerin den Kaufpreis der Ware an sie jedenfalls zahlen müsse und sich dann wegen der Rückerstattung an den Hamburger Spediteur oder an die Versicherungsgesellschaft halten möge. Wird der zweite Teil der Klausel rechtlich näher betrachtet, so ist zunächst die Ausstellung der Faktura ein rein innerer Vorgang im Geschäfte des Verkäufers, der nach außen in keiner Weise hervortritt; er kann deshalb eine Eigentumsübertragung nach § 929 oder auch nach § 930 BGB. jedenfalls nicht darstellen. Soll damit die gleichzeitig zu denkende Uebergabe an den Spediteur behufs Absendung als Akt der Eigentumsübertragung gemeint sein, was dais Berufungsgericht annimmt, mit dem Satze der Klausel aber keineswegs gesagt ist, so ist zu bemerken, daß der vom Verkäufer beauftragte Spediteur oder Frachtführer an sich nicht Vertreter des Käufers, sondern Beauftragter des Verkäufers ist; das Eigentum der Ware geht also nicht durch Ablieferung an den Spediteur auf den Käufer über, es sei denn, daß dieser oder in seinem Auftrag oder Einverständnis der Verkäufer ihn zu seinem Vertreter behufs Empfang und Weitersendung der Ware bestellt hatte (RGZ. Bd. 84 S. 320). Voraussetzung einer solchen Eigentumsübertragung wäre im gegebenen Falle, daß der Speditionsfirma in A. im Einverständnis der Klägerin durch Mitteilung der Vertragsklausel über den Eigentumsübergang der Auftrag erteilt worden wäre, als Vertreter der Klägerin zu handeln, sowie daß isie die Klausel auch im Sinne der Eigentumsübertragung auffaßte und demgemäß für die Klägerin handeln wollte. Nur so würde durch die Uebergabe d e r Ware an den Spediteur eine Eigentumsübertragung gemäß § 929 BGB. zustande gekommen 9©in. Ein Eigentumsübergang nach § 930 BGB. aber, wenn

296 an einen solchen in der Klausel gedacht wäre, würde erfordern, daß gleichzeitig mit der Ausstellung der Faktura die für die Klägerin bestimmte W a r e beim Verkäufer ausgeschieden war (RGZ. Bd. 97 S. 252), und der Verkäufer diese nunmehr für die Klägerin als die Käuferin in Verwahrung genommen hätte. Nach allen diesen Richtungen fehlt es an jeder Feststellung wie an schlüssigem Parteivorbringen und bedarf die Sache der weiteren Aufklärung; es muß der Sinn der Klausel aus den Geschäftsübungen der Parteien und am Orte der Lieferung ermittelt und dann geprüft werden, ob den rechtlichen Voraussetzungen für einen Eigentumsübergang genügt ist. 3. Das Berufungsgericht erachtet eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten aus §§ 823 Abs. 1, 276 B G B . für gegeben, weil er dem zur Abrollung der Waren an die Empfänger bestimmten Rollwagen nur den Kutscher, nicht aber auch noch einen Begleitmann beigegeben habe. Da er wissen mußte, daß der Kutscher im natürlichen Verlaufe seiner Verrichtungen gezwungen sein würde, den Wagen für kürzere oder längere Zeit unbeaufsichtigt zu lassen, habe er durch diese Unterlassung die Gefahr des Diebstahls an den auf dem Wagen lagernden Gütern grob fahrlässig heraufbeschworen. Die Revision macht dagegen geltend, daß eine allgemeine Rechtspflicht der Beklagten zum Handeln gegenüber der Klägerin als der angeblichen Eigentümerin des Ballens Tuch nicht bestanden habe, und beruft sich für ihre Auffassung auf die Entscheidung RGZ. Bd. 97 S. 12. Hier ist ausgesprochen, daß eine allgemeine Rechtspflicht, fremdes Eigentum gegen Gefahren zu schützen und vor Diebstahl oder Beschädigung zu bewahren, nicht bestehe und eine Pflicht dazu nur durch ein besonderes Rechtsverhältnis begründet werde. Auch der allgemeine Gesichtspunkt, daß es eine Unterlassung ist, die die Haftung des Beklagten begründen soll, eine solche aber nur rechtswidrig iist, wenn die unterlassene Handlung durch eine Rechtspflicht geboten war (RGZ. Bd. 52 S. 373, Bd. 54 S. 53), führt dahin, daß ein besonderes Rechtsverhältnis, das dem Beklagten eine Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Verwahrung und Ueberwachung deis im fremden Eigentum stehenden, von ihm beförderten Gutes auferlegte, bestehen muß. Eine solche Sorgfaltspflicht war dem Beklagten zunächst nur vertragsmäßig durch die Aachener Speditionsfirma, die ihm die Sammelladung zur Abrollung der einzelnen Güter an die Empfänger zugesandt hatte, auferlegt worden. Daß die Vertragshaftung dem anderen Vertragsteile gegenüber die allgemeine Verantwortung aus unerlaubter Handlung auf Grund desselben Tatbeistands, sei es diesem anderen Vertragsteile gegenüber, sei es auch gegenüber Dritten, nicht ausschließt, ist in der Rechtsprechung des Reichsgerichts anerkannt (RGZ. Bd. 63 S. 308, Bd. 88 S. 317 und 433; J W . 1920 S. 284 Nr. 6). Ein den Beklagten zur Sorgfalt für fremdes Eigentum verpflichtendes rechtlich erhebliches Verhältnis ist nun in der Tat vorhanden;

Unerlaubte Handlungen

es ist in dem Gewerbebetriebe des Beklagten als Rollfuhrunternehmer begründet. Wer es als Gewerbeunternehmer sich zur Aulgabe macht, zum Zwecke des eigenen Erwerbes fremdes Eigentum, sei es als Lagerhalter zu verwahren, sei es als Spediteur oder Frachtführer von einem Orte zum anderen zu befördern, überkommt vermöge dieses Gewerbebetriebes, auch abgesehen von den einzelnen geschlossenen Verträgen und der dadurch begründeten Verpflichtung gegenüber dem Einlagerer oder dem Absender, eine Obhuts- und Ueberwachungsverpflichtung an allen in seinem Gewerbebetrieb an ihn gelangenden, im fremden Eigentum stehenden Sachen. Das entspricht der Rechtsanschauung und dem Rechtsbedürfnis. Der Eigentümer, dessen Person mit der Person des Absenders oder Einlagerers, also des Vertragsgegners des Lagerhalters, Spediteurs, Frachtführers in sehr vielen Fällen sich nicht deckt, und der in diesen Fällen sein Eigentum nicht selbst schützen kann, muß sich darauf verlassen können, daß der Gewerbeunternehmer, an den sein Eigentum zu den bezeichneten Zwecken gelangt, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verwahrung und Erhaltung des fremden Gutes aufwendet. Aehnlich wie nach anerkannter Rechtsprechung derjenige, der einen Verkehr, sei es auf einem Wiege, sei es zu oder in einem Hause, eröffnet, lediglich durch diese rechtserhebliche Tatsache auch die Verpflichtung übernimmt für die Sicherheit dieses Verkehrs Sorge zu tragen (RGZ. Bd. 54 S. 56flg., Bd. 68 S. 365, Bd. 85 S. 186, Bd. 88 S. 434), so übernimmt auch der Gewerbetreibende, der sich mit der Verwahrung oder Beförderung fremder Eigentumsgegenstände befaßt, die Sorgfaltspflicht hirasächtlioh der Behandlung dieser Gegenstände. Sie trifft ihn, auch ehe und ohne daß ein Vertrag über die Lagerung oder Beförderung mit ihm geschlossen wurde, so wenn ein Gut ihm im Hinblick auf einen noch abzuschießenden Vertrag überliefert wird, aber auch wenn etwa infolge einer auf der Eisenbahn erfolgten Verwechselung ein fremdes Gut, auf das sich der von ihm geschlossene Vertrag nicht bezieht, in seinem Gewerbebetrieb in seine Hände gelangt. Daß schon der Gewerbebetrieb als solcher besondere Sorgfaltspflichten gegen Dritte mit sich bringt, ist ein Rechtsgedanke, der im Hinblick auf die Sicherheit der in dem Gewerbebetriebe tätigen oder durch den Gewerbetrieb gefährdeten Personen strafrechtlich in den §§ 222 Abs. 2, 230 Abs. 2 StGB., zivilrechtlich in § 903 RVO. Ausdruck gefunden hat. Die besondere Sorgfalt, von der in diesen Gesetzesbestimmungen die Rede ist, ist nicht eine durch etwaige besondere Gesetze auferlegte, sie trifft den Gewerbetreibenden allein vermöge seines Berufes oder Gewerbes für alle Handlungen, die in den Kreis der Berufs- oder Gewerbehandlungen fallen; der Gewerbebetrieb begründet besondere Pflichten über die allgemeinen Pflichten eines jeden hinaus gegenüber den Personen, im gegebenen Falle gegenüber den Gütern, mit denen er in seinem Gewerbebetrieb in Verkehrsberührung kommt

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Schuldrecht, Besonderer Teil

(vgL JEU § 222 Abs. 2 StGB., RGSt. Bd. 3 S. 84, Bd. 5 S. 77, Bd. 29 S. 227); e r verpflichtet zum Handeln und begründet eine Verantwortlichkeit für Unterlassungen dieses Handelns, die andere Personen nicht trifft. Wie die Verkehrseröffnung Sorgfaltspflichten gegenüber Persemen und Sachen entstehen läßt, deren Unterlassung schadensersatzpflichtig macht, so hier der Gewerbebetrieb des mit der Behandlung fremden Eigentums befaßten Unternehmers gegenüber den in dean Gewerbebetrieb an ihn gelangten fremden Sachen. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß den Beklagten, indem er den Rollwagen, auf dem sich die den Empfängern zuzuführenden fremden Güter befanden, durch die Unterlassung der Mitgaibe einer Begleitperson für den Kutscher zeitweise unbeaufsichtig ließ und so die Gefahr des Verlustes durch Diebstahl herbeiführte, die von ihm auch bei der Häufigkeit der Diebstahlsvergehen in neuerer Zeit erkannt werden konnte und mußte, der Vorwurf einer fahrlässigen Eigentumsverletzung nach §§ 823 Abs. 1, 276 BGB. trifft, ist demnach rechtlich nicht zu beanstanden. Ob eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Klägerin besteht, ist nur vom Nachweise des Eigentums der letzteren abhängig. 4. Der Beklagte beruft sich auf die von ihm vorgelegten allgemeinen Bedingungen der Rollfuhrunternehmer von Hamburg, Altona und Umgegend vom 2. Juni 1910, wonach diese für Beschädigung oder Verlust der ihnen zum Transport übergebenen Güter bei eigenem oder ihrer Angestellten Verschulden, wenn nicht eine besondere Vereinbarung getroffen ist, nur bis zur Höhe von 60 M. für je 50 kg haften; er macht geltend, daß er darüber hinaus auch der Klägerin nicht hafte, die größere Rechte als der Vertragsgegner des Beklagten auch für sich nicht geltend machen könne. Insofern etwa die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch aus einer Abtretung der Ansprüche ihrer Verkäuferin und deren Spediteurs herleiten könnte, würden jene allgemeinen Bedingungen, wenn auf ihrer Grundlage der Fracht-(Abroll)-Vertrag geschlossen wäre, auch die Klägerin verpflichten und ihren Schadensersatzanspruch einschränken. Für die Haftung des Beklagten der Klägerin gegenüber als Eigentümerin des rechtswidrig ihr entzogenen Gutes aus unerlaubter Handlung kann diese Haftungsbeschränkung an sich nicht gelten, auch dann nicht, wenn die Beschränkung der allgemeinen Uebung in Hamburg entsprochen hätte und der Klägerin bekannt gewesen wäre, wie das Reichisgerioht in dem ähnlich gelagerten Falle RGZ. Bd. 63 S. 312 ausgeführt hat. Sie würde nur dann auoh gegenüber dem Ansprüche der Klägerin Platz greifen können, wenn diese ausdrücklich oder stillsohweigend jenen Bedingungen in ihrem Geschäftsverkehr sich unterworfen hätte, wenn sie mit der Art der Versendung der Ware und der Haftungsbeschränkung der Beklagten einverstanden war. Dabei ist aber zu bemerken, daß der Entschädigungs-

299 satz der allgemeinen Bedingungen im Jahre 1910 aufgestellt ist und den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen in keiner Weise mehr entspricht, so daß ein solches Einverständnis nur schwer anzunehmen sein möchte. Ob nicht auch dann, wenn die Haftungsbeschränkung danach Platz greifen könnte, eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten, wie sie das Berufungsgericht annimmt, sie wieder in Wegfall bringen würde, kann bei gegenwärtiger Sachlage unerörtert bleiben. Wegen des Mangels der Feststellung des Eigentumsübergangs an die Klägerin war hiernach das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. RGZ. 102, 77 1 2. Gebietet § 823 Abs. 1 BGB. den Schatz des Eigentums eines anderen? VII. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 5. April 1921. Die Entscheidung ist abgedruckt unter ,,Zivilprozeß". RGZ. 102, 223 t 1. . . .•) 2. Gewerbebetrieb als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Altona.

Urt. v. 2. Juni 1921. II. Oberlandesgericht Kiel.

Nach einer Polizeiverordnung des Landrats von M. über die Beseitigung gesundheitsschädlichen Fleisches vom 28. November 1905/ 1. Februar 1906 sind die Tiereigentümer des Kreises verpflichtet, alles Fleisch verendeter, getöteter oder geschlachteter Tiere, das für untauglich zum menschlichen Genuß erklärt ist, der Kreisabdeckerei zuzuführen, die es in bestimmtem Verfahren unschädlich zu machen hat. In der Nacht zum 24. Dezember 1918 verendete bei einer Sturmflut eine Anzahl Schafe des Hofbesitzers D. in Fr. Die Klägerin, die die Kreisabdeckerei gepachtet hat, behauptet, daß der Beklagte sich 115 dieser verendeten Schafe angeeignet und verwertet habe, die so der Abdeckerei entgangen seien. Sie fordert den Ersatz des ihr hierdurch entstandenen Schadens von dem Beklagten. Die Gerichte der Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision blieb erfolglos. •)

Ueberholt.

300 Gründe: Die Klage stützt sich rechtlich auf § 823 Abs. 2 B G B . , indem sie die Polizeiverordnung als Schutzgesetz für die Kreisabdeckered in Anspruch nimmt. Das Landgericht ist zur Abweisung der Klage gelangt, weil es nicht für erwiesen erachtet, daß der Beklagte Fleisch verendeter Tiere an sich gebracht und verwertet habe; er habe nur eine Anzahl Schaffelle gekauft und wieder verkauft, auf die sich die Polizeiverordnung nicht beziehe. Das Berufungsgericht nimmt an, daß die Felle zu den Kadavern gehören und an die Abdeckerei abzuliefern gewesen wären; es verneint aber, daß die fragliche Polizeiverordnung als ein Schutzgesetz zum Schutze des Abdeckereiinhabers anzusehen sei. An dessen Schutz denke die Verordnung gar nicht. Der Zweck der Verordnung sei überhaupt nicht, den Gewerbebetrieb der Abdeckerei zu schützen, sondern lediglich die Tierkadaver zur Verhütung von Seuchen unschädlich zu machen. Wenn tatsächlich die darin befohlene Ablieferung an die Abdeckerei deren Pächter wirtschaftliche Vorteile bringe, so sei dies eine Nebenwirkung, die mit dem Zwecke der Verordnung nichts zu tun habe. Auf eine Verletzung des § 823 Abs. 1 BGB., Verletzung eines „sonstigen Rechts", stütze die Klägerin ihren Anspruch selbst nicht. Die Revision erachtet die Verneinung des Charakters eines Schutzgesetzes für die fragliche Polizeiverordnung für rechtsirrtümLich; daß die letztere auch andere Zwecke verfolge, verbiete nicht die Annahme, daß auch der gewerbliche Schutz der Abdeckerei bezweckt wurde. Wenn diese die der öffentlichen Wohlfahrt dienende Vernichtung der Kadaver ausführen solle, müsse sie auch in deren Alleinbezugsrecht geschützt werden. Die Revision war nicht für begründet zu erachten. (Oertliche Kadaver-Ablieferungsverpflichtung nicht Schutzgesetz für die Abdeckerei.) . . . Auch eine Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB., auf die die Klägerin selbst ihren Anspruch nicht gestützt hat, lehnt das Berufungsgericht ohne ersichtlichen Rechtsirrtum ab. In Frage könnte hier nur kommen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb der Klägerin als eines der „sonstigen R e c h t e " des § 823 Abs. 1 durch die Handlungen des Beklagten als verletzt angesehen werden könnte. Nach der feststehenden Rechtsprechung des Reichsgerichts ist eine Verletzung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nur dann gegeben, wenn der Eingriff sich unmittelbar gegen den Bestand des Gewerbebetriebs richtet, wenn entweder Betriebshandlungen tatsächlich verhindert werden, oder wenn seine rechtliche Zulässigkeit verneint oder seine Schließung oder Einschränkung verlangt wird. Sie liegt nicht vor, wenn dem Gewerbetreibenden nur ein Wirtschaft-

301 licher Gewinn entzogen, seine Aussicht auf Erwerb gestört wird (RGZ. Bd. 58 S. 24, Bd. 64 S. 52, Bd. 65 S. 210, Bd. 73 S. 107 und 253, Bd. 76 S. 35, Bd. 77 S. 217, Bd. 79 S. 224, Bd. 92 S. 132, Bd. 94 S. 248). Der Beklagte und sein Verkäufer D. haben aber durch Verwertung der Tierkadaver und Felle der Klägerin lediglich die Aussicht auf einen Erwerb genommen. Fehlt es an einem, vom Berufungsgericht durch seine Auslegung der Polizeiverordnung vom 28. November 1905/1. Februar 1906 verneinten besonderen gesetzlichen Schutze der Klägerin, der über diesen allgemeinen Schutz des Gewerbebetriebs hinausreicht und ihr einen von jedem Dritten zu wahrenden Anspruch auf die einzelnen Geschäfte verleiht, so bleibt nur eine Beschädigung des Vermögens der Klägerin übrig, die abgesehen von dem Falle des § 826 BGB. eine unerlaubte Handlung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche nicht darstellt. RGZ. 102, 372 Hat der zur Behandlung eines milzbrandverdächtigen Tieres zugezogene private Tierarzt auch für die mit dem Tiere befaßten Personen zur Verhütung einer Ansteckung Sorge zu tragen? VI. Z i v i 1 s e n a t. I. Landgericht

Karlsruhe.

Urt. v. 19. September 1921. II. Oberlandesgericht

daselbst.

Der Kläger, Metzgermeister in L., hat sich am 16. Juli 1912 daselbst bei der Notschlachtung eines milzbrandkranken Rindes, die ihm dessen Eigentümer H. übertragen hatte, eine Vergiftung zugezogen und verlangt Schadensersatz von dem Beklagten, einem nichtbeamteten Tierarzt, der von dem Eigentümer des kranken Tieres zugezogen worden war. Er behauptet, der Beklagte habe es durch Fahrlässigkeit verschuldet, daß bei der unter seiner Mitwirkung geschehenen Tötung und Untersuchung des Tieres er, der Kläger, der am linken Daumen eine kleine vernarbte Wunde hatte, sich angesteckt und daß aus dem Eindringen von Milzbranderregern sich ein schweres Siechtum entwickelt habe. Der erste Richter hat die Klage abgewiesen und ausgesprochen, daß den Beklagten kein Vorwurf treffe. Das Berufungsgericht hat den Klaganspruch zu drei Vierteln dem Grunde nach zuerkannt, zu einem Viertel dagegen wegen Selbstverschuldens des Klägers abgewiesen. Die Revision des Beklagten wurde zurückgewiesen. Aus den G r ü n d e n : . . . Das Berufungsgericht macht dem Beklagten zum Vorwurf, daß er nach der Tötung des Tieres — obwohl er auf das dem After des Tieres entfließende Blut einerseits, auf die Daumennarbe des

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Klägers anderseits aufmerksam gemacht worden war —, es unterlassen habe, für richtige Desinfektion und Behandlung der Wundnarbe Sorge zu tragen und dem Kläger die Weiterarbeit am Tiere zu verbieten, und diesen sowie die übrigen beteiligten Personen über die Ansteckungsgefahr und clie Notwendigkeit der Desinfektion angemessen zu 'belehren. Diese Vorwürfe sind nach den getroffenen Feststellungen tatsächlich begründet und tragen das Urteil. Zutreffend geht das Berufungsgericht bei dieser Beurteilung davon aus, daß der Beklagte in den Richtungen, worin es ihm Unterlassungen zur Last legt, eine allgemeine Rechtspflicht zum Handeln hatte, die er schuldhaft verletzt hat und deren Verletzung eine Haftung aus § 823 BGB. zu begründen geeignet ist (RGZ. Bd. 97 S. 12). Wie auch in den Vorinstanzen nicht verkannt worden ist, kommt ein Vertragsverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger nicht in Frage. Jener war wie dieser lediglich von dem Tiereigentümer H. zur Hilfeleistung zugezogen, beide standen nur zu diesem in einem Vertragsverhältnis. Auch soweit der Beklagte den Kläger an dem Tiere arbeiten ließ oder hieß, besteht kein ausreichender Anhalt dafür, die Begründung einer vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien anzunehmen. Eine hierauf zu stützende Verpflichtung nach Art des Arztes, der eine Behandlung übernommen hat, dahin, gewissenhaft nach Kunstregeln zu verfahren (vgl. Warneyer 1916 Nr. 226), ist für das Verhältnis des Beklagten zum Kläger nach der Sachlage nicht anzunehmen. Die für die Anwendbarkeit insbesondere des § 823 Abs. 1 B G B . entscheidende Frage ist daher, ob ein zu einem kranken Tiere als veterinärwissenschaftlicher Berater zugezogener Tierarzt eine allgemeine Rechtspflicht dahin hat, auch für die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der an der Wartung und Behandlung des Tieres und gegebenenfalls des Kadavers tätigen Personen Sorge zu tragen. Im Sinne der Viehseuchengesetzgebung (RGes. vom 26. Juni 1909 RGBl. S. 519; Ausführungsvorschriften des Bundesrats vom 7. Dezember 1911 samt vier Anlagen RGBl. 1912 S. 4) sind die praktisch in Betracht kommenden Fürsorgepflichten neben der Polizeibehörde zunächst nur dem beamteten Tierarzt auferlegt, das ist in Baden der Bezirkstierarzt. Der Beklagte war dies nicht, vielmehr bei der Behandlung des Rindes lediglich in privater Eigenschaft als approbierter Tierarzt und nicht in irgendeiner polizeilichen oder sonstwie öffentlichrechtlichen Stellung tätig. Als privater Tierarzt war er nun aber zum kranken Tiere zugezogen, dessen Behandlung war die Berufsleistung, zu der er sich verpflichtete. Zu einer Erstreckung seiner Pflichten auf das Leben und idie Gesundheit jener mittätigen Personen ergibt sich dessenungeachtet die Grundlage aus seiner Berufsstellung. Der staatlich approbierte Tierarzt ist nicht nur zu einer auf die Erhaltung der im

303 Viehstaad vorhandenen Vermögenswerte gerichteten Tätigkeit 'berufen. Die Krankheiten der Haustiere bedrohen auch den Menschen mit Ansteckungs- und Erkrankungsgefahr. Die viehseuchenpolizeilichen Vorschriften richten sich auch gegen die der menschlichen Gesundheit drohenden Gefahren, namentlich soweit sie mit der Wartung des gesunden, des kranken oder mit der Beseitigung des toten Tieres verbunden sind; so z. B. die besonders auf den Milzbrand bezüglichen §§ 97—101 jener Auisführungsvorschriften, die in gleicher unid ähnlicher Art auch für andere Krankheiten gegeben sind. Gegenüber solchen Personen befindet sich der Tierarzt kraft seiner Berufsstellung und mit Rücksicht auf seine wissenschaftlich begründete Vorbildung in der Lage, daß er, soweit ihrer Gesundheit von dem Krankheitsfall des Tieres Gefahren drohen, auch hierfür im Rahmen seiner Berufsbetätigung Sorge zu tragen, je nach Umständen also Anordnungen zu treffen, Ratschläge zu erteilen, Belehrung zu geben hat. Kommt er dem vorsätzlich oder unter Außerachtlassung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt nicht in ausreichendem Maße nach, so trifft ihn die Haftung nach §§ 823 Abs. 1, 276 BGB. Es gibt keine allgemeine Rechtspflicht für jedermann dahin, gegen die Gefährdung fremder Gesundheit tätig zu sein. Niemand ist ohne weiteres gehalten, z. B. im Vorbeigehen auf der Straße ein gefährliches Spiel fremder Kinder, eine gefahrdrohende Rauferei, unvorsichtige Behandlung ansteckungsgefährlicher Wäfsche von Kranken u. a. m. zu hindern. Anders derjenige, der, indem er eine damit in gewissem Zusammenhange stehende Berufstätigkeit ausübt und sich dafür dem PubÜkum anbietet, eine Verantwortung dafür übernimmt, daß da, wo von seinen Diensten Gebrauch gemacht wird, ein geordneter Verlauf der Dinge gewährleistet ist. Durch eine Berufsbetätigung oder einen Gewerbebetrieb dieser Art werden solche besonders gearteten allgemeinen Rechtspflichten erzeugt, die man in einem umfassenden Sinne Verkehrspflichten nennen kann. Vgl. in verwandtem Sinne insbesondere die Entscheidungen des erkennenden Senats RGZ. Bd. 102 S. 41 (zu 3) und in der Sache VI 431/15 vom 17. Februar 1916. Auch wenn also die Interessen des Tiereigentümers H., der den Beklagten zugezogen hatte, von der Erkrankung des Klägers rechtlich nicht berührt sind, trifft den Beklagten für diese die Verantwortung, weil bei einer von ihm berufsmäßig geleisteten Tierbehandlung keine genügende Vorkehrung gegen die Gefährdung der menschlichen Gesundheit getroffen worden ist. Dafür, wa® in dieser Hinsicht zu geschehen hatte, sind die seuchenpolizeilichen Vorschriften meißgebend. Diese sind nicht nur für Fälle festgestellter Milzbianderkrankung gegeben, sondern gelten in wesentlichem Umfange schon für Fälle des bloßen Verdachts, so z. B. §§ 97, 101 der Ausführungsvorschriften. Soweit der Beklagte Anlaß hatte, belehrend oder sonstwie gegen die Ansteckungsgefahr

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Schuldrecht, Besonderer Teil

einzugreifen, hatte dies nach Maßgabe der bestehenden Vorschriften zu geschehen. Diese mußten dem Beklagten als Tierarzt bekannt sein; er hat sich denn auch auf eine Unkenntnis in dieser Hinsicht nicht berufen. Endlich ist es für das Ergebnis der Beurteilung nicht entscheidend, ob der Beklagte schon die Ansteckung schuldhaft verursacht hat oder erst die daraus hervorgegangene Erkrankung in ihrer besonderen Schwere. Auch wenn ihm für den Zeitpunkt der Ansteckung noch keine Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird, kann die Verurteilung darauf gestützt werden, daß die weitere Entwickelung der Dinge durch seine Fahrlässigkeit zum Schaden des Klägers ungünstig gestaltet worden sei. . . . RGZ. 103, 419*) 1. Kann mit einer au! arglistige Verleitung zum Vertragsbruch gestützten Klage aus § 826 BGB. der beiseite geschobene erste Käufer von Sachen gegen den zweiten Käufer, der sich der Arglist schuldig gemacht und die Uebergabe der Sachen erlangt hat, auf Herausgabe klagen? 2. Zur Frage der Sittenwidrigkeit der Verleitung zum Vertragsbrüche. 3. Welcher Schadensersatz kann in solchem Falle gefordert werden? 4. Kann das Gericht eine vom Beklagten behauptete, vom Kläger bestrittene Tatsache als zweiten Klaggrund behandeln und daraufhin den Beklagten verurteilen? VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht

Allenstcin.

Urt. v. 23. Januar 1922. II. Oberlandesgericht

Königsberg.

Am 1. Juni 1919 verkaufte die Ehefrau des Archtikten Sch. in A. die im Urteil aufgeführten Möbel und Hauseinrichtungsstücke (Herren-, Speise- und Schlafzimmer) für 20 000 M. an den Kläger, von dem sie auf den Kaufpreis eine Anzahlung von 500 M. empfing. Am Tage darauf verkaufte sie dieselben Gegenstände nebst einer Kinderzimmer- und Kücheneinrichtung an den Beklagten für den Preis von 24 600 M. Als der Kläger am 2. Juni den Rest des Kaufpreises bezahlen und die Sachen übernehmen wollte, erklärte die Ehefrau Sch., sie mache den Vertrag rückgängig, die Sachen seien Eigentum ihres Vaters. Der Kläger behauptete, daß der Beklagte die Ehefrau Sch. zum Vertragsbruch verleitet, ihr eine höhere Summe geboten und ihr eingegeben habe, dem Kläger zu sagen, die Sachen gehörten nicht ihr, sondern ihrem Vater. Er verlangte deshalb von dem Beklagten die Herausgabe der an ihn verkauften Sachen gegen ») Vgl. auch Bd. 148 S. bewerb").

364, 369 (abgedr. unter „Unlauterer

Wett-

Unerlaubte Handlungen

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Zahlung von 19500 M. sowie die Erstattung der für eine einstweilige Verfügung verauslagten 184,20 M. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht erkannte abändernd auf einen Eid, den der Beklagte über eine von ihm behauptete nachträgliche Einigung der Parteien zugeschoben hatte. Auf .die Revision wurde das Urteil aufgehoben. Gründe: Die Ehefrau Sch. hatte dem Kläger Gegenstände verkauft. Der Kaufvertrag erzeugt den rein persönlichen Anspruch des Käufers gegen den Verkäufer auf Uebergabe der verkauften Sache und Verschaffung des Eigentums daran (§ 433 BGB.). Ein Recht zur Sache, wie es frühere Partikularrechte deutscher Staaten kannten (z. B. preuß. ALR. I 2 §§ 124, 133; I 10 § 25; I 15 § 3; I 19 §§ 4—6), wird durch den Kaufvertrag nach dem Rechte des BGB. nicht begründet (vgl. Mot. Bd. 2 S. 2 flg.; RGZ. Bd. 57 S. 356, 357, Warneyer 1913 Nr. 322). Hat darum der Verkäufer vertragswidrig die einem anderen verkauften Sachen noch einmal an einen Dritten verkauft und diesem übergeben, und ist er zu diesem Vertragsbruch von dem Dritten durch eine wider die guten Sitten verstoßende Handlung verleitet worden, so mag daraus dem ersten Käufer ein Schadensersatzanspruch gegen den zweiten Käufer aus § 826 BGB. auf Ersatz des Vermögensschadens entstanden sein, der ihm durch dessen unerlaubte Handlung erwachsen ist, also auf Ausgleichung des Unterschieds, der sich im Vermögen des Käufers durch den Vertragsbruch gegen den Zustand vor diesem herausgestellt hat; dieser Vermögensschaden wird in dem Unterschiede zwischen dem Wert der vom Verkäufer geschuldeten Leistung und der von ihm selbst geschuldeten Gegenleistung bestehen. Auf die Sachen »selbst kann der erste Käufer gegenüber dem zweiten Käufer aber einen Anspruch nicht erheben und deren Herausgabe an ihn, d ; e ihm lediglich persönlich vom Verkäufer geschuldet wird, nicht verlangen. Die vom Kläger gegen den Beklagten erhobene Klage auf Herausgabe der dem letzteren verkauften und übergebenen Sachen ist deshalb nicht gegeben. Auch nicht, wie der Revisdonsbeklagte auszuführen versucht hat, eine Klage darauf, daß der Beklagte, der zweite Käufer, die Sachen an die Verkäuferin zurückgebe, d : e sie dann dem Kläger als dem ersten Käufer nach Maßgabe des Kaufvertrags zu übergeben haben würde. Ein solcher Anspruch könnte nur auf Grund einer Anfechtung des zweiten Kaufvertrags von der Verkäuferin erhoben werden. Dem ersten Käufer kann er nicht zustehen, denn eine rechtliche Beziehung zwischen diesem und dem zweiten Käufer, die einen solchen Anspruch begründen könnte, besteht nicht. Den ihm aus der behaupteten unerlaubten Handlung de» Beklagten allein zustehenden Anspruch auf Ausgleichung der MindeZivils. SchuldreAl

9

20

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Schuldrecht, Besonderer Teil

rang, die sein Vermögen durch die Handlung des B e k l a g t e n im V e r hältnis zu dem Bestände, wie er vorher war, erlitten hat (RGZ. Bd. 7 6 S. 147, Bd. 77 S. 101, Bd. 91 S. 60), hat der Kläger nicht erhoben. Allein die Forderung auf Erstattung der Kosten für die gegen die F r a u Sch. e r w i r k t e einstweilige Verfügung mit 184,20 M. fällt unter diesen Gesichtspunkt. Der Annahme des Berufungsgerichts, daß der Beklagte planmäßig darauf ausgegangen sei, die Frau Sch. zum Vertragsbruch gegenüber dem Kläger zu bestimmen, und daß er sich dadurch einer vorsätzlichen Schädigung des letzteren in einer wider die guten S i t t e n verstoßenden Weise (§ 826 B G B . ) schuldig gemacht habe, stehen indessen aus der festgestellten oder behaupteten Sachlage B e d e n k e n entgegen. Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß nicht jede Verleitung eines anderen zum Bruche des mit einem Dritten geschlossenen Vertrags schon eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 B G B . darstellt (RGZ. Bd. 78 S. 14). E s müssen besonders verwerfliche Handlungen dargetan werden, die die Verleitung zum Vertragsbruch als unsittliche Schadenszufügung erscheinen lassen, und die Gesamtheit der Umstände, unter denen die Verleitung geschah, muß für die Entscheidung, ob eine unerlaubte Handlung nach § 826 vorliegt, geprüft werden. Eis ist dem Berufungsgericht zuzugeben, daß die Eingebung gegenüber der Verkäuferin Frau Sch., sie solle dem Kläger der Wahrheit zuwider angeben, die Möbel gehörten nicht ihr, sondern ihrem Vater, an sich ein unlautereis M ' t t e l zu dem Zwecke, die F r a u Sch. von dem Vertrage mit dem Kläger abwendig zu machen und die Gegenstände dem Beklagten zu verkaufen, darstellen wird. Auf der anderen S e i t e kommt aber als Umstand, der gegen die Annahme einer vorsätzlichen und s'ttenwidrigen Schädigung des Klägers spricht, in B e t r a c h t , daß der Beklagte oder dessen Ehefrau schon vor dem Kläger mit der Frau Sch. über den Ankauf der Möbel verhandelt hatte. Daß, wie der Beklagte behauptet und seine Ehefrau als ¡Zeugin bestätigt hat, die Sachen bei dieser Verhandlung der Ehefrau unter Handsch'ag fest zugesagt worden seien, sieht das Berufungsgericht zwar nicht für erwiesen an. Immerhin ist a b e r zu fragen, ob nicht der Beklagte auf Grund des Berichtes, den ihm, wie anzunehmen, seine Ehefrau über die Verhandlung mit der Ehefrau Sch. erstattet haben wird, der Meinung gewesen sein mag, ein besseres, weil älteres Recht auf die Möbel zu haben als der Kläger, und ob er nicht in Verfolgung dieses vermeintlichen R e c h t e s gehandelt hat. E s kommt hinzu, daß gar nicht außer Zweifel festgestellt worden ist, ob der Gedanke der lügenhaften Ausrede dem Kläger gegenüber überhaupt vom Beklagten, oder ob er nicht vie'mehr vom Ehemann der Frau Sch. ausgegangen und dann vom Beklagten nur aufgegriffen und unterstützt worden ist, als ein gangbarer Weg, zu dem erstrebten Ziele zu gelangen. Dann aber würde von einer planmäßigen Schädigung des Klägers durch Verleitung der F r a u Sch. zum

307 Vertragsbruch vielleicht kaum die Rede sein können, und die subjektive Seite der Handlungsweise des Beklagten doch in einem anderen Lichte erscheinen, als das Berufungsgericht dies angenommen hat. Endlich aber ist nicht außer Betracht zu lassen, daß die Frau Sch. bei ihrer Vernehmung als Zeugin bekundet hat, entscheidend für ihren Entschluß, die Sachen zum zweiten Male dem Beklagten zu verkaufen, sei der Umstand gewesen, daß der Beklagte alle von ihr zum Verkauf gestellten Einrichtungsgegenstände ankaufen wollte. Nach dem Tatbestande des Berufungsurteils hat der Beklagte außer den dem Kläger verkauften Gegenständen noch eine Kinderzimmer- und eine Kücheneinrichtunig gekauft, die nach der Aussage der Ehefrau Sch. das Mehr des Kaufpreises von 4600 M. an Wert sogar übertrafen. Nach dieser Bekundung der Frau Sch. muß es überhaupt zweifelhaft erscheinen, ob die Handlungsweise des Beklagten für den Vertragsbruch der Frau Sch. dem Kläger gegenüber noch ursächlich gewesen ist. Eis wird sich hiernach fragen, ob sie nicht den Entschluß, die Sachen dem Beklagten zu verkaufen, auch ohne die Beeinflussung von dessen Seite gefaßt haben würde. Rechtsirrig ist endlich auch die Behandlung, die die vom Beklagten behauptete, vom Kläger bestrittene Einigung zwischen den Parteien, über die sich der zum Urteil gestellte Eid des Klägers verhält, durch das Berufungsgericht erfahren hat. Kann auch eine von einer Partei aufgestellte Behauptung, selbst wenn sie vom Gegner bestritten iist, gegen sie verwertet werden (RGZ. Bd. 94 S. 348 und die dort angeführten weiteren Entscheidnungen), so kann dies doch nur im Rahmen der erhobenen Klage geschehen. Die vom Kläger bestrittene Behauptung, die er sich nicht zu eigen gemacht hat, kaum nie dazu dienen, der Klage einen zweiten Klagegrund unterzuschieben, den er selbst gar nicht geltend machen will. Es handelt sich hier aber in Wirklichkeit um einen ganz neuen Klagegrund. Während die Klage auf eine unerlaubte Handlung des Beklagten zum Nachteile des Klägers gestützt ist, erscheint der Anspruch jetzt in der Auffassung des Berufungsgerichts auf einen Vertragsabschluß zwischen den Parteien gegründet. E'ne unzulässige Klagänderung würde in der Nachschiebung des neuen Klagegrundes durch den Kläger infolge der vorweggenommenen Einlassung (Warneyer 1915 Nr. 218, JW. 1913 S. 337 Nr. 25), die eine Einwilligung des Gegners bedeutet, nicht gefunden werden können, selbst für die Berufungsinstanz (§ 527 ZPO.) nicht; aber geltend gemacht muß sie werden. Dies ist im vorliegenden Falle nicht geschehen. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und, insoweit die Klage die Herausgabe der Gegenstände gegen Zahlung von 19 500 M. verfolgt, mit dem Landgericht die Klage abzuweisen, die Berufung des Klägers gegen dessen Entscheidung mithin zurückzuweisen. Soweit auf Grund des § 826 BGB. vom Beklagten die Zah20*

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lung von 184,20 M begehrt wird, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, ob der Tatbestand des § 826 BGB. gegeben ist, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Soweit endlich das Berufungsgericht über die von dem Beklagten behauptete Einigung und deren Rechtswirkungen in seinem Urteil eine Entscheidung getroffen hat, bewendet es bei der Aufhebung des Urteils. Eine Abweisung des Klägers mit einem gar nicht von ihm erhobenen Anspruch ist prozeßrechtlich nicht möglich, und auch für eine Zurück ver Weisung der Sache an das Berufungsgericht ist hier kein Raum.

RGZ. 105, 3361 1. Haben die Vorschriften des § 135 der Gewerbeordnung*) über die Beschränkung der Kinderarbeit als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB. zu gelten? 2. Wie ist die Grenze zwischen den „Kindern" und den „jungen Leuten" im Sinne des § 135 der Gewerbeordnung zu ziehen? VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 6. November 1922.

I. Landgericht Rudolstadt.

II. Oberlandesgericht Jena.

Der am 2. März 1905 geborene Kläger war seit dem Februar 1919 als Arbeiter in der Fabrik der Beklagten beschäftigt, welche Feuerwerkskörper herstellt. Einige Tage vor dem 27. März 1919 entwendete er dort etwas feuchten Phosphorsatz, den er in einer Schachtel verwahrte. Als er am 27. März 1919 diese mit einem Messer zu öffnen versuchte, explodierte die inzwischen eingetrocknete und dadurch erst gefährlich gewordene Masse. Dabei erlitt der Kläger schwere Verletzungen. Für seinen Schaden macht er die Beklagte verantwortlich. Das Landgericht erklärte seine Ansprüche zum dritten Teil für berechtigt. Das Oberlandesgericht wies die beiderseits eingelegten Berufungen zurück. Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg. Gründe : Indem er die Erörterung sonstiger Haftungsgründe ablehnt, nimmt der Berufungsrichter an, daß die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB. dem Kläger schadensersatzpflichtig sei, weil sie ihn entgegen der Vorschrift im § 135 Abs. 1 Satz 2 der Gewerbeordnung („Kinder über 13 Jahre dürfen nur beschäftigt wenden, wenn sie nicht mehr zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind"), die als ein seinen Schutz bezweokendes Gesetz anzusehen sei, in ihrem Betriebe beschäftigt habe; wäre dies nicht geschehen, so hätte er keinen Zutritt zu den *) Vgl. jetzt Jugendschutzges. vom 30. April 1938, (RGBl. I, S. 437) §§ 4, 1.

309 Fabrikräumen und somit auch keine Gelegenheit gehabt, von -der Zündmasse etwas zu entwenden und sich so die körperlichen Verletzungen zuzuziehen. Bei der Abwägung des hiernach {estgestellten Verschuldens der Beklagten gegen die eigene Schuld des Klägers an dem Unfall gelangt das Oberlamdesgericht dazu, den Schaden in der angegebenen Weise zu teilen. Die Revision greift diese Entscheidung nach verschiedenen Richtungen hin an. Zunächst bestreitet sie, daß § 135 GewO. den Charakter eines Schutzgesetzes im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. trage. Sodann stellt sie in Abrede, daß sich der Schutz der Vorschrift auf den damals bereits vierzehnjährigen Kläger erstreckt habe. . . . Ferner wird bestritten, daß der angebliche Verstoß gegen § 135 GewO. als adäquate Verursachung des Unfalls zu gelten habe. . . . Die Rügen sind nicht begründet. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891, auf der die gegenwärtige Fassung des § 135 beruht, wird allgemein als das ,.Arbeiterschutzgesetz" bezeichnet (vgl. v. L a n d m a n n - R o h m e r , Komm. z. GewO., 7. Aufl. Bd. 1 S. 16). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs vom 6. Mai 1890 hatte sich dieser die Aufgabe gestellt, „für die deutschen Arbeiter dasjenige Maß des gesetzlichen Schutzes herbeizuführen, das zur Zeit ohne Gefährdung der einheimischen Industrie und damit der eigenen Interessen der Arbeiter selbst gewährt werden kann", und dieses Ziel in drei Beziehungen zu erreichen gesucht: in der Sicherung der Sonntagsruhe, in der Einführung auch die erwachsenen Arbeiterinnen schützender Vorschriften und in der Verbesserung der Bestimmungen über die Beschäftigung von Kindern (vgl. Drucksachen des Reichstags, 8. Legislaturperiode, I. Session, Nr. 4 S. 31). Demnach kann nicht mit Fug bezweifelt werden, daß die die Fabrikarbeit der Kinder beschränkenden Vorschriften deren Schutz bezwecken. Wie der Vorderrichter zutreffend darlegt, kann es sich hier nicht etwa nur darum handeln, die Erfüllung der Schulpflicht vor Störungen durch die Tätigkeit in der Fabrik zu bewahren, vielmehr sollen die Kinder bis zu einem gewissen Alter vor allen ungünstigen Einwirkungen der Beschäftigung in Fabriken geschützt werden. Es besteht kein Grund, die einem Betriebe anhaftende besondere Gefährlichkeit dabei auszunehmen. Die Vorschriften des § 135 GewO. tragen sonach ganz allgemein den Charakter des Schutzgesetzes, wie es § 823 Abs. 2 BGB. voraussetzt. Diesen Erwägungen entsprechend hat das Reichsgericht die ebenfalls auf der Novelle vom 1. Juni 1891 beruhenden Vorschriften in den §§ 120 a bis 120 e GewO. schon mehrfach als Schutzgesetze erklärt (vgl. die Urteile VI 595/03 vom 24. Oktober 1904, VI 65/08 vom 21. Januar 1909). Auch bezüglich der verwandten Vorschriften der §§ 5 bis 7 des Reichsgesetzes, betreffend die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, vom 30. März 1903

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Schuldrecht, Besonderer Teil

(RGBl. S. 133 flg.) ist dies ausgesprochen worden (vgl. das Urteil III 24/14 vom 24. März 1914). Mit Recht hat das Oberlandesgericht auch angenommen, daß der Kläger zu der in Frage kommenden Zeit noch dem Kreise derjenigen angehörte, deren Beschäftigung in Fabriken § 135 Abs. 1 GewO. verbietet. Es stellt fest, daß die Schule, die der Kläger bis dahin besuchte, am 27. März 1919 — dem Unfalltage — geschlossen wurde, daß er somit zur Zeit der einige Tage vorher erfolgten Entwendung des Phosphrosatzes noch nicht schulentlassen war. Nur auf diesen letzteren Zeitpunkt, wo die Bedingungen für den später eingetretenen Schadens erfolg gesetzt wurden, kann es bei der Prüfung der Verantwortlichkeit 'der Beklagten ankommen; wann die Explosion der entwendeten Masse geschah, ist in dieser Hinsicht unerheblich. (Die folgenden Ausführungen sind durch § 1 Abs. 3 Jugemdschutzges. überholt.) . . . Unibegründet ist ferner die Rüge, das Berufungsgericht habe zu Unrecht einein ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Verstoß gegen § 135 GewO. und der Verletzung des Klägers angenommen. Nur dadurch, daß dieser im Betriebe der Beklagten beschäftigt wurde, erlangte er Zutritt zu den Fabrikräumen und wurde so in Versuchung geführt, von der Zündmasse einen Teil zu entwenden und damit Unfug zu treiben. Die von der Beklagten gesetzte Bedingung stellt also in der Kette der ursächlichen Verknüpfung ein sehr wesentliches Glied dar; es kann keine Rede davon sein, daß sie als ganz aus dem Rahmen regelmäßigen Geschehens fallend rechtlich unbeachtlich wäre. . . . RGZ. 106, 283 Wann beginnt die Verjährung eines auf unerlaubte Handlung gegründeten Anspruchs auf Ersatz sich fortgesetzt erneuernder Schäden, wenn diese durch Nichtbesieitigung eines fehlerhaften Zustandes verursacht werden? V. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t Leipzig.

Urt. v. 10. Februar 1923. II. O b e r l a n d e s g e r i c h t Dresden.

Der Kläger ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in der D. Straße in L. Die D. Straße ist stark abschüssig. Durch s : e geht von einer oberhalb gelegenen M. Straße aus eine Hauptschleuse. In diese münden die Anschlußschleusen aus den einzelnen Häusern, so auch die aus dem Hause des Klägers. Die letztere mündet oberhalb des Grundstücks in einen Schlammfang der Hauptschleuse. Mit der im Mai 1919 erhobenen Klage beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, 1. die Anschlußschleuse in der Weise zu

311 verlegen, daß das Eindringen von Schleusenwässern in sein Grundstück ausgeschlossen sei, 2. ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm durch das Eindringen von Schleusenwässern in sein Grundstück entstanden sei und noch entstehe. Er behauptete, im Jahre 1912 oder 1913 habe die Beklagte die Anschlußschleuse aus seinem Hause, die früher unterhalb seines Grundstücks in die Hauptschleuse gemündet habe, derart verlegt, daß sie nunmehr oberhalb in den höher gelegenen Schlammschacht der Hauptschleuse eingeführt sei. Infolgedessen dringe seitdem bei stärkeren Regengüssen das Wasser der Hauptschleuse in seine Anschlußschleuse und überschwemme sein Grundstück. Der erste Richter verurteilte die Beklagte, Einrichtungen herzustellen, die das Eindringen von Schleusenwässern in das Grundstück des Klägers verhindern; im übrigen wies er die Klage ab, und zwar erachtete er gegen den Schadensersatzanspruch zu 2 die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung für durchgreifend. Hiergegen legte nur der Kläger wegen der Abweisung seines Schadenseisatzanspruchs Berufung ein. Jedoch wurde die Berufung zurückgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Gründe: Der Berufungsrichter sieht in Uebereinstimmung mit dem ersten Richter den allein in die Berufungsinstanz gediehenen Schadensersatzanspruch nach der Klagbegründung, da die beklagte Stadtgemeinde die fragliche Anschlußschleuse auf Grund polizeilicher Vorschriften, wtnn auch auf Kosten des Klägers hergestellt habe, als einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 823 B G B . an und erachtet, den von der Beklagten erhobenen Einwand der Verjährung nach § 852 BGB. für durchgreifend. Die Schleuse sei, so führt er aus, nach der Darstellung des Klägers spätestens im Jahre 1913 verändert worden. Der Kläger habe die nachteiligen Wirkungen der Veränderung bei großen Regengüssen spätestens 1914 erkannt, auch damit rechnen müssen und erkannt, daß die durch die Schleuse verursachten Ueberschwemmungen bei jedem derartigen Regenguß, der das Fassungsvermögen der Hauptschleuse übersteige, künftig wiederkehren müßten oder könnten. Spätere Veränderungen der Schleuse kämen nicht in Frage und auch ein sonstiges schädliches Tun der Beklagten als die Ausführung dieser Anschlußschleuse sowie die Veränderung der Hauptschleus« in ihrem oberen Teile, die auch bereits in das Jahr 1912 falle, komme nicht in Betracht. Wenn die Anlage auch nach der Vollendung, jetzt oder später, schädliche Folgen habe, so sei das kein Umstand, der den Beginn der Verjährung hindern könnte. Insbesondere laufe für Ansprüche aus späteren schädlichen Folgein keine besondere neue Verjährung. Danach sei die dreijährige Verjährungsfrist, die mit dem Zeitpunkte beginne, wo der

312 Verletzte von den schädlichen Folgen eines Eingriffs in sein Recht auch nur im algemeinen Kenntnis erlangt und von der Person des Verletzers erfahren habe, schon vor der erst nach dem 30. April 1919, dem Tage der Einreichung der Klage, erfolgten Klageerhebung abgelaufen gewesen. Der Kläger sed in der Lage gewesen, rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung durch eine Feststellungsklage sich seine Rechte zu erhalten. Die Revision macht hiergegen geltend, es handle sich um fortgesetzte Immissionen durch die Zuführung von Wasser aus der Schleuse. Da die Beklagte, wie vom Kläger behauptet worden sei, trotz wiederholter Aufforderung den fehlerhaften Zustand der Schleuse belassen habe, liege ein fortgesetztes Verhalten der Beklagten vor, welches die fortgesetzten Immissionen auf das Grundstück des Klägers veranlasse. Der Revision kann der Erfolg nicht versagt werden. Würde allerdings der Schadensersatzanspruch des Klägers nur im einem als unerlaubte Handlung sich darstellenden positiven Tun der Beklagten, nämlich in der Veränderung der Hauptschleuse und Herstellung der Ansohlußschleuse, die nach der Behauptung des Klägers fehlerhaft sein und bei starken Regengüssen seit dem Jahre 1914 Ueberschwemmungen des Grundstücks des Klägers verursacht haben und noch verursachen sollen, seine Rechtfertigung finden können, so würde, da nach der von der Revision nicht angefochtenen tatsächlichen Feststellung des Beruf ungsriohters der Kläger spätestens im Jahre 1914 die bei starken Regengüssen eintretenden nachteiligen Folgen jener Anlagen erkannt hat, auch damit hat rechnen müssen und erkannt hat, daß die dadurch verursachten Ueberschwemmungen bei jedem derartigen Regenguß künftig wiederkehren müssen oder können, die Rechtsauffassung des Berufungsrichters, daß dem Anspruch des Klägers auf Ersatz sowohl des durch Ueberschwemmungen erwachsenen wie auch des noch entstehenden Schadens die Einrede der Verjährung nach § 852 BGB. entgegenstehe, nicht zu beanstanden sein. Steht ein positives Tun des Schädigers in Frage, das nicht, sei es auch gleichartig und zeitlich sich mehr oder wen'ger aneinander anschließend, sich erneuert, wie in den Fällen, in denen durch fortdauernde Benutzung eines Grundstücks zu einem Betriebe immer sich wiederholende Einwirkungen auf ein Nachbargrundstück verursacht werden (vgl. hierüber RG. in J W . 1907 S. 832 Nr. 10 [Seuff.Arch. Bd. 63 S. 102]; 1912 S. 31 Nr. 15 [Warneyer 1912 Nr. 30]), sondern das in sich abgeschlossen ist, aber fortdauernde, zeitweilig wiederkehrende, obwohl dem Wesen und Umfange nach wechselnde Nachteile, jedoch ohne weiteres Zutun des Schädigers hervorbringt, so ergreift nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts die Verjährung aus § 852 BGB. die schädlichen Folgen des einmaligen positiven Tuns im ganzen Umfange, einschließlich der zur Zeit der

Unerlaubte Handlungen

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Erlangung der Kenntnis von der schädlichen Wirkung und der Person des Täters durch den Beschädigten noch nicht eingetretenen, aber voraussehbaren und deshalb durch eine Feststellungsklage geltend zu machenden, als einen einheitlichen Schaden (RG. in J W . 1912 S. 751 Nr. 16, 1914 S. 355 Nr. 7; Warneyer 1912 Nr. 432, 1913 Nr. 143, 1916 Nr. 281), so daß die dreijährige Verjährung mit der Erlangung der Kenntnis von der Person des Täters und der schädlichen Wirkung des positiven Tuns im allgemeinen sowohl für die bereits eingetretenen wie für die voraussehbaren künftigen Schäden beginnt (RG. in J W . 1907 S. 832 Nr. 10 [Seuff.Arch. Bd. 63 S. 102]; Warneyer 1916 Nr. 281; L. Z. 1919, S. 107). Der Berufungsrichter übersieht jedoch, daß vorliegend nach der vom Kläger seinem Schadensersatzanspruch gegebenen Begründung eine Verursachung von Schäden nicht sowohl durch ein einmaliges, fortwirkend schädliche Folgen hervorbringendes positives Tun, als vielmehr durch fortdauernde Unterlaissungen der Beklagten in Betracht kommt. Eine Unterlassung stellt sich als eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823 BGB. dar, wenn eine Pflicht zum Handeln bestand und diese Pflicht schuldhaft verletzt ist (RGZ. Bd. 97 S. 12). Nach den Tatbeständen der Vorderurteile und dem Schriftsatz vom 8. August 1921 hat der Kläger behauptet, die Verlegung seiner Anschlußschleuse und die Veränderung der Hauptschleuse im Jahr 1912 oder 1913 durch die Beklagte seien fehlerhaft erfolgt, seitdem hätten die Abfallwässer aus seinem Grundstücke keinen richtigen Abfluß und stauten sich, bei starken Regengüssen drücke das Wasser aus der Hauptschleuse in seine Anschlußschleuse, so daß das Wasser in den Abflußrohren auf seinem Grundstück in die Höhe dringe und Ueberschwemmungen seines Grundstücks herbeiführe; er habe, als er kurz vor dem Turnfest 1913 die erste Ueberschwemmung in seinem Grundstück bemerkt habe, sich sofort an das Tiefbauamt gerwandt, es sei ihm die Erledigung sofort nach dem bevorstehenden Turnfest zugesagt worden, etwa 8 Tage nach dem Turnfest habe er sich erneut an das Tiefbauamt gewandt, es sei ihm dann Abhilfe versprochen worden, aber die Abhilfe sei immer wieder hinausgeschoben worden, auch in den folgenden Jahren habe er das Tiefbauamt sehr häufig telephonisch und mündlich um Abhilfe ersucht. Wäre dies richtig, so könnte daraus entnommen werden, daß die angeblichen Schäden des Klägers durch schuldhafte Unterlassung der Beklagten verursacht worden sind und verursacht werden. Die Beklagte war als Stadtgemeinde verpflichtet, die Schleusenanlagen, durch die sie die Abwässer ableitete, so einzurichten, daß die Anlieger, die durch Anschlußschleusen an die Hauptschleuse in diese die Abwässer aus ihren Grundstücken zu leiten hatten, nicht durch die abgeleiteten Abwässer Schaden erlitten, insbesondere auch nach der vom Kläger bezeichneten Richtung der Ueberschwemmung ihrer Grundstücke durch Zurückstauen der Abwässer bei starken Regen-

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Schuldrecht, B e s o n d e r e r

Teil

güssen. Hatte die Beklagte die Schleusenanlage in dieser Hinsicht fehlerhaft hergestellt, so war sie verpflichtet, den fehlerhaften Zustand zu beseitigen. Tat sie dies nicht, sondern ließ sie die Abwässer durch die Schleusenanlage trotz deren fehlerhaften Zustandes weiter ihren Lauf nehmen, wiewohl sie die Fehlerhaftigkeit erkannt hatte oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkannt haben würde, so fiel ihr pflichtwidrig schuldhafte Unterlassung zur Last und war sie dem Kläger als Anlieger für den dadurch entstehenden Schaden, insbesondere der Ueberschwemmung seines Grundstücks bei starken Regengüssen, nach § 823 B G B , ersatzpflichtig. Der Grundsatz aber, daß die nachteiligen sich noch in die Zukunft erstreckenden und sich wiederholenden Folgen eines einmaligen in sich vollendeten positiven Tuns hinsichtlich der Verjährung insgesamt als einheitlicher Schaden anzusehen sind, kann nicht gelten, wenn die Fortdauer eines fehlerhaften Zustandes, den zu beseitigen der Verpflichtete schuldhaft unterläßt, von neuem schädigend wirkt; denn jedesmal, wenn hierbei ein Schaden eintritt, hat er je für sich seine Ursache in der andauernden Unterlassung des zur Beseitigung des Zustandes Verpflichteten und liegt sonach jedesmal ein neuer Schaden vor (RGZ. Bd. 37 S. 273). Daher beginnt der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist aus § 852 BGB. für jeden sich infolge der Nichtbeseitigung des fehlerhaften Zustandes einstellenden Schaden besonders mit dem Zeitpunkt, in dem der Beschädigte von diesem Schaden Kenntnis erlangt. Danach wäre vorliegend der Schadensersatzanspruch des Klägers nur hinsichtlich der Schäden verjährt, die länger als 3 Jahre vor der Klagerhebung eingetreten und zur Kenntnis des Klägers gelangt wären, nicht aber hinsichtlich der erst später eingetretenen oder dem Kläger bekannt gewordenen. RGZ. 107, 337 Was ist unter dem Teil eines Gebäudes im Sinne des § 836 BGB. zu verstehen? IV. Z i v i l s e n a t . I. L a n d g e r i c h t Köln.

Urt. v. 25. Juni 1923.

II. Oberlandesgericht

daselbst.

Der Kläger ist am 27. Juli 1919 im Gürzenichrestaurant in Köln durch einen von der Wand fallenden großen Spiegel verletzt worden. Die beklagte Stadtgemeinde ist Eigentümerin des Restaurants, das sie mit Inventar an den Mitbeklagten V. verpachtet hat. Der Kläger hat Feststellung begehrt, daß beide, Eigentümer und Pächter, als Gesamtschuldner zum Ersatz des ihm durch den Unfall erwachsenen Schadens verpflichtet seien. Das Landgericht wies die Klage gegen beide Beklagte ab, das Oberlandesgericht gab ihr statt. Die Revision der beklagten Stadtgemeinde hatte Erfolg.

Unerlaubte Handlungen

Gründe:

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Nach den Feststellungen des Berufungsrichters war der Spiegel, durch dessen Absturz der Kläger verletzt worden ist, dergestalt an der Wand des Restaurants angebracht, daß er mit der unteren Kante auf drei in das Mauerwerk eingelassenen Stahlklammern ruhte und in geneigter Lage oben mit zwei starken Drahtseilschlaufen an zwei ebensolchen Stahlklammern hing. Er hatte ein Gewicht von 70 kg und war mit Rahmen 1,34 m breit, 2,12 m hoch. Der Berufungsrichter sieht den Spiegel im Sinne des § 836 BGB. als Teil des Gebäudes an, weil er dergestalt mit der Wand verbunden gewesen sei, daß nach der Art seiner Befestigung in Verbindung mit seiner Größe, Schwere und Bestimmung dem Grundstückseigentümer die Pflicht obgelegen habe, unter Beobachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt jede fehlerhafte Einrichtung bei der Anbringung irnd jede mangelhaite Unterhaltung der Befestigungsanlage zu vermeiden. Die Revision hält demgegenüber eine baumäßige Verbindung des Spiegels mit dem Gebäude für erforderlich, wie sie hier nicht vorgelegen habe. Der Angriff ist begründet. Das Gesetz selbst sagt nicht, was unter dem Teil eines Gebäudes im Sinne des § 836 BGB. zu verstehen ist. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (Protokolle der zweiten Lesung Bd. 2 S. 653) bietet keine Handhabe für eine genaue und einwandfreie Begriffsbestimmung. Die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts scheint geneigt, vielleicht nach dem Vorgang von D e r n b u r g , Bürg. Recht Bd. II, 2 § 398 Anm. 6, den Begriff des Gebäudeteils in einem weiteren als dem Wortsinn zu fassen, indem sie auf den Zweck des Gesetzes (Vermeidung jeder Gefährdung durch eine fehlerhafte Einrichtung des Hauses) besonderes Gewicht legt. S o hat der VI. Zivilsenat in seinem Urteil vom 8. Mai 1905 (RGZ. Bd. 60 S. 421) erwogen, ob n cht schon eine bloß tatsächliche Verbindung eine Sache zu einem Teil des Gebäudes machen könne, wenn sie nur derartig sei, daß die dem Hausbesitzer obliegende Sorgfaltspflicht die Vermeidung einer fehlerhaften Einrichtung bei der Herstellung der Verbindung oder einer mangelhaften Unterhaltung mitumfasse. Einer grundsätzlichen Entscheidung der Frage bedurfte es nach der Lage des damaligen Streitfalls nicht. Von dem jetzt erkennenden Senat ferner ist in dem Urteil vom 21. Januar 1907 IV 258/06 unter Berufung auf das vorerwähnte Erkenntnis der gleiche Standpunkt in bezug auf herabgefallene Jalousiestäbe eingenommen worden (vgl. auch das Urteil desselben Senats vom 23. Mai 1906 in J W . 1906 S. 423 Nr. 8). Der Berufungsrichter hat sich diese, übrigens im Komm. v. R G R . Anm. 3 zu § 836 B G B . geb'lligte Auffassung zu eigen gemacht. Sie kann indes nicht für zutreffend erachtet werden. Es muß zunächst zweifelhaft erscheinen, ob sich überhaupt im vorliegenden Fall mit dem Gesetze&zweck eine ausdehnende Aus-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

legung des § 836 BGB. im Sinne des Berufungsurteils rechtfertigen läßt. § 836 stellt eine Sondervorschrift dar. Eine besondere Regelung der Schadenshaftung in bezug auf solche Sachen, die ohne gehörige Befestigung an oder auch in einem Gebäude aufgehängt oder angebracht sind, hat der Gesetzgeber abgelehnt. Der in § 733 des ersten Entwurfs eines BGB. enthaltene Vorschlag, eine den Grundsätzen der römischen actio de dejectis et effusis entsprechende Vorschrift aufzunehmen und in einem solchen Fall den Hausbesitzer haften zu lassen, ist in der zweiten Lesung und auch späterhin mißbilligt worden. Man hat vielmehr hier die allgemeinen Vorschriften über die Schadensersatzpflicht bei unerlaubten Handlungen für anwendbar und ausreichend erklärt (Protokolle Bd. 2 S. 645 flg., Mugda/n, Materialien zum BGB. Bd. 2 S. 1303 flg.). Schon dieser Standpunkt des Gesetzgebers ist mit der vom Berufungsrchter versuchten Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 836 B G B . auf Fälle der vorliegenden Art nicht vereinbar. Die Auffassung des Berufungsrichters steht aber auch, was vor allem ins Gewicht fällt, mit dem Sprachgebrauch und der Verkehrsauifassung in offenbarem Widerspruch. Das Bürgerliche Gesetzbuch setzt die Bedeutung des im § 836 gebrauchten Ausdrucks: Teil des Gebäudes als bekannt voraus. Für die Begriffsbestimmung ist somit maßgebend, was nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Anschauung des Verkehrs unter einem Gebäudeteil verstanden wird. Von diesem Gesichtspunkt aus kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß, soweit einzelne Sachen als Gebäudeteile in Frage kommen, eine baumäßige, nicht bloß äußerliche, sondern der Bildung und dem Zweck des Ganzen dienende und in diesem Sinn organische Verbindung der Sache mit dem Gebäude vorliegen muß. Baumäßig ist die Verbindung dann, wenn die Sache zur Herstellung des Gebäudes eingefügt oder sonstwie aus baulichen Gründen oder zu baulichen Zwecken an ihm angebracht ist. Eine mechanische Verbindung, z. B. die Befestigung durch Klammern, genügt allein nicht, vielmehr muß das Verbundene in einem festen, dem Wesen eines Bauwerks entsprechenden Zusammenhang mit dem Gebäude stehen, so daß sich daraus ohne weiteres seine Zugehörigkeit zu dem Bauganzen ergibt. Legt man diese Erfordernisse zugrunde, so wird ein schwerer Spiegel, der an einer angepaßten Stelle in die Wand eingelassen ist, als Gebäudeteil selbst dann betrachtet werden können, wenn ihm die Bestandteilseigenschaft nach § § 9 4 Abs. 2, 95 Abs. 2 BGB. fehlt. Wird dagegen, wie im Streitfall, der Spiegel oder ein Bild von ähnlicher Größe und Schwere nur an der Wand aufgehängt und am unteren Rand durch eiserne Klammern gestützt, so fehlt es an einer baumäßigen und organischen Verbindung m't dem Gebäudeganzen, wie sie die Anwendung des § 836 B G B . voraussetzt. Die Möglichkeit, daß durch das Herabstürzen des schweren Spiegels infolge mangel-

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hafter Sorgfalt des Hausbesitzers bei der Anbringung oder Unterhaltung eine Gefährdung nach Art der durch Herabstürzen eines Gebäudeteils, z. B. eines Stückes der Zimmerdecke, verursachten eintritt, kann für die Frage, ob auch der Spiegel ein Gebäudeteil ist, nicht entscheidend sein. RGZ. 107, 386 1. Unter welchen Umständen unterliegt der Beschluß eines Vereins auf Ausschließung eines Mitgliedes der sachlichen Nachprüfung durch die Gerichte? 2. Wann kann in einem solchen Beschluß ein Verstoß gegen § 826 BGB. erblickt werden? IV. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 20. Dezember 1923.

Die Entscheidung ist abgedruckt unter „Bürgerliches Recht, Allgemeiner Teil". RGZ. 108, 58 1. Haftet bei zweimaligem Verkauf derselben Sache der durch Uebergabe Besitzer gewordene spatere Käufer, der durch planmäßiges Zusammenwirken mit dem Verkäufer das Recht des ersten Kaufers vereitelt und sich daher aus § 826 BGB. schadensersatzpflichtig gemacht hat, dem ersten Käufer nach § 249 BGB. auf Herausgabe der Sache oder nur auf Geldersatz? 2. Zur Auslegung des § 137 GVG. II. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 25. Januar 1924.

I. Landgericht I Berlin, Kammer für Handelssachen. II. Kammergericht

daselbst.

Ein gewisser L. verkaufte am 17. Februar 1922 fünf zu seinem Geschäftsinventar gehörende Nähmaschinen um 31500 M. an die klagende Firma. AU diese vereinbarungsgemäß am 28. Februar 1922 Uebergabe der fünf Nähmaschinen Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises forderte, ergab sich, daß L. am Tag zuvor sein ganzes Geschäft mit allem Inventar, worunter sich auch die genannten fünf Nähmaschinen befanden, an den Beklagten P. um insgesamt 70 000 M. verkauft und diesem sofort übergeben hatte. Die Klägerin erhob nun gegen L. und P. Klage aus § 826 BGB. auf gesamtschuldnerische Herausgabe der fünf Nähmaschinen Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. Das Landgericht sprach die Klage gegen L. zu; diese Verurteilung wurde rechtskräftig. Die Verurteilung des P. dagegen

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machte der erste Richter von einem diesem Beklagten auferlegten Eid abhängig. Auf die Berufung der Klägerin wurde auch der B e klagte P. unbedingt, und zwar unter Gesamthaftung mit L., zur Herausgabe der fünf Nähmaschinen Zug um Zug gegen Zahlung von 31 500 M. verurteilt. Die Revision des P. wurde zurückgewiesen. Aus den

Gründen:

. . . Die Revision rügt sodann noch Verletzung des § 249 B G B . , indem sie unter Bezugnahme auf das in R G Z . Bd. 103 S. 419 abgedruckte Urteil des vormaligen VI. Zivilsenats vom 23. J a n u a r 1922 ausführt: Der Vorderrichter hätte den Beklagten n : c h t zur Herausgabe der Maschinen, sondern nur zu einer den Unterschied zwischen dem Besitz der Sachen und ihrem Nichtbesitz ausgleichenden Geldleistung verurteilen dürfen. Richtig ist, daß der VI. Zivilsenat in der erwähnten Entscheidung bei ganz ähnlicher Sachlage dem damaligen Kläger den Anspruch auf Herausgabe der Gegenstände, die auch dort der Beklagte vom Vertragsgegner des Klägers gekauft und übergeben erhalten hatte, mit dem Hinweise darauf versagt, daß der erste Käufer die Herausgabe an ihn, die ihm lediglich persönlich von seinem Verkäufer geschuldet werde, vom zweiten Käufer, zu dem er gar keine Rechtsbeziehungen habe, nicht verlangen könne. Der jetzt erkennende S e n a t vermag einer so engen Fassung des Begriffs der Naturalherstellung, die nach § 249 B G B . in erster Linie e : nzutreten hat, nicht beizupflichten. Allerdings würde durch Herausgabe der Sachen an den Kläger — und ebenso war es in dem früher entschiedenen Falle — insofern nicht genau der vor dem schadenstiftenden Hergang vorhanden gewesene Zustand hergestellt, als die Klägerin den Kaufgegenstand von ihrem Verkäufer noch nicht ausgefolgt erhalten hatte. Das Gesetz will aber den Grundsatz der Naturalherstellung nicht auf solche Fälle beschränken. Die Vorschrift des § 249, daß der Zustand herzustellen sei, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, stellt nicht schlechthin auf die frühere Sachlage, sondern auf d ; e Entwicklung der Dinge ab, die ohne das schadenbringende Ereignis nach Erfahrungsgrundsätzen aller Wahrscheinlichkeit nach stattgefunden hätte. Im vorliegenden Falle hätte die Klägerin ohne das s : ttenwidrige Zusammenwirken des L. und des P. den Herausgabeanspruch auf Grund ihres Vertrags mit L. diesem gegenüber unmittelbar durchsetzen können und — wie beim Fehlen entgegenstehender Momente angenommen werden darf — auch verwirklicht. Demzufolge haftet dar Klägerin auch der Beklagte P. nach Schadensersatzgrundsätzen auf Herausgabe der Maschinen, wozu er als deren E r w e r b e r nach seinem eigenen Vorbringen jederzeit in der Lage ist. Die vom Berufungsgericht der Klägerin auferlegte Verpflichtung, dem Beklagten Zug um Zug gegen Herausgabe der Maschinen die zwischen ihr und L. ver-

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einbarte Kaufpreissumme von 31 500 M. auszuzahlen, entspricht dem Klagebegehren, wie es von vornherein gestellt war. Fraglich ist nur, ob der erkennende Senat von der Entscheidung RGZ. Bd. 103 S. 419 ohne Anrufung der vereinigten Zivilsenate (GVG. § 137) abweichen kann. Diese Frage ist zu bejahen. Dem Inhalt jener Entscheidung nach wäre der Koniliktsfall gegeben. Die Anwendung des § 137 Abs. 1 GVG. scheidet aber hier deshalb aus, weil der VI. Zivilsenat des Reichsgerichts, von dem das Urteil vom 23. Januar 1922 erlassen ist, seit dem 1. Dezember 1923 zu bestehen aufgehört hat (vgl. Beschluß des Präsidiums des Reichsgerichts vom 28. November 1923) und infolgedessen von da an nicht mehr als „anderer Zivilsenat" im Sinne der genannten Vorschrift in Betracht kommen kann. Seit dem 1. Dezember 1923 ist der vormalige VI. Zivilsenat von den anderen Zivilsenaten des Reichsgerichts aufgesogen; die Folge hiervon ist, daß jeder dieser Senate, ebenso wie von eigenen früheren Entscheidungen, auch von solchen des nicht mehr existierenden VI. Zivilsenats ohne weiteres abweichen kann. Andernfalls müßte Entscheidungen des VI. Senats gegenüber auch da, wo dieser Senat bei fernerem Fortbestehen seine Ansicht mutmaßlich nicht aufrecht erhalten hätte, auf alle Zeit hinaus die Anrufung der vereinigten Zivilsenate erfolgen. Außerdem würde die gegenteilige Meinung zufolge der Undurchführbarkeit der ständigen Uebung, die Entscheidung der vereinigten Zivilsenate nur dann einzuholen, wenn der angegriffene Senat die Aufgabe seines Standpunkts ablehnt, unter Umständen zu einer unverhältnismäßigen Mehrung der Anwendungsfälle des § 137 Abs. 1 führen. RGZ. 108, 86 1. Kann ein Geisteskranker, der als Pflegling einer Irrenanstalt mit seiner Wärterin Geschlechtsverkehr geofJogen hat und als Erzeuger ihres auBerehelichen Kindes znr Zahlung von Unterhaltsgeldern verurteilt ist, von dem Eigentümer der Anstalt Schadensersatz verlangen? 2. Mitwirkendes Verschulden eines Geisteskranken nach § 254 BGB. III. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 22. Februar 1924. I. Landgericht Hannover.

II. Oberlandesgericht Celle.

Der im Jahre 1893 für geisteskrank erklärte und entmündigte Kläger wurde im Jahre 1905 gegen Entgelt in die Heil- und Pflegeanstalt der beklagten Provinz zu L. aufgenommen. Dort verkehrte er mit seiner Pflegerin M. C. wiederholt geschlechtlich und wurde als Erzeuger des von ihr im August 1918 außerehelich geborenen Kindes rechtskräftig zur Zahlung von Unterhaltsgeldern verurteilt. Er ver-

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langt von der Beklagten wegen schuldhafter Verletzung ihrer Obhutsund Fürsorgepflicht Ersatz allen Schadens, der ihm infolge der Erzeugung des Kindes entstanden sei und noch entstehen werde. Seiner Klage wurde in den beiden ersten Rechtszügen stattgegeben. Auf die Revision der Beklagten wurde das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Gründe: Der Auffassung des Berufungsrichters, daß die Beklagte im Rahmen des mit dem Kläger geschlossenen Vertrags für ein Verschulden der C. als ihrer Erfüllungsgehilfin wie für eigenes aufzukommen habe und deshalb wegen der dem Kläger in der bezeichneten Weise erwachsenen Vermögensnachteile in Anspruch genommen werden könne, ist beizutreten. Mit Unrecht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Vertragspflichten der Beklagten, insbesondere ihre Sorgfalts- und Bewachungspflicht, überspanne. Mit der entgeltlichen Aufnahme des Klägers in ihre Anstalt wurde für die Beklagte die vertragliche Pflicht begründet, dem Kläger neben derGewährung von Wohnung, Kost und ärztlicher Behandlung diejenige Obhut und Fürsorge angedeihen zu lassen, die für einen Geisteskranken von der Art des Klägers objektiv und subjektiv erforderlich sind, ihm eine angemessene und geordnete Lebensführung zu ermöglichen, ihn vor falschen, zur Schädigung seiner Person oder seines Vermögens geeigneten Schritten zu bewahren und seinem kranken Sinne gefährliche Einflüsse und Eindrücke vom ihm fernzuhalten. Aus dem Entmündigungsbeschluß wußte die Beklagte, daß die medizinischen Sachverständigen den Kläger „für unfähig erklärt hatten, an der Gestaltung seines Lebens mitzuwirken und ein Vermögen zweckmäßig zu verwalten". Daß hierin eine Aenderung eingetreten sei, behauptet die Beklagte selbst nicht. Es leuchtet nun aber ohne weiteres ein, daß bei einem solchen Kranken, der nach den im Entmündigungsbeschluß erwähnten ärztlichen Gutachten an angeborenem Schwachsinn, an hochgradiger Geistes- und Willensschwäche leidet und der leicht fremden Einflüssen unterliegt, m't einem Mangel an moralischer Kraft und an den zur Zügelung des Geschlechtstriebs erforderlichen seelischen Hemmungen zu rechnen ist. Die Beklagte hatte daher auch durch sachgemäße Ueberwachungs- und sonstige Maßregeln zu verhüten, daß der Kläger außerehelichen Geschlechtsverkehr pflog und sich so nicht nur der Möglichkeit gesundheitlicher Schädigung, sondern auch der Gefahr aussetzte, seine Person mit moralischen und sein Vermögen mit unberechenbaren geldlichen Verpflichtungen zu belasten. Zur Erfüllung ihrer vertraglichen Obhutsund Fürsorgepflicht bediente und bedient sie sich auch der Wärter und Wärterinnen, die mit den Kranken naturgemäß in viel häufigere and nähere Berührung kommen als die Anstaltsärzte, und häufig, sei

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es nach Weisung sei es nach eigenem, pflichtmäßigem Ermessen, auf das Tun und Lassen der Irren unmittelbar einzuwirken haben. Sie haben jederzeit, sobald sie sehen, daß ein Kranker etwas tut oder zu tun im Begriffe ist, was mit den Anstaltsregeln in Widerspruch steht oder ihn zu schädigen geeignet ist, einzuschreiten und, soweit ihre Kraft reicht, jedem Unfug entgegenzutreten oder, falls sie es nicht vermögen, sofort die Weisung des Arztes einzuholen. Wärter und Wärterinnen, welche im Gegensatze dazu außerehelichen Geschlechtsverkehr eines Irren innerhalb der Anstalt dulden oder gar fördern, verletzten daher gröblich ihre Dienstobliegenheiten und damit zugleich dem Kranken gegenüber die Obhuts- und Fürsorgepflicht, deren Wahrnehmung die Beklagte ihnen anvertraut hat. Wenn die C. sich selbst dem Kläger geschlechtlich hingab, tat sie gerade etwas, zu dessen Verhütung sie im Rahmen der von der Beklagten dem Kläger gegenüber eingegangenen Verpflichtungen von der Anstalt angestellt und berufen war. Ihre geschlechtlichen Beziehungen zum Kläger lassen sich daher von ihren auch das Vertragsverhältnis der Parteien berührenden Dienstpflichten nicht trennen, sie stehen mit diesen vielmehr in engstem, innerem Zusammenhange. Mag der Beklagten die Anstellung von Wärterinnen für männliche Kranke während des Kriegs auch nicht zum Vorwurfe gereichen, die Gefahr einer solchen Anstellung hatte sie zu tragen. Von ihrer Verbindlichkeit, dem Kläger keine Gelegenheit zu außerehelichem Geschlechtsverkehr mit seinen weittragenden Folgen zu geben, wurde sie dadurch nicht befreit. Ueberließ sie die Erfüllung dieser Verbindlichkeit e'ner weiblichen Person, so hat sie deren Verschulden dabei nach Maßgabe des § 278 BGB. zu vertreten. Dagegen ist die Begründung, mit welcher der Berufungsrichter die Annahme eines Mitverschuldens des Klägers ablehnt, nicht einwandfrei. Rechtsirrig ist es zunächst, daß er mit Rücksicht auf die vertragliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger durch angemessene Schutzaufsicht an Selbstbeschädigung zu hindern, ihr das Recht versagt, sich einer solchen gegenüber überhaupt auf ein mitursächliches schuldhaftes Verhalten des Klägers und demgemäß auf § 254 BGB. zu berufen. Wäre das richtig, so dürfte auch der im Rahmen eines Dienstvertrags nach § 618 BGB. schutzpflichtige Dienstherr bei eigenem Verschulden von seiner Schadensersatzpflicht sich auch nicht einmal teilweise durch den Nachweis befreien, daß der Schaden mit auf grobe Fahrlässigkeit des Verletzten zurückzuführen sei. Beides würde aber einen Freibrief für die Unvorsichtigkeit solcher Personen bedeuten, die sich der Fürsorge und dem Schutze Dritter anvertrauen und gegen Sinn und Zweck des § 254 BGB. verstoßen. Dieser stellt dem Richter bei jeder Schadensentstehung die Aufgabe, den Schaden nach den Umständen des Falles, d. h. nach den Grundsätzen der Zivils. SchuIdreAt

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Billigkeit, zu verteilen, ohne die vom Berufungsrichter gewollte Ausnahme zu machen oder zu gestatten. Mit Recht wendet sich die Revision aber auch dagegen, daß der Berufungsrichter die Unverantwortlichkeit des Klägers aus § 827 BGB. herleitet. Dem angefochtenen Urteil ist wenigstens nicht mit Sicherheit zu entnehmen, daß der Berufungsrichter der Tragweite dieser Vorschrift völlig gerecht geworden ist. Er geht nämlich davon aus und betont wiederholt, daß der Kläger dann nicht mithaftbar zu machen sei, wenn er sich bei Anbahnung und während des Geschlechtsverkehrs in einem Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Damit allein läßt sich aber die Anwendung des § 827 zugunsten des Klägers nicht rechtfertigen. Ein Geisteskranker ist vielmehr für den von ihm angerichteten Schaden nur dann nicht verantwortlich, wenn e r in einem willensunfreien, in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande gehandelt hat. Dieses Tatbestandsmerkmal des § 827 hat der Berufungsrichter nicht nur nicht festgestellt, sondern in seinen eingehenden Ausführungen auch nicht einmal erwähnt. Er erscheint daher nicht ausgeschlossen, daß er dem § 827 eine andere Bedeutung beigemessen hat, als ihm nach seinem Wortlaut und der Absicht des Gesetzgebers zukommt. Daß die Verantwortlichkeit des Klägers nur nach § 827 BGB. zu beurteilen ist, unterliegt keinem Bedenken. Das Reichsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß § 828 BGB. nicht nur bei Begehung einer unerlaubten Handlung, sondern, wie seine Erwähnung in § 276 zeigt, auch auf dem Gebiete des Vertragsrechts und auch in Fällen Platz greift, in denen der Minderjährige nicht einen Dritten geschädigt, sondern bei einer Schädigung seiner eigenen Person oder seines eigenen Vermögens mitgewirkt hat (vgl. RGZ. Bd. 51 S. 275, Bd. 59 S. 221). Dasselbe muß auch hinsichtlich des § 827 BGB. bei Selbstbeschädigung Geisteskranker gelten (vgl. J W . 1902 Beil. S. 212). Der Berufungsrichter durfte die Verantwortlichkeit des Klägers also nur dann verneinen, wenn feststand, daß seine Willensfreiheit in der kritischen Zeit völlig aufgehoben war. Minderung der Geistes- und Willenskraft, krankhafte Gleichgültigkeit gegen die Folgen des eigenen Handelns, Unfähigkeit zu ruhiger und vernünftiger Ueberlegung erfüllen, w i e der erkennende Senat bereits im Urteil vom 11. Dezember 1906 III 170/06 ausgesprochen hat, für sich allein nicht den Tatbestand des § 827 BGB. (vgl. auch RGZ. Bd. 74 S. 110; J W . 1908 S. 210 Nr. 32). Die Rechtslage gestaltet sich daher folgendermaßen. Die Beklagte hat sich an die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 254 BGB. zu behaupten und zu beweisen. Sie genügt jedoch ihrer Be-

Unerlaubte

Handlungen

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weispflicht durch Darlegung eines Tatbestandes, der nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge und nach den Erfahrungen des Lebens darauf schließen läßt, daß die Entstehung eines Schadens mit auf ein schuldhaftes Verhalten des Geschädigten zurückzuführen ist. Ein solcher Tatbestand ist im vorliegenden Falle gegeben. Ihm gegenüber beruft sich der Kläger auf den Ausschluß seiner Willensfreiheit. Diesen, d. h. seine Unzurechnungsfähigkeit, muß er beweisen. Dazu reicht aber der Hinweis auf seine Entmündigung nicht aus, da auch ein wegen Geisteskrankheit Entmündigter nicht unfähig ist, eine unerlaubte Handlung im Rechtssinne zu begehen und für ihre Folgen m Anspruch genommen zu werden. Eine dem § 104 Nr. 3 B G B entsprechende Bestimmung ist bei Regelung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit Geisteskranker für unerlaubte Handlungen in den § 827 BGB. nicht aufgenommen. Glaubte aber der Berufungsrichter nach den besonderen Umständen des Falles aus der Tatsache der Entmündigung und aus den ihr zugrunde liegenden Gutachten genügende Anhaltspunkte für die Annahme der Willensunfreiheit des Klägers schöpfen zu können, so durfte er den von der Beklagten angetretenen Gegenbeweis, daß der Kläger zur Zeit des Geschlechtsverkehrs mit der C. nur an einem die freie Willensbestimmung nicht ausschließenden Schwachsinn gelitten habe, nicht unberücksichtigt lassen. Die Sache mußte deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Urteils ^ur nochmaligen Erörterung der Verantwortlichkeit oder Unverantwortlichkeit des Klägers an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Nur wenn es die Willensunfreiheit verneint, ist für die Anwendung des § 254 BGB. Raum. Dann wird im Rahmen dieser Bestimmung bei Abwägung des Verschuldens der C. und des Klägers nach der kausalen und nach der subjektiven Seite hin der Schwachsinn oder die sonstige geistige Störung des Klägers zu berücksichtigen und zu prüfen sein, ob je nach der überwiegenden Bedeutung des einen oder des anderen Verschuldens und nach den sonstigen Umständen des Falles die Beklagte für den eingetretenen Schaden voll oder nur teilweise aufzukommen hat, RGZ. 113, 293 1. Ist die dem Eigentümer des an einen Bürgersteig angrenzenden Grundstücks kraft öffentlichen Rechts obliegende Pflicht, bei winterlicher Glätte zu streuen, eine Verbindlichkeit im Sinne des § 278 BGB.? 2. Zur Haftung des Grundstückseigentümers aus § 823 BGB. wegen Vernachlässigung der Aufsicht.

324 IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Krefeld.

Urt. v. 29. April 1926. II. Oberlandesgericht Düsseldorf.

Der Kläger ist am Nachmittag des 26. Februar 1924 in C. vor dem Geschäftshaus der ein Druckerei- und Zeitungsunternehmen betreibenden Beklagten, in dem er eine Zeitungsanzeige aufgegeben hatte, gefallen. Er hat dabei eine Verletzung erlitten. Mit der Behauptung, daß er auf dem Bürgersteig gefallen sei und daß die Beklagte diesen trotz Schnee- und Eisglätte nicht mit Asche oder einem anderen abstumpfenden Stoff bestreut gehabt habe, verlangt er von der Beklagten Schadensersatz. Das Berufungsgericht hat den Klaganspruch für den Fall der Leistung eines dem Kläger auferlegten Eides dem Grunde nach zuerkannt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: Das Berufungsgericht geht zugunsten der Beklagten davon aus, daß der Kläger, auch wenn er nach dem Verlassen des von ihm als Kunden aufgesuchten Geschäftshauses der Beklagten auf dem Bürgersteig vor diesem Haus, einem Teil der öffentlichen Straße, verunglückt ist, keinen vertragsmäßigen Anspruch gegen die Beklagte hat. Eis bejaht die Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung auf Grund des § 823 BGB. Dabei stellt es fest, daß durch eine Observanz und die Straßenpolizeiverordnung der Stadt C. vom 14. September 1892 die Pflicht zum Bestreuen des Bürgersteigs dem Eigentümer des angrenzenden Grundstücks auferlegt sei. Die Gültigkeit einer solchen auf Observanz beruhenden Polizeiverordnung ist nach den §§ 3, 5, 9 des preußischen Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Wege vom 1. Juli 1912 (GS. S. 187) von dem Inkrafttreten dieses Gesetzes unberührt geblieben (RGZ. Bd. 87 S. 59; Warn. 1918 Nr. 106). Die Polizeiverordnung ist ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Den dem Kläger obliegenden Beweis, daß er auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten gefallen und daß dort zu dieser Zeit trotz der bestehenden Schnee- und Eisglätte nicht oder doch nicht in ausreichender Weise gestreut gewesen sei, sieht das Berufungsgericht durch die bisher erhobenen Beweise noch nicht als voll erbracht, aber für den im folgenden allein zu berücksichtigenden Fall als geführt an, daß der Kläger den ihm anvertrauten Erfüllungseid leistet. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der Unterlassung und dem Unfall liegt dann nach der weiteren Beweisnahme des Tatrichters klar zutage. Die in ihrem äußeren Tatbestand gegebene Verletzung des öffentlichrechtlichen Schutzgesetzes über die Streupflicht rechtfertigt

Unerlaubte Handlungen

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zunächst (für die erste Betrachtung) auch die Folgerung des Berufungsgerichts, daß die Unterlassung gehörigen Streuens auf einem Verschulden der Beklagten als der Trägerin der Streupflicht beruhe. Es ist Sache der Beklagten, den Widerlegungsbeweis zu führen, daß oie dasjenige getan habe, was geeignet gewesen sei, die Ausführung des Schutzgesetzes zu sichern, oder welche besonderen Umstände sie von dem Vorwurf eines f ü r den Unifall ursächlichen Verschuldens entlasten. Diese von der Revision angegriffene beweisrechtliche Auffassung des Berufungsgerichts entspricht der festen Rechtsprechung des Reichsgerichts (Warn. 1911 Nr. 474, 1912 Nr. 21; RGZ. Bd. 91 S. 76). Den von der Beklagten angetretenen Entlastungsbeweis erachtet das Berufungsgericht nicht für gelungen. Es erkennt zwar an, daß der von der Beklagten ein für allemal zum Aschestreuen bestellte Hilfsarbeiter B. eine an sich für die Verrichtung geeignete Person war, die einer besonderen Leitung bei dieser Verrichtung nicht bedurfte (weshalb die Anwendbarkeit des § 831 BGB. gegen die Beklagte verneint wird); es vermißt aber den Nachweis für die Führung der dem Geschäftsherrn obliegenden allgemeinen Aufsichtspflicht. Gerade am Tage des Unfalls hätten die Witterungsverhältnisse, so wird festgestellt, eine sorgfältige Kontrolle der Erm5glichung sicheren Gehens auf dem Bürgersteig dieses „wohl verkehrsreichsten Punktes der Stadt" erforderlich gemacht. Denn, nachdem es am 25. Februar 1924 bei Schneedecke getaut habe, sei in der Nacht zum 26. Frost eingetreten, der den ganzen Tag, und zwar vormittags unter Schneegestöber, angedauert habe. Der Prokurist R., ein Neffe der Inhaberin der beklagten Firma, dem von seiner Tante die Leitung des Geschäfts und die Verwaltung des Hauses überlassen worden sei, habe aber das Aschestreuen überhaupt nicht kontrolliert, sich vielmehr darauf verlassen, daß B. sich in der Zeit seiner Beschäftigung bei der Beklagten (seit 1918 oder 1919) im allgemeinen als zuverlässig und gewissenhaft erwiesen habe und daß ihm nicht bekannt geworden sei, daß B. jemals im Bedarfsfalle nicht gestreut habe. Der unmittelbare Vorgesetzte des B., der Faktor D., der ganz allgemein die Aufgabe gehabt habe, das ihm unterstellte Personal zu überwachen, wolle sich zwar immer davon überzeugt haben, daß B. ordentlich gestreut habe. Er erinnere sich aber der Vorgänge am Unfalltage nicht mehr. Danach sei der Beweis irgendeiner Kontrolle am Unfalltage nicht geführt. Das den Prokuristen R. treffende Verschulden mangelnder Beaufsichtigung rechnet das Berufungsgericht der Inhaberin der beklagten Firma wie ein eigenes Verschulden an, indem es ausführt: Wenn die Geschäftsinhaberin zur Erfüllung der ihr als Hauseigentümerin obliegenden Pflichten allgemein einen Stellvertreter gewählt habe, der nach seinem Ermessen Geschäfte für sie führen sollte, so

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müsse sie auch dessen Verschulden ohne Rücksicht darauf vertreten, ob ihr in der Auswahl seiner Person ein Verschulden zur Last falle. Sie hafte, weil sie eine gesetzliche Verpflichtung, die zum Streuen bei Glätte, durch andere erfüllen lasse, gemäß § 278 B G B . auch für fremdes Verschulden. Gegen diese Ausführung wendet sich die Revision. Ihr ist zuzugeben, daß der § 278 B G B . zu Unrecht herangezogen ist. Zwar ist die Anwendung dieser Vorschrift auf gesetzliche Verpflichtungen, auch solche, welche auf öffentlichem Recht beruhen, nicht ausgeschlossen. Voraussetzung für die Anwendung ist aber ein bestimmtes vertragsähnliches Verhältnis (RGZ. Bd. 65 S. 117; Warn. 1915 Nr. 76) oder doch eine Verpflichtung gegenüber bestimmten Personen (RGZ. Bd. 102 S. 8). Die der Allgemeinheit gegenüber bestehende Verpflichtung, z. B. einer Gemeinde oder eines Eiserabahnunternehmers, für die Sicherheit des Verkehrs zu sorgen, kann dagegen nicht als eine Schuldverbindlichkeit angesehen werden, auf deren Erfüllung § 278 Anwendung fände (RGZ. Bd. 99 S. 264; J W . 1912 S. 849 Nr. 1, 1923 S. 1026 Nr. 5), ebensowenig die in ähnlicher Weise der Allgemeinheit gegenüber bestehende Sorgfaltspflicht des Gebäudebesitzers aus § 836 B G B . (Warn. 1915 Nr. 283). Um eine solche, aus Gründen der Verkehrssicherheit dem Eigentümer des an einen Bürgersteig angrenzenden Grundstücks auferlegte Pflicht gegenüber der Allgemeinheit handelt es sich auch bei der in Rede stehenden Streupflicht. In allen diesen Fällen ergibt erst die unter Versäumung der Rechtspflicht begangene unerlaubte Handlung die Grundlage für eine Verpflichtung gegenüber einer bestimmten Person und damit für eine Verbindlichkeit im Sinne des § 278. Trotzdem hiernach die Anwendung des § 278 abzulehnen ist, ist es doch zu billigen, WEIS das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausspricht, die Beklagte könne nicht durch die Bestellung eines geeigneten Vertreters, den sie selbst nicht kontrolliere, sondern nach seinem Ermessen schalten und walten lasse, die sie nach dem Gesetz treffende Haftung für unterlassenes Streuen von sich abwälzen. Daß dem in der Tat so ist, folgt aus der allgemeinen Pflicht zur Aufsicht, die dem für die Erfüllung von Verkehrspflichten Verantwortlichen, so dem Vorsteher eines Hauswesens oder dem Inhaber eines gewerblichen Unternehmens, obliegt, wenn er die Erfüllung der Verkehrspflichten und gegebenenfalls die zur Sicherung der Erfüllung erforderlichen Schutzmaßnahmen Dritten überläßt. Dieser allgemeinen Aufsichtspflicht kann sich der Geschäftsherr nicht dadurch völlig entschlagen, daß er sie auf einen, wenn auch sorgfältig ausgewählten Angestellten oder Betriebsleiter überträgt. Tut er dies, wie es die Inhaberin der beklagten Firma nach der Annahme des Berufungsgerichts getan hat, so trifft ihn der Vorwurf eines eigenen Verschuldens im Sinne des § 823 mit § 276 B G B . (Warn. 1912 Nr. 164; RGZ. Bd. 87 S. 4, Bd. 95 Nr. 60 S. 185). Die Ursächlichkeit des so

327 gearteten Verschuldens der Firmeninhaberin für den eingetretenen schädlichen Erfolg würde freilich zu verneinen sein, wenn der von ihr zur Leitung des Geschäfts und Verwaltung des Geschäftshauses bestellte Prokurist R. trotz Fehlens einer Oberaufsicht die Erfüllung der Streupflicht in gehöriger Weise beaufsichtigt hätte. R., der nach einer an sich zutreffenden, aber der Wichtigkeit der Erfüllung von Verkehrspflichten nicht gerecht werdenden Redewendung in der Revisionsbegründung als der „Geschäftsführer einer Zeitung mehr zu tun hat, als nur die Ueberwachung der Streupflicht zu erledigen", hat indessen eine eigene Aufsichtstätigkeit hinsichtlich der Erfüllung dieser Verkehrspflicht überhaupt nicht ausgeübt, sich vielmehr nach der seinem eigenen Zeugnis entsprechenden Feststellung des Berufungsgerichts dabei beruhigt, daß der Faktor D. „ganz allgemein" die Aufgabe hatte, das ihm unterstellte Personal und damit auch den ein für allemal zum Streuen bei Glatteis und Schneeglätte angewiesenen Hilfsarbeiter B. zu überwachen, und daß bis dahin an ihn (R.) Klagen über die Unterlassung erforderlichen Streuens nicht gekommen waren. Die Aufsichtstätigkeit eines höheren Vorgesetzten hat aber nicht erst einzusetzen, wenn sich ein Anlaß zu Zweifeln an der Zuverlässigkeit der niederen Angestellten ergibt. Auch dem Fehlen der Beaufsichigung durch R. könnte die Ursächlichkeit für den Vorfall abgesprochen werden, wenn D. auch ohnedies das Streuen durch B. in zweckentsprechender Weise überwacht hätte. Daß dies an dem eine besonders sorgfältige Ueberwachung erheischenden Tage des Unfalls geschehen sei, ist aber nach der maßgebenden Beweisannahxne des Berufungsgerichts nicht erwiesen. RGZ. 115, 74») t 1. Was setzt der Unterlassungsanspruch wegen übler Nachrede voraus? 2. Wann kann sich der Verleger eines Schriftwerks, worin üble Nachrede enthalten ist, au! Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen? 3. Schließt guter Glaube an die Wahrheit der Nachrede die Verantwortlichkeit des Verlegers aus? 4. Beschränkt sich der Unterlassungsanspruch wegen übler Nachrede aui bestimmte Arten der Behauptung und Verbreitung? BGB. §§ 824, 823 Abs. 2 verb. m. StGB. §§ 186, 185, 193. I. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 6. Dezember 1926.

I. Landgericht I Berlin.

II. Kammergericht daselbst.

Im Jahre 1920 erschien im Verlage der Beklagten das Buch des Prinzen W.: „Vom roten zum schwarzen Prinzen, Mein Kampf gegen *) Vgl. Bd. 171 S. 380 (abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt).

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das k. u. k. System." Es enthält Erinnerungen des Verfassers, haupt sächlich aus dem Weltkriege. Neben Erlebnissen und Beobachtungen an der Front tragen solche aus dem politischen Getriebe, namentlich aus der Zeit, da er den Posten eines ungarischen Ernährungsministen; bekleidete, das meiste zum Inhalte bei. Der Kläger wird um seiner politischen Tätigkeit willen in dem 459 Seiten starken Buch oftmals erwähnt. Viele der Bemerkungen, die sich auf ihn beziehen, sind seiner Meinung nach ehrverletzend Er findet in ihnen unter anderem den Vorwurf der Bestechlichkeit: heimlicher Annahme von Geldern, welche die Feinde Oesterreich Ungarns ihm hätten zukommen lassen, damit ihre Sache dadurch gefördert werde und ihnen der Sieg zufalle. Zwei Stellen hebt der Kläger besonders hervor: Die eine handelt im Zusammenhang mit Vorgängen aus dem April 1918 von der erbitterten Gegnerschaft zwischen dem Kläger und Graf Stefan Tisza. Es wird einer Reise gedacht, die der Kläger im Frühjahr 1914 nach Amerika machte. „Bei Kriegsausbruch" heißt es da, „wurde K. auf der Rückreise von Amerika in Paris angehalten und interniert. Die Franzosen ließen ihn jedoch frei, als er sich ehrenwörtlich verpflichtete, nicht gegen die Entente zu kämpfen und in seinem Lande eine pazifistische Bewegung hervorzurufen. Von diesem Ehrenwort erfuhr man in Ungarn erst viel später." An einer anderen Stelle, die sich mit der Entwicklung nach dem Zusammenbruch und dem Abschluß des Waffenstillstandes im Herbst 1918 beschäftigt, heißt es: „Wie unsere Feinde K. und seine Herrschaft, seinen Charakter und seine Persönlichkeit, sein ganzes Verhalten während des Krieges einschätzten, kam bei der ersten Begegnung in Belgrad für ganz Oesterreich-Ungarn überraschend zutage; die Behandlung, die der französische General Franchet d'Esperey K. und seinem Stabe (L. H. usw.) zuteil werden ließ, war so entwürdigend, war so berechnet, dem Verräter die Verachtung des Gegners zu zeigen, daß sie sich kein ungarischer Unteroffizier hätte bieten lassen, wenn er Ehre im Leibe und sein gutes Recht auf seiner Seite gefühlt hätte. — General Franchet d'Esperey mußte jedenfalls schon in Kenntnis gewesen sein (ebenso wie ich es kurz darauf erfuhr), daß in den Akten des Quai d'Orsay sich eine Quittung K.'s über jene Beträge, angeblich 5 Millionen Franken, befindet, die er von der französischen Regierung für defaitistische Zwecke erhalten hatte. Der französische General gab ihm zu erkennen, daß er von den Franzosen nicht höher als ein gemeiner Kriegsspion eingeschätzt wurde." Mit der vorliegenden gegen den Prinzen W. und die Aktiengesellschaft U. & Co. gerichteten Klage verlangte der Kläger die Verurteilung beider, die Weiterverbreitung der Behauptung zu unterlassen, er habe von der Entente Geld genommen, um in ihrem Sinne tätig

329 zu sein. Dem Prinzen W. wurde die Klageschrift nicht zugestellt und es fand gegen ihn keine Verhandlung statt. Die Beklagte U. & Co. entgegnete unter anderem, die Behauptungen, in denen der Kläger eine ehrenkränkende Nachrede finde, seien wahr. Landgericht und Oberlandesgericht gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Gründe: 1. Das angefochtene Urteil entnimmt dem von der Beklagten verlegten Buche des Prinzen W. die Behauptung: der Kläger habe während des Weltkriegs vom Feindbund Geld genommen, um in dessen Sinne tätig zu sein. So versteht das Berufungsgericht die Aeußerungen des Buches, die sich auf den Kläger beziehen und jene Frage berühren. So werden sie — das Urteil betont es — auch von den Parteien übereinstimmend verstanden. Schon in den beiden besonders hervorgehobenen Stellen sei klar behauptet: der Kläger habe von der französischen Regierung 5 Millionen Franken „für defaitistische Zwecke" in Empfang genommen; also zu dem Ende, dafür zu wirken, daß sein Staat dem Feind unterliege. Allerdings werde nicht ausdrücklich gesagt, der Kläger habe sich persönlich mit dem Gelde bereichern wollen; indessen könne das nicht entscheiden. W e r in einem Kriege, in den sein Vaterland verwickelt sei — möge er ihn billigen oder nicht, über Möglichkeit und Nützlichkeit von Friedensverhandlungen denken, wie er wolle —, hinter dem Rücken der vertassungsmäßigen Regierung seines Landes vom Feinde Geld nehme, um Bewegungen zu fördern, welche die Widerstandskraft seines Landes schwächen müßten, der gelte nach feststehenden Anschauungen als Landesverräter. Diese Ausführungen enthalten keinen Rechtsirrtum. Der Kläger selber teilt, wie das Berufungsgericht sagt, diese Auffassung, die das ihm nachgesagte Verhalten kennzeichnet; er meint also, daß man ihn mit Grund einen Landesverräter hieße, wenn er so gehandelt hätte, wie das Buch des W. behauptet. Die Angriffe der Revision in diesem Punkte können nicht durchdringen. Das Berufungsgericht nimmt keineswegs, wie man ihm vorwirft, das Strafgesetzbuch zur wesentlichen Entscheidungsnorm für die rechtliche und sittliche Würdigung geschichtlicher Vorgänge. Es will auch keine gedanklich unanfechtbare allgemeine Begriffsbestimmung des Landesverrats geben, sondern nur feststellen, daß tatsächlich nach geltenden Lebensanschauungen als Landesverräter beurteilt werde, wer so handle, wie es nach Behauptungen und Andeutungen des W.'schen Buches der Kläger getan haben soll. Das Buch enthält über den Kläger keine bloßen Urteile und Meinungsäußerungen, sondern Angaben über bestimmte in die Wirklichkeit getretene, dem Beweise zugängliche Vorkommnisse, namentlich den Empfang von Geld gegen Zusage und Leistung ge-

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wisser dem geldgebenden Feind erwünschter Tätigkeit, also die Behauptung von Tatsachen (RGSt. Bd. 55 S. 131). Die Zweifelsfrage d e r Revision, ob man Angehörige der wider ihren Willen losgerissenen, unter fremde Gewaltherrschaft gezwungenen Völker und Volksteile mit gleichem Maße messen und des Landesverrats bezichtigen w ü r d e , taugt nicht zur Gegenprobe auf die Richtigkeit des bemängelten Ausspruchs. Denn solche besonderen Umstände lagen beim Kläger nicht vor. Für ihn w a r der Stand der Dinge klar, jeder Zweifel darüber, w o sein S t a a t und Volk stünden und wo d i e Feinde, völlig ausgeschlossen. Ebensowenig läßt sich die Auffassung des Kammergerichts durch den Hinweis der Revision widerlegen, daß gegen manchen durch Hochverrat oder Landesverrat zur Macht Gelangten die strafgerichtliche Sühn« ausbleibe, und daß vielleicht sogar die Rüge des geschichtlichen Urteils vor der Tatsache des Erfolges, mindestens einstweilen, verstumme. Mit Unrecht sucht die Revision in der Beurteilung des Berufungsgerichts einen Widerspruch zu der Behauptung des Klägers: soweit er in Verhandlungen mit dem Feind auf den Friedensschluß hingewirkt habe, sei das mit W i s s e n und W i l l e n Kaiser Karls geschehen. Damit werden zwei völlig verschiedene Dinge in eine Gemeinschaft gebracht, die ihnen nicht zukommt. Auch W . erzählt in seinem Buche: Kaiser Karl habe sich von des Klägers anscheinend vorzüglichen französischen Verbindungen Nutzen für die Friedensverhandlungen versprochen. Aber dies bedeutet kein Einverständnis damit, daß der Kläger heimlich vom Feinde Geld nehme oder genommen habe, um Zermürbung, Zersetzung und Unterwerfung des eigenen Volkes und S t a a t e s zu betreiben; der Kläger will nach dem ganzen Zusammenhang seiner Sachdarstellung dergleichen auch gar nicht behaupten. Die weitere Bemerkung der Revision, daß man p r i v a t e Angelegenheiten von öffentlichen wohl unterscheiden müsse, und daß eine im öffentlichen Leben tätige Person weniger Schutz gegen Tadel und absprechendes Urteil genieße als eine beliebige andere, trifft nicht die hier wesentlichen Fragen; der Versuch der Beklagten, die Einschränkung des Rechts am eigenen Bilde bei Personen aus dem Bereiche der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Kunstschutz-Ges. vom 9. J a n u a r 1907) zu entsprechender Anwendung auf Rechtslagen wie die gegenwärtige zu bringen, geht fehl. Auch ein Politiker braucht sich die Nachrede unehrenhaften Verhaltens nicht gefallen zu lassen, wenn sie der Wahrheit widerstreitet. Daß er insofern wehrloser dastehe, als jedermann sonst, ist nicht zuzugeben; dem Inhalte d e s Gesetzes w i e dem Zweck und Sinn der Rechtsordnung entspricht das nicht. An anderer Stelle sagen die Gründe des angefochtenen Urteils mit Beziehung auf die Beklagte, daß das Bewußtsein des ehren-

331 kränkenden Charakters der in dem verlegten Buch aufgestellten Behauptung genüge, um ihre Verantwortlichkeit zu begründen. Der Zusammenhang ergibt, daß damit jenes Bewußtsein der gesetzlichen Vertreter der Beklagten — für die Zeit, als das Werk erschien, und für die darauf folgende Zeit seiner bestimmungsmäßigen Verbreitung — aus dem Parteivortrag, überhaupt aus den ersichtlichen Umständen, entnommen und sonach festgestellt wird. Ständige Gesetzesauslegung sieht darin die zureichende Feststellung vorsätzlichen Handelns (RGSt. Bd. 25 S. 359; RGZ. Bd. 57 S. 241, Bd. 58 S. 216, Bd. 62 S. 139, Bd. 63 S. 148, Bd. 76 S. 319, Bd. 79 S. 60). Das Berufungsurteil folgert also mit Recht: Die verfassungsmäßig berufenen Vertreter der beklagten Aktiengesellschaft haben durch den Verlag des W.'schen Buches eine den Kläger verächtlich machende und ihn in der öffentlichen Meinung herabwürdigende Behauptung verbreitet. Sie haben damit gegen § 186 StGB, verstoßen, wenn die Behauptung nicht erweislich wahr ist. Und wenn sie nicht wahr ist, so hat die Beklagte, weil sie für die Handlungen ihrer Vertreter wie für eigene haftet (§ 31 BGB., § 231 BGB.), wegen ehrenkränkender Nachrede auf Verlangen des Betroffenen nach den Grundsätzen über unerlaubte Bandlungen Schadensersatz zu leisten (§ 823 Abs. 2 BGB. verb. m. § 186 StGB.). Da das Berufungsgericht vorsätzliches Handeln der Beklagten feststellt, so kommt die Anwendung des § 824 BGB., dessen Verletzung von der Revision gerügt wird, hier nicht in Betracht. Diese Vorschrift füllt im Gefüge des bürgerlichen Rechts eine Lücke aus, die verbliebe, wenn nur der § 823 Abs. 2 BGB. verb. m. §§ 185—187 StGB, den durch Beleidigung oder üble Nachrede (oder Verleumdung) Geschädigten oder Gefährdeten schützte. Die genannten strafrechtlichen Bestimmungen setzen für die Behauptung oder Verbreitung „unwahrer Tatsachen" über einen anderen, wenn nicht Handeln wider besseres Wissen (§ 187), so doch wenigstens das Bewußtsein ehrenkränkender Wirkung des Behaupteten (§ 186 StGB.) voraus. Weil das den Rechtsschutzbedürfnissen des bürgerlichen Verkehrs nicht in allen Fällen genügt, erkennt der § 824 auch die fahrlässige Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen, wenn sie Kredit, Erwerb oder Fortkommen des Betroffenen gefährden kann, als Unterlage eines Schadensersatzanspruchs an. Der Ausdehnung auf fahrlässiges Verhalten (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB.) entspricht es, daß hier der Kläger das Verschulden des Beklagten beweisen, also dartun muß, dieser hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Unwahrheit erkennen müssen. Solcher Beweis schließt notwendig den für die Unwahrheit selbst in sich (RGZ. Bd. 51 S. 380, Bd. 56 S. 285). Im vorliegenden Fall übersieht jedoch die Beklagte, wenn sie Verletzung des § 824 BGB. rügt, die vom Berufungsrichter

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getroffene Feststellung ihres Vorsatzes; ihr liegt also der Beweis der Wahrheit ob (RGSt. Bd. 19 S. 387). 2. Die Beklagte verficht die Rechtsansicht, daß sie mit Verlag und Verbreitung des Buches berechtigte Interessen wahrnehme! eigne sowohl als die weitester (auch deutscher) Kreise, denen daran gelegen sei, die Erinnerungen des Prinzen W. kennen zu lernen. Sie meint, daß sie darum, einer „publizistischen Pflicht" genügend, wegen unwahrer Nachrede nicht strafbar sei, weil weder aus der Form der verbreiteten Aeußerungen noch aus den Umständen, unter denen sie verbreitet würden, „das Vorhandensein einer Beleidigung", also die Absicht, zu beleidigen, hervorgehe (§ 193 StGB.). Im einzelnen Falle ist auf Grund verständiger, billiger Beurteilung des Sachverhältnisses zu bestimmen, ob „Wahrnehmung berechtigter Interessen" vorliegt. Soll jemand sich auf sie berufen können, so muß er zu der Angelegenheit, über die er sich geäußert hat, in Beziehungen stehen, vermöge deren sie ihn persönlich nahe angeht. Daß es keine fremde, sondern seine eigene Sache sei, wird nicht gefordert. Ob es sich um private oder öffentliche Dinge handelt, macht ebenfalls keinen Unterschied (RGSt. Bd. 59 S. 415 u. a.; RGZ. Bd. 51 S. 378, Bd. 56 S. 285, Bd. 85 S. 442/4). Zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gehört daher, wenn im E'nklang mit Rechtsordnung und guten Sitten ausgeübt, z. B. auch die Verfolgung von Zwecken, die durch Stellung in Gemeinde oder Staat bedingt, von Gemeindegesetzgebung oder Verfassung gewährleistet werden; desgleichen das Eintreten für rechtliche oder sittliche Belange anderer, sofern gewisse nähere Beziehungen dem Handelnden dazu Anlaß geben. Ist ein vom Täter verfolgter Zweck so geartet, daß er bei Wahrheit des erhobenen Vorwurfs als berechtigt anzuerkennen wäre, dann bleibt er berechtigt, auch wenn die Behauptung sich nicht beweisen läßt, vom Täter jedoch für wahr gehalten wurde. Grundsätzlich aber muß entscheiden, ob bei verständiger Würdigung des einzelnen Falles die Anteilnahme -des Täters an den in Frage stehenden Belangen auch gegenüber dem Recht auf Achtung fremder Ehre ein von der Rechtsordnung anerkanntes Interesse ist (RGSt. Bd. 59 S. 415 u. a.). Nach bisher festgehaltener Gesetzesauslegung ist die Tagespressc nicht schlechthin befugt, geschweige denn verpflichtet, vermeintliche Uebelstände, Mißgriffe, Vergehen auch unter Verletzung der Ehre einzelner Personen bekanntzumachen und öffentlich zu rügen. Vielmehr darf der Schriftleiter einer Zeitung, wie jeder andere, Mißstände und Verfehlungen, die seiner Meinung nach hervorgetreten sind, nur dann straflos in einer fremde Ehre beeinträchtigenden Weise besprechen, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die ihn selbst wegen seines 'besonderen Verhältnisses zu ihnen nahe angehen oder mit deren Vertretung er durch Auftrag betraut ist. An dieser Vor-

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aassetzung fehlt es z. B. bei den allgemeinen politischen Vorkommnissen und Fragen, die den Schriftleiter nicht näher als jeden anderen berühren (RGSt. Bd. 59 S. 416 u. a.). Zwar lassen sich diese Grundsätze, wie sie sich für den Schriftleiter laufend erscheinender Druckerzeugnisse ausgebildet haben, nicht ohne weiteres auf den Verleger eines Buches übertragen. Schon wegen vielfacher Verschiedenheiten nach Zweck, Inhalt, Form und Leserkreis wird die jeweils gerechte Abmessung der Befugnisse mir nach Prüfung des einzelnen Falles möglich sein. Grundsätzlich aber ist auch der Verleger wie der Schriftsteller selbst an die Grenzen gebunden, die das Gesetz zum Schutze fremder Ehre dem allgemeinen Recht der freien Meinungsäußerung (RVerf. Art. 118) zieht. Auch er kann sich also nicht auf den Schutz des § 193 StGB, berufen, wenn ein von ihm verlegtes und somit verbreitetes Schriftwerk die Ehre eines Dritten durch Behauptung nicht erweislich wahrer Tatsachen angreift und die Sache, um die es sich handelt, ihn nicht näher als jeden anderen Staatsbürger angeht (RGSt. Bd. 56 S. 383). Der Verlagsvertrag allein kann nicht schlechthin genügen, eine sachliche Beziehung zu schaffen, vermöge deren ein berechtigtes Interesse für den Verleger entstünde, den Inhalt des verlegten Werkes auch auf die Gefahr der Kränkung fremder Ehre zu verbreiten. Schon ohne den Vertragsabschluß muß eine sachliche Beziehung gegeben sein. J e nach der Art des Schriftwerks, dem besonderen Arbeitsgebiet des Verlags und allen sonst erfahrungsmäßig wichtigen Umständen des Falles ist zu prüfen, ob sie vorliegt. Stets wird dabei, sofern es sich, wie hier, um ehrenrührige Nachrede bestimmten Inhalts handelt, auch zu fragen sein, ob die etwa zum Gesamtstoffe vorhandene nähere Beziehung sich notwendig auf diese Einzelheit miterstreckt oder nicht. Nur bei bejahender Antwort ist berechtijgtes Interesse anzuerkennen. Das Berufungsgericht prüft, ob der Beklagten der durch Wahrnehmung berechtigter Interessen begründete Schutz (§ 193 StGB.) gebühre, und verneint es: Dahinstehen könne, ob ein Verleger zur Wahrnehmung berechtigter Interessen handle, wenn er ein ernstes, wissenschaftliches Werk verlege, worin nicht erweislich wahre, aber auch nicht widerlegte und widerlegbare Behauptungen als geschichtliche Tatsachen hingestellt seien. Hier komme das nicht in Frage. Das vorliegende Buch sei nach Form und Inhalt lediglich auf das Unterhaltungsbedürfnis der Leser zugeschnitten. Diese Würdigung gehört überwiegend dem tatsächlichen Gebiete an und zeigt keinen rechtlichen Irrtum. Die damit gewonnene Feststellung führt zur Anwendung des ständig anerkannten Satzes, daß die Rücksichten auf menschliche Ehre den Zwecken der Unterhaltung und des Zeitvertreibs nicht aufzuopfern sind (RGSt. Bd. 19 S. 241). Eine wissenschaftliche Untersuchung, auf welche die Begriffe des Behauptens und Verbreitens von Tatsachen im gewöhnlichen Sinne strafrecht-

334 licher Vorschriften unanwendbar wären, liegt nach der zutreffenden, rechtlich fehlerfreien Annahme des Berufungsgerichts nicht v o r (RGZ. Bd. 84 S. 294). Der Revision ist nicht zuzugeben, daß das Berufungsgericht bei seinen für die Verneinung berechtigter Interessen maßgeblichen E r wägungen alles Schrifttum in wissenschaftliches und unterhaltendes habe scheiden wollen und durch die aus solcher nicht erschöpfenden Teilung gezogenen Folgen einen rechtlichen Fehler begehe. Wissenschaftliche W e r k e sind nur des Gegensatzes wegen als Beispiel genannt; vollständige Aufzählung der Literaturgattungen ist, wie d e r Zusammenhang erweist, nicht beabsichtigt. Entscheiden muß, daß das Berufungsgericht dem Buche des Prinzen W. ausdrücklich nur den Zuschnitt auf das Unterhaltungsbedürfnis zuspricht. Keineswegs wird damit verkannt, daß die sehr verschiedenartigen Erinnerungsbücher, zumal der Jüngsten Vergangenheit, selbst wenn sie vorwiegend unterhalten sollen, unter Umständen als geschichtliche Quellen für Tatsachenermittlung zu verwerten sind, gewiß auch zur Beurteilung des Geisteslebens, der Wandlungen in Denkart und Gesittung beitragen mögen. In den Erwägungen, aus denen die Wahrnehmung berechtigter Interessen verneint wird, läßt sich demnach kein Verstoß gegen Rechtsregeln finden. E s ist nicht ersichtlich, daß etwas bei der Beurteilung unbeachtet geblieben wäre, woraus auf besonders nahe Beziehungen der Beklagten zum Tatsacheninhalt des Buches und namentlich zu den vom Kläger abgewehrten Behauptungen geschlossen werden könnte. Verbreitet somit die Beklagte das W.'sche Buch einschließlich der in ihm enthaltenen Behauptungen über den Kläger nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, so bewendet es dabei, daß die Beklagte die Wahrheit der behaupteten Tatsachen erweisen muß, nicht der Kläger die Unwahrheit (RG. VI 50 06 im Recht 1907 Nr. 756). 3. Das Berufungsurteil sieht den Wahrheitsbeweis als mißlungen an und ist der Ueberzeugung, daß er mit den weiter angebotenen Beweismitteln auch nicht erbracht werden könne. (Wird ausgeführt.) Diese sämtlichen Erwägungen gehören dem Bereiche der Tatsachenwürdigung an und sind vom Revisionsgerichte nicht nachzuprüfen. Das angefochtene Urteil geht sodann auf den Einwand der Beklagten ein, daß ihre Verantwortlichkeit für die ehrenkränkende Nachrede wegfalle, weil ihr die Behauptungen — in Gestalt der zum Drucke dargebotenen Handschrift — von einem Gewährsmanne zugetragen worden seien, den sie für zuverlässig habe halten dürfen. Solche Berufung auf Mitteilungen anderer entspreche, führt das Kammergericht aus, weder allgemeinen Rechtsgrundsätzen noch dem Verhältnis des Verlegers zum Verfasser des Werkes. Setze doch auch nach bürgerlichem Rechte die schädigende Handlung (§ 823 B G B . , § 186 S t G B . ) nicht das Bewußtsein von der Unerweislichkeit

Unerlaubte Handlungen

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der behaupteten Tatsache voraus. Sogar durch guten Glauben an die Wahrheit werde die Schadenersatzpflicht nicht ausgeschlossen. Es genüge das Bewußtsein, daß die aufgestellte Behauptung ehrenkränkend sei. Diese Darlegungen entsprechen anerkannten Rechtsgrundsätzen (RGSt. Bd. 19 S. 387, Bd. 25 S. 357, Bd. 29 S. 46 u. a.). (Eis folgt Zurückweisung eines weiteren Revisionsangriffs.) 4. . . . (Es folgen Ausführungen zu der Frage, ob trotz strafrechtlichem Schutz ein Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage besteht; vgl. dazu jetzt Bd. 155 S. 92; 156 S. 372 [abgedr. weiter unten in diesem Abschnitt].) 5. So gelangt das Kammergericht in grundsätzlicher Uebereinstimmung mit dem Landgericht ohne Verstoß gegen §§ 823, 824 BGB., §§ 186, 185, 193 StGB, dazu, daß der Unterlassungsanspruch gerechtfertigt sei. Den Inhalt des begehrten Verbots erklärt es für unbedenklich. Dieses geht, nach dem Klagantrag, schlechtweg und allgemein dahin, die Weiterverbreitung der Behauptung zu unterlassen, daß der Kläger von der Entente Geld genommen habe, um in ihrem Sinne tätig zu sein. Zwar fügte der Klagantrag dann das Verlangen der Vernichtung (von Druckexemplaren und Platten des Buches „Vom roten zum schwarzen Prinzen") an; aber nicht so, als beziehe sich das Verbreitungsverbot nur auf dieses Verbreitungsmittel des W.'schen Werkes und der darin enthaltenen Behauptungen. Es leuchtet ein, daß es dem Willen des Klägers nicht entsprechen kann, die Verbreitung der Nachrede auf diesem einen, allerdings wohl besonders wirksamen Wege hintanzuhalten, auf allen übrigen aber, z. B. mündlich oder in anderen Druckwerken, freizugeben. Die abweichende Auslegung der Revision ist abzulehnen. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß es z. B. offenstehen müsse, die wider den Kläger erhobenen Vorwürfe rein geschichtlich zu berichten. Diese Möglichkeit bleibt allerdings unverschränkt; auch die sachlich prüfende Ausführung, ob nach allem bislang Ersichtlichen ein starker Verdacht gegen den Kläger bestehe oder nicht, kann der geschichtlichen Untersuchung selbstverständlich nicht verwehrt sein. Weitere Möglichkeiten der Erörterung, etwa zu politischen Kampfzwecken, im einzelnen daraufhin zu behandeln, ob und inwieweit sie in der einen oder andern Gestalt noch freistehen, ist nicht die Aufgabe des gegenwärtigen Urteils. . . . (Es folgt noch die Erörterung einer Prozeßrüge.) RGZ. 115, 289 Ueber Schadensersatzansprüche einzelner Aktionäre wegen Entwertung ihres Aktienbesitzes durch unerlaubte Handlangen von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern der Gesellschaft. BGB. § 826. HGB. §§ 241, 249.

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Schuldrecht, Besonderer Teil VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 10. November 1926.

I. Landgericht Frankfurt a. O.

II. Kammergericht Berlin.

Die Kläger H. und M. waren Aktionäre der R. W. Aktiengesellschaft in Frankfurt a. O. (im folgenden als „AG." bezeichnet). Die Beklagten D. u. Dr. G. sind Vorstandsmitglieder, der Beklagte A. Sch. ist Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft. Die AG. besitzt die sämtlichen Geschäftsanteile der A. Sch. GmbH, in Frankfurt a. O. (im folgenden mit ,,GmbH." bezeichnet), die auch mitverklagt und deren Geschäftsführer der Beklagte Dr. G. ist. In einer Generalversammlung der AG. vom 25. August 1923 wurde einstimmig die Erhöhung des 5,5 Millionen Mark betragenden Stammkapitals auf 50 Millionen Mark durch Ausgabe von 44 500 Stüok neuer Aktien über je 1000 M. unter Ausschluß des gesetzlichen Bezugsrechts der Aktionäre mit der Maßgabe beschlossen, daß die jungen Aktien der GmbH, zum Kurse von 400 °/o anzubieten seien. Die Kapitalerhöhung ist durchgeführt und im Handelsregister eingetragen worden. Die Kläger, die zusammen 460 alte Aktien besaßen, werfen nun den Beklagten vor, daß sie in einverständlichem Zusammenwirken dsn größten Teil der jungen Aktien zum Schaden der AG. und der übrigen Aktionäre so gut wie umsonst an sich gebracht hätten. Die Kläger erblicken in diesem Vorgehen eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der AG. und der anderen Aktionäre wie auch eine Untreue im Sinne des § 266 Nr. 2 StGB, und fordern Schadensersatz. Sie machen noch geltend: sie seien mit ihrem Aktienbesitz von zusammen 460 Aktien am Stammkapital von 5,5 Millionen Mark und damit am Reinvermögen der AG. mit rund 8,4 °/o beteiligt gewesen, und der innere Wert ihrer Aktien hätte sich, wenn sie auch bei der Zuteilung der jungen Aktien leer ausgegangen wären, entsprechend erhöht, falls bei sach- und pflichtgemäßer Verwertung der jungen Aktien der AG. neue Mittel zugeflossen wären. Auf Grund dieses Vorbringens verlangten die Kläger, die Beklagten sollten ihnen unter Haftung als Gesamtschuldner 3738 junge Aktien liefern. Hilfsweise baten sie um Verurteilung der Beklagten zur Rückgabe der ihnen von der GmbH, überlassenen jungen Aktien an letztere. Ein weiterer Hilfsantrag ging dahin, die Beklagten zum Ersatz des den Klägern durch Nichtzuteilung von 3738 jungen Aktien erwachsenen Schadens zu verurteilen. Das Landgeiicht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz verlangten die Kläger nur noch Schadensersatz in Geld. Ihr Hauptantrag ging auf Ersatz des ihnen durch Zuteilung von 23 145 jungen Aktien an den Beklagten D. und von 12 622 solcher Aktien an den Beklagten Dr. G. erwachsenen Schadens; in zweiter Reihe forderten sie Zahlung von zunächst 2000 GM. nebst Zinsen an jeden der

337 beiden Kläger. Die Berufung der Kläger war erfolglos. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Ihre Revision

Aus den G r ü n d e n : Das Berufungsgericht erwägt, die Kläger könnten ihren Schadensersatzanspruch nicht darauf stützen, daß ihnen eine ihrem bisherigen Aktienbesitz entsprechende Anzahl junger Aktien hätte zugewiesen werden müssen. Denn das gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre sei durch den Generalversammlungsbeschluß vom 25. August 1923 ausgeschlossen und ein anderweitiges Bezugsrecht sei hierbei nicht festges«tzt worden. Beschlüsse dieser Art könnten zwar sittenwidrig sein; dafür fehle es jedoch im vorliegenden Fall an jedem Anhalt. Insoweit ist dem Berufungsgericht beizupflichten. Die Beschlüsse der Generalversammlung vom 25. August 1923 werden aber von den Klägern gar nicht angegriffen; diese gehen vielmehr selbst von deren Rechtsverbindlichkeit aus. Eben deshalb können sie aus einer angeblich sittenwidrigen Beeinträchtigung und Mißachtung ihres Bezugsrechts durch nachträgliche Maßnahmen der Beklagten auch keine Ansprüche herleiten. Denn insoweit ist Schadensursache im Rechtssinn eben der Generalversammlungsbeschluß, der ihr gesetzliches Bezugsrecht und damit ein Bezugsrecht überhaupt restlos beseitigt hat. Das Berufungsgericht führt sodann weiter aus, die Ueberlassung der jungen Aktien an die GmbH, zum Kurse von 400 % könne als Scheinveräußerung aufgefaßt werden, zumal da der Geschäftsführer der GmbH Vorstandsmitglied der AG. gewesen sei. Die jungen Aktien wären dann in der freien Verfügung der AG. und, da sie nur äußerlich der GmbH, übertragen gewesen seien, in derjenigen der Vorstandsmitglieder der AG. verblieben. Sittenwidrig sei es nun nicht, daß die Aktienmehrheit so die Möglichkeit erhalten habe, sich die Mehrheit durch den Erwerb der entsprechenden Anzahl von jungen Aktien zu sichern; als Verstoß gegen die guten Sitten müßte es aber wohl gelten, wenn die Mehrheit der Minderheit die Möglichkeit abgeschnitten hätte, zu den gleichen Bedingungen die ihrem Aktienbesitz entsprechende Anzahl von jungen Aktien zu beziehen. Zuzugeben sei ferner, daß die Gegenleistung der Beklagten D., Dr. G. und A. Sch. für die ihnen zugefallenen Aktien wirtschaftlich so gut wie wertlos gewesen sei; allein das sei im wesentlichen auf den weder von der Generalversammlung noch von den Beklagten vorausgesehenen Verfall der deutschen Währung zurückzuführen. Schon deshalb bestünden Bedenken gegen den geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Diese Darlegungen des Berufungsgerichts werden der Begründung des Klaganspruchs nicht gerecht. Zunächst ist von keiner Seite behauptet worden, daß es sich bei der Ueberlassung der jungen Aktien Zivils. S i u l d r c A t

9

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338 an die GmbH, um ein Scheingeschäft gehandelt habe. Die Kläger hatten nur vorgebracht, es habe «in Treuhandverhältnis vorgelegen. Ein solches setzt aber gerade ein rechtsgültiges Erwerbsgeschäft voraus. Dies muß erst recht für die Behauptung der Beklagten gelten, daß die GmbH, völlig freie Hand in der Verwertung und Verteilung der jungen Aktien gehabt habe. Der Umstand, daß sich die GmbH, wirtschaftlich in Händen der A G . befand, änderte an ihrer rechtlichen Selbständigkeit und damit an der Möglichkeit des Abschlusses von Rechtsgeschäften zwischen den beiden juristischen Personen nichts. Mit dem Bezugsangebot an die GmbH, und dessen Annahme durch sie war der Weg zu einer raschen und einfachen Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften über die Kapitalerhöhung eröffnet. Sodann handelt es sich bei der Art, wie die Kläger ihren Anspruch begründen, nicht um eine sittenwidrige Vergewaltigung der Aktienminderheit durch die Aktienmehrheit. Denn irgendwelche Beschlüsse der Gesellschaft über die Verteilung und Verwertung der Aktien sind außer dem Generalversammlungsbeschluß vom 25. August 1923 nicht ergangen. Insoweit liegen die Erörterungen des Berufungsgerichts neben der Sache. Das Klagevorbringen geht vielmehr dahin, daß die Beklagten unter mißbräuchlicher Ausnützung ihrer Stellung als gesetzliche Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder der AG. und der GmbH, in unredlicher und unsittlicher Weise zum Schaden der A G . und ihrer Aktionäre den weitaus größten Teil der jungen Aktien, nämlich rund 36 000 von 44 500 Stück, so gut wie umsonst den Beklagten D. u. Dr. G. zugeschoben hätten. Mit dieser Klagebegründung beschäftigt sich das Berufungsgericht nur insofern, als es gegen die Annahme einer bewußten Schädigung der AG. durch die Beklagten um deswillen Bedenken äußert, weil der Schaden im wesentlichen auf den nicht vorausgesehenen Verfall der deutschen Währung zurückzuführen sei. Allein hiergegen bestehen erhebliche Bedenken. Das Berufungsgericht hat zunächst zu der Frage, welche Zwecke die Generalversammlung vom 25. August 1923 mit der Kapitalerhöhung verfolgt habe, nicht ausdrücklich Stellung genommen. Es geht aber anscheinend davon aus, daß es sich, wie die Kläger behaupten und, soweit ersichtlich, die Beklagten nicht bestreiten, um die Beschaffung neuer Mittel für die AG. gehandelt habe. Dieser Zweck ist demnach für die Revisionsinstanz zu unterstellen. Daß er mit Ueberlassung der Aktien an die GmbH, zu einem Kurse von 400 °o nicht zu erreichen war, steht außer Zweifel. Denn einmal war die GmbH, wirtschaftlich ganz in Häniden der A G . Eigentlich neue Mittel konnten daher der letzteren aus diesem Geschäft nicht zufließen. Sodann war am 25. August 1923 bei einem Dollarstand von 4,7 Millionen und einem Ausgabekurs von nur 400 °/o überhaupt nicht mehr auf ein er-

Unerlaubte

Handlungen

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hebliches finanzielles Ergebnis aus solcher Verwertung der jungen Aktien zu rechnen. Ferner war Ende August 1923 die Bedeutung des Markverfalls erfahrungsgemäß in weitesten Teilen der Bevölkerung, insbesondere in den gewerblichen und kaufmännischen Kreisen erkannt. Mit dieser allgemeinen Erfahrung stehen die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Auffassung der Generalversammlung und der Beklagten von der Bewertung der Gegenleistungen der letzteren in Widerspruch. Schon deshalb ist der Hinweis auf den späteren Markverfall nicht schlüssig. Wie sehr übrigens auch die Beklagten D., Dr. G. u. A. Sch. mit einem weiteren Rückgang der Mark gerechnet haben, beweist am besten die Tatsache, daß sie für die anderen Aktienbezieher den Uebernahmepreis in holländischen Gulden, also in einer ausländischen Festwährung, angesetzt haben. Diese Umstände sprechen gerade für die Richtigkeit der ferneren Behauptung der Kläger (zu der das Berufungsgericht ebenfalls keine Stellung nimmt), daß die GmbH, 'die jungen Aktien nur als Treuhänderin für die AG. habe erhalten sollen. Mit der Uebertragung der jungen Aktien auf die GmbH, wären dann wohl die rechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung der Kapitalerhöhung geschaffen gewesen, während ihr wirtschaftlicher Zweck erst durch die für Rechnung der AG. zu bewirkende Weiterveräußerung der Aktien durch die GmbH, erreicht werden sollte. Darauf weist auch der Umstand hin, daß laut Abkommen vom 25. August 1923 ein etwaiger Gewinn aus der Verwertung der jungen Aktien eben der AG zukommen sollte. Nun haben zugegebenermaßen die Beklagten D. und Dr. G. in Ausführung der Richtlinien vom 25. August 1923 rund 36 000 Stück der jungen Aktien an sich gebracht. Das Berufungsgericht stellt weiter fest, daß sie hierfür wirtschaftlich so gut wie keine Gegenleistung gemacht hätten. Im besonderen wird dargelegt, daß die Behauptung der Beklagten, sie hätten der AG. durch Verzicht auf Provision und Gewinnanteil und durch Uebernahme der Druckkosten rund 35 000 GM. an Verbindlichkeiten abgenommen, unrichtig sei. Daß die jungen Aktien wertlos waren, behaupten die Beklagten selbst nicht, sie stellen im Gegenteil die Lage der Gesellschaft als nicht ungünstig hin. Dafür, daß die Aktien mit wirklichem Nutzen für die AG. abzusetzen waren, spricht einmal, daß der Beklagte A. Sch. 95 Stück mit je 5 Hfl., und daß Vertreter der AG. über 300 Stück mit je 2 und 5 Hfl. bezahlt haben, und weiterhin auch der Umstand, daß nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten für 6250 Stück Aktien Liegenschaften im Friedenswert von rund 140 000 M. erworben werden konnten. Nun hat die Zeugin B., wora/uf das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang hinweist, allerdings bekundet, daß übriggeblie-

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Schuldrecht, Besonderer Teil

benen 753 Stück nicht unterzubringen gewesen seien; nach ihren Angaben sind Versuche dazu aber erst Ende 1923 und Anfang 1924 unternommen worden, also zu einer Zeit allgemeiner größter Geldknappheit, von der gerade auch der Aktienmarkt auls einschneidenste betroffen wurde. Aus der damaligen Unverkäuflichkeit der Aktien läßt sich daher kein Rückschluß dahin ziehen, daß in den vorausgegangenen Monaten der Hochinflation mit ihren völlig anderen Verhältnissen ein Absatz mit wirklichem finanziellen Nutzen für die AGunmöglich gewesen wäre. Es ist zunächst davon auszugehen, daß der Zweck der Kapitalerhöhung die Gewinnung weiterer finanzieller Mittel für die AG. war und daß dieser Zweck durch treuhänderische Verwertung der Jungen Aktien über die GmbH, erreicht werden sollte; auch steht anderseits fest, daß die Beklagten D. und Dr. G. unter Mithilfe des Beklagten A. Sch. mehr als 4/s der jungen Aktien so gut wie umsonst, also zweck- und bestimmungswidrig unter mißbräuchlicher Ausnützung ihrer Stellung als gesetzliche Vertreter und Aufsichtsratsmitglieder an sich gebracht haben, obwohl eine anderweitige nutzbringende Veräußerung der jungen Aktien sicher zu erreichen war. Bei dieser Sachlage ist ein solches Vorgehen und damit auch das Abkommen vom 25. August 1923 in seinen hierher gehörigen Teilen allerdings mit dem Anstands- und Gerechtigkeitsgefühl billig und gerecht denkender Leute unvereinbar. Hierdurch wäre der AG. der Nutzen aus der Begebung von rund 4/s der jungen Aktien entgangen und insofern wäre sie geschädigt. Auch die Kläger als Aktionäre wären unmittelbar geschädigt. Ihr Aktienbesitz war durch die starke Kapitalerhöhung verwässert und, weil zufolge des Vorgehens der Beklagten irgendwelche neue Mittel der AG. für den größten Teil der Jungen Aktien nicht zugeflossen sind, stark entwertet. Eine ausreichend begründete Feststellung dahin, daß sich die Beklagten D., Dr. G._u. A. Sch. dieser Folge ihrer Handlungsweise nicht bewußt gewesen seien, hat das Berufungsgericht bisher n : cht getroffen. Auf die Generalversammlungsbeschlüsse vom 25. August 1923 könnten sich diese Beklagten zu ihrer Verteidigung nicht berufen. Denn deren Ausführung durch sie wäre eben durchaus zweck- und bestimmungswidrig gewesen. Die Bedenken des Berufungsgerichts gegen die Begründung der Klage aus § 826 BGB. und § 312 HGB. im Vergleich mit § 823 Abs. 2 BGB. (bei der Beklagten A. Sch. GmbH, käme Haftung aus § 31 BGB. in Frage) sind deshalb, wie der Revision zuzugeben ist, nicht stichhaltig. Es fragt sich noch, ob etwa die Revision aus anderen Gründen scheitern muß. Die Beklagten hatten auch die Aktivlegitimat : on der Kläger bestritten, und zwar einmal, weil ihre Papiermarkaktien inzwischen für kraftlos erklärt und die an ihre Stelle getretenen Gold-

Unerlaubte Handlungen

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markaktien versteigert worden, die Kläger also gar nicht mehr Aktionäre der AG. seien. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen zutreffend mit der Bemerkung zurückgewiesen, daß die Kläger mit dem Verlust ihres Aktienbesitzes nicht auch gleichzeitig einen zuvor entstandenen Schadensersatzanspruch verloren hätten. Di« Beklagten hatten aber gegen die Sachberechtigung der Kläger noch weiter eingewandt, daß zur Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche aus der Verteilung und Verwertung der jungen Aktien nur die AG. oder die GmbH, befugt sei. Hierzu hat das Berufungsgericht nicht Stellung genommen. Dieser Einwand ist zweifellos insoweit unbegründet, als die Kläger Schadensersatzansprüche aus sittenwidriger Verkürzung ihrer Bezugsrechte herleiten wollen. Denn in wessen Händen sich die einzelnen Aktien befinden, ist für die AG. als solche gleichgültig; ihr wäre durch eine sittenwidrige Hintansetzung der Kläger kein Schaden erwachsen und sie wäre deshalb zur Geltendmachung hierauf gestützter Ansprüche nicht in der Lage. Wohl aber wäre insoweit eine vermögensrechtliche Schädigung der Kläger an und für sich denkbar. Allein ihr Ersatzanspruch aus diesem Gesichtspunkt entfällt, wie oben dargelegt, aus anderen Gründen. Soweit die Kläger dagegen ihren Schadensersatzanspruch darauf stützen, daß die Beklagten D. u. Dr. G. die jungen Aktien ohne Gegenleistung an sich gebracht und hierdurch die AG. und sie als Aktionäre geschädigt haben, könnten allerdings Bedenken gegen ihre Sachberechtigung bestehen. Sicher ist nämlich so viel, daß d e Kläger ihre Schadensersatzansprüche nicht schon aus §§ 241, 249 HGB. herleiten könnten. Denn Verabsäumungen und Verstöße von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern gegen diese Vorschriften begründen, wie anerkannten Rechtens ist, nur Ersatzansprüche der Gesellschaft. Die §§ 241, 249 HGB. sind insbesondere auch keine Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. zugunsten der Aktionäre (RGZ. Bd. 63 S. 324, Bd. 73 S. 30 und 393, Bd. 81 S. 271, ferner J W . 1906 S. 464). Die Klagebehauptungen reichen aber weiter, sofern den Beklagten eine unerlaubte Handlung — insbesondere vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Kläger im Sinne des § 826 BGB. — vorgeworfen wird. Zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf dieser Grundlage sind die Kläger als unmittelbar Betroffene befugt (RG. in LZ. 1908 Sp. 448 Nr. 23, Sp. 449, Nr. 24; 1909 Sp. 66), und zwar gerade auch in der Form, daß sie Ersatz eines etwaigen Mmderwerts ihrer Aktien beanspruchen können. Der Schadensersatzanspruch der Gesellschaft schließt, jedenfalls insolange als er nicht befriedigt ist, einen solchen Sonderanspruch des einzelnen Aktionärs nicht aus; dieser ist nicht darauf beschränkt, seine Rechte und Interessen im Rahmen der Gesellschaft und durch sie, d. h. durch ihre Organe wahrnehmen zu lassen. . . .

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Schuldrecht, Besonderer Teil

RGZ. 115, 416») Kann unter Umständen ein Verstoß gegen die guten Sitten darin gefunden werden, dafi eine Auskunftei in die über jemand erteOte Auskunft eine von ihm erlittene Vorstrafe aufgenommen hat? BGB. § 826. IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht I Berlin.

Urt. v. 13. Januar 1927. II. Kammergericht daselbst.

Der im Jahre 1883 geborene Kläger wurde 1907 wegen Verleitung zum Meineid, Beihilfe zur Untreue, versuchten Betruges und Unterschlagung zu 3 Jahren 6 Monaten Zuchthaus verurteilt, auch wurden ihm die bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren aberkannt. Er hat die Strafe bis auf 8 Monate, die ihm im Gnadenweg erlassen wurden, verbüßt. Die beklagte Auskunftei hat in Auskünfte, die sie in den letzten Jahren ihren Kunden über den Kläger erteilt hat, diese Tatsachen aufgenommen und beabsichtigt es auch fernerhin zu tun. Der Kläger beantragte mit der Klage der Beklagten das zu untersagen, und stellte, nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hatte, vor dem Berufungsgericht bei Wiederholung des Hauptantrags den Hilfsantrag, der Beklagten zu verbieten, die Verurteilung anders zu erwähnen als in der Form, daß er in den Jahren 1905/06 sich in Geschäfte habe verwickeln lassen, die ihn mit dem Strafgesetz in Konflikt gebracht hätten. Das Berufungsgericht erkannte nach dem Hilfsantrag, setzte jedoch an Stelle der Worte ,,in den Jahren 1905/1906" die Worte „in jungen Jahren". Die Revision der Beklagten blieb ohne Erfolg aus folgenden Gründen: Die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende vorbeugende Unterlassungsklage setzt voraus, daß gegenständlich ein widerrechtlicher Eingriff in ein geschütztes Rechtsgut vorliegt und daß die — hier einwandfrei festgestellte — Gefahr der Wiederholung begründet ist (RGE. vom 21. Februar 1925 IV 466/24; RGZ. Bd. 95 S. 339). Als Rechtsgut kommt das Vermögen des Klägers in Frage, soweit es durch § 826 BGB. geschützt ist. Ob in solchem Falle der gegenständliche Tatbestand von dem persönlichen zu lösen ist (vgl. RGR. Komm. § 826 Anm. III b a. E.), bedarf nicht der Erörterung, da das Berufungsgericht auch den persönlichen Tatbestand für nachgewiesen erachtet hat. Es fragt sich nur, ob die Beklagte im Sinne des § 826 BGB. gegen die guten Sitten verstoßen hat, indem sie sich bei Mitteilung der vom Kläger erlittenen Strafe nicht einer milderen Form — wie im angefochtenen Urteil eingegeben — bediente, sondern Art und Dauer der Strafe und der Nebenstrafe, sowie die *) Vgl. auch Bd. 115 S. 122 (abgedr. unter „Recht der Schuldverhältnisse, Verpflichtung zur Leistung").

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den Gegenstand der Verurteilung bildenden Straftaten genau bezeichnete. Da die mitgeteilten Tatsachen der Wahrheit entsprachen, so kann die Sittenwidrigkeit ihrer Mitteilung nur beim Vorliegen besonderer Umstände angenommen und aus ihnen hergeleitet werden (vgl. RGZ. Bd. 76 S. 112; WarnRspr. 1914 Nr. 186). Diese Umstände müssen so geartet sein, daß das Anstandsgefühl des gerecht und billig denkenden Durchschnittsmenschen die Mitteilung in der gewählten schroffen Form ablehnt. Die Meinung des Berufungsgerichts, daß diese Voraussetzungen erfüllt seien, ist bei dem festgestellten Sachverhalt rechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings kommen für die Beklagte bei Erteilung einer Auskunft in erster Reihe die berechtigten Belange de« Kunden in Betracht, der die Auskunft einholt, um für seine Entscheidung über Eingehung oder Fortsetzung geschäftlicher Beziehungen die nötigen Unterlagen zu gewinnen. Als solche kann eine Bestrafung dessen, über den die Auskunft verlangt wird, von Bedeutung isein. Es ist aber nicht zu billigen, wenn eine Auskunftei die Beurteilung der Frage, ob die Kenntnis von der Strafe für den Kunden eine geschäftliche Bedeutung hat, lediglich dem Kunden überläßt. Sie ist vielmehr verpflichtet, in dieser Hinsicht selbst eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen. Denn es entspricht in der Tat den zur sittlichen Norm gewordenen heutigen Anschauungen, wie sie insbesondere in dem Gesetz vom 9. April 1920 (RGBl. S. 507) zum Ausdruck gelangt sind (vgl. RGU. vom 8. Dezember 1926 III 92/26), daß eine, wenn auch schwere Bestrafung, vor allem eine einmalige in jungen Jahren erlittene, dem Verurteilten nicht lebenslang nachgetragen werden darf, daß ihm vielmehr dazu verholfen werden muß, die Verfehlung durch einwandfreies soziales Verhalten wieder gutzumachen, sich ein neues wirtschaftliches Leben aufzubauen und sein gesellschaftliches Ansehen wieder zu erwerben. An dieser Auffassung darf auch eine Auskunftei nicht vorübergehen. Sie muß sich ihrer allgemeinen Menschenpflicht gegenüber denen, über die sie Auskunft gibt, bewußt bleiben und mit Sorgfalt prüfen, ob es der einer Wiedergewinnung des Ansehens hinderlichen Mitteilung der Vorstrafe ibedarf, um den Belangen des Kunden gerecht zu werden. Kann ihre Erwähnung unter diesem Gesichtspunkt nicht gänzlich unterbleiben, so fragt es sich, ob die Mitteilung aller Einzelheiten von Strafe und Tat nötig ist und nicht vielmehr zur Schonung des Betroffenen eine mildere Form genügt. Handelt die Auskunftei diesen Grundsätzen zuwider, mit denen im wesentlichen auch die Ausführungen in S c h i m m e l p f e n g s Handbuch des deutschen Auskunftswesens S. 220 flg. übereinstimmen, so setzt sie sich mit der

344 sittlichen Auffassung aller gerecht und billig Denkenden in Widerspruch. Das Berufungsgericht hat nun mit eingehender Begründung angenommen, daß den berechtigten Belangen der Kunden der Beklagten nach der gegenwärtigen Lage der Sache genügend gedient sei, wenn die Auskunft in der aus der Urteilsformel ersichtlichen milderen Form erteilt werde. Der Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt ferner als Meinung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte bei sorgfältiger Prüfung sich von der Entbehrlichkeit weiterer Mitteilungen über die Bestrafung hätte überzeugen müssen. Beide Annahmen sind im wesentlichen tatsächlicher Art und unterliegen insoweit nicht der Nachprüfung durch das Reviisionsgericht. Sie ergeben, daß die Beklagte die nach dem Erörterten gebotene Rücksichtnahme auf den in der Auskunft Behandelten außer acht gelassen und damit gegen die guten Sitten verstoßen hat. Der Revision kann auch nicht zugestanden werden, daß durch das Berufungsurteil der Beklagten die Erteilung einer unrichtigen Auskunft angesonnen werde. Eine Auskunft dieses Inhalts steht mit den verübten Straftaten nicht in Widerspruch. Ebensowenig ist der Revision darin recht zu geben, daß die Beklagte nur die Wahl zwischen der Mitteilung der uneingeschränkten Wahrheit und dem völligen Verschweigen der Strafe gehabt habe, weil die vom Berufungsgericht vorgeschlagenen „dunklen Andeutungen" erfahrungsgemäß eine weit schlimmere Wirkung zeitigten als die reine Wahrheit und über das Maß des Geschehens hinaus „dem bösen Verdacht Spielraum ließen". Das Berufungsgericht hat in tatsächlicher Erwägung festgestellt, daß im vorliegenden Falle die von ihm gewählte Form, die mit der Auskunft einer anderen Auskunftei übereinstimmt, für den Kläger eine wesentliche Erleichterung bedeute, insbesondere deshalb, weil es eine Sensation sei, daß ein wohlhabender und geachteter Geschäftsmann im Zuchthaus gesessen habe, und die Weiterverbreitung einer derartigen Nachricht sich kaum werde verhindern lassen, während man sonst über eine in der Jugend vor langen Jahren erlittene Strafe leichter hinwegsehe. Auf die Bedeutung der Form, in der die Mitteilung einer Bestrafung erfolgt, ist auch in S c h i m m e l p f e n g s Handbuch a. a. O. hingewiesen. . . . RGZ. 116, 286 Haftet die Reichspost ohne Rücksicht auf Verschulden für die todliche Verletzung eines Vorbeikommenden durch den tiefhängenden Draht einer unfertigen Telegraphenleitung, in den aus einer fremden Hochspannungsleitung Starkstrom übergetreten war?

Unerlaubte Handlungen

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BGB. §§ 276, 831, 832. Telegraphenwege-Gesetz vom 18. Dezember 1899 § 12. IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Oldenburg.

Urt. v. 14. März 1927. II. Oberlandesgericht daselbst.

Am 19. November 1923 nachmittags ließ die Beklagte in A. durch einen aus vier Angestellten bestehenden Bautrupp Telephondrähte ziehen. Die Drähte mußten zum Teil über die Starkstromleitung hinweggehoben werden, die den Ort mit Licht versorgte. Das geschah an einer Stelle mittels einer Leiter. An zwei anderen Stellen wurden die Drähte in benachbarte Bäume verlegt. An der vierten Stelle wurden sie von den Arbeitern einfach über die Starkstromleitung gezogen. Unweit dieser vierten Stelle empfing der Landwirt V. aus R., als er in gebückter Haltung unter einem noch nicht gespannten, tiefer hängenden Draht durchgehen wollte, bei der Berührung eines zweiten tiefhängenden Telephondrahtes einen elektrischen Schlag, der ihn tötete. Seine Witwe und seine Kinder verlangen Schadensersatz. Beide Instanzen haben den Anspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Gründe: Das Berufungsgericht meint, die Reichspost habe für den hier eingetretenen Unfall auch dann aufzukommen, wenn sie keine Schuld treffe. Man müsse sagen, daß, wo immer ein Rechtsgut widerrechtlich verletzt werde infolge einer Handlungsweise, die der Geschädigte zu dulden gezwungen sei, ein Ersatzanspruch auch ohne Nachweis eines Verschuldens gegeben sei; das sei als deutsches Gewohnheitsrecht anzusehen oder aus rechtsähnlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts zu folgern. Dem kann nicht beigetreten werden. Ein solches Gewohnheitsrecht ist weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung anerkannt. Schon die vom Berufungsgericht selbst angeführten Sondergesetze (das Reichshaftpflichtgesetz, das Kraftfahrzeuggesetz und das Luftverkehrsgesetz) standen mit ihrer ins einzelne gehenden Haftpflichtregelung der Bildung eines solchen Gewohnheitsrechts entgegen ( S e l i g s ö h n in J W . 1922 S. 1511). Auch rechtsähnliche Vorschriften, die einen so weitgehenden Rechtssatz zu rechtfertigen geeignet wären, sind nicht vorhanden. Dem Grundstückseigentümer, der sich die Einwirkungen eines obrigkeitlich genehmigten gefährlichen oder sonst störenden Gewerbebetriebs auf sein Grundstück gefallen lassen muß, wird allerdings wegen dieses Eingriffs in sein Eigentumsrecht ein Entschädigungsanspruch eingeräumt, der kein Verschulden des Verpflichteten voraussetzt (Komm. v. RGR. z. BGB. § 906 Anm. 13). Aber das kommt

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Schuldrecht, Besonderer Teil

hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die Grundstücke des Verunglückten nicht in der Ortschaft A. lagen. Aus der im angefochtenen Urteil angeführten, vor der Erlassung des Luftverkehrsgesetzes ergangenen Entscheidung RGZ. Bd. 100 S. 69, die den Grundstücksmieter dem Eigentümer des Grundstücks gleichstellt, ist für die Anschauung des Berufungsgerichts nichts zu entnehmen. Auch handelt es sich im Streitfall nicht etwa um ein abgeschmolzenes oder abgerissenes Drahtstück, das von einer fertigen Telegraphenleitung heruntergefallen war (§§ 836, 837 BGB., RGU. vom 11. Mai 1925 in JRsch. 1925 II S. 1174 Nr. 1633). Ein Bedürfnis, für TelegraphenJeitungen neben den Vorschriften des Telegraphenwegegesetzes vom 18. Dezember 1899 (§ 12 Abs. 2) durch die Rechtsprechung eine Gefährdungshaftung des Unternehmers zu begründen, ist zudem nicht anzuerkennen. Denn solche Leitungen sind einschließlich der Herstellungsarbeiten — im Gegensatz zu den Starkstromleitungen — regelmäßig, sofern sie nicht gerade mit einer Starkstromleitung oder einer anderen Gefahrenquelle zusammentreffen, nicht gefährlich. Daß jeder Draht gefährlich werden kann, wenn man ihn über eine Starkstromleitung wirft und herunterhängen läßt, ist richtig. Aber dafür ist nicht der Eigentümer des die Gefahr nicht aus sich selbst ausströmenden, sondern nur weiterleitenden Drahtes verantwortlich zu machen, sondern unter Umständen der Unternehmer der Starkstromleitung und jedenfalls derjenige, der ihn — selbst oder durch andere — schuldhaft (§§ 276, 832, 831 BGB., §§ 222, 230 StGB.) über die Starkstromleitung gelegt hat. Auch im vorliegenden Fall hätte kein Unheil entstehen können, wenn der Bautrupp die beim Hinüberheben neuer Telephondrähte über die Starkstromleitung erforderliche Sorgfalt nicht in so weitgehendem Maße außer acht gelassen hätte. Im übrigen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, inwiefern für den Verunglückten oder sonst jemand eine Rechtspflicht zum Dulden offensichtlicher Verstöße der Telegraphenarbeiter gegen die Dienstvorschriften bestanden haben soll. Danach wird das Berufungsgericht dazu Stellung nehmen müssen, ob eine unerlaubte Handlung der Beklagten im Sinne der §§ 823, 31, 89, 831 BGB. und gegebenenfalls ein Mitverschulden des Verunglückten im Sinne des § 254 BGB. vorliegt.

RGZ. 117, 423 t 1. Unterliegt der Ersatzanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer im Falle der Verschaffung des Besitzes durch verbotene Eigenmacht oder durch eine strafbare Handlung der kurzen Verjährung nach § 852 BGB.?

Unerlaubte

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Handlungen

2, Gilt ein nur über den Grnnd des Anspruchs ergangenes Urteil nach § 304 ZPO als eine rechtskräftige Feststellung des Anspruchs nach § 218 BGB.? 3. . . . * ) BGB. §§ 203, 211, 218, 852, 992. IV. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Düsseldorf.

Urt. v. 7. Juli 1927. II. Oberlandesgericht

daselbst.

Bei einem im Mai 1919 im Geschäft des Klägers verübten Einbruch sind wertvolle Kleiderstoffe gestohlen worden; der Beklagte hat einen größeren Posten solcher Stoffe von den Dieben gekauft und ist deshalb wegen Hehlerei zur Strafe verurteilt worden. Einen Teil der Stoffe hat der Kläger zurückerhalten, einen anderen Teil hatte der Beklagte schon weiterverkauft. Im Januar 1920 hatte der Kläger gegen den Beklagten eine Klage auf Zahlung von 25 000 M. als Schadensersatz erhoben und dabei erklärt, daß das nur einen Teil seines Schadens darstelle und er sich die Erhöhung des Betrags vorbehalte. Der Prozeß endete damit, daß der Beklagte durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 24. März 1924 zur Zahlung von 200 Billionen Mark nebst Zinsen verurteilt wurde. Diesen Betrag hat er bezahlt. Im Oktober 1925 hat der Kläger die jetzige Klage erhoben, mit der er Bezahlung von 12 000 RM. nebst Zinsen verlangte, wobei er wieder diesen Betrag als Teil seines Anspruchs bezeichnete und sich die Erhöhung vorbehielt; er begründete den Anspruch damit, daß der Wert der nicht an ihn zurückgekommenen Waren über 27 000 M. betragen habe, daß aber auch die zurückgekommenen Waren durch unsachgemäße Behandlung erheblich entwertet gewesen seien, sowie daß er zudem einen Schaden an einem Betrag von 4000 M. erlitten habe, den er als Sicherheit zur Vollstreckung eines gegen den Beklagten erwirkten Arrestes hinterlegt habe und der während der Hinterlegungszeit der Entwertung anheimgefallen sei. Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 5000 RM. nebst Zinsen und wies im übrigen die Klage ab. Der Beklagte legte Berufung ein und beantragte völlige Abweisung der Klage. Das Oberlandesgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 700 RM. nebst Zinsen und wies im übrigen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte zu einem Teil Erfolg. Gründe: Der Betrag, den das Berufungsgericht dem Kläger zuerkannt hat, bezieht sich auf den Geldentwertungsschaden, .den er an der im »)

Ueberholt.

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Schuldrecht, Besonderer Teil

Arrestverfahren hinterlegten Sicherheit erlitten hat. Insoweit ist das Berufungsurteil nicht angefochten. Die Abweisung der Klage wegen der weiteren Beträge begründet das Berufungsgericht damit, daß die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durchgreife. Der Kläger habe im Vorprozeß mit den damals den Gegenstand der Klage bildenden 25 000 PM. von vornherein überhaupt nur einen Wert von etwa 3000 GM. eingeklagt gehabt, so daß für den Mehrbetrag keine Unterbrechung der in § 852 BGB. angeordneten dreijährigen Verjährung erfolgt sei. Aber auch wegen des eingeklagten Betrags sei im Laufe des Prozesses Verjährung insoweit eingetreten, als der Prozeß vom Kläger nicht weiter betrieben worden sei (§ 211 Abs. 2 BGB.). Dies sei insofern der Fall gewesen, als der Kläger trotz immer fortschreitender Geldentwertung bei seinem Antrag auf Bezahlung von 25 000 PM. stehen geblieben sei und erst im Laufe der zweiten Instanz zuerst 50, dann 200 Billionen Mark verlangt habe. Zu Beg'nn des jetzigen Prozesses sei deshalb die Verjährung des jetzt geltend gemachten Betrags schon vollendet gewesen; dagegen sei der Kläger auch nicht durch seine Erklärung geschützt worden, daß er sich Erhöhung des Betrags vorbehalte. Die Revision bezeichnet es zunächst als verfehlt, daß das Berufungsgericht die Verjährungsvorschrift in § 852 BGB. als maßgebend erachtet habe; denn der Anspruch des Klägers leite sich in erster Reihe aus dem Eigentume her, wofür die Vorschriften in den §§ 990, 987, 989 BGB. maßgebend seien und die Verjährungsfrist 30 Jahre betrage. (Es wird zunächst ausgeführt, daß im Vorbringen des Klägers eine Berufung auf die bezeichneten Vorschriften gefunden werden müsse; dann wird fortgefahren:) Dann konnte aber sein Anspruch nicht ohne weiteres wegen Ablaufs der in § 852 BGB. angeordneten dreijährigen Verjährung abgewiesen werden; denn die aus dem Eigentum fließenden, in §§ 985 flg. BGB. geregelten Ersatzansprüche unterliegen nicht dieser kurzen Verjährung. Dies ist namentlich auch nicht etwa aus § 992 zu entnehmen, dessen besondere Voraussetzungen allerdings nach dem festgestellten Sachverhalt hier gegeben sind. Der § 992 sagt zwar, der Besitzer hafte nach den Vorschriften über den Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen; aber das ist nicht dahin zu verstehen, daß das Gesetz hier gegen den Eigenbesitzer einen Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 823 flg. BGB. an die Stelle der in den vorausgegangenen Paragraphen (§§ 985 flg.) behandelten Ersatzansprüche aus Verletzung des Eigentums setzen will, sondern dahin, daß es diese Ersatzansprüche über die §§ 983 flg. hinaus bis zum Umfang eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung erweitern.

349 im übrigen aber den Ersatzanspruch als solchen bestehen lasesn will. Daraus folgt, daß die Verjährungsvorschrift für die in § 992 behandelten Ansprüche nicht aus § 852, sondern aus § 195 BGB. zu entnehmen ist. Es bedarf deshalb noch einer Prüfung der Frage durch den Tatrichter, ob der Anspruch des Klägers sich aus §§ 985 flg. begründen läßt. Sollte das Berufungsgericht diese Vorschriften aus irgendeinem Grunde für nicht anwendbar halten, dann käme es auf die von ihm erörterte Frage an, ob die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 während des Rechtsstreits abgelaufen ist, was die Revision bestreitet. Insoweit ist jedoch dem Berufungsgericht beizutreten. Das rechtskräftig gewordene Urteil, daß im Vorprozeß gemäß § 304 ZPO. über den Grund des Anspruchs am 27. Mai 1921 ergangen war, hatte nicht die Wirkung, daß von da ab eine 30jährige Verjährung lief, sondern die Einwirkung dieses Urteils hatte nur die Bedeutung einer den Prozeß betreibenden Handlung nach § 211 Abs. 2 BGB. Soweit ihm nicht weitere solche Handlungen nachgefolgt sind, ist von diesem Urteil an wieder die dreijährige Verjährung gelaufen (RGZ. Bd. 66 S. 10). . . . RGZ. 118, 91 Haftet eine Verkehrsgesellschaft reinem Fahrgast für den verkehrssicheren Znstand eines öffentlichen Platzes, der von der Gemeinde hauptsächlich für die Zwecke der Gesellschaft hergestellt ist? BGB. § 823. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Dresden.

Urt. v. 22. September 1927. II. Oberlandesgericht daselbst.

Die Beklagte betreibt auf der Elbe einen Dampfschiffahrtsverkehr, welcher der Beförderung von Personen und Gütern dient. Zu den in diesen Verkehr einbegriffenen Orten gehört die Stadt P. Die Beklagte besitzt dort zwei in kurzer Entfernung voneinander befindliche Anlegestellen. Die Stadtgemeinde P. hat der Beklagten durch Vertrag vom 26. August 1901 das Recht eingeräumt, das in der Gegend der Anlegestellen an der Elbe sich hinziehende, ausgebaute und gepflasterte Gelände für den Verkehr ihrer Fahrgäste und Güter zu benutzen, und hat sich verpflichtet, das Gelände instandzusetzen und zu unterhalten. Die Beklagte hat nach dem Vertrag für die Benutzung und Herstellung jährlich 100 M. zu zahlen und für die Sicherheit der Personen und Sachen auf dem Gelände zu sorgen. Auf diesem Platz ist die Ehefrau des Klägers, als sie sich mit ihm zu einer Anlegestelle begeben wollte, um mit* einem Dampfer der verklagten Gesellschaft abzufahren, dadurch zu Fall

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Schuldrecht, Besonderer Teil

gekommen, daß sie mit einem Fuß in eine Stelle trat, an der seit Jahren ein Stein im Pflaster fehlte. Für den durch den Unfall entstandenen Schaden macht der Kläger auf Grund seines ehemännlichen Verwaltungsrechts die Beklagte aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung haftbar. Beide Vordergerichte haben den Anspruch festgestellt, das Landgericht ganz, das Oberlandesgericht zu einem Teil. Die Anschlußrevisdon der Beklagten, um die es sich hier allein handelt, hatte keinen Erfolg. Gründe: Die Feststellung des Berufungsgerichts geht dahin: Das Gelände in der Gegend der Anlegestelle, der „Dampfschifflandeplatz", stehe im Eigentum der Stadt P. und sei von ihr als öffentlicher Weg oder Platz ausgebaut und dem Verkehr übergeben worden. Es handle sich dabei um keine Durchgangsstraße. Anlage und Ausbau seien erfolgt, damit der Platz der Beklagten als Ein- und Ausschiffplatz zur Verfügung gestellt werden könne. Der Ausbau wäre nicht erfolgt, wenn nicht die Beklagte dort ihre Schiffe halten ließe. Wenn auch Spaziergänger und vereinzelte Fischer und fremde Schiffsleute dort verkehrten, so sei der Platz doch im wesentlichen für die Zwecke der Beklagten bestimmt. Diese habe sich durch den Vertrag vom 26. August 1901 ein eigenes Privat- und Nutzungsrecht an dem Platz einräumen lassen, wodurch ihr für ihre Zwecke die Verfügung über ihn übertragen worden sei. Sie habe in dem Vertrag auch selbst die Fürsorge für die auf dem Platz befindlichen Personen und Sachen übernommen. Das Berufungsgericht entnimmt daraus, nicht nur die Stadtgemeinde, sondern vor allem auch die Beklagte selbst habe auf dem Platz einen öffentlichen Verkehr eröffnet und hafte daher auch für dessen Sicherheit. Die Revision meint, in diesen Ausführungen liege ein Widerspruch; denn wenn die Stadt den Platz dem Verkehr übergeben habe, so stehe einer Privatperson nicht mehr das Recht und die Möglichkeit zu, dort auch ihrerseits einen solchen Verkehr zu eröffnen. Die Rüge kann aber nicht als begründet anerkannt werden. Selbst wenn man die Ansicht des Vorderrichters teilt, die Stadt habe auf dem Platz einen öffentlichen Verkehr eröffnet, so ist nach den besonderen Umständen des Falles in der Annahme, auch die Beklagte habe das getan, kein rechtlicher Verstoß und auch keine gedankliche Unmöglichkeit zu erblicken. In Uebereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ. Bd. 54 S. 53, Bd. 106 S. 340) nimmt das Berufungsgericht an, daß derjenige, der einen Verkehr an einem Orte eröffnet und die Verfügung über ihn hat, für die Sicherheit des Verkehrs haftet. Nach den Feststellungen liegen beide Voraussetzungen hier vor. Oeffentliche Wege und Plätze sind zum Gemeingebrauch bestimmt; jedermann

Unerlaubte

Handlungen

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darf sie in den Grenzen des Gemeingebrauchs benutzen. Dagegen bedarf es zu einem der Art oder dem Umfang nach darüber hinausgehenden Gebrauch einer besonderen Erlaubnis des zur Verfügung über den Weg Berechtigten, der Gewährung eines Sonderrechts. Das gilt insbesondere z. B. für das Legen von Schienen und Rohrleitungen auf öffentlichen Wegen, für die Ueberspannung des darüber befindlichen Luftraums mit Drähten, für die Anbringung von Schaukästen u. a. (vgl. dazu die Aufsätze „Oeffentliche W e g e " Nr. 3 in v. d. M o s e l , Handwörterbuch des Sächsischen Verwaltungsrechts 13. Aufl.). Auch das sächsische Gesetz über die Wegebaupflicht vom 12. Januar 1870 (Sächs. Gesetz- und Verordnungsblatt 1870 S. 5) sieht in § 17 bei solchen Personen, die einen öffentlichen Weg in besonders starkem Maße benutzen und abnutzen, die Heranziehung zu Sonderbeiträgen vor. Die Regelung aller dieser Verhältnisse kann auch durch privatrechtliche Abmachungen zwischen dem Herrn und dem Benutzer des Weges erfolgen. Vorliegend gegen die besonderen Umstände und die Vereinbarungen über die eben erörterten Fälle noch weit hinaus. Die ganze Anlegung des Platzes geschah im wesentlichen nur für die Zwecke der Beklagten; der Verkehr von und nach ihren Schiffen war der Anlaß dafür und stellte auch tatsächlich die Hauptbenutzung des Platzes dar; der anderweite Verkehr war offenbar unbedeutend; die Rücksicht auf ihn hatte bei der Anlegung keine Rolle gespielt. Alles das kam auch im Vertrag zum Ausdruck. Der Beklagten wird ein besonderes Benutzungsrecht eingeräumt, ihr gegenüber verpflichtet sich die Stadt zur Herrichtung und Unterhaltung des Platzes, sie zahlt für seine Benutzung und Herstellung jährlich einen nicht unerheblichen Betrag, sie verpflichtet sich zur Sorge für die Sicherheit des Verkehrs. Damit hatte die Beklagte also, wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt, für ihre Zwecke ein Sonderrecht über den Platz erlangt, das ihr eine erhebliche Verfügungsgewalt über ihn gab. An dem Verkehr, der sich auf dem Platz abwickeln sollte, war die Beklagte die Hauptbeteiligte; durch ihren Betrieb wurde er veranlaßt. Um ihn zu erleichtern und bequem zu gestalten, traf sie die Abrede mit der Stadt über Anlegung und Ausbau des Platzes. Eis war nicht so, wie die Revision annimmt, daß die Stadt den Verkehr eröffnete und nun der Beklagten noch besonders gestattete, auch ihren Verkehr sich dort vollziehen zu lassen. Vielmehr war gerade dieser letztere Verkehr die Hauptzweckbestimmung der Anlegung. Und wenn sich die Beklagte Anlegung und Unterhaltung durch besonderen Vertrag sicherte, so eröffnete sie zum mindesten im Zusammenwirken mit der Stadt den Verkehr. Sie muß daher auch für die Sicherheit des Verkehrs haften, wie dies ja auch der Vertrag im Verhältnis der Vertragsparteien besonders anordnet, jedenfalls insoweit, als der Verkehr durch ihren Betrieb veranlaßt ist. Ob außerdem auch eine Haftung der Stadt besteht, braucht hier

Schuldrecht, Besonderer Teil

nicht erörtert zu werden. Daß neben dem Eigentümer, der einem andern die Benutzung seines Grundstücks oder eines Teils davon überläßt, auch der Benutzer dort einen Verkehr eröffnen und deshalb für die Verkehrssicherheit haftbar gemacht werden kann, ist im Gebiete des bürgerlichen Rechts für das Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter vom Reichsgericht bereits anerkannt (RGZ. Bd. 92 S. 359 und Bd. 95 S. 61). . . . RGZ. 118, 312 Ist § 266 StGB, als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. anzusehen? Zum Tatbestand der Untreue. VI. Z i v i 1 s e n a t. Urt. v. 10. Oktober 1927. I. Landgericht II Berlin.

II. Kammergericht daselbst.

Der Kläger hat zu notariellem Protokoll vom 2. November 1922 dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Beklagten R. ein Grundstück zum Kauf angeboten, und zwar mit Frist bis zum 1. April 1923. Der Kaufpreis wurde mit 700 000 M. angegeben, davon wurden 100 000 M. als gezahlt anerkannt; an Hypotheken sollten 133 400 M. übernommen, der Rest von 466 600 M. sollte Zug um Zug gegen die Auflassung gezahlt werden. In besonderer notarieller Urkunde vom gleichen Tage erteilte der Kläger dem Ehemann R. eine bis zum 5. April 1923 unwiderrufliche Auflassungsvollmacht. Auf Grund dieser Vollmacht ließ der Ehemann der Beklagten R. am 29. November 1922 das Grundstück an seine Ehefrau auf. In der Auflassungsurkunde wurde ein Kaufpreis von 700 000 M. angegeben und erklärt, daß eine Urkunde über das Veräußerungsgeschäft nicht errichtet sei. Am 13. Dezember 1922 wurde die Beklagte R. als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Sie verkaufte es am 18. Dezember 1922 für 1 123 400 M. weiter an den Beklagten Ko., der am 26. Januar 1923 als Eigentümer eingetragen wurde. Nachdem der Kläger Ende Dezember 1922 die grundbuchamtliche Benachrichtigung über die Eintragung der Beklagten R. erlangt hatte, ging dem Ehemann R. ein mit der Unterschrift des Klägers versehenes Schreiben vom 21. Januar 1923 zu, worin Zahlung von 566 600 M. gefordert wurde, widrigenfalls Anzeige wegen Betrugs erstattet würde. Am 22. Januar 1923 focht sodann der Kläger das Angebot vom 2. November 1922 wegen Irrtums und Betrugs an. Darauf hinterlegte der Ehemann R. am 25. Januar 1923 beim Anwalt des Klägers 466 600 M. als Restkaufpreis zur Abführung an den Kläger gegen Uebergabe der das Grundstück betreffenden Papiere. Der Kläger lehnte jedoch die Annahme ab. Am 30. März 1923 erklärte der Ehemann R. die

Unerlaubte Handlungen

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Annahme des Angebots vom 2. November 1922 zu notariellem Protokoll; hiervon erfuhr der Kläger erst im Laufe des Rechtsstreits. Der Kläger forderte von den beiden Beklagten die Wiederverschaffung des Eigentums an dem Grundstück. Das Landgericht wies die Klage beiden Beklagten gegenüber ab. Die Berufung des Klägers, die nur gegen die Beklagte R. durchgeführt wurde, war erfolglos. Seine Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung. Aus den G r ü n d e n : Der Kläger erblickt eine zum Schadensersatz verpflichtende unerlaubte Handlung der Beklagten R- darin, daß sie in Kenntnis der ganzen Sachlage die von ihrem Ehemann auf Grund der Auflassungsvollmacht des Klägers vom 2. November 1922 vorgenommene Auflassung entgegengenommen und dadurch an einer von ihrem Ehemann dem Kläger gegenüber begangenen Untreue mitgewirkt habe. Dieser Sachverhalt wäre allerdings geeignet, eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB. zu begründen, sofern sich die Beklagte der Beihilfe zu einer Untreue zum Nachteil des Klägers schuldig gemacht hätte (§ 266 Nr. 2, § 49 StGB.); denn sie würde dadurch gegen ein den Schutz eines andern bezweckendes Gesetz, nämlich die Strafvorschrift des § 266 StGB., verstoßen haben. Das Berufungsgericht hat auch angenommen, daß der Kläger seiner Beweispflioht für die vom Ehemann R. ihm gegenüber verübte Untreue und für die von der Beklagten R. dazu geleistete Beihilfe genügt habe. Es erachtet aber trotzdem den Kläger für beweisfällig, weil erwiesen sei, daß der Ehemann R. am 28. November 1922, also am Tage vor der Auflassung des Grundstücks an die Beklagte, dem Kläger brieflich mitgeteilt 'habe: er habe dessen notarielles Kaufangebot vom 2. November 1922 angenommen, er werde auf Grund der notariellen Vollmacht das Grundstück in den näohsten Tagen entweder an sich selbst oder an seine Ehefrau auflassen, der Kaufpreisrest von 466 600 M. stehe dem Kläger gegen Uebergabe der „Hausdokumente" zur Verfügung. Angesichts dieser Tatsache, so führt das Berufungsgericht aus, könne beim Ehemann R. das Bewußtsein, der Rechtswidrigkeit seines am 29. November 1922 beobachteten Verhaltens nicht festgestellt werden; denn er habe, da er kein Jurist sei, der Meinung sein können, daß die privatschriftliche Annahme des Angebots ausreiche und daß den rechtlich begründeten Ansprüchen des Klägers Genüge geschehe, wenn er ihm das Restkaufgeld Zug um Zug gegen Uebergabe der zur Bereinigung des Grundbuchs erforderlichen Papiere anbiete. Es liege aber ferner, nachdem die Absendung des Briefes vom 28. November 1922 festgestellt sei, nicht ohne weiteres die Annahme nahe, daß der Ehemann R. den Brief geschrieben habe, ohne das angebotene Restkaufgeld zur Verfügung zu haben. Dies hätte wiederum der an sich beweispflichtige Kläger dartun müssen, er habe jedoch keinen Zirila. Sdiuldredit 9

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354 Beweis dafür angeboten. Lasse sich aber keine Untreue des Ehemanns R. (eststeilen, so könne von einer Beihilfe der Beklagten dazu nicht die Rede sein. Die Revision rügt zunächst, das Berufungsgericht habe bei der Prüfung der Haftung der Beklagten nur auf das Vorliegen einer vorsätzlich begangenen Handlung abgestellt, der Kläger habe aber seine Klage ganz allgemein auf unerlaubte Handlung, nicht nur auf eine vorsätzliche unerlaubte Handlung oder auf eine strafbare Handlung gestützt. Der Ehemann R. habe, wie auch das angefochtene Urteil feststelle, objektiv Untreue begangen, indem er das Grundstück an seine Ehefrau aufgelassen habe, ohne gleichzeitig dem Kläger das Restkaufgeld von 466 600 M. zu zahlen; dadurch habe er gegen das im § 266 StGB, enthaltene Schutzgesetz verstoßen. Diesen Verstoß habe er schuldhaft begangen; denn bei einiger Sorgfalt habe er seine Verpflichtung aus dem eingegangenen Vertrag richtig erkennen müssen. Das genüge zur Annahme einer unerlaubten Handlung im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . Die Beklagte habe hieran teilgenommen, indem sie auf Grund des auch ihr bekannten Vertrags die Auflassungserklärung ihres Ehemanns entgegengenommen habe. Der Revisionsangriff ist verfehlt. Richtig ist zwar, daß an sich ein schuldhaftes gesetzwidriges Handeln genügt, um die Haftung aus § 823 Abs. 2 B G B . zu begründen. Auf der andern Seite liegt aber ein Zuwiderhandeln gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . nur vor, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes erfüllt sind. Sofern also zum Tatbestand der Zuwiderhandlung gegen ein Schutzgesetz der Vorsatz gehört, kann eine Haftung aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB.) nur in Frage kommen, wenn auch Vorsatz vorliegt. Zum Begriff der Untreue im Sinne der vom Kläger selbst in bezug genommenen Vorschrift des § 266 StGB, gehört aber ein „absichtliches" Handeln zum Nachteil des andern. Absicht im Sinne dieses Gesetzes ist, wie das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen hat, gleichbedeutend mit Vorsatz (RGSt. Bd. 1 S. 172, 329; Urt. des I. Strafsenats vom 8. Juni 1926 1 D 153/26). Das Berufungsurteil erachtet daher einen Verstoß gegen § 266 S t G B , als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 B G B . mit Recht nur bei vorsätzlichem Handeln als gegeben. Die Revision macht weiter geltend, das Berufungsgericht habe, auch wenn im vorliegenden Falle Vorsatz erforderlich sein sollte, von seinen tatsächlichen Feststellungen aus beim Ehemann der Beklagten und bei dieser selbst zur Annahme einer vorsätzlich unerlaubten Handlung gelangen müssen. Bei der Beklagten müsse es genügen, wenn sie sich bewußt gewesen sei, daß ihr Ehemann von seiner Vollmacht einen dem Vertrag nicht entsprechenden Gebrauch gemacht habe. Ob der Ehemann geglaubt habe, er habe das Angebot

355 angenommen, sei nicht von Bedeutung. Nur darauf komme es an, was er als Inhalt seiner Vollmacht habe erkennen müssen und erkannt habe. E r habe widerrechtlich gehandelt, wenn er entgegen dem klaren Wortlaut des Vertrags die Vollmacht zur Auflassung verwendet habe, ohne gleichzeitig zu zahlen. Der Tatbestand der Untreue im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 2 S t G B , enthält nicht ausdrücklich das Erfordernis der Rechtswidrigkeit des Handelns. Erfordert wird nur, daß der Bevollmächtigte absichtlich zum Nachteil seines Auftraggebers handelt, d. h. daß seine Verfügungshandlung dem Auftraggeber nachteilig ist und daß er sich die nachteiligen Folgen wenigstens als möglich vorgestellt und sie für den Fall ihres Eintritts innerlich gebilligt und in seinen Willen aufgenommen hat (RGSt. Bd. 53 S. 194). Begrifflich kann aber eine absichtliche Verfügung zum Nachteil des Auftraggebers nur vorliegen, wenn die Verfügung den Pflichten, die der Bevollmächtigte dem Auftraggeber gegenüber hatte, insbesondere dem Willen des Auftraggebers objektiv zuwiderläuft, insofern also unerlaubt ist, und wenn sich der Bevollmächtigte seiner aus dem Auftrag fließenden Pflichten dem Auftraggeber bewußt war. Daß in diesem Sinne auch bei der Untreue das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit vorhanden sein muß, hat das Reichsgericht wiederholt ausgesprochen (Rspr. i. Strafs. Bd. 1 S. 273; R G S t . Bd. 38 S. 266; J W . 1916 S. 1200 Nr. 9; Recht 1916 Nr. 870). Es ist deshalb zunächst nicht zu beanstanden, wenn der Beruhingsrichter annimmt, es müsse zum Vorhandensein einer Untreue in der Person des Ehemanns R. das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit festgestellt werden. Seine weiteren Ausführungen lassen es aber zweifelhaft erscheinen, ob er den Begriff des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit, wie er zum Tatbestand der Untreue erfordert wird, richtig erkannt hat. Der Vorderrichter glaubt dieses Bewußtsein deshalb nicht feststellen zu können, weil der Ehemann R. immerhin ider Meinung habe sein können, daß die privatschriftliche Annahme des Angebots ausreiche und daß er den begründeten Ansprüchen des Klägers genüge, wenn er ihm das Restkaufgeld Zug um Zug gegen Uebergabe der zur Bereinigung des Grundbuchs erforderlichen Papiere anbiete, und weil außerdem nicht ohne weiteres angenommen werden könne, daß er den Brief vom 28. November 1922 geschrieben habe, ohne das angebotene Restkaufgeld zur Verfügung zu haben. Im Urteil vom 4. Juli 1916 ( J W . 1916^ S. 1200 Nr. 9) hat das Reichsgericht bei einer durch Aneignung fremden Geldes (das der Täter im Besitz hatte) begangenen Untreue ausgeführt, die objektive Widerrechtlichkeit der Verfügung werde nicht schon dadurch aufgehoben, daß eine Ersatzbereitschaft bestehe, sondern allein dadurch, daß der Eigentümer des Geldes mit der Verfügung und Aneignung einverstanden sei. In demselben Sinne heißt es in R G S t . Bd. 38 23*

356 S. 266 zu § 266 Abs. 1 Nr. 2 StGB., es komme bei der Prüfung des objektiven Tatbestands nicht darauf an, ob der ungetreue Bevollmächtigte zur Ersatzleistung imstande sed und der Auftraggeber durch Geltendmachung seiner Forderung aus § 667 BGB. zu seiner vollständigen Befriedigung gelangen könne. In subjektiver Hinsicht sagt das vorbezeichnete Urteil vom 4. Juli 1916, den Vorsatz der unerlaubten Verfügung vermöge nach § 59 StGB, nicht schon der Glaube an eine sofortige oder alsbaldige Ersatzmöglichkeit auszuschließen, sondern lediglich ein etwaiger Irrtum dahin, daß auch das Einverständnis mit der Verfügung als Folge dieser Ersatzmöglichkeit vorliege. Und ebenso hat das Reichsgericht in der im Recht 1916 Nr. 870 abgedruckten Entscheidung vom 22. Februar 1916 ausgesprochen, die Leistung einer Kaution durch den Provisionsreisenden habe gegenüber der Veruntreuung einkassierter Gelder keine Bedeutung; der Anspruch des Beschädigten auf Ablieferung der Gelder beruhe auf Eigentum an diesen, sei also nicht aufrechenbar, Zurückbehaltung sei nicht gerechtfertigt, und auch die Möglichkeit, aus der Kaution Ersatz zu leisten, und das Bewußtsein hiervon seien nicht geeignet, die zunächst eintretende Zufügung des Schadens zu rechtfertigen oder den Glauben an die Befugnis dazu zu begründen. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Rechtsstreit kommt es für die Frage, ob der subjektive Tatbestand der Untreue beim Ehemann R. gegeben ist, nicht so sehr darauf an, ob er der Meinung sein konnte, daß die privatschriftliche Annahme des Angebots ausreiche und daß es den rechtlich begründeten Ansprüchen des Klägers genüge, wenn er ihm das Restkaufgeld Zug um Zug gegen Uebergabe der „Hausdokumente" anbiete, ebensowenig darauf, ob er bei Absendung des Briefes vom 28. November 1922 das angebotene Restkaufgeld tatsächlich zur Verfügung hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob Umstände vorlagen, die ihn zu der Annahme berechtigten und auch tatsächlich zu der Annahme veranlaßt haben, der Kläger werde mit der Verfügung über sein Grundstück so, wie er säe vornahm, einverstanden sein. Können solche Umstände festgestellt werden, so wird allerdings eine Untreue des Ehemanns R. nicht angenommen werden können, und damit würde sich auch die Frage der Beihilfe der Beklagten erledigen. In dieser Beziehung fehlt es aber bisher an einer ausreichenden Erörterung der tatsächlichen Verhältnisse. . . . RGZ. 119, 204 1. Ueber den ursächlichen Znsammenhang zwischen einer unerlaubten Handlung, welche die Körperverletzung eines Menschen verursacht hat, and demjenigen Schaden, den der Verletzte durch einen spateren, mit seinem kSrperlichen Zustand zusammenhangenden Uniall erleidet.

357 2. Wann beginnt die Verjährung eines Schadensersatz Anspruchs wegen neu hervorgetretener Folgen einer unerlaubten Handlung? BGB. §§ 823, 852. VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 5. Dezember 1927.

I. Landgericht Frankfurt a. M.

II. Oberlandesgericht daselbst.

Am 24. August 1903 wurde der Kläger von einem Fuhrwerk der Gesellschaft H. überfahren. Der Unfall hatte zur Folge, daß ihm eis Bein abgenommen wurde; er trägt seitdem ein künstliches Bein. Auf seine gegen die Gesellschaft auf Grund des § 823 BGB. erhobene Klage auf Schadensersatz wurden ihm durch Urteil des Oberlandesgerichts vom 1. Juli 1907 Jahresrenten von 1800 und 100 M. und ferner 141 M. zuerkannt. In diesem Prozeß war der Preußische Eisenbahnfiskus, der Rechtsvorgänger der jetzigen Beklagten, der bezeichneten Gesellschaft als Nebenintervenient beigetreten, und zwar wegen eines ihm mit der Behauptung angedrohten Rückgriffs, daß die Pferde des Wagens durch das von einer Lokomotive ausgehende Geräusch scheu geworden seien und sich der Gewalt des Kutschers entzogen hätten. Im Jahre 1921 erhob der Kläger wegen des Währungsverfalls auf Grund von § 323 ZPO. eine neue Klage gegen die Gesellschaft und beantragte Erhöhung der Rente. Dieser Rechtsstreit fand durch einen am 3. April 1922 vor dem Oberlandesgericht geschlossenen Vergleich sein Ende. Darin verpflichtete sich der Reichseisenbahnfiskus, für Rechnung der Gesellschaft an den Kläger für die Zeit vom 20. August 1921 bis zum 31. Dezember 1924 eine veränderliche Jahresrente von 17 000 M. zu zahlen, die sich je nach dem Durchschnittsgehalt eines Lokomotivheizers erhöhen oder ermäßigen sollte. Für die Zeit vom 1. Januar 1925 ab sollte die Rente durch eine Aerztekommission neu festgesetzt werden, was am 6. November 1924 geschehen ist. Am 23. August 1925 erlitt der Kläger durch einen Sturz in seinem Zimmer einen neuen Unfall; er brach das rechte Schulterblatt, wodurch eine Lähmung des rechten Oberarms herbeigeführt wurde. Der Kläger behauptet, der Sturz sei eine Folge der Abnahme des Beines und somit seines Unfalls vom Jahre 1903. Er hat daher gegen die Beklagte Klage erhoben auf Zahlung von Heilungskosten und einer weiteren Rente von monatlich 85 RM zur Deckung der durch die notwendig gewordene dauernde Annahme einer Pflegerin erwachsenden Kosten. Das Landgericht erklärte den Anspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt, das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

358

Schuldrecht, Besonderer Teil Gründe:

In erster Linie rügt die Revision, daß das Berufungsgericht die Frage, ob dem Klagebegehren die Einrede des Vergleichs entgegenstehe, unter Verletzung des § 157 B G B . verneint und daher den § 323 ZPO. zu Unrecht angewendet habe. Denn durch den Vergleich vom 3. April 1922 sei die dem Kläger im Urteil vom 1. Juli 1907 zugesprochene Rente in ein festes Verhältnis zu dem Gehalt einer bestimmten Beamtenklasse gebracht worden; hierdurch und durch die weiteren Vergleichsbestimmungen habe der veränderlichen Kaufkraft des Geldes und nicht, wie das Berufungsgericht annehme, den veränderten Verhältnissen im Sinne des § 323 ZPO. Rechnung getragen werden sollen. Diese Ausführungen treffen nicht den Kern der Sache. Entscheidend ist die Frage, ob nach dem im Vergleich vom 3. April 1922 zum Ausdruck gebrachten übereinstimmenden Willen der Parteien jede künftige Aenderung in den Verhältnissen des Klägers, die sich als eine Folge des Unfalls vom 24. August 1903 darstellen würde, von der Berücksichtigung bei der anderweitigen Bemessung der Rente ausgeschlossen sein sollte. Diese Frage hat das Oberlandesgericht verneint, indem es den Vergleich dahin auslegte, daß keine der Parteien bei seinem Abschluß an die entfernte Möglichkeit gedacht habe, der Kläger werde infolge des Verlustes des Beines einen neuen Unfall erleiden; daher könne der Vergleich seinem Wortlaut und Sinn nach nicht dahin verstanden werden, daß durch ihn der Kläger auch für die Schäden abgefunden sein sollte, die ihm durch einen solchen neuen Unfall erwachsen würden. Diese Auslegung enthält keinen Rechtsirrtum, insbesondere verstößt sie nicht gegen die Denkgesetze oder gegen gesetzliche Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB.). Steht aber hiernach der Einwand des Vergleichs dem Klaganspruch nicht entgegen, so findet dieser in § 323 Abs. 1, 4 ZPO. seine gesetzliche Grundlage. Denn die Annahme des Berufungsgerichts, daß durch den Sturz vom 23. August 1925 und seine Folgen eine wesentliche Veränderung derjenigen Verhältnisse des Klägers eingetreten ist, die für die Bemessung d e r im Vergleich vom 3. April 1922 festgesetzten Rente maßgebend waren, ist rechtsbedenkenfrei und wird von der Revision auch nicht bekämpft. Ferner stellt die Revision zur Nachprüfung, ob nach dem festgestellten Sachverhalt ein ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinn zwischen den beiden Unfällen des Klägers bestehe. Eine solche Nachprüfung ist in der Revisionsinstanz trotz des zur Zeit noch geltenden Entlastungsgesetzes vom 21. Dezember 1925 zulässig. Denn der § 287 ZPO. enthält keine Bestimmung darüber, wann ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt, die Frage ist vielmehr nach bürgerlichem Recht zu entscheiden (Urteil des erkennenden Senats vom 10. Oktober 1927 VI 52/27). Sachlich gibt die Annahme des Berufungsgerichts, daß der

359 Kläger infolge des Fehlens eines natürlichen Beines und des dadurch bedingten Tragens eines Kunstbeins den zweiten Unfall erlitten hat, keinen Anlaß zu rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist dabei der Begriff der sog. adäquaten Verursachung im Sinne der reichsgerichtlichen Rechtsprechung (Komm. v. RGR. Erl. 5 a vor § 823 BGB.) nicht verkannt. Denn es war nach allgemeiner menschlicher Erfahrung immerhin mit der, wenn auch vielleicht nicht naheliegenden, Möglichkeit zu rechnen, daß der Kläger infolge der durch das Tragen eines künstlichen Beines bedingten verminderten Standsicherheit eher als andere Menschen und in schwererer Weise zu Falle kommen und sich dabei neue Verletzungen zuziehen werde. Gerade mit Rücksicht auf letztere Erwägung rügt endlich die Revision, daß das Berufungsgericht die Einrede der Verjährung zurückgewiesen hat. Sie erachtet es für folgewidrig, daß das angefochtene Urteil den ursächlichen Zusammenhang bejaht habe, weil der zweite Unfall durch die Abnahme des Beines habe entstehen können, aber den Verjährungsein wand nicht gelten lassen wolle, weil der Unfall vom 23. August 1925 nicht oder nicht mit einer gewissen Möglichkeit voraussehbar gewesen sei. Da alle Folgezustände des Unfalls vom 24. August 1903, die damals als möglich hätten vorausgesehen werden können, als dem Verletzten von vornherein bekannt anzunehmen seien, so sei der Klaganspruch verjährt; denn auf Feststellung des Anspruchs auf Ersatz des ihm durch den Unfall vom Jahre 1903 erwachsenen Schadens habe der Kläger niemals geklagt. Auch diese Rüge kann der Revision nicht zum Siege verhelfen. Zuzugeben ist ihr allerdings so viel, daß die Begründung, mit der das Oberlandesgericht die Verjährungseinrede zurückweist, vielleicht mißverständlich ist. Denn das angefochtene Urteil führt hierzu aus, wenn die neuen Folgen eines früheren Unfalls — hier der zweite Sturz des Klägers mit seinen Folgen — nicht oder nicht mit einer gewissen Möglichkeit voraussehbar gewesen seien, so verjährten Ersatzansprüche, die sich auf die neuen Folgen stützten, erst von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von den neuen Folgen Kenntnis erlange (RG. in J W . 1925 S. 1151, auch abgedruckt in SeuffArch. Bd. 79 Nr. 170). Mit dieser Begründung setzt sich das Berufungsgericht allerdings in einen gewissen Widerspruch mit seiner auf die Ausführungen des landgerichtlichen Urteils gestützten Annahme, daß adäquate Verursachung vorliege. Aber im Ergebnis ist ihm beizutreten. Grundsätzlich ist zwar nach der zu dieser Frage sehr reichhaltigen, im Komm. v. RGR. Erl. 4 a zu § 852 zusammengestellten reichsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. auch RGZ. Bd. 106 S. 285) davon auszugehen, daß der gesamte aus einer unerlaubten Handlung entspringende Schaden sich als eine Einheit darstellt und nicht als eine Summe einzelner selbständiger, unzusammenhängender Schäden erscheint, daß daher die Ungewißheit über den Umfang und die Höhe

360 des Schadens den Beginn der Verjährung nicht ausschließt, daß vielmehr alle Folgezustände, die im Zeitpunkt der erlangten Kenntnis von dem Schaden überhaupt auch nur als möglich vorauszusehen waren, mit dieser allgemeinen Kenntnis als dem Verletzten bekannt geworden zu gelten haben. Aber diesen Grundsatz hat das Reichsgericht mit Recht in den Fällen nicht zur Anwendung gebracht, in denen sich wider Erwarten aus leichten Erkrankungen schwerere Folgezustände herausbilden (WarnRspr. 1912 Nr. 432) oder aus anscheinend vorübergehenden Krankheiten chronische Leiden entwickeln (das. 1914 Nr. 56 und 84). In gleicher Weise hat das Reichsgericht die Verjährung dann verneint, wenn später neue Wirkungen einer unerlaubten Handlung hervortreten, die erst infolge nachträglich eintretender Umstände dem Verletzten weitere Nachteile bereiten (JW. 1909 S. 725 Nr. 19). Ein Fall letzterer Art liegt hier vor. Die Möglichkeit, daß der Kläger infolge des Tragens eines künstlichen Beines, also infolge des Unfalls vom Jahre 1903 stürzen und sich dadurch ein neues Leiden zuziehen würde, war von vornherein gegeben und voraussehbar, aber jener erste Unfall hat doch nur eine der Bedingungen für den Eintritt des Sturzes vom August 1925 gesetzt und erst dieser zweite Unfall hat beim Kläger ein neues Leiden und einen neuen Schaden herbeigeführt. Vielleicht hätte der Kläger vorsichtiger gehandelt, wenn er mit der ursprünglich erhobenen Leistungsklage die allgemeine Feststellungsklage verbunden hätte; daß er aber durch die Unterlassung der Feststellungsklage seines erst etwa 22 Jahre nach dem ersten Unfall entstandenen Schadensersatzanspruchs aus dem zweiten Unfall durch Ablauf der Verjährungsfrist verlustig gegangen wäre, kann der Revision nicht zugegeben werden. RGZ. 119, 435 1. Zum Begriff der Kraltfahrlinie. 2. Ist § 6 des Kraftfahrliniengesetzes ein Schutzgesetz? Gesetz über Kraftfahrlinien v. 26. August 1925 §§ 1, 6*). BGB. § 823 Abs. 1, 2. VI. Z i v i l s e n a t . Urt. v. 19. Januar 1928. I. Landgericht Halle.

II. Oberlandesgericht Naumburg.

Die Klägerin betreibt mit Genehmigung der zuständigen Behörde eine Kraftfahrzeuglinie auf der Strecke Eisleben—Herg Lsdorf—Helbra—'Bahnhof Mansfeld—Stadt Mansfeld—Leimbach—Hettstedt. Am 19. und 20. September 1926 fand in Eisleben der sog. „Wiesenmarkt" statt, an dem die Bevölkerung der beiden Seekreise lebhaften Anteil *) Jetzt Ges. v. 6.12.37. RGBl. I S. 1319. § 5 Nr. 2, § 27.

361 nimmt. Zur Bewältigung des außerordentlichen Verkehrs hat die Reichspost an diesen beiden Tagen halbstündliche oder stündliche Fahrten eingerichtet auf den Strecken Hettstedt—Siersleben—Eisleben, Klostermansfeld—Zirkelschacht—Eisleben, Helbra—HohentalSchacht—Eisleben. Die Klägerin vertritt den Standpunkt, daß damit die Reichspost gegen das Gesetz über Kraftfahrlinien vom 26. August 1925 verstoßen habe, das als ein Schutzgesetz für die Unternehmer bereits bestehender Kraftfahrlinien anzusehen sei, und daß sie außerdem unzulässigerweise in ihren Gewerbebetrieb eingegriffen habe. Sie hat mit der Behauptung, es sei ihr dadurch ein Reingewinn von 4252,50 RM. entgangen, gegen die Reichspost Klage auf Ersatz des Schadens erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Klaganspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Gründe: Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist vom Berufungsgericht aus zutreffenden Gründen angenommen worden. Die Revision rügt zunächst, das Berufungsgericht habe den Begriff der Kraftf&hrlinie im Sinne des oben bezeichneten Gesetzes verkannt, jedoch mit Unrecht. Nach § 1 dieses Gesetzes ist Unternehmer von Kraftfahrlinien, wer über die Grenzen eines Gemeindebezirks hinaus die Beförderung von Personen oder Sachen mit Kraftfahrzeugen auf bestimmten Strecken gegen Entgelt betreibt. Nach der Feststellung des Berufungsurteils hat die Beklagte am 19. und 20. September 1926 die Strecken Hettstedt—Eisleben, Klostermansfeld—Eisleben und Helbra—Eisleben nach vorheriger Ankündigung regelmäßig halbstündlich oder stündlich befahren und auf diesen Strecken Personen gegen Entgelt befördert. Damit sind alle Voraussetzungen erfüllt, die das Gesetz für den Begriff eines Unternehmers von Kraftfahrlinien verlangt. Unerheblich ist, ob das Unternehmen, wie im vorliegenden Falle, von vornherein nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum geplant ist. Auf der anderen Seite darf es sich nicht um reine Gelegenheitsfahrten handeln, sondern um die planmäßig für einen gewissen Zeitraum betriebene Beförderung von Personen (vgl. O b e r l ä n d e r - B e z o l d Automobilrecht S. 217; M ü l l e r Automobilgesetz S. 629; L e c h n e r Kraftfahrzeuggesetzgebung S. 434/435; Bayr. ObLG. in J W . 1927 S. 2808). Auch wenn ein Kraftwagenverkehr wegen eines nur einige Tage währenden Ereignisses, wie des nur an zwei Tagen stattfindenden Eislebener Wiesenmarkts, zwischen mehreren Orten eingerichtet wird, kann er die Einrichtung einer Kraftfahrlinie im Sinne des Gesetzes bedeuten. Die Beklagte hat daher wegen der am 19. und 20. September ausge-

362

Schuldrecht, Besonderer Teil

führten planmäßigen Fahrten als Unternehmer einer Kraftfahrlinie im Sinne des § 1 des Kraftfahrlinien-Gesetzes zu gelten. Das Berufungsgericht verkennt aber die Bedeutung des für die Beklagte allein in Betracht kommenden § 6 dieses Gesetzes, wenn es annimmt, daß die Beklagte nach § 823 Abs. 2 B G B . zum Schadensersatz verpflichtet sei, weil sie durch den Betrieb der Kraftfahrlinien gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstoßen habe. Es kann dahingestellt bleiben, ob im allgemeinen das Kraftfahrliniengesetz als ein Gesetz dieser Art anzusehen ist; der Beklagten gegenüber ist es in dem hier allein in Betracht kommenden § 6 ein solches jedenfalls nicht. Denn für die Beklagte gilt die Vorschrift des § 1 insoweit nicht, als die von ihr eingerichtete Linie der Personenbeförderung diente. Die Reichspost ist nach § 6 für die Einrichtung von Kraftfahrlinien, die der Personenbeförderung dienen, nicht an eine Genehmigung gebunden. Sie ist vielmehr nur zu einer vier Wochen vorher zu erstattenden Anzeige an die oberste Landesbehörde verpflichtet; diese kann Einspruch erheben, wenn nach ihrer Auffassung den öffentlichen Interessen durch die Einrichtung der Linie nicht genügend Rechnung getragen wird. Danach ist also der Beklagten gegenüber nur das öffentliche Interesse maßgebend für eine etwaige Beschränkung in der Einrichtung von Kraftfahrlinien zur Personenbeförderung; das Interesse und der besondera Schutz eines bereits genehmigten Kraftfahrunternehmens kommen hierbei überhaupt nicht in Betracht. Das findet auch darin noch besonderen Ausdruck, daß nv.r die oberste Landesbehörde das Recht hat, Einspruch zu erheben, daß aber das Einspruchsrecht nicht irgendwelchen Interessenten zusteht, namentlich nicht den Inhabern bereits genehmigter Kraftlahrlinien. Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 B G B . sind aber nur solche Gesetze, die — sei es allein, sei es in Verbindung mit anderen Zwecken — dem Schutze von Einzelpersonen oder eines Personenkreises dienen sollen. Ein Gesetz hat die Eigenschaft als Schutzgesetz nur dann, wenn der Gesetzgeber bei der Erlassung gerade einen solchen Schutz gewollt oder wenigstens mitgewollt hat (RGZ. Bd. 63 S. 327, Bd. 79 S . 9 1 , Bd. 102 S. 224). Diese Eigenschaft hat das Kraftfahrliniengesetz jedenfalls nicht in seinem für die B e klagte allein in Betracht kommenden § 6. Eine Zuwiderhandlung gegen § 6 würde daher noch keinen die Beklagte nach § 823 Abs. 2 B G B . zum Schadensersatz verpflichtenden Verstoß gegen ein Gesetz bedeuten. Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 B G B . besteht deshalb nicht. Auch eine Haftung aus § 823 Abs. 1 B G B . , wegen widerrechtlichen Eingriffs in den Gewerbebetrieb der Klägerin, hat bereits das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum verneint. Zwar ist nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts unter die sonstigen Rechte im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B . auch der eingerichtete

363 und ausgeübte Gewerbebetrieb zu rechnen;*) das Merkmal des rechtswidrigen Eingriffs liegt aber nicht in der nachteiligen Einwirkung auf den Ertrag des Geschäfts durch Entziehung von Kundschaft und ähnliches, sondern in der Antastung des Gewerbebetriebes als solchen, in der unmittelbaren Hinderung und Hemmung von Betriebshandlungen des Gewerbetreibenden (RGZ. Bd. 102 S. 225 mit Anführungen). Ein solcher Eingriff in den Gewerbebetrieb der Klägerin liegt nicht vor. W a s endlich die Haftung etwaige der Beklagten aus § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb betrifft, so fehlt es an ausreichenden Behauptungen der Klägerin, die einen solchen Anspruch stützen könnten. Es verstößt namentlich auch nicht gegen die guten Sitten, wenn sich die Beklagte, wie die Klägerin behauptet hat, zur Werbung für ihre Fahrten ihrer Beamten bedient hat.

RGZ. 121, 400 Zum Begriffe des an der Verursachung eines Schadens „Beteiligten" und zur Frage der Zulässigkeit des Entlastungsbeweises nach § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. VI. Z i v i l s e n a t . I. Landgericht Halle a. S.

Urt. v. 12. Juli 1928.

II. Oberlandesgericht Naumburg a. S.

Am Abend des 1. Dezember 1924 kam es bei einer Wahlversammlung in der Gastwirtschaft J . in S. zu Zusammenstößen zwischen Angehörigen der Deutschnationalen Volkspartei, welche die Versammlung abhielt, und Angehörigen der kommunistischen Partei. Die Kommunisten griffen schließlich die Gastwirtschaft von außen an. Von beiden Seiten wurde aus Pistolen und Revolvern geschossen. Dabei wurde der Arbeiter Sch. durch einen Pistolenschuß getroffen. E r machte den Beklagten als T ä t e r haftbar und erhob gegen ihn Klage auf Zahlung von 800 RM. Schmerzensgeld und einer wöchentlichen Rente von 25 RM. sowie auf Feststellung seiner Ersatzpflicht für den weitergehenden Schaden. Der Beklagte bestritt, in der Richtung nach dem Saal oder der Veranda geschossen zu haben, wo Sch. getroffen wurde; er will nur, und zwar in Notwehr, zum Fenster hinaus geschossen haben. Das Landgericht verurteilte ihn als Beteiligten nach § 830 Abs. 1 Satz 2 B G B . , wegen des Rentenanspruchs jedoch nur dem Grunde nach. Er legte Berufung ein. Während der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz schwebte, starb Sch. am 19. April 1926 an den Folgen der Verwundung. Die jetzigen Kläger, seine Witwe und Kinder, nahmen den Rechtsstreit auf, verfolgten den Anspruch auf Schmerzensgeld und auf die bis zu seinem Tode fällig gewordenen Rentenbeträge weiter und erhoben mit Anschlußberufung neue An*) Vgl. auch Bd. 135 S. 247 (abgedr. unter nisse, Uebertragung der Forderung").

„Recht

der

Schuldverhält-

364 sprüche wegen Unterhalts. Das Berufungsgericht erkannte auf einen richterlichen Eid für den Beklagten. Wenn er beschwört, daß er bei jener Versammlung nicht in den Saal oder in die Veranda hineingeschossen habe, soll die Klage abgewiesen, andernfalls ihr entsprochen werden, wegen der Rentenansprüche jedoch nur -dem Grunde nach. Die Revision der Kläger war erfolglos. Gründe: Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Beklagte an der Schießerei beteiligt gewesen sei und daß er sich nicht auf Notwehr oder Notstand würde berufen können, wenn er den tödlichen Schuß abgegeben hätte. Insoweit ist das Urteil den Klägern günstig und wird von ihnen auch nicht angegriffen. Das Berufungsgericht hat aber dem Beklagten den Entlastungsbeweis gestattet, daß der tödliche Schuß nicht vom ihm herrühren könne, und diesen Beweis würde es als geführt ansehen, wenn feststände, daß der Beklagte nicht in den Saal oder die Veranda hineingeschossen habe. Das hat es noch nicht für ganz erwiesen erachtet und darum dem Beklagten den richterlichen Eid auferlegt. Hiergegen wendet sich der Angriff der Revision. Sie meint, die Beteiligung des Beklagten an der Schießerei reiche zu seiner Verurteilung auf Grund des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. aus und die Zulassung des Entlastungsbeweises widerspreche dem Gesetze. Das Berufungsgericht befindet sich mit der Zulassung des Entlastungsbeweises im Einklang mit der im Schrifttum herrschenden Meinung (vgl. S t a u d i n g e r 7./8. Aufl. § 830 BGB. Anm. 3 b und die Nachweise daselbst; T r a e g e r Kausalbegriff S. 288; P l a n c k 3. Aufl. § 830 BGB. Anm. 2). Einen abweichenden Standpunkt nehmen in dieser Frage K ö h l e r (Schuldrecht § 177 S. 486) und E n n e c c e r u s (Lehrbuch 23./27. Aufl. I 2 S. 694) ein. Beide wollen, wenn jemand bei einem Raufhandel erstochen wird, keinem der am Raufhandel Beteiligten den Nachweis gestatten, daß er kein Messer bei sich geführt habe, sondern alle schon wegen ihrer Beteiligung am Raufhandel als Gesamtschuldner haften lassen. Das Reichsgericht hat, soweit ersichtlich, bisher keine Gelegenheit gehabt, sich über die Zulässigkeit eines solchen Entlastungsbeweises auszusprechen. Aber es hat doch in mehreren Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, daß auf Grund des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. nur derjenige haftbar zu machen sei, dessen Handlung den Schaden habe verursachen k ö n n e n (RGZ. Bd. 58 S. 357, Bd. 96 S. 224, Bd. 98 S. 58; J W . 1909 S. 687 Nr. 11). Als „Beteiligter" ist nur derjenige angesehen worden, auf den dies zutrifft (Urteil vom 17. März 1921 VI 530/20). Daraus ergibt sich, daß das Berufungsgericht, indem es den Enlastungsbeweis zuläßt, sich auch mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts in Einklang befindet.

Unerlaubte Handlungen

365

Die von K o h 1 e r und E n n e c c e r u s vertretene Auffassung der Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB. findet in deren Entstehungsgeschichte (vgl. RGZ. Bd. 58 S. 360) keine Stütze. Die Vorschrift lehnt sich nach Ausweis der Motive (Bd. 2 S. 738) an ältere Vorbilder an, nämlich an § 1495 des sächsischen Bürgerlichen Gesetzbuchs, an Art. 71 des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Bayern vom Jahre 1861 (2. Teil) und an Art. 218 des Dresdener Entwurfs vom Jahre 1866. Ebenso wie diese Vorbilder setzte sich die Vorschrift von Anfang an (vgl. Protokolle der 1. Kommission S. 1019) zum Ziele, eine Beweisschwierigkeit für den Geschädigten zu überwinden, die sich dann ergibt, wenn bei mehreren Schadensurhebern, die nicht gemeinschaftlich gehandelt haben, der Anteil des einzelnen ah der Sohadensverursachung sich nicht ermitteln läßt, oder wenn ungewiß geblieben ist, wer von mehreren als Urhebern in Betracht kommenden Personen den Schaden verursacht hat. Diesem Gedanken die geeignete Fassung zu geben, war Gegenstand der Bemühung beider Kommissionen (vgl. Motive Bd. 2 S. 738, Protokolle der 2. Kommission Bd. 2 S. 606). Die zweite Kommission stimmte sachlich dem Vorschlag eines Kommissionsmitglieds zu, der folgendermaßen lautete (Prot. a. a. O.): „Das gleiche (d. h. gesamtschuldnerische Haftung) gilt, wenn mehrere nicht gemeinschaftlich gehandelt haben und sich nicht ermitteln läßt, wessen Handlung den Schaden verursacht hat." Dieser Antrag wurde angenommen, die Fassung aber der Redaktionskommission vorbehalten. Nach den Protokollen sollte damit klargestellt werden, daß die Vorschrift auch in den Fällen Anwendung finde, in denen ein rechtswidriger Erfolg nicht durch das Zusammenwirken mehrerer an der Handlung „Beteiligten" herbeigeführt durch die Handlung eines von mehreren „Beteiligten" herbeigeführt sei, der Urheber der Handlung sich aber nicht nachweisen lasse. Vorausgesetzt werde also nur, daß von den mehreren Handelnden einer den Schaden verursacht habe, daß der Schaden möglicherweise von einem jeden der mehreren verursacht sei, und daß in der Person jedes der Handelnden, wenn er der Schädigende sei, auch Verschuldung vorliege. Die Vorschrift sollte z. B. anwendbar sein, wenn bei einem Raufhandel mehrere auf einen anderen losschlügen und von den Schlägen einer den Tod herbeiführe, ohne daß sich nachweisen lasse, von wem gerade dieser tödliche Schlag ausgegangen sei. Die Redaktionskommission gab dann der Vorschrift ihre jetzige Fassung: „Das gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursicht hat." Hier erscheint zum erstenmal in der Fassung der Vorschrift, aber im Anschluß an die Ausführungen der Protokolle, der Ausdruck „die

366 Beteiligten". Eine sachliche Aenderung gegenüber dem von der Kommission angenommenen Antrage konnte damit nicht beabsichtigt sein. Es ist also klar, daß nicht etwa die „Beteiligung" an unerlaubtem Tun als solche haftbar machen sollte, etwa wie § 227 StGB, die bloße Beteiligung an einer Schlägerin unter gewissen Voraussetzungen unter Strafe stellt. Das ergibt sich besonders deutlich aus dem von der Kommission gewählten Beispiel. Daß ohne andere Voraussetzung alle am Raufhandel Beteiligten, auch diejenigen haftbar sein sollten, die nachweislich auf den dabei Getöteten gar nicht eingeschlagen hätten, lag außerhalb der Absicht der Kommission. Der Ausdruck „die Beteiligten" ist nur gewählt worden, um den Kreis der für die Schadensverursachung in Betracht kommenden Personen zu bezeichnen. Wie dieser Ausdruck auszulegen ist, bedarf hier keiner allgemeinen Erörterung. Hier genügt die eine Feststellung: wer für die Schadensverursachung überhaupt nicht in Betracht kommen kann, ist nicht „beteiligt" im Sinne der Urheber dieser Vorschrift. Da sie unverändert Gesetz geworden und bei den Beratungen des Reichstags keinerlei abweichende Meinung zutage getreten ist, auch eine gewohnheitsrechtliche Umbildung ihres Sinnes sich nicht nachweisen läßt, so muß sie auch jetzt noch so verstanden werden, wie sie von der zweiten Kommission gemeint war. Danach ist es nicht zu beanstanden, daß dem Beklagten vom Berufungsgericht der Entlastungsbeweis gestattet ist, der tödliche Schuß könne nicht von ihm herrühren. Ist der Beweis aber zulässig, so ist auch gegen die Anwendung des richterlichen Eides kein sachliches Bedenken zu erheben. So ist auch im Urteil vom 19. März 1908 VI 241/07 ein richterlicher Eid unbeanstandet geblieben, durch dessen Leistung der Mangel eines Verschuldens des verklagten „Beteiligten" bewiesen werden sollte. RGZ. 123, 271 1. Inwieweit besteht für jemand, der als Sachverständiger in einem Strafverfahren vernommen worden ist, eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit über das, was ihm dabei zur Kenntnis gekommen ist? Kann die Verletzung einer solchen Verpflichtung einen VerstoB gegen § 826 BGB. begründen? 2. Inwieweit ist für den Tatbestand des § 826 BGB. das Bewußtsein und die Willensrichtung des Handelnden von Bedeutung? VI. Z i v i l s e n a t .

Urt. v. 31. Januar 1929.

I. Landgericht I Berlin.

II. Kammergericht

daselbst.

Der Beklagte war in seiner Eigenschaft als Bücherrevisor von der Staatsanwaltschaft des Landgericht I in Berlin als Sachverstän-

Unerlaubte Handlungen

367

diger in einer Strafsache gegen K. zugezogen worden. Er erstattete mehrere Gutachten, auf Grund deren die Staatsanwaltschaft die Verhaftung des Klägers beantragte und seine vorläufige Festnahme veranlaßte. Das Gericht lehnte jedoch den Erlaß eines Haftbefehls ab und beschloß, den Kläger außer Verfolgung zu setzen. Der Beklagte ist der Meinung, daß dies zu Unrecht geschehen sei; er will erreichen, daß das umfassende Beweismaterial des erwähnten Strafprozesses gegen die nach seiner Ansicht hauptsächlich schuldigen, aber noch nicht angeklagten Personen, darunter den Kläger, unter Wiederaufnahme des Verfahrens voll verwertet werde. Am 26. April 1926 machte er an den Richter, der im Verfahren gegen K. die Verhandlung vor dem Schöffengericht geleitet hatte, eine Eingabe, worin er ausführte, daß er die von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bezüglich des Klägers getroffene Entscheidung für unrichtig halte. E r kündigte darin auch an, daß er seine Eingabe an mehrere, namhaft gemachte, Justizbehörden und an andere Stellen sende. Am 15. März 1927 richtete er eine als offenen Brief bezeichnete Eingabe an den preußischen Ministerpräsidenten, in deren Eingang er betonte, er habe als gerichtlicher Sachverständiger in den Prozessen gegen K. und Gen., H. und B. schwere Beschuldigungen gegen zwei an hervorragender Stelle im öffentlichen Leben wirkende Persönlichkeiten erhoben, unter denen sich der Kläger befinde; er fährt dann fort: Wie bereits durch öffentliche Gerichtsverhandlungen, durch den B.-Ausschuß usw. bekannt geworden ist, habe ich in meinem umfangreichen Gutachten diejenigen Tatbestände angeführt, welche 1. bei dem Justizrat W. auf Betrug bzw. auf Beihilfe zu dem von K. gegenüber der preußischen Staatsbank begangenen Kreditbetruge schließen lassen und die mich veranlaßten, Herrn Justizrat W. als das Aushängeschild K.'s zu bezeichnen . . . Rechtlich sind nur zwei Folgen einer solchen Behauptung möglich; entweder es wird gegen die von mir Beschuldigten ein Strafverfahren eröffnet oder wegen Beleidigung gegen mich selbst. Eine der beiden Rechtsfolgen muß eintreten, wenn anders der Freistaat Preußen auf den Namen eines Rechtsstaates Anspruch erheben will. Statt dessen bin ich unter haltlosen Begründungen verfolgt worden: die Industrie- und Handelskammer zu Berlin hat mir auf Betreiben des Justizrats W. meine Bestallung als beeidigter Bücherrevisor entzogen — wegen angeblich formaler „Verfehlungen" unter ausdrücklicher Ablehnung der Untersuchung des Tatbestandes . . . Ich bin also sozusagen geschädigt worden. . . . Der Beklagte bittet in dem Briefe sodann, bei der Staatsregierung den Beschluß zu erwirken, daß das Justizministerium die Staatsanwaltschaft anweise, entweder gegen die Beschuldigten, und zwar

368 gegen den Kläger mit Rücksicht auf das inzwischen neu hinzugetretene Belastungsmaterial, Anklage zu erheben oder gegen ihn selbst vorzugehen; den Weg des offenen Briefes beschreite er, weil er sich in dieser Angelegenheit bereits während des ganzen vorigen Jahres wiederholt an den Justizminister und an verschiedene Justizbehörden mit ausführlichen Eingaben gewandt habe, ohne einer Antwort gewürdigt worden zu sein. Am Schluß des Briefes teilt der Beklagte mit, an welche Stellen er eine Abschrift des Briefes richten wolle; das sind eine große Anzahl amtlicher Stellen und schließlich auch die juristischen Fachblätter und bestimmte Tageszeitungen. Der Kläger sieht in dem Verhalten des Beklagten eine Verletzung der Schweigepflicht, die ihm als Sachverständigen obliege; der Beklagte habe seine Kenntnis von dem Tatbestand, den er in der angegebenen Art beurteile, nur in dem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren erlangt. Die Veröffentlichungen des Beklagten seien geeignet, den Kläger als Rechtsanwalt und Notar schwer zu schädigen. Das Landgericht hat dem Klagantrag nur insoweit entsprochen, als es dem Beklagten untersagt hat, dasjenige, was er bloß in seiner Eigenschaft als Sachverständiger in der erwähnten Strafsache über den Kläger erfahren hat, anderen Personen als seinem Auftraggeber mitzuteilen. Die Einschränkung gegenüber dem Klageantrag bezieht sieb einmal auf das, was der Beklagte über den Kläger — nicht über eine andere Person — erfahren habe, und sodann auf die Tatsachen, die er n u r in seiner Eigenschaft als Sachverständiger erfahren habe. Das Landgericht führt dazu aus, daß nur das geheim gehalten werden könne, was noch geheim sei; der Beklagte stehe nicht schlechter als jeder, der das in öffentlicher Gerichtssitzung Verhandelte gehört habe. Das Berufungsgericht änderte auf die Anschlußberuiung des Klägers das angefochtene Urteil dahin ab, daß dem Beklagten untersagt wurde, irgendwelche Angaben über das, was er als Sachverständiger in der erwähnten Strafsache über den Kläger erfahren habe, zu anderen Personen als seinem Auftraggeber zu machen. Die Hinzufügung des Wortes „nur" hielt es nicht für erforderlich, weil der Beklagte das, was jedem Teilnehmer an der öffentlichen Verhandlung habe bekannt werden können, nicht als Sachverständiger erfahren habe. Die Revision des Beklagten führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung in die Berufungsinstanz. Gr ü n d e : 1. Der Kläger erklärt ausdrücklich, daß er die von ihm erhobene Unterlassungsklage nicht auf § 824 oder § 823 Abs. 2 B G B . in Verbindung mit § 185 oder § 186 StGB, stützen wolle. Er behauptet, daß der Beklagte Angaben über das, was er als Sachverständiger in der Strafsache gegen K. erfahren habe, entgegen seiner

Unerlaubte Handlungen

Schweigepflicht bereits gemacht habe und daß die Wiederholung solcher Angaben nach dem Verhalten des Beklagten zu befürchten sei. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger ein Verhalten des Beklagten behaupten will, das im Wege der Strafverfolgung geahndet werden könnte. Es braucht daher keine Stellung zu der Frage genommen zu werden, ob für die Erhebung der Unterlassungsklage der Nachweis eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses erforderlich ist, wenn Handlungen in Frage stehen, die durch öffentliche allgemeine Strafandrohung unter Strafe gestellt sind. (Vgl. RGZ. Bd. 98 S. 38, 39, Bd. 115 S. 184, 185, Bd. 116 S. 152, 153). 2. Das Berufungsgericht nimmt an, daß einem Sachverständigen, der in einem nicht öffentlich geführten Gerichtsverfahren — Ermittlu. ;sverfahren und Voruntersuchung — Kenntnis von Tatsachen auf Grund seiner Hilfstätigkeit erlangt hat, die Geheimhaltungspflicht in bezug auf solche Tatsachen obliege. Das ist — mit einer Einschränkung — nicht zu beanstanden. Wenn Beamte in e : nem solchen Verfahren auf Grund ihrer amtlichen Tätigkeit Tatsachen erfahren, deren Geheimhaltung durch die Natur der Sache, insbesondere den Zweck des Verfahrens und die auf den Beschuldigten zu nehmende Rücksicht geboten ist, so sind sie auf Grund ihrer Pflicht zur Amtsverschwiegenheit zur Geheimhaltung dieser Tatsachen verpflichtet. Dem Sachverständigen liegt in einem solchen Verfahren die Aufgabe ob, als Gehilfe des Richters oder der Anklagebehörde diesen Stellen seine Kenntnis von Erfahrungssätzen auf bestimmten Gebieten zu vermitteln und, soweit erforderlich, diese Kenntnis auf den zu beurteilenden Prozeßstoff anzuwenden; er übt damit e ! ne Tätigkeit aus, die an sich und endgültig dem Richter obliegt. Daraus ergibt sich, daß er in Ansehung der Pflicht zur Verschwiegenhe t sich ebenso zu verhalten hat wie jener. Die Möglichkeit einer zulässigen Abweichung von dieser Regel im Einzelfall ist freilich nicht unbedingt ausgeschlossen (RGZ. Bd. 89 S. 16). Da der Kläger ausdrücklich erklärt hat, daß er den Klaganspruch nicht auf § 824 und § 823 Abs. 2 BGB. in Verbindung mit §§ 185, 186 StGB, stützen wolle, hat das Berufungsgericht geprüft, ob dem Beklagten ein Verstoß gegen § 826 BGB. zur Last zu legen ist; es verneint ohne Rechtsirrtum die Frage, ob in der Verletzung der Schweigepflicht ein Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. liegt. Für eine vorbeugende Unterlassungsklage, die eine unerlaubte Handlung im Sinne von § 826 BGB. zum Gegenstand hat, ist Voraussetzung, daß der Tatbestand dieser Handlung für die Vergangenheit sowohl gegenständlich wie in bezug auf die innere Willensrichtung — neben der Wiederholungsgefahr — gegeben ist (RGRKomm. 6. Aufl. Vorbem. 6 III vor § 823). Das Berufungsgericht entnimmt den Tatbestand eines in der Vergangenheit liegenden VerZi.il.. Sdmldredbt 9

24

370 stoßcs gegen § 826 BGB. dem offenen Brief des Beklagten an den preußischen Ministerpräsidenten vom 15. März 1927, der mit Schreiben vom 16. März 1927 einer Reihe anderer Stellen und auch der Tagespresse mitgeteilt wurde. Die Ausführungen des Berufungsgerichts sind jedoch nach dieser Richtung nicht frei von Rechtsirrtum. Zwar kann die Verletzung der Schweigepflicht durch einen Sachverständigen im einzelnen Falle ein Handeln gegen d e guten Sitten enthalten. Durchaus beachtlich ist für die Frage des Handelns wider die guten Sitten auf Seiten des Beklagten auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Bedeutung der Tatsache, daß das zuständige Gericht den Kläger nach Prüfung des Sachverhalts außer Verfolgung gesetzt hatte. Allein bei der Würdigung des offenen Briefes sind nicht alle für die Frage der Verletzung der Schweigepflicht in Betracht kommenden Gesichtspunkte vom Berufungsgericht in Erwägung gezogen worden. Das fällt um so mehr ins Gewicht, als die positiven Feststellungen des Urteils Anlaß zu rechtlichen Bedenken über die Anwendbarkeit des § 826 BGB. geben. Das Urteil führt aus, es wäre eine Mitteilung nicht zu beanstanden gewesen, die etwa dahin ginge, daß der Sachverständige auf Grund der in seinem Gutachten näher angeführten Tatsachen zu dem Ergebnis gelangt sei, der Kläger habe betrogen oder zu dem Betrug Beihilfe geleistet; darin hätte nach Annahme des Berufungsgerichts keine Verletzung der Schweigepflicht gelegen. Aber der Beklagte nehme in dem Schreiben als Sachverständ'ger Stellung und spreche ein neues Urteil aus, wobei er durchblicken lasse, daß in den Akten der volle Beweis für die in öffentlicher Verhandlung erörterten Tatsachen enthalten sei. Allein es muß schon sehr zweifelhaft erscheinen, ob in der — wenn auch erneuten — B e u r t e i l u n g der in öffentlicher Sitzung bekannt gewordenen Tatsachen für sich allein schon deshalb eine Verletzung der Schweigepflicht liegen kann, weil diese Tatsachen dem Sachverständigen in einem früheren, nacht öffentlichen Verfahren bekannt geworden waren. In der Aeußerung eines solchen Urteils wird regelmäßig, wenn nicht besondere Umstände hinzukommen, eine Maßnahme zu erblicken sein, die auch anderen Personen an sich — abgesehen etwa von strafrechtlichen Gesichtspunkten — zusteht und die noch nicht deshalb wider die guten Sitten verstößt, weil der Sachverständige nach seinen persönlichen Eigenschaften vielleicht in der Lage ist, die Tatsachen in anderer Weise zu beleuchten als andere Personen. Es darf im vorliegenden Fall die Schwierigkeit nicht außer acht gelassen werden, die darin liegt, daß nach ausdrücklicher Erklärung des Klägers diejen : gen Rechtsbehelfe, die ihm bei Unrichtigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe sonst zu Gebote stehen würden, nicht zur Begründung des Klaganspruchs verwendet werden sollen. Die Folge davon ist, d a ß nur die Frage der

371 Verletzung der Schweigepflicht als solche geprüft werden kann, diese dann allerdings unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere auch der Gedankenrichtung, von welcher der Beklagte bei der Abfassung des offenen Briefes beherrscht war. Nicht in Erwägung gezogen hat das Berufungsgericht den Teil dieses Schreibens, worin der Beklagte darauf hinweist, daß ihm von der Industrie- und Handelskammer auf Betreiben des Klägers seine Bestallung als bee'digter Bücherrevisor entzogen worden sei. Wenn der Beklagte auch hinzufügt, daß der Tatbestand als solcher von der Kammer nicht untersucht worden sei, so konnte ihm, wie er in der Revisions'nstanz noch besonders hervorgehoben hat, doch viel daran liegen, den Nachweis zu erbringen, daß er aus den erörterten Tatsachen den richtigen Schluß gezogen habe. Der Nachweis seiner Sachkunde konnte nicht nur für die Wiedererlangung der Stellung eines beeidigten Bücherrevisors (was nach der vom Beklagten vorgetragenen Begründung der Stellungnahme der Handels- und Industriekammer wohl weniger in Betracht kam), sondern auch deshalb von Bedeutung sein, weil seine sonstige Berufstätigkeit, aus der er seinen Lebensunterhalt bestritten hatte, wesentlich davon abhing, wie das Publikum über seine Fähigkeiten als Sachverständiger dachte. An einer Prüfung, ob und wieweit sich der Beklagte von dem wiedergegebenen Gedanken bei Abfassung des Briefes hat bestimmen lassen, durfte das Berufungsgericht nicht vorübergehen. Dazu kommt ein zweiter Gesichtspunkt. Der Beklagte wies in seinem Schreiben, und zwar gerade zur Begründung se : nes Antrags, entweder gegen den Kläger oder gegen ihn strafrechtlich vorzugehen, auch darauf hin, daß gegen den Kläger inzwischen neues Belastungsmaterial hinzugetreten sei. Auch diese Frage bedurfte der Klärung; denn inwieweit das neue Belastungsmaterial noch mit der Schweigepflicht zusammenhängen könnte, ist mangels jeder tatsächlichen Feststellung nicht zu ersehen. Ein weiteres rechtliches Bedenken ergibt sich nach folgender Richtung: Das Berufungsgericht gibt im Urteil zwar die Behauptung des Beklagten wieder, er habe in seinem Rundschreiben nicht mehr an Tatsachen mitgeteilt als das, was in öffentlicher Verhandlung des K.-Prozesses oder des B.-Ausschusses bekannt geworden sei. Es befaßt sich aber nicht weiter mit der Frage, ob diese Behauptung richtig sei, weil es die oben erörterte neue Beurteilung der Vorgänge durch den Beklagten in seinem offenen Brief für entscheidend hält. Da diese Erwägung, wie ausgeführt, nach den bisherigen Feststellungen das Urteil nicht stützen kann, wird zu der angegebenen Behauptung des Beklagten im einzelnen Stellung zu nehmen sein, und zwar auch in bezug auf die Verhandlungen des parlamentarischen sog. B.Ausschusses. Die Behauptung ist für die Frage der Anwendbarkeit des § 826 B G B . erheblich. Sie wird aber auch in Verbindung mit der 21*

Schuldrecht, Besonderer Teil

Angabe beider Parteien, daß ihr Kampf noch in anderen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgefochten werde, für die Frage des Rechtsschatzbedürfnisses im jetzigen Rechtsstreit von Bedeutung. Sind die vom Beklagten gegen den Kläger erhobenen, in dem offenen Briefe zusammengefaßten Vorwürfe ohne Verletzung der Schweigepflicht des Beklagten in der Oeffentlichkeit bekannt geworden und im wesentlichen schon vom Kläger zum Gegenstand einzelner Rechtsstreitigkeiten gemacht worden, so wird es sorgfältiger Prüfung bedürfen, ob und inwiefern in der Erörterung bereits in die Oeffentlichkeit gelangter Tatsachen ein Verstoß gegen die guten Sitten gefunden werden kann. Nebenher mag bemerkt werden, daß der zur Begründung der Klage gleichfalls erwähnte, wenn auch anscheinend vom Berufungsgericht der Entscheidung nicht zugrunde gelegte Brief vom 12. Oktober 1927 am Schlüsse hervorhebt, die dort wiedergegebenen Ausführungen gäben nur den Inhalt öffentlicher Verhandlungen (Gericht, Parlament usw.) wieder und nicht dasjenige, was der Beklagte als Sachverständiger erfahren habe. Erhebliche Bedenken gegen die Anwendung des § 826 BGB. ergeben sich ferner nach folgender Richtung: Zutreffend geht das Berufungsgericht von dem Satze aus, daß ein Verstoß gegen die guten Sitten auch dann vorliegen könne, wenn der Handelnde sich eines solchen Verstoßes nicht bewußt sei. Der nach § 826 BGB. erforderliche Vorsatz braucht sich nach anerkannter Rechtsprechung nur auf die Schadenszufügung zu richten; es reicht das Bewußtsein aus, daß der andere infolge der Handlungsweise des Täters Schaden leiden könne, sofern der Täter den möglichen Erfolg in seinen Willen aufgenommen und für den Fall seines Eintritts gebilligt hat (Komm. v. RGR. Bern. 3 zu § 826 und die dort angeführten Urteile). Dagegen braucht der Täter nicht das Bewußtsein von der Sittenwidrigkeit seines Tuns zu haben. Zutreffend wird in der Rechtsprechung (vgl. RGZ. Bd. 79 S. 23) darauf hingewiesen, in einem heftigen Kampf werde oft derjenige, der gegen einen anderen in rücksichtsloser, dem Anstandsgefühl billig denkender Menschen widerstrebender Weise vorgebt, nicht erkennen, daß seine Ziele oder iseine Mittel anstößig sind; der Zweck des § 826, solchen Kampfesauswüchsen entgegenzutreten, könnte nicht erreicht werden, wenn dem Täter das Bewußtsein von der Sittenwidrigkeit seines Tuns innewohnen müßte. Hieran ist ohne Einschränkung festzuhalten. Allein unabhängig von dieser, das persönliche Merkmal des § 826 betreffenden Frage ist die andere, ob nach der gegenständlichen Seite hin die innere Gesinnung des Handelnden ohne Bedeutung ist. Letztere Frage ist in dieser Allgemeinheit ohne Zweifel zu verneinen. Es mag zweifelhaft sein, ob die allgemeine Umschreibung der Frage in RGZ. Bd. 71 S. 112 nicht zu weit geht, wenn isie das Erfordernis aufstellt, es müsse geprüft werden, ob der Täter mit Rücksicht auf die Lage, in der er sich befand,

Unerlaubte Handlungen

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seine Handlung als gegen das Rechts- und Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßend erkennen mußte, und ob er sie nicht nach seiner Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse als gerechtfertigt ansehen durfte. Es mag sein, daß diese Fassung mit anderen Entscheidungen des Reichsgerichts nicht im Einklang steht (vgl. dazu RGZ. Bd. 79 S. 23). Auch der in RGZ. Bd. 91 S. 359 enthaltene Satz, daß eine vorsätzliche Schädigung des Klägers in einer wider die guten Sitten verstoßenden Weise nicht gegeben sei, wenn der Beklagte sich keiner Rechtswidrigkeit bewußt gewesen sei, kann in dieser Fassung Bedenken hervorrufen. Das vorsätzliche Verschulden nach § 823 BGB. schließt zwar nicht nur die Erkenntnis des schädigenden Erfolgs, sondern auch die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit in sich. Aber hiervon verschieden ist eben der Tatbestand des § 826 BGB. {vgl. RGZ. Bd. 72 S. 6 und 7 und die dort aufgeführten Entscheidungen). Für den letzteren Tatbestand kann die innere Gesinnung des Handelnden nur nach der gegenständlichen Seite des gesetzlichen Tatbestands in Betracht kommen. Regelmäßig wird ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht angenommen werden können, wenn der Täter der redlichen Ueberzeugung ist, daß er an Verfo'gung e:ne® erlaubten Interesses so handeln dürfe, wie er handelt ( J W . 1915 S. 913 Nr. 3). Die Umstände des einzelnen Falles können freilich auch zu einem anderen Ergebnis führen. Soviel kann aber grundsätzlich gesagt werden, daß nicht jeder Irrtum über die Zulässdgkeit eines zur Erreichung eines Ziels gewählten Mittels den Vorwurf der Sittenwidrigkeit begründet und daß die Feststellung eines solchen Irrtums es keineswegs ohne weiteres ausschließt, jene redliche Ueberzeugung des Handelnden im gekennzeichneten Sinne zu beachten (RGZ. Bd. 79 S. 23; J W . 1925 S. 2246). Das Berufungsgericht stellt nun hier — im wesentlichen in Uebereinstimmung mit dem Landgericht — fest, daß der Beklagte geglaubt hat, sittlich billigenswerte Ziele zu verfolgen; es nimmt an, er möge davon überzeugt sein, daß er durch seine Pflichtverletzung der Gesundheit des staatlichen Lebens einen höheren Dienst erweise, als wenn er seine mit dem Vertrauensverhältnis übernommenen Rechtispflichten treu befolge. Aber es meint, das vom Beklagten gewählte Mittel des Vertrauensbruches begründe den Verstoß gegen die guten Sitten. Das ist nach den obigen Ausführungen jedenfalls in dieser Allgemeinheit rechts irrtümlich und wird durch die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gerechtfertigt, und zwar um so weniger, als, wie in anderem Zusammenhang näher dargelegt ist, der offene Brief bisher noch nicht in vollem Umfang vom Berufungsgericht gewürdigt ist, und als die Möglichkeit besteht, daß die Sachlage noch weiter in dem vom Berufungsgericht zugunsten des Beklagten angenommenen Sinne — hinsichtlich seiner inneren Gesinnung — geklärt wird.

Sachregister (Die Ziffern b e d e u t e n die Seitenzahlen dieses Bandes) A Abänderung des Urteils nach § 323 ZPO. und Einheitlichkeit der Unfallrente 125 Ablösung von Teilen eines Gebäudes, § 836 BGB. 12, 314 Aktien, Ersatzanspruch der Aktion ä r e wegen Entwertung ihrer — 335 Allgemeine Bedingungen der Rollfuhrunternehmer 293 Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und Schadensersatz aus § 826 BGB. 121 Anfechtnngsirist, Ablauf der — bei Schuldversprechen durch Drohung 175 Anfechtungsgesetz und § 826 BGB 130 Anrechnung der Buße 270 — der Witwen- und W a i s e n r e n t e 243 Arglist, Bordellkauf und Einrede der — 115 — des Geschäftsvermittlers 83 — durch — erschlichenes rechtskräftiges Urteil 166 Arglisteinrede gegen eine widerrechtlich erlangte Forderung 67 Arglistige Täuschung, Anfechtung wegen —r — und Schadensersatz aus § 826 BGB. 121 — über Hauptschuldner 226 — über Mangel einer Kaufsache und § 826 BGB. bei Kenntnis des Mangels 55 —, Schadensberechnung bei —r — des Käufers durch einen Dritten 72 —, Mitgift und — •— über Vermögensverhältnisse 200 Arglistige Verleitung zum Vertragsbruch 304 Arrest, Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus ungerechtfertigtem — 135 Arztboykott 249 Aufforderung an Lieferanten eines Kaufmanns, diesem nicht mehr zu liefern, sittenwidrig? 111 Aufkündigung, nicht rechtzeitige — eines Genossen und S c h a d e n ersatzpflicht des Vorstandes 55

Auflassungserklärung, Urteil auf Abgabe einer — 156 Aufrechnung, über Ausschließung jeder — 67 Aufsichtspflicht des kaufmännischen L e h r h e r r n , § 832 BGB. 270 — des Lehrers, § 832 BGB. 93 — des G r u n d s t ü c k s e i g e n t ü m e r s hinsichtlich Streupflicht 323 —, schuldhafte Verletzung der elterlichen —, eine u n e r l a u b t e Handlung? 20, 142 Aufsichtsratsmitglied, Haftung der —er einer AG, für E n t w e r t u n g der A k t i e n 335 Ausgleichspflicht unter mehreren Schädigern 142 Ansgleichungsanspinch und Einrede der r e c h t s k r ä f t i g entschiedenen Sache 102 Ausknnftei, A u s k u n f t über erlittene V o r s t r a f e n 342 Ausschließung, gerichtliche Nachp r ü f u n g der — aus einem Verein 314 Ausschluß der Tierhaltcrhaftung durch stillschweigende Vereinb a r u n g 97 B Baugeldempfänger, Haftung 219 Baulastpflichtige, fahrlässige B r a n d stiftung als Schutzgesetz zugunsten des —n 181 Bauschaden, Begriff des —s im Sinne des § 836 BGB. 314 Beamte, Haftung 136 —, Haftung des Reichsfiskus für — des Kanalamts 171 Begrenzung, zeitliche — einer R e n t e , § 843 BGB. 189 Behauptung, zum Begriff der — im Sinne des § 824 BGB. 286 — von T a t s a c h e n bei V e r ö f f e n t lichung wissenschaftlicher U n t e r suchungen und § 824 BGB. 191 Beischlaf, außerehelicher — k e i n e u n e r l a u b t e Handlung 267 Beleidigung durch S c h r i f t w e r k e 327 Beleuchtung, Verpflichtung des Eisenbahnunternehmers zur — der Z u f a h r t s s t r a ß e 15

375 Berechtigtes Interesse im Sinne des § 824 Satz 2 B G B . 194 Besitz, zur Auslegung des § 837 B G B . 53 Bestellung zu einer Verrichtung im Sinne des § 831 B G B . 235 Beteiligter, zum Begriff der —n im Sinne des § 830 B G B . 363 Beteiligung im Sinne des § 830 B G B . 42 Betriebsunternehmer, Unterlassung der Unfallanzeige seitens des —s 265 Beweislast in betreff der Wahrheit der verbreiteten Behauptungen 75 Bierabnahmeyertrag, Eingriff in einen —, § 826 B G B . 158 Bietungsabkommen zwischen Ersteher und Hypothekengläubiger in der Zwangsversteigerung 46 Bordellgrandstück, Verlangen auf Herausgabe eines —s und § 826 B G B . 197 Bordellkauf und Einrede der Arglist 115 Börsenverein der Deutschen Buchhändler, Maßnahmen gegen Preisunterbietung 29 Brandstiftung, fahrlässige — als Schutzgesetz zugunsten des Baulastpflichtigen 181 Briefgeheimnis, Verletzung des —ses als Schutzgesetz 252 Buchhändler, Maßnahmen des Börsenvereins der Deutschen — gegen Preisunterbietung 29 Bürgschalt, arglistige Täuschung über Hauptschuldner 226 Bnfle, Anrechnung 270 D Dampfschiffahrtsgesellschaft, Haftung der — für verkehrssicheren Zustand des Geländes an der Anlegestelle 349 Diebstahl, Haftung des Rollfuhrunternehmers dem Käufer gegenüber 293 Dritter, Eingriff eines —n in den Mietbesitz 59

—, Haftung des Tierhalters für Verletzungen eines —n 7 —, Ansprüche — bei Tötung des Unterhaltspflichtigen 140 —, Verschulden des ersatzberechtigten —n, §§ 844, 845 B G B . 25 Drohung, Rechte des Schuldners eines durch — erzwungenen Schuldversprechens nach Ablauf der Anfechtungsfrist 175 E

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Ehemann, Haftung für Schädigung durch geisteskranke Ehefrau 108 —, Geltendmachung d e s Schmerzensgelds der Ehefrau im eigenen Namen 207 Ehrverletzungen durch irrtümliche tatsächliche Aufstellungen in einem Buch 228 Eigenbesitz, Auslegung des § 837 B G B 53 Eigentum, Schutz des —s eines anderen und § 823 Abs. 1 B G B . 299 Eigentümer, Haftung des —s bei Weitervermietung 238 Eigentumsübergang beim Versendungskauf 293 Eingebrachtes Gut der Ehefrau, Schmerzensgeld 207 Einheitlichkeit des Unfallrentenanspruchs 125 Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache gegenüber Ausgleichungsanspruch 102 Einsichtsvermögen eines neunjährigen Kindes 127 Einsturz-Haftung nach § 837 BGB. 53 — eines Teils eines G e b ä u d e s 12 Eisenbahnfiskus, Haftung des — für Delikte 20 Eisenbahnunternehmer, Verpflichtung des —s zur Beleuchtung der Zufahrtsstraße 15 Eltern, Haftung der — für Schaden durch Kinder 1 Entlastungsbeweis aus § 831 B G B . 15, 113, 162, 197 — des Tierhalters 154 —, Zulässigkeit des — e s nach § 830 Abs. 1 Satz 2 B G B . 363

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Sachregister

Entwertung, Ersatzanspruch der Aktionäre wegen — ihres Aktienbesitzes 335 Ersatzpflicht, Umfang der —, § 842 BGB. 261 Erschleichung eines Urteils 166 Erwerbsunfähigkeit) zur Frage des Schadensersatzes wegen — durch Kapitalabfindung 100 Exekationsinterrention 79 F Fabrikanti Rechtsverhältnis zwischen — und Verbraucher 197 Fachmann, Verschulden durch Nichtzuziehung eines —s 181 Fahrlässigkeit, grobe — als Verstoß gegen die guten Sitten, § 826 BGB. 119 Falscheid, fahrlässiger — als Schutzgesetz 57 Flugzeug, Haftung für den einem Grundstücksbesitzer durch ein abgestürztes — zugefügten Schaden 281 Forderung, Arglisteinrede gegen eine widerrechtlich erlangte — 67 Fonnmangel, sittenwidriges Verhalten bei Nichterfüllung eines wegen —s nichtigen Vertrages 189 Fortgesetzte Immissionen, Verjährung eines Anspruchs aus unerlaubter Handlung bei —n — auf das Grundstück 310 Freigabe, Haftung für verspätete — der Pfandstücke 79 Freiheit, Gefährdung der — kein nach § 823 Abs. 1 BGB. geschütztes Rechtsgut 273 Fremdbesitzer, Haftung des —s 286 Fürsorgepflicht einer Irrenanstalt 319 —, schuldhafte Verletzung der elterlichen — als unerlaubte Handlung 20, 142 FnSboden, Durchbrechen des morsch gewordenen —s eines Stockwerks, § 836 BGB. 12 G Gebände, über den Begriff Teil eines —s im Sinne des § 836 B G B 314

—, Haftung nach § 836 BGB. für Ablösung von Teilen eines —s 12 Gefahrdrohende Anlagen, § 907 BGB. 65 Gefährdung der Freiheit kein nach § 823 Abs. 1 BGB. geschütztes Rechtsgut 273 Gefährdungshaftung der Reichspost 344 Gefälligkeitsfahrt 97 Geheimmittel, Klage wegen öffentlicher Kritik eines kosmetischen — s 61

Geisteskranke, Haftung für — Ehefrau 108 —, Haftung für —n Sohn 233 —, Verletzung der Obhutspflicht einer Irrenanstalt und mitwirkendes Verschulden des —n 319 Geldersatz oder Herausgabe bei zweimaligem Verkauf einer Sache 317 Geldrente, Dauer der —, § 844 BGB. 214 Genossenschaft, Haftung des Vorstandes einer eingetragenen — wegen nicht rechtzeitiger Aufkündigung eines Genossen 55 Gesamtschuldner, Haftung mehrerer Tierhalter als — 70 Geschäftsführer, Haftung des —s einer GmbH, für Mitgeschäftsführer aus § 831 BGB.? 219 Geschäftsführung ohne Auftrag, Verjährung 196 —, Anspruch des Baulastpflichtigen aus — — — gegen fahrlässigen Brandstifter 181 Geschäftsherr, Entlastungsbeweis des —n nach § 831 BGB. 15, 113, 162 —, zur Haftung des —n nach § 831 und § 823 BGB. 15 —, Haftung des —n für arglistiges Verhalten des Geschäftsvermittlers 83 Geschäftsvermittler, Arglist des —s 83 —, Verantwortlichkeit des Verkäufers für den — 113 Geschlechtskrankheit, Haftung ffir Ansteckung, § 830 BGB. 267 Gewährleistungsanspruch wegen Hausschwamm bei Bordellkauf 115

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Sachregister Gewerbebetrieb als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. 299 Gewerbetreibende, Kampf gegen übermäßige Rabattgewährung von —n 29 GmbH., Gründerhaftung bei einer — 282 —, Klagerecht des Mitgliedes einer — 228 Grobe Fahrlässigkeit als Verstoß gegen die guten Sitten, § 826 BGB. 119 Große Senat, Verweisung an den —n — 317 Gründerhaftung bei einer GmbH. 282 Grundstücksbesitzer, Haftung für einen einem — durch ein abgestürztes Flugzeug zugefügten Sachschaden 281 Grundstückseigentümer, Aufsichtspflicht hinsichtlich Streupflicht 323 Gate Sitten, Verstoß gegen — — und Anfechtungsgesetz 130 —, Arztboykott als Verstoß gegen 249 —, Verstoß gegen — — bei Ausschließung eines Mitglieds 314 —, Verstoß gegen durch Eingriff in einen Bierabnahmevertrag 158 —.Verstoß gegen — — beim Verlangen der Herausgabe des Bordellgrundstücks wegen Nichtigkeit des Kaufvertrages 197 —, grobe Fahrlässigkeit als Verstoß gegen die —n —, § 826 BGB. 119 —.Verstoß gegen im kaufmännischen Verkehr, § 826 BGB. 29 —, Verbreitung ehrenrühriger, aber wahrer Vorgänge über Konkurrenten als Verstoß gegen 152 —, Verstoß gegen die —n — und vorsätzliche Schadenszufügung 210 —, Verstoß gegen im wirtschaftlichen Wettbewerb 245

Hauseigentümer, Haftung des —s für Verkehrssicherheit neben dem Ladenmieter 258 Hausschwamm, Bordellkauf und — 115 Hehler, Verjährung des Ersatzanspruchs gegen — 346 Herausgabe, Schadensersatzanspruch auf — von Abschriften eines widerrechtlich eröffneten Briefes 252 — oder Geldersatz bei zweimaligem Verkauf einer Sache 317 Hilfslohn des Schleppers für Rettung bei Schiffsunfall durch seine Schuld 58 Hilfsperson, Haftung des Beschädigten für mitwirkendes Verschulden von —en 156 Honorar, Verschweigen des Sonder —s beim Prozeßvergleich 277

H

KapitaLabfindung oder Rente, § 843 Abs. 3 B G B 100 Kausalzusammenhang zwischen Außerachtlassung von Unfallverhütungsvorschriften und Unfall 262

Handlungslchrling, Aufsichtspflicht des kaufmännischen Lehrherrn über — 270 Hauptschuldner, Aufklärungspflicht über — 226

I Immaterieller Schaden, Ersatz 252 Interesse, zum Begriff des objektiv berechtigten —s im Sinne des § 824 Abs. 2 BGB. 194 Irrenanstalt, Obhutspflicht einer — 319 J Jugendlicher, Schadensersatzpflicht eines —n 127 —, Unfall eines —n im landwirtschaftlichen Betrieb 265 Jugendschutzgesetz, Grenze zwischen „Kindern" und „jungen Leuten" im Sinne des —es 308 Juristische Person, Haftung für Vertreter —r —en 20 —, Haftung der Vertreter einer —n — neben Haftung der —n — selbst 219 K

378 Kind, Haftung der Eltern für Schaden durch — 1 —, Unfall des —es und Vernachlässigung der Aufsichtspflicht 20 Kinderarbeit, Verbot der — als Schutzgesetz 308 Klagerecht des Mitglieds einer GmbH. 228 Konkurrent, Verbreitung ehrenrühriger, aber wahrer Vorgänge über —en 152 Kosmetisches Mittel, Klage wegen öffentlicher Kritik eines —n —s 61 Kraitfahrlinie, Begriff 360 Kraftfahrzeug, Tierhalterhaftung bei Schade durch Tier und — 178 Kreditgefährdung und Klage auf Unterlassung 75 —, Klagerecht des Mitgliedes einer GmbH wegen — 228 Kritik, Klage wegen öffentlicher — eines kosmetischen Geheimmittcls 61 Landwirtschaftlicher Betrieb, Unfall eines Jugendlichen im —n — 265

I j I ! i [ 1 | I | i ; j j : !

—, Eingriff in den — 59 Mieter, Anspruch des —s gegen Dritten wegen schuldhafter B e einträchtigung seines Mietbesitzes 59 —, Haftung des Hauseigentümers für Verkehrssicherheit neben dem — eines Ladens 258 Mietsache, Vertrags- und Deliktshaftung bei Mängeln der — 207 Minderung von Ersatzansprüchen durch Witwen- und Waisengelder _ 243 Mitgift und arglistige Täuschung über Vermögens Verhältnisse 200 Mittäter, zur Haftung von —n, § 830 B G B 267 — und Beteiligte, § 830 B G B . 42 —, Jugendliche als —, § 830 B G B .

. 127

i Mittelbare sittenwidrige Schädigung 166 — Unfallfolge 261 Mitwirkendes Verschulden des Beschädigten, §§ 844, 845 B G B . 25 —, Entlastungsbeweis nach § 831 B G B durch Nachweis —n —s des Geschädigten 113 L — eines Geisteskranken 319 Lebenszeit, Geldrente aus § 844 —, Haftung des Beschädigten für — Abs. 2 B G B . auf — ? 214 — von Hilfspersonen 156 Lehrherr, Aufsichtspflicht des kauf— des geschleppten Schiffes bei männischen —n 270 Schiffsunfall durch Schuld des Lehrer, Aufsichtspflicht des —s 93 Schleppers 58 Leistungsverweigerungsrecht, § 853 Mutmaßliche Lebensdauer, BegrenB G B 67 zung der Rente auf des Ge— wegen Nachahmung 284 töteten 214 Lieferant, sittenwidriges Handeln bei Aufforderung an —en eines N Kaufmanns, diesem nicht mehr zu Nachahmung, Leistungsverweigeliefern? 111 rungsrecht wegen — 284 Lotse, Haftung des Reichsfiskus für Nachprüfung, gerichtliche — der —n 136, 171 Ausschließung aus einem Verein Luftfahrtschäden, Haftung für — 281 314 Nichtverantwortlichkeit des Täters M und Haftung aus § 829 B G B . 256 Mängel, arglistige Täuschung über ö — einer Kaufsache und § 826 BGB. bei Kenntnis des —s 55 Oeffentliche Kritik, Klage wegen — r — der Mietsache, Vertragsund — eines kosmetischen GeheimDeliktshaftung 207 mittels 61 —, Unterlassung des Widerspruchs P gegen Hinausschiebung der —beseitigung 207 Pactum de non licitando 46 Mietbesitz oder Eigenbesitz, zur Pfandstück, Haftung für verspätete Auslegung des § 837 B G B . 53 Freigabe der —e 79

379

Sachregister Postfiskus, Haftung für Wiederabholung eines bestellten Telegramms 216 Preiskalknlation, Rechenfehler in der — und § 826 B G B . 29 Preisunterbietung, Kampf gegen — im Sortimentsbuchhandel 29 Prozefivergleich, Verschweigen des Sonderhonorars beim — 277 R Rabattgewährung, Kampf gegen übermäßige — 29 Rechenfehler in der Preiskalkulation und § 826 B G B . 29 Rechtsanwalt, Verschweigen des Sonderhonorars beim Prozeßvergleich 277 Rechtskräftiges Urteil, durch Arglist erschlichenes — — 166 — über den Grund des Anspruchs im Vorprozeß und Verjährung 346 Rechtspflicht des Tierarztes zum Handeln Dritten gegenüber zwecks Verhütung einer Ansteckung 301 Reichsfiskus, Haftung des — für Lotsen 136, 171 Reichspost, Gefährdungshaftung der — 344 Rente, zur Frage der Kapitalabfindung oder — gem. § 843 B G B . 100 — aus § 844 B G B auf L e b e n s z e i t ? 214 Rentenansprüche, Verjährung von —n 147 Rollfuhrunternehmer, Haftung des — s für Verlust der W a r e dem Käufer gegenüber 293

s Sacheinlagen, betrügerische U e b e r wertung von — bei einer GmbH. 282 Sachverständiger, Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des —n und § 826 B G B . 366 Sandverwehung, § 836 B G B . 65 Schaden, zum Begriff des — s im Sinne des § 826 B G B . 200 Schadensberechnung bei § 826 B G B . 72

Schadensermittlung bei Tötung des Unterhaltsverpflichteten 229 Schadenszufügung, zum Vorsatz der —, § 826 B G B . 210 Schiffsunfall eines geschleppten Schiffes 58 Schleppvertrag, Rechtsbegriff des — e s 58 Schleuderer, über — im Buchhandelsgewerbe 29 Schmerzensgeld, eingebrachtes Gut der Ehefrau 207 Schriftwerk, Beleidigung durch — e 327 Schuld versprechen durch Drohung und Ablauf der Anfechtungsfrist 175 Schüler, Haftung des Lehrers für Handlungen von —n 93 Schutzgesetz, Aufsichtspflicht als —

20

—, § 1 des Reichsgesetzes über die Sicherung der Bauforderung als — 219 —, fahrlässige Brandstiftung als — zugunsten des Baulastpflichtigen 181 —, Verletzung des Briefgeheimnisses 252 —, fahrlässiger Falscheid 57 —, § 6 des Kraftfahrliniengesetzes ein — ? 360 —, § 266 S t G B . (Untreue) als — 352 Schweigepflicht des Sachverständigen und § 826 B G B . 366 Senat, Verweisung an den großen — 317 Sittenwidrige Schadenszufügung durch Eingriff in einen Bierabnahmevertrag 158 — durch Nichterfüllung eines wegen Formmangels nichtigen Vertrages 189 — durch Aufforderung an Lieferanten eines Kaufmanns, diesem nicht mehr zu liefern? 111 — des Gläubigers durch Erlangung eines Zahlungsversprechens nach Vergleich 175 Sittenwidriger wirtschaftlicher W e t t bewerb 245 Sittenwidriges Bietungsabkommen zwischen Ersteher und Hypothekengläubiger in der Zwangsversteigerung 46

380

Sachregister

Sittenwidrigkeit, zur Frage der — der Verleitung zum Vertragsbruch 304 Sonderhonorar, Verschweigen des —s beim Prozeßvergleich 277 Sonstiges Recht im Sinne von § 823 BGB, Begriff 20 —.Besitz als , § 823 Abs. 1 BGB. 216 — im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. und Unfallversicherung 265 —, Gewerbebetrieb als — — im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB. 299 Staat, Haftung des —es für Delikte 20 Standes verein, Beschluß über beruflichen Verkehr, § 826 BGB. 249 Stillschweigende Vereinbarung über Ausschluß der Haftung durch Tierschaden 97 Streupflicht eine Verbindlichkeit im Sinne des § 278 B G B . ? 323

Tatsache im Sinne des § 824 BGB.

286

—, Behauptung von —n bei Veröffentlichung wissenschaftlicher Untersuchungen und § 824 BGB. 191 Teil eines Gebäudes im Sinne des § 836 BGB. 314 Telegraphenordnung, Rechtliche Bedeutung 216 Tierarzt, Rechtspflicht zum Handeln Dritten gegenüber zwecks Verhütung einer Ansteckung 301 Tierhalter, Haftung mehrerer — als Gesamtschuldner 70 —, Haftung des —s und Vertragsverhältnis 71 —, Haftung des —s für Verletzungen eines Dritten 7 Tierhalterhaitang und Entlastungsbeweis 154 — bei Schaden durch Tier und Kraftfahrzeug 178 —.Ausschluß der — durch stillschweigende Vereinbarung 97 —, zur Anwendung des § 833 BGB. 90 Tierhüter, Haftung des —s und Tierhalters als Gesamtschuldner 70 —, Tierhalterhaftung bei Verschulden des —s 154

Tierschade, § 833 BGB. 23 Tötung, zum Begriff der — im Sinne des § 844 BGB. 94 —, Ansprüche Dritter bei — des Unterhaltspflichtigen 140 —, Begrenzung der Rente auf mutmaßliche Lebensdauer im Falle der — 214 —, Schadensersatzanspruch bei — eines Unterhaltspflichtigen 88 —, Ermittlung des Schadens bei — des Unterhaltsverpflichteten 229 U Uebergründnng einer GmbH. 282 Ueble Nachrede, zum Unterlassungsanspruch wegen —r — 327 Umfang der Ersatzpflicht, § 842 B G B . 261 Unerlaubte Handlung 1—Ende —.Begriff 70 Unfall eines Jugendlichen im landwirtschaftlichen Betrieb 265 Unfallanzeige, Unterlassung 265 Unfallfolgen, Ursächlicher Zusammenhang und Beginn der Verjährung bei neu hervorgetretenen — 356 Unfallrente, Einheitlichkeit der — und § 323 ZPO. 125 —, zeitliche Begrenzung 189 Unfallyerhfitungsvorschriften, Kausalzusammenhang zwischen Verletzung von — und Unfall 262 Ungerechtfertigte Bereicherung, Verjährung des Anspruchs nach § 852 B G B . 196 Unterhaltsanspruch, § 844 BGB. 140 —, Schadensersatz wegen Entziehung des —s 140 —.Vereitelung 130 Unterhaltsberechtigter, Rente auf Lebenszeit? 214 Unterhaltsverpflichteter, Ermittlung des Schadens bei Tötung des —n 229 —, Schadensersatzanspruch bei Tötung eines —n 88 Unterlassung der Unfallanzeige 265 Unterlassungsklage wegen übler Nachrede 327 — bei Verbreitung unwahrer Tatsachen 75 —, zur vorbeugenden — 286

Sachregister Untreue, § 266 StGB, als Schutzgesetz 352 Unzurechnungsfähiger, zur Haftung eines —en 256 Urteil, s. Rechtskräftiges Urteil V Vater, Haftung für geisteskranken Sohn 233 Verantwortlichkeit des Eigentümers auch bei Weitervermietung 238 Verbraucher, Rechtsverhältnis zwischen Fabrikant und — 197 Verbreitung ehrenrühriger, aber wahrer Vorgänge über Konkurrenten wettbewerbshalber 152 — unwahrer Tatsachen und Klage auf Unterlassung 75 Verein, gerichtliche Nachprüfung der Auschließung aus einem — 314 Vergleich, sittenwidriges Handeln durch Erlangung eines Zahlungsversprechens nach — 175 Verjährung des Anspruchs aus § 829 B G B 256 — des Ausgleichungsanspruchs 102 — des Anspruchs aus Geschäftsführung 196 — des Ersatzanspruchs gegen Hehler 346 — bei fortgesetzten Immissionen auf das Grundstück 310 — von Rentenansprüchen 147 — des Schadensersatzanspruchs aus ungerechtfertigtem Arrest 135 —, Beginn der — wegen neu hervorgetretener Unfallfolgen 356 Verkaui, Haftung des zweiten Käufers bei zweimaligem — einer Sache auf Herausgabe oder Geldersatz 317 Verkehrssichere Zustand, Haftung einer Verkehrsgesellschaft für —n — eines öffentlichen Platzes 349 Verkehrssicherheit, Haftung des Hauseigentümers für — neben dem Mieter eines Ladens 258 Verleger, Verantwortlichkeit des —s eines Schriftwerks für üble Nachrede 327 Verleitung zum Vertragsbruch 304 Vermieter, Haftung aus unerlaubter Handlung 207

381

Vermietung, Verantwortlichkeit des Eigentümers auch bei — 238 Vermögensverschiebung zwecks Vereitelung des Unterhaltsanspruchs 130 Veröffentlichung wissenschaftlicher Untersuchungen und § 824 BGB. 191 Verrichtung, zum Begriff der Bestellung zu einer — im Sinne des § 831 BGB. 235 —, zum Begriff der Leitung der — im Sinne des § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB. 181, 235 Verschulden durch Nichtzuziehung eines Fachmannes 181 Verschwiegenheitspflicht, zur — des Sachverständigen 366 Versendungskauf und Eigentumsübergang 293 Vertrag, Anspruch aus — und unerlaubter Handlung 203 Vertragsbruch, arglistige Verleitung zum — 304 Vertragsmäfiige Gebrauch, zum Begriff des —n —s einer Mietsache 207 Vertrags- und Deliktshaftnng des Vermieters 207 Vertrags Verhältnis und Haftung des Tierhalters 71 Vertreter, Haftung für — juristischer Personen 20 Verweisung an den großen Senat 317 Vorbeugende Unterlassungsklage 286 VorprozeB, rechtskräftiges Urteil über den Grund des Anspruchs im — und Verjährung 346 Vorsatz der Schadenszufügung, § 826 BGB. 210 Vorstand, zur Schadensersatzpflicht des —es einer eingetragenen Genossenschaft für nicht rechtzeitige Aufkündigung eines Genossen 55 Vorstandsmitglied, Haftung der —er einer AG für Entwertung der Aktien 335 Vorstrafen, Auskunft einer Auskunftei über erlittene — 342 Vorteilsanrechnung bei Schadensersatzanspruch der Witwe des Verunglückten 229

382

Sachregister W

Wahrnehmung berechtigter Interessen des Verlegers eines Schriftwerks 327 Waisengelder, Minderung von Ersatzansprüchen durch Witwenund — 243 Werk, zum Begriff des mit dem Grundstück verbundenen —es, § 836 B G B . 65 Wettbewerb, Verbreitung ehrenrühriger, aber wahrer Vorgänge über Konkurrent aus —sgründen 152 Wettbewerbsbeschränkung 245 Widerruf, zur Klage auf — 273

Witwengelder, Minderung von Ersatzansprüchen durch — 243 Z Zahlungsversprechen, sittenwidriges Handeln des Gläubigers durch Erlangung eines —s nach Vergleich 175 Zeitliche Begrenzung einer Unfallrente aus § 843 B G B . 189 Zusammentreiien der Haftung aus Vertrag und unerlaubter Handlung 203 Zwangsversteigerung, kommen 46

Bietungsab-

Wechselgesetz vom 21. Juni 1933 RGBl. I S. 399 Kommentar. 14. Auflage. Bearbeitet von MARTIN

STRANZ

D I N A 5. X I I , 542 Seiten. 1952. Ganzleinen DM 32,— (Guttentagsche

Sammlung

Deutscher

Gesetze

N r . 5)

Der Verfasser, der schon an den früheren Auflagen mitgearbeitet hat, legt nun die 14. Auflage dieses von Jeher bestens eingeführten Kommentars vor. In der Praxis wird das Neuerscheinen dieses Standardwerkes auf das wärmste begrüßt werden, zumal darin die Jüngste deutsche Rechtsentwicklung aus diesem auf internationaler Grundlage beruhenden Rechtsgebiet berücksichtigt und zu allen in der Literatur und Rechtsprechung in neuester Zeit vertretenen Ansichten Stellung genommen ist.

Gesetz betreffend

Mitbestimmungsrecht im Bergbau und

in der eisenschaffenden Industrie mit Erläuterungen von HANS WILHELM

KÖTTER

Ministerialrat Im Bundeswirtschaftsministerium D I N A 5. X V I , 252 Seiten. 1951. Ganzleinen DM 1 6 , (Guttentagsche

Sammlung

Deutscher

Gesetze

N r . 23 8)

In dem vorliegenden Erläuterungswerk äußert sich der Handelsrechtler, der als Herausgeber des von Heymann gegründeten Handkommentars zum Handelsgesetzbuch schon einen Namen hat, und der als Vertreter eines der beteiligten Ministerien bei den Vorarbeiten und Ausschußarbelten zu dem Gesetz beteiligt war, zu den zum Teil weit in die Breite des Aktienrechts eingreifenden neuen Bestimmungen über das Mitbestimmungsrecht.

WALTER DE GRUYTER & CO., B E R L I N W 3 5

Großkommentar

der

Praxis

Kommentar zum Handelsgesetzbuch Früher herausgegeben von Mitgliedern des Reidisgeridits

Zweite Auflage

Erster B a n d 1. Lieferung (Allg. Einleit. u. §§ 1—16) Gr.-Oktav, 240 S., 1951, DM 15,— 2. Lieferung (§§ 17—45) Gr.-Oktav, 208 S., 1952, DM 1 6 , Bearbeitet v o n Professor Dr. H a n s W ü r d i n g e r

Zweiter B a n d (§§ 105—177, §§ 335—342). Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft und der stillen Gesellschaft Bearbeitet v o n Reichtsgerichtsrat a . D . Dr. O t t o W e i p e r t Gr.-Oktav,

VI,

816 Seiten,

1950,

Ganzleinen DM 45,—

1IEYMANN-KÖTTER

Handelsgesetzbach (ohne 9ecrecht) mit Erläuterungen 20. Gesamtauflage, herausgegeben von Amtsgerichtsrat H a n s W i l h e l m

Kötter

Oktav, 576 Seiten, 1950, Ganzleinen DM 18,— (Guttentagsche

Sammlung

Deutscher

Gesetze

Nr.

4)

..Die bewährte kommentierte Handausgabe des HGB, aus der Feder Ernst H e y m a n n s , jenes großen Kenners und Lehrers des Handelsrechts, wurde nach seinem Tode von Amtsgerichtsrat H. W. Kötter welter bearbeitet und liegt nunmehr, auf den neuesten Stand gebracht, vor. Dieser Handkommentar bringt im Anhang die Nebengesetze zum HGB im Wortlaut. Er bedarf keiner weiteren Empfehlung, wenn m a n darauf hinweist, daß es sich n u n m e h r um die 20. Auflage dieses Werkes handelt." Rundschau f ü r G. m. b. H. „Der raschen Unterrichtung dienen auch die eingehenden Zusammenstellungen über die Im Geschäftsverkehr üblichen Bedingungen und Klauseln. Erleichtert wird die Benutzung durch das ausführliche Sachregister. Im Anhang sind wichtige Gesetze und Verordnungen (z. B. die Handelsregisterverfügung, das Gesetz über Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften, das Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften, die Eisenbahnverkehrsordnung, die Allgem. deutschen Spediteurbedingungen) und handelsübliche Vertragsformeln abgedruckt." Monatsschrift f ü r Deutsches Recht

WALTER DE GRUYTER & CO., BERLIN W 3 5