Englands Exodus: Form und Funktion einer Vorstellung göttlicher Erwählung in Tudor-England 9783839438930

From Henry the Eight's first reforms to the death of Elizabeth the First: England's Exodus reveals the develop

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Englands Exodus: Form und Funktion einer Vorstellung göttlicher Erwählung in Tudor-England
 9783839438930

Table of contents :
Inhalt
Vorwort
A. Einleitung
B. Konstruktion einer ägyptischen Knechtschaft, Auszug aus ‚Ägypten‘ und die Erwählung des Königs (c. 1527 – 1538)
C. In der Wüste: Die frühen Regierungsjahre Eduards VI. (1547-1550)
D. ‚Probleme in Kanaan‘: Irland und der Nine Years’ War (1594 – 1603)
E. Schlussbetrachtung
F. Anhang

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Boris Queckbörner Englands Exodus

Histoire | Band 110

Boris Queckbörner (Dr. phil.), geb. 1982, Historiker, lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Kassel.

Boris Queckbörner

Englands Exodus Form und Funktion einer Vorstellung göttlicher Erwählung in Tudor-England

Phil. Diss. 2016, Fachbereich 06 Geschichte und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg.

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Inhalt

Vorwort | 9 A. Einleitung | 11

1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2

Thema und Fragestellung | 11 Forschungsstand | 16 Aufbau der Studie und Vorgehensweise | 31 Theoretische Vorüberlegungen: Erwählung als ‚politische Idee‘ | 31 Das methodische Vorgehen | 42 Das Quellenkorpus und die frühneuzeitliche Öffentlichkeit | 50 Die Quellen | 50 Publizistik und vormoderne Öffentlichkeit | 54

B. Konstruktion einer ägyptischen Knechtschaft, Auszug aus ‚Ägypten‘ und die Erwählung des Königs (c. 1527 – 1538) | 65

1. 2. 2.1 2.2 3. 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.3 4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.2

Der von Gott erwählte Herrscher: Eine erste Annäherung | 65 The King’s Great Matter und die Suche nach Wahrheit | 73 Die Censurae und Determinations – Auf der Suche nach Determinanten | 80 Invicta veritas – Der Kampf um die richtige Wahrheit | 88 ‚Antiklerikalismus‘ und die englische Klerisei: Die Mosaische Unterscheidung in England | 93 Pardon of the Clergy | 94 Der englische ‚Antiklerikalismus‘ | 96 Der politische Einfluss des Klerus | 102 Reichtum und Dekadenz des geistlichen Standes | 110 Fegefeuer und Erlösung – Die sakrale Macht des Klerus | 118 Die soziale Stellung der Geistlichkeit | 126 Das ‚hohe Alter‘ antiklerikaler Kritik: Die Vereinnahmung des lollardischen Erbes | 136 Zusammenfassung | 147 Die Erwählung des Königs: Absicherung und Legitimation einer innovatorischen Politik | 148 Die Collectanea satis copiosa | 148 Der Act of Supremacy und die Institutionalisierung der königlichen Erwählung | 151 Die öffentliche Repräsentation des Königs als Gottes erwählter Herrscher | 155 Vom Byshop of Rome zum ägyptischen Pharao: Die öffentliche Zurücksetzung des Papsttums | 160 Vicarius Dei: Die Instituierung der königlichen Erwählung im öffentlichen Diskurs | 172

4.3.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 6.

Die königliche Erwählung im Spannungsfeld zwischen David und Moses | 181 Zusammenfassung | 195 Kritik und Ausbau der königlichen Erwählung in zeitgenössischen Konflikten | 197 Die Pilgrimage of Grace | 199 Die äußere und innere Form der Pilgrimage | 203 Gemeinwohlschädliche Reformen: Die Themen der Pilgrimage of Grace | 212 Das Commonwealth und die königliche Erwählung: Die Entstehung einer neuen Heilsgemeinschaft | 226 Zusammenfassung | 241 Zwischenfazit: Ägyptische Knechtschaft und der Beginn des Exodus | 243

C. In der Wüste: Die frühen Regierungsjahre Eduards VI. (1547 – 1550) | 247

1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.4 4. 4.1 4.2 4.3 5.

Ein neues Regime | 247 Das erwählte Volk in der Wüste: Philip Nicolls | 251 Das ‚Murren‘ in der Wüste: Die Prayer Book Rebellion | 266 Der historische Kontext | 269 Die Forderungen der Aufständischen und der Aufbau einer henrizianischen Tradition | 272 Zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens oder weiter ins gelobte Land? Reaktionen auf die Prayer Book Rebellion | 289 Die Stilisierung der Prayer Book Rebellion als Murren in der Wüste | 289 Der Weg aus der Wüste: Ablehnung ‚Ägyptens‘ und weitergehende Reformen | 299 Zusammenfassung | 317 Der Krieg mit Schottland und die Externalisierung der englischen Erwählung | 320 Die ‚britische Perspektive‘: Ein Erbe Heinrichs VIII. | 321 Ein britisches ‚Manifest Destiny‘: Die Externalisierung der englischen Erwählung | 329 Zusammenfassung | 348 Zwischenfazit: Ein Volk in der Wüste | 350

D. ‚Probleme in Kanaan‘: Irland und der Nine Years War (1594 1603) | 353

1. 2. 3. 3.1 3.2 3.3

Der irische Kontext in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts | 353 ‚God is English‘: Englische Bundesvorstellungen unter Elisabeth I. als Grundlage der irischen Entwicklungen | 361 ‚To Fashion a Rebellion‘ – der Neunjährige Krieg aus katholischer Sicht | 377 Die Rolle des Papsttums: Der Heilige Kreuzzug | 382 Faith & Fatherland | 392 Verhandlungen mit Spanien | 399

3.4 3.5 4. 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4. 5.

Katholischer Exodus und die Suche nach einem Gott gesandten Erlöser | 402 Zusammenfassung | 415 ‚Probleme in Kanaan‘ – Irland und der Neunjährige Krieg aus englisch-protestantischer Sicht | 417 Irland als zweites Kanaan I: Das fruchtbare Land | 423 Irland als zweites Kanaan II: Die kanaanitischen Völker | 429 Der biblische Kontext | 431 Die kulturelle Andersartigkeit der Iren: Der englische Barbarendiskurs | 434 Die religiöse (kultische) Andersartigkeit der Iren: Katholizismus und Paganismus | 452 Der Bruch des Bundes: Alt-englische Degeneration und neu-englische Erwählungspolitik im Zuge des Neunjährigen Krieges | 462 ‚When gentlenesse preuaileth not, / then rigour taketh place‘: Radikale Reformpolitik | 473 ‚A God given just Occasion‘: Erwählungspolitik im Neunjährigen Krieg | 488 Zusammenfassung | 496 Zwischenfazit: Erwählunspolitik als Erneuerung des Bundes | 498

E. Schlussbetrachtung | 501 F. Anhang | 509

Abkürzungsverzeichnis | 509 Abbildungsverzeichnis | 510 Quellen | 510 Literatur | 531

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2015 vom Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften der Philipps-Universität Marburg als Promotionsschrift angenommen. Für die Drucklegung wurde das Manuskript gekürzt und leicht überarbeitet. Literatur, die nach dem Herbst 2015 erschienen ist, konnte nur noch in Einzelfällen eingearbeitet werden. Hinsichtlich der Datierungsfragen folge ich den gängigen Usancen und behalte die ursprüngliche, dem julianischen Kalender folgende, Datierung bei. Ebenfalls im Einklang mit dem Gros der Studien zu diesem Zeitraum wurde der Jahresanfang auf den 1. Januar gelegt. Am Ende einer langen und intensiven Arbeitsphase wird mir in zunehmendem Maße bewusst, wie sehr ich von der Unterstützung und den verschiedenen Hilfeleistungen Anderer profitiert habe. Mein Doktorvater, Prof. Dr. Christoph Kampmann, und mein langjähriger Chef in Marburg, Prof. Dr. Wilhelm E. Winterhager, haben jeweils auf Ihre spezifische Weise dazu beigetragen, ein anregendes und äußerst angenehmes Arbeitsumfeld an der Philipps-Universität zu schaffen. Prof. Dr. Christoph Kampmann war im gesamten Zeitraum ein stets wohlwollender Ansprechpartner und zugleich einer der schärfsten Kritiker meiner Arbeit. Die Gespräche mit ihm forderten mich immer wieder dazu heraus, meine Argumente und Thesen stringenter zu fassen und bisweilen auch, sie neu zu überdenken. Für diese kritische Begleitung des Arbeitsprozesses, ohne die Wissenschaft nicht funktionieren kann, gilt ihm mein herzlicher Dank. Ebenso möchte ich ganz besonders meiner Zweitgutachterin, Prof. Dr. Inken Schmidt-Voges, dafür danken, dass sie sich sehr kurzfristig und unkompliziert für die Aufgabe der Begutachtung zur Verfügung gestellt hat. Gute Wissenschaft braucht Freiräume, damit Ideen entwickelt und unfertige Gedanken geformt werden können. Ich bin meinem ehemaligen Chef in Marburg, Prof. Dr. Winterhager, daher überaus dankbar, dass er es immer wieder einrichten konnte, mir eben jene nötigen Freiräume zu schaffen. Marburg, d.h. auch liebe Kolleginnen und Kollegen sowie gute Freunde, die jeweils ihren Teil zum Gelingen der Studie beigetragen haben. So ist es mir eine besondere Freude, Avi Siluk, Julian Katz, Christian Mühling, Alexander Maul, Oliver Teufer und Patrick Kindervater zu danken. Trotz eigener Projekte und anderweitiger Verpflichtungen waren sie alle immer bereit, um mit mir über Probleme und Detailfragen zu sprechen, selbst wenn diese noch recht roh und unvollständig anmuteten. Zudem haben sie entweder einzelne Abschnitte oder das gesamte Manuskript gelesen und den Text durch ihre Anmerkungen ohne Zweifel verbessert.

10 | E NGLANDS E XODUS

Ein Thema zur Geschichte Englands führt zwangsläufig dazu, dass man einen Teil seiner Zeit auf Reisen verbringt. In meinem Fall führten mich diese nach England und Irland. Für die notwendige Finanzierung bin ich insbesondere der Prof. Dr. Adolf Schmidtmann-Stiftung dankbar. Vor Ort waren mir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem der British Library (London), der National Archives (London) sowie der National Library of Ireland (Dublin) eine große Hilfe, um mich schnell mit den Beständen vertraut zu machen. Der British Library gilt in diesem Zusammenhang ein besonderer Dank für die Genehmigung, diverse Abbildungen in der Arbeit reproduzieren zu dürfen. Zuletzt möchte ich meiner Familie danken: Meinen Eltern dafür, dass sie mich zu jeder Zeit in der Promotionsphase unterstützt haben. Es tat gut zu wissen, dass es da zwei Menschen gab, die manchmal mehr als ich selbst an die Fertigstellung dieser Studie geglaubt haben. Zum Abschluss nutze ich die Chance, um meiner Frau Anna von Herzen zu danken, die nun schon fast so lange mit diesem Buch wie mit mir lebt. Ohne Zweifel gab es in dieser langen Phase auch eher belastende Abschnitte, weshalb ich ihr umso mehr für den kontinuierlichen Zuspruch, die fortwährenden Ermutigungen und ihre unendliche Geduld dankbar bin. Ihr ist dieses Werk gewidmet.

Hannover, im Juni 2017

A. Einleitung

1. T HEMA UND F RAGESTELLUNG „Seit dem späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit gibt es im Westen eine charakteristische Methode, über politischen Wandel nachzudenken – ein Muster, das wir den Ereignissen in der Regel auferlegen, eine Geschichte, die wir einander weitererzählen. […] Dies ist keine Geschichte, die überall erzählt wird; sie stellt kein universelles Muster dar, sondern sie gehört dem Westen, insbesondere Juden und Christen im Westen, und ihre Quelle, ihre ursprüngliche Version, 1 ist der Exodus Israels aus Ägypten.“

Laut Michael Walzer bildet die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus ägyptischer Gefangenschaft, ihre Wüstenwanderung, der Bund mit Gott sowie der Einzug ins Gelobte Land einen konstitutiven Bestandteil der europäisch-westlichen politischen Kultur.2 Die besondere Kraft des Exodus-Narrativs liege darin, dass es einen Emanzipationsprozess beschreibe, in dessen Zuge aus einer Schar entlaufener Sklaven eine neue Gemeinschaft entstehe. Hierzu leiste die Erzählung einen wichtigen Beitrag, weil sie ein Reservoir an Bildern, Ideen und Wertorientierungen bereitstelle und damit eine Blaupause bilde, um das kollektive Handeln jener neu gebildeten Gemeinschaft mit einem Präzedens zu versehen und somit zu fundieren.3 Skadi Krause und Karsten Malowitz bemerkten in ihrer Auseinandersetzung mit den Thesen Walzers dazu: „Was eine Gemeinschaft ist und sein will, hat einen Halt in den politischen Bildern und den mit ihnen verknüpften Wertorientierungen, über die sich die Handelnden definieren. Sie strukturie1 2 3

Michael WALZER, Exodus und Revolution, Frankfurt a. M. 1995, hier Nachdruck Frankfurt a. M. 1998, S. 141. Jüngst hat Jan Assmann eine ähnliche These vertreten. Siehe Jan ASSMANN, Exodus. Die Revolution der Alten Welt, München 2015. Walzer betont in diesem Zusammenhang, dass das Exodus-Narrativ ein Präzedens für eine Politik ohne Präzedens in der Erfahrung der zeitgenössischen Akteure bilden konnte. Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 99 sowie die Argumentation S. 92-106.

12 | E NGLANDS E XODUS ren gewissermaßen den Horizont, innerhalb dessen die Identität einer politischen Gemeinschaft 4 gestiftet, diskutiert, bestärkt oder verändert wird.“

Die vorliegende Arbeit widmet sich ganz in diesem Sinne dem Exodus des englischen Gemeinwesens, wie er unter Heinrich VIII. begonnen und seinen Höhepunkt mit der Vorstellung eines Bundes (covenant) zwischen England und Gott unter Elisabeth I. gefunden hat. Innerhalb dieser Phase, die zwischen 1530 und 1603 angesetzt werden kann, kam es immer wieder zu Aneignungs- und Aktualisierungsprozessen des biblischen Exodus-Narrativs. So imaginierte zum Beispiel der Autor John Pylbarough in einer Flugschift mit dem Titel „A commemoration of the inestimable graces and benefites of God“ von 1540 die Errungenschaften der unter Heinrich VIII. eingeführten Reformen in deutlicher Analogie zum israelitischen Exodus: „And we newely adoptiue Israelites from the sayde thraldome of the sayd byshop, through the same worde also, no lesse wonderfully delyuered into great welthe and ioye by our most godly captayn the kynges highnes, then were our forefather Israelites from the captiuitie of the tyran5 nous Pharao into the plesaunt land of promission by theyr holy prophete and leader Moyses.“

Das Motiv des mosaischen Befreiers, der sein Volk aus einer päpstlichen Unterdrükkung errettet, wurde in diesem Zusammenhang gerne mit der Veröffentlichung einer volkssprachigen Bibel in Verbindung gebracht.6 Deren Publikation setzten englische Reformatoren oftmals mit der Befreiung aus Ägypten gleich. In diesem Sinne muss auch die bildliche Darstellung des Durchzugs der Israeliten durch das Rote Meer in 4 5

6

Skadi KRAUSE / Karsten MALOWITZ, Michael Walzer zur Einführung, Hamburg 1998, S. 99. John PYLBAROUGH, A commemoration of the inestimable graces and benefites of God […], London 1540 (STC2 20521/Bodleian Library), fol. Civv; zu Pylbarough siehe die Bemerkungen bei Alec RYRIE, The Gospel and Henry VIII. Evangelicals in the Early English Reformation, Cambridge 2003, S. 60f; James K. MCCONICA, English Humanists and Reformation Politics under Henry VIII and Edward VI, Oxford 1965, S. 192. Miles COVERDALE, Biblia. The Bible, that is, the holy Scripture of the Olde and New Testament, faithfully and truly translated out of Douche and Latyn in to Englishe, Antwerpen[?] 1535 (STC2 2063/British Library), Widmung fol. iir-ivr, hier bes. fol. ivr. Der Druckort der Bibelausgabe ist nach wie vor umstritten. Ältere Arbeiten schwankten zwischen Marburg und Köln. Neuerdings wird verstärkt für Antwerpen plädiert. Siehe Guido LATRÉ, The 1535 Coverdale Bible and its Antwerp Origins, in: Orlaith O’Sullivan / Ellen N. Herron (Hgg.), The Bible as Book. The Reformation, London 2000, S. 89-102; Henry PARKER (Baron Morley), The exposition and declaration of the Psalme, Deus ultionum Dominus, London 1539 (STC2 19211/Bodleian Library), fols. Aiiir, Bivr-Bvv, Bviir, Ciiir; Katherine PARR, The lamentacion of a synner, London 1547 (STC2 4827/Cambridge University Library), fol. Dvir-v; weitere Vergleiche dieser Art schildern John KING, Tudor Royal Iconography. Literature and Art in an Age of Religious Crisis, Princeton 1989, S. 74f und Brett FOSTER, „Types and Shadows“: Uses of Moses in the Renaissance, in: Jane Beal (Hg.), Illuminating Moses. A History of Reception from Exodus to the Renaissance [Commentaria 4], Leiden/Boston 2014, S. 353-406, hier S. 373-387; vgl. auch Abschnitt B, Kap. 4.3.3.

E INLEITUNG | 13

der 1560 veröffentlichten Geneva-Bible interpretiert werden, wo das Motiv gleich drei Mal an exponierten Stellen auftaucht: Auf dem Titelblatt der Bibelausgabe, an der entsprechenden Stelle im Buch Exodus und nochmals zu Beginn des Neuen Testaments.7 Über einen Entwicklungsprozess, der im Folgenden genauer untersucht werden soll, erreichte die Applikation von Motiven und Themen des Exodus-Narrativs unter Elisabeth I. schließlich einen Höhepunkt.8 Dominierend war hier die Vorstellung, dass England wie dereinst die Israeliten in einem Bund mit Gott stünde. Als Ausfluss dieser Ansicht können etwa all jene Postulate von Autoren wie John Aylmer, John Lyly oder auch Matthew Parker angesehen werden, die erklärten: „God is english“. 9 Dieses Diktum stellt dabei lediglich die pointierte Form eines weiteren zentralen Elements der Exodus-Erzählung dar: die Vorstellung eines Bundes mit Gott. In einer für die elisabethanische Zeit typischen Wendung verlieh zum Beispiel John Lyly dieser Vorstellung Ausdruck, als er feststellte: „So tender a care hath HE alwaies had of 7

8

9

Siehe die Abbildungen in William WHITTINGHAM et al., The Bible and Holy Scriptures conteyned in the Olde and Newe Testament. Translated according to the Ebrue and Greke, and conferred with the best translations in diuers languges [Geneva Bible], Genf 1560 (STC2 2093/Henry E. Huntington Library), Titelblatt, fol. 30 v und Titelblatt des Neuen Testaments. Für die elisabethanische Zeit ist zumindest die massenhafte Existenz von Exodus-Motiven gut belegt. Siehe u.a. Achsah GUIBBORY, Christian Identity, Jews, and Israel in Seventeenth-Century England, Oxford 2010, bes. Kap. 1 & 2; Michael MCGIFFERT, God’s Controversy with Jacobean England, in: AHR 88 (1983), S. 1151-1174; Patrick COLLINSON, The Protestant Nation, in: Ders., The Birthpangs of Protestant England. Religious and cultural change in the 16th and 17th centuries, Basingstoke 1988, S. 1-27, hier S. 17-27; DERS., Biblical rhetoric: the English nation and national sentiment in the prophetic mode, in: Claire McEachern / Debora K. Shuger (Hgg.), Religion and culture in Renaissance England, Cambridge 1997, S. 15-45, wiederabgedruckt in: Patrick Collinson, This England. Essays on the English nation and commonwealth in the sixteenth century, Manchester/New York 2011, S. 167-192, hier S. 175f und passim; Alexandra WALSHAM, Providence in Early Modern England, Oxford 1999, S. 281-325; Peter E. MCCULLOUGH, Sermons at Court. Politics and religion in Elizabethan and Jacobean preaching, Cambridge 1998, S. 51-99; DERS., Out of Egypt. Richard Fletcher’s Sermon before Elizabeth I after the Execution of Mary Queen of Scots, in: Julia Walker (Hg.), Dissing Elizabeth. Negative Representations of Gloriana, Durham/London 1998, S. 118-149. John AYLMER, An harborovve for faithfull and trevve subiectes agaynst the late blowne blaste, concerninge the gouernme[n]t of vvemen, [London] 1559 (STC2 1005/Henry E. Huntington Library), fol. Pivv (Randglosse). Der angebliche Druckort Straßburg wird seit einiger Zeit in Zweifel gezogen. Siehe dazu Brett USHER, Art. „Aylmer, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14. 04.2017]; Parker schrieb in einem Brief an William Cecil: „Where Almighty God is so much English as he is […].“ Siehe Correspondence of Matthew Parker, Archbishop of Canterbury, comprising letters written by and to him, from A.D. 1535, to his death, A.D. 1575, ed. von John BRUCE, Cambridge 1853, S. 418f, hier S. 419; Lyly proklamierte: „The lyuing God is onely the Englysh God.“ Siehe John LYLY, Euphues and his England, London 1580 (STC2 17068/Folger Shakespeare Library), fol. Lliir.

14 | E NGLANDS E XODUS

that England, as of a new Israel, his chosen and peculier people.“10 In einer anonymen Flugschrift von 1590 heißt es analog: „[W]e must acknowledge, that as with Israel & Iudah, so with vs, the Lord hath dealt, to witte, that as the girdle cleaueth to the loynes of a man, so hath the Lord tyed him self to this whole 11 nation, that we might bee his people.“

Während die Tatsache, dass es im England des 16. Jahrhunderts zu verschiedenen Zeiten und Gelegenheiten zur Aktualisierung von Teilen des Exodus-Narrativs kam, als unstrittig gelten darf, schließen sich in der Folge doch einige Fragenkomplexe an: 1.) Erstens ist zu fragen, welchen Stellenwert die handelnden Akteure dem Gedankengut im zeitgenössischen Kontext beigemessen haben. Damit zusammen hängt die Frage nach der Funktion, die die Verargumentierung12 von Teilen der ExodusErzählung in gesellschaftlichen Debatten und Auseinandersetzungen übernommen hat bzw. die ihr zugeschrieben wurde. Anders gefragt: Wie wurde das biblische Material eingesetzt, um welche Ziele und Interessen zu erreichen? Historisch zu überprüfen wäre in diesem Zusammenhang die These Walzers, wonach der Traditionszusammenhang13 des Exodus als eine Art politisches Modell gedient haben könnte,

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LYLY, Euphues, fol. Kkiiir (meine Hervorhebung). Wie Clifford LONGLEY, Chosen People. The big idea that shapes England and America, London u.a. 2002, S. 84f anmerkt, war die Bezeichnung als chosen and peculiar people exklusiv für die Israeliten reserviert. Vgl. etwa die Bibelstellen Exodus 19, 5-6, Dtn. 14, 2 oder Dtn. 26, 18-19. ANON., The reformation of religion by Iosiah, London 1590 (STC2 14815/Bodleian Library), fol. Aiiv. Eine ausführliche Besprechung dieser Vorstellung unter Elisabeth I. findet sich in Abschnitt D, Kap. 2 dieser Arbeit. Der Begriff wird im Folgenden im Sinne Ulrich Niggemanns verwendet, der darin ein Diskursphänomen sieht, das einerseits als Argument oder Rekurs in einer konkreten Diskurssituation verhaftet ist, andererseits aber auch auf die der konkreten Sprechsituation vorgelagerte Denkstruktur (also den Diskurs) zurückwirkt. Verargumentierung bezeichnet somit sowohl den Vorgang der Aneignung spezifischer Ideen, Bilder etc., als auch deren durchaus konstruktive oder innovative, argumentative Verwendung, die dann wiederum Rückwirkungen entfalten konnte. Siehe Ulrich NIGGEMANN / Kai RUFFING, Einführung, in: Dies. (Hgg.), Antike als Modell in Nordamerika? Konstruktion und Verargumentierung 1763-1809 [HZ Beihefte N.F. Bd. 55], München 2011, S. 5-22, hier S. 16f. Mit der Rede vom Traditionszusammenhang Exodus ist sowohl die eigentliche Erzählung im 2. Buch Mose als auch die Wiederaufnahme der Thematik in den folgenden Büchern des Pentateuchs sowie bei den Propheten gemeint. Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 18; Siegfried HERRMANN, Art. „Exodusmotiv I“, in: TRE 10 (1982), 732-737; Georg FISCHER / Dominik MARKL, Das Buch Exodus [Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament 2], Stuttgart 2009, S. 25f; Simone u. Claudia PAGANINI / Dominik MARKL (Hgg.), Führe mein Volk heraus. Zur innerbiblischen Rezeption der Exodusthematik. Festschrift für Georg Fischer, Frankfurt a. M. u.a. 2004; siehe auch die Bemerkungen bei ASSMANN, Exodus, S. 13f & 21.

E INLEITUNG | 15

über dessen Anwendung ein fundamentaler gesellschaftlicher Wandlungsprozess (Innovation) initiiert bzw. propagiert werden konnte.14 2.) Zweitens sollte die Form stärker berücksichtigt werden: Wie Michael Walzer in seiner Studie sehr richtig angemerkt hat, handelt es sich im Gegensatz zu den zyklisch aufgebauten Narrativen der antiken Welt im Fall des Exodus um eine progressive Erzählung.15 Gerade die immanente Entwicklungstendenz sei ihm zufolge ausschlaggebend für die Kraft und Akzeptanz, welche das Exodus-Narrativ über die Zeit hinweg ausgezeichnet habe: „Denn die Bewegung vom Anfang bis zum Ende ist der Schlüssel zu der historischen Bedeutung der Exodus-Geschichte. Die Kraft der Erzählung beruht auf ihrem Ende, obwohl es auch darauf ankommt, daß das Ende am Anfang als ein Bestreben, eine Hoffnung, ein Versprechen gegenwärtig ist. Was versprochen wird, unterscheidet sich radikal von dem, was ist, denn das 16 Ende hat nichts mit dem Anfang gemein.“

Hier stellt sich sodann die Frage, ob und ggf. wie die der Exodus-Erzählung eigenen Entwicklungspotentiale im England des 16. Jahrhunderts umgesetzt worden sind. Insbesondere gilt es in diesem Zusammenhang, eventuelle Konstanten und Brüche in der Verargumentierung des Phänomens herauszuarbeiten, die durch eine Veränderung des Kontextes hätten herbeigeführt werden können. Zu denken wäre hier u.a. an einen Wechsel des Herrschers/der Herrscherin, an einen Wechsel der Anwendungsebene (von innen- auf außenpolitische Ebene) oder auch an Einflüsse militärischer, ökonomischer, religiöser, ideeller oder sonstiger Art, die – von innen oder außen kommend – nachhhaltige Auswirkungen auf das Gemeinwesen hatten. 3.) Drittens muss auch über mögliche Folgen einer Verargumentierung von Teilen des Exodus-Narrativs nachgedacht werden. Michael Walzer hat den biblischen Traditionszusammenhang des Exodus primär aus einer modernen, säkularen Perspektive analysiert und sich in diesem Rahmen vor allem auf die dem Gedankengut immanenten Aspekte einer Befreiungstheologie sowie eines Kontraktualismus konzentriert.17 Demgegenüber soll nachfolgend die These vertreten werden, dass die regelmäßige Verargumentierung des biblischen Exodus in den politisch-gesellschaftlichen Debatten und Konflikten Tudor-Englands maßgeblich zur Entstehung und Verfestigung einer Idee göttlicher Auserwähltheit beigetragen hat. Der Traditionszusammenhang der Exodus-Erzählung fungierte meines Erachtens als eine Art Referenzrahmen, über den die zunächst abstrakte Vorstellung göttlicher Erwählung inkarniert und in der Folge politisch nutzbar gemacht werden konnte. Wie argumentiert 14

15 16 17

WALZER, Exodus und Revolution, S. 16f sowie den Abschnitt Exodus-Politik, S. 141157; zu einem ‚innovativen‘ Modellbegriff für die Frühneuzeitforschung zuletzt Christoph KAMPMANN et al., Einleitung, in: Ders. / Katharina Krause / Eva-Bettina Krems / Anuschka Tischer (Hgg.), Neue Modelle im Alten Europa. Traditionsbruch und Innovation als Herausforderung in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2012, S. 7-17; NIGGEMANN / RUFFING, Einführung. WALZER, Exodus und Revolution, S. 20f. WALZER, Exodus und Revolution, S. 20. Vgl. dazu etwa die einführenden Bemerkungen WALZER, Exodus und Revolution, S. 1320.

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werden soll, entwickelte sich aus diesem Prozess die ‚politische Idee göttlicher Auserwähltheit‘ im England des 16. Jahrhunderts. Den Prozess der Herausbildung dieser politischen Idee nachzuvollziehen und deren zeitgenössische Bedeutung für die Ordnung und Identität des englischen Gemeinwesens besser zu verstehen, sind wesentliche Ziele der vorliegenden Arbeit. Eine grundlegende Annahme besteht in diesem Rahmen darin, dass die Studie der zeitgenössischen Verargumentierung des alttestamentlichen Exodus hierzu einen wertvollen Beitrag leisten kann. Die am englischen Beispiel gewonnenen Erkenntnisse könnten darüber hinaus aber auch neue Impulse und Ansatzpunkte für ähnliche Imaginationen göttlicher Erwählung bei anderen Gruppen und Gemeinschaften liefern und dadurch zum besseren Verständnis einer zentralen Idee führen – einer Idee, deren Anziehungskraft, Attraktivität und Geltung sowohl in historischer als auch in gegenwärtiger Hinsicht nicht zu leugnen sind.18

2. F ORSCHUNGSSTAND Eine Studie zum Themenfeld göttlicher Erwählung mit einem Schwerpunkt auf England profitiert einerseits enorm von zahlreichen Arbeiten, die vor allem im anglophonen Raum zu diesem Bereich veröffentlicht worden sind. Andererseits stellt die Fülle der Beiträge insofern ein Problem dar, das nicht alle Nuancen und Verästelungen der breiten Forschung zum Thema göttlicher Erwählungsvorstellungen im Rahmen eines Überblicks gleichermaßen gewürdigt werden können. Stattdessen sollen nachfolgend 18

Zur weiten Verbreitung der Vorstellung einer göttlichen Erwählung siehe u.a. die Sammelbände von Alois MOSSER (Hg.), ‚Gottes auserwählte Völker‘. Erwählungsvorstellungen und kollektive Selbstfindung in der Geschichte [Schriftenreihe der Kommission für südosteuropäische Geschichte, Bd. 1], Frankfurt a. M. u.a. 2001 und William R. HUTCHISON / Hartmut LEHMANN (Hgg.), Many Are Chosen. Devine Election & Western Nationalism, Minneapolis 1994; ferner Todd GITLIN / Liel LEIBOVITZ, The Chosen Peoples. America, Israel, and the Ordeals of Divine Election, New York u.a. 2010; LONGLEY, Chosen People; Christiane TIETZ, God’s own country – God’s own politics? Überlegungen zum Verhältnis von Glaube und Politik im letzten amerikanischen Wahlkampf, in: NZSTh 47 (2005), S. 131-153; Anthony D. SMITH, Chosen Peoples. Sacred Sources of National Identity, Oxford 2003; Grahame DAVIES (Hg.), The chosen people. Wales and the Jews, Bridgend 2002; Conrad CHERRY (Hg.), God’s New Israel. Religious Interpretations of American Destiny, überarb. und erw. Ausgabe, Chapel Hill/London 1998; Donald H. AKENSON, God’s peoples. Covenant and land in South Africa, Israel, and Ulster, Ithaca 1992; Simon SCHAMA, Überfluß und schöner Schein. Zur Kultur der Niederlande im Goldenen Zeitalter, München 1988, bes. S. 112-143; Conor Cruise O’BRIEN, God Land. Reflections on Religion and Nationalism [The William E. Massey Sr. Lectures in the History of American Civilization, 1987], Cambridge (Mass.)/London 1988; DERS., Why do some nations still see themselves as the chosen people?, in: The Times, 25. Juni 1991, S. 14; siehe auch den Überblick bei Bruce CAUTHEN, Covenant and continuity: ethno-symbolism and the myth of divine election, in: Nations and Nationalism 10 (2004), S. 19-33 sowie die Rezension von Christian SCHRÖDER, Das Feuer des Glaubens. Wie Gotteskrieger ein Erdenreich erschufen, in: Der Tagesspiegel, 14. Januar 2013, S. 19.

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die Leitlinien der Kontroversen und Diskussionen skizziert werden, entlang derer sich die Forschung interdisziplinär und epochenübergreifend bewegt und denen daher auch für die vorliegende Arbeit ein besonderer Wert attestiert werden kann: Zum einen betrifft dies die inhaltliche Bestimmung des Gedankengutes, das in der Regel als vormoderne Form des modernen Nationalismus interpretiert und damit als Wegmarke in einem Prozess der Modernisierung, der Herausbildung des modernen Nationalstaates und einer nationalen Identität gewertet wird. An dieser Perspektive wurde inhaltliche Kritik geübt, die vor allem eine zu gradlinige und einseitig konstruierte Assoziation von Erwählungsmotiv, Protestantismus und nationaler Identität hinterfragt.19 Stimulierend wirkte sich in diesem Bereich unter anderem die postmoderne und kulturwissenschaftliche Kritik an der klassischen Sozialgeschichtsschreibung sowie des damit oftmals verbundenen Modernisierungsparadigmas aus, das sowohl durch Prozesse außerhalb wie innerhalb der Wissenschaft seit den 1990er Jahren zunehmend kritisch gesehen und als übergeordnetes Orientierungswissen abgelehnt wurde.20 Zum anderen hat sich nicht zuletzt aufgrund der konstruktivistischen und kulturwissenschaftlichen Durchdringung des Forschungsfeldes 21 in den letzten Jahren eine 19

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Wegweisend waren hier für den englischen Raum die Arbeiten von Patrick Collinson. Siehe u.a. COLLINSON, The Protestant Nation; DERS., A chosen people? The English Church and the Reformation, in: History Today 36 (1986), S. 14-20; zuletzt auch DERS., Biblical rhetoric; siehe ferner die Bemerkungen bei Tony CLAYDON / Ian MCBRIDE, The trials of the chosen peoples: recent interpretations of Protestantism and National identity in Britain and Ireland, in: Dies. (Hgg.), Protestantism and National Identity. Britain and Ireland, c. 1650 – c. 1850, Cambridge 1998, S. 3-29, hier S. 9-15. Siehe allgemein dazu den informativen Beitrag von Riccardo BAVAJ, Modernisierung, Modernität und Moderne. Ein wissenschaftlicher Diskurs und seine Bedeutung für die historische Einordnung des „Dritten Reiches“, in: HJb 125 (2005), S. 413-451, hier bes. S. 413-416, 418-432; einen wesentlichen Einfluss auf die Ablösung des klassischen Modernisierungsparadigmas hatten Arbeiten aus verschiedenen Disziplinen, die i.d.R. unter dem Begriff der ‚Postmoderne‘ zusammengefasst werden. Einen ersten Überblick dazu gibt Ute DANIEL, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 2001, S. 150-167; Patrick BAUM / Stefan HÖLTGEN, Art. „Postmoderne/Postmodernismus“, in: Dies. (Hgg.), Lexikon der Postmoderne. Von Abjekt bis Žižek, Bochum/Freiburg 2010, S. 147-151; vgl. aber auch die Kritik von Theologie und Kirchengeschichte an der klassischen Sozialgeschichte, zusammengefasst bei Craig KOSLOFSKY, ‚Kulturelle Reformation‘ und die reformationsgeschichtliche Forschung, in: Bernhard Jussen / Ders. (Hgg.), Kulturelle Reformation. Sinnformationen im Umbruch 1400-1600, Göttingen 1999, S. 18-22, hier S. 18-20. Klassische Arbeiten in diesem Zusammenhang sind Benedict ANDERSON, Imagined communities. Reflections on the origins and spread of nationalism, London 1983; Eric HOBSBAWN / Terence RANGER (Hgg.), The Invention of Tradition, Cambridge 1983; zentrale Texte sind zudem ediert bei John HUTCHINSON / Anthony D. SMITH (Hgg.), Nationalism. Critical concepts in political science, 5 Bde., London 2000; einen guten Überblick zu den verschiedenen Facetten des Konstruktivismus sowie dessen Bedeutung für die neuere Geschichtswissenschaft gibt Peter BURKE, Was ist Kulturgeschichte? [Lizenzausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 532], Bonn 2005, S. 111-133.

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Tendenz ergeben, Phänomene wie Nationalismus, nationale Identität und ihre jeweiligen ideellen Ausprägungen in einem zeitlichen Rahmen zu situieren, der vom 8. bis zum 19. Jahrhundert reicht.22 Beide Bereiche spielen in der Historiographie zur Vorstellung göttlicher Erwählung in England und deren konkreter Funktion eine wichtige Rolle. Als dominierend in der Forschung darf bis heute die von Historikern, Sozial- und Literaturwissenschaftlern gleichermaßen getragene Ansicht gelten, dass im Zuge der Reformation Religion bzw. Konfession zu einer Art Funktionsäquivalent des modernen Nationalismus avanciert wären und gewissermaßen den ideologischen Überbau für einen Prozess der Modernisierung gebildet hätten.23 In dieser Lesart firmiert die Vorstellung einer göttlichen Erwählung zumeist als Ausdruck eines chauvinistischen Selbstbildes, das England einen besonderen Platz im göttlichen Heilsplan zuweist und daraus ein Überlegenheitsgefühl, eine Einzigartigkeit (uniqueness) sowie ein spezifisches Sendungsbewusstsein ableitet.24 22

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Siehe Adrian HASTINGS, The Construction of Nationhood. Ethnicity, Religion and Nationalism, Cambridge 1997, hier Reprint 1999, S. 35: „One can find historians to date ‚the dawn of English national consciousness‘ (or some such phrase) in almost every century from the eighth to the nineteenth.“; in der sozialwissenschaftlichen NationalismusForschung hat sich eine Kontroverse zwischen sog. Primordialists und Modernists gebildet. Während die Primordialists in variierenden Ausformungen für ein vormodernes nationales Bewusstsein bzw. einen vormodernen Nationalismus oder eine Nation plädieren, sieht die modernistische Fraktion diese Phänomene als Resultat genuin moderner Entwicklungen an. Eine Zusammenfassung der einzelnen Positionen liefert Colin KIDD, British Identities before Nationalism. Ethnicity and Nationhood in the Atlantic World, 16001800, Cambridge 1999, S. 1-6; ferner Harald GUSTAFSSON, The Eighth Argument. Identity, Ethnicity and Political Culture in Sixteenth-Century Scandinavia, in: Scandinavian Journal of History 27 (2002), S. 91-114, hier S. 91-95; Walker CONNOR, When is a nation?, in: Ders., Ethnonationalism. The Quest for Understanding, Princeton 1994, S. 210226; Anthony D. SMITH, Nationalism in Early Modern Europe, in: H & T 44 (2005), S. 404-415. Leitend war hier lange Zeit der Gedanke, dass „Religion a sixteenth-century word for nationalism“ gewesen sei, wie es einst Lewis Namier gesagt haben soll. Siehe dazu Christopher HILL, Reformation to Industrial Revolution. A Social and Economic History, London 1967, S. 23, wo er diese mündliche Aussage Namiers zitiert; die neueren Ansätze in diesem Bereich seitens der Sozialwissenschaften fasst zusammen Rogers BRUBAKER, Religion and nationalism: four approaches, in: Nations and Nationalism 18 (2012), S. 220. Klassisch für diese Sichtweise ist die Studie von William HALLER, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation, London 1963; in dessen Tradition stehen u.a. Liah GREENFELD, Nationalism. Five Roads to Modernity, Cambridge (MA)/London 1992, hier Kap. 1: God’s Firstborn, S. 27-87; Philip S. GORSKI, The Mosaic Moment: An Early Modernist Critique of Modernist Theories of Nationalism, in: American Journal of Sociology 105 (2000), S. 1428-1468; Herbert GRABES, Elect Nation: Der Fundierungsmythos englischer Identität in der frühen Neuzeit, in: Helmut Berding (Hg.), Mythos und Nation. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 3, Frankfurt a. M. 1996, S. 84-103; zuletzt Diana Muir APPELBAUM, Biblical nationalism and the sixteenth-century

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Diese Perspektive behandelt das Erwählungsmotiv als Teil einer modernisierungstheoretischen Erzählung, die im britischen Raum in Form der sogenannten Whig Interpretation of History lange Zeit dominierte.25 Das hauptsächliche Problem dieser Forschung bestand darin, dass sie sich nicht eigens der Analyse von religiösen Themen wie der Erwählungsidee widmete. Unter den Prämissen der Whig Interpretation wurden solche Motive und Argumentationen nur insoweit behandelt und berücksichtigt, wie sie als affirmierendes Beiwerk einer propagierten Aufstiegserzählung von Parlamentarismus sowie als genuin angelsächsisch eingeschätzter Tugenden wie Freiheit, Gleichheit oder optimistischem Fortschrittsglauben benutzt werden konnten. Sie fungierten damit lediglich als ein weiteres Mosaik in einem Gesamtbild, das im Rahmen einer teleologischen Geschichtskonstruktion vor allem dazu gedacht gewesen war, die normativen und identitären Prämissen und Ansprüche der eigenen Gegenwart zu stützen.26 Der zeitgenössisch als irreduzibel einzuschätzende Charakter von Religion blieb dabei freilich weitgehend unberücksichtigt.27 Als repräsentativ für diese Tradition kann ein 1940 publizierter Aufsatz von Hans Kohn gelten, in dem er die wesentlichen Konturen der Whig Interpretation nachzeichnete.28 Darin präsentierte er das 17. Jahrhundert als entscheidende Formierungsphase, in deren Zuge England als moderne Nation geboren worden sei.29 Als wesent-

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states, in: National Identities 15 (2013), S. 317-332; zu den ‚modernen‘ Ausprägungen siehe u.a. die Beiträge in HUTCHISON / LEHMANN (Hgg.), Many Are Chosen; CAUTHEN, Covenant and continuity; SMITH, Chosen Peoples; vgl. auch das Themenheft ‚Chosen Peoples‘ der Zeitschrift Nations and Nationalism, Band 9 (1999); aus historischer Sicht etwa Linda COLLEY, Britons. Forging the Nation 1707-1837, New Haven/London 1992, hier bes. S. 18-54; Margot C. FINN, An Elect Nation? Nation, State, and Class in Modern British History, in: JBS 28 (1989), S. 181-191. Vgl. zur Whig Interpretation of History die Arbeit von Herbert BUTTERFIELD, The Whig interpretation of history, London 1931; zudem Geoffrey ELTON, Herbert Butterfield and the Study of History, in: HJ 27 (1984), S. 729-743; Keith C. SEWELL, The „Herbert Butterfield Problem“ and Its Resolution, in: JHI 64 (2003), S. 599-618; zuletzt gab es von Annabel Patterson einen Versuch, wesentliche Elemente der älteren WhigHistoriographie zu revitalisieren. Siehe Annabel M. PATTERSON, Nobody’s perfect. A new Whig interpretation of history, New Haven/London 2002. Zu den teleologischen Implikationen der Whig Interpretation BUTTERFIELD, Whig interpretation, S. 3-5; ELTON, Herbert Butterfield, S. 731 & 735; SEWELL, The „Herbert Butterfield Problem“, S. 599f, bes. S. 599: „The term ‚Whig‘, as Butterfield used it in 1931, referred to the nineteenth-century school of historiography that praised ‚progress‘, ‚protestantism‘, and ‚liberty‘ and that generally attributed the triumph of such principles to the beliefs and activities of generations of Whig politicians.“ Gerade dieser Kritikpunkt muss im Hinblick auf die zeitgenössische Bedeutung, die Religion bzw. Konfession im Lebensvollzug der Menschen zukam, besonders betont werden. Siehe dazu etwa CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 5f sowie die zusammenfassende Kritik bei KOSLOFSKY, ‚Kulturelle Reformation‘, S. 18-20. Hans KOHN, The Genesis and Character of English Nationalism, in: JHI 1 (1940), S. 6994. Vgl. dazu die Darstellung KOHN, Genesis, S. 81-91 und das zusammenfassende Zitat S. 91: „The seeds of modern secular civilization were planted and nurtured in a primarily re-

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lichen Geburtshelfer sah er dabei die Idee der göttlichen Erwählung an, über die sich die neuen Ideale hätten verbreiten können.30 Das Vorbild für diesen „religiösen Nationalismus“ sei dabei der „alttestamentliche Nationalismus“ der Israeliten gewesen.31 Das Gedankengut bekam bei ihm in der Folge die Rolle einer nationalen Ideologie zugeschrieben, die den Revolutionären um Oliver Cromwell vorwiegend als mobilisierendes Element im Kampf für parlamentarische und individuelle Freiheitsrechte gedient habe. Besonders die Rolle Cromwells wurde an dieser Stelle herausgestellt: „He more than any other awakened the consciousness of the English people as the chosen people, a consciousness in which every Englishman was called to participate.“32 Gerade im Bemühen Kohns, das scheinbar weidlich zirkulierende, religiöse Gedankengut mit eher säkularen und fortschrittsorientierten Elementen in Einklang zu bringen, offenbaren sich zentrale methodische und epistemologische Probleme der älteren Forschung im Umgang mit dem Erwählungsmotiv: Grundlegend mangelt es seiner Studie an einer Analyse des Phänomens, die in der Lage gewesen wäre, die Bedeutung zu reflektieren, welche die Zeitgenossen selbst mit der Vorstellung verbunden hatten. Anstatt nach der historischen Wertigkeit oder der konkreten Funktion zu fragen, ordnete Kohn es in eine generelle Aufstiegserzählung ein, die einzig darauf abzielte, die ‚modernen‘ Züge der Revolution herauszustellen. Dabei ignorierte er jedoch den historischen Kontext sowie die Tradition, in der die Auserwähltheitsvorstellung stand, weitgehend.33 Die Erwählungsidee wurde in diesem Zusammenhang lediglich als eine Art Katalysator betrachtet, der bei der Verbreitung neuer, moderner Ideale geholfen hätte.34

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ligious revolution.“; Begriff und Einschätzung der „puritan Revolution“ übernimmt Kohn dabei von einem anderen Vertreter der Whig-Historiographie. Siehe dazu Samuel Rawson GARDINER, The First Two Stuarts and the Puritan Revolution 1603-1660, London 1876. Vgl. KOHN, Genesis, S. 82, 85, 87f & 89f. KOHN, Genesis, S. 81f; zur Ansicht eines ‚alttestamentlichen Nationalismus‘ auch Julius A. BREWER, The Authority of the Old Testament, in: Journal of Religion 16 (1936), S. 19, hier bes. S. 2; O’BRIEN, God Land; zuletzt David ABERBACH, Nationalism and the Hebrew Bible, in: Nations and Nationalism 11 (2005), S. 223-242 und APPELBAUM, Biblical nationalism. KOHN, Genesis, S. 88 sowie S. 87-91 zum Cromwell-Bild des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts; siehe zum Cromwell-Bild der Zeit auch die diversen Beiträge in Roger C. RICHARDSON (Hg.), Images of Oliver Cromwell. Essays for and by Roger Howell Jr., Manchester/New York 1993. Dass dies zuweilen Züge einer Panegyrik annahm, muss freilich auch vor dem aktuellen Hintergrund des deutschen Faschismus’ gesehen werden, gegen den sich die Propagierung der angelsächsischen Ideale richtete. Siehe Ken WOLF, Hans Kohn’s Liberal Nationalism: The Historian as Prophet, in: JHI 37 (1976), S. 651-672, hier S. 663-665. Siehe insbesondere KOHN, Genesis, S. 82: „They were professed with the old religious fervor, clothed in the very words of the Old Testament, but they radiated the new light of rationalism and liberty.“; demgegenüber hat v.a. Blair Worden zahlreiche Studien vorgelegt, die sich mit der zeitgenössischen Deutung und Funktionalisierung des Themas im 17. Jahrhundert befassen. Siehe dazu die jüngst erschienene Zusammenstellung seiner

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Diese funktionalistische Sichtweise auf die Erwählungsvorstellung, sowie auf religiöse Deutungsmuster der Frühen Neuzeit generell, tendierte dazu, die genuin religiösen bzw. theologischen Inhalte und Kontexte zu marginalisieren bzw. fast vollständig zu negieren. In ihrem Bedürfnis besagte Motive stets im Hinblick auf säkulare und moderne Entwicklungen zu lesen, brachten derartige Studien den Bereich des Religiösen nahezu zum Verschwinden.35 Die Dominanz der Whig Interpretation führte also zu einer modernisierungstheoretischen Prägung des Themas, so dass es hier zu einer fundamental ahistorischen Behandlung kommen musste. Diese Form der Forschung zeigte im eigentlichen Sinne kein Interesse an den historischen Bedingungen und Ursachen der Formierung, Entwicklung oder Funktion von Deutungsmustern wie der Erwählung. Mit dieser Problematik korrespondiert ein mitunter fragwürdiges methodisches Vorgehen. Ein Beispiel dafür sind die Arbeiten des marxistisch beeinflussten Historikers Christopher Hill, die sich, wie Andreas Pečar zuletzt feststellte, erstaunlich gut in die grundsätzliche Whig Interpretation einfügten.36 Die in Großbritannien zeitweilig sehr starke marxistische Forschung hat sich im Bereich der Frühen Neuzeit vor allem mit dem Aufstieg der Gentry befasst. Sie wurde als neue „Klasse“ angesehen, deren vermeintlicher Durchbruch zur Herrschaft in der Mitte des 17. Jahrhunderts erfolgt sei.37 Hill widmete sich in diesem Zusammenhang ausgiebig den religiösen Vorstellungen der Gentry, die er unter dem Begriff des „Puritanismus“ zusammenfasste und darin die leitende Ideologie einer progressiven, zur Herrschaft strebenden

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wesentlichen Aufsätze in: Blair WORDEN, God’s Instruments. Political conduct in the England of Oliver Cromwell, Oxford 2012. Vgl. dazu die Kritik bei CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 5f; siehe ferner Luise SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort und Menschenherrschaft. PolitischTheologische Sprachen im Europa der Frühen Neuzeit, München 2015, S. 24-26; DIES., Politische Kommunikation in der Frühen Neuzeit: Obrigkeitskritik im Alten Reich, in: GG 32 (2006), S. 273-314, hier S. 273-276 und DIES., Vorstellungen von Herrschaft im 16. Jahrhundert. Grundzüge europäischer politischer Kommunikation, in: Helmut Neuhaus (Hg.), Die Frühe Neuzeit als Epoche [HZ Beihefte N. F., Bd. 49], München 2009, S. 347-376, hier S. 348, die eine ähnliche Kritik an modernisierungstheoretischen Annahmen in der deutschsprachigen Forschung vorbringt; ferner KOSLOFSKY, Kulturelle Reformation, S. 18-20. Siehe Andreas PEČAR, Macht der Schrift. Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534-1642) [Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, Bd. 69], München 2011, hier S. 9. Vgl. Richard H. TAWNEY, The Rise of the Gentry, 1558-1640, in: EconHR 11 (1941), S. 1-38; Christopher HILL, The English Revolution 1640. An Essay, 3. Aufl., London 1955; cf. PEČAR, Macht der Schrift, S. 9; Kritik am Konzept der Gentry als „Klasse“ übten etwa Lawrence STONE / Jeanne C. FAWTIER STONE, An open elite? England 1540-1880, Oxford 1984; zur Gruppe der marxistisch beeinflussten britischen Historiker siehe auch die Edition von David PARKER (Hg.), Ideology, absolutism and the English Revolution. Debates of the British Communist historians 1940-1956, London 2008 sowie Alastair MACLACHLAN, The rise and fall of revolutionary England. An essay on the fabrication of seventeenth-century history, New York 1996.

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neuen „Klasse“ sah.38 Analog zu Hans Kohn betonte er die Rolle, welche die Vorstellung einer besonderen Beziehung zu Gott als zentrales Element der neuen Ideologie für die Emanzipation der Gentry gespielt habe.39 In seinen Studien versuchte er die Entstehung dieser Ideologie bis zu den Anfängen der englischen Reformation zurückzuverfolgen und damit eine ideengeschichtliche Entwicklungslinie von ‚langer Dauer‘ herauszuarbeiten, die mit den sozialhistorischen Arbeiten zur Entwicklung der Gentry harmonierte.40 Hill schuf damit eine Perspektive, die wesentliche Setzungen der Whig Interpretation bestätigte und reproduzierte, und gleichsam dazu tendierte, die Entwicklungen des 16. Jahrhunderts vorrangig in ihrem Charakter als Vorlaufphase des Bürgerkriegs zu interpretieren, durch den sich moderne Ideale schließlich Bahn gebrochen hätten.41 Hills Arbeiten wurden allerdings teilweise heftig kritisiert, weil sie die Tendenz aufwiesen, einzelne religiöse Aussagen und Argumentationsmuster aus ihrem konkreten Verwendungszusammenhang herauszulösen und sie anschließend als Teil der postulierten Ideologie wieder zusammenzufügen. Diese Ideologie zeigte sich bei Hill als ein schichtengebundenes, kohärentes Phänomen, das vorrangig die grundlegende Erzählung des Aufstiegs der Gentry als progressive, der Moderne zugewandte Kraft stützen sollte.42 Als charakteristisch für diese Ideologie sah Hill die quasi natürliche 38

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Siehe vor allem Christopher HILL, Intellectual Origins of the English Revolution – revisited, 2., verb. Aufl., Oxford 1997; DERS., The English Bible and the Seventeenth-Century Revolution, London 1993; DERS., Antichrist in seventeenth-century England, 2., überarb. Aufl., London 1990; DERS., The World Turned Upside Down. Radical Ideas during the English Revolution, London 1972 sowie die dreibändige Edition seiner Schriften, erschienen als DERS., The Collected Essays of Christopher Hill, 3 Bde., Brighton 1985-86. Vgl. dazu auch die Auseinandersetzung mit dem Thema bei Michael WALZER, Puritanism as a Revolutionary Ideology, in: H & T 3 (1963), S. 59-90, die ihrerseits wiederum kritisiert worden ist. Dazu etwa PEČAR, Macht der Schrift, S. 10f; Walzer behandelt in seinem Beitrag auch die Thesen Max Webers zum Zusammenhang von Prädestinationslehre, Arbeitsethik und Entstehung eines kapitalistischen Geistes im niederländischen Calvinismus. Siehe sein Standardwerk Max WEBER, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, hrsg. von Dirk Kaesler, 4. Aufl., München 2013. Zuerst erschienen in zwei Teilen im Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 20/21 (1905). Zum Konzept der „Langen Dauer“ Fernand BRAUDEL, Geschichte und Sozialwissenschaften. Die lange Dauer, in: Ders., Schriften zur Geschichte, 2 Bde., Stuttgart 1992-93, hier Bd. 1: Gesellschaften und Zeitstrukturen, Stuttgart 1992, S. 49-87. Vgl. dazu auch die Kritik von Geoffrey ELTON, A High Road to Civil War?, in: Charles H. Carter (Hg.), From the Renaissance to the Counter-Reformation. Essays in Honour of Garrett Mattingly, London 1966, S. 325-347. Siehe dazu den Kommentar bei Peter LAKE, Introduction: Puritanism, Arminianism and Nicholas Tyacke, in: Kenneth Fincham / Ders. (Hgg.), Religious Politics in PostReformation England. Essays in Honour of Nicholas Tyacke, Woodbridge u.a. 2006, S. 1-15, hier S. 2: „Hill’s was a narrative in which all sorts of progressive forces […] were associated, in one way or another, with puritanism“; cf. PEČAR, Macht der Schrift, S. 9f sowie die grundsätzliche Kritik von Michael Finlayson, der meinte, Puritanismus sei die Erfindung von Historikern, um die englische Revolution mit einer entsprechend revolutionären Ideologie auszustatten. Vgl. Michael FINLAYSON, Historians, Puritanism, and

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Allianz zwischen ‚dem Protestantismus‘ und der Vorstellung Englands als einer Nation an, wobei er ebenfalls auf eine genauere Untersuchung des konstatierten Verhältnisses verzichtete. Stattdessen war auch bei ihm die Vorannahme leitend, dass die frühneuzeitliche Religion mit dem Nationalismus der Moderne gleichgesetzt werden könne. In deutlicher Parallele zu Vertretern einer Whig-Historiographie firmierte sodann auch bei Christopher Hill das Gedankengut göttlicher Auserwähltheit vorrangig als Katalysator von Prozessen und Entwicklungen, die auf die Moderne als wesentlichem Bezugspunkt ausgerichtet waren.43 Die methodischen und epistemologischen Probleme der älteren Forschung setzen sich teilweise in neueren Publikationen zum Themenbereich fort. Vor allem sozialund literaturwissenschaftliche Arbeiten neigen in diesem Zusammenhang dazu, vormoderne religiös-konfessionelle Deutungsmuster wie das Erwählungsmotiv primär in einer modernisierungstheoretisch beeinflussten Sichtweise zu interpretieren. Zuweilen kann hierbei – gewollt oder ungewollt – der Eindruck entstehen, als wären die Reformatoren des 16. Jahrhunderts nicht vorrangig an Glaubensfragen interessiert gewesen, sondern an der Schaffung einer modernen Nation! Dieser Eindruck ist dabei vielfach Resultat einer mangelhaften historischen Kontextualisierung. Die getätigten Aussagen zu Form, Funktion und Entwicklung von Phänomenen wie der Erwählung spiegeln derart oftmals nicht die zeitgenössischen Diskussionen und Kontexte wider, sondern sind Ausfluss einer selektiven, einseitigen und durch moderne Prämissen geleiteten Perspektive. In solchen Studien firmiert das Gedankengut der Erwählung in der Regel als chauvinistische, teilweise aggressiv-expansionistische Vorstellung, die eine einseitig positive Identifikation von Protestantismus und Nation suggeriert und in dieser Form eher an die Nationalismen der Moderne erinnert. Bezugspunkt dieser Ansätze ist häufig eine Arbeit des amerikanischen Puritanismus-Forschers William Haller.44 In seinem Spätwerk hatte dieser sich mit der Frage nach dem Zusammenhang zwischen Protestantismus und elisabethanischem Nationalismus beschäftigt. Dabei war er auf die seiner Ansicht nach zentrale Rolle gestoßen, die John Foxes monumentale Heils- und Kirchengeschichte der „Acts and Monu-

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the English Revolution. The religious factor in English politics before and after the Interregnum, Toronto 1983. Siehe etwa den Beitrag Christopher HILL, The Protestant Nation, in: Ders., The Collected Essays of Christopher Hill, Bd. 2: Religion and Politics in 17th Century England, Brighton 1986, S. 21-36, hier v.a. S. 27-30; DERS., The English Revolution and patriotism, in: Raphael Samuel (Hg), Patriotism. The Making and Unmaking of British National Identity, 3 Bde., hier Bd. 1: History and Politics, London/New York 1989, S. 159168; DERS., Protestantismus, Pamphlete, Patriotismus und öffentliche Meinung im England des 16. und 17. Jahrhunderts, in: Bernhard Giesen (Hg.), Nationale und kulturelle Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit, 3. Aufl., Frankfurt a. M. 1996, S. 100-120 sowie sein Standardwerk The English Bible and the Seventeenth-Century Revolution. HALLER, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation; siehe zu Person und Werk Leonard J. TRINTERUD, William Haller, Historian of Puritanism, in: JBS 5 (1966), S. 3355.

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ments“ in diesem Kontext gespielt habe.45 Haller sah in Foxes Werk letztlich den ausschlaggebenden Faktor, der zur Durchsetzung der Selbstwahrnehmung Englands als der „Elect Nation“ geführt habe. Darunter verstand er die Vorstellung, dass das Land eine besondere Rolle im göttlichen Heilsplan spiele und von Gott aus der Masse der Nationen als Nachfolger der alttestamentlichen Israeliten auserwählt worden sei, um der Welt den wahren protestantischen Glauben zu bringen. 46 In Hallers Elect Nation-Konzept verband sich diese Vorstellung mit den apokalyptischen und endzeitlichen Mustern, die in Foxes Werk vorherrschend waren, und entwickelte sich vor dem Hintergrund der außen- und innenpolitischen Krisenjahre zwischen 1570 und 1590 zum dominierenden Interpretament der Konflikte mit Spanien und der Kurie, die als Kampf der erwählten Nation gegen die Heerscharen des Antichristen gesehen wurden. Sein Elect Nation-Konzept stand somit primär für eine positive Identifikation des englischen Protestantimus mit der Nation, die mit einem Auserwähltheits- und teilweise aggressiven Sendungsbewusstsein einherging.47 Obwohl Hallers Thesen in vielen Punkten vor allem von kirchengeschichtlichen und theologischen Studien zum 16. und 17. Jahrhundert kritisiert worden sind, blieben wesentliche Elemente seiner Konzeption der Elect Nation doch in Teilen der neueren Forschung bestehen.48 Als Arbeiten, die in der Tradition Halles stehen, kön45

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Zur Lebzeit von John Foxe erschienen vier Ausgaben der Acts and Monuments, die jeweils überarbeitet und um neues Material erweitert wurden. Siehe John FOXE, Actes and monuments of these latter and perillous dayes touching matters of the Church, wherein ar comprehended and decribed the great persecutions [and] horrible troubles, that haue bene wrought and practised by the Romishe prelates, speciallye in this realme of England and Scotlande, from the yeare of our Lorde a thousande, vnto the tyme nowe present. Gathered and collected according to the true copies [and] wrytinges certificatorie, as wel of the parties them selues that suffered, as also out of the bishops registers, which wer the doers therof, London 1563 (STC2 11222/Henry E. Huntington Library); weitere Ausgaben im 16. Jhdt. London 1570, 1576 und 1583; zuletzt dazu Elizabeth EVENDEN / Thomas S. FREEMAN, Religion and the book in early modern England. The making of Foxe’s „Book of Martyrs“, Cambridge 2011; John KING, Foxe’s „Book of Martyrs“ and Early Modern Print Culture, Cambridge u.a. 2006; David LOADES (Hg.), John Foxe and the English Reformation, Aldershot 1997. Vgl. dazu HALLER, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation, Kap. 7 sowie die exzellente Zusammenfassung bei TRINTERUD, William Haller, S. 51. Siehe etwa HALLER, Foxe’s Book of Martyrs, S. 245 und passim; TRINTERUD, William Haller, S. 51-53; CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 10f; Andrew ESCOBEDO, The Book of Martyrs: Apocalyptic Time in the Narrative of the Nation, in: Prose Studies 20 (1997), S. 1-17, hier S. 4; Ronald G. ASCH, An Elect Nation? Protestantismus, nationales Selbstbewusstsein und nationale Feindbilder in England und Irland von zirka 1560 bis 1660, in: Mosser (Hg.), „Gottes auserwählte Völker“, S. 117-141, hier S. 120-125; Matthias POHLIG, Konfessionelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600 – Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich, in: ARG 93 (2002), S. 278-316, hier S. 309. Zur Kritik an Halles Werk siehe u.a. CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 10f; ASCH, Elect Nation, S. 121-123; Viggo Norskov OLSEN, John Foxe and the Elizabethan Church, Berkeley u.a. 1973; Katharine R. FIRTH, The Apocalyptic Tradi-

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nen etwa jene von Liah Greenfeld, Philip Gorski, Herbert Grabes sowie eine Reihe weiterer literatur- und sozialwissenschaftlicher Studien angesehen werden. Gemein ist ihnen die funktionalistische Perspektive auf die Prozesse der Frühen Neuzeit, wonach es bereits im 16. und frühen 17. Jahrhundert zur Entwicklung eines nationalen Bewusstseins bzw. eines frühmodernen Nationalismus unter Rückgriff auf die Vorstellung einer Elect Nation gekommen sei. Über das Konzept wird dabei die Ansicht ventiliert, es habe nicht zuletzt vor der außenpolitischen Bedrohungslage eine eindeutige und positive Identifizierung des englischen Protestantismus mit einer vorgestellten englischen Nation gegeben.49 Diese Arbeiten wurden und werden vor allem durch die anfangs geschilderte Prämisse zusammengehalten, dass Religion bzw. Konfession ein vormodernes Äquivalent für Nationalismus gewesen seien. In diesem Sinne avanciert die Reformation oftmals zum entscheidenden Ereignis in der Entwicklung eines nationalen Bewusstseins und markiert gewissermaßen den Startpunkt für die Entstehung Englands als

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tion in Reformation Britain 1530-1645, Oxford 1979, S. 106-110; Paul K. CHRISTIANSON, Reformers and Babylon. English apocalyptic visions from the reformation to the eve of the civil war, Toronto u.a. 1978, S. 13-46; Richard BAUCKHAM, Tudor Apocalypse, Oxford 1978, S. 85-87; Anthony FLETCHER, The first century of English Protestantism and the growth of national Identity, in: Stuart Mews (Hg.), Religion and national Identity, Oxford 1982, S. 309-317, hier S. 309f; John KING, Fiction and Fact in Foxe’s Book of Martyrs, in: Loades (Hg.), Foxe and the English Reformation, S. 12-35; zusammenfassend auch COLLINSON, A chosen people; DERS., John Foxe and national consciousness, in: Christopher Highley / John King (Hgg.), John Foxe and his World, Aldershot 2002, S. 10-36, wiederabgedruckt in: Collinson, This England, S. 193-215; Jesse LANDER, „Foxe’s“ Books of Martyrs: printing and popularizing the Acts and Monuments, in: McEachern / Shuger (Hgg.), Religion and culture, S. 69-92, hier S. 70f. Vgl. GREENFELD, Nationalism, Kap. 1; GORSKI, Mosaic Moment; GRABES, Elect Nation; APPELBAUM, Biblical nationalism; siehe auch den Überblick bei SMITH, Nationalism in Early Modern Europa, S. 407-410; obwohl er einige von Hallers Thesen kritisiert, folgt letztlich auch David Loades im Grunde diesem Muster. Siehe David LOADES, The Origins of English Protestant Nationalism, in: Ders., Politics, Censorship and the English Reformation, London/New York 1991, S. 39-47; zu den literaturwissenschaftlichen Arbeiten siehe etwa den Band von Ulrich BIELEFELD / Gisela ENGEL (Hgg.), Bilder der Nation. Kulturelle und politische Konstruktionen des Nationalen am Beginn der europäischen Moderne, Hamburg 1998; Herbert GRABES (Hg.), Writing the Early Modern English Nation. The Transformation of National Identity in Sixteenth- and Seventeenth Century England, Amsterdam/Atlanta 2001; Gillian BRENNAN, Patriotism, Power and Print. National Consciousness in Sixteenth-Century England, Cambridge 2003, hier bes. Kap. 7, S. 108-122; Claire MCEACHERN, The poetics of English nationhood, 1590-1612, Cambridge 1996; Richard HELGERSON, Forms of Nationhood. The Elizabethan Writing of England, Chicago/London 1992, hier Paperback Ed., Chicago/London 1994; Aleida ASSMANN, This blessed plot, this earth, this realm, this England. Zur Entstehung des englischen Nationalbewusstseins in der Tudor-Zeit, in: Klaus Garber (Hg.), Nation und Literatur im Europa der Frühen Neuzeit. Akten des I. Internationalen Osnabrücker Kongresses zur Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit, Tübingen 1989, S. 429-452.

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einer modernen Nation.50 Diese Fixierung und zeitliche Verortung wird seit einiger Zeit in Frage gestellt.51 Mediävistische Studien betonen in diesem Zusammenhang, dass es bereits zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert zur Entstehung einer Vorstellung von „Englishness“ gekommen sei, die als emotionale und ideologische Rahmung eines englischen Kollektivs fungiert habe.52 Eine wesentliche Triebkraft hierfür sieht vor allem Patrick Wormald in der Vorstellung einer göttlichen Auserwähltheit, die als entscheidende Grundlage für ein frühes englisches Nationalbewusstsein gedient habe.53 Prägend für diese Vorstellung sei die Kirchengeschichte (Historia ecclesiastica gentis Anglorum) des angelsächsischen Benediktinermönchs Beda Venerabilis gewesen.54 Dieser habe die Erzählung der alttestamentlichen Israeliten als grundlegendes Muster für seine eigene Darstellung benutzt und derart eine ideologische Identifikation geschaffen, welche die ‚gens Anglorum‘ ebenfalls als ‚ein Volk‘ im Bund mit Gott – als ein „New Israel“ – imaginiert hätte.55 Obwohl das Konstrukt einer New Israel-Vorstellung im angelsächsischen England jüngst massiv kritisiert worden ist56, haben die mediävistischen Studien dennoch eine neue Perspektive auf einige der zentralen Grundannahmen der bestehenden For50 51

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Vgl. CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 9-12; FINN, An Elect Nation, S. 184; COLLEY, Britons, S. 18-30. Vgl. den Überblick bei Jonathan C. D. CLARK, Protestantism, Nationalism, and National Identity, in: HJ 43 (2000), S. 249-276, hier S. 265-270; John W. MCKENNA, How God became an Englishman, in: Delloyd J. Guth / Ders. (Hgg.), Tudor Rule and Revolution. Essays for G. R. Elton from his American friends, Cambridge 1982, S. 25-43; ferner Patrick WORMALD, Engla Lond: the Making of an Allegiance, in: Journal of Historical Sociology 7 (1994), S. 1-24; DERS., The Venerable Bede and the „Church of the English“, in: Geoffrey Rowell (Hg.), The English Religious Tradition and the Genius of Anglicanism, Oxford 1992, S. 13-32; DERS., Bede, the Bretwaldas and the Origins of the Gens Anglorum, in: Ders. / Donald Bullogh / Roger Collins (Hgg.), Ideal and reality in Frankish and Anglo-Saxon society. Studies presented to J. M. Wallace-Hadrill, Oxford 1983, S. 99-129; in der Tradition von Wormald auch HASTINGS, Construction, Kap. 2, S. 3565; SMITH, Chosen peoples, S. 115-118, 144f. Vgl. CLARK, Protestantism, S. 265. WORMALD, Engla Lond, S. 1-10; DERS., Bretwaldas; DERS., Venerable Bede, S. 23-28. Einführend James CAMPBELL, Art. „Bede“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]. Vgl. WORMALD, Engla Lond, S. 14; CLARK, Protestantism, S. 267; HASTINGS, Construction, S. 38, 42; das geprägte Schlagwort des New Israel wird inzwischen in vielen mediävistischen Arbeiten verwendet. Siehe u.a. Samantha ZACHER, Rewriting the Old Testament in Anglo-Saxon Verse. Becoming the Chosen People, London u.a. 2013, S. 24-34 und passim; Andrew P. SCHEIL, The Footsteps of Israel. Understanding Jews in Anglo-Saxon England, Ann Arbor 2004; Stephen HARRIS, Race and Ethnicity in AngloSaxon Literature, New York 2003, bes. Kap. 2; Nicholas HOWE, Migration and Mythmaking in Anglo-Saxon England, New Haven/London 1989, bes. Kap. 3; siehe auch die Angaben bei George MOLYNEAUX, Did the English really think they were God’s Elect in the Anglo-Saxon Period?, in: JEH 65 (2014), S. 721-737, hier S. 722 und Anm. 5, der die Sache jedoch äußerst kritisch beurteilt. Siehe MOLYNEAUX, God’s Elect.

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schung zu den Themen Erwählung und nationales Bewusstsein eröffnet. Vor allem die zeitliche Fixierung auf die Reformation als ausschlaggebendem Ereignis sowie die vielfach als natürliche Liaison dargestellte Verbindung von Protestantismus und nationalem Gedankengut wurden so in ein kritisches Licht gerückt. Adrian Hastings zum Beispiel hat vor diesem Hintergrund sehr deutlich betont, dass dem Protestantismus des 16. Jahrhunderts nichts genuin ‚Nationales‘ inhärent gewesen sei. Die Verbindung sei vielmehr größtenteils zufällig entstanden.57 Hastings hat damit einen Themenbereich problematisiert, um den es im Folgenden gehen soll: Die Frage, wie es konkret zum Zusammenwirken der Bereiche des Politischen und Religiösen gekommen ist? Unter welchen Umständen dies geschehen ist? Und welche Rolle die Vorstellung göttlicher Erwählung in diesen Prozessen spielte? Trotz aller Kritik im Einzelnen an den betreffenden mediävistischen Arbeiten ist es ihr Verdienst, eine zu einfach gestrickte Gleichsetzung von Religion bzw. Konfession und Nationalismus hinterfragt zu haben. Die Forschung zu den frühneuzeitlichen respektive den modernen Ausprägungen der Erwählungsvorstellung werden dadurch zu einer bewussteren Reflexion angehalten, die vor allem jene Fragen nach dem Warum und Wie der Verbindung stärker berücksichtigen muss. Freilich kann dies nur im Zuge einer historischen Kontextualisierung geschehen, die frei von funktionalistischen bzw. modernisierungstheoretischen Vorannahmen ist und den Eigenheiten der Zeit Rechnung trägt.58 Neben den Debatten um eine zeitliche Einordnung der Vorstellung göttlicher Erwählung existiert eine fundamentale inhaltliche Kritik daran, welche konkrete historische Form und Funktion dem Phänomen zugeschrieben werden kann. Während ein Großteil der bisherigen Forschung dazu tendierte, die Erwählungsidee im Sinne William Hallers als ein chauvinistisches Selbstbild zu konstruieren, artikulierte vor allem Patrick Collinson Kritik an diesem Elect Nation-Konzept. Dessen Einwände müssen vor dem Hintergrund einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem Phänomen des elisabethanischen und jakobitischen Puritanismus gesehen werden – einem Forschungsfeld, in dem er lange Zeit der führende Experte gewesen ist. 59 Seine hauptsächliche Kritik bestand darin, dass er die weitgehend als unproblematisch dargestellte, totale und eindeutig positive Identifikation von Nation und Protestantismus im Elect Nation-Konzept als unzeitgemäße Interpretation ablehnte. Sein Argument fußt dabei auf zwei Punkten: Auf der einen Seite schließt sich Collinson einer Kritik der Arbeit Hallers an, die diesem unterstellte, er habe die Intentionen von John Foxe missverstanden und ihn deshalb ungerechtfertigt zum Architekten eines nationalen

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Vgl. HASTINGS, Construction, S. 55: „There was nothing inherently nationalist about Protestantism. The linkage was largely fortuitous.“ Zu dieser Kritik auch GUSTAFSSON, Eighth Argument sowie MOLYNEAUX, God’s Elect für das Konstrukt des New Israel in mediävistischen Arbeiten. Siehe u.a. Patrick COLLINSON, The Elizabethan Puritan Movement, London 1967; DERS., The Religion of Protestants. The Church in English Society 1559-1625, Oxford 1982; DERS., Godly People. Essays on English Protestantism and Puritanism, London 1983; DERS., The Birthpangs of Protestant England; zur Person Alexandra WALSHAM, Art. „Collinson, Patrick“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2015, URL: [14.04.2017].

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Bewusstseins erklärt.60 Ausgangspunkt dieser Ansicht ist die Beobachtung, dass der von Foxe in seinem Werk entwickelte apokalyptische Rahmen primär eine universale Ausrichtung aufgewiesen hätte und daher nur schwerlich mit der von Haller konstatierten nationalen Perspektive vereinbar gewesen sei.61 Auf der anderen Seite formulierte Collinson eine zweite Kritik, die sich auf die seiner Ansicht nach insgesamt unverhältnismäßige Behandlung apokalyptischer und endzeitlicher Deutungsmuster in der Forschung zum elisabethanischen England bezieht. Ihm zufolge habe die Untersuchung derartiger Muster eine „almost disproportionate attention from cultural and intellectual historians“ erfahren, die zudem eher einer „arcane fascination“ geschuldet sei als der tatsächlich nachweisbaren Evidenz für deren Wirkung in elisabethanischer Zeit. 62 In England sei in der Tat eine Vorstellung göttlicher Erwählung virulent gewesen; allerdings habe sich diese in dem weitaus prominenteren „Israelite paradigm“ manifestiert, das für die Phase Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts als dominierendes Motiv angesehen werden sollte.63 Dieses Motiv identifizierte die Engländer mit den alttestamentlichen Israeliten, und schrieb ihnen auf diesem Wege implizit eine gewisse heilsgeschichtliche Sonderrolle zu. Freilich drückte sich diese Rolle nicht primär in einer nationalen Überhöhung aus, sondern sei vielmehr selbstkritisch, nach innen gerichtet und keineswegs triumphalistisch gewesen.64 Die Grundlage dieser Vorstellung war der Glaube, dass Gott – wie ehedem mit den Israeliten – einen Bund mit dem englischen Volk geschlossen habe, der jedoch nur solange bestünde, wie das Gemeinwesen dessen Auflagen erfülle. Die Erwählung Englands wurde also als hochgradig unsicher imaginiert, weshalb mit der Rekapitulation des Status’ in der Regel Selbstkritik und Aufrufe zur inneren Reform einhergangen seien.65 Die Arbeiten von Patrick Collinson, Michael McGiffert und anderen Forschern zum Israelite paradigm trugen zu einer nachhaltigen Unterminierung des klassischen Elect Nation-Konzeptes bei, das nun für die Tudor- und frühe Stuart-Zeit nicht mehr 60 61

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Vgl. dazu etwa COLLINSON, The Protestant Nation, S. 14. Siehe zu dieser Kritik u.a. COLLINSON, The Protestant Nation, S. 14; DERS., Chosen People, S. 20; DERS., Foxe and national consciousness, S. 193f und passim; ASCH, Elect Nation, S. 120-123; BAUCKHAM, Tudor Apocalypse, S. 87; FIRTH, Apocalyptic Tradition, S. 106-109; CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 12f; ESCOBEDO, Book of Martyrs, S. 4f; LANDER, „Foxe’s“ Book of Martyrs, S. 70f. Siehe dazu COLLINSON, Biblical rhetoric, S. 170; ähnliche Kritik in DERS., The Protestant Nation, S. 17; cf. POHLIG, Konfessionelle Deutungsmuster, S. 308. Vgl. COLLINSON, The Protestant Nation, S. 17-27; DERS., Biblical rhetoric, S. 175f und passim; DERS., Chosen People, S. 18-20; zum Begriff des Israelite paradigm MCGIFFERT, God’s Controversy. COLLINSON, Biblical rhetoric, S. 175; DERS., The Protestant Nation, S. 18f; cf. POHLIG, Konfessionelle Deutungsmuster, S. 309; ABERBACH, Nationalism, S. 223-229. In der Forschung werden diese Aufrufe häufig in Anlehnung an die alttestamentlichen Vorbilder als Hoseaden oder Jeremiaden bezeichnet. Siehe dazu MCGIFFERT, God’s controversy; COLLINSON, Biblical rhetoric; WALSHAM, Providence, S. 281-325 sowie zum Genre der Jeremiaden klassisch Perry MILLER, The New England Mind. From Colony to Province, Cambridge 1953, S. 27-39; Sacvan BERCOVITCH, The American jeremiad, Madison (WI) 1978.

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vorbehaltlos als Ausdruck einer einseitig positiven Identifikation von Protestantismus und englischer Nation herangezogen werden kann.66 Vielmehr zeigen ihre Studien deutlich, dass das Verhältnis zwischen Glauben und nationalem Bewusstsein vielfach gebrochen war und zu einer durchaus kritischen Distanzierung von der eigenen Nation und Kirche führen bzw. bis zur Ablehnung beider reichen konnte. 67 Diese Arbeiten stellen den ersten Versuch dar, das Gedankengut der Erwählung in seinem historischen Kontext zu analysieren. Insofern sind sie ein wesentlicher Entwicklungsschritt im Vergleich zu vielen sozial- und literaturwissenschaftlichen Beiträgen. Das Problem besteht bei ihnen allerdings darin, dass sie zumeist einen sehr eingeschränkten Fokus aufweisen, der trotz einer weitgehenden Kritik an der Arbeit von William Haller im Wesentlichen dessen zeitlichem Zuschnitt und teilweise inhaltlicher Strukturierung folgt.68 So dominiert immer noch eine Fokussierung auf das Werk von John Foxe, dessen Actes and Monuments in der Regel am Beginn der neuzeitlichen, englischen Erwählungsvorstellungen gesehen werden. 69 Zusammen

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Siehe auch die Ausführungen bei CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 12-15; ESCOBEDO, Book of Martyrs, S. 4f; ASCH, Elect Nation, S. 119-124; POHLIG, Konfessionelle Deutungsmuster, S. 309; für das 17. Jahrhundert nun die Studie von GUIBBORY, Christian Identity. Vgl. dazu auch Patrick COLLINSON, The Cohabitation of the Faithful with the Unfaithful, in: Ole Peter Grell / Jonathan I. Israel / Nicholas Tyacke (Hgg.), From Persecution to Toleration. The Glorious Revolution and Religion in England, Oxford 1991, S. 51-76; zu den radikal-separatistischen Tendenzen auch Stephen BRACHLOW, The communion of the saints. Radical puritan and separatist ecclesiology, 1570-1625, Oxford 1988; ASCH, Elect Nation, S. 125. Das Problem hierbei ist die Fixierung v.a. der britischen Wissenschaft auf die frühe Stuart-Herrschaft mit ihrem Höhepunkt des englischen Bürgerkrieges. Die elisabethanische Zeit wird in diesem Zusammenhang gerne als wegweisende Phase betrachtet. Ohne Zweifel gab es vielfältige Kontinuitäten und Versuche, Bezüge zur Herrschaft Elisabeths I. in späterer Zeit herzustellen. Allerdings darf diese zeitliche Einteilung nicht absolut gesetzt werden, weil ansonsten größere Traditionszusammenhänge marginalisiert werden könnten. Vgl. zu dieser Problematik auch die Bemerkungen bei Philip CORRIGAN / Derek SAYER, The Great Arch. English State Formation as Cultural Revolution, Oxford 1985, S. 55f und das Zitat S. 55: „[F]or the Elizabethans, all history led up to them [den Stuarts – BQ]. For the Stuarts all roads finally led back to Elizabeth.“ Ein differenzierteres Bild der Bedeutung Elisabeths I. für eine politische Normbildung im 17. Jahrhundert gibt neuerdings Kerstin WEIAND, Herrscherbilder und politische Normbildung. Die Darstellung Elisabeths I. im England des 17. Jahrhunderts, Göttingen 2015. Die Konzentration auf Foxes Werk ist ein klassisches Beispiel für eine Herangehensweise, die sich auf Kanon- bzw. Höhenkammliteratur beschränkt und deshalb von der Neueren Ideengeschichte explizit abgelehnt wird. Bei aller Bedeutung, die dem Werk im Einzelnen zugeschrieben werden kann, muss es doch in einen zeitlichen und textuellen Kontext eingebettet werden, um einen Eindruck der elisabethanischen Vorstellungen von Erwählung, Apokalypse etc. zu erhalten. Vgl. zur neueren Ideengeschichte u.a. Barbara STOLLBERG-RILINGER, Einleitung, in: Dies. (Hg.), Ideengeschichte, Stuttgart 2010, S. 742, hier S. 21f; Iain HAMPSHER-MONK, Neuere angloamerikanische Ideengeschchte, in:

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mit dem Regierungsantritt Elisabeths I. bildet es die Eckpunkte, von denen in der Folge die Geschichte englischer Erwählung primär als puritanische Auseinandersetzung mit der anglikanischen Kirche, der inneren Verfasstheit des Gemeinwesens oder schubweise auftretenden, außenpolitischen Bedrohungen entworfen wird.70 Freilich bleibt bei dieser Perspektivierung offen, ob die in elisabethanischer Zeit vorherrschende Form göttlicher Erwählungsvorstellungen als repräsentativ für die gesamte Tudor-Epoche angesehen werden kann; oder ob beispielsweise mit der puritanischen Interpretation bereits die gesamte Spannbreite der in der Zeit möglichen Bedeutungen abgebildet wird. Hier besteht die Gefahr, das Gedankengut der Erwählung auf eine spezifische Aneignungstradition zu reduzieren, ohne dabei allerdings die historischen Veränderungen des Gesamtphänomens zu realisieren, dessen Herkunft, Traditionszusammenhang und zeitgenössische Funktion gleichsam unklar bleiben. Vor einer derartigen Herangehensweise hatte bereits in den 1970er Jahren Franco Venturi gewarnt: „Das Risiko […] liegt darin, dass man Ideen untersucht, wenn sie bereits zu geistigen Strukturen geronnen sind, ohne im geringsten das kreative und dynamische Moment ihrer Geburt zu begreifen.“71 Für eine Untersuchung des Werdens der Begriffe und Ideen fehlt jenen auf die elisabethanische und frühe Stuart-Zeit fokussierten Arbeiten in der Regel jedoch die notwendige Blickrichtung, da ihr Interesse zumeist auf die kommenden Ereignisse des Bürgerkrieges gerichtet ist. So wichtig das Ereignis für die englische Geschichte und britische Historiographie auch sein mag, sollte hier nicht erneut der Fehler begangen werden, Entwicklungen der Tudor-Zeit einzig in ihrem Charakter als Vorlaufphase der englischen Revolution zu behandeln.72 Für das Studium der Erwählungsvorstellungen muss es demgegenüber darum gehen, im Rahmen einer Neuperspektivierung des Themas Diskurstradition und Entwicklungskontext sichtbar

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Joachim Eibach / Günther Lottes (Hgg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, 2. Aufl., Göttingen 2006, S. 293-306, hier S. 298f. In diesen Zusammenhang ist auch die Debatte über die Frage einzuordnen, ob es eine kollektive Erwählung gegeben habe, oder ob lediglich Individuen von Gott erwählt (und auch verworfen) werden konnten. Siehe dazu u.a. den Beitrag von Theodore D. BOZEMAN, Federal Theology and the ‚National Covenant‘: An Elizabethan Presbyterian Case Study, in: Church History 61 (1992), S. 394-407 mit einem Überblick zur Debatte; vgl. auch Theodor MAHLMANN, Art. „Prädestination V“, in: TRE 27 (1997), S. 118-156, hier bes. S. 118-137. Franco VENTURI, Utopia e riforma nell’Illuminismo, Turin 1970, S. 24, zitiert nach: Luise Schorn-Schütte, Ideen-, Geistes-, Kulturgeschichte, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Geschichte. Ein Grundkurs, 3., rev. und erw. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2007, S. 541567, hier S. 562; ähnliche Kritik bei Günther LOTTES, „The State of the Art“. Stand und Perspektiven der „intellectual history“, in: Frank-Lothar Kroll (Hg.), Neue Wege der Ideengeschichte. Festschrift für Kurt Kluxen zum 85. Geburtstag, Paderborn u.a. 1996, S. 27-45, hier S. 34. Vgl. ELTON, High Road to Civil War, passim; eine ähnliche Kritik hinsichtlich der Behandlung der anglikanischen Kirche äußerte George Bernard. Siehe George W. BERNARD, The Church of England c. 1529 – c. 1642, in: Ders., Power and Politics in Tudor England, Aldershot 2000, S. 191-216, hier S. 191f.

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zu machen, innerhalb derer sich das Gedankengut bis zum Ende der elisabethanischen Herrschaft entwickelt hat.

3. AUFBAU

DER

S TUDIE

UND

V ORGEHENSWEISE

3.1 Theoretische Vorüberlegungen: Erwählung als ‚politische Idee‘ Wenn von der Vorstellung göttlicher Erwählung als ‚politischer Idee‘ die Rede ist, so bedarf diese Bestimmung in zweifacher Hinsicht einer näheren Erläuterung. Im Folgenden soll daher zunächst die theoretische Grundierung des Konzepts skizziert, bevor darauf aufbauend das methodische Vorgehen und die Anlage der Arbeit erläutert werden. Der Kern des theoretischen Designs ist der politischen Theorie Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes entnommen, wobei anzumerken wäre, dass deren Konzept nicht eins zu eins auf vormoderne Umstände übertragen werden kann – was im Übrigen auch keinesfalls Ziel der Studie ist.73 Der Vorteil dieser Konzeption besteht darin, dass sie ihre Diskurstheorie vor dem Hintergrund eines konfliktbehafteten InBeziehung-Setzens sozialer und politischer Kräfte entwickelt haben. Mit diesem Ansatz kommen sie jüngeren Tendenzen in der Geschichtswissenschaft entgegen, die Fragen nach den Beziehungen zwischen institutionalisierten Ordnungen, zeitgenössischen Werthaltungen und Normgefügen untersuchen. Gerade in diesem Bereich wurde zuletzt verstärkt der Art und Weise nachgespürt, wie Phänomene des historischen Wandels und der Kontinuität durch Prozesse außerhalb eines traditionell als politisch klassifizierten Feldes ausgelöst und befördert wurden.74 Die Vorstellung göttlicher

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Ernesto LACLAU / Chantal MOUFFE, Hegemonie und radikale Demokratie. Zur Dekonstruktion des Marxismus, Wien 1991; einführend in die komplexe Theoriebildung Laclau/Mouffes: Andreas RECKWITZ, Ernesto Laclau: Diskurse, Hegemonien, Antagonismen, in: Stephan Moebius / Dirk Quadflieg (Hgg.), Kultur. Theorien der Gegenwart, 2., erw. & aktual. Aufl., Wiesbaden 2011, S. 300-310; Martin NONHOFF (Hg.), Diskurs – radikale Demokratie – Hegemonie. Zum politischen Denken von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, Bielefeld 2007; Jacob TORFING, New Theories of Discourse. Laclau, Mouffe and Žižek, Reprint Oxford u.a. 2003; Urs STÄHELI, Die politische Theorie der Hegemonie: Ernesto Laclau und Chantal Mouffe, in: André Brodocz / Gary S. Schaal (Hgg.), Politische Theorien der Gegenwart II, Opladen 2001, S. 193-223; Judith BUTLER / Simon CRITCHLEY / Ernesto LACLAU et al., Das Undarstellbare der Politik. Zur Hegemonietheorie Ernesto Laclaus, hrsg. von Oliver Marchart, Wien 1998. Dazu insbesondere Luise SCHORN-SCHÜTTE, Historische Politikforschung. Eine Einführung, München 2006, hier bes. S. 67-85; DIES., Gottes Wort, S. 13-15, 17-30; DIES., Vorstellungen von Herrschaft, S. 348-353; DIES., Kommunikation über Herrschaft: Obrigkeitskritik im 16. Jahrhundert, in: Raphael (Hg.), Ideen, S. 71-108; DIES., Kommunikation über Politik im Europa der Frühen Neuzeit. Ein Forschungskonzept, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs 2007, München 2008, S. 3-36; für den englischen Raum siehe Kevin SHARPE, Remapping Early Modern England. The Culture of SeventeenthCentury Politics, Cambridge 2000; DERS., Politische Kultur, Autorität und Schrift im England der Frühen Neuzeit, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Was heißt Kulturge-

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Erwählung gehört meines Erachtens zu diesen Phänomenen, weshalb die Diskurstheorie von Laclau/Mouffe an dieser Stelle zu einem besseren Verständnis von deren historischer Bedeutung und Funktion im England der Tudor-Zeit beitragen kann. Die Rezeption der Kulturalistischen Wende75 in der Geschichtswissenschaft im Sinne einer Kulturgeschichte des Politischen hat dazu beigetragen, ein breiteres Verständnis von Politik zu etablieren, das den Gegenstandsbereich dessen, was in unterschiedlichen Zeiten als politisch bzw. dem Bereich des Politischen zugehörig empfunden wurde, selbst historisiert und damit erweitert. 76 Neben den vermeintlichen ‚hard facts‘ einer klassischen Politik- und Sozialgeschichtsschreibung konnten hier zahlreiche ‚weiche Faktoren‘ identifiziert werden, die beispielsweise im Sinne von Symbolen, Ritualen, Ideen und Mythen ihren Anteil an der Herstellung und Durchführung kollektiv verbindlicher Entscheidungen, also am Feld des Politischen, hatten.77 Entscheidend war die Erkenntnis, dass politische Einheiten und kollektive Akteure wie Nation, Volk, Kirche oder Staat letztlich nichts ‚Natürliches‘ oder ‚Unhintergehbares‘ aufweisen, sondern handlungsleitende Fiktionen darstellen, die erst diskursiv hergestellt und durch Repräsentationsprozesse symbolischer, visueller oder sprachlicher Natur erfahrbar gemacht werden müssen.78

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schichte des Politischen? [ZHF Beiheft 35], Berlin 2005, S. 149-188; vgl. auch die Angaben auf den folgenden Seiten. Vgl. Doris BACHMANN-MEDICK, Cultural turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg 2006; Silvia Serena TSCHOPP, Die Neue Kulturgeschichte – eine (Zwischen-)Bilanz, in: HZ 289 (2009), S. 573-605; DIES., Einleitung. Begriffe, Konzepte und Perspektiven der Kulturgeschichte, in: Dies. (Hg.), Kulturgeschichte, Stuttgart 2008, S. 9-32; BURKE, Was ist Kulturgeschichte, S. 47-110; DANIEL, Kompendium. Siehe inter alia Barbara STOLLBERG-RILINGER, Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Dies. (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte, S. 9-24; Achim LANDWEHR, Diskurs – Macht – Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: AKG 85 (2005), S. 71-117; Thomas MERGEL, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: GG 28 (2002), S. 574-607; Ute DANIEL, „Kultur“ und „Gesellschaft“. Überlegungen zum Gegenstandsbereich der Sozialgeschichte, in: GG 19 (1993), S. 69-99; SHARPE, Politische Kultur; DERS., Representations and Negotiations: Texts, Images, and Authority in Early Modern England, in: HJ 42 (1999), S. 853-881; DERS., Celebrating a Cultural Turn: Political Culture and Cultural Politics in Early Modern England, in: JEMH 1 (1997), S. 344-368; BURKE, Was ist Kulturgeschichte, S. 150-155. Barbara STOLLBERG-RILINGER, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Thesen – Forschungsperspektiven, in: ZHF 31 (2004), S. 489-527; SHARPE, Remapping Early Modern England; Lynn HUNT, Symbole der Macht, Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur, Frankfurt a. M. 1989; zur Mythenforschung zuletzt Karl-Joachim HÖLKESKAMP, Mythos und Politik – (nicht nur) in der Antike. Anregungen und Angebote der neuen „historischen Politikforschung“, in: HZ 288 (2009), S. 1-50. STOLLBERG-RILINGER, Kulturgeschichte, S. 14; Philipp SARASIN, Die Wirklichkeit der Fiktion. Zum Konzept der „imagined communities“, in: Ders., Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse, Frankfurt a. M. 2003, S. 150-176; vgl. dazu bereits Michael WAL-

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Die diversen Ansätze und Schwerpunkte, die sich unter dem Etikett der Kulturgeschichte des Politischen versammeln, förderten vor allem die Ausweitung des Politikbegriffs auf Phänomene und Prozesse, die zuvor als apolitisch oder bestenfalls vorpolitisch kategorisiert worden wären.79 In dieser Hinsicht trat neben das Verständnis von Politik als einem routinisierten Vollzug von Herrschaft über bestehende Institutionen wie Parlamente, Gerichtshöfe oder andere administrative Instanzen eine Vorstellung des Politischen.80 Das Politische wird dabei als eine Kommunikationsform betrachtet, die die Grundlagen einer bestehenden Ordnung diskursiviert und damit beispielsweise auch die Existenz oder Bedeutung der genannten Institutionen hinterfragen konnte. Es handelt sich dabei um Kommunikation, in deren Zuge es zu einer „konflikthaften Verhandlung sozialer Kategorien und Beziehungen, von gesellschaftlichen Deutungen und Identifikationen“ kommt.81 Die maßgebliche Definition des Politischen als Kommunikationsform lieferte der Bielefelder Sonderforschungsbereich 584: „Politisch ist Kommunikation dann, wenn sie (a) Breitenwirkung, Nachhaltigkeit und Verbindlichkeit besitzt, beansprucht oder zuerkannt erhält, (b) Regeln des Zusammenlebens, Machtver-

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On the Role of Symbolism in Political Thought, in: PSQ 82 (1967), S. 191-204, hier S. 194: „The state is invisible; it must be personified before it can be seen, symbolized before it can be loved, imagined before it can be conceived.“; Fiktion darf hier nicht einseitig als bloß erfunden missverstanden werden. Natalie Zemon Davis hat vielmehr darauf hingewiesen, dass man dem weiteren Sinn der lateinischen Wurzel fingere folgen solle, die das Bilden, Gestalten und Formen von Elementen meine. Siehe Natalie Zemon DAVIS, Fiction in the Archives. Pardon tales and their tellers in sixteenth-century France, Cambridge 1987, hier S. 3. Zu einem klassischen Verständnis von Politik siehe etwa den Beitrag von Volker SELLIN, Art. „Politik“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 789-874; einen Unterschied macht bereits Ernst VOLLRATH, Art. „Politik, das Politische“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bd. 7, Darmstadt 1989, Sp. 1047-1075. Vgl. etwa Willibald STEINMETZ, Neue Wege einer historischen Semantik des Politischen, in: Ders. (Hg.), »Politik«. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit, Frankfurt a. M./New York 2007, S. 9-40; Achim LANDWEHR, Diskursgeschichte als Geschichte des Politischen, in: Brigitte Kerchner / Silke Schneider (Hgg.), Foucault: Diskursanalyse der Politik. Eine Einführung, Wiesbaden 2006, S. 104-122; STOLLBERGRILINGER, Kulturgeschichte, S. 13f; ferner Oliver MARCHART, Die politische Differenz. Zum Denken des Politischen bei Nancy, Lefort, Badiou, Laclau und Agamben, Berlin 2010; Chantal MOUFFE, Über das Politische. Wider die kosmopolitische Illusion, Frankfurt a. M. 2007; Pierre ROSANVALLON, Pour une histoire conceptuelle du politique. Leçon inaugurale au Collège de France faite le jeudi 28 mars 2002, Paris 2003. Gesa BLUM, Diskursiver Wandel und der Raum des Politischen, in: Achim Landwehr (Hg.), Diskursiver Wandel, Wiesbaden 2010, S. 177-209, hier S. 183; ähnlich STOLLBERG-RILINGER, Kulturgeschichte, S. 14.

34 | E NGLANDS E XODUS hältnisse oder Grenzen des Sag- und Machbaren thematisiert und (c) auf vorgestellte überindi82 viduelle Einheiten Bezug nimmt oder sie implizit voraussetzt“ .

Dieses Konzept gibt eine a priori gefasste Vorstellung von politischen Prozessen auf und sieht stattdessen Politik im Sinne des Politischen als Effekt und Resultat von Konflikten über die diskursive Aushandlung von Fragen der Herstellung, Legitimation und Perpetuierung gesellschaftlicher Ordnung. Die Diskurstheorie Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes reflektiert nicht nur dieses konflikthafte In-BeziehungSetzen von sozialen und politischen Kräften, sondern deutet zugleich darauf hin, dass Entstehung und Funktion von Ideen eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielen. Folgt man ihren Ausführungen, können Ideen als organisierendes Zentrum einer Ansammlung von Diskursen bezeichnet werden. Diese Perspektive scheint auch einen Mehrwert für die Untersuchung der Idee göttlicher Erwählung zu enthalten, weshalb es zu klären gilt, ob sie als ein solch neu entstandenes, organisierendes Zentrum angesehen werden kann.83 Als Diskurs wird bei Laclau/Mouffe das prinzipiell kontingente In-BeziehungSetzen einzelner Elemente über eine Differenzierung bezeichnet, die sich durch Artikulationen ausdrückt.84 Differenzierung meint hierbei zunächst den Akt, zwei Elemente als voneinander verschieden zu konstituieren, wodurch sie erst eine spezifische Identität bekommen.85 Artikulation ist eine Praxis, die von den Akteuren immer

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Vgl. dazu das Forschungsprogramm des Bielefelder Sonderforschungsbereichs 584 „Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte“, einzusehen unter: [14.04.2017], hier S. 1. Vgl. LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 150f sowie insbesondere: Ernesto LACLAU, Why do Empty Signifiers Matter to Politics?, in: Jeffrey Weeks (Hg.), The Lesser Evil and the Greater Good. The Theory and Politics of Social Diversity, London 1994, S. 167-178; auf deutsch erschienen als: Was haben leere Signifikanten mit Politik zu tun?, in: Ders., Emanzipation und Differenz, übers. und hrsg. von Oliver Marchart, Wien 2002, hier Nachdruck 2010, S. 65-78; ein ähnlicher Ansatz wurde von literaturwissenschaftlicher Seite hinsichtlich der Analyse von Interdiskursphänomenen entwickelt. Siehe dazu Jürgen LINK, Literaturanalyse als Interdiskursanalyse. Am Beispiel des Ursprungs literarischer Symbolik in der Kollektivsymbolik, in: Jürgen Fohrmann / Harro Müller (Hgg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Frankfurt a. M. 1988, S. 284-307; Rolf PARR, Diskursanalyse, in: Jost Schneider (Hg.), Methodengeschichte der Germanistik, Berlin 2009, S. 89-107, hier bes. S. 100-103. LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 131, 141-152 zum Verhältnis Artikulation/Diskurs; Ernesto LACLAU, Discourse, in: Robert E. Goodin / Philip Pettit (Hgg.), A Companion to Contemporary Political Philosophy, Oxford 1993, S. 431-437; die Kontingenz dieses InBeziehung-Setzens im Rahmen von Artikulationen betont STÄHELI, Hegemonie, S. 204. Sinn wird hier als Folge von Differenz und Differenzierung betrachtet. Das heißt zwei Elemente werden miteinander in Beziehung gesetzt und als different konstituiert, woraus Sinn entsteht. Dazu auch Martin NONHOFF, Politische Diskursanalyse als Hegemonieanalyse, in: Ders. (Hg.), Diskurs – radikale Demokratie – Hegemonie, S. 173-193, hier S. 175.

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wieder neu zu vollziehen ist.86 Dabei wirken einerseits die Strukturen des Diskurses auf die Praxis der Artikulation, welche andererseits selbst Bedeutung generiert, die den Diskurs grundsätzlich perpetuiert, oder auch von dessen Vorgaben abweichen kann. Gerade hier zeigt sich die aktive Rolle des Akteurs in der Reproduktion des Diskurses, da er zum Beispiel die Bedeutungsfülle von Begriffen ausschöpfen, sie kreativ nutzen und auf neue Kontexte übertragen kann, um dadurch abweichende Interpretationen zu liefern respektive bestehende zu modifizieren. 87 Mit Artikulation können dabei sowohl sprachliche wie auch nicht-sprachliche Akte gemeint sein.88 Institutionelle Komplexe werden dadurch ebenso zum Gegenstand eines relationalen Sinnzusammenhangs Diskurs wie etwa mündliche und schriftliche Kommunikation oder auch Praktiken des Umgangs mit Objekten. 89 Gesellschaft bzw. der Bereich des Sozialen bestehen für Laclau/Mouffe demnach aus einer Agglomeration petrifizierter oder sedimentierter Diskurse. 90 In dieser Form tritt auch bei ihnen der Diskurs als Vermittler zwischen einer an sich unzugänglichen Realität und dem Einzelnen auf, indem er diese Realität im Rahmen eines Diffe86

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Wie RECKWITZ, Laclau, S. 303 anmerkt, existieren Diskurse für Laclau / Mouffe nur in der Praxis ihrer Artikuliertheit. Vgl. LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 127; dieser Ansatz ist auch insofern klassischen Diskurskonzepten vorzuziehen, weil er den handelnden Subjekten eine aktive Rolle zuweist und sie nicht zu passiven Teilnehmern degradiert. Siehe dazu auch Cornel ZWIERLEIN, Discorso und Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland [Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 74], Göttingen 2006, S. 22f; der FrühneuzeitHistoriker Ulrich Niggemann gebraucht für diesen Vorgang den Begriff der „Verargumentierung“, der sich inhaltlich m.E. weitgehend mit dem Konzept der Artikulation deckt. Siehe NIGGEMANN / RUFFING, Einführung, S. 16f. RECKWITZ, Laclau, S. 303; die Geschichtswissenschaft hat dies in den letzten Jahren beispielsweise unter der Perspektive untersucht, dass Innovation in der Frühen Neuzeit aus Tradition entstehen müsse. Siehe dazu SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort, S. 14f; DIES., Vorstellungen von Herrschaft, S. 348-353; Robert von FRIEDEBURG / DIES., Einleitung. Politik und Religion: Eigenlogik oder Verzahnung?, in: Dies. (Hgg.), Politik und Religion: Eigenlogik oder Verzahnung? Europa im 16. Jahrhundert [HZ, Beihefte N.F., Bd. 45], München 2007, S. 1-12; Wilhelm SCHMIDT-BIGGEMANN / Anja HALLACKER, Topik: Tradition und Erneuerung, in: Thomas Frank et al. (Hgg.), Topik und Tradition. Prozesse der Neuordnung von Wissensüberlieferungen des 13. bis 17. Jahrhunderts, Göttingen 2007, S. 15-27; ein klassischer Beitrag zu diesem Feld wäre etwa Jacques DERRIDA, Signatur Ereignis Kontext, in: Ders., Die différance. Ausgewählte Texte, hrsg. von Peter Engelmann, Stuttgart 2004, S. 68-109. Siehe Achim LANDWEHR, Historische Diskursanalyse, Frankfurt a. M./New York 2008, S. 76-78, 87f. LACLAU / MOUFFE geben damit also die Foucault’sche Unterscheidung zwischen diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken auf. Vgl. LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 143-145; RECKWITZ, Laclau, S. 302f; TORFING, New Theories, S. 90f; Martin NONHOFF, Diskurs, in: Gerhard Göhler / Mattias Iser / Ina Kerner (Hgg.), Politische Theorie. 22 umkämpfte Begriffe zur Einführung, Wiesbaden 2004, S. 65-82, hier S. 76f. RECKWITZ, Laclau, S. 302; STÄHELI, Hegemonie, S. 197f.

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renzarrangements auf die eine oder andere Weise organisiert und mit Bedeutung versieht. Ganz im Sinne Foucaults stellen Diskurse also auch bei Laclau/Mouffe Phänomene dar, die Aussagen über Wirklichkeit verknappen und lediglich einen Teil der insgesamt möglichen Artikulationen jeweils aktualisieren.91 Der verworfene bzw. ausgeklammerte Teil verschwindet indes nicht einfach, sondern bleibt als alternative Interpretation grundsätzlich bestehen. Die Tatsache, dass Wirklichkeit somit immer auch anders strukturiert und konstruiert werden kann, macht Diskurse zu hochgradig instabilen bzw. prekären Gebilden, die beständig reproduziert und in ihrer Beschaffenheit bestätigt werden müssen.92 Ihre Theorie dreht sich also im Kern um die Fragen, wie Sozialität und Ordnung her- und auf Dauer gestellt werden können, und wie diese Prozesse immer wieder durch Konflikte untergraben werden.93 Im Rahmen der Herstellung und Perpetuierung einer Ordnung kommen sodann Ideen ins Spiel, die als eine Art Knotenpunkt angesehen werden müssen, an dem einzelne (Spezial-)Diskurse oder „Sprachen“ zusammengebunden, aufeinander bezogen oder in eine sonstige, sinnvolle Beziehung gesetzt werden. 94 Deren hauptsächliche Funktion besteht darin, die hergestellte Diskursformation oder -verschränkung zu repräsentieren und sie damit auch politisch nutzbar zu machen. 95 Durch diesen Vorgang etabliert die Idee zugleich die Grenzen der jeweiligen Formation, konstituiert einen Horizont, der bestimmte Aussagen und Handlungen zulässt und andere ausschließt, und generiert dadurch schließlich Sinn.96 Die so verstandene Idee schafft und transportiert mit anderen Worten eine spezifische Interpretation von Ordnung. 91

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Michel FOUCAULT, L’ordre du discours, Paris 1972, dt.: Die Ordnung des Diskurses. Inauguralvorlesung am Collège de France, 2. Dezember 1970, 10. Aufl., Frankfurt a. M. 2007; LANDWEHR, Historische Diskursanalyse, S. 72-75. Vgl. LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 141-152; NONHOFF, Diskurs, S. 76; STÄHELI, Hegemonie, S. 199. Luise Schorn-Schütte hat gerade diesen Aspekt des theoretischen Angebots von Laclau / Mouffe besonders hervorgehoben. Siehe SCHORN-SCHÜTTE, Politikforschung, S. 79. Die enorme Bedeutung dieser Knotenpunkte für Vergemeinschaftunsprozesse hat zuletzt BLUM, Diskursiver Wandel, S. 181f betont; vgl. auch Lucian HÖLSCHER, Die Einheit der historischen Wirklichkeit und die Vielfalt der geschichtlichen Erfahrung, in: Ders., Semantik der Leere. Grenzfragen der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2009, S. 68-78, hier bes. S. 77f; ROSANVALLON, histoire conceptuelle, S. 13. Stäheli spricht auch von einer den Diskurs organisierenden Perspektive, die damit erzeugt werde. Siehe STÄHELI, Hegemonie, S. 201. Gleichsam weist er daraufhin, dass es sich dabei um eine „imaginierte Einheit“ handele (S. 207), was die Knotenpunkte Laclau / Mouffes in die Nähe jener handlungsleitenden Fiktionen der Kulturgeschichte im Sinne von Nation, Staat, Volk, Rasse, Geschlecht etc. rückt. Vgl. dazu STOLLBERG-RILINGER, Kulturgeschichte, S. 14; siehe auch die Darstellung bei BURKE, Was ist Kulturgeschichte, S. 49, 93-96, 122-125 zur histoire de l’imagination sociale; SCHORN-SCHÜTTE, Politikforschung, S. 83f. Zur Sinnproduktion aus einer kulturtheoretischen Perspektive Andreas RECKWITZ, Die Politik der Moderne aus kulturtheoretischer Perspektive: Vorpolitische Sinnhorizonte des Politischen, symbolische Antagonismen und das Regime der Gouvernementalität, in: Birgit Schwelling (Hg.), Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien, Methoden, Problemstellungen, Wiesbaden 2004, S. 33-56.

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Wichtig erscheint, dass es in historischer Hinsicht eine Vielzahl solcher Knotenpunkte geben konnte, die sowohl nebeneinander als auch in Spannung und Konflikt zueinander existierten, weshalb es prinzipiell auch eine Vielzahl von mehr oder weniger stark divergierenden Ordnungsentwürfen gab.97 Die Bildung und Durchsetzung solcher Ideen sind im Wesentlichen ein Ergebnis antagonistischer Auseinandersetzungen, die im Sinne der genannten Definition Phänomene des Politischen darstellen. In antagonistischen Konflikten werden die sozial sedimentierten Diskurse gewissermaßen reaktiviert und erneut zum Gegenstand gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse gemacht. In ihrem Zuge entsteht ein Raum des Politischen, in dem bislang nicht hinterfragte und als ‚wahr‘ bzw. ‚natürlich‘ oder ‚alternativlos‘ angenommene soziale Strukturen, Macht- und Herrschaftsverhältnisse in Frage gestellt und neu verhandelt werden müssen. Das Politische ist also der Ort der Verhandlung des Sozialen; als strukturierendes Element ist es damit gleichsam der Veränderungsfaktor des Sozialen.98 Nach Laclau/Mouffe zeichnen sich antagonistische Auseinandersetzungen im besonderen Maße dadurch aus, dass in ihrem Rahmen konkurrierende Interpretationen von Wirklichkeit interagieren, wobei keine davon einen prinzipiellen Vorrang vor den anderen beanspruchen kann. Die Entscheidung, welche Version letztlich instituiert und welche verworfen wird, hängt nicht von objektiven Gegebenheiten ab, sondern ist ein Akt der Macht.99 Diese Beschreibung antagonistischer Konflikte scheint für das 16. Jahrhundert in besonderer Weise auf die Reformation und deren unmittelbare Folgen im Sinne einer Pluralisierung von Wahrheit zuzutreffen.100 Nicht nur 97

Siehe einführend in verschiedene Ordnungsentwürfe der Frühen Neuzeit Horst DREITZEL, Monarchiebegriffe in der Fürstengesellschaft. Semantik und Theorie der Einherrschaft in Deutschland von der Reformation bis zum Vormärz, 2 Bde., Köln u.a. 1991; Quentin SKINNER, The Foundations of Modern Political Thought, 2 Bde., Cambridge u.a. 1978; für England u.a. John GUY, Monarchy and counsel: models of the state, in: Patrick Collinson (Hg.), The Sixteenth Century, 1485-1603 [The Short Oxford History of the British Isles], Oxford 2002, S. 113-142; John F. MCDIARMAID (Hg.), The Monarchical Republic of Early Modern England. Essays in response to Patrick Collinson, Aldershot 2007. 98 Siehe BLUM, Diskursiver Wandel, S. 192; Martin NONHOFF, Politik und Regierung: Wie das sozial Stabile dynamisch wird und vice versa, in: Stephan Moebius / Andreas Reckwitz (Hgg.), Poststrukturalistische Sozialwissenschaften, Frankfurt a. M. 2008, S. 277294, hier S. 282; vgl. zur produktiven Kraft von Konflikten auch SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort, S. 18f, 21-23. 99 Vgl. Ernesto LACLAU, New Reflections on the Revolution of Our Time, London/New York 1990, S. 35: „The moment of antagonism where the undecidable nature of the alternatives and their resolution through power relations becomes fully visible constitutes the field of the ‚political‘.“; DERS., Macht und Repräsentation, in: Ders., Emanzipation und Differenz, S. 125-149; LACLAU / MOUFFE, Hegemonie, S. 25 zur Ablehnung jeglicher Form von Essentialismus; LANDWEHR, Historische Diskursanalyse, S. 86. 100 Die anwachsende Pluralität sowie die sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungszwänge werden sehr schön dargestellt bei Ulinka RUBLACK, Die Reformation in Europa, Frankfurt a. M. 2003; vgl. auch Diarmaid MACCULLOCH, Die Reformation 1490-1700, München 2008, hier bes. Teil I; freilich beschränkte sich diese Plu-

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förderte sie konkurrierende Interpretationen der göttlichen Wahrheit zutage, sondern evozierte zugleich eine Art Entscheidungszwang zwischen den verschiedenen Angeboten. Aufgrund der essenziellen Stellung, die Religion einerseits im Leben der Zeitgenossen und andererseits hinsichtlich der Aufrechterhaltung einer politisch-sozialen Ordnung einnahm, drohte die Pluralisierung von Gottes Wahrheit massive Konflikte auszulösen, wodurch Religion wieder zum Gegenstand gesellschaftlicher Debatten und letztlich politischer Aushandlungsprozesse wurde.101 Die Reformation förderte mit anderen Worten die Reaktivierung des sedimentierten Diskurses Religion.102 Zu Recht ist daher jüngst die Rolle betont worden, die religiösen Argumentationsmustern sowohl in der Bedrohung als auch im Hinblick auf allgemeinverbindliche

ralisierung nicht auf den religiösen Bereich, sondern wurde flankiert durch eine umfassende Horizonterweiterung infolge der Wiederentdeckung der Antike sowie der Entdekkung und zunehmenden Verflechtung mit einer außereuropäischen Welt. Siehe dazu zuletzt KOHLER, Neue Welterfahrungen; Jan-Dirk MÜLLER / Wulf OESTERREICHER / Friedrich VOLLHARDT (Hgg.), Pluralisierungen. Konzepte zur Erfassung der Frühen Neuzeit [Pluralisierung & Autorität, Bd. 21], Berlin 2010. 101 Zur Stellung der Religion im Leben der Menschen RUBLACK, Reformation, S. 13-16; Keith THOMAS, Religion and the Decline of Magic. Studies in popular beliefs in sixteenth and seventeenth century England, Reprint London 1973, S. 25-50, 78-112; Margaret SPUFFORD, The importance of religion in the sixteenth and seventeenth centuries, in: Dies. (Hg.), The World of Rural Dissenters, 1520-1725, Cambridge 1995, S. 1-40; Peter DINZELBACHER, Religiosität: Mittelalter, in: Ders. (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993, S. 120-137; Arnold ANGENENDT, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, 4. Aufl., Darmstadt 2009; siehe ferner die stupende Studie von Eamon DUFFY, The Stripping of the Altars. Traditional Religion in England c. 1400 – c. 1580, 2. Aufl., New Haven/London 2005, hier bes. Part I; Heiko A. OBERMAN, Reformation: Epoche oder Episode, in: ARG 68 (1977), S. 56109; KOSLOFSKY, Kulturelle Reformation, S. 18-20; MACCULLOCH, Reformation, S. 2764 betont zudem die Bedeutung der institutionellen Vermittlung durch die Kirche. 102 Daher kann man die Reformation auch als „diskursives Ereignis“ bezeichnen, in dessen Folge eine Neuordnung der Diskursformation notwendig wurde. Begriff bei LINK, Literaturanalyse, S. 295; ähnlich Slavoj ŽIŽEK, Ein Plädoyer für die Intoleranz, 4., überarb. Aufl., Wien 2009, S. 29, 35-39, der dies als den Moment der „eigentlichen Politik“ bezeichnet; freilich muss hier der ‚gemachte Charakter‘ des Ereignisses Reformation betont werden. Keineswegs dürfen od. sollen damit langfristige gesellschaftliche Wandlungsprozesse negiert werden. Siehe dazu die Darstellung bei Olaf MÖRKE, Die Reformation. Voraussetzungen und Durchsetzung [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 74], 2., aktual. Aufl., München 2011, bes. S. 67-87; Stefan EHRENPREIS / Ute LOTZ-HEUMANN, Reformation und konfessionelles Zeitalter, 2. Aufl., Darmstadt 2008, S. 17-27; zur Konstruktion der Reformation als Ereignis Marcus SANDL, Medialität und Ereignis. Eine Zeitgeschichte der Reformation, Zürich 2011; Natalie KRENTZ, Auf den Spuren der Erinnerung. Wie die „Wittenberger Bewegung“ zu einem Ereignis wurde, in: ZHF 36 (2009), S. 563-595.

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Prozesse der Herstellung, Sicherung und Legitimation politischer Herrschaft und gesellschaftlicher Ordnung zukam.103 Um einen bestehenden Antagonismus aufzulösen, bilden sich laut Laclau/Mouffe um spezifische Ideen herum hegemoniale Formationen, die aus der Durchsetzung eines bestimmten Deutungsmusters (Idee) in Kombination mit der Führerschaft einer bestimmten Gruppe hervorgehen.104 Entscheidend ist, dass die propagierte Idee eine unhintergehbare, ‚wahre‘ Weltbeschreibung bzw. ein ‚richtiges‘ Verhalten repräsentiert, die sich mit dem Herrschaftsanspruch einer sich erst im Prozess der Hegemonialisierung bildenden Gruppe verbinden.105 Hegemonie bedeutet demnach, dass zunächst partikulare Ziele, Identitätsentwürfe und Deutungen mit dem Anspruch universaler Gültigkeit versehen und in der Folge mit der gesamten Gesellschaft identifiziert werden.106 Im Zuge solcher Hegemonialisierungen kommt es sodann zur Umgruppierung und Neu-Verschränkung bestehender Diskurse, wobei nicht selten vormals prekäre oder ausgeschlossene Wissensbestände vor dem Hintergrund einer konkreten Problemkonstellation aufgewertet werden und eine Statusänderung erfahren.107 103 Siehe u.a. Luise SCHORN-SCHÜTTE, Gottes Wort, S. 13-30; DIES. / Sven TODE, Debatten über die Legitimation von Herrschaft: Politische Sprachen der Frühen Neuzeit. Einleitende Bemerkungen, in: Dies. (Hgg.), Debatten über die Legitimation von Herrschaft. Politische Sprachen in der Frühen Neuzeit, Berlin 2006, S. 9-15; von FRIEDEBURG / SCHORNSCHÜTTE (Hgg.), Politik und Religion; SCHORN-SCHÜTTE, Kommunikation über Politik im Europa der Frühen Neuzeit; eine besondere Form stellen in diesem Zusammenhang Studien zur „politischen Sprache“ des Biblizismus dar. Siehe dazu Andreas PEČAR / Kai TRAMPEDACH, Der „Biblizismus“ – eine politische Sprache der Vormoderne?, in: Dies. (Hgg.), Die Bibel als politisches Argument [HZ Beiheft N.F., Bd. 43], München 2007, S. 1-18 sowie die Studie von PEČAR, Macht der Schrift. 104 Vgl. LACLAU, Leere Signifikanten, S. 70-77; NONHOFF, Diskurs, S. 76f; DERS., Politische Diskursanalyse, S. 177; RECKWITZ, Laclau, S. 304f. 105 Auf die Tatsache, dass sich die Gruppe erst im Prozess der Durchsetzung einer spezifischen Idee zur Hegemonie etabliert, weist Hillis Miller nachdrücklich hin. Siehe J. Hillis MILLER, ‚Taking Up A Task‘. Moments of decision in Ernesto Laclau’s thought, in: Simon Critchley / Oliver Marchart (Hgg.), Laclau. A critical reader, London/New York 2004, S. 217-225, hier S. 218: „Laclau uses the term [Hegemonie – Anm. BQ] quite differently, to name the way a contingent group within a given society […] ‚takes upon itself the task‘ of political emancipation from unjust ruling powers.“; ähnlich Jacques RANCIÈRE, Zehn Thesen zur Politik, Zürich 2008, S. 23-26; NONHOFF, Politische Diskursanalyse, S. 181-184. 106 Vgl. LACLAU, Leere Signifikanten, S. 70-77; BLUM, Diskursiver Wandel, S. 192; NONHOFF, Diskurs, S. 77; in England geschieht dies v.a. durch die Verbindung mit einer Gemeinwohlsemantik. Siehe dazu den luziden Beitrag der Early Modern Research Group, veröffentlicht durch Glenn BURGESS / Mark KNIGHTS, Commonwealth: The social, cultural, and conceptual contexts of an Early Modern Keyword, in: HJ 54 (2011), S. 659687. 107 Vgl. Michel FOUCAULT, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1973, S. 246f, der herausstellt, dass dies nicht total gedacht werden darf. Mit dem Neuen gingen zugleich Phänomene der Kontinuität, Rückkehr oder Wiederholug einher. Ähnlich hat Luise

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Im englischen Fall steht zu vermuten, dass die Idee göttlicher Erwählung als eine Reaktion auf die reformatorischen und generell neuen Entwicklungen der Zeit entstand, die Alfred Kohler zuletzt unter der Bezeichnung „neue Welterfahrungen“ zusammengefasst hat.108 Diese neuen Welterfahrungen manifestierten sich auf spezifische Weise innerhalb Englands und verbanden sich mit den konkreten Problematiken des Königreiches. Hierdurch kam es letztlich auch dort zu einer Phase des Umbruchs und Wandels, in der alte Gewissheiten hinterfragt und neue Wege beschritten wurden. Diese Situation bot Gelegenheit für Prozesse der Um- und Neu-Verschränkung von Diskursen, weshalb in diesem Zusammenhang zu fragen wäre, ob und ggf. wie die Idee göttlicher Erwählung als Grundlage von Hegemonialisierungsversuchen eingesetzt wurde. Des Weiteren gilt es zu klären, welche Auswirkungen eine derartige Inanspruchnahme auf die politisch-gesellschaftliche Ordnung des englischen Gemeinwesens hatte. Hegemonien bestehen in der Regel aus einer Vielzahl unterschiedlicher Partikularinteressen und Ziele, die eines Einheit stiftenden Bandes bedürfen. In der Diskurstheorie von Laclau/Mouffe wird diese Wirkung durch die Abgrenzung zu einem verworfenen Außen geschaffen, das als Negation der angestrebten Ordnung imaginiert wird. Dessen konstitutiver Wert besteht darin, dass es das differentielle System Diskurs mit einer ausgleichenden Wirkung (einer Logik der Äquivalenz) überformt, wodurch einzelne diskursive Elemente im Verhältnis zum Ausgeschlossenen als gleichwertig erscheinen. Innere Differenzen, wie zum Beispiel zwischen Herrscher und Beherrschten, Stadt/Land etc. lassen sich derart über die Identifizierung mit einer überformenden Idee wie beispielsweise der Nation und durch die Abgrenzung dieser zu einer anderen Nation nivellieren. Wichtig ist, dass die Unterschiede erst im Verhältnis zu dem jeweils als Außen konstruierten Gegenstück einer Idee als gleichrangig erscheinen. Dieses Verhältnis bekommt in der Theoriebildung Laclau/Mouffes eine konstitutive Bedeutung zugewiesen, weil es ihrer Ansicht nach für die Kreation und Perpetuierung zentraler Ideen wie Nation, Zivilisierung usw. notwendig gewesen sei. Für die Untersuchung englischer Erwählungsvorstellungen eröffnet sich hier eine zweite wichtige Perspektive, indem zu klären wäre, was den zeitgenössischen Gegenbegriff bzw. antagonistischen Gegenpol zur Idee der Erwählung bildete.109 Schorn-Schütte betont, dass in traditionalen Gesellschaften Veränderungen innerhalb bestehender Traditionen geschehen müssten. Vgl. SCHORN-SCHÜTTE, Vorstellungen von Herrschaft, S. 348-353; DIES., Gottes Wort, S. 14f, 126-130; zum prekären Wissen zuletzt Martin MULSOW, Prekäres Wissen. Eine andere Ideengeschichte der Frühen Neuzeit, Berlin 2012, hier bes. S. 11-36. 108 Kohler fasst diese neuen Welterfahrungen in drei wichtigen Punkten zusammen, die sich selbstverständlich noch einmal auffächern. So nennt er als wesentliche Faktoren die europäische Expansion, die Bellizität Europas nach innen und außen sowie die Reformation. Vgl. KOHLER, Neue Welterfahrungen, hier etwa S. 20f. 109 Zumindest hinsichtlich etwaiger Feindbildkonstruktionen gibt es hier bereits zahlreiche Studien. Siehe inter alia Peter LAKE, Anti-popery: the Structure of a Prejudice, in: Richard Cust / Ann Hughes (Hgg.), Conflict in Early Stuart England. Studies in Religion and Politics 1603-1642, London/New York 1989, S. 72-106; Robert CLIFTON, Fear of Popery, in: Conrad Russell (Hg.), The Origins of the English Civil War, London 1973, S. 144-167; Carol Z. WIENER, The Beleaguered Isle. A study of Elizabethan and Early Ja-

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Im Gegensatz zu einer simplifizierenden, bipolaren Schematisierung, wie sie vor allem für anthropologische und literaturwissenschaftliche Konstruktionen der Anders- und Fremdartigkeit kritisiert worden ist110, zeichnet sich der Ansatz von Laclau/Mouffe gerade dadurch aus, dass er keine einfache Abgrenzung beschreibt.111 Vielmehr betonen beide Autoren die prinzipielle Abhängigkeit einer Diskursformation (Idee) von dem jeweils Ausgeschlossenen, das in Form einer antagonistischen, d.h. hier vor allem: einer asymmetrichen Beziehung als radikales Außen in den inneren Debatten präsent bleibt. Die erfolgreiche Reproduktion und Stabilisierung einer Diskursformation in Gestalt einer spezifischen Idee hängt somit in fundamentaler Weise von der Konstitution dieses Außens ab, das immer auch mit reproduziert werden muss. Unter Umständen kann dies allerdings dazu führen, dass das Außen zu einer Quelle von Faszination und Attraktivität avanciert und die Basis zur Formulierung konkurrierender Deutungs- und Wahrnehmungsmuster bildet.112 Hieraus können somit eventuell alternative Versionen von Wirklichkeit entwickelt werden, die zur Unterminierung bzw. zum vollständigen Umkippen der hegemonialen Formation führen. Gerade durch diesen Punkt vermag das theoretische Konzept von Laclau/Mouffe Politik und politisches Handeln als kontingente Phänomene zu entwerfen, die beständig zwischen dem Versuch der Fixierung bestimmter Normen und Werte (Kontinuität) und deren fortwährender Herausforderung (Wandel) oszillieren. Die theoretischen Überlegungen von Ernesto Laclau und Chantal Mouffe sollen im Folgenden als Orientierung dienen, um eine neue Perspektive auf den zu untersuchenden Gegenstand zu entwerfen. Angeregt durch ihre Ausführungen erscheint es lohnenswert, zum einen den Prozess der Etablierung bzw. Konstituierung der Erwählungsvorstellungen als politischer Idee in den Blick zu nehmen. Zum anderen geben ihre Ausführungen auch eine konzeptionelle Richtung vor, die im Besonderen auf die zeitgenössischen Antagonismen als ausschlaggebende kontextuelle Zusammenhänge cobean Anti-Catholicism, in: P & P 51 (1971), S. 27-62; William S. MALTBY, The Black Legend in England. The Development of Anti-Spanish Sentiment 1558-1660, Durham (NC) 1971; Martina MITTAG, Nationale Identitätsbestrebungen und antispanische Polemik im englischen Pamphlet 1558-1630, Frankfurt a. M. u.a. 1993; Colin HAYDON, ‚I love my King and my Country, but a Roman catholic I hate‘: anti-catholicism, xenophobia and national identity in eighteenth-century England, in: Claydon / McBride (Hgg.), Protestantism and National Identity, S. 33-52; Linda COLLEY, Britishness and Otherness: An Argument, in: JBS 31 (1992), S. 309-329; zuletzt Leticia ALVAREZ-RECIO, Fighting the Antichrist. A cultural history of anti-Catholicism in Tudor England, Brighton u.a. 2011; Arthur F. MAROTTI, Religious Ideology and Cultural Fantasy. Catholic and Anti-Catholic Discourses in Early Modern England, Notre Dame 2005, hier bes. Kap. 5; DERS. (Hg.), Catholicism and Anti-Catholicism in Early Modern English Texts, Basingstoke u.a. 1999. 110 Siehe etwa die Kritik bei CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 7; ähnlich Marcus PYKA, Geschichtswissenschaft und Identität. Zur Relevanz eines umstrittenen Themas, in: HZ 280 (2005), S. 381-392, hier S. 385, 391. 111 Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Problematik liefert etwa Alois HAHN, Die soziale Konstruktion des Fremden, in: Walter M. Sprondel (Hg.), Die Objektivität der Ordnungen und ihre kommunikative Konstruktion, Frankfurt a. M. 1994, S. 140-163. 112 Siehe RECKWITZ, Laclau, S. 306; ähnlich LINK, Literaturanalyse, S. 300; HAHN, Soziale Konstruktion, S. 151-156.

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hinweisen. Dieser zweite Punkt spiegelt sich sowohl im methodischen Zuschnitt als auch im Aufbau der vorliegenden Arbeit wider. 3.2 Das methodische Vorgehen Das methodische Vorgehen richtet sich nach den Prämissen der Neueren Ideengeschichte.113 Ihr Vorteil gegenüber einer klassischen Begriffsgeschichte besteht darin, dass die Neuere Ideengeschichte eine Betrachtung des Kontextes präferiert, wodurch mit dem Begriff verbundene Elemente und Assoziationen sichtbar gemacht werden können, die bei einer rein begriffsgeschichtlichen Fokussierung ansonsten ignoriert werden würden.114 Raingard Eßer warnte in diesem Zusammenhang zu Recht vor der Ausblendung von Entwicklungskontexten und spezifischen Diskurstraditionen, in denen Ideen zeitgenössisch verankert gewesen seien.115 Im Fall der Vorstellung göttlicher Erwählung ist es somit nicht ausreichend, lediglich die diversen begriffsgeschichtlichen Bedeutungen zu registrieren, die von Formen individueller Erwählung (Priester, Herrscher oder Propheten) bis hin zu kollektiven Vorstellungen reichen

113 Zur Neueren Ideengeschichte Anthony GRAFTON, Die Macht der Ideen, in: Ulinka Rublack (Hg.), Die Neue Geschichte. Eine Einführung in 16 Kapiteln, Frankfurt a. M. 2013, S. 446-475; STOLLBERG-RILINGER, Einleitung; SCHORN-SCHÜTTE, Ideen-, Geistes-, Kulturgeschichte; siehe ferner die Beiträge von Günther LOTTES, Luise SCHORNSCHÜTTE, Raingard ESSER, Iain HAMPSHER-MONK und Robert JÜTTE in: Eibach / Lottes (Hgg.), Kompass, S. 261-317; Lutz RAPHAEL, „Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit“: Bemerkungen zur Bilanz eines DFG-Schwerpunktprogramms, in: Ders. / Heinz-Elmar Tenorth (Hgg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte, München 2006, S. 11-27; Dario CASTIGLIONE / Iain HAMPSHER-MONK (Hgg.), The History of Political Thought in National Context, Cambridge 2001; Herfried MÜNKLER, Politische Ideengeschichte, in: Ders. (Hg.), Politikwissenschaft. Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg 2003, S. 103-131; Donald R. KELLEY, The Descent of Ideas. The History of Intellectual History, Aldershot 2002. 114 LOTTES, Neue Ideengeschichte, S. 264; dass Wert auf eine rigide Kontextualisierung gelegt wird, ist wesentlich dem Einfluss bzw. der Rezeption der sog. ‚Cambridge School of History‘ zu verdanken. Siehe dazu die programmatischen Aufsätze von Quentin SKINNER, Meaning and Understanding in the History of Ideas, in: H & T 8 (1969), S. 3-53 und John G. A. POCOCK, The Concept of a language and the metier d’historien: some considerations on practice, in: Anthony Pagden (Hg.), The Languages of Political Theory in Early-Modern Europe, Cambridge 1987, S. 19-38; zur Cambridge School u.a. Olaf ASBACH, Von der Geschichte politischer Ideen zur „History of Political Discourse“? Skinner, Pocock und die „Cambridge School“, in: ZPol 12 (2002), S. 637-667; Eckhart HELLMUTH / Christoph von EHRENSTEIN, Intellectual History Made in Britain: Die Cambridge School und ihre Kritiker, in: GG 27 (2001), S. 149-172; Martin MULSOW / Andreas MAHLER (Hgg.), Die Cambridge School der politischen Ideengeschichte, Berlin 2010. 115 Raingard ESSER, Historische Semantik, in: Eibach / Lottes (Hgg.), Kompass, S. 281-292, hier S. 287; ähnlich bereits LOTTES, State of the Art, S. 33f.

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konnten.116 Das klassische Vorbild in diesem Bereich stellen die alttestamentlichen Israeliten dar.117 Freilich konnte deren Exempel auch dazu instrumentalisiert werden, um die kollektive Erwählung lediglich auf eine kleine Gruppe innerhalb eines größeren Verbandes zu reduzieren, die sich dann als ‚wahre Gläubige‘ vom Gros der Nicht- bzw. nur unzureichend Gläubigen abgrenzt. Gerade im Gefolge der Reformation führte dies zur Entstehung zahlreicher ‚radikaler‘ Splittergruppen, die eine exklusive Beziehung zu Gott für sich in Anspruch nahmen.118 116 Siehe Horst SEEBASS, Art. „Erwählung I“, in: TRE 10 (1982), S. 182-189, hier S. 182f; Hans WILDBERGER, Art. „erwählen“, in: Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, 2 Bde., hrsg. von Ernst Jenni unter Mitarbeit von Claus Westermann, hier Bd. 1, 5. Aufl., Gütersloh 1994, Sp. 275-300, hier Sp. 281-283, 295f; Klaus SEYBOLD, Art. „Erwählung I“, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Hans Dieter Betz et al., Bd. 2, 4., völlig neu bearb. Aufl., Tübingen 1999, Sp. 1478-1481, hier Sp. 1480; im Mittelalter wurden ausgefeilte Argumentationen entwickelt, um den jeweiligen Vorrang des weltlichen Herrschers oder des Papstes u.a. durch Rekurs auf den erwählten Status zu begründen. Siehe dazu klassisch Walter ULLMANN, Principles of Government and Politics in the Middle Ages, 4. Aufl., London 1978; John N. FIGGIS, The Divine Right of Kings, Reprint der 2. Aufl., Cambridge 1922; Glenn BURGESS, The Devine Right of Kings Reconsidered, in: EHR 107 (1992), S. 837-861; zuletzt Andreas KOSUCH, Abbild und Stellvertreter Gottes. Der König in herrschaftstheoretischen Schriften des späten Mittelalters [Passauer Historische Forschungen, Bd. 17], Köln u.a. 2011. Zu den Propheten und Prophetinnen siehe inter alia Bärbel BEINHAUER-KÖHLER, Art. „Prophet/Prophetin/Prophetie I“, in: RGG4, Bd. 6 (2003), Sp. 1692-1694; Jörg JEREMIAS, Art. „Prophet/Prophetin/Prophetie II“, in: Ibid., Sp. 1694-1699; Jürgen EBACH, Art. „Prophetismus“, in: Hubert Cancik / Burkhard Gladigow / Karl-Heinz Kohl (Hgg.), Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe, Bd. 4, Stuttgart u.a. 1998, S. 347359; Wassilios KLEIN, Art. „Propheten/Prophetie“, in: TRE 27 (1997), S. 473-476; zu den Prophetinnen im englischen Raum zuletzt Diane WATT, Secretaries of God. Women Prophets in Late Medieval and Early Modern England, Cambridge 1997; Rosalynn VOADEN (Hg.), Prophets Abroad. The Reception of Continental Holy Women in LateMedieval England, Cambridge 1996; Nancy Bradley WARREN, Women of God and Arms. Female Spirituality and Political Conflict, 1380-1600, Philadelphia 2005. 117 SEEBASS, Erwählung I, S. 182, 186f; WILDBERGER, erwählen, Sp. 280f, 283-286; Ferdinand DEXINGER, Erwählung und jüdisches Selbstverständnis, in: Mosser (Hg.), ‚Gottes auserwählte Völker‘, S. 21-37; DERS., Art. „Erwählung II“, in: TRE 10 (1982), S. 189192; SEYBOLD, Erwählung I, Sp. 1479f; Christian LINK, Art. „Erwählung III“, in: RGG4, Bd. 2, Sp. 1482-1489; GITLIN / LEIBOVITZ, The Chosen Peoples, S. 15. 118 In England während des 16. Jahrhunderts etwa die Anabaptisten und Freewillers. Siehe dazu Irvin B. HORST, The Radical Brethren. Anabaptism and the English Reformation to 1558, Nieuwkoop 1972; David LOADES, Protestant sectarianism in England in the midsixteenth century, in: The Church in a Changing Society. Conflict – Reconciliation or Adjustment?, hrsg. von der Commission internationale d’Histoire Ecclésiastique comparée, Uppsala 1978, S. 76-81; Thomas FREEMAN, Dissenters from a dissenting Church: the challenge of the Freewillers, 1550-1558, in: Peter Marshall / Alec Ryrie (Hgg.), The Beginnings of English Protestantism, Cambridge 2002, S. 129-156; ferner BRACHLOW, Communion of Saints; das Etikett ‚radikal‘ muss primär als zeitgenössische Zuschrei-

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Im Gegensatz dazu erscheint die Frage viel wichtiger, welche Akteure zu welcher Zeit wie auf eine bestimmte Form göttlicher Erwählung rekurrierten und welche Ziele sie damit konkret verfolgten.119 Erst der Bezug zu einer politischen Praxis erlaubt in dieser Hinsicht eine Kontextualisierung, die nicht nur die Ausformung und Anwendung der Erwählungspolitik in ihren verschiedenen Formen erfasst, sondern auch konstruierte Übergänge oder Konflikte zwischen den einzelnen Ausprägungen reflektiert. Im Sinne der Neueren Ideengeschichte soll die Vorstellung göttlicher Erwählung deshalb nicht als starres Gebilde aufgefasst werden. Vielmehr muss zum einen der Prozess in den Blick genommen werden, wie aus einer allgemeinen Vorstellung eine genuin englische, politische Idee geworden ist. Erst hierdurch scheint ein tieferes Verständnis gewährleistet werden zu können, zu welchem Zweck sie hernach eingesetzt worden ist. Zum anderen gilt es zu berücksichtigen, dass diese neu geformte politische Idee selbst einem Rechtfertigungs- und Legitimationsdruck ausgesetzt war. Angesichts dessen müssen die Prozesse des Wandels bzw. der Anpassung der Idee an wechselnde politisch-soziale Kontexte ebenfalls reflektiert werden.120 In diesem Zusammenhang kommt sodann den historischen Akteuren eine zentrale Bedeutung zu, deren Handeln zwar einerseits innerhalb der diskursiven Muster der Zeit stattfand, der Diskurs andererseits aber auch durch deren Zutun beeinflusst, abgeändert und kreativ genutzt werden konnte.121 Der Fokus der Arbeit muss folglich darauf gerichtet sein, den Entwicklungskontext sowie die spezifische Diskurstradition auszuleuchten, in denen sich die Idee gebildet und ihre konkrete Wirkung entfaltet hat. Eine solche Untersuchung sollte ganz im Sinne eines Postulats der Neueren Ideengeschichte in der Lage sein, eine Verbinbung durch Obrigkeit und religiöse Gegner betrachtet werden, um diese Gruppen und ihre Ideen zu marginalisieren. Siehe dazu DAVIES, Religion of the Word, S. 67-86; ClausPeter CLASEN, Anabaptism. A Social History 1525-1618, Ithaca 1972, S. 13f sowie durchaus provokant: Hans-Jürgen GOERTZ, Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen [Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 93], Göttingen 2007. 119 Analog zu Arno Strohmeyers Studie der ‚Widerstandssprache‘ soll der Fokus also auf die unmittelbare Praxis gelegt werden. Die Idee muss dort untersucht werden, wo sie geformt und eingesetzt wurde: beim Lösen konkreter politischer Konflikte. Siehe Arno STROHMEYER, Konfessionskonflikt und Herrschaftsordnung. Widerstandsrecht bei den österreichischen Ständen (1550-1650) [Veröffentl. des Inst. für Europ. Geschichte Mainz, Abt. für Universalgeschichte, Bd. 201], Mainz 2006, S. 49. 120 Im Sinne Niklas Luhmanns stellt diese Herangehensweise die prinzipielle Kontingenz der Evolution von Ideen heraus und fragt vor allem danach, unter welchen Bedingungen eine bestimmte Interpretation der Erwählungsidee aufkam. Siehe dazu Niklas LUHMANN, Ideengeschichte in soziologischer Perspektive, in: Ders., Ideenevolution. Beiträge zur Wissenssoziologie, hrsg. von André Kieserling, Frankfurt a. M. 2008, S. 234-256. 121 Cornel Zwierlein hat in seiner Studie zur Entstehung neuer „Denkrahmen“ im 16. Jahrhundert betont, dass deren organisierende Funktion (also die Reichweite ihrer Ausdrucksund Denkmöglichkeiten) letztlich an die Handlungen konkreter Akteure im Hinblick auf Problemlösungssituationen rückgebunden war. Siehe ZWIERLEIN, Discorso, S. 22f; vgl. auch die Angaben in Anm. 86 in diesem Abschnitt.

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dung „zwischen der Analyse der Konstitution und Konzeption von Ideen einerseits und ihrer Wirkungsmächtigkeit in gesellschaftlichen Prozessen andererseits“122 herzustellen. Erst eine radikale Kontextualisierung im Sinne der Neueren Ideengeschichte123, in deren Zuge der komplexe Wirkungszusammenhang zwischen „sozialen Situationen, materiellen Bedingungen, lebensweltlichen Konstellationen einerseits und generalisierungsfähigen und generalisierten Gedankensystemen, Diskursen oder Denkgebäuden [andererseits]“124 reflektiert wird, kann derart Aufschluss über Rolle und Beschaffenheit der Vorstellung göttlicher Erwählung für das englische Gemeinwesen geben. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich in methodischer Hinsicht, konkrete Konfliktkonstellationen heranzuziehen, in denen das Gedankengut verargumentiert worden ist. Diese Konflikte erfüllen einen doppelten Zweck: Sie bieten auf der einen Seite einen klar abgrenzbaren Untersuchungszeitraum, der in dieser Gestalt die historischen Rahmenbedingungen der Anwendung und Aktualisierung des Gedankengutes markiert. Von zentraler Bedeutung ist, dass es sich bei den ausgewählten Konflikten um Phasen handelte, in denen die Stabilität der Ordnung akut gefährdet war und es zu einem Aushandlungsprozess über grundsätzliche Fragen politischer Herrschaft gekommen ist.125 Erst im Konflikt offenbarten sich die gegensätzlichen Ordnungsvorstellungen und wurden die beteiligten Parteien zur Legitimation des eigenen Vorgehens gezwungen. Zeitgenössische Akteure rekurrierten im Zuge dessen entweder auf die Idee der Erwählung oder sie argumentierten bzw. agierten dezidiert gegen die Vorstellung und die sich daraus ableitenden Normen und Wertvorstellungen. Die Konflikte stellen in dieser Hinsicht also ein methodisches Hilfsinstrument dar, um das Phänomen in seinen Wechselwirkungen mit den sozialen Gegebenheiten zu studieren.126 Auf der anderen Seite thematisieren die ausgewählten Konflikte zentrale Antagonismen der Regierungszeiten Heinrichs VIII., Eduards VI. sowie Elisabeths I. und stellen somit in erster Linie Fallstudien dar.127 Dennoch besteht die Vermutung, dass

122 RAPHAEL, Ideen, S. 12. 123 Siehe zu dieser Forderung u.a. STOLLBERG-RILINGER, Einleitung, S. 20-22; ASBACH, Cambridge School, S. 641-650; MULSOW / MAHLER, Cambridge School, S. 7-11; SKINNER, Meaning and Understanding, S. 57-63, hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: James Tully (Hg.), Meaning and Context. Quentin Skinner and his Critics, Cambridge 1988, S. 29-67; HELLMUTH / von EHRENSTEIN, Intellectual History, S. 153, 155-157. 124 RAPHAEL, Ideen, S. 12. 125 Wie Tomáš Sedláček für die Analyse von modernen Ökonomien bemerkte, offenbaren häufig erst Phasen der Schwäche oder Krisenzeiten die grundlegenden Muster und Funktionsweisen. Siehe Tomáš SEDLÁČEK, Die Ökonomie von Gut und Böse, München 2012, S. 267f. Ähnliches wird hier auch für die Analyse der Idee göttlicher Erwählung angenommen, die sich in ihrem Wesen demnach am deutlichsten in Phasen erhöhter Konfliktivität und Krisenhaftigkeit offenbart. 126 Siehe dazu auch STROHMEYER, Konfessionskonflikt, S. 49f. 127 Gerade der Konflikt zwischen zwei normativen Systemen wird von Carlo Ginzburg etwa als wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Falls vom Beispiel oder Exempel angenommen. Siehe Carlo GINZBURG, Ein Plädoyer für den Kasus, in: Johannes Süßmann /

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die ausgewählten Fallbeispiele in der Gesamtschau die Veränderungen und unterschiedlichen Entwicklungsstadien der Idee göttlicher Erwählung im nachreformatorischen Tudor-England aufzeigen und damit als repräsentativ für das Thema gelten können. Fallstudien gehören spätestens seit der Kulturalistischen Wende wieder zum bevorzugten methodischen Instrumentarium der Historikerzunft.128 Vor allem wenn sich ein Untersuchungsgegenstand als zu umfangreich herausstellt, offerieren sie einen probaten, arbeitsökonomischen Mittelweg. Allerdings können damit auch schnell epistemologische Probleme entstehen, wenn der hybride Charakter von Fallstudien nicht entsprechend reflektiert wird. So stellen sie dem Anspruch nach eine Kombination aus erzähltem Einzelfall und dessen allgemeiner Bedeutung dar, wobei Letzteres, wie Johannes Arndt unlängst anmerkte, eigentlich eine interpretatorische Konstruktion ist.129 Gleichwohl könne seiner Ansicht nach der typische Charakter der ausgewählten Fälle nicht restlos bewiesen werden, solange nicht doch der Gesamtgegenstand bearbeitet würde. Angesichts dieser Problematik hat Johannes Süßmann drei Vorschläge gemacht, wie man das Besondere des Einzelfalls mit einer darüber hinausweisenden Interpretation verbinden könne. Entscheidend ist für die vorliegende Arbeit sein dritter Punkt, wo er ausführt, dass sich etwas Dargestelltes erst durch den Vorgang der Darstellung als Fall von etwas erweisen könnte, wodurch Interpretation und Darstellung zusammenfielen und im Grunde miteinander verwoben seien.130 Diese Sichtweise führt bei der vorliegenden Arbeit zu einer Gliederung und Perspektive, in deren Zuge sich der rote Faden, welcher die einzelnen Fallstudien zusammenbindet, aus einer narrativen Strukturierung ergibt, die von den zeitgenössischen Akteuren des 16. Jahrhunderts selbst betrieben worden ist.131 Ausschlaggebend erscheint hierbei, dass die Idee göttlicher Erwählung als kontinuitättsstiftendes Element zwischen den Herrschaftszeiten Heinrichs VIII., Eduards VI. und Elisabeths I. präsentiert und eingesetzt worden ist. Zeitgenössische Akteure stilisierten in diesem Zusammenhang wesentliche Ereignisse und Prozesse der jeweiligen Regierungszeit analog zum biblischen Exodus, wobei jeweils versucht wurde, an die Handlungen und Entscheidungen des Vorgängers anzuknüpfen. Hieraus ent-

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Susanne Scholz / Gisela Engel (Hgg.), Fallstudien: Theorie – Geschichte – Methode [Frankfurter Kulturwissenschaftliche Beiträge, Bd. 1], Berlin 2007, S. 29-48, hier S. 29f. Siehe dazu die Bemerkungen von Johannes SÜßMANN, Einleitung: Perspektiven der Fallstudienforschung, in: Ders. / Scholz / Engel (Hgg.), Fallstudien, S. 7-27, hier S. 9. Johannes ARNDT, Herrschaftskontrolle durch Öffentlichkeit. Die publizistische Darstellung politischer Konflikte im Heiligen Römischen Reich 1648-1750 [Veröffentl. des Instit. für Europ. Geschichte Mainz, Abt. für Universalgeschichte, Bd. 224], Göttingen 2013, hier S. 41; ähnlich SÜSSMANN, Einleitung, S. 20. SÜSSMANN, Einleitung, S. 20. Vgl. zu diesem Vorgehen Stefan HAAS, Theoriemodelle der Zeitgeschichte, Version 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, URL: [14.04.2017], hier S. 8f; siehe auch die Bemerkungen bei Eckart CONZE, Sicherheit als Kultur. Überlegungen zu einer „modernen Politikgeschichte“ der Bundesrepublik Deutschland, in: VfZ 53 (2005), S. 357-380, hier bes. S. 380, wo Conze die „Suche nach Sicherheit“ als ein passendes „Narrativ“ für eine moderne Politikgeschichte der Bundesrepublik bezeichnete.

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stand letztlich eine Form der Kontinuitätsstiftung, die sich sukzessiv als ein sich entfaltendes Narrativ analog zum alttestamentlichen Exodus der Israeliten darstellte. Indem die Studie diese zeitgenössischen Versuche der Kontinuitätsstiftung aufgreift, betont sie auf der einen Seite die eminente Bedeutung, welche dem alttestamentlichen Ideengut im Kontext der Zeit zukam.132 Auf der anderen Seite harmoniert dieser Zeitrahmen zwischen den ersten Reformmaßnahmen unter Heinrich VIII. im Gefolge der Scheidungsaffäre (um 1530) und dem Tod Elisabeths I. (1603) mit neueren Ansätzen von Teilen der englischsprachigen Forschung. Studien in diesem Bereich sehen besagte Phase gerne als eine zusammenhängende Zeitspanne an („lange Reformation“), in der für das englische Gemeinwesen nachhaltige und wegweisende Entwicklungen stattgefunden haben.133 Angesichts dieser Sachlage erscheint es für den vorliegenden Fall legitim, über die Untersuchung einzelner Fallbeispiele einen Traditionszusammenhang englischer Erwählung zu konstatieren, der eine über die einzelnen Fälle hinausgehende Bedeutung für das Gemeinwesen anzeigt. 134 132 Zur grundsätzlichen Bedeutung des Exodus-Narrativs WALZER, Exodus und Revolution; für das 17. Jahrhundert siehe John COFFEY, England’s Exodus: The Civil War as a War of Deliverance, in: Charles W. A. Prior / Glenn Burgess (Hgg.), England’s Wars of Religion, Revisited, Farnham u.a. 2011, S. 253-280; Steven N. ZWICKER, England, Israel, and the Triumph of Roman Virtue, in: Richard H. Popkin (Hg.), Millenarianism and Messianism in English Literature and Thought 1650-1800 [Clark Library Lectures 1981-1982], Leiden u.a. 1988, S. 37-64; GUIBBORY, Christian Identity; John K. HALE, England as Israel in Milton’s Writings, in: Early Modern Literary Studies 2/2 (1996), Absätze 1-54, online-Ausgabe, URL: [14.04.2017]; eine entsprechende Studie für das 16. Jahrhundert ist dagegen ein Forschungsdesiderat. 133 Zur Vorstellung einer „langen Reformation“ siehe u.a. Nicholas TYACKE, Introduction: re-thinking the „English Reformation“, in: Ders. (Hg.), England’s Long Reformation 1500-1800, London 1998, S. 1-32; Christopher HAIGH, English Reformations. Religion, Politics and Society under the Tudors, Oxford 1993, S. 1-21 und passim; DERS., Success and Failure in the English Reformation, in: P & P 173 (2001), S. 28-49; Patrick COLLINSON, The English Reformation, 1945-1995, in: Michael Bentley (Hg.), Companion to Historiography, London 1997, S. 336-360, hier S. 342 & 346-353; Martin INGRAM, The English Reformation in the Sixteenth Century: Major Themes and New Viewpoints, in: von Friedeburg / Schorn-Schütte (Hgg.), Politik und Religion, S. 129-161, hier S. 146153; zuletzt David AERS / Nigel SMITH, English Reformations, in: JMEMS 40 (2010), S. 425-438; Peter MARSHALL, (Re)defining the English Reformation, in: JBS 48 (2009), S. 564-586. 134 Angesichts dessen wurde die Regierungszeit Maria Tudors hier ausgeklammert. Während sich zwischen den Herrschaften Heinrichs, Eduards und Elisabeths deutliche Kontinuitätsbestrebungen hinsichtlich des Erwählungs-Narrativs nachweisen lassen, bedeutete die Regentschaft Marias einen Bruch mit zentralen Kriterien desselben. Vor allem die Rückkehr unter die Obhut des Papsttums stellte einen tiefen Einschnitt mit den unter Heinrich und Eduard etablierten Repräsentationsmustern dar, wodurch Maria und ihre Apologeten nicht in gleicher Weise an die Konstruktionen der Erwählungsidee anknüpfen konnten. Unter Elisabeth konnte Marias Herrschaftszeit sodann im Sinne des Exodus-Narrativs als ein Beispiel für die Rückkehr in ägyptische Gefangenschaft gewertet werden. Da diese Gefahr in elisabethanischer Zeit aber allenthalben thematisiert wurde und im entspre-

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Vor diesem Hintergrund gliedert sich der Hauptteil der Arbeit in drei Abschnitte (B-D), die jeweils Phasen erhöhter Konfliktivität und Krisenhaftigkeit, also Antagonismen im Sinne Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes, darstellen:135 (1) Der erste Abschnitt (B) ist in zwei Hälften geteilt, die insgesamt den Zeitraum von circa 1527 bis 1538 umfassen. Im ersten Teil sollen Entstehung und Etablierung der Idee im frühneuzeitlichen England untersucht werden. Es wird in diesem Zusammenhang argumentiert, dass die Scheidungsaffäre Heinrichs VIII. den historischen Kontext bildete, in dessen Rahmen es zur Formierung des Gedankengutes gekommen ist. Die zentrale Frage in diesem Abschnitt richtet sich darauf, wie im Rahmen der Auseinandersetzungen des Königs mit der Kurie aus einer allgemeinen Vorstellung die politische Idee einer göttlichen Erwählung hervorgegangen ist. Der Konflikt eröffnete unterschiedlichen Akteuren und Akteursgruppen Möglichkeitsräume, um ihre eigenen Interessen und Ziele bestmöglich zu platzieren. Welche Akteure hier wie versuchten, die Konfrontation mit dem Papsttum auszunutzen, ist für die Entstehung des neuzeitlichen Vorstellungshorizonts der göttlichen Erwählung von zentraler Bedeutung. Wie in diesem Abschnitt aufgezeigt werden soll, förderte die Auseinandersetzung mit der Kurie die Umgruppierung und NeuVerschränkung verschiedener Diskurse. Die grundlegende These an dieser Stelle beläuft sich darauf, die Konstitution der Idee göttlicher Erwählung als Folge dieses Prozesses anzusehen, durch den die allgemeine religiöse Vorstellung mit anderen Worten eine nachhaltige Politisierung erfuhr. Dass dieser Vorgang keineswegs geräuschlos und ohne Widerstand vonstatten ging, soll im weiteren Verlauf des ersten Abschnitts aufgezeigt werden. Als Untersuchungsrahmen dient dabei einer der zentralen Konflikte der 1530er Jahre. So wurden während der Pilgrimage of Grace (1536/37) eigene Strategien und Argumentationsmuster entwickelt, die sich explizit gegen die Folgen der Instituierung jener politischen Idee göttlicher Erwählung in England richteten. Wie argumentiert werden soll, stärkte der Vorfall am Ende jedoch die Erwählungsidee, indem er zu einer Verfestigung und Weiterentwicklung derselben beitrug. Aus der Betrachtung der Zeit Heinrichs VIII. lassen sich schließlich spezifische Merkmale eines ‚henrizianischen Modells‘ göttlicher Erwählung herausarbeiten, das in der Folge als Grundlage und Vergleichsfolie für die weitere Untersuchung dienen kann. (2) Der zweite Abschnitt (C) umfasst die Jahre 1547 bis 1550 und thematisiert damit eine Phase in der Regierungszeit Eduards VI., die sich vor allem durch einen Drang zu inneren Reformen und einer weitergehenden Protestantisierung des Landes auszeichnet. Die Aussicht auf umfangreiche innere Umwälzungen führte unter anderem zur sogenannten „Western“ oder „Prayer Book Rebellion“ (1549), in der sich die Ablehnung gegenüber neuen religiösen Vorgaben mit einer grundlegenden Abneigung gegen den eingeschlagenen Weg der Regierung des minderjährigen Königs verband. Die Erhebung fand dabei vor dem Hintergrund eines Krieges mit Schottland chenden Kapitel gewürdigt wird, konnte auch in dieser Hinsicht auf eine eigenständige Behandlung der Zeit Maria Tudors verzichtet werden. 135 Der ausführliche Nachweis, dass es sich dabei um Antagonismen im Sinne Laclau / Mouffes handelte, kann an dieser Stelle nicht erbracht werden. Er erfolgt dagegen im jeweiligen Kapitel selbst, weshalb im Folgenden nur kurz die grundlegenden Konfliktlinien skizziert werden sollen.

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statt, den das eduardianische Regime von Heinrich VIII. geerbt hatte. In dieser Situation innen- und außenpolitischer Spannungen kam es zur Aktualisierung der Idee göttlicher Erwählung. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie das Modell henrizianischer Erwählungt unter den veränderten Rahmenbedingungen der eduardianischen Herrschaft aufgenommen und reproduziert worden ist. (3) Den Abschluss des Hauptteils bildet eine Fallstudie zum elisabethanischen Vorstellungshorizont göttlicher Erwählung (Abschnitt D). Auf den ersten Blick scheint dabei die Wahl des sogenannten Neunjährigen Krieges (Nine Years’ War), der zwischen 1594 und 1603 in Irland stattfand, zu verwundern. Wie allerdings ausführlich dargelegt werden wird, stellt der irische Raum in dieser Zeit einen hervorragenden Untersuchungsgegenstand dar, weil sich hier die wesentlichen Konfliktmuster des ausgehenden 16. Jahrhunderts auf engstem Raum verdichteten und damit eine kompakte Analyse der Erwählungsidee zulassen. So versuchten die irischen Aufständischen im Zuge ihrer Erhebung an die konfessionellen Argumentationsmuster, und damit an die konfessionellen Konflikte, des Kontinents anzuknüpfen. Gleichzeitig boten sie das Irland der 1590er Jahre als lohnendes Ziel einer militärischen Intervention an, durch welche die englische Herrschaft über Irland beendet und England selbst hätte bedroht werden können. In diese außenpolitische Dimension mischte sich gleichsam eine ‚innenpolitische‘ Problematik, da es in Irland zwei Gruppen englischer Siedler gab, die sich konfessionell unterschieden und im Verlauf des 16. Jahrhunderts immer stärker voneinander abgrenzten. Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Bedrohungslage nach der Exkommunikation Elisabeths galt es besonders in Irland, wo die protestantischen Siedler eine Minderheit darstellten, einen Modus des Umgangs mit der Situation zu finden.136 Das Beispiel Irlands erscheint auch deshalb geeignet, weil die Studie der Idee göttlicher Erwählung im irischen Kontext einen Beitrag zur andauernden Debatte um Status und Wahrnehmung der britischen Nachbarinsel verspricht. Bereits zeitgenössisch war demnach eine divergierende Perzeption Irlands zu beobachten, die zwischen den Zuschreibungen Kolonie und zweites Königreich der englischen Krone changierte. Diese Debatte setzt sich in der heutigen Forschung zu Irland fort, wobei ein grundlegendes Problem in der Perspektivierung des Themas besteht. 137 So sehen

136 Die Situation ist in der Vergangenheit mehrfach mit einem „Apartheids-Regime“ verglichen worden. Siehe u.a. Nicholas CANNY, Protestants, Planters and Apartheid in Early Modern Ireland, in: IHS 25 (1986), S. 105-115; DERS., The Ideology of English Colonization: From Ireland to America, in: WMQ 3rd Ser., 30 (1973), S. 575-598, hier S. 580; Brendan BRADSHAW, Sword, Word and Strategy in the Reformation in Ireland, in: HJ 21 (1978), S. 475-502, hier S. 502. 137 Vgl. einführend Edward CAVANAGH, Kingdom or Colony? English or British? Early modern Ireland and the colonialism question, in: Journal of Colonialism and Colonial History 14,2 (2013), URL: [14.04.2017]. Diese Zeitschrift erscheint ausschließlich online. Ferner Jane H. OHLMEYER (Hg.), Political thought in seventeenth-century Ireland. Kingdom or colony, Cambridge 2000; Nicholas CANNY, Kingdom and Colony. Ireland in the Atlantic world 1560-1800, Baltimore 1988; Karl S. BOTTIGHEIMER, Kingdom and colony: Ireland in the Westward Enterprise, 1536-1660, in: Kenneth R. Andrews / Nicholas P. Canny / Paul E. H. Hair (Hgg.), The Westward

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Frühneuzeit-Historiker vor dem Hintergrund europäischer Entwicklungen vor allem die Probleme von Multiple Kingdoms bzw. von Composite Monarchies im angloirischen Verhältnis.138 Andere Forscher, welche die irischen Umstände primär im Kontext einer europäischen Expansion und einer atlantischen Perspektive betrachten, präferieren dagegen eher einen kolonialen Blick.139 Bislang gibt es im Grunde keinen Erklärungsansatz, der zwischen beiden Wahrnehmungen Irlands vermitteln könnte. Es steht zu vermuten, dass die Idee göttlicher Erwählung hier zu einem besseren Verständnis beitragen könnte. Meines Erachtens reflektierte sie nämlich einerseits die ‚europäischen Probleme‘ des Multiple Kingdoms, versuchte diese andererseits aber in einer Art und Weise zu bearbeiten, die letztlich eher an eine zuweilen radikale Kolonialpolitik der Europäer in Übersee erinnerte. Abschließend ist zum Fallbeispiel Irland zu sagen, dass sich die Insel aufgrund ihrer Kleinräumigkeit und den politisch-sozialen Verhältnissen vorzüglich als Untersuchungsobjekt eignet. Einschränkend muss gleichwohl angemerkt werden, dass sich die in Irland vorherrschende Idee göttlicher Erwählung zwar aus den in England zirkulierenden Vorstellungen ableitete, im Rahmen der irischen Verhältnisse jedoch eine eigene Prägung erfuhr. Beschlossen werden die drei Hauptteile jeweils von Zwischenfazits, in denen nicht nur eine Zusammenfassung der Ergebnisse geliefert wird, sondern die gleichfalls dazu dienen, jene am konkreten Fallbeispiel erarbeiteten Formen und Interpretationen der Erwählungsvorstellung auf eine generelle Betrachtungsebene zu heben. Hier ist mit anderen Worten der Ort, wo die einzelnen Entwicklungsstadien rekapituliert und in Verbindung zueinander gesetzt werden sollen. 3.3 Das Quellenkorpus und die frühneuzeitliche Öffentlichkeit 3.3.1 Die Quellen Der theoretische und methodische Zuschnitt der Arbeit hat letztlich auch Auswirkungen auf Auswahl und Benutzung der Quellen. Das Fundament der Studie bildet dabei ein Korpus publizistischer Quellen. Damit ist zunächst einmal ganz grundsätzlich eiEnterprise. English activities in Ireland, the Atlantic, and America 1480-1650, Liverpool 1978, S. 45-64. 138 Sehr schön wird dies deutlich bei Hiram MORGAN, Mid-Atlantic Blues, in: The Irish Review 11 (1991/1992), S. 50-55; zum Phänomen des Multiple Kingdoms u.a. Michael PERCEVAL-MAXWELL, Ireland and the Monarchy in the Early Stuart Multiple Kingdom, in: HJ 34 (1991), S. 279-295; Conrad RUSSELL, Composite monarchies in early modern Europe. The British and Irish example, in: Alexander Grant / Keith J. Stringer (Hgg.), Uniting the Kingdom? The Making of British History, London/New York 1995, S. 133146; zu den frühneuzeitlichen Kompositmonarchien nach wie vor John ELLIOTT, A Europe of composite monarchies, in: P & P 137 (1992), S. 48-71. 139 Dazu einführend zuletzt Wolfgang REINHARD, Europa und die atlantische Welt, in: Ders. (Hg.), Weltreiche und Weltmeere 1350-1750 [Geschichte der Welt, Bd. 3], München 2014, S. 669-831; einen Überblick zur gegenwärtigen Forschung in diesem Bereich liefert Susanne LACHENICHT, Atlantische Geschichte. Einführung, in: Sehepunkte 12 (2012), Nr. 1 [15.01.2012], URL: [14.04.2017]; vgl. ferner die Ausführungen im Abschnitt D, Kap. 1.

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ne disperse Ansammlung gedruckter Medien bezeichnet, die sich in unterschiedliche Typen aufgliedern.140 Für das 16. Jahrhundert dominieren hier das einblättrige Flugblatt141, die mehrblättrige Flugschrift142, das Buch143 sowie in Erweiterung dazu die 140 Siehe einführend Roger MÜNCH, Art. „Druckmedien“, in: EdN 2 (2005), Sp. 1151-1160 sowie Andreas WÜRGLER, Medien in der Frühen Neuzeit [Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 85], 2., durchges. Aufl., München 2013, S. 7-64; für den englischen Raum zuletzt der Band von Joad RAYMOND (Hg.), The Oxford History of Popular Print Culture, Bd. 1: Cheap Print in Britain and Ireland to 1660, Oxford 2011; Jason MCELLIGOTT / Eve PATTEN (Hgg.), The perils of print culture. Book, print and publishing history in theory and practice, Basingstoke u.a. 2014. 141 Vgl. Wolfgang HARMS / Alfred MESSERLI (Hgg.), Wahrnehmungsgeschichte und Wissensdiskurs im illustrierten Flugblatt der Frühen Neuzeit (1450-1700), Basel 2002; Wolfgang HARMS / Michael SCHILLING, Das illustrierte Flugblatt der frühen Neuzeit. Traditionen, Wirkungen, Kontexte, Stuttgart 2008; DIES. (Hgg.), Das illustrierte Flugblatt in der Kultur der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. u.a. 1998; Michael SCHILLING, Bildpublizistik der frühen Neuzeit. Aufgaben und Leistungen des illustrierten Flugblatts bis um 1700, Tübingen 1990; Wolfgang BRÜCKNER, Art. „Einblattdruck“, in: EdN 3 (2006), Sp. 118-120; Werner FAULSTICH, Grundwissen Medien, 5., vollst. überarb. und erw. Auflage, München 2004, S. 105-109; Wolfgang ADAM, Das Flugblatt als kultur- und literaturgeschichtliche Quelle der Frühen Neuzeit, in: Euphorion 84 (1990), S. 187-206; WÜRGLER, Medien, S. 18 & 100; zum englischen Raum nach wie vor Tessa WATT, Cheap Print and Popular Piety 1550-1640, Cambridge 1991; Leslie SHEPARD, The History of Street Literature. The Story of Broadside Ballads, Chapbooks, Proclamations, News-Sheets, Election Bills, Tracts, Pamphlets, Cocks, Catchpennies and Ephemera, Newton Abbot 1973; zuletzt Angela MCSHANE, Ballads and Broadsides, in: Raymond (Hg.), Print Culture, Bd. 1, S. 339-362. 142 Siehe grundlegend Hans-Joachim KÖHLER, Die Flugschriften der frühen Neuzeit. Ein Überblick, in: Werner Arnold / Wolfgang Dittrich / Bernhard Zeller (Hgg.), Die Erforschung der Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, Wiesbaden 1987, S. 307345; DERS., Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Reformationszeit, in: Volker Press / Dieter Stievermann (Hgg.), Martin Luther. Probleme seiner Zeit [Spätmittelalter und Frühe Neuzeit, Stuttgart 1986, S. 244-281; DERS. (Hg.), Flugschriften als Massenmedium der Reformationszeit, Stuttgart 1981; DERS., Die Flugschriften. Versuch der Präzisierung eines geläufigen Begriffs, in: Horst Rabe et al. (Hgg.), Festgabe für Ernst Walter Zeeden, Münster 1976, S. 36-61; Hella TOMPERT, Die Flugschrift als Medium religiöser Publizistik. Aspekte der gegenwärtigen Forschung, in: Josef Nolte / Dies. / Christof Windhorst (Hgg.), Kontinuität und Umbruch. Theologie und Frömmigkeit in Flugschriften und Kleinliteratur an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert, Stuttgart 1978, S. 211-221; Bernd MOELLER, Art. „Flugschriften der Reformationszeit“, in: TRE 11 (1983), S. 240-246; Johannes SCHWITALLA, Flugschrift, Tübingen 1999; WÜRGLER, Medien, S. 18 & 100f; siehe ferner die Ausführungen bei Volker LEPPIN, Antichrist und Jüngster Tag. Das Profil apokalyptischer Flugschriftenpublizistik im deutschen Luthertum 1548-1618, Gütersloh 1999, S. 21-32; Thomas BROCKMANN, Die Konzilsfrage in den Flug- und Streitschriften des deutschen Sprachraums 1518-1563, Göttingen 1998, S. 24-40; für den englischen Raum Jason PEACEY, Pamphlets, in: Raymond (Hg.), Print Culture, Bd. 1, S. 453-470; Joad RAYMOND, Pamphlets and Pamphleteering in Early Mo-

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Druckgraphik und Karte. 144 In der vorliegenden Arbeit werden vor allem Flugschriften und zu einem geringeren Teil Flugblätter behandelt. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass unter der Bezeichnung Flugschrift ein weites Feld unterschiedlicher literarischer Gattungen firmieren kann. So stehen auch im Folgenden neben gedruckten Predigten, Streit- und Kontroversschriften, politischen und religiösen Traktaten Bibelkommentare, Satiren und historiographische Texte. 145 Was diese heterogenen Werke vereint, ist einerseits der erkennbare Versuch, an einer temporär entstandenen Öffentlichkeit zu partizipieren, die sich als Folge eines antagonistischen Konflikts etabliert hatte. In diesem Vorgang rekurrieren die herangezogenen Schriften andererseits in der einen oder anderen Weise auf die Vorstellung dern Britain, Cambridge 2003; Alexandra HALASZ, The marketplace of print. Pamphlets and the public sphere in early modern England, Cambridge 1997; Herbert GRABES, Das englische Pamphlet I. Politische und religiöse Polemik am Beginn der Neuzeit (15211640), Tübingen 1990; Sandra CLARK, The Elizabethan pamphleteers. Popular moralistic pamphlets, 1580-1640, London 1983. 143 Erdmann WEYRAUCH, Art. „Buch“, in: EdN 2 (2005), Sp. 473-478; DERS., Das Buch als Träger der frühneuzeitlichen Kommunikationsrevolution, in: Michael North (Hg.), Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, Köln u.a. 1995, S. 1-13; Ute SCHNEIDER, Das Buch als Wissensvermittler in der Frühen Neuzeit, in: Johannes Burkhardt / Christine Werkstetter (Hgg.), Kommunikation und Medien in der Frühen Neuzeit, München 2005, S. 63-78; WÜRGLER, Medien, S. 21-25; Stephan FÜSSEL, Gutenberg und seine Wirkung, 2. Aufl., Darmstadt 2004; einen Eindruck der neueren englischsprachigen Forschung zum Buch gibt John N. KING (Hg.), Tudor Books and Readers. Materiality and the Construction of Meaning, Cambridge 2010; siehe auch The Cambridge History of the Book in Britain, Bd. 3: 1400-1557, hrsg. von Lotte HELLINGA & Joseph B. TRAPP, Cambridge 1999 sowie Bd. 4: 1557-1695, hrsg. von John BARNARD / Donald F. MCKENZIE / Maureen BELL, Cambridge 2002; Andrew PETTEGREE, The Book in the Renaissance, Paperback Ed., New Haven/London 2011. 144 Zu diesen erst seit einigen Jahren stärker von der allgemeinen Geschichtswissenschaft beachteten Quellen siehe WÜRGLER, Medien, S. 25-31, 110-122; zu den Karten u.a. Ute SCHNEIDER, Die Macht der Karten. Eine Geschichte der Kartographie vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2004; zur Druckgraphik Sibylle APPUHN-RADTKE, Art. „Druckgraphik“, in: EdN 2 (2005), Sp. 1138-1150; für den englischen Raum zuletzt Malcolm JONES, The Print in Early Modern England. An Historical Oversight, New Haven/London 2010. 145 LEPPIN, Antichrist, S. 22; Daniel GUGGISBERG, Das Bild der „Alten Eidgenossen“ in Flugschriften des 16. bis Anfang 18. Jahrhunderts (1531-1712). Tendenzen und Funktionen eines Geschichtsbildes, Bern u.a. 2000, S. 17f; im Gegensatz zu Forderungen der Forschung werden hier die Publikationen der Regierung explizit miteingeschlossen, weil sie essenzieller Bestandteil der Gestaltung jener Idee göttlicher Erwählung im öffentlichen Diskurs waren. Zum Problem des Ein- bzw. Ausschlusses von offizieller od. offiziöser Propaganda u.a. Femke DEEN / David ONNEKINK / Michel REINDERS, Pamphlets and politics: Introduction, in: Dies. (Hgg.), Pamphlets and politics in the Dutch Republic, Leiden/Boston 2011, S. 3-30, hier S. 12; MCSHANE, Ballads, S. 347-355; Kevin SHARPE. Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England, New Haven/London 2009, S. 98f.

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göttlicher Erwählung und leisten damit einen Beitrag zur Aktualisierung, Etablierung und Konsolidierung der Idee bzw. sorgen für deren Anpassung und Veränderung. Die publizistischen Medien waren somit der bevorzugte Ort, an dem es zur Ausbildung, Reflexion und Applikation der Erwählungsidee im Kontext der jeweiligen Konflikte kam. Der Flugschrift ist von Seiten der historischen Forschung zuletzt eine erhöhte Aufmerksamkeit zuteil geworden. Abseits der reformationsgeschichtlichen Auseinandersetzung mit der Quellengruppe haben neuere Studien den generellen Wert frühneuzeitlicher Flugschriften für diverse Fragestellungen erkannt, und damit begonnen, deren Analyse auf andere Zeitabschnitte und Themenfelder auszudehnen.146 Christoph Kampmann betonte vor diesem Hintergrund etwa den besonderen Quellenwert von politischer Tagespublizistik im Allgemeinen und Flugschriftenliteratur im Besonderen, der primär darin liege, dass hier „jene Begriffe, Zielvorstellungen und Argumentationsmuster verwendet“ würden, die zur „Einflußnahme, zur Werbung und auch zur Warnung bzw. Abschreckung in der politisch interessierten Öffentlichkeit“ geeignet erschienen.147 Die neuere Forschung versucht daher, Bedeutung und Relevanz von Flugschriften respektive der frühneuzeitlichen Publizistik insgesamt anhand ihrer Rolle in Kommunikationsprozessen zu bestimmen. Sie grenzt sich damit von den wenig erfolgreichen älteren Ansätzen ab, diese Quellengattung einzig anhand formaler oder inhaltlicher Kriterien zu definieren.148 Mit Ausnahme der Nichtperiodizität und einem

146 Siehe u.a. BROCKMANN, Konzilsfrage; Christoph KAMPMANN, Arbiter und Friedensstiftung. Die Auseinandersetzung um den politischen Schiedsrichter im Europa der Frühen Neuzeit, Paderborn u.a. 2001; GUGGISBERG, Das Bild der „Alten Eidgenossen“; Ulrich ROSSEAUX, Die Kipper und Wipper als publizistisches Ereignis (1620-1626). Eine Studie zu den Strukturen öffentlicher Kommunikation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, Berlin 2001; WREDE, Das Reich und seine Feinde; Daniel BELLINGRADT, Flugpublizistik und Öffentlichkeit um 1700. Dynamiken, Akteure und Strukturen im urbanen Raum des Alten Reiches [Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Bd. 26], Stuttgart 2011; ARNDT, Herrschaftskontrolle; DERS. / Esther-Beate KÖRBER (Hgg.), Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750 [Veröffentl. des Instit. für Europ. Geschichte Mainz, Beiheft 75], Göttingen 2010. 147 KAMPMANN, Arbiter, S. 5; das enge Verhältnis zu politischen Vorgängen betont PEACEY, Pamphlets, S. 461f, 466-469; RAYMOND, Pamphlets, S. 8f, 12-16, 26; ferner David ZARET, Origins of Democratic Culture. Printing, Petitions, and the Public Sphere in EarlyModern England, Princeton 2000, bes. S. 133-173. Zarets Ansicht, dass publizistische Medien eng mit politischen Vorgängen verbunden sein konnten, erscheint plausibel. Allerdings müssen seine Annahmen bezüglich einer öffentlichen Meinung und einer Öffentlichkeit im habermas’schen Sinne mit Vorsicht behandelt werden. 148 Hans-Joachim Köhler hat bereits 1976 insgesamt 70 Definitionen und 22 Kriterien zur näheren Bestimmung von Flugschriften zusammengetragen. Siehe KÖHLER, Präzisierung, S. 41 und passim. Seitdem gab es eine Reihe weiterer Vorschläge, wobei aufgrund des disparaten Charakters der Quellengruppe sowie der unterschiedlichen Schwerpunkte und Herangehensweisen jener Disziplinen, die mit dem Medium zu tun haben, nicht zu erkennen ist, dass es in absehbarer Zeit zu einer allgemein anerkannten Definition kommt.

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Aktualitätsbezug sind im Grunde sämtliche Kriterien in der einen oder anderen Weise zurückgewiesen worden.149 Und selbst hierbei gibt es neuerdings Stimmen, die zumindest die grundsätzliche Nichtperiodizität des Mediums in Zweifel ziehen. 150 Allein die Orientierung an aktuellen Begebenheiten scheint in der breiten Flugschriftenforschung weitgehend auf Konsens zu stoßen.151 Dieser Befund ist freilich nicht überraschend, korrespondiert doch die Aktualität in entscheidendem Maße mit der den Flugschriften sowie der Publizistik generell unterstellten, kommunikativen Funktion. Obwohl auch hier Differenzen über Reichweite, Breite und Nachhaltigkeit der Wirkung von Flugschriften bestehen, zweifelt kaum jemand daran, dass die Quellengattung, wie auch die Publizistik allgemein, in einem spezifischen Verhältnis zu einer öffentlichen Meinungsbildung und/oder der Konstitution einer Öffentlichkeit stehen. Da letztlich der Wert publizistischer Quellen, gerade auch für die vorliegende Studie, maßgeblich von der Gestalt dieses Verhältnisses abhängt, muss dessen näherer Bestimmung größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. 3.3.2 Publizistik und vormoderne Öffentlichkeit Die historische Forschung hat sich gerade in den letzten Jahren vor dem Hintergrund einer intensiven Beschäftigung mit dem Phänomen der Öffentlichkeit in zwei scheinbar unterschiedliche Richtungen entwickelt.152 Auf der einen Seite steht eine Heran-

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Vgl. dazu auch SCHWITALLA, Flugschrift, S. 2-7; BELLINGRADT, Flugpublizistik, S. 1119 schlägt deshalb vor, den Begriff „Flugpublizistik“ als Injunktion zu behandeln. In Anlehnung an BROCKMANN, Konzilsfrage, S. 25-27 sah bspw. KAMPMANN, Arbiter, S. 5 allenfalls in der Nichtperiodizität ein mögliches Abgrenzungskriterium; die Nichtperiodizität betont auch LEPPIN, Antichrist, S. 29 in seiner Definition von Flugschrift; siehe auch Harm van den BERG, Art. „Pamphlet“, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik, hrsg. von Gerd Ueding u.a., Bd. 6, Darmstadt 2003, Sp. 488-495, hier Sp. 489f. Dazu SCHWITALLA, Flugschrift, S. 5f. Vgl. mit jeweils weiterführender Literatur BROCKMANN, Konzilsfrage, S. 25f und Anm. 42; KAMPMANN, Arbiter, S. 5; KÖHLER, Flugschriften, S. 52; Peter UKENA, Tagesschrifttum und Öffentlichkeit im 16. und 17. Jahrhundert in Deutschland, in: Elger Blühm (Hg.), Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung, München 1977, S. 35-53, hier S. 43; LEPPIN, Antichrist, S. 28f; SCHWITALLA, Flugschrift, S. 6; Olaf MÖRKE, Pamphlet und Propaganda. Politische Kommunikation und technische Innovation in Westeuropa in der Frühen Neuzeit, in: North (Hg.), Kommunikationsrevolutionen, S. 15-32, hier S. 17; GRABES, Das englische Pamphlet, S. VIII; die Aktualität spielt auch in der Charakterisierung bei RAYMOND, Pamphlets, S. 4-25 eine zentrale Rolle; siehe ferner DEEN / ONNEKINK / REINDERS, Pamphlets, S. 12 & 24f; vgl. dagegen den Einwand von BELLINGRADT, Publizistik, S. 15, Anm. 34, der m. E. von BROCKMANN, Konzilsfrage, S. 26, Anm. 42. bereits entkräftet worden ist. Siehe zur ersten Orientierung die einleitenden Ausführungen bei Gerd SCHWERHOFF, Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit – Perspektiven der Forschung, in: Ders., (Hg.), Stadt und Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit [39. Kolloquium des Instituts für Vergleichende Städtegeschichte am 23. und 24. März 2009 in Münster], Köln u.a. 2011, S. 1-28; Susanne RAU / DERS., Öffentliche Räume in der Frühen Neuzeit. Überlegungen zu Leitbegriffen und Themen eines Forschungsfeldes, in: Dies. (Hgg.), Zwischen Gottes-

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gehensweise, die Öffentlichkeit als eine soziale Praxis bzw. ein kommunikatives Phänomen wertet. Derartige Studien haben den Vorteil, dass sie nicht auf spezifische ‚Massen‘- oder gedruckte Medien zurückgreifen müssen, um Entstehung und Funktion einer Öffentlichkeit oder öffentlichen Sphäre historisch untersuchen zu können.153 Auf der anderen Seite gibt es eine eher traditionelle Sichtweise von Öffentlichkeit, die deren Entstehung und Funktion eng an die Entwicklung neuer Techniken und Medien bindet. Obwohl sicherlich der Buchdruck und die von Wolfgang Behringer postulierte Kommunikationsrevolution154 mittel- und langfristig Auswirkungen auf Art und Weise der Konstitution und Form von Öffentlichkeit gehabt haben155, erscheint für das 16. Jahrhundert eine Interpretation, die das Phänomen einzig aus der Perspektive der ‚neuen‘ Medien denkt, insgesamt an den historischen Umständen vorbei zu gehen.156

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haus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit [Norm und Struktur, Bd. 21], Köln u.a. 2004, S. 11-52; Fridrun FREISE, Einleitung: Raumsemantik, Rezeptionssituation und imaginierte Instanz – Perspektiven auf vormoderne Öffentlichkeit und Privatheit, in: Caroline Emmelius / Dies. / Rebekka von Mallinckrodt et al. (Hgg.), Offen und Verborgen. Vorstellungen und Praktiken des Öffentlichen und Privaten in Mittelalter und Früher Neuzeit, Göttingen 2004, S. 9-32 sowie die älteren Bestandsaufnahmen von Carl A. HOFFMANN, ‚Öffentlichkeit‘ und ‚Kommunikation‘ in den Forschungen zur Vormoderne. Eine Skizze, in: Ders. / Rolf Kießling (Hgg.), Kommunikation und Region [Forum Suevicum 4], Konstanz 2001, S. 69-110 und Heike TALKENBERGER, Kommunikation und Öffentlichkeit in der Reformationszeit. Ein Forschungsreferat 1980-1991, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur, 6. Sonderheft, Forschungsreferate 3. Folge (1994), S. 2-26. Ein neuerer Überblick ist dagegen ein Desiderat. Vgl. dazu u.a. den instruktiven Beitrag von Klaus OSCHEMA, Die Öffentlichkeit des Politischen, in: Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller (Hgg.), Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, Ostfildern 2011, S. 41-86; siehe ferner den Band von RAU / SCHWERHOFF (Hgg.), Zwischen Gotteshaus und Taverne; Peter von MOOS, Das Öffentliche und Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus, in: Gert Melville / Ders. (Hgg.), Das Öffentliche und Private in der Vormoderne [Norm und Struktur, Bd. 10], Köln u.a. 1998, S. 3-74; Wolfgang KASCHUBA, Ritual und Fest. Das Volk auf der Straße. Figurationen und Funktionen populärer Öffentlichkeit zwischen Frühneuzeit und Moderne, in: Richard van Dülmen (Hg.), Dynamik der Tradition. Studien zur historischen Kulturforschung IV, Frankfurt a. M. 1992, S. 240-267. Wolfgang BEHRINGER, Im Zeichen des Merkur. Reichspost und Kommunikationsrevolution in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2003; DERS., Communications Revolutions: A Historiographical Concept, in: German History 24 (2006), S. 333-374. Siehe dazu etwa Rudolf Schlögls Ansatz, das Verhältnis von Öffentlichkeit (im Sinne Habermas’) und Medien als eine Zunahme an Reflexivität und Evolution des Mediensystems zu bestimmen. Rudolf SCHLÖGL, Politik beobachten. Öffentlichkeit und Medien in der Frühen Neuzeit, in: ZHF 35 (2008), S. 581-616. Zur Kritik an einer zu einseitigen, mediengeschichtlichen Perspektivierung des Themas zulasten eines kommunikationsgeschichtlichen Ansatzes siehe etwa Volker DEPKAT, Kommunikationsgeschichte zwischen Mediengeschichte und der Geschichte sozialer Kommunikation. Versuch einer konzeptionellen Klärung, in: Karl-Heinz Spieß (Hg.),

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Im Gegensatz zu einem rein mediengeschichtlichen erscheint somit ein kommunikationsgeschichtlicher Ansatz den historischen Gegebenheiten, insbesondere dem Zusammenspiel von ‚alten‘ und ‚neuen‘ Medien, eher gerecht zu werden. Clemens Zimmermann, Andreas Würgler, Gerd Schwerhoff und andere Forscher betonten aus diesem Grund immer wieder die Notwendigkeit, in der Analyse von Öffentlichkeit die jeweiligen „Medienensembles“ (Zimmermann) zu berücksichtigen, die an einem gegebenen Ort zu einer gegebenen Zeit zusammenwirkten. 157 Der kommunikationsgeschichtliche Ansatz hat meines Erachtens auch Auswirkungen auf die Arbeit mit publizistischen Quellen. Wenn davon ausgegangen wird, dass Öffentlichkeit als ein kommunikatives Phänomen erst hergestellt werden muss, dann sollte an einer per se Medien wie Flugschriften unterstellten Funktion, Öffentlichkeit immer und auf jeden Fall zu generieren, gezweifelt werden. Nicht länger wäre hier die äußere Form der Schrift entscheidend, sondern vielmehr die jeweiligen Inhalte. Dies aber auch nur insofern, als dass die dargebotenen Inhalte innerhalb eines kommunikativen Aktes mit einem generellen Wert für die Belange einer Allgemeinheit identifiziert werden.158 Wolfgang Schmale hat diese Problematik zuletzt sehr schön herausgestellt. So betonte er, dass zwischen bloßen Nachrichten, die sich in sozialen Gruppen bis hin zur Größe des Gemeinwesens ausbreiten konnten, und Öffentlichkeit unterschieden werden sollte.159 Im Gegensatz zu Gelegenheitsnachrichten – wie beispielsweise des angeblichen Kannibalismus in Amerika – werde Öffentlichkeit durch ein Kontinuum von Themen gebildet, die ein soziales Kollektiv im Ganzen beträfen. 160 In diese im-

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Medien der Kommunikation im Mittelalter [Beiträge zur Kommunikationsgeschichte, Bd. 15], Stuttgart 2003, S. 9-48 sowie die Angaben in der folgenden Fußnote. Siehe dazu Andreas WÜRGLER, Veröffentlichte Meinungen – öffentliche Meinung. Lokal-internationale Kommunikationsnetze im 18. Jahrhundert, in: Peter-Eckhard Knabe (Hg.), Opinion, Berlin 2000, S. 101-135; DEEN / ONNEKINK / REINDERS, Pamphlets, S. 10; Clemens ZIMMERMANN, Art. „Medien“, in: EdN 8 (2008), Sp. 223-243, hier Sp. 229f; WÜRGLER, Medien, S. 66f; SCHWERHOFF, Stadt und Öffentlichkeit, S. 21-23 sowie S. 9-18 zur räumlichen Dimension von Öffentlichkeit; für den englischen Raum gibt es seit einigen Jahren Studien, die den komplementären Charakter von Druckschriften, Handschriften und mündlicher Kommunikation wie Gerüchten oder Predigten untersuchen. Siehe inter alia Ian GREEN, Orality, script and print: the case of the English sermon c. 1530-1700, in: Heinz Schilling / István György Thóth (Hgg.), Religion and cultural exchange in Europe, 1400-1700, Cambridge 2006, S. 236-255; DERS., Print and Protestantism in Early Modern England, Oxford 2000; Julia C. CRICK / Alexandra WALSHAM (Hgg.), The Uses of Script and Print 1300-1700, Cambridge 2004; Adam FOX, Oral and Literate Culture in England 1500-1700, Oxford 2000; zur Bedeutung von Gerüchten: Ethan H. SHAGAN, Rumours and Popular Politics in the Reign of Henry VIII, in: Tim Harris (Hg.), The Politics of the Excluded, c. 1500-1850, Basingstoke u.a. 2001, S. 30-66. Der Punkt der Aufmerksamkeit, die erst infolge von Phänomenen wie Konflikten entstand, ist in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Zur theoretischen Reflexion siehe etwa Alois HAHN, Aufmerksamkeit, in: Aleida & Jan Assmann (Hgg.), Aufmerksamkeiten. Archäologie der literarischen Kommunikation VII, München 2001, S. 25-56. Vgl. Wolfgang SCHMALE, Art. „Öffentlichkeit“, in: EdN 9 (2009), Sp. 358-362. SCHMALE, Öffentlichkeit, Sp. 360.

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mer wiederkehrenden Themen, die sich etwa in Begriffen wie dem Commonwealth manifestierten, konnten mitunter „besondere Nachrichten“ integriert werden, die aber für sich genommen keinesfalls Öffentlichkeit hätten konstituieren können. 161 Schmale hat damit implizit und explizit entscheidende Hinweise zur Re-Konzeptualisierung von Öffentlichkeit gegeben. Aus seinen Bemerkungen lässt sich erkennen, dass nicht jeder Versuch der Weitergabe von Nachrichten oder Informationen – selbst wenn er über publizistische Medien erfolgt – automatisch zur Herstellung einer Öffentlichkeit führt.162 Damit sich eine Öffentlichkeit konstituiert, muss eine Nachricht oder Information mit einem Wert versehen werden, der von allgemeinem Interesse erscheint und als solcher anerkannt wird. Anders gesagt, muss also die Information oder Nachricht zu einem Thema im öffentlichen Diskurs verwandelt werden, indem sie mit den zentralen Angelegenheiten und Belangen einer sozialen Gruppe oder eines Gemeinwesens verbunden wird.163 Ob eine derartige Operation erfolgreich war, zeigt sich letztlich an der Resonanz auf den versuchten Kommunikationsakt, an der überprüft werden kann, ob die ‚Thematisierung‘ einer bestimmten Information oder Nachricht gelungen und akzeptiert worden ist.164 Angesichts dessen muss grundlegend daran gezweifelt werden, dass der reine Akt des Publizierens Öffentlichkeit bereits herzustellen vermag, wie es in einer jüngeren Studie konstatiert wird.165 Freilich weist diese Perspektive gerade für die historische Forschung eine nicht zu unterschätzende methodische Problematik auf: So können für weite Teile der vormodernen Gesellschaft häufig konkrete Reaktionen auf die Veröffentlichung einzelner gedruckter Medien aufgrund fehlender oder verloren gegangener Überlieferung nicht verfolgt werden.166 Deshalb wählt die vorliegende Ar161 SCHMALE, Öffentlichkeit, Sp. 360. 162 So auch die Meinung bei Oliver MARCHART, Der Apparat und die Öffentlichkeit. Zur medialen Differenz von Politik und dem Politischen, in: Daniel Gethmann / Markus Stauff (Hgg.), Politiken der Medien, Freiburg/Berlin 2004, S. 19-37, hier S. 35. 163 Niklas Luhmann definiert Themen als Sinnkomplexe, „über die man reden und gleiche, auch verschiedene Meinung haben kann […]. Solche Themen liegen als Struktur jeder Kommunikation zugrunde, die als Interaktion zwischen mehreren Partnern geführt wird. Sie ermöglichen ein gemeinsames Sich beziehen auf identischen Sinn und verhindern das Aneinandervorbeireden“. Niklas LUHMANN, Öffentliche Meinung, in: Ders., Politische Planung. Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung, Opladen 1971, S. 2-28, hier S. 13. 164 Siehe zu diesem Vorgang exemplarisch Hubert KNOBLAUCH, Der Topos der Spiritualität. Zum Verhältnis von Kommunikation, Diskurs und Subjektivität am Beispiel der Religion, in: Reiner Keller et al. (Hgg.), Diskurs – Macht – Subjekt. Theorie und Emperie von Subjektivierung in der Diskursforschung, Wiesbaden 2012, S. 247-264. 165 Vgl. dazu Eva-Maria SCHNURR, Religionskonflikt und Öffentlichkeit. Eine Mediengeschichte des Kölner Krieges (1582-1590), Köln u.a. 2009, S. 35, Anm. 90: „Etwas zu publizieren ist ein Akt der Kommunikation, der Öffentlichkeit bewusst herstellt.“; eine ähnlich kritische Ansicht zur Funktion von Druckmedien scheint sich auch im Stufenmodell von Kai Nürnberger anzudeuten. Siehe Kai NÜRNBERGER, Die Kunst der Information. König Wilhelm III. und die Medien seiner Zeit, Heidelberg 2003, S. 97-107. 166 Freilich gibt es inzwischen eine Reihe exemplarischer Studien zu den Lese-, Rezeptionsund Verarbeitungsprozessen in der Vormoderne. Siehe u.a. Kevin SHARPE / Steven N.

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beit einen anderen Zugang, der die jeweiligen Konflikte ins Zentrum rückt. Im Hinblick auf die Frage, wie man die Funktion bzw. den Status publizistischer Quellen als öffentlichkeitswirksame Texte methodisch überhaupt sichern kann, sind die ausgewählten Antagonismen von besonderem Wert. Vor dem Hintergrund der neueren Überlegungen zum Phänomen der Öffentlichkeit kann nämlich davon ausgegangen werden, dass sich im Rahmen dieser Konflikte jeweils eine zeitgenössische Form von Öffentlichkeit gebildet hat. Diese Annahme ergibt sich, sobald man die neueren Erkenntnisse zum Thema mit Studien, die Kommunikation im Raum des Politischen untersuchen, verbindet.167 Die im Gefolge jener Arbeiten vorgenommene Differenz zwischen der Politik und dem Politischen hat zugleich Auswirkungen auf die Konzeption einer vormodernen Öffentlichkeit, wenn man die Überlegungen zum Raum des Politischen als Kriterium für deren Konstitution und Charakteristik zugrunde legt. Nach Gesa Blum und anderen zeichnet sich der Raum des Politischen gerade dadurch aus, dass er von Konflikthaftigkeit geprägt ist. Es ist eine Sphäre, die sich immer dann konstituiert, wenn es zur Ausbildung konfligierender Weltdeutungsangebote kommt, die über die regulären politischen Instanzen nicht mehr verregelt oder deren Widersprüche nicht mehr invisibilisiert werden können. 168 Dies ist der Moment, in dem realisiert wird, dass die Dinge auch anders liegen könnten, wodurch bislang geglaubte und nicht hinterfragte Wahrheiten plötzlich kontingent erscheinen. Wie Oliver Marchart zusammenfassend dazu bemerkt hat, entspringt diese Erfahrung „nicht nur Momenten allgemeiner Krise, sondern im Besonderen Momenten des Konflikts, in dem das Aufeinanderprallen sozialer Kräfte Kontingenzbewusstsein erzeugt“169. ZWICKER, Introduction: discovering the Renaissance reader, in: Dies. (Hgg.), Reading, Society and Politics in Early Modern England, 3. Aufl., Cambridge 2005, S. 1-37; Guglielmo CAVALLO / Roger CHARTIER (Hgg.), Die Welt des Lesens. Von der Schriftrolle zum Bildschirm, Frankfurt a. M./New York 1999, hier bes. Kap. 7-10; Roger CHARTIER, Lesewelten. Buch und Lektüre in der frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. u.a. 1990; DERS., The Cultural Uses of Print in Early Modern France, Princeton 1987; James RAVEN et al. (Hgg.), The Practice and Representation of Reading in England, Cambridge 1996; Lisa JARDINE / Anthony GRAFTON, „Studied for Action“: How Gabriel Harvey read his Livy, in: P & P 129 (1990), S. 30-78; Robert DARNTON, Leser reagieren auf Rousseau: Die Verfertigung der romantischen Empfindsamkeit, in: Ders., Das große Katzenmassaker. Streifzüge durch die französische Kultur vor der Revolution, München 1989, S. 245-290; Natalie Zemon DAVIS, Buchdruck und Volk, in: Dies., Humanismus, Narrenherrschaft und die Riten der Gewalt. Gesellschaft und Kultur im frühneuzeitlichen Frankreich, Frankfurt a. M. 1987, S. 210-249; Carlo GINZBURG, Il formaggio e i vermi. Il cosmo di un mugnaio del ‘500, Turin 1976, dt.: Der Käse und die Würmer. Die Welt eines Müllers um 1600, Frankfurt a. M. 1979, hier 7. Aufl., Berlin 2011. 167 Siehe inter alia BLUM, Diskursiver Wandel; STEINMETZ, Neue Wege; LANDWEHR, Diskursgeschichte als Geschichte des Politischen; STOLLBERG-RILINGER, Kulturgeschichte; MERGEL, Überlegungen; ROSANVALLON, histoire conceptuelle; MARCHART, Politische Differenz. 168 Vgl. BLUM, Diskursiver Wandel, S. 188; ROSANVALLON, histoire conceptuelle, S. 30; MOUFFE, Über das Politische, S. 16; so auch MARCHART, Apparat, S. 30-33. 169 MARCHART, Politische Differenz, S. 80.

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Für die Konstitution und Charakteristik einer Form von Öffentlichkeit im 16. Jahrhundert können ähnliche Merkmale postuliert werden. 170 Demnach zeichnet sich die Entstehung von Öffentlichkeit primär durch einen fundamentalen Antagonismus aus, in dessen Rahmen zentrale Fragen der Legitimität von Herrschaft, der Vergemeinschaftung sowie der Herstellung und Perpetuierung einer allgemeinverbindlichen Ordnungsstruktur verhandelt werden. Diese Form der Öffentlichkeit darf jedoch nicht als stehendes Korrektiv staatlicher Handlungen im Sinne Jürgen Habermas’ gedacht, sondern muss als Manifestation eines Bruchs der Sozialität aufgefasst werden, der von den Zeitgenossen insgesamt als unnatürlicher Zustand betrachtet wurde und deshalb schnellstmöglich zugunsten der erneuten Herstellung von Eintracht und Harmonie überwunden werden sollte.171 Öffentlichkeit, die im Grunde die Voraussetzung für den vielfach unterstellten Wirkungsgrad publizistischer Quellen darstellt, ist im 16. Jahrhundert – so kann resümiert werden – ein allenfalls temporäres Phänomen, das nicht unabhängig von antagonistischen Konflikten existiert, sondern vielmehr ursächlich mit ihnen zusammenhängt. Oliver Marchart bemerkte dazu: „So gibt es nicht ‚die Öffentlichkeit‘, in der es zum Konflikt kommen kann oder nicht, die also unberührt davon wäre, was in ihr vorgeht, sondern Öffentlichkeit ist dort und nur dort, wo An172 tagonismus ist – und umgekehrt produziert Antagonismus notwendigerweise Öffentlichkeit.“ 170 Wenn an dieser Stelle von ‚der Öffentlichkeit‘ die Rede ist, dann sind damit explizit nicht jene in der Forschung zuletzt mehrfach untersuchten und thematisierten ‚Öffentlichkeiten‘ gemeint. Obwohl Forderungen und erste Ansätze bereits vorhanden sind, fehlt es bislang an einer grundlegenden theoretischen Aufarbeitung des Themas seitens der historischen Forschung, die etwa auch das Verhältnis zwischen der Öffentlichkeit und den immer wieder postulierten (Teil-) Öffentlichkeiten reflektiert. Vgl. dazu u.a. die Forderung bei Karen LAMBRECHT, Kommunikationsstrukturen und Öffentlichkeiten in ostmitteleuropäischen Zentren um 1500 – Forschungsstand und Perspektive, in: JbKG 2 (2000), S. 1-23, hier S. 2; die Kritik bei Franz MAUELSHAGEN, Öffentlichkeit und Vernetzung in Forschungen zur Vormoderne (Mittelalter und Frühe Neuzeit), in: Luisa Rubini / Alexander Schwarz (Hgg.), Stimmen, Texte und Bilder zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, Bern u.a. 2009, S. 237-267 und Harold MAH, Phantasies of the Public Sphere: Rethinking the Habermas of Historians, in: JModH 72 (2000), S. 153-182 sowie den Beitrag von Arié MALZ, Der Begriff „Öffentlichkeit“ als historisches Analyseinstrument, in: Romy Günthart / Michael Jucker (Hgg.), Kommunikation im Spätmittelalter. Spielarten – Wahrnehmungen – Deutungen, Zürich 2005, S. 13-26; hilfreich zur Klärung des Problems erscheinen zudem die Bemerkungen bei Oliver MARCHART, Kunst, Raum und Öffentlichkeit(en). Einige grundsätzliche Anmerkungen zum schwierigen Verhältnis von Public Art, Urbanismus und politischer Theorie, in: Andreas Lechner / Petra Maier (Hgg.), Stadtmotiv, Wien 1999, S. 96-158, online unter URL: [14.04.2017]. 171 Vgl. dazu die Bemerkungen bei Peter LAKE / Steven PINCUS, Rethinking the Public Sphere in Early Modern England, in: JBS 45 (2006), S. 270-292, hier S. 289 und passim; eine ähnliche Version des Aufsatzes findet sich als Einleitung in Dies. (Hgg.), The politics of the public sphere in early modern England, Manchester/New York 2007, S. 1-30. 172 Siehe MARCHART, Apparat, S. 35; ähnlich LAKE / PINCUS, Public Sphere, S. 289; LAMBRECHT, Kommunikationsstrukturen, S. 4.

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Die sich hier vorübergehend konstituierende Öffentlichkeit unterscheidet sich in einem weiteren wichtigen Punkt von jener bürgerlich-räsonierenden Variante habermas‘scher Prägung, weil sie von den bestehenden Machtverhältnissen durchdrungen ist. Es muss geradezu als ein charakteristisches Merkmal aufgefasst werden, dass die verschiedenen Akteure versuchten, in dem hier stattfindenden Kampf um die Durchsetzung einer allgemeinverbindlichen Wahrheit die vorherrschenden Machtverhältnisse, bestehende Konventionen und tradierte Wissensbestände oder ihren eigenen Status bestmöglich einzusetzen und zur Geltung zu bringen.173 Dazu konnten unter anderem Gemeinplätze wie das Commonwealth (im Sinne des bonum commune) dienen, die im Grundsatz von keiner Seite angezweifelt werden konnten, den Akteuren gleichzeitig jedoch einen gewissen Spielraum eröffneten, um ihre eigenen Ansichten und Interessen zu artikulieren.174 Infolge der Reformation trat hier mit der ‚religiösen Wahrheit‘ ein weiterer Gemeinplatz hinzu, der zwar nicht den gleichen Kontext klassischer Tropen und republikanischer Tugenden evozierte, aber dennoch in essenzieller Weise die Wohlfahrt des Gemeinwesens adressierte.175

173 Dies kann auch im Sinne von Zensurmaßnahmen gesehen werden, die im England des 16. Jahrhunderts nicht nur von der Obrigkeit, sondern ab 1557 zum Beispiel auch von der Stationers’ Company durchgeführt worden sind. Vgl. etwa Annabel PATTERSON, Censorship and Interpretation. The Conditions of Writing and Reading in Early Modern England, Madison (WI)/London 1984; Cyndia S. CLEGG, Press Censorship in Elizabethan England, Cambridge 1997; zur Stationers’ Company zuletzt Peter W. M. BLAYNEY, The Stationers’ Company and the printers of London 1501-1557, 2 Bde., Cambridge 2013; siehe zu den Unterschieden zwischen einer machtfreien Konzeption der Öffentlichkeit bei Habermas und einer von Machtverhältnissen durchdrungenen etwa MAH, Phantasies; MARCHART, Öffentlichkeit(en). Dies muss etwa im Gegensatz zu den Ausführungen von Maren RICHTER, „Prädiskursive Öffentlichkeit“ im Absolutismus? Zur Forschungskontroverse über Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, in: GWU 59 (2008), S. 460-475 betont werden. 174 Wichtig war, dass eine legitime Sprecherposition erzeugt werden musste, um an den Auseinandersetzungen über grundlegende Fragen des Politischen in der entstandenen Öffentlichkeit partizipieren zu können. Die Inanspruchnahme bzw. der Rekurs auf solche Gemeinplätze ermöglichte respektive erleichterte in der Regel die Kreation einer derartigen Position. Siehe dazu LAKE / PINCUS, Public Sphere, S. 275-277; Conal CONDREN, Public, Private and the Idea of the ‚Public Sphere‘ in Early-Modern England, in: Intellectual History Review 19 (2009), S. 15-28; zur Notwendigkeit, legitime Sprecherrollen kreieren zu müssen, auch MAH, Phantasies, S. 164-168; zur Funktion des Commonwealth-Begriffs BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth; Herfried MÜNKLER / Harald BLUHM, Einleitung: Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale Leitbegriffe, in: Dies. (Hgg.), Zwischen Normativität und Faktizität [Forschungsberichte der interdisziplinären Arbeitsgruppe „Gemeinwohl und Gemeinsinn“ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 4], Berlin 2002, S. 9-30. 175 Vgl. LAKE / PINCUS, Public Sphere, S. 276f; CONDREN, Public Sphere, S. 23; RUBLACK, Reformation; zur Verbindung religiöser Argumentationsmuster mit grundlegenden Fragen politischer Herrschaft u.a. SCHORN-SCHÜTTE, Vorstellungen von Herrschaft; DIES. / TODE, Debatten; von FRIEDEBURG / DIES. (Hgg.), Politik und Religion; DIES., Kommu-

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Vor dem Hintergrund dieser Bestimmung von Öffentlichkeit als eines genuin politischen Phänomens, das einen fundamentalen Antagonismus innerhalb des Gemeinwesens anzeigt, bekommen letztlich auch die herangezogenen publizistischen Quellen ihre Relevanz.176 Als ein wesentlicher Bestandteil dieses Konflikts werden sie von obrigkeitlicher Seite, von Anhängern und Widersachern der jeweiligen Machthaber bzw. von Befürwortern oder Gegnern einer bestehenden Ordnung eingesetzt, um eine bestimmte Form der Sinnstiftung zu propagieren oder zu verteidigen. Sie dienen dazu, Orientierungswissen bereitzustellen, zu überzeugen und dabei gleichzeitig gegen anders gelagerte Deutungs- und Wahrnehmungsmuster zu polemisieren und diese im Diskurs zu diffamieren und diskreditieren. In diesen Quellen manifestieren sich für die ausgewählten Zeiträume somit nicht nur die tagespolitisch aktuellen Debatten und Konflikte über zentrale Fragen der Vergemeinschaftung, sondern sie geben zugleich jene Argumentationsstrategien, Deutungs- und Wahrnehmungsmuster wider, welche die an der Öffentlichkeit der Zeit partizipierenden Akteure selbst benutzt haben, um die bestehenden Grundsatzkonflikte zu lösen.177 Hier bekommen die ausgewählten publizistischen Medien ihre spezifische Relevanz, weil sie aktiv in einen aktuellen politischen Aushandlungsprozess involviert waren. In dieser Hinsicht waren sie Teil einer politischen Praxis, die darauf abzielte, den entstandenen Konflikt in der einen oder anderen Weise aufzulösen.

nikation über Politik; ferner PEČAR / TRAMPEDACH (Hgg.), Die Bibel als politisches Argument; PEČAR, Macht der Schrift. 176 Bereits Richard Cole hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass ein Anstieg der Produktion bzw. des Verkaufs gedruckter Medien in Zeiten großer Spannung zu beobachten sei. Siehe Richard G. COLE, The Reformation in Print: German Pamphlets and Propaganda, in: ARG 66 (1975), S. 93-102, hier S. 98; dieser Anstieg darf nicht nur, muss aber auch infolge einsetzender Propagandakampagnen gesehen werden. In der Forschung wird für dieses Phänomen zuweilen der Begriff der „Federkriege“ bzw. „Pamphlet Wars“ gebraucht. Siehe dazu WÜRGLER, Medien, S. 128f; DEEN / ONNEKINK / REINDERS, Pamphlets, S. 5; RAYMOND, Pamphlets, S. 27 und Kap. 2 spricht sogar von „paper bullets“ hinsichtlich der Marprelate-Affäre; daneben sollte freilich berücksichtigt werden, dass Kriege und Konflikte nicht nur Anlass zu Propaganda boten, sondern auch ein grundlegendes Bedürfnis nach Information weckten, das von einem Markt bedient werden konnte. Den kommerziellen Charakter betonen u.a. BELLINGRADT, Flugpublizistik, S. 18; Johannes ARNDT / Esther-Beate KÖRBER, Einleitung: Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit 1600-1750, in: Dies. (Hgg.), Mediensystem, S. 1-23, hier S. 5; Peter BURKE, Wissen verkaufen: Markt und Druckgewerbe, in: Ders., Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001, S. 175-205; Craig E. HARLINE, Pamphlets, printing, and political culture in the early Dutch Republic, Dordrecht u.a. 1987, S. 78 & 105; wie freilich DEEN / ONNEKINK / REINDERS, Pamphlets, S. 20-22 betonen, mussten sich kommerzielle und politische Intentionen nicht ausschließen. So steht es außer Frage, dass sich auch in ‚Auftragsarbeiten‘ Stereotype und Argumentationsmuster wiederfanden, die für propagandistische Zwecke benutzt werden konnten oder einer bestimmten Weltsicht entsprangen. 177 Die Quellen spiegeln somit nicht nur politische Prozesse wider, sondern sind selbst aktiver Teil deren Gestaltung.

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Die Idee göttlicher Erwählung entstand im Rahmen dieser Aushandlungsprozesse sehr wahrscheinlich als eine neue Möglichkeit, die Konflikte der Zeit zu bearbeiten und aufzulösen. Aus diesem Grund kam es im Rahmen der ausgewählten Antagonismen immer wieder zu ihrer Heranziehung und Verargumentierung. Eine Auswertung der publizistischen Quellen verspricht in diesem Fall also Aufschluss über die zeitgenössischen Verwendungsweisen und Bedeutungszuschreibungen, die mit der Idee verbunden worden sind. Durch die chronologische Anordnung der Fallstudien sollen darüber hinaus die Veränderungs- und Anpassungsvorgänge reflektiert werden, denen die Idee aufgrund der fortschreitenden Zeit und eines damit potenziell verbundenen Lernprozesses ausgesetzt war. Um die Kontextualisierung der Idee im Rahmen der untersuchten Konfliktphasen zu vervollständigen, wurde neben dem publizistischen Material auch die Aktenüberlieferung herangezogen. Einschränkend muss hier freilich gesagt werden, dass dies nur insofern geschah, als es unmittelbar zur Aufbereitung und zum besseren Verständnis der konkreten Auseinandersetzung nützlich erschien. Auch wurden in diesem Fall vorwiegend die edierten Aktenbestände konsultiert, wie sie sich unter anderem in den großen Reihen der Letters and Papers oder der diversen State PapersSerien niederschlagen.178 Nur in Ausnahmefällen, wenn beispielsweise strittige, unklare oder fehlerhafte Datierungen, Transkriptionen oder Zuordnungen in den genannten Reihen vorlagen, wurde hier zusätzlich das einschlägige Archivmaterial benutzt. Eine Ausnahme bildet in gewisser Weise das letzte Fallbeispiel zu Irland. Bis ins 17. Jahrhundert hinein gab es auf der Insel kein nennenswertes Druckgewerbe; Irland war weitgehend geprägt durch eine mündliche Kultur, die allenfalls von Handschriften flankiert wurde.179 Weder die gälischen Fürsten noch die verschiedenen englischen Siedler bemühten sich nachhaltig darum, die neue Technik des Buchdrucks einzuführen oder zu popularisieren. So mussten gedruckte Bücher entweder aus England oder vom Kontinent bezogen werden.180 Vor diesem Hintergrund ist festzuhal178 Siehe dazu die entsprechenden Hinweise in den einzelnen Kapiteln. 179 Marc CABALL / Andrew CARPENTER (Hgg.), Oral and Print Culture in Ireland, 16001900, Dublin 2010; Marc CABALL / Kaarina HOLLO, The literature of later medieval Ireland, 1200-1600: from the Normans to the Tudors, in: Margaret Kelleher / Philip O’Leary (Hgg.), The Cambridge History of Irish Literature, Bd. 1: To 1890, Cambridge 2006, S. 74-139; Raymond GILLESPIE, Reading Ireland. Print, reading and social change in early modern Ireland, Manchester/New York 2005, S. 26-51; Brian Ó CUIV, The Irish Language in the Early Modern Period, in: A New History of Ireland, Bd. 3: Early Modern Ireland 1534-1691, hrsg. von Theodore W. Moody / Francis X. Martin / Francis J. Byrne, Neuauflage Oxford 2003, S. 509-545. 180 Robert WELCH, The book in Ireland from the Tudor re-conquest to the battle of the Boyne, in: Barnard / McKenzie / Bell (Hgg.), The Cambridge History of the Book in Britain, Bd. 4, S. 701-718; Raymond GILLESPIE, Print culture, 1550-1700, in: Ders. / Andrew Hadfield (Hgg.), The Irish Book in English 1550-1800, Oxford 2006, S. 17-33; DERS., Reading Ireland, S. 55-74; DERS., The book trade in southern Ireland, 1590-1640, in: Gerald Long (Hg.), Books Beyond the Pale. Aspects of the provincial book trade in Ireland before 1850, Dublin 1996, S. 1-17; siehe auch den Eintrag „Publishing in English“, in: The Oxford Companion to Irish Literature, hrsg. von Robert WELCH, Oxford

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ten, dass sämtliche publizistischen Werke, die dem irischen Fallbeispiel zugeordnet werden können, in England gedruckt worden sind. Daneben hat sich für die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts im Hinblick auf den irischen Raum ein eigenes ‚Genre‘ gebildet, das sich mit den Problemen der Reorganisation, ‚Zivilisierung‘ und Reformation der autochthonen Bevölkerung befasst. Charakteristisch für diese Texte ist zum einen ihre stereotype Sichtweise der irischen Bevölkerung, die zumeist in pejorativen Beschreibungen und Bewertungen kulminiert.181 Zum anderen zeichnen sich diese Werke in formaler Hinsicht oftmals durch ihren Status als Manuskripte aus.182 Obwohl sie nicht gedruckt wurden, konnten diese Schriften doch einen erheblichen Einfluss auf die Wahrnehmung und Deutung der irischen Verhältnisse ausüben.183 Zuweilen müssen deren Möglichkeiten, bestimmte Vorstellungen in einer spezifischen Schicht von Entscheidungsträgern sowie einer begrenzten Zahl weiterer Beteiligter effektiv und nachhaltig zu propagieren, sogar höher eingeschätzt werden, als jene der Druckmedien.184 Die Gründe hierfür konnten verschiedener Art sein: Einer-

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1996, S. 484f; Vincent KINANE, Art. „printing and publishing“, in: The Oxford Companion to Irish History, hrsg. von Sean J. Connolly, 2. Aufl., Oxford 2007, S. 486f. Überblicke zu dieser Literatur finden sich bei Edward M. HINTON, Ireland through Tudor Eyes, Philadelphia 1935; David B. QUINN, The Elizabethans and the Irish, Ithaca 1966; Robert D. EDWARDS / Mary O’DOWD, Sources for Early Modern Irish History, 15341641, Cambridge 1985; Andrew HADFIELD / John MCVEACH (Hgg.), Strangers to that Land. British Perceptions of Ireland from the Reformation to the Famine, Gerrards Cross 1994. Vgl. WELCH, Book in Ireland, S. 710f; Andrew HADFIELD, Edmund Spenser’s Irish Experience. Wilde Fruit and Salvage Soyl, Oxford 1997, S. 82 sowie die Anm. 107. Das sicherlich herausstechende Beispiel hierfür ist Edmund Spensers A View of the Present State of Ireland. Das Manuskript wurde zwischen 1596 und 1598 fertiggestellt; im Druck erschien es jedoch zuerst 1633 in einer korrigierten Fassung zusammen mit zwei anderen Darstellungen. Dessen ungeachtet haben sich bis heute zahlreiche Manuskriptkopien des Textes erhalten. Unter den Besitzern befanden sich auch Personen wie Arthur Chichester, Lord-Deputy of Ireland von 1604-1613 oder Robert Devereux, der zweite Graf von Essex. Siehe zu den einzelnen Manuskripten sowie zu Auszügen aus dem Text den Eintrag „Edmund Spenser, A View of the Present State of Ireland“, in: CATALOGUE OF ENGLISH LITERARY MANUSCRIPTS 1450-1700, betreut von Peter Beal, online unter URL: [14.04.2017], hier die Einträge SpE 45 bis SpE 64; ferner die Angaben bei Rudolf GOTTFRIED (Hg.), Spenser’s Prose Works [The Works of Edmund Spenser, A Variorum Edition, Vol. 10], 3. Aufl., Baltimore 1966, Appendix III, S. 506-516; v.a. Nicholas Canny bescheinigt dem Werk von Spenser eine immense Wirkung auf die Herausbildung englischer Strategien im Umgang mit der irischen Bevölkerung. Siehe dazu nur Nicholas CANNY, Making Ireland British, 1580-1650, Oxford 2001, Kap. 1: Spenser Sets The Agenda; kritisch hingegen zeigt sich v.a. Ciaran Brady, was Stellung und Wirkung von Spensers Schrift angeht. Siehe dazu in Kurzform seinen Beitrag Spenser, Plantation, and Government Policy, in: Richard A. McCabe (Hg.), The Oxford Handbook of Edmund Spenser, Oxford 2010, S. 86-105, hier S. 102. Die Debatte zwischen Canny und Brady wird im Abschnitt D eingehender behandelt. Vgl. dazu Harold LOVE, Scribal Publication in Seventeenth-Century England, Oxford 1993, hier bes. S. 177-191, der zudem betont, dass die Zirkulation von Manuskripten und

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seits ist in diesem Fall vermutet worden, dass eine vorwiegend handschriftliche Zirkulation auf Befindlichkeiten der Regierung reagierte, die Publikationen zum irischen Raum und Konflikt nicht gerne sah und ab Mitte des Jahres 1599 offenbar sogar unter Todesstrafe stellte.185 Andererseits schien sich das Medium auch anzubieten, weil darüber die teilweise radikalen und brutalen Vorschläge der Texte schnell, effizient und vor allem relativ kontrolliert an eine spezifische Adressatengruppe kommuniziert werden konnten, ohne dass die womöglich von einem breiteren Publikum als anstößig empfundenen Inhalte allgemein bekannt geworden wären.186 Besonders im irischen Fall ist daher das Zusammenwirken von handschriftlichen und gedruckten Texten zu berücksichtigen, über das erst ein adäquates Bild der englischen Wahrnehmung und Deutung der irischen Problematiken im Rekurs auf die Erwählungsidee gezeichnet werden kann. *** Abschließend und kurz zusammengefasst kann also gesagt werden: Die Studie versucht sich von einer vorgeprägten nationalen und modernisierungstheoretischen Perspektive auf das Thema frei zu machen. Dabei scheint in grundlegender Hinsicht das methodische Instrumentarium der Neueren Ideengeschichte hilfreich, das in erster Linie eine radikale Kontextualisierung der zu untersuchenden Idee fordert. Die ausgewählten Konfliktphasen sollen hier sicherstellen, dass diese Forderung auch hinsichtlich der Relevanz der herangezogenen Quellen methodisch gesichert umgesetzt wird. den darin präsentierten Ideen in einer bestimmten Gruppe zur Förderung eines Solidaritätsgefühls beitragen könne; DERS., Oral and scribal texts in early modern England, in: Barnard / McKenzie / Bell (Hgg.), The Cambridge History of the Book in Britain, Bd. 4, S. 97-126, hier S. 105-112; ähnlich Michelle O’CALLAGHAN, Publication: Print and Manuscript, in: Michael Hattaway (Hg.), A New Companion to English Renaissance Literature and Culture, 2 Bde., hier Bd. 1, Malden (WI) 2010, S. 160-176, bes. S. 162-165; vgl. auch Henry R. WOUDHUYSEN, Sir Philip Sidney and the circulation of manuscripts 15581640, Oxford 1996. 185 So schildert die Situation zumindest George Fenner in einem Brief vom 30. Juni 1599, in: Calendar of State Papers, Domestic Series of the Reigns of Edward VI., Mary, Elizabeth I. (James I.), preserved in the State Papers Department of Her Majesty’s Public Record Office, 12 Bde., London 1856-1872, hier Bd. 5: 1598-1601, London 1869, S. 225-227, hier S. 225: „It is forbidden, on pain of death, to write or speak of Irish affairs; what is brought by the post is known only to the Council.“ 186 Siehe dazu Andrew HADFIELD, Censoring Ireland in Elizabethan England, 1580-1600, in: Ders. (Hg.), Literature and Censorship in Renaissance England, Houndmills u.a. 2001, S. 149-164, hier S. 152-158; DERS., Spenser’s Irish Experience, S. 83f; so auch LOVE, Scribal Publication, S. 185; freilich konnten auch Manuskripte in einen Kreislauf des Kopierens und Wiederkopierens verwickelt werden, der eine Eigendynamik entwickelt und dadurch der Kontrolle des Autors entgleitet. Siehe dazu etwa das zeitgenössische Beispiel John Donnes bei Peter BEAL, John Donne and the circulation of manuscripts, in: Barnard / McKenzie / Bell (Hgg.), The Cambridge History of the Book in Britain, Bd. 4, S. 122126, hier S. 124; ein späteres Beispiel für diese Eigendynamik liefert Robert DARNTON, Poesie und Polizei. Öffentliche Meinung und Kommunikationsnetzwerke im Paris des 18. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 2002.

B. Konstruktion einer ägyptischen Knechtschaft, Auszug aus‚Ägypten‘ und die Erwählung des Königs (c. 1527 – 1538)

1. D ER VON G OTT ERWÄHLTE H ERRSCHER : E INE ERSTE ANNÄHERUNG Katherine Parr, die letzte Frau Heinrichs VIII., schrieb in ihrer „Lamentacion of a synner“ über ihren Gatten: „But our Moyses, & moste godlye, wise gouerner and king hath delyuered vs out of the captiuitie and bondage of Pharao. I mene by this Moyses, king Henry the eight my most soraigne fauourable lord & husba[n]d, one […] through the excelle[n]t grace of god, mete to be an other expressed veritie of Moses co[n]quest ouer Pharao. And I mene by this Pharao the bishop of Rome, who hathe bene, and is a greater persecutor of al true christians, the[n] euer was Pharao, 1 of the children of Israel.“

Parr fand in der Retrospektive für die wegweisenden Entwicklungen der frühen 1530er Jahre, die von der Forschung gerne als „politische Reformation“ bezeichnet werden, ein überaus treffendes Bild.2 An ihrer nachträglichen Rahmung der Geschehnisse ist für die Frage nach der Entstehung und Einführung der Idee göttlicher Erwählung im neuzeitlichen England vor allem ein Aspekt von Interesse. Dieser be-

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Katherine PARR, The lamentacion of a synner, London 1547 (STC2 4827/Cambridge University Library), fol. Dvir-v; zur Person Susan E. JAMES, Art. „Katherine, queen of England and Ireland“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2012, URL: [14.04.2017]; zuletzt auch Elizabeth NORTON, Catherine Parr, Stroud 2010, S. 121-134 zum Entstehungskontext der Lamentation; siehe ferner MCCONICA, English Humanists, S. 200-234. Zur ‚politischen Reformation‘ Heinrichs VIII., die noch kaum Auswirkungen auf die Glaubensvorstellungen und -praxis der breiten Masse gehabt hätte, u.a. HAIGH, English Reformations, S. 14 & 105-136; DERS., The English Reformation: A Premature Birth, A Difficult Labour and a Sickly Child, in: HJ 33 (1990), S. 449-459; George W. BERNARD, The King’s Reformation. Henry VIII and the remaking of the English church, New Haven/London 2005, S. 598-606; TYACKE, Introduction, passim.

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trifft das Verhältnis, das hier zwischen König Heinrich VIII. als mosaischem Befreier und dem Papst als pharaonischem Tyrann konstruiert wird. Im folgenden Kapitel soll argumentiert werden, dass jenes Verhältnis einen essenziellen Bestandteil der englischen Erwählungsvorstellungen in der Neuzeit bildete. Die grundlegende These dieses Abschnitts kann dahingehend zugespitzt werden, dass die Konstruktion einer päpstlichen Tyrannei und Unterdrückungssituation, welche die Herrschaft des Papstes sowie die Zustände in der katholischen Kirche mit den ägyptischen Verhältnissen vergleicht, die notwendige Voraussetzung darstellte, um die Rolle des Königs als von Gott erwähltem Befreier überhaupt konturieren zu können. Die von Katherine Parr aufgezeigte Relation zwischen englischem König und Papsttum markiert demnach ein Bedingungsverhältnis, welches meiner Meinung nach das wesentliche Konstituens der englischen Erwählungsvorstellungen der Neuzeit ausmachte, und die Grundlage für jenes Phänomen legte, das im Verlauf der Arbeit als Erwählungspolitik auf Grundlage des Exodus genauer analysiert werden soll. Kurz gesagt, war ohne Ägypten und den Pharao ein Exodus des englischen Volks, der von einer erwählten Führergestalt initiiert wird, nicht denkbar. Die von Katherine Parr beschriebene Konstellation ist nicht nur ein Beispiel für die zeitgenössische Aktualisierung der Exodus-Erzählung, sondern demonstriert zugleich eine fundamentale Differenzierung, welche die Welt in zwei konkurrierende und widerstreitende Pole aufteilt. Jan Assmann hat für dieses Phänomen den Begriff der „Mosaischen Unterscheidung“ geprägt, womit er vor allem im religiösen Bereich die Trennung von wahren und falschen Religionen bezeichnen möchte.3 Aufgrund der ontologischen Aufladung durch die religiöse Wahrheitssemantik stellt sich die Mosaische Unterscheidung für ihn als eine konfrontative Grundkonstellation dar, die ihren prägnantesten Ausdruck im Antagonismus Israel versus Ägypten finde. Ägypten symbolisiere in diesem Rahmen das religiös Unwahre, also vor allem Idolatrie und Heidentum und müsse daher ausgegrenzt und verworfen werden. 4 Ähnlich beurteilt auch Michael Walzer die Grundkonstellation von Israel und Ägypten im Exodus-Narrativ, wenn er dazu schreibt: „Ägypten wird nicht einfach zurückgelassen, sondern es wird abgelehnt, gerichtet und verurteilt.“ 5 Der Antagonismus Isra3

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Jan ASSMANN, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, 7. Aufl., Frankfurt a. M. 2011, S. 17-26; DERS., Die Mosaische Unterscheidung – oder der Preis des Monotheismus, München/Wien 2003; ASSMANN, Exodus, S. 106-119; das Modell Assmanns ist in Theologie und Religionswissenschaft teilweise scharf kritisiert worden. Siehe dazu Matthias SCHULZ, Das Testament des Pharao, in: Der Spiegel, Nr. 52/2006, S. 113-123 sowie die bei ASSMANN, Mosaische Unterscheidung, S. 193-286 dokumentierten Erwiderungen auf dessen Arbeit. ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 20; Michael Walzer betonte zudem, dass es ein bewusster Akt der Ablehnung und Verurteilung sein müsse, aus dem heraus sich das neue Regime zu einem verworfenen alten definiere und konstituiere. Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 31 & 34. WALZER, Exodus und Revolution, S. 31; siehe auch ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 20: „Die Mosaische Unterscheidung findet ihren Ausdruck in der Erzählung vom Auszug, griechisch: Exodus, der Kinder Israels aus Ägypten. So kam es, daß Ägypten zum Symbol des Ausgegrenzten, Verworfenen, religiös Unwahren und zum Inbegriff des ‚Heidentums‘ wurde.“

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el/Ägypten repräsentiert für Assmann eine spezifische „Erinnerungsfigur“, die hochgradig symbolisch sei und daher als Grundmuster und Leitdifferenz für zahlreiche weitere Unterscheidungen stehen könne.6 Entscheidend sei lediglich, dass die grundlegende Asymmetrie zwischen wahrer Religion und Götzendienst bzw. einem gegen Gott und dessen Gebote gerichteten Verhalten gewahrt bleibe.7 Die Einführung und Verfestigung der Mosaischen Unterscheidung im England des 16. Jahrhunderts war die primäre Leistung der henrizianischen Reformation und muss als Voraussetzung für die Etablierung einer Erwählungsidee angesehen werden. Die Frage ist freilich, wie es zur Einführung jener Mosaischen Unterscheidung im England der 1530er Jahre gekommen ist? Wie sich die Vorstellung der königlichen Erwählung daraus ableiten ließ? Und ob damit tatsächlich etwas genuin Neues verbunden war? In diesem Zusammenhang wies beispielsweise schon John McKenna auf die mittelalterlichen Vorläufer der Idee einer königlichen Erwählung hin.8 Die englischen Könige hätten demnach seit der Zeit Eduards III. (1312-1377) versucht, die in der französischen Monarchie vorhandenen Vorstellungen einer göttlichen Erwählung zu kopieren, um damit mit dem französischen König an Autorität gleichzuziehen und ihren Anspruch auf den Thron Frankreichs zu substantialisieren.9 Die Auseinandersetzung des Hundertjährigen Krieges habe sodann maßgeblich dazu beigetragen, dass derartiges Gedankengut in die politische Ideenwelt Englands Einzug

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Die Leitdifferenz wahr/falsch bot somit die Möglichkeit, eine ganze Reihe weiterer asymmetrischer Gegenbegriffe zu aktualisieren. Dazu konnte eine Licht-/Dunkel-Metaphorik gehören, die sich in weitere Gegensatzpaare wie Wissen/Unwissenheit, Erleuchtung/Verblendung etc. auffächerte, dabei aber stets den Bezug zur göttlichen Wahrheit bewahrte. Siehe dazu inter alia Otto BÖCHER, Art. „Licht und Feuer“, in: TRE 21 (1991), S. 83-119; Klaus THIEME, Worte des Lichts – Licht der Worte. Anmerkungen zur Geschichte des Lichts, in: Christina Lechtermann / Haiko Wandhoff (Hgg.), Licht, Glanz, Blendung. Beiträge zu einer Kulturgeschichte des Leuchtenden [Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik, N.F. Bd. 18], Berlin u.a. 2008, S. 37-48; Werner BEIERWALTES / Claus VON BORMANN, Art. „Licht“, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. von Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Bd. 5, Darmstadt 1980, Sp. 282-288; Craig KOSLOFSKY, Evening’s Empire. A History of the Night in Early Modern Europe, Cambridge 2011; zur reformatorischen Vereinnahmung auch John N. KING, „The Light of Printing“: William Tyndale, John Foxe, John Day, and Early Modern Print Culture, in: Renaissance Quarterly 54 (2001), S. 52-85. ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 21. John W. MCKENNA, How God became an Englishman, in: Delloyd J. Guth / Ders. (Hgg.), Tudor Rule and Revolution. Essays for G. R. Elton from his American friends, Cambridge 1982, S. 25-43; siehe neuerdings die umfassende Studie von Andreas KOSUCH, Abbild und Stellvertreter Gottes. Der König in herrschaftstheoretischen Schriften des späten Mittelalters [Passauer Historische Forschungen, Bd. 17], Köln u.a. 2011. Vgl. zu Autorität und königlichem Charisma die klassische Studie von Marc BLOCH, Les rois thaumaturges. Étude sur le caractère surnaturel attribué a la puissance royale particulièrement en France et en Angleterre, Straßburg 1924; dt. erschienen als DERS., Die wundertätigen Könige, München 1998; siehe auch Ernst KANTOROWICZ, The King’s two bodies. A study in medieval political theology, Princeton 1957, S. 42-86, 218-232.

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gehalten hätte.10 Worauf John McKenna und andere allerdings zu wenig Rücksicht nehmen, ist die Tatsache, dass weder im mittelalterlichen Frankreich noch in England unter Rückgriff auf die Vorstellung der Erwählung ein tatsächlicher Bruch mit der Kirche vollzogen wurde.11 Das Gedankengut konnte dazu eingesetzt werden, um eine größere Autonomie von der Kurie zu erstreiten und beispielsweise die päpstliche Jurisdiktionsgewalt im eigenen Herrschaftsbereich zurückzuweisen. 12 Aller-dings wurde darüber bis zum definitiven Bruch mit Rom unter Heinrich VIII. keineswegs der Primat des Papstes oder die grundsätzliche Zugehörigkeit der eigenen zur Papstkirche bestritten.13 Vor diesem Hintergrund muss zwar anerkannt werden, dass es bereits im Mittelalter Vorstellungen einer göttlichen Einsetzung des Herrschers gegeben hatte, auf die die henrizianischen Konstruktionen zurückgreifen konnten. Allerdings handelte es sich im Falle der englischen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts keineswegs lediglich um eine Art Resurgenz älterer Ideen, sondern die Handlungen Heinrichs VIII. in den 1530er Jahren müssen als ein deutlicher Bruch mit diesen älteren Vorstellungen an-

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Siehe MCKENNA, How God became an Englishman, S. 27-40; zu den frz. Vorstellungen Joseph R. STRAYER, France: The Holy Land, the Chosen People, and the Most Christian King, in: Theodore K. Rabb / Jerrold E. Seigel (Hgg.), Action and Conviction in Early Modern Europe. Essays in Memory of E. H. Harbison, Princeton 1969, S. 3-16. Wie Strayer und McKenna zudem betonen, wurde etwa der Status der französischen Erwählung sogar durch die Bulle Rex Glorie (1311) von Clemens V. offiziell bestätigt. Siehe STRAYER, France, S. 15; MCKENNA, How God became an Englishman, S. 26. Siehe zu den mittelalterlichen Diskussionen zusammenfassend Tilman STRUVE, Regnum und Sacerdotium, in: Iring Fetscher / Herfried Münkler (Hgg.), Pipers Handbuch der politischen Ideen, Bd. 2: Von den Anfängen des Islams bis zur Reformation, München 1993, S. 189-242; Walter ULLMANN, Principles of Government and politics in the middle ages, London 1961, S. 57-86; DERS., ‚This Realm of England is an Empire‘, in: JEH 30 (1979), S. 175-203; Heinrich VIII. hatte bereits 1515 Ähnliches erklärt: „[B]y the ordinance and sufferance of God we are king of England, and the kings of England in time past have never had any superior but God alone.“ Damit hätte er zugleich versucht, die päpstliche Jurisdiktionsgewalt in England und dem besetzten Tournai zu beschränken. Siehe Thomas F. MAYER, On the road to 1534: the occupation of Tournai and Henry VIII’s theory of sovereignty, in: Dale Hoak (Hg.), Tudor Political Culture, Cambridge 1995, S. 11-30, Zitat S. 13; der Versuch von Mayer, darin bereits erste Formen einer neuen Auffassung der königlichen Souveränität zu identifizieren, wie sie in den 1530er Jahren ausgebildert worden ist, wurde allerdings zuletzt etwa von Clifford Davies massiv kritisiert. Siehe Clifford S. L. DAVIES, Tournai and the English Crown, 1513-1519, in: HJ 41 (1998), S. 1-26. Vgl. dazu etwa Josef Johannes SCHMID, ‚No Bishops, No King‘ – Die „Religio Monarchica“ als unbeachtetes Element der Konfessionalisierungsdebatte, in: Thomas Brockmann / Dieter J. Weiß (Hgg.), Das Konfessionalisierungsparadigma. Leistungen, Probleme, Grenzen [Bayreuther Historische Kolloquien, Bd. 18], Münster 2013, S. 165-181, hier S. 175; BERNARD, The King’s Reformation, S. 26-43, 225-243; siehe dazu auch die klassische Studie von John N. FIGGIS, The Divine Right of Kings, Reprint der 2. Aufl., Cambridge 1922, S. 89-91.

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gesehen werden.14 Wegweisend für diesen Bruch war die Einführung der Mosaischen Unterscheidung, welche die eingeschliffenen Ordnungsmuster und traditionellen Denkrahmen der mittelalterlichen Welt hinterfragte und vielfach ablehnte. Die vollständige Negation päpstlicher Herrschaftsansprüche in England und die damit einhergehende Degradierung des Papstes zum Bischof von Rom15 sowie die Ausrufung der royal supremacy, in deren Zuge sich Heinrich VIII. zum Oberhaupt einer neu gegründeten Staatskirche erklärte16, müssen derart primär als Resultate und Konsequenzen der Einführung der Mosaischen Unterscheidung betrachtet werden. Zusammengenommen stellen diese Akte eine Politik der Innovationen und des Umbruchs dar, durch die sich das englische Gemeinwesen der Frühen Neuzeit von seinen ‚mittelalterlichen Zwängen‘ emanzipierte.17 Insbesondere John Scarisbrick verwies auf die Radikalität dieses Einschnitts, wurde doch zugleich mit der Erklärung der königlichen Suprematie die englische Staatskirche als „autokephalisches“ Gebilde begründet.18 Dieser Vorgang bedeutete eine erhebliche Ausweitung der Befugnisse des Königs, da er fortan ganz offiziell auf Kirchenstruktur, Liturgie und insbesondere auf das Dogma seiner Kirche Einfluss nehmen konnte. Der englische Monarch vereinte somit in seiner Person weitgehend die beiden Sphären der spiritualia und temporalia.19 Spätestens mit diesem Anspruch entfernte sich Heinrich VIII. dezidiert von sei-

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Als Überblick siehe dazu etwa HAIGH, English Reformations, S. 105-136; Eamon DUFFY, The Stripping of the Altars. Traditional Religion in England 1400-1580, New Haven/London 1992, hier Paperback Ed., 2. Aufl., New Haven/London 2005, S. 379-423. Siehe dazu An Acte extynguysshing the auctoryte of the Busshop of Rome, 1536, in: THE STATUTES OF THE REALM, printed by command of his Majesty King George the Third, 11 Bde., London 1810-1828, hier Bd. 3, 28° Hen. VIII, c. 10, S. 663-666. Vgl. An Act conc[er]nynge the Kynges Highnes to be supreme heed of the Church of Englande […], 1534, in: STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 1, S. 492. Siehe zur Bedeutung der Aktionen als entscheidende Zäsur etwa John J. SCARISBRICK, Henry VIII, Reprint London 1981, S. 324; ähnlich Daniel EPPLEY, Defending royal supremacy and discerning God’s will in Tudor England, Aldershot 2007, S. 5-8; MACCULLOCH, Reformation, S. 274; Henry CHADWICK, Royal ecclesiastical supremacy, in: Brendan Bradshaw / Eamon Duffy (Hgg.), Humanism, Reform and the Reformation. The career of Bishop John Fisher, Cambridge u.a. 1989, S. 169-203, hier S. 177; SCHMID, ‚No Bishops, No King‘, S. 175. SCARISBRICK, Henry VIII, S. 325; an dieser Stelle wurden auch Vergleiche mit der Ostkirche und der Position des oströmischen Kaisers gezogen, um die Bedeutung dieses Schrittes herauszustellen. Siehe dazu SCHMID, ‚No Bishops, No King‘, S. 175 und passim; CHADWICK, Royal Ecclesiastical Supremacy, S. 172-177. Eine Einschränkung muss dahingehend gemacht werden, dass der König für sich keine priesterlichen Amtskompetenzen reklamierte. Sein Anspruch auf eine Verfügungsgewalt im geistlichen Bereich resultierte vielmehr aus einer spezifischen Interpretation seines Königsamtes. Vgl. etwa Glenn BURGESS, British Political Thought, 1500-1660. The Politics of the Post-Reformation, Houndmills u.a. 2009, S. 42f; Francis OAKLEY, Edward Foxe, Matthew Paris, and the Royal Potestas Ordinis, in: SCJ 18 (1987), S. 347-354; ULLMANN, This Realm, S. 180f, 191-197.

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nen mittelalterlichen Vorgängern, die gerade dogmatische Fragen den geistlichen Würdenträgern überlassen hatten.20 Diese hier nur grob skizzierten Entwicklungen waren in erster Linie Auswirkungen der Einführung der Mosaischen Unterscheidung in England. Aus deren Logik leiteten sich in der Folge zahlreiche innovatorische Akte ab, wobei die Vorstellung einer Erwählung des Königs ohne Zweifel die wichtigste Errungenschaft dieser Phase darstellte. Sie bildete den letztlich entscheidenden Bezugspunkt, um die Politik der Neuerungen vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Debatten zu verteidigen und legtimieren.21 Ein wichtiger Punkt muss in diesem Zusammenhang festgehalten werden: Im Gegensatz etwa zum schottischen König Jakob VI. Ende des 16. Jahrhunderts, der für sich selbst eine ähnliche Form göttlicher Erwählung beanspruchte, wie sie auch Heinrich VIII. in den 1530er Jahren gepflegt hatte, drängte der englische König sehr früh und energisch darauf, sein persönliches Charisma durch Gesetze wie den Act of Supremacy oder den Act in Restraint of Appeals formalisieren zu lassen.22 Während der Stuart-König, wie Andreas Pečar vorgeführt hat, gerade hieran gescheitert war, konnte Heinrich VIII. dadurch seine persönliche Erwählung in formale Amtskompetenzen überführen, die somit in der Folge auch ‚vererbt‘ werden konnten.23 Dies hatte Auswirkungen auf die königliche Repräsentation der Erwählung, die an gegebener Stelle eingehend diskutiert werden.24 Die ideologische und institutionelle Verfestigung der Mosaischen Unterscheidung sowie die daraus hervorgehende Erwählung des Königs markieren den Bruch mit den mittelalterlichen Ordnungsmustern und zeigen gleichsam den ideellen Beginn von Englands neuzeitlicher Geschichte und Identität an. Den Ausgangspunkt für 20

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Gerade dieser Punkt wird von Eppley als wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu vorranggegangenen Herrschern genannt. Siehe EPPLEY, Royal Supremacy, S. 7; er folgt damit der Einschätzung von Leo SOLT, Church and State in Early Modern England, 15091640, New York/Oxford 1990, S. 40; John GUY, The Tudor Theory of ‚Imperial Kingship‘, in: History Review 17 (1993), S. 12-16, hier S. 12; Alec RYRIE, Divine Kingship and Royal Theology in Henry VIII’s Reformation, in: Reformation 7 (2002), S. 49-77, hier S. 59-63; CHADWICK, Royal ecclesiastical supremacy, S. 183f; SCHMID, ‚No Bishops, No King‘, S. 176f. Siehe ansatzweise dazu PEČAR, Macht der Schrift, S. 135; ferner Diarmaid MACCULLOCH, Henry VIII and the Reform of the Church, in: Ders. (Hg.), The Reign of Henry VIII. Politics, policy and piety, Basingstoke 1995, S. 159-180, hier S. 180. Der Act in Restraint of Appeals, in: STATUTES OF THE REALM III, 24° Hen. VIII, c. 12, S. 427-429; allerdings sollten dazu nicht nur Gesetze dienen, die der König zusammen mit dem Parlament erließ, sondern auch die verschiedenen Eide, die seine Untertanen auf die neuen Kompetenzen schwören mussten. Siehe dazu zuletzt Jonathan Michael GRAY, Oaths and the English Reformation, Cambridge 2013; Michael MAURER, Religiöse Eide zur Sicherung der politischen Loyalität in England, Irland und Schottland im Konfessionellen Zeitalter, in: Albrecht Beutel et al. (Hgg.), Aufgeklärtes Christentum. Beiträge zur Kirchen- und Theologiegeschichte des 18. Jahrhunderts, Leipzig 2010, S. 299-311. Siehe dazu Andreas PEČAR, Der König – Theologe und Prophet. Biblizistische Selbstdarstellung Jakobs VI./I. im Spiegel seiner Schriften, in: ZHF 35 (2008), S. 207-234, hier S. 224 und passim. Vgl. dazu die Diskussion in Kapitel 4.3.3.

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diesen Prozess bildeten die Konflikte um die Annullierung von Heinrichs erster Ehe. In deren Zuge wurden unterschiedliche Kritikpunkte an der katholischen Kirche, der Klerisei und dem Papsttum sukzessiv politisiert und zu einem Komplex von Stereotypen zusammengeführt, der die Stigmatisierung der Kurie sowie der von ihr ausgehenden Traditionslinie zum Ziel hatte. Die ‚alte Kirche‘ wurde in diesem Zuge nicht nur als hochgradig resistent gegenüber wichtigen inneren Reformprozessen präsentiert, sondern galt zudem als Institution, die aufgrund ihres Eigeninteresses notwendige Reformen für das gesamte Gemeinwesen blockiere. In diesem Rahmen konnte die Krone sodann auf länger bestehende anti-klerikale Kritiken sowie Elemente und Themen einer genuin evangelischen Kritik an der Papstkirche zurückgreifen. 25 Wichtig war, dass die Interessen der englischen Reformer im Punkt der Ablehnung des Papsttums und vieler damit einhergehender kirchlicher Praktiken und Vorrechte zum Teil mit den Interessen und politischen Zielen der Krone sowie verschiedener einflussreicher Gruppierungen wie den common lawyers oder den Londoner Kaufleuten konvergierten. Hier war somit die Möglichkeit gegeben, eine möglichst breit gestreute Kritik zu lancieren, durch die in der Folge die Einführung von religiösen und politischen Neuerungen erleichtert werden konnte.26 Umfangreiche Reformen waren somit ein von allen Beiteiligten geteiltes Ziel. Freilich evozierte der sukzessive Prozess der Zurückdrängung und schließlich vollständigen Zurückweisung der päpstlichen Präeminenz und einer hierdurch geprägten kirchlichen Traditionslinie ein erhebliches Maß an Unsicherheit für die Untertanen des englischen Königs. Die Loslösung und zunehmende Denunzierung der Kurie sowie die angestrebten Reformen stellten das englische Volk vor die Problematik, sich nun zwischen der Loyalität zur Krone oder Papsttum entscheiden zu müssen. Eine anwachsende Unsicherheit in Fragen des Dogmas, der Liturgie und Kirchenstruktur sowie des Kirchenrechts und Kirchenbesitzes ging damit einher.27 Da es sich hierbei zum Teil um Bereiche handelte, die eine geradezu existenzielle Dimension für die Menschen des 16. Jahrhunderts annehmen konnten, dürfen die Auswirkungen einer Loslösung von Rom sowie die Negation der spirituellen Macht des Papsttums für die Untertanen des englischen Königs keineswegs unterschätzt werden. Fragen der Heilsvermittlung oder nach dem legitimen Vollzug religiöser Handlungen spielten im alltäglichen Lebensvollzug der Gemeinden eine zentrale Rolle, wenn es beispielsweise um das Spenden der Sakramente oder die Funktion von Fege-

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Siehe dazu inter alia Alec RYRIE, The Gospel and Henry VIII. Evangelicals in the early English Reformation, Cambridge 2003; Ethan SHAGAN, Popular Politics and the English Reformation, Cambridge 2003; Peter MARSHALL, Religious identities in Henry VIII’s England, Aldershot 2006; Stanford E. LEHMBERG, The Reformation Parliament, 15291536, Cambridge 1970; HAIGH, English Reformations. Siehe dazu einführend den Beitrag von Christopher HAIGH, Anticlericalism and the English Reformation, in: Ders. (Hg.), The English Reformation revised, Cambridge 1987, hier Reprint Cambridge 2000, S. 56-74. Das Thema wird in einem eigenen Kapitel weiter vertieft werden. Vgl. grundlegend Richard REX, The Crisis of Obedience: God’s Word and Henry’s Reformation, in: HJ 39 (1996), S. 863-894; CHADWICK, Royal ecclesiastical supremacy, S. 170; MACCULLOCH, Henry VIII and the Reform of the Church, S. 172-174.

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feuer und Ablass ging.28 Das heißt, die Ablehnung des Papsttums sowie zentraler Bestandteile tradierter kirchlicher Praktiken konnten zu einer ontologischen Unsicherheitslage führen, die beseitigt werden musste. Ansonsten sahen sich die Verantwortlichen der Gefahr von Protesten, Unruhen und Revolten gegenüber.29 In dieser Hinsicht lässt sich zuletzt eine These zur spezifischen Funktion des Erwählungsdenkens unter Heinrich VIII. konturieren. So scheint es, dass dieses Gedankengut dazu eingesetzt worden war, um die innovativen Aktionen der englischen Krone, die aus der Abwertung und schließlichen Negation des päpstlichen Primats hervorgegangen sind, im zeitgenössischen Diskurs einzuführen sowie sie in der Folge zu legitimieren und zu validieren. Zwei Punkte müssen in diesem Zusammenhang festgehalten werden: Erstens deutet sich an, dass die Erwählung Heinrichs VIII., wie sie am Ende seiner Regierungszeit von Katherine Parr dargestellt worden ist, das Ergebnis eines antagonistischen Ringens zwischen englischer Krone und römischer Kurie war. Erst infolge der Entwicklung und Zuspitzung dieses Konfliktes wurde es zunehmend notwendig, die negierten Kompetenzen des Gegenübers durch die Proklamation eigener Vollmachten in den betreffenden Bereichen zu ersetzen. Dies war ein dialektischer Prozess, der sich über einen größeren Zeitraum hinzog, und bei dem die Abgrenzung zu einem ‚papistischen Anderen‘ eine zentrale Rolle spielte. Zweitens liegt aufgrund dieser Dialektik die Vermutung nahe, dass die Entwicklung der königlichen Erwählung den Prozessen der politischen Reformation der 1530er Jahre nicht vorgängig war, sondern vielmehr als ein Produkt der sich zuspitzenden Auseinandersetzung angesehen werden muss.30 In diesem Rahmem kommt es maßgeblich darauf an, wie sich die Vorstellung einer göttlichen Erwählung aus den Konflikten der Zeit heraus als eigenständiger Denkrahmen entwickelt hat. Diesen Vorgang gilt es auf den folgenden Seiten nachzuzeichnen, um dadurch ein konstitutives Merkmal des englischen Erwählungsdenkens herausarbeiten zu können, das in 28

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Siehe dazu DUFFY, Stripping of the Altars; MACCULLOCH, Reformation, S. 27-74; Christopher MARSH, Popular religion in sixteenth-century England. Holding their peace, New York 1998; ferner John WALTER, The Commons and their mental worlds, in: John Morrill (Hg.), The Oxford illustrated History of Tudor & Stuart Britain, Oxford/New York 1996, S. 190-218; allgemein auch Peter DINZELBACHER, Religiosität: Mittelalter, in: Ders. (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart 1993, S. 120-137. Diese konnten freilich von beiden Seiten des religiösen Spektrums befördert werden. Siehe dazu etwa George W. BERNARD, The Making of Religious Policy, 1533-1546: Henry VIII and the Search for the Middle Way, in: HJ 41 (1998), S. 321-349, hier S. 324f; ein vorzügliches Beispiel zeitgenössischen Widerstandes ist John Fisher, der Bischof von Rochester, der in seiner Auseinandersetzung mit Heinrich VIII. genau jene oben aufgeführten Punkte ansprach. Siehe etwa John J. SCARISBRICK, Fisher, Henry VIII and the Reformation crisis, in: Bradshaw / Duffy (Hgg.), Humanism, S. 155-168; BERNARD, The King’s Reformation, S. 101-125; Richard REX, The Theology of John Fisher, Cambridge 1991. Dies also im Gegensatz zu Annahmen der älteren Forschung. Siehe etwa Stephen W. HAAS, Martin Luther’s ‚Divine Right‘ Kingship and the Royal Supremacy: Two Tracts from the 1531 Parliament and Convocation of the Clergy, in: JEH 31 (1980), S. 317-325; zur Kritik an Haas auch REX, Crisis of Obedience, S. 871.

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der Etablierung einer antagonistischen Grundkonstellation bestand und die Welt in zwei diametral entgegengesetzte Wahrheitsregime teilte. Dieser Prozess begann Mitte der 1520er Jahre mit den Zweifeln eines Königs.

2. T HE K ING ’ S G REAT M ATTER NACH W AHRHEIT

UND DIE

S UCHE

Der Konflikt Heinrichs VIII. mit Papst Clemens VII. um die Frage der Annullierung seiner Ehe stellte den Rahmen dar, innerhalb dessen die Erwählungsidee in ihrer genuin politischen Form erste Konturen annahm. Ausgangspunkt des Ganzen bildete eine akute Unsicherheitssituation, die durch das Ausbleiben eines legitimen Sohnes und präsumtiven Nachfolgers hervorgerufen worden war. Trotz zahlreicher Schwangerschaften hatte Heinrichs Frau Katharina von Aragon bis zur Mitte der 1520er Jahre dem König noch keinen männlichen Erben schenken können.31 Das Fehlen eines legitimen Nachfolgers bedrohte nich nur Sicherheit und Fortbestand der TudorDynastie, sondern konnte unter Umständen auch die Problematiken der Rosenkriege erneut heraufbeschwören.32 Wie Heinrich VIII. letztlich zur Überzeugung gelangte, dass seine Ehe mit Katharina annulliert werden müsse, bleibt bis auf Weiteres Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen.33 Unzweifelhaft ist dagegen, dass den

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Grundlegend zu Katharina nach wie vor Garrett MATTINGLY, Katharina von Aragon, Stuttgart 1962; David STARKEY, Six Wives. The Queens of Henry VIII, London u.a. 2001, S. 11-256; zuletzt Patrick WILLIAMS, Catherine of Aragon. Henry VIII’s lawful wife?, Stroud 2013. Die Problematiken, die sich aus dem Fehlen eines männlichen Thronerben ergeben konnten, zeigt H. Maynard SMITH, Henry VIII and the Reformation, New York 1962, S. 1820; das dynastische Element in dieser Zeit stellt auch Heinz Schilling als leitendes Movens heraus. Vgl. Heinz SCHILLING, Formung und Gestalt des internationalen Systems in der werdenden Neuzeit – Phasen und bewegende Kräfte, in: Peter Krüger (Hg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit, Marburg 1991, S. 19-46, hier S. 22; eine erste Reaktion auf diese Zustände kann in der Erhebung des illegitimen Sohnes Henry FitzRoy zum Herzog von Richmond gesehen werden. Vgl. J. Duncan M. DERRETT, Henry FitzRoy and Henry VIII’s ‚Scruple of Conscience‘, in: Renaissance News 16 (1963), S. 1-9; LEVINE, Dynastic Problems, S. 54; STARKEY, Six Wives, S. 198f. Allerdings konnte die Thronfolge eines Bastards neuerlich die Problematiken der Rosenkriege heraufbeschwören, was eine legitime Sukzession umso dringlicher werden ließ. Vgl. die unterschiedlichen Gewichtungen bei Geoffrey de C. PARMITER, The King’s Great Matter. A Study in Anglo-Papel Relations 1527-1534, London 1967, S. 2-5; Henry A. KELLY, The Matrimonial Trials of Henry VIII, Stanford 1976, S. 21; Guy BEDOUELLE, Abschnitt Les scrupules du Roi Henry VIII, in: Ders. / Patrik le Gal (Hgg.), Le „Divorce“ du Roi Henry VIII. Etudes et documents, Genf 1987, S. 26-28 mit dem Hinweis, dass Heinrich bereits 1509 vor Schließung der Ehe Zweifel an der Rechtmäßigkeit derselben geäußert habe sowie DERS., Le déroulement historique, in: Ibid., S. 24; Diarmaid MACCULLOCH, Thomas Cranmer. A Life, New Haven/London 1996, S. 42; ferner Lacey B. SMITH, A Matter of Conscience, in: Rabb / Seigel (Hgg.), Action and Convic-

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englischen König aufgrund der Tatsache eines säumigen Prätendenten Zweifel beschlichen, ob seine Ehe nicht den Unmut Gottes hervorgerufen haben könnte.34 Als Resultat der königlichen Überlegungen muss konstatiert werden, dass Heinrich VIII. davon überzeugt war, er habe seit geraumer Zeit in einer inzestuösen Ehe gelebt und damit einen göttlichen Groll heraufbeschworen. In diesem Sinne heißt es in einem Brief von Kardinal Thomas Wolsey an Gregory Casale, einem englischen Agenten an der Kurie, zur Ehe des Königs: „[H]e considers it would be offensive to God and man if he were to persist in it, and with great remorse of conscience has now for a long time felt that he is living under the offence of the Almighty.“ 35 Als offensichtliche Belege für dieses Missfallen Gottes dienten dem König dabei zwei Stellen aus dem Buch Levitikus, wonach es verboten war, die Frau des Bruders zu ehelichen. Bei einem Verstoß dagegen drohte die Kinderlosigkeit der Verbindung – ein Umstand, den Heinrich in seiner eigenen Situation als gegeben ansah. 36 Bestärkt wurde diese Applikation alttestamentlicher Vorschriften zusätzlich, als ihm der in Cambridge lehrende Professor für Hebräisch, Robert Wakefield, versicherte, im hebräischen Originaltext hieße es anstelle von Kindern Söhne, wodurch sowohl die Existenz von Maria erklärt als auch der König in seiner Auffassung einer unchristlichen Ehe bestätigt werden konnte.37 Entscheidend war nun, welche Schlussfolgerungen Heinrich aus dieser Erkenntnis zog.

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tion, S. 32-51; Michael ERBE, Heinrich VIII., 1509-1547, in: Peter Wende (Hg.), Englische Könige und Königinnen. Von Heinrich VII. bis Elisabeth II., München 1998, S. 3046, hier S. 36; mit Betonung des politischen Moments der Sukzessionsfrage klassisch Albert F. POLLARD, Henry VIII, London 1902, hier Reprint London u.a. 1951, S. 139-156. Die meisten modernen Biographien bescheinigen Heinrich VIII. eine tiefe religiöse Überzeugung, auch wenn es über die konkrete Benennung seiner Ansichten sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Diarmaid MacCulloch ging gar soweit, die Zweifel Heinrichs mit jenen Luthers zu vergleichen, indem er beiden tief sitzende, seelische Qualen attestierte, deren ‚Lösungen‘ einen weiteren theologischen Kontext verlangt hätten. MACCULLOCH, Cranmer, S. 42; ein Überblick zur Bewertung von Heinrichs religiöser Überzeugung findet sich bei Richard REX, The Religion of Henry VIII, in: HJ 57 (2014), 1-32. Wolsey to Sir Gregory Casale, 5. Dez. 1527, in: Letters and Papers IV/2, Nr. 3641, S. 1634; Heinrichs profundes und genuines Interesse an religiösen Fragen hat zuletzt Richard Rex betont. Siehe REX, Religion of Henry VIII. Freilich muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass gerade das Argument einer zu nahen Verwandtschaft im späten 15. Jahrhundert offenbar verstärkt eingesetzt wurde, um eine bestehende Ehe annullieren zu lassen. Siehe zu dieser Tradition Ludwig SCHMUGGE, Ehen vor Gericht. Paare der Renaissance vor dem Papst, Berlin 2008, S. 150-154. Siehe dazu die Stellen Levitikus 18, 16: „Turpitudinem fratris uxoris tui non revelabis quia turpitudo fratris tui est.“ Und Lev. 20, 21: „Qui duxerit uxorem fratris sui rem facit inlicitam turpitudinem fratris sui revelavit absque filiis erunt.“ Zitiert nach der VulgataAusgabe: Biblia Sacra. Iuxta Vulgatam versionem, Bd. 1: Genesis-Psalmi, 3. Aufl., hrsg. von Robert Weber und Bonifatius Fischer, Stuttgart 1983, S. 160 & 163. Vgl. Virginia MURPHY, The Literature and Propaganda of Henry VIII’s First Divorce, in: MacCulloch (Hg.), The Reign of Henry VIII, S. 135-158, hier S. 138-40; dazu auch REX, Theology of Fisher, S. 162-183; zu Wakefield Jonathan WOOLFSON, Art. „Wakefield, Robert“, in: ODNB, Online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]; bezeichnenderweise sprach der König vor dem „legatine court“ auch stets vom Fehlen eines männlichen Erbens, und nicht genereller von Kinderlosigkeit, wie es für gewöhnlich in Lev. 20, 21 heißt. Siehe George CAVENDISH, The Life and Death of Cardinal Wolsey, ed. von Richard S. Sylvester, London 1961, hier S. 83. In der Forschungsliteratur ist immer wieder von einer Scheidung (divorce) die Rede, die Heinrich angestrebt habe, was nach kanonischem Recht eigentlich falsch ist. Heinrich strebte eine Annullierung der Ehe an, was bedeutet, er wäre niemals verheiratet gewesen. Solch eine Erklärung konnte nur von einem geistlichen Gericht ausgesprochen werden und musste sich auf einen „Hinderungsgrund“ beziehen, der bereits vor der Ehe bestanden hatte. Vgl. dazu Raoul NAZ, Art. „Dispense“, in: Dictionnaire de Droit Canonique, hrsg. von Antoine Villien et al., Bd. 4, Paris 1949, Sp. 1284-1296; SCHMUGGE, Ehen vor Gericht, S. 51-61. Jedoch hat sich im englischen Kontext der Begriff „Divorce“ eingebürgert, da auch die Zeitgenossen in der Regel von der „Scheidungsaffäre“ bzw. von „Scheidung“ sprachen. Siehe dazu PARMITER, Great Matter, S. 3, Anmerkung 5; BEDOUELLE / LE GAL, Vorwort Note sur l’emploi du mot „divorce“, in: Dies. (Hgg.), Divorce, S. 12. Vgl. vor allem die Darstellung bei David D’AVRAY, Dissolving Royal Marriages. A Documentary History, 860-1600, Cambridge 2014, S. 227-238 und DERS., Papacy, Monarchy and Marriage, 860-1600, Cambridge 2015, S. 174-180; Peter D. CLARKE, English Royal Marriages and the Papal Penitentiary in the Fifteenth Century, in: EHR 120 (2005), S. 1014-1029; grundlegend auch SCHMUGGE, Ehen vor Gericht. Wolsey hatte bereits am 2. Juni 1527 in einem Brief an Heinrich VIII. davor gewarnt, dass eine Gefangenschaft des Papstes das Ansuchen des Königs erheblich stören könnte. Siehe Letters and Papers IV/2, Nr. 3147, S. 1433; zum Sacco di Roma Volker REINHARDT, Blutiger Karneval. Der Sacco di Roma 1527 – eine politische Katastrophe, Darmstadt 2009; André CHASTEL, The sack of Rome 1527, Princeton 1983; Judith HOOK, The sack of Rome, London 1972.

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men war.41 Man geht in dieser Situation wohl nicht fehl, eine gewisse Beeinflussung der Kurie durch den Kaiser zu vermuten, da unmittelbar vor der päpstlichen Entscheidung, das Verfahren aus England nach Rom zu verlegen, Clemens VII. mit Karl V. den Frieden von Barcelona geschlossen hatte.42 Die Scheidungsaffäre Heinrichs wurde so endgültig in die Höhen internationaler Politik verstrickt, die sich zu dieser Zeit in Italien konzentrierte.43 Zum anderen hat Virginia Murphy in einer bemerkenswerten Arbeit gezeigt, dass die Scheidungsaffäre durch die von Heinrich VIII. selbst vertretenen Ansichten zusätzlich an Brisanz gewann. Von zwei sich bietenden Argumentationswegen tendierte dieser anscheinend von Beginn an zur radikaleren Variante. 44 Auf der einen Seite hatte sich die Chance ergeben, die ursprüngliche Dispens von Papst Julius II., die die Ehe zwischen Heinrich und Katharina erst ermöglicht hatte, aufgrund technischer Mängel anzugreifen und darüber auf eine Annullierung der Ehe hinzuwirken. 45 Dies schien der präferierte Weg von Kanzler Thomas Wolsey gewesen zu sein, den Hein41

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Es muss allerdings stark angezweifelt werden, dass es von päpstlicher Seite überhaupt ein Ineresse daran gegeben hatte, einer Annullierung zuzustimmen. So zeigen bspw. die Schreiben an den päpstlichen Gesandten Lorenzo Campeggio deutlich, dass die Kurie auf einen Ausgleich zwischen Katharina und Heinrich hinarbeitete. Vgl. dazu Letters and Papers IV/2, Nr. 4721, S. 2047, Nr. 4736, S. 2054f & Nr. 4737, S. 2055f. Mitte Juli 1529 zog der Papst das Verfahren an sich. Vgl. Thomas F. MAYER, Art. „Campeggi, Lorenzo“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]; der Friede von Barcelona datiert auf den 29. Juni 1529. Vgl. Jean DUMONT, Corps universel diplomatique du droit des gens […], Bd. 4, 3. Teil, Amsterdam 1726, Nr. I, S. 1-7. Vor allem dürfte auch die Frage des kirchenstaatlichen Besitzes den Papst dazu bewogen haben, mit Karl V. ins Geschäft zu kommen. Dieser garantierte ihm denn auch die Rechte an Ravenna, Cervia, Modena und anderen Städten und Territorien. Vgl. Alfred KOHLER, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450-1559 [Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, Bd. 1], Paderborn u.a. 2008, S. 362. Zu den internationalen Verstrickungen KOHLER, Expansion, S. 352-362; Michael MALLETT, The Italian Wars, 1494-1559, Harlow u.a. 2012; Lauro MARTINES, Blutiges Zeitalter. Krieg in Europa 1450-1700, Darmstadt 2015, hier bes. S. 69-77, 111-123; Richard BONNEY, The European Dynastic States, 1494-1660, Reprint Oxford 1992, hier Abschnitt 2, S. 79-130; zur englischen Politik der Zeit SCARISBRICK, Henry VIII, S. 202228; PARMITER, Great Matter, S. 13-24. Siehe MURPHY, Literature and Propaganda; DIES., Introduction, in: Edward Surtz / Dies. (Hgg.), The Divorce Tracts of Henry VIII, Angers 1988, S. i-xliv; DIES., The Debate over Henry VIII’s First Divorce: an Analysis of the Contemporary Treatises, unveröffentlichte PhD-Thesis, Cambridge 1984. Vgl. die ausführliche Darlegung des Problems bei SCARISBRICK, Henry VIII, S. 163-197; neuderdings auch D’AVRAY, Papacy, S. 174-180; DERS., Dissolving, S. 227-238; eine konzise Auflistung der Defizite der ursprünglichen Dispens sowie der daraus hervorgehenden Argumente gibt ein Dokument, das sehr wahrscheinlich zum internen Gebrauch verfasst und von Nicholas Pocock ediert wurde. Siehe An abridged account of the case for the King, datiert 1531, in: Nicholas POCOCK (Hg.), Records of the Reformation. The Divorce, 2 Bde., Oxford 1870, hier Bd. 2, Nr. 234, S. 94-99.

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rich VIII. nicht teilte, sondern im Gegenteil einen eindeutig radikaleren Weg verfolgte. Der König war demnach zur Überzeugung gelangt, dass Papst Julius in dieser Sache niemals hätte dispensieren dürfen, da es sich hierbei um göttliches Recht gehandelt habe und selbst die Kurie in diesem Fall keine Autorität besessen hätte.46 Um diese Interpretation zu stützen und zu untermauern, rekrutierte die Krone seit dem Sommer 1527 sukzessive zahlreiche Autoren, die mit ihrem Wissen den Erfolg des Scheidungsverfahrens sicherstellen sollten. Als Ergebnis dieses frühen, interdisziplinären royalen Think-Tanks dürfen eine Reihe von sog. „King’s books“ gelten, die – stetig modifiziert – als Grundlage und Rechtfertigung der Annullierung dienen sollten.47 Das zentrale Problem, mit dem diese Arbeitsgruppe betraut war, belief sich im Wesentlichen auf die Klärung eines Widerspruchs, der sich aus verschiedenen Passagen des Alten Testaments ergeben hatte. So konnten die Vorgaben aus dem Buch Levitikus zwar auf die Situation des Königs angewandt werden, allerdings bereitete eine Stelle aus dem Deuteronomium in diesem Zusammenhang erhebliches Ungemach: Denn in Dtn. 25, 5 wird explizit verlangt, dass ein Mann im Falle des Todes seines Bruders dessen Frau heiraten solle, sofern aus dieser ersten Beziehung noch keine Kinder hervorgegangen waren.48 Dies traf ebenfalls auf die gegebenen Umstände zu und hätte zur Unterminierung des königlichen Vorhabens führen können. Aus diesem Grund mussten vorderhand die Bestimmungen des Buches Levitikus gegenüber der im Deuteronomium verlangten Schwagerehe (Levirat) aufgewertet werden, damit in der Folge die Argumentation des Königs, dass der Papst in diesem Fall niemals hätte dispensieren dürfen, an Substanz gewann.49 Freilich regte sich alsbald erheblicher Widerstand gegen die königlichen Interpretationsversuche. Unter den englischen Theologen und Gelehrten kristallisierte sich

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Die Radikalität dieses Ansatzes erkannte bereits Ranke, indem er schrieb: „Sollte aber der römische Hof darin nachgeben? Eine Dispensation zurückziehen, die recht die Summe seiner geistlichen Omnipotenz in sich schloß? Er würde damit den Widerspruch, der gegen seine Autorität auf den Grund der Heiligen Schrift erhoben wurde, nur verstärkt, überhaupt anerkannt haben.“ Leopold VON RANKE, Englische Geschichte I, hrsg. von Willy Andreas, Essen 2002, S. 58. Vgl. MURPHY, Introduction, passim; DIES., Literature, passim; wie Andrew Chibi zeigt, war zunächst vor allem John Stokesley der vehementeste Parteigänger Heinrichs, was die Stärkung der levitischen im Gegensatz zu den deuteronomistischen Bestimmungen sowie die Stellung des Papstes in dieser Angelegenheit anging. Siehe Andrew A. CHIBI, Henry VIII’s Conservative Scholar. Bishop John Stokesley and the Divorce, Royal Supremacy and Doctrinal Reform, Bern 1997, S. 23-41. „Quando habitaverint fratres simul et unus ex eis absque liberis mortuus fuerit uxor defuncti non nubet alteri sed accipiet eam frater eius et suscitabit semen fratris sui.“ Biblia Sacra, S. 268; zu dieser als Levirat bezeichneten Schwagerehe siehe Menachem ELON et al., Art. „Levirate Marriage and Halizah“, in: Encyclopaedia Judaica, ed. von Michael Berenbaum & Fred Skolnik, Bd. 12, 2. Aufl., Detroit 2007, S. 725-729. Siehe dazu etwa Andrew A. CHIBI, „Turpitudinem uxoris fratris tui non revelavit“: John Stokesley and the Divorce Question, in: SCJ 25 (1994), S. 387-397; REX, Theology of Fisher, S. 162-183; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 168-180.

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rasch John Fisher als einflussreicher und vehementester Kritiker des Königs heraus. 50 Dieser schrieb im Mai 1527 an Wolsey, verwarf dabei viele der Stellungnahmen anderer Autoren, die Heinrichs Interpretation unterstützt hatten und erklärte, er sehe keine Gründe, wonach es durch göttliches Recht verboten sei, die Witwe des Bruders zu ehelichen und verwies die Sache zur endgültigen Klärung an die Kurie. Fisher bezog derart Stellung gegen die Bestrebungen des Königs, wiederholte seinen Standpunkt auch im persönlichen Gespräch mit Heinrich und stärkte zugleich die Position des Papstes in dieser Angelegenheit, indem er ihn zur letztlich verbindlichen Autorität erklärte, die über strittige Passagen der Schrift entscheiden müsse. 51 Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Lage (Sacco di Roma) und innerer Entwicklungen (Radikalität der königlichen Ansichten) drohte das Verfahren aus der Sicht des englischen Monarchen zu scheitern. Einen Höhepunkt in dieser Hinsicht bildete schließlich die Androhung der Exkommunikation Heinrichs für den Fall, dass der englische König dem Aufruf, die Sache in Rom entscheiden zu lassen, nicht Folge leisten sollte.52 Da der englische König unter den gegebenen Umständen in Rom kaum ein günstiges Urteil erwarten konnte, waren für ihn hiermit die Grenzen des Verfahrens erreicht. Um dennoch eine in seinem Sinne akzeptable Lösung des nach wie vor bestehenden Problems der Eheannullierung und Nachfolgeregelung zu gewährleisten, waren somit Schritte notwendig, die über das bestehende Prozedere hinausgingen. Die englische Krone vollzog in der Folge tatsächlich einen radikalen Schritt, indem die überkommenen Regeln des Verfahrens umgestoßen wurden. Mindestens zwei der in diesem Rahmen eingesetzten Strategien waren für die Konstruktion des englischen Erwählungsdenkens im 16. Jahrhundert konstitutiv: Einerseits entschied man sich nach dem Scheitern des päpstlichen Verfahrens mit der ganzen Sache an die Öffentlichkeit zu gehen.53 Dies geschah durch die Veröffentlichung von 50

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Zu den Unterredungen der ranghöchsten Kleriker des Königreiches und zum Widerstand Fishers siehe The Life of Fisher, ed. von Ronald BAYNE, London 1921, hier S. 51f; Letters and Papers IV/2, Nr. 3140, S. 1426-1429; zu Fisher generell REX, Theology of Fisher; DERS., Art. „Fisher, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]. Holograph letter of bishop Fisher to cardinal Wolsey, on the pope’s dispensing power, Mai 1527, in: POCOCK (Hg.), Records, Bd. 1, Nr. 4, S. 9-10; das persönliche Gespräch wird geschildert bei BAYNE, Life of Fisher, S. 52f; zur Rolle Fishers in dieser Angelegenheit REX, Theology of Fisher, S. 162-183; zur Rolle Thomas Wolseys siehe Peter GWYN, The King’s Cardinal. The Rise and Fall of Thomas Wolsey, London 1990, S. 501f. Siehe Bull of Clement VII, 7. März 1530, in: Letters and Papers IV/3, Nr. 6256, S. 2815f. Christopher Warner hat zuletzt betont, dass dies nicht das erste Mal war, dass Heinrich VIII. sich publizistischer Medien bediente. Er nennt etwa die Kampagne gegen Ludwig XII. von Frankreich 1512 sowie selbstverständlich die Auseinandersetzung mit Luther in den frühen 1520er Jahren. Vgl. J. Christopher WARNER, Henry VIII’s Divorce: Literature and the Politics of the Printing Press, Woodbridge 1998, hier S. 7f; die Arbeit von Warner weist allerdings insgesamt eine problematische Zentrierung auf Heinrich auf, den er als eine Art ‚Herr des Diskurses‘ dieser Zeit präsentiert. Siehe zur Kritik an Warners Ansatz etwa Alexandra HALASZ, Rez. zu J. Christopher Warner, Henry VIII’s Divorce, in: AHJ 105 (2000), S. 1796f; zur Publizistik der Zeit ferner die ältere Arbeit von Geoffrey

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zwei Schriften, die einmal in lateinischer und einmal in englischer Sprache Argumente vorbrachten, die Heinrichs Ansicht einer fehlenden Autorität des Papsttums in diesen Dingen bestätigen sollten.54 Begleitet wurden diese Texte von Gutachten verschiedener europäischer Universitäten, die sich insgesamt zugunsten des englischen Königs und dessen Annullierungsabsichten geäußert hatten.55 Mit der Publikation dieser Schriften war eine zweite wichtige Entwicklung verbunden. So argumentierten beide Texte zugunsten einer Bibelauslegung, die jene exklusive Verbindung von Papsttum und Heiliger Schrift unterlief, damit de facto die Interpretationshoheit der Kurie in Frage stellte und stattdessen für eine von der Kirchenhierarchie unabhängige Auslegung plädierte. Diese Form der Argumentation barg somit das Potential, die Bibel als höherwertige Determinante im aktuellen Diskurs zu präsentieren, und damit die Autorität des Papstes zu unterminieren. Obwohl sich dadurch eine gewisse Nähe der königlichen Seite zu Ideen der kontinentalen Reformation andeutete, wie sie sich etwa im Prinzip des sola scriptura niedergeschlagen hatten, muss diese vor dem Hintergrund der spezifischen Wendung in den englischen Zusammenhängen insgesamt eher kritisch gesehen werden.56 So war für die Autoren auf Seiten des Königs die Autoritätssteigerung der Bibel lediglich die Voraussetzung, um hernach in einer äußerst selektiven Weise spezifische Teile des Alten Testaments herauszugreifen und auf die aktuellen Umstände anzuwenden. In der Aufwertung und Applikation des Alten Testaments zeigte sich zuletzt ein manifester Unterschied zwischen Luther und genuin englischen Ansichten. Zugleich bedeutete

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Elton, Policy and Police. The Enforcement of the Reformation in the Age of Thomas Cromwell, Cambridge 1972, Kap. 4, S. 171-216; zuletzt auch Brad C. PARDUE, Printing, Power and Piety. Appeals to the Public during the early Years of the English Reformation, Leiden/Boston 2012, hier bes. S. 1-34; dieser Schritt an die Öffentlichkeit kann zudem mit dem Vorgehen Luthers und dessen Anhängern verglichen werden, wie es im Zuge der Ablasskontroverse geschehen ist. Siehe u.a. Heinz SCHILLING, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012, S. 169-179. Siehe John STOKESLEY / Edward FOX / Nicolas DE BURGO, Grauissimae, atq[ue] exactissimae illustrissimaru[m] totius Italiae, et Galliae academiaru[m] censurae efficacissimis etiam quorundam doctissimorum uiroru[m] argumentationibus explicatae, de ueritate illius propositionis […], London 1530 (STC2 14286/British Library); Thomas CRANMER et al., The determinations of the moste famous and mooste excellent vniuersities of Italy and Fraunce […], London 1531 (STC2 14287/British Library). Diese Gutachten der Universitäten Orleans, Paris, Bologna, Padua, Toulouse, Bourges und Anjou sind zusammen mit dem lateinischen Text der Censurae sowie dem englischen Text der Determinations ed. bei SURTZ / MURPHY (Hgg.), Divorce Tracts; daneben gab es zahlreiche Universitäten, die negativ optierten und die Autorität des Papstes in dieser Angelegenheit bestätigten. Diese Schriftstücke wurden nicht gedruckt, sind aber ebenfalls in einer Edition zugänglich. Siehe BEDOUELLE / GAL (Hgg.), Divorce; zu den Gutachten siehe auch Guy BEDOUELLE, The Consultations of the Universities and Scholars Concerning the „Great Matter“ of King Henry VIII, in: David C. Steinmetz (Hg.), The Bible in the Sixteenth Century, Durham/London 1990, S. 21-36, hier S. 25-28. Siehe zum sola scriptura Luthers u.a. MACCULLOCH, Reformation, S. 167, 180-182; Volker LEPPIN, Martin Luther, 2., durchges. und aktual. Aufl., Darmstadt 2010, S. 151164.

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diese, obwohl politisch induziert, dennoch eine neuerliche, intensive Beschäftigung mit der Bibel insgesamt, und dem Alten Testament im Besonderen. Gerade hierin muss eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Herausbildung einer spezifischen Vorstellung göttlicher Erwählung auf der Grundlage des Alten Testaments gesehen werden. In diesem Sinne hat zum Beispiel Andreas Pečar zuletzt nochmals betont, dass trotz sonstiger Differenzen Heinrich VIII. und William Tyndale die Überzeugung einer dauerhaften Gültigkeit des göttlichen Gesetzes teilten, auch wenn sie aus dieser Erkenntnis gänzlich unterschiedliche Folgerungen ableiteten.57 Für die konkrete Scheidungsangelegenheit sowie generell für die Untersuchung der englischen Erwählungsidee war in diesem Zusammenhang die Tatsache entscheidend, dass das Alte Testament von seiner bis dato primär auf das Neue verweisenden, allegorischen Lesart befreit wurde. Dadurch konnten dessen Eigenständigkeit und zumindest partielle Gültigkeit auch für Christen herausgestellt werden – und es in der Folge für eine zeitgenössische, politische Nutzung fruchtbar gemacht werden, was ganz im Sinne des englischen Königs war.58 2.1 Die Censurae und Determinations – Auf der Suche nach Determinanten Mit der Veröffentlichung der Censurae und der englischen Version, bekannt als Determinations, hob die englische Krone das Verfahren auf eine neue Ebene. Wie die Arbeiten von Virginia Murphy gezeigt haben, hatte die Krone von Beginn an eine radikale Perspektive verfolgt, die freilich bis zum Zeitpunkt der Publikation in einem relativ begrenzten Umfeld artikuliert worden war, da sowohl die Anfragen bei der Kurie als auch die päpstliche Kommission ‚im kleinen Kreis‘ stattfanden.59 Obwohl selbstverständlich Gerüchte allenthalben anzutreffen waren 60, bedeutete der bewusst vollzogene Schritt an die Öffentlichkeit doch eine qualitative Veränderung. Der 57 58

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PEČAR, Macht der Schrift, S. 133-136. Siehe dazu BEDOUELLE, Consultations, S. 24, 28-36; die Aufhebung einer allegorischen Lesart stellte laut Conor Cruise O’Brien die Voraussetzung dar, um das Alte Testament als sozusagen politisches Musterbuch anwenden zu können. Siehe dazu O’BRIEN, God Land; ähnlich auch BREWER, Authority of the Old Testament, S. 2; GORSKI, Mosaic Moment, S. 1429, 1433, 1434-1443; APPELBAUM, Biblical nationalism, 318-324; die Bedeutung des Alten Testaments hat auch Liah Greenfeld in ihrer Studie zum vormodernen Nationalismus betont. Siehe GREENFELD, Nationalism, S. 52f; zur Ansicht einer Gültigkeit alttestamentlicher Vorschriften auch für Christen siehe P. D. L. AVIS, Moses and the Magistrate: a Study in the rise of Protestant Legalism, in: JEH 26 (1975), S. 149-172; abweichend dazu Kevin KILLEEN, Chastising with Scorpions: Reading the Old Testament in Early Modern England, in: HLQ 73 (2010), S. 491-506, dessen Ausführungen sich aber primär auf das 17. Jh. beziehen. Vgl. zur langen Kontinuität sowie den einzelnen Überarbeitungsstadien MURPHY, Literature, S. 136, 158 und passim; DIES., Introduction. Dass die Angelegenheit im Volk bekannt war und mit Sorge betrachtet wurde, beschreibt etwa Edward Lord Herbert of CHERBURY, The Life and Reign of Henry VIII, London 1741, S. 212.

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Wechsel hin zu publizistischen Medien markiert dabei einen wesentlichen Schritt im Übergang zu einer radikalen Politik, da der Konflikt rapide seinen einstiegen partikularen Rahmen transzendierte, um in der Folge grundlegende ‚Wahrheiten‘ zu thematisieren. Die persönliche Beteiligung des Königs an dieser Angelegenheit trug zudem nicht unwesentlich zur Dynamisierung des Ganzen bei. Die den publizierten Dokumenten inhärente Schärfe des Angriffes auf die Autorität des Papsttums musste schließlich ebenfalls zu einer Zuspitzung des Konflikts beitragen: Vor allem ist zu vermuten, dass mit der Initiierung der publizistischen Kampagne durch die royale Partei ein diskursiver Horizont konstituiert worden ist, der neue Möglichkeiten des Sagbaren eröffnete und an dem thematisch verwandte Schriften partizipieren konnten. Die Veröffentlichungen der Censurae und Determinations markierten somit den Beginn eines fundamentalen Antagonismus’, durch den sich eine Öffentlichkeit konstituierte, um konkurrierende Deutungsansprüche der Bibelinterpretation diskursiv auszuhandeln.61 Die Censurae sind das Produkt eines langwierigen Arbeitsprozesses, in dessen Rahmen ein Autorenkollektiv um Edward Fox über einen längeren Zeitraum eine Serie von Büchern verfasst hat, die auf das Ziel der Annullierung der königlichen Ehe ausgerichtet waren. Nachdem dieses Ziel nicht erreicht werden konnte, wurde das letzte dieser Bücher für eine Veröffentlichung nochmals überarbeitet und in wesentlichen Punkten, vor allem in Bezug auf ein Wiederstandsrecht gegen den Papst, erweitert.62 Obwohl die königliche Causa nicht explizit erwähnt wird, sind die Censurae respektive die von Thomas Cranmer besorgte englische Übersetzung in Gestalt der Determinations, doch auf die spezifische Konstellation der Scheidungsaffäre gemünzt.63 Ihr Aufbau orientiert sich dabei an jenen, in der damaligen Gelehrtenwelt typischen Exzerpte-Sammlungen, die in der englischsprachigen Forschung als ‚commonplace-books‘ bezeichnet werden.64 Diese commonplace-books stellten eine Art Speicher verschiedenster Zitate, Ausführungen, Sentenzen usf. dar, auf den beim Verfassen eigener Texte zurückgegriffen werden konnte. Die Auszüge sollten prinzipiell die Rezeption durch den Leser vereinfachen, indem auf bekannte und geteilte 61

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Siehe dazu die Ausführungen von LAKE / PINCUS, Rethinking the Public Sphere. Entgegen den Ausführungen Geoffrey Eltons geht es hier nicht nur um Schriften, die eindeutig einer royalen Partei zugeordnet werden können und bei ihm unter dem Etikett Propaganda figurieren. Um die Herausbildung einer neuen hegemonialen Formation zu untersuchen, müssen demgegenüber nicht nur die Aktivitäten „von oben“ in den Blick genommen werden, sondern auch die Beiträge „von unten“ Berücksichtigung finden, was Elton ostentativ ablehnt. Siehe ELTON, Policy and Police, S. 171-174. Siehe dazu MURPHY, Literature, S. 155f; zu Fox Andrew A. CHIBI, Art. „Fox, Edward“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]; DERS., Henry VIII’s Conservative Scholar; DERS., Art. „Stokesley, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]; DERS., Stokesley and the Divorce Question. Zu Cranmer in dieser Phase siehe MACCULLOCH, Cranmer, S. 54-69. Vgl. zu den Commonplace-books in der Renaissance Ann MOSS, Printed CommonplaceBooks and the structuring of Renaissance thought, Oxford 1996, S. v-vi und 51-214 zu Umfang und Reichweite der commonplace-books im Europe des 16. Jahrhunderts.

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Wissensbestände rekurriert wurde. Zudem halfen sie dabei, den eigenen Standpunkt zu verdeutlichen und der Argumentation zusätzliches Gewicht sowie grundlegende Validität zu verleihen. Im Fall der Censurae/Determinations bezogen die Autoren in großem Umfang historische Exempla, Bibelzitate, Sentenzen und Versatzstücke patristischer und scholastischer Autoritäten sowie Dekrete und Beschlüsse der Kirchenkonzilien und Päpste mit ein. Die einzelnen Extrakte wurden in der Folge hierarchisch gegliedert, so dass zu Anfang die als wichtig erachteten Passagen des Alten und Neuen Testaments Platz fanden, gefolgt von Bestimmungen der Päpste und Kirchenkonzilien und am Schluss die patristischen und scholastischen Autoren. Das eigentliche commonplace-book wurde sodann nochmals durch die Gutachten von sieben europäischen Universitäten ergänzt.65 Diese Gutachten der Universitäten Orleans, Paris, Bologna, Padua, Toulouse, Bourges und Anjou scheinen dem bereits ausgearbeiteten Text nachträglich hinzugefügt worden zu sein – höchstwahrscheinlich mit der Absicht, den schon genannten Instanzen und Autoritäten weitere bei Seite zu stellen.66 Ziel des Ganzen sei dem Vorwort der Schrift zufolge, dem Leser die reine und grundlegende Wahrheit vor Augen zu führen. Ja, da es gewichtige Zweifel verschiedener Autoritäten gäbe, müsse man zu den Fundamenten der Wahrheit selbst vordringen. Dies soll durch die Behandlung geprüfter und respektierter Instanzen sowie gelehrter Autoren geleistet werden. Die beiden Fragen, um die die gesamte Arbeit kreiste, waren folgende: „The fyrste, that hit is forbydden, bothe by the lawe of god / and also by the law of nature / that any christen man shulde marie the wyfe of his brother dyeng without children. The seconde / that the Pope hath nat power to dispence vpon suche mariages / whether they be contracte 67 allredy / orels yet to be contracte.“

Bereits die Art des Problemaufrisses, der eine kanonische Frage mit einer weit darüber hinausgehenden Feststellung verbindet, deutet die zugrunde liegende, radikale Ausrichtung an. Zur Klärung dieser Problematik werden in sieben Kapiteln die einzelnen Argumente vorgebracht. Das erste Kapitel vermittelt einen direkten Einstieg in die Materie, da an dieser Stelle das Gesetz Gottes am Beispiel der Geschichte Moses abgehandelt wird. Zentrale Bedeutung kommt in diesem Abschnitt dem Volk Israel und den Geboten Gottes für sein Volk zu: „Therfore by cause, that god dyd study / and dyd care before al thinges / that his people / whom he had chosen for his owne propre flocke / shuld with suche chastitie and pure holynes / as becometh / kepe their matrimony / the whiche is in honour and reuerence amongest al folks: And 65 66

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Vgl. SURTZ / MURPHY (Hgg.), The Divorce Tracts of Henry VIII, S. 6-27. Der Text stellt also keine Elaboration der Gutachten dar, sondern war diesen sehr wahrscheinlich vorgängig. Zudem wurden die Gutachten in englischer Sprache bereits in einer königlichen Proklamation 1530 veröffentlicht. Siehe MACCULLOCH, Cranmer, S. 55. Es sind insgesamt acht Gutachten, da aber zwei Fakultäten der Universität Paris (Theologie & Recht) Gutachten bereitgestellt haben, ergibt sich die Zahl von sieben Universitäten. SURTZ / MURPHY, Divorce Tracts S. 30-277, hier S. 33f. Alle Referenzen zu den Schriften der Censurae und Determinations beziehen sich auf diese Edition.

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bicause they shulde kepe their beddes vnspotted and vndefiled / nor shulde nat pollute them selfe with suche maner of mariages, as he had abhorred and had in abhominacion nowe of 68 longe tyme amongst the hethens.“

Moses, als erwähltem Vermittler zwischen Gott und den Israeliten, wurde daraufhin befohlen, Ehegesetze unter diesen einzuführen, die „Verdorbenheit“ und „Unlauterbarkeit“ eindämmen sollten: „And therfore our Lorde vsed these wordes vnto Moses / in the xviij. chaptre of the Leuiticall / sayenge: O Moses / speake vnto the children of Israhell / speke and tell them / nat thy worde / nor thy commaundement / but myne. For I my selfe / their very lorde and god / do teche them this / and this commaunde them / that they lyue nother after the abhomynable custome of the Egiptiens / from whose miserable bondage I haue delyuered them into perfecte and full libertie 69 […] nor yet after vngracious vsages, and maners of the Cananees.“

Der Akzent lag somit eindeutig auf der unmittelbaren, göttlichen Herkunft der Ehegesetze, die im Sinne der levitischen Vorschriften spezifiziert wurden. Ein Verstoß gegen diese Anordnungen des Allmächtigen könne zum Ausschluss aus den Reihen des ‚geheiligten‘ Volkes oder gar zum Tode führen.70 Die Darstellung an dieser Stelle ist auch insofern von Interesse, als dass hier zum ersten Mal im konkreten Kontext der Gegensatz zwischen Israel und Ägypten thematisiert und als Argumentationsfigur benutzt wird. Dass die Diskussion um Art, Qualität und bindende Kraft der mosaischen Gesetze in dieser Zeit äußerst virulent war und als keineswegs abgeschlossen gelten durfte, zeigt der Versuch, die levitischen Vorgaben durch zusätzliche Argumente zu stärken. Zu diesem Zweck bedienten sich die Autoren dem „Naturrecht“, das hier vor allem im Sinne eines moralischen Rechts interpretiert wurde.71 Dergestalt seien die Einhaltung eines Schamgefühls und christlicher Nächstenliebe auch ohne göttliche Herkunft dieser Bestimmungen zu präferieren, wenn sie etwa mit einem ‚unreinen‘, außerchristlichen Kontext verglichen werden würden. Sie sorgten nämlich für ein 68 69 70

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Determinations, S. 39; cf. Censurae, S. 38. Determinations, S. 41; cf. Censurae, S. 40. Determinations, S. 43. „For euery soule, that shall do any of these abhominations / shal perisshe from the myddes of my people, nor shall nat be rekened amongest my holy people.“; cf. Censurae, S. 42; vgl. auch die Beispiele für göttliche Bestrafungen in Determinations, S. 47 bzw. Censurae, S. 46, wo am Ende nicht nur diesseitige Strafen aufgezählt werden, sondern auch die jenseitige Existenz des Gläubigen bedroht erscheint. Rex stellt zu Recht heraus, dass es in der Zeit divergierende Auffassungen von Naturrecht geben konnte. So wurde der Terminus „natural law“ häufig synonym mit „divine“ oder „moral law“ gebraucht, was allerdings zu erheblicher Verwirrung führen kann, da gerade das „divine law“ nochmals in verschiedene Bedeutungen und Wertigkeiten unterteilt werden konnte. Siehe REX, Theology of Fisher, S. 164 und 166f; Andrew A. CHIBI, The Interpretation and Use of Divine and Natural Law in the First Marriage Crisis of Henry VIII, in: ARG 85 (1994), S. 265-286; Richard J. ROSS, Distinguishing Eternal from Transient Law: Natural Law and the Judicial Laws of Moses, in: P & P 217 (2012), S. 79-115, hier S. 82-84.

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harmonisches Zusammenleben unter den Menschen und würden nicht zuletzt deshalb die Integrität der Gemeinschaft bewahren helfen. Die praktischen Vorteile seien gleichsam derart evident, dass sogar viele ‚fremde Völker’ nach den mosaischen Gesetzen leben würden.72 Als Quintessenz dieses Abschnitts kann somit festgehalten werden, dass ein Verstoß gegen die bestehenden Ehegesetze des Buches Levitikus nicht nur moralisch verwerflich und schädlich für das Zusammeleben der Gesellschaft sei, sondern sich auch dezidiert gegen göttliche Vorgaben richte. Betroffenen Personen droht sowohl der Verlust sämtlicher diesseitiger Würden, als auch eine Bestrafung nach dem Tode. Im Hinblick auf die Scheidungsaffäre Heinrichs VIII. baut das erste Kapitel damit den zentralen Punkt auf, wenn einerseits die dies- und jenseitige Existenz des Gläubigen akut bedroht erscheint, und andererseits diesem die Möglichkeit versagt wird, die dräuenden Fährnisse abzuwenden. Im weiteren Verlauf erfolgt eine Verdichtung dieser Punkte. Im Vordergrund steht zum einen der Nachweis einer ungebrochenen Gültigkeit der levitischen Gesetze, der nun durch Heranziehung neutestamentlicher Stellen und Beispiele sowie mit Belegen der Kirchenväter untermauert wird. Zum anderen versuchen die Autoren, das Problem der Bestimmungen aus Deuteronomium 25, 5 zu eskamotieren. Hierzu wurde argumentiert, dass der implizite Gedanke, durch die Schwagerehe die Sippe zu erhalten bzw. zu vermehren, in der gegenwärtigen Zeit nicht mehr gültig sei. Es handele sich dabei vielmehr um genuine Vorschriften für das jüdische Volk, die spätestens durch die Ankunft Christi ihren bindenden Charakter verloren hätten. Damit wird den deuteronomistischen Gesetzen lediglich der Status eines „ceremonial law“ zuerkannt.73 Folgerichtig heißt es im zweiten Kapitel: „[A]nd the lawe Deuteronomi dyd bynde the Iues onely.“ 74 Um die hier postulierte Differenz zwischen den levitischen und deuteronomistischen Gesetzen stärker konturieren zu können, bedienten sich die Autoren zudem eines nicht unproblematischen Kunstgriffs. Demnach stellte man jene Form ehelicher Verbindung, um die es in Heinrichs Fall ging, in den Zusammenhang von Inzest und Blutschande. Diese Vorgehensweise ermöglichte es, in der Folge zahlreiche Bestimmungen und Verbote bezüglich Heiraten blutsverwandter Personen in die Argumentation einfließen zu lassen. Ohne Probleme konnten derart Aussagen akkumuliert werden, die sich dezidiert gegen eine Eheschließung naher Verwandter richteten, woraus folgerichtig die Negation der Befugnisse des Papstes deduziert wurde, in Fällen einer Blutsverwandtschaft bis mindestens zum zweiten Grad zu dispensieren.75

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Vgl. Determinations, S. 43 & 45; cf. Censurae, S. 42 & 44. Vgl. ROSS, Distinguishing Eternal from Transient Law, S. 82f. Determinations, S. 49; cf. Censurae, S. 48; MURPHY, Literature, S. 140f; zu dieser Sichtweise konnte zudem die Ansicht beitragen, dass das Levirat bereits vor der Verkündigung der mosaischen Gesetze unter den Israeliten bestanden hätte, diesem daher vorgängig und somit nicht Bestandteil eines göttlichen Gebotes sei. Siehe dazu ELON, Levirate, S. 725. Determinations, S. 67-73 zu den päpstlichen Beispielen. Speziell zur Unmöglichkeit einer Dispens für Verwandtschaftsverhältnisse bis zum zweiten Grad S. 69; cf. Censurae, S. 66-72.

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Im Zuge der Anhäufung historischer Beispiele in diesem Bereich wiederholten sich kontinuierlich zwei Aussagen: Zum einen wurde suggeriert, dass die gesamte ‚Alte Kirche‘ nahezu einhellig die Gültigkeit der levitischen Gesetze umfassend anerkenne: „For thou seest here fyrste of all, in maner an hole commune assent and agremente of the holle churche / and furthermore thou seest the Popes them selfe do gyue so great maiestie and godly 76 auctoritie vnto these Leuiticall prohybicyons.“

Zum anderen bediente man sich eines ‚reformatorisch‘ anmutenden Arguments, indem gesagt wurde, es handle sich hierbei um ein altes Gesetz, welches nur wieder eingeübt werden müsse: „And that there hath ben suche a custome and vsage euen from the first begynnynge of the churche / and that it hath ben obserued before there was any Popes law / it is euidently knowen 77 by the wordes of Tertulyan / whiche we haue before rehersed.“

Während es im weiteren Verlauf immer wieder zu Darstellungen kommt, wie schädlich und gefährlich eine Nichtbefolgung der göttlichen Gesetze sei, ist indessen für den zu untersuchenden Sachverhalt ein zweiter Themenkomplex von ungleich größerem Interesse. Hierbei geht es um die Position des Papstes im Rahmen der genannten Eheproblematiken. Dieser erscheint nun zunehmend als Haupthindernis für die richtige Befolgung der göttlichen Gesetze, wodurch die Kritik sukzessiv auf eine fundamentale Ebene verlagert wird. Ausdrücklich wird derart konstatiert, dass die Päpste in den geschilderten Fällen göttlichen Rechtes keine Macht oder Befugnis hätten, eine Dispens zu erteilen. Die Tatsache freilich, dass sie es dennoch getan hätten und immer noch tun würden, gab Anlass für einen massiven Vorwurf seitens der Autoren: „That if so be […] that euer any Pope had dispensed in these degres, bycause that either he was ignorant in the scripture of god, or elles all to blynded with couetous of money / whiche customably be wonte to be offered for suche vnreasonable and shamfull dispensacions, contrary to 78 all goddes lawe / and mans: or by cause he wolde please men rather then god“.

Zusehends insinuierten die Verfasser dem Leser ein Bild des Papstes, das diesen als geldgierigen, leicht beeinflussbaren Despoten präsentierte, der sein Amt nicht mehr gemäß dem ursprünglichen Auftrag ausübe und sich darüber in einen zunehmenden Gegensatz zu Gott bringe.79 Die ganze Malaise resultiere letztlich aus der Ignoranz und Unkenntnis der Heiligen Schrift. Lege man diese zugrunde, so ergebe sich der göttliche Status der levitischen Vorgaben quasi von selbst. Jedweder Versuch, sich

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Determinations, S. 75; cf. Censurae, S. 74. Determinations, S. 75 & 77; cf. Censurae, S. 74 & 76. Determinations, S. 151; cf. Censurae, S. 150. Die eigentliche Aufgabe des Papstes bestünde darin, die Gefolgschaft Christi zu unterweisen, dessen Wort unter ihnen zu verkünden und die Einhaltung der göttlichen Gebote zu überwachen. Siehe Determinations, S. 249; cf. Censurae, S. 248.

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dagegen auszusprechen, ließe die betreffende Person als offensichtlichen Gegner Gottes, und damit als unchristlich erscheinen.80 Diese Konstruktion diente zunächst als Basis, um die Amtsgewalt des Papstes im Hinblick auf die konkrete Angelegenheit der Annullierung zu verneinen. Allerdings schwang in solchen Ausführungen zugleich eine grundsätzlichere Kritik mit, die eingesetzt werden konnte, um Rolle, Position und Funktion des Pontifex insgesamt zu hinterfragen. So evozierten die Vorhaltungen und Invektiven der Schriften einen Grundsatzdisput über die Frage, welchen Stellenwert die Zeitgenossen den Determinanten Bibel und Papsttum zubilligen sollten und wer inwieweit über das Recht verfüge, die Heilige Schrift auszulegen und zu interpretieren. Das Papsttum habe sich in dieser Hinsicht selbst disqualifiziert, was am aktuellen Beispiel der Annullierungsfrage aufgezeigt wurde: „In so moche that what so euer pope wyll go aboute to dyspense with the bonde of them, he truely shall do nothinge els / but peruerte the ordre of iustice, or vertue / and breake the course of vertue, and giue leude liberte to synne / that is, to abuse his auctoritie and power to destruction / not to buyldynge and settynge vp / contrari to the sayenge and mynde of thapostol. For 81 thus vsynge his power, he shulde destroye virtue / and set vp vice.“

Da vor diesem Hintergrund klargestellt worden war, dass der Inhaber des Stuhles Petri sehr wohl fehlbar sei, konstatierten die Schriften daraufhin, dass offensichtlichen Fehlurteilen des Oberhirten, selbst wenn dafür die Exkommunikation drohe, nicht Folge geleistet werden müsse.82 Damit war freilich ein neuralgischer Punkt thematisiert, der in den aktuellen Debatten eine erhebliche Rolle spielte. So wurde jegliche Form der Einmischung des Papstes in weltliche Angelegenheiten strikt zurückgewiesen und gleichsam an dessen hauptsächliche Aufgabe der Sorge um das Seelenheil erinnert. Eine Überschreitung dieses Zuständigkeitsbereichs wurde dagegen als häretisch gebrandmarkt: „For if the Pope wolde by any maner of power determyne any thynge other wyse than lernyng, that is the cnowlege of goddis lawe / wolde haue it be determyned, other in our faith, or in good maners: his determinacion shulde be vtterly nothinge worthe at al / yea it shulde be lefull for euery christian man, that knoweth this / to crie out ageinst it / and all to be spyt & bespue it / 83 and to reproue and damne it as hereticall.“

Gerade der Umstand, dass sich der Inhaber der himmlischen Schlüssel sehr wohl in einen Gegensatz zu Kirche und Glauben manövrieren konnte, bildete die Grundlage 80

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Dazu heißt es prägnant: „For if to kepe the commandmentes of god, is to loue god, it must nedes be / that to breke the commandementes of god / is to hate god.“ Determinations, S. 249. Determinations, S. 239; cf. Censurae, S. 238. Determinations, S. 245: „Therfore whan the subiectes be excommunicat, for bicause thei can not be constreined to do yll / than they oucht not to obey that sentence of excommunication. For as Gelasius the Pope saithe: An iniuste sentence dothe bynde no man, nother before god, nor before his churche.“; cf. Censurae, S. 244. Determinations, S. 253; cf. Censurae, S. 252.

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für den Aufruf zum aktiven Widerstand. So exemplifizierten die Censurae und Determinations dies unter anderem anhand mehrerer Erzbischöfe von Canterbury, deren Vorbildfunktion darin bestanden habe, als Korrektiv einer evident falschen, päpstlichen Politik aufgetreten zu sein – was im Übrigen die Pflicht eines jeden Christen sei.84 Das Spannungsverhältnis zwischen legitimem Widerstand und Devianz bzw. Häresie, das sich in den beschriebenen Ausführungen abzeichnete, war ein erhebliches Problem für die Zeitgenossen, die über eine derartige Argumentation den Kirchenbann sowie weiter reichende Konsequenzen heraufbeschwörten. In dieser Situation bedurfte es einer Form der argumentativen Absicherung, die über jeden Zweifel erhaben schien. Hierzu verfiel man auf die Heilige Schrift, in der eine allseits akzeptierbare Determinante ausgemacht wurde. Allerdings musste sie an die konkrete Sachlage angepasst werden, wofür es notwendig war, die alleinige Interpretationsmacht der Papstkirche aufzubrechen. In dieser Hinsicht kam den Censurae bzw. Determinations eine immense Bedeutung zu. Die Argumentation der Schriften hinterfragte die exklusive Interpretationshoheit der Kurie über die Heilige Schrift und baute sie sukzessiv zu einer eigenständigen Determinante im zeitgenössischen Diskurs auf.85 Zugleich zeigt das Beispiel auch, dass nicht alle Passagen und Abschnitte der Bibel eine gleichwertige normative Position innehatten, sondern deren Normativität auf der Folie konkreter, zeittypischer Konstellationen erst hergestellt werden musste.86 Im vorliegenden Fall diente die Betonung der levitischen Gesetze als von Gott gegeben dazu, das Verhalten Papst Clemens’ VII. zu diskreditieren. Indem aufgezeigt wurde, dass Päpste durchaus – bewusst oder unbewusst – Entscheidungen getroffen hatten, die gegen die Grundlagen der Bibel verstießen, sollte deren prinzipielle Fehlbarkeit vor Augen geführt werden. Erst aus dieser Konstellation heraus konnte der englische König für sich ein legitimes Widerstandsrecht beanspruchen und die Auflösung seiner Ehe vorantreiben. Allerdings tendierten die publizierten Texte, welche dieses partikulare Ansuchen stützen sollten, dazu, den konkreten Rahmen zu transzendieren. Die mit königlichem Plazet versehenen Schriften hinterfragten dergestalt bislang allgemein anerkannte Wahrheiten und definitive Gewissheiten und setzten sie einer Diskursivierung aus, in deren Folge über die Stellung der Kurie, die Rolle des Papstes sowie die Struktur der ‚Alten Kirche‘ ein neuer Aushandlungsprozess initiiert werden konnte. Die Radikalität des „King’s Great Matter“ bestand somit in erster 84 85

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Determinations, S. 263-267; cf. Censurae, S. 262-266. Vgl. dazu etwa für die 1530er Jahre John GUY, Scripture as Authority: Problems of Interpretation in the 1530s, in: Alistair Fox / Ders. (Hgg.), Reassessing the Henrician Age. Humanism, Politics and Reform 1500-1550, Oxford 1986, S. 199-220; neuerdings auch André A. GAZAL, Scripture and Royal Supremacy in Tudor England. The Use of Old Testament Historical Narrative, Lewiston u.a. 2013. Selbstverständlich musste diese Autorität immer wieder aufs Neue reproduziert und aktualisiert werden, damit die eigene Interpretation reüssieren konnte. Diesen Aspekt scheinen Kai Trampedach und Andreas Pečar zu wenig zu berücksichtigen, wenn sie von einer „anerkannten Normativität“ der gesamten Bibel ausgehen. Siehe Andreas PEČAR / Kai TRAMPEDACH, Der „Biblizismus“ – eine politische Sprache der Vormoderne?, in: Dies. (Hgg.), Die Bibel als politisches Argument, S. 1-18, hier S. 9f.

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Linie darin, dass es ein diskursives Ereignis 87 darstellte, welches die bestehende Ordnungsstruktur der communitas christiana (und infolgedessen auch der englischen Gesellschaft) massiv herausforderte und dadurch die Möglichkeit bot, alte Deutungsmuster gegen neuartige zu ersetzen. Die Scheidungsaffäre kann vor diesem Hintergrund als initiales Moment eines Prozesses angesehen werden, in dessen Zuge es zu einer Transformation der Beziehungen einzelner Diskurselemente untereinander kam, an deren Ende die Formation neuer Regeln stand.88 Oder anders ausgedrückt, wurde an dieser Stelle der englischen Geschichte sehr wahrscheinlich der Weg für die Etablierung eines neuen gesellschaftlichen Wahrnehmungshorizontes angelegt, der mit dem Begriff der Erwählung umschrieben werden kann. 2.2 Invicta veritas – Der Kampf um die richtige Wahrheit Die Publizierung der beiden Schriften Censurae und Determinations hat sowohl in England wie außerhalb zu enormem Resonanzen geführt.89 Um den konfliktiven Charakter der Auseinandersetzung herauszustellen, sollen nachfolgend anhand einer Schrift von Thomas Abel die wesentlichen Leitlinien skizziert werden.90 Dieser hatte nach dem Erscheinen der Censurae und Determinations eine Gegenschrift verfasst, die den programmatischen Titel Invicta Veritas trug.91 Aufgrund seiner einführenden Bemerkungen stellte vor allem die Publikation der englischen Version der Censurae für Abel eine besondere Gefahr dar. Die Determinations würden Unwahrheiten und Blasphemie verbreiten und ihre falschen Ausfüh87 88 89

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Begriff bei LINK, Literaturanalyse als Interdiskursanalyse, hier S. 295. Vgl. Michel FOUCAULT, Archäologie des Wissens, Frankfurt a. M. 1973, S. 246f; LANDWEHR, Historische Diskursanalyse, S. 69. John Fisher selbst hat seine abgefassten Werke zum Thema auf sieben bis acht geschätzt. Siehe Letters and Papers VIII, Nr. 859, S. 332-337, hier S. 336, Antwort 8; zu Fishers Aktivitäten REX, Theology of Fisher, S. 162-183; SCARISBRICK, Fisher, Henry VIII and the Reformation crisis, passim; Schriften vom Kontinent waren u.a. Girolamo PREVIDELLI, Consilium d. Hieronymi Preuidelli, pro invictiss. rege Angliae […], Bologna 1531 (USTC 851312/Biblioteca Universitaria Bologna); PHILALETHES, Parasceve, sive adversus improborum quorundam temeritatem Angliae reginam ab Arthuro priore marito suo cognitam fuisse adstruentium, Antwerpen 1533 (USTC 410299/British Library); CAJETAN, Opusculum de coniugio regis Angliae cum relicta fratris sui, Paris 1545 (USTC 116369/Bodleian Library); Pietro Paolo CAPORELLA, Quaestio de matrimonio serenissimae reginae Angliae, Neapel 1531 (USTC 818575/Biblioteca Universitaria Alessandrina). Eingehende Behandlung dieser sowie weiterer Texte zur Scheidung bei SCARISBRICK, Henry VIII, S. 163-197. Abel war ab 1528 Kaplan Katharinas und daher in die Scheidungsaffäre direkt involviert. Zu seiner Person Gary G. GIBBS, Art. „Abell, Thomas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]. Thomas ABEL, Invicta Veritas, Antwerpen 1532[?] (STC2 61/British Library). Das Kolophon der Schrift gibt als Druckort und Jahr Lüneburg 1532 an. Diese Angaben werden seit geraumer Zeit in Zweifel gezogen und für den Druckort Antwerpen angenommen. Siehe GIBBS, Abell; zur Bedeutung der Schrift in den zeitgenössischen Diskussionen auch MCCONICA, English Humanists, S. 128.

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rungen durch ein ausgeklügeltes Blendwerk an Rhetorik zu vertuschen suchen. Aus diesem Grunde müsse sich der Autor ans Werk machen, um nicht zuletzt dem einfachen Leser und Rezipienten die unwahren Behauptungen, die hier in englischer Sprache vorlägen, auseinanderzusetzen und diese zu widerlegen. Die Sorge um die Aufnahme der Thematik in einer breiteren Schicht von Rezipienten klingt hier sehr deutlich an und offenbart zugleich, dass sich die Zeitgenossen der potentiellen Wirkungen jener publizierten Schriften sehr wohl bewusst waren. Im ersten Teil der Schrift rekapituliert Abel die Argumente der Determinations und dekonstruiert sie Stück für Stück. So argumentiert er, dass die Heirat der Witwe des Bruders weder gegen göttliches noch Naturrecht verstoße, sondern im Gegenteil durch Gottes Diener Moses den Juden aufgetragen worden sei. Zu diesem Zweck zählt er eine Reihe bekannter Beispiele aus der Bibel auf.92 Dezidiert wendet sich Abel in diesem Zusammenhang gegen die Behauptung, dass die deuteronomistischen Gesetze zeitlich begrenzt seien oder gar nur für die Juden gelten würden und deshalb die levitischen vorzuziehen seien.93 Minutiös zerlegt Abel in der Folge die Argumente der königlichen Seite und betreibt – modern gesprochen – Quellenkritik, indem er die angeführten Passagen zu Kirchenvätern und zitierten Bibelstellen prüft und häufig als irrelevant, irreführend oder schlicht falsch wiedergegeben verwirft. So konnte Abel den Autoren der Censurae und Determinations schlechtes Handwerk vorwerfen, weil sie die Schrift falsch ausgelegt und ferner Dinge hinzugefügt hätten, die nichts zur eigentlichen Sache beitragen würden.94 Vor diesem Hintergrund kommt er zur Feststellung, dass die postulierte Kontradiktion zwischen den levitischen und deuteronomistischen Geboten keine sei, da eine solche Annahme dazu führe, dass Gott sich selbst widersprochen hätte. Im Gegenteil würden sich beide Gesetze vorzüglich ergänzen, so dass eher der Versuch, hier eine Trennung und Gewichtung vorzunehmen, die Betreffenden in den Verdacht der Blasphemie bringe: „[Y]e may now se howe thies p[er]sons blaspheme almyghty god and his holy law: for they saye that for a man to mary his broth[er]s wif a widow […] ys abominable and infection and a corruption of the maners of the people a myschevous example and a breking of the law of na92

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Abel nennt allen voran das Beispiel Abrahams, der seine Schwester Sara zur Frau nahm, was zu diesem Zeitpunkt auch nicht gegen göttliches oder natürliches Recht verstoßen habe. Siehe ABEL, Invicta veritas, fol. Aiiiv-Bir. Siehe bspw. die Argumentation ABEL, Invicta veritas, fol. Fiir-Fiiir. Abell konzediert hier, dass die deuteronomistischen Gesetze v.a. für die Juden wichtig waren, verneint aber, dass daraus für gegenwärtige Zeiten notwendig folgen müsse, dass diese nun verboten seien. Der entscheidende Punkt und damit wichtigste Unterschied zu den Behauptungen der königlichen Seite besteht darin, dass Abel herausstellt, es sei nun nicht verboten, die Witwe des Bruders zu ehelichen, sondern es stünde jedem frei, dies zu tun oder nicht und dass in solchen Situationen der Papst natürlich dispensieren könne. ABEL, Invicta veritas, fol. Civv: „[W]herfor yowe muste note and marke wel thies persones saynge for they doo not care how falsly they saye / nor yet how fasely [sic!] they apply goddis sayng and holy scripture nor other mens saynge / so that they make suche saynges to apere for their false purpose / also you shall se them bringe in many thinges that perteyne no thynge to this […]“.

90 | E NGLANDS E XODUS ture / and yet thei can not deny but that almyghty God did commaunde such mariagis / and so they laye al this abhominacion vpon almyghty God whiche is great dispisynge and blasphemy 95 vnto hym.“

Die Art der Argumentation von Thomas Abel macht deutlich, dass er zwei wesentliche Ziele verfolgte: Zum einen ging es ihm darum, die Argumente der Gegenseite zu entkräften, indem diese entweder stichhaltig widerlegt oder die gegnerische Partei in einen Bereich des Unwahren verschoben wurde. Zum anderen war er daran interessiert, die Omnipotenz des Papsttums zu bewahren bzw. wiederherzustellen. Beide Punkte dienten letztlich der Absicht, die aufscheinende Radikalität des Konflikts im Keim zu ersticken. Zur Diskreditierung der Gegenseite diente an dieser Stelle nicht nur der Blasphemie-Vorwurf, sondern Abel versuchte jene Personen grundsätzlich aus dem Diskurs der Zeit zu eliminieren, indem er sie als Häretiker stigmatisierte. Hierzu diente unter anderem das Beispiel Tertulians, das bereits in den Determinations herangezogen worden war, um die Illegitimität der königlichen Ehe zu belegen.96 Abel zeigte hier nicht nur eine verkürzte Wiedergabe Tertulians auf, sondern ging noch einen Schritt weiter und qualifizierte Tertulian als Häretiker ab.97 Der Häresievorwurf fand sodann Eingang in die generelle Kritik der Gegenseite, wodurch deren Entfremdung von Gott sowie die Unrechtmäßigkeit bzw. Unwahrheit der Behauptungen aufgezeigt werden sollte. „And thus I saye therfore it is false / and heretical to saye / and affyrme / that this commaundment that bounde the Iues to mary theyr brothers wifis widows etc. ys now ded and ceas98 sid and the contrary hathe place“

Die Absicht einer Abwertung und Diskreditierung der Gegenseite im zeitgenössischen Diskurs offenbart sich darüber hinaus im Versuch, die Verfasser und alle Personen, die sich deren Meinung angeschloßen hatten, im Umkreis der Reformation zu verorten. Dies ist etwa daran zu erkennen, dass Abel seine Kontrahenten als „Pestilent persons“ brandmarkt99 – eine Bezeichnung, die sowohl im englischen als auch im kontinentalen Kontext zu jener Zeit für die Auswüchse der reformatorischen Bewegung reserviert war. So schrieb bspw. Cuthbert Tunstall 1528, zu dieser Zeit Bischof von London und damit oberster Zensor Englands, an Thomas More, dass das Königreich von „pestilential doctrines“ infiziert worden sei und More sich doch am Kampf gegen diese Bewegung beteiligen solle.100 Im kontinentalen Zusammenhang ABEL, Invicta veritas, fol. Ciiir-v. Vgl. Determinations, S. 57-61; cf. Censurae, S. 56-60. Die Behandlung Tertulians ABEL, Invicta veritas, fol. Eiiir-Fiv. Die Verurteilung als Häretiker fol. Fiv. 98 ABEL, Invicta veritas, fol. Fir. 99 Vgl. ABEL, Invicta veritas, fol. Siir, Qiiv. 100 Siehe Licence for Sir Thomas More to keep and read heretical books, 7. März 1528, in: English Historical Documents, Bd. 5: 1485-1558, ed. von C. H. Williams, London 1967, Nr. 123, S. 828-829, hier S. 828; zu Tunstall David G. NEWCOMBE, Art. „Tunstall, Cuthbert“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2013, URL: [14.04.2017].

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war gleichsam des Öfteren von der „pestis Germaniae“ die Rede, was diese Sprachregelung eindeutig in ihrer Stoßrichtung gegen die Ideen und Auswirkungen der reformatorischen Bewegung identifizierte.101 Diese Ausrichtung der Argumentation hatte im englischen Raum zugleich rechtliche Implikationen, konnte doch der Verdacht von Häresie oder Blasphemie seit einer königlichen Proklamation von 1530 mit harten Strafen geahndet werden, die bis zum Tode des Delinquenten führen konnten.102 Hiermit versuchte Abel also zusätzlich, die königliche Gesetzgebung gegen seine Opponenten einzusetzen, um deren Position weiter zu schwächen. Der Autor offenbarte damit zugleich einen Glauben an die grundsätzliche Bereitschaft des englischen Königs, sich durch die Wahrheit überzeugen zu lassen und einem, durch Schriften wie die Censurae und Determinations inaugurierten, papstfeindlichen Kurs zu entsagen.103 Der Appell Abels, wonach der König sich in einer Art Arbiterstellung104 zwischen den streitenden Parteien positionieren und am Ende der reinen Wahrheit den Vorzug geben sollte, wurde freilich durch die Version der Wahrheit, welche er in seiner Schrift ausbreitete, konterkariert. Denn der Verfasser führte nicht nur den Nachweis, dass die Applikation der levitischen Gesetze für die konkrete Frage der Annullierung nicht funktionieren könne, sondern dekonstruierte zudem die vorgebrachten Argumente zum Problem der deuteronomistischen Bestimmungen. Hieraus ergab sich schließlich auch Abels zweiter wichtiger Punkt, der auf die Konsolidierung der Stellung des Papsttums als letzte verbindliche Instanz hinauslief. Da die Ehe zwischen nahen Blutsverwandten weder durch göttliches noch Naturrecht per se geregelt sei, ergebe sich unzweifelhaft, dass in solchen Fällen erst die Kirche zu einer näheren Regelung beigetragen habe.105 Sollte das Verbot einer Verbindung naher Blutsverwandter aber tatsächlich auf ein Kirchengesetz zurückgehen, bestehe indes kein Zweifel an den Befugnissen und Kompetenzen des Papstes: „And the pope hathe power to licens againste that ordinaunce / and so consequently he hath power to dispence vpon suche mariage.“106 Vor diesem Hintergrund kann 101 Vgl. Heinz SCHILLING, Aufbruch und Krise. Deutschland 1517-1648, Berlin 1988, S. 207. 102 Siehe Prohibiting Erroneous Books and Bible Translations, in: Paul L. HUGHES / James F. LARKIN (Hgg.), Tudor Royal Proclamations, Bd. 1: The Early Tudors (1485-1553), New Haven/London 1964, Nr. 129, S. 193-197; auch hier findet sich im Übrigen ein Hinweis auf „pestiferous English books“; bereits zuvor gab es königliche Proklamationen, die sich gegen häretische Bücher und Predigten wandten. Vgl. Ibid., Nr. 122, S. 181186. 103 In ähnlicher Weise hat Christopher Warner zuletzt versucht, die Rolle des Königs in der Zeit zwischen 1529 und 1535 zu beschreiben. Siehe WARNER, Henry VIII’s Divorce. Seine Arbeit verkennt allerdings die tiefe Eingebundenheit des Königs in die Formulierung der Censurae, Determinations sowie weiterer, noch folgender Schriften, wie sie etwa Virginia Murphy herausgearbeitet hat. 104 Zum Begriff KAMPMANN, Arbiter. 105 Siehe ABEL, Invicta veritas, fol. Biir: „[F]or it is forbiden that a man maye mary withe her that is ioynyd to hym in the first degre of lateral affynyte but onely by the lawe and ordinaunce of the churche.“; zu den Beispielen für eine fehlende göttliche oder naturrechtliche Regelung dieser Ehen siehe Ibid., fol. Aiiiv-Bir. 106 ABEL, Invicta veritas, fol. Biiiv.

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Abel am Ende apodiktisch resümieren: „[T]her is no scripture nor Doctour saynge that suche mariage ys forbiden by the leuitical lawe / nor agayne ther is no Doctour that doith saye that the Pope can not dispence in this case.“107 Nachdem somit die konkrete Problematik geklärt worden war, wandte sich Thomas Abel zuletzt jener radikalen Dimension zu, die der Auseinandersetzung inhärent war. In diesem Zusammenhang betonte der Autor die generelle Rolle der Papstkirche für das Christentum und die europäische Staatenwelt. So heißt es dort: „[B]ut the Pope doith licence and dispence that a Cristen man may mary his brothers widow as a kynge or a prince to mary his brothers widow / to be meane that queytnes and peace may be kepte betwene realme and realme: and for to continew loue and frendeship betwene Cristen princes / and for other suche reasonable and profitable causes concerning the comyn welthe of 108 Cristendome“

Der Hinweis auf die friedensstiftende Rolle des Papsttums im Hinblick auf die europäische Christenheit war in dieser Situation ebenso wichtig wie die folgende Warnung vor einem zunehmenden Verlust der Ordnung im Falle einer Abkehr von der Institution.109 Abel dokumentierte etwaige Ängste vor einer drohenden Zerrüttung der bestehenden Ordnung in Ausführungen wie der folgenden: „Here now ye may se and perceyue theis pestilent persons vngracious and maliciouse entent: and what thei counsail / and wolde haue done (that is to saye) a man to diuorse him selfe / and to forsake his wife yf his conscience moue him to diuorse without enyfurther [sic!] profe or shewing of eny iust cause: and to mary where yt plesid him thoughe the churche sayd the con110 trary: which is clerly against al reason.“

Der Verfasser wirft hier die gesamte Tradition der Institution Kirche in die Waagschale und perhorresziert ein Handeln, das ohne Zustimmung oder Segen der Kirche stattfindet, wobei Kirche gleichbedeutend mit Papsttum ist. Eine Sichtweise, die den Gläubigen insinuierte, die Kirche hätte sich über einen großen Zeitraum geirrt und falsche Lehren verkündet, könne nach Abels Meinung nur von „falschen Lehrern“ ausgehen, die offensichtlich durch die Verkündigung einer Irrlehre im Gegensatz zu Gott stünden und dementsprechend bekämpft werden müssten.111 Zusammenfassend 107 ABEL, Invicta veritas, fol. Nir. 108 ABEL, Invicta veritas, fol. Siv. Hier nimmt Abel zugleich einen der Hauptgründe für die Verheiratung von Heinrich und Katharina auf, wie er auch im Heiratsabkommen explizit angeführt wird. Siehe Confirmatio Tractatus, de Matrimonio Henrici Principis Walliae cum Katerina Infante, in: Thomas RYMER, Foedera, conventiones, literae, et cujuscunque generis acta publica: inter reges Angliae, et alios quosvis imperatores, reges, pontifices, principes, vel communitates, ab ineunte saeculo duodecimo, viz. ab anno 1101, ad nostra usque tempora, habita aut tractata, London 1727-1735, hier Bd. 13, 2. Aufl., London 1727, S. 76-86, hier S. 77. 109 Dass diese Rolle traditionell zur übergeordneten Stellung des Papsttums gehörte, zeigt KAMPMANN, Arbiter, S. 26-65. 110 ABEL, Invicta veritas, fol. Siir. 111 Vgl. ABEL, Invicta veritas, fol. Siiiv-Sivr.

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kann Abels Schrift als Versuch interpretiert werden, die Radikalität der Auseinandersetzung einzudämmen und das Verfahren wieder in geregelte Bahnen zu lenken. In dieser Hinsicht offenbart der Text zugleich, dass sich die Zeitgenossen sehr wohl der potentiellen Wirkung bewusst waren, welche die Scheidungsaffäre sowie die in ihrem Sog publizierten Schriften haben konnten.

3. ‚ANTIKLERIKALISMUS ‘ UND DIE ENGLISCHE K LERISEI : D IE M OSAISCHE U NTERSCHEIDUNG IN E NGLAND Die Veröffentlichungen der Censurae und der Determinations hatten zur Etablierung eines diskursiven Horizonts beigetragen, in dessen Rahmen eine massive Kritik an der Deutungshoheit des Papsttums artikulierbar wurde. Dabei wurden Themen gesetzt bzw. zumindest angedeutet, die in der Folge von anderen Autoren aufgenommen und weiter ausgebaut werden konnten. Ein nicht unerhebliches Element in diesem Prozess stellte die Beteiligung der Krone dar, die auf der einen Seite Schriften wie die Censurae und Determinations gefördert und zur Publikation freigegeben, und auf der anderen Seite durch eigene Aktionen zur Entstehung dieses Horizonts beigetragen hatte. Auf der Handlungsebene war es vor allem das Vorgehen gegen den englischen Klerus in den Jahren 1530/31, welches als Signum gedeutet werden konnte, dass nunmehr eine massive Kritik an verschiedenen klerikalen bzw. kirchlichen Missständen politisch gewollt und durchaus willkommen war. Ausgangspunkt des Ganzen waren die Weigerungen der Konvokationen von Canterbury und York, des Parlaments sowie des Erzbischofs von Canterbury, ohne päpstliches Plazet eine einseitig englische Lösung der Scheidungsproblematik anzuerkennen.112 William Warham bezog sich in seiner Begründung auf ein päpstliches Schreiben, in dem Clemens VII. jedwede Aktion in dieser Angelegenheit, die nicht den Segen Roms habe, für illegitim erklärte und bei Nichtbefolgung die Exkommunikation in Aussicht stellte. Ausdrücklich schloss der Pontifex zudem in seiner detaillierten Darlegung des Verbots neben den kirchlichen auch die weltlichen Institutionen wie Universitäten, Parlamente oder Gerichte mit ein, die dadurch ebenfalls mit dem Kirchenbann bedroht wurden.113

112 Siehe die Beschreibung von Eustace Chapuys in einem Brief an Karl V., 15. Okt. 1530, in: Calendar of State Papers Relating to the Negotiations Between England and Spain, ed. von Pascual DE GAYANGOS / Gustav Adolf BERGENROTH et al., 13 Bde., London 1862-1954, hier Bd. IV/1, London 1879, Nr. 460, S. 758-762; zur Weigerung Warhams auch Ibid., Bd. IV/2, Nr. 598, S. 22-28, hier S. 27. 113 Vgl. Letter from Pope Clement VII to Henry, forbidding his marrying any other woman, 5. Jan. 1531, in: POCOCK (Hg.), Records, Bd. 2, Nr. 236, S. 104-108.

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3.1 Pardon of the Clergy Als Reaktion darauf initiierte die Krone in den Jahren zwischen 1529 und 1531 ein Verfahren, das den englischen Klerus auf der Grundlage der spätmittelalterlichen Praemunire-Gesetzgebung unter Anklage stellte.114 Vor allem das zweite Praemunire-Gesetz von 1393 hatte den päpstlichen Einfluss auf das Königreich England zu beschränken versucht. Hierin wurde festgelegt, dass alle von Rom ausgehenden Anordnungen, Gesetze, Rechte, Urteile etc. ohne die Zustimmung des Königs gegen die Hoheitsrechte der Krone verstießen und deshalb nichtig seien. Das Befolgen einer von Rom ausgehenden Anweisung ohne das explizite Einverständnis des englischen Monarchen konnte den Verlust des königlichen Schutzes, sämtlicher Ländereien und Habseligkeiten und/oder Gefängnisstrafe nach sich ziehen.115 Das Gesetz von 1393 ergänzte zugleich ältere Vorgaben, die es allen Untertanen untersagt hatten, sich an auswärtige Gerichte zu wenden oder externer Rechtsprechung zu folgen. Alle Rechtsgeschäfte sollten demnach zuerst vor königlichen Gerichtshöfen auf der Grundlage des common law verhandelt werden.116 Während zunächst lediglich die Person Thomas Wolseys im Mittelpunkt der Anklage stand, kam es alsbald zur Ausdehnung auf den gesamten englischen Klerus.117 Entgegen seiner eigentlichen Argumentation schreibt John Guy dazu sehr treffend: „As a result, his [Wolsey – BQ] prosecution assumes political significance out of proportion to his individual importance, because it has to be seen as an implied attack on the independent ju118 risdiction of church courts as enshrined in chapter one of Magna Carta.“ 114 Vgl. STATUTES OF THE REALM II, 16° Ric. II., c. 5, S. 84-86. Gekürzte Version in English Historical Documents, Bd. 4: 1327-1485, ed. von Alec R. MYERS, London 1969, Nr. 383, S. 661f; grundlegend dazu John SCARISBRICK, The Pardon of the Clergy, 1531, in: Cambridge Historical Journal 12 (1956), S. 22-39; John GUY, Henry VIII and the praemunire manoeuvres of 1530-1531, in: EHR 97 (1982), S. 481-503; George W. BERNARD, The Pardon of the Clergy Reconsidered, in: JEH 37 (1986), S. 258-287; DERS., The King’s Reformation, S. 43-50; Michael KELLY, The Submission of the Clergy, in: TRHS 5th Ser., 15 (1965), S. 97-119; HAIGH, English Reformations, S. 105-115. 115 The Statute of Praemunire [1393], S. 661. 116 Bereits 1353 wurde ein praemunire-Gesetz erlassen. Siehe The First Statute of Praemunire, 1353, in: Gerald L. BRAY (Hg.), Documents of the English Reformation, Cambridge 1994, S. 600f. Beide antipapistischen Gesetze finden sich zudem im 1533 publizierten Great Boke of Statutes […], London 1533 (STC2 9286/British Library), fol. Gvr-Gviv & Uivv-Uvr und wurden dadurch einer größeren Masse potentiell zugänglich gemacht. Siehe dazu auch Howard Jay GRAHAM, „Our Tong Maternall Maruellously Amendyd And Augmentyd“: The first englishing and printing of the medieval statutes at large, 15301533, in: UCLA Law Review 13 (1965), S. 58-98; Gillian BRENNAN, Patriotism, Language and Power: English Translations of the Bible, 1520-1580, in: History Workshop Journal 27 (1989), S. 18-36, hier S. 23. 117 Hintergrundinformationen liefern GUY, praemunire manoeuvres, S. 482-487; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 273-281, 296-302; BERNARD, Pardon, S. 269-275; DERS., The King’s Reformation, S. 43-50. 118 GUY, praemunire manoeuvres, S. 486.

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In der einschlägigen Forschung besteht kaum Zweifel daran, dass die Aktionen der Krone an dieser Stelle im Zusammenhang mit der Scheidungsproblematik gesehen werden müssen.119 In deren Kontext betrachtet, ergibt das Vorgehen dann auch Sinn: Die Option einer innerenglischen Annullierung der Ehe gewann nach dem gescheiterten Verfahren des legatine court zunehmend an Attraktivität. Hierfür musste allerdings die Zustimmung des englischen Klerus gewonnen werden, da mit der Entscheidung für eine partikulare Lösung weitreichende Konsequenzen verbunden sein konnten. Papst Clemens VII. hatte bereits mit Folgen wie der Exkommunikation gedroht. Dennoch beugte sich die durch das Praemunire-Verfahren primär betroffene Konvokation von Canterbury schließlich dem Druck. Weitaus wichtiger als die finanzielle Kompensationsleistung, die von der Krone verlangt worden war, gestaltete sich indes ein anderes Zugeständnis, das auf diesem Weg erreicht wurde: So stimmte der versammelte Klerus letztlich zu, den König als oberste Instanz der englischen Kirche anzuerkennen und ihm folgerichtig die „cura animarum“ zu übertragen. 120 Neben Canterbury lenkte auch die Konvokation von York ein und sicherte Heinrich VIII. so den Titel eines „supreme head“ zu. Freilich erfolgten diese Zusagen nicht ohne, zum Teil erbitterten Widerstand seitens des Klerus. So protestierte Cuthbert Tunstall, der Bischof von Durham, gegen die Übernahme des Titels „Supremum caput“ für den geistlichen Bereich, weil dies nach der Lehre Christi nicht erlaubt sei: „rex non sit supremum caput ecclesiae, cum hoc per Christi legem non liceat“. 121 Auch andere Kirchenvertreter kritisierten das Vorgehen der Krone und versuchten, etwa wie John Fisher, das nahezu Unvermeidliche durch relativierende Formulierungen einzuschränken.122 Gleichwohl hatten die Aktionen der Krone hier neue Möglichkeitsräume eröffnet, in denen nun eine massive Kritik am Klerus legitim geäußert werden konnte. In die119 In diesem Sinne GWYN, The King’s cardinal, S. 623-635; SCARISBRICK, Pardon, S. 26f; BERNARD, Pardon; HAIGH, English Reformations, S. 106-108. John Guy hat seine Position zur Sache in einer späteren Publikation revidiert und sieht die Scheidungsaffäre nun ebenfalls als maßgeblichen Kontext. Vgl. dazu John GUY, Thomas Cromwell and the Intellectual Origins of the Henrician Revolution, in: Fox / Ders. (Hgg.), Reassessing, S. 151-178, wiederabgeduckt in: Ders. (Hg.), The Tudor Monarchy, London 1997, S. 213233; der kaiserliche Botschafter Eustace Chapuys ließ indes keinen Zweifel am Zusammenhang der praemunire-Anklagen mit der Scheidungsfrage. Siehe Calendar of State Papers Spain IV/1, Nr. 396, S. 670-674, hier S. 673. 120 Siehe zu den Forderungen der Krone, den Verhandlungen und Bestimmungen Convocatio episcoporum et cleri provinciae Cantuar. continuata a die 29. mensis Aprilis […], in: David WILKINS (Hg.), Concilia Magnae Britanniae et Hiberniae, a synodo verolamiensi A. D. Cccc Xlvi ad londinensem A. D. MDCCXVII, 4 Bde., London 1737, hier Bd. 3, S. 724-726; cf. HAIGH, English Reformations, S. 106-109. 121 Cuthberti Tunstall, episcopi Dunelmensis, protestatio contra titulum Henrico VIII. […], in: WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 745. 122 So versuchte Fisher durch den Zusatz, „in quantum per Christi legem licet“ die Position des Königs zu relativieren. Siehe WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 725; BAYNE, The Life of Fisher, S. 80; PARMITER, Great Matter, S. 156; SCARISBRICK, Fisher, Henry VIII and the Reformation crisis, S. 158.

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ser Hinsicht kann davon ausgegangen werden, dass das Vorgehen gegen die englische Klerisei nachgerade das Ferment bildete, durch das den antipapistischen Artikulationen der Censurae und Determinations eine neue, antiklerikale Dimension hinzugefügt wurde. 3.2 Der englische ‚Antiklerikalismus‘ Der Begriff des Antiklerikalismus entstand im Zuge der großen Auseinandersetzungen um den kulturellen und politischen Einfluss der Katholiken im 19. Jahrhundert, die in vielen europäischen Staaten ausgetragen wurden.123 In diesem Kontext ging es vornehmlich darum, kirchliche Einflüsse aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen und Religion in den Bereich des Privaten zu verbannen. Wenn sich dieser Antiklerikalismus darüber hinaus mit Elementen einer atheistischen Religionskritik verband, konnte sogar die Überwindung von Kirche und Religion an sich zur Debatte stehen.124 Eine unreflektierte Rückprojektion dieses Kampfbegriffes auf Verhältnisse des Mittelalters und der Frühen Neuzeit kann infolgedessen zu erheblichen Verzerrungen und der Kreation von falschen Voraussetzungen führen. Ein wesentliches Problem in der Anwendung des Begriffes auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Verhältnisse besteht darin, dass damit ein Kontinuum zwischen beiden Epochen postuliert wird, das freilich den qualitativen Unterschied verkennt oder ignoriert, welcher durch die Reformation hinsichtlich des Verhältnisses eines etablierten Klerus zur restlichen Gemeinschaft geschaffen worden war. So existierten zwar seit dem Hochmittelalter Beschwerden verschiedenster Art gegen einzelne Vertreter des klerikalen Standes, die sich mitunter zu manifesten Konflikten mit teilweise tödlichem Ausgang ausgestalten konnten. Allerdings führten diese Spannungen in der Regel nicht dazu, dass es zu einer grundsätzlichen Forderung nach Abschaffung des geistlichen Standes kam. Die Notwendigkeit der Institution blieb trotz aggressiver Kontroversen und Konflikte zwischen Laien und Klerus insgesamt anerkannt. 125 Dies gilt umso mehr, da ein Teil der Kritik nicht von laikaler Seite an das System Kirche her-

123 Siehe für England/Großbritannien Richard A. COSGROVE, English Anticlericalism: A programmatic assessment, in: Dykema / Oberman (Hgg.), Anticlericalism in Late Medieval and Early Modern Europe, S. 569-581, hier S. 576-580; zu den Konflikten in Großbritannien zwischen Protestanten und Katholiken um eine anerkannte Stellung katholischer Engländer und Schotten in der britischen Gesellschaft und wie diese sich auf die Historiographie der englischen Reformation auswirkten, siehe Rosemary O’DAY, The Debate on the English Reformation, London/New York 1986, S. 54-101; COLLINSON, The English Reformation, S. 350. Collinson nennt das Frankreich des späten 19. Jh. als Ursprungsort des Begriffes; zur Tradition des Motivs im englischen Kontext siehe den Band von ASTON / CRAGOE (Hgg.), Anticlericalism in Britain; grundsätzlich auch Kaspar ELM, Antiklerikalismus im deutschen Mittelalter. Ein Überblick, in: Dykema / Oberman (Hgg.), Anticlericalism, S. 3-18, hier S. 3f. 124 Vgl. Hans-Jürgen GOERTZ, Radikalität der Reformation. Aufsätze und Abhandlungen [Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte, Bd. 93], Göttingen 2007, S. 41. 125 Siehe GOERTZ, Radikalität der Reformation, S. 41-48; ELM, Antiklerikalismus, S. 13.

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angetragen wurde, sondern Angehörige des klerikalen Standes selbst oftmals die eigentlichen Träger massiver Kritik waren.126 Freilich wurden gerade die spätmittelalterlichen Klagen gegen verschiedene geistliche Fehltritte, eine unmoralische oder nicht standesgemäße Lebensführung, die Anhäufung von Pfründen sowie einen stetig fallenden Grad an grundlegender (Aus-) Bildung vieler Geistlicher von der Forschung gerne herangezogen, um eine zunehmende Differenzierung zwischen Laien und Klerus zu belegen, die in der Retrospektive radikalisiert und dadurch zu einer wesentlichen Ursache der Reformation erhoben werden konnte. In dieser Lesart werden also Klagen und Partikularinteressen, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen und aus verschiedenen konkreten Zusammenhängen stammen, kurzerhand in einem Begriff zusammengeführt, um dadurch letztlich einen argumentativen Ansatz zur Erklärung der Reformation gewinnen zu können.127 An dieser Konstruktion haben im englischen Bereich diverse revisionistische Historikerinnen und Historiker seit den 1980er Jahren vermehrt Kritik geübt. Dabei ging es ihnen weniger darum, die Existenz von Beschwerden über problematische Geistliche im Einzelnen zu negieren.128 Vielmehr zielte die Kritik auf eine undifferenzierte Kontinuitätsstiftung zwischen den mittelalterlichen und reformatorischen Entwicklungen, die durch eine unreflektiere Verwendung des Begriffes Antiklerikalismus auf beide Epochen evoziert wird und dabei gleichwohl den qualitativen Wandel in den reformatorischen Invektiven verkennt. Ethan Shagan hat vor diesem Hintergrund zuletzt betont, dass erst mit der Verquickung von traditionellen Klagen mit den politisierten Themen nach 1530 eine neue Qualität in die Auseinandersetzungen zwischen Laien und Klerikern Einzug hielt. Dies sei freilich national geschehen, d.h. in der Stadt wie auch auf dem Land.129 Als einer der prominentesten Kritiker eines der Reformation vorgängigen Antiklerikalismus’ hat Christopher Hiagh schon Anfang der 1980er Jahre die Kreation eines Narrativs beanstandet, das einzelne Fälle aus ihrem konkreten Zusammenhang 126 Siehe GOERTZ, Radikalität der Reformation, S. 44; ELM, Antiklerikalismus, S. 10f. 127 Zu dieser Lesart etwa Arthur G. DICKENS, The Shape of Anti-clericalism and the English Reformation, in: E. I. Kouri / Tom Scott (Hgg.), Politics and Society in Reformation Europe. Essays for Sir Geoffrey Elton on his Sixty-Fifth Birthday, London u.a. 1989, S. 379-410; LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 5-7; Claire CROSS, Church and people 1450-1660, Hassocks 1976, S. 43-45, 76-78; George COULTON, Priests and People before the Reformation, in: Ders., Ten Medieval Studies, Cambridge 1930, hier Paperback Ed., Boston 1959, S. 123-165. 128 Diese Beschwerden waren durchaus gegeben. Siehe u.a. Robert N. SWANSON, Problems of the Priesthood in Pre-Reformation England, in: EHR 105 (1990), S. 845-869; Peter MARSHALL, The Catholic Priesthood and the English Reformation, Oxford 1994, S. 211232 und passim; Felicity HEAL, Of Prelates and Princes. A study of the economic and social position of the Tudor episcopate, Cambridge 1980; Peter HEATH, The English Parish Clergy on the Eve of the Reformation, London 1969; Tim COOPER, The last generation of English Catholic clergy. Parish Priests in the diocese of Coventry and Lichfield in the early sixteenth century, Woodbridge 1999, hier, S. 134-137, 178-183. 129 Ethan SHAGAN, Anticlericalism, popular politics and the Henrician Reformation, in: Ders., Popular Politics, S. 131-161; diese neue Qualität, die durch die Reformation erst kreiert wurde, betont auch GOERTZ, Radikalität der Reformation, S. 44f.

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reißt und nahtlos in eine neue Erzählung einfügt. Problematisch erschien ihm diese Erzählung, weil sie sowohl als Ursache der Reformation als auch als Grund geltend gemacht wurde, warum reformatorische Ideen so rasch in der englischen Gesellschaft akzeptiert worden wären.130 Für die englische Situation kann Haigh herausarbeiten, dass zum Nachweis eines virulenten Antiklerikalismus unmittelbar vor der politischen Reformation Heinrichs VIII. stets dieselben Beispiele angeführt werden. In diesen konkreten Fällen hätten jedoch partikulare Interessen bestimmter Gruppen eine gewichtige Rolle gespielt, so dass eine Verallgemeinerung der vorgebrachten Klagen aus heutiger wissenschaftlicher Sicht mehr als fragwürdig erscheine. Haigh argumentiert in der Folge, dass ein kohärentes und umfassendes Feindbild Antiklerikalismus kein Vorläufer der Reformation gewesen, sondern im Gegenteil erst durch die seit ca. 1530 einsetzenden Prozesse geschaffen worden sei.131 Im Anschluss an dessen Thesen soll nachfolgend argumentiert weden, dass der Antiklerikalismus in Form einer radikalen Ablehnung vieler tradierter klerikaler bzw. kirchlicher Praktiken und institutioneller Privilegien ein Effekt der henrizianischen Reformatiom und insbesondere der Einführung der Mosaischen Unterscheidung in England war. Stimuliert durch die Problematiken der Scheidungsaffäre stellte die Kritik an Status, Praktiken und Privilegien des geistlichen Standes einen Konvergenzpunkt dar, an dem sich die Interessen der Krone mit jenen der englischen Reformer sowie weiteren Gruppen kreuzten. Das von der königlichen Seite ausgehende Praemunire-Verfahren beförderte in diesem Zusammenhang zusätzlich die Tendenz, eine Vielzahl überkommener Traditionen und Privilegien als ‚papistisch‘ zu markieren und in der Folge als erfunden, gottlos und gemeinschaftsschädlich zu verwerfen. Zwei Erscheinungen trugen entscheidend dazu bei: Zum einen muss die regelmäßige Veröffentlichung der einzelnen Kritikpunkte als wesentliches Element betont werden. Ohne Zweifel existierten auch in früherer Zeit Klagen über Missstände in der Kirche; das qualitativ Neue im Unterschied zu diesen bestand nun darin, dass das grundlegende Bezugssystem eine Veränderung erfuhr. Die Drucklegung einer Vielzahl von partikularen Kritiken erlaubte und ermöglichte es den Rezipienten, leichter Beziehungen zwischen konkreten Einzelfällen herzustellen, um darüber schließlich

130 Vgl. Christopher HAIGH, Anticlericalism and the English Reformation, in: History 68 (1983), S. 391-407, wiederabgedruckt in: Ders. (Hg.), The English Reformation Revised, Reprint Cambridge 2000, S. 56-74; zur älteren Historiographie DERS., Revisionism, the Reformation and the History of English Catholicism, in: JEH 36 (1985), S. 394-406; Ben R. MCREE, Traditional Religion, in: Robert Tittler / Norman Jones (Hgg.), A Companion to Tudor Britain, Malden 2004, S. 207-220; Ralph HOULBROOKE, Traditional Politics and Visionary Theology: the English Reformation, in: Friedeburg / Schorn-Schütte (Hgg.), Politik und Religion, S. 93-127, hier bes. S. 93-97, 100f; COLLINSON, The English Reformation, S. 346-353. 131 So diene der Fall des Richard Hunne stets als Beleg für die grundsätzliche Ablehnung der Todfallabgaben, und der Fall des Vikars von Hayes, Henry Gold, als Beleg für die Ablehnung des Zehnten. Siehe HAIGH, Anticlericalism, S. 57 und passim; zu Hayes auch Geoffrey ELTON, Star Chamber Stories, London 1958, S. 174-220.

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hinter dem Einzelfall ein generelles Problem diagnostizieren zu können, was dann öffentlich diskutiert werden konnte.132 Obzwar die Veröffentlichung derartiger Monita einen wesentlichen Entwicklungsschritt im Vergleich zu älteren Zeiten darstellte, hieß dies noch nicht zwangsläufig, dass die veröffentlichten Schriften auch mit der notwendigen Aufmerksamkeit verfolgt wurden. So hat bereits Peter Ukena darauf hingewiesen, dass es von der jeweiligen „Kommunikationssituation“ abhinge, ob bestimmte Themen eine Aufmerksamkeit erlangen und in der Folge öffentliche Kommunikation darüber entstehen könne.133 Erst die Einbettung der antiklerikalen Vorwürfe in den Kontext der politisch hochbrisanten Scheidungsaffäre garantierte in diesem Sinne eine erhöhte Aufmerksamkeit für Schrifttum mit entsprechendem Inhalt und hob den Gegenstand auf die Ebene einer allgemeinen öffentlichen Auseinandersetzung. Mit dieser Politisierung im Zuge des entstandenen Antagonismus’ kann schließlich davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Scheidungsaffäre die Kritik an der Kirche eine qualitative Veränderung durchlief, an deren Ende die Möglichkeit gegeben war, ein umfassendes Stereotyp in generalisierter Form zu formulieren, welches eine nationsweite Abwertung der alten Kirche zuließ.134 Die Zusammensetzung dieses Stereotyps, das für die Etablierung der Mosaischen Unterscheidung in England verantwortlich war, soll im Folgenden näher betrachtet werden. Dabei lassen sich vier Argumentationsrichtungen erkennen, die eingeschlagen wurden, um die Position des englischen Klerus sowie dessen Verbindung zur Papstkirche kritisch zu hinterfragen. Ausgehend von einer Kritik John Colets, die dieser ursprünglich in einer Predigt vor der Konvokation von Canterbury vorgetragen hatte135, sind dies: Erstens der politisch-rechtliche Einfluss der geistlichen Würden132 Siehe dazu UKENA, Tagesschrifttum, S. 42; zu dieser wichtigen Rolle des Druckgewerbes auch HEATH, English Parish Clergy, S. 193f. 133 Vgl. UKENA, Tagesschrifttum, S. 44; SCHMALE, Öffentlichkeit; aus theoretischer Sicht dazu sehr luzide HAHN, Aufmerksamkeit, passim. Siehe dazu auch die Ausführungen in der Einleitung. 134 Peter Heath hat die einzelnen Stränge, die sich sodann im Stereotyp des Antiklerikalismus’ vereinen, detailliert erarbeitet. Freilich fehlt bei ihm auch die Betonung des politischen Rahmens, der diese Zusammenführung entscheidend befördert und beschleunigt. Siehe etwa HEATH, English Parish Clergy, S. 196; siehe dazu auch SHAGAN, Anticlericalism. 135 Vgl. John COLET, Oratio habita a D. Ioanne Colet decano Sancti Pauli ad clerum in conuocatione, London 1512 (STC2 5545/Bodleian Library); dazu Christopher HARPERBILL, Dean Colet’s convocation sermon and the pre-Reformation Church in England, in: History 73 (1988), S. 191-210, hier zitiert nach dem Wiederabdruck in: Peter Marshall (Hg.), The Impact of the English Reformation 1500-1640, London u.a. 1997, S. 17-37; zur Person Joseph B. TRAPP, Art. „Colet, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]. Der Text von Colet erschien 1530 in einer englischen Übersetzung, wobei sowohl die zeitlichen Umstände als auch der verantwortliche Drucker (Thomas Berthelet) darauf hindeuten, dass hier kronnahe Stellen die Hand im Spiel hatten. Siehe zur Übersetzung The Sermo[n] of doctor Colete, made to the Conuocacion at Paulis, London 1530 (STC2 5550/Bodleian Library); zu Berthelets Stellung als königlicher Drucker E. Gordon DUFF, A Century of

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träger; zweitens der Reichtum und die Habgier der Kirche, die nach immer mehr Ländereien und sonstigen finanziellen Zuwendungen strebe; drittens erregen Teile des theologischen Unterbaus, vor allem der Glaube an das Fegefeuer und damit verbundene Praktiken wie die Seelmesse, Anstoß; und viertens gerät der Lebensstil der Kleriker in die Kritik, die vielfach eher nach weltlichen Freuden streben, denn ihre geistlichen Pflichten erfüllen würden. Damit einher ging der generelle Vorwurf, dass der den Geistlichen zuerkannte soziale Status weitgehend ungerechtfertigt sei, da sie zunehmend schlecht ausgebildet seien und gleichsam einer dekadenten Lebenshaltung nachhingen.136 Allein diese Aufteilung offenbart die Verschiedenartigkeit der Beschwerden gegenüber dem Klerus, die zudem situativ, räumlich und nach sozialen Gruppen weiter differenziert werden müssen. So ist es mehr als fraglich, ob Klagen über abwesende Seelsorger einen ähnlichen Ursprung hatten wie beispielsweise Angriffe bezüglich zu hoher Gebühren für das Aufsetzen und Vollstrecken von Testamenten, bei denen vor allem auf bewegliche Güter Abgaben erhoben wurden, während Landbesitz in der Regel außen vor blieb. Zudem verweist Christopher Haigh auf lokale Unterschiede bei der Erhebung von Gebühren, so dass auch vor diesem Hintergrund eine einheitliche Stoßrichtung der Kritiken nur mit Mühe zu beobachten sei.137 Erst die Scheidungsaffäre mit ihrer politisch induzierten Notwendigkeit einer Abwertung des Papsttums sowie der Kritik des englischen Klerus schuf einen diskursiven Rahmen, in dem sich diese unterschiedlichen Kritiken situieren und auf ein Ziel hin ausrichten konnten. In diesem Zuge kam es zum ersten Mal zu einer Interessenkongruenz zwischen der Krone, evangelischen Reformern sowie weiteren Gruppierungen wie den common lawyers. Deren partikulare Anliegen konnten nun zu Themen in einem öffentlichen Diskurs avancieren, die aufgrund der aktuellen Konstellation eine Chance auf erfolgreiche Rezeption hatten. Den Fixpunkt bildete dabei zunächst lediglich die Abgrenzung zu einer ‚alten‘ und nunmehr als schlecht präsentierten Papstkirche und deren Vertretern. Dieses Feindbild stellte die Grundlage für eine Zusammenführung und Kanalisierung der disparaten Kritiken dar, aus der sich die Mosaische Unterscheidung entwickelte. Die zunächst im Fokus der Betrachtung stehenden Schriften englischer Reformer wie Simon Fish138, William respektive Jerome Barlow139, William Roy, John Frith the English Book Trade, Nachdruck der Ausgabe London 1948, Folcroft 1972, S. 11f; zur Person auch Katharine F. PANTZER, Art. „Berthelet, Thomas“, in: ODNB, onlineAusgabe, Oxford 2008, URL: [14.04. 2017]; eine Zusammenfassung der Kritikpunkte Colets in Sermo[n] of doctor Colete, fol. {Aivv-Avr}. 136 Robert Scribner hat diese Bereiche als sechs verschiedene Typen von Macht beschrieben, die im Verlauf der Reformation zunehmend herausgefordert wurden. Dazu zählte er die politische, ökonomische, rechtliche, soziale, sexuelle und sakrale Macht des Klerus. Vgl. Robert SCRIBNER, Anticlericalism and the Reformation in Germany, in: Ders., Popular Culture and Popular Movements in Reformation Germany, London u.a. 1987, S. 243-256, hier S. 244-250. 137 Siehe HAIGH, Anticlericalism, S. 62 und passim. 138 Vgl. Simon FISH, A Supplicacyon for the Beggers, Antwerpen[?] 1529 (STC2 10883/British Library); zur Person William A. CLEBSCH, England’s Earliest Protestants,

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oder William Tyndale zeichneten sich vor allem durch ihre zum Teil sehr aggressiv vorgetragenen Invektiven gegenüber dem Klerus aus.140 Zu berücksichtigen ist auch hier, dass die jeweilige Kritik auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen konnte. Während Barlow, Roy und Fish mit ihrer Sprache eher den Ton der breiten Masse versuchten zu treffen, verwahrte sich etwa William Tyndale explizit gegen die Verwendung des Reims für Themen von derart wichtigem Stand. In seinem Vorwort zur Parable of the Wicked Mammon distanzierte sich Tyndale dementsprechend von Roy und Barlow mit den Worten: „It becometh not then the Lord’s servant to use railing rhymes, but God’s word; which is the right weapon to slay sin, vice and all iniquity. The scripture of God is good to teach and to improve.“141 Freilich erscheinen gerade die umsichtige Wahl von Form und Sprache einer Rezeption der Tyndale so wichtigen Inhalte entgegengekommen zu sein. Der Dialogstil, der benutzte Reim sowie eine deftige Sprache konnten in einer hybriden Kultur, die durch ein zunehmendes Miteinander oraler und schriftlicher Kommunikation geprägt war, die Aufnahme der Inhalte in einer breiten Masse fördern und durch ihre Form jenseits privater Lektüre durch Vortragen und Vorspielen eine nachhaltige Prägekraft entwickeln.142 In diesem Sinne charakterisierte beispielsweise Steven Haas die ge-

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1520-1535, New Haven/London 1964, S. 240-251; J. S. W. HELT, Art. „Fish, Simon“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]. Vgl. Jerome BARLOW, Rede me and be nott wrothe for I saye no thynge but trothe […], Straßburg 1528 (STC2 1462.7/Henry E. Huntington Library). Diese Schrift ist auch bekannt unter dem Titel The Burial of the Mass; DERS., A proper dyaloge, betwene a gentillman and a husbandma[n], eche complaynynge to other their miserable calamite, through the ambicion of the clergye, Antwerpen 1530 (STC2 1462.5/British Library). Zu dieser Schrift gibt es mehrere Versionen, wobei eine auch unter dem Namen William Roys erschienen ist, siehe STC2 1462.3. Es ist ferner nicht endgültig geklärt, ob William Barlow unter dem Pseudonym Jerome die beiden Texte verfasste bzw. ob dieser Barlow gleichzusetzen ist mit jenem Bischof von Chichester, der als Autor der antilutherischen Schrift A dyaloge describing the originall grou[n]d of these Lutheran faccyons, and many of theyr Abusys, London 1531 (STC2 1461/Bodleian Library) bekannt ist. Siehe zu dieser Problematik der genauen Identifikation A. KOSZUL, Was Bishop William Barlow Friar Jerome Barlow?, in: Review of English Studies 4 (1928), S. 25-34; Glanmor WILLIAMS, Art. „Barlow, William“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2015, URL: [14.04.2017]. Generell zu den englischen Reformern auf dem Kontinent CLEBSCH, England’s earliest protestants, S. 80 & 229-252; zu Tyndale David DANIELL, William Tyndale. A biography, New Haven/London 1994; zu William Roy DERS., Art. „Roy, William“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2007, URL: [14.04.2017]. William TYNDALE, The Parable of the Wicked Mammon, Antwerpen 1528 (STC2 24454/British Library), ed. in: Henry Walter (Hg.), Doctrinal Treatises and Introductions to different portions of the Holy Scriptures by William Tyndale, Cambridge 1848, S. 29126, hier S. 41. Verschiedene Arbeiten betonen dabei den fließenden Übergang von oraler Äußerung zum Druck, wenn diese in einer volkstümlichen Sprache und/oder in Reimform gehalten sind.

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nannten Arbeiten auch als eine „vulgarisation“ zentraler Themen, die vor allem von einer gebildeten Elite diskutiert wurden.143 Zu diesem Korpus antiklerikaler, ‚volksnaher‘ Schriften müssen neben den zeitgenössisch neu produzierten Werken auch Neuauflagen älterer sowie die Neu-Verargumentierung bereits publizierter Texte gerechnet werden, die – wie jene Predigt von John Colet – die Kritik an Klerus und Kirche weiter vertiefen und/oder mit einer historischen Fundierung versehen konnten.144 3.2.1 Der politische Einfluss des Klerus Grundsätzlich artikulierten alle Autoren ein Unbehagen über das Ausmaß des geistlichen Einflusses und Wirkens im Königreich und beschrieben den Klerus als nahezu unabhängigen ‚Staat im Staate‘. Eindrittel des Reiches, klagte etwa Simon Fish, sei bereits in die Hände der Kirche gefallen; die ihnen zugestandenen Herrschaftsprivilegien schürten zudem Illoyalität und Aufstände, da hierüber der Gehorsam der Untertanen vom König auf die jeweiligen geistlichen Herren übergehen könnte. „And whate do al these gredy sort of sturdy idell holy theues with these yerely exactions that they take of the people? Truly nothing but exempt theim silues from thobedience of your grace. Nothing but translate all rule power lordishippe auctorite obedience and dignite from your grace vnto theim. Nothing but that all your subiectes shulde fall into disobedience and rebellion 145 ageinst your grace and be vnder theym.“ Vgl. u.a. Adam FOX, The Writing and Reading of Popular Rhymes in Early Modern England, in: Alfred Messerli / Roger Chartier (Hgg.), Lesen und Schreiben in Europa 15001900, Basel 2000, S. 503-515; DERS., Religion and Popular Literate Culture in England, in: ARG 95 (2004), S. 266-282, hier v.a. S. 270; WÜRGLER, Medien, S. 97-99; Andreas KELLER, Frühe Neuzeit. Das rhetorische Zeitalter, Berlin 2008, S. 67 & 97-99; grundlegend für den englischen Raum Ian GREEN, Print and Protestantism in early modern England, Oxford 2000. 143 Siehe Steven W. HAAS, Simon Fish, William Tyndale, and Sir Thomas More’s ‚Lutheran Conspiracy‘, in: JEH 23 (1972), S. 125-136, hier S. 133. Im Prinzip argumentiert der Autor, dass über solche Texte die Ansichten Tyndales einer breiteren Masse zugänglich gemacht wurden. 144 Dies wird am Beispiel neu gedruckter Lollardentexte noch genauer dargestellt werden. Thomas Brockmann hat zudem betont, dass aktuelle Gegebenheiten neues Licht auf ältere Druckschriften werfen könnten, wodurch diese wiederum für die konkreten Umstände interessant werden würden. Siehe BROCKMANN, Konzilsfrage, S. 25f und Anm. 42; zur Vereinnahmung Geoffrey Chaucers siehe etwa Greg WALKER, Writing under tyranny. English literature and the Henrician Reformation, Oxford 2005, hier Paperback Ed., Oxford 2007, S. 56-72, der freilich ältere Werke kritisiert, die eine allzu einseitige Vereinnahmung Chaucers durch evangelische Autoren konstatierten, ohne die Möglichkeit einer altgläubigen Rezeption und Benutzung zu bedenken. 145 FISH, Supplicacyon, fol. 3r-v; bei Robert Barnes und William Barlow ist es bereits die Hälfte des Königreichs, das sich der verräterrische Klerus angeeignet habe. Siehe Robert BARNES, A supplicatyon […] vnto the most excellent and redoubted prince kinge henrye the eyght, Antwerpen 1531 (STC2 1470/Cambridge University Library). Text ed. zusammen mit der überarbeiteten Version von 1534 in: Douglas H. PARKER (Hg.), A Critical

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Das Argument der bedrohten Sicherheit griff Fish nochmals auf und wendete es nun nach außen. So habe der Klerus in der Vergangenheit bereits mit auswärtigen Potentaten konspiriert, um den englischen König zu erpressen. Ziel sei es gewesen, über die Zusammenarbeit mit dem französischen König dem englischen Monarchen die Unterordnung unter geistliche Verfügungsgewalt aufzuzwingen.146 Ähnlich äußerten sich auch Barlow/Roy und Tyndale, die den englischen Klerus anklagten, er habe den Krieg mit Frankreich unter Heinrich V. vom Zaun gebrochen, um dadurch seine Macht in England ausbauen zu können.147 In dieser Weise schilderten die Verfasser die Aneignung von Privilegien, die in ihrer Lesart unrechtmäßig und durch einen Akt größter Illoyalität erworben worden wären. Simon Fish und die anderen Autoren bemühten sich, die vermeintlichen Strategien der englischen Kirche und ihres Personals zu entlarven und im selben Zuge diese als schädlich für das Gemeinwesen und bösartigen Auswuchs eines degenerierten Standes zu stigmatisieren. Die Geistlichkeit firmierte als „rauinous wolues“, die ein einst prosperierendes Gemeinwesen zugrunde gerichtet hätten, durch ihr Verhalten das Land ausbluten würden, damit Diebstahl und Bettelei Vorschub leisteten, die Autorität des Königtums untergraben und letztlich zur Zerrüttung der Ordnung beigetragen hätten. Erkennbar versuchte Fish eine Dissoziation von Königreich und Klerus herbeizuführen. So folgerte er aus der Teilung der Zuständigkeiten in eine weltliche und geistliche Sphäre, dass es nunmehr zwei Königreiche gebe, ein „spirituall kyngdome“ und ein „temporall kingdome“, wobei das erstere stetig weiter aus dem Herrschaftsbereich des Königs herauswachse und ferner dazu tendiere, das weltliche Königreich zu überformen.148 In der Darstellung Barlows und Roys hatten sie dies bereits erreicht: „Yt is not for nought they fayne/ That the two sweardes to theym pertayne/ Both spretuall/ and temporall. Wherwith they playe on both hondes/ Most tyrannously in their bondes/ Holdynge the worlde vniversall. Agaynst god they are so stobbourne/ That scripture they tosse and tourne/ After their owne ymaginacion. Yf they saye the mone is belewe [blue]/

Edition of Robert Barnes’s A Supplication Vnto the Most Gracyous Prince Kynge Henry The. VIIJ. 1534, Toronto u.a. 2008, S. 485-696, hier S. 491; BARLOW, A proper dyaloge, fol. Avv-Avir. 146 Vgl. FISH, Supplicacyon, fol. 3v. 147 Siehe BARLOW, A proper dyaloge, fol. Biiv-Biiir und nochmal fol. {Cvir-v}; William TYNDALE, The Practyse of Prelates, Antwerpen 1530 (STC2 24465/Henry E. Huntington Library). Text in: Henry WALTER (Hg.), Expositions and Notes on sundry portions of the Holy Scriptures, together with The Practice of Prelates by William Tyndale, Cambridge 1849, S. 240-344, hier S. 302. 148 Vgl. FISH, Supplicacyon, fol. 5v; cf. GRABES, Das englische Pamphlet, S. 5.

104 | E NGLANDS E XODUS We must beleve that it is true/ 149 Admittynge their interpretacion.“

Die geschilderte Problematik eines eigenständigen Herrschaftsbereichs innerhalb Englands, der sowohl die Position der Krone als auch die gute Ordnung des Gemeinwesens akut bedrohe, wird in zwei Argumentationsrichtungen erweitert: Zum einen erfolgt eine Vertiefung des Themas, indem verschiedene Texte eine Historisierung vornehmen, wonach es erwiesen scheint, dass der geistliche Stand bereits seit geraumer Zeit zum allgemeinen Schaden des Gemeinwesens eine unabhängige Herrschaft führe. Zum anderen kommt es zu einer Ausdehnung des Gegenstandes über den englischen Kontext hinaus, die ebenfalls in historischer und gegenwartsbezogener Perspektive nun ein gesamteuropäisches Panorama klerikaler Verfehlungen und Konspirationen entwirft. Einen umfassenden Versuch der Historisierung legte William Tyndale mit seiner Schrift The Practice of Prelates vor.150 Beseelt vom Anspruch, den widerrechtlichen Aufstieg des Bischofs von Rom samt seiner Untergebenen en detail nachzeichnen zu wollen, stieß Tyndale auf die Machenschaften Papst Zacharias’ (Papst von 741 bis 752) und dessen Anteil am Sturz des legitimen Königs Childerichs III. im Frankenreich sowie an der Inthronisierung Pippins (des Jüngeren).151 Seit diesem Schulterschluss zwischen Frankenreich und der Kurie, der mit der Kaiserkrönung Karls des Großen zementiert worden sei, hätten das Papsttum und dessen Untergebene an Macht gewonnen. Vor allem in Zeiten schwacher Herrscher habe der geistliche Stand an Einfluss in säkularen Angelegenheiten zulegen können, so dass sie auf keine andere Autorität mehr Rücksicht nehmen mussten. So resümiert Tyndale: „After this man’s days [gemeint ist Papst Gregor IV. – BQ] the popes never regarded the emperors, nor did the clergy of Rome sue any more to the emperor, either for the election or confirmation of the pope. Moreover, after this Lewis [Ludwig der Fromme – BQ], there was never emperor in Christendom of any power, or able of his own might to correct any pope; neither was there any king that could correct the outrageous vices of the spirituality of his own realm 152 after this time.“

Der Verfasser beklagt in diesem Abschnitt ein fehlendes Korrektiv zur päpstlichen Herrschaft, das zu Anfang mit der Unterordnung unter das Kaisertum gegeben gewesen sei. Mit der Schwächung des Kaisertums sei es allerdings zur Aufwertung des Papsttums gekommen, wozu Tyndale pointiert formuliert: „For since that time, as

149 Rede me and be nott wrothe, S. 114. An anderer Stelle ist davon die Rede, die weltlichen Herrscher zu ersetzen bzw. zu verdrängen. Siehe Ibid., S. 100. 150 TYNDALE, Practice of Prelates; ein historischer Abriss der Geschichte des Papsttums findet sich auch bei Thomas SWINNERTON, A mustre of scismatyke bysshoppes of Rome, otherwise naming them selues popes […], London 1534 (STC2 23552/Bodleian Library). 151 Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 260f; gleiches Bsp. bei BARNES, Supplication, S. 489f. 152 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 266.

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there was none emperor of might, so was there no pope of any virtue.“153 Das Fehlen einer einhegenden Macht innerhalb der Christenheit, die in der Läge gewesen wäre, die schädlichen Auswirkungen kurialer Aktionen zu konterkarieren bzw. zu nivellieren, führte laut Tyndale zu multiplen Problematiken: So lastete er nachfolgend nicht nur das Erstarken der Osmanen und anderer Heiden, sondern auch die großen Umwälzungserscheinungen infolge der Völkerwanderung, die Teilung des Heiligen Römischen Reiches sowie den Verlust des oströmischen Teils und insgesamt die Schwächung der Christenheit diesem Defizit an.154 Gerade im Hinblick auf die englische Geschichte gab es massive Vorwürfe gegenüber dem Klerus. So ereiferte sich William Tyndale über die Tatsache, dass Papst und Klerisei immer wieder als Initiatoren verschiedener kriegerischer Konflikte auftreten würden. Tyndale beschuldigte den Klerus etwa, mit Wilhelm dem Eroberer paktiert zu haben, um den legitimen König Harold zu stürzen. Dieser habe sich gegen das „geistliche Königreich“ gewandt, weshalb die Kollaboration mit einem auswärtigen Feind zustande gekommen sei. Ferner werden auch die irischen Revolten gegen die Könige Johann und Richard in die Argumentation aufgenommen und die Kirchenvertreter beschuldigt, sie hätten die Iren erst zum Aufstand aufgewiegelt. 155 Für William Tyndale und die anderen Autoren bedeuteten diese Beispiele, dass sich Klerus und Kirche bereits über einen langen Zeitraum hinweg Herrschaftsrechte und Privilegien widerrechtlich und widernatürlich angeeignet hätten, wodurch die Opposition dagegen zur Pflicht avanciere. Vor allem das Ausgreifen des geistlichen Standes auf weltliche Zustände und insbesondere die Verwicklung geistlicher Würdenträger in Regierungsangelegenheiten wird dabei als manifestes Problem angesehen. Tyndale bemerkte dazu allgemein: „And as the emperor is sworn to the pope, even so every king is sworn to the bishops and prelates of his realm: and they are the chiefest in all parliaments; yea, they and their money, and 156 they that be sworn to them, and come up by them, rule altogether.“

In ähnlicher Weise äußerten sich die Autoren in A proper dyaloge zu der unheilvollen Aneignung von Herrschaftsprivilegien, Ländereien und politischem Einfluss: „Howelonge haue ye the worlde captyired / In sore bondage / of mennes tradiciones? Kynges and Emperoures / ye haue depryned [deprived] / Lewedly usurpynge / their chefe possessiones.“157 Im besonderen Maße wird dieser quasi über Jahrhunderte gewachsene und verfestigte Einfluss der Geistlichkeit in zentralen Institutionen des Königreiches moniert. Analog zu Tyndale konstatierte auch Simon Fish, dass eine Vielzahl von Klerikern im Parlament säße und ein Mitspracherecht an der Gesetzge153 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 267; SWINNERTON, Mustre, fol. Aivv-Bviiir findet zahlreiche Beispiele für tugendlose, häretische und gottlose Päpste und hohe Kirchenvertreter. 154 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 257-262. 155 Siehe dazu TYNDALE, Practice of Prelates, S. 294-296. 156 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 272f; Kritik der Einmischung von geistlichen Würdenträgern in weltliche Belange auch bei John Colet. Siehe Sermo[n] of doctor Colete, fol. {Aviiir}-Biir. 157 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Air.

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bung hätte. Es sei gerade diese machtvolle Position, die ein Vorgehen gegen den geistlichen Stand erschwere: „Whate remedy: make lawes ageynst theim. I am yn doubt whether ye be able: Are they not stronger in your owne parliament house then your silfe? whate a nombre of Bisshopes’ abbotes’ and priours are lordes of your parliament? are not all the lerned men in your realme in fee with theim to speake yn your parliament house for theim ageinst your crowne’ dignite’ and 158 common welth of your realme a fewe of youre owne lerned counsell onely excepted?“

Sollte sich doch jemand dazu entschließen, auf Grundlage des Gesetzes gegen die englischen Kleriker vorzugehen, drohe diesem die Exkommunikation oder eine Anklage wegen Häresie, wie es der Fall von Richard Hunne unlängst gezeigt habe. 159 Angesichts dessen werden die Herrschaftsrechte und -ansprüche kirchlicher Vertreter in der Folge als Verstoß gegen die göttliche Ordnung gewertet und in scharfen Kontrat zum Bild einer „Urkirche“ gesetzt. 160 Vor dem Hintergrund der konkreten Verhältnisse der frühen 1530er Jahre äußerte sich die Schrift A proper dyaloge zum Thema beispielsweise wie folgt: „Forthermore it may be vndersto[n]de of this processe / that withdrawyng of this lordhsippes fro[m] the clergy and restoringe againe of the[m] to the states that god hathe assigned the[m] to / shuld not be called robbery of holy chirche as oure clerkes saye / but rather rightwise restitu161 cio[n] of good wrongfully and theefly withold.“

Nicht nur wurde dergestalt die Rückführung entäußerter Ländereien explizit gefordert, sondern allein die Aneignung dieser Besitzungen als verdammenswerte große Sünde dargestellt, da Gott den weltlichen Herrschern ihre Güter und Privilegien ge-

158 Vgl. FISH, Supplicacyon, fol. 5r; gleiche Kritik gegenüber dem pol. Einfluss des Klerus in Rede me and be nott wrothe, S. 93 sowie bei BARNES, Supplication, S. 489. 159 Rede me and be nott wrothe, S. 104; FISH, Supplicacyon, fol. 5v, {7r-8r}. Der Fall Richard Hunne ist in diesen Schriften allgegenwärtig. Robert Barnes beklagte dieses Vorgehen des englischen Klerus ebenfalls, freilich in eigener Sache. Siehe BARNES, Supplication, S. 486f; zu Hunne siehe inter alia J. Duncan M. DERRETT, The Affairs of Richard Hunne and Friar Standish, in: The Complete Works of St. Thomas More, Bd. 9: The Apology, hrsg. und ed. von Joseph B. Trapp, New Haven/London 1979, S. 215-246 mit ausführlichen Quellen- und Literaturbelegen; Sybil M. JACK, The conflict of common law and cannon law in early sixteenth-century England: Richard Hunne revisited, in: Parergon, New Ser., 3 (1985), S. 131-145; S. F. C. MILSOM, Richard Hunne’s ‚Prœmunire‘, in: EHR 76 (1961), S. 80-82; zur Rezeption des Falles auch Stefan J. SMART, John Foxe and ‚The Story of Richard Hun, Martyr‘, in: JEH 37 (1986), S. 1-14 sowie die Schrift The enquirie and verdite of the quest panneld of the death of Richard Hune wich was founde hanged in Lolars tower, Antwerpen 1537[?] (STC2 13970/British Library). 160 Vgl. dazu den Text Here foloweth an olde treatyse made aboute the tyme of kynge Rycharde the seconde, der in die Schrift A proper dyaloge integriert wurde. BARLOW, A proper dyaloge, fol. Bivr-Ciiiv. 161 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Cir.

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geben habe.162 Der Text enthält ferner einen Aufruf, dass die Privilegierten Englands ihre Eide und Verpflichtungen gegenüber dem Klerus abwerfen sollten, da ihre Unterordnung unter Weisungen der Geistlichkeit Sünde sei. Einzig auf das Wort Gottes solle man als weltlicher Herrschaftsträger hören. „But the lordes specially shuld se here / what were pleasynge not to these clerkes / but to god / and that shuld they do.“163 Das schädliche Walten des Klerus beschränke sich derweil nicht auf England. Im Gegenteil nutzten die Autoren die Gelegenheit, um die Kirche als mächtige und gefährliche Institution zu präsentieren, die analog zu anderen weltlichen Herrschaften vor allem auf Machterhaltung ausgerichtet sei. In diesem Sinne kritisierte Tyndale die Illoyalität all jener Kleriker, die treu zur Kurie stünden, weil sie primär ihre Eigeninteressen im Sinn hätten: „For when cardinals and bishops meet together, they have their secret council by themselves, wherein they conclude neither what is good for England, nor yet for France, but what is best for 164 our holy father’s profit, to keep him in his state.“

Die enge Bindung der jeweiligen Kleriker an das Papsttum war ein weiterer entscheidender Punkt in der Argumentation. Dadurch konnten nicht nur Zweifel an der Loyalität des (nationalen) Klerus geschürt, sondern deren generelle Position diskreditiert werden, wenn eine Abwertung und Stigmatisierung der Institution erfolgte, der sie zugeordnet worden sind. Genau dieser Vorgang ist im Rahmen einer Art negativen Zentrierung auf das Papsttum als antichristlicher Institution zu beobachten. 165 Im Hinblick auf den politischen Bereich wurde primär die Pervertierung und Unterminierung der Herrschaft weltlicher Fürsten durch ambitionierte und machthungrige Päpste und Kleriker als Inversion der natürlichen, von Gott gegebenen Ordnung bewertet und massiv kritisiert. Das Königreich Christi werde derart durch das Königreich des Teufels substituiert, wobei der Papst als Vikar des Antichristen präsentiert wurde. Es war also gerade die Verstrickung in weltliche Obliegenheiten, die für Tyndale und andere eine Auszeichnung des Papsttums als antichristlich rechtfertigen.166 Denn das Königreich Christi sei nicht nicht weltlich, wohingegen das Königreich des Papstes ausschließlich weltlich sei.167

BARLOW, A proper dyaloge, fol. Ciir. BARLOW, A proper dyaloge, fol. Civ. TYNDALE, Practice of Prelates, S. 303. Der Begriff ist eine Anleihe von Berndt Hamm, der seinerseits von einer „normativen Zentrierung“ zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert spricht. Er interpretiert gerade das mannigfaltige Auftreten einer Antichrist-Semantik als Beleg für die von ihm konstatierten Zentrierungsvorgänge. Vgl. Berndt HAMM, Normative Zentrierung im 15. und 16. Jahrhundert. Beobachtungen zu Religiosität, Theologie und Ikonologie, in: ZHF 26 (1999), S. 163-202, hier bes. S. 166f. 166 Sehr deutlich tritt dieser Gegensatz etwa bei John Frith hervor. Vgl. Antithesis, wherin are compared together Christes actes and the Popes [1529], in: The whole workes of W. Tyndall, Iohn Frith, and Doct. Barnes, three worthy martyrs […], London 1573 (STC 2 24436/Henry E. Huntington Library), S. 97-106; siehe auch A treatise vvherin Christe

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Der konstruierte Dualismus zwischen Christus und Papsttum diente nicht nur der Herabsetzung der Institution, sondern war zugleich Ursachenanalyse. So beschrieb John Frith den Oberhirten etwa als „Heiligen Vater der Kinder Satans“, der sich wie ein Gott auf Erden geriere. Er dränge sich dergestalt zwischen die Gläubigen und Christus und verhindere bewusst die Erkenntnis des göttlichen Wortes, was Frith wie folgt zusammenfasste: „I thinke there is no word that Christ spake, but the other hath taught or made a law agaynst it.“168 In ähnlicher Weise urteilte auch William Tyndale, der einen Abschnitt seiner Practice of Prelates mit den Worten überschrieben hat: „How the pope receiveth his kingdom of the devil, and how he distributeth it again.“169 Auffällig ist in derartigen Passagen, dass die Autoren bestrebt erscheinen, eine enge Verbindung zwischen päpstlichen und klerikalen Verfehlungen herzustellen. Die Kritik am fernen Papsttum konnte darüber in die eigene Lebenswirklichkeit eingefügt und an konkreten Beispielen aktualisiert werden. Und die Vorwürfe, die in diesem Zusammenhang vorgebracht worden sind, waren enorm: „Shortly, the kingdoms of the earth and the glory of them, which Christ refused, (Matt. iv.) did the devil proffer unto the pope; and he immediately fell from Christ, and worshipped the devil, and received them. For by falsehead […] came he thereto; and by falsehead do all his disciples come thereto. Who of an hundred one is pope, bishop, or any great prelate, but either by necromancy, or simony, or waiting on great men’s pleasures, and with corrupting of God’s word, 170 and fashioning it after their lusts?“

Die gesamte etablierte Kirche wurde somit als Ausgeburt diabolischer Umtriebe dargestellt, die fernab eines christlichen Heilsauftrages lediglich an der Konsolidierung ihrer bestehenden Macht sowie an deren Ausbau interessiert erschien. Als konkretes, zeitgenössisches Beispiel, indem alle bisherigen Vorwürfe zusammenfinden, nannte beispielsweise William Tyndale Thomas Wolsey. In dessen Person manifestiere sich der Typus eines bösartigen, ambitionierten Klerikers. Durch den Einsatz von Zauberei habe Wolsey sich den jungen, unschuldigen König Heinrich VIII. gefügig gemacht und immer mehr Herrschaftsbefugnisse an sich gerissen. Laut Tyndale agiere er oftmals wie der König, fördere einige Untergebene über Gebühr und pervertiere mit seinem Verhalten die gute Ordnung des Herrschers. Hierzu zählte Tyndale die

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and his techynges, are compared with the pope and his doinges, London 1534 (STC2 14575/Folger Shakespeare Library). Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 273: „For Christ’s kingdom is not of the world (John xviii): but the pope’s kingdom is all the world.“; A treatise, fols. Aiiv, Bivv-Bvr, Bviir. FRITH, Antithesis, S. 106 und passim; A treatise, fols. Aviiir-v, Biiv. Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 274; hier lassen sich deutliche Parallelen zu Schriften der deutschen Reformation herstellen. Die Thematik, dass der Papst seine Herrschaftsgewalt vom Teufel bekommen hätte, war etwa in Joachim von Fiores Text Vaticinia sive prophetiae enthalten, der 1527 in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht wurde. Siehe Andreas OSIANDER / Hans SACHS, Ein wunderliche weissagung von dem Bapstnmb wie es yhm bis an das ende der welt gehen sol […], Wittenberg 1527 (USTC 647521/Bayerische Staatsbibliothek), hier bes. fols. Bir, Biiir, Bivr, Ciir. TYNDALE, Practice of Prelates, S. 274.

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geheimen Verhandlungen des englischen Kanzlers mit dem französischen König Franz I. sowie Kaiser Karl V., wobei Wolsey letztlich kein Interesse an der Förderung einer Partei gezeigt habe, sondern lediglich auf seine eigene Stellung sowie den Erhalt der Kurie bedacht gewesen sei. Trotz eines Geheimvertrages wende er sich gegen den Kaiser, weil dieser das Papsttum bedrohe. Um die Übermacht der kaiserlichen Partei auszugleichen, strebe Wolsey ein Bündnis mit Frankreich an. 171 In diesem Kontext kam Tyndale sodann auch auf die Scheidungsaffäre des Königs zu sprechen. Diese wird ebenfalls Wolsey als eigentlichem Verursacher angelastet, der über den Beichtvater des Königs Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ehe geweckt habe.172 Für Tyndale stellte dies aber lediglich den Aufhänger dar, um seine grundsätzliche Anklage des geistlichen Standes zu inkarnieren und vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Diskussionen im Diskurs zu platzieren. So schlussfolgerte er, dass die gesamte Frage der Eheannullierung nur dazu dienen sollte, Unfrieden zu stiften und das Königreich zu entzweien, damit die geistliche Herrschaft gesichert würde. Er schrieb dazu: „But it is not profitable for them that any kingdom should be strong and mighty, lest, if God should open the eyes of the king, the pope should have too much ado to resist him, and to send in other kings upon him, to conquer his realm. […] Then I considered the falsehood of our spiritualty, how that it is but their old practice, and a common custom; yea, and a sport to separate 173 matrimony, for to make division where such marriage made unity and peace.“

William Tyndale bezog damit eindeutig Stellung gegen eine Annullierung der Ehe Heinrichs, was hinwiederum dem eigentlichen Interesse des englischen Königs zuwiederlief. Allerdings lastete der Autor weniger dem Regenten selbst, als vielmehr dessen schlechten Beratern die eigentliche Schuld an. Diese hätten Heinrich schon mehrfach dazu verleitet, dass er seine Herrschaft für die Interessen der Kirche einsetzte, was zum Schaden Englands geschehen sei: „We, having nothing to do at all, have meddled yet in all matters, and have spent for our prelates’ causes more than all Christendom, even unto the utter beggaring of ourselves, and have gotten nothing but rebuke and shame and hate among all nations, and a mock, and a scorn 174 thereto, of them whom we have most holpen.“

171 Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 319-322. 172 Vgl. TYNDALE, Practice of Prelates, S. 319f; Tyndale gibt hier eine gängige Meinung der Zeit wieder, da viele Personen, einschließlich Katharinas, vor allem Wolsey beschuldigten. Siehe dazu die Beschreibungen bei Edward HALL, Hall’s Chronicle. Containing the history of England during the reign of Henry the Fourth, and succeeding monarchs, to the end of the reign of Henry the Eighth, ed. von Henry Ellis, Nachdruck der Ausgabe London 1809, New York 1965, S. 755; Polydore VERGIL, The Anglica Historia of Polydore Vergil, A. D. 1485-1537, ed. & übers. von Denys Hay, London 1950, S. 325; BAYNE, Life of Fisher, 46-51; siehe auch KELLY, Matrimonial Trials, S. 21-37. 173 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 332. 174 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 340.

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Für William Tyndale stand fest, dass das Handeln von Papsttum und Klerisei immer zuerst auf die Erhaltung der eigenen Machtstellung gerichtet sei. Die Papstkirche stellte für ihn und andere einen relevanten Machtfaktor im europäischen Raum dar, der nicht zuletzt auf Kosten der Fürsten versuche, die eigene Position auszubauen. Angesichts dessen beschrieb Tyndale den geistlichen Stand folgerichtig auch als „Bicorporeum“ oder „Corpus neutrum“, das sich nicht für eine Partei entscheide, sondern letztlich nur im eigenen Sinne handeln würde.175 Weil damit die Geistlichkeit nicht nur ihre weltlichen Herren verrate und Spaltungen innerhalb des jeweiligen Gemeinwesens riskiere, sondern auch Gott selbst hintergehe, forderten alle Autoren ein entschiedenes Handeln des Königs ein. Dieser müsse das Schwert ergreifen und seine Macht nutzen, um jene sündhafte Generation zurück unter die Oberherrschaft des Fürsten zu führen und damit die natürliche Ordnung wiederherzustellen. 176 Die Schrift Barlows und Roys forderte vor diesem Hintergrund gar einen neuen Daniel, der gegen die betrügerischen und götzendienerischen Machenschaften falscher Propheten vorgehen und das Land von dieser Schande befreien solle. 177 Deutlicher und vehementer konnte ein Aufruf nach monarchischer Intervention und grundlegenden Veränderungen nicht vorgetragen werden. 3.2.2 Reichtum und Dekadenz des geistlichen Standes „But above all are their riches displayed in the church treasures; for there is not a parish church in the kingdom so mean as not possess crucifixes, candlesticks, censers, patens, and cups of silver; nor is there a convent of mendicant friars so poor, as not to have all these same articles in silver, besides many other ornaments worthy of a cathedral church in the same metal. Your Magnificence may therefore imagine what the decorations of those enormously rich Benedictine, Carthusian, and Cistertian monasteries must be. These are, indeed, more like baronial pal178 aces than religious houses […]“

Jene Eindrücke eines venezianischen Gesandten von Prunk und Pracht religiöser Einrichtungen im England des beginnenden 16. Jahrhunderts geben Impressionen wider, die auch in den Diskursen rund dreißig Jahre später eine Rolle spielen sollten. Der dargestellte Reichtum einiger religiöser Orden und der luxuriöse Lebensstil vieler hochrangiger Prälaten konnten dabei zunehmend Kritik evozieren, wenn diese Entfaltung von Pracht und Prunk einer ansteigenden Verarmung größerer Bevölkerungsteile gegenübergestellt wurde. Bereits John Colet hatte in diesem Sinne eindringlich vor den schädlichen Auswirkungen eines allzu dekadent empfundenen geistlichen Daseins gewarnt und jene Kleriker ob ihrer Hinwendung zu weltlichen Amüsements 175 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 342: „[F]or there is Bicorporeum, or Corpus neutrum, that cometh between and letteth it; that is to say, a body that is neither-nother, or holdeth on neither part: and that body is the spiritualty, which hold but of themselves only.“ 176 FISH, Supplicacyon, fol. {7r-8v}; BARLOW, A proper dyaloge, fols. Cviiiv & Dviiv; TYNDALE, Practice of Prelates, S. 341f. 177 Rede me and be nott wrothe, S. 94f. 178 A Relation, or rather, a true account of the Island of England: with sundry particulars of the customs of these people and of the royal revenues under King Henry the Seventh, about the year 1500, übers. und ed. von Charlotte A. SNEYD, London 1847, hier S. 29.

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und einem profanen Lebensvollzug kritisiert.179 Besonders dramatisch musste diese soziale Schieflage jedoch erscheinen, wenn wohlhabende Personen und Institutionen nicht willens waren, ihre angehäuften Güter im Sinne einer christlichen Nächstenliebe zu teilen. Bei Heinrich Bomelius findet sich aus diesem Grund die Forderung, der Reiche solle seinen ihm von Gott gegebenen Reichtum mit den Armen teilen, und nicht in egoistische Dinge wie pompöse Gebäude, teure Kleidung oder in Glücksspiel investieren.180 Jeder, der diesem Ideal nicht nachkomme, sei letztlich kein Christ.181 Bomelius verurteilte derweil den Reichtum nicht grundsätzlich, warnte aber vor einem falschen Umgang damit. So müsse man seine Güter für gute Taten einsetzen und beständig gegen drohende Empfindungen wie Stolz ankämpfen. So sei es auch weitaus weniger hilfreich, die eigenen Güter für Seelmessen oder die Ausstattung von Kirchen und chantries auszugeben, als vielmehr mit diesem Geld den Armen direkt zu helfen: „Wherfore thou arte not bounde to make to be song many mases and obytes / to edyfye chaunteryes / chappelles / churches or aultres or to give offeringes to saintes or ca[n]dels of waxe / for of all this shall ye yelde none accompt though ye haue lest it vndone. For the holy scripture maketh no mencion of those thinges. They are rather invented by the covetous mynde of men 182 […]“

Die Ausführungen Bomelius’ deuten bereits die wesentlichen Konfliktlinien an, die in diesem Abschnitt aufgezeigt werden sollen. Auf der einen Seite wird die grundsätzliche Pflicht des Christen thematisiert, den Armen und Bedürftigen zu helfen. Auf der anderen Seite erfolgt eine Zuspitzung dieser Prämisse bezüglich der Aufgaben religiöser Einrichtungen, die vor allen anderen dazu da seien, den Hilfesuchenden und -bedürftigen in profaner wie geistlicher Hinsicht Beistand zu leisten.183 Von besonderer Bedeutung war dies dann, wenn es zur Vorstellung kommen konnte, dass Vertreter des geistlichen Standes ihre eigentlichen Aufgaben nicht, oder nur unzureichend, wahrnahmen, gleichzeitig aber gefühlt immer mehr Abgaben sowie sonstige finanzielle Zuwendungen verlangten. Ein Bereich, der in diesem Zusammenhang immer wieder Konflikte zwischen Laien und Klerus stimulierte, war die Abgabe des Zehnten. Susan Brigden hat für London nachweisen können, dass die 179 Vgl. Sermo[n] of doctor Colete, fol. {Avir-v}; der zunehmende Gegensatz von arm und reich und die sich daraus ergebenden sozialen Problematiken thematisierte bereits Henry PARKER, Diues et pauper, London 1496 (STC2 19213/Bodleian Library). Klare Verurteilung eines Reichtums, der aus Habgier entspringt, etwa in Kapitel V, fol. Aii v-Aiiiv. 180 Heinrich BOMELIUS, The summe of the holye scripture […], Antwerpen 1529 (STC2 3036/Cambridge University Library), fol. Niiv-Niiir. Diese Schrift ist in der Folge mehrfach nachgedruckt worden. Siehe STC2 3036a (1535), 3037 (1536), 3038.3 & 3038.5 (beide 1538), 3039 (1547), 3040 (1548). 181 BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Niiir: „And they that liue so in pleasure taking all theyre ease are not Christen. For they devoure that which belongeth to the pore whiche are theyre bretheren and me[m]bres of one body.“ 182 BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Nvir-v. 183 Vgl. BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Niiv-Nviir zum gesamten Themenkomplex.

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Feindseligkeit vieler Londoner Bürger gegen die Gemeindepriester vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um den Kirchenzehnten gesehen werden müsse. 184 Mehrere Punkte kommen dabei zusammen, die den Klerus in der Folge in einem äußerst negativen Licht präsentierten: Zunächst konstatiert Brigden den Drang der Kleriker, über die Höhe des Zehnten zu verhandeln, die seit einer Bulle Papst Nikolaus’ V. von 1453 festgeschrieben war.185 Obwohl die geistlichen Versuche einer Erhöhung der Abgaben im Hinblick auf steigende Preise, Inflation und sich ändernde Rahmenbedingungen durchaus gerechtfertigt erschienen, war hier freilich ein Ansatzpunkt gegeben, über den Kritiker diese Anstrengungen als habgieriges Verhalten missratener Priester stigmatisieren konnten. Hinzu tritt der Umstand, dass es keine allgemein verbindlichen Bestimmungen über die Anzahl der Tage, an denen die Abgaben geleistet werden mussten, gab. So konnte in diesem Bereich der Eindruck von Willkür nur schwer vermieden werden.186 Brigden warnt jedoch davor, eine grundsätzliche Gegnerschaft der Laien zu kirchlichen Abgaben zu konstatieren. So konzediert sie, dass nur wenige Menschen das prinzipielle Entrichten des Zehnten an ihren Priester ablehnten. Eine Mischung aus weltlichen Zwangsmaßnahmen und einem Glauben an die Gefährdung des Seelenheils habe letztlich zu einer basalen Akzeptanz der Abgaben geführt. 187 Allerdings ist zu Recht darauf aufmerksam gemacht worden, dass es neben dem Kirchenzehnten eine Vielzahl weiterer Abgaben etwa für die Erteilung der Sakramente, Memoriapflege und Seelenheil, Testamentsangelegenheiten sowie sozial induzierte ‚freiwillige‘ Almosen zum Beispiel für Bettelorden gab, die in eine Betrachtung der Konflikte zwischen Klerus und Laien einbezogen werden sollten. In dieser Hinsicht müssen die sog. „mortuary fees“ erwähnt werden, welche allenthalben auf große Ablehnung stießen und durch den Vorfall mit Richard Hunne zusätzlich diskreditiert wurden. 188 184 Vgl. Susan BRIGDEN, Tithe Controversy in Reformation London, in: JEH 32 (1981), S. 285-301; DIES., London and the Reformation, Oxford 1989, S. 167f sowie 201-205. 185 So musste jeweils ein ‚Farthing’ (Viertelpenny) zu jedem Opfertag entrichtet werden bei einer Pachtabgabe von 10 Schilling. Die Höchstgrenze wurde bei drei Schilling, fünf Pence für jedes Pfund gezahlten Mietzins festgesetzt. Auch Kommunikanten, die keine Hauseigentümer waren (v.a. Frauen, Arme, Bedienstete und Lehrlinge) wurden gedrängt, zumindest zu Ostern Abgaben zu leisten. Siehe BRIGDEN, Tithe Controversy, S. 285f. 186 Siehe BRIGDEN, Tithe Controversy, S. 287. 187 Dies korrespondiert mit Erkenntnissen anderer Studien, die die englische Kirche zum Ausgang des Mittelalters keineswegs unter massiver Kritik sehen. Im Gegenteil sei die Institution ein vitaler Part des alltäglichen Lebens gewesen, der zudem über eigenes Reformpotential verfügt habe. Siehe u.a. die Überblicke von HOULBROOKE, Traditional Politics, S. 94f und INGRAM, English Reformation, S. 131f und 133; MCREE, Traditional Religion; DUFFY, Stripping; HAIGH, English Reformations; DERS., Reformation, S. 135f; zusammenfassend auch Peter MARSHALL, The Reformation, Lollardy, and Catholicism, in: Kent Cartwright (Hg.), A Companion to Tudor Literature, Malden (MA) u.a. 2010, S. 15-30, hier S. 15-18. 188 Siehe u.a. Christopher HAIGH, Reformation and Resistance in Tudor Lancashire, Cambridge 1975, S. 57f; BRIGDEN, Tithe Controversy, S. 286; zu Hochzeiten konnten die mortuary fees bis zu einem Drittel des Besitzes des Verstorbenen betragen. Siehe dazu COULTON, Priests and People, S. 126f & S. 130f; freilich muss die tatsächliche Höhe im

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Die Mannigfaltigkeit der Abgabenpraxis konnte als große und ungerechte Belastung empfunden werden, wenn es zu einer Kontrastierung mit einer Masse von schlecht ausgebildeten, weltlichen Priestern und Prälaten kam, die ihre Aufgaben entweder aus Inkompetenz oder Desinteresse nicht adäquat erfüllten.189 Brisanz erfuhr dieser Gegensatz außerdem durch den Vorwurf, dass der Klerus alle sozialen Schichten mit seinen Forderungen heimsuchte und bei Nichtbefolgung schnell mit sehr weitgehenden Häresievorwürfen hantieren würde. Dieses Vorgehen musste nur umso mehr den Verdacht erwecken, es handle sich im Hinblick auf den geistlichen Stand um eine Ansammlung habgieriger, tyrannischer und zum Teil schlecht ausgebildeter Kleriker, die ihren Status und das Ansehen ihrer Institution für ein dekadentes, zutiefst weltliches Leben missbrauchten.190 An dieses Narrativ allgemeiner Klagen konnten Autoren wie Barlow, Roy, Tyndale und Frith anknüpfen und es nach ihren Vorstellungen modellieren. Zu beobachten ist in der Folge eine Zuspitzung der Thematik auf den Klerus als hauptsächlichem Verursacher dieser Problematiken. In der Schrift A proper dyaloge findet sich genau diese Strategie: In Form eines standesübergeifenden Dialoges trifft ein Akkermann auf einen Gentleman, wobei die Schranken zwischen beiden Ständen im Hinblick auf die Untaten des englischen Klerus, die beide gleichermaßen beträfen, zuweilen verwischen. Die Figur des Ackermanns sowie Dialoge mit seiner Beteiligung waren im englischen Kontext gute Tradition; bereits diverse Lollardentraktate hatten sich dieses Bildes bedient, um ihre Botschaft zu transportieren. 191 Im vorliegenden Fall klagte der Gentleman den Klerus an, er habe diesen mit der Androhung ewiger Qualen im Fegefeuer seiner ererbten Besitzungen beraubt. So hätten seine Vorfahren und Angehörigen für die Gebete dieser Priester bezahlt, zum Teil aus Angst vor ewiger Verdammnis und zum Teil, weil sie sich Glückseligkeit erhoffKontext der geographischen Lage einer Gemeinde gesehen werden, wie Peter Heath betonte. Siehe HEATH, English Parish Clergy, S. 153-156. Aber auch er stellt die als unsäglich empfundene Ausweitung der mortuary fees heraus, wonach auch Kinder und Dienstpersonal veranschlagt worden seien. 189 So gestand auch Thomas More in seiner Auseinandersetzung mit William Tyndale ein, dass es zu viele Priester gebe, die aus falschen Motiven in den Dienst der Kirche treten würden. Siehe Thomas MORE, A Dialogue concerning Heresies, in: The Complete Works of St. Thomas More, Bd. 6, ed. von Thomas Lawler / Germain Marc’hadour und Richard Marius, New Haven/London 1981, S. 294-303; die subjektive Wahrnehmung, dass es in England verhältnismäßig viele Priester gebe, äußerte etwa der venezianische Gesandte 1531. Siehe Calendar of State Papers and Manuscripts, Relating to English Affairs, Existing in the Archives and Collections of Venice, Bd. 4, ed. von Rawdon BROWN, London 1871, Nr. 694, S. 292-301, hier S. 295: „It is also marvellous to see throughout the island 38,000 churches, excellently endowed with an infinite number of priests […]“. 190 „Sacrilege and simony is their corne mill“, heißt es bspw. dazu in Rede me and be nott wrothe, S. 68. 191 Als Vorbild diente sicherlich William Langlands Vision of Piers Plowman. Siehe dazu John F. GOODRIDGE (Bearb.), Piers the Ploughman, rev. Ed., London u.a. 1966; zum Topos des „Ploughman“ siehe u.a. David A. LAWTON, Lollardy and the ‚Piers Plowman‘ Tradition, in: Modern Language Review 76 (1981), S. 780-793; KELLER, Frühe Neuzeit, S. 37-39 zum „Prototyp“ des Ackermanns, S. 97-99 zum Dialogstil.

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ten.192 Die Drohung mit Fegefeuer und das Angebot der Errettung durch Instrumente wie der Messe sind in dieser Schrift zentraler Gegenstand der Kritik. Beides wird als Waffe des Klerus präsentiert, mit der dieser in der Lage gewesen sei, analog zum einfachen Räuber, dem Gegenüber seine Besitzungen wegzunehmen. Durch diese jahrhundertelang vollzogene Praktik seien die geistlichen Einrichtungen überaus reich geworden und hätten vielfältige Ländereien und Privilegien akkumuliert: „They haue oure aunceters lyuelood and rentes Their principall fearmes and teneamentes With temporall fredomes and libertees. They haue gotten vnto their kingdomes Many noble baronries and erldemes 193 With esquires landes and knightes fees.“

Fegefeuer und Messe waren die Geißel, mit der der Klerus das ganze Land untertänig gemacht und dann ausgeraubt habe. Die Gentlemen seien dadurch direkt ruiniert worden und auch beim ‚einfachen Volk‘ zeitige die Herrschaft des Klerus negative Effekte. So beklagte der Ackermann die gängige Praxis, dass mehrere Höfe in jener Zeit zusammengelegt und daher für die meisten Untertanen unerschwinglich geworden wären und schließlich in den Besitz der Gentlemen übergegangen seien. Der Gentleman verteidigte sich gegen diese Vorwürfe, indem er anmerkte, der Aufkauf der Höfe sowie die Bildung immer größerer Ländereien sei eine zwingende Reaktion auf die üblen Machenschaften der Geistlichkeit gewesen, die inzwischen über einen Großteil des Erbes jener Schicht verfüge, wodurch man sich neue Einnahmequellen hätte erschließen müssen.194 Auf diese Art werden in der Folge die Kleriker wiederum als ursprüngliches Übel gegenwärtiger Missstände markiert und die übrigen Stände in ihrer Ablehnung vereint.195 192 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Aiiv-Aiiiv; siehe auch Sermo[n] of doctor Colete, fol. {Aviir-v}, wo Colet die Abgabenpraxis für geistliche Dienstleistungen anprangert. Dass gerade die Seelmessen vielfach als wirtschaftliche Belastung wahrgenommen wurden, wird kaum bezweifelt. Zudem erfolgte eine Ausdifferenzierung der sog. „chantries“ je nach finanzieller Leistungskraft des Auftraggebers, so dass deren Einrichtung von ein paar Monaten bis zu mehreren Jahren reichen konnte. Siehe MCREE, Traditional Religion, S. 213; DUFFY, Stripping, S. 138-154; Doreen ROSMAN, From Catholic to Protestant. Religion and the people in Tudor England, London 1996, S. 5f. 193 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Aivv; gleicher Vorwurf in Rede me and be nott wrothe, S. 61. 194 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Aviv-Aviir. 195 Gerade die Zunahme sozialer Problematiken (u.a. Verarmung, Diebstahl, Raub, Bettelei, Vagantentum) auf der einen und die Ausweitung von Weidewirtschaft auf der anderen Seite, durch die immer mehr Land dem Ackerbau entzogen werden würde, hatte bereits Thomas More in seiner Utopia massiv kritisiert. Siehe Thomas MORE, Utopia, ed. von George M. Logan & Robert M. Adams, 2., verb. Aufl., Cambridge 2006, S. 17-21; zum Problem der enclosures grundlegend Joan THIRSK, ‚Enclosing‘ and ‚Engrossing‘, in: Dies., The Agrarian History of England and Wales, Bd. 4: 1500-1640, Cambridge 1967, S. 200-255; die neuere Forschung beurteilt hingegen die Auswirkungen der enclosures

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Einen Ausbau erfuhr diese Kritik durch die Kontrastierung sozialer Missstände mit einem dekadenten geistlichen Lebensstil. Im Rahmen einer gefühlten Verarmung großer Teile der Gesellschaft erweckte die Darstellung eines äußerlichen, zutiefst anstößigen und liederlichen Verhaltens seitens des Klerus neuerlich Vorbehalte. Die Akkumulation von immer mehr Besitzungen und Reichtümern, verbunden mit dem Vorwurf des Geizes, konnten dergestalt erneut Kritik am geistlichen Stand stimulieren. So lamentierte der Gentleman in A proper dyaloge, nachdem er ausgeführt hatte, wie der Klerus seiner Familie sukzessive das Land entlockt habe, über dessen Verhalten: „Shuld I and my houshold for houngre dye They wold not an halfe peny with us parte So that they lyue in welthe aboundantly Full litle they regarde oure woofull smerte. To waste oure goodes they nothing aduerte In vicious lustes and pompous araye 196 Sayenge [that] for our frendes soules they praye.“

Hinzu kam der Auftritt vieler Geistlicher in der Öffentlichkeit, welcher weniger an die Demut des Standes erinnere, als vielmehr an eine Überheblichkeit und Selbstüberschätzung, die das Ansehen der Kleriker nachhaltig beschädige. 197 In dieser Hinsicht ‚betrauert‘ der geistliche Stand in der Schrift Rede me den Verlust seines außerordentlich reichen und luxuriösen Lebensstils: „Oure fyngres shyninge with precyous stons Sett in golden rynges of ryche valoure Oure effeminate flesshe and tender bones Shalbe constrayned to faule vnto laboure For why decayed is all oure honoure Seynge that gone is the masse. […] Where as we vsed apon mules to ryde Nowe must we nedes prycke a fote a lone Oure wantan daliaunce and bostinge pride With wofull misery is over gone. Oure glistringe golde is turned to a stone Seynge that gone is the masse. […] We had oure servantes in most courtly wyse In greate multitude folowinge oure tayle With garded lyverey after the newe gyse

als nicht mehr so gravierend wie es in der älteren Forschung noch angenommen wurde. Vgl. dazu John A. WAGNER / Susan W. SCHMID (Hgg.), Encyclopedia of Tudor England, 3 Bde., hier Bd. 1, Santa Barbara 2012, S. 408f, s.v. „Enclosures“. 196 BARLOW, A proper dyaloge, fol. Aivr; BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Niiv-Niiir. 197 Hierzu bereits Colet in Sermo[n] of doctor Colete, fol. {Avir}-Bir.

116 | E NGLANDS E XODUS Whome we frely supported to iest and rayle 198 How be it nowe eache from wother shall fayle“

Der Text fährt fort, indem die Kleriker zugestehen, sie hätten über einen langen Zeitraum die Güter der Leute verschwendet und zur Befriedigung ihrer „tierischen Gelüste“ benutzt. Die Aufgabe ihrer prachtvollen Behausungen wird desgleichen bejammert.199 In diesem Zusammenhang kam der Person Thomas Wolseys gesonderte Bedeutung zu, der sich aufgrund seines großen Gefolges aus weltlichen und geistlichen Würdenträgern, des umfangreich praktizierten Nepotismus’ sowie der Prunkentfaltung zuweilen eher wie ein „god celestiall“ geriere, denn eine sterbliche Kreatur. 200 Jedoch verharrte der Angriff auf ein allzu äußerliches und dekadentes Leben nicht bei Wolsey, sondern wurde auf den gesamten klerikalen Bereich ausgedehnt. „Have the bisshops so grett ryches / It is not possible to expres / The treasure of the spretualte“, heißt es an einer Stelle in Rede me and be nott wrothe und im weiteren Verlauf wird ausgeführt: „They have in maner the ryches / Of every londe and nacion. Namly in Englonde region / They excede in possession / And lordly dominacion. The blacke order hath more alone / Then all the nobles every chone / As touchynge their patrimony. […] There be monkes of soche statlynes. That scant will soffer at their messe / A lorde of bludde with theym to sitt. Whose prowde service to beholde / In plate of silver and golde/ […] Knyghtes and squyers honorable / Are fayne to serve at their table / 201 As vnto Dukes excellent.“

An dieser Stelle vollzogen die Autoren einen Übergang, der die Vorwürfe von Dekadenz und Luxus mit einer sozialen Position verband, die dem Klerus durch die Ausbeutung seiner Funktion für die Allgemeinheit zugefallen sei. Auch hier deutete sich Kritik an einem widernatürlichen Auswuchs der Stellung des geistlichen Standes an, wenn dieser quasi gleichrangig mit Würdenträgern von hoher Geburt verkehren würde. Unverkennbar ist der Versuch, über derartige Kritik den ‚Sozialneid‘ der Rezipi-

198 199 200 201

Rede me and be nott wrothe, S. 32. Rede me and be nott wrothe, S. 33. Rede me and be nott wrothe, S. 56. Rede me and be nott wrothe, erstes Zitat S. 59 und S. 93 zum zweiten.

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enten anzusprechen und in eine grundsätzliche Abwertung der Institution Kirche einzuordnen.202 Simon Fish reagierte auf die Darstellung eines dekadenten und nicht standesgemäßen Lebensstils zahlreicher Kleriker sowie der Klage über zu hohe und zu viele zweifelhafte Abgaben, indem er die Thematik erneut in einen genuin politischen Kontext einordnete. Zwei Punkte stellte er in diesem Zusammenhang heraus: Zum einen habe die Kirche nicht immer ein solches Vermögen besessen, sondern es vielmehr aus aufgezwungenen Abgaben erworben. Zumal lehre die Geschichte, dass die noblen Vorfahren des Königs von jeglichen Kirchensteuern und -abgaben frei gewesen wären. Zum anderen verknüpfte der Autor die ‚erdrückende Last‘ der Abgaben mit einer generellen Schwächung des Königreichs. 203 In diesem Zusammenhang gewann die Darstellung des ‚Ausblutens‘ an Bedeutung, wenn damit eine grundsätzliche Gefährdung des Gemeinwesens verbunden wurde. William Tyndale elaborierte diese Ansicht, indem er konstatierte, das Bedürfnis des Klerus nach immer mehr Abgaben, Spenden und sonstigen Zuwendungen habe schließlich die verschiedenen Königreiche enorm geschwächt, weshalb sie dem Ansturm der Ungläubigen nichts mehr entgegensetzen konnten.204 Geschickt verknüpfte Tyndale an dieser Stelle Klagen über hohe Abgaben mit einem Niedergang der Christenheit und einem gleichzeitigen Aufstieg der Osmanen, für die in beiden Fällen der geistliche Stand verantwortlich zeichne. In dieser Lesart firmierten die Kirchenfürsten zudem als Verräter an der Christenheit. Ein weiterer Aspekt innerhalb dieser ökonomischen Kritik am geistlichen Stand ergab sich durch die Frage, was dieses Streben nach weltlichen Reichtümern für den eigentlichen Auftrag der Kirche bedeute. William Tyndale widmete sich dieser Frage in seiner Schrift Parable of the wicked Mammon, wo er eine generelle Verweltlichung der Kirche kritisierte, die ihre Güter nicht mehr für die Armen und Bedürftigen einsetze, sondern einzig die Habgier des Klerus befriedigen müsse. Anstatt beispielsweise den christlichen Auftrag der Nächstenliebe ernst zu nehmen und dem Nächsten zu helfen, der arm und bedürftig sei, häufe die Kirche Reichtümer für ihre eigenen Zwecke an und verrate dadurch die Lehren Christi. Die Hingabe an einen ‚schnöden Mammon‘ entlarve die Äußerlichkeit und Scheinheiligkeit des Klerus, der sich seine Heiligkeit durch erfundene Praktiken und falsche Zusätze zur Heiligen Schrift sichern wolle, dabei jedoch seine aufgetragene Pflicht ignoriere und letztlich verkaufe.205

202 Dieser Faktor des Sozialneids scheint zuweilen auf, etwa wenn mit Phrasen wie „butcherly bisshop“ auch auf die Herkunft Thomas Wolseys hingewiesen wird, dessen Vater ein Metzger war. Rede me and be nott wrothe, S. 116; GWYN, The King’s Cardinal, S. 14. 203 Siehe FISH, Supplicacyon, fol. 2v-3r. 204 Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 254. 205 Siehe TYNDALE, Parable, S. 62, 69, 77, 82 und S. 103-105; selbe Kritik bei BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Niiv-Niiir.

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3.2.3 Fegefeuer und Erlösung – Die sakrale Macht des Klerus „Beware, lest any man come and spoil you through philosophy and deceitful vanity, through traditions of men, and ordinations after the world, and not after Christ.“ (COL. 2,8)

Diese Warnung aus dem zweiten Brief an die Kolosser steht auf dem Titelblatt von John Friths „Disputation of Purgatory“206 und soll den Leser daran erinnern, keinen erfundenen Ideen von Menschen zu vertrauen, sondern einzig Christus und dem offenbarten Wort. Der Autor weist hier zugleich auf die generelle Richtung seiner Schrift hin, indem er eine Zentrierung auf Christus und die Bibel nahelegt und gleichzeitig alle Dinge ablehnt, die diesen Determinanten nicht entsprechen. Mit dieser Auslegung widersetzte sich Frith der Grundlage der klerikalen Machtposition – ihrer Fähigkeit, zwischen Gott und den Menschen zu vermitteln, um so die Erlösung für jeden Gläubigen zu sichern. Diese sakrale Macht der Kleriker, die sie als Mediatoren übernatürlicher Kräfte beanspruchten, verbürgte gewissermaßen ihre exemte Stellung innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaft.207 Aus diesem Grund verwandten verschiedene Autoren viel Energie darauf, jenes Fundament der geistlichen Macht zu unterhöhlen und zum Einsturz zu bringen. Im Zentrum des Interesses standen dabei spezifische, kirchliche Praktiken und „Erfindungen“ wie das Fegefeuer oder die Seelmesse, die als Instrumente der Tyrannei dämonisiert wurden.208 Im Namen der Errettung der Seelen würde der Klerus 206 Siehe John FRITH, A disputacio[n] of purgatorye, Antwerpen 1531 (STC2 11386.5/ British Library). Text ed. in: Thomas Russell (Hg.), The Works of the English Reformers: William Tyndale and John Frith, 3 Bde., London 1831, hier Bd. 3, S. 82-203. 207 Vgl. dazu die Schrift An argument for the Independence of the Spirituality, 1532, die eine lange Geschichte des Priesteramtes aufzeigen möchte und das dieses von Gott eingeführt wurde. Text in: Complaint and Reform in England, 1436-1714, hrsg. von William H. DUNHAM / Stanley PARGELLIS, Neuausgabe New York 1968, S. 125-129. Darin heißt es auf S. 125: „That the bishops have immediate authority of Christ to make such laws as they shall think expedient for the weal of men’s souls“. Heinrich VIII. hatte in seiner Assertio gegen Luther von 1521 diese Fähigkeit der Geistlichen ebenfalls in besonderer Weise betont. Siehe HENRY VIII, Assertio septem sacramentorum […], London 1521 (STC2 13078/British Library). Die hier benutzte Ausgabe ist London 1522 (STC 2 13079/British Library), fols. Giir & Liiir; ähnlich Richard ROLLE[?], Here begynneth a lytell boke, that speketh of Purgatorye […], London 1534[?] (STC2 3360/Henry E. Huntington Library), fol. Diiv-Diiir; William BONDE, A deuote treatyse for them that ben tymorouse and tearefull in conscience […], London 1534 (STC2 3275/Henry E. Huntington Library), fols. Bir-v, Div; ferner SCRIBNER, Anticlericalism, S. 249; MACCULLOCH, Reformation, S. 34-40; DUFFY, Stripping, S. 109-111, 368-376. 208 Zum Fegefeuer u.a. Peter MARSHALL, Fear, Purgatory and Polemic, in: Ders., Religious Identities in Henry VIII’s England, Aldershot 2006, S. 43-60; Clive BURGESS, ‚A Fond Thing Vainly Invented‘: an Essay on Purgatory and pious motive in late medieval England, in: Susan J. Wright (Hg.), Parish, Church and People. Local studies in lay religion

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handeln, und ohne seine Gebete und Ablässe wäre das Fegefeuer gewiss. 209 Dagegen wandte sich explizit die Kritik William Tyndales, welche er in seiner Schrift Practice of Prelates geäußert hatte. Bereits in seinem Vorwort stellte er dabei klar, worum es ihm ging: „When the old scribes and Pharisees had darkened the scripture with their traditions, and false interpretations, and wicked persuasions of fleshly wisdom; and shut up the kingdom of heaven, which is God’s word, that the people could not enter in unto the knowledge of the true way, as Christ complaineth in the gospel […]; then they sat in the hearts of men with their false doctrine in the stead of God and his word, and slew the souls of the people to devour their bodies, 210 and to rob them of their worldly substance.“

Die Parallelisierung von heutigen Klerikern und den biblischen Pharisäern war die grundlegende Konstruktion dieser Schrift. Sie diente als Folie, auf der Tyndale beabsichtigte, die Verfehlungen des gegenwärtigen Klerus aufzuzeigen und ihr schädliches, gegen Gott gerichtetes Handeln zu stigmatisieren. Entscheidend für die Argumentation Tyndales war die zweite Aussage des obigen Zitates. Hiernach hätten die ‚neuen Pharisäer‘ durch ihr Walten den Zugang zum himmlischen Königreich verschlossen, was der Verfasser mit Gottes Wort und dem Wissen um den wahren Weg gleichsetzte. Anstelle des göttlichen Wissens und des himmlischen Königreichs hätten sie ihre falsche Doktrin, ihre erfundenen Traditionen und bösartigen Überzeugungen gesetzt und ihr eigenes, ganz und gar weltliches Königreich errichtet, wodurch das göttliche Wort verdunkelt worden sei.211 Dieser Vorwurf führt direkt zum Kern dessen, was in diesem Abschnitt gezeigt werden soll. In Verkehrung ihrer beanspruchten Rolle als Vermittler göttlichen Heils werden die Kleriker nun unmittelbar dafür verantwortlich gemacht, dass den Menschen der Zugang zu den himmlischen Sphären versagt bliebe. Damit gefährde jeder Gläubige, der diesen falschen Praktiken der Geistlichkeit folge, letztlich seine Erlösung. Theoretisch gesprochen, artikulierte Tyndale hier eine ontologische Unsicher1350-1750, London u.a. 1988, S. 56-84; DUFFY, Stripping, Kap. 10, S. 338-376; grundsätzlich dazu auch Jacques LE GOFF, Die Geburt des Fegefeuers, Darmstadt 1989. 209 Schriften, die die Existenz (und die Notwendigkeit) des Fegefeuers sowie der damit verbundenen Auffassungen, Praktiken und Einrichtungen aus spirituellen und moralischen Gründen verteidigten, sind zahlreich. Siehe inter alia John RASTELL, A new boke of purgatory, London 1530 (STC2 20719/Bodleian Library), bes. fol. Hiiiv-Hivr; ROLLE, A lytell boke of Purgatorye, fols. Bivv-Civ, Dir-Divv; Thomas MORE, The Supplycacyon of Souls […], in: The Complete Works of St. Thomas More, Bd. 7, hrsg. von Frank Manley / Germain Marc’Hadour et al., New Haven/London 1990, S. 170-228, hier S. 175; DERS., The Confutation of Tyndale’s answer, in: The Complete Works, Bd. 8, in 3 Teilbänden, hrsg. von Louis A. Schuster et al., New Haven/London 1973, hier Band 8/1, S. 90f; John FISHER, Here after ensueth two fruytfull Sermons […], London 1532 (STC2 10909/Henry E. Huntington Library), fols. Cir, Ciiv, Diiir-v; BONDE, A deuote treatyse; cf. MARSHALL, Purgatory, S. 50 für weitere Belege. 210 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 240. 211 TYNDALE, Practice of Prelates, S. 249, 266-268, 277, 279 und den Abschnitt „How the pope corrupteth the scripture, and why“, S. 280-288.

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heitssituation, die solange bestehen bleibe, bis sich die Menschen von den Verführungen und schädlichen Versprechungen des Klerus befreit hätten. Denn diese „generation of serpents“ ließe ihre Schutzbefohlenen in Unwissen verharren und gebrauche ihre erfundenen Machtinstrumente lediglich dazu, um damit ihren weltlichen Lebensstil sowie ihr tyrannisches Regiment zu schützen.212 Die Schrift Rede me and be nott wrothe enthält einen eigenen Abschnitt, der mit „Heare foloweth the lamentacion“ überschrieben ist und in dem die Seelmesse in ähnlicher Weise als zentrale Waffe der Geistlichkeit gegen die weltliche Sphäre dargestellt wird.213 Jene firmiert hier als Fundament des ausladenden klerikalen Lebensstils, deren Verlust nun bitterlich beklagt wird. Auf wenigen Seiten versammeln sich in konzentrierter Form alle gängigen Vorbehalte gegenüber dem geistlichen Stand, angefangen bei einem luxuriösen bzw. dekadenten Lebensstil, über sexuelle Ausschweifung und Begierde214, Amtsversagen bzw. -missbrauch und Faulheit, Anmaßung von Machtbefugnissen auch im weltlichen Bereich, dem Ruin vieler Untertanen, bis hin zu Götzendienst und Aberglauben. Quasi zusammenfassend vermerkte der Text: „The masse made vs so stronge and stordy / That agaynst hell gates we did prevayle. Delyveringe soules out of purgatory / And sendynge theym to heven with out fayle / Who is he then 215 that wolde nott bewayle. Seynge that gone is the masse“

An dieser Stelle nun offenbarte sich die evangelische Gesinnung der Texte, indem die mannigfaltigen ‚Erfindungen‘ einer gierigen Geistlichkeit gebrandmarkt wurden. Im Hinblick auf das Fegefeuer hieß es bei Simon Fish:

212 Vgl. TYNDALE, Practice of Prelates, S. 242-243. 213 Rede me and be nott wrothe, S. 30-36. 214 Der Vorwurf sexueller Verfehlungen der Priester, Äbte, Mönche, Vikare etc. ist in zweifacher Hinsicht von Relevanz: Durch solch ein schändliches Verhalten seien nicht wenige Frauen und Kinder zu Dieben und Bettlern gemacht worden, was ganz konkrete Problematiken aufgreift. Siehe dazu FISH, Supplicacyon, fol. 4r-v; zugleich wird dieses Verhalten auf die Institution als Ganzes zurückgeführt, in der hochrangige Prälaten sowie der Papst selbst „Lizenzen zur Hurerei“ vergeben würden, um dadurch die Einschränkungen des Zölibats auszugleichen. Bei Tyndale heißt es dazu: „As through Dutchland, every priest, paying a gildren unto the archdeacon, shall freely and quietly have his whore, and put her away at his pleasure, and take another at his own lust. As they do in Wales, in Ireland, Scotland, France, and Spain. And in England, thereto, they be not few which have licences to keep whores, some of the pope, and some of their ordinaries.“ Siehe William TYNDALE, An Answer to Sir Thomas More’s Dialogue [1530], in: Russell (Hg.), The Works of the English Reformers, Bd. 2, London 1831, S. 1-223, hier S. 41. 215 Rede me and be nott wrothe, S. 34. Im Haupttext erklären die Autoren zur Messe: „For as sone as the masse is buried / Our master shalbe beggered / Of all his ryche possession“. Ibid, S. 44; nach Clive Burgess hatte die praktische Umsetzung der Fegefeuer-Idee tatsächlich den Effekt, die Kirche, und insbesondere die Mönche und Ordensbrüder, finanziell unabhängig von etwaigen freiwilligen Spenden zu machen. Siehe BURGESS, ‚A Fond Thing Vainly Invented‘, S. 65.

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„But there be many men of greate litterature and iudgement that for the love of they haue vnto the trouth and vnto the comen welth […] to declare theyre oppinion in this mather whiche is that there is no purgatory but that it is a thing inuented by the couitousnesse of the spiritualtie onely to translate all kingdomes from other princes vnto theim and that there is not one word 216 spoken of hit in al holy scripture.“

Genereller urteilten die Verfasser von Rede me, wenn sie über etwaige Zusätze zur Bibel schrieben: „Their preachynge is not scripture / But fables of their coniecture / And mens ymaginacions. They brynge in olde wyves tales / Both of Englonde/ Fraunce/ and Wales / Which they call holy narracions. And to theym scripture they apply / Pervertynge it most shamfully / 217 After their owne opinions.“

Auf die Frage, warum der geistliche Stand mit diesen Praktiken reüssieren könne, gab William Tyndale eine eindeutige Antwort. Er erkannte eine Sehnsucht nach ‚Heilsversicherung‘ bei den Gläubigen, auf die Kirche und Klerus durch ein Angebot an diversen Praktiken und Hilfsmitteln reagieren würden.218 In diesem Sinne avancierten traditionelle, äußerliche Praktiken und Gegenstände wie Kerzen und Weihwasser, Ablässe, Fasten, Seelmessen und andere Zeremonien, die das Heil des Gläubigen sichern sollten, zu einem nützlichen Instrument in den Händen des Klerus, um seinen Einfluss in der weltlichen Sphäre auszudehnen und alles zum Schaden der geistlichen Erziehung.219 Denn durch die Heranziehung solcher Utensilien und dem Glauben daran, etwa durch gute Werke die Erlösung erlangen zu können, drohe eine Abwendung von Gott und Christus, dessen Blut zur Erlösung vergossen worden sei und der der einzige Weg zur Vergebung der Sünden sein könne. Gute Werke könne 216 FISH, Supplicacyon, fol. {6r}. 217 Rede me and be nott wrothe, S. 73. Dies kann als stehende Kritik evangelischer Autoren betrachtet werden. Siehe dazu ausführlich auch die detaillierte Widerlegung der Aussagen Thomas More’s zu „ungeschrieben Wahrheiten“ bei George JOYE, The subuersio[n] of Moris false foundacion where upon he sweteth to set faste and shove under his shameles shoris, to vnderproppe the popis churche, Antwerpen 1534 (STC2 14829/British Library), insbesondere ab fol. Aviiiv. 218 Siehe dazu auch die Bemerkungen bei HAMM, Normative Zentrierung, S. 166f sowie Heiko A. OBERMAN, The shape of late medieval thought: the birthpangs of the modern era, in: Charles Trinkaus / Ders. (Hgg.), The pursuit of holiness in late medieval and Renaissance religion, Leiden 1974, S. 3-25. 219 TYNDALE, Parable, S. 48: „Or else perishest thou, though thou hast a thousand holy candles about thee, a hundred ton of holy water, a shipfull of pardons, a cloth-sack full of friars’ coats, and all the ceremonies in the world, and all the good works, deservings, and merits of all the men in the world, be they, or were they, never so holy.“

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nur jemand vollbringen, der bereits vor der Tat gut war; die Werke an sich machten aus ihm noch keinen guten Menschen.220 Er stellte klar: „The reward is given of the mercy and truth of God, and by the deserving and merits of Christ. […] Moreover, if the reward should depend and hang of the works, no man should be saved.“ 221 Das zentrale Anliegen Tyndales bestand in dieser Hinsicht in der Aufforderung, von äußerlichen Dingen Abstand zu nehmen und allein auf die errettende Kraft des Glaubens zu vertrauen. Grundlegendes Problem hierbei sei jedoch eine falsche und fatale Auffassung davon, was rechter Glaube sei. „They think no farther than that faith is a thing which standeth in their own power to have, as do other natural works which men work“.222 Gerade die ‚Verweltlichung‘ des Glaubens, seine Gleichsetzung mit alltäglichen Verrichtungen und speziellen Werken führe zum Verfall von Kirche und Gemeinschaft. Wenn der Glaube allein nicht mehr genug sei, hielten erdachte Praktiken und Idole sowie ein Vertrauen in das errettende Potential dieser Dinge Einzug. Tyndale sprach in diesem Zusammenhang von „dreamers“ und „phantasies“, denen sich die Gläubigen hingeben würden und verglich dieses Handeln mit den Pharisäern.223 Gute Werke waren für den Autor reines Blendwerk, dessen sich Personen bedienten, denen der wahre Glaube fehle und die sich deshalb der Errettung durch anderweitige Hilfsmittel versichern wollten. Letztlich sei die innere Verfassung eines Gläubigen entscheidend, und nicht, welche äußerlichen Taten er oder sie vollziehe. So formulierte er zum Problem des Fastens: „A man at four times may bear that he cannot at once. Some fast from meat and drink, and yet so tangle themselves in worldly business that they cannot once think on God. Some abstain from butter, some from eggs, some from all manner white meat, some this day, some that day, some in the honour of this saint, some of that, and every man for a sundry purpose: some for the tooth ache, some for the head ache, for fevers, pestilence, for sudden death, for hanging, drowning, and to be delivered from the pains of hell. […] All those men fast without conscience of God, and without knowledge of the true intent of fasting, and do no other than honour saints, as the Gentiles and heathen worshipped their idols, and are drowned in blindness, and know not of the testament that God hath made to man-ward in Christ’s blood. In God have they neither hope nor confidence, neither believe his promises, neither know his will, but are 224 yet in captivity under the prince of darkness.“

Der fehlende Glaube an Gott war demnach das zugrundeliegende Problem. Freilich schaffe die Institution, die dafür verantwortlich sein sollte, den Glauben zu schüren, keine Anreize, sondern fördere demgegenüber die schädlichen Praktiken noch zum eigenen Vorteil. Tyndale klagte dergestalt über den gegenwärtigen Klerus:

220 TYNDALE, Parable, S. 50: „So likewise is this true, and nothing more true, that a man before all good works must first be good; and that it is impossible that works should make him good, if he were not good before, ere he did good works.“ 221 TYNDALE, Parable, S. 113. 222 TYNDALE, Parable, S. 53. 223 TYNDALE, Parable, S. 53 und S. 64. 224 TYNDALE, Parable, S. 90-92.

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„We need not to use filthy lucre in the gospel; to chop and change; and to play the taverners, altering the word of God, as they do their wines to their most advantage; and to fashion God’s word after every man’s mouth; or to abuse the name of Christ, to obtain thereby authority and 225 power to feed our slow bellies.“

Der eingeschlagene Kurs der Kirche führe nach Tyndale in eine gefährliche Richtung, so dass er zu den bestehenden Äußerlichkeiten erklärte: „[F]or the world was never drawn from God but with an outward shew, and glorious appearance and shining of hypocrisy, and of feigned and visored fasting, praying, watching, singing, 226 offering, sacrificing, hallowing of superstitious ceremonies, and monstrous disguising.“

Die geschilderten Zustände seien das Ergebnis einer Korrumpierung der Heiligen Schrift durch falsche Zusätze und Traditionen, die das Volk blenden und ihm das Himmelreich verschließen würden.227 Mit anderen Worten artikulierte Tyndale an dieser Stelle die gleichen Vorbehalte, die auch Barlow, Fish und Roy formulierten und in denen die Kirche und der weltlich orientierte Klerus der Erfüllung des christlichen Lebens im Wege stünden. Diese Konstruktion war die Voraussetzung dafür, dass ein derartiger Klerus zum Bestandteil der Mosaischen Unterscheidung avancieren konnte. Als Beweis dieser hemmenden Funktion des Klerus führte Tyndale den zunehmenden Gegensatz zu Gott an, in den sich jene Personen durch ihr ambitioniertes und scheinheiliges Streben nach Einfluss bringen würden: „And this did they for lucre, to be in authority, to sit in the consciences of people, and to be counted as God himself, that people should trust in their holiness, and not in God“.228 John Frith elaborierte in seiner 1531 veröffentlichten Schrift A Disputacion of Purgatorye diese Kritik Tyndales, indem er die Fundamente der bestehenden Glaubensauffassung angriff. Sein zentrales Argument war dabei die Tatsache, dass es keine Belege für die Existenz des Fegefeuers in der Bibel gebe. In seiner Auseinandersetzung mit dreien der bekanntesten Verteidiger der ‚alten Kirche‘, John Rastell, Thomas More und John Fisher, legte Frith hier eine umfassende, theologische Kritik vor, die geeignet war, die eher volksnahen Invektiven von Barlow, Roy und Fish um eine wichtige Dimension zu erweitern.229 Analog zu Tyndale äußerte auch Frith die Vorstellung, dass das Fegefeuer und dessen Förderer und Profiteure in einem absoluten Gegensatz zu Gott stünden. Freilich erkannte er die Macht der Tradition an, die viele Menschen davon abhielte, sich von den Fesseln einer ‚degenerierten Kirche‘ zu lösen. So schrieb er zum Fegefeuer: 225 226 227 228 229

TYNDALE, Parable, S. 96; ähnliche Kritik in Sermo[n] of doctor Colete, fols. Biir-v, Bivr. TYNDALE, Parable, S. 103. TYNDALE, Parable, S. 104. TYNDALE, Parable, S. 105. Er bezieht sich in seiner Erwiderung auf drei Werke dieser Autoren. Siehe RASTELL, A new boke of purgatory; Thomas MORE, The supplycacyon of soulys, London 1529 (STC2 18092/Bodleian Library); John FISHER, Assertionis Lutheranae confutatio, Antwerpen 1523 (USTC 403705/Cambridge University Library). Der Text von Fisher erfuhr im Verlauf der 1520er Jahre mehrere Nachdrucke & Neuauflagen. Siehe dazu u.a. die Einträge USTC 613741, 180942, 613738, 613740; Vgl. auch REX, Theology of Fisher, S. 80-92.

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„Notwithstanding, it is the foundation of all religions and cloisters, yea and of all the goods that now are in these spiritualties.“230 Umso mehr sei es seine, von Gott auferlegte Pflicht, die gegenwärtige Blindheit offenzulegen und zu deren Reform beizutragen.231 Frith assoziierte mit dieser Blindheit ein Fernhalten beziehungsweise einen Ausschluss der Menschen von der Heiligen Schrift, woraus viele der zeitgenössischen Probleme entstanden seien.232 Das für die Gläubigen mithin größte Problem sah Frith im Umstand, dass die Bibel das notwendige Wissen um den rechten Glauben bereitstelle, durch welchen der gottesfürchtige Mensch zur Erlösung gelangen könne. Somit verschlößen diejenigen den Menschen den Zugang zum Himmelreich, die eine Ausbreitung des Wortes Gottes verhindern und eigene erfundene Glaubensartikel propagieren würden: „There is but one key of heaven, which Christ calleth the key of knowledge, (Luke xi.) and this key is the word of God. Christ rebuked the lawgivers for taking away this key from the people; for they, with their traditions and false expositions, had fully excluded the key of knowledge, which is the word of God, and had clean shut up the Scripture, as ours have done now-a233 days.“

In diesem Sinne firmierten bei John Frith jene Kleriker als Hindernis auf dem Weg zur Erfüllung des Gemeinwesens, die durch vorsätzlich falsche Praktiken und erfundene Traditionen das Wort Gottes entstellen und den Zugang dazu blockieren würden. Besonderes Anliegen des Verfassers war es, eine Grenze zwischen erkennbar antichristlichen Personen und den wahrhaft Gläubigen zu markieren. Für dieses Unterfangen benötigte er eine für die zeitgenössischen Umstände geeignete Determinante, um über die Zuordnungen zu entscheiden, was wahr und unwahr bzw. was erstrebt und was verworfen werden müsse. Frith fand diese Determinante letztlich in der Heiligen Schrift: „Therefore, we must have a judge to discern between truth and falsehood. And who should that be? the Pope? Nay, verily for he being a man, (as well as the doctors were,) may err as they did, and so shall we ever be uncertain. Our judge, therefore, must not be partial, flexible, nor ignorant (and so are all natural men excluded); but he must be unalterable, even searching the bottom and ground of all things. Who must that be? Verily, the Scripture and word of God, which was given by his Son, confirmed and sealed by the Holy Ghost, and testified by miracles and blood of all martyrs. This word is the judge that must examine the matter, the perfect 234 touchstone that trieth all things, and day that discloseth all juggling mists.“

230 FRITH, Disputation, S. 183. 231 Die Stilisierung als ein „Instrument Gottes“ erscheint hier als eine Form der Generierung von Autorität, die diesen ‚häretischen‘ Autoren im Diskurs der Zeit ansonsten häufig abgesprochen wird. Siehe die Argumentation bei FRITH, Disputation, S. 83 und noch einmal auf S. 92. 232 „But you have been of long continuance secluded from the Scriptures, which is the cause of such gross errors as ye are now fallen in“. FRITH, Disputation, S. 85. 233 FRITH, Disputation, S. 199f. 234 FRITH, Disputation, S. 189f.

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Vor dem Hintergrund dieses bestimmenden Faktors gelangte der Autor sodann zu grundsätzlichen Urteilen, die eine klare Trennung zwischen Gut und Böse, wahr und falsch markierten. Die über diese Aufteilung hergestellten Parteien wurden innerhalb zweier Zentrierungsprozesse verortet: Dieweil Autoren wie Rastell, More und Fisher zusammengefasst, über ihre geäußerten Positionen mit der Kurie verbunden und semantisch in einem antichristlichen, gegen die Gemeinschaft gerichteten Spektrum positioniert wurden, erfolgte auf der anderen Seite eine positive Zentrierung der wahren Gläubigen auf Christus und die Heilige Schrift. So erschien Rastell als mediokrer Gelehrter, dessen Werk zum Großteil von Thomas More abgeschrieben sei. More hingegen etikettierte Frith als Söldner des Klerus, der es eigentlich besser wissen sollte.235 Den Bischof von Rochester diffamierte er schließlich als ‚Schergen des Papstes‘, dessen Bemühungen einzig auf die Aufrechterhaltung der päpstlichen Autorität gerichtet seien: „Notwithstanding, my Lord is not content to give him [dem Papst – BQ] this power only, but he hath so far waded in the Pope’s power, that he hath granted him full authority to deliver all 236 men from hell, if they be not damned already“

Das grundsätzliche Problem in der Verteidigung von Fegefeuer und anderen Vorstellungen und Praktiken stellte für Frith der Umstand dar, dass sich diese Erfindungen zwischen Christus und die Menschen drängen würden, sie von der Erkenntnis des wahren Glaubens abhielten und letztlich zu einer Entfremdung von Gott führen könnten.237 Dabei hätten solche kirchlichen Lehren einen ganz und gar profanen Hintergrund: „[T]heir painful purgatory was but a vain imagination, and that it hath of long time but deceived the people, and milked them from their money.“238 Demgegenüber stand die Fokussierung auf Christus und die Heilige Schrift, die auch im Falle des Fegefeuers die richtige Antwort geben könne. So schrieb Frith dazu: „Christ, the Son of God […] hath in his own person purged our sins, and is set on the right hand of God. […] If thou yet seek another purgation, then are you injurious unto the blood of Christ“239 In diesem Sinne offenbarten die behandelten Texte zwei zentrale Vorgänge: Zum einen stellte sich das Fegefeuer als erdachtes Instrument einer Gruppe von Menschen dar, deren Interesse vordergründig auf die Akkumulation von Gütern und finanziellen Mitteln gerichtet war, um ihren ausschweifenden Lebensstil und ihre herausgehobene Position in der Gesellschaft garantieren zu können. Überkommene Traditionen und das mangelnde Wissen der Gläubigen dienten derart als Grundlage, um ihr tyrannisches Regime auf Dauer zu stellen. Zum anderen resultierte aus diesem Verhalten des Klerus’ eine Entfremdung von Gott, da sie selbst ihre Funktion als Vermittler nicht 235 „So that this text proveth no more purgatory, than it proveth that Master More was hired of the spiritualty to defend purgatory.“ FRITH, Disputation, S. 167; siehe dazu auch die Invektiven bei JOYE, Subuersio[n], fols. Aiir, Aiiiv, Avv-Avir, Aviiiv, Biiiv-Bivr, Bvr, Civv, Divr, Eiir, Fviiir-v, Gvv, Hiiv, Hviir. 236 FRITH, Disputation, S. 201. 237 FRITH, Disputation, S. 109 und passim. 238 FRITH, Disputation, S. 90. 239 FRITH, Disputation, S. 100.

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erfüllen und darüber hinaus allen gottesfürchtigen Menschen den Zugang zur Heiligen Schrift verwehren würden. Mit dieser Argumentation invertierten die Autoren folglich die beanspruchte Rolle des Klerus und wendeten sie gegen den geistlichen Stand an. In dieser Lesart firmierten die Kirchenfürsten sodann als Hindernis auf dem Weg zum göttlichen Heil und wurden in der Folge in einem antichristlichen Spektrum positioniert. Infolge der Unterminierung ihrer Machtbasis stand ferner die Frage im Raum, welche Stellung im Gemeinwesen den Klerikern fürderhin zugewiesen werden sollte. 3.2.4 Die soziale Stellung der Geistlichkeit Die soziale Stellung des Klerus beruhte wesentlich auf der von ihm postulierten göttlichen Einsetzung des Amtes, woraus verschiedene Rechte und Privilegien abgeleitet wurden. Für das Verhältnis von weltlichem und geistlichem Herrschaftsbereich bedeutete dies eine Befreiung von profaner Untertänigkeit und daraus resultierenden Verpflichtungen. Auf der Basis ihrer exemten Stellung hatte die Kirche in Gestalt des Kanonischen Rechts eigene Normen, Gesetze und Institutionen entwickelt, die zu unterschiedlichen Zeiten in Konflikt und Konkurrenz zu ihren weltlichen Pendants geraten konnten.240 Die Frage nach der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen geistlichem (sacerdotium) und weltlichem (regnum) Machtbereich war ein Thema, dass bereits im Mittelalter zu teilweise heftigen Konflikten geführt hatte.241 Im Zuge der Auseinandersetzungen der frühen 1530er Jahre kann nun eine Aktualisierung dieser Kontroversen beobachtet werden, die gleichsam an die Gegebenheiten der Zeit angepasst wurden.242 Ziel war es, die gemeinschaftsschädlichen Auswüchse des geist-lichen 240 Siehe dazu grundsätzlich F. W. MAITLAND, Roman Canon Law in the Church of England, London 1898; David L. KEIR, The Constitutional History of Modern Britain since 1485, 9. Aufl., London 1975, S. 47-58; Henry HALLAM, The constitutional history of England from the accession of Henry VII to the death of George II, 3 Bde., 8. Aufl., London 1855, hier Bd. 1, Kap. 1, S. 1-56 sowie S. 57-84 zur Scheidungsaffäre Heinrichs VIII. 241 Vgl. STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 189-242; Henning OTTMANN, Geschichte des politischen Denkens, Bd. 2/2: Das Mittelalter, Stuttgart/Weimar 2004, Kap. 23, S. 86103; Antony BLACK, Political Thought in Europe, 1250-1450, Cambridge 1992, S. 42-84; J. A. WATT, Spiritual and temporal powers, in: James H. Burns (Hg.), The Cambridge History of Medieval Political Thought, c. 350 – c. 1450, Paperback Ed., Cambridge 1991, S. 367-423. 242 So finden sich mehrere englische Übersetzungen mittelalterlicher Texte, die im Kontext der Auseinandersetzung von weltlicher und geistlicher Herrschaft gesehen werden müssen. Siehe A dialogue betwene a knyght and a clerke concernynge the power spiritual and temporall, London 1533 (STC2 12511/British Library); ferner erscheint eine erweiterte Übersetzung jener Schrift des italienischen Humanisten Lorenzo Valla, durch die er die Konstantinische Schenkung als Fälschung entlarvte. Siehe A treatyse of the donation or gyfte and endowme[n]t of possessyons, gyuen and graunted vnto Syluester pope of Rhome, by Constantyne emperour of Rome […], London 1534 (STC2 5641/British Library); zuletzt wird eine Übersetzung von Marsilius von Paduas Defensor Pacis publiziert. Siehe The defence of peace: lately translated out of laten in to englysshe, London 1535 (STC2

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Herrschaftsbereichs vor Augen zu führen und darüber zur Beseitigung von dessen Autonomie aufzurufen. Den Autoren ging es also nicht um eine prinzipielle Abschaffung des geistlichen Standes, sondern um eine Korrektur und Zurückdrängung der als Anomalie gekennzeichneten Aktivitäten des Klerus. Eine Gruppierung, die daran besonderes Interesse zeigte, waren die common lawyer. Im Reformation Parliament (seit 1529) zahlreich vertreten, versuchten sie die Gunst der Stunde zu nutzen, um den Einfluss des Klerus auf den weltlichen Bereich zu beschränken.243 Insbesondere wurden der Status des kanonischen Rechts, dessen Verhältnis zum englischen common law sowie die eigenständige geistliche Gerichtsbarkeit thematisiert und hinterfragt. Als überaus günstig muss in diesem Zusammenhang die Kritik evangelischer Autoren wie Frith, Tyndale etc. betrachtet werden, die durch ihre jeweiligen Beiträge das göttliche Fundament dekonstruierten, das Kirchenvertreter für viele ihrer Rechte und Privilegien stets ins Feld geführt hatten. Hierdurch ergab sich erst die Möglichkeit, darauf aufbauend neben den genuin theologischen nun auch die eher lebensweltlichen Setzungen, Normen, Gesetze und Praktiken der Kirche einer eingehenden Prüfung zu unterziehen und ggf. zu verwerfen. Als Bannerträger in diesem Kampf tat sich der Jurist Christopher St. German hervor, der in mehreren Veröffentlichungen die beanspruchten Rechte und Privilegien der Kleriker negierte. Gleichzeitig unternahm er den Versuch, auf der Grundlage des englischen Rechts zu einer Neubestimmung der sozialen Stellung des Klerus, mithin also des Verhältnisses von sacerdotium zu regnum, zu gelangen.244 St. Ger17817/Bodleian Library); zu diesen Übersetzungen siehe William UNDERWOOD, Thomas Cromwell and William Marshall’s Protestant Books, in: HJ 47 (2004), S. 517-539; Shelley LOCKWOOD, Marsilius of Padua and the case for the Royal ecclesiastical supremacy, in: TRHS 6th Ser., 1 (1991), S. 89-119. 243 Siehe zu Einfluss und Wirkung dieser Gruppierung im Umfeld des Reformation Parliament LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 24f sowie Kap. 5; BRIGDEN, London, S. 176f; HAIGH, Anticlericalism, S. 65f; DERS., English Reformations, S. 72-102. 244 Siehe u.a. Christopher SAINT GERMAN, Dialogus de fundamentis legum Anglie et de conscientia, London 1528 (STC2 21559/British Library); DERS., Hereafter foloweth a dyaloge in Englysshe, bytwyxt a Doctour of Dyuynyte, and a student in the lawes of Englande […], London 1530 (STC2 21561/Harvard University Library); DERS., The secu[n]de dyaloge in Englysshe […], London 1530 (STC2 21565/Harvard University Library); DERS., Hereafter foloweth a lytell treatise called the newe addicions, London 1531 (STC2 21563.5/British Library). Die drei „Doktor und Student-Dialoge“ mitsamt den „New Additions“ sind ed. in: Theodore F. T. PLUCKNETT & John L. BARTON, St. German’s Doctor and Student, London 1974. Vor allem durch seine späteren Werke A treatise concernynge the diuision betwene the spiritualtie and temporaltie, London 1532 (STC2 21587.5/Henry E. Huntington Library); Salem and Bizance, London 1533 (STC2 21584/Bodleian Library); The addicions of Salem and Byzance, London 1534 (STC2 21585/Bodleian Library) und A treatyse concerni[n]ge the power of the clergye […], London 1535 (STC2 21588/Harvard University Library) geriet er in Konflikt mit Thomas More. Vgl. dazu John GUY, Thomas More and Christopher St German: The Battle of the Books, in: Fox / Ders. (Hgg.), Reassessing, S. 95-120; Franklin Le Van BAUMER, Christopher St. German: The Political Philosophy of a Tudor Lawyer, in: AHR 42 (1937), S. 631-651; EPPLEY, Royal Supremacy, Kap. 3, S. 61-141.

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mans Beiträge zu diesen Prozessen sind überaus wichtig, weil sie einerseits äußerst populär waren, und der Autor darin andererseits eine Systematisierung des englischen Rechts vorlegte, die Auswirkungen auf das beschriebene Verhältnis hatte. 245 Zudem partizipierte er damit an einem hochgradig politischen Anliegen der Zeit. Zentraler Punkt seiner Ausführungen war die nähere Bestimmung des Wirkungsfeldes des englischen Rechts, welches im Prinzip alle Lebensbereiche umfassen könne. Einschränkungen bestünden lediglich darin, dass das von Menschen geschaffene Recht nicht gegen andere, übergeordnete Rechte verstoßen dürfe. Dazu zählten das Vernunftrecht (law of reason), das göttliche Recht (law of God) und das als Grundlage jeglicher Existenz geltende „eternal law“, welches dem Menschen aber nicht direkt zugänglich sei. Vielmehr stellten die anderen drei Rechte Manifestationen dieses ursprünglichen Gesetzes dar.246 Für den vorliegenden Zusammenhang ist besonders seine Bestimmung des Verhältnisses von göttlichem zu den anderen Rechten von Bedeutung. Hinsichtlich des göttlichen Rechts stellte St. German zwei Kriterien auf: Erstens werde dieses Recht direkt von Gott offenbart; zweitens dürften dem Verfasser zufolge nur all jene Gesetze als heilig gelten, die auf eine „ewige Glückseligkeit“ hin ausgerichtet seien: „Therefore a law is divine, or of divine right, properly described, because it is revealed by God, and also bycause it dyrectyth a man by the neryst waye to the felycytie eternall […]“247. Aus dieser Definition resultierte zugleich eine Begrenzung vieler bis dato als heilig geltenden Gesetze, welche eigentlich als weltliche Bestimmungen angesehen werden müssten. So argumentierte St. German, dass auch viele der Gebote im Alten Testament streng genommen keine göttlichen Rechte seien, da sie nicht auf die ewige Glückseligkeit der Israeliten abzielten, sondern deren politisch-soziale Verfasstheit thematisierten. In gleicher Manier gebe es in der Kirche und im kanonischen Recht viele Gesetze, die parallel nicht als göttliches Recht gewertet werden dürften: „Yet neuerthelesse all the lawes Cannon be not the lawes of god. For many of them made only for the polytycall rewle and conuersacyon of the people and should be reckoned as human law 248 rather than divine.“

Vor diesem Hintergrund kam St. German in der Folge auch zu einer Neubewertung des Klerus. Obwohl er durchaus die Notwendigkeit eines eigenen Standes anerkannte, der für die Administration sakraler Handlungen zuständig sei, betonte der Jurist jedoch ausdrücklich, dass dies eine Funktion für das Gemeinwohl sei, wodurch das wahrgenommene Amt aus einem weltlichen Kontext hervorginge. Dergestalt stünden 245 Zur Popularität siehe TRAPP, Introduction S. xlii und xlviii, der bis zum Ende des Säkulums um die 20 Editionen zählt; GUY, Battle of the Books, S. 100. Wie St. German selbst erklärte, diente seine Schrift „Doctor and Student“ vor allem der Unterweisung all derer, die auf dem Gebiet der Jurisprudenz nicht bewandert waren. Vgl. Doctor and Student, Second Dialogue, Introduction, S. 176f, wo St. German sogar den Wechsel der Sprache vom Lateinischen zum Englischen damit rechtfertigt, dass so mehr Menschen den Text rezipieren könnten. 246 Vgl. Doctor and Student, S. 7 und Einleitung S. xxiii-xxix. 247 Doctor and Student, S. 21-25, Zitat S. 21. 248 Doctor and Student, S. 23.

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die Güter, Privilegien usw. des geistlichen Standes nicht außerhalb des Gemeinwesens, sondern unterlägen dem common law. Mit dieser Feststellung gab St. German den Kern der mittelalterlichen Disputatio inter clericum et miletem wieder, in welcher klar geäußert woden war, dass die Geistlichkeit ihre Privilegien und Freiheiten im Gemeinwesen durch die Herrscher verliehen bekommen habe, um das Gemeinwohl zu fördern. Sollten sie diese Aufgabe aber nicht mehr entsprechend wahrnehmen, könnten das Verliehene aber auch wieder abgeändert oder zurückgezogen werden: „I deny not it is trouthe / great and large priuileges be to you granted by kynges and princes. Therfore ye oughte to vnderstande and knowe that what so euer the gouernours of the comon welth do / they intended it all to gether for the profite of the common weale […] But if any priuilege / that is graunted, be founde and knowen hurtefull / and greuous to the comon weale, it maye be repelled and fordone in tyme of nede. Therfore it is not be doubted, but that the high princes for the necessary busynes of the realme, maye alter and chaunge (as reason and tyme 249 requireth) the gracis and priuileges to you granted, and by the lawes establysshed.“

Mit der Verortung des geistlichen Standes im Rahmen des common law kam der Bestimmung von Status und Reichweite desselben ungeheure Bedeutung zu. Solange es nicht gegen die übergeordneten Rechte verstoße, sah St. German im englischen common law ein für alle verbindliches Recht, das zum geordneten Zusammenleben im Gemeinwesen beitrage.250 Erst der Versuch, dieses allgemeinverbindliche Recht für Teilbereiche einzuschränken oder auszuhöhlen, wie es etwa in Form des kanonischen Rechts für den geistlichen Bereich geschehen sei, habe demnach zu Zwietracht zwischen regnum und sacerdotium geführt.251 Davon ausgehend zeigt sich in den Werken St. Germans ein stetiger Entwicklungsprozess, der mit zunehmendem Zeitverlauf dazu tendierte, immer weiter reichende Gebiete in den Zuständigkeitsbereich des common law zu inkorporieren. Am Beispiel der Besitzrechte wird dabei seine grundlegenden Vorstellungen deutlich. So schrieb er dazu: „The theme is that a knowledge of English law and its grounds is essential for the good direction of conscience in this realm. For as it says in Exodus, xx. 17: ‚Thou shalt not covet thy neighbour’s house, nor his ox, nor his ass’ &c. without saying what is or is not my neighbour’s house or thing, it is English law that says which house or thing is mine, and which my neighbour’s. It is in human law, duly constituted, that justice concerning the possession of lands and the ownership of chattels is made plain, and whatever is possessed in accordance with those 252 laws is justly possessed, and what is held against them is unjustly held.“ 249 A dialogue betwene a knyght and a clerke, fol. 23v-24r. 250 Doctor and Student, S. 23-25; Newe addicions, fol. 19r-v; BAUMER, St. German, S. 645. 251 Vgl. dazu Christopher ST. GERMAN, A treatise concernynge the diuision betwene the spirytualtie and temporaltie [1532], in: The Complete Works of St. Thomas More, Bd. 9: The Apology, hrsg. und ed. von Jonathan B. Trapp, New Haven/London 1979, S. 173212. Auch hier rekurriert St. German auf Ausführungen des Dialogue. Siehe A dialogue betwene a knyght and a clerke, fol. 10v. 252 Doctor and Student, S. 3-5.

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Die Besitzrechte waren für St. German demnach ein von Menschen geschaffenes Recht, das dabei helfe, biblische Vorgaben zu konkretisieren und damit Gottes Gebote besser durchzusetzen. Auf diese Art und Weise stellte sich der Jurist das Zusammenspiel eines übergeordneten göttlichen zu einem nachgeordneten menschlichen Recht vor. Gleichzeitig integrierte er damit ein wesentliches Element des zeitgenössischen diskursiven Horizonts in seine Ausführungen, indem er dadurch die Bibel zur maßgeblichen Richtschnur auch im englischen Gesetzgebungsverfahren erklärte.253 In einem wichtigen Punkt entfernte sich St. German allerdings von den meisten Schriften der Zeit, da er nicht dem König allein die letztliche Autorität zugestehen wollte, Recht zu setzen und abzuändern, sondern dies dem König in seinem Parlament vorbehielt.254 Dann allerdings verfüge der Souverän über eine nahezu unumschränkte Verfügungsgewalt, die sowohl den Körper der Untertanen als auch ihre Seelen betreffen könne.255 Auf dieser Grundlage entwickelte St. German eine anwachsende radikale Sicht auf das Verhältnis von sacerdotium zu regnum. In der Schrift Power of the Clergy betonte er auf der Folie des Alten Testaments, dass Könige und Herrscher ihre Macht unmittelbar von Gott erhalten und Persönlichkeiten wie Salomon durchaus geistliche Sachverhalte geregelt hätten. Aus diesem Grund beanspruche die Krone in ihrer Auseinandersetzung mit dem Klerus keine neuen, sondern erkläre vielmehr ihre ursprünglichen Rechte aufs Neue. Über den Rekurs auf die Bibel als entscheidender Instanz entwickelte er eine Argumentationsfigur, die jeweils von dem Gegenüber verlangte, die eingeforderten Rechte und Privilegien entweder durch einen Gesetzesakt oder durch die Heilige Schrift zu belegen. Auf diese Weise integrierte er nicht nur wesentliche Ideen englischer Reformer in seine Ausführungen, sondern konnte in der Folge auch eine ganze Reihe von Beispielen abhandeln, deren vermeintlich göttliche Herkunft dekonstruiert wurde. Als ein Exempel aus seinem umfangreichen Oeuvre mögen hier die Auseinandersetzungen um die mortuary fees (Todfallabgaben) die253 St. German erklärte, dass die Bibel Basis und letztliche Determinante aller rechtmäßigen Gesetze und auch seiner eigenen Aussagen sein müsse, weil sie alle Menschen binde und zur Erlösung unentbehrlich sei. Siehe Christopher ST. GERMAN, A dialogue betwixte two englyshe men, wherof one was called Salem, and the other Bizance, in: The Complete Works of St. Thomas More, Bd. 10: The Debellation of Salem and Bizance, hrsg. und ed. von John Guy / Ralph Keen / Clarence H. Miller & Ruth McGugan, New Haven/London 1987, S. 323-392, hier S. 381 sowie Doctor and Student, S. 300. 254 Zur Diskussion verschiedener Herrschaftsmodelle der Zeit und ihrer Quellen siehe John GUY, Monarchy and counsel: models of the state, in: Patrick Collinson (Hg.), The Sixteenth Century 1485-1603, Oxford 2002, S. 113-142; Helmut G. KOENIGSBERGER, Dominium Regale or Dominium Politicum et Regale. Monarchies and Parliaments in Early Modern Europe, in: Ders., Politicians and Virtuosi. Essays in Early Modern History, London u.a. 1986, S. 1-25. Bereits Franklin Le Van BAUMER, The Early Tudor Theory of Kingship, New Haven u.a. 1940, S. 59-61 stellte heraus, dass St. German die königliche Suprematie in ihrer Ausprägung als King-in-Parliament favorisierte und nicht den König allein. Siehe S. 60, Anm. 77. 255 Vgl. ST. GERMAN, Newe addicions, fol. 14v: „[T]he kynge in his parlyament / as the hyghe soueraygne ouer the people, whiche hath nat onely charge on the bodyes but also on the soules of his subiectes […]“.

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nen, die zuweilen erhebliche emotionale Aufwallungen unter der Bevölkerung verursachten und immer wieder Gegenstand erbitterter Konflikte zwischen Klerus und Laien waren. Das unliebsame Thema der mortuary fees beschäftigte St. German in mehreren Werken, wobei nicht zuletzt die Verhandlungen im Reformation Parliament zu diesem Feld seine Auslassungen beeinflusst haben dürften.256 Explizit ging er auf das 1529 erlassene Gesetz zur Regelung der Todfallabgaben ein257 und kritisierte im gleichen Zuge die fehlende Umsetzung in vielen Gemeinden.258 Wie in den New Additions klar wird, sah St. German nicht nur die anfallenden Gebühren für Begräbnisse im Zuständigkeitsbereich des Parlaments, sondern argumentierte, dass sämtliche damit einhergehenden materiellen Aspekte unter dessen Ägide fielen. 259 All diese Dinge gehörten nicht unmittelbar zum sakralen Vollzug des Begräbnisrituals, sondern seien zutiefst weltliche Zusätze, die in diesem Sinne unter die weltliche Rechtsgewalt eingeordnet werden müssten.260 Dass hier eine Korrektur der kirchlichen Praktiken notwendig sei, illustrierte St. German am unmoralischen und teilweise illegalen Verhalten vieler Kleriker. So würden im Todesfall nicht nur jene zur Zahlung aufgefordert werden, die über Besitz verfügten, sondern auch Geld von jenen verlangt, die dem Gesetz nach keine eigenen Güter besaßen, was gegen das englische Recht verstoße. Besonders makaber mutet zudem seine Beschreibung an, wonach einige Geistliche armen Menschen, die einer Krankheit zu erliegen drohten, die Veräußerung ihrer verbliebenen Güter untersagten. Andere Priester würden demgegenüber nicht auf die genauere Beschaffenheit der Güter achten und mehr oder weniger alles nehmen, was sich anbiete: „And somtyme the curates wolde prohybyte pore men to sell theyr goodes in tyme of theyr sicknes, if they were suche goodes as were lyke to be theyr mortuaries: for they wolde say it was done in defraude of the churche. And yf the quyck goodes were better than the deed goodes, they wolde in some places take the quycke: And yf the deade goodes were better than 261 the quycke, they wolde take the dead.“

256 Vgl. zur Behandlung der mortuary fees im Reformation Parliament: Grievances of the House of Commons against the clergy of England, in: WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 739f, hier Punkt 2; HALL, Chronicle, S. 765; LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 82; das Problem wird nochmals in der Supplikation des House of Commons von 1532 angesprochen. Siehe The Supplication of the commons against the ordinaries, 1532, in: English Historical Documents, Bd. 5, Nr. 94, S. 732-736, hier S. 734f, Punkt 6. 257 Vgl. STATUTES OF THE REALM III, 21° Hen. VIII., c. 6, S. 288f. 258 ST. GERMAN, Diuision, S. 193-195, hier S. 193f: „[M]any curates nat regardynge the kynges statute in that behalfe, perswade theyr parysshens, whan they be sycke, to beleue that they can nat be saued, but they restore them as moche as the olde mortuarie wolde haue amounted to.“ 259 ST. GERMAN, Newe addicions, fol. 2v. Es werden genannt: Wachskerzen, Fackeln, Gewänder, die Wagen, in denen der Leichnam transportiert wird mitsamt den Pferden oder auch ein Waffenrock, sofern vorhanden. 260 ST. GERMAN, Newe addicions, fol. 3r-5v. 261 ST. GERMAN, Diuision, S. 194.

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Die problematische Einstellung vieler Kleriker war auch Grundlage für eine weitere Kritik, die nun vor allem die inneren Verhältnisse des geistlichen Standes betraf: So wurde konstatiert, dass die innere Reformfähigkeit der Institution Kirche versagt habe, weil schlechte und böswillige Kleriker sich gegenseitig schützen würden und die wenigen ‚guten Geistlichen‘ nicht gegen diese ankommen könnten. Werde hingegen eine notwendige Kritik von außen an das geistliche Corps herangetragen, so reagiere man in der Regel mit ausufernder Härte, die sich oftmals im Vorwurf der Häresie verdichte.262 Genau dies geschah im Zuge der Supplikation, die das Unterhaus 1532 angesichts eines Konglomerats an geistlichen Verfehlungen verfasst hatte.263 Als Reaktion darauf unterstellte der in der Konvokation versammelte Klerus den Commons häretische Umtriebe und Anschauungen, um dadurch die Beschwerden abkanzeln zu können.264 Dieser Vorgang bildete den Anlass für die Darstellung der inneren Verdorbenheit eines Großteils des klerikalen Standes, über die schließlich dessen autonome Gerichtsbarkeit desavouiert werden sollte. Der Text Enormytees usyd by the Clergy stellt eine Replik auf die Anschuldigungen der Konvokation von Canterbury dar und soll die Zuständigkeit weltlicher Gerichtsbarkeit auch und gerade für den geistlichen Bereich rechtfertigen.265 Darin werden die Kleriker in der Folge als „blinde Führer“ charakterisiert, die nach außen den Anschein gerechter Männer erwecken wollten, „but inwardly they be full of Ipocryse and of inyquyte“. 266 Dies zeige sich nicht nur an einem luxuriösen und überaus dekadenten Lebensstil, sondern mehr noch darin, dass Angehörige der Kirche zum Teil schwere Strafttaten begingen, für die sie jedoch in den seltensten Fällen eine gerechte Strafe erhielten. Einer weltlichen Verurteilung 262 Auch diese Verhaltensweise war Gegenstand der Kritik im Rahmen der Supplikation des House of Commons. Zum einen beklagte das Unterhaus die Pluralität der Rechte, die sich aus einem Nebeneinander von weltlich-königlichem und geistlich-kanonischem Recht gerade im Hinblick auf die temporalia ergebe. Befolge man gegen die geistlichen Anordnungen das königliche Recht, drohten hier die Exkommunikation und eine Anklage als Häretiker. Siehe Supplication S. 733. Zum anderen wird ganz generell der allzu leichtfertige Umgang mit dem Instrument der Exkommunikation für Nichtigkeiten angeprangert. Ibid., S. 734. 263 Vgl. Supplication, S. 732-736; zum Kontext Geoffrey ELTON, The Commons’ Supplication of 1532: Parliamentary Manoeuvres in the Reign of Henry VIII, in: EHR 66 (1951), S. 507-534; KELLY, Submission. 264 Siehe Answer of the ordinaries to the supplication of the Commons, in: WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 750-752. 265 Vgl. Enormytees vsyd by the Clergy, London 1532 (STC2 10421.5/Cambridge University Library), bes. die einleitenden Bemerkungen fol. Aiv-Aivv. Als Autor vermutet etwa Richard Rex Jasper Fyloll, einen juristisch gebildeten Abgeordneten des Reformation Parliament, der wohl zum weiteren Klientenkreis von Thomas Cromwell gezählt werden muss. Siehe Richard REX, Jasper Fyloll and the Enormities of the Clergy: Two Tracts Written during the Reformation Parliament, in: SCJ 31 (2000), S. 1043-1062. Rex ordnet dieser Schrift eine zweite zu, die im Short Title Catalogue auf 1537 datiert worden ist. Siehe Jasper FYLOLL, Agaynst the possessyons of the clergye, London 1533[?], (STC2 11489/Bodleian Library). 266 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Avr.

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entzogen, kämen auf diese Weise Mörder und Diebe mit einer Beichte und Buße davon, da sie von ihresgleichen gerichtet würden.267 Ein weiteres Beispiel bezog sich auf die häufig anzutreffenden Praktiken der Simonie, die nun vor allem die eigentlichen Geistlichen beträfen. Dies wird am Beispiel Judas, der durch seine Tat Gott verraten und verkauft habe, als Hochverrat eines Ungläubigen und Häretikers dargestellt.268 Durch solche Taten setzten sich die Geistlichen in einen Gegensatz zu Gott, woraus der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Christen resultieren müsse.269 Allerdings erfolge daraus realiter für gewöhnlich weder der Verlust von unrechtmäßig erworbenen Pfründen noch deren freiwillige Restitution, wenn Vorwürfe konkretisiert werden konnten.270 Zum Generalverdacht weitete sich der Text aus, indem auch die unbescholtenen Geistlichen in die Anklage miteinbezogen wurden, da sie durch die Tolerierung der geschilderten Praktiken ebenfalls schuldig geworden seien.271 Die aufgezeigten Verfehlungen und Missstände führten dazu, dass verstärkt an weltliche Instanzen appelliert wurde. Ganz im Sinne der zeitgenössischen Diskussionen wurde derart erkärt, dass der englische König sowohl die Befugnis als auch die Pflicht habe, hier korrigierend einzugreifen.272 Als „goddys mynystre“ verfüge er nicht nur über die Autorität zur Intervention, sondern die Bedrückungen seiner Untertanen durch einen missratenen Stand verlangten gar den Eingriff in die geistliche Sphäre, die offenkundig nicht über einen eigenen Willen zur Reform verfüge. 273 Ein Widerstand gegen Reformversuche, die vom König und anderen weltlichen Instanzen wie dem Parlament ausgingen, sei demgemäß gleichbedeutend mit der Opposition gegen Gottes Gebote. In diesem Sinne geriet das Handeln des Unterhauses zu einem ehrenvollen Dienst an König und Gott, währenddessen das Verhalten der Konvokation in Misskredit gebracht wurde.274 Immer stärker erschien der Klerus nun als Gefahr für das Gemeinwesen, weil er die gute Ordnung subvertieren und dabei gegen die Gebote Gottes verstoßen würde.275

267 Enormytees vsyd by the Clergy, fols. Avv, Aviir-v. Die Anschuldigungen beziehen sich in diesem Fall v.a. auf die Kirchendiener, die als Laien doch der geistlichen Gerichtsbarkeit unterstehen sollten. 268 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Biiiv; die Verurteilung als Simoniten auch in FYv r LOLL, Possessyons, fol. Avii -Aviii . 269 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Cir: „For the clergye in theyr cruell persecucyon of the kynges laye subiectes do all contrarye to Chrystes doynges and to his comaundementes and also contrary to [the] holy canon.“ 270 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Bvv; Kritik der Simonie bereits bei Colet in: Sermo[n] of doctor Colete, fol. Bviir. 271 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Biiv. 272 Siehe FYLOLL, Possessyons, fol. Air: „And also that the reformacion and correccyon of all enormytees in the clergy belongeth to pryncys and here in Englande vnto the kynges grace our moste drad souerayne lorde.“ 273 Vgl. FYLOLL, Possessyons, fol. Bvir-Bviir. 274 Enormytees vsyd by the Clergy, fol. Bviir-Bviiir; FYLOLL, Possessyons, Bviir. 275 Die gute Ordnung wird etwa durch die Herrschaftstätigkeit des Klerus pervertiert, die dem Vorbild Christi diametral entgegenstehe. Vgl. FYLOLL, Possessyons, fol. Biiiv-Bivr.

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Diese Beurteilung des geistlichen Standes nahm Christopher St. German schließlich als Grundlage, um das seit dem Mittelalter ausgeprägte Verhältnis zwischen regnum und sacerdotium umzukehren.276 Während traditionell die Auffassung vertreten wurde, dass der Herrscher erst durch die Vermittlung des unmittelbar von Gott eingesetzten Priestertums seine hervorgehobene Stellung einnehme, invertierte St. German dies nun: „And it is not to suppose, that spiritual rulers wyl pretende, that suche auctoritie, as they haue of the graunte of princis, is immediately diriued of god. For they come to them by a meane, that 277 is to sey, by the meane of princes.“

Sehr deutlich artikulierte St. German seine Ansicht, dass Könige ihre Macht unmittelbar von Gott erhielten, zudem in seiner Schrift Power of the Clergye. Hier hieß es gleich zu Beginn des ersten Kapitels: „Auctorities to proue that ki[n]ges and princes haue theyr auctoritye imediatly of god. And that honour and obedience ought to be gyuen to them.“278 Von dieser unmittelbaren Autorität leitete St. German in der Folge das Recht säkularer Instanzen zur Anklage und Verurteilung des Klerus ab. 279 Entscheidend war nun, dass sich seine Begründung im Verhältnis zu früheren Schriften erweiterte. Hatte der Autor zuvor lediglich auf einen Nachweis der klerikalen Immunität bestanden, so bestritt er jetzt vor dem Hintergrund eines sich neu formierenden diskursiven Horizontes jene exklusive Assoziation, wonach einzig der geistliche Stand zu den Gesalbten Gottes gehören könne. Vielmehr müssten der König sowie prinzipiell alle Christen hinzugezählt werden, wodurch die Begründung der exemten Stellung des Klerus wegfiele.280 Diese umfassende Definition der Kirche erwies sich jedoch in konkreten Situationen als wenig praktikabel.281 Aus diesem Grund band St. German die tatsächlichen Vorgänge an die jeweiligen Traditionen und Gebräuche zurück und reduzierte so die Anzahl der möglichen Sachwalter auf einige, wenige Auserwählte. Insbesondere betonte der Verfasser in diesem Zusammenhang die Rolle des Königs und die von ihm ausgehende rechtliche Gewalt: „It is to be vnderstande therby / that it shall be shewed vnto the[m] that by the lawe [and] custom[m]e there vsed haue auctorite to correct that offe[n]ce And therfore he that in this realme wyll gyue charytable monycyon to his neyghbour that offendeth in suche a thynge as the kynge 276 277 278 279

Siehe dazu den Überblick bei STRUVE, Regnum und Sacerdotium, S. 213-227. ST. GERMAN, Salem and Bizance, S. 375. ST. GERMAN, Power of the Clergye, fol. Aiir. Dieser Frage ist er bereits in der Diuision nachgegangen und fand kein göttliches Gebot, das eine gesonderte Behandlung des Klerus rechtfertigen könnte. Siehe ST. GERMAN, Diuision, S. 199: „[I]f it could be sufficiently proued, that it is ayenste the law of god, to put pristes to answer before lay men […] I suppose verily that than […] the kynges grace, & all his realme, wolde with good wyll conforme them self to it, but that was neuer sufficiently proued, as farre as I haue herde.“ 280 ST. GERMAN, Power of the Clergye, fol. Cir-v. 281 Dieses Verständnis von Kirche stammt vermutlich von Marsilius von Padua. Siehe zu dessen Ideen BLACK, Political Thought, S. 58-71.

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by his lawes [and] custome of his realme may lawfully punysshe / and he wyll nat yet amende. Wherfore he sheweth it to the kynge or to his iuges / or to his iustyces of peace i[n] the co[n]trey / or other officers that after the lawe [and] custome of the realme may reforme it. He 282 hathe therin right well fulfilled the gospell.“

In zugespitzter Form kulminierten die Arbeiten Christopher St. Germans zum Ausmaß der geistlichen Macht im sozialen Raum in der Schrift An answer to a letter283. Sozusagen als Quintessenz seines Denkens präsentierte sich hier der König als letzte entscheidende Instanz in strittigen Fragen der Bibelauslegung. Teilweise begründete St. German diese Stellung mit den Zweifeln vieler Laien an der Integrität des Klerus, der durch sein weltliches Leben Gottes Missfallen erregt habe.284 Darüber hinaus gestand er den Herrschern eine göttlich verordnete Aufsichtsfunktion zu, die es ihnen analog zum Hausvater erlaube, auch den geistlichen Stand zurechtzuweisen, wenn dieser gegen die Gebote Gottes verstoßen habe: „I thynke that if anye doute ryse vpon any text of scrypture / be it playne or nat playne concernyng the faith or morall lyui[n]g of the people or nat: orels the honour / lyberty/ & ryches of the clergye / or any other thyng whatsoeuer it be. if there fall any verya[n]ce or vnquyetnesse thervpon amo[n]ge the people: as if one doctoure or many / & some of the lay people be of one opinyon therin: & other of a nother opinyon / & thervpon dyuersyties of opinyons & vnquyetnesse amonge the people doo ryse / that in all these cases / kynges and princes shalbe iudges / 285 & haue power to pacyfye all suche vnquyetnesse.“

In diesem Sinne kam dem Herrscher eine Aufsichtsfunktion über sein gesamtes Reich zu, die auch vor den Schranken einer geistlichen Sphäre nicht einhalten durfte. Im Gegenteil gehöre es zur Aufgabe des Fürsten, sich um das Wohl seiner Untertanen zu kümmern – auch und gerade wenn es die Sorge um das Seelenheil betreffe. So konnte der Autor dieses Reservatrecht des Klerus in der Folge den Königen und Herrschern zuschreiben, die als Vikare Gottes selbstverständlich die Autorität besäßen, in den geistlichen Bereich einzugreifen.286 Zusammenfassend kann demnach gesagt werden, dass St. German und andere das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre neu zu bestimmen versuchten und dabei die entscheidenden Handlungskompetenzen eindeutig auf Seiten der weltlichen Macht verorteten. Als Jurist interpretierte vor allem St. German dies aus einer rechtlichen Perspektive, da Gott den weltlichen Instanzen die Mittel zur Rechtset282 ST. GERMAN, Power of the Clergye, fol. Divr-v. 283 Christopher ST. GERMAN, An answere to a letter, London 1535[?] (STC2 21558.5/British Library). 284 ST. GERMAN, An answere, fol. Giir. 285 ST. GERMAN, An answere, fol. Giiv-Giiir. 286 Vgl. dazu ST. GERMAN, An answere, fol. Giiir: „And if it be sayd that by those wordes / Iuge the worlde / that kinges and princes must iuge onely vpon temporall thynges: as vpon the bodyes / landes [and] goodes. And nat vpon any thing that apperteineth to the soule: trewly that is a right great erroure / for it wolde bringe the people in belefe / that the successours of the apostles [and] discyples of Christ haue only cure of soules [and] nat kynges [and] princes. And that is nat so“.

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zung und Bestrafung zugesprochen habe, wodurch in seiner Darstellung vor allem jene Institutionen besonders betont wurden, die zur Setzung und Auslegung des common law beitrugen.287 Die entsprechende Würdigung des common law stellte zwar einerseits den Versuch dar, die Interessen der common lawyer im zeitgenössischen Diskursgeschehen sichtbar zu machen; andererseits trugen seine Ausführungen aber auch dazu bei, die Ausformung der Mosaischen Unterscheidung zu fördern, indem neben dem politischen Einfluss des Klerus, der religiösen Funktion und wirtschaftlichen Situation nun ebenfalls dessen soziale Stellung kritisiert und zum Gegenstand aktueller Aushandlungsprozesse gemacht wurde. Die diversen Beiträge St. Germans bildeten gewissermaßen ein Komplementär zu den Schriften von Barlow, Fish, Tyndale, Roy oder Frith, indem auch er dem König eine erwählte Stellung zuschrieb und daraus alle notwendigen Befugnisse zum Eingriff und zur Reform der geistlichen Sphäre ableitete. Darüber hinaus forderte auch St. German den König analog zu den Reformern explizit dazu auf, diese Vollmachten zum aktiven Handeln einzusetzen. 3.2.5 Das ‚hohe Alter‘ antiklerikaler Kritik – Die Vereinnahmung des lollardischen Erbes In einem Abschnitt seiner Schrift Practice of Prelates hatte William Tyndale beklagt, dass über viele tatsächliche, historische Begebenheiten kaum etwas bekannt sei. Die Gründe dafür sah er in der Deutungsmacht der Kirche über die erinnerte Geschichte, da es vor allem Angehörige des geistlichen Standes gewesen seien, die Chroniken und historische Werke verfassen würden und diese daher nach ihren eigenen Wünschen gestalten könnten.288 Dieser Befund erhielt zusätzlich Bedeutung, nachdem vermehrt Vorwürfe seitens der Papstkirche aufkamen, es handele sich bei den evangelischen Reformvorschlägen um neuartige Häresien.289 Gerade der Hinweis auf etwas genuin Neues implizierte dabei zeitgenössisch eine Form der Abwertung, da Neuerungen in der Regel eine Entfernung vom ursprünglichen Idealzustand anzeigten. Demzufolge war es vor dem traditionsverhafteten Hintergrund des 16. Jahrhunderts enorm wichtig, um Kritik und Veränderungsvorschläge legitim und akzeptabel zu gestalten, diese in eine Form zu kleiden, die hohes Alter und damit eine größere Nähe zum Ursprünglichen suggerierte. 290 287 Das zentrale Problem der Kompetenzverteilung im Falle eines Konflikts zwischen Krone und Parlament über die Verfügungsgewalt im geistlichen Bereich blieb jedoch ungelöst. Siehe dazu bereits BAUMER, Kingship, S. 56-62. 288 Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 268; vgl. zur langen Deutungsmacht der europäischen „Klerisei“ allgemein auch Peter BURKE, Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001, hier Neudruck Berlin 2014, S. 25-36. 289 Zum Vorwurf des Neuen siehe grundlegend Richard REX, The New Learning, in: JEH 44 (1993), S. 26-44. 290 Zum Problem von Alt und Neu: Daniel R. WOOLF, The Social Circulation of the Past. English Historical Culture 1500-1730, Oxford 2003, hier Neuauflage Oxford 2005, S. 4470; Keith THOMAS, Age and Authority in Early Modern England, in: Proceedings of the British Academy 62 (1976), S. 1-46; Wolf-Friedrich SCHÄUFELE, Zur Begrifflichkeit von „alt“ und „neu“ in der Frühen Neuzeit, in: Kampmann et al. (Hgg.), Neue Modelle, S. 1836; Volker REINHARDT, Vergangenheit als Wahrheitsnachweis. Rom und die Geschichte

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Für die englischen Zusammenhänge der frühen 1530er Jahre stellten vor allem die Lollarden ein wesentliches Element dar, um die Anciennität der eigenen Kritik zu belegen und historisch zu fundieren. Mit dem Begriff der Lollarden werden in der Forschung gemeinhin die Anhänger von John Wyclif, eines Oxforder Theologen, bezeichnet, der im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts durch seine Kritik an zentralen Glaubensinhalten, der Kirchenhierarchie sowie an den geistlichen Orden aufgefallen und beispielsweise für eine volkssprachige Bibelübersetzung eingetreten war. 291 Es ist nach wie vor umstritten, inwieweit hinsichtlich der Lollarden von einer homogenen Bewegung oder ‚Gruppe‘ ausgegangen werden darf, die sich einer übergreifenden Doktrin verpflichtet fühlte.292 Demgegenüber muss die Interpretation einer älteren Forschung, die in den Lollarden bzw. deren Gedankengut einen Wegbereiter der Reformation in England sehen wollte, aufgrund der Ergebnisse revisionistischer Arbeiten eher kritisch gesehen werden.293 im konfessionellen Zeitalter, in: Ludger Grenzmann / Klaus Grubmüller / Fidel Rädle / Martin Staehelin (Hgg.), Die Präsenz der Antike im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit [Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, PhilologischHistorische Klasse, 3. Folge, Bd. 263] Göttingen 2004, S. 143-160; Hans-Joachim SCHMIDT, Einleitung: Ist das Neue das Bessere? Überlegungen zu Denkfiguren und Denkblockaden im Mittelalter, in: Ders. (Hg.), Tradition, Innovation, Invention. Fortschrittsverweigerung und Fortschrittsbewusstsein, Berlin 2005, S. 7-24; Ralf-Peter FUCHS, Erinnerungsgeschichten: Zur Bedeutung der Vergangenheit für den „gemeinen Mann“ der Frühen Neuzeit, in: Ders. / Winfried Schulze (Hg.), Wahrheit, Wissen, Erinnerung. Zeugenverhörprotokolle als Quellen für soziale Wissensbestände, Münster 2002, S. 89-154. 291 Zur Einführung siehe Christina VON NOLCKEN, Art. „Wyclif, John“, in: TRE 36 (2004), S. 415-425; Anne HUDSON / Anthony KENNY, Art. „Wyclif, John“, in: ODNB, onlineAusgabe, Oxford 2010, URL: [14.04. 2017]; Anne HUDSON, The premature Reformation. Wycliffite texts and Lollard history, Oxford 1988; Stephen E. LAHEY, John Wyclif, Oxford 2009; Bernd OBERDORFER, John Wyclif (um 1330-1384), in: Friedrich Wilhelm Graf (Hg.), Klassiker der Theologie, Bd. 1, München 2005, S. 224-240. 292 Der Begriff dient deshalb lediglich behelfsmäßig zur Beschreibung und soll keine weiterführenden Aussagen über Art und Zusammenhalt der Lollarden treffen. Siehe dazu auch Margaret ASTON, Were the Lollards a sect?, in: Peter Biller / Richard B. Dobson (Hgg.), The medieval church: Universities, heresy, and the religious life. Essays in honour of Gordon Leff, Woodbridge 1999, S. 163-191; Richard Davies sieht im Begriff ‚Lollardismus‘ eher kleinräumige Gruppierungen, die häufig durch Verwandtschaftsverhältnisse gekennzeichnet und nur lose, wenn überhaupt, durch eine überformende Doktrin verbunden waren. „If Wyclifism was what you knew, Lollardy was whom you knew“. Richard G. DAVIES, Lollardy and Locality, in: TRHS 6th Ser., 1 (1991), S. 191-212, hier S. 212; Richard Rex sieht die Lollarden eher entlang familiärer Verbindungen organisiert und bevorzugt den Begriff des „Netzwerks“ gegenüber jenem der „Sekte“. Siehe Richard REX, The Lollards, Basingstoke 2002, S. 81. 293 Zur älteren Einschätzung der Lollarden inter alia Arthur G. DICKENS, Lollards and Protestants in the Diocese of York, Oxford 1959; DERS., The Early Expansion of Protestantism in England 1520-1558, in: ARG 78 (1987), S. 187-222; J. F. DAVIS, Lollardy and the Re-

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Eine aktive lollardische Anteilnahme an den Prozessen, die zur englischen Reformation führten, ist vor diesem Hintergrund eher als marginal einzuschätzen. Allerdings spielte das Phänomen insofern eine wichtige Rolle, als dass diverse Kritiken und Texte aus dem Umfeld der Lollarden im Kontext der 1530er Jahre herangezogen wurden, um die Ablehnung der Papstkirche und viele ihrer Praktiken gewissermaßen zu historisieren und damit zu fundieren. Es geht im Folgenden also nicht um ein aktives Engagement der Gruppe, sondern um die Frage, wie das lollardische Erbe retrospektiv konstruiert und in den Diskussionen der 1530er Jahre fruchtbar gemacht wurde, um den gegenwärtigen Interessen und Zielen der Reformer zu dienen. Für die Phase von 1530 bis ca. 1536 liegen bislang sechs zeitgenössisch publizierte Texte vor, die ihrem Inhalt sowie immanenten Ansprüchen folgend einer lollardischen Position zugerechnet werden können.294 Ihre Publikation in der politisch und gesellschaftlich hochbrisanten Phase der frühen 1530er Jahre deutet darauf hin, dass die evangelischen Autoren und Publizisten die Notwendigkeit erkannt hatten, ihre Kritik an Kirche und Klerus historisch zu untermauern. Um dem Vorwurf des Neuen und Schlechten zu begegnen und vor dem traditionsverhafteten Hintergrund des 16. Jahrhunderts ihre Kritik sowie ihre Veränderungsvorschläge als legitim und akzeptabel zu gestalten, konnte das postulierte hohe Alter der gedruckten Lollardentexte als Argument angeführt werden.295

formation in England, in: ARG 73 (1982), S. 217-237; zur revisionistischen Perspektive u.a. Robert N. SWANSON, Church and Society in Late Medieval England, Oxford 1989; REX, Lollards, S. 115-119; HAIGH, Recent Historiography; John SCARISBRICK, The Reformation and the English People, Oxford 1984, S. 40-60; Margaret ASTON, Lollardy and the Reformation: Survival or Revival?, in: History 49 (1964), S. 149-170. Zur weitgehenden Akzeptanz des revisionistischen Ansatzes siehe etwa MARSHALL, Reformation, Lollardy, and Catholicism, S. 18, der konstatierte: „Historians now almost universally reject the once-prevalent idea that late medieval religion was ‚corrupt‘, unpopular or oppressive; the ‚revisionism‘ of the 1970s and 1980s has become the established orthodoxy.“; ähnlich COLLINSON, English Reformation, S. 343f; INGRAM, Reformation, S. 136-138; HAIGH, Premature Birth, S. 449-453. 294 Vgl. ANON., A compendious olde treatyse, shewynge howe that we oughte to haue ye scripture in Englysshe, Antwerpen 1530 (STC2 3021/Henry E. Huntington Library); The examinacion of Master William Thorpe […] [mit] The examinacion of […] syr Jhon Oldcastell […], Antwerpen 1530 (STC2 24045/British Library); Here begynnethe the Lanterne of Lyght, London 1535[?] (STC2 15225/British Library); Jack vp Lande, London 1536[?] (STC2 5098/Henry E. Huntington Library); The prayer and complaynte of the ploweman vnto Christe, Antwerpen 1531[?] (STC2 20036/Henry E. Huntington Library) und London 1532 (STC2 20036.5/Bodleian Library); The ploughman’s tale, London 1536[?] (STC2 5099.5/Henry E. Huntington Library). Für die beiden letztgenannten Texte existiert allerdings keine mittelalterliche Vorlage mehr. Siehe dazu Anne HUDSON, ‚No Newe Thyng‘: The Printing of Medieval Texts in the Early Reformation Period, in: Dies., Lollards and their Books, London u.a. 1985, S. 227-248, hier S. 230f. 295 Wie allerdings angemerkt werden muss, handelte es sich bei den in Druck gegebenen Texten um eine Auswahl, die nicht als repräsentativ für ein lollardisches Gedankengut an sich gelten darf. Demgegenüber steht zu vermuten, dass lediglich solche Texte reprodu-

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Über diesen Vergangenheitsnachweis hinaus konnten die Texte indes noch mehr leisten, indem sie eine alternative Version von Geschichte anboten, die im Hinblick auf die historische Rolle von Kirche und Klerus eine Inversion der bis dato dominierenden historischen Narrative darstellte. Diese Forderung war ein zunehmend als wichtig erachtetes Element in den reformatorischen Aktivitäten. Neben William Tyndale sollte vor allem John Bale dafür eintreten, eine von der Kirche unabhängige und unbeeinflusste Geschichtserzählung zu etablieren, um die bisherige, einseitige Darstellung der Vergangenheit in wesentlichen Teilen zu korrigieren. In seinem „brefe Chronycle“ wies der diesem Unterfangen eine zentrale Bedeutung zu: „I wolde wyshe some lerned Englyshe man[n]e (as there are now most excellent fresh wyttes) to set forth the Englyshe chronicles in theyr ryght shape / as certen other landes hath done afore them / all affeccyo[n]s set a part. I can not thynke a more necessarye thynge to be laboured to the honour of God / bewtye of the realme / erudicyon of the people / and commodite of other 296 landes / next the sacred scripturs of the Byble / than that worke wolde be.“

Die Drucklegung lollardischer Schriften, die vormals lediglich als Manuskripte zirkulierten, war ein wichtiger Bestandteil dieser Form der Vergangenheitspolitik. Sie diente nicht nur der Historisierung gegenwärtiger Kritik, sondern wies die reformatorischen Klagen und Forderungen auch als alt und genuin englisch aus. Gerade im Zuge der Scheidungsaffäre konnte dies dazu beitragen, die Kluft zu einer als fremd stigmatisierten Papstkirche zu vertiefen und darüber die Etablierung der Mosaischen Unterscheidung zu fördern. Eine erste Vorstellung, wie die konkreten Konstruktionsprozesse ausgesehen haben, gibt die Schrift A proper dyalogue, in die nicht nur ein Text integriert war, der beanspruchte, Aussagen aus der Zeit Richards II. (König von 1377 bis 1399) wiederzugeben, sondern es wurde auch ein zweiter Text mit ähnlich gelagerter Intention angehängt. Diese Schrift mit dem Titel „A compendious olde treatyse“ existiert ferner als Einzeldruck und behandelt die zentrale Frage einer englischen Bibelübersetzung.297 Auf wenigen Seiten vereinten sich hier viele der wichtigen Themen, die in der Phase zwischen 1530 und 1536 eine Rolle spielten: Eine englischsprachige Bibel wird als geeignetes Mittel zur Förderung des Gemeinwohles dargestellt, da Gott es so ziert wurden, die sich mit den teilweise radikalen Ansichten der Reformer in den 1530er Jahren weitgehend deckten. Dazu etwa HUDSON, ‚No Newe Thyng‘. 296 John BALE, A brefe chronycle concernynge the examinacyon and death of the blessed martyr of Christ syr Iohan Oldecastell the lorde Cobham, Antwerpen 1544 (STC2 1276/British Library), fol. 5v; cf. ASTON, Lollardy and the Reformation, S. 165. 297 Die Behauptung, es handle sich um ein sehr altes Schriftstück, wird gleich auf der Titelseite geäußert. Siehe A compendious olde treatyse, Titelblatt: „Though I am olde / clothed in barbarors wede“; eine ähnliche Konstruktion von Alter zeigt sich bei der Schrift The prayer and complaint of the Ploweman, Titelblatt, wo es heißt: „writte[n] nat longe after the yere of our Lorde M. & thre hu[n]dred“. Hinweise auf das hohe Alter finden sich auch in anderen Texten wie bspw. in der Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Hiiir, wo es heißt: „Be it knowen to all men that in [the] yeare of oure Lorde a thousand foure hundred and thirtene / in [the] first yeare of the reigne of kynge Henry the fifte. The kynge gaue to the bisshop of Canterbury leaue to correcte the lorde Cabham.“

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wollte, die Amtsträger auf diese Weise ihr Amt besser ausüben könnten, die Menschen ein besseres Verständnis der Gebote Gottes entwickeln würden und derart das Land aus seinem „barbarischen Stande“ ausbrechen und mehr Sicherheit und Ordnung bestehen würde. Als biblisches Vorbild diente auch in diesem Falle Moses, der die Gesetze Gottes in seiner Muttersprache erhalten und diese seinem Volk in eben jener vermittelt habe.298 Diese Konstruktion war eine erste entscheidende Setzung: Der Anspruch auf eine volkssprachige Bibel stellte demnach ein bereits von Gott zugestandenes und gegebenes Recht dar. Demzufolge mussten sich etwaige Blockadeversuche als verheerend gestalteten: „Than who art thou that forbyddest the people to have gods lawe in ther mother tounge? we saye [that] thou art Anticrist hymself.“ 299 Infolge dieser Verknüpfung avancierte der Einsatz für eine volkssprachige Bibel zum Kampf gegen den Antichristen. Jeder Herrscher erfülle dadurch seine gottgegebene Pflicht, analog zur Sorge des Hausvaters für das Wohl der Untertanen einzutreten. Aber nicht nur für die Bevölkerung sei eine englische Bibel von Nutzen, sondern auch für die Herrschenden selbst. Denn Bischöfe hätten den König lange Zeit falsch beraten und die lateinischen Texte zu ihren Gunsten ausgelegt. Eine Bibelübersetzung würde diese als Häretiker entlarven und dazu führen, dass der König und seine Magistrate ihre Ämter besser ausüben könnten.300 Auf diese Weise markierte die Schrift eine Grenze zwischen dem Klerus und der katholischen Kirche, die eine Übersetzung der Heiligen Schrift verhindern und bekämpfen würden, und dem Rest des englischen Gemeinwesens. Die Auswirkungen dieser Differenz wurden dabei als überaus schädlich beschrieben. So hieß es zum Beispiel in der Examinacion of Jhon Oldcastell sehr deutlich: „Wo be to you scribes & pharifies [sic!] ypocrites / for ye close vp [the] kingdome of heue[n] before me[n] / for sothe ye enter not your self / nor ye will nat suffer them [that] wold to enter 301 in / & thus ye be [the] disciples of Antichrist.“

Der Vorwurf, die alte Kirche würde durch ihr Handeln den Weg in den Himmel versperren, konnte in der Folge als Kritik sowohl auf den geistlichen wie auch auf den weltlichen Bereich angewandt werden. Denn zur Erlangung des göttlichen Heils wurde die Kenntnis des göttlichen Gesetzes ebenso vorausgesetzt wie zur Sicherung und Aufrechterhaltung einer guten Ordnung. Anders formuliert, bedrohte in dieser Darstellung das antichristliche Verhalten der alten Kirche und ihrer Teile in existenzieller Art und Weise das dies- und jenseitige Dasein des englischen Volkes. Aus diesem Grund erfolgte der Aufruf an den König, für ein „wahres Verständnis“ einzutreten, da nur so das Land aus seiner derzeitigen Lage herausfinden könne.302 Analog zu Forderungen der 1530er Jahre sprach sich die Examinacion dafür aus, dass König 298 A compendious olde treatyse, fol. Aiiv. „For whe[n] the lawe was geuyn to Moyses in the mounte of Synay / god gaue it to his people i[n] ther mother to[n]ge of Ebrue / that all the people shuld vnderstande it and commaunded Moyses to reade it to them vntyll they vnderstode it.“ 299 A compendious olde treatyse, fol. Aiiiv. 300 A compendious olde treatyse, fol. Avir. 301 Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Iiir. 302 A compendious olde treatyse, fol. Aviiv-Aviiir.

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und Adel in den geistlichen Bereich intervenieren und als Korrektiv tätig werden müssten, wenn der Klerus nicht imstande sei, seine Aufgaben gemäß den göttlichen Vorgaben auszuüben: „Also the seconde parte sholde defende the comon people fro tyrauntes oppressours and extorcioners / and maynteyn [the] clergy doyng dewly their office / in preachinge / teaching / prayng / and frely ministring the sacramentes of holy chirch. And if this clergie be negligent in doing this office / this seconde parte of the chirche ought by their office that they haue taken of god to constreyne the clergie in dew wyse to do their office in the forme that god hathe ordened it to 303 be done.“

Als Maßstab eines gottgefälligen Lebens und einer rechtmäßigen Amtsausübung benannte das Werk zu Oldcastle die Heilige Schrift. Jeder Kirchenangehörige, der etwa mehr Gehorsam verlange, als es von Christus vorgelebt wurde, setze sich selbst über diesen und sei deshalb ein Antichrist.304 Zudem müssten alle Ansprüche, Forderungen etc., die von Menschen bezüglich des rechten Glaubens artikuliert würden, im Einklang mit Gottes Gesetz stehen. Aus diesem Grund wurden in der Folge Erscheinungen wie die Verehrung von Bildern und Ikonen oder Pilgerfahrten nach Rom und Canterbury als Sünde kritisiert.305 Die gedruckten Lollardentexte reproduzierten auf ihre Art jene Mosaische Unterscheidung, die hier in einem Akt der Inversion die Geschichte der englischen Kirche und ihrer Würdenträger umwertete. Alle politischen Misserfolge und religiösen Verfolgungen wurden in der Folge den kirchlichen Beratern der englischen Könige zugeschrieben, wodurch die Monarchen selbst von jeglicher Schuld befreit werden sollten, die nunmehr einzig der Kirche angelastet wurde. 306 Nachteilig wirke sich diese Schuld vor allem für das Gemeinwesen aus, da der König und dessen Amtsträger ihre göttlich aufgetragenen Pflichten nicht adäquat erfüllen könnten. Vorwürfe einer Verfälschung des göttlichen Wortes dienten dazu, eine Separation von Kirche und Klerus zu Christus zu markieren, die ihren Kulminationspunkt mit der Konkretisierung des Antichristmotivs in der Kirche erfuhr. „Nowe by thauctoryte of god / & one accorde of holy saynctes shewyth an open conclusion sadly grou[n]ded in true beleue / that in the courte of Rome / is the heed of Antechryst / and in

303 304 305 306

Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Hivv. Siehe Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Hvr-v. Vgl. Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Hviv. Als besonderes Beispiel dient hier Heinrich V., dessen Rolle in einzelnen Fällen wie der Verurteilung und Hinrichtung von John Oldcastle und anderen Lollarden oder den Kriegen in Frankreich beschönigt bzw. umgedeutet werden musste. Eindrücklich geschehen in A proper dyalogue, fols. Biv-Biiv, Cvir; siehe dazu auch Annabel PATTERSON, Sir John Oldcastle as symbol of Reformation historiography, in: Donna B. Hamilton / Richard Strier (Hgg.), Religion, Literature, and Politics in Post-Reformation England, 1540-1688, Cambridge 1996, S. 6-26, hier S. 20-22.

142 | E NGLANDS E XODUS archebysshopes and bysshopes / is the body of Antechrist / but in these patched / and clouted 307 sectes as Monkes Chanons and Freers / is the venemous tayle of Antechriste“

Anhand von fünf schwerwiegenden Verfehlungen sollte in der Folge der Nachweis erbracht werden, dass es sich bei der Kirche in ihrer gegenwärtigen Form um eine zutiefst antichristliche Institution handele.308 Eine bedeutende Anklage in diesem Rahmen bezog sich auf die Äußerlichkeit und ‚Verweltlichung‘ des geistlichen Standes.309 Die Tatsache, dass Priester Ablässe für begangene Sünden verkaufen würden, wodurch jede Person gegen Geld die Seele reinigen könne, sei eine zu verfluchende Häresie in Form von Simonie.310 Denn der einzige Priester, der über die Macht verfüge, die Seele von ihren Sünden zu befreien, sei Christus.311 Ferner sei es verdammenswert, dass viele Geistliche ganz weltlichen Geschäften nachgingen, indem sie beispielsweise als Händler tätig wären.312 Eine weitere Verbindung von finanziellen Aspekten mit dem Fehlverhalten des Klerus wurde in Form der Heiligenverehrung angeführt. Die Ausstattung von Schreinen mit Gold und Silber sowie anderen Utensi-

307 The Lanterne of lyght, fol. ixr. In dieser Darstellung spiegeln sich tatsächlich die von der englischen Kirche John Wyclif und seinen Anhängern zugeschriebenen radikalen Aussagen wider. Vgl. Artikel 10 der von der Konvokation von Canterbury verurteilten Lehren in Convocatio praelatorum et cleri Cant. provinciae 19. die mensis Februarii in ecclesia S. Pauli London, in: WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 227-230, hier S. 230: „Item, quod isti duodecim sunt procuratores antichristi, et discipuli antichristi, papae, cardinales, patriarchae, archipraesules, episcopi, archidiaconi, officiales, et decani, monachi, et canonici bifurcati, pseudofratres introducti jam ultimo et quaestores.“ Freilich hat etwa J. Patrick Hornbeck II darauf hingewiesen, dass die Aussagen Wyclifs und vieler Lollarden zur Assoziation von Kirche und Antichrist-Motiv nicht absolut gesetzt werden dürfen. Im Gegensatz zu den Reformern der 1530er Jahre musste ein antichristlicher Vorwurf nicht zwangsläufig eine Unreformierbarkeit der Institution bedeuten, wie es in der Frühen Neuzeit vielfach insinuiert wurde. Siehe dazu J. Patrick HORNBECK II, Of Captains and Antichrists. The Papacy in Wycliffite Thought, in: Revue d’histoire ecclésiastique 103 (2008), S. 806-838; zur Problematik der Verwendung des Antichrist-Topos auch HeinzDieter HEIMANN, Antichristvorstellungen im Wandel der mittelalterlichen Gesellschaft. Zum Umgang mit einer Angst- und Hoffnungssignatur zwischen theologischer Formalisierung und beginnender politischer Propaganda, in: ZRGG 47 (1995), S. 99-113; POHLIG, Konfessionelle Deutungsmuster, S. 280f; Peter LAKE, The Significance of the Elizabethan Identification of the Pope as Antichrist, in: JEH 31 (1980), S. 161-178, hier S. 164. 308 Siehe The Lanterne of lyght, fol. ixv-xiv. 309 Siehe etwa den Vorwurf in Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Hivr. 310 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Bivr; The Ploughman’s Tale, fol. Aiiiv: „To putte pennys in her purse / They woll soll bothe heuyn and hell“; Jack vp Lande, fol. Avr. 311 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Biiiv. 312 The Ploughman’s Tale, fol. Aivr.

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lien sei nicht nur unnötig und „unzüchtig“, sondern verdunkle das Licht Gottes, das den Weg gen Himmel weisen sollte.313 Eine Verknüpfung von wirtschaftlichen, religiösen und rechtlichen Problemen stellte das Beispiel des Kirchenzehnten dar. Der Zehnt wurde sowohl als Raub und Diebstahl präsentiert, als auch im Rahmen einer Kritik angeführt, die die Kirche beschuldigte, ihre eigenen Regeln als göttliche Gebote auszugeben. Ein Zuwiederhandeln werde dementsprechend hart von der kirchlichen Gerichtsbarkeit bestraft. 314 Der politisch-rechtliche Einfluss des Klerus erschien in diesem Bereich als eine besonders schlimme Perversion der göttlichen Ordnung. So hieß es dazu: „And lorde / thyne prestes in the olde law hadde[n] no lordships amonge her brethren. but [sic!] lorde / our preestes nowe haue great lordship / and putten her brethren in gretter thraldome than 315 lewde men that ben lordes.“

Gerade die Anmaßung von Herrschaftsprivilegien führe zu einer Verdrängung der eigentlichen Aufgaben des Klerus, die darin bestehe, die Menschen in ihrem Glauben zu fördern und ihnen den Weg zum göttlichen Heil zu weisen. Ein sich zu Herren aufschwingender Klerus könne diese Funktion nicht mehr wahrnehmen, da diese zuvorderst auf die Konsolidierung ihrer Stellung bedacht wären, worüber sie ihre göttliche Pflicht vergessen würden.316 Niemals habe Gott in weltlichen Angelegenheiten gefangene Personen zum Predigen bestimmt, weil diese dazu neigten, ihre Herrschaft durch erfundene Geschichten zu festigen.317 So wird auch aus dieser Darstellung gefolgert, dass es sich um ein weiteres Beispiel dafür handele, wie die Menschen immer weiter von Gott weggeführt würden: „[T]hou shewest vs now of our myscheues that we ben fallen in through the wysdom of maisters that haue by sleyghthes ylad vs away from the & thy techinge.“318

313 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Ciiir-Ciiiv; oftmals steht auch der soziale Zwang zum Entrichten von Opfergaben und Ähnlichem im Mittelpunkt der Kritik. Siehe The Ploughman’s Tale, fol. Avv-Avir. 314 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Cvir-Cviv; die harten Strafen der Kirche auf fol. Cviiv: „But lorde if a ma[n] ones breke her lawes or speke ayenst hem [sic!] he may done penance but ones & after ben brent.“; auch The Ploughman’s Tale, fol. Ciiir. 315 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dvr; The Ploughman’s Tale, fol. Cir, wo der geistliche Stand bereits mehr Herrschaftsrechte und Güter akkumuliert hat als die weltlichen Herren. 316 Besonders gravierend wirke sich die Weltlichkeit des geistlichen Standes auf die eigentlich zu praktizierende christliche Nächstenliebe aus, die durch Geiz ersetzt werde. The Ploughman’s Tale, fol. Ciir; in der Schrift Jack vp Lande heißt es gar, die Mönche würden das öffentliche Predigen hassen. Siehe Jack vp Lande, fol. Avir: „Why hate ye the gospell to be preached“. 317 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dvir-Dviv; zum immer weiteren Streben nach Reichtümern The Ploughman’s Tale, fol. Civ; siehe auch die Bemerkung in Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Iiv: „Where fynde ye by gods lawe / that ye sholde sit thus vpon any man or ony mannis death as ye do“. 318 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dviir.

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Das Streben nach weltlichen Gütern und Einfluss offenbare aber nicht nur die Äußerlichkeit und ‚Verweltlichung‘ des gegenwärtigen Klerus, sondern auch dessen parteiische Gesinnung. Die Geistlichkeit umgäbe sich gerne mit Fürsten und reichen Personen, während die Armen zunehmend vernachlässigt würden. Der Vorwurf gipfelte in der Aussage, viele Kleriker unterschieden die Gläubigen nach arm und reich und bevorzugten die Reichen.319 Die Argumentationsfigur einer Korruption durch Macht scheint hier durch, die zu einem moralischen Verfall führe. Verheerend sei dies vor allem durch die Vorbildfunktion des Klerus, da in der Folge die gesamte Gesellschaft verderbe, wenn alle Menschen aus rein äußerlichen bzw. egoistischen Gründen Reichtum anstrebten und dabei die Lehren Christi vergäßen, der ebenfalls arm gewesen sei.320 So wurde schließlich eine Verkehrung der Welt konstatiert: „But lorde / the worlde is turned vpso downe / & men louen pore men but a lytell / ne porenesse nother. But men ben ashamed of porenesse / & therfore lorde / I trow that thou art a 321 pore kyng.“

Diese Verkehrung manifestiere sich vor allem im Verhalten der Kleriker, die wie Wölfe aufträten und ihre Schäfchen „zerstören“ würden. Der Größte unter diesen sei freilich der Papst, dessen Funktion als Stellvertreter Christi auf Erden massiv angezweifelt wird. Entgegen den Lehren Christi schüre dieser Oberhirte Krieg und Zwietracht in der Christenheit, verkaufe Ablässe und Bischofswürden, beraube die Armen und führe die Gläubigen vom Weg Gottes weg. Die Beurteilung des Pontifex fiel dementsprechend negativ aus: „But lord / he that clepeth himself thy viker on erth / he clepeth him selfe fader of faders ayens thy forbedyng. And all these worships thou hast forboden. He appreueth hem & maketh hem masters to many / that teche[n] thy people her owne techynge / & leuen thy techynge that is medefull / & hyden it by quaynte gloses from thy lewde people / & feden thy people with 322 sweuenesse that they meten / & tales that doth lytel profyte but moche harme to the people.“

319 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dviir. Gleichstellung mit Fürsten auf fol. Bvir; die unterstellten Unterschiede in der Behandlung von arm und reich werden auch auf die Mönchsorden ausgedehnt. „Why wylt thou not begge for poore bedred me[n] that ben poorer tha[n] ony of your secte“ und wenig später: „Why make ye not your feastes to poore men, and yeueth hem yeftes, as ye done to the rych? sith poore me[n] han more nede than the ryche.“ Jack vp Lande, fols. Aviiv & Aviiiv. 320 Diese Vorbildfunktion mahnte auch Colet an. Vgl. Sermo[n] of doctor Colete, fols. AiiivAivr, Bivr, Bvr-v. 321 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Eiv-Eiir, Zitat Eiir; The Ploughman’s Tale, fol. Cvv. 322 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dvv-Dvir; zur Argumentationsfigur der Verkehrung siehe Heinz-Dieter HEIMANN, „Verkehrung“ in Volks- und Buchkultur als Argumentationspraxis in der reformatorischen Öffentlichkeit, in: ARG 79 (1988), S. 170188; Stuart CLARK, Inversion, Misrule and the Meaning of Witchcraft, in: P & P 87 (1980), S. 98-127.

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Diese Kritik an der Amtsausübung des Papstes schloss mit der quasi logischen Zusammenführung der einzelnen Vorwürfe, wonach der Pontifex in einem absoluten Gegensatz zu den Lehren Christi stehe, und sich an dessen Stelle setzen möchte. „He vndoth thy lawes that thou ordeynest to ben kept / & maketh his owne lawes as him lyketh / & so he maketh him kynge abouen all other kynges of the erth / & maketh men to worshippen 323 him as a God / and thy great sacrifice he hath done awaye.“

Damit firmierte das Papsttum nicht mehr nur als unlauterer Vertreter Christi auf Erden, an dem Kritik geübt werden konnte, sondern es offenbarte sich als Widersacher Gottes, die Verkörperung des Antichristen auf Erden, der bekämpft werden müsse.324 Der sich hier abzeichnende Versuch einer Umdeutung der Geschichte korrespondierte mit den Prämissen der Mosaischen Unterscheidung, wie sie sukzessiv unter Heinrich VIII. geformt worden war. Erst vor diesem Hintergrund konnte die Geschichte der Lollarden neu interpretiert und mit dem Bild einer etablierten Kirche kontrastiert werden, die zunehmend als Ausgeburt des Antichristlichen firmierte. 325 In dieser Erzählung wurden die wahren Lehren Christi Jahrhunderte lang als Häresien verfolgt und unterdrückt und treue Anhänger Gottes gefoltert, gemartert und getötet.326 Der Stellvertreter Christi wird zudem in eine lange Reihe von „ministers of malignity“ eingeordnet, die eine Kontinuität antichristlichen Verhaltens belegen

323 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Dviiv. Der Vorwurf, der Papst würde sich als Gott auf Erden gerieren, tritt häufiger auf. Siehe etwa auch fol. Divr: „He […] maketh him selfe a false god on erthe / as Nabugodonosor did so[m]tyme that was kyng of Babilon.“; auch die Kritik, Papst und Kirche würden eigene Gesetze erfinden, wiederholt sich regelmäßig. Siehe etwa The Ploughman’s Tale, fol. Aviv; ähnliche Beurteilung in Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Iiir. Das hochmütige Wesen des Papstes, welches sich v.a. im Streben nach weltlicher Herrschaft manifestiere, betont auch FRITH, Antithesis, S. 98: „Christ was meeke and lowe, and forsooke this worldly glory […] The pope, is full high and proud, saying, I am a Lorde of both the realmes, earthly and heauenly, and the Emperour is my subiect“; A treatise, fols. Aivr-v, Aviir, Bvr. 324 Es erfolgt auch eine Spezifizierung des Antichristen. Vgl. The Ploughman’s Tale, fol. Biir-Biiir: „What is Antichrist to saye / But euyn Christes aduersary / Suche hath vowe ben many a day / To Christes byddyng full contrary.“ Zitat fol. Biir; ähnlich The Lanterne of lyght, fol. ivr sowie A Popish Discourse of Antichrist, in: John STRYPE, Ecclesiastical memorials, relating chiefly to religion, and its reformation under the reigns of King Henry VIII., Edward VI. and Mary the first […], 3 Bde., London 1733, hier Bd. 1, Appendix, S. 122-125, hier S. 122. 325 Wichtig ist, dass tatsächlich die gesamte Kirche betroffen war, es also nicht nur um das Papsttum oder einzelne Kleriker ging, sondern dass es zu einer Assoziation von antichristlichem Oberhirten und antichristlichem Klerus kam. Siehe etwa die Formulierung in The Ploughman’s Tale, fol. Civv: „That suche ben Antichristes preestes.“ 326 Vgl. dazu etwa auch die Darstellung bei BARLOW, A proper dyalogue, fol. Biv-Biiv zur Verfolgung der Lollarden unter Heinrich V. sowie die Schrift Examinacion of Jhon Oldcastell.

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soll.327 Die diagnostizierte Verkehrung der Welt sei demnach kein Effekt der gegenwärtigen Zeit, sondern setzte bereits mit der erstmaligen Degeneration bzw. Perversion der Kurie ein.328 In diesem Sinne seien die Bischöfe und Priester späte Nachfolger jener biblischen Pharisäer, die schon dereinst Christus und seine Apostel wegen deren „neuer Lehren“ angeklagt und verfolgt hätten.329 Diese Entwicklung im klerikalen Bereich hatte unterdessen Auswirkungen auf die weltliche Sphäre. Für die inneren Verhältnisse des Königreiches monierten die Autoren jene Exemtion des Klerus von der königlichen Gerichtsbarkeit, die diese in den Ruch von Verrätern am Gemeinwesen bringen würde. Eine weitere Kritik, die sich speziell auf die vier Mönchsorden bezog, sollte später durch die Schriften Christopher St. Germans aufgenommen werden. So heißt es in Jack vp Lande, dass bei vier unterschiedlichen Orden im Prinzip drei falsch sein müssten. Schlimmer sei jedoch, dass diese vier Orden die Lehre Christi spalten würden und dergestalt Verwirrung erzeugten. Denn entweder sei die Lehre Christi an sich perfekt oder er könne nicht der Sohn Gottes sein. Wenn seine Lehre jedoch perfekt sei, wieso müsse man dann den Lehren des heiligen Dominikus oder des heiligen Franziskus folgen?330 Neben der offensichtlichen Spaltung des Glaubens, die Auswirkungen auf das Gemeinwesen haben könne, führe die Pluralität von Ordensgemeinschaften zu erheblichen Bedrückungen des Volkes, welches durch das fortgesetzte Betteln bedrängt und durch den Zwang zu Ab- und Opfergaben genötigt werden würde. Im gleichen Zuge weigerten sich die Orden freilich, für ihre Unterkunft und Verpflegung zu arbeiten und würden auch auf diese Weise dem Gemeinwohl schaden.331 An diesen Punkten lassen sich zentrale lollardische Forderungen ablesen. Kritik am weltlichen Einfluss der Kirche mischte sich mit Vorwürfen einer falschen Amtsausübung und schädlichen Unterdrückung der wahren Gläubigen. Zugleich wurde die Anhäufing von Reichtümern, Herrschaftsprivilegien und Ländereien beklagt und die 327 Siehe etwa A Popish Discourse of Antichrist, S. 122: „This Antichrist therfore hath many ministers of his malignity. Of whom many have gone before in the world, as Antiochus, Nero, & Domitian were.“ (Hervorhebung im Original); Kaiser Nero wurde gerne als historisches Exempel herangezogen, weil er zeitgenössisch als Personifikation von Grausamkeit, Immoralität und falscher Doktrin galt. Siehe dazu FIRTH, Apocalyptic Tradition, S. 7. 328 Tyndale etwa lässt die Perversion der Kirche spätestens mit den Machenschaften Pippins beginnen, den die Kurie gegen den legitimen Herrscher gestützt hätte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die zeitliche Bestimmung: „Thus was our holy father, the pope, crept up into the consciences of men with his false interpretation of binding and loosing, good eight hundred years agone.“ TYNDALE, Practice of Prelates, S. 261; eine Geschichte der „häretischen“ Ansichten und Handlungen einer Vielzahl von Päpsten lieferte SWINNERv v TON, Mustre, fol. Aiv -Av und passim zu weiteren Verfehlungen verschiedener Päpste. 329 The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Aiiv; der Pharisäervergleich kommt mehrfach vor. Siehe auch Jack vp Lande, fols. Biiiv & Bvv. 330 Jack vp Lande, fol. Bviv-Bviiv; ähnlicher Vorwurf in Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Iiir: „And [the] lorde of Cobham said / for as ye be[n] pharisies deuided / & deuided in habite: so ye make diuision amo[n]ge [the] people. And thus thes friers & mo[n]kes with soch other / be [the] me[m]bres of [the] neste of antichrist.“ 331 Jack vp Lande, fols. Aiv, Aivr, Aviir & Aviiiv.

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Blockade einer volkssprachigen Bibel als Machwerk des Teufels gegeißelt. Wesentlich blieb am Ende der Vorwurf, dass Klerus und Papsttum durch ihre Handlungsweise nicht nur der weltlichen Ordnung geschadet, sondern gleichsam durch ihr antichristliches Verhalten das Seelenheil der Menschen gefährdet hätten. Die in den gedruckten Schriften artikulierten Themen und Klagen entsprachen also sehr gut den Argumentationen der englischen Reformer, wie sie um 1530 vorgebracht worden waren. Es deutet sich somit an, dass die Verargumentierung des lollardischen Erbes zuvorderst als legitimierende Instanz zeitgenössischer Artikulationen ventiliert wurde, wobei gerade jene Aussagen besonders herausgestellt wurden, die die radikalen Ansichten der Reformer stützten.332 Entscheidend war in diesem Zusammenhang, dass sie jene neue Grenzziehung zwischen wahr und falsch bestätigen und retrospektiv ausdehnen konnten. In dieser Hinsicht wurde es nun möglich, die hier zum ersten Mal gedruckten Ideen der Lollarden als autochthone und alte Kritik für die aktuellen Diskurse zu adaptieren, um so das hohe Alter der zirkulierenden Kritik zu belegen. Damit einher ging letztlich der Anspruch der Reformer, im Gegensatz zur ‚alten Kirche‘ die einzig richtige und verbindliche Wahrheit zu propagieren, die freilich über Jahrhunderte unterdrückt worden sei. Bezeichnenderweise endet die Schrift zu John Oldcastle daher auch mit der Feststellung: „Trewth long hyd now ys dysclosed.“ 333 3.3 Zusammenfassung Die Abläufe des King’s Great Matter und die damit zusammenhängenden Folgeerscheinungen bildeten den historischen Kontext, in dem das frühneuzeitliche englische Erwählungsdenken seine Form annahm. Die Problematiken der Scheidungsaffäre schufen die Notwendigkeit, eine Differenz zum Papsttum und der von ihm ausgehenden Traditionslinie zu etablieren. In diesem Zusammenhang war es für die Krone entscheidend, die Verbindung des englischen Klerus nach Rom sowohl rechtlich als auch ideologisch zu kappen. Der hieraus resultierende Konflikt mit der Kurie und Teilen der englischen Klerisei führte einerseits dazu, dass zunehmend antipapistische und antiklerikale Vorbehalte, Kritiken und Antipathien geäußert und publiziert werden konnten. Andererseits ermöglichten es diese Verschiebung und NeuVerschränkung der bestehenden Diskursmuster, dass zum ersten Mal in der englischen Geschichte genuin evangelische Ideen an Aufmerksamkeit und Legitimität gewannen. Zusammengenommen ergab sich daraus die Vorstellung eines umfassenden Negativbildes, das als Folie für nachfolgende Handlungsaufforderungen dienen konnte. Antiklerikalismus und Antipapalismus entstanden hier in ihrer neuzeitlichen Form somit als ein publizistisch getragenes Stereotyp nicht zuletzt deshalb, weil sie einen Konvergenzpunkt zwischen den politischen Interessen der Krone, den religiösgesellschaftlichen Anliegen evangelischer Reformer und den Begehrlichkeiten von Gruppen wie den common lawyern bildeten. 332 Selbstverständlich muss in diesem Fall auch die Überlieferungsproblematik berücksichtigt werden. Dazu Arnold ESCH, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: HZ 240 (1985), S. 529-570. Allerdings ist es auffällig, wie gut sich die gedruckten & überlieferten Texte in die Diskussionen der 1530er Jahre einfügten. 333 Examinacion of Jhon Oldcastell, fol. Iivv.

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Entscheidend war in diesem Zusammenhang, dass dieses Negativbild als hochgradig gemeinschaftsschädlich dargestellt wurde. Weder das Papsttum noch der Klerus ließen demnach den Willen erkennen, die bestehenden Missstände grundlegend zu reformieren oder zu bekämpfen. Im Gegenteil, suggerierten die Autoren, erwecke es häufig den Eindruck, dass sie diese Zustände aus vorwiegend egoistischen Motiven zusätzlich fördern würden. Da hiervon jedoch nicht nur die weltliche Existenz betroffen, sondern auch das Seelenheil der englischen Gläubigen grundlegend bedroht sei, müsse der Herrscher unbedingt intervenieren. Alle Autoren sprachen infolgedessen dem englischen König die Autorität zum Eingriff in die kirchlichen Verhältnisse sowie zur Korrektur derselben zu. Hierfür musste allerdings die klassische Trennung zwischen den Einflusssphären von regnum und sacerdotium aufgehoben werden. Die Mosaische Unterscheidung erlaubte es in diesem Zuge, die Traditionen und Praktiken der Papstkirche in einen Bereich des Antichristlichen und Unwahren zu verschieben und dadurch die mittelalterliche Trennung der Sphären als Konstrukt eines dezidiert falschen und gottlosen Glaubens zu identifizieren. Mit der Negation dieser überkommenen Traditionen und Glaubenspraktiken musste freilich eine starke Verunsicherung der englischen Bevölkerung sowie des englischen Ordnungsgefüges einhergehen, weshalb es eines Gegenentwurfes bedurfte, der diese Unsicherheiten ausgleichen konnte. In dieser Situation erwuchs aus der Notwendigkeit, die negierten Privilegien, Vollmachten und tradierten Gewissheiten durch eine akzeptable Alternative zu ersetzen, die sukzessive Erhöhung der Position des englischen Königs zu einem von Gott erwählten Herrscher. Die zu dieser Aufwertung notwendigen Mittel wurden bereits im Zuge der Scheidungsaffäre getestet und verwendet: Dies war zum einen die Steigerung der Autorität der Bibel, und insbesondere jener Passagen des Alten Testaments, die auf die Situation des Königs appliziert werden konnten. Zum anderen ‚entdeckte‘ man die eigene Geschichte neu, woraus in der Folge eine umfangreiche Aufarbeitung und Neuinterpretation unter anderem des lollardischen Erbes resultierte. Ziel hierbei war es, die Kritik an der Kurie und dem Klerus historisch zu fundieren und damit gleichzeitig den projektierten Reformen den Ruch der schlechten Innovationen zu nehmen.

4. D IE E RWÄHLUNG DES K ÖNIGS : ABSICHERUNG UND L EGITIMATION EINER INNOVATORISCHEN P OLITIK 4.1 Die Collectanea satis copiosa Analog zu den Versuchen englischer Reformer, ein historisches Narrativ unter Ausschluss kirchlicher Beeinflussung zu konstruieren, gab es auch im Zentrum des Königreichs entsprechende Umstrukturierungsprozesse. Grundlage der neuen Erzählung war ein Korpus unterschiedlichster Texte, das unter der Bezeichnung Collectanea Satis Copiosa bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Schriften, die Extrakte aus dem Alten und Neuen Testament sowie den Kirchenvätern mit angel-

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sächsischen Gesetzestexten, Auszügen aus Chroniken, Dekreten von Kirchenkonzilien und Zitaten von verschiedenen mittelalterlichen Autoritäten vereint. 334 Folgt man der luziden Arbeit von Graham Nicholson, dann bildete die Collec tanea die Grundlage für weitreichende Entwicklungen der kommenden Jahre: So geht er davon aus, dass die Kompilation die Basis für eine Reihe propagandistischer Schriften war, welche die neue Stellung Heinrichs VIII. einem breiten Publikum präsentieren und zugleich rechtfertigen sollte. Gleichsam sieht Nicholson die Sammlung als Fundament zahlreicher wegweisender Gesetze an, die in der ersten Hälfte der 1530er Jahren verabschiedet wurden.335 Allen voran verweist Nicholson auf den Act in Restraint of Appeals, der in seiner Präambel erklärte: „Where by dyvers sundrie olde autentike histories and cronicles it is manifestly declared and exp[re]ssed that this Realme of Englond is an Impire, and so hath ben accepted in the worlde, gov[er]ned by oon Sup[re]me heede and King having the Dignitie and Roiall Estate of the Imperiall Crowne of the same, unto whome a Body politike compacte of all sortes and degrees of people, devided in termes and by names of Sp[irit]ualty and Temporaltie, ben bounden and ow336 en to bere nexte to God a naturall and humble obedience.“

Die genannten Chroniken und Geschichten identifizierte Nicholson dabei als jenes Korpus der Collectanea.337 Von besonderer Bedeutung für die Frage nach der Erwählung des Monarchen war in diesem Zusammenhang, dass die Sammlung in erster Linie darauf ausgelegt war, den persönlichen Status des Königs in fundamentaler Weise anzuheben.338 Die Begründung für diese Autoritätssteigerung entnahmen die 334 B[ritish] L[ibrary], Cleopatra E 6, fol. 16-135; grundlegend hierzu ist die Arbeit von Graham NICHOLSON, The Nature and Function of Historical Argument in the Henrician Reformation, unveröffentlichte PhD-Thesis, Cambridge 1977; DERS., The Act of Appeals and the English reformation, in: Claire Cross / David Loades / John Scarisbrick (Hgg.), Law and Government under the Tudors, Cambridge u.a. 1988, S. 19-30, hier S. 19f; siehe ferner WAGNER / SCHMID (Hgg.), Encyclopedia of Tudor England, Bd. 1, S. 283-285, s.v. „Collectanea satis copiosa“; HAIGH, English Reformations, S. 105; GUY, Intellectual Origins, S. 219; GAZAL, Scripture, S. 56-64; vgl. auch den Ausstellungskatalog zur großen Heinrich VIII.-Ausstellung der British Library: Henry VIII. Man and Monarch, hrsg. von Susan DORAN, London 2009, S. 138-143, wo sehr schöne Reproduktionen von Teilen der Collectanea zu sehen sind. 335 Einen guten Überblick zu diesen Gesetzen liefert BERNARD, The King’s Reformation, S. 68-72; ferner HAIGH, English Reformations, S. 105-120; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 324. 336 STATUTES OF THE REALM III, 24° Hen. VIII, c. 12, S. 427-429, hier S. 427. 337 Siehe zu beiden Punkten NICHOLSON, Act of Appeals, S. 19-30; DERS., Historical Argument, S. 157-214; die Bedeutung der Collectanea als Grundlage für propagandistische Zwecke betont auch BERNARD, The King’s Reformation, S. 49f. 338 Nicholson erklärte dazu: „The argument runs from the personal status of the king to the consequent nature of the crown; in the ‚Collectanea‘ at least, empire is no less an attribute of the king’s personal authority than is his supremacy in spirituals.“ Siehe NICHOLSON, Act of Appeals, S. 25; cf. NICHOLSON, Historical Argument, S. 173-175; dass die Krone in mittelalterlichen Zusammenhängen häufig als Ausweis der persönlichen Insignia des

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Kompilatoren des Werks vor allem einem angeblichen Brief Papst Eleutherus’ (ca. 175-189 n. Chr.) an den britischen König Lucius339, der nicht nur nachweisen sollte, dass die englische Kirche ehedem souverän und die Übertragung der römischen Gesetzgebung auf Bitten des Königs erfolgt war, sondern dass die Päpste von alters her die englischen Könige als Vikare Gottes angesehen und in dieser Stellung bestätigt hätten.340 Genau jener Gedankengang findet sich in einem Entwurf für den Act in Restraint of Appeals, wo es heißt: „[T]he kingis most roiall progenitours kingis of this said realme and Impier by the epistolis from the sea apostolik have be named called and reputed the vicars of god within the same, and in their tymes have made and devised ordinauncis rules and statutis consonant to the lawes of god […] for the due observyng and executyng of thingis spirituall as temporall within the 341 lymytis of the Imperiall crown of this realme.“

Wie Graham Nicholson betonte, spielte der angebliche Brief an König Lucius eine maßgebliche Rolle in der Argumentation der Collectanea, weshalb er gleich mehrfach als entscheidender Beleg für die spirituelle Jurisdiktionsgewalt und Autorität des Königs angeführt worden sei.342 In diesem Rahmen kann auch eine Aussage des Herzogs von Norfolk verortet werden, der im Oktober 1530 dem Bericht des kaiserlichen Gesandten Eustace Chapuys zufolge über die Stellung von König und Papst gesagt haben soll:

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Königs angesehen wurde und damit also seine feudale Oberhoheit anzeigte, betont auch Fritz HARTUNG, Die Krone als Symbol der monarchischen Herrschaft im ausgehenden Mittelalter, in: Manfred Hellmann (Hg.), Corona Regni. Studien über die Krone als Symbol des Staates im späten Mittelalter, Darmstadt 1961, S. 1-69, hier bes. S. 25. Zu Person und Bedeutung des Lucius für die englische Kirchengeschichte siehe T. M. CHARLES-EDWARDS, Art. „Lucius“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]; Adolf VON HARNACK, Der Brief des britischen Königs Lucius an den Papst Eleutherus, in: Sitzungsberichte der Königlich-Preussischen Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist. Klasse (1904), S. 909916; Felicity HEAL, What can King Lucius do for you? The Reformation and the Early British Church, in: EHR 120 (2005), S. 593-614. Vgl. BL Cleopatra E 6, fol. 32a-33a: „Petistis a nobis leges Romanas et Caesaris vobis transmitti, quibus in regno Britanniae ut voluistis. Leges Romanas et Caesaris semper reprobare possimus, legem Dei nequaquam. Suscepistis enim nuper, miseratione summa, in regno Britanniae legem et fidem Christi. Habetis penes vos in regno utramque […] Vicarius vero Dei estis in regno.“ Vgl. Entwurf zum Act of Appeals, T[he] N[ational] A[rchives] SP 2/N, fol. 78-79; cf. NICHOLSON, Act of Appeals, S. 22; zur Entstehung des Gesetzes siehe auch Geoffrey ELTON, The Evolution of a Reformation Statute, in: EHR 64 (1949), S. 174-197. Siehe NICHOLSON, Act of Appeals, S. 22. Freilich wurde die Argumentation zusätzlich durch Verweise auf alttestamentliche Herrscher und deren erwählte Stellung ergänzt. Siehe dazu GAZAL, Scripture, S. 56-62.

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„Upon which the said gentlemen [der Herzog von Norfolk – BQ] began to say that they cared neither for Pope or Popes in this kingdom, not even if St. Peter should come to life again; that 343 the king was absolute both as Emperor and Pope in his own kingdom.“

Es ist verschiedentlich geargwöhnt worden, das im Herbst 1530 die Arbeit an der Collectanea weitgehend abgeschlossen war, die Aussagen des Herzogs sich demnach auf jenes Korpus bezogen haben könnten.344 Was allerdings in diesem Kontext in der Regel zu wenig berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass sich die Notwendigkeit zur Reklamation einer imperialen Autorität des Königs oder einer spirituellen Suprematie erst aus dem Konflikt mit der Kurie ergeben hatte. Damit der König freilich die negierten Vollmachten von Papsttum und Klerus nachgerade in seiner Person bzw. in seiner Krongewalt vereinen konnte, war der Status als von Gott erwählter Herrscher die unabdingbare Voraussetzung. Seine Erwählung bildete also den entscheidenden Referenzrahmen, der jener innovativen Politik der 1530er Jahre zugrunde lag und ihr erst Sinn verlieh. Die Sammlung der Collectanea markierte in diesem Rahmen freilich den Anfangspunkt jenes Prozesses, der nachfolgend auf zwei Ebenen verfolgt werden soll. 4.2 Der Act of Supremacy und die Institutionalisierung der königlichen Erwählung Aufbauend auf der Collectanea, welche sowohl die Bedeutung englischer Geschichte als auch englischer Institutionen im besonderen Maße betont hatte, kam es in den Jahren 1532 bis 1536 zu einer Reihe wegweisender Gesetze. 345 Diese signalisierten nicht nur den endgültigen Bruch mit Rom, sondern sollten auch die Stellung des englischen Monarchen als von Gott erwähltem Herrscher sowie die daraus resultierenden Vollmachten in bindendes Recht überführen.346 An den einzelnen Gesetzestexten der Zeit fällt dabei auf, dass sie zuweilen recht ausführliche Argumentationsketten aufwiesen, welche die Verfehlungen von Papst und Klerus auflisteten und im Kontrast dazu gleichsam den neuen Status des Herrschers herausstellten.347 In dieser Hinsicht scheint die These von Elton gerechtfertigt, dass jene Gesetzestexte für eindeutig propagandistische Zwecke instrumentalisiert wurden.348 In diesem Fall ging es darum, die Neuartigkeit des Referenzrahmens der königlichen Erwählung im Diskurs der Zeit nicht nur zu platzieren, sondern auch beständig zu reproduzieren und zu erklären, um Legitimität und Akzeptanz zu generieren. Hierfür bediente man sich eines 343 Siehe Calendar of State Papers Spain IV/1, Nr. 445, S. 734-737, hier S. 734 344 Vgl. HAIGH, English Reformations, S. 105; GUY, Intellectual Origins, S. 219; NICHOLSON, Act of Appeals, S. 19f. 345 Grundlegend dazu LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 131-248; BERNARD, The King’s Reformation, S. 68-72. 346 Dieser Prozess wurde begleitet von einer publizistischen Kampagne, die als Komplement hierzu gesehen werden muss und im nächsten Abschnitt behandelt wird. 347 Wie Kevin Sharpe zudem feststellte, instrumentalisierte man in diesem Zusammenhang auch die königlichen Proklamationen, um die neue Position des Monarchen zu präsentieren und akzeptabel zu gestalten. Siehe SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 98f. 348 Vgl. ELTON, Policy and Police, S. 210f; BERNARD, The King’s Reformation, S. 70.

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anerkannten Verfahrens, indem in der Folge nahezu alle wichtigen Themen der Zeit durch ein parlamentarisches Gesetz geregelt wurden. Die von der älteren Forschung als Tudor Revolution in Government apostrophierte stärkere Inanspruchnahme des Parlaments zur Regelung weitreichender Sachverhalte in dieser Zeit kann somit zumindest teilweise als Effekt der Vorgänge um die Frage der Erwählung des Königs interpretiert werden. Die Stärkung des King-in-Parliament-Prozederes sowie die generelle Aufwertung des Parlaments müssen mit anderen Worten im Kontext der rechtlichen Absicherung und Formalisierung von Mosaischer Unterscheidung und königlicher Erwählung gesehen werden.349 Als Beispiel kann der Act in Restraint in Appeals genannt werden, der in einem ersten Schritt die Autorität der Kurie für Fragen des geistlichen Rechts verneinte und folgerichtig deren Anrufung untersagte. Hierdurch wurde es möglich, Eheschließung und -annullierung innerhalb des englischen Königreichs zu vollziehen. Als Begründung rekurrierte der Gesetzestext auf die erwählte Position des Monarchen, dem Gott dadurch die Macht verliehen habe, alle in seinem Herrschaftsbereich anfallenden Probleme und strittigen Fragen hinsichtlich weltlicher und geistlicher Dinge letztinstanzlich und definitv zu regeln: „[H]e [der König – BQ] beyng also institute and furnysshed by the goodnes and sufferaunce of Almyghtie God with plenarie hoole and intiere power, p[re]emynence, auctoritie, p[re]rogatyve and jurisdiccion to rendre and yelde Justice and finall det[er]mynacion to all […] Subjectes within this his realme, in all causes, maters, debates and contencions happenyng to occurr, insurge or begyne within the limittes therof without restraynt or p[ro]vocacion to any foreyn 350 Princes or Potentates of the World.“

Das Zitat muss als eine Elaboration der zuvor proklamierten imperialen Krone und Suprematie des englischen Monarchen angesehen werden. Aufgrund dieser Feststellung wurde im weiteren Verlauf auch die englische Kirche als unabhängige Institution präsentiert, die mit ihren beiden Erzbischöfen (York & Canterbury) als obersten Vertretern die höchste Entscheidungsinstanz für Fragen des geistlichen Rechts darstelle. Hierdurch wurde somit der Weg geebnet, um die Annullierung der königlichen Ehe innerhalb Englands und in legitimer Form durch den Erzbischof von Canterbury vorzunehmen.351 349 Hier sind vor allem die Arbeiten von Geoffrey Elton zu nennen. Siehe etwa Geoffrey ELTON, The Tudor Revolution in Government. Administrative Changes in the Reign of Henry VIII, Cambridge 1953; DERS., Policy and Police; Ders., Reform and Reformation. England 1509-1558, London 1977; siehe auch seine gesammelten Aufsätze zum Thema in DERS., Studies in Tudor and Stuart politics and government. Papers and reviews 19461972, Bd. 2: Parliament/Political Thought, Cambridge 1974; ferner Jennifer LOACH, Parliament under the Tudors, Oxford 1991; Michael GRAVES, The Tudor Parliaments. Crown, lords and commons, 1485-1603, London u.a. 1985; neuere Bewertung zum Kingin-Parliament etwa bei Christoph KAMPMANN, Art. „Parlament“, in: EdN 9 (2009), Sp. 857-868, hier Sp. 858-862. 350 Act of Appeals, S. 427. 351 Vgl. zu den Abläufen LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 165-169; zur Scheidung auch BERNARD, The King’s Reformation, S. 67f; Katharina wurde ergänzend dazu eben-

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Einen weiteren wesentlichen Schritt stellte die Legitimierung von Kritik am und Widerstand gegen das Papsttum dar, da sich der Bischof von Rom im krassen Gegensatz zur Bibel weitgehende Kompetenzen und Vollmachten angeeignet habe. Während dies ehedem als Häresie verurteilt worden sei, verwarf man nun all jene Dekrete und Gesetze, die eine Kritik als Häresie gebrandmarkt hatten, und instituierte damit das Feindbild des Papsttums ganz offiziell im zeitgenössischen Diskurs. 352 Dazu gehörte es auch, dass in den Gesetzestexten regelmäßig die Usurpation von königlichen Herrschaftsrechten durch den Papst betont und in der Folge klargestellt wurde, dass man mit dem entsprechenden Gesetz diese Rechte wieder in ihrer eigentlichen Form herstellen wolle.353 Im Gesetz zur Neuregelung der Ausstellung von Dispensen etc. innerhalb Englands hieß es dazu zum Beispiel: „[T]he Bishop of Rome […] hath not byn only to be blamed for hys usurpacion in the premisses but also for hys abusyng and begylyng your subjectes, pretendyng and p[er]swadyng to theym that he hath full power to dispence with all humayne lawes uses and customes of all Realmes in all causes which be called spirituall, which mater hath byn usurped and practised by hym and hys predycessours by many yeres in great derogacion of your imperiall crowne and auctorytie royall contrary to right and conscience; For where this your Graces Realme, recognysyng noo superior under God but only your Grace, hath byn and ys free frome subjeccion to any mannes lawes but only to suche as have bene devysed made and ordyned within 354 this Realme.“

Eine ähnliche Argumentationsfigur trat auch im ersten Succession Act auf, wo der Papst als Verletzer der von Gott direkt dem Herrscher gegebenen Rechte präsentiert wurde.355 Besonders eindringlich fasste dies jedoch ein Gesetz von 1536 zusammen, das die Autorität des Papstes in England ganz offiziell und endgültig aufhob. Der Text argumentierte einerseits mit den weltlichen Ambitionen und dem tyrannischen Gebaren der Kurie, welche immer wieder zu Interventionen in die weltlichen und

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falls durch ein Parlamentsgesetz in den Status einer Witwe zurückversetzt. Siehe An Acte for the lady Dowager, in: STATUTES OF THE REALM III, 25° Hen. VIII, c. 28, S. 484-486. Siehe An Acte for punysshement of Heresye, in: STATUTES OF THE REALM III, 25° Hen. VIII, c. 14, S. 454f, hier S. 455; cf. LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 186f. Siehe etwa An Acte restraynyng the payment of Annates & c., in: STATUTES OF THE REALM III, 25° Hen. VIII, c. 20, S. 462-464, hier S. 462; An Acte for the submission of the Clergie to the Kynges Majestie, in: Ibid., c. 19, S. 460f; An Acte for punysshement of Heresye, S. 455; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 70. Vgl. auch die Angaben in den folgenden Fußnoten. Acte for the exon[er]acion frome exaccions payde to the See of Rome, in: STATUTES OF THE REALM III, 25° Hen. VIII, c. 21, S. 464-471, hier S. 464; ähnlich An Acte extynguysshing the auctoryte of the Busshop of Rome, in: STATUTES OF THE REALM III, 28° Hen. VIII, c. 10, S. 663-666, hier S. 663. Vgl. An Acte for the establishement of the Kynges succession, S. 472: „[T]he Bisshop of Rome and See apostolike, contrary to the greate and invyolable grauntes of jurisdiccions geven by God ymmediatly to Emperours Kynges and Prynces in succession to theire heires, hath presumded in tymes paste to investe who shulde please theym to inherite in other mennes Kyngdomes and Domynyons.“

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geistlichen Belange Englands geführt hätten, fügte andererseits aber auch die usurpierte Stellung des Bischofs von Rom an, der sich durch menschliche Erfndungen über die Autorität der Bibel erhoben und damit gegen den wahren Glauben Christi gehandelt habe.356 Als Folge aus dieser zunehmenden Ablehnung der pontifikalen Autorität musste sich die Obrigkeit freilich mit den praktischen Problemen befassen, die daraus erwuchsen. Angesichts dessen stellte der zweite Acte restraynyng the payment of Annates sämtliche Zahlungen, die in der Vergangenheit von englischer Seite an die Kurie geleistet werden mussten, mit sofortiger Wirkung ein und erklärte sie für illegal. 357 Da dadurch keine Bullen und andere päpstliche Schreiben mehr empfangen werden konnten, für die vormals bezahlt worden war, entstanden hieraus neue Problematiken etwa hinsichtlich der Konsekration und Einsetzung der englischen Geistlichkeit. Auch hier diente der Rückgriff auf die postulierten Vollmachten der Krone sowie den autonomen Status der englischen Kirche nachgerade dazu, eine neue Regelung zu finden, indem das Gesetz diese Macht schließlich an diese beiden Instanzen relegierte.358 Mit den praktischen Problemen der Kirchenorganisation waren sehr viel weitreichendere spirituelle Fragen verbunden. Nicht nur mussten die Auswirkungen eines päpstlichen Interdikts bzw. einer Exkommunikation bedacht, sondern die grundsätzliche Frage geklärt werden, ob ein Spenden der Sakramente ohne die spirituelle Bindung an Rom überhaupt möglich war. Der Act of Appeals hatte dazu bereits früh Stellung bezogen, indem er sämtliche päpstlichen Zwangsmaßnahmen für ungültig erklärte und den englischen Klerus unter Androhung von Gefängnis sowie finanzieller Strafen dazu anhielt, die spirituellen Handlungen trotz drohender Exkommunikation oder Interdikts weiterhin regulär zu vollziehen.359 Gleichwohl reichte eine bloße Drohgebärde offensichtlich nicht aus, um die bestehenden Unsicherheiten in diesem Bereich auszuräumen. So kam es schließlich im Act of Supremacy zur eindeutigen Fixierung der königlichen Stellung als Oberhaupt einer eigenständigen, englischen Kirche. Der im Verhältnis zu anderen Statuten der Zeit relativ kurze Text erklärte zur Position des Monarchen: 356 Siehe An Acte extynguysshing the auctoryte of the Busshop of Rome, S. 663. 357 Vgl. An Acte restraynyng the payment of Annates, S. 462-464; cf. LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 190f; eine Spezifizierung in diesem Bereich bot der Acte for the exon[er]acion frome exaccions payde to the See of Rome. Dieser erteilte dem Erzbischof von Canterbury die Kompetenzen, in England Dispense etc. rechtmäßig zu erteilen, die vormals von der Kurie ausgegangen waren. Zugleich wurden die Gebühren für derartige Schreiben stärker vereinheitlicht. Siehe auch LEHMBERG, Reformation Parliament, S. 192. 358 An Acte restraynyng the payment of Annates, S. 463f. Die Domkapitel und kirchlichen Vertretungen einzelner Gemeinden konnten nun Kandidaten vorschlagen, die vom König genehmigt werden mussten. Der priorisierte Kandidat wurde sodann durch ein königliches Schreiben in sein Amt eingesetzt und vom jeweiligen Bischof oder Erzbischof konsekriert. Handelte es sich um einen Erzbischof, so verlangte das Gesetz, dass dieser Akt entweder vom jeweils anderen Metropoliten sowie zwei weiteren Bischöfen oder von drei episkopalen Würdenträgern vollzogen wurde. 359 Siehe Act of Appeals, S. 428.

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„Albeit the Kynges Majestie justely and rightfully is & oweth to be the supreme [heed] of the Churche of England, and so is recognysed by the Clergy of this Realme in theyr convocacions; yet neverthelesse for corroboracion & confirmation therof, and for increase of virtue in Cristis Religion within this Realme of England, and to represse & extirpe all errours heresies and other enormities & abuses heretofore used in the same, Be it enacted by auctorite of this p[re]sent Parliament that the Kyng our Sov[er]aign Lorde his heires and successours Kynges of this Realme shalbe takyn acceptyd & reputed the onely supreme [heed] in erthe of the Churche of England callyd Anglicana Ecclesia, and shall have & enjoye annexed and united to the Ymperyall Crowne of this Realme aswell the title and style therof, as all Honours Dignyties P[re]hemynences jurisdiccions privileges auctorities ymunyties profitis and co[m]modities to 360 the said dignytie of supreme [heed] of the same Churche belongyng and apperteynyng“

Mit diesen Worten wurde die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Königs über alle weltlichen und geistlichen Belange seines Königreichs verrechtlicht. Wie es bereits in den diversen Schriften der Reformer angeklungen ist, war auch in diesem Zusammenhang die Fiktion entscheidend, dass mit dem Gesetz vom November 1534 lediglich bestehende Rechte des Königs bestätigt worden seien.361 Wichtig war hier freilich der Umstand, dass die Suprematie des Monarchen einen innovativen Akt darstellte, der mit dem Rückgriff auf dessen erwählte Stellung begründet wurde. Daraus resultierte schließlich auch jene im Act of Supremacy festgeschriebene Macht, sowohl in die weltliche als auch in die geistliche Sphäre zu intervenieren und Korrekturen durchzuführen.362 4.3 Die öffentliche Repräsentation des Königs als Gottes erwählter Herrscher Die Aneignung des Status’ eines erwählten Herrschers im öffentlichen Diskurs der Zeit erfolgte in mehreren Schritten. Zuvorderst kann eine Rezeption und spezifische Modellierung des antipapalistischen und antiklerikalen Schrifttums beobachtet werden. Hier hatten die Texte englischer Reformer der königlichen Propaganda einen viablen Weg gewiesen, der nun ausgebaut werden konnte. Eine Einschränkung ist in diesem Zusammenhang freilich hinsichtlich der Etikettierung dieser Propaganda zu machen, die nicht als bloße Umsetzung lutherischer oder reformierter Ideen gesehen werden darf, wie zuletzt Glenn Burgess nochmals betont hat.363 Vielmehr sollte da360 An Acte conc[er]nynge the Kynges Highnes to be supreme heed of the Churche of Englande & to have auctoryte to refourme & redresse all errours heresyes & abuses yn the same, in: STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 1, S. 492. 361 Dies war eine zentrale Konstruktion der Zeit, da in dieser eher königlichen Sichtweise das Parlament lediglich präexistente Rechte bestätigte, es aber selbst keinen Einfluss auf diese persönlichen Rechte hatte. Siehe dazu John GUY, The rhetoric of counsel in early modern England, in: Hoak (Hg.), Tudor Political Culture, S. 292-310, hier S. 300. 362 Act of Supremacy, S. 492. 363 BURGESS, Political Thought, S. 34; Alec Ryrie hat zudem die relativ späte, insgesamt eher oberflächliche und letztlich kurzweilige Anlehnung an genuin lutherische Ideen betont. Siehe Alec RYRIE, The Strange Death of Lutheran England, in: JEH 53 (2002), S. 64-92; die Ansicht einer frühen und umfassenden Rezeption lutherischen Gedankengutes

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von ausgegangen werden, dass die reformatorischen Ideen eher eklektizistisch genutzt wurden, um dadurch vermeintlich oder tatsächlich im englischen Raum bestehende Traditionslinien partiell zu ergänzen und zu vertiefen. So verwies Burgess zum Beispiel auf die konziliaristischen und imperialen Debatten und Ansichten des Mittelalters sowie auf die traditionelle Rivalität zwischen kanonischem und gemeinem Recht.364 Auf dieser Ebene ging es der königlichen Propaganda vor allem darum, sich die vorgezeichnete Mosaische Unterscheidung anzueignen und im Hinblick auf die eigenen Interessen und Ziele auszubauen. Dies bildete die Folie, vor der es dann ab 1534/35 in einem zweiten Schritt zur positiven Ausgestaltung der henrizianischen Erwählung kommen konnte. Infolge der rechtlichen Fixierung der Suprematie wurde es zunehmend notwendig, die neuen Vollmachten des Herrschers den Untertanen zu erklären, zu rechtfertigen und um Akzeptanz zu werben. 365 Was diese Vorgänge zwischen den Jahren 1532 und 1536 auszeichnet, war einerseits der Versuch, die unterschiedlichen Kritiken an Klerus und Papsttum einzufangen und zu konzentrieren; andererseits ist eine Entwicklung der Vorstellung königlicher Erwählung zu beobachten: Vor dem Hintergrund der sich formierenden Mosaischen Unterscheidung entstand hier sukzessiv ein neuartiger Referenzrahmen für die Ordnung des englischen Gemeinwesens, der sich durch die Neu-Verschränkung und Umgruppierung bestehender Traditions- und Wissensbestände auszeichnete. Ältere Arbeiten stritten in diesem Zusammenhang über die Charakterisierung bzw. Klassifizierung dieser Prozesse, die entweder als lutherisch/protestantisch oder als katholische Kirche ohne Papst respektive mit dem König als Ersatz des Pontifex’ gewertet wurden. Erst in jüngerer Zeit hat die vornehmlich englische Forschung zu diesem Bereich erkannt, dass klare konfessionelle Grenzziehungen für diese Phase nicht erkenntnisfördernd sind, sondern an der eigentlichen Problematik vorbeiführen, wodurch vage bis unbestimmte und damit letztlich unbefriedigende Schlussfolgerungen produziert worden seien.366 Demgegenüber hat zuletzt Lucy Wooding in ihrer Neubetrachtung des englischen Katholizismus eine Interpretation angeboten, der sich die vorliegende Arbeit nur anschließen kann. Sie schrieb dazu: „The Henrician Reformation was a thing in durch den Vermittler William Tyndale hatte etwa Stephen Haas in diversen Publikationen vertreten. Siehe dazu die Kritik von REX, Crisis of Obedience, S. 871-879. 364 Vgl. BURGESS, Political Thought, S. 34-36; auch GUY, Monarchy and Counsel, S. 114126; DERS., Tudor Monarchy and Political Culture, in: Morrill (Hg.), The Oxford illustrated History of Tudor & Stuart Britain, S. 219-238, hier S. 219-221, 225-229. 365 Wie vollkommen richtig betont wurde, hat die königliche Propagierung eines erwählten Status erst nach der Erklärung der Suprematie richtig eingesetzt. Siehe etwa BURGESS, Political Thought, S. 34; REX, Crisis of Obedience, S. 871 & 881-894. 366 Siehe etwa den Forschungsüberblick bei RYRIE, Divine Kingship, S. 50-54; ferner Ethan H. SHAGAN, ‚Schismatics be now plain heretics‘: debating the royal supremacy over the Church of England, in: Ders., Popular Politics, S. 29-60; Peter MARSHALL, Is the Pope Catholic? Henry VIII and the semantics of schism, in: Ethan Shagan (Hg.), Catholics and the ‚Protestant Nation‘. Religious politics and identity in early modern England, Manchester/New York 2005, S. 22-48; siehe auch die Diskussion von Heinrichs persönlicher Religiosität bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 228-243, der sie als ein Zwischending zwischen traditionellem Glauben und lutherischer Lehre charakterisiert.

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itself; neither failed Catholicism, nor inadequate Protestantism, but a vigorous movement based on a particular vision.“367 Die sukzessive Ausbildung der königlichen Erwählung war ein wesentlicher Bestandteil dieser Vision, für deren Beschreibung klassische Schemata wie protestantisch oder katholisch nicht adäquat erscheinen. Im Gegenteil muss die Vorstellung einer göttlichen Erwählung vor dem Hintergrund der Zeit selbst als ein eigenständiger, ideeller Rahmen angesehen werden, der die politische Argumentation entscheidend prägte. In dieser Hinsicht stellte sich jener Rahmen als ein genuin royalistischenglischer Bearbeitungsmodus für die drängenden Fragen der Zeit dar, dessen Fundament die Bibel, und hier besonders das Alte Testament, bildete.368 Die ‚Neuentdeckung‘ und politische Aufwertung des Alten Testaments wurde im englischen Raum zum einen maßgeblich durch die Bedingungen der Scheidungsaffäre gefördert.369 Die königliche Argumentation berief sich hierbei auf die uneingeschränkte Gültigkeit der levitischen Bestimmungen, währenddessen die deuteronomistischen Passagen abgewertet werden mussten. Im Zuge dessen wurde an prominenter Stelle in den Censurae und Determinations die Figur des Moses benutzt, um die unmittelbare, göttliche Herkunft der levitischen Ehegesetze zu belegen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in diesem Zusammenhang ein Präzedenzfall geschaffen wurde, der den Anfang für die nachfolgende Ausbeutung des reichhaltigen, alttestamentlichen Fundus an göttlich erwählten Amtsträgern bildete. Mit diesen Vorgängen korrespondierte zum anderen ein reformatorisches Interesse an der Bibel. Neben den bereits geschilderten Rekursen diverser Reformer muss hier auch die erstmalige Veröffentlichung des kompletten Pentateuchs in englischer Sprache durch William Tyndale erwähnt werden.370 Wie David Daniell in diesem Rahmen betonte, war die Publikation der fünf Bücher Mose in mehrfacher Hinsicht eine enorme Weiterentwicklung zu bisherigen Texten und Ausgaben. Sehr wahrscheinlich ging Tyndale in seiner Übersetzung vom hebräischen Originaltext aus, der sich bei ihm in ein eingängiges Englisch übertragen ließ, das, wie Daniell anmerkt, fast unverändert bis weit ins 20. Jahrhundert hinein die Grundlage englischer Ausgaben des Alten Testaments bildete.371 Inhaltlich wurden dadurch zum ersten Mal die 367 Lucy E. C. WOODING, Rethinking Catholicism in Reformation England, Oxford 2000, hier S. 51. 368 Die These, dass es sich bei der henrizianischen Erwählung um eine eigenständige ‚Bearbeitungsform der zeitgenössisch virulenten Themen handelte, klingt bereits ansatzweise bei SCHMID, ‚No Bishops, No King‘ und BERNARD, Making of Religious Policy an. 369 Freilich konnten die Akteure hierbei aus einer mittelalterlichen Tradition schöpfen, in deren Zuge immer wieder Teile des Alten Testaments in diversen medialen Formen aufbereitet und kommuniziert worden waren. Siehe dazu ZACHER, Rewriting the Old Testament; besonders die Verwendung alttestamentlicher Motive in populären, volkssprachigen Textgattungen wie der Historienbibel müssen in diesem Zusammenhang hervorgehoben werden. Siehe dazu Daniel ANLEZARK, Introduction Medieval, in: The Blackwell Companion to the Bible in English Literature, hrsg. von Rebecca Lemon et al., Oxford 2009, S. 41-60. 370 Vgl. William TYNDALE, The Pentateuch, Antwerpen 1530 (STC2 2350/Cambridge University Library); vgl. dazu auch DANIELL, Tyndale, S. 283-315. 371 Vgl. DANIELL, Tyndale, S. 283-291.

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Geschichte und das Schicksal der Israeliten sowie deren besonderes Verhältnis zu Gott in einem vollständigen Narrativ einer breiteren Masse zugänglich gemacht. Nicht ganz unwichtig für die Sache der Reformation waren zudem die Anmerkungen von Tyndale zu einzelnen Textpassagen, die in etwa einem Drittel der Fälle Kritik an der Vormachtstellung des Papstes sowie nichtbiblischen Elementen der Kirchenpraxis thematisierten.372 Die Aufbereitung und Veröffentlichung der fünf Bücher Mose im Kontext der Auseinandersetzung mit dem Papsttum und der alten Kirche konnte als Grundlage weiterer kritischer Texte dienen, die auf der Folie des Alten Testaments nicht nur eine Kritik der bisherigen Kirchentradition lancierten, sondern auf dessen Basis auch mögliche Alternativen offerierten und aus ihrer Sicht notwendige Reformen einforderten. So hieß es beispielsweise in einer dieser Schriften zur Aneignung von Herrschaftsrechten und Ländereien durch den Klerus, dass dies das mosaische Gesetz verbieten würde.373 Der Figur des Moses kam dabei häufig eine herausgehobene Stellung zu: Er sei es gewesen, der den Menschen zuerst das Wort Gottes gebracht und damit als Rechtsetzer und Vermittler zwischen beiden fungiert habe.374 Explizit wurde in diesem Rahmen betont, dass jenes, von Moses vermittelte Gesetz dazu geeignet sei, als Grundlage des Zusammenlebens zu dienen.375 Diese Ansicht stützte somit die Argumentation der Determinations und Censurae, indem es die nach wie vor bestehende Gültigkeit der mosaischen Gesetze betonte, da es sich dabei um göttliche Gebote mit einer überzeitlichen Bedeutung handeln würde.376 Ein besonders vehementer Verfechter dieser Ansicht war William Tyndale selbst. Im Gegensatz zu Luther, für den das Alte Testament „der Jüden Sachsenspiegel“ gewesen war und demzufolge mit dem Erlösertod Christi seine Gültigkeit eingebüst hätte, sah Tyndale darin ein immer noch geltendes Gesetz Gottes. 377 Nach seiner Auffassung bestand zwischen den Gläubigen und Gott ein Bund (covenant), der mit dem Gnadenopfer Christi von der Gruppe der Israeliten auf alle Gläubigen ausgedehnt worden sei. Vor diesem Hintergrund konstatierte er ein klares Bedingungsverhältnis zwischen Gnadenerwartung und Gesetzesgehorsam, das die Erlangung des Heils an die Befolgung der moralischen Gesetze Gottes band, wie sie im Alten Testament niedergeschrieben worden seien.378 372 373 374 375

Siehe DANIELL, Tyndale, S. 311f. The Ploughman’s Tale, fol. Cir. Siehe The prayer and complaint of the Ploweman, fol. Aviiv. „And in the tyme of the lawe geue[n] by Moyses / god made a full a[n]d a sufficient ordynaunce for all hys people howe & wher by they shuld lyue.“ An olde treatyse, in: A proper dyalogue, fol. Bviiv. 376 Siehe zu dieser Aussage, wonach das Alte Testament in zentralen Teilen nach wie vor Gültigkeit besitze, auch BOMELIUS, Summe of the holye scripture, fol. Oviiir-Pir; vgl. dazu auch die Bemerkungen bei PEČAR, Macht der Schrift, S. 132f. 377 Siehe Martin LUTHER, Ein unterrichtung wie sich die Christen ynn Mosen sollten schikken [1525], in: Ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 24, Weimar 1900, S. 2-16, hier S. 9; generell zu Luthers Verständnis des Alten Testaments Heinrich BORNKAMM, Luther und das Alte Testament, Tübingen 1948; cf. PEČAR, Macht der Schrift, S. 133. 378 Vgl. Prologues by William Tyndale shewing the use of the scripture, which he wrote before the Five Books of Moses, in: Walter (Hg.), Doctrinal Treatises, S. 403; zu den Unter-

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Die Aufwertung des Alten Testaments zu einer Richtschnur für die Ordnung des Gemeinwesens hatte Konsequenzen, die teilweise mit den Absichten der Krone korrespondierten. So appellierte William Tyndale etwa an die weltlichen Herrscher und Amtspersonen, ihre Eide gegenüber einem falschen geistlichen Stand zu brechen, weil sich diese offenkundig gegen die göttliche Ordnung gewandt hätten.379 Entscheidend für die Ermächtigung und Handlungsvollmacht des Königs war nach Ansicht Tyndales dabei seine von Gott gegebene Stellung: „[F]or God hath made the king in every realm judge over all, and over him is there no judge. He that judgeth the king judgeth God; and he that layeth hands on the king layeth hand on God; and he that resisteth the king resisteth God, and damneth God’s law and ordinance. If the subjects sin, they must be brought to the king’s judgement. If the king sin, he must be reserved unto the judgement, wrath, and vengeance of God. And as it is to resist the king, so is it to resist 380 his officer, which is set, or sent, to execute the king’s commandment.“

Während derartige Passagen grundsätzlich die exzeptionelle Stellung des englischen Monarchen bestätigten, war Tyndales Text gleichsam ein Beispiel dafür, wie sich zeitgenössische Autoren dessen Erwählung konkret vorstellten: So nutzte Tyndale beispielsweise das mosaische Vorbild, um darzulegen, dass die Israeliten ihre Gesetze – und damit Gottes Willen – durch einen der ihren in ihrer eigenen Sprache übermittelt bekommen hätten: „God gave the children of Israel a law by the hand of Moses in their mother tongue; and all the prophets wrote in their mother tongue, and all the psalms were in the mother tongue.“381 Auf diese Art und Weise reproduzierte er zwar die vom König reklamierte Stellung, band sie aber gleichwohl an die Forderung nach einer volkssprachigen Bibel – ein Anliegen, das für die englischen Reformatoren von zentraler Bedeutung war. Alttestamentliche Vorbilder wie Moses konnten zudem dazu instrumentalisiert werden, den Herrscher an dessen besondere Pflichten und Verantwortung zu erinnern. Denn analog zum Hausvater sei der Monarch für die Unbotmäßigkeiten seiner Untertanen verantwortlich und müsse diese vor Gott rechtfertigen. Tyndale illustrierte diesen Sachverhalt wiederum an einem mosaischen Beispiel: „And Deuteronomium iii. Moses rehearseth, saying, ‚God was angry with me for your sakes.‘ So that the wrath of God fell on Moses for the wickedness of the people.“382 Das Beispiel

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schieden der Ansichten Luthers und Tyndales bezüglich des Verhältnisses von Gesetz und Gnade etwa CLEBSCH, England’s Earliest Protestans, Kap. 10 & 11; DANIELL, Tyndale, S. 308-310; Henning Graf REVENTLOW, Bibelautorität und Geist der Moderne. Die Bedeutung des Bibelverständnisses für die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung in England von der Reformation bis zur Aufklärung, Göttingen 1980, S. 187191. Ich folge in diesem Absatz der Argumentation von PEČAR, Macht der Schrift, S. 132f. Vgl. William TYNDALE, The obedie[n]ce of a Christen man and how Christe[n] rulers ought to governe, Antwerpen 1528 (STC2 24446/Bodleian Library). Text in: Walter (Hg.), Doctrinal Treatises, S. 127-344, hier S. 240. TYNDALE, Obedience, S. 177. TYNDALE, Obedience, S. 144. TYNDALE, Obedience, S. 195.

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verweist bereits auf den Kern der englischen Erwählung, wie sie sich unter Heinrich VIII. herausbildete: die immanente Reziprozität. So wird dem König auf der einen Seite eine umfassende Autorität zur Intervention in weltliche und geistliche Belange zugestanden. Auf der anderen Seite war mit diesem Zugeständnis der Aufruf verbunden, die mannigfach konstatierten Übel im Königreich zu beenden und die von Gott auferlegte Pflicht zu inneren Reformen zu erfüllen. Dieses Bedingungsverhältnis entsprach mit anderen Worten der grundlegenden Konstellation der Mosaischen Unterscheidung, die eine ägyptische Unterdrückungssituation postulierte, welche ebenfalls durch Auszug, Abkehr und Ausgrenzung überwunden werden sollte. Die Annahme dieser an Heinrich VIII. herangetragen Repräsentation verpflichtete ihn infolgedessen auch zu eingehenden Reformen des Gemeinwesens. 383 Ansonsten konnte, wie John Guy angemerkt hat, eine Umkehr der Diskurse drohen, indem die ehedem auf das Papsttum konzentrierte Kritik nun auf den englischen König hätte übertragen werden können.384 Der Erwählungsstatus war somit in einem kommunikativen Aushandlungsprozess situiert, in dem die Reklamation der königlichen Vollmachten von einer basalen Zustimmung zumindest der politischen Nation abhing. 4.3.1 Vom Byshop of Rome zum ägyptischen Pharao: Die öffentliche Zurücksetzung des Papsttums Ein zentraler Aspekt der königlichen Propagandamaschinerie war die nachhaltige Diffamierung und Diskreditierung des Papsttums im öffentlichen Diskurs der Zeit. Dies fungierte als eine Folie, auf der nachfolgend diverse kirchliche und gesellschaftliche Bereiche als reformbedürftig ausgewiesen und gleichsam die neuen Rechte und Privilegien des Königs erklärt und legitimiert werden konnten. Zu berücksichtigen ist dabei der Umstand, dass jener Vorgang weitgehend komplementär zu den politischen Handlungen und insbesondere der neuen Gesetzgebung in jener Phase verlief. Analog dazu kann auch für den Bereich der Publizistik eine Entwicklung konstatiert werden, in deren Rahmen die öffentlich vorgetragenen Angriffe auf das Papsttum und dessen Kirche an Schärfe und Intensität gewannen.385 Den Höhepunkt bildete dabei 383 Kevin Sharpe hat diesen Prozess des Aushandelns von Macht zuletzt im Rahmen des königlichen „Images“ untersucht. Vgl. SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 3-57 zur theoretischen Einführung sowie Kap. III, S. 79-185 zu Heinrichs ‚Images‘. Sharpe geht von vielen Images aus, die sich der König prinzipiell aneignen und selbst schaffen konnte. Hier interessiert freilich vor allem jenes des erwählten Herrschers; im deutschen Sprachraum hat sich zuletzt etwa Stefan Brakensiek mit dem Aushandlungscharakter von Herrschaft befasst. Siehe Stefan BRAKENSIEK, Akzeptanzorientierte Herrschaft. Überlegungen zur politischen Kultur der Frühen Neuzeit, in: Helmut Neuhaus (Hg.), Die Frühe Neuzeit als Epoche [HZ Beiheft N. F. 49], München 2009, S. 395-406. 384 Siehe GUY, Monarchy and Counsel, S. 124 & 126-131. 385 Als Überblick zu dieser Propaganda nach wie vor ELTON, Policy and Police, Kap. 4, S. 171-216; ferner Pierre JANELLE, L’Angleterre Catholique à la veille du Schisme, Paris 1935, Kap. 6, S. 232-270 und Kap. 7, S. 271-319; Paul HUGHES, The Reformation in England, 3 Bde., London 1950-54, hier Bd. 1, London 1950, S. 248-255, 266-269, 330347; zuletzt SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 129-156 und PARDUE, Printing, Power and Piety, S. 145-181; GAZAL, Scripture, S. 51-81; mit stärkerem Fokus auf die kontinentalen Effekte auch Tracey A. SOWERBY, ‚All our books do be sent into other

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der Vorwurf, dass Papst und Klerus die Gläubigen bewusst vom wahren Glauben fernhalten und in einer Art Unwissenheit gefangen halten wollten. Dieser Zustand wird letztlich im Vergleich mit einer ägyptischen Knechtschaft des englischen Volkes symbolisch zusammengefasst, wobei der Papst zunehmend in die Rolle des alttestamentlichen Pharaos gedrängt wurde, währenddessen der König als von Gott erwählter Befreier der Unterdrückten gefeiert und stilisiert werden konnte. Auf diese Art und Weise versuchten sich Heinrich VIII. und seine Mitstreiter die wesentlichen Elemente jener Mosaischen Unterscheidung anzueignen und für ihre Zwecke nutzbar zu machen. Das früheste Werk in der royalen Propagandamaschinerie jener Zeit war The Glasse of Truth, das im Herbst 1532 publiziert wurde und an dem der König sehr wahrscheinlich selbst mitgearbeitet hat.386 Der Text stellte eine Weiterentwicklung der Censurae und Determinations dar, da der Angriff auf das Papsttum nun offensiver vorgetragen und gerade im Hinblick auf ein Widerstandsrecht konkretisiert wurde. Daneben weist die Schrift einen grundlegend werbenden Charakter auf, was als Hinweis auf die prekäre bzw. unsichere Stellung der vorgebrachten, innovativen Ideen und Handlungen in jener Zeit gedeutet werden kann. 387 Bestärkt wird dieser Verdacht durch die weidliche Inkorporation einer vorwiegend reformatorischen Wahrheitsrhetorik. So hieß es bereits im Vorwort, dass man die Absicht habe, nichts als die reine und unverfälschte Wahrheit kundzutun, indem der bestehende Konflikt zwischen König und Papst anhand diverser Autoritäten wie der Bibel, den Kirchenkonzilien, den Gutachten der Universitäten oder den Bestimmungen vergangener Päpste und Kirchenväter beurteilt werden solle.388 Als grundlegende Konstante bekräftigte auch dieses Werk die Bestimmungen aus dem Buch Levitikus, wobei gleichzeitig die deuteronomistischen Vorgaben zu speziellen Gesetzen erklärt wurden, die einzig für die Israeliten gegolten hätten.389 Dem-

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countreys and translated‘: Henrician Polemic in its International Context, in: EHR 121 (2006), S. 1271-1299. A Glasse of the truthe, London 1532 (STC2 11918/Bodleian Library); es gibt zwei Ausgaben der Schrift sowie eine zeitnahe französische Übersetzung. Siehe A Glasse of the truthe, London 1532 (STC2 11919/British Library) und die frz. Übersetzung Le Myrouer de Verite, London 1532 (STC2 11919.5/Lincoln Cathedral Library). Die hier benutzte Ausgabe der Bodleian Library ist die jüngere; cf. ELTON, Policy and Police, S. 176-179; JANELLE, Schisme, S. 238-245; HUGHES, Reformation, Bd. 1, S. 248-253; NICHOLSON, Historical Function, S. 161, 192-194, 200; DERS., Act of Appeals, S. 21; Stephen W. HAAS, Henry VIII’s Glasse of Truthe, in: History 64 (1979), S. 353-362. Haas hatte das Datum der Publikation noch für 1531 angegeben. Diese Annahme ist von Richard Rex auf September 1532 korrigiert worden. Siehe Richard REX, Redating Henry VIII’s A Glasse of Truthe, in: The Library, 7th Ser., 4 (2003), S. 16-27. Die Dialogform des Textes konnte in diesem Zusammenhang ebenfalls dazu beitragen, schwierige Sachverhalte überzeugend darzulegen und zu erklären. Siehe dazu KELLER, Frühe Neuzeit, S. 97-99; C. J. R. ARMSTRONG, The Dialectical Road to Truth: the Dialogue, in: Peter Sharratt (Hg.), French Renaissance Studies 1540-70. Humanism and the Encyclopedia, Edinburgh 1976, S. 36-51. Vgl. A Glasse of Truthe, fol. Aiir-v. Vgl. A Glasse of Truthe, fol. Biiiv-Bviir.

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gegenüber wurden die levitischen Anordnungen als nach wie vor gültiges Recht präsentiert, die somit als verbindliches Gebot Gottes gelten müssten. 390 Diese Tatsache hätten zudem zahlreiche Autoritäten abseits der Heiligen Schrift bestätigt, weshalb es wahr sein müsse.391 Vor diesem Hintergrund entwarf der Text nun eine Position, die sämtliche Gegner der königlichen Causa gleichsam zu Feinden des wahren Glaubens und damit zu Feinden Christi stilisierte. Dazu hieß es u.a.: „Wherfore any more to doubte of hit, or to calle hit disputable, and nat to repute hit as alredy iudged: I see no grounde why, and thinke it dampnable. Alas, me thynketh that lerned men holdinge agaynste this opinion, tho they seme to be of the churche: they be not in dede. For they holde an opinion contrarye to the opinion accepted by the hole churche. Wherfore these words of scripture maye well be layed ageynste them, where Christe sayeth. Who so that is nat on my syde, is on the syde agaynste me. So that by these wordes verified in them, hit well ap392 pereth that they be not of Christes churche.“

Dass derartige Feststellungen Auswirkungen auf die innere Ordnung des englischen Gemeinwesens haben konnten, war den Autoren sehr wohl bewusst. Da hierbei am Ende eine prinzipielle Entscheidung zwischen den Vorgaben der Papstkirche und der neuartigen Politik der Krone drohte, versuchte man diese im Rahmen der Glasse of Truth durch zwei Argumentationsrichtungen zu beeinflussen: Zum einen ist die Tendenz zu erkennen, die gesamte Problematik in den Kontext des englischen Gemeinwesens zu verschieben. Dadurch konnten sowohl genuin englische Institutionen als auch die englische Geschichte stärker eingebunden werden. Zum anderen resultierte aus dem Versuch, die gesamte Problematik innerhalb des englischen Königreichs zu verorten, eine ungleich stärkere Diffamierung des Papsttums als dies bislang der Fall gewesen wäre. Die Grundlage des Ganzen bildete eine Körpermetaphorik, die nicht nur den Zusammenhalt und die Eintracht zwischen Volk und König beschwor, sondern auch göttliches Wohlwollen und Prosperität verheiße: „I thynke there shuld be roted the greattest vnion betwene the heed and bodye that euer was sene or harde of. Which shulde fulfyll and perfyght that wyse sayenge of Salust. Where is peace and concorde, smalle thynges encreasyth and commeth to moche: by debate and discorde where is moste, hit soone fayleth and slydeth awaye. Wherfore I praye god sende vs his light of 393 grace, specially to kepe this betwene our heed and vs.“ 390 A Glasse of Truthe, fol. Bviir: „Firste I esteme the worde of our lorde god aboue all thynges“; die Schrift ist durchzogen mit Verweisen auf das Alte Testament als bindendem Wort Gottes. Siehe dazu auch HAAS, Glasse of Truthe, S. 358. 391 Als weitere Autoritäten werden antike Autoren, die großen Kirchenkonzilien sowie die Universitäten angeführt. Vgl. A Glasse of Truthe, fol. Cir-Ciir. 392 A Glasse of Truthe, fol. Ciiv. 393 A Glasse of Truthe, fol. Civv; Aufrufe zu Eintracht, die mit dem Bild des politischen Körpers verbunden wurden, finden sich auch Ibid., fols. Ciiiv & Cviiv; zur Thematik siehe David G. HALE, The Body Politic. A Political Metaphor in Renaissance English Literature, The Hague 1971.

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Darauf aufbauend versuchte die Glasse of Truth den Konflikt mit Rom nun zur Angelegenheit des gesamten Königreichs zu stilisieren. Demnach sei die Frage der Annullierung nicht nur ein spezifisches Problem Heinrichs VIII., sondern betreffe in besonderer Weise auch dessen Untertanen: „Me thinketh, this matter toucheth vs as moche almoste as him. Sauinge onely his conscience. But as for the worlde, moch more. For in his tyme no man can interrupt him: nor there is no besynes in title. But afterwarde if the ordre be nat set by him or that he dye: it is harde to say, howe many shal repent it. Wherfore I thinke of bothe, it is more requisite for vs than for him: to 394 haue this mattre at an honorable ende.“

Vor diesem Hintergrund stand für die Diskutanten der Glasse fest, dass die für das gesamte Gemeinwesen so wichtige Annullierungsfrage ohne jeden Zweifel innerhalb des Königreichs geregelt werden müsse: „For no doubt but that it ought to be determyned within this realme: as plainly ynoughe it appereth bifore.“ 395 Andernfalls drohe eine Einmischung ‚fremder Potentaten‘ in die inneren Angelegenheiten Englands, was unbedingt vermieden werden sollte: „Surely you say well. For me thinketh, the succession of this realme, ought nat to be ordered by forreins. For if it shulde, and we to accepte the same: they ware rulers and orderers of this realme, and nat the king & his parliament. And than doutlesse this realme ware as euyll in con396 dition as sclaues of Turkes.“

Als Argument für eine innerenglische Regelung der Annullierung griff die Schrift auf Bestimmungen der Konzile von Nizäa (325 n. Chr.) und Konstantinopel (381 n. Chr.) zurück. In deren Rahmen sei eindeutig beschlossen worden, dass alle kirchlichen Angelegenheiten dort verhandelt werden sollten, wo sie zuerst begonnen hatten. In diesem Sinne wurde den jeweiligen Geistlichen der entsprechenden Kirchenprovinz das Recht zugesprochen, in einer Zusammenkunft die wichtigen Fragen der Provinz zu klären. Damit stärkte die Schrift das Argument der autonomen Selbstverwaltung einer Kirchenprovinz und konstatierte, dass jegliche Causen nicht über den Metropoliten der jeweiligen Provinz hinausgehen sollten.397 Da es sich folglich um eine genuin englische Angelegenheit handele, die nicht nur das gesamte Königreich betreffe, sondern auch rechtmäßig innerhalb Englands geregelt werden müsse, wurde in der Folge das Parlament für zuständig erklärt. 398 Mit dem Verweis auf die Konzilsbeschlüsse ging gleichsam eine Kritik am Papsttum einher. Die Glasse of Truthe bediente sich hier konziliaristischer ArgumentatioA Glasse of Truthe, fol. Fir-v. A Glasse of Truthe, fol. Fiv. A Glasse of Truthe, fol. Fiv. Vgl. die Darstellung in A Glasse of Truthe, fol. Cviiir-Diiir; einführend zum Konzil von Konstantinopel Adolf Martin RITTER, Art. „Konstantinopel/Byzanz IV.“, in: RGG4, Bd. 4, Tübingen 2001, Sp. 1625-1627, hier Sp. 1625f; Karl BAUS / Eugen EWIG, Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 2/1: Die Kirche von Nikaia bis Chalkedon, Freiburg i. Br. u.a. 1973, S. 70-80. 398 Siehe A Glasse of Truthe, fol. Fiv.

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nen des Mittelalters, deren Quintessenz darin bestand, das Konzil gegenüber dem Papsttum massiv aufzuwerten. Aufbauend auf einem Lehrsatz des römischen Rechts setzte sich bei Vertretern einer Konzilsidee die Auffassung durch, dass der Papst lediglich ein beauftragter und rechenschafftspflichtiger ‚Minister‘ einer Gesamtkirche sei.399 Sollte dieser sein Amt nicht mehr adäquat erfüllen, könne er sehr wohl von einem Konzil abgesetzt werden.400 Die sich hier abzeichnende Ansicht, dass das Generalkonzil als oberste Instanz in der Christenheit fungieren könne und zuweilen müsse, fand sich auch in der Glasse of Truthe, wenn es beispielsweise hieß: „Euery man of what so euer state or dignitie that he be, ye tho he be the pope: is bounde to obey the generall counsel“401. Als Ergänzung zum konziliaristischen Argument kann die Betonung des Widerstandsrechts gegen die Kurie angesehen werden. So wurde die Renitenz Clemens’ VII., in der Annullierungsfrage zugunsten Heinrichs VIII. zu entscheiden, als absolut konträr zum göttlichen Gesetz sowie den Stellungnahmen diverser Instanzen dargestellt. Daraus deduzierten die Autoren, dass einer päpstlichen Anweisung, die eindeutig gegen die Gebote Gottes verstoße, nicht Folge geleistet werden müsse. Denn auch der Papst stehe letztlich nicht über den göttlichen Gesetzen und könne daher keinesfalls zu Sünde und einem unmoralischen Verhalten auffordern. Sollte er oder ein anderer Geistlicher im Gegensatz dazu dennoch gegen die Annullierung der königlichen Ehe votieren und agieren, könne dies nur aus einem schlechten Charakter oder einer persönlichen Vorteilsnahme resultieren. Daraus hervorgehenden Exkommunikations- oder sonstigen Strafandrohungen dürfe keine Beachtung geschenkt werden.402 Denn es sei besser, Gott und dessen Geboten Folge zu leisten, als wankelmütigen Menschen zu dienen. Die Glasse bekräftigte derart: „For the churche of god

399 Quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet. Vgl. dazu ausführlich Yves M.-J. CONGAR, Quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet, in: Heinz Rausch (Hg.), Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung. Die Entwicklung von den mittelalterlichen Korporationen zu den modernen Parlamenten, Bd. 1, Darmstadt 1980, S. 115-182; Gaines POST, A Romano-Canonical Maxim, Quod omnes tangit, in Bracton and in early Parliaments, in: Traditio 4 (1946), S. 197-251; zuletzt Bruce BRAISINGTON, „A Devine Precept of Fraternal Union“: The Maxim Quod omnes tangit in Anglo-American Thought to the Ratification of the Constitution, in: James Muldoon (Hg.), Bridging the Medieval-Modern Divide. Medieval Themes in the World of the Reformation, Farnham u.a. 2013, S. 205-223. 400 Zum Konziliarismus des späten Mittelalters siehe Heribert MÜLLER, Die kirchliche Krise des Spätmittelalters. Schisma, Konziliarismus und Konzilien [Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 90] München 2012, S. 12-21; Francis OAKLEY, Natural law, conciliarism and consent in late Middle Ages, London 1984; DERS., The conciliarist tradition. Constitutionalism in the Catholic Church 1300-1870, Oxford u.a. 2003; Antony BLACK, The conciliar movement, in: Burns (Hg.), Cambridge History of medieval political thought, S. 573-587; James H. BURNS, Scholasticism: survival and revival, in: Ders. / Mark Goldie (Hgg.), The Cambridge History of Political Thought 1450-1700, Cambridge 1994, S. 132-155, hier S. 146-155. 401 A Glasse of Truthe, fol. Divv. 402 A Glasse of Truthe, fol. Eir-Eiir.

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hathe his foundation sette vpon a fyrme and stedfaste stone of truth and faythe: and nat vpon the mutable and wylfull pleasure of Petres successours.“403 Die Glasse of Truthe hatte damit ein Tableau von Themen etabliert, das in der Folge ausgebaut, zugespitzt und erweitert werden sollte. Als wichtigste Punkte können ein aktives Widerstandsrecht gegen eindeutig falsche und gottlose Bestimmungen des Stellvertreters Christi, die Aufwertung des Alten Testaments, die Betonung der Autonomie einer englischen Kirchenprovinz, der Gedanke eines Generalkonzils sowie der Rekurs auf eine spezifische Wahrheitssemantik festgehalten werden, wie sie vor allem in den reformatorischen Diskussionen der Zeit gepflegt wurde. Aufgegriffen wurden diese Themen in einer Verlautbarung des Privy Councils aus dem Jahr 1533, die einen deutlich schärferen Ton anschlug. 404 Analog zur Glasse erklärte auch diese Schrift, die Untertanen des Königs über die reine Wahrheit aufklären zu wollen. Ziel des Schriftstücks sei es, die mannigfaltigen Kränkungen und den Schaden, den der Souverän davongetragen habe, offenzulegen. Interessant ist, dass hier ausdrücklich der Vorsatz geäußert wurde, das Volk über wichtige Dinge, die alle angingen, zu informieren.405 In diesem Sinne dienten die neun publizierten Artikel dazu, in knapper Form die wesentlichen Punkte der bisherigen Argumentation gebündelt wiederzugeben. Dabei wurden freilich einige Punkte zugespitzt, so dass vor allem die Differenz zur Kurie stärker konturiert werden konnte. Ausgangspunkt der Schrift war die Problematik der Eheannullierung, wodurch der unmittelbare Bezug zur Tagespolitik hergestellt worden ist. Im Besonderen wurde die kürzlich vollzogene Annullierung der Ehe durch den Erzbischof von Canterbury thematisiert, die für rechtens erklärt wurde. Hierdurch konnte daraufhin die nachfolgende Heirat mit Anna Boleyn legitimisiert werden.406 Um diesen Schritt freilich insgesamt mit einer Aura der Rechtmäßigkeit zu versehen und dadurch idealiter Akzeptanz zu kreieren, mussten die Gegner der Eheauflösung diskreditiert werden. Allen voran traf dies auf den Papst zu, der im Rahmen der Schrift konsequent nur noch als Bischof von Rom angesprochen wurde. Der Oberhirte habe durch seine Bemühungen, die Scheidungssache nach Rom zu ziehen, gegen die Beschlüsse diverser Generalkonzilien verstoßen und göttliches Recht usurpiert. Er throne fälschlicherwei403 A Glasse of Truthe, fol. Eiir. 404 Vgl. Articles deuisid by the holle consent of the kynges moste honourable counsayle his gracis licence opteined therto, not only to exhorte, but also to enfourme his louynge subiectis of the trouthe, London 1533 (STC2 9177/British Library). Eine Edition des Textes findet sich in POCOCK (Hg.), Records, Bd. 2, Nr. 350, S. 523-531; Elton sieht diese Schrift als Bestandteil jener im Anschluss an die Veröffentlichung des Act of Appeals anvisierten Propagandaaktion, die das Ziel verfolgt habe, das Papsttum als Machtfaktor in England zu eliminieren und gleichzeitig für die Sache des Königs zu werben. Vgl. ELTON, Policy and Police, S. 180; die Beschlüsse und Anweisungen zu einer groß angelegten Propagandaaktion in Letters and Papers VI, Nr. 1487, S. 600f. 405 Siehe Articles deuisid, fol. 2r. 406 Vgl. Articles deuisid, fol. 3r-v. Betont wird hier, dass der Erzbischof die Annullierung aufgrund einer Autorisierung durch das Parlament vorgenommen habe. Die Ehe mit Anna wurde zuerst geheim geschlossen und dann noch einmal öffentlich vollzogen. Siehe Eric IVES, Art. „Anne, queen of England“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017].

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se in Rom und würde sein schändliches Verhalten auch weiterhin betreiben, hätte der englische König die Angelegenheit nicht selbst in die Hand genommen. 407 Gleichsam wurden erneut Ängste geschürt, dass im Falle einer Einmischung des Papsttums in die Eheproblematik ein auswärtiger Potentat Einfluss auf die Nachfolgeregelung im Königreich bekäme und diese im schlimmsten Falle nach eigenem Ermessen gestalten könnte. In dieser Darstellung degenerierte der Inhaber des Stuhles Petri zu einem weltlichen Herrscher, der im Hinblick auf England ganz eigene Ziele verfolge und seine unheilschwangeren Absichten durch die Unterstützung und Propagierung einer unrechtmäßigen und inzestuösen Ehe bereits kundgetan habe. 408 Als weiteren Beleg für eine ungerechte und einseitige bzw. parteiische Handhabung des Verfahrens durch die Kurie wurde die Zurückweisung eines Stellvertreters angeführt. So hatte Clemens VII. die persönliche Anwesenheit des englischen Königs für das weitere Verfahren verlangt und keinen Stellvertreter akzeptiert, wie es gute Sitte in der Zeit gewesen sei. Dies wertete der Text als großen Affront gegenüber Heinrich VIII., zumal er bislang der einzige Herrscher gewesen wäre, dem dieses Recht versagt worden sei.409 Von besonderer Bedeutung war der Umstand, dass die Schrift die Grenzziehung zwischen jenen, die treu zum Papst standen, und den wahren und gläubigen Untertanen des englischen Königs rekapitulierte und aktualisierte. Entscheidendes Differenzierungsmerkmal war wiederum die Wahrheit. In erster Linie bediente man sich hier erneut eines konziliaristischen Arguments: So habe das Konzil von Basel (14311449) eindeutig festgestellt, dass niemand über dem Generalkonzil stehe, woraus folge: „Who so euer opponeth him self obstinatly ageinst this truth, is to be taken by all true christen people, as an heritike.“ 410 Der Text vermerkte weiter, dass der englische König in seiner Angelegenheit an ein eben solches appelliert habe.411 Dieses Recht stünde Heinrich VIII. zu, allerdings habe der Papst diesen Appell ungerechtfertigterweise ignoriert und würde dagegen opponieren. Vor diesem Hintergrund warnte die Schrift davor, den Vorgaben des Papsttums zu folgen: „Wherfore, louing frendes, lette vs so handell oure selfe bothe in wordes & dedes, that we be not taken, for ani fonde scruple in this trap, and let not herein our eies be so blynded, nor our eares made so defe with the sayingis or prechinges of any papystes, that we ron heedlonge ag412 eynste the true beleue of all righte Christen people.“

407 Siehe Articles deuisid, fol. 3v-4r: „[T]he byshop of Rome by some men called the Pope, the vsurper of goddes lawe, and infringer of general counsels, hath hytherto wrongfully deteined at Rome, and wolde do stylle, except otherwise our prince and his parlyament had prouided, his gret and weightie cause, contrary to all righte and conscience, to the vtter vndoinge of this realme.“ 408 Siehe Articles deuisid, fol. 4r-v. 409 Siehe Articles deuisid, fol. 4v-5r. 410 Articles deuisid, fol. 5v. 411 Zum Appell des Königs an ein Generalkonzil siehe Letters and Papers VI, Nr. 721, S. 320; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 262f, 319; BURGESS, Political Thought, S. 40f; MACCULLOCH, Cranmer, S. 60, 105f; vgl. auch die Ausführungen unten, S. 238f. 412 Beide Zitate Articles deuisid, fol. 5v.

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An dieser Stelle wurde ein Häresieverdacht gegenüber all jenen insinuiert, die widerspruchslos den Anordnungen eines irrenden Oberhirten folgten und dabei womöglich ihre Treueverpflichtung gegenüber dem König verletzten. Als wahrer Christ könne man in dieser Angelegenheit kein „Papist“ sein, wenn es gelte, zwischen einem unrechten Verhalten des Papstes im Hinblick auf ein Generalkonzil und der von Christus geforderten Treue zum Fürsten zu entscheiden.413 Der Bischof von Rom habe in dieser Sache die Appellation des englischen Königs an ein Generalkonzil missachtet und sein parteiisches Verfahren weiter betrieben, so dass in letzter Konsequenz alle von der Kurie ausgehenden Verbote, Bannsprüche etc. für nichtig erklärt werden müssten.414 Im Besonderen sprachen die Autoren die Exkommunikation an, die von keinem Mitglied der englischen Kirche befolgt werden solle.415 Das Menetekel einer Exkommunikation war ohne Zweifel geeignet, eine Situation erhöhter Unsicherheit zu erzeugen, weshalb unter anderem das falsche, parteiische und häretische Verhalten des Papstes besonders betont wurde. In diesem Sinne schloß die Schrift denn auch mit einem erneuten Angriff auf den Inhaber des Stuhles Petri: Nicht nur bezweifelte man in diesem Rahmen die Abstammung Clemens’ VII., sondern warf ihm zugleich vor, er habe sein Amt durch Simonie erworben und es seitdem unrechtmäßig inne gehabt. Zudem kam erneut der Vorwurf der Häresie auf.416 Als Quintessenz wurde der Papst am Ende als eine Art blinder Führer präsentiert, der aus rein egoistischen Motiven handele und lediglich an weltlichen Dingen interessiert sei –, und dabei seine eigentliche Aufgabe nicht mehr erfülle.417 Die gesamte Schrift scheint aufgrund ihrer Kürze und ihrem eher feststellenden Charakter für ein breiteres Publikum gedacht gewesen zu sein. Eine ausführliche Argumentation der einzelnen Punkte kommt nicht vor; vielmehr dienen die Aussagen dazu, prägnante Essenzen zu liefern. Trotzdem gelingt es in dieser Kürze, die vorgezeichnete Differenz aus der Glasse zwischen der Krone und dem Papsttum nicht nur zu reproduzieren, sondern auch klarer zu fassen. Es war somit das große Verdienst 413 Die negative Konnotation des Begriffes „papist“ könnte hier zum ersten Mal in einem offiziellen, publizierten Dokument aufgetreten sein. Im englischen Sprachraum ist die Bezeichnung in dieser Bedeutung sehr wahrscheinlich Ausfluss reformatorischer Strömungen. Vgl. dazu den Eintrag im Oxford English Dictionary, online-Ausgabe, Oxford 2017, s. v. papist, URL: [14.04.2017]. 414 Vgl. Articles deuisid, fol. 6v-7v. 415 Siehe Articles deuisid, fol. 7r-v; Papst Clemens VII. hatte mit der Annullierungserklärung der Ehe zwischen Heinrich und Anna zugleich die Exkommunikation ausgesprochen, diese aber bis September 1533 ausgesetzt. Siehe The Pope’s sentence, annulling the marriage of Henry with Anne Boleyn, issued July 11, 1533, in: POCOCK (Hg.), Records, Bd. 2, Appendix Nr. 34, S. 677-678. 416 Vgl. Articles deuisid, fol. 10r. 417 Siehe Articles deuisid, fol. 10v: „Wherfore, all we (beinge trewe christen people, he thus contynuynge) oughte to despyce bothe hym and his factes, and be no lenger blinded with hym, but gyue our selfes holly to the obseruance of Christis lawe, in whiche is all swetnes and truthe, adioyninge with it the lawes of this realme, vtterly relynquyshynge the other, in whiche is nothynge elles, but pompe, pride, ambition, and wayes to make them selfes ryche, whiche is moche contrarious to his profession, our lorde amende hym, and giue vs grace no lenger to be blynded with hym.“

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der Articles zu einer Zuordnung zu kommen, die die Krone mit einer göttlichen Wahrheit verband, währenddessen der Papst als Gegner dieser Wahrheit firmierte. Hierfür prägte die Schrift den Begriff der ‚papists‘, die in diesem Sinne nicht nur Gegner der königlichen Sache, sondern eine blinde und fehlgeleitete Gefolgschaft des Papstes waren, die sich gegen die Wahrheit Gottes stellten und versündigten – auch weil sie dem König die ihm zu leistende Treue versagten. In den Jahren 1534/35 erschienen gleich mehrere Werke, die im Kontext der Publikation des Act of Supremacy gesehen werden müssen. Während drei dieser Texte in Latein verfasst wurden418 und damit ein Publikum ansprechen konnten, das sowohl in England selbst wie auch auf dem Kontinent gesucht werden kann, richteten sich zwei andere primär auf einen genuin englischen Adressatenkreis. 419 Allen jedoch oblag die schwierige Aufgabe, die Loslösung von Rom zu rechtfertigen. In der Schrift A Litel Treatise ageynste the mutterynge of some papistis in corners 420 wurde sogar gezielt auf die damit verbundenen Problematiken eingegangen. So kritisierte der Autor explizit jene eingeübten Gewohnheiten und Traditionen, die viele Personen weiterhin dem Papsttum folgen ließen, obwohl sie gegen die kürzlich wiederentdeckte Wahrheit verstießen: „Truthe ones knowen […] custome must giue place to the truthe. For who douteth that custome ought to gyue place to the truthe ones published? Nor let no man preferred Custome afore reson 421 and truthe: for alweys Reason and truthe putteth custome out of place.“ 418 Edward FOXE, Opus eximium, de vera differentia regiae potestatis et ecclesiasticae et quae sit ipsa veritas ac virtus vtriusque, London 1534 (STC2 11218/British Library); das Werk wurde 1538 nachgedruckt. Siehe den Eintrag STC2 11219. Zudem kam es 1548 zu einer englischen Übersetzung durch Henry Baron Stafford. Siehe The true dyffere[n]s betwen ye regall power and the ecclesiasticall power translated out of latyn by Henry lord Stafforde, London 1548 (STC2 11220/British Library); Richard SAMPSON, Regii sacelliae decani oratio, qua docet, hortatur, admonet omnes potissimu[m] anglos, regiae dignitati cum primis ut obediant quia uerbum dei pr[in]cipit episcopo Romano ne sint audientes, qui nullo iure diuino, in eos quicq[ue] potestatis habet, postq[uam] ita iubet rex, ut illi non obediant […], London 1535 (STC2 21681/Bodleian Library); Stephen GARDINER, De vera obedientia oratio, London 1535 (STC2 11584/British Library); Text ediert zusammen mit der englischen Übersetzung von 1553 (STC2 11585/Henry E. Huntington Library) in: Obedience in Church and State. Three political tracts by Stephen Gardiner, ed. von Pierre JANELLE, Cambridge 1930, hier Reprint New York 1968, S. 67171. 419 Laut Tracey Sowerby dienten vor allem die lateinischen Werke englischen Diplomaten im Ausland als argumentativer Leitfaden. Für einige der Texte kann sie zudem nachweisen, dass sie gezielt auf dem Kontinent in Umlauf gebracht und teilweise sogar nachgedruckt worden sind. Siehe SOWERBY, Henrician Polemic, passim. 420 Thomas SWINNERTON, A litel treatise ageynste the mutterynge of some papistis in corners, London 1534 (STC2 23551.5/Bodleian Library). Eine Edition liegt vor in POCOCK (Hg.), Records, Bd. 2, Nr. 355, S. 539-552. 421 SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Aivv. Der Autor hatte zuvor bereits zu den Anhängern des Papsttums bemerkt, dass sie diesem folgen würden „eyther of affection, or els throughe ignoraunce“. Ibid., fol. Aiiv.

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Diese Gewohnheiten und Traditionen bildeten vielfach den entscheidenden Grund für heftige Kontroversen innerhalb des Gemeinwesens, weshalb es von essenzieller Bedeutung war, deren Status zu unterminieren und sie im öffentlichen Bewusstsein als schlecht und gottlos zu etikettieren.422 Eine Strategie in diesem Zusammenhang bestand darin, die reklamierte geistliche und weltliche Präeminenz des Papsttums prinzipiell zu hinterfragen und dadurch die Handlungskompetenzen des Oberhirten sowie die Reichweite des pontifikalen Einflusses innerhalb der Christenheit erheblich einzuschränken. Der entscheidende Punkt in diesem Zusammenhang bestand in der Neuinterpretation jener petrinischen Sukzession, über welche die weitreichenden Kompetenzen und Befugnisse des Papstes gemeinhin gerechtfertigt worden waren. 423 Die verschiedenen Schriften bemühten sich in diesem Zuge den Nachweis zu erbringen, dass die Vormachtstellung bzw. Vorrangstellung des Pontifex nicht von einer ursprünglich göttlich verliehenen Autorität ausgehe, sondern vielmehr Resultat eines durch menschliche Machenschaften beeinflussten, historischen Entwicklungsprozesses gewesen sei.424 In diesem Rahmen kritisierten die Autoren auch das kanonische Recht, das nicht mit dem göttlichem Recht übereinstimme, sondern einzig dem Zweck diene, die usurpierte Stellung des Papstes zu zementieren. 425 Ergänzend dazu nahm sich die Vorstellung aus, dass der Oberhirte lediglich einer unter vielen Bischöfen sei, weshalb er konsequent nur mehr als Bischof von Rom angesprochen wurde.426

422 Siehe etwa den Kommentar bei SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Aiir: „For so moche that somme controuersie, at the fyrste sight of certayne bokes, of late put forthe concernynge the bysshopp of Rome, called the pope, rose amonge the people, some meruaylynge, that we shulde so sodeynely relynquysshe and forsake that custome that had so longe continued“. 423 Grundlage des Ganzen war eine Stelle aus Matthäus 16, 18-19, wo es hieß: „And I say also unto thee, That thou art Peter, and upon this rock I will build my church; and the gates of hell shall not prevail against it. And I will give unto thee the keys of the kingdom of heaven: and whatsoever thou shalt bind on earth shall be bound in heaven: and whatsoever thou shalt loose on earth shall be loosed in heaven.“ Vgl. dazu auch den Abschnitt „Katholische Glaubenslehre“ bei Georg SCHWAIGER / Heinrich LEIPOLD, Art. „Papsttum“, in: TRE 25 (1995), S. 647-695, hier S. 647f. 424 SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Aiiir; dies hatte bereits Tyndale versucht nachzuweisen. Siehe bspw. TYNDALE, Practice of Prelates, S. 266-272; 1534 erschien zudem die englische Übersetzung eines im Original deutschen Werkes, in dem dieser historische Prozess ebenfalls thematisiert wurde. Siehe dazu Joachim VADIANUS, A worke entytled of ye olde god & the newe / of the olde faythe & the newe, of the olde doctryne and ye newe / or orygynall begynnynge of Idolatrye, übersetzt von William Turner, London 1534 (STC2 25127/Bodleian Library), hier v.a. die Kritik im ersten Buch, fol. Bvi r-Oviiiv sowie die einführenden Bemerkungen fol. {Aiiv-Aivv}. 425 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fols. Biir-Biiir, Fivr-Gir; Christopher St. German hatte in seinen Werken das kanonische Recht in ähnlicher Weise kritisiert. Siehe dazu den Abschnitt 3.2.4. 426 Vgl. SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Aiir-Aiiir; Simon MATTHEW, A sermon made in the cathedrall churche of Saynt Paule at London, the XXVII. day of June, Anno. 1535,

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Von entscheidender Bedeutung war die Kritik des päpstlichen Amtes im Hinblick auf jene proklamierte Binde- und Lösegewalt, welche der Pontifex von Christus in der Nachfolge Petri übertragen bekommen haben soll. Hier wurden mehrere Argumente vorgebracht, um diese Grundlage päpstlicher Präeminenz zu unterminieren: Zum einen schlossen sich die Texte einer besonders von den Reformatoren artikulierten Sichtweise an, wonach die entscheidende Stelle aus Matthäus 16 derart ausgelegt wurde, dass Petrus hier als Symbol für die Gesamtkirche gesehen werden müsse.427 Simon Matthew deutete dies dahingehend, dass demzufolge alle Apostel über die gleiche Macht verfügt hätten.428 Neben dieser Argumentation konzentrierten sich die Schriften auch vermehrt auf das konkrete Verhalten der Päpste in Vergangenheit und Gegenwart. Vor diesem Hintergrund kamen sie ebenfalls zur Feststellung, dass der Pontifex bzw. die Papstkirche den Schlüssel zu einem göttlichen Wissen nicht besitzen könne, da ihm oder ihr eine christliche Demut zum rechten Verständnis der Heiligen Schrift fehle.429 Zu sehen sei dies nicht zuletzt an einem antichristlichen Lebensstil und sündhaften Verhalten vieler Päpste, die anstatt dem Vorbild der Apostel zu folgen und den Glauben zu verbreiten, selbstsüchtigen Bestrebungen nachgingen.430 So geißelte man zum Beispiel die vielfältigen, weltlichen Verstrickungen des Papsttums und seiner Kleriker, indem etwa die diversen Herrschaftsrechte und Ländereien der Kirche kritisiert wurden. Analog zu den Ausführungen englischer Reformer machten die Autoren den Pontifex und dessen Getreue zudem für das Aufwiegeln und Entfachen vieler Unruhen und Kriege innerhalb der Christenheit verantwortlich, worin sie eine Ursache für Elend, Mangel und Verdruss erkennen wollten.431

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London 1535 (STC2 17656/British Library), fols. Cir-v, Ciiiv, Cvr, Cvir. Zu Matthew etwa MARSHALL, Is the Pope Catholic?, S. 22-48. Vgl. SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Bivr; MATTHEW, Sermon, fol. Civ-Ciir; SAMPr-v r-v SON, Oratio, fol. Biv ; FOXE, De Vera Differentia, fol. Biii ; dazu auch BARNES, Supplication, S. 579-581. Siehe MATTHEW, Sermon, fol. Ciiv. SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Bvv: „Wherfore seinge he hath nother the keys of heuen, nor the key of diuine knoweledge, nor the key of feythe: I can perceyue none other, but that he is the vnsauery salt, wherof our sauiour Christe speketh in the gospell, whiche is no better worthe, but to be throwen out of the doores, and to be trodde vnder mens feete.“ Vgl. dazu etwa SWINNERTON, A Litel treatise, fols. Aviir-v, Bvir-v; FOXE, De Vera Differentia, fol. Bivr; Swinnerton verleiht in einer anderen Schrift aus dem Jahr 1534 dieser Kritik eine größere, historische Dimension, indem er den Nachweis führen will, dass viele Päpste nachweislich Häretiker, Simoniten und Verbrecher gewesen seien. Siehe SWINNERTON, Mustre, fol. Biiv-Bvir und passim. Siehe etwa FOXE, De Vera Differentia, fols. Fiir-v, Giiir; MATTHEW, Sermon, fol. CviivCviiiv; SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Bviiv: „Looke who so lysteth, and he shall surely fynde, that the pope and his, to saue and kepe vppe styll theyr pompose and worldly state, haue alwey ben the inuenters of myschieffe and destruction of people, by theyr vngodlye instigations of pryncis to warre.“; vgl. dazu auch die Klagen von Fish, Tyndale, Barlow, Roy und anderen im Kapitel 3.2.

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Angesichts dieser Zustände waren sich die Autoren einig, dass der Stellvertreter Christi auf Erden seiner ureigensten Pflicht einer geistlichen Fürsorge nicht nachkomme, sondern stattdessen ein zutiefst egoistisches und tyrannisches Verhalten zeige, das zum offenkundigen Nachteil sowohl des englischen Gemeinwesens als auch der Christenheit insgesamt sei. Für Edward Foxe stand fest, dass der Papst durch sein Gebaren den wahren Glauben verdunkelt und der Ignoranz Vorschub geleistet habe. Vor diesem Hintergrund war es sodann auch nicht verwunderlich, dass er Vergleiche zwischen dem Oberhirten und jenen alttestamentlichen Gestalten zog, die sich durch ihr Verhalten dezidiert gegen Gott gewandt hatten. So verglich Foxe den Papst beispielsweise mit Nebukadnezar, der den Tempel Gottes niedergebrannt, dessen Volk ausgeraubt, verschleppt und unterjocht habe.432 Als auf lange Sicht nachhaltiger sollte sich indes die Parallelisierung mit dem Pharao erweisen. Das Herz des Papstes sei noch härter als jenes des Pharaos und gleich seinem alttestamentlichen Vorgänger wolle auch er die Gläubigen nicht freiwillig ziehen lassen, weshalb Gott um Beistand angerufen worden sei.433 Thomas Swinnerton bediente sich einer ähnlichen Beschreibung für die Situation des englischen Gemeinwesens, als er die Untertanen des Königs dazu aufrief, sich dem Weg Heinrichs VIII. zu verschreiben. Dieser werde das Gemeinwesen aus der Knechtschaft des Papstes führen und damit die vorherrschenden Missstände im Königreich beseitigen: „Surely I say, this his tyrannie and pyllage in maner constraynethe the kynge his grace, to delyuer this his realme fro[m] the captiuitie & bondage of the pope“434. Die hier aufscheinende Parallelisierung von Papst und alttestamentlichem Pharao wurde von Swinnerton nochmals bekräftigt. So rückte er Heinrich VIII. in die Nähe eines Moses, der sein Volk aus den Klauen des Pharaos befreit, um es sodann in eine bessere Zukunft zu führen. Dazu hieß es: „[H]owe moche more then are we bounde to loue, to obeye, to honoure, and ayde oure moste gratious prince, with all oure very hartis, whiche specially for our sakes taketh so great peyne, and that so diligentely dothe seke the meanes howe to ridde vs out of bondage, out of miserie, out of nede and vexacion, that we be broughte into by the couetousnes of the brybynge byshoppe of Rome (the whyche by that name of Pope polleth and pylfereth awey the riches of this realme) and that so moche myndeth to restore vs to all oure olde welthynes and libertie ag435 eyne.“

Die von englischen Reformern präfigurierte Rolle des Königs als eine Art mosaischer Befreier nahm hier im Zuge der Veröffentlichung des Act of Supremacy zunehmend 432 FOXE, De Vera Differentia, fol. Qir; ein ähnlicher Vergleich der Gefangenschaft und Unterdrückung der Israeliten unter Nebukadnezar mit den Zuständen unter der Herrschaft des Papsttums findet sich auch in der 1534 erschienenen englischen Übersetzung des Propheten Jeremias, bei dem diese Geschehnisse eine bedeutende Rolle spielen. Siehe George JOYE, Ieremy the prophete, translated into Englisshe, Antwerpen 1534 (STC2 2778/British Library), hier bes. die sog. Klagelieder Jeremias’ sowie sein Gebet fol. Oiv vPviv. 433 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Qir-v. 434 SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Bviiir. 435 Siehe SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Cir-v.

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konkrete Gestalt an. Ein wichtiges Element war dabei die facettenreiche Diskreditierung des Papstes. Dieser musste seiner besonderen Autorität und Aura entkleidet werden, um einen diskursiven Horizont aufzubauen, der in der Folge als Folie zur Propagierung und Rechtfertigung der neuen Position des englischen Königs dienen konnte – eine Position, die sich vor allem durch den erwählten Status des Monarchen auszeichnete. 4.3.2 Vicarius Dei: Die Instituierung der königlichen Erwählung im öffentlichen Diskurs Während bis ins Jahr 1534 vor allem die Abwertung des Papsttums im Fokus der royalen Propaganda stand, wurde im Zuge der rechtlichen Fixierung der königlichen Suprematie zunehmend eine positive Definition wichtig, welche die reklamierten Vollmachten im öffentlichen Diskurs der Zeit erklärte, rechtfertigte und genauer fasste. Dazu dienten vor allem jene Werke, die in den Jahren 1534/35 veröffentlicht wurden. Der erste wichtige Text in dieser Reihe stammt vom Almosenier des Königs, Edward Foxe, und trägt den Titel De Vera Differentia.436 Auf Latein abgefasst, hatte es einen potentiellen Adressatenkreis, der sowohl im englischen Klerus, einer gebildeten Laienschaft als auch in einem internationalen Publikum gesucht werden kann.437 De Vera Differentia ist vor allem eine Zusammenstellung der wichtigsten Autoritäten, über die der neue Status des Königs fundiert werden sollte, und schöpfte in diesem Unterfangen nicht zuletzt aus der Collectanea.438 Die gleichermaßen auf Latein erschienene Schrift von Richard Sampson aus dem Folgejahr stellt in vielerlei Hinsicht eine knappere Form der wesentlichen Aussagen von Foxe dar. 439 Der Grundtenor beider Drucke belief sich darauf, die Untertanen an den von Gott befohlenen, unbedingten Gehorsam gegenüber dem König zu erinnern, solange dieser nicht gegen die Gebote des Allmächtigen verstoße.440 Im ersten Teil seiner Schrift rekapitulierte Foxe die einschlägigen Kritikpunkte und Vorwürfe gegenüber dem Stellvertreter Christi auf Erden und zeigte damit die eminent wichtige Bedeutung an, welche jener Abwertung des Pontifex in dieser Zeit beigemessen wurde. Erst im Kontrast dazu ging Foxe in der Folge zum argumentativen Aufbau des Königs als Alternative zum verworfenen Papsttum über. Entscheidend war in diesem Rahmen der Nachweis, dass es in der Bibel keinen Hinweis auf eine bevorzugte Stellung des Papstes gebe. Demgegenüber würden die Herrscher 436 FOXE, De Vera Differentia; zur Funktion des Almoseniers zuletzt R. A. HOUSTON, What did the Royal Almoner do in Britain and Ireland, c. 1450-1700, in: EHR 125 (2010), S. 279-313. 437 SOWERBY, Henrician Polemic, S. 1278-1280 kann nachweisen, dass Foxes Schrift zusammen mit den noch zu besprechenden von Gardiner und Sampson auch zur Propagierung der englischen Entwicklungen im Ausland vorgesehen war. Ähnlich ELTON, Policy and Police, S. 182, der allerdings nicht weiter auf den Inhalt von Foxes Werk eingeht. 438 Siehe dazu NICHOLSON, Historical Function, S. 173, 178-184, 194; DERS., Act of Appeals, S. 26; BURGESS, Political Thought, S. 36. 439 Siehe SAMPSON, Oratio; Besprechung des Werkes bei HUGHES, Reformation, Bd. 1, S. 336f; BURGESS, Political Thought, S. 36. 440 In diese Richtung tendierten auch die Schriften von MATTHEW, Sermon und SWINNERTON, A Litel treatise.

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sehr wohl in der Heiligen Schrift genannt werden, deren Aufgabe und Stellung Foxe in Anlehnung an die Bibel wie folgt beschrieb: „Ex quo textu liquet manifeste, omnes nationes habuisse tum temporis reges, atq. eos in populo dei diuina electione primum constitutos, quibus diuinae legis uolumen, ut scriberent, mandatur: uidelicet non ut haberent solum, et retinerent apud se sine omni alio usu, sed ut illam obseruari 441 mandarent atq. praeciperent […]“

Der Fürst firmiert in dieser Darstellung also als Beauftragter Gottes, der dessen Gesetze an das Volk weitergeben solle. Dazu gehöre nach Foxe vor allem, dass die Gesetze angewandt und Verstöße geahndet würden. Dieses Recht falle allerdings ausschließlich dem König zu: „Rex aute[m] super omnia praecellit et dominatur eorum, et omne quod dixerit illis, faciunt.“442 Aus dieser unanfechtbaren Position des Herrschers heraus bestimmte Foxe in der Folge den Gehorsam, den alle Angehörigen eines Gemeinwesens ihrem Fürsten schuldeten. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Priestern, die sich in älteren Zeiten ohne Zweifel der Autorität eines Königs untergeordnet hätten. Als Beispiele werden unter anderem die Könige David und Salomon angeführt, die jeweils Todesurteile über ihre Hohepriester ausgesprochen hätten, die – obwohl ungerechtfertigt aufgrund der Sache – doch aufgrund ihrer Autorität hätten ausgesprochen werden dürfen.443 Während dieser Art den Königen das Recht zu richten zugestanden wurde, verweigerte der Verfasser im gleichen Zuge den Angehörigen des geistlichen Standes dieses Recht. Das Recht oder auch die Pflicht zur Bestrafung sei indes nur ein Teil der dem königlichen Amt inhärenten Vollmachten. Foxe beschrieb darüber hinaus die Möglichkeit eines Herrsches, aktiv in die Ausübung und Gestaltung des Glaubens einzugreifen und als Korrektiv tätig zu werden. So habe etwa Hiskia (im engl. Ezechias) nach einer Phase der Verirrung sein Königreich von Götzendienst und falschen Bildnissen befreit und den rechten Glauben wieder installiert. 444 Aus seiner Betrachtung der Taten König Hiskias zog Foxe das Resümee, dass weltliche Herrscher geistlichen Würdenträgern auch in deren Bereich Befehle erteilen und Reformen initiieren könnten.445 Der wesentliche Punkt, auf den die Argumentation zusteuerte, bestand in der Zementierung einer Vorstellung, wonach Gott jedem Untertan einen unbedingten Gehorsam gegenüber dem Herrscher auferlegt habe. Ein Bruch oder eine Missachtung dieser Pflicht bedeute deshalb zugleich ein Vergehen gegen Gott selbst. „Qui potesta441 442 443 444 445

FOXE, De Vera Differentia, fol. Jiiir; ähnlich auch SAMPSON, Oratio, fol. Aivv. FOXE, De Vera Differentia, fol. Jiiir. Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Jivv-Kir. Vgl. die Bibelstellen 2 Könige 18 & 2 Chron. 31. Siehe FOXE, De Vera Differentia, fol. Kir-Kiiir zur Geschichte König Hiskias (Ezechias). 1539 erfolgte noch einmal ein Verweis auf diesen biblischen König, als Heinrichs Aktivitäten im Zuge einer offiziellen Bewertung der ‚Reformation‘ abgewogen wurden. Demnach habe der König wie ehedem sein alttestamentlicher Vorgänger die Zeichen eines falschen Glaubens entfernt. Siehe Letters and Papers XIV/I, Nr. 402, S. 153-157; cf. BL Cotton Cleopatra E 6, fol. 23v-25v zu Hiskia; vgl. auch GAZAL, Scripture, S. 59, 61f, 80, 84 sowie die Anmerkung 657 auf Seite 227 unten.

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ti resistit, dei ordinationi resistit. Itaq. qui uel ui uel dolo potestati resistit, id est homini […] habenti potestatem in tributo et huiusmodi dei ordinationi plane resistit.“446 Ausdrücklich artikulierte Foxe den Standpunkt, dass niemand, weder Petrus noch Paulus, kein Priester, Bischof, Kardinal oder Papst von diesem Grundsatz ausgeschlossen sei. Ja, auch Christus selbst und dessen Apostel hätten sich den weltlichen Instanzen untergeordnet, solange deren Anordnungen nicht gegen das Gesetz Gottes verstoßen hätten. Denn Gott habe letztlich die weltliche Gerichtsbarkeit dazu bestimmt, all jene zu bestrafen, die nach seinem Gesetz bestraft werden sollten, und dieses Recht keineswegs den Kirchenfürsten übereignet. 447 So sprach Foxe auf Grundlage der Heiligen Schrift den Herrschern sämtliche Herrschaftsrechte und Privilegien zu, während er diesselben für die Geistlichkeit verneinte und sie stattdessen an deren Auftrag zur Missionierung gemahnte.448 In der Folge ging Foxe dazu über, seine Ausführungen zur erwählten Stellung des Königs stärker zu konzentrieren und mit den zeitgenössischen Vorgängen zu verbinden. So wiederholte er zunächst die Ansicht, wonach die englischen Herrscher von Beginn an frei von jedweder politischen, religiösen oder juristischen Unterordnung gewesen seien und deshalb naturgemäß die höchste Appellationsinstanz in ihrem Königreich gebildet hätten, ohne deren Zustimmung keine Gesuche nach außen gerichtet werden dürften.449 Dieses imperiale Verständnis hatte im Rahmen der Praemunire-Manöver eine entscheidende Rolle gespielt und diente nun als Beleg dafür, dass die vom König reklamierten Rechte eigentlich nichts genuin Neues gewesen seien, sondern teilweise schon lange praktiziert worden wären. Der Argumentation förderlich war an dieser Stelle zudem die Drucklegung älterer Gesetze und Proklamationen aus dem Jahr 1533, die nun erstmals komplett in englischer Sprache einer Allgemeinheit zugänglich gemacht wurden. Dadurch konnten etwa die mittelalterlichen, stark antipäpstlichen Statutes of Provisors und Praemunire in den öffentlichen Diskurs eingespeist und als Referenzen benutzt werden.450 446 FOXE, De Vera Differentia, fol. Lir; fast wortgleich die entsprechende Passage bei SAMPr v r SON, Oratio, fol. Aiv ; MATTHEW, Sermon, fol. Biv -Bv . 447 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Liir; ähnlich MATTHEW, Sermon, fols. Biiiv-Bivr, Bvir. 448 FOXE, De Vera Differentia, fol. Liiv-Liiir: „Quod si regia potestas huiusmodi in ueteri testamento toties comprobata, etiam in noua lege gratiae recipiatur et confirmetur, ac in regum persona dominiu[m], authoritas, praeeminentia, dignitas, uindicta, atq. coerctio probetur, in clericorum autem persona improbetur.“; siehe auch SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Bviiiv-Cir. 449 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Miiiv-Mivr; allgemeiner gehalten auch MATTHEW, Sermon, fol. Biiv. 450 Vgl. The great boke of statutes co[n]teynyng all the statutes made in the parliamentes from the begynnyng of the fyrst yere of the reigne of kyng Edwarde the thyrde […], London 1533 (STC2 9286/British Library); Howard Graham vermutete hinter dieser Publikation, die von weiteren, ins Englische übertragenen und publizierten Gesetzen begleitet wurde, eine Aktion der Regierung. Siehe GRAHAM, Our Tong Maternall, S. 66f; Gillian Brennan sieht zumindest in der Auseinandersetzung mit Rom eine Triebkraft für Drucker und Verleger, hier antipapalistische und antiklerikale Gesetze und Statuten in englischer Sprache zu veröffentlichen. Siehe BRENNAN, Patriotism, S. 23.

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Für die Rechte und Privilegien der Krone bedeute der Status der göttlichen Erwählung, dass englische Monarchen von alters her auch im Bereich der Spiritualia agiert hätten.451 Aus diesen Vollmachten ergebe sich laut Foxe zudem das Recht des Herrschers, Geistliche und Angehörige der Kirche zu richten, wenn diese gegen die Gesetze des Königreichs verstoßen hätten. Damit hob Foxe die Immunität des geistlichen Standes auf und verwies solche Fälle an die weltliche Gerichtsbarkeit, womit er ohne Zweifel den Begehrlichkeiten der common lawyer entgegenkam. Als konkrete Beispiele wurden hernach bekannte Themen wie die Regelung von Todfallabgaben oder der Witwenschaft sowie Vergehen von Angehörigen der Kirche genannt, welche sich von einem lasterhaften Leben bis hin zu Mord erstrecken konnten und auch Ehebruch miteinschlossen.452 Im Hinblick auf die Institution der englischen Kirche festigte der Text die Stellung des Königs, indem erklärt wurde, dass die Konvokationen des Klerus ehedem vom König zusammengerufen worden waren und auf seinen Befehl hin damit angefangen hätten, Gesetze und Vorschriften zu formulieren. An dieser Stelle deutete sich somit jenes Argument an, wonach der Klerus seine Autorität vom Herrscher zeitweilig geliehen bekommen habe.453 Zur Unterstützung seiner Ausführungen rekurrierte Foxe nachhaltig auf den bereits genannten Brief von Papst Eleutherus an König Lucius, worin der Pontifex sowohl den unabhängigen, von Gott legitimierten Status der englischen Könige bestätigt, als auch einer Übertragung des Römischen Rechts aus freien Stücken zugestimmt hatte.454 Vor diesem Hintergrund konnte somit die Unabhängigkeit der englischen Kirche konstatiert werden, die sich in der Folge auf dem gleichen Wege von der Oberhoheit der Kurie und deren Gesetzen befreien könne, wie sie diese dereinst akzeptiert habe. Zur Untermauerung der Eigenständigkeit fügte Foxe die Praxis der Investitur von Bischöfen an, welche im englischen Königreich ebenfalls allein von der Krone vorgenommen worden sei.455 Der Abschnitt kulminierte schließlich in der Feststellung, dass aufgrund der aufgezeigten Schriften und Autoritäten die höchste Macht im geistlichen wie weltlichen Bereich einzig und allein den Fürsten zukomme.456 Edward Foxe und in geringerem Maße Richard Sampson trugen ohne Zweifel dazu bei, den Status des Königs als von Gott erwähltem Herrscher öffentlich zu erklären und durch diverse Autoritäten zu fundieren. Allerdings blieb bei ihnen die nähere Bestimmung des Verhältnisses zwischen erwähltem Status und englischen Institutionen sowie Traditionen weitgehend aus. Diese Aufgabe übernahm schließlich Stephen Gardiner, der über die Ventilierung der Doktrin des unbedingten Gehorsams die neue 451 FOXE, De Vera Differentia, fol. Mivr: „Et si in exemplis uersari libet, constabit plane, reges Angliae imperatoriis priuilegiis regnu[m] moderantes, curam sibi assumpsisse, ut de sacrorum et spiritualium obseruatione populo pr[a]escriberent.“ 452 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Mivv; vgl. zu diesen Forderungen auch die Schrift Enormytees vsyd by the Clergy sowie die Ausführungen auf den Seiten 130-135 oben. 453 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Nir; GUY, Intellectual Origins, S. 218; NICHOLSON, Historical Argument, S. 179-214. 454 Siehe FOXE, De Vera Differentia, fol. Niir-v. Dort heißt es: „Vicarius uero dei estis in regno illo.“ Die Herrscher als Vikare Gottes auch bei SAMPSON, Oratio, fol. Biv. 455 Vgl. FOXE, De Vera Differentia, fol. Niiv-Niiir. 456 Siehe FOXE, De Vera Differentia, fol. Niiiv.

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Stellung des Königs mit der altbekannten Institution der Krone verband, um darüber eine allgemeine Anerkennung zu gewährleisten. Seine Schrift De vera obedientia oratio von 1535 ist in vielerlei Hinsicht ein aussergewöhnliches Druckerzeugnis. 457 Mehrfach nachgedruckt und von marianischen Exilanten später ins Englische übersetzt, zeugt der Text von einer nachhaltigen Wirkung und Prägekraft.458 Der Autor sah sich angesichts dieser Entwicklung später in seiner Zeit als Kanzler Maria Tudors gezwungen, auf Distanz zu seinem früheren Werk zu gehen und sich für die Abfassung mehr oder weniger zu entschuldigen.459 In einer Bewertung, die lediglich zwischen den beiden Kategorien lutherisch/protestantisch und katholisch unterscheiden kann, stellt der Text ein gewisses Problem dar, da Stephen Gardiner doch in der Regel einer konservativen Fraktion zugeordnet wird, welche die Veränderungen der 1530er Jahre nur widerwillig, wenn überhaupt, ertragen hätte. Obwohl kaum ein Zweifel daran bestehen kann, dass der Bischof von Winchester kein Reformer der ersten Stunde gewesen ist, mutet eine Beurteilung, die ihn als genötigten Gehilfen der königlichen Suprematie präsentiert, doch zu einseitig an.460 Vorsicht sollte zudem geboten sein, wenn spätere Entwicklungen und Karrieren von prominenten Personen auf frühere Zustände übertragen werden. So muss auch Stephen Gardiner keineswegs ‚Lutheraner‘ oder Sympathisant evangelischer Reformen gewesen sein, um trotzdem ein Plädoyer für die Übernahme der Suprematie durch den König im Kern für berechtigt zu halten. Solange die Ausgestaltung der Suprematie und letztlich auch der Kirchenpolitik nicht drohte, in eine extreme Richtung auszuschwenken, bestand kein wesentlicher Grund, gegen eine königliche Vormachtstellung offen zu opponieren.461 457 Vgl. GARDINER, True Obedience; Besprechung des Werkes JANELLE, Schisme, S. 285290, 295-319. 458 Gardiners Werk wurde zweimal auf dem Kontinent nachgedruckt. Die HamburgerAusgabe von 1536 kann dabei als offiziell abgesegnet betrachtet werden, da Edmund Bonner, der zu diesem Zeitpunkt der Botschafter Heinrichs für das nördliche Deutschland und Dänemark war, ein entsprechendes Vorwort beisteuerte. Siehe dazu Stephen GARDINER, De vera obedientia, oratio, Hamburg 1536 (USTC 694670/Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin), fol. 2r-3v; zu Bonner auch Kenneth CARLETON, Art. „Bonner, Edmund“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2006, URL: [14.04.2017]; die Straßburger Ausgabe von 1536 war hingegen ein protestantischer Raubdruck, in dessen Zuge die Herausgeber u.a. durch eine protestantische Glossierung das Werk zu vereinnahmen suchten. Vgl. zu beiden Punkten SOWERBY, Henrician Polemic, S. 1280f. 459 Siehe dazu die ausführliche Einleitung von JANELLE, Obedience, besonders S. xxii-lvii; zur Person Gardiners auch die Biographie von Glyn REDWORTH, In Defence of the Church Catholic: The Life of Stephen Gardiner, Oxford 1990; ferner C. D. C. ARMSTRONG, Art. „Gardiner, Stephen“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]. 460 So JANELLE, Obedience, S. lvi mit Verweis auf Angaben von Gardiner selbst sowie zeitgenössische Wahrnehmungen. 461 Siehe dazu auch die Beurteilung von Ethan Shagan, der davor warnt, lediglich von einer „katholischen Perspektive“ in der Zeit auszugehen. Damit würde das konfessionelle Argument zu stark gegenüber anderen Interessen aufgewertet. Er plädiert für eine Differen-

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Vor diesem Hintergrund liest sich die Oratio als im Wesentlichen politisches Traktat, welches zwar viele Anspielungen auf evangelische Themen enthält und zuweilen Anleihen an der Semantik der Zeit nahm, aber im Grunde die weitere Richtung offen ließ. Ziel war die politische Stabilisierung der henrizianischen Suprematie durch eine stärkere Kopplung derselben an die traditonellen Vorstellungen von der Krone. Gardiner gelang dieses Vorhaben, indem er die Pflichten des Untertans mit jenen des gläubigen Christen verschmolz und daraus die Konstruktion ableitete, dass erst in der rechten Wahrnehmung beider Rollen als einer Pflicht ein gottgefälliges, gutes und dem Gemeinwohl förderliches Leben möglich werde. Im Gegensatz zu ähnlich lautenden Parolen früherer Zeiten konzentrierte Gardiner diese Ansicht voll und ganz auf den Herrscher.462 Ausgangspunkt seiner Betrachtungen war die zeitgenössische Setzung, dass Gott die Wahrheit sei und durch ihn das Licht der Erkenntnis in die Welt komme. Der göttliche Wille sei durch Jesus Christus manifestiert und in der Heiligen Schrift ausgedrückt worden – und diese befehle jedem Christen den unbedingten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit.463 Als Beispiel nannte der Autor Moses, der den Israeliten nahe gelegt habe, dass der Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes zum Segen, Ungehorsam hingegen zum Fluch führe. Der Gehorsam avancierte bei Gardiner gar zum Signum des rechten Glaubens, wodurch sich ein Christ erst in seiner Identität als Christ bestätigen würde: „For faythe requyerth obedience / that is that we acknowlageinge the will of God in Christ / which is the worde of the father / and beinge made partakers of the grace of god.“464 Gardiner ergänzte diesen Punkt um das zierung zwischen „Papisten“ und Katholiken, die durchaus mit einer bestimmten Form königlicher Suprematie leben konnten. Als Beispiele werden u.a. Stephen Gardiner und Simon Matthew genannt. Siehe SHAGAN, Schismatics be now plain heretics, S. 44-51; WOODING, Rethinking Catholicism, S. 60-70; ähnlich auch MARSHALL, Is the Pope Catholic?; Gardiners schlechte Reputation muss auch als Ergebnis einer protestantischen Kampagne betrachtet werden, die seit den späten 1530er Jahren langsam Form annahm. Siehe dazu Michael RIORDAN / Alec RYRIE, Stephen Gardiner and the Making of a Protestant Villain, in: SCJ 34 (2003), S. 1039-1063. 462 Gardiners Absicht korrespondiert dabei mit der von William Marshall besorgten Übersetzung des Defensor Pacis, dessen Inhalt Marshall entsprechend manipuliert hat, damit er den unbedingten Gehorsam zur königlichen Suprematie ausdrücken konnte. Siehe dazu LOCKWOOD, Marsilius of Padua; in diese Richtung tendiert auch die Schrift von MATTHEW, Sermon. 463 In seinem Lob der Heiligen Schrift folgte Gardiner vor allem einer humanistischen Auffassung, die in der Rückkehr zum ursprünglichen Text der Bibel die Möglichkeit sah, notwendige innere Reformen der Kirche durchzuführen. Siehe etwa GARDINER, True Obedience, S. 129: „Let the maters / that haue / in tymes past / ben made a myngle mangle / be called agayne to the true square of Goddes worde.“; vgl. dazu auch WOODING, Rethinking Catholicism, S. 16-48 zum englischen Humanismus der Zeit und S. 67-71 zu Gardiners Stellung zur Bibel; MATTHEW, Sermon, fols. Bivv-Bvr, Bviiiv. 464 GARDINER, True Obedience, S. 75 für beide Nachweise; vgl. auch die Darstellung bei Simon Matthew, der im unbedingten Gehorsam eine besondere Auszeichnung des Gläubigen sah, der dadurch zu einem „perfekten” Christen avanciere. MATTHEW, Sermon, fol. Aiiiv.

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Vorbild Christi, der selbst die Doktrin des unbedingten Gehorsams vorgelebt habe, weshalb alle Christen danach streben sollten, es ihm gleichzutun.465 Die zweite wichtige Setzung in Gardiners Werk war die Feststellung, dass Gott die Herrscher als irdische Verwalter und als sein Ebenbild auf Erden eingesetzt habe, denen die Menschen zu Ehren des Allmächtigen gehorchen und folgen sollten.466 Wer somit dem Herrscher Gehorsam entgegenbringe, ehre zugleich Gott, folge der Wahrheit und beweise sich als wahrer Christ. Der Autor nutzte nun diese Konstruktion und übertrug sie auf die königliche Suprematie. Diese, vom Parlament erklärte Suprematie des Königs, sei keineswegs etwas neu Erfundenes. Im Gegenteil, argumentierte Gardiner, handele es sich hierbei um eine dem Herrscher immanente Macht, die vollkommen im Einklang mit Gottes Geboten stehe und nun lediglich besser ausgedrückt und präzisiert worden sei: „Whether the hole consent of Englishe men be grounded vpon Goddes lawe / in that they declare and honoure the most victorious and most noble prince Henry theyght Kinge of England […] to be in earthe the supreme headde of the churche of Englande / and is graunted vnto him / by autoritie therof / in the open courte of parliament / frely to vse his right / and to call himslf supreme headde of the churche of Englande / aswell in name as in dede. Wherin / ther is no newly invented mater wrought / only their will was / to haue the power perteinyng to a prince / by Goddes lawe / to be the more clearely expressed / with a more fitte terme to expresse it by 467 […]“

Diese Passage verwies gleichsam auf das grundsätzliche Problem der Zeit, das nicht nur in der Frage bestand, ob die Suprematie des Königs rechtmäßig sei, sondern auch nach welchem Maßstab dies eigentlich beurteilt werden sollte. Der Bischof von Winchester löste diese Sache auf sehr elegante Art und Weise: Im Hinblick auf die Definition von Kirche folgte er den Artikulationen reformorientierter Autoren, welche selbige als Kongregation von Gläubigen begriffen und über die sichtbare Institution der römischen Papstkirche ausgedehnt hatten. Freilich waren diese Ansätze älter als jene Aussagen englischer Reformer, jedoch instrumentalisierte Gardiner diese hier,

465 Vgl. GARDINER, True Obedience, S. 77-79; MATTHEW, Sermon, fol. Biiiv. 466 Vgl. GARDINER, True Obedience, S. 89. Die Herrscher werden hier als „representours of his Image vnto men“ angesprochen. Im Lateinischen heißt es: „Quo certo in loco principes posuit, quos tanquam ipsius imaginem mortalibus referentes, summo, supremoque loco uoluit haberi, eosque inter reliquas omnes humanas creaturas praecellere.“ Ibid., S. 88; MATTHEW, Sermon, fol. Bvr; SWINNERTON, A Litel treatise, fol. Cir; die Ansicht, dass Herrscher ein Abbild- und Stellvertreter Gottes waren, übernahmen Gardiner und andere Autoren sehr wahrscheinlich aus den herrschaftstheoretischen Schriften des Mittelalters. Siehe zu diesem Sujet zuletzt die Studie von KOSUCH, Abbild und Stellvertreter Gottes; Walter ULLMANN, Papst und König. Grundlagen des Papsttums und der englischen Verfassung im Mittelalter, Salzburg 1966, S. 49-53; DERS., This Realm, S. 196f; FIGGIS, Divine Right, S. 17-37. 467 GARDINER, True Obedience, S. 89-91; siehe auch die etymologischen Überlegungen auf S. 143.

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um zu einem ganz anderen Ergebnis zu gelangen.468 Seiner Ansicht nach würden alle Personen, die sich im Glauben an Christus zu einem Gebilde vereinten, das etwas unspezifisch als Kirche bezeichnet worden sei, zugleich jene Masse an Untertanen bilden, die das Königreich ausmache. Derart stellte Gardiner lapidar fest: „[A]nd seinge the churche of Englande consisteth of the same sortes of people at this daye / that are comprised in this worde realme / of whom / the kinge is called the headde: shall he not / beinge called the headde of the realme of Englande / be also the headde of the same men / 469 when they are named the churche of Englande?“

Die sich hier abzeichnende Konstruktion war wegweisend für die Stabilisierung und Konsolidierung der königlichen Suprematie. Der Kirche wurde quasi ihre Eigenständigkeit als eine vom Staat distinkte Einheit abgesprochen. Sie stellte sich lediglich als Bezeichnung einer Masse von Gläubigen dar. Insofern war sie lediglich eine Form der Organisation, die über keinen eigenständigen Charakter verfügte, es sei denn, dieser werde von der Obrigkeit organisiert und legitimiert. 470 Durch die Verschmelzung von rechtgläubigem Christen und englischem Untertan verschob Gardiner die Frage des Supremats in den Bereich der legitimen Ausübung von Herrschaft, die laut göttlichem Gebot respektive der Heiligen Schrift vollumfänglich autorisiert sei. 471 Anders gewendet, erklärte Gardiner die Suprematie zum Ausfluss der persönlichen Stellung des Königs als von Gott erwählter und eingesetzter Herrscher. Obgleich der Autor diesen Rahmen göttlicher Erwählung im Rekurs auf die Bibel als gegeben voraussetzte, arbeitete er realiter in diesem Moment an dessen Konstruktion und Reproduktion mit. Die Herrschererwählung stellte eine definitive Innovation der Zeit dar, die mit dem Rückgriff auf möglichst viele Autoritäten zu substanzialisieren versucht worden ist. Die Heranziehung der Bibel gehörte hier ebenso zu diesem Prozess dazu wie etwa auch die parlamentarische ‚Bestätigung‘ der aus der Erwählung resultierenden Vollmachten des englischen Königs im Sinne der Suprematie. Um diese Vollmachten abzusichern, rekurrierte Gardiner ausführlich auf Beispiele aus dem Alten Testament, die belegen sollten, dass Könige und Herrscher seit je468 Hughes hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Gardiner in seiner Konstruktion der Kirche auf den Ausführungen eines Marsilius’ von Padua aufbaut. Siehe HUGHES, Reformation, Bd. 1, S. 339; siehe auch die Besprechung von Marsilius Ibid., S. 331-335; Marsilius Werk wurde im selben Jahr wie Gardiners Schrift auf Englisch publiziert. Vgl. zur Übersetzung von William Marshall auch LOCKWOOD, Marsilius of Padua; ähnlich MATTHEW, Sermon, fol. Aviv-Biv. 469 GARDINER, True Obedience, S. 93; hier zeigt sich auch eine manifeste Unterscheidung zwischen englischen Schriften und lutherischem Ideengut, indem die englischen Autoren in der Mehrzahl eine sichtbare Kirche vertraten, die ein autonomer Teil einer Gesamtkirche war, während Lutheraner für eine unsichtbare Kirche der Gläubigen eintraten, die in der diesseitgen Welt nur unvollkommen präsent sei. Siehe dazu BURGESS, Political Thought, S. 34; John W. ALLEN, A History of Political Thought in the Sixteenth Century, London 1928, S. 163f. 470 Siehe HUGHES, Reformation, Bd. 1, S. 333; cf. MARSHALL, Defence of Peace, die zusammenfassenden Schlussfolgerungen fol. 138r-139r. 471 Vgl. die sich wiederholenden Aussagen in GARDINER, True Obedience, S. 95-109.

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her aufgrund ihrer besonderen Stellung zur Reform von Missständen im geistlichen Bereich eingegriffen hätten. Anhand der Vorbilder Salomons, Hiskias und Joschafats illustrierte der Autor, wie Herrscher Priester einsetzten oder entließen, Kulte abschafften oder reformierten und ganz generell Weisungen für deren Kaste erteilten. Von zentraler Bedeutung war an dieser Stelle die Art der Autorität, aus der heraus diese Herrscher agierten. So bemerkte der Bischof von Winchester am Beispiel des Joschafats explizit dazu: „By what autoritie did he so / but by his Regall power?“472 Alttestamentliche Beispiele dienten ferner dazu, die Präeminenz des Papstes zu diskreditieren. So zeigten sich für Gardiner in den demonstrierten Taten verschiedener Figuren des Alten Testaments, dass die Autorität der Herrscher stets über jener der einstiegen Hohepriester gestanden habe: „Did not Aaron take Moyses for his soueraigne lorde / which is the maner of speche of him that acknowlageth superiour autoritie? Did not Achimelech the high Priest vse the same worde of subieccion / whan he spake to Saul / the kinge of Israel? Did not Solomon put Abiathar the 473 high priest to deathe?“

Ergänzt wurden diese Aussagen durch Passagen des Neuen Testaments, in denen Priester und Prediger aufgefordert worden seien, weder Herrschaftsrechte anzunehmen noch weltlichen Herrschern zu befehlen. Im Zuge dessen kritisierte Gardiner auch die Schlüsselgewalt des Papstes, die dieser in der Tradition Petri innehabe und die gleichsam als Basis des päpstlichen Primats dienen würde. Hier rekurrierte Gardiner wiederum auf Kritik der evangelischen Reformer, indem er eine weltliche Autorität und Vormachtstellung Petrus’ unter den Aposteln bestritt und lediglich konzedierte, dass Petrus womöglich an Tugend der Beste unter ihnen gewesen sei.474 Zugleich wiederholte der Autor den Grundsatz, dass Christi Herrschaft und Reich nicht von dieser Welt gewesen seien. Daher könne eine eventuell an die Priester weitergegebene Autorität nur rein spiritueller Natur sein, weshalb sie keineswegs außerhalb einer weltlichen Herrschaft stünden.475 Gardiner konnte somit die beiden zentralen Aussagen der Zeit reproduzieren, indem er einerseits die Vormachtstellung und die Herrschaftsrechte des Papstes über England negierte und gleichzeitig die Stellung des Monarchen als alleiniges und legitimes Oberhaupt der englischen Kirche bestätigte. Wie der Autor allerdings selbst explizit formulierte, hing diese Position des Königs maßgeblich vom Status Heinrichs VIII. als „Goddes lieftenaunt“ auf Erden ab.476

472 473 474 475 476

GARDINER, True Obedience, S. 109. GARDINER, True Obedience, S. 129. Siehe GARDINER, True Obedience, S. 139-143, 153. Siehe GARDINER, True Obedience, S. 143-147. Siehe zu dieser zentralen Diskussion GARDINER, True Obedience, S. 93-97; MATTHEW, Sermon, fols. Biiv und Bvr.

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4.3.3 Die königliche Erwählung im Spannungsfeld zwischen David und Moses Die grundlegende Rechtfertigung und Propagierung der königlichen Stellung als von Gott auserwählt war eine notwendige Operation der Zeit, um überhaupt eine Legitimationsbasis für die innovativen Handlungen der Krone vorweisen zu können. Darüber hinaus ist jedoch zu beobachten, dass es variierende Interpretationen der königlichen Erwählung gab, zwischen denen die Repräsentation des Monarchen im öffentlichen Diskurs oszillierte. Dass es bis Ende der 1530er Jahre zu keiner definitiven Festlegung kam, kann dabei als Zeichen für einen noch nicht abgeschlossenen Aushandlungsprozess gewertet werden, in dessen Rahmen unterschiedliche Interessen und Akzentuierungen aufeinandertrafen und erst noch gegeneinander abgeglichen werden mussten. Einen herausragenden Versuch, die diversen Interessenlagen miteinander in Einklang zu bringen und öffentlich vorzuführen, stellten die Veröffentlichungen der Coverdale-Bible 1535 sowie der Great Bible 1539 dar. Nicht nur präsentierte das von Hans Holbein dem Jüngeren entworfene Titelblatt der 1535er Ausgabe bzw. jenes daran angelehnte der 1539er Version den Referenzrahmen der königlichen Erwählung in detaillierter und umfassender Weise nun auch bildlich, sondern der König löste mit der zunächst stillschweigenden Duldung der 1535er Publikation sowie der offiziellen Ausgabe 1539 auch eine zentrale Forderung nach Reform ein, die von evangelischer Seite an ihn gerichtet worden war. Die Publikation einer volkssprachigen Bibelausgabe zeigte dergestalt den königlichen Willen nach Reformen an, bestätigte die Forderungen nach einer Zugänglichkeit des göttlichen Wortes in der Volkssprache und festigte damit die Rolle des Königs als von Gott erwählter Führer, der das englische Gemeinwesen aus einer antichristlichen Dunkelheit in das Licht der Erkenntnis führt. Miles Coverdale übernahm in seiner Widmung und in seinem Vorwort zur Publikation von 1535 die Aufgabe, den Rahmen auszuleuchten, in welchem die Veröffentlichung gesehen werden sollte.477 Dabei machte er die essenzielle Bedeutung der königlichen Erwählung für das Gemeinwesen in ihrer positiven wie negativen Ausprägung deutlich. In negativer Hinsicht reproduzierte Coverdale die Stigmatisierung des Papstes, indem er ihn mit dem jüdischen Hohepriester Kaiphas verglich, der Christi Tod befördert haben soll. Während dieser Hohepriester für den physischen Tod des ‚Erlösers‘ verantwortlich sei, würde der Papst ihn durch die Unterdrückung des göttlichen Wortes ein zweites Mal symbolisch töten. So formulierte er dazu: „[F]or Caiphas taketh Christ for an heretic, our Baalam [der Papst – BQ] taketh the word of Christ for heresy.“478 Coverdale griff in der Folge auf das weidlich zirkulierende evangelische Gedankengut zurück und beschrieb die rein egoistischen Gründe des Papstes, das Wort Gottes zu unterdrücken: So müsse er um den Fortbestand seiner Dekrete, Gesetze und Anordnungen fürchten, sollte eine allgemein zugängliche Bibel einmal die bestehende Finsternis lichten. Dann würde bekannt werden, in welcher Weise er die Gläubigen betrogen habe und welch ein Verräter der Papst an Gott 477 Siehe COVERDALE, Biblia, fol. Aiir-Aviir. Widmung und Vorwort sind ediert in: Remains of Miles Coverdale, Bishop of Exeter, ed. von George PEARSON, Cambridge 1846, S. 322. Im Folgenden wird auf diese Edition verwiesen. 478 COVERDALE, Dedication, S. 4.

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und den Menschen sei. Sein Verhalten schade letztlich den Christen und nütze antichristlichen Bestrebungen.479 Ein Merkmal dieses antichristlichen Wirkens sei die Verkehrung einer göttlichen Ordnung, aus der mannigfaltige soziale Problematiken erwüchsen. Die Anmaßung weltlicher Herrschaftsbefugnisse seitens des Klerus und deren fortgesetzte Intervention in säkulare Angelegenheiten seien eine Grundproblematik der Zeit. Am prominenten Beispiel König Johanns exemplifizierte Coverdale die Gefahren für die innere Ordnung des Gemeinwesens, wenn der Papst das Königreich mit Interdikt und Exkommunikation belegen und Zwietracht zwischen Klerus und Laien schüren würde.480 Als hauptsächliches Problem identifizierte Coverdale freilich eine „falsche Doktrin“, die den Gläubigen einen unchristlichen Lebensvollzug lehre und damit deren Zugang zur Glückseligkeit verhindere. Nur das reine Wort Gottes könne zu dieser verhelfen, Wissen bringen und rechtes Verhalten einschärfen. Die Kenntnis der Schrift ordne das Gemeinwesen nach göttlichem Willen und ermögliche den Übergang von der Finsternis ins Licht. Die Publikation einer volkssprachigen Bibel bedeutete für Miles Coverdale genau diesen Übergang, den der König ermöglicht habe. So bedankte sich der Übersetzer bei Heinrich VIII. mit einem programmatischen Vergleich, indem er schrieb: „[A]nd a continual thankfulness both of old and young unto God and to your grace, for being our Moses, and for bringing us out of this old Egypt from the cruel hands of our spiritual Pharao.“481 In positiver Wendung erfolgte eine Umdeutung des einst von Papst Leo X. verliehenen Titels eines defensor fidei. Obwohl der Titel ursprünglich im Rahmen der Unterdrückung der Wahrheit verliehen worden sei, habe sich nun mit der Publikation der Bibel dessen eigentliche Intention erfüllt. Die einzige und reine, göttliche Wahrheit könne jetzt die bestehenden Lügen und unrechtmäßig angeeigneten Rechte korrigieren und den Herrschern ihre angestammte Autorität zurückgeben. Deren Status sei direkt von Gott gegeben worden und überrage deshalb alle anderen Mächte auf Erden. Coverdale erklärte dazu dezidiert: „For the scripture, both in the old testament and in the new, declareth most abundantly, that the office, authority, and power given of God unto kings is in earth above all other powers: let them call themselves popes, cardinals, or whatsoever they will, the word of God declareth them (yea, and commandeth them under pain of damnation), to be obedient unto the temporal sword 482 […].“

479 Vgl. COVERDALE, Dedication, S. 5, wo es heißt, der Papst trage zur Aufrechterhaltung des antichristlichen Königreichs bei, das die Welt in Ignoranz und Blindheit halte; siehe dazu etwa auch FRITH, Antithesis, S. 106 und passim; TYNDALE, Practice of Prelates, S. 273f. 480 Siehe COVERDALE, Dedication, S. 8; zum Beispiel Johanns auch SWINNERTON, Mustre, fol. Bvir-Bviiiv; ferner TYNDALE, Practice of Prelates, S. 295; BARLOW, A proper dyaloge, fol. Cviv-Cviir. 481 COVERDALE, Dedication, S. 11; zu diesem Vergleich siehe auch John KING, Tudor Royal Iconography. Literature and Art in an Age of Religious Crisis, Princeton 1989, S. 61 sowie die Diskussion zu Heinrich als neuem Moses S. 74f. 482 COVERDALE, Dedication, S. 6.

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Ähnlich zu den Ausführungen Stephen Gardiners bezeichnete auch Coverdale in der Folge die weltlichen Herrscher aufgrund ihres von Gott gegebenen Amtes als dessen Repräsentanten auf Erden, die zuweilen aufgrund dieser Stellung selbst als „Götter“ in der Heiligen Schrift firmieren würden. Mit der Anerkennung dieser Stellung ging die Hoffnung auf Reform und eine gute Herrschaft auf Grundlage der Bibel einher. Coverdale verdeutlichte dies durch die Heranziehung unterschiedlicher biblischer Typen, die je für sich spezifische Attribute einer göttlich sanktionierten und auf Basis des göttlichen Wortes ausgeübten Herrschaft symbolisierten. Entscheidend war auch hier, dass alle Vorbilder in der einen oder anderen Weise eine Rechtfertigung für weitgehende Reformmaßnahmen im weltlichen und geistlichen Bereich lieferten. Als Vorbild diente etwa der alttestamentliche König Josia, der den rechten Glauben an Gott wiederhergestellt habe.483 Analog dazu erhoffte sich auch Coverdale eine wesentliche Korrektur des geistlichen Bereichs, die Zurechtweisung des Klerus sowie die Abstellung von Idolatrie und falschen Praktiken im Sinne des göttlichen Rechts.484 Die Befugnisse dazu leitete er von König David ab, der als von Gott erwählter Herrscher über dessen Volk wachte. Ferner erschien Heinrich als Moses, dem als „Erst-Empfänger“ des Gesetz’ Gottes die zentrale Funktion eines Mittlers der Gotteswahrheit zukomme.485 Als Salomon schließlich verfüge der König über ein reichhaltiges Wissen, welches er – von Gott gegeben – zur richtigen Führung seines Volkes einsetzen solle.486 Der Umdeutungsversuch des ursprünglich vom Papst verliehenen Titels durch Miles Coverdale verweist auf die grundsätzlichen Operationen der Zeit. Die Scheidungsaffäre hatte die Aggregation einzelner Kritikpunkte an Klerus und Papsttum nachhaltig stimuliert. Durch deren Publikation konnte in der Folge leicht vom Einzelfall auf ein generelles Problem geschlossen werden. Während sich die Krone diese Grundsatzkritik zur Lösung der dynastischen Frage zu eigen machte, erzeugten die darüber autorisierten Artikulationen im Umkehrschluss eine Erwartungshaltung an Heinrich VIII. und dessen Entourage, gegen die festgestellten Missstände entsprechend vorzugehen. Der Referenzrahmen, in dem sowohl das Verlangen nach Reform als auch die Reformen selbst zunehmend verhandelt wurden, war die Vorstellung der göttlichen Erwählung des Königs, über die sämtliche eingeführten Neuerungen letztlich legitimiert worden waren. Zwei wesentliche Prozesse zeichneten diesen Referenzrahmen aus: Einerseits die Dissoziation von der Kurie, womit die Negation der päpstlichen Macht im englischen Raum einherging; andererseits erzeugte diese radikale Abkehr eine ontologische Unsicherheitslage im religiösen Bereich, die auf jeden Fall behoben werden musste. Die Reaktion bestand primär in der Aufwertung des Königsamtes, dessen Inhaber nun als direkter Vermittler zwischen Gott und den Gläubigen stilisiert wurde. Gleichwohl drängte der Monarch ebenfalls darauf, seine neue Stellung durch die Inanspruchnahme des Parlaments rechtlich-institutionell anerkennen und absichern zu lassen. Die Aufwertung des Amtes sollte letztlich eine 483 Siehe dazu Hermann SPIECKERMANN, Art. „Josia“, in: TRE 17 (1988), S. 264-267. 484 Vgl. COVERDALE, Dedication, S. 9. 485 Vgl. grundlegend Erich ZENGER, Art. „Mose I“, in: TRE 23 (1994), S. 330-341, hier S. 336. 486 Siehe zur Applikation dieser zentralen Persönlichkeiten COVERDALE, Dedication, S. 3; cf. KING, Tudor Royal Iconography, S. 56.

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Substitution der ehemals päpstlichen Vollmachten durch den englischen König ermöglichen. Freilich konnten etwaige Begründungsversuche nicht auf einer durch den Pontifex vereinnahmten Traditionslinie aufbauen, sondern mussten geradezu den Versuch unternehmen, eigene, von Papsttum und dessen Geschichte unabhängige Argumentationsketten zu entwickeln. Miles Coverdale hatte mit seinem Vergleich zwischen Heinrich VIII. und Moses bereits eine Möglichkeit aufgezeigt. Das Vorbild des Moses sowie die Stilisierung der henrizianischen Reformation als neuer Exodus waren zu Lebzeiten des Königs in reformatorischen Kreisen zwar durchaus präsent, dominierten die königliche Darstellung aber nicht eindeutig.487 Die englischen Reformer orientierten sich in der Auslegung dieser Motive sehr wahrscheinlich auch an kontinentalen Vorbildern: So war bereits 1524 ein Flugblatt im deutschen Raum erschienen, das Martin Luther als Moses präsentierte, der die Gläubigen aus der Gefangenschaft des päpstlichen Pharaos führte.488 Moses und die Exodus-Erzählung waren in diesem Zusammenhang äußerst geeignet, um den Antagonismus mit dem Papsttum in ein sinnvolles Narrativ zu kleiden. Die Ablehnung vieler Kirchenpraktiken und Glaubensgrundsätze als Idolatrie, Heidentum und Ähnliches schuf eine Differenzierung, die im Vorbild der ExodusErzählung äußerst passend aktualisiert werden konnte. Das mosaische Vorbild verwarf die Zustände in der alten Kirche als eine Form ägyptischer Knechtschaft, Unterdrückung und Götzendienst – und propagierte darüber hinaus eine wahre Form der Gottesanbetung, die sich einzig auf das von Gott selbst seinen Erwählten übergebene Gesetz konzentrierte. Das Exemplum konnte folglich nicht nur als Ausgangspunkt eines Separierungsprozesses fungieren, sondern auch dazu dienen, die Bibel im zeitgenössischen Diskurs aufzuwerten und letztlich als allein ausschlaggebende Größe für den anstehenden Vorgang der Absonderung zu verankern. 489 Vor diesem Hintergrund identifizierte das Frontispiz der Coverdale-Bibel Heinrich VIII. unter anderem mit Moses, der hier in der Situation des Empfangs der göttlichen Gesetze gezeigt wird. Unter dem Bild ist zu lesen: „These are the lawes, that thou shalt laye before them.“ 487 Vgl. u.a. PARR, Lamentacion, fol. Dvir-v; COVERDALE, Dedication, S. 11; PYLBAROUGH, Commemoration, fols. Aiir, Aivr, Biv-Biir, Biiv-Biiir, Ciiir-Civr, Civv, Dir, Diiiv; PARKER, Exposition, fols. Aiiir, Bivr-Bvv, Bviir, Ciiir; cf. KING, Tudor Royal Iconography, S. 74f; zur Rolle Moses bei Tyndale und anderen Reformatoren auch FOSTER, „Types and Shadows“, S. 373-379. 488 Siehe dazu Robert SCRIBNER, For the Sake of Simple Folk. Popular Propaganda for the German Reformation, Cambridge 1981, S. 27-30; Harry OELKE, Die Konfessionsbildung des 16. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Flugblätter, Berlin 1992, S. 234f, siehe auch Abbildung 11 im Anhang des Werkes; zu den englischen Verhältnissen KING, Tudor Royal Iconography, S. 75. 489 Die Exodus-Erzählung konnte auch als Grundlage dienen, um nachhaltige Reformen an einer vermeintlich oder tatsächlich bestehenden Unterjochungssituation zu artikulieren. In dieser Hinsicht benutzten bspw. die revoltierenden Bauern im Reich das Narrativ. Siehe etwa die 12 Artikel der Bauern: Dye Grundtlichen Vnd rechten haupt Artickel aller Baurschafft vnnd Hyndersessen der Gaistlichen vn[d] Weltlichen oberkayten, von wölchen sy sich beschwert vermainen, Augsburg 1525, fol. Aiiv (Bayerische Staatsbibliothek/VD 16 G 3540).

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Abbildung 1: Moses empfängt die Zehn Gebote

Coverdale, Biblia, Auszug aus dem Titelblatt

Die Abbildung verdeutlichte die transzendentale Herkunft der göttlichen Gesetze, die Heinrich VIII. als neuzeitlicher Moses empfangen habe und nun an sein Volk weitergebe.490 Damit bestätigte sich zugleich die Autorität des Königs als eine Zusammenführung von weltlicher und übernatürlich-spiritueller Macht, die in der Person Heinrichs konvergierten und dessen Souveränität ausmachten.491 Obwohl das Beispiel des Mose durchaus geeignet war, um einerseits die Abgrenzungen zu Papsttum und ‚alter Kirche‘ zu reproduzieren und andererseits die Erwählung des Königs zu repräsentieren, hatte das Exempel einen nicht unbedeutenden Mangel im Hinblick auf die königliche Stellung. So stellte Erich Zenger dazu fest: „Am auffallendsten ist zunächst, daß Mose beinahe alle Funktionen und Ämter oder zumindest Aspekte von ihnen in sich versammelt – mit einer Ausnahme: Er hat keine spezifisch königli492 chen Züge angenommen […]“

Vor diesem Hintergrund ist es offensichtlich, dass Moses zwar für die Belange der evangelischen Reformer ein geeignetes Vorbild darstellte, die Interessen des Königs aber nur partiell aufnehmen konnte. Aus diesem Grund kam Moses im Rahmen der königlichen Propaganda zwar eine nicht unwichtige Rolle zu, aber wenn es um die 490 Die eminente Bedeutung, die diesem Akt der Weitergabe des göttlichen Gesetzes durch Moses für die Gläubigen zukam, stellte William Tyndale heraus, der dazu schrieb: „The law (whose minister is Moses) was given to bring us unto the knowledge of ourselves, that we might thereby feel and perceive what we are, of nature.“ William TYNDALE, A Pathway into the Holy Scripture, in: Walter (Hg.), Doctrinal Treatises, S. 7-28, hier S. 10; siehe auch A compendious olde treatyse, fol. Aiiv. 491 Vgl. dazu auch KING, Tudor Royal Iconography, S. 75. 492 ZENGER, Mose I, S. 335.

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persönliche Repräsentation seiner königlichen Erwählung ging, bevorzugte Heinrich VIII. doch andere alttestamentliche Figuren. Das Titelblatt der Coverdale-Bibel liefert einen detaillierten visuellen Ausdruck sowohl der dominierenden henrizianischen Erwählungsvorstellung als auch der Notwendigkeit, die päpstliche Tradition in diesem Rahmen vollständig zu negieren. Der von Hans Holbein dem Jüngeren – vermutlich im Auftrag Cromwells493 – entworfene Holzschnitt zeigt im oberen Bildabschnitt in der Mitte das Tetragrammaton, das von Adam und Eva auf der linken und von Christus auf der rechten Seite eingerahmt wird. Als ‚übergeordnete‘ Elemente repräsentieren sie die neue Ideologie der Zeit, nach der einzig Gott und das von ihm direkt ausgehende Wort als verbindlich angesehen werden dürfen. In diesem Sinne stehen Adam und Eva für das Alte und Christus für das Neue Testament als die beiden einzigen legitimen Autorisierungsinstanzen. Auf der linken Seite zieht sich dann über die Figuren Moses und Esra eine alttestamentliche Traditionslinie bis zu König David, der im unteren Teil links neben Heinrich VIII. mit Lyra dargestellt ist. Die rechte Seite dominiert eine neutestamentliche Traditionslinie, die zuerst Christus zeigt, wie er den Aposteln den Auftrag erteilt, das Wort Gottes zu verbreiten.494 Auffallend an dieser Szene ist die Tatsache, dass alle Apostel mit einem Schlüssel abgebildet werden. Darunter befindet sich eine Darstellung, die die Apostel bei der Verkündigung zeigt. Die rechte Reihe läuft schließlich im unteren Drittel auf die Figur des Paulus hin, der nach klassischer Ikonographie mit dem Schwert als Zeichen des Märtyrers gezeigt wird.495 David und Paulus flankieren den in der unteren Bildmitte thronenden Heinrich VIII., der mit Schwert und Buch präsentiert wird. Vor ihm finden sich knieend Vertreter des geistlichen und weltlichen Standes, die ehrfurchtsvoll die Heilige Schrift vom König empfangen.496 Das Titelblatt verband die wichtigsten Elemente der zeitgenössischen Debatte und richtete sie auf den König aus. Bemerkenswert dabei war die konsequente Ausblendung des Papstes und der Institution Kirche. Die beiden aufgezeigten Traditionslinien wiesen demgegenüber die Autorität des Königs als direkten Ausfluss einer göttlichen Erwählung aus. Der Anordnung des Holzschnittes folgend geht diese quasi

493 Vgl. Roy C. STRONG, Holbein and Henry VIII, London 1967, S. 14; jüngst zur Patronage durch Cromwell auch David HOWARTH, Imags of Rule. Art and Politics in the English Renaissance, 1485-1649, Basingstoke u.a. 1997, S. 220-224, der den Inhalt des Titelblattes freilich nicht weiter bespricht. 494 Direkt unter dem Bild kann man ein Zitat aus Markus 16, 15 lesen: „Go youre waye in to all the worlde, & preach the Gospel.“ 495 Vgl. dazu KING, Tudor Royal Iconography, S. 63-66. 496 Besprechungen des Bildes bei John N. KING, The royal image, 1535-1603, in: Hoak (Hg.), Tudor Political Culture, S. 104-132; DERS., Henry VIII as David: The King’s Image and Reformation Politics, in: Peter C. Herman (Hg.), Rethinking the Henrician Era. Essays on Early Tudor Texts and Contexts, Urbana/Chicago 1994, S. 78-92; dieser Aufsatz ist erneut abgedruckt in Mark RANKIN / Christopher HIGHLEY / John KING (Hgg.), Henry VIII and his afterlives. Literature, politics, and art, Cambridge 2009, S. 3452; DERS., Tudor Royal Iconography, S. 54-67.

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direkt von Gott auf ihn hernieder.497 Moses erhielt die Zehn Gebote unmittelbar von Gott und symbolisierte die Fähigkeit des Monarchen, durch eine göttliche Inspiration Recht zu setzen und sein Volk aus der Gefangenschaft des Pharaos zu befreien. Die Wahl Esras ergänzte dieses Bild, da im Buch Esra die „Heimkehr“ nach Jerusalem sowie der Bau des Tempels geschildert werden. Zudem galt Esra als überragender Gelehrter und Lehrer des mosaischen Rechtes, weshalb er mehrfach als ein zweiter Moses bezeichnet worden ist.498 Die Schlüsselübergabe Christi an alle Apostel trug zur weiteren Unterminierung des päpstlichen Anspruches bei, in der Nachfolge Petri einziger Inhaber jener „Schlüsselgewalt“ zu sein. Die Darstellung korrespondierte zudem mit den Interpretationen evangelischer Autoren, wonach Petrus als stellvertretendes Symbol einer Gesamtkirche gesehen werden müsse. Die Degradierung Petri setzt sich im unteren Bildabschnitt fort. Wie Pamela Tudor-Craig zu Recht bemerkte, zeigt die Einfassung Heinrichs VIII. durch die Figuren Paulus und David eine signifikante Veränderung zu klassischen Darstellungen an. Während seit dem 4. Jahrhundert traditionell das Paar Petrus und Paulus zur Symbolisierung der universalen christlichen Botschaft abgebildet worden war, wurde auf dem Titelblatt die Konstellation geändert, indem Petrus durch König David ersetzt wurde.499

497 Vgl. KING, The royal image, S. 106; DERS., Henry VIII as David, S. 79f; DERS., Tudor Royal Iconography, S. 54. 498 Zudem werden mit dem Bsp. des Esra erneut Forderungen nach einer Reform auf Grundlage des göttlichen Rechtes wiederholt. Siehe dazu Esra 7, 6 sowie Magne SÆBØ, Art. „Esra“, in: TRE 10 (1982), S. 374-386, hier S. 381f. 499 Siehe Pamela TUDOR-CRAIG, Henry VIII and King David, in: Daniel Williams (Hg.), Early Tudor England. Proceedings of the 1987 Harlaxton Symposium, Woodbridge 1989, S. 183-205, hier S. 193; KING, Tudor Royal Iconograpy, S. 64.

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Abbildung 2: Das Titelblatt der Coverdale-Bibel von 1535

Coverdale, Biblia, Titelblatt

Es sind genau solche Überlagerungen, Neucodierungen und Bedeutungsverschiebungen, die zur Absicherung und Legitimation des neuen Referenzrahmens der göttlichen Erwählung notwendig waren. Im Symbol des Schwertes verschmolz das tradi-

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tionelle Herrschaftszeichen mit einer neuen, aus dem diskursiven Horizont der Zeit hervorgehenden göttlichen Autorisierung der königlichen Herrschaft. Es avancierte zum Schwert des Geistes, das mit dem Wort Gottes gleichgesetzt wurde.500 Die Überlagerung beider Symbole deutet ikonographisch jenen Vorgang an, den auf textueller Seite Sammlungen wie die Collectanea oder Schriften wie Stephen Gardiners De vera obedientia bereits vollzogen hatten: nämlich dass die herrschaftlichen Vollmachten des englischen Königs, zu denen auch die Verfügungsgewalt über die Spiritualia gehörte, einzig aus der seiner Position immanenten göttlichen Autorisierung entsprängen. Dass dieser Art aufgeladene Symbol des Schwertes korrelierte ferner mit dem Buch, welches Heinrich an die vor ihm knieenden weltlichen und geistlichen Vertreter überreicht. In der Ausgabe der Great Bible von 1539 wurde dies deutlicher herausgestellt, da das übergebene Buch die Aufschrift „Verbum Dei“ trägt.501 Die Darstellung invertierte traditionelle Dedikationsmotive dahingehend, dass hier der Patron das Werk nicht in Empfang nimmt, sondern es übergibt. 502 Diese Geste unterstrich die Bedeutung, dass das volkssprachige Wort Gottes ein Ausfluss royaler Handlung war, die den König in ein Kontinuum mit den Aposteln stellte, ihn quasi als modernen Apostel stilisierte, und damit die auf der rechten Seite des Titelblattes dargestellte Traditionslinie abrundete.503 Diese Szenerie untergrub nicht nur in anschaulicher Weise den zentralen Auftrag der Papstkirche, sondern zeigte zugleich den Vorgang einer Transmission an, in deren Zuge die einstiegen Aufgaben des Pontifex maximus an den Monarchen übergingen. Es ist schließlich einzig Sache der königlichen Prärogative, das göttliche Wort zu vermitteln und einen Reformprozess zu initiieren.504 Während über Paulus die geistliche Autorität des Königs gegenüber der Kurie propagiert und herausgestellt wurde, diente die Darstellung Davids auf der einen Seite der Zurückweisung weltlicher Ansprüche der Kurie auf die Herrschaftsvollmachten des Königs. Auf der anderen Seite gewährte die Figur Davids eine Reihe von Assoziationsmöglichkeiten, die vor dem Hintergrund der zeitlichen Umstände an Bedeutung gewinnen mussten. Auf dem Titelblatt von 1535 stellte er das Ziel jener auf der linken Seite verlaufenden alttestamentlichen Sequenz dar. Die Funktionalisierung seiner Person offerierte zunächst eine Legitimation der henrizianischen Herrschaft analog zu biblischen Königen. Die hierüber etablierte Traditionslinie zeigte den englischen König als von Gott eingesetzten und gesegneten Herrscher, dessen 500 Siehe KING, Royal Image, S. 107 und Epheser 6, 17: „And take the helmet of salvation, and the sword of the Spirit, which is the word of God.“ 501 The Byble in Englyshe that is to saye the content of all the holy scrypture, both of ye olde and newe testament, truly translated after the veryte of the Hebrue and Greke textes, by ye dylygent studye of dyuerse excellent learned men, expert in the forsayde tonges, London 1539 (STC2 2068/British Library), Titelblatt. Eine bessere Kopie findet sich bei KING, Tudor Royal Iconography, S. 71, Besprechung des Titelblattes S. 70-74. 502 Vgl. KING, Tudor Royal Iconography, S. 70-72. 503 Siehe zur Darstellung Heinrichs als ‚modernem‘ Apostel KING, Tudor Royal Iconography, S. 62f. 504 Vgl. KING, Royal Image, S. 110; DERS., Henry as David, S. 80; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 141-144.

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Herrschaft zudem als vollständig losgelöst von äußeren Instanzen wie der Kurie erscheinen musste.505 So wird Davids Anspruch auf Herrschaft für gewöhnlich anhand von vier Kriterien festgemacht: 1.) er gilt als von Gott erwählter Führer; 2.) er regiert aufgrund dynastischer Sukzession; 3.) seine Regentschaft ist zugleich Ausfluss militärischer Tapferkeit; 4.) er wurde auch vom Volk erwählt. 506 Zusammengenommen erfüllte dieser Katalog die Funktion, die Herrschaft Heinrichs als Analogon zu jenen Königen des Alten Testaments zu präsentieren, die als direkte Sachwalter Gottes über den geistlichen Instanzen gestanden hatten. Damit sollte zugleich etwaigen Exkommunikationsandrohungen, Interdikten und sonstigen Strafmaßnahmen seitens der Kurie vorgebeugt werden.507 Darüber hinaus wies das Exemplum Davids eine Reihe weiterer Anknüpfungspunkte auf, die nachfolgend für die Repräsentation des englischen Königs herangezogen werden konnten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Stellung Davids als eines von Gott erwählten Führers. So heißt es etwa in der Apostelgeschichte: „I have found David the son of Jesse, a man after mine own heart, which shall fulfill all my will.“508 Die Erwählung Davids illustrierte eine unmittelbare Verbindung zu Gott, die durch keine institutionellen Vermittler bestätigt oder beeinträchtigt worden war. Er war vielmehr in der ursprünglichen Verwendung des Begriffes bei Rudolph Sohm ein Mann mit Charisma, der von Gott zum Herrschen designiert und von seinem Volk in dieser Stellung anerkannt wurde. 509 In dieser Hinsicht entsprach die Darstellung Heinrichs als erwählter Herrscher ganz den Ausführungen von William Tyndale, der in seiner Obedience den lateinischen Begriff sacerdos mit „minister“ oder „officer“ ins Englische übersetzen mochte. Ausschlaggebendes Kriterium dieser Personen sei ihre Fähigkeit gewesen, als „Vermittler“ zwischen Gott und Volk zu dienen.510 So kann auch am Vorbild Davids ein Prozess abgelesen werden, der das königliche Selbstbild sukzessiv an wesentliche Elemente

505 Sehr treffend erscheint diese alttestamentliche Legitimation der henrizianischen Herrschaft auch in einer Minitaur von Hans Holbein mit dem Titel „Solomon and the Queen of Sheba“ aus dem Jahr 1535/36. Siehe dazu SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 132-135. 506 Siehe Lawrence A. SINCLAIR, Art. „David I“, in: TRE 8 (1981), S. 378-384, hier S. 379. 507 Der immer wiederkehrende Punkt einer vollständig von allen äußeren Instanzen unabhängigen Herrschaft des englischen Königs war im Hinblick auf das Papsttum auch insofern von Bedeutung, als die Kurie seit 1213 für sich offiziell beanspruchen konnte, oberster Lehnsherr der englischen Könige zu sein. In diesem Jahr hatte König Johann seine Krone mitsamt allen damit verbundenen Herrschaftsrechten an Papst Innozenz III. abgetreten. Siehe dazu die Chronik von Matthew PARIS, Chronica Majora, ed. von Henry Richards Luard, 7 Bde., London 1872-83, hier Bd. 2, London 1874, S. 544f. Dieser Punkt sollte unter der Herrschaft Elisabeths von katholischen Autoren aufgegriffen werden. 508 Apg. 13, 22. 509 Siehe Rudolph SOHM, Kirchenrecht Bd. 1: Die geschichtlichen Grundlagen, Leipzig 1892, S. 6 & 26f. 510 Vgl. TYNDALE, Obedience, S. 255.

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einer reformatorischen Ideenwelt heranrückte, ohne dass freilich das Eine im Anderen vollständig aufgegangen wäre.511 Eng zusammen mit dem Charisma des alttestamentlichen Herrschers hingen dessen militärische Tapferkeit sowie seine Funktion als Reichsgründer. Im Gegensatz zu anderen Elementen des Davidbildes standen seit Ende des 15. und dem Beginn des 16. Jahrhunderts diese Aspekte häufig im Vordergrund, wenn es sich um die Vorbildfunktion des biblischen Königs für christliche Herrscher handelte. 512 Betont wurde dabei vor allem der Sieg Davids über Goliath – eine Episode, die sich auf die Situation des englischen Königs nach der Abspaltung von Rom sehr gut applizieren ließ. Nicht nur drohten hier Interventionen durch äußere Mächte wie dem Papsttum, dem französischen König oder dem Kaiser, sondern Heinrich VIII. hatte auch mit inneren Widerständen gegen seine Reformen zu kämpfen.513 In dieser Situation konnte der martialische David gewinnbringend fruchtbar gemacht werden, dem Gott bei seinen schweren Prüfungen und Schlachten stets helfend zur Seite stand.514 Die Versicherung, dass Gott den Taten des englischen Königs ebenso gewogen war und Heinrich VIII. in dessen Kampf beistand, war in Zeiten instabiler äußerer 511 Siehe dazu BURGESS, Political Thought, S. 33-35; BERNARD, The King’s Reformation, S. 225-276; zur reformatorischen Vereinnahmung Davids siehe etwa Edward A. GOSSELIN, The King’s progress to Jerusalem. Some interpretations of David during the Reformation period and their patristic and medieval background, Malibu 1976. 512 Vgl. dazu grundsätzlich Matthias KRÜGER, David, in: Handbuch der politischen Ikonographie, hrsg. von Uwe Fleckner / Martin Wanke / Hendrik Ziegler, Bd. 1, 2., durchges. Aufl., München 2011, S. 216-225; SINCLAIR, David, S. 381; zur Reichsbildung auch Walter DIETRICH, Art. „David I.“, in: RGG4, Bd. 2 (1999), Sp. 593-596, hier Sp. 594; zur Tradition des Goliath-Motivs ferner TUDOR-CRAIG, Henry and King David, S. 192; der militärische Aspekt wird auch betont bei Herfried MÜNKLER, Moses, David und Ahab. Biblische Gestalten in der politischen Theorie der Frühen Neuzeit, in: Jürgen Ebach / Richard Faber (Hgg.), Bibel und Literatur, München 1995, S. 113-136, hier S. 113-115; zum Fortbestand dieses Aspektes im 17. & 18. Jh. Marie L. AHEARN, David, the Military Exemplum, in: Raymond-Jean Frontain / Jan Wojcik (Hgg.), The David Myth in Western Literature, West Lafayette 1980, S. 107-118; Vorstellungen Davids als reuigem Sünder, die in Mittelalter und Renaissance noch verbreitet waren, wurden vor diesem Hintergrund fast vollständig ausgeblendet. Siehe dazu KING, Tudor Royal Iconography, S. 79; cf. GOSSELIN, King’s Progress, S. 25-48. 513 Vgl. dazu etwa die Schreiben Pauls III. bezüglich Bündnisbestrebungen gegen England an Jakob V. von Schottland, Franz I. von Frankreich sowie an Maria von Ungarn in: Letters and Papers XII/1, Nrn. 433, 434 & 435, S. 209f. Aus einem Schreiben des päpstlichen Gesandten am frz. Hof, Rodolfo Pio, Bischof von Faenza, wird die Bereitschaft des schottischen Königs deutlich, gegen seinen Verwandten im Süden vorzugehen. Siehe Letters and Papers XII/1, Nr. 463, S. 221f; siehe ferner dazu KING, Tudor Royal Iconography, S. 80f; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 141f; Peter MARSHALL, „The Greatest Man in Wales“: James Ap Gruffydd Ap Hywel and the International Opposition to Henry VIII, in: SCJ 39 (2008), S. 681-704. 514 So heißt es etwa in 2 Samuel 7, 9: „And I was with thee whithersoever thou wentest, and have cut off all thine enemies out of thy sight, and have made thee a great name, like unto the name of the great men that are in the earth.“

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und innerer Verhältnisse eine wichtige Versicherung. Henry Parker, Baron Morley, verglich in einer Schrift zu Ehren Heinrichs den englischen König und dessen Situation daher mit dem alttestamentlichen Vorbild: „They that seke rightuousnes, may ofte be broughte into manye straytes, moch trouble, great distresses, but yet if the confide[n]ce and trust, that they ought to haue in god, fayle theym nat, they are euer sure to escape. Dauyd was broughte into many dangers, and yet euermore delyuered. And who knoweth nat what ieoperdies the kinges highnes hath escaped only by the helpe of god? […] The kynges hyghenesse maye say, as wel as euer Dauid might […] thy mer515 cy good lord, alwayes did helpe me, and kepte me euermore from fallynge.“

Mit der militärischen Leistungsfähigkeit König Davids korrespondierte seine Funktion als Reichsbilder. So wird ihm in der Regel die Verantwortung für die Vereinigung der Königreiche von Juda und Israel zugeschrieben. 516 Dieser Fakt bekam seit der Zusammenstellung der Collectanea eine besondere Bedeutung, definierte die Schrift eine imperiale Krone doch vor allem durch die Herrschaftsgewalt über mehrere Reiche.517 Gleichzeitig bedeutete die Zuschreibung eines imperialen Status’ auch die Ablehnung anderweitiger Herrschaftsrechte in England, wodurch das davidische Beispiel in der Lage war, die unter anderem im Act of Appeals wiederholten imperialen Ansprüche der Krone äußerst passend zu reflektieren. Das Exemplum König Davids stand ferner für innere Reformen, in deren Zuge er den wahren Glauben an Jahwe wieder zur Geltung gebracht haben soll. 518 Von zentraler Bedeutung war in diesem Zusammenhang die Erzählung, wonach David für die ‚Heimholung‘ der Bundeslage verantwortlich war. Damit hatte er den ersten wichtigen Schritt gemacht, um den wahren Glauben an Gott zu restituieren.519 In dieser Hinsicht ergänzten sich die ‚Typen‘ Moses, Esra und David und verschmolzen im Selbstbild des Tudor-Königs, der sich in diesem Kontext somit als Hüter und Reformer des wahren und einzig richtigen Glaubens etablieren konnte. Die henrizianische Form der Erwählung manifestierte sich primär in diesem Anspruch, Reformen in seinem Königreich durch- und einführen zu können sowie über diese zu wachen – auch und gerade wenn es sich um Fragen der Spiritualia handelte.

515 PARKER, Exposition, fol. Cir-v. Weitere Vergleiche mit David auf den fols. Avv, Aviir, Bviiir, Civr-v. Diese Identifikation wurde zudem in weiteren gedruckten und handschriftlichen Texten sowie bildlich kommuniziert. Siehe dazu KING, Tudor Royal Iconography, S. 76-81 zum Davidbild; DERS., Henry VIII as David, S. 83-89; TUDOR-CRAIG, Henry and King David. 516 Vgl. SINCLAIR, David, S. 381; MÜNKLER, Moses, S. 114. 517 Vgl. NICHOLSON, Historical Argument, S. 174-180; DERS., Act of Appeals, S. 23-25; GUY, Intellectual Origins, S. 219. 518 Siehe dazu etwa SINCLAIR, David, S. 382; die Verbindung von David mit einem wahren Glauben an Gott spielte auch im späteren 16. Jahrhundert eine wichtige Rolle. So wurde er gerade deshalb auch von hugenottischen Autoren während der Religionskriege fruchtbar gemacht. Vgl. Edward A. GOSSELIN, David in Tempore Belli: Beza’s David in the Service of the Huguenots, in: SCJ 7 (1976), S. 31-54, hier S. 41f. 519 Siehe dazu 2 Samuel 6.

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Die Attraktivität des davidischen Beispiels zeigte sich zuletzt in einer spezifischen Königsideologie, nach der sich Gott mit dem Hause und Geschlecht Davids verbunden und ihnen einen ewigen Bund versprochen habe. Besonders in Psalm 89 zeichnet sich dieser Bund ab, wenn Gott zusichert: „I have made a covenant with my chosen, I have sworne unto David my servant. Thy seed will I establish for ever, and build up thy throne to all generations.“520 Hier offenbarte sich in selten klarer Weise, wie die offizielle Vorstellung der königlichen Erwählung zeitgenössisch konturiert wurde. Es ist zunächst lediglich David, der aus der Masse von Gott erhöht wird: „I have exalted one chosen out of the people. I have found David my servant; with my holy oil have I annointed him.“521 So garantiert allein der erwählte König, bzw. in Erweiterung des Motivs um eine dynastische Komponente dessen Geschlecht, die andauernde Gnade Gottes, von der erst in einem zweiten Schritt das Gemeinwesen profitieren könne. Wie Pamela Tudor-Craig in diesem Zusammenhang bemerkte, lieferte die Fokussierung auf König David ein spätestens nach der Geburt Eduards für die dynastische Erbfolge besser geeignetes Vorbild als etwa König Arthur, der über keinen legitimen Erben verfügte. Dergestalt konnte der lang ersehnte Nachfolger Heinrichs als neuer Salomon präsentiert werden und dadurch propagandistisch auf die Sicherung der von Heinrich vorgenommen Reformen verweisen. Gleichzeitig diente die Repräsentation der Thronfolge Heinrich-Eduard als David-Salomon auch dazu, die umstrittene Position des Jungen zu sichern, indem sein Anspruch darüber sowohl dynastisch als auch göttlich sanktioniert und legitimiert werden konnte. 522 Schließlich beinhaltete das Vorbild hier eine Kontinuitätsvorstellung, die in ideologischer Hinsicht die Vererbung der neuen königlichen Vollmachten an den Nachfolger Eduard ermöglichen und erleichtern konnte. Gerade auch vor diesem Hintergrund muss sicherlich die Feststellung Pamela Tudor-Craigs gesehen werden, wonach das davidische Motiv bis weit in die 1540er Jahre hinein eine dominante Stellung im Umfeld des Königs eingenommen habe.523 Dass die Darstellung des englischen Königs zwischen einzelnen Figuren oszillierte, muss vor allem als Ergebnis der unterschiedlichen Interessen gesehen werden, die mit der royalen Auserwähltheit und den darüber eingeführten und legitimierten Innovationen verbunden worden waren. Indem Heinrich VIII. das Schisma vollzogen und in der Folge den päpstlichen Primat negiert hatte, konnte er in den Augen reformorientierter Autoren als ein mosaischer Befreier firmieren, der sein unterdrücktes Volk aus der Gefangenschaft des Pharaos geführt hatte. Einen zweiten wichtigen Schritt in diesem Exodus tat der König durch die Übergabe der volkssprachigen Bibel, wodurch er dem Volk das göttliche Licht der Erkenntnis zugänglich gemacht hatte. Mit dieser Handlung erfüllte Heinrich die an ihn gerichteten Forderungen und bestätigte derart seine ihm zugeschriebene Stellung als erwählter Fürst, der das Gemeinwesen 520 Psalm 89, 3-4; siehe dazu auch 2 Samuel 7, 12-16. 521 Psalm 89, 19-20. 522 Vgl. dazu SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 139 sowie das Porträt der Familie Heinrichs VIII. von ca. 1545 mitsamt Besprechung S. 138-140. 523 Siehe TUDOR-CRAIG, Henry and King David, passim; ähnlich auch KING, Tudor Royal Iconography, S. 76-81 zur Kontinuität des Motivs sowie zur dynastischen Komponente; DERS., Henry VIII as David; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 141-144; zur Königsideologie unter David auch SINCLAIR, David, S. 382f.

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einer grundlegenden Reform unterziehen werde. Allerdings war die ExodusErzählung primär die Geschichte eines erwählten Kollektivs, das sich gegenüber einer tyrannischen Herrschaft emanzipierte. Darin drückte sich also vornehmlich die besondere Beziehung Gottes zu seinem Volk aus, was für die Repräsentation der königlichen Stellung von nachgeordneter Relevanz sein konnte. Zudem beinhaltete das Exodus-Narrativ ein Fortschritts- und Entwicklungspotential, das den politischen und religiösen Ansichten des Königs insgesamt nicht genehm sein konnte. 524 Denn entgegen den mit dem Exodus-Narrativ assoziierten Absichten der Reformer strebte Heinrich VIII. keineswegs eine vollständige Protestantisierung seines Landes an. Seine Kirchenauffassung war eher geprägt von einem Ausgleich zwischen den beiden Extremen, wie es zuletzt George Bernard prägnant dargestellt hat. 525 Diese Auffassung schlug sich zuletzt auch in den dogmatischen Setzungen des Königs nieder. Die Six Articles (1539) sowie das sog. King’s Book (1543) sollten in diesem Sinne vor allem die religiöse Einheit sicherstellen und die vollzogenen Reformen konsolidieren. 526 Für den König und dessen Selbstdarstellung schienen demgegenüber andere Motive handlungsleitend, die sich aus der Abkehr von Rom, der Sicherung seiner eigenen Stellung und Dynastie sowie der Stabilisierung des Gemeinwesens ergaben. Hierzu gehörte neben der Propagierung einer von Gott erwählten Position vor allem der Drang, die reklamierte Stellung rasch institutionell und rechtlich absichern zu lassen. Damit zusammen hing zudem die Proklamation eines imperialen Status der englischen Krone, der das Königreich gegenüber allen äußeren Machtansprüchen immunisieren sollte. Für diese Punkte war das Vorbild König Davids weitaus besser geeignet als Moses, zumal David über zwei weitere Vorteile verfügte: Zum einen war er im Gegensatz zu Moses tatsächlich ein gesalbter König, der noch dazu als Reichsgründer eine imperiale Dimension verkörpern konnte. Zum anderen konnte David spätestens mit der Geburt Eduards viel besser für die dynastische Repräsentation der Tudors eingespannt werden, da mit seinem Sohn Salomon ein Erbe bereitstand, der die Kontinuität der von Gott gesegneten Dynastie garantierte. 524 Zu diesem Potential, dass im Grundsatz einen revolutionären Impuls aufweist, siehe etwa WALZER, Exodus und Revolution; DERS., Exodus 32 and the Theory of Holy War: The History of a Citation, in: Harvard Theological Review 61 (1968), S. 1-14; CHERRY (Hg.), God’s New Israel. Die Thematik des Exodus-Narrativs und das ihm innewohnende Veränderungspotential wird in den Abschnitten C und D eingehend behandelt werden. 525 Vgl. dazu BERNARD, The King’s Reformation, S. 225-292; DERS., Making of Religious Policy, S. 333, 348 und passim; die Rolle der persönlichen Glaubensauffassung eines Herrschers bei den Reformprozessen des 16. Jahrhunderts hat zuletzt auch SCHMID, ‚No Bishops, No King‘ betont. 526 Vgl. dazu An Acte abolishing diversity in Opynions [auch Six Articles genannt], in: STATUTES OF THE REALM III, 31° Hen. VIII, c. 14, S. 739-743; A necessary doctrine and erudition for any Christen man sette furthe by the kynges maiestie of Englande, London 1543 (STC2 5168/British Library); die Six Articles, das King’s Book sowie weitere Bestimmungen in diesem Bereich wurden von den englischen Reformern zumeist als Rückschritt in den Reformbestrebungen aufgefasst. Sofern sie nicht bereits auf dem Kontinent weilten, verließen in der Folge viele Reformer England und kritisierten den henrizianischen Konsens teilweise massiv. Siehe dazu etwa PEČAR, Macht der Schrift, S. 137f; RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 93-112.

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4.4 Zusammenfassung Die Instituierung der königlichen Erwählung zeichnete sich durch zwei nahezu parallel verlaufende Entwicklungen aus. Auf der einen Seite stand das immense Interesse Heinrichs VIII., seine postulierten Vorrechte bestmöglich absichern und legitimieren zu lassen. Zu diesem Zweck nutzten er und seine Berater verstärkt das englische Parlament, so dass bis 1536 zahlreiche Gesetze erlassen wurden, die immer mehr Aspekte des diskursiven Horizonts göttlicher Erwählung in eine rechtliche Form brachten. Die umfangreiche Inanspruchnahme der parlamentarischen Gesetzgebung in dieser Zeit wertete nicht nur das zugrunde liegende Verfahren des King-in-Parliament sowie die Institution an sich auf, sondern deutete auch die Neuartigkeit und Tragweite der Entscheidungen und Beschlüsse an, die hier sukzessiv gefasst und verabschiedet worden sind und einer bestmöglichen Absicherung bedurften. Mit der schrittweise vollzogenen rechtlichen Fixierung der königlichen Erwählung einher ging eine Propagandaaktion der Krone, die den neuen Referenzrahmen ideologisch absichern sollte. Dies muss als ein wesentlicher Vorgang der Zeit betrachtet werden, da einerseits im Rahmen der verabschiedeten Gesetze immer wieder wie selbstverständlich auf den neuen Referenzrahmen rekurriert worden war. Andererseits war es die Aufgabe der gedruckten Medien, die neue Position des Monarchen zu erklären, zu definieren und zu rechtfertigen. Besonders nach der Erklärung der königlichen Suprematie 1534 setzte hier eine verstärkte Propagierung der Vollmachten Heinrichs VIII. ein, innerhalb seines Königreichs sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich umfangreiche Reformen ein- und durchzuführen zu können. Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass die königliche Propaganda in diesem Zeitraum zwei Ziele verfolgte: Zunächst galt es, die Logiken der Mosaischen Unterscheidung dahingehend zu nutzen, dass das Papsttum und die Papstkirche als Bedrohung des englischen Gemeinwesens in spiritueller wie weltlicher Hinsicht wahrgenommen wurden. Autoren wie Edward Foxe oder Stephen Gardiner bedienten sich in diesem Zusammenhang ebenso der Ideen und Rhetorik eines reformatorischen Schrifttums wie auch Argumenten, die aus der Aufbereitung der eigenen Geschichte gewonnen worden waren. Wichtig war an dieser Stelle vor allem der Nachweis, dass die päpstlichen und klerikalen Handlungen letztlich als gemeinschaftsschädlich gebrandmarkt wurden. Gegenüber diesem Negativpol konnten sodann die Ablehnung und Separation als einzige Möglichkeit einer Errettung konstruiert und gerechtfertigt werden. Die hieraus abgeleitete Notwendigkeit zu weitreichenden und umfassenden Reformen wurde sodann dem König als unmittelbar von Gott erwähltem Sachwalter zugeschrieben. Die Erwählung des Königs fungierte hier primär als Motiv der Absicherung, das die durch die Abkehr von Rom geschaffenen Unsicherheiten beseitigen sollte. Um diese Absicherung garantieren zu können, war es von zentraler Bedeutung, dass mit der Verurteilung und Diskreditierung der Papstkirche eine eigenständige Traditionslinie etabliert wurde, welche die neuen Rechte des Königs unabhängig von einer kirchlichen Überlieferung als wahr und alt auswies. In diesem Versuch der Legitimierung und Ausgestaltung der königlichen Erwählung entdeckten die Akteure das Alte Testament mit seinem reichen Fundus an von Gott erwählten Führern und Königen aufs Neue. Die aus der Neulektüre gewonnenen Einsichten applizierte man in der Folge auf die englischen Verhältnisse. Ein wesentlicher Vorteil der Anwendung von Vorbildern wie Josia, Hiskia, Salomon, Moses

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oder David für die Repräsentation des Königs war die Tatsache, dass sie in einer Zeit walteten, in der es keine Institution Kirche gegeben, aber Gott dennoch sein Heil an Einzelpersonen und Kollektive wie die Israeliten gespendet hatte. In einer Ära ohne das Papsttum, die Kirchenhierarchie und -orthodoxie hatten dereinst alttestamentliche Könige und Herrscher die spirituellen Angelegenheiten ihres Volkes ebenso wie die weltlichen Begebenheiten entschieden und Reformen im religiösen Bereich durchgeführt. Die grundlegende Botschaft lautete hier also, dass es zur Erlangung des Heils nicht zwingend einer Institution wie der Papstkirche bedürfe, weil deren wesentliche Funktionen ehedem von den Herrschern und Königen wahrgenommen worden seien. Die Vielfalt der angeführten Vorbilder scheint so zunächst der grundsätzlichen Intention geschuldet zu sein, für die neue Konstellation, die durch die Erwählung des Königs repräsentiert wurde, möglichst viele Beispiele und Belege nennen zu wollen. Die regelmäßige Reproduktion und Verwendung der alttestamentlichen Vorbilder sollte hernach die Legitimation Heinrichs VIII. für ein ähnliches Handeln in seiner eigenen Zeit herstellen und kommunizieren helfen, indem der Nachweis geführt wurde, dass von Gott ernannte und eingesetzte Herrscher seit je her dieses Recht besessen und ausgeübt hätten. Aus königlicher Sicht kristallisierte sich in der Folge zunehmend die Dominanz einer Repräsentation nach davidischem Vorbild heraus. König David eignete sich für die Darstellung der henrizianischen Erwählung in besonderer Weise, weil er Heinrichs Herrschaft sowie die englischen Verhältnisse der Zeit in mehrfacher Hinsicht überaus passend reproduzieren konnte: Der Bund, den Gott mit David und dessen Geschlecht geschlossen hatte, verbürgte nicht nur die exzeptionelle Stellung des englischen Königs innerhalb seines Herrschaftsbereichs, sondern führte auch zu einer Heiligung der Dynastie der Tudors. In diesem Sinne war spätestens mit der Geburt Eduards durch das Davidvorbild zudem ideologisch die Möglichkeit gegeben, die neu geschaffenen Vollmachten legitim an den Nachfolger zu vererben. Die Reformen Davids im religiösen Bereich konnten zudem die henrizianischen Innovationen in diesem Feld widerspiegeln. Während David die Bundeslade nach Jerusalem zurückgeholt und damit sinnbildlich die Gegenwart Gottes in seinem Volk restituiert hatte, konnte Heinrich Ähnliches durch seinen Kampf gegen das Papsttum, viele Praktiken der alten Kirche sowie zuletzt durch die Veröffentlichung der volkssprachigen Bibel für sich beanspruchen. Das davidische Vorbild schien darüber hinaus in gewisser Hinsicht eine eher königliche Interpretation der eigenen Erwählung zu sein, die als Alternative zu den vorwiegend reformatorischen Stilisierungen des Königs als Moses gesehen werden muss. Im Gegensatz zu David hatte Moses vor allem den Nachteil, dass ihm die Königswürde mitsamt verbundener Ideologie fehlte. Im Hinblick auf die Sicherung der Dynastie sowie der Möglichkeit, die Position als göttlich erwählter Monarch an seinen Nachfolger weitergeben zu können, war der Bezwinger Goliaths aus königlicher Sicht eindeutig die bessere Wahl.

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5. K RITIK UND AUSBAU DER KÖNIGLICHEN E RWÄHLUNG IN ZEITGENÖSSISCHEN K ONFLIKTEN Die bisherigen Ausführungen behandelten die Einführung und Rechtfertigung des neuen Referenzrahmens königlicher Erwählung im englischen Kontext. Die in diesem Zuge durchgeführten Neuerungen hatten fundamentale Auswirkungen auf die Rahmenstruktur, innerhalb derer das religiöse, soziale und politische Leben des englischen Gemeinwesens organisiert und mit Sinn versehen wurde. Der initiierte Wandlungsprozess führte in diesem Fall dazu, dass einige, bislang als wahr anerkannte religiöse Praktiken und Institutionen nunmehr als falsch und schädlich bewertet sowie in der Folge aus dem gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen worden waren. Die Negation der päpstlichen Präeminenz, die Loslösung der englischen Kirche von Rom sowie die Kritik an vielen überkommenen religiösen Vorstellungen waren in diesem Zusammenhang ebenso das Produkt der Etablierung eines neuen Wahrnehmungshorizonts wie die Erklärung der königlichen Suprematie, die Gründung der anglikanischen Staatskirche oder die Aufwertung des Parlaments. All diese Entwicklungen verweisen in ideengeschichtlicher Hinsicht letztlich auf den Prozess der Instituierung der königlichen Erwählung als einem neuen Referenzrahmen für die Vergemeinschaftungsprozesse des englischen Gemeinwesens. Dieser Prozess war in erster Linie ein politisch von oben oktroyierter Vorgang, dessen Legitimität und Akzeptanz nicht unwesentlich davon abhingen, wie die neuen Setzungen mit tradierten kulturellen Mustern in Einklang gebracht werden konnten. In diesem Zusammenhang halfen die von evangelischen Autoren entworfenen alternativen Deutungen und Sinnstiftungsangebote, die neue Zugänge zu den kulturellen und historischen Beständen des englischen Gemeinwesens ermöglichten. Die Vermehrung der Interpretations- und Deutungsangebote zur Beschaffenheit des englischen Gemeinwesens kulminierte gerade in den 1530er Jahren in einer Konkurrenzsituation, die von der Forschung bis dato mehrheitlich mit den Begriffen protestantisch/evangelisch und katholisch beschrieben worden ist. Im Hinblick auf den Widerstand bzw. die Befürwortung der unter Heinrich VIII. eingeführten Neuerungen greift jedoch eine Klassifikation einzig entlang konfessioneller Grenzen zu kurz, da es auf beiden Seiten des Spektrums sowohl Befürworter als auch Gegner der neuen Politik gab.527 Im Gegensatz zum Versuch, spätere konfessionelle Grenzziehungen auf Entwicklungen und Konflikte der ausgehenden 1520er und 1530er zu übertragen, sollte vielmehr das Ringen der in England zirkulierenden Sinnstiftungsangebote begrifflich gefasst werden. Vor diesem Hintergrund könnte ein Vorschlag Ethan Shagans weiterführen, der zuletzt dafür plädiert hat, anstelle der schwierigen konfes-

527 Ganz abgesehen davon, dass in den 1530er Jahren noch nicht von voll ausgebildeten konfessionellen Identitäten ausgegangen werden kann, was die Verwendung dieser Begrifflichkeit insgesamt in Frage stellt. Siehe dazu Peter MARSHALL, The Naming of Protestant England, in: P & P 214 (2012), S. 87-128, hier bes. S. 87-94; DERS., Is the Pope Catholic?; DERS. / Alec RYRIE, Introduction: Protestants and their beginnings, in: Dies. (Hgg.), The Beginnings of English Protestantism, Cambridge 2002, S. 1-13, hier S. 5-8; siehe auch die These von George Bernard zu einem von Heinrich VIII. vertretenen Mittelweg in BERNARD, Making of Religious Policy, S. 321f, 332-336, 345 und passim.

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sionellen Terminologie besser von Konformisten und Nonkonformisten zu sprechen.528 Hinsichtlich der antagonistischen Grundkonstellation zwischen den von der Krone eingeführten Neuerungen, die im Referenzrahmen der königlichen Erwählung zusammengefasst werden können, und einer nach wie vor bestehenden Affinität eines Großteils der Bevölkerung zu einem traditionellen Glaubensverständnis, das den Papst als obersten Sachwalter in theologischen Fragen sah, scheinen die von Shagan vorgeschlagenen Begrifflichkeiten die Zusammenhänge angemessener erfassen zu können. Vor allem, weil sich die Konflikte der Zeit nicht primär auf inhaltliche theologische Fragen und Debatten kaprizierten, sondern Loyalitätsverhältnisse sowie institutionelle, organisatorische Problematiken und äußere Glaubenspraktiken in den Vordergrund rückten. Das Ringen zwischen Konformisten und Nonkonformisten soll Gegenstand dieses Abschnitts sein. Am Beispiel der sog. Pilgrimage of Grace gilt es zunächst den Nachweis zu führen, dass es sich dabei tatsächlich um einen Antagonismus zwischen zwei inkommensurablen Sinnstiftungsangeboten handelte. In dieser Hinsicht soll die zentrale Bedeutung des Themas der Erwählung für das Verständnis zeitgenössischer Konflikte herausgestellt werden. Der neue Referenzrahmen war – so die Annahme – das eigentliche Ziel, gegen das sich die Artikulationen und Handlungen der Aufständischen richteten. In Abgrenzung zu diesem Rahmen versuchten die Nonkonformisten, die alleinige Gültigkeit des traditionellen Sinnstiftungsangebots zu postulieren. Der sich hieraus ergebende Konflikt war in erster Linie eine Auseinandersetzung ideeller Art, die erst in einem zweiten Schritt aufgrund der Unvereinbarkeit beider Positionen zu einem tatsächlichen Konflikt auswuchs. Neben der praktischen Politik muss hier vor allem der ideengeschichtliche Kontext berücksichtigt werden, den Stephen Alford zuletzt etwa als eine „third dimension“ zu den realhistorischen Abläufen beschrieben hat und dessen Untersuchung von zentraler Bedeutung für das Verständnis der zeitgenössischen Konflikte sei.529 Ein wesentliches Resultat der Auseinandersetzungen um den neuen Referenzrahmen der Erwählung war die greifbare Modifikation des Rahmens selbst. Der behandelte Konflikt offenbart in diesem Zusammenhang eine produktive Kraft, da im direkten Aufeinandertreffen zweier unterschiedlicher Weltdeutungsangebote Strategien entwickelt worden sind, über die Akzeptanz, Legitimität und Legalität für die jeweils eigene Identitätskonstruktion hergestellt werden sollten.530 Die vorgebrachten Argumentationen und vollzogenen Handlungen seitens der Nonkonformisten stellten eine enorme Herausforderung der henrizianischen Herrschaft dar, weshalb auf diese mit der Anpassung und Veränderung des neuen Referenzrahmens reagiert worden 528 Siehe SHAGAN, Schismatics, S. 44-54. 529 Siehe ALFORD, Politics and Political History, hier S. 543 & 547; zur Wirkungskraft von Ideen in gesellschaftlichen Zusammenhängen auch RAPHAEL, Ideen. 530 Siehe zur produktiven Kraft von Konflikten etwa Carsten STARK, Die Konflikttheorie von Georg Simmel, in: Thorsten Bonacker (Hg.), Sozialwissenschaftliche Konflikttheorien. Eine Einführung, 4. Aufl., Wiesbaden 2008, S. 83-96; Ralf DAHRENDORF, Die Funktionen sozialer Konflikte, in: Ders., Gesellschaft und Freiheit. Zur soziologischen Analyse der Gegenwart, München 1965, S. 112-131; siehe dazu auch die Bemerkungen von RECKWITZ, Laclau, S. 300-310 zum sozialen Antagonismus bei Ernesto Laclau sowie die Ausführungen in der Einleitung.

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war. Aus diesem dialektischen Prozess ging der Wahrnehmungshorizont der göttlichen Erwählung schließlich nicht nur gestärkt hervor, sondern spätestens nach der Beendigung der Pilgrimage of Grace hatte sich das neue Sinnstiftungsangebot auch mit den klassischen politischen Semantiken einer Commonwealth-Rhetorik verbunden. Diese Zusammenführung muss als ein direktes Resultat der Pilgrimage betrachtet werden, in deren Zuge gerade eine Commonwealth-Rhetorik instrumentalisiert worden war, um von der Krone und deren Sinnstiftungsangebot unabhängige Formen der Vergemeinschaftung zu propagieren und zu praktizieren. Als Reaktion darauf erschloss sich der neue Horizont der göttlichen Erwählung nun verstärkt diese traditionellen politischen Semantiken und repräsentierte bzw. bestimmte am Ende eine eigene Form von Vergemeinschaftung und Vergemeinschaftungspraktiken. In diesem Sinne hatte der Konflikt dazu beigetragen, dass es zu einer Evolution des neuen Horizonts kam, in deren Folge das neue Sinnstiftungsangebot nicht nur stabilisiert und gefestigt, sondern auch genauer definiert und konturiert werden konnte. 531 5.1 Die Pilgrimage of Grace Die Pilgrimage of Grace wird von der englischen Forschung in der Regel als die größte Herausforderung der henrizianischen Regierung angesehen. Mit einem Umfang von vorsichtig geschätzten 20 bis 30.000 Mann stand das Pilgerheer im Oktober 1536 einer wesentlich kleineren Streitmacht des Königs gegenüber und bedrohte dessen Herrschaft akut.532 Obwohl einzelne Stimmen – analog zu den Ereignissen 1381 – den Vormarsch Richtung London forderten,533 kam es in der Folge zu Verhandlun-

531 Zur Idee der Evolution und dem Zusammenhang mit historischen Entwicklungsprozessen siehe etwa den interessanten Beitrag von Niklas LUHMANN, Evolution und Geschichte, in: GG 2 (1976), S. 284-309; DERS., Ideengeschichte. 532 Der umfangreichste Überblick stammt von Madeleine H. DODDS / Ruth DODDS, The Pilgrimage of Grace, 1536-1537, and the Exeter Conspiracy, 1538, 2 Bde., Cambridge 1915; neuerdings die Arbeiten von Michael BUSH, The Pilgrims’ Complaint. A Study of Popular Thought in the Early Tudor North, Farnham 2009; DERS., The Pilgrimage of Grace: A Study of the Rebel Armies of October 1536, Manchester 1996; daneben Richard W. HOYLE, The Pilgrimage of Grace and the politics of the 1530s, Oxford 2003; Ethan H. SHAGAN, Politics and the Pilgrimage of Grace revisited, in: Ders., Popular Politics and the English Reformation, Cambridge 2003, S. 89-128; Anthony FLETCHER / Diarmaid MACCULLOCH, Tudor Rebellions, 5., verb. Aufl., London/New York 1997, S. 28-53; Clifford S. L. DAVIES, Popular Religion and the Pilgrimage of Grace, in: Anthony Fletcher / John Stevenson (Hgg.), Order and Disorder in Early Modern England, Cambridge 1985, S. 58-91. Die Schätzungen zur Stärke des Pilgerheeres variieren zum Teil erheblich und reichen von 20.000 Mann bei Davies (S. 58) bis zu 50.000 Mann bei Shagan (S. 89). Robert Aske selbst nannte eine Zahl von 34 bis 35.000 Mann. Siehe The Pilgrimage of Grace and Aske’s Examination, ed. von Mary BATESON, in: EHR 5 (1890), S. 330-345 und 550-573, hier S. 336. FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 34 schätzen das königliche Heer auf ca. 8.000 Mann. 533 Siehe dazu BUSH, Pilgrimage, S. 119f; Geoffrey MOORHOUSE, The Pilgrimage of Grace. The rebellion that shook Henry VIII’s throne, London 2002, S. 135-138; zur Erhebung

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gen, in deren Zuge Heinrich VIII. scheinbar auf die vorgebrachten Klagen einging und ein generelles Pardon für die Beteiligten erließ. Mit der Gewährung des Pardons am 09. Dezember 1536 hätte die Pilgrimage eigentlich beendet werden können.534 Allerdings kam es zu einem folgenreichen Nachspiel, als ein Teil der Pilger nach Erlass des Pardons einen erneuten Aufstand initiierte, der nun eindeutig radikalere Ansichten ventilierte und in Teilen Nordenglands zu neuerlichen Musterungen der Commons führte. Diese zweite Phase bot sodann einen willkommenen Anlass für die Krone, um die vereinbarten Zusagen zu kassieren, das Kriegsrecht im Norden einund umfangreiche Exekutionen durchzuführen.535 Obwohl in der einschlägigen Forschung weitgehend Konsens darüber herrscht, dass die Pilgrimage of Grace die überragende Herausforderung der henrizianischen Herrschaft war, gibt es bislang kaum übereinstimmende oder allgemein akzeptierte Erklärungen dafür, was letztlich das Ausmaß der Bedrohung ausmachte. Die bisherigen Arbeiten haben sich teilweise sehr detailliert und intensiv mit einzelnen Aspekten der Bewegung befasst, und auf diese Weise das Wissen um konkrete Sachverhalte eindeutig vermehrt.536 So wurde beispielsweise durch die Studien von Rachel Reid und Arthur Dickens auf die ökonomischen Problematiken im Vorfeld des Ausbruchs der Pilgrimage hingewiesen, die nach Ansicht der beiden Gelehrten ausschlaggebend für die Entstehung der Bewegung gewesen seien.537 Diese Argumentationslinie wird neuerdings durch die Arbeiten von Michael Bush fortgeführt, der ebenfalls primär sozio-ökonomische sowie, in Erweiterung der Perspektive von Reid und Dickens,

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von 1381 grundlegend Rodney HILTON, Bond men made free. Medieval peasant movements and the English rising of 1381, London 1973. Die Gewährung des königlichen Pardons entwickelte sich zu einem eigenen Problemfeld. So gab es mehrere Versionen, die zwischen dem 03. und 09. Dezember auftauchten. Zudem blieb das letztlich entscheidende Dokument in vielen Punkten schwammig, was zu neuerlichen Gerüchten und Aufständen führte. Vgl. zu dieser Problematik SHAGAN, Pilgrimage revisited, S. 111-117; Letters and Papers XI, Nr. 1235, S. 500; Text des Pardons ed. in Michael BUSH / David BOWNES, The Defeat of the Pilgrimage of Grace: A Study of the Postpardon Revolts of December 1536 to March 1537 and their Effect, Hull 1999, Appendix 4. Zum ereignisgeschichtlichen Ablauf der Pilgrimage siehe FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 28-38; zu den ‚Postpardon‘-Entwicklungen BUSH / BOWNES, Defeat; HOYLE, S. 368-422. Gefördert wurde dies durch die Erschließung neuen Quellenmaterials aus lokalen Archiven sowie Korrekturen der Datierungen in den großen Sammlungen der Letters and Papers sowie der State Papers. Siehe zusammenfassend zur Forschung der letzten Jahre den Überblick von Michael BUSH, A Progress Report on the Pilgrimage of Grace, in: History 90 (2005), S. 566-578 sowie Glen BOWMAN, Rez. zu Michael Bush, The Pilgrims’ Complaint, Farnham u.a. 2009, in: The Historian 73 (2011), S. 377f. Für die beiden waren vor allem mehrere gravierende Missernten, steigende Preise, eine Erhöhung feudaler Abgaben (gressums) sowie die Praxis der Einhegungen für den Ausbruch des Aufstandes verantwortlich. Siehe Rachel REID, The King’s Council in the North, London 1921; Arthur G. DICKENS, Secular and Religious Motivation in the Pilgrimage of Grace, in: Geoffrey J. Cuming (Hg.), The Province of York [Studies in Church History 4], Leiden 1967, S. 39-64.

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auch konstitutionelle Beweggründe für die Entstehung der Pilgrimage anführt. Diese würden es ferner erlauben, den Aufstand in einer Tradition von ähnlichen Erhebungen der Commons zu sehen, welche allesamt das Ziel verfolgt hätten, aus ihrer Sicht nachteilige Entwicklungen für das Commonwealth zu revidieren.538 Während der Hinweis auf die Inanspruchnahme einer Commonwealth-Semantik für die nachfolgende Diskussion wichtig ist, tendiert die Behandlung der Pilgerfahrt als einer vor allem aus agrarisch-ökonomischen Gründen erwachsenen Bewegung demgegenüber dazu, die Komplexität des Phänomens unverhältnismäßig zu reduzieren. Ohne Zweifel waren Klagen über bestehende Abgaben sowie über eventuell neu geschaffene Steuern typische Ursachen und Begründungen für Aufstände des gemeinen Mannes und zudem ein wesentlicher Bestandteil der Pilgerforderungen.539 Allerdings vermag diese Perspektive weder die soziale Heterogenität der Pilgrimage noch deren offensichtliche Mobilisierungskraft zu erklären. Clifford Davies hat schon früh auf diese Problematik hingewiesen, indem er betonte, dass neben den Commons eine nicht unerhebliche Anzahl von Gentry-Angehörigen an der Pilgrimage direkt beteiligt war. Die Bewegung wurde zudem durch Mitglieder hochadliger Familien des Nordens wie Thomas und Ingram Percy, Richard Dacre, den Lords Lumley, Latimer, Scrope of Bolton und Conyers sowie zahlreicher Kleriker ergänzt.540 Zu Recht fragte 538 Siehe inter alia Michael BUSH, ‚Up for the Commonweal‘: The Significance of Tax Grievances in the English Rebellions of 1536, in: EHR 106 (1991), S. 299-318; DERS., „Enhancements and Importunate Charges“: An Analysis of the Tax Complaints of October 1536, in: Albion 22 (1990), S. 403-419; DERS., Tax Reform and Rebellion in Early Tudor England, in: History 76 (1991), S. 379-400; DERS., The Tudor polity and the pilgrimage of grace, in: Historical Research 80 (2007), S. 47-72; DERS., The Pilgrims’ Complaint, Kap. 1: For Faith and Commonwealth, S. 1-43. 539 Siehe etwa Letters and Papers XI, Nr. 1246, S. 506f. In Artikel 9 wird die Höhe der feudalen Abgabe der gressums geregelt; Artikel 13 fordert die Aufhebung von Einhegungen, die seit der Regierungszeit Heinrichs VII. vorgenommen worden sind; Artikel 14 plädiert für die Abschaffung der Steuern, die zuletzt durch Parlamentsbeschluss eingeführt wurden; BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 189-243, hier S. 190 interpretiert dagegen auch andere Artikel als dem agrarischen Bereich zugehörig. So konstatiert er etwa für Artikel 4, der die Auflösung der Klöster betrifft, eine Angst der bisherigen, monastischen Pächter vor neuen Belastungen im Übergang zu weltlichen Grundherren; grundsätzlich zur Verbindung der Abgabenpraxis mit Aufständen des gemeinen Mannes auch Andy WOOD, The 1549 Rebellions and the Making of Early Modern England, Cambridge 2007, S. 49; BUSH, ‚Up for the Commonweal‘. 540 Siehe DAVIES, Popular Religion, S. 63-66; zur Verwicklung der Lords in die Pilgrimage und deren nachfolgende Behandlung siehe auch Helen MILLER, Henry VIII and the English Nobility, Oxford 1986, S. 60-68; bezeichnend für die Bereitschaft vieler Mönche, sich aktiv am Kampf zu beteiligen, nehmen sich etwa die Äußerungen der Mönche von Furness aus, die erklärten: „Now must they stick to it or else never, for if they sit down both you and Holy Church is undone; and if they lack company we will go with them and live and die with them to defend their most godly pilgrimage.“ Letters and Papers XII/1, Nr. 841 (iii), S. 370; vgl. auch Anthony SHAW, The Involvement of the Religious Orders in the Northern Risings of 1536/7: Compulsion or Desire?, in: Downside Review 117 (1999), S. 89-114.

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Davies angesichts einer derart sozial durchmischten Bewegung, was diesen unterschiedlichen Personen, Gruppen und Interessen letztlich ein Einheit stiftendes Moment verliehen haben könnte.541 Eine mögliche Antwort, wie die disparaten Interessen und Absichten der einzelnen Akteure letztlich zusammengehalten wurden, zeichnete sich für ihn im Rekurs auf ein traditionelles Religionsverständnis ab. In diesem Zusammenhang müssten laut Davies nicht nur die inhaltlichen Forderungen der Pilger, die einen religiösen Bezug aufwiesen, berücksichtigt werden, sondern vor allem die äußere Form der Bewegung als Pilgerfahrt.542 Clifford Davies hat mit dieser Hervorhebung der religiösen Stilisierung der Pilgrimage einen wesentlichen Anstoß für nachfolgende Arbeiten gegeben. Durch seine grundsätzliche Fragerichtung hat er ein zentrales Defizit der englischen Forschung in ihrer Auseinandersetzung mit der Pilgrimage of Grace offenbart, das in der Vernachlässigung des ideologischen Horizonts besteht, indem sich die Bewegung als Massenphänomen konstituierte. Davies argumentierte in diesem Zusammenhang, dass die religiöse Formung der Bewegung als Pilgerfahrt einen gemeinsamen Nenner bildete, auf den sich alle Beteiligten unabhängig von ihren sonstigen Motiven einlassen konnten. Die umfassende Akzeptanz dieser spezifischen Stilisierung habe sich dabei aus einer grundsätzlichen Ablehnung der jüngsten Reformen der henrizianischen Regierung ergeben, gegen die sich die äußere Form der Pilgrimage explizit gerichtet hätte.543 Diese Position wurde zuletzt von Ethan Shagan aufgegriffen und weiterentwikkelt. Auch er sieht in der Pilgrimage eine Auseinandersetzung der Untertanen mit den innovativen Aktionen der Krone seit Beginn der 1530er Jahre. Im Gegensatz zu vielen anderen Arbeiten hat sein Ansatz jedoch den Vorteil, dass er den Aufstand als eine mehrdimensionale Reaktion auf die fundamentalen Umbrüche der Zeit betrachtet. Er reflektiert damit die der Bewegung immanenten Spannungen, welche vorwiegend aus der sozialen und geographischen Verschiedenartigkeit der Akteure resultierten und sich in divergierenden Wahrnehmungs- und Rezeptionsprozessen der einzelnen Neuerungen niederschlagen konnten. Shagan schreibt dazu: „Rather, the rebellion must be conceptualised within a considerably more complex and multivariate system, where reactions to the government-sponsored Reformation were determined not only by theology but by interpretations of the royal supremacy, political temperament and eco544 nomic circumstances.“

541 Die von Davies angedeutete Problematik zeigt sich exemplarisch in einem bekannten und viel zitierten Sprichwort, das bereits im Zuge der Erhebung von 1381 kursierte und ein grundsätzlich konfliktbehaftetes Verhältnis der unteren sozialen Schichten zu Hochadel und Gentry nahelegt: „When Adam delved and Eve span / Who was then a gentleman?“ Siehe HILTON, Bond men, S. 222f; zu den sozialen Spannungen auch WOOD, The 1549 Rebellions, S. 53f; vor allem Ethan Shagan betonte zuletzt die „intrinsische Instabilität“ der Bewegung. Siehe SHAGAN, Pilgrimage, S. 112 und passim. 542 Vgl. DAVIES, Popular Religion, S. 60 und passim; siehe auch den älteren Aufsatz DERS., The Pilgrimage of Grace reconsidered, in: P & P 41 (1968), S. 54-76. 543 Vgl. DAVIES, Popular Religion, S. 74, 88 sowie seine durchgängige Argumentation. 544 SHAGAN, Pilgrimage, S. 127.

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Die Pilgrimage of Grace stellte für Shagan somit eine Widerstandsmöglichkeit für all jene Personen dar, die explizit nicht in Heinrichs VIII. Version von England leben wollten und das neue Sinnstiftungsangebot der Krone ablehnten. In diesem Sinne fungierte die Pilgerfahrt schichtenübergreifend als Kristallisationskern für die Nonkonformisten Englands und erreichte damit einen bis dato nicht gekannten Mobilisierungsgrad, der in dieser Form die Herrschaft Heinrichs VIII. akut gefährdete.545 5.2 Die äußere und innere Form der Pilgrimage Von entscheidender Bedeutung für die Konstitution und das Fortbestehen der Pilgrimage als Massenbewegung waren deren äußere und innere Form. In diesen Bereichen ist bereits jener fundamentale Antagonismus zu erkennen, der dem Konflikt in ideologischer Hinsicht seine besondere Brisanz verliehen hat. Die Stilisierung der Bewegung als Pilgerfahrt stellte eine spezifische Form der Autorisierung dar, die auf traditionellen Elementen aufbaute und in einem direkten Konfliktverhältnis zur neuen Ordnung stand.546 Bereits die gewählte Selbstbezeichnung markierte einen Gegensatz zur Obrigkeit, hatte diese doch im Rahmen der Injunctions von 1536 unter anderem Pilgerfahrten als Aberglaube und Scheinheiligkeit stigmatisiert und sie abgeschafft.547 Eine zweite wichtige Facette des Begriffs Pilgerfahrt gibt Ethan Shagan zu bedenken, wenn er darauf verweist, dass es sich hier um eine spezifische Form der Pilgerfahrt gehandelt hätte – nämlich einer bewaffneten.548 Die Vermutung, dass sich 545 Siehe SHAGAN, Pilgrimage, S. 89f; auch George Bernard sieht die Pilgrimage vor allem als eine direkte Reaktion auf die königlichen Reformen der Zeit. Vgl. die Argumentation bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 293-404. 546 Siehe zur Selbstbezeichnung als Pilgerfahrt etwa den von Robert Aske konzipierten Oath of the honourable Men, ed. in: Thomas N. TOLLER (Hg.), Correspondence of Edward, Third Earl of Derby [Chetham Society, New Series 19], Manchester 1890, S. 50f, hier S. 50, wo es heißt: „Ye shall not entre into this our Pilgrymage of Grace for the Com[m]onwelthe […]“; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 326f mit weiteren Quellenbelegen. 547 Die Ablehnung von Pilgerfahrten und anderen Bestandteilen einer traditionellen Religion erfolgte durch die First Injunctions, die 1536 von Thomas Cromwell erlassen worden waren. Siehe Iniunctions gyue[n by the auc]toritie of the kynges highnes to the clergie, London 1536 (STC2 10084.7/Bodleian Library). Text ed. als The First Henrician Injunctions, 1536, in: BRAY (Hg.), Documents of the English Reformation, S. 175-178, hier S. 176; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 326f; Peter MARSHALL, Forgery and Miracles in the Reign of Henry VIII, in: P & P 178 (2003), S. 39-73; DERS., The Rood of Boxley, the Blood of Hailes and the Defence of the Henrician Church, in: JEH 46 (1995), S. 689696. 548 Vgl. SHAGAN, Pilgrimage, S. 92: „Even more important was the rebellion’s mimicry of a specific form of pilgrimage, an armed pilgrimage, what we would call a crusade.“ (Hervorhebung im Original); cf. Michael BUSH, The Pilgrimage of Grace and the pilgrim tradition of holy war, in: Colin Morris / Peter Roberts (Hgg.), Pilgrimage. The English Experience from Becket to Bunyan, Cambridge 2002, S. 178-198; Christopher TYERMAN, England and the Crusades 1095-1588, Chicago/London 1988, S. 343-367; grundsätzlich

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die Pilgrimage an einer traditionellen Kreuzzugsidee orientierte, erscheint plausibel. So konnte der Kreuzzug wahlweise als Buße, gute Tat oder Pilgerfahrt interpretiert werden, und nach kanonischem Recht war der Kreuzfahrer eine privilegierte Art von Pilger.549 Die hiermit einhergehende Semantik betonte zudem die Verbindung zur Institution der Kirche, da die Initiative für einen Kreuzzug seit je her beim Papsttum lag.550 Tatsächlich gab es Pläne, dass Papst Paul III. rechtzeitig zum Aufstand die Exkommunikation Heinrichs publik machen und dadurch der Bewegung zusätzliche Stoßkraft verleihen sollte.551 Mit der Annahme, dass sich die Pilgrimage äußerlich an eine Kreuzzugssymbolik angepasst habe, korrespondierte auch die Wahl der Emblematik, welche mit dem Abzeichen der fünf Wunden Christi sowie schlichten Kreuzen eindeutig in einer Kreuzzugstradition stand. Die Abzeichen stammten sehr wahrscheinlich größtenteils aus den Beständen Lord Darcys, der 1511 eine Expedition zur Unterstützung Ferdinand von Aragons im Kampf gegen die Mauren angeführt hatte. 552 Sie sollten den Träger von jeglicher weltlichen Vereinnahmung freimachen und zu einer Sakralisierung der ganzen Bewegung beitragen.553 Dergestalt zielte eine Frage Cromwells im Verhör Lord Darcys nach der Pilgrimage darauf ab, inwiefern den Pilgern durch den Einsatz solcher Symbole der Gedanke eines Kampfes für den christlichen Glauben und die wahre Kirche insinuiert werden sollte.554 Abgerundet wurde die Stilisierung der Bewegung im Sinne eines Kreuzzuges durch Verlautbarungen in Form von Balladen und Predigten, die den Teilnehmern der Pilgrimage den Himmel und die Vergebung der Sünden verhießen, sollten sie in diesem Konflikt umkommen. So wurde etwa der Vikar von Clapham beschuldigt, er habe die Leute davon überzeugt, sie würden im

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dazu Norman DANIEL, The legal and political theory of the Crusade, in: Harry W. Hazard / Norman P. Zacour (Hgg.), A History of the Crusades, Bd. 6: The Impact of the Crusades on Europe, Madison 1989, S. 3-38. Siehe dazu etwa James BRUNDAGE, ‚Cruce signari‘: The Rite for Taking the Cross in England, in: Traditio 22 (1966), S. 289-310, hier S. 291. Siehe DANIEL, Crusade, S. 6. Papst Paul III. hatte am 30. August 1536 eine zweite Exkommunikation aufgesetzt. Die Kurie verzögerte die Veröffentlichung aber sehr wahrscheinlich, weil zu wenig Unterstützung durch weltliche Fürsten in dieser Phase zu erwarten war. Die endgültige Entscheidung im Konsistorium fiel erst im Januar 1537. Siehe dazu SCARISBRICK, Henry VIII, S. 334; Letters and Papers IX, Nr. 207, S. 67; Letters and Papers X, Nr. 82, S. 29; Letters and Papers XII/1, Nr. 34, S. 20. Siehe dazu Richard HOYLE, Art. „Darcy, Thomas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]; DODDS / DODDS, Pilgrimage, Bd. 1, S. 238-240; HOYLE, Pilgrimage, S. 416f; SHAGAN, Pilgrimage, S. 92f; DAVIES, Popular Religion, S. 78; eine Abbildung findet sich auf dem Cover von FLETCHER / MCCULLOCH, Tudor Rebellions. Dies kann zudem als Strategie verstanden werden, um das vermeintliche Stigma individueller Bestrebungen über eine „heilsgeschichtliche und normative Verankerung im christl. Weltbild“ zu vermeiden. Vgl. dazu Wolfgang E. J. WEBER, Art. „Gemeinwohl“, in: EdN 4 (2006), Sp. 409-415, hier Sp. 410. Vgl. SHAGAN, Pilgrimage, S. 93; zum Verhör Darcys siehe BATESON (Hg.), Aske’s Examination, S. 554-556, hier S. 555.

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Falle ihres Todes im Rahmen der Auseinandersetzung in den Himmel kommen.555 Ähnliche Versprechungen auf Vergebung der Sünden wurden auch in der SawleyBallade geäußert, wo es hieß: „Of synnys releys / And joy endleys, / When they be deyd.“556 Die Vorstellung, dass die Pilger hier für eine christliche Sache eintraten und damit ganz im Sinne Gottes handeln würden, zeigte sich zudem überdeutlich in der ersten Strophe des „Pickering’s Song“, wo eine göttliche Autorisierung der Bewegung reklamiert wurde: „O faithfull people of the boreal region, Chief bellicose champions, by divine providence, Of God hic electo to make reformation Of great mischief and horrible offence, Go ye forward valiantly in your peregrination, 557 It is Christ’s pleasure and to your salvation.“

Die Anlehnung der Pilgerfahrt an eine Kreuzzugssemantik und -symbolik verortete die Bewegung zudem in zeitgenössisch virulenten Debatten. 558 So schildert etwa Christopher Tyerman die Vitalität derartigen Gedankengutes zu Beginn des 16. Jahrhunderts, das sich freilich in der Zeit nach 1530 mehr und mehr zu einem antihenrizianischen Instrument verdichtete.559 Dergestalt forderte der Bischof von Rochester 1533 die Invasion Englands und verglich es mit dem Kampf gegen die Osmanen. Über Lord Darcy berichtete der Botschafter des Kaisers, er sei bereit, mit der Unterstützung Karls das Kreuz zu nehmen. Prinzessin Maria soll die Eroberung Englands als ein Werk gepriesen haben, das nicht weniger Ruhm verspreche als die Einnahme von Tunis. Zuletzt widmete sich auch der im kontinentalen Exil weilende Reginald

555 Letters and Papers XII/1, Nr. 914, S. 415. 556 Die Sawley-Ballade ist abgedruckt bei BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 344f, hier S. 345; diesen Hinweis verdanke ich SHAGAN, Pilgrimage, S. 93, der zudem die Nähe der Formulierung zu einem klassischen Kreuzzugsablass betont; vgl. dazu auch TYERMAN, England and the Crusades, S. 363; DANIEL, Crusade, S. 4, 10, 12, 34. 557 Siehe An Exhortacyon to the Nobylles and Commons of the Northe (Pickering’s Song), zusammengefasst in Letters and Papers XII/1, Nr. 1021 (v), S. 464. Eine vollständige Edition des Textes findet sich bei BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 257-262, hier S. 257 (Hervorhebung im Original). 558 Siehe etwa Norman HOUSLEY, A Necessary Evil? Erasmus, the Crusade, and War against the Turks, in: John France / William G. Zajac (Hgg.), The Crusades and their Sources. Essays presented to Bernard Hamilton, Aldershot 1998, S. 259-279; TYERMAN, England and the Crusades, S. 343-358; DERS., The invention of the crusades, Basingstoke 1998, S. 100-109 zum Fortbestand und der Veränderung eines klassischen Kreuzzugsgedankens im 16. Jahrhundert. 559 Wie George Bernard in diesem Zusammenhang nachweist, beabsichtigten die Pilger tatsächlich, Emissäre zu Karl V., dessen Schwester Maria von Ungarn sowie dem Papst zu schicken, um für eine militärische Unterstützung zu werben. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 343.

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Pole in seiner Schrift Pro Ecclesiasticae unitatis defensione der Thematik und plädierte ebenfalls für einen Kreuzzug gegen das häretische England.560 Als vorteilhaft für den Zusammenhalt der Bewegung muss ferner der Umstand gewertet werden, dass die diversen Pilgerkompanien wesentliche Elemente des von ihnen vertretenen Gedankengutes auch tatsächlich praktizierten. So marschierten die einzelnen Gruppen oftmals hinter Kreuzen und Bannern, die die fünf Wunden Christi, die Trinität oder den Lokalheiligen Cuthbert zeigten. 561 Wichtig für die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Geistes waren ferner Praktiken wie die ‚Captain’s Mass‘, durch die die Pilger immer wieder an den Kern ihres Aufstandes gemahnt wurden. Im Rahmen dieses Rituals hielt täglich eine Prozession in die Kirche des Ortes Penrith Einzug, die von vier Hauptleuten der Heerschar aus Cumberland abgeschlossen wurde. Die vier trugen in diesem Rahmen die allegorischen Bezeichnungen Barmherzigkeit, Glaube, Armut und Mitleid und betraten die Kirche mit gezogenen Schwertern. Der Geistliche Robert Thompson, der auch als „Chaplain“ oder „Secretary of Poverty“ bekannt war, hielt daraufhin eine hitzige Predigt gegen die Obrigkeit, der er Verstöße gegen die Zehn Gebote und damit ihrer christlichen Herrschaftspflichten vorwarf.562 Auch offensichtlich choreographierte Einzüge wie jener von Robert Aske nach York am 16. Oktober 1536 reproduzierten auf ihre Weise die Stilisierung der Bewegung als Pilgerfahrt. Einem zeitgenössischen Bericht der Ereignisse zufolge kam Aske zur Zeit der Abendandacht in Begleitung von vier bis fünftausend Mann in die Stadt, wurde dort vom gesamten Priesterkollegium der Domkirche empfangen und in einer feierlichen Prozession zum Altar begleitet, wo er eine Opfergabe darbrachte.563 Eine besondere Stellung kam freilich der Restitution aufgelöster und veräußerter Abteien und Klöster zu. Deren Wiederherstellung wurde in der Regel in feierlichem Rahmen und unter Zuhilfenahme zentraler Elemente und Symbole eines traditionellen Glaubens wie der Eucharistie sowie der geweihten Hostie begangen. Wilfrid Holme, ein evangelischer Angehöriger der Gentry aus Yorkshire, schilderte in seiner gegen die Pilgrimage gerichteten Schrift The Fall and Evill Successe of Rebellion solche Prozesse der Restitution. In einem Abschnitt heißt es dazu: „To the Abbeys suppressed the people very restaurate, Rudent incessantly with clamor excessive, Faith and common weale, and in the way obuiate They were with procession and ringing insaciate, And the Sacrament Christes body called Eucharistia,

560 Zu den einzelnen Beispielen siehe TYERMAN, Englands Crusades, S. 359f; BERNARD, The King’s Reformation, S. 321. 561 Siehe BATESON (Hg.), Aske’s Examination, S. 571f; DAVIES, Popular Religion, S. 77f; SHAGAN, Pilgrimage, S. 93; DODDS / DODDS, Pilgrimage, Bd. 1, S. 129; zur englischen Tradition der ‚Kreuznahme‘ siehe auch BRUNDAGE, Cruce signari. 562 Siehe Letters and Papers XII/1, Nr. 687 (ii), S. 302-304; SHAGAN, Pilgrimage, S. 94; DAVIES, Popular Religion, S. 78. 563 Letters and Papers XII/1, Nr. 1018, S. 460; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 327.

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Was borne by Prelates with the crucifixe associate, 564 With pipes, Drums, Tabrets, and Fidlers alway.“

Gerade der Einbezug der geweihten Hostie in die Vorgänge sollte die Verankerung der Bewegung in einem traditionellen Weltbild verdeutlichen. Während des gesamten Hoch- und Spätmittelalters war die Hostie einer besonderen Form der Verehrung ausgesetzt, die vor allem in volkstümlichen Kreisen von einer devotionalen Hostienschau bis hin zu einem ‚Eucharistieaberglauben‘ reichen konnte. Sie war jedoch nicht nur ein bevorzugtes Symbol für die Messe, sondern ihr wurden im Lauf der Zeit vermehrt auch magische Kräfte zugeschrieben.565 Keith Thomas hat die Rolle der Hostie dahingehend zusammengefasst, dass sie als Konvergenzpunkt zahlreicher magischer und abergläubischer Vorstellungen dienen konnte, die nun in einen christlichen Kontext eingebettet wurden. Die Kirche habe diesen Prozess durchaus gefördert, weil es dabei geholfen hätte, die übernatürliche Aura der Eucharistie zu steigern und damit zugleich die Autorität des ausführenden Klerus zu festigen. 566 Vor dem Hintergrund ihrer mittelalterlichen Stellung avancierte die konsekrierte Hostie hernach in den konfessionellen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit zu einem Symbol katholischer Tradition und diente demgemäß als altgläubiges Bollwerk im Kampf gegen verschiedene Häresien.567 Die äußere Form der Pilgrimage of Grace stellte somit den neuen Ordnungsvorstellungen der Krone ein altgläubiges Sinnstiftungsangebot entgegen, welches fest auf dem Boden überkommener Traditionen stand. In diesem Sinne diente die Ausrichtung der Bewegung als Pilgerfahrt zur Aktivierung eines Widerstandspotentials für all jene, die sich den innovativen Entwicklungen der 1530er Jahre nicht unterordnen wollten. Gleichzeitig repräsentierte der Kampf für Gott und gegen häretische Umtriebe, für eine traditionelle Glaubensauffassung sowie den damit verbundenen Praktiken und notwendigen Institutionen einen thematischen Komplex, der sowohl standes- als auch regionsübergreifend akzeptiert werden und damit einen gemeinsamen Nenner der Bewegung bilden konnte. Zusammenfassend kann hier eine Feststel564 Wilfrid HOLME, The fall and euill successe of rebellion from time to time wherein is contained matter, moste meete for all estates to vewe, London 1572 (STC2 13603/Henry E. Huntington Library), fol. Ciiv (Hervorhebung im Original); die Schrift entstand 1537 infolge der Pilgrimage of Grace, wurde aber das erste Mal 1572 in Druck gegeben. Der Anlass war eine Propagandakampagne der elisabethanischen Regierung im Anschluss an einen anderen Aufstand im Norden, der sog. Northern Rising. Siehe zum Kontext der Publikation William J. SHEILS, Art. „Holme, Wilfrid“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]. 565 Dem Volksglauben nach konnte die Hostie unter anderem Gefahren für Leib und Leben abwenden, zu Reichtum verhelfen und vor Armut schützen oder auch bei verschiedenen Krankheiten als Heilmittel eingesetzt werden. Grundsätzlich war sie zudem eine Art Glücksbringer. Siehe dazu Alois DÖRING, Art. „Hostie/Hostienwunder“, in: TRE 15 (1986), S. 604-606; DUFFY, Stripping, S. 95-116. 566 Vgl. THOMAS, Religion and the Decline of Magic, S. 33-35. 567 Siehe dazu SHAGAN, Pilgrimage, S. 95 sowie Barbara DIEFENDORF, Beneath the Cross. Catholics and Huguenots in Sixteenth-Century Paris, New York/Oxford 1991, hier Kap. 2, S. 28-48.

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lung Richard Hoyles zitiert werden, der über die Selbstbeschreibung des Aufstandes als Pilgrimage of Grace schrieb, dass es gleichermaßen „a powerful brand-name and a collective identity“ gewesen sei.568 Mit der grundlegenden Stoßrichtung der Pilgerfahrt gegen die Reformen der 1530er Jahre korrespondierte das umfassende Einschwören der Pilger auf ihre Sache. Eine nähere Betrachtung der Eide, welche die einzelnen Pilgerkompanien schwörten, gibt dabei einen Einblick in die Legitimierungsstrategien der Bewegung. Wie Michael Gray unlängst zu diesem Thema ausgeführt hat, stellten die jeweiligen Eide der Pilger sowohl eine Reaktion auf als auch eine clevere Interpretation des Act of Succession von 1534 dar, in dem der König versucht hatte, seine Untertanen durch die Macht des Eides an die neue Ordnung zu binden. Wie allerdings Gray argumentiert, enthielt der Schwur von 1534 keine Angaben zur genaueren Gestalt der darin beschworenen Punkte wie Glaube oder Wahrheit. Zudem wurde die königliche Suprematie mit keinem Wort erwähnt.569 Diese fehlende Spezifizierung gab den Pilgern einen interpretatorischen Spielraum, den sie geschickt ausnutzten, um eine Trennung zwischen der Loyalität zum König auf der einen und dessen Religionspolitik der 1530er Jahre auf der anderen Seite zu konstruieren.570 Die Aufforderung des Sukzessionseides, Glaube, Wahrheit und Loyalität zum König gegen alle Widrigkeiten zu verteidigen, wurde nun dahingehend gedeutet, dass im Falle einer Disharmonie dieser drei Komponenten, ein aktives Engagement der Untertanen zum Wohle des Gemeinwesens erforderlich sei. Dem Gemeinwohlbegriff kam in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zu, die noch eingehend besprochen werden wird. Wichtig war an dieser Stelle, dass die Pilger zumindest in der Darstellung ihrer Eide ihren Aufstand als ein legitimes Engagement für das Gemeinwohl ansahen, durch das gemeinwohlschädliche Entwicklungen der letzten Jahre korrigiert werden sollten und das damit letztlich ein Akt der Loyalitätsbezeugung gegenüber dem König darstellte. In diesem Sinne beinhalteten die diversen Pilgereide auch stets die Formel, dass man für Gott, den König und das Commonwealth schwöre.571 Entscheidend war in dieser Situation freilich, dass die Aufständischen im Gegensatz zur Krone eine fundamental andere Vorstellung eines wahrhaftigen Glaubens und entsprechend damit zusammenhängender Praktiken vertraten. Vor diesem Hintergrund bekamen die Eide nahezu synchron mit der Stilisierung der Bewegung als Pilgerfahrt einen Zusatz, der deutlich machte, dass man unter dem Kampf für den wahren Glauben primär die Aufrechterhaltung der Alten Kirche, die Verteidigung bzw. Wiedererrichtung der Abteien und Klöster, der Heiligenfeste und Kirchenaus568 HOYLE, Pilgrimage, S. 206. 569 Siehe die Editionen der einzelnen Eide bei GRAY, Oaths and the English Reformation, Appendix D, S. 227-229. Der Text beginnt sehr unspezifisch: „Ye shall swear to bear (your) Faith, Truth, and Obedience, alonely to the King’s Majesty“ (in Klammern abweichende Lesart der verschiedenen Versionen, abgedruckt bei Gray). 570 Vgl. dazu GRAY, Oaths and the English Reformation, S. 154-169. 571 Siehe dazu Letters and Papers XI, Nr. 585, S. 237; Nr. 645, S. 254; Nr. 841, S. 332; Letters and Papers XII/1, Nr. 687 (ii), S. 302f; BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 332; cf. GRAY, Oaths and the English Reformation, S. 154f; BERNARD, The King’s Reformation, S. 328.

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stattungen meinte.572 Stellvertretend kann an dieser Stelle der von Robert Aske konzipierte Oath of the honourable Men zitiert werden, in dem es dazu explizit hieß: „Ye shall not entre into this our pilgramage of grace for the commine welthe but oonly for the loue that ye (do) bere (vnto Almyghty) god his faith and to (holy) Churche mylytant and the mayntenaunce therof […] And to take before you the crosse of cryste and (in) yor hertes (his) faithe to the restitucyon of his church and to the suppressyon of (these) heretykes (and their) 573 opynyons by the holy contentes of thys boke.“

Die inhaltliche Gestaltung der Pilgereide erlaubte somit auf der einen Seite die formale Anerkennung des zuvor geleisteten Sukzessionseids, bot aber auf der anderen Seite eine eigene Interpretation an, die letztlich im krassen Gegensatz zu den henrizianischen Ordnungsvorstellungen stand. Der Kampf gegen diese Ordnung, die in großen Teilen als häretisch und gemeinwohlschädlich etikettiert wurde, war das erklärte Ziel der Bewegung. Dies drückte sich sowohl in der äußeren Stilisierung als Pilgerfahrt als auch in der inneren Verfasstheit als Schwurgemeinschaft aus. Die Form der coniuratio wies darüber hinaus eine weitere Dimension auf, die bislang zu wenig berücksichtig worden ist, gleichwohl aber die Ansicht zusätzlich stärkt, dass die Pilgrimage sich in fundamentaler Weise zu der von Heinrich neu instituierten Ordnung abgrenzen wollte. Die coniuratio war ein im ganzen Hoch- und Spätmittelalter verbreitetes Phänomen, das sich sowohl in Gilden, Zünften und Kommunen als auch in den Universitäten niedergeschlagen hatte.574 Charakteristisch für diese Gebilde war dabei der wech572 Vgl. dazu BERNARD, The King’s Reformation, S. 328-331; GRAY, Oaths and the English Reformation, S. 154-156. 573 Der Eid als Regest in Letters and Papers XI, Nr. 705 (iv), S. 272; eine Edition des Gesamttextes findet sich bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 330. In Klammern abweichende Lesart des Eides nach der Edition von TOLLER (Hg.), Correspondence, S. 50f; weitere Beispiele der Absicht eines Kampfes für die ‚alte Kirche‘, deren Institutionen und Gebräuche in Letters and Papers XI, Nr. 563 (ii), S. 224; Nr. 622, S. 249; Nr. 967, S. 387-389; Nr. 968, S. 389f; Nr. 970, S. 392f; Nr. 971, S. 395; Letters and Papers XII/1, Nr. 163 (ii), S. 72; Nr. 392, S. 182f; Nr. 687 (ii), S. 303. 574 Grundsätzlich dazu Edith ENNEN, Art. „coniuratio“, in: Lexikon des Mittelalters 3 (1986), Sp. 135-137; Hubert DRÜPPEL, Art. „Eidgenosse, Eidgenossenschaft“, in: Ibid., Sp. 1695-1696; zu den besonderen Formen der Schwurgemeinschaften siehe u.a. Antony BLACK, Guilds and civil society in European political thought. From the twelfth century to the present, London 1984; Otto Gerhard OEXLE, Conjuratio und Gilde im frühen Mittelalter. Ein Beitrag zum Problem der sozialgeschichtlichen Kontinuität zwischen Antike und Mittelalter, in: Berent Schwineköper (Hg.), Gilden und Zünfte. Kaufmännische und gewerbliche Genossenschaften im frühen und hohen Mittelalter [Vorträge und Forschungen, Bd. XXIX], Sigmaringen 1985, S. 151-214; DERS., Gilde und Kommune. Über die Entstehung von ‚Einung‘ und ‚Gemeinde‘ als Grundformen des Zusammenlebens in Europa, in: Peter Blickle (Hg.), Theorien kommunaler Ordnung in Europa [Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien 36], München 1996, S. 75-97; Wolfgang HARDTWIG, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution, München 1997.

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selseitig geleistete Versprechenseid der Teilnehmer, die sich darüber gegenseitigen Schutz und Hilfe zusicherten, einen Verzicht auf die Durchsetzung von Eigennutz artikulierten und sich schließlich als Körperschaft eigenen Rechts konstituieren. 575 Im Zuge dessen kam es in der Regel zur Ausbildung spezifischer Formen der Verfahrensregelung und Institutionenbildung, aus denen wiederum konkrete Vorgaben zur Selbstverwaltung, Wahl von Funktionsträgern sowie einer Eigengerichtsbarkeit der etablierten Gruppe hervorgehen konnten.576 Hier zeigt sich ein wesentliches Problem der Schwurgemeinschaften aus Sicht der Herrschaftsträger. Wie Wolfgang Hardtwig konstatierte, basierten derartige Gebilde auf Konsens und Vertrag und konnten dadurch einen eigenen Bereich „gewillkürten, statuarischen, positiven Rechts zum Zweck gegenseitiger Schutz- und Hilfeleistung [schaffen], der primär nicht von irgendeiner bestehenden Herrschaft abgeleitet ist“.577 Faktisch bedeutete die Konstitution einer Schwurgemeinschaft also die Absonderung von einer bestehenden Ordnung bei gleichzeitger Gründung eines eigenen Rechts- und Sicherheitsbereichs, der nachmalig in Konflikt mit obrigkeitlichen Ansprüchen geraten konnte.578 In den Eiden der Pilger zeigte sich genau jener Versuch einer Absonderung von der als schlecht wahrgenommenen, neuen Ordnung. Im Rahmen der Pilgrimage kann aber nicht nur eine Abgrenzungsbewegung beobachtet werden, sondern die Konstitution eines eigenen Rechts- und Sicherheitsbereichs. Im Besonderen wird dies an der sukzessiven Ausbildung eigener Ordnungsstrukturen deutlich, die nach Ansicht der Pilger die Defizite der bestehenden Ordnung ausgleichen sollten. So ließen die einzelnen Pilgergruppen zum Beispiel über ihre Gravamina öffentlich abstimmen und markierten damit einen diametralen Gegenpol zur Regierung, die keineswegs offen für die Stimme des Volkes gewesen sei.579

575 Siehe Michele LUMINATI, Art. „Eid“, in: EdN 3 (2006), Sp. 90-93, hier Sp. 90; André HOLENSTEIN, Seelenheil und Untertanenpflicht. Zur gesellschaftlichen Funktion und theoretischen Begründung des Eides in der ständischen Gesellschaft, in: Peter Blickle (Hg.), Der Fluch und der Eid. Die metaphysische Begründung gesellschaftlichen Zusammenlebens und politischer Ordnung in der ständischen Gesellschaft, Berlin 1993, S. 1163; Paolo PRODI, Das Sakrament der Herrschaft. Der politische Eid in der Verfassungsgeschichte des Okzidents, Berlin 1997, S. 180-196 zur Funktion und Verbreitung des Eides und der coniurationes im Spätmittelalter; neuerdings auch Giorgio AGAMBEN, Das Sakrament der Sprache. Eine Archäologie des Eides [Homo Sacer II.3], Berlin 2010; zum englischen Kontext GRAY, Oaths and the English Reformation. 576 Otto Gerhard OEXLE, Konflikt und Konsens. Über gemeinschaftsrelevantes Handeln in der vormodernen Gesellschaft, in: Herfried Münkler / Harald Bluhm (Hgg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn. Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, Berlin 2001, S. 65-83, hier S. 71-74; Hardtwig, Genossenschaft, S. 27. 577 HARDTWIG, Genossenschaft, S. 27. 578 Siehe OEXLE, Konflikt und Konsens, S. 74; aus diesem Grund sahen die Herrschaftsträger in den coniurationes oftmals lediglich ‚Verschwörungen‘ und bekämpften sie. Siehe dazu ENNEN, Coniuratio, Sp. 135; LUMINATI, Eid, Sp. 91. 579 Siehe zu diesem Vorgang der Konstruktion eines Gegenpols zur Regierung SHAGAN, Pilgrimage, S. 95-98, hier bes. S. 95f; zur öffentlichen Abstimmung siehe etwa Letters and Papers XII/1, Nr. 70, S. 35 & 38.

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Ein zweites wichtiges Element in der Errichtung einer eigenen Ordnung war die Selbststilisierung der Pilgerzusammenkünfte als konstitutionelle Versammlungen. Zuletzt wurde dementsprechend sehr überzeugend argumentiert, dass die Verhandlungen in Pontefract im Dezemner 1536 deutlich den äußeren Anschein einer Parlamentssitzung machen sollten, die noch dazu von einer Versammlung der Geistlichen des Nordens (eine Konvokation imitierend) begleitet wurde.580 Der Bericht Robert Askes zu den Abläufen in Pontefract bestätigt diesen Eindruck nachdrücklich: „And the said Aske sayth, that after the said artacles red and agreyd vpon, emonges the lordes, knightes and gentilman […] was sett on the hed fiat. And after the said artacles wer red and declared to the comyns, who holly condiscended to euery artacle. And in lyk maner, the said Aske 581 receyued the oppinion of the clergie.“

Einher mit derartigen konstitutionellen Versammlungen ging die schrittweise Substituierung einer königlichen Ordnung durch von Pilgern geschaffenes Recht. So berichtete Aske beispielsweise von der Einsetzung einer neuen Ordnung für die religiösen Einrichtungen in York.582 In einem anderen Fall ist bekannt, dass der Pilgerführer William Stapulton strafrechtliche Aufgaben wahrnahm, die eigentlich königlichen Beamten wie den Friedensrichtern oblagen. Wichtig erschien in diesem Kontext nicht nur die Tatsache, dass Stapulton derartige Aufgaben wahrnahm, sondern auch wie er diese ausübte. So habe er wiederum im Gegensatz zur obrigkeitlichen Willkür am Ideal einer ‚guten Regierung‘ geurteilt.583 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die innere und äußere Form der Pilgerfahrt der Gnade hervorragend miteinander korrelierten. In beiden Bereichen zeichnet sich eine deutliche Ablehnung der existierenden Ordnung ab, auf deren aktive Bekämpfung die Beteiligten zudem eingeschworen wurden. Als besonders brisant muss in diesem Kontext sicherlich die Tatsache gewertet werden, dass die Pilger im nördlichen England dazu übergingen, eigene Normen zu setzen. Die Legitimation dafür speiste sich aus einer eigenwilligen Interpretation des Sukzessionseides, den sie kurzerhand adaptierten und im Sinne eines Kampfes gegen fundamentale, gemeinwohlschädliche Vorgänge der jüngsten Vergangenheit umdeuteten. Die Instrumentalisierung einer Gemeinwohlsemantik sollte den Pilgern jedoch nicht nur als Legitimation dienen, sondern vor allem einen Rahmen bieten, der die partikularen Klagen und Forderungen der verschiedenen Gruppen überformte und die Intention der Bewegung damit als wesentlich für das englische Gemeinwesen auswies.

580 Vgl. SHAGAN, Pilgrimage, S. 97f; zur Konvokation auch DODDS / DODDS, Pilgrimage, Bd.1, S. 382-384. 581 BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 340. 582 Siehe Letters and Papers XI, Nr. 784 (ii), S. 304; Edition des Gesamttextes bei BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 252; siehe auch TOLLER (Hg.), Correspondence, S. 51; BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 335. 583 Die Szene wird geschildert bei SHAGAN, Pilgrimage, S. 96f.

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5.3 Gemeinwohlschädliche Reformen: Die Themen der Pilgrimage of Grace Die antagonistische Grundkonstellation, die sich durch die äußere und innere Gestaltung der Pilgrimage bereits abgezeichnet hat, wurde durch die thematische Einfassung der Pilgerkritiken und Forderungen in einer Gemeinwohlsemantik komplettiert. Der Rekurs auf den Begriff des Commonwealth deutet in der Regel darauf hin, dass es zu einem massiven Dissenz zwischen Herrscher und Teilen des Gemeinwesens gekommen ist, der über die normalen Konfliktveregelungsinstanzen nicht mehr gelöst werden kann.584 Auftretende Gemeinwohldiskurse indizieren somit häufig eine fundamentale Konfliktkonstellation, in der konträre Vorstellungen von Ordnung, Politik, Recht usw. aufeinanderprallen. Auf semantischer Ebene drückt sich dies dadurch aus, dass eine Partei in einen Kampf für das Allgemeinwohl eintritt, während der gegnerischen Seite Defizienzbegriffe wie Egoismus, Eigennutz oder Korruption unterstellt werden. So wurden sämtliche großen Aufstände Englands seit 1381 vom ausgiebigen Gebrauch einer Gemeinwohlrhetorik begleitet.585 Entscheidend für die Verwendung einer Gemeinwohlsemantik als Kampfbegriff im Rahmen der Pilgrimage of Grace war dessen grundsätzliche Überdeterminierung, die letztlich dazu führte, dass dem Begriff eine eindeutige Denotation fehlte. 586 Dessen Bedeutungsvielfalt resultierte aus der Absorption unterschiedlicher Konzepte und Vorstellungen, die sich im Term Commonwealth überlagerten und gegenseitig potenzierten.587 Für den hier zu behandelnden Zusammenhang erscheinen drei Bedeutungsebenen wichtig, die durchaus in einer Beziehung zueinander standen: Der Begriff konnte erstens, verstanden als ‚common weal‘, die allgemeine Wohlfahrt aller in einem Gemeinwesen lebenden Menschen bezeichnen. In diesem Sinne bestand eine Verpflichtung der Obrigkeit zur ‚guten Regierung‘, die Sicherheit, Frieden, eine so-

584 Vgl. David STARKEY, Which age of Reform?, in: Christopher Coleman / Ders. (Hgg.), Revolution Reassessed. Revisions in the History of Tudor Government and Administration, Oxford 1986, S. 13-27, hier S. 21 betont, dass für den Commonwealth-Begriff die Unterscheidung von König und Königreich wesentlich war. 585 Vgl. Raimund OTTOW, Politische Gemeinwohl-Diskurse in Großbritannien: von den ‚Rosenkriegen’ zum Bürgerkrieg, in: Münkler / Bluhm (Hgg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 169-189; siehe auch Glenn BURGESS / Mark KNIGHTS, Commonwealth: The social, cultural, and conceptual contexts of an Early Modern Keyword, in: HJ 54 (2011), S. 659-687; ferner WOOD, The 1549 Rebellions, S. 146. 586 Münkler / Bluhm sprechen aus diesem Grund auch von der „Leerformel“ Gemeinwohl, die durch genauere Abgrenzungsbegrifflichkeit und Komplementärbegriffe konkretisiert werden musste. Siehe MÜNKLER / BLUHM, Einleitung, in: Dies. (Hgg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 9-30, hier S. 14. 587 Siehe BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth; Phil WITHINGTON, Society in Early Modern England. The Vernacular Origins of Some Powerful Ideas, Cambridge 2010, bes. Kap. 5, S. 134-168; SHARPE, A commonwealth of meanings, S. 38-123; Jonathan SCOTT, What were commonwealth principles?, in: HJ 47 (2004), S. 591-613; ferner der Band von MÜNKLER / BLUHM (Hgg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn.

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ziale Ordnung und Prosperität gewährleisten sollte.588 Vor allem im englischen Kontext diente der Begriff zweitens als Ausdruck für eine Gemeinschaft und konnte so das politische Kollektiv Englands insgesamt bezeichnen. Dieses Kollektiv fand seine Repräsentation in zentralen Institutionen wie dem Parlament und/oder der Monarchie, wurde durch das Common Law geschützt und in den großen Aufständen und Rebellionen seit dem Hoch- und Spätmittelalter immer wieder verteidigt. 589 Eine dritte Dimension schließlich ergab sich durch die Rezeption klassisch republikanischer Ideen. Im Anschluss an die ciceronische Definition von res publica als res populi entwickelten sich in diesem Bereich verstärkt partizipatorische Bestrebungen, in deren Zuge unterschiedliche Akteure und Akteursgruppen Forderungen zur Beteiligung an der politischen Gestaltung des Gemeinwesens stellten.590 Im englischen Fall schlugen sich diese Forderungen vor allem im Konzept des ‚good counsel‘ nieder, das die grundsätzliche Offenheit und Akzeptanz des Herrschers für unterschiedliche Formen der ‚Beratung‘ meinte.591 Die sich im Begriff des Commonwealth verschränkenden Bedeutungen kamen Bewegungen wie der Pilgrimage of Grace entgegen. Die Begrifflichkeit transportierte das Potential, sich unabhängig vom sozialen Status eine Autorisierung für politisches Handeln zuzuschreiben. Burgess/Knights stellten deshalb unter Aufgriff einer Kritik von Thomas Elyot fest, dass in Krisenzeiten die Gemeinwohlsemantik einen Raum für rebellisches Gedankengut und Protest bereitstellen könne:

588 Vgl. dazu BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 663f; cf. Matthew S. KEMPSHALL, The common good in late medieval political thought, Oxford 1999; die ökononomische Bedeutung des Begriffs betont etwa Phil WITHINGTON, The Politics of Commonwealth. Citizens and Freemen in Early Modern England, Cambridge 2005, bes. S. 159-194. 589 BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 664; Raimund OTTOW, Commonwealth. Konturen eines frühneuzeitlichen Diskursbegriffs, in: Politische Vierteljahresschrift 41 (2000), S. 76-106; ähnlich DERS., Politische Gemeinwohl-Diskurse; zur frühen Entwicklung zentraler Institutionen in England im Vergleich mit anderen Gemeinwesen siehe etwa Susan REYNOLDS, Kingdoms and communities in Western Europe, c. 900-1300, 2. Aufl., Oxford 1997. 590 BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 664-666; John WATTS, Public or Plebs: The Changing Meaning of ‚The Commons‘, 1381-1549, in: Huw Pryce / Ders. (Hgg.), Power and Identity in the Middle Ages, Oxford 2007, S. 242-260; grundlegend zum frühneuzeitlichen Republikanismus Quentin SKINNER, The Foundations of Modern Political Thought, Bd. 1: The Renaissance, Cambridge 1978, S. 41-48, 69-112 & 139-189; Martin VAN GELDEREN / Quentin SKINNER (Hgg.), Republicanism. A shared European Heritage, 2 Bde., Cambridge 2002. 591 Vgl. dazu SHARPE, Commonwealth of meanings, S. 55f; OTTOW, Gemeinwohl-Diskurse, S. 171; GUY, Monarchy and Counsel, S. 122-126; DERS., The rhetoric of counsel, passim. Einen starken Ausdruck fand die Idee der Partizipation sicherlich in den Arbeiten John Fortescues, der eine normative Verpflichtung des engl. Königs postulierte, sich in politischen Entscheidungsprozessen durch unterschiedliche Gruppen beraten zu lassen. Siehe dazu die Edition seiner zentralen Schriften von Shelley LOCKWOOD (Hg.), On the laws and governance of England, Reprint Cambridge 2002.

214 | E NGLANDS E XODUS „Such ideas and language could create a space for what Elyot had feared: the ‚commons‘, in time of crisis. The multivalency of ‚commonwealth‘ could thus be used to legitimize protest or rebellion. […] Viewed in these terms, ‚commonwealth‘ could thus denote not an ordered hier592 archy, but rather the collective interests of the commons.“

Der Kampf gegen gemeinwohlschädliche Entwicklungen konnte in dieser Hinsicht Aufständen und Unruhen eine Legitimationsbasis als politische Handlungen zum Wohle des Gemeinwesens bieten. Allerdings argumentierten nicht nur Mitglieder der Commons mit einer Gemeinwohlsemantik.593 Im Gegenteil griffen auch evangelische und humanistische Autoren darauf zurück, um ihre jeweiligen Kritiken an Einhegungen, der Inflation oder sozialer Ungerechtigkeit zu artikulieren und zu moralischer oder religiöser Reform aufzurufen.594 Vor diesem Hintergrund kann neben der Autorisierung ein zweiter wichtiger Effekt des Commonwealth-Begriffs abgeleitet werden, der darin besteht, Einzelinteressen unterschiedlicher Akteure zusammenzuführen und als Ausdruck eines kollektiven Wunsches zu präsentieren. Einer Vielzahl von kontextuell differierenden Aussagen und Interpretationen stand demnach stets die Möglichkeit einer Integration gegenüber, die über den gemeinsamen Rahmen einer Gemeinwohlrhetorik geleistet werden konnte. Ausgedrückt in variierenden Darstellungen einer body politic, arborealen Bildern, einer Hausvatermotivik oder auch biblischen Exempeln offenbarte der Begriff in dieser Hinsicht eine „kreative Adaptabilität“ und erwies sich als hochgradig kommunikativ anschlussfähig.595 Dieses Potential einer Commonwealth-Semantik versuchten die Pilger im Rahmen ihrer Erhebung gegen die neue henrizianische Ordnung auszuschöpfen. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, instrumentalisierten sie die Begrifflichkeit, um einerseits ihren Klagen und ihrer Kritik einen allgemein gültigen Status zu verleihen, der in dieser Hinsicht zugleich als Legitimation der Bewegung fungieren sollte. 596 Ande592 BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 668; das Oxford English Dictionary nennt unter Punkt 6 der Bedeutungen des Begriffes etwa eine „Bezeichnung der Norfolk-Rebellen von 1549“. Siehe Oxford English Dictionary, online-Ausgabe, Oxford 2017, s. v. „commonwealth“, URL: [14.04.2017]. 593 David Rollison plädiert in diesem Zusammenhang für eine eigenständige Tradition des Begriffes im gemeinen Volk. Siehe David ROLLISON, A Commonwealth of the People. Popular Politics and England’s Long Social Revolution, 1066-1649, Cambridge 2010, bes. Kap. 5, S. 236-292; siehe auch die Behandlung des Themas bei WOOD, The 1549 Rebellions. 594 Siehe BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 667f; zu den humanistischen Bestrebungen auch Cathy SHRANK, Sir Thomas Elyot and the Bonds of Community, in: Mike Pincombe / Dies. (Hgg.), The Oxford Handbook of Tudor Literature, 1485-1603, Oxford 2009, S. 154-169; Brendan BRADSHAW, Transalpine Humanism, in: James H. Burns / Mark Goldie (Hgg.), The Cambridge History of Political Thought 1450-1700, Cambridge 1994, S. 95-131; WITHINGTON, Society, S. 134-144. 595 BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 671-676 mit vielen Beispielen, Zitat S. 671; zu dieser Fähigkeit des Begriffs auch MÜNKLER / BLUHM, Einleitung, S. 14. 596 Es gibt eine Debatte darüber, ob und inwiefern der Begriff Commonwealth mit den religiösen Zielen der Pilgerfahrt vereinbar war. Während Richard Hoyle und die Schwestern

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rerseits nutzten sie die autorisierende Wirkung des Terms, um einen Gegenentwurf zur kritisierten Ordnung zu lancieren. Dieser Gegenentwurf rekurrierte in erster Linie auf Elemente einer traditionellen Auffassung von Religion und den damit verbundenen Ordnungsvorstellungen, wie sie vor den Neuerungen der 1530er Jahre bestanden hatten.597 Die Ablehnung des neuen Sinnstiftungsangebots bei einer gleichzeitigen Propagierung der alten Ordnung müssen somit als die eigentliche Füllung der Leerformel Commonwealth in diesem Zusammenhang betrachtet werden, die die anderen Themen strukturierten und sich sinnbildlich in der Stilisierung des Aufstandes als Pilgerfahrt ausdrückten. Das grundlegende Thema der Pilgrimage of Grace war die Perversion der guten Ordnung zum Schaden des Gemeinwesens. Diese grundsätzliche Feststellung lässt sich hernach auf die partikularen Forderungen übertragen, erfuhr aber besonders im Hinblick auf die ‚schlechten Berater‘ des Königs eine massive Verdichtung. Obwohl mit Richard Riche und einigen „häretischen Bischöfen“ auch andere Ratgeber des Königs gelegentlich genannt wurden,598 fokussierten die Pilgerverlautbarungen doch im Gros die Person Thomas Cromwells. Dieser avancierte durch seine Anhäufung von Ämtern, die sowohl weltliche als auch geistliche Belange betrafen, auf beiden

Dodds eher dazu neigen, den Begriff auf seine ökonomische Dimension zu reduzieren, ist zuletzt u.a. George Bernard dafür eingetreten, die religiösen Forderungen ebenfalls als Bestandteil des Bedeutungsspektrums von Commonwealth zu sehen. Es sollte klar sein, dass Bernards Interpretation hier der Vorzug gegeben wird, vor allem weil die Trennung zwischen genuin spirituellen und materiellen Forderungen und Klagen hinsichtlich der frühneuzeitlichen Verhältnisse eher anachronistisch anmutet. Zudem spricht jedoch einiges dafür, dass Hoyle und Dodds / Dodds ihre These auf einem Missverständnis begründet haben, das in einer fraglichen Interpretation des Pilgereides von Robert Aske besteht. Siehe zu dieser Debatte BERNARD, The King’s Reformation, S. 328-331; ferner die Bemerkung bei GRAY, Oaths and the English Reformation, S. 157, Anm. 82; HOYLE, Pilgrimage, S. 206f; DODDS / DODDS, Pilgrimage, Bd. 1, S. 139. 597 Trotz etwaiger Verlautbarungen in diese Richtung darf dies nicht absolut gesetzt werden. So konnte Michael Bush etwa nachweisen, dass einige Forderungen der Pilger kein reines Zurück zum Alten darstellten, sondern relativ progressiv anmuteten. Vgl. BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 248f. 598 In der Sawley-Ballade wird bspw. auf weitere ‚Repräsentanten‘ der schlechten, neuen Ordnung hingewiesen. Dort heißt es: „Crim, crame, and riche / With thre ell and the liche / As sum men teache. / God theym amend!“ Siehe BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 345. Gemeint sind hier Thomas Cromwell, Thomas Cranmer und Richard Riche sowie Bischof Hugh Latimer und die mit der Visitation der Klöster beauftragten Sir Thomas Leigh und Richard Layton; die Lincolnshire-Petition nennt ferner eine Reihe von Bischöfen, die den wahren Glauben „verdorben“ hätten. Darunter befinden sich der Erzbischof von Canterbury sowie die Bischöfe von Rochester (John Hilsey), Worcester (Hugh Latimer), Salisbury (Nicholas Shaxton), St. Davids (William Barlow), Dublin (George Browne) und Lincoln (John Longland). Das Dokument ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 251f. Bis auf Longland waren dies alles frisch ernannte Würdenträger, die evangelische Ansichten vertraten und ihre Beförderung größtenteils Thomas Cromwell verdankten. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 339.

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Gebieten zu einem Feindbild.599 Sein Name galt vielen im Norden als Schibboleth für alle Dinge, die seit geraumer Zeit falsch liefen: So war er nicht nur ein sozialer Aufsteiger, der aus den ‚Niederungen‘ des gemeinen Mannes in hohe Ämter und Würden aufgestiegen war,600 sondern galt zudem als einer jener übel beleumdeten royalen Ratgeber, die die Politik der Krone massiv zum schlechteren hin beeinflusst hätten.601 Cromwell entwickelte sich dergestalt zu einem Thema im Diskurs, das von unterschiedlichen Gruppen in jeweils eigener Perspektive verargumentiert wurde.602 In diesem Sinne repräsentierte Cromwell auf der einen Seite die Auswirkungen des neuen Reformdiskurses, der von den Pilgern als Einzug häretischer Ansichten ins Land, als Zurücksetzung des geistlichen Standes sowie als Ausbeutung und Schändung der Kirche wahrgenommen wurde. Sein Name stand auf den Royal Injunctions, die im August 1536 veröffentlicht wurden, um unter anderem den Klerus zu Predig599 Seit April 1534 war Cromwell „principal secretary“ und „chief minister“ Heinrichs VIII. und wurde am 21. Januar 1535 als „vicegerent“ bzw. „vicar-general“ zudem oberster Bevollmächtigter des Königs in Kirchenangelenheiten. Seit dem 02. Juli 1533 war er ferner Lord Privy Seal und wurde am 09. Juli in den Adelsstand erhoben. Siehe MILLER, Nobility, S. 27. 600 Heinrichs fortgesetztes Protegieren Cromwells, das diesen in den Stand versetzte, mit Angehörigen des Hochadels sehr rüde umzugehen, musste zwangsläufig zu Feindschaften führen. Im Norden war Cromwell u.a. für die Anschuldigung des Verrates gegen William Dacre verantwortlich. Obwohl Dacre entlastet wurde, ging er doch seiner Stellung im westlichen Grenzgebiet verlustig und wurde durch Henry Clifford, Earl of Cumberland ersetzt. Siehe Howard LEITHEAD, Art. „Cromwell, Thomas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2009, URL: [14.04.2017] sowie MILLER, Nobility, S. 51-57. Die Kritik an Ratgebern von niederer Herkunft beschränkte sich indes nicht auf Cromwell. Zu weiteren Anschuldigungen dieser Art siehe Letters and Papers XI, Nr. 705 (i), (ii) & (iv), S. 272; Nr. 826, S. 318-320, hier S. 319; Nr. 872, S. 349; Nr. 892, S. 355f. 601 Vgl. zum Feindbild Cromwell DAVIES, Popular Religion, S. 63: „‚Cromwell‘ becomes a convenient bogey for the various ills of 1536; the evil genius of the government, extorting taxation, suppressing monasteries, threatening apparently both traditional form of parochial worship and its very fabric. He was ‚that heretic and all his sect which made the King put down praying and fasting‘.“ Zitat aus Letters and Papers XII/1, Nr. 163 (i), S. 71; Vgl. auch Letters and Papers XI, Nr. 841, S. 332-334, hier S. 332, wo es über Cromwell heißt: „[I]f we had him here we would crum him [and crum] him that he was never so Crumwed“. Radikaler zeigt sich eine Aussage Philip Trotters, Teilnehmer der Lincolnshire-Erhebung, der über Cromwell sagte: „They intended, if they had prospered in their journey, to have slain the lord Cromwell“. Siehe Letters and Papers XII, Nr. 70 (x), S. 37f, hier S. 38. 602 Lord Darcy erklärte in einem Verhör kurz vor seiner Verhandlung, die im Anschluss an die Erhebung stattfand, dazu: „Cromwell it is thou that art the very original and chief causer of all this rebellion and mischief, and art likewise causer of the apprehension of us that be noble men and dost daily earnestly travail to bring us to our end and to strike off our heads, and I trust that or thou die, though thou wouldest procure all the noblemen‘s heads within the realm to be stricken off, yet shall there one head remain that shall strike off thy head.“ Siehe Letters and Papers XII/1, Nr. 976, S. 441.

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ten gegen die Macht des Papstes anzuhalten, Feier- und Heiligentage abzuschaffen bzw. zu reduzieren oder Pilgerfahrten als Aberglaube und Hypokrisie zurückzuweisen.603 Im Verbund mit der Publikation der Ten Articles (Juli 1536), die eine Reduktion der Sakramente auf drei vorgaben, und darüber hinaus zentrale Ansichten der evangelischen Lehre propagierten, mussten die Auswirkungen des neuen Referenzrahmens nun auch im praktischen Vollzug des Glaubens in den Gemeinden sichtbar werden.604 Die Tudorregierung zeigte in diesem Bereich auch anderweitig Präsenz, indem seit 1535 umfangreiche Visitationen der Klöster durchgeführt wurden, auf die 1536 die ersten Auflösungen der kleineren Häuser folgten. 605 In einer Captain Poverty Proclamation wurden die Klagen der Commons angesichts der neuen Situation prägnant zusammengefasst: „[B]y certeyn Herytykes in or tyme we se it petwuosly [piteously – BQ] and abhomynably confounded, not ashamyng in open Preching too blaspheme the honor of our lord god, workyng moost cruelly by spoilyng and suppression of holy places, as Abbeys, Churches and Mynysters of the same, bu also rageously velipending and dispising the Lawes and Ordynances of our Mother Holy Churche; blasphemyng also our Lady and all other Saincts in hevon, wherby we are run[n]e in shamefull sklander throowt all Realmes Chrysteyn, to the utter confusion of all 606 Englishe people.“

Neben den kirchenpolitischen und doktrinären Vorwürfen an Cromwell standen auf der anderen Seite konstitutionelle Bedenken, wonach die Rechtsprechung zunehmend durch persönliche Interventionen beeinträchtigt607 und die Nordengländer durch die 603 Siehe Iniunctions, ed. als The First Henrician Injunctions, 1536, in: BRAY (Hg.), Documents of the English Reformation, S. 175-178. 604 Vgl. Articles devised by the kynges highnes maiestie, to stablyshe christen quietnes and vnitie amonge us […], London 1536 (STC2 10033.2/British Library); Erzbischof Lee berichtete bereits im Oktober 1535 von geraumen Widerstand gegen die ‚Anti-Fegefeuer‘Predigten, die infolge der neuen Politik abgehalten wurden. Siehe Letters and Papers IX, Nr. 704, S. 237; John Longland, Bischof von Lincoln, avancierte auch deshalb zu einem beliebten Feindbild, weil er beschlossene Neuerungen wie etwa die Reduktion von Feierund Heiligentagen sehr schnell umsetzte. Der Act zur Abschaffung vieler Feiertage in WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 823f; Brief des Königs an die Bischöfe hinsichtlich zu vieler Feiertage, in: Ibid., S. 824; zur raschen Umsetzung von Longland HOYLE, Pilgrimage, S. 85; Margaret BOWKER, The Henrician Reformation. The Diocese of Lincoln under John Longland, 1521-1547, Cambridge 1981, S. 150; lokale Beispiele des Widerstandes auch bei SHAGAN, Schismatics, S. 32-36. 605 Vgl. dazu Peter CUNICH, The Dissolution and its Aftermath, in: Tittler / Jones (Hgg.), Companion, S. 221-237; Richard W. HOYLE, The Origins of the Dissolution of the Monasteries, in: HJ 38 (1995), S. 275-305; Joyce YOUINGS, The Dissolution of the Monasteries, London 1971; BERNARD, The King’s Reformation, S. 243-276. 606 TOLLER (Hg.), Correspondence, S. 47-49, hier S. 48. 607 Siehe BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 339f. Angeführt wird der Fall von William Wycliffe, der in York wegen Mordes angeklagt worden war. Cromwell hatte eine Abänderung des Urteils verlangt, was die Mitglieder des Gerichts ablehnten und dafür vor das Privy Council zitiert und mit einem Bußgeld bestraft worden waren. In einem ähnlichen Fall

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Abschaffung eigener Gerichtsinstanzen in York zu unverhältnismäßigen Wegen in den Süden gezwungen werden würden.608 Ferner warf man Cromwell ein einseitiges ‚Management‘ des Parlamentes vor, in dessen Zuge er das Unterhaus durch der Krone genehme Abgeordnete füllen würde, obwohl diese Abgeordneten häufig keine Beziehung zu den von ihnen vertretenen Boroughs und Shires hätten.609 Thomas Cromwell firmierte in dieser Situation als Konvergenzpunkt religiöser sowie konstitutioneller Klagen und erschien dieser Art symptomatisch für die Qualität der Bedrohung durch die Pilgrimage. Analog zu den diskursiven Konstruktionen der Zeit um 1530 wurden einzelne Vertreter als Beispiele herausgestellt, um die generelle Schlechtigkeit einer bestehenden Ordnung zu illustrieren. Wie ehedem Thomas Wolseys unnahbares, rücksichtsloses Verhalten sowie seine niedere Herkunft herangezogen worden waren, um dessen selbstsüchtige Motive zu entlarven, 610 so hieß es nun auch über Cromwell: „The fourth article is that we, your true subjects, think that your grace takes of your council and being about you such persons as be of low birth and small reputation which hath procured the premises most especially for their own advantage, the which we suspect to be the Lord Crom611 well and Sir Richard Riche“.

Im Pilgereid sowie in weiteren Proklamationen wurde gerade der Punkt der niederen Herkunft explizit angeführt und erklärt, man unternehme diese Pilgerfahrt zum

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war ein Bediensteter von Cromwells Neffen wegen Mordes angeklagt, woraufhin Cromwell dessen Freilassung anordnete. Siehe dazu BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 147f. Vgl. dazu Artikel 23 der Dezember Petition in: Letters and Papers XI, Nr. 1246 (i), S. 507. Die Klage verweist mehr als deutlich auf eine zunehmend wahrgenommene Diskrepanz zwischen „dem Norden“ und „dem Süden“ Englands. Bush argumentiert, dass die Betonung der Differenz bewusst von Teilen der Aufständigen artikuliert worden sei, für die Gesamtbewegung jedoch eine nur untergeordnete Rolle spielen konnte, da bspw. mit Lincolnshire Gruppen aus einer Region beteiligt waren, die nicht mehr eindeutig „dem Norden“ zugerechnet werden könnte. Ferner hätten die Rebellen primär nach nationalen Lösungen gestrebt, und nicht nach lokalen. Siehe BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 167187. Artikel 12 der Dezember-Petition ist hier wichtig. Darin heißt es: „Reformation for the election of knights of the shire and burgesses, and for the use among the Lords in the parliament house after their ancient custom.“ Letters and Papers XI, Nr. 1246 (i), S. 507; siehe auch die Kritik in Ibid., Nr. 1244, S. 504f. Das Problem bestand in mehreren Punkten: Zum einen wurden für die Wahlen im Juni 1536 potentielle Kandidaten den Gemeinden „vorgeschlagen“; zum anderen brach man mit der Tradition, dass königliche Bedienstete nicht im Unterhaus sitzen sollten. Zuletzt hatte Cromwell das Verfahren der ‚by-elections‘ neu eingeführt, wodurch er frei werdende Sitze im Unterhaus ebenfalls mit ihm genehmen Personen besetzen konnte. Vgl. BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 145; LOACH, Parliament under the Tudors, S. 26-27, 33, 36, 75-77. Vgl. bspw. die Kritik in Rede me and be not nott wrothe, S. 56 & 116. Siehe auch oben S. 115f sowie GWYN, The King’s Cardinal, S. 160, 173-176, 579-582. Vgl. Letters and Papers XI, Nr. 705 (i), S. 272; ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 251f.

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Schutz des Königs und „[for] purifying the nobility of all villains’ blood and evil counsellors“.612 Freilich blieb die Kritik an den schlechten Ratgebern nicht auf der Feststellung egoistischer Motive oder einer niederen Herkunft stehen, sondern die Pilger bemühten sich darüber hinaus den Nachweis zu erbringen, dass just diese Personen gegen die Interessen des Gemeinwohls handeln und durch ihre Aktivitäten das Land akut gefährden würden. Im „Pickering’s Song“ wurden Cromwell und andere Vertreter des Regimes als „southern heretics“ und „southern Turks“ dargestellt, die danach strebten, die Gesetze und den wahren Glauben an Christus zu eliminieren. In dieser Hinsicht manifestierte sich der äußere Rahmen der Bewegung als Pilgerfahrt in konkreten Klagen, wenn es etwa in Vers X hieß: „We being therefore in like distress / These southern Turks perverting our law / Spoiling Christ’s church to our great heaviness / The wealth of the realm not regarding one straw / 613 Therefore to fight now my counsel it is“

Es war allerdings nicht nur die Gefährdung des christlichen Seelenheils und die Zerrüttung der inneren Ordnung, durch die jene Ratgeber als schädlich und für das Gemeinwohl abträglich stigmatisiert werden sollten. Eine weitere Dimension der Schwächung und Gefährdung des Königreichs geht aus einer Proklamation der Rebellen aus Cumberland hervor, die explizit vor einer Bedrohung bzw. Invasion durch die Schotten warnten und anfügten, dass gegenwärtig die Herrschenden nicht in der Lage seien, die an der Grenze lebenden Engländer adäquat zu schützen. 614 Zusammenfassend für die Wahrnehmung der schlechten Berater kann eine Beurteilung Robert Aske’s angeführt werden: „[F]or as much that such simple and evil-disposed persons, being of the king’s council, hath not only incensed his grace with many and sundry new inventions, which be contrary to the faith of God and honour to the king’s majesty and the commonwealth of this realm, and thereby intendeth to destroy the church of England and the minsters […] of the same […] but also the said council hath spoiled and robbed, and further intending to spoil and rob, the whole body of 615 this realm.“

612 Letters and Papers XI, Nr. 705 (iv), S. 272; ähnlich Nr. 826, S. 319; Nr. 872, S. 349; Nr. 892, S. 356; Nr. 902, S. 358. 613 Siehe Letters and Papers XII/1, Nr. 1021 (v), S. 464; der vollständige Text ist ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 257-262, hier S. 259. 614 Vgl. Letters and Papers XII/1, Nr. 687 (ii), S. 302-304; ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 256. Mit dieser Aussage widersprachen die Aufständischen auch kategorisch der Begründung zur Einführung der neuen Steuern, die explizit auf die Herstellung von Frieden und Sicherheit abhob. Vgl. STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 19, S. 516-524, hier S. 516f. 615 Aske’s recruitment proclamation addressed to the gentlemen, in Letters and Papers XI, Nr. 705 (ii & iii), S. 272, ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 253; weitere Kritik an den schlechten Beratern findet sich u.a. in Letters and Papers XI, Nr. 714, S. 276; Nr. 902

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Die offensichtlich gemeinwohlschädlichen Aktionen der jüngeren Vergangenheit, wie sie hier am Beispiel der schlechten Berater illustriert worden waren, die einzig ihren Privatinteressen folgen würden, bildeten den eigentlichen ideologischen Überbau der diversen Pilgerverlautbarungen. In diese Argumentationsrichtung konnten sich in der Folge weitere Themenbereiche, wie etwa zu Steuerlast und Abgaben, einordnen. Ein grundsätzlicher Kritikpunkt der Aufständischen belief sich hier auf die Feststellung, dass entgegen jeglicher Tradition neue Steuern vom Zentrum erhoben worden seien. Zudem verlieh man der Befürchtung Ausdruck, dass die Obrigkeit die Einführung weiterer Steuern und Abgaben plane, was letztlich zu einem ‚Ausbluten‘ des Nordens führen könne.616 In der Ablehnung neu eingeführter Steuern sowie der Verstetigung bestehender können ebenfalls Konvergenzen zwischen klerikalen und laikalen Interessen beobachtet werden. So war die Gewährung der ‚First Fruits and Tenths‘ durch das Parlament (1534) eine exklusiv für den Klerus reservierte Steuer, wobei die First Fruits als einmalige Abgabe zum Antritt eines neuen Amtes gedacht waren, wohingegen die Tenths eine jährliche Steuer sein sollten, die in dieser Form direkter Besteuerung des Klerus eine Neuerung darstellten.617 Zog sich die Krone darüber den Unmut des geistlichen Standes zu,618 führte eine ebenfalls 1534 beschlossene Abgabe für die Laien zu ähnlichem Missfallen, die dem König den Einzug des fünzehnten und zehnten Teils auf bewegliche Güter, Vieh etc. erlaubte und überdies von der Bewilligung einer gesonderten finanziellen Unterstützung begleitet wurde. 619 Beide Steuern waren traditionell dazu gedacht, um außerordentliche Belastungen infolge von Kriegen oder Katastrophen abzufangen und wurden daher nicht regelmäßig erhoben. Der Act von 1534 verkehrte nun die traditionelle Begründung, indem die Abgaben und Steuern nicht mehr zur Deckung von Kriegskosten veranschlagt werden sollten, sondern zum Erhalt des Friedens und zur Sicherung des Königreichs. 620 Zumindest teilweise scheint in diesem Zusammenhang die Aussicht auf eine Versteti-

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(ii), S. 358; Nr. 1244, S. 504; Nr. 1246, S. 506f; Letters and Papers XII/1, Nr. 900, S. 401; Nr. 901, S. 404; Nr. 1022, S. 466. Die Klagen gegen die steuerlichen Belastungen in der Dezember-Petition, Art. 5 & 14 in Letters and Papers XI, Nr. 1246 (i), S. 507; Text auch in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 268-270. Auf die Bedeutung der Gerüchte, die sich um eine mögliche Einführung neuer Steuern entsponnen, weisen nahezu alle wesentlichen Arbeiten zur Pilgrimage hin. Siehe u.a. DAVIES, Popular Religion, S. 67; SHAGAN, Pilgrimage, S. 106-111; im Besonderen dazu auch BUSH, Enhancements; DERS., Pilgrims’ Complaint, S. 111-142. Vgl. STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 3, S. 493-499; BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 117-119. Siehe Artikel 6 der Opinion of the clergy of the north parties, Letters and Papers XI, Nr. 1245 (i & ii), S. 506. Text ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 270f; sowie Art. 5 der Pilgrim Petition vom Dezember 1536, Letters and Papers XI, Nr. 1246 (i), S. 507; cf. BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 268. Wichtig war hier der Hinweis, dass der Klerus des Nordens den neuen Steuern nicht zugestimmt habe. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 337f. Vgl. STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 19, S. 516-524. Vgl. STATUTES OF THE REALM III, S. 516.

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gung der Steuern ein Grund gewesen zu sein, um gegen unvorteilhafte Neuerungen der Politik seit ungefähr 1530/34 vorzugehen.621 Im Zusammenhang mit den tatsächlich eingeforderten Steuern und Abgaben müssen ferner die Befürchtungen über ein immer mehr Lebensbereiche umfassendes Steuersystem erwähnt werden, die immer neue Gerüchte über die Besteuerung von Ochsen, Essen von weißem Brot oder Fleisch, Verzehr von Milchprodukten und Abgaben auf den Kirchgang, auf Heiraten und Beerdingungen schürten.622 Ferner zirkulierte Gerede über Konfiskationen von Kirchenbesitz, dem Ersatz von Gold- und Silberkelchen durch Kupfer- und Blechgefäße, dem Schließen überzähliger Kirchen und einer Reduzierung der Gemeindekirchen.623 Dem Motiv des ‚Ausblutens‘ kam dabei besondere Aufmerksamkeit zu, ventilierten einzelne Artikulationen doch die Angst vor einem Abfluss gewaltiger Geldmengen aus dem Norden in den Süden. Robert Aske erklärte diesen Sachverhalt sehr ausdrücklich: „And that now the profites of abbeys suppressed, tentes and furst frutes, went out of thos partes. By occasion wherof, within short space or (sic) yeres, ther should be no money nor tresor in thos partes, nether the tenant to haue to pay his rentes to the lord, nor the lord to haue 624 money to do the King seruice with all“.

Das heraufbeschworene Bild der Verarmung des Nordens bei einer gleichzeitgen Bereicherung des Südens diente Robert Aske nicht nur dazu, anhand der ökonomischen Situation generelle Gegensätze zwischen ‚dem Norden‘ und ‚dem Süden‘ zu schüren, sondern er nutzte es auch, um die geistliche Lage in ein entsprechendes Bild zu setzen. In diesem Sinne sei eine Verarmung des Commonwealth desgleichen im Hinblick auf die Ausbreitung von Häresien und die Verdrängung religiöser Institutionen

621 In diese Richtung zielte wohl auch der Kommentar eines Lincolnshire-Aufständischen, als er dazu bemerkte: „The King shall not now nor at any time hereafter take nor demand no money of his subjects but only for the defence of the realm in time of war.“ Letters and Papers XI, Nr. 585, S. 238. 622 Vgl. dazu die bei TOLLER (Hg.), Correspondence, S. 50 edierten Befürchtungen der Commons sowie seine Anm. 1 auf S. 47. 623 Vgl. DAVIES, Popular Religion, S. 67 & 71 mit ausführlichen Quellenbelegen; BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 126-129; DERS., Enhancements; SHAGAN, Pilgrimage, S. 106111; BERNARD, The King‘s Reformation, S. 297-300; Margaret BOWKER, Lincolnshire 1536: heresy, schism or religious discontent?, in: Derek Baker (Hg.), Schism, heresy and religious protest [Studies in Church History 9], Cambridge 1972, S. 195-212; zur Wirkung von Gerüchten grundlegend auch Ethan H. SHAGAN, Rumours and Popular Politics in the Reign of Henry VIII, in: Tim Harris (Hg.), The Politics of the Excluded, c. 15001850, Houndmills u.a. 2001, S. 30-66; ferner Ernst SCHUBERT, „bauerngeschrey“. Zum Problem der öffentlichen Meinung im spätmittelalterlichen Franken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 34/35 (1975), S. 883-907; Martin BAUER, Die „gemein sag“ im späten Mittelalter. Studien zu einem Faktor mittelalterlicher Öffentlichkeit und seinem historischen Auskunftswert, phil. Diss., Erlangen 1981. 624 BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 336 (Korrektur im Original).

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zu konstatieren.625 Aske gelang es hier, eine überaus komplexe Thematik in eine griffige Formel zu kleiden, bedeutete für ihn diese Verarmung sowohl das Predigen neuer Häresien, die Auflösung von Klöstern und Abteien, Entweihung von Reliquien, ein korruptes Verhalten der Visitatoren als auch das Versagen weltlicher wie geistlicher Herrschaftsträger, dem König diese Situation adäquat zu kommunizieren. 626 Aus dieser weltlichen wie spirituellen Verarmung des Nordens könnten weitreichende und äußerst negative Konsequenzen erwachsen. So warnte Aske eindringlich davor, dass bei einer Fortsetzung dieser Politik jener Teil des Königreiches gezwungen sei, entweder ein Bündnis mit den Schotten einzugehen oder zu rebellieren, um eine Veränderung der Situation herbeizuführen.627 Die generelle Stoßrichtung der Pilgrimage of Grace kondensierte vor allem in den religiösen Forderungen der beteiligten Gruppen. Obwohl Ethan Shagan zuletzt die Eindeutigkeit des Widerstands einiger Pilger gegen die königliche Suprematie und die Vorstellung, dass ein weltlicher Herrscher als Oberhaupt einer Kirche geistliche Funktionen wahrnehmen könne, angezweifelt hat, kann es insgesamt keinen Zweifel daran geben, dass sich deren Forderungen gegen die jüngsten Entwicklungen in diesem Bereich richteten.628 Ein von nahezu allen Beteiligten geforderter Punkt war dabei die Restitution der Kirchenautonomie, sowohl was die rechtliche Immunität ihrer Mitglieder, die eigene Gerichtsbarkeit, als auch die exemte Stellung kirchlicher Gebäude anging.629 Bereits dieser Punkt deutet auf den Versuch hin, die Verschränkung von spiritualia und temporalia, wie sie im Rahmen der göttlichen Erwählung des Königs zuletzt konstituiert worden war, wieder aufzuheben. Dass man freilich aus den jüngsten Entwicklungen gelernt hatte und nicht zu einem Status quo ante zurückzukehren wollte, zeigte etwa der Zusatz, dass diese Rechte der Kirche jeweils von Beschlüssen des Parlaments kodifiziert werden sollten.630

625 Den engen Zusammenhang zwischen materieller Ausstattung von Gemeindekirchen und der Aussicht auf Erlösung und spirituellen Beistand hat zuletzt BERNARD, The King’s Reformation, S. 293-319, hier bes. 298-300 für den Aufstand in Lincolnshire herausgestellt. 626 Siehe etwa BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 335f; diese Kritik war Bestandteil vieler weiterer Pilgerverlautbarungen. Siehe inter alia Aske’s muster proclamation to the commons of Howden, Ouse and Derwent and Marshland, in: Letters and Papers XI, Nr. 622, S. 249; Aske’s recruitment proclamation, in: Ibid., Nr. 705 (ii), S. 272; The commons of Beverly to the commons of Lincolnshire, in: Ibid., Nr. 645, S. 254f; Captain Poverty muster proclamation, in: Ibid., Nr. 892 (i), S. 355; Pilgrim Petition (Dez.), in: Ibid., Nr. 1246 (i), S. 506f; diese sowie weitere Dokumente zum Thema sind auch ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 251-271. 627 Vgl. BATESON (Hg.), Pilgrimage, S. 336. 628 Siehe die Diskussion bei SHAGAN, Pilgrimage, S. 101-106; sowie die Entgegnung bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 339-341 und die Darstellung bei GRAY, Oaths and the English Reformation, S. 154-169. 629 Vgl. Art. 18 & 19 der Pilgrim Petition (Dez.), in: Letters and Papers XI, Nr. 1246, S. 507; Art. 1, 4, 5, 8 & 10 der Opinion of the clergy of the North parts, ed. in WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 812f. 630 Siehe die Artikel 18 & 19 in: Letters and Papers XI, Nr. 1246, S. 507.

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Ein weiterer diesbezüglicher Punkt betraf die Anerkennung des Papstes als geistliches Oberhaupt der Christenheit, wobei an dieser Stelle die traditionelle Auffassung verteidigt wurde, dass einzig der Pontifex die „cura animarum“ innehabe, und des Weiteren Bischöfe ausschließlich von ihm konsekriert werden könnten. 631 Damit war eindeutig der Versuch verbunden, an die Diskussionen im Kontext der Scheidungsaffäre anzuknüpfen und insbesondere die Entwicklungen seit den PraemunireManövern erneut zum Gegenstand eines politischen Aushandlungsprozesses zu machen. Die versammelten Kleriker zeigten sich in diesem Punkt radikaler, da sie in ihren schriftlichen Forderungen eindeutig die königliche Suprematie zurückwiesen: „To the second, we think the king’s highness, ne any temporal man may not be supreme head of the church by the laws of God, to have or exercise any jurisdiction or power spiritual in the 632 same; and all acts of parliament made to the contrary to be revoked.“

Als Ergänzung zu diesem Versuch der Restituierung der päpstlichen Autorität in und über England können ferner Aussagen gewertet werden, die päpstliche Dispense, Ablässe etc. für rechtens erklärten sowie explizit die legale Zirkulation von Büchern forderten, welche das Thema des päpstlichen Primats behandelten.633 Es existieren zahlreiche Indizien, die nahelegen, dass eine grundlegende Ablehnung der neuen Position des Königs in den Reihen der Aufständischen insgesamt sehr verbreitet war. Zu sehen ist dies etwa an den diversen Forderungen, der Klerus möge die Gebete in der althergebrachten Form sprechen und für den Papst beten. 634 In einem Fall berichtete ein Zeuge davon, dass er mehrere Personen sagen hörte, es würde solange nicht besser werden wie der König das Oberhaupt der Kirche sei. 635 Vor diesem Hintergrund scheint ein Kommentar von Robert Aske zur Wahrnehmung der königlichen Suprematie im Volk durchaus zuzutreffen, wenn er bemerkte, dass die Leute den Act of Supremacy ablehnen und gegen ihn raunen würden, weil er nicht im Einklang mit dem Gesetz Gottes stünde. Ein besonderes Augenmerk legte er auf die Neuartigkeit der reklamierten Stellung: „But the great brut in al menz mouthes then was that neuer king of Ingland, sith the fayth comyn within the said realme, clamyd ny such auctorite“.636 Angesichts dieser offenkundigen Verhaftung in traditionellen Glaubensvorstellungen verwundert es nicht, dass die versammelten Kleriker die Einstellung von Predigten gegen das Fegefeuer, die Heiligenverehrung und Pilgerfahrten sowie die Annullierung all jener Gesetze forderten, welche zuletzt die Ausbreitung diverser

631 Siehe Letters and Papers XI, Nr. 1246, S. 507, hier Artikel 2, 18 & 19 sowie die Opinion of the Clergy, Art. 2, 4, 5, 8 & 9. 632 Opinion of the Clergy, Art. 2, S. 812. 633 Opinion of the Clergy, Art. 8 sowie der Zusatz zu den zehn Artikeln, S. 812. 634 Siehe etwa Letters and Papers XII/1, Nr. 914, S. 417; Nr. 849, S. 381; Nr. 671, S. 296; Nr. 384, S. 180; Letters and Papers XI, Nr. 655, S. 257; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 343f. 635 Vgl. Letters and Papers XII/1, Nr. 201, S. 87; siehe auch DAVIES, Popular Religion, S. 69. 636 BATESON (Hg.), Aske’s Examination, S. 565.

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Häresien begünstigt hätten.637 Zudem artikulierten beide Verlautbarungen vom Dezember 1536 ihren Wunsch, man möge gegen die inzwischen weidlich kursierenden Irrlehren vorgehen, diese ausrotten und zum bewährten Katechismus zurückkehren. Die Eingaben der Pilger ließen dabei keinen Zweifel daran, was sie als häretisch auffassten, wurden doch neben die ‚klassischen Häretiker‘ wie Luther, Wycliffe, Hus, Bucer, Oecolampadius genuin englische Vertreter wie Tyndale, Barnes, Marshall und auch St. German gestellt.638 Die Forderung nach einer Rückkehr zu überkommenen Traditionen und Praktiken manifestierte sich zuletzt im Verlangen nach einer Restitution der aufgelösten und entäußerten, religiösen Einrichtungen.639 Dies darf nicht als einseitiges Ansinnen von geistlicher Seite missverstanden werden, spielten derartige Einrichtungen in unterschiedlicher Weise auch hinsichtlich laikaler Interessen und Bedürfnisse eine wichtige Rolle. So offerierten die Klöster und Abteien nicht nur theologische Unterweisung, Seelsorge und Heilsvermittlung, sondern sie waren oftmals Träger karitativer Aufgaben und nahmen in unterschiedlichem Maße kommunale Aufgaben der Straßeninstandhaltung, Brücken- und Schleusensanierung oder der Sicherstellung der Wasserversorgung wahr. Des Weiteren waren die Geistlichen häufig als Erzieher und Lehrer in den Gemeinden tätig und boten auf diese Weise in vielen Fällen die einzige Möglichkeit einer elementaren Schulbildung.640 Darüber hinaus hat die Forschung zuletzt verstärkt die enge Verflechtung von religiösen Institutionen mit der jeweiligen Gemeinde betont, die sich etwa in der Einbindung von Laien als Nachlassverwalter, Kirchendiener oder in Form der Mitgliedschaft in einer Bruderschaft ausdrücken konnte. Gleichsam dienten die Gemeindekirchen und andere geistliche Gemeinschaften und Institutionen oft als stolzes Symbol einer Kommune, die deshalb besonders reichlich durch freiwillige Abgaben und Geschenke ausgestattet wurden.641 Die Restitution der religiösen Einrichtungen hatte selbstverständlich auch konkreter auf die Rebellion selbst bezogene Gründe. So wurden die sowohl wiedereröffneten als auch nach wie vor bestehenden größeren Klöster und Abteien regelmäßig aufgefordert, Verpflegung und Geld zur Unterstützung der Bewegung bereitzustellen. Ferner konnten die Institutionen Hilfe und Beistand leisten, wenn es um die ideologische Legitimation der Bewegung ging. Die Beteiligung von Äbten und Mönchen stellte derat nicht nur eine symbolische Zustimmung dar, sondern Vertreter wie der Dominikanermönch John Pickering oder einer der Mönche aus Sawley halfen durch 637 Siehe Opinion of the Clergy, S. 812; Letters and Papers XII/1, Nr. 1022, S. 464-467; BERNARD, The King’s Reformation, S. 337. 638 Opinion of the clergy, Art. 1, S. 812; kürzer gefasst Pilgrim Petition (Dez.), Art. 1. 639 Der Vorgang wird detailliert beschrieben bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 345349; HAIGH, Reformation and Resistance, S. 129. 640 Siehe CUNICH, Dissolution, S. 232f; DAVIES, Pilgrimage of Grace reconsidered, S. 6769; HAIGH, Reformation and Resistance, S. 123f. 641 Vgl. etwa DAVIES, Popular Religion, S. 80; DUFFY, Stripping, 131-154; DERS., The Voices of Morebath. Reformation and Rebellion in an English Village, New Haven/London 2001, S. 68-83, 118-127; Robert WHITING, The Blind Devotion of the People. Popular Religion and the English Reformation, Cambridge 1989, S. 91 & 105112; zur Rolle der churchwardens auch BURGESS, ‚A Fond Thing Vainly Invented‘, S. 76-78.

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ihre Balladen enorm bei der Selbststilisierung der Pilgrimage.642 Gerade vor diesem Hintergrund bestätigte der Einsatz für die religiösen Einrichtungen letztlich das zentrale Merkmal der Pilgerfahrt, das im Kampf für den wahren Glauben und den damit verbundenen Institutionen und Praktiken bestand. Die inhaltliche Ausrichtung der Pilgrimage korrespondierte somit sehr gut mit der äußeren und inneren Form jener Bewegung.643 Demzufolge forderten die Pilger weitgehend die Rückkehr zu einem Zustand, wie er vor der Inauguration der neuen Ordnung bestanden hatte.644 In diesem Sinne kontrastierten sie die neue henrizianische Ordnung, die sowohl in materieller als auch in spiritueller Hinsicht als bedrohlich wahrgenommen wurde, mit einer älteren Vorstellung, die für das Gemeinwohl ungleich besser und wesentlich förderlicher gewesen sei. Die Instrumentalisierung des Commonwealth-Begriffs seitens der Pilger stellte die königliche Herrschaft dabei vor eine geradezu existenzielle Herausforderung, weil sie dadurch die Auswirkungen der Pluralisierung von Religion zum Gegenstand eines politischen Aushandlungsprozesses erklärt hatten, der nunmehr das gesamte Gemeinwesen betraf. Gerade weil es um essenzielle Fragen der religiösen Wahrheit und des individuellen Seelenheils ging, schrieben sich die Pilger eine legitime Handlungsposition zu und wandten sich sozusagen als Sprachrohr des Gemeinwesens an Heinrich VIII., um ihm die akute Gefährdung der guten Ordnung durch die letzten Reformen zu kommunizieren. Der Glaube avancierte in dieser Hinsicht gleichermaßen zum Maßstab guter Regierung wie zu einem Reservoir, aus dem sich nonkonformistische und subversive Handlungen und Haltungen speisen konnten. Die Bewegung ist damit ein hervorragendes Beispiel für die nach der Reformation notwendige Neuverhandlung und -definierung des Verhältnisses zwischen den Sphären des Politischen und Religiösen, um eine Destabilisierung der eigenen Herrschaft und des gesamten Ordnungsgefüges zu verhindern. Für diese Neubestimmung rekurrierten Heinrich VIII. und die im Sinne der Krone schreibenden Autoren im besonderen Maße auf die Idee der göttlichen Erwählung des Monarchen.

642 Siehe zu den Hilfsleistungen BERNARD, The King’s Reformation, S. 347-349; SHAGAN, Pilgrimage, S. 93f; DAVIES, Pilgrimage of Grace reconsidered, S. 67-69; zu Pickering auch Susan E. JAMES, Art. „Pickering, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [14.04.2017]. 643 Zwei Ausnahmen behandeln in diesem Zusammenhang Michael Bush zur Frage der feudalen Abgaben der gressums und Ethan Shagan im Hinblick auf die Höhe der dann wieder zu entrichtenden Abgaben an Rom. Siehe BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 197-207; SHAGAN, Pilgrimage, S. 103. 644 Dies zeigt sich in nahezu allen Forderungen der Pilger. Siehe The Lincolnshire rebels’ petition, Art. 1; The Pilgrims’ oath; The order for religious houses suppressed, ed. in BUSH, Pilgrims’ Complaint, S. 252; Aske’s muster proclamation to the commons of Howden, Ouse and Derwent and Marshland, in: Ibid., S. 253; Captain Poverty muster proclamation from the north-west, in: Ibid., S. 257; Pilgrim Petition vom Oktober 1536; Pilgrim Petition Dezember 1536, Art. 1 & 2; Opinion of the clergy; siehe zu beiden Ibid., S. 268-271.

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5.4 Das Commonwealth und die königliche Erwählung: Die Entstehung einer neuen Heilsgemeinschaft Die Pilgrimage of Grace stellte in erster Linie einen Konflikt um ordnungspolitische Fragen dar, in dessen Zuge religiöse Auffassungen gegen politische Vorgaben und Setzungen der Krone ausgespielt worden waren. Dieses Potential, das durch die Existenz unterschiedlicher religiöser Sinnstiftungsangebote generiert wurde, musste aus Sicht der Obrigkeit eliminiert werden. Zu diesem Zweck war es erforderlich, dass das Verhältnis des religiösen und politischen Bereichs zueinander in grundsätzlicher Hinsicht geklärt und die religiöse Diversität im Hinblick auf die Funktionalität des Gemeinwesens beseitigt wird.645 Die grundlegende Argumentationslinie der von obrigkeitlicher Seite geförderten und publizierten Schriften belief sich dementsprechend darauf, die Gestalt und das Wesen des englischen Commonwealths genauer zu fassen. Dabei verbanden die Autoren Elemente und Versatzstücke eines auf klassischen Vorstellungen aufbauenden ‚Bürgerhumanismus‘ (civic humanism) mit den spezifischen Vergemeinschaftungsformen des englischen Gemeinwesens und zentrierten sie auf den König als erwähltem Stellvertreter Gottes. In diesem Kontext stellte sich der Gehorsam gegenüber der von Gott eingesetzten Obrigkeit als wichtigste und letztlich einzig entscheidende Pflicht des Untertans dar. Hierdurch wurde also versucht, die partizipatorischen Effekte der Gemeinwohlrhetorik, wie sie durch die Pilger artikuliert worden war, zu bekämpfen und die Möglichkeiten einer legitimen Teilhabe an den politischen Entscheidungsprozessen des Gemeinwesens zu beseitigen. Einher mit dieser Neudefinition des englischen Commonwealths ging schließlich die Ausbildung einer neuen Vorstellung Englands als Kollektiv, welche das Land als vollkommen autonomes und gleichsam von Gott in besonderem Maße begünstigtes Gebilde präsentierte. Von zentraler Bedeutung in diesem Zusammenhang sind die Schriften von Thomas Starkey und Richard Morison, zu denen sich in der Folge weitere Veröffentlichungen aus dem Umfeld der Pilgrimage of Grace zuordnen lassen.646 Zu diesem thematisch ergänzenden Schrifttum können die beiden gedruckten Antworten des Königs auf die Forderungen der Aufständischen von Lincolnshire und Yorkshire, eine Predigt von Hugh Latimer vom Oktober 1536, und der später gedruckte Text von

645 Dies ist das durchgängige Thema der Schrift von Wilfrid Holme zur Pilgrimage of Grace. Er bringt es am Ende sehr prägnant auf den Punkt: „[O]ne God and one Lord.“ HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Iivr. 646 Vgl. Thomas STARKEY, Exhortation to the people, instructynge theym to unitie and obedience, London 1536 (STC2 23236/British Library); Richard MORISON, A lamentation in whiche is shewed what ruyne and destruction cometh of seditious rebellyon, London 1536 (STC2 18113.3/British Library); DERS., A remedy of sedition, London 1536 (STC2 18113.7/Cambridge University Library). Die beiden Texte von Morison liegen in einer Edition vor: vgl. David S. BERKOWITZ (Hg.), Humanist Scholarship and Public Order, Washington u.a. 1984, S. 85-165; zu den Personen siehe Tracey A. SOWERBY, Renaissance and reform in Tudor England. The careers of Sir Richard Morison c. 1513-1556, Oxford 2010, bes. S. 41-117; Thomas MAYER, Thomas Starkey and the commonweal. Humanist politics and religion in the reign of Henry VIII, Cambridge 1989.

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Wilfrid Holme gezählt werden.647 Vor einiger Zeit hat sich zudem in die Riege der offiziellen bzw. offiziösen Schriften eine weitere Publikation eingefunden, deren Datierung im Short Title Catalogue aufgrund inhaltlicher Analysen von Janice Liedl von 1535 in den Kontext der Pilgrimage verlegt werden konnte.648 Zuletzt müssen natürlich auch die thematischen Bezüge auf frühere Texte berücksichtigt werden, die in diesem Rahmen die Auseinandersetzung mit der Herausforderung der Pilgerfahrt abrunden. Die Leistung dieser Werke, allen voran jene von Thomas Starkey und Richard Morison, besteht darin, dass sie eine eigene Interpretation des Commonwealth vorlegten, die jene von den Pilgern vorgebrachte Gemeinwohlrhetorik in entscheidendem Maße modifizierte. So negierte deren Vorstellung vom Gemeinwesen und Gemeinwohl die partizipatorischen Aspekte des Gedankengutes und wandelte es in eine Art ‚royalen Patriotismus‘ um.649 Der Kern ihrer Neudefinition des englischen Commonwealths ist dabei die Position des englischen Königs als von Gott erwählter Herrscher. Diese Stellung des Monarchen wurde zum wesentlichen Bezugspunkt und Garant der guten Ordnung erklärt, weil von ihr aus eine klare Hierarchie abgeleitet werden konnte, die zudem von Gott für gut befunden worden sei.650 Besonders Richard Morison ließ an der göttlichen Erwählung Heinrichs keinen Zweifel und fand gar einen historischen Beleg dafür:

647 Siehe Answere to the petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre, London 1536 (STC2 13077.5/Cambridge University Library); Answere made by the Kynges hyghnes to the petitions of the rebelles in Yorkeshire, London 1536 (STC2 13077/Cambridge University Library); Hugh LATIMER, A Sermon made […] at the time of the insurrection in the North […], in: George E. Corrie (Hg.), Sermons by Hugh Latimer, 2 Bde., Cambridge 1844/45, hier Bd. 1, S. 25-32; HOLME, The Fall and Euill Successe. 648 Siehe Janice LIEDL, The Penitent Pilgrim: William Calverley and the Pilgrimage of Grace, in: SCJ 25 (1994), S. 585-594; der betreffende Text ist William CALVERLEY, A dyalogue bitwene the Playntife and the Defendaunt, London 1537[?] (STC2 4370/Henry E. Huntington Library); zur Person Christopher BURLINSON, Art. „Calverley, William“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [14.04.2017]. 649 Siehe Glenn BURGESS, Patriotism in English Political Thought, 1530-1660, in: Robert v. Friedeburg (Hg.), ‚Patria‘ und ‚Patrioten‘ vor dem Patriotismus. Pflichten, Rechte, Glauben und die Rekonfigurierung europäischer Gemeinwesen im 17. Jahrhundert, Wiesbaden 2005, S. 215-241, hier S. 219-222; DERS., Political Thought, S. 49-54. 650 Siehe u.a. STARKEY, Exhortation, fol. Bivv-Cir; MORISON, Remedy, fols. Aiiv, Biiir, Eiiir; DERS., Lamentation, fols. Aiir-Aiiiv, Ciiiv; DERS., An exhortation to styrre all Englyshe men to the defence of theyr countreye, London 1539 (STC2 18110.5/Bodleian Library), fol. Biir; HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Fiiir-Giv; LATIMER, Sermon at the time of the insurrection in the North, S. 25, 30; MARSHALL, Defence of Peace, fol. 20v; siehe auch die nur als Fragment überlieferte Panegyrik auf Heinrich unter dem Titel A panegyric of Henry VIII as the abolisher of papist abuses, London 1537[?] (STC2 13089a/Bodleian Library), fol. Diiiv; ferner auch Cuthbert TUNSTALL, A Sermon of Cvthbert Byshop of Duresme, made […] before the maiestie of our souerayne lorde kyng Henry the VIII […], London 1539 (STC2 24322a/British Library), fol. Civ-Ciir.

228 | E NGLANDS E XODUS „God maketh kynges, specyally where they reigne by successyon. God toke awaye prynce Arthure, & wold king Henry the eyght, to be our heed, and gouernour. Woll we be wyser than god? Wol we take vpon vs, to know who ought to gouerne vs, better than god? God made hym kynge, and made also this lawe, Obey your kynge. Howe can ye obey hym, that refuse his la651 wes?“

Diese Stellung Heinrichs wurde in der Folge vor dem Hintergrund der Pilgrimage of Grace dahingehend modelliert, dass es die vordringlichste Aufgabe des von Gott erwählten Herrschers sein müsse, sein Volk vor den Auswirkungen einer falschen Gläubigkeit zu bewahren und auf den richtigen Weg eines christlichen Glaubens zurückzuführen. In diesem Sinne firmierte Heinrich VIII. als ein Reformer des wahren Glaubens und wurde dergestalt mit entsprechenden Vorbildern aus dem Alten Testament wie Hiskia oder Josia verglichen.652 Im gleichen Zuge wurden die Pilgerforderungen und -handlungen in einen papistischen und damit anti-christlichen Bezugsrahmen eingeordnet, wodurch sich hier die Logiken der Mosaischen Unterscheidung als Grundlage der folgenden Diskussion aktualisierten.653 Freilich beschränkten sich die Auseinandersetzungen von Thomas Starkey, Richard Morison und den anderen Autoren nicht auf eine bloße Rekapitulation der bestehenden Argumentationsmuster. Vielmehr diente die Tatsache, dass der König in seinem Amt von Gott bestätigt und einzig im besten Interesse des Gemeinwesens handeln würde, dazu, um darauf aufbauend eine uneingeschränkte und unbedingte Gehorsamspflicht der Untertanen ihrem Herrscher gegenüber zu postulieren. 654 Morison erklärte dazu: „God wolle all subiectes, peyne of eternall damnation, to obeye their princis.“655 Aufruhr und Zwietracht wurden dagegen als Ablehnung der von Gott gesetzten und legitimierten Ordnung begriffen, die nicht nur weltliche Konsequenzen haben, sondern auch in essenzieller Weise das Heilsinteresse der Betreffenden gefährden konnten. In diesem Sinne erschien ein illoyales, nonkonformes Ver651 MORISON, Remedy, fol. Biiir. 652 Ganz deutlich in A panegyric of Henry VIII, fol. Div-Diiiv; HOLME, The Fall and Euill Successe, fols. Civr-v, Dir, Iiiiv; MORISON, Exhortation, fol. Bviiv; Vergleiche mit König Hiskia bereits bei FOXE, De Vera Differentia, fol. Kir-v; GARDINER, True Obedience, S. 109; BL Cotton Cleopatra E 6, fol. 23v-25v; ferner Letters and Papers XIV/I, Nr. 402, S. 153-157; Vergleich mit Josia auch bei PYLBAROUGH, A commemoration, fols. Aiiir, Ciir, Diiv; siehe ferner die Argumentation bei BERNARD, The King’s Reformation, S. 225-292 zu Heinrichs Reformvorstellungen; generell zum Thema auch Graeme MURDOCK, The Importance of being Josiah: An Image of Calvinist Identity, in: SCJ 29 (1998), S. 10431059. 653 Siehe zu dieser Einordnung u.a. LATIMER, Sermon at the time of the insurrection in the North, S. 26-32; HOLME, The Fall and Euill Successe, fols. Civ-Ciir, Ciiir,Fiir-v, Giiiv; PYv r r-v v LBAROUGH, A Commemoration, fols. Bi -Bii , Cii , Civ ; A panegyric of Henry VIII, fol. v v r v v Di -Diii ; MORISON, Exhortation, fols. Avii -Bi , Bii -Biiiv, Divv-Dviiir; siehe auch die Vorwürfe bei TUNSTALL, A Sermon, fol. Dviiiv-Eiiv. 654 MORISON, Exhortation, fol. Biir-v; cf. BURGESS, Political Thought, S. 51f. 655 MORISON, Exhortation, fols. Bir, Biir; DERS., Lamentation, fol. Aiir-Aiiiv; CALVERLEY, dyalogue, fol. Bvv; PYLBAROUGH, A Commemoration, fol. Cir; TUNSTALL, A Sermon, fol. Civ; cf. SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 44; LIEDL, Penitent Pilgrim, S. 593.

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halten als Blockade auf dem Weg zur Erlangung einer christlichen Identität sowie der Glückseligkeit (felicity), die doch das Ziel für jeden gläubigen Christen sein müsse.656 Mit dieser Verknüpfung von religiösen Fragen mit der Ordnung eines Gemeinwesens kamen die Autoren dem Ansatz der Pilger entgegen, zogen aus dem konkreten Vorfall aber vollkommen andere Schlüsse: Für beide konnte nämlich die Erfüllung der christlichen Existenz nur in einem harmonischen und geeinten Gemeinwesen erreicht werden. Voraussetzung war jedoch die uneingeschränkte Gefolgschaft zum Herrscher sowie die Anerkennung der von ihm ausgehenden Ordnung. Diese Ordnung integriere letztlich das Gemeinwesen auf der Grundlage der Heiligen Schrift und gebe eine klare Hierarchie vor, die jedem Untertan seine Position zuweise. 657 Der Gehorsam gegenüber einer eingesetzten Obrigkeit und die Pflege der Eintracht in einem Gemeinwesen waren für Thomas Starkey aus zwei Gründen wichtig: Einerseits sei das Streben nach einem einträchtigen Leben Ausfluss eines vernünftigen, gemeinschaftlichen Denkens, ohne das die Menschen in einen Zustand tierischen Daseins zurückfielen, indem es keine Gemeinschaft mehr geben könne.658 Da dieser Punkt auch für alle Nichtchristen prinzipiell zutraf, war Starkeys zweiter Punkt für den gläubigen Christen weitaus wichtiger, in dem er erklärte, dass auf Erden eine göttliche Vorsehung und Fürsorge herrsche, von welcher man sich durch aufrührerisches Verhalten stetig entferne.659 Morison explizierte diesen Punkt, indem er an656 Vgl. STARKEY, Exhortation, fols. Bir-Biir, Civr-Dir; MORISON, Lamentation, fol. Aiiir erklärte: „Obedience is the badge of a trewe christen man.“; ähnlich PYLBAROUGH, A Commemoration, fols. Aiir-v, Divr-v; MATTHEW, Sermon, fol. Aiiiv. 657 Vor allem Morison betonte die göttlich gesetzte Hierarchie. Siehe MORISON, Remedy, fols. Aiiv, Aivr, Bivr; DERS., Lamentation, fols. Aiiv-Aiiiv, Ciiir-v; mit der Betonung darauf, dass die Lehre Christi jeden Gläubigen verpflichte, aus christlicher Nächstenliebe die gemeinnützige Eintracht zu suchen und zu erhalten, auch STARKEY, Exhortation, fols. Ciiir & Civv; MORISON, Remedy, fol. Ciir. 658 Vgl. STARKEY, Exhortation, fol. Air; MORISON, Remedy, fol. Aiir; DERS., Lamentation, fol. Aiiv: „A beast he is, a man he can neuer be iudged, that passeth but on his owne welth & plesure.“; dieser Punkt wird auch von Heinrich in seinen Erwiderungen explizit angesprochen. Siehe Answere to the petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre, fol. Aiir; Answere to the petitions of the rebelles in Yorkeshire, fol. Aiir; vgl. auch die Charakterisierung bei HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Ciiiv als „sauage beastes loosed and put to their libertie“. Einen Rückfall ins ‚tierische Dasein‘ insinuiert wohl auch CALVERLEY, dyalogue, fol. Biiv. Hier sind Anklänge an ein aristotelisches Gedankengut zu vermuten, wonach es Menschen, die die Gesetze der polis nicht respektieren würden, gierig nach Krieg seien und sich daher eher wie freie und wilde Tiere gebahrten, am notwendigen Logos zum Leben und Mitbestimmen in einem Gemeinwesen mangele. Siehe hierzu Ottfried HÖFFE, Art. „zôon politikon“, in: Ders. (Hg.), Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 620f, hier S. 621; eine Exklusion der „rascall multytude“ von politischen Prozessen findet sich auch bei MARSHALL, Defence of Peace, fol. 28v. 659 Vgl. STARKEY, Exhortation, fol. Air-Biv; MORISON, Lamentation, fol. Aiiir mit Verweis auf die Loyalität unter den Osmanen; siehe ferner HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Biiiv, der die Gefahr einer Spaltung des Gemeinwesens mit dem Schicksal Israels verglich: „With deuiding of kingdomes as plainly doth appeere, / Of Juda and Israell which was the cause cleere / Of their captiuitie, and the transmigration, / For diuers

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merkte, die Engländer hätten von Gott ein fast schon ‚zu gutes‘ Land bekommen. Die natürlichen Voraussetzungen für das Gedeihen von Feldfrüchten und Städten seien vorhanden, jedoch könne das Land unter anderem infolge von Aufruhr und Rebellion nicht davon profitieren.660 Als zeitgenössisches Beispiel, welchen Schaden derartige Vorgänge für ein Gemeinwesen bedeuten können, gab etwa Starkey die Entwicklungen im Reich zu bedenken.661 Um analoge Auswüchse für England zu vermeiden, möchte der Autor in der Folge die Gründe für die gegenwärtige Spaltung des Gemeinwesens analysieren, die sich seiner Meinung nach überaus deutlich in den gegenseitigen Zuschreibungen mit Begriffen wie Häretiker und Schismatiker auf der einen und „foolyshe Pharisee“ oder „superstitious papyste“ auf der anderen Seite manifestiere: „For what vnitie maye there be iudged to reste amonge theym, where as that one estemeth an nother to be an heretike, or at the leeste a scysmatyke? What christen concorde and vnitie maye in those hartes reygne, where as one iudgeth an nother to be a foolyshe Pharisee, or a supersti662 tious papyste?“

Starkey sprach mit dem Thema der religiösen Einheit zugleich ein zentrales Anliegen des englischen Königs an. Wie zuletzt George Bernard treffend bemerkt hat, zeichneten sich die diversen Veröffentlichungen des Königs bezüglich der Definition doktrinärer Fragen vor allem dadurch aus, dass sie die Wahrung bzw. die Wiederherstellung einer religiösen Einheit zum Ziel gehabt hätten.663 So hieß es im Vorwort zu den 1536 veröffentlichten Ten Articles, deren eigentlicher Titel bereits die Absicht kundtut „to stablyshe christen quietnes and vnitie amonge us, and to auoyde contentious opinio[n]s“:

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heades made diuers Gods seyre, / Wherefore God gaue them vp to their great damnation.“; TUNSTALL, A Sermon, fol. Eiiir. Vgl. MORISON, Remedy, fol. Eivr; ein ähnlicher Vorwurf scheint bei Holme auf, wenn er das personifizierte England klagen lässt, dass durch Rebellion und Aufstand die Güte des Landes ausgelöscht werde. Siehe HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Biv; zu den fatalen Folgen von Aufstand und Rebellion auch MORISON, Lamentation, fols. Aiir & Aivr. Vgl. STARKEY, Exhortation, fols. Aivr und nochmals Hivv-Iir; MORISON, Remedy, fol. Bivv-Cir fand einen passenden Vergleich nur noch in den „barbarischsten Nationen“ der Erde. Und selbst diese hätten die Gesetze ihres Königs befolgt. STARKEY, Exhortation, fol. Diir; Richard Morison beklagte in diesem Zusammenhang auch die Aufladung geographischer Zuordnungen wie nord/süd oder ost/west mit wertenden Charakteristika, die Ressentiments schüren und damit einheitsstiftende Versuche unterminieren würden. Siehe MORISON, Remedy, fols. Diiiv, Eir-v; DERS., Lamentation, fol. Ciir; cf. SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 43. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 276f sowie DERS., Making of Religious Policy; Alec Ryrie betonte in diesem Zusammenhang vor allem die königliche Suprematie als Dreh- und Angelpunkt dieser Einheit! Siehe RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 39-57; DERS., Divine Kingship; SHAGAN, Schismatics.

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„[W]e haue allwayes estemed and thought […] that it mooste chiefely belongeth vnto our sayde charge, diligently to forsee and cause that not only the most holy word and co[m]mandeme[n]tes of god, shuld most syncerely be beleued, and moste reuerently be obserued and kepte of our subiectes, but also that vnitie and concorde in opinions, namely in suche thynges as dothe concerne our religion, may increase and go forthwarde, and all occasion of 664 dissent and discorde, touchyng the same be repressed, and vtterly extinguyshed.“

Thomas Starkey griff somit ein zentrales Anliegen des Königs auf, wenn er die innere Spaltung in religiösen Ansichten als wesentlichen Grund für die gegenwärtigen Unruhen im englischen Gemeinwesen identifizierte. Um ähnlich desintegrierende und destabilisierende Auswirkungen wie auf dem Kontinent zu vermeiden, versuchte Starkey den bestehenden Grundsatzkonflikt aufzulösen, indem er zu einer Neudefinition des Verhältnisses von religiösem und politischem Bereich ansetzte. Zentraler Bestandteil dieser Neudefiniton war eine Adiaphora-Lehre, nach der er eine Trennung zwischen Dingen vornahm, die zur Erlösung notwendig und nicht notwendig seien. Zur letzteren Kategorie zählte Starkey all jene Dinge, die von Gott für gut befunden worden waren: „As by an exaumple, suche thynges are good […] as be by goddis owne worde defyned“. Gleichermaßen seien naturgemäß alle Dinge, die von Gott für schlecht erachtet wurden, abzulehnen und zu verbieten.665 Obzwar dieser Punkt die Bibel zum vornehmlichen Gradmesser menschlicher Handlungen erklärte, schien Starkey die Probleme einer allzu freien und tendenziösen Bibelauslegung in einer breiten Masse erkannt zu haben. So empfahl er mit Blick auf die Gruppe der „vnlerned“, hinsichtlich der Erlösung nicht einer vermeintlich genauen Lektüre der Bibel zu vertrauen, sondern zuvorderst ein Leben in Demut und Bescheidenheit zu führen. In Verbindung mit dem Wissen um zentrale Glaubensinhalte, wie sie etwa im Bekenntnis von Nicäa niedergeschrieben worden seien, könne letztlich jeder Gläubige seine Erlösung sicherstellen. Ansonsten sei es für die Erlösung von zentraler Bedeutung, in allen anderen den religiösen Bereich betreffenden Fragen den Vorgaben der Obrigkeit loyal zu folgen.666 Die Problematik der loyalen Gefolgschaft wurde besonders akut, als Starkey zur Diskussion der „thynges indifferent“ überging, die durch göttliches Recht nicht geregelt worden seien. Diese müssten einer weltlichen Politik überantwortet werden und könnten lediglich jeweils für konkrete Räume und Zeiten definiert werden; sie seien

664 Articles devised by the kynges highnes maiestie, fol. Aiir; auch die Six Articles von 1539 trugen das Ziel religiöser Einheit bereits im offiziellen Titel, der lautete: An Acte abolishing div[er]sity in Opynions. Siehe STATUTES OF THE REALM III, 31° Hen. VIII, c. 14, S. 739-743. 665 STARKEY, Exhortation, fol. Biir-v, Zitat fol. Biir; die Heilige Schrift als Grundlage allen Wissens und aller Erziehung betont auch MORISON, Remedy, fol. Eiv. 666 Siehe STARKEY, Exhortation, fol. Biiir-v; cf. BURGESS, Political Thought, S. 51; Starkey reduzierte damit die Kenntis um wesentliche Glaubensinhalte auf wenige zentrale Dinge wie das Glaubensbekenntnis, die Zehn Gebote oder das Vater Unser. Dies entsprach den Injunctions von 1536, die vorgaben, dass diese drei Elemente in jeder Gemeinde in englischer Sprache gelehrt werden sollten. Siehe First Henrician Injunctions, S. 176; Morison propagierte Ähnliches, vgl. dazu SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 48.

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– anders gesagt – also grundsätzlich vor dem Hintergrund aktueller, nationaler Bedürfnisse veränderbar: „Thynges indifferent I calle all suche thynges, which by goddis worde are nother prohibited nor commanded, but lefte to worldly polycie, wherof they take their ful authoritie, by the whiche as tyme and place requireth, they are sometimes good, and somtymes yll: As to eate fleshe the fridaye, & after the customed maner to kepe the holy day, to go a pylgremage, and pray vnto saynctis, these and other lyke, I call thynges indifferent, and nothynge necessarie to mannes 667 saluation“.

Das Entscheidende im Hinblick auf den Gehorsam war nun, dass diese Kategorie von Dingen nicht aus sich selbst heraus Gehorsam einfordern konnte, sondern im Gegenteil müssten die einzelnen Punkte von den jeweiligen Autoritäten bestätigt werden. Erst nach der Bestätigung durch die jeweiligen politischen Instanzen würden die Untertanen solchen Phänomenen Gehorsam schulden. Dann freilich würden sie zu wesentlichen Bestandteilen der Erlösung, insofern ihre Befolgung aus der göttlichen Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem erwählten Herrscher hervorgehe.668 Damit relegierte Starkey die Entscheidung darüber, wann, in welchem Umfang und wie überkommene Elemente zur Pflege des christlichen Glaubens und der Verehrung Gottes als wichtig und notwendig eingeschätzt werden sollten, einzig an nationale politische Instanzen. Dadurch, dass er die zur Erlösung essenziellen Dinge auf den Inhalt des Bekenntnisses von Nicäa reduziert hatte, gerieten in der Folge somit alle weiteren, mit der Gestalt der Kirche und des Glaubens zusammenhängenden Punkte in die Kategorie der „thynges indifferent“ und unterlagen somit der Regelung durch den Herrscher.669 Dies war die Ausgangslage, um in der Folge mit der Herausforderung der Pilgrimage of Grace umzugehen. So beklagte Starkey grundsätzlich die fehlende Einsicht der Menschen, zwischen jenen Elementen, die aus sich selbst heraus gut und notwendig seien und anderen, die zu einer bestimmten Zeit womöglich als praktisch oder angemessen erschienen, aber keine überzeitliche Notwendigkeit beanspruchen könnten, zu differenzieren.670 Im Besonderen wehrte er sich gegen eine unkritische 667 STARKEY, Exhortation, fol. Biiv, ähnlich fol. Liiiv; MAYER, Thomas Starkey, S. 218, 221f; wie BURGESS, Politial Thought, S. 51 zuletzt herausstellte, unterschied sich diese Adiaphora-Lehre deutlich von lutherischen Auffassungen, welche in den Adiaphora einen Freiraum für Christen gesehen hätten. Vgl. dazu auch Thomas F. MAYER, Starkey and Melanchthon on Adiaphora: a critique of W. Gordon Zeeveld, in: SCJ 11 (1980), S. 3950; Bernard J. VERKAMP, The Indifferent Mean. Adiaphorism in the English Reformation to 1554, Athens (Ohio) 1977, S. 28f, 41, 143f, 157, 170f. 668 STARKEY, Exhortation, fol. Biiir: „[T]hey be nother good nor yll, nor to them we owe none obedience, yet whan they be set out with authoritie, by them which haue hole rule in any kind of policie, whether it be in the state of a prince or populare: than the people are to them bounde, ye by the vertue of goddis owne worde, who commaundeth expressely his disciples to be obedient to commune policie“; ähnliche Ausführungen bei MARSHALL, Defence of Peace, fol. 27v-28r sowie die Schlussfolgerungen 4 & 6, fol. 138r. 669 So auch die Schlussfolgerung bei BURGESS, Political Thought, S. 51. 670 Siehe STARKEY, Exhortation, fol. Aivr.

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Übernahme von Traditionen, nur weil es Traditionen seien.671 Vor allem aber fragte er nach der ursprünglichen Herkunft vieler Traditionen und konstatierte in der Folge, dass diese in den seltensten Fällen durch die politischen Entscheidungsträger eines Landes bestätigt, sondern im Gegenteil von einer äußeren Institution quasi aufoktroyiert worden seien.672 Damit führte Starkey die Diskussion zuletzt in den konkreten Zusammenhang der Pilgerfahrt, wobei er primär die Vormachtstellung des Papstes kritisierte, die dieser sich widerrechtlich und entgegen den Absichten der frühen Generalkonzilien und anderer Versammlungen innerhalb der Christenheit angeeignet habe. Aus dieser Anmaßung heraus sei ferner eine unrechtmäßige Ausdehnung („iniust extremite“) des päpstlichen Machtbereichs in weltliche Belange entstanden, was der eigentliche Grund für mannigfaltige Konflikte und Unruhen gewesen sei. 673 Im Hinblick auf die Pilgerfahrt der Gnade nutzte etwa Richard Morison das typische Commonwealth-Symbol der body politic, um die Schädlichkeit des päpstlichen Einflusses für das englische Gemeinwesen anzuzeigen. So beschrieb er den Papst als zweiten und fremden Kopf des Gemeinwesens, dessen einzige Funktion darin bestehe, den Körper auszulaugen: „Hym for heed, that hitherto hath done nothynge, but consumed the membres?“674 Die Schädlichkeit einer Gefolgschaft zum Papsttum und dessen Kirche manifestierte sich den Autoren zufolge vor allem in den falschen Lehren, die dessen Institution verbreiten würde. Hieraus resultiere eine große „Blindheit“ der Menschen, durch die sie vom wahren Weg zu Gott abkommen würden.675 So sah Starkey den Glauben an die Superiorität des Papstes und dessen notwendige Funktion 671 Dazu STARKEY, Exhortation, fol. Liiiv. 672 In dieser Hinsicht rekapitulierte Starkey genau jene Argumente, die bereits im Rahmen des Praemunire-Verfahrens fruchtbar gemacht worden sind. Auch in diesem Fall wurde der Vorwurf ventiliert, dass päpstliche Bestimmungen, die in England praktiziert worden wären, nicht durch englische Institutionen vorab anerkannt worden seien, wie es das englische Recht verlange. Siehe dazu BERNARD, The King’s Reformation, S. 45f sowie den Abschnitt 3.1 oben; siehe dazu auch MARSHALL, Defence of Peace, Conclusio 5, fol. 138r. 673 STARKEY, Exhortation, fols. Liiiv, Niir-Rir. In dieser historischen Sequenz orientiert sich Starkey stark an den Arbeiten Tyndales, Fishs u.a. zur Genese des Papsttums und zur Ausbreitung der Kirche. Vgl. TYNDALE, Practice of Prelates, 257-264, 270-274; FISH, Supplycacyon, fols. 3r-v, 5r-v; SWINNERTON, Mustre, passim. Siehe auch den Abschnitt 3.2.1 oben; ähnliche Kritik bei Hugh Latimer, der das Handeln des Papstes aber noch stärker mit einer Ausbreitung des antichristlichen Königreichs in Verbindung brachte. Siehe LATIMER, Sermon at the time of the insurrection in the North, S. 26-28; cf. MAYER, Thomas Starkey, S. 223f; vgl. auch die Darstellung bei CALVERLEY, dyalogue, fol. Bvr. 674 MORISON, Remedy, fol. Diiiv; zu Morisons Verwendung einer body politic SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 49; zur body politic als beliebtes Commonwealth-Symbol siehe auch BURGESS / KNIGHTS, Commonwealth, S. 674; HALE, Body Politic, S. 48-57. 675 Siehe STARKEY, Exhortation, fol. Divr: „For this blyndenes hathe so corrupte our iudgementes, that to the corruption therof, of necessitie, by the ordynaunce of god, muste folowe confusyon, and of all quyetnesse and of swete chrysten lyuynge playne destruction.“; MORISON, Remedy, fol. Diiiv; DERS., Lamentation, fol. Biiv; CALVERLEY, dyalogue, fol. Biiiv.

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zur Erlösung als eine „abergläubische Blindheit“ an, die sich aus dem Fortlauf der Zeit ergeben habe und eindeutig im Feld der Tradition angesiedelt sei.676 Entschlossen verneinte er in diesem Zusammenhang die existenzielle Bedeutung des Bischofs von Rom für eine christliche Erlösung: „Wherfore though it were soo, as it is not in dede, that this superioritie of the pope, were to vs by tradition descended & gyuen, yet it is not of this nature and necessitie, that without we can 677 not attayne to our saluation.“

An dieser Stelle schloß sich Thomas Starkey stark evangelischen Artikulationen an, indem er etwa die reklamierte Superiorität des Papsttums in krassen Gegensatz zur Lehre Christi setzte, der stets die weltlichen Autoritäten anerkannt und nichts anderes gelehrt habe.678 In diesem Sinne wurden hier wesentliche Argumentationsmuster der frühen 1530er Jahre aktualisiert, die das Papsttum und dessen Kirche in einem fundamentalen Gegensatz zu Gott und den Lehren Christi gesehen hatten. Die Autoren nutzten die Logiken der Mosaischen Unterscheidung jedoch nicht nur, um das Papsttum zu diffamieren, sondern übertrugen sie in der Folge auch auf die religiösen Kernforderungen der Pilger zur Restitution aufgelöster Abteien und Klöster, der Heiligenfeste, Pilgerfahrten, Seelenmessen und anderer religiöser Praktiken, die von den Aufständischen als notwendige Bestandteile ihrer Erlösung angesehen worden waren. Wichtig erschien in diesem Rahmen der Nachweis, dass die eingeführten Neuerungen zum Wohle der Allgemeinheit geschehen seien. Im Hinblick auf die Auflösung der kleineren Abteien und Klöster bediente man sich daher einer Argumentation aus weltlichen Vorwürfen und religiösen Verfehlungen, welche zusammengenommen die Schädlichkeit der Institutionen aufzeigen und dadurch deren Aufhebung rechtfertigen sollten. Ein wesentliches Argument bestand dabei im Vorwurf sexueller Vergehen der Mönche und Nonnen. Dieses Thema war nicht nur Gegenstand ausführlicher Visitationen in den Jahren 1535/36, sondern wurde in den Reaktionen auf die Pilgerfahrt von nahezu allen Autoren als Rechtfertigung angeführt.679 Heinrich 676 Vgl. STARKEY, Exhortation, fol. Eiir zum Begriff der abergläubischen Blindheit, der er im Hinblick auf die jüngsten Ereignisse auf dem Kontinent eine „arrogante Blindheit“ zur Seite stellt, mit der er die radikalen evangelischen Exzesse beschreibt. 677 STARKEY, Exhortation, fol. Nir. Siehe auch Ibid., fol. Mivv: „I wyll shewe vnto you, that this superioritie is not of the law of god, prescribed vnto vs for the necessitie of our saluation, but y[t] is a thyng indifferent, the disobedie[n]ce wherof, bringeth not to our sowles damnation.“ 678 Siehe STARKEY, Exhortation, fols. Niir & Nivr; PYLBAROUGH, A Commemoration, fols. Bivr-v, Cir; TUNSTALL, A Sermon, fols. Ciiv-Eiir, Eiiiv-Eivr; MATTHEW, Sermon, fol. Biiiv; dieser fundamentale Antagonismus wird sehr deutlich präsentiert bei LATIMER, Sermon at the time of the insurrection in the North, S. 26f; siehe auch die Schrift von FRITH, Antithesis, S. 98 und passim; A treatise, fols. Aiiv-Aiiir, Bivv-Bvr, Bviv-Bviir sowie die Darstellung in Kapitel 3 oben; cf. MAYER, Thomas Starkey, S. 222-225. 679 Siehe etwa das sog. Compendium Compertorum für die Diözesen York, Coventry und Lichfield in: Letters and Papers X, Nr. 364 (i), S. 137-143, ein ähnliches Dokument für Norwich, Nr. 364 (ii), S. 143 sowie das folgende, Nr. 364 (iii), S. 143f; seit der Arbeit von Gasquet gibt es jedoch Zweifel an der Stichhaltigkeit der vorgebrachten Vorwürfe.

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selbst schrieb in seiner Antwort an die Aufständischen von Lincolnshire: „[F]or there be no houses suppressed, where god was welle serued, but where moste vice mischiefe and abhomination of lyuynge was vsed.“ 680 Auch Wilfrid Holme hatte in seiner Schrift auf den Bruch des Keuschheitsgelübdes angespielt, wenn er als Grund für das abgeschiedene Leben der Mönchen und Nonnen anführte: „To cloke their deedes libidinous and incest fornication.“681 Mit dem Nachweis, dass die meisten oder eine überwältigende Anzahl von Mönchen und Nonnen ihr Gelübde gebrochen hätten, korrespondierte der Vorwurf, die aufgelösten Klöster und Abteien seien ihrer eigentlichen Aufgabe der Pflege und Erhaltung des Glaubens nicht mehr nachgekommen; im Gegenteil hätten sie immer mehr Personen zu einem Abfall von Gott bewegt.682 Im Besonderen wurde dies an der Förderung abergläubischer und scheinheiliger Auffassungen deutlich gemacht. So verurteilte man etwa die interzessorischen ‚Leistungen‘ der Einrichtungen in Form der Seelenmessen, kritisierte die Ausstellung und Anbetung von Reliquien und geißelte die Pilgerfahrten als erfundene Traditionen, die aus der Angst der Menschen Vorteil und Gewinn zögen. Das einstmals möglicherweise einer frommen Anbetung Gottes dienende monastische Leben habe somit im Lauf der Zeit durch immer neue erfundene Zusätze seine ursprüngliche Aufrichtigkeit einem äußerlichen Schein preisgegeben, der eher einer antichristlichen Lebensweise Vorschub leiste.683

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Zuletzt hat u.a. Bernard vermutet, dass aus vornehmlich propagandistischen Gründen das Ausmaß und die Schwere der sexuellen Verfehlungen übertrieben worden sind. Vgl. BERNARD, The King’s Reformation, S. 257-265; er folgt damit im Wesentlichen der Kritik von Francis A. GASQUET, Henry VIII and the English Monasteries, 2 Bde., 2. Aufl., London 1888/89, hier Bd. 1, London 1888, S. 325-378; siehe dazu auch CUNICH, Dissolutions, S. 223; Vorwürfe der Unzucht und Sodomie waren ein beliebtes Mittel, um die Geistlichkeit zu diffamieren und ihrer Aura zu entkleiden. Siehe etwa die Darstellung bei John BALE, A comedy concernynge thre lawes, of nature, Moses, & Christ, corrupted by the Sodomytes, Pharysees and Papystes, Wesel 1548[?] (STC2 1287/British Library), fol. Bvir-Bviiv. Answere to the petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre, fol. Aiiv. HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Eir; siehe auch MORISON, Lamentation, fol. Biiiv-Bivr sowie die Adaption des Themas bei LATIMER, Sermon at the time of the insurrection in the North, S. 28; SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 46; man folgte damit der Argumentation, wie sie bereits im Gesetz zur Auflösung der Häuser vorgezeichnet worden war. Siehe An Acte wherby all Relygeous Houses of Monks Chanons and Nonnes […] above the clere yerly Value of ii C li. are geven to the Kings Highnes his heires and Successours for ever, in: STATUTES OF THE REALM III, 27° Hen. VIII, c. 28, S. 575-578, hier S. 575. So bereits im An Acte wherby all Relygeous Houses […], S. 575 formuliert. Vgl. dazu die Darstellung des Verfalls bei HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Divv-Eiiv; STARKEY, Exhortation, fol. Eivv-Fir betont besonders das Spiel mit der Angst der Leute; General injunctions to be given on the king’s highnes’s behalf in all monasteries, and other houses, of whatsoever order or religion they be [1535], in: WILKINS, Concilia, Bd. 3, S. 789-791, hier S. 791 zur Äußerlichkeit; MORISON, Remedy, fol. Eiiir-Eivr; DERS., Exhortation, fol. Biiir; cf. BERNARD, The King’s Reformation, S. 252-256; MARSHALL, Forgery and Miracles, S. 50-62 mit weiteren Quellen- und Literaturbelegen.

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Während die religiösen Häuser in dieser Hinsicht als Horte der Sünde, der Hypokrisie und Apostasie erschienen, ventilierten die Autoren zusätzlich zu diesem gemeinwohlschädlichen Wesen auch ökonomische Gründe für deren Auflösung. 684 In dieser Perspektive erschienen die betroffenen Einrichtungen als wirtschaftliche Belastung des Gemeinwesens, da es inzwischen sehr viele kleine Häuser mit häufig weniger als zwölf Personen gebe, die nichtsdestotrotz aufgrund ihres verweltlichten und verschwenderischen Lebensstils die ihnen zur Verfügung gestellten Güter über alle Maßen aufzehren und verschwenden würden.685 Richard Morison verknüpfte damit ferner ein Sicherheitsargument, indem er argumentierte, die Krone benötige die frei werdenden Mittel zur Sicherung der Grenzen gegen auswärtige Feinde sowie um durch die Kildare-Rebellion in Irland entstandene Belastungen abzufangen.686 Entscheidend für die Reaktion auf die Pilgrimage of Grace und den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Problematiken waren somit zum einen der Nachweis, dass die tatsächlich reformierten Sachverhalte insgesamt eine große Belastung und Gefährdung des Gemeinwesens dargestellt hätten, deren Abänderung bzw. Abschaffung ganz im Sinne des Gemeinwohls gewesen sei. Zum anderen machten die Autoren klar, dass es sich bei den behandelten Phänomenen eindeutig um thynges indiffe684 Die Forschung ging und geht immer noch mehrheitlich von überwiegend ökonomischen Gründen für die Auflösung der Klöster und Abteien aus. Vgl. inter alia GASQUET, English Monasteries, Bd. 1, S. 245-247, 250-252; William G. HOSKINS, The Age of Plunder. King Henry’s England 1500-1547, London/New York 1976, Kap. 6, S. 121-148; HOYLE, The Origins of the Dissolution, S. 290-299; YOUINGS, Dissolution of the monasteries, S. 117-131; zusammenfassend auch CUNICH, Dissolution, S. 223: „It is therefore now widely accepted that the dissolution in England was ultimately more concerned with the expropriation of monastic lands and wealth than with wider reformist or political motivations.“ 685 Siehe An Acte wherby all Relygeous Houses […], S. 575; Answere to the petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre, fol. Aiiv; siehe auch die Kritik in Jack vp Lande, fols. Aiv, Aivr, Aviir & Aviiiv; Starkey beklagte zudem, dass sich immer mehr Menschen zu einem monastischen Dasein hingezogen fühlten, weil die Kirche sie durch ihre Propaganda der Angst dazu treibe. Dies entleere allerdings die Städte und beraube das Gemeinwesen wichtiger Arbeitskraft, wobei gleichzeitig viele ungeeignete Personen ihren Weg in die religiösen Einrichtungen fänden. Vgl. STARKEY, Exhortation, fol. Eivv-Fir. 686 Vgl. MORISON, Lamentation, fol. Cir-v; ausführlicher in MORISON, Exhortation, fol. DiiirDivr; SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 45. Die Kildare-Rebellion hatte erste Möglichkeiten eines breiten Bündnisses zwischen unzufriedenen irischen und walisischen Akteuren mit Schottland und dem Kaiser aufscheinen lassen. Siehe Felicity HEAL, Reformation in Britain and Ireland, Oxford/New York 2003, S. 130f & 148 zur Bedeutung der Kildare-Rebellion für diese Zusammenhänge; MARSHALL, „The Greatest Man in Wales“; HOYLE, The Origins of the Dissolution, S. 291; ferner Steven G. ELLIS, The Kildare Rebellion and the Early Henrician Reformation, in: HJ 19 (1976), S. 807-830; die Argumentation entsprach zudem ganz dem Gesetz, über das die Einführung neuer Steuern beschlossen worden war. Siehe STATUTES OF THE REALM III, 26° Hen. VIII, c. 19, S. 516-524, hier bes. S. 516; cf. MARSHALL, Defence of Peace, conclusio 20, fol. 139r; eine ‚Invasionsgefahr‘, die durch die Machenschaften des Papstes heraufbeschworen worden sei, betonte auch TUNSTALL, A Sermon, fol. Dviiiv.

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rent gehandelt habe, deren Reform von der Obrigkeit auf jeden Fall hätte durchgeführt werden dürfen. So zählte Thomas Starkey zu den Dingen, die der Ordnungsgewalt des Herrschers unterlägen, unter anderem die Zelebrierung von Heiligentagen und Seelenmessen, die Festlegung der Sakramente und Pilgerfahrten im Speziellen sowie Riten, Gebräuche, Traditionen und Kirchenrecht im Allgemeinen. All diese Dinge seien letztlich äußerlich und zur Erlösung nicht notwendig, auch wenn der Autor konzedierte, dass zu bestimmten Zeiten einige davon zur Förderung und Pflege des Glaubens durchaus nützlich gewesen wären und unter bestimmten Umständen noch sein könnten.687 Indem Starkey aber all diese Dinge zunächst als unwesentlich zur Erlösung kategorisierte, ordnete er sie der von Gott instituierten Verfügungsgewalt des weltlichen Herrschers unter. Erst im Zuge der von Heinrich VIII. durchgeführten Reformen veränderte sich schließlich die Qualität dieser Dinge, da sie nunmehr zu der vom König ausgehenden Ordnung gerechnet werden müssten und ihre Befolgung somit zur Voraussetzung der Erlösung avancierte. Starkey schrieb dazu explizit: „For to the obedience of princis and of all other common orders and politike we are bounde, after they be ones receyued, by goddis owne worde and commaundement. And suche thinges as by their own nature be indifferent, are made therby to our saluation necessary, so that this remayneth a sure truth, that to al suche thinges as be decreed by princely authoritie, to goddis worde nothynge contrarye, we are by goddis worde bound, after they be receyued and sta688 blyshed.“

Mit dieser Feststellung wurde schließlich der entscheidende Schritt zur Neudefinition des englischen Gemeinwesens getan. Die großzügige Auslegung der thynges indifferent bildete die Voraussetzung zu einer Neuordnung des Verhältnisses von Temporalia und Spiritualia. Da es sich dabei explizit nicht um Dinge gehandelt habe, die zur Erlösung notwendig gewesen seien, überantwortete Starkey deren Regelung den weltlichen Obrigkeiten. Diese hinwiederum sahen er und andere als von Gott ernannte und geförderte Sachwalter an, weshalb ihnen unbedingte und uneingeschränkte Treue entgegengebracht werden müsse. Für die Bedrohung durch die Pilgrimage of Grace ergaben sich hieraus zwei wichtige Feststellungen: Zum einen beraubten Starkey und die anderen Autoren durch diese Argumentation die Pilgrimage ihrer ontologischen Dimension. Da die vorgebrachten Klagen und Forderungen der Pilger zur Frage der Sicherung der eigenen Erlösung auf den Status von Adiaphora reduziert wurden, nahm man damit der Pilgerfahrt ihre grundsätzliche Ausrichtung als Kampf um die christliche Wahrheitsfrage. Als Konsequenz daraus konnte der Aufstand als eine unrechtmäßige Erhebung unbotmäßiger Untertanen (seditio) präsentiert und entsprechend behandelt werden.689

687 Vgl. STARKEY, Exhortation, fols. Fiir & Uir. Zur didaktischen Funktion solcher Traditionen siehe Ibid., fol. Givr-v; cf. MARSHALL, Defence of Peace, conclusiones 16, 17, 21, 26, fol. 138v-139v; MAYER, Thomas Starkey, S. 221. 688 STARKEY, Exhortation, fol. Bivv-Cir. 689 So etwa die durchgängige Perspektive in den Antworten des Königs auf die Forderungen der Pilger. Siehe Answere to the petitions of the rebelles in Yorkeshire; Answere to the

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Vor dem Hintergrund einer Reformulierung des Commonwealth-Konzepts ergab sich zum anderen freilich auch eine neue Wahrnehmung von Aufständen und Rebellionen, was deren Bedrohungspotenial für das Gemeinwesen anging. Aufstände wie die Pilgrimage, die gegen die grundlegende Pflicht eines jeden Christen zum Gehorsam verstießen und infolgedessen Zwietracht und Unordnung über ein Gemeinwesen brachten, bedrohten demnach in fundamentaler Weise die göttliche Fürsorge für dieses Kollektiv. Durch ihre Gegnerschaft zum erwählten Monarchen und der durch ihn legitimierten Ordnung hätten sie sich gegen Gott selbst versündigt, wodurch nicht nur ihre eigene, sondern die Erlösung aller in England lebenden Christen gefährdet worden war.690 Auf diese Art und Weise entwickelte sich aus der Diskussion um die Probleme, welche im Zuge der Pilgrimage of Grace aufgeworfen worden waren, eine sukzessive Neudefinition des englischen Commonwealth. Der Begriff bezeichnete nun eine neue Ordnung, die maßgeblich durch die Idee der göttlichen Erwählung des Herrschers vereinnahmt worden war. Die ehemals partizipatorischen Aspekte einer Gemeinwohlrhetorik wurden in dieser Sichtweise durch den Gehorsam zum Herrscher als wesentlichem Merkmal des christlichen Lebensvollzugs ersetzt. 691 Ein guter Engländer konnte in diesem Sinne nur ein guter Christ sein, wenn er absolut loyal zur Krone stand. Erst dieses Ineinanderfließen der beiden Identitäten stellte demnach das Gemeinwesen auf Dauer und garantierte die Einheit des Landes, was als Voraussetzung zur Erlangung der göttlichen Gnade und des Seelenheils angesehen werden musste. Die Vereinnahmung des Commonwealth-Konzepts durch die Vorstellung einer Erwählung des Königs veränderte somit die Grundlagen der bisherigen Ordnungskonzeption, indem nun das bestehende Verhältnis zwischen dem König und seinen Untertanen in eine quasi sakramentale Form überführt worden war. Hierdurch wurde das englische Gemeinwesen schließlich als Heilsgemeinschaft neu entworfen. Für diese Heilsgemeinschaft waren die innovativen Handlungen des Königs von zentraler Bedeutung, weil er dadurch versucht habe, den wahren Glauben an Gott wiederherzustellen und sein Volk einem christlichen Lebensvollzug wieder näherzubringen.692 Diese Heilsgemeinschaft fand ihren besonderen Ausdruck nachgerade im Vorbild der Israeliten, das nun vermehrt auf das englische Volk mit seinem erwählten Führer appliziert wurde. Besonders deutlich erscheint dies in der Schrift von John Pylbarough, der dazu etwa formulierte:

petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre; genau in dieser Perspektive behandelt Richard Morison auch die Erhebung in Lincolnshire in seiner Lamentation. 690 Sehr deutlich MORISON, Remedy, fol. Ciir; PYLBAROUGH, A Commemoration, fol. Cir. 691 Siehe MORISON, Lamentation, fol. Aiiir; auch MATTHEW, Sermon, fol. Aiiiv und die Ausführungen im Abschnitt 4.3.2. 692 Zur Rolle der königlichen Reformen sowie der von ihm beförderten, richtigen christlichen Unterweisung etwa MORISON, Remedy, fol. Eiv-Eiir; DERS., Lamentation, fol. Biiv; DERS., Exhortation, fols. Aviir-v, Bviiv-Bviiir, Diiv-Diiir; A panegyric of Henry VIII, fol. Diir-Diiiv; PYLBAROUGH, A Commemoration, fols. Aiir-Aiiir, Ciir, Divr-v; STARKEY, Exhortation, fols. Fiiv, Miiir und das Vorwort fol. Aivr; HOLME, The Fall and Euill Successe, fols. Dir, Fivv; CALVERLEY, dyalogue, fol. Civ-Ciir; SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 48, 52f.

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„And we newely adoptiue Israelites from the sayde thraldome of the sayd byshop, through the same worde also, no lesse wonderfully delyuered into great welthe and ioye by our most godly captayn the kynges highnes, then were our forefather Israelites from the captiuitie of the tyran693 nous Pharao into the plesaunt land of promission by theyr holy prophete and leader Moyses.“

Auch Richard Morison bediente sich zunehmend alttestamentlicher Vorbilder, wenn er beispielsweise die Sache Englands mit der Sache Gottes gleichsetzte: „[W]e nede not doubte, but he woll be with vs, for whose cause we be compelled to fyghte. They can not be to[o] fewe, that haue god on their side.“694 Aber auch hier blieb die Erwählung des Monarchen der ausschlaggebende Faktor, wie es etwa im folgenden Zitat deutlich wird: „Certes, who soo is leadynge his subiectes to the knowlege of goddis worde, to the workynge of his wyll, may wel assure hym selfe, that god woll assyste him.“695 Ebenso betonte William Calverley die erwählte Stellung Heinrichs („by god chosyn“), den er unter anderem als Salomon anredete und ihn gleichermaßen als einen Kämpfer für die christliche Wahrheit feierte.696 Die Aufwertung der Krone und die Zentrierung der Ordnung auf die erwählte Stellung des Königs stellten aber nur ein Resultat der Auseinandersetzung mit der Pilgerfahrt dar. Mindestens ebenso wichtig erschien in diesem Zusammenhang die Markierung eines nationalen Definitionsrahmens, die mit der Neuformulierung des englischen Commonwealth-Konzepts verbunden war. Die Verknüpfung von Erwählungsidee und Gemeinwohlrhetorik hatte in dieser Hinsicht zugleich den Effekt, dass sämtlichen außerhalb Englands existierenden Instanzen, die ihre Befugnisse nicht von der Krone erhalten hatten, die Autorität für bindende Entscheidungen abgesprochen wurde. Neben der Kurie betraf dies nun auch das zeitgenössisch virulente Thema des Generalkonzils, dessen Funktion als nicht notwendig zur Erlösung eingestuft und damit zu den thynges indifferent gezählt wurde: „For as moch as such thi[n]ges as be propouned by general cou[n]sell & asse[m]ble, be of none authoritie among the people in any cou[n]trey, tyl they be confirmed by princely power and 697 common cou[n]sell.“ 693 PYLBAROUGH, A Commemoration, fol. Civv; ähnlich fols. Aivr, Biv-Biir, Biiv-Biiir, CiiirCivr, Dir, Diiiv, Eir-v. 694 MORISON, Exhortation, fol. Bvr. Siehe auch die Darstellung auf den folgenden Seiten, fol. Bvr-Civ, wo Morison zahlreiche alttestamentliche Exempel anführt und auf die englischen Verhältnisse appliziert. 695 MORISON, Exhortation, fol. Cir. 696 Siehe CALVERLEY, dyalogue, fol. Bvv-Civ zur Beschreibung Heinrichs, Anrede als Salomon fol. Aiir. 697 Vgl. STARKEY, Exhortation, fol. Civ, siehe auch fol. Cir; MAYER, Thomas Starkey, S. 225f; Ablehnung von Generalkonzilien auch bei HOLME, The Fall and Euill Successe, fol. Gir; siehe ferner die Schrift A treatise concernynge generall councilles, the byshoppes of Rome, and the clergy, London 1538 (STC2 24237/Durham University Library); cf. P. A. SAWADA, Two Anonymous Treatises on the General Council, in: JEH 12 (1961), S. 197-214; BURGESS, Political Thought, S. 40f; BAUMER, Kingship, S. 49-56; zur Virulenz des Themas in der zeitgenössischen Publizistik siehe etwa BROCKMANN, Konzilfsfrage, hier bes. Kap. 4; die Ablehnung eines vom Papst einberufenen Generalkonzils war auch

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Die Ablehnung der bindenden Autorität von Generalkonzilien für die Struktur und Gestalt der nationalen Kirchen war der letzte Schritt, um die vollständige Autonomie der englischen gegenüber einer Universalkirche zu erreichen.698 Damit wurde gleichsam der Definitionsrahmen für Fragen, die die Sphäre des Religiösen betrafen, auf der nationalen Ebene verankert und im Hinblick auf die propagierte Form des Gemeinwesens an die Krone als letztlich entscheidendem Faktor gebunden. Da die Pilgerfahrt der Gnade das destabilisierende Potential alternativer Sinnstiftungsangebote offenbart hatte, waren die Autoren darum bemüht, die unterschiedlichen Quellen für derartige Sinnstiftungsversuche zu beseitigen. Am Ende sollte der von Gott erwählte Herrscher die einzig legitime Instanz sein, über die die Integration Englands zu einem christlichen Gemeinwesen vonstatten gehen müsse. Die Erwählung des Königs stellte eine Art Prisma dar, durch welches das Gemeinwesen erst seine konkrete Form und Identität als christliches und von Gott gesegnetes Kollektiv erhielt. Für die Untertanen war es in dieser Konstruktion von zentraler Bedeutung, ihrem Herrscher loyal zu folgen. Es war jedoch nicht einfach blinder Gehorsam, der hier von den Untertanen Heinrichs VIII. eingefordert wurde, sondern die Anerkennung des göttlichen Willens, der den englischen König zum obersten Vollstrecker auserkoren hatte. Diese Anerkennung sicherte den Gläubigen ihr persönliches Seelenheil und garantierte gleichsam ein funktionierendes Gemeinwesen, weil sich alle auf die erwählte Stellung des Regenten einigen konnten und diese akzeptierten. Alle Autoren hatten damit auf die Herausforderung der Pilgrimage of Grace in je spezifischer Weise reagiert. Auffällig ist dabei eine Neudefinition des Commonwealth-Begriffes, der von den Pilgern während ihres Aufstandes zu instrumentalisieren versucht worden ist. In der Reaktion auf diese Bemühungen, die Vorstellung für partizipatorische Absichten fruchtbar zu machen, kamen die genannten Verfasser letztlich zu einer Überführung des klassischen Ideals in eine genuin englischGegenstand der Verhandlungen zwischen dem engl. König und dem Schmalkaldischen Bund. Siehe dazu Rory MCENTEGART, Henry VIII, the League of Schmalkalden and the English Reformation, unver. Neuausgabe Woodbridge 2011, S. 33-71; MACCULLOCH, Cranmer, S. 193f. 698 Vgl. dazu die Argumentation der unter dem Namen Heinrichs VIII. in Latein und Englisch publizierten Schriften Illustrissimi ac potentissimi Regis, Senatus, populiq[ue] Angliae, sententia, & de eo concilio, quod Paulus episcopus Rom. Mantuae futurum simulauit & de ea bulla, quae ad calendas Nouembres id prorogarit, London 1537 (STC2 13082/British Library); Henrici octaui regis Angliae et Franciae […] ad Carolum Caesarem Augustum, caeterosq[ue] orbis Christiani monarchas, populumq[ue] Christianum, epistola […], London 1538 (STC2 13080.5/Henry E. Huntington Library); A protestation made for the most mighty and moste redoubted kynge of Englande […] that neyther his hyghenes, nor his prelates, neyther any other prynce, or prelate, is bounde to come or sende, to the pretended councell […], London 1537 (STC2 1537/Bodleian Library); An epistle of the most myghty and redouted Prynce Henry the .viii. […] wrytten to the Emperours Maiestie, to all Christen princes, and to all those that trewly and syncerely professe Christes religion […], London 1538 (STC2 13081/Folger Shakespeare Library); siehe dazu SOWERBY, Renaissance and Reform, S. 64-74; BROCKMANN, Konzilsfrage, S. 276279; MACCULLOCH, Cranmer, S. 194.

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christliche Herrschaftsauffassung. Hiernach kam dem König als von Gott eingesetzter, oberster Regent des Gemeinwesens eine uneingeschränkte Gehorsamspflicht zu. Es war diese Gehorsamspflicht, durch die sich der in England lebende Christ in seiner Identität als Christ und Engländer bestätigte und seine Erlösung sicherte. Im Gehorsam zum König verschmolzen am Ende beide Identitäten zu einer einzigen. Dies war allerdings keine rein weltliche Identität, da der Status des Herrschers nicht areligiös begründet wurde, sondern dessen Position als erwählter Monarch wurde vielmehr als heilsnotwendig stilisiert und damit religiös fundiert. Gefolgschaft und Loyalität avancierten so zu einer religiösen Pflicht; und die Position des Königs als Vermittler des göttlichen Heils sowie als Exekutor des Allmächtigen geriet zum Kern einer Neudefiniton englischer Vergemeinschaftung. 5.5 Zusammenfassung Mit der Erklärung der königlichen Suprematie im Jahr 1534 war der Prozess der Instituierung eines neuen Wahrnehmungshorizonts für das englische Gemeinwesen, wie unter anderem die Pilgrimage of Grace gezeigt hat, keineswegs abgeschlossen. Vielmehr offenbarte der Konflikt die Tatsache, dass aus Legalität nicht zwingend Legitimität entspringen musste. Im Gegenteil nutzten die Akteure im Rahmen der Pilgerfahrt alternative, von der Krone zunächst unabhängige Quellen der Sinnstiftung, um dem von der Obrigkeit vorgegebenen Lebensvollzug ein konkurrierendes Angebot gegenüberzustellen. Im Kern handelte es sich dabei um die Frage, ob der von der Krone eingeschlagene Weg einer Abkehr von der traditionellen Institution der Papstkirche letztlich das Heil ihrer Untertanen gefährde, oder ob dieses auch außerhalb respektive ohne das Zutun der Institution erlangt werden könne. Im Zuge der Pilgrimage of Grace fiel die Antwort negativ aus, weshalb die henrizianischen Reformen insgesamt als schlechte Innovationen charakterisiert und mit einer besseren Ordnung kontrastiert wurden, die auf überkommenen Mustern und Vorstellungen basierte. Die Initiierung einer umfassenden Reformkampagne, in deren Zuge gegen vorgetäuschte Wunder, falsche und nutzlose Reliquien, Pilgerfahrten und den damit häufig assoziierten Einrichtungen wie Klöster und Abteien vorgegangen wurde, hatte die neuen Glaubensvorstellungen des Zentrums zum ersten Mal in den Gemeinden sichtund direkt erfahrbar werden lassen. Diese Präsenz beeinflusste nun den alltäglichen Lebensvollzug einer breiten Masse nachhaltig und wurde vielfach als äußerst schädlich wahrgenommen. Hierin muss ein wesentliches Stimulans für die Entstehung der Pilgrimage of Grace gesehen werden, die an sich eine äußerst komplexe und heterogene Bewegung darstellte, im Kampf für den ‚alten Glauben‘, die Papstkirche und die ‚alte Ordnung‘ allerdings letztlich ein zumindest nach außen vereinendes Motiv fand. Die Pilger bedienten sich dabei einer Gemeinwohlrhetorik, durch die ihr Kampf als ein legitimer und autorisierter Einsatz für die bedrohten Belange des Gemeinwesens präsentiert werden sollte. Hieraus ergab sich zuletzt die eigentliche Herausforderung der Pilgrimage, die in der Verbindung der Gemeinwohlrhetorik mit den Vorstellungen und Praktiken der alten Kirche bestand. Eine Abkehr von den tradierten Glaubensauffassungen und -praktiken bedeutete dergestalt für die Aufständischen eine essenzielle Bedrohung der allgemeinen Wohlfahrt des Volks, da die aufgelösten Institutionen und abgeschafften bzw. verbotenen Vorstellungen als ein wesentlicher

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Eckpfeiler des christlichen Glaubens und alltäglichen Lebensvollzugs wahrgenommen worden waren, die in dieser Hinsicht die Erlangung des christlichen Heils sichergestellt hatten. Die Pilgerfahrt der Gnade hatte durch ihre Verknüpfung des CommonwealthKonzepts mit der Problematik der religiösen Wahrheitsfrage das grundlegende Potenzial der Bewegung verdeutlicht, eine tiefe Spaltung innerhalb des Gemeinwesens auf der Grundlage konkurrierender religiöser Sinnstifungsangebote zu produzieren. In ihren Reaktionen auf diese Herausforderung bemühten sich die verschiedenen Autoren daher, die Validität alternativer, von der englischen Krone unabhängiger religiöser Sinnstiftungsangebote zu entwerten. Dies gelang ihnen durch eine Neudefinition des Commonwealth-Konzepts, die das Verhältnis zwischen den Bereichen der Spiritualia und Temporalia neu bestimmte. Ein wesentlicher Schritt in diesem Zusammenhang war die Degradierung all jener Dinge, die die Pilger für unhintergehbare Essenzen des wahren Glaubens gehalten und dementsprechend verteidigt hatten. Thomas Starkey erklärte in diesem Rahmen Pilgerfahrten, Reliquien, Seelmessen, Heiligenfeste und die damit verbundenen Institutionen zu Adiaphora, die für die Erlösung eines Christen nicht notwendig seien. All diese Dinge, zu denen er auch Generalkonzilien sowie die Superiorität des Papstes zählte, seien durch die Heilige Schrift nicht definiert und könnten daher durch die von Gott eingesetzte Obrigkeit reformiert, abgeschafft oder abgelehnt werden. Ein zweiter wichtiger Schritt war die Reformulierung des CommonwealthKonzepts auf der Folie der königlichen Erwählung. Ausgehend von dieser Setzung konstruierte man die Version eines Commonwealths, in dem die vornehmliche Pflicht des Untertans darin bestand, dem von Gott ernannten Herrscher sowie dessen Ordnung Gehorsam entgegenzubringen. Dieser Gehorsam wurde in der Folge religiös begründet und zum zentralen Bestandteil des christlichen Lebens sowie der christlichen Erlösung erklärt. Ein Widerstand gegen den König, aus dem heraus eine Spaltung des Landes drohen konnte, bedeutete in dieser Sichtweise zugleich ein Vergehen an Gott, wodurch nicht nur jeder Aufständische seine eigene Erlösung, sondern auch das Heil des Landes riskiert hätte. Die Herausforderung der Pilgrimage of Grace hatte vor diesem Hintergrund betrachtet zu einer deutlichen Entwicklung der Erwählungsidee im englischen Kontext beigetragen. Sie war nicht mehr nur Garant der neuen Ordnung, sondern bekam nun eine essenzielle Bedeutung im Hinblick auf die Erlösung der Untertanen des Königs zugewiesen. Die bislang bestehenden pluralen Abhängigkeitsverhältnisse der Untertanen zu weltlichen und geistlichen Instanzen wurden derart auf eine einzige, alles umfassende Beziehung zwischen dem König und seinem Volk reduziert, die nun freilich sakral überhöht wurde. Die Beziehung zwischen dem von Gott erwählten König und seinen Untertanen nahm derart in ihrer Funktion eine sakramentale Form an. Hierdurch war schließlich eine genauere Definition der Bedeutung jener königlichen Erwählung für das Gemeinwesen vollzogen worden. Gleichsam kam es im Zuge der Reformulierung des Commonwealth-Konzepts zur Verstetigung eines nationalen Definitionsrahmens für die Identität des Gemeinwesens. Durch die Zurückweisung der Entscheidungsbefugnis eines Generalkonzils bei gleichzeitiger Propagierung der nationalen Kirche mit dem König als Vorsteher wurde die letzte universalkirchliche Institution ihrer Bedeutung beraubt. Das nun vollkommen autonome England erschien schließlich als eine eigenständige Heilsge-

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meinschaft, die sich primär über die Krone und der von ihr gesetzten Ordnung definierte. Die Reformen und Leistungen der Monarchie waren es letztlich, durch die das englische Volk in den Genuss der Segnungen Gottes kommen und fortan als besonders begünstigtes Gemeinwesen präsentiert werden sollte.

6. Z WISCHENFAZIT : ÄGYPTISCHE K NECHTSCHAFT B EGINN DES E XODUS

UND DER

Jede Adaption und Aktualisierung des Exodus-Narrativs beginnt mit einer fundamentalen Unterscheidung, durch die die eigene Religion und letztlich die eigene Identität von einer anderen abgegrenzt werden. Diese Abgrenzung ist die Voraussetzung, um in der Folge grundlegende Veränderungen und Reformen an gegebenen Zuständen einzufordern und gleichzeitig den dafür notwendigen Impetus zu erzeugen. Mit anderen Worten muss erst eine ägyptische Knechtschaftssituation bestehen, damit nachgerade entscheidende Neuerungen postuliert und eingeführt werden können. Die im vorangegangenen Abschnitt behandelte Phase zeichnet sich primär durch die Etablierung einer solchen Unterscheidung im England des 16. Jahrhunderts aus, die im Anschluss an Jan Assmann als Mosaische Unterscheidung bezeichnet worden ist. Ihre wesentliche Funktion besteht in der Verfremdung einer spezifischen Religion, oder genauer: einer spezifischen Form der Religionsauffassung, die in der Folge als unwahr gegenüber einer einzig richtigen und wahren verworfen wird. An die Leitdifferenz von wahr und unwahr können sich hernach weitere asymmetrische Gegensatzpaare angliedern, durch die die grundlegende Differenz zwischen den konstituierten Polen vertieft und zu einem unüberbrückbaren Abgrund ausgebaut werden kann. Während somit auf der einen Seite etwa Reinheit, Wissen, Licht, Alter oder Tugendhaftigkeit als Ausweis einer wahrhaftigen Gottesverehrung firmieren, zeichnet sich das Gegenüber durch Begriffe wie Dunkel- und Blindheit, moralische Verwerflichkeit, Lüge, erfundene Traditionen und Idolatrie aus. Die Quintessenz dieser Differenz im behandelten Zeitraum besteht also primär darin, eine bestimmte Form der Religionsausübung und -auslegung als einzige Möglichkeit zur Erlösung anzupreisen, währenddessen die verworfene Auffassung eine Abkehr von Gott markiert und die Gefahr der Verdammnis heraufbeschwört. Die Mosaische Unterscheidung bezeichnet dabei eine hochgradig symbolische Konstellation, die ebenso weltliche wie geistliche Verfehlungen, Kritiken und Klagen aufnehmen, diese aber sehr gezielt gegen eine bestimmte, abzulehnende und zu verwerfende Glaubensauffassung und der mit ihr assoziierten Institutionen und Praktiken richten kann. Ihre Entstehung im England der frühen 1530er Jahre verdankt sich einer Interessenkonvergenz zwischen der Krone, partikularen Bestrebungen einflussreicher Gruppen wie den englischen common lawyer oder den Londoner Kaufleuten auf der einen und evangelischen Reformbestrebungen auf der anderen Seite, die in der Ablehnung des Papsttums als spirituellem Eckpfeiler der Christenheit sowie in der Kritik vieler klerikaler Vorrechte und Privilegien einen gemeinsamen Nenner

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fanden.699 Dergestalt vermischten sich im negativen Pol der Mosaischen Unterscheidung unterschiedliche Elemente einer Kritik an der Kurie und ihrer Institutionen und Praktiken. Traditionell antiklerikale Vorwürfe von Habgier und Dekadenz, sexuellen Verfehlungen, moralischem Verfall, mangelhafter Bildung und Eignung sowie einer dem geistlichen Stand nicht angemessenen Lebensführung verbanden sich derart mit essenzielleren Kritiken, die grundlegende Zweifel an vielen religiösen Vorstellungen der alten Kirche artikulierten. Der Glaube an das Fegefeuer, an Seelmessen und an die Wirkung von Heiligen wurden in diesem Zusammenhang ebenso abgelehnt und kritisiert wie die besondere Fähigkeit des Geistlichen, eine Transsubstantiation herbeizuführen oder den Seelen im Fegefeuer Erlösung zu verschaffen. Hier zeigt sich der große Vorteil der Mosaischen Unterscheidung als grundlegend symbolischer Konstellation. Die einzelnen Themen müssen an sich über keine Gemeinsamkeiten verfügen. Indem sie aber alle als Symptome und Effekte eines abzulehnenden Komplexes präsentiert werden, wird ein Zusammenhang der unterschiedlichen Thematiken konstruiert. Diese erscheinen nun alle gleichermaßen als Belege für das prinzipiell schädliche und bedrohende Potential der alten Kirche.700 Als Resultat der Einführung der Mosaischen Unterscheidung kam es zu wegweisenden und fundamentalen Umbrüchen im englischen Gemeinwesen, die die englische Geschichte und Identität fortan prägen sollten. Vor allem jedoch entwickelte sich aus den Logiken der Mosaischen Unterscheidung die Vorstellung einer göttlichen Erwählung des Monarchen. Diese Idee muss in zweifacher Hinsicht gewürdigt werden: Zum einen war ihre Funktionalisierung dazu gedacht, um die durch die Mosaische Unterscheidung verursachten Probleme, Unklarheiten und Unsicherheiten im Verhältnis zwischen den Bereichen der Spiritualia und Temporalia abzufangen und an eine bekannte und akzeptierte Instanz rückzubinden. In diesem Sinne stellte die Vorstellung der göttlichen Erwählung ein Präzedens für Entwicklungen ohne konkrete Vorbilder dar, über die jene innovativen Neuerungen der henrizianischen Ära legitimiert und mit Akzeptanz versehen werden sollten. Zum anderen darf diese Argumentation nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei der Ausdeklination der königlichen Erwählung selbst um eine Neuerung der Zeit handelte, die substantialisiert und gerechtfertigt werden musste. In diesem Zusammenhang kann einerseits ein Zusammenspiel von rechtlicher Fixierung der neuen Vollmachten des Königs mit einer Propagandakampagne beobachtet werden, in dem sich die beiden Ebenen gegenseitig stützten und ergänzten, um eine umfassende Rechtfertigung und Akzeptanz zu ermöglichen. Andererseits muss zugleich die propagandistische Aufbereitung des Themas der königlichen Erwählung gesondert betrachtet werden. Hier gelang es den Akteuren, die Idee der Erwählung als einen diskursiven Knotenpunkt verschiedener Diskurse zu etablieren. So zeichnen sich die argumentativen Rechtfertigungen der königlichen Stellung und der daraus abgeleiteten Befugnisse nicht nur durch Rekurse auf die Bibel aus. Im Gegenteil werden für deren Plausibilisierung Versatzstücke aus 699 Dies entspricht der These von Christopher Haigh, der von mehreren „Reformationen“ ausgeht, die an spezifischen Punkten und – wie zu ergänzen wäre – in spezifischen Ideen der englischen Geschichte konvergieren konnten. Siehe seine Ausführungen in DERS., English Reformations, S. 12-21. 700 Peter Lake hat für diesen Komplex an Vorurteilen für das späte 16. und 17. Jahrhundert den Begriff des „anti-popery“ geprägt. Siehe LAKE, Anti-popery, S. 72-106.

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der englischen Geschichte und konstitutionellen Entwicklung des Landes mit verschiedenen Diskussionssträngen verbunden, zu denen unter anderem der mittelalterliche Konziliarismus, eine erasmianisch geprägte, humanistische Kirchenkritik sowie ein evangelischer Reformdiskurs zählten. Insgesamt sollte hierdurch die Neuartigkeit der reklamierten Vollmachten des Königs durch die Einbindung in mehrere virulente Diskussionszusammenhänge reduziert und Akzeptanz aufgebaut werden. Die ideelle und konstitutionelle Verfestigung der Idee göttlicher Erwählung in ihrer negativen wie positiven Ausprägung muss als das eigentlich revolutionäre Moment an der politischen Reformation Heinrichs VIII. betrachtet werden. Denn in den Auseinandersetzungen um die Einführung und tatsächliche Durchsetzung der neuen Vollmachten im Rahmen der Reformen ab 1534 wurde die Idee sukzessiv als Grundlage eines neuen Wahrnehmungshorizonts verankert, der eine spezifische Form der Ordnung des Gemeinwesens vorgab und massive Auswirkungen auf die Art und Weise der englischen Identitätsbildung hatte. In dieser Hinsicht fungierte sie nicht nur als grundlegendes Argument bei der Etablierung der königlichen Suprematie oder der Gründung der anglikanischen Staatskirche, sondern war auch der entscheidende Bezugspunkt für die folgenden dogmatischen Setzungen und inneren Reformen des Königs. Besonders deutlich trat diese Funktion der königlichen Erwählung jedoch in der Auseinandersetzung mit der Pilgerfahrt der Gnade zutage. Hier hatten die Pilger eine Gemeinwohlrhetorik benutzt, um ein politisches Mitspracherecht zu reklamieren und Einfluss auf die konkrete Gestaltung des Gemeinwesens zu nehmen. Als Reaktion darauf kam es zu einer signifikanten Modifikation des CommonwealthKonzepts, indem es mit der Idee der königlichen Erwählung verschmolzen wurde. Das Resultat war eine Zentrierung der Gemeinwohl-Idee auf die erwählte Stellung der Krone, die dazu führte, dass die wesentliche Pflicht eines christlichen Engländers darin gesehen wurde, loyal den Anordnungen seines Herrschers zu folgen. Diese loyale Beziehung zum König wurde als essenzielle Bedingung zur Erlangung des Seelenheils präsentiert, wohingegen Widerstand und nonkonformes Verhalten göttliche Strafe und Verdammnis bedeuteten. In der ihm zugemessenen Funktion seitens der Autoren nahm das geschilderte Verhältnis zwischen König und Untertanen schließlich eine sakramentale Form an. Durch diese Reformulierung des Herrschaftsverhältnisses wurden am Ende nicht nur sämtliche übernationalen Autoritäten in ihrer Bedeutung negiert, sondern England als Kollektiv neu gegründet. Das Land erschien nun als eine Heilsgemeinschaft, deren König sich zugleich als der entscheidende Vermittler dieses Heils etabliert hatte. Die Grundlage, auf der diese Neugründung des Gemeinwesens vollzogen wurde, war das Alte Testament. Begünstigt durch die reformatorische Fokussierung auf die Bibel als einzig legitimer Quelle religiösen Wissens und gefördert durch die Entwicklungen der Scheidungsaffäre, entdeckten die Apologeten der neuen Ordnung vor allem das ‚revolutionäre‘ Potential des Alten Testaments aufs Neue, indem sie es – entgegen einer lutherischen Tradition – von seiner Unterordnung unter die Stellung und Bedeutung des Neuen Testaments befreiten. Dadurch konnte in der Folge die darin enthaltene Politik freigesetzt und einer Adaption seitens der englischen Autoren unterzogen werden. Von besonderer Bedeutung waren hier zunächst die Befugnisse der alttestamentlichen Könige und Herrscher, die aufgrund ihrer exzeptionellen Stellung sowohl im weltlichen als auch im geistlichen Bereich intervenieren und Recht setzen konnten. Auf der Basis dieses reichen Fundus’ an alttestamentlichen Vorbil-

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dern konnten englische Autoren in der Folge eine Traditionslinie der königlichen Erwählung konstruieren, die sich vollkommen unabhängig von der Institution der Papstkirche konstituierte und im krassen Gegensatz zu dieser die Möglichkeit aufzeigte, dass die Erlangung des christlichen Heils auch außerhalb bzw. ohne die Institution möglich war. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Idee der göttlichen Erwählung dazu diente, den Bruch mit der Papstkirche und vielen damit verbundenen, überkommenen Praktiken und Auffassungen herbeizuführen. Sie forderte aus theologischen und weltlichen Gründen die Separation des englischen Gemeinwesens und fungierte gleichermaßen als Sicherheit verbürgendes Motiv für diesen Schritt. Die abgespaltene Gruppe sollte über die Funktionalisierung der Idee von der Kontinuität und Wirksamkeit des göttlichen Heilsversprechens überzeugt werden. Um diese Gewissheit darstellen und besser kommunizieren zu können, bediente man sich primär alttestamentlicher Exempel und Vorbilder. Hierüber sollten die innovativen Handlungen der Krone letztlich im öffentlichen Diskurs gerechtfertigt und legitimiert werden. Auf kurze Sicht stellten die Mosaische Unterscheidung sowie die daraus resultierende Vorstellung der königlichen Erwählung somit die Art und Weise dar, wie die Herausforderungen und Entwicklungen der Reformation in den politischen Kontext des henrizianischen Englands übersetzt worden sind. Die Entstehung der Idee kann als ein Modus der Rezeption aufgefasst werden, durch den versucht wurde, die neuen Möglichkeiten, welche durch die reformatorische Bewegung geschaffen worden waren, für die konkreten politischen Bedürfnisse Englands nutzbar zu machen. Freilich war damit keineswegs die Absicht verbunden, dass das Eine vollständig im Anderen aufgehen sollte. Im Zentrum der henrizianischen Reformation standen deshalb weder die Einführung des Protestantismus in England noch die Verteidigung traditioneller Ansichten der alten Kirche. Für Heinrich VIII. war in erster Linie die Sicherung seiner Position als unmittelbar von Gott erwählter und eingesetzter Herrscher entscheidend, aus der heraus die Autorität und Legitimität für die Auflösung seiner Ehe sowie sein ganzes folgendes Reformprogramm letztlich resultierte. In diesem Sinne muss der Einschätzung von Lucy Wooding beigepflichtet werden, die zur Beurteilung der henrizianischen Reformation schrieb, sie sei weder eine inadäquate Form des Protestantismus noch ein „feiled catholicism“ gewesen, sondern eine eigene Form der Aneignung und Verarbeitung, „a vigorous movement based on a particular vision“.701 Auf längere Sicht entfaltete diese besondere Vision eine enorme Wirkung auf die Entwicklung der englischen Geschichte und Identität, weil sie den Grundstein für die prägende Vorstellung legte, wonach das englische Gemeinwesen analog zu den alttestamentlichen Israeliten als auserwähltes Volk Gottes präsentiert wurde. Freilich hatte deren Exodus mit den Aktionen und Reformen Heinrichs VIII. erst begonnen.

701 WOODING, Rethinking Catholicism, S. 51.

C. In der Wüste: Die frühen Regierungsjahre Eduards VI. (1547-1550)

1. E IN NEUES R EGIME Der Tod Heinrichs VIII., eines zweifellos äußerst charismatischen Herrschers, markierte eine deutliche Zäsur für das englische Gemeinwesen. Der verstorbene König hatte im Verlauf seiner langen Herrschaft Englands Geschicke deutlich geprägt, so dass sein Ableben ein hochgradig unsicheres Übergangsmoment darstellte, in welchem die Hoffnung auf Kontinuität respektive eine positive Wendung mit Ängsten auf eine Verschlechterung der Lage koexistierte.1 Die Frage, in welche Richtung das Gemeinwesen fürderhin streben sollte, wurde in dieser Situation vor allem durch Auseinandersetzungen um das Erbe, genauer gesagt: um die Interpretations- und Deutungshoheit über das henrizianische Vermächtnis, geprägt.2 Ehemalige Gegner wie Befürworter der henrizianischen Politik konnten die neue Situation nun gleichermaßen dazu nutzen, die unter Heinrich VIII. etablierten Deutungsmuster fortzuführen oder für maßgebliche Veränderungen und Neuerungen einzutreten. In beiden Fällen war es von zentraler Bedeutung, dass die unter Heinrich geprägten und instituierten Deutungsmuster berücksichtigt wurden, um nicht im traditionsverhafteten Gedankenhorizont der frühneuzeitlichen Gesellschaft durch einen offensichtlichen Bruch mit dessen Regierungszeit die Gefahr von Desorientierung und überwiegend negativ konnotierter ‚neuer Politik‘ heraufzubeschwören.3 1

2

3

Siehe zum Herrschertod u.a. Christoph KAMPMANN, Der Tod des Herrschers als Grenze und Übergang. Die normative Funktion der Herrschermemoria in der Frühen Neuzeit, in: Christine Roll et al. (Hgg.), Grenzen und Grenzüberschreitungen. Bilanz und Perspektiven der Frühneuzeitforschung, Köln u.a. 2010, S. 263-270; Johannes KUNISCH, Fürst – Gesellschaft – Krieg. Studien zur bellizistischen Disposition des absoluten Fürstenstaates, Köln u.a. 1992, S. 23-27. Vgl. dazu zuletzt den Band von Mark RANKIN / Christopher HIGHLEY / John KING (Hgg.), Henry VIII and his afterlives. Literature, politics, and art, Cambridge 2009; Diarmaid MACCULLOCH, Tudor Church Militant. Edward VI and the Protestant Reformation, London 1999, S. 1-20; Stephen ALFORD, Kingship and Politics in the Reign of Edward VI, Cambridge 2002, S. 55-57. Siehe zur Problematik von gutem Alten und schlechtem Neuen etwa SCHÄUFELE, Zur Begrifflichkeit von „alt“ und „neu“, S. 18-36; WOOLF, Social Circulation of the Past, S. 50-

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Eine zentrale Stellung nimmt diese Problematik im Hinblick auf die unter Heinrich VIII. eingeführten royalen Setzungen im religiösen bzw. kirchenpolitischen Bereich ein. Theologisch-dogmatische Bestimmungen wie die Six Articles (1539) oder das sog. King’s Book (1543) sollten der anglikanischen Staatskirche nach dem Schisma eine innere Verfasstheit geben und gleichzeitig die Kontroversen zwischen Altgläubigen und evangelischen Reformern über religiöse Fragen beilegen. 4 Zumindest hinsichtlich der Herstellung einer äußeren Konformität gelang dieses auch weitgehend.5 Allerdings zeichnete sich Heinrichs Kirchenpolitik durch eine eigentümliche Richtung aus, die noch nicht als im eigentlichen Sinne protestantisch bezeichnet werden kann, aber auch nicht mehr vollends katholisch war. George Bernard beschrieb die religiösen Vorstellungen des Königs als eine Mischung aus erasmianischem Humanismus und protestantischer Reformrhetorik, die einen Mittelweg zwischen den Polen protestantisch und katholisch eingenommen hätten. 6 Obwohl vor diesem Hintergrund inzwischen berechtigte Zweifel an der Eindeutigkeit des ‚konservativen‘ oder gar ‚reaktionären‘ Grundgehaltes der Six Articles aufgekommen sind,7 mussten doch für die evangelischen Reformer der Zeit vor allem die Bestimmungen zum Festhalten an einer durch Transsubstantiation herbeigeführten Realpräsenz im Abendmahl,8 der Ohrenbeichte, dem Eheverbot für Geistliche oder der Ablehnung des Abendmahls in beiderlei Gestalt einen erheblichen Rück-

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5 6

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8

55; SCHMIDT, Einleitung: Ist das Neue das Bessere, S. 7-24; zu diesem Kommunikationsmuster auch SCHORN-SCHÜTTE, Politische Kommunikation, S. 295; DIES., Vorstellungen von Herrschaft, S. 347-376. Vgl. An Acte abolishing diversity in Opynions, in: STATUTES OF THE REALM III, 31° Hen. VIII, c. 14, S. 739-743; dazu u.a. Glyn REDWORTH, A Study in the Formulation of Policy: The Genesis and Evolution of the Act of Six Articles, in: JEH 37 (1986), S. 42-67; A necessary doctrine and erudition for any Christen man sette furthe by the kynges maiestie of Englande, London 1543 (STC2 5168/British Library); siehe auch BERNARD, The King’s Reformation, S. 225-292; RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 13-57. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 276-292. Siehe BERNARD, The King’s Reformation, S. 228-292; siehe auch DERS., The Making of Religious Policy; die Bedeutung der persönlichen Religiosität eines Herrschers für die Formulierung einer Kirchenpolitik hat zuletzt auch Josef Johannes Schmid betont. Siehe SCHMID, ‚No Bishops, No King‘; zur Eigentümlichkeit der henrizianischen Reformation auch WOODING, Rethinking Catholicism, S. 51. Siehe dazu etwa RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 23-39; REDWORTH, Genesis sowie die Arbeit von MCENTEGART, Henry VIII, the League of Schmalkalden and the English Reformation, S. 149-166, der die Six Articles eher in einem diplomatischen Manöver zwischen Heinrich VIII. und dem Schmalkaldischen Bund verortet, welches auf die brisante Situation für England Ende der 1530er Jahre reagieren sollte. Alec Ryrie bemerkt zu Recht, dass der Begriff Transsubstantiation vermutlich nicht mehr aufgenommen worden ist, weil er nicht in der Bibel vorkomme und zudem zu stark mit der Papstkirche assoziiert worden sei. Trotzdem stelle die Definition der Realpräsenz eine sehr genaue Rekapitulation der Transsubstantiationslehre dar. Siehe RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 36. Heinrich hatte bereits in seiner Assertio zugestanden, dass der Begriff eine relativ junge Erscheinung sei, was den Schritt der Streichung zusätzlich gefördert haben dürfte. Siehe Assertio septem sacramentorum, fol. Eiir; REDWORTH, Genesis, S. 63.

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schlag in ihrem Bemühen um eine weitergehende Reform des englischen Gemeinwesens bedeuten. Mit dem Tode des Monarchen ergab sich hier die Gelegenheit, wesentliche Korrekturen dieser henrizianischen Setzungen in die Wege zu leiten. Dafür bedurfte es jedoch zahlreicher politisch-rechtlicher sowie kirchenpolitischer Entscheidungen, die bewusst gegen die Bestimmungen und Vorgaben Heinrichs VIII. gerichtet werden mussten.9 Die Problematik, die sich hieraus ergab, war zweifacher Art: Auf der einen Seite sollten viele der henrizianischen Setzungen in eine eindeutig protestantischere Richtung gelenkt werden. Der alte König hatte die Befugnisse für derart weitreichende Eingriffe allerdings über den Rekurs auf seine von Gott gegebene Autorität gerechtfertigt. Erst der Referenzrahmen göttlicher Erwählung hatte es dem englischen Monarchen erlaubt, seine innovatorische Politik abzusichern und zu legitimieren; das Erwählungsmoment hatte für eine Politik ohne tatsächlichen Präzedenzfall eine Präzedens geschaffen, die das Gemeinwesen von der Richtigkeit und Notwendigkeit des eingeschlagenen Weges überzeugen sollte. An diese Legitimationspraxis mussten die eduardianischen Reformer in der Folge anschließen, wenn sie die Absicht hegten, die bestehenden Gesetze und Normen in grundsätzlicher Form zu verändern. Auf der anderen Seite führte dies zu vordergründig widerstreitenden Problemen. So sollte eine deutliche Korrektur der henrizianischen Politik vollzogen werden, ohne den Eindruck eines fundamentalen Bruchs mit dem Erbe des verstorbenen Monarchen entstehen zu lassen. Dieses Vorgehen hätte nicht nur die Frage nach der Legitimität aufgeworfen und im Zweifelsfalle den Vorwurf neuartiger Politik heraufbeschworen, sondern das Regime um Protektor Somerset bei einer grundlegenden Abkehr von Heinrichs Politik sowie den Bestimmungen seines Testaments der Gefahr von Unruhen und Widerstand ausgesetzt. Ganz zu schweigen davon, dass sich der zur Regierung eingesetzte Rat sowie das daraus mehr oder weniger rechtmäßig hervorgegangene Protektorat Eduard Seymours jenen testamentarischen Bestimmungen ihre Legitimität verdankte, weshalb selbst der Anschein eines fundamentalen Bruches letztlich deren Machtstellung gefährdet hätte.10 9

10

Siehe dazu auch Alec RYRIE, The slow death of a tyrant: learning to live without Henry VIII, 1547-1563, in: Rankin et al. (Hgg.), Henry VIII and his afterlives, S. 75-93, hier S. 79-82. Zum Rat des Königs siehe Dale E. HOAK, The King’s Council in the reign of Edward VI, Cambridge 1976; zur Stellung und Problematik des Protektorats u.a. Eric W. IVES, Henry VIII’s Will: The Protectorate Provisions of 1546-7, in: HJ 37 (1994), S. 901-914; DERS., Henry VIII’s Will – A Forensic Conundrum, in: HJ 35 (1992), S. 779-804; Ralph HOULBROOKE, Henry VIII’s wills: a comment, in: HJ 37 (1994), S. 891-899; Helen MILLER, Henry VIII’s unwritten will: grants of lands and honours in 1547, in: Eric W. Ives / Robert J. Knecht / John J. Scarisbrick (Hgg.), Wealth and Power in Tudor England. Essays presented to Stanley T. Bindoff, London 1978, S. 87-106; zum königlichen Testament auch SCARISBRICK, Henry VIII, S. 488-495; zur Position Seymours hat zuletzt Ethan Shagan eine interessante neue Perspektive eröffnet, indem er dessen Protektorat als höchst unsichere Stellung beurteilte, da die Funktion eines Protektors ein Novum gewesen sei und gerade in Zeiten einer Krise dieser Konstruktion die notwendige königliche Autorität gefehlt hätte. Diese Situation habe Somerset dazu veranlasst, seine Politik stärker auf die Belange der commons abzustellen, um darüber Autorität generieren zu kön-

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Nachfolgend soll die These vertreten werden, dass die eduardianischen Reformer durch Aktualisierung und Anpassung des unter Heinrich VIII. etablierten Erwählungsdenkens einen Weg sahen, um die geschilderten Problematiken in zeitgenössisch akzeptabler Form zu bearbeiten. Von zentraler Bedeutung war in diesem Zusammenhang, dass sie aus den polymorphen Vorbildern, die zur Begründung und Rechtfertigung der henrizianischen Erwählung herangezogen worden waren, einen spezifischen Strang extrahierten und diesen im Rahmen ihrer eigenen Ziele weiterentwickelten. Dies umfasste in erster Linie die Stilisierung des Königs als Moses, der sein erwähltes Volk aus der Knechtschaft des Pharaos befreit hatte, wodurch der alttestamentliche Exodus eingeläutet worden war. Die Erzählung beschreibt allerdings nicht nur den Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft, sondern auch ihre Zeit in der Wüste, den Bund mit Gott am Berg Sinai und schließlich die Ankunft im Gelobten Land.11 Insgesamt ist es eine Geschichte, die von Gottes erwähltem Volk handelt, das freilich im Verlauf der Erzählung vielfachen Gefahren, Prüfungen und Bestrafungen ausgesetzt wird. Das Exodus-Narrativ war für die Sache der Reformer besonders attraktiv, weil es eine Geschichte des Fortschritts, der Entwicklung und Emanzipation darstellte, in der alte Traditionen und Gewissheiten abgeworfen und im Zuge eines mühseligen Transformationsprozesses in neue Grundund Glaubenssätze umgewandelt wurden. Es ist die Geschichte, wie aus ägyptischen, in einem falschen Glauben gefangenen Sklaven am Ende wahre Knechte Gottes werden.12 Das Narrativ bot den eduardianischen Reformern eine Rahmung ihrer gegenwärtigen Situation, welche geeignet war, um einerseits an die wesentlichen Deutungsmuster der henriziansichen Ära anzuschließen, diese andererseits aber in einer Art und Weise fortzuschreiben bzw. weiterzuentwickeln, die mit den Reformabsichten des neuen Regimes harmonierten. Vor allem konnten gerade am Beispiel des Exodus die Logiken der Mosaischen Unterscheidung aktualisiert werden, was die Grundvoraussetzung für jegliche Anwendung des englischen Erwählungsdenkens seit Heinrich VIII. war. Gleichsam beinhaltete die Erzählung das charakteristische Innovationspotential, das bereits die henrizianische Erwählung ausgezeichnet hatte.13 Dies konnte nicht nur beibehalten, sondern unter den veränderten Rahmenbedingungen der eduar-

11

12 13

nen. Siehe Ethan SHAGAN, Protector Somerset and the 1549 Rebellions: New Sources and New Perspectives, in: EHR 114 (1999), S. 34-63, hier S. 36f und passim. Freilich ist diese Sichtweise nicht ohne Widerspruch geblieben. Siehe dazu Michael L. BUSH, Protector Somerset and the 1549 Rebellions: A Post-Revision Questioned, in: EHR 115 (2000), S. 103-112 und George W. BERNARD, New Perspectives or Old Complexities?, in: Ibid., S. 113-120. Siehe dazu grundsätzlich HERRMANN, Exodusmotiv I; FISCHER / MARKL, Das Buch Exodus; Peter WEIMAR / Erich ZENGER, Exodus. Geschichten und Geschichte der Befreiung Israels, Stuttgart 1975; Manfred GÖRG, Art. „Exodus“, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Hans Dieter Betz et al., 4., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 2, Tübingen 1999, Sp. 1823-1826. Ich folge hier der Interpretation von WALZER, Exodus und Revolution; siehe dazu auch KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 86-104. Vgl. dazu auch die Bemerkungen bei RYRIE, Slow Death, S. 81 sowie ALFORD, Kingship, S. 58-64 zur eduardianischen Suprematie.

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dianischen Herrschaft zielgerichtet und gewinnbringend aktualisiert werden. Der israelitische Exodus war demnach geeignet, das Erbe Heinrichs VIII. aufzunehmen und in einen Vorstellungshorizont für das englische Gemeinwesen umzusetzen, der die wesentlichen politischen und identitären Merkmale der henrizianischen Ära perpetuierte, gleichzeitig aber auch einen bildlichen wie narrativen Ausdruck der weiteren Handlungsmöglichkeiten für dieses Kollektiv bereitstellte.14

2. D AS

ERWÄHLTE

V OLK

IN DER

W ÜSTE : P HILIP N ICOLLS

Einen Eindruck der Art und Weise wie evangelische Reformer versuchten, sich das Potential der Exodus-Erzählung vor dem Hintergrund ihrer eigenen Gegenwart anzueignen, vermittelt ein Text von Philip Nicolls – einem protestantischen Kleriker aus Devon, der sich Ende der 1540er Jahre mit mehreren Schriften an den publizistischen Auseinandersetzungen der Zeit beteiligt hatte.15 In seinem 1548 erschienen Werk „Here begynneth a godly newe story of xii men“ benutzte Nicolls die Geschichte der von Moses ausgesandten zwölf Kundschafter, um eine kritische Diagnose der gegenwärtigen Gesellschaftsverhältnisse anzubringen, gleichzeitig aber einen Weg aufzuzeigen, wie man die aus seiner Sicht bestehende Krise überwinden könne. 16 Daran, dass sich das englische Gemeinwesen in einer Art ‚Sinnkrise‘ befand, ließ der Autor keinen Zweifel. Hierfür spricht zunächst die Wahl der Kundschaftergeschichte, welche die Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste kurz vor Erreichen des ‚Gelobten Landes‘ zeigt. Gott befiehlt daraufhin Moses, zwölf Späher zur Erkundung des Landes Kanaan auszusenden, das der Herr seinem Volk übereignen möchte. Deren Rückkehr war indes von schlechten Nachrichten geprägt: So entdeckten diese zwar tatsächlich ein fruchtbares Land, das allerdings bereits von starken Völkern besiedelt war, unter denen sich sogar einige Riesen befunden hätten. Zehn der zwölf ausgesandten Späher verfielen daraufhin in große Verzweiflung, die – so die grundlegende Aussage der Geschichte – aus einem Mangel an Glauben resultiert hätte. Lediglich zwei der Ausgesandten artikulierten ihr Vertrauen darauf, dass Gott den Israeliten einen Sieg über die übermächtig scheinenden Feinde schenken werde. Wie Nicolls analog zur Bibel weiter berichtet, ließ sich das Volk jedoch nicht überzeugen, sondern zweifelte an der Gewissheit des Sieges und damit am grundsätzlichen Beistand Gottes. Dieser Akt des Unglaubens wurde ferner durch die Drohung des Volkes verstärkt, die beiden Späher sowie ihre Anführer Moses und Aaron zu steinigen und sich einen Hauptmann zu wählen, der es zurück nach Ägypten führen sollte. An diesem Punkt droht der Exodus kurz vor Vollendung aufgrund des fehlenden Gottvertrauens eines Großteils der Israeliten grandios zu scheitern. Bevor es jedoch zur Steinigung 14 15

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Siehe zu diesem Punkt KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 98f. Siehe zur Person Christopher BRADSHAW, Art. „Nicolls, Philip“, in: ODNB, onlineAusgabe, Oxford 2004, URL: [21.02. 2017]. Philip NICOLLS, Here begynneth a godly newe story of xii men […], London 1548 (STC2 18576/Bodleian Library); die Geschichte ist aus dem 4. Buch Mose (Numeri), Kap. 13 & 14; siehe dazu auch Thomas STAUBLI, Die Bücher Levitikus und Numeri [Neuer Stuttgarter Kommentar Altes Testament 3], Stuttgart 1996, S. 250-256.

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der wenigen wahrhaft Gläubigen kam, griff Gott ein und verhinderte die Aktion, bestrafte sein störrisches Volk aber letztlich mit einer vernichtenden Niederlage und sandte es auf eine vierzigjährige Irrfahrt durch die Wüste.17 Die von Philip Nicolls herangezogene Kundschaftergeschichte gehört in den Erzähl- und Traditionszusammenhang des Exodus-Narrativs und illustriert an einem konkreten Beispiel die grundlegende Bedeutung der Wüstenerfahrung18 für das auserwählte Volk der Israeliten: So war es zwar der ägyptischen Knechtschaft entkommen, musste aber vor Erreichen des Gelobten Landes einen Prozess der inneren Läuterung durchlaufen.19 Die Rahmung der frühen Regierungsjahre Eduards VI. als Situation in der Wüste stellte im Sinne der evangelischen Reformer eine äußerst passende Adaption der henrizianischen Erwählungsidee dar. Grundsätzlich reproduzierte man damit den Status einer von Gott erwählten Gemeinschaft.20 So offenbart sich Gott in der Ödnis seinem Volk, rettet es immer wieder vor Hunger und Durst und gibt ihm die Gelegenheit, sich an das neue Verhältnis zu gewöhnen. 21 Die lebensfeindliche Umgebung steht gleichsam für eine Phase physischer und spiritueller Qualen und Herausforderungen, die auf dem Weg ins gelobte Land ertragen und bewältigt werden müssen. Die physischen Strapazen und Entbehrungen sowie die grundsätzliche Bedrohungssituation durch Angriffe von Feinden fanden ihren Widerhall in den frühen Regierungsjahren Eduards VI., die durch Kriege mit Frankreich und Schottland, Missernten, Preissteigerungen, Hunger und Revolten gekennzeichnet waren. In spiritueller Hinsicht stellte die Wüste einen Raum des Übergangs dar, in dem das Volk der Israeliten die letzten Reste seiner Zeit in ägyptischer Knechtschaft hinter sich lassen sollte, um dadurch dem Ziel des Gelobten Landes überhaupt näher kommen zu können. Freilich ist dies kein gradliniger Vorgang, in dem die Israeliten 17 18

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Vgl. die Schilderung bei NICOLLS, Godly newe story, fol. Avir-Biv; STAUBLI, Numeri, S. 254-256. Zum Motiv bzw. Topos der Wüste siehe u.a. Uwe LINDEMANN / Monika SCHMIDTEMANS (Hgg.), Was ist eine Wüste? Interdisziplinäre Annäherungen an einen interkulturellen Topos, Würzburg 2000; Uwe LINDEMANN, Die Wüste. Terra incognita, Erlebnis, Symbol. Eine Genealogie der abendländischen Wüstenvorstellungen in der Literatur von der Antike bis zur Gegenwart, Heidelberg 2000; Kenneth E. POMYKALA (Hg.), Israel in the Wilderness. Interpretations of the biblical Narratives in Jewish and Christian Traditions, Leiden/Boston 2008; siehe auch die Bemerkungen bei Matthias ASCHE / Ulrich NIGGEMANN, Migrationen und Mythen, Identitäten und Raumbilder. Historische Narrative von Einwanderergesellschaften, in: Dies. (Hgg.), Das leere Land. Historische Narrative von Einwanderergesellschaften [Historische Mitteilungen, Beiheft 92], Stuttgart 2015, S. 9-30, hier S. 27-29. Eine luzide Auseinandersetzung mit dieser Thematik findet sich bei WALZER, Exodus und Revolution, S. 51-79; FISCHER / MARKL, Exodus, S. 177. Nicholas Udall spricht mehrfach das englische Volk als „Englishe Israelites“ an und bezeichnet England als „Englishe Israel“. Siehe Nicholas UDALL, The first tome or volume of the Paraphrase of Erasmus vpon the Newe Testamente, London 1548 (STC2 2854.3/British Library), Widmung, fol. 3v; auch Eduard selbst hatte England mit den Israeliten verglichen. Siehe MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 39. Siehe FISCHER / MARKL, Exodus, S. 179-199.

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einfach ihre ägyptischen Verhaltensweisen ablegen, um sich den göttlichen Geboten und Vorgaben zu öffnen. Im Gegenteil präsentiert sich die Phase als eine Art spirituelles Ringen, in dessen Zuge die Mühen eines weitergehenden Marsches nicht selten gegen die Vorteile einer Rückkehr in die bekannten und vertrauten Verhältnisse Ägyptens abgewogen werden. In dieser Hinsicht spiegeln sich im Bild der Wüste die Problematiken weitergehender Reformen wider, wie sie sich für das Gros der eduardianischen Protestanten dargestellt hatten. In der Wüste waren demnach immer noch die Verlockungen einer nunmehr verklärten Vergangenheit präsent, die vor allem Sicherheit durch Vertrautes verhießen. Gerade dies beklagten viele Reformer und forderten deshalb die endgültige Abschaffung jener nach wie vor bestehenden Relikte einer ‚ägyptischen‘, also päpstlichen, Tradition. Philip Nicolls stilisierte diesen Zustand zu einer fundamentalen Entscheidung zwischen einer weitergehenden Reform des Gemeinwesens, die England Gott näherbringen würde, und einer Rückkehr zur ‚alten‘ Kirche, welche für den Autor gleichbedeutend mit einer freiwilligen, erneuten Versklavung war. Er bemerkte dazu: „[B]ut at euery temptation we were ready to go back agayne i[n] to Egipte.“22 Dass Philip Nicolls mit dieser Rahmung eine Anknüpfung an die henrizianischen Erwählungsvorstellungen und das damit verbundene Innovationspotential herstellen wollte, ergibt sich aus der Art und Weise der Applikation jener Kundschaftergeschichte auf die gegenwärtige Situation.23 So warnte er vor den leichtfertigen und letztlich gottlosen Äußerungen des Großteils der Späher, die einzig die bestehenden Gefahren sähen, aber ein wahrhaftiges Gottvertrauen vermissen lassen würden. Obwohl Nicolls keine Namen nennt, wird aus dem Text sehr schnell deutlich, dass der Autor sich gegen altgläubige Vertreter wie Stephen Gardiner oder Richard Smyth wendet, die einen notwendigen Reformprozess durch ihren Unglauben blockieren und durch dessen Popularisierung dem Volk den Weg ins Gelobte Land verstellen würden. So schreibt er: „For I haue hearde some saye (whiche haue bene no small fooles) it ys good in such wayghtye maters to take good aduyseme[n]t and do al thinges with discretion. For yf we shuld abolyshe and put downe al thinges that gods worde doth not allowe, meanyng the abhomynable abuses of the masse, and the greate dysorder of mynysters with suche lyke: greate hoostes, and greate armyes of men wyll inuade vs: And we shall not be able to Indure agaynste them. For here haue we the scottes one [sic!] the one syde, the frenchmen on the other syde. The Irysh men be brute beastes. The pope shal let the Emperoure vpon vs. And all nacyons wyl in vade [sic!] vs. Ye 24 owr owne countre wyll rebell agaynst vs.“

In diesem Abschnitt thematisierte Philip Nicolls einen Teil des vorherrschenden ‚Krisennarrativs‘ der Zeit, indem er auf die zirkulierende ‚Invasionsangst‘ in England einging. Das Gefühl, von allen Seiten einer großen militärischen Bedrohung ausgesetzt zu sein, wurde in vielen publizistischen Schriften der Zeit ausgedrückt und oft-

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NICOLLS, Godly newe story, fol. Bviir. Den Vorsatz der Applikation äußert er direkt. Siehe NICOLLS, Godly newe story, fol. Biv. NICOLLS, Godly newe story, fol. Cvr-v.

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mals mit der inneren Stabilität des Gemeinwesens verknüpft.25 So argumentierte auch Richard Rich, Lord Chancellor unter Somersets Regentschaft, in einer 1548 erschienenen „Ermahnung an die englischen Friedensrichter“, dass das Land gegenwärtig durch eine wachsende Illoyalität gegenüber der Krone sowie zunehmende innere Unruhen gekennzeichnet sei. Den Vorwurf, einige Friedensrichter würden diese Unruhen aktiv befördern bzw. gutheißen, ergänzte er um die Mahnung, diese Illoyalität so wichtiger Funktionsträger könne vor dem Hintergrund der äußeren Bedrohung zu einer massiven Gefährdung des Gemeinwesens führen.26 Während Rich die äußere Bedrohung also primär zur Kritik und Ermahnung der Friedensrichter instrumentalisierte, fügte sie sich bei Nicolls in eine umfassendere Problematisierung ein. Denn für ihn stellten sich die Kriege gegen Schottland und Frankreich sowie die Bedrohung durch Papst und Kaiser als jene Situation in der Wüste dar, durch die das israelitische Volk in seinem Glauben von Gott geprüft werden sollte: „Thes me[n] be afraid of the cana[n]ites moabites amorites w[ith] the rest of the nacio[n]s, & specially the Enyckes, which be great Giaunts. The byshop of Rome is a great ma[n] & hath done many fetes of armes i[n] his dayes. I knowe wel his bishoppes & other prelates beare a 27 great stroke yet in many co[n]trees.“

Ausschlaggebend war für ihn in diesem Zusammenhang das Gottvertrauen, das freilich nur aus einem wahrhaftigen Glauben resultieren könne. Auf diese Weise nahm er die drängenden politisch-sozialen Fragen der Zeit auf und verknüpfte sie mit der Forderung nach einer weitergehenden religiösen Reform. Ziel dieser Anstrengungen müsse vor allem sein, den Gläubigen Gott näherzubringen, worin Nicolls seine vorrangige Aufgabe sah: „I purpose by the grace of god and the helpynge of hys holy sprete [sic!], to doo that lyeth in me, to spye out the lande of Canaan and to brynge such tydynges as the Lord shall open vnto me, in wrytynge, by meanes wherof his people may know theyr Lord the better and at last be 28 partakers of that plesaunt land flowinge w[ith] milke and hony.“

Hierin zeichnet sich die Autorisierungsstrategie ab, die der Autor gewählt hat, um an den stattfindenden Debatten teilnehmen zu können. Indem sich Nicolls sozusagen als einen jener Späher stilisierte, die ihr Vertrauen in Gott selbst im Angesicht einer Vielzahl übermächtig scheinender Feinde nicht verloren hatten, präsentierte er sich als wahrer Rechtgläubiger. Diese Positionierung führte derweil nicht nur zu Wissen um das Gelobte Land, sondern implizierte auch, dass er wisse, wie man sicher dorthin gelange, das Land in Besitz nehmen und gegen die ansässigen Feinde verteidigen könne. In dieser Hinsicht offenbart Philip Nicolls eine prinzipielle Strategie der edu25 26 27 28

Siehe dazu auch die Ausführungen unten S. 291-294, 296f sowie Kap. 4 zur Schottlandpolitik. Vgl. Richard RICH, An admonicion or warnyng, to all the kynges Maiesties Justices of Peace […], London 1548 (STC2 9181.3/Harvard University Library), bes. fol. Ai v-Aiir. NICOLLS, Godly newe story, fol. Eivr. NICOLLS, Godly newe story, fol. Aivv.

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ardianischen Reformer, die in ihren Äußerungen stets die gegenwärtig unsichere und bedrückende Lage gegen die Gewissheit eines zukünftig besseren Zustandes abwogen. Dies ist die eigentliche Kraft des Exodus-Narrativs, da hier das Ende im Sinne des verheißenen Landes bereits am Anfang in Form eines Versprechens gegenwärtig ist.29 Die Exodus-Erzählung reduziert also die Ungewissheit und Unsicherheit von Neuerungen und Reformen, indem sie die Kontingenz derartiger Prozesse durch die Gewissheit des Ziels ersetzt. Freilich hängt die Erreichung dieses Ziels vom Wandlungsprozess ab, durch den die göttlichen Vorgaben und Gebote internalisiert werden. Diese Aufgabe verlangt nach Führern, die dem Gros des Volkes den richtigen Weg zu Gott aufzeigen und es – ganz wichtig – auch ermahnen, sobald ein Abfall von diesem Weg zu beobachten ist. Diese Rolle fiel klassisch den biblischen Propheten zu, die im Grunde eine Art göttliche Alarmisten darstellten.30 Im 1547 veröffentlichten Book of Homilies heißt es dazu: „[B]ut when we beginne to shrynke from hys worde, not beleuynge it, or not expressing it in our lyuinges, fyrste he doth sende his messengers, the true preachers of hys worde, to admon31 ishe vs of our duetie.“

Als direkt von Gott berufene Personen bestand ihre hauptsächliche Aufgabe darin, im Namen der Gottheit Verstöße gegen kultische Vorschriften anzuprangern oder Klagen über den sittlichen Verfall eines Gemeinwesens vorzubringen. Verbunden mit der Kritik des aktuellen Lebensstils waren mithin die Warnung vor einer göttlichen Strafe und der Aufruf zur Umkehr.32 Ziel des Propheten war es, das Heilshandeln sowie die geschichtliche Wirksamkeit der Gottheit zu demonstrieren und letztlich die Etablierung einer Ordnung zu befördern, die im Einklang mit den göttlichen Vorgaben stand.33 Aufgrund dieser Funktion trat der Prophet häufig als prominenter Kritiker einer fest gefügten Tradition auf und diente gewissermaßen als Spiegel und Korrektiv einer Gesellschaft.34 Aus diesem Grund waren Propheten oftmals Ziel von Verfolgungen

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Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 20f. Grundlegend dazu KLEIN, Propheten/Prophetie I, S. 473-476; EBACH, Prophetismus, S. 347-359; BEINHAUER-KÖHLER / JEREMIAS, Prophet/Prophetin/Prophetie I & II, Sp. 1692-1699; Michael WALZER, In God’s Shadow. Politics in the Hebrew Bible, New Haven/London 2012, Kap. 5: Prophets and Their Audience, S. 72-88; siehe auch den Abschnitt Prophecy bei DAVIES, Religion of the word, S. 183-187. Certayne sermons, or homilies, appoynted by the Kynges Maiestie, to be declared and redde […], London 1547 (STC2 13641.9/Folger Shakespeare Library), fol. Oir-v. Dergestalt formulierte Michael Walzer dazu: „The prophets were social critics, perhaps the first social critics in the recorded history of the West.“ Siehe WALZER, In God’s Shadow, S. 86. Vgl. dazu KLEIN, Propheten/Prophetie I, S. 473f; EBACH, Prophetismus, S. 347, 349, 351-354. Siehe EBACH, Prophetismus, S. 348 & 354.

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durch die etablierte Priesterschaft oder anderen Amtspersonen.35 Und genau aus diesem Grund trat beispielsweise ein Niccolò Machiavelli am Beispiel Savonarolas dafür ein, dass nur ein bewaffneter Prophet letztlich die Chance habe, ein Gemeinwesen tatsächlich von Grund auf umzustrukturieren und eine neue Ordnung zu installieren. So stellte John Pocock in seiner klassischen Studie zum ‚Machiavellian Moment‘ prägnant fest: „Prophets, whether true or false, require the sword because they are innovators.“36 Innovation war auch das Leitmotiv der eduardianischen Reformer, die ohne Zweifel mit der Rolle der biblischen Propheten kokettierten und sich analog zu ihren Vorbildern ebenfalls als Alarmisten sahen, die das Gemeinwesen vor einer Abkehr von den Vorgaben Gottes bewahren mussten. Allerdings verzichteten die meisten, wie auch Philip Nicolls, bewusst auf ein konstitutives Merkmal des Propheten: So beschreibt sich Nicolls nicht als direkt durch eine Offenbarung Gottes beauftragter Prophet, sondern er leitete seine Befugnis letztlich vom Auftrag ‚seines Moses‘ ab, der Gottes Wort empfangen habe. Bei Nicolls heißt es dazu: „Now for as much as all likelyhods & tokens we approach neare [the] borders of thys promised land, for [the] Lordes commandeme[n]t is come into the harte of our moises which willeth 37 me[n] of euery sorte to go spie out [the] co[n]tre.“

Der Verzicht auf ein zentrales Merkmal des klassischen Prophetismus muss im Hinblick auf die Adaption des henrizianischen Erwählungsdenkens gesehen werden. Durch die Reklamation einer direkten Beziehung zu Gott infolge einer Offenbarung hätte sich eine Konkurrenz zum königlichen Anspruch und dessen Repräsentation als göttlicher Vermittler ergeben. Unter Heinrich VIII. kam es im Zuge der Affäre um Elizabeth Barton, der Holy Maid of Kent, zu einer derartigen Herausforderung, durch die nicht nur der persönliche Status des Herrschers, sondern auch die darüber etablierte Ordnungsstruktur bedroht worden war, deren markanteste Ausprägung die königliche Suprematie war.38 Indem Autoren wie Philip Nicolls ihre Rolle aber von einem Moses ableiteten, konnten sie die Anerkennung von Eduards Suprematie kommunizieren und sicherstellen. Gleichzeitig stellte die Zuschreibung des mosaischen Idealtyps zu Eduard VI. eine Anpassung an den grundlegenden reformatorischen Impetus der Zeit dar, da vor allem dessen Rolle als Reformator und Innovator

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KLEIN, Propheten/Prophetie I, S. 476; BEINHAUER-KÖHLER, Prophet, Sp. 1694; WALIn God’s Shadow, S. 82-85. John G. A. POCOCK, The Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, Princeton 1975, S. 171. NICOLLS, Godly newe story, fol. Aivv. Insofern muss die Annahme Catharine Davies, die etwas pauschal das Etikett Prophet an nahezu alle evangelischen Autoren der Zeit heftet, dahingehend überprüft und modifiziert werden, in welchem Verhältnis der jeweilige Autor zur Krone, deren Erwählungsstatus und der königlichen Suprematie stand. Siehe DAVIES, Religion of the Word, S. 6, 93 sowie 183-187 zur Stilisierung evangelischer Autoren als Propheten; zu Elizabeth Barton einführend Diane WATT, Art. „Barton, Elizabeth“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017].

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herausgestellt werden sollte.39 Nach John Pocock war Moses das Musterbeispiel eines Propheten, der nicht nur göttliche sondern zugleich weltliche Legitimität und Amtsgewalt innehatte. In ihm konvergierten mit anderen Worten der prophetische Innovator und der mit weltlicher Macht ausgestattete Gesetzgeber.40 Über eine Ableitung ihrer Befugnisse von ‚ihrem Moses‘ vermieden Autoren wie Philip Nicolls somit einerseits die Gefahren, in einen Konflikt mit der obrigkeitlichen Stellung zu geraten, konnten aber trotzdem auf funktionaler Ebene zentrale Handlungen eines klassischen Propheten übernehmen. Dazu gehörte unter anderem, dass sich dessen Äußerungen als Mahnungen vor einem sittlichen Verfall sowie einer Abkehr von einem im Sinne Gottes richtigen und wahren Weg gerierten. Daraus resultierend ergaben sich seine Forderungen nach wesentlichen Reformen, die das englische Gemeinwesen wieder in Einklang mit den göttlichen Vorgaben bringen würden. Ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses war die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung, durch die die Papstkirche als tyrannische, niederträchtige und letztlich gottlose Institution charakterisiert wurde. Daran anknüpfend beschrieb Nicolls die vielen Folterungen und Todesurteile, die von der ‚alten‘ Kirche befohlen und ausgeführt worden wären, um nichtkonforme Personen zu bestrafen. Gleichsam monierte er die rechtliche Exemtion der „Ägypter“, die sich beispielsweise auch an den Frauen der Israeliten vergangen hätten, ohne dass jemand hätte rechtlich dagegen einschreiten können.41 In solchen Passagen aktualisierte Nicolls wesentliche Elemente der Mosaischen Unterscheidung, wie sie in den 1530er Jahren im Zuge der Scheidungsaffäre als abgrenzendes Moment einer spezifischen Identitätskonstruktion des englischen Gemeinwesens diskursiv aufgebaut worden war. Die Mosaische Unterscheidung bildete in ihrer massiven Kritik an den Privilegien des geistlichen Bereichs sowie durch die Zusammenführung verschiedener Klagen und Kritiken den Ausgangspunkt für die Forderungen nach weitreichenden Reformmaßnahmen unter Heinrich VIII. Ihre Aktualisierung muss als Versuch gewertet werden, an die henrizianischen Traditionen anzuknüpfen und gleichzeitig das immanente Innovationspotential für die eigene Zeit fruchtbar zu machen. Eine zweite direkte Anknüpfung an den frühen Reformdiskurs Heinrichs VIII. erfolgte durch die Betonung von dessen Rolle im Kampf gegen den Papst und die ‚alte‘ Kirche. So heißt es bei Nicolls dazu: „[B]ut tha[n]ks be vnto [the] almighti god which of his loue that he bare vnto vs, at the cryes of some faythful Israelytes, hath delyuerd vs, by hys minister Kyng Henry the viii, from vnder the great & intollerable burthens of this cruel pharao, & hath brought vs into the wylderness, where we heare [the] lord speak to vs dayly, in the bible, wherein is wryten both [the] newe testament & [the] olde, is brought amonge vs, Pharaos power is taken from him: hys bulles be not regarded, his superstyoyous sectes of relygyon be gone & a greate meany of his mahometrye & other 39

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Neben Nicolls wird dies vor allem bei Miles Coverdale deutlich. Siehe dessen Widmung an Eduard VI. in der Neuausgabe seiner Bibel von 1550. Miles COVERDALE, The whole Byble that is the holy scripture of the Olde and Newe testament, Zürich 1550 (STC2 2080/British Library), fol. 2v-4r. Siehe POCOCK, Machiavellian Moment, S. 171; zur weltlichen Macht Moses’ auch WALZER, Exodus 32 and the Theory of Holy War, S. 1-14. NICOLLS, Godly newe story, fol. Bvv-Bvir.

258 | E NGLANDS E XODUS baggage did [that] worthey king henry destroye. Many wonderfull thynges dyd [the] lord 42 brynge to passe in his dayes“ .

Dies stellt den Versuch dar, an die Erwählungsvorstellungen unter Heinrich VIII. anzuknüpfen, die vor allem dazu benutzt worden waren, um innovative politischreligiöse Entscheidungen abzusichern und zu legitimieren. 43 Es ist mehr als auffallend, dass der Autor hier eine sehr selektive Kontinuitätsstiftung betrieb, in deren Zuge die Leistungen und Errungenschaften vor allem der ersten Hälfte der 1530er Jahre deutlich hervorgehoben, während gleichsam die eher restriktiven Entscheidungen seit der Veröffentlichung der Six Articles (1539) ausgeblendet wurden. Es gilt zu berücksichtigen, dass Nicolls mit dieser Form der Kontinuitätsstiftung nicht alleine war, sondern eine Vielzahl von Texten die frühen 1530er Jahre als den Anfang von etwas ‚Neuem‘ darstellten.44 Das ‚Neue‘ war die Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft; und Heinrich VIII. avancierte zum mosaischen Befreier, weil er die Auswüchse einer falschen Lehre bekämpft und dem Volk das Wort Gottes zugänglich gemacht hatte. So hieß es in der fast zeitgleich erschienenen Lamentation of a Synner von Katherine Parr: „But thankes be geue[n] vnto the lorde, that hath now sent vs suche a godlie & learned kynge in these latter dayes, to reygne ouer vs, that with [the] vertue & force of goddes worde, hath taken awaye the vayles & mistes of erroures, and brought vs to the knowledge of [the] truthe, by the 45 lyghte of Goddes worde, which was so long hydden and kepte vnder“ .

Die Lobpreisungen Parrs kulminierten schließlich in der bekannten Konstruktion, welche den Papst als diabolischen Pharao und ihren verstorbenen Gatten als licht-

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NICOLLS, Godly newe story, fol. Bvir-v; zu den älteren Stilisierungen Heinrichs als Moses siehe u.a. COVERDALE, Dedication, S. 11; PARKER, Exposition, fols. Aiiir, Bivr-Bvv, Bviir, Ciiir; PYLBAROUGH, A Commemoration, fols. Aiir, Aivr, Biv-Biir, Biiv-Biiir, CiiirCivr, Civv, Dir, Diiiv; KING, Tudor Royal Iconography, S. 74f. Dies geschah vor allem im Rahmen des Reformdiskurses unter Heinrich VIII. Siehe dazu BERNARD, The King’s Reformation, S. 225-292; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 129-156 sowie die Ausführungen in Abschnitt B, Kap. 4. Vgl. u.a. Philip GERRARD, A godly inuectiue in the defence of the Gospell […], London 1547 (STC2 11797/British Library), fol. Diiiv; John TURKE, A lamentation of the death of the moost vittorious Prynce Henry the eyght late Kynge of thys noble royalme of Englande, London 1547 (STC2 13089/Cambridge University Library); Bernadino OCHINO, A tragoedie or dialoge of the vniuste vsurped primacie of the Bishop of Rome […], London 1549 (STC2 18770/Henry E. Huntington Library), hier Abschnitte VIII & IX, fol. Yiir-Ddiv; siehe auch die Angaben in den folgenden Fußnoten. Selbstverständlich war damit zeitgenössisch nicht etwas gänzlich Neues gemeint. Vielmehr verstanden die meisten Autoren darunter eine Rückkehr zu einem besseren, älteren Zustand. Siehe zu diesem grundsätzlichen Argumentationsmuster des 16. Jahrhunderts u.a. WOOLF, Social Circulation of the Past, S. 50-55; SCHÄUFELE, Zur Begrifflichkeit von „alt“ und „neu“. PARR, Lamentacion, fol. Dvv-Dvr.

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bringenden, von Gott erwählten Moses zeigt, der sein Volk aus dem ägyptischen Joch befreit.46 Zwei Aspekte scheinen in diesem Zusammenhang wert, festgehalten zu werden: Auf der einen Seite stilisierten derartige Darstellungen die unter Heinrich VIII. vollzogene Abkehr von Rom, die Errichtung der anglikanischen Kirche und die Einführung der Bibel in englischer Sprache retrospektiv zum Gründungsakt einer spezifischen Traditionslinie, die die Papstkirche als neuzeitliches, pharaonisches Mahnmal ent- und damit verwarf. Zugleich erfolgte mit dieser Abgrenzung die Aufwertung, Verrechtlichung und Legitimisierung der neuen Position des Königs. Erst das Zusammenwirken beider Teile erzeugte jenes notwendige, reziproke Verhältnis, das die henrizianische Form des Erwählungsmotivs weitgehend auszeichnete. Auf der anderen Seite bekam die henrizianische Erwählung unter den Bedingungen der späten 1540er Jahre nun eine spezifische Repräsentationsform, die den verstorbenen König vornehmlich als mosaischen Befreier darstelllte und innerhalb eines Exodus-Narrativs verortete. Das von Heinrich VIII. vollzogene Schisma wurde dadurch in viel stärkerem Maße als es unter dem alten König der Fall gewesen wäre, zu einer Befreiung des englischen Volkes aus der tyrannischen und gottlosen Knechtschaft Ägyptens stilisiert. Erst die derartige Konstruktion eines Gründungsakts konnte in der Folge unter Eduard VI. genutzt werden, um spezifische Weiterentwicklungen des Gemeinwesens vorzugeben und zu rechtfertigen. Dies erlaubte den Aufbau eines Narrativs, welches die frühen 1530er Jahre als Ausgangspunkt einer Traditionslinie setzte und die Vergangenheit im Lichte gegenwärtiger Erfordernisse strukturierte. Gleichsam wurde damit ein Handlungsrahmen etabliert, der die wesentlichen Setzungen der henrizianischen Zeit reproduzierte und somit Kontinuität stiftete, aber die Möglichkeit offen ließ, den unter Heinrich VIII. begonnenen Reform-prozess fortzuschreiben.47 Auf diese Weise wurden nicht nur in einem 1547 zu seinem Tode erschienenen Flugblatt die Leistungen Heinrichs VIII. im Kampf gegen Verblendung, Idolatrie, Aberglaube und Papisterei gewürdigt, sondern auch die Hoffnung ausgedrückt, Eduard möge das Versprechen seines Vaters auf weitergehende Reform einlösen:

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Vgl. PARR, Lamentacion, fol. Dvir-v. Zur Rolle und Funktion einer narrativen Struktur siehe inter alia KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 84-104; Dorothea NOLDE, Religion und narrative Identität in Reiseberichten der Frühen Neuzeit, in: Franz X. Eder (Hg.), Historische Diskursanalyse: Genealogie, Theorie, Anwendungen, Wiesbaden 2006, S. 271-289; Paul RICŒUR, Zeit und Erzählung, Bd. 3: Die erzählte Zeit, München 1991, S. 395-400; Roy SOMMER, Kollektiverzählungen. Definition, Fallbeispiele und Erklärungsansätze, in: Christian Klein / Matías Martínez (Hgg.), Wirklichkeitserzählungen. Felder, Formen und Funktionen nicht-literarischen Erzählens, Stuttgart/Weimar 2009, S. 229-244; Achim SAUPE / Felix WIEDEMANN, Narration und Narratologie. Erzähltheorien in der Geschichtswissenschaft, Version 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 28.01.2015, URL: [21.02.2017]; speziell zum Exodus-Narrativ WALZER, Exodus und Revolution, S. 13-27; ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 17-34; DERS., Exodus, S. 389-391.

260 | E NGLANDS E XODUS „And as we haue liued to him in subiection, For the tyme of his reigne, so let vs do nowe: To noble kyng Edward in succession, Desiryng our Lorde God his youth so to bowe, That he may accomplyshe his fathers vowe, In settyng abrode the truth more and more 48 Commaundyng all men therby to set store.“

Die Reproduktion und Aktualisierung einer vor allem auf die frühen 1530er Jahre fokussierten Traditionslinie war andererseits wichtig zur Festigung und Sicherung der Herrschaftsposition des jungen Königs. Wenn die Regierung Eduards umfassende Neuerungen und Veränderungen im religiösen Bereich plante, so musste die grundlegende Legitimation des Monarchen für einen solchen Akt kommuniziert werden. Von besonderer Bedeutung erschien dies zumal, da Eduard VI. noch minderjährig war und etwaige Reformmaßnahmen den Ruch haben konnten, dass sie nicht durch den König selbst, sondern von dessen Regentschaftsrat initiiert worden waren. 49 Vor diesem Hintergrund kam der Betonung der königlichen Erwählung eine essenzielle Funktion zu.50 Ein sehr frühes Exemplum für diese Situation fand beispielsweise der Erzbischof von Canterbury in König Josia, der als achtjähriger Knabe den Thron in Jerusalem bestieg und vor allem für seinen bedingungslosen Kampf gegen den Götzendienst und seine Reformen in der Gottesverehrung bekannt war.51 Thomas Cranmer sprach Eduard in seiner Rede anlässlich der Krönung aus diesem Grund als einen „second Josiah“ an, der ohne Zweifel die wahrhaftige Verehrung Gottes wiederein-

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TURKE, A lamentation, Vers 10; Thomas Cranmer konstruierte ebenfalls eine Kontinuitätslinie zwischen Heinrich und Eduard, die auf weitergehende Reformen ausgerichtet war. Siehe dazu ALFORD, Kingship, S. 112f; ein frühes Beispiel für dieHoffnung auf weitergehende Reformen ist John BALE, Yet a course at the Romyshe foxe A dysclosynge or openynge of the Manne of synne […], Antwerpen 1543 (STC2 1309/British Library), fol. Biiir, wo Heinrich als ein neuer Joschafat gepriesen und der Hoffnung auf eine baldige Reinigung des Landes Ausdruck verliehen wird. Vgl. zu dieser Problematik RYRIE, Slow Death, S. 81f. Bereits im Rahmen des feierlichen Einzugs Eduards kam es allenthalben zu Proklamationen seiner göttlichen Erwählung. Siehe dazu die edierten Reden und Lieder bei John G. NICHOLS (Hg.), Literary Remains of King Edward the Sixth, 2 Bde., London 1857, hier Bd. 1, S. 281-290. Siehe 2 Könige, Kap. 22 & 23; zur Person Hermann SPIECKERMANN, Art. „Josia“, in: TRE 17 (1988), S. 264-267; für weitere Beispiele, die Eduard als Josia bzw. Joschija (engl. Josiah), Hiskia (engl. Ezekias) oder Joschafat (engl. Jehosaphat) zeigen, siehe Christopher BRADSHAW, David or Josiah? Old Testament Kings as Exemplars in Edwardian Religious Polemic, in: Bruce Gordon (Hg.), Protestant History and Identity in Sixteenth-Century Europe, 2 Bde., hier Bd. 2: The Later Reformation, Aldershot 1996, S. 77-90; MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 14, 18, 62f; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 212-219; übergreifend auch Graeme MURDOCK, The Importance of being Josiah: An Image of Calvinist Identity, in: SCJ 29 (1998), S. 1043-1059.

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führen und die gotteslästerlichen Bildnisse entfernen werde.52 Philip Nicolls nahm die Stilisierung Cranmers auf und fügte sie seinem Narrativ ein. Damit entstand schließlich eine Kontinuitätslinie, die bei Heinrichs mosaischer Befreiungstat ihren Anfang nahm, aber in dem „jungen Josia“ ihrer Vollendung entgegenstrebte: „[T]hankes be geuen to the almighti god, which thorow the merytes and prayer of oure mercyfull Moyses, hathe sturred the harte of noble king henry the viii to destroye the abhomynacyons of thys wycked Jeroboam. But chefly of al other thynges […] oughte we to lawde and prayse the lord whych of hys te[n]der loue lykewyse hath geue[n] vs a you[n]ge Josias which […] shal (thorow his godli gouernour & counsellers) fynish the building of the holy te[m]ple whych his 53 father beganne“ .

Ähnliche Konstruktionen finden sich bei anderen Reformern.54 So hieß es etwa bei Nicholas Udall in der Widmung zu seiner Übersetzung von Erasmus Paraphrase von 1548: „King He[n]ry was ye Moses whom god elected stoutly to deliuer vs out of the ha[n]des of ye Romishe Pharao, & to conueigh vs through the read sea of the wauering iudgeme[n]tes of me[n], & the troubleous sourges of ye popishe generacio[n] swelling & rageyng against him, & through the wildrenesse of beeyng left alone destitute of ye assiste[n]ce or cou[m]forte of other Christe[n] princes […], & through this wildrenesse to co[n]ducte vs as ferre as ye la[n]de of Moab: but ye are the Josue, who[m] god hath appoyneted to bring vs into the lande of promissio[n], flowing & re[n]nyng with mylke and honey, & to sette vs Englishe men in the lande of 55 Canaan whiche is the syncere knowelage & the free exercise of Goddes most holy word.“

Bernadino Ochino bediente sich gleichermaßen dieses narrativen Grundmusters, als er in seiner Schrift A Tragoedie or dialoge Christus sagen ließ: „Ye shall vnderstande that Henry the eyghte shall deliuer hys dominions from the tiranny of thys mischieuous robber, and he shall not vtterly clense it from ydolatry & superstcion [sic], whose rotes be further enteryd in to the heartes of menne, then that they can be pulled out agayne at the first plucke: For he shall not long lyue after thys valiant interprise attempted. But I wyll gyue hym a sonne named Edwarde the sixte, and because he shalbe one euen after myne own heart, indwed with sundrye godly giftes […] He shall not abide this great and rancke ene52

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Vgl. The Archbishop’s Speech at the Coronation of Edward VI., Feb. 20, 1547, in: Miscellaneous Writings and Letters of Thomas Cranmer, ed. von John Edmund COX, Cambridge 1846, S. 126f, hier S. 127. Wie MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 231, Anm. 8 jedoch vollkommen richtig anmerkt, ist die Authentizität dieser Rede nicht eindeutig belegt. Vor der Überlieferung bei John Strype (1643-1737) gibt es keinen direkten Hinweis darauf. Für den hier behandelten Zusammenhang ist dies indessen nur von nachgeordneter Relevanz, da das Motiv des Josia in vielen Texten der Zeit auftaucht! NICOLLS, Godly newe story, fol. Eiiir. Siehe den Überblick bei SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 212-219; BRADSHAW, David or Josiah; ALFORD, Kingship, S. 36, 51-56. UDALL, Paraphrase, Widmung, fol. 5v. Weitere derartige Vergleiche zwischen Vater und Sohn fol. 5v-6r.

262 | E NGLANDS E XODUS mie of mine. Therefore folowynge hys fathers steppes he shall pourge all hys kyngdomes, and 56 dominions from all the supersticion and ydolatry of Antichrist.“

Auch Henry Stafford artikulierte in der Widmung zu seiner Übersetzung von Edward Foxes Schrift De Vera Differentia die Hoffnung, dass Eduard VI. die unter seinem Vater begonnenen Reformen fortführen und zu Ende bringen werde: „So next vnto hym [Gott – BQ] aboue all Mortal me[n], are we bound to the worthy Prynce of eternell memory kynge Henri the eyght. Who puttyng on the armour of gods worde droue out of this Realme the wronge vsurper of hys power and auctoryte Regall, and delyuered his people fro [sic!] the captyuyte, wherin the Byshops of Rome hadde longe tyme kept them. Yet lyke as the temple of God in Hierusalem, was begon by Dauyd, and fynyshed by Salomo[n]: so many kindes of supersticio[n] wer abolished by the sayd good kyng and no fewer left to be reformed 57 by hys gracyous and most lauful sonne oure new soueraygne lorde kynge Edward the syxt.“

Der Vorteil einer narrativen Grundstruktur, die Möglichkeiten zum Fortschreiben offen lässt und dadurch als legitimierende Grundlage für weitergehende Reformen dienen konnte, liegt auf der Hand: Indem Eduard als ein Herrscher gepriesen wird, der den Tempel neu errichtet und auf diese Weise jene von seinem Vater begonnene Reform des Gemeinwesens zu ihrem quasi natürlichen Ende bringt, konnte seine Autorität auf diesem Gebiet gestärkt und in einer Tradition mit den Vorstellungen seines Vaters präsentiert werden. Gleichsam ermöglichte diese Rahmung eine Kontinuitätsstiftung, welche die Ziele der eduardianischen Reformer mit dem henrizianischen Erbe harmonisierte. Die Wiederaufnahme des unter Heinrich VIII. begonnenen Reformkurses stellte für Philip Nicolls und andere Reformer letztlich den einzigen Weg aus der Ödnis dar, in der sich das englische Volk gegenwärtig befinde. Zudem warnte Nicolls davor, dass England trotz des Regierungsantritts Eduards sein Ziel noch nicht erreicht habe. „Howbeit we are not yet paste the wyldernesse, we are not yet entered the la[n]d of Canaan.“58 Die Zeichen dafür, dass man nach wie vor an einem Scheidepunkt stehe, an welchem alles schnell in unterschiedliche Richtungen kippen könne, seien nach Nicolls allenthalben zu sehen. Seine nachfolgende Kritik richtete sich sowohl an die Gesellschaft insgesamt als auch speziell an den englischen Klerus, dessen Funktion als Hüter einer festgefügten Tradition teilweise massiv in Frage gestellt wurde.59 So kritisierte er auf klerikaler Seite eine immer noch bestehende ‚Verweltlichung des Glaubens‘, die unter anderem in der Gier nach Pfründen oder einem Hang zu Dekadenz und Prunksucht sichtbar würde. Im Hinblick auf die Gesamtgesellschaft konstatierte er ferner die schwerwiegende Neigung zu Idolatrie, Hurerei und eine grundsätz-

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OCHINO, A tragoedie, fol. Xivv-Yir. The true dyffere[n]s betwen ye regall power and the ecclesiasticall power, übersetzt von Henry, Baron STAFFORD, London 1548 (STC2 11220/British Library), fol. Aiir-v. NICOLLS, Godly newe story, fol. Eiiiv. Dadurch eignet sich Nicolls wiederum ein zentrales Element des Prophetentums an, das nach Klein zumeist gegen ein instituiertes Priestertum gerichtet sei und sich gegen bestehende Traditionen wende. Siehe KLEIN, Propheten/Prophetie I, S. 476.

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liche Abkehr von Gott.60 Die Schelte des Klerus nahm jedoch einen größeren Raum ein, wobei die verwendete Semantik vielfach Reminiszenzen an die frühen 1530er Jahre aufwies und ferner mit zeitgenössischer Kritik an bestimmten Klerikern, wie sie unter anderem von Luke Shepherd formuliert worden war, sehr gut harmonierte. So präsentierte Nicolls den gemeinen Kleriker als trinkfreudigen, heuchlerischen Menschen, dessen moralische Verfehlungen in Bezeichnungen wie Hurenbock, Ehebrecher, Erpresser und Betrüger zusammengefasst wurden.61 In seiner bekannten und sehr volksnahen Schrift Doctour Doubble Ale zeichnete Luke Shepherd ein ganz ähnliches Bild moralischen Verfalls und karrikierte einen Londoner Kleriker als unfähigen, gierigen und trunksüchtigen Dilettanten.62 Mit dem Geschilderten korrespondierte in der Darstellung Nicolls’ letztlich auch ein in seiner Form in menschlichen Verhältnissen und Praktiken gefangener Glaube, der dieser Art freilich dem Teufel in die Hände spiele.63 Nicolls zentrales Anliegen muss in diesem Zusammenhang darin gesehen werden, die Leser davon zu überzeugen, nicht zuerst dem Wissen und der Meinung einer diffusen Masse von Menschen zu vertrauen, sondern primär auf die Lehren des Herrn zu bauen. „And let vs be admonished by the Story of thes twelf messengers, to forsake oure owne wisedome oure owne strength, and our owne polecie, and inuencions: that we may wholy and altogether subdue our selues, and be obedient vnto the voice and commaundement of the Lord 64 onely.“

Im Kampf gegen jene falschen Lehren und einer damit einhergehenden Pflege des wahren Gotteswortes fand Nicolls schließlich den Konnex zur politischen Ordnung. Es sei vor allem die Aufgabe von Obrigkeit und Herrschaftsträgern, die Lehren Christi zu erhalten, zu kultivieren, und gleichzeitig eine Abkehr in ein gottloses und frevlerisches Leben zu bestrafen.65 Erst die Umsetzung der geäußerten Forderungen durch die politischen Entscheidungsträger ermögliche jene signifikante Wendung, 60

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Vgl. NICOLLS, Godly newe story, fol. Biiir; diese Kritik teilt Nicolls freilich mit einer Schar protestantischer Autoren. Siehe dazu DAVIES, ‚Poor Persecuted Little Flock‘, S. 86, 89-91 sowie DIES., Religion of the Word, Kap. 1, S 18-66. Siehe NICOLLS, Godly newe story, fol. Bviiir. Luke SHEPHERD, Doctour Doubble Ale, London 1548 (STC2 7071/Bodleian Library); cf. Janice C. DEVEREUX, Protestant Propaganda in the Reign of Edward VI. A study of Luke Shepherd’s Doctor Doubble Ale, in: Eric Josef Carlson (Hg.), Religion and the English People 1500-1640. New Voices, New Perspectives, Kirksville 1998, S. 121-146. Dazu NICOLLS, Godly newe story, fol. Cir-v. NICOLLS, Godly newe story, fol. Gir. Diesen Punkt spricht er mehrfach an. Siehe auch fol. Bvr: „Lykewyse the people herkened to the voice of the messengers and let the voyce of the lord go.“ Siehe NICOLLS, Godly newe story, fol. Bviiir-Cir; in einem anderen Werk preist Nicolls seinen Patron, Sir Peter Carew, als ein Vorbild im Kampf gegen Idolatrie und für einen wahrhaftigen Glauben an Gott. Siehe Philip NICOLLS, The copie of a letter sente to one maister Chrispyne chanon of Exceter for that he denied ye scripture to be the touche stone or trial of al other doctrines, London 1548 (STC2 18575/British Library), fol. Aiiirv ; cf. DAVIES, Religion of the Word, S. 151 mit weiteren Beispielen.

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welche das Gemeinwesen von den Plagen der Wüste befreien und es auf den Weg zu Gott bringen könne.66 In diesem Sinne war die Wüste kein normenfreier Raum, sondern hier sollte den Israeliten ein neues Gesetzeswerk aufoktroyiert werden, welches im Einklang mit den göttlichen Vorgaben stehen müsse.67 Derart gerät die Zeit in der Wüste zugleich zu einer Art Umerziehungsphase, in der die Masse des Volkes allmählich von ihren alten Traditionen ablassen und die neuen Regeln verinnerlichen soll.68 Philip Nicolls sah also letztlich den einzigen Weg aus der Wüste in einem Vorwärtsdrang, der eine Reform im Sinne der Gottheit bringen muss und in der Folge dem erwählten Volk der Engländer das verheißene Land eröffne. Gleichfalls erkannte er die grundsätzliche Unsicherheit wie Ungewissheit der Situation in der Wüste, die ihn und andere Reformer dazu veranlasst haben mag, ihre innovativen Ziele bestmöglich in eine von Heinrich VIII. abgeleitete Traditionslinie einzupassen, um damit nicht zuletzt die Autorität des aktuellen Regimes zu stärken.69 Die Rahmung der zeitgenössischen Umstände in das Sinnbild der Wüste offenbart vor diesem Hintergrund sowohl die Probleme, mit denen die englischen Reformer in dieser Phase zu kämpfen hatten, als auch den Weg, den sie zur Lösung beschreiten wollten. Aus Sicht der aktuellen Forschung stellt sich diese Rahmung der Vorgänge als Äquivalent zur Konstruktion einer Krisensituation dar, wobei unter dem Begriff die Zusammenführung einzelner Fakten zu einem spezifischen Ereigniszusammenhang durch einen Beobachter zu verstehen wäre. 70 Der Einsatz einer solch verstandenen Krisensemantik sagt somit in erster Linie nichts über die ‚objektive Be66

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68 69

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Vgl. NICOLLS, Godly newe story, fol. Bviiiv: „And therfor yet once agayne […] do I exhort you (O ye Magystrates and hygh rulers) […] that due punyshment maye be had for suche outeragyous wickednes to the[n]tent that the Lorde maye the sonner wythedrawe hys plague from vs, and hys mercye take place in repentaunte hartes by faythe converted.“. Derartige Passagen rechtfertigten somit einerseits bereits eingeführte, neue religiöse Vorgaben wie das Book of Homilies, präfigurierten zugleich aber auch kommende Neuerungen wie das Book of Common Prayer! Vgl. dazu auch WALZER, Exodus und Revolution, S. 63. John POCOCK, Machiavellian Moment, S. 172 vermerkte dazu sehr treffend: „Innovation is the theme. It is the most difficult and dangerous of human enterprises for reasons which we already know. It makes enemies who are fervent because they know what they have lost, and friends who are lukewarm because they do not know what they have gained, not having yet had enough experience of it; precisely the problem of the fleshpots of Egypt.“ Grundsätzlich Thomas MERGEL, Einleitung: Krisen als Wahrnehmungsphänomene, in: Ders. (Hg.), Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen [Eigene und fremde Welten, Bd. 21], Frankfurt a. M./New York 2012, S. 9-22; Rudolf SCHLÖGL, Anwesende und Abwesende. Grundriss für eine Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, Konstanz 2014, S. 347-373; DERS., ‚Krise‘ als historische Form der gesellschaftlichen Selbstbeobachtung. Eine Einleitung, in: Ders. / Philip R. HoffmannRehnitz / Eva Wiebel (Hgg.), Die Krise in der Frühen Neuzeit, Göttingen 2016, S. 9-31; Reinhart KOSELLECK, Art. „Krise“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 617-650.

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schaffenheit‘ einer historischen Situation aus. Sie dient der Präfiguration eines Ereigniszusammenhangs durch die Wahrnehmung als Krisenzustand, um dadurch Handlungsoptionen, und häufig sogar Handlungsnotwendigkeiten, ableiten zu können. In diesem Sinne transportiert eine Krisensemantik die Aufforderung zum Handeln und benennt oftmals die laufende Gegenwart als Zeitraum, in dem dieses Handeln realisiert werden müsse.71 Aufgrund dieses Potentials zur Veränderung hat Thomas Mergel im Anschluss an ethnologische und philosophische Arbeiten die Krise selbst als „liminale Phase“ beschrieben, die einen Moment des Übergangs beschreibe, in dem „das Alte im Sterben liegt und das Neue noch nicht geboren ist“. 72 Aus Sicht der eduardianischen Reformer stellte die Phase zwischen 1547 und 1550 für das Gemeinwesen eine derart prekäre Situation dar. Außenpolitisch in Kriege mit Schottland und Frankreich verstrickt, sah man sich zugleich im Innern Unruhen und Widerständen gegenüber. Die Unsicherheit und Ungewissheit dieser Situation übersetzte ein Autor wie Philip Nicolls in das Bild der Wüstenerfahrung. Dieser Vorgang deutet auf eine zentrale Funktion der Erwählungsvorstellungen dieser Zeit hin, die darin bestand, als Interpretament der außen- und innenpolitischen Lage zu dienen. Die Vorstellung einer besonderen Beziehung zu Gott beeinflusste jedoch nicht nur in je spezifischer Art und Weise die Wahrnehmung und Interpretation der bestehenden Konflikte, sondern führte in der Folge auch zum Postulat innovativer Neuerungen, die freilich an den konkreten kommunikativen Kontext angepasst wurden. Anhand von zwei Fallbeispielen soll nachfolgend den unterschiedlichen Ausformungen des englischen Erwählungsdenkens der Zeit nachgegangen werden. Im Hinblick auf die inneren Verhältnisse soll die so genannte Prayer Book Rebellion als konkreter Konflikt dienen, in dem die Problematik des Übergangs von alten Traditionen zu neuen Vorgaben greifbar wird. Dieser Konflikt erscheint gerade deshalb von besonderer Bedeutung, weil es sich hierbei um eine Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über das henrizianische Erbe handelte. Die Konstruktion einer Traditionslinie, die ihren Ausgang in den frühen 1530er Jahren nahm und nun unter Eduard ihrem quasi logischen Ende entgegen gehen sollte, brachte die notwendige Betonung weitergehender Reformen für das englische Gemeinwesen mit sich. Noch war das Gelobte Land nicht erreicht; es mussten immer noch zahlreiche papistische Praktiken und Vorstellungen ausgemerzt werden. Diese selbstreflexive Form der Erwählungsvorstellung thematisierte die inneren Verhältnisse und gab im Rahmen einer fundamentalen Entscheidung den Weg zu Gott und der Erlösung einzig im Sinne weiterer Reformen und Neuerungen vor. Die Alternative war eine Rückkehr in die Knechtschaft Ägyptens – zurück in den Schoß der Papstkirche. Freilich richteten sich die Logiken der Mosaischen Unterscheidung in diesem Zusammenhang nicht primär gegen das Papsttum und die Amtskirche, sondern gegen weite Teile des henrizianischen Vermächtnisses. Die Prayer Book Rebellion markiert in dieser Hinsicht einen Konflikt, in dem durch die Aktualisierung einiger zentraler Bestandteile der henrizianischen Erwählungsvorstellungen der frühen 1530er Jahre der Konsens der späteren Regierungszeit des alten Königs seitens der Reformer zerstört werden sollte.

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Vgl. SCHLÖGL, Anwesende und Abwesende, S. 350f; DERS., Krise, S. 12. MERGEL, Einleitung, S. 15; analog beschreibt Uwe Lindemann die Wüste als „lieu de passage“. Siehe LINDEMANN, Wüste, S. 65.

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Während die Erwählungsvorstellungen in dieser Hinsicht dazu dienten, die inneren Verhältnisse kritisch zu reflektieren und weitreichende Reformen anzumahnen, kann eine zweite Ausformung des Gedankengutes beobachtet werden, die sich vor allem in der Darstellung nach außen manifestierte. Vor dem Hintergrund des Krieges mit Schottland fungierte die Idee der göttlichen Erwählung als Motiv der ‚Versicherheitlichung‘ einer Politik, die mehrheitlich abgelehnt und als gefährlich betrachtet wurde. Hier traten die selbstkritischen und reflexiven Züge der Erwählungsidee zugunsten einer offensiv vorgetragenen Selbstbestimmung deutlich zurück, über die ein Akt politischer Innovation beworben und mit Akzeptanz versehen werden sollte. Die Betonung lag in dieser Situation auf der Stellung des englischen Gemeinwesens als von Gott in besonderer Weise begünstigtes und erwähltes Volk. Im Gegensatz zu den inneren Konstellationen lassen sich hier jedoch deutliche Kontinuitäten zur Regierungszeit Heinrichs VIII. ausmachen, die unter Eduard VI. zugespitzt worden sind.

3. D AS ‚M URREN ‘ IN DER W ÜSTE : D IE P RAYER B OOK R EBELLION Nachdem die Israeliten durch Moses und Aaron aus der Gefangenschaft des Pharaos befreit worden waren, began für sie eine Zeit physischer und spiritueller Qualen und Prüfungen. Das Buch Exodus ist voller Beispiele, die zeigen, wie häufig und unter welchen Umständen ‚das Volk‘ in der Wüste gegen seine Führer aufbegehrt – im Jargon der Bibel: gemurrt – hat.73 Die Gründe für das Murren des Volkes waren zumeist rein materieller Natur, vermissten sie auf ihrem beschwerlichen Weg häufig etwa Wasser und Speisen. Die Israeliten erlebten die Wüste als lebensfeindlichen Raum und eine Zeit des Mangels und der Entbehrungen. Vor diesem Hintergrund kam es des Öfteren dazu, dass ganz grundsätzlich an der Entscheidung, aus Ägypten fortzuziehen, gezweifelt wurde. Mehr noch erschien das vergangene Leben in Ägypten im Lichte der gegenwärtigen Situation als durchaus angenehmer Zustand, der zumindest in materieller Hinsicht ausreichend Essen und Wasser verhieß, weshalb einige Personen eine Rückkehr nach Ägypten herbeisehnten. So heißt es in Exodus 16, 3 auf das Murren des Volkes: „And the children of Israel said unto them, Would to God we had died by the hand of the Lord in the land of Egypt, when we sat by the flesh pots, and when we did eat bread to the full; for 74 ye have brought us forth into this wilderness, to kill this whole assembly with hunger.“

Eine ähnliche Passage findet sich im Buch Numeri:

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Siehe etwa Exodus 15, 23-24; Exodus 16, 1-2; Exodus 17, 3; vgl. dazu auch FISCHER / MARKL, Exodus, S. 176-195; WALZER, Exodus und Revolution, S. 51-79; ASSMANN, Exodus, S. 305-325 zählt insgesamt 14 Szenen der Rebellion, Meuterei oder des Aufbegehrens. Zitiert nach der King James Bible.

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„[A]nd the children of Israel also wept again, and said, Who shall give us flesh to eat? We remember the fish, which we did eat in Egypt freely; the cucumbers, and the melons, and the leeks, and the onions, and the garlick: But now our soul is dried away: there is nothing at all, 75 beside this manna, before our eyes.“

So illustrieren diese Beispiele einen Vorgang, wie er für die Herstellung einer gesellschaftlichen Krise beschrieben worden ist. Beobachtete und erfahrene Notlagen, Mängel oder generell Situationen erhöhter Unsicherheit werden derart als negatives Omen gedeutet, verallgemeinert und in der Folge von den Betroffenen als grundsätzliche Zweifel am Gesamtkonstrukt geäußert. In diesem Fall stellen sie die von Moses verheißene Aussicht auf das Gelobte Land in Frage und streben zu altbekannten Ufern zurück. Hiermit wird freilich zugleich die Autorität Moses in fundamentaler Weise in Frage gestellt. Michael Walzer bemerkte angesichts eines derartigen Verhaltens treffend, dass die Wüste den Typus des ‚Murrers‘ hervorbringe. Und tatsächlich scheint sich „die schreckliche Kargheit“ (Walzer) der Ödnis schwer auf die Gemüter der marschierenden Menschen zu legen und ihre Zweifel am Erreichen des Gelobten Landes zu schüren. Angesichts manifester Gefahren und Unsicherheiten verlangen sie nach sofortiger Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse und vergessen darüber das angestrebte Ziel.76 Es eröffnet sich hier ein Konflikt zwischen den Anführern, die das anvisierte Ziel streng vor Augen haben und deshalb bereit sind, etwaige Strapazen und Entbehrungen zu erdulden, und der Masse des Volkes, das nach einer gegenwärtigen Versicherung verlangt und die zukünftige Verheißung nicht in dem selben Maße teilen kann. Im Extremfall kann dieser Wunsch nach einer umgehenden Befriedigung grundlegender Bedürfnisse dazu führen, dass sich die Mehrzahl des Volkes nach altbekannten Sicherheiten zurücksehnt.77 So heißt es im Buch Numeri, nachdem wieder einmal eine Krise anstand: „And wherefore hath the Lord brought us unto this land, to fall by the sword, that our wives and our children should be a prey? were it not better for us to return into Egypt? And they said 78 one to another, Let us make a captain, and let us return into Egypt.“

Eine Rückkehr nach Ägypten ist angestrebt, ein Zurück zu den Fleischtöpfen, zu Fisch, Melonen und Zwiebeln, die man umsonst vom Pharao bekommen hätte. Freilich hieße dies gleichsam ein Zurück in die Versklavung, eine Rückkehr unter das Joch eines tyrannischen Herrschers, wie es bereits Philip Nicolls angemerkt hat. 79 75 76 77

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Numeri 11, 4-6, zitiert nach der King James Bible. Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 59-64. Robert Crowley warf genau dieses „fleischliche Verlangen“ dem Großteil der englischen Bevölkerung vor und identifizierte es als eines der grundlegenden Übel der gegenwärtigen gesellschaftlichen Lage. Siehe Robert CROWLEY, The confutation of the xiii. articles, wherunto Nicolas Shaxton, late bishop of Salilburye [sic!] subscribed and caused to be set forth in print […], London 1548 (STC2 6083/British Library), fol. Bvir: „The cause of al thys is none other, but that they be altogyther fleshe, and thynke the satisfiynge of the fleshly desyres to be the gyftes of God“. Numeri 14, 3-4, zitiert nach der King James Bible. Vgl. NICOLLS, Godly newe story, fol. Bviir.

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Warum streben die Israeliten trotzdem in diese Richtung? Unzweifelhaft besteht die Antwort in der Analyse der Wüste selbst. Sie ist ein Raum des Überganges – voller Gefahren und Unsicherheiten. Die Wüste scheint aber auch eine Möglichkeit des Wandels zu enthalten, die aus den einstmals ägyptischen Sklaven wahre Knechte Gottes macht. In diesem Sinne wären die Prüfungen und Entbehrungen eine Form der Läuterung, eine „Schule der Seele“ (Walzer), die für einen derart grundsätzlichen Übergang unbedingt vonnöten sei. „Denn ein plötzlicher Übergang von einem Gegensatz zu einem anderen ist unmöglich […] es liegt nicht im Wesen des Menschen, daß er, nachdem er im Sklavendienst aufgezogen wurde 80 […] mit einemmal den Schmutz (der Sklaverei) von seinen Händen waschen kann.“

Die Ödnis stellt eine liminale Phase dar, in der Altes verabschiedet und Neues angenommen werden sollte.81 Je radikaler sich der Übergang am Ende gestaltet, desto mehr muss er durch bestimmte Formen einer Versicherung begleitet werden. Einmal mehr erscheint somit die Wüste als hochgradig kontingenter und transitorischer Zustand, indem über den weiteren Weg des Gemeinwesens verhandelt wird. Sie ist demnach eine Krisensituation fundamentalen Ausmaßes, in der sich unterschiedliche Vorstellungen der Ausgestaltung und Organisation eines Gemeinwesens begegnen. Den neuen Normen und Vorschriften der Anführer steht dergestalt die Tradition Ägyptens entgegen, von der sich die Masse des Volkes lösen muss, weil sie ansonsten niemals im Gelobten Land ankommen werden. Gleichwohl zeigt das Vorbild sehr genau, dass der Enthusiasmus und die Absichten einer Gruppe von Reformern nicht von allen geteilt werden. Im Gegenteil nutzt das Volk jede sich bietende Gelegenheit, um gegen die neuen Regeln aufzubegehren. In der Geschichte des Murrens offenbart sich der Grundzug dessen, was in der Zeit zwischen 1547 und 1550 in England geschehen ist. Die neue Politik des Regimes um den als Protektor eingesetzten Eduard Seymour hatte in den Augen eines Teils der Bevölkerung eine Situation akuter Unsicherheit evoziert, indem wesentliche Setzungen der henrizianischen Ära hinterfragt und abgeschafft worden waren. Als Reaktion kam es zu vielen kleineren und einigen größeren Aufständen, Unruhen, Tumulten und offenen Rebellionen.82 Eine davon, die sog. Prayer Book oder auch Western Rebellion soll im nachfolgenden Abschnitt als Fallstudie dienen, um einerseits die hier kollidierenden, unterschiedlichen Auffassungen einer Gesellschaftsordnung aufzuzeigen. Wichtig erscheint dies, weil es hier zu einem Kampf um die Deutungshoheit über das henrizianische Erbe kam, der sich in konkurrierenden und

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Moses MAIMONIDES, Führer der Unschlüssigen, zitiert nach: WALZER, Exodus und Revolution, S. 63. So auch die Interpretation von FISCHER / MARKL, Das Buch Exodus, S. 176f; ASCHE / NIGGEMANN, Migrationen und Mythen, S. 28f; LINDEMANN, Die Wüste, S. 65. Siehe dazu etwa die Überblicke bei Francis GODWIN, Annals of England […], London 1675 (Wing G 968/University of Michigan Libraries), hier S. 134-136; Raphael HOLIN2 SHED, The Third volume of Chronicles […], London 1587 (STC 13569/Henry E. Huntington Library), S. 1002-1007.

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sich gegenseitig ausschließenden Traditionslinien niederschlug. 83 Andererseits ist es von zentraler Bedeutung, wie die Obrigkeit an die Erwählungspolitik Heinrichs VIII. versuchte anzuknüpfen. Die Weiterentwicklung der unter Heinrich etablierten Erwählungsvorstellung im Rahmen des Exodus-Narrativs ermöglichte in dieser Situation eine spezifische Modellierung der Rebellion als Murren in der Wüste. Dies lieferte den Reformern die Grundlage, um den Aufstand insgesamt zu delegitimieren und gleichzeitig für die Einführung weiterer Innovationen einzutreten. Die Untersuchung eines konkreten Konfliktes soll dabei weniger auf dessen vermeintliche oder reale kurz- und mittelfristige Ursachen abzielen, sondern vielmehr den ideellen Kontext analysieren. In Anlehnung an eine Forderung Stephen Alfords muss es hierbei primär um die Sichtbarmachung und Analyse einer ‚dritten Dimension‘ gehen, die den geistigen Horizont der Zeit rekonstruiert, in dem sich die Akteure bewegten und in welchem die zeitgenössischen Prozesse abliefen.84 Erst aus dem Spannungsfeld von praktischer Politik, sozio-ökonomischen Entwicklungen und deren ideellem bzw. ideologischem Kontext können dergestalt zuletzt valide Aussagen über die politische Kultur einer Zeit sowie jene Kämpfe um eine bestimmte Gesellschaftsordnung getroffen werden. Die Prayer Book Rebellion war in erster Linie ein Konflikt um die Übertragung und Anerkennung der königlichen Suprematie und des in der königlichen Erwählung enthaltenen Innovationspotentials von der Zeit Heinrichs VIII. auf Eduard VI. und dessen Regierung. Dieser Konflikt um die Möglichkeit der Durchsetzung und Anerkennung des modifizierten Erwählungsdenkens schlug sich im Kampf um die Deutungshoheit über das Erbe des verstorbenen Königs nieder und stellte ganz im Sinne Alfords jene ‚dritte Dimension‘ dar, in der sich nunmehr Tradition und Innovation gegenüberstanden, und die sich durch den Rekurs auf das erwählte Volk in der Wüste im Sinne des Exodus auszeichnete. Dieser ideelle Konflikt hatte freilich Auswirkungen auf die Organisation und Lebensgestaltung jeder Gemeinde und jedes einzelnen Gläubigen, was den Auseinandersetzungen um die Prayer Book Rebellion eine besondere Brisanz verlieh. 3.1 Der historische Kontext Zwischen den Jahren 1547 und 1550 kam es zu mehreren schwerwiegenden Erhebungen innerhalb des englischen Gemeinwesens, worunter sich nicht zuletzt zwei große ‚Rebellionen‘ befanden, die weite Teile des Landes verheerten. Traditionell werden sie geographisch wie inhaltlich voneinander geschieden.85 Die Western oder 83 84

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Siehe RYRIE, Slow death; DERS., Paths not taken in the British Reformations, in: HJ 52 (2009), S. 1-22. ALFORD, Politics and Political History, S. 543: „Studies of language and culture can challenge traditional perceptions of a period, adding a third dimension to practical politics, and establishing the intellectual context of the actions of individuals.“; Ähnliches hatte bereits John Guy für die Untersuchung der henrizianischen Zeit vehement gefordert. Siehe GUY, Cromwell and the intellectual origins of the Henrician revolution, S. 213f und passim. Klassisch dazu Diarmaid MACCULLOCH, Kett’s Rebellion in Context, in: P & P 84 (1979), S. 36-59. Dagegen plädiert die neueste Studie zu diesem Bereich für eine stärker zusammenfassende Betrachtung der einzelnen Aufstände und Rebellionen der Zeit. Siehe

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auch Prayer Book Rebellion vollzog sich in Cornwall und Devon. In der Regel werden als ausschlaggebende Faktoren für die Erhebungen im Südwesten Englands drei Kernelemente angenommen: eine umfangreiche Wirtschaftskrise, Unzufriedenheit mit den religiösen Neuerungen, insbesondere nach der Einführung des Prayer Book, sowie die Schwäche der Regierung.86 Ähnlich wie im Falle der Pilgrimage of Grace gibt es in der englischsprachigen Forschung eine lebhafte Debatte darüber, ob bestimmte Begründungen den Vorzug vor anderen bekommen sollten und welche dies gegebenenfalls sein könnten. Ältere Arbeiten tendierten dazu, den Zeitgenossen in deren Einschätzung der Situation weitgehend zu folgen und nahmen als leitende Gründe vor allem religiöse Probleme an.87 Ökonomische Ursachen vermuteten daneben eher Joyce Youings und Robert Whiting. 88 Demgegenüber hat zuletzt Helen Speight ein eindeutiges Plädoyer für eine politische Krise gehalten, die aus der Kombination einer schwachen Zentralregierung, einem Machtvakuum in Devon nach der Hinrichtung des Marquis von Exeter (1538) sowie damit einhergehenden Rivalitäten zwischen lokalen Eliten entstanden sei. Eine erhebliche Rolle spielt in ihrer Darstellung der nach der Hinrichtung Exeters dort eingesetzte John Russell, der es versäumt hätte, sich im Südwesten zu akklimatisieren, dort einen stabilen Haushalt aufzubauen und Verbindungen zu den lokalen Eliten zu knüpfen.89 Stattdessen sei er vor allem durch kontinuierliche Abwesenheit aufgefallen, was nicht nur zu einer signifikanten Beeinträchtigung der Kommunikation zwischen Cornwall, Devon und dem Zentrum geführt, sondern auch die bestehenden Faktionskämpfe unter den lokalen Eliten zusätzlich stimuliert hätte.90 Damit wiederholen sich für das Beispiel der Prayer Book Rebellion annähernd jene Debatten, die von anderen Forschern für die Pilgrimage of Grace geführt worden sind bzw. werden. Im Grunde kann somit die Kritik, die an den Arbeiten zur Pilgerfahrt der Gnade angebracht worden ist, für die Diskussionszusammenhänge der 1549er Rebellionen wiederholt werden: Eine Rebellion von derartigen Ausmaßen kann nicht auf einen einzigen, letztlich enscheidenden Faktor redu-

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Andy WOOD, The 1549 Rebellions and the Making of Early Modern England, Cambridge 2007. Grundlegend zur Western Rebellion: Frances ROSE-TROUP, The Western Rebellion of 1549, London 1913; Joyce YOUINGS, The South-Western Rebellion of 1549, in: Southern History 1 (1979), S. 99-122; Barrett L. BEER, Rebellion and Riot. Popular Disorder in England during the Reign of Edward VI, verb. Neuauflage, Kent 1982, S. 38-81; FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 54-66; Alfred L. ROWSE, Tudor Cornwall. Portrait of a Society, Reprint Redruth 1990, S. 253-290. So etwa ROSE-TROUP, Western Rebellion; Julian CORNWALL, Revolt of the Peasantry, 1549, London 1977 und zuletzt auch Philip CARAMAN, The Western Rising 1549. The Prayer Book Rebellion, Tiverton 1994. Siehe YOUINGS, South-Western Rebellion sowie WHITING, Blind Devotion, S. 34-36. Russells Aufstieg hing eng mit dem Fall von Henry Courtenay, Marquis of Exeter, zusammen. Heinrich VIII. ernannte Russell 1539 zum Baron und machte ihn zum einflussreichsten Adligen in Cornwall und Devon. Siehe Diane WILLEN, Art. „Russell, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017]. Vgl. Helen SPEIGHT, Local Government and the South-Western Rebellion of 1549, in: Southern History 18 (1996), S. 1-23.

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ziert werden. So wäre es auch für die Erhebungen des Jahres 1549 naheliegender, von sozial äußerst heterogenen Gebilden auszugehen, da hier eine ganze Reihe unterschiedlicher sozialer Akteure partizipierten. Neben die im Einzelnen sicherlich vorhandenen sozio-ökonomischen oder lokalpolitischen Forderungen treten im Hinblick auf die Prayer Book Rebellion zudem geographische Differenzen. Für die Bewegung insgesamt wird derart die Frage aufgeworfen, was den unterschiedlichen Interessen letztlich ein Einheit stiftendes Moment verliehen hat. Eamon Duffy hat in seiner stupenden Studie zur Ortschaft Morebath in Devonshire zuletzt nochmals betont, dass die Differenzierung zwischen ökonomischen, sozialen und religiösen Ursachen eine zutiefst moderne Sicht der Dinge sei, die gerade aus diesem Grund den Kern der Sache verfehle.91 Vielmehr seien – wie Andy Wood im Anschluss an Duffy anmerkte – religiöse Faktoren in dieser Zeit aufs Engste mit anderen gesellschaftlichen Bereichen verquickt gewesen.92 In diesem Sinne ist für die Frage nach einem einenden Element weniger eine kurzfristige Ursachenanalyse erfolgversprechend, sondern eine Einbettung der Erhebung in den Kontext der Zeit. Demzufolge muss auf der Ebene der artikulatorischen Praktiken danach geschaut werden, wie die Zeitgenossen sich selbst und ihren Aufstandsversuch stilisiert, an welche Diskurse sie angeschlossen und welche Forderungen sie wie platziert haben. Mit anderen Worten soll jene dritte Dimension nach Alford sichtbar gemacht werden, über die – so die These – eine massierte Attacke auf die gegenwärtigen Neuerungen in religiöser, aber gleichsam auch in sozialer, ökonomischer sowie in politischer Hinsicht geführt werden sollte. Gerade in der Abgrenzung zu diesen Neuerungen findet sich sodann jenes Kohäsion versprechende Moment, welches die Rebellion im Innern zusammenhalten sollte.93 Vor diesem Hintergrund scheint die religiöse Erklärung eine Richtung vorzugeben. Aber auch hier gilt, dass es weniger um Spezifisches an sich geht, sondern vielmehr darum, dass aus der religiös begründeten Ablehnung des Prayer Books der gemeinsame Kampf für einen bestimmten Lebensstil geformt wurde. Es deutet sich an, dass in exakt diesem Kampf jene dritte Dimension des Konfliktes aufscheint, in der sich die einzelnen Klagen und Forderungen zu einem eigenen Wahrheitsregime verdichteten, welches nachgerade eine traditionelle Interpretation der henrizianischen Herrschaftszeit repräsentierte und damit eine alternative Version zu den Konstruktionen der Reformer anbot. Der Widerstand gegen die religiösen Neuerungen, die zudem mit der Auflösung der chantries, der Kommission zur Inventarisierung der Kirchengüter, der königlichen Injunctions sowie zuletzt der Einführung des Prayer Book 91

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Vgl. DUFFY, Voices of Morebath, S. 141: „There has been a tendency for historians to try to assign either religious or secular motives for Tudor rebellions, as if they could be neatly separated. […] But there was no such thing in Tudor England as ‚religious causes alone‘, for religion was inextricably woven into social fabric“. Siehe WOOD, 1549 Rebellions, S. 181, der sich seinerseits stark bezieht auf Heiko A. OBERMAN, The Gospel of Social Unrest, in: Robert Scribner / Gerhard Benecke (Hgg.), The German Peasant War of 1525 – New Viewpoints, London u.a. 1979, S. 39-51. Dieser Ansatz darf nicht mit der Suche nach einem letztlich entscheidenden Grund verwechselt werden. Der Unterschied besteht hauptsächlich darin, dass hier danach gefragt wird, wogegen man sich auflehnte und nicht primär, wofür man stand. Es ist am Ende das gemeinsam geteilte Feindbild, über das sich eine ‚Gruppenidentität‘ konstituiert.

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äußert präsent waren, vereinte somit die einzelnen Punkte im Gegensatz zur aktuellen Politik und fundierte diesen ideellen Horizont im Rückgriff auf ein henrizianisches Erbe. 3.2 Die Forderungen der Aufständischen und der Aufbau einer henrizianischen Tradition Entscheidend für die Analyse der Forderungen ist die Frage, welche Themen die unterschiedlichen Artikulationen letztlich im Diskurs setzten, wie diese aufeinander bezogen wurden und in welchem Verhältnis sie zu generellen gesellschaftlichen Problematiken standen. Der Chronologie von Anthony Fletcher und Diarmaid MacCulloch sowie Aubrey Greenwood zufolge waren die Forderungen der Devonshire-Aufständischen die ersten, auf die von offizieller Seite reagiert wurde. Diese lassen sich allerdings nur noch aus der publizierten Erwiderung Eduard Seymours rekonstruieren.94 Demnach zerfallen ihre Artikel in mindestens zwei größere Blöcke: Auf der einen Seite standen konkrete Kritikpunkte an den jüngsten Veränderungen des Gottesdienstes. So wurde beispielsweise die Verordnung, Neugeborene nur noch an Sonn- und Feiertagen zu taufen, strikt abgelehnt.95 Der zweite Punkt betraf die Substitution der Oblate durch einfaches Brot, was ebenfalls Unmut erregt hatte. Ferner geriet der neue Ablauf des Gottesdienstes zum Stein des Anstoßes, wobei insbesondere die Umstellung der Sprache vom Lateinischen ins Englische erheblichen Widerstand evozierte.96 Zuletzt wurde die neue Form der Konfirmation (engl. confirmation) angeprangert. Während sie vormals traditionell im Alter von sieben Jahren vollzogen wurde, verlangte das Prayer Book nun ein Minimum an Wissen um den bestehenden Katechismus. In der Praxis führte diese Bestimmung eine Art Altersbeschränkung ein, da die Heranwachsenden Zeit benötigten, um sich dieses Grundlagenwissen anzueignen, das sodann im Rahmen der Konfirmation überprüft werden sollte.97 An diese konkreten Forderungen schloß sich eine zweite Gruppe an, die einen umfassenderen Impetus aufwies. So wurde primär die Restitution des Act of Six Articles verlangt, wie er unter Heinrich VIII. eingeführt worden war. 98 Dieses Gesetz 94

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Siehe A message sent by the kynges Maiestie, to certain of his people, assembled in Deuonshire, London 1549 (STC2 7506/Bodleian Library); die Tatsache, dass sich die meisten Forderungen der Aufständischen lediglich als Sekundärquelle erhalten haben, führt zu methodischen Problemen bei der Analyse. Im Einzelnen wurden diese bereits behandelt bei Aubrey R. GREENWOOD, A Study of the Rebel Petitions of 1549, unveröffentlichte PhD-Thesis, Manchester 1990, S. 15 & S. 22-25. Siehe A message sent by the kynges Maiestie, fol. Avr-Avir. Vgl. dazu auch die Bestimmung „Of the Administracion of publique Baptisme to bee vsed in the Churche“, in: The booke of the common praier […], London 1549 (STC2 16275/Pepys Library), fol. Pviv. Vgl. A message sent by the kynges Maiestie, fol. Avir-Bir; siehe zum neuen Ablauf The booke of the common praier, fol. Oiv-Ovir. Vgl. The booke of the common praier, fol. Qvr-v; GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 44. Vgl. A message sent by the kynges Maiestie, fol. Biiir.

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solle gelten, bis Eduard VI. die Volljährigkeit erreicht habe. 99 Das Postulat der Aufständischen korrespondierte in diesem Zusammenhang mit Aussagen, die im Zentrum getroffen worden waren. So gab es einen Parlamentsbeschluss, der Eduard die Möglichkeit einräumte, mit dem Erreichen seines 24. Lebensjahres alle bis dato in seinem Namen verabschiedeten Gesetze und Ordnungen aufzuheben.100 Auf diese legalistische Position konnten sich viele altgläubige Vertreter zurückziehen, um die drohende Gefahr etwaiger religiöser Neuerungen in eine ferne Zukunft zu verlagern und den unter Heinrich VIII. in seinen späteren Jahren eingeführten Kompromiß zu zementieren. Als prominentes Beispiel kann Stephen Gardiner genannt werden, der explizit betonte, dass alle religiösen Neuerungen nur von geringer Bedeutung sein konnten, wenn diesen die Autorität des aus eigenem Recht regierenden Königs fehle. Prinzessin Maria setzte hinzu, sie würde solange den alten Glauben praktizieren bis Eduard volljährig sei, da für sie Protektor Somerset über keine königliche Autorität verfüge.101 Diese drei Punkte entwickelten sich in der Folge zum Kern einer Argumentationslinie, die sich gegen die von der Obrigkeit verordneten Neuerungen wandte. Entscheidend war die Tatsache, dass sich jene Argumente nicht auf das Papsttum beriefen, sondern den Versuch unternahmen, an die Spätzeit Heinrichs VIII., vor allem nach dem Erlass der Sechs Artikel, anzuknüpfen. Das heißt, der evangelischen Vereinnahmung der frühen Reformation unter dem alten König wurde hier eine alternative henrizianische Traditionslinie entgegengesetzt, die ihren Ausgang hinwiederum in der Spätzeit nahm.102 So hatte Stephen Gardiner mehrfach betont, man solle alle Bestrebungen nach Reform zurückstellen, bis der König volljährig sei und in der Zwischenzeit den unter seinem Vater etablierten Gesetzen folgen. 103 Des Weiteren verwies Gardiner in seinen Briefen mit zunehmender Dringlichkeit darauf, dass die religiösen Neuerungen, wie sie sich etwa im Book of Homilies manifestierten, einer 99 Siehe A message sent by the kynges Maiestie, fol. Bivv. 100 Siehe STATUTES OF THE REALM IV, 1° Edw. VI, c. 11, S. 17f; diese Bestimmung wurde offensichtlich bereits unter Heinrich VIII. beschlossen. Siehe dazu ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 226. 101 Vgl. J. P. D. COOPER, Propaganda and the Tudor State. Political Culture in the Westcountry, Oxford 2003, S. 60; YOUINGS, South-Western Rebellion, S. 104; ROSETROUP, Western Rebellion, S. 80, Anm. 2 & S. 226f; RYRIE, slow death of a tyrant, S. 79; zu Maria siehe Calendar of State Papers Domestic Series of the reign of Edward VI 1547-1553, rev. Ed., ed. von C. S. KNIGHTON, London 1992, hier Nr. 339: „[S]he [Mary – BQ] had said she would have the old service until the king came of age, and would not obey the protector’s laws because he was no king.“ 102 Eine mit dieser Annahme korrespondierende These ist zuletzt von Alec Ryrie für die Frage nach der Beurteilung der englischen Reformation geäußert worden. Siehe dazu RYRIE, Paths not taken. 103 Siehe etwa Gardiner to Somerset, 28. Februar 1547, in: The Letters of Stephen Gardiner, ed. von James Arthur MULLER, Cambridge 1933, Nr. 117, S. 265-267, hier S. 265; Gardiner wiederholt dies beständig. Siehe auch Nr. 120, S. 276-284, in: Ibid., hier S. 278; Nr. 121, S. 286-295, hier S. 290-292; Nr. 126, S. 361-368 ist eine vehemente Verteidigung des King’s Book gegen das frisch veröffentlichte Book of Homilies, wobei Gardiner auch hier anmerkt, Heinrich VIII. habe dergleichen nicht ohne eine Konvokation veranlasst.

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notwendigen Autorität mangeln würden und zudem bestehenden Gesetzen widersprächen.104 Sein Rekurs auf das legalistische Argument wurde erst mit der Revokation sämtlicher religiösen Bestimmungen infolge des Acts for the Repeals of certaine Statutes concerninge Treasons, Velonyes, & c. hinfällig.105 Was freilich blieb, war der Verweis auf eine unter Heinrich VIII. eingesetzte Ordnung, welche zumindest für Ruhe im religiösen Bereich sorgte und offensichtlich von einer Mehrheit des Volkes anerkannt wurde.106 In diesem Sinne berichtete zum Beispiel John Hooker von einer Unterredung in Sampford Courtenay, in deren Verlauf zwei nachmalige Rebellenführer den dortigen Priester zur Rede stellten und verlangten zu erfahren, welche Form des Gottesdienstes er fürderhin gedenke zu praktizieren. Auf die Erwiderung des Priesters, er wolle den bestehenden Gesetzen folgen und den neuen Ritus anwenden, antworteten die beiden dem Bericht Hookers zufolge: „Then they said that he shoulde not do so sayenge further that they woulde keepe the olde and auncient religion as theire forefathers before theym hadd donne and as kinge Henrye the eighte by his laste will and testamente had take[n] order that no alteration of religion shoulde be made 107 vntill kinge Edwarde his sonne were come to his full age.“

Eine ähnliche Einstellung in der Region wurde bereits im Zuge eines früheren Tumults deutlich. So hatte sich im April 1548 in Helston (Cornwall) ein Mob gebildet, der aufgestachelt vom dortigen Priester gewaltsam gegen den Archidiakon des Kirchensprengels vorging und diesen schließlich sogar tötete. Obwohl sich der betreffende Archidiakon William Body durch sein unsensibles und rücksichtsloses Verhalten bei der Durchsetzung der neuen Reformen die Antipathien der Kirchengemeinde zugezogen hatte, spielten bei dieser Tat neben persönlichen Abneigungen auch grundsätzliche Standpunkte eine Rolle. Bezeichnend nimmt sich dabei eine Aussage von John Resseigh, einem der beteiligten Yeoman, aus, der nach der Ermorderung Bodys auf dem Marktplatz von Helston verkündet haben soll: „That they would have all such laws as was made by the late King Henry the 8th, and none other, until the King’s Majesty that now is, accomplish the age of 24 years; and that whoso would defend Bodye, or follow such new fashions as he did, they would punish him like108 wise.“

104 Dazu Gardiner to the Privy Council, 30. August 1547, in: MULLER, Letters, Nr. 127, S. 368-373, hier S. 369-371 sowie Ders. to Somerset, um den 12. Juni 1547, in: Ibid., Nr. 123, S. 297f; ALFORD, Kingship, S. 59. 105 Vgl. STATUTES OF THE REALM IV, 1° Edw. VI, c. 12, S. 18-22. Hierdurch wurden etwa auch die Sechs Artikel aufgehoben. 106 Zumindest scheinen sich viele Gemeinden mit den unter Heinrich VIII. etablierten Vorgaben weitgehend arrangiert zu haben. Siehe dazu bspw. die Schilderung des Lebens in der Ortschaft Morebath bei DUFFY, Voices of Morebath, S. 84-117. 107 John HOOKER (alias Vowell), The Description of the Citie of Excester, ed. von W. J. Harte / J. W. Schopp / H. Tapley-Soper, 3 Bde., Exeter 1919-1947, hier Bd. 2, S. 57. 108 Fourth Report of the Deputy Keeper of Public Records, Appendix II, London 1843, S. 217-219; zum Vorfall mit William Body u.a. FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebel-

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Hier deutete sich bereits die Strukturierung eines Themenkomplexes an, dessen Kern aus dem Rekurs auf ein henrizianisches Erbe bestand. Der Trend, in schwerwiegenden religiösen Fragen Zuflucht in den Setzungen der späten Regierungszeit Heinrichs VIII. zu suchen, zeigte sich auch im zweiten Katalog von Forderungen, die nun von Aufständischen aus Devon und Cornwall gemeinsam aufgesetzt worden sind. Freilich liegen auch diese Artikel nur als Sekundärquelle vor, die zudem aus einem handschriftlichen Entwurf einer Entgegnung von Eduard Seymour herausdestilliert werden müssen.109 Neben der bekannten Restitutionsforderung der Sechs Artikel wurde nun in Ergänzung die Wiedereinsetzung der unter Heinrich VIII. bestehenden ‚Treason laws‘ postuliert. Darüber hinaus erschienen hier dezidiert regionale Themen. So lehnten etwa die Rebellen aus Cornwall die englische Gottesdienstordnung ab, weil sie sie nicht verstehen würden. Des Weiteren verweigerten sie sich dem neuen Prayer Book, weil es ohne Wissen des Königs eingeführt worden sei, was eine Modifikation des ursprünglichen Argumentes der fehlenden Autorität darstellte. Ferner kritisierten sie das konkrete Verhalten vieler eingesetzter Geistlicher vor Ort, welche die neuen königlichen Verordnungen nicht verständlich machen würden oder könnten und sich teilweise weigerten, vor der entsprechenden Abgabe Beerdigungen und Taufen vorzunehmen. Stein des Anstoßes war offenbar die neue Form der Konfirmation, wozu es anscheinend – zumindest in der Wahrnehmung der Betroffenen – gesonderten Unterrichts bedurfte, weil ansonsten das verlangte Basiswissen nicht hätte erlernt werden können.110 Ebenso machten sich die Rebellen offenbar Sorgen darüber, dass die neue, gemeinsame Kommunion von Männern und Frauen ‚eheliche Implikationen‘ nach sich ziehen könnte.111 Darüber hinaus bekamen die vereinten Forderungen eine zusätzliche sozioökonomische Stoßrichtung. So wurde vor allem die Einführung neuer Steuern beklagt und deren Aussetzung gefordert. Im Fokus standen hier die neuen Steuern auf wollene Kleidung sowie eine Art Kopfsteuer für Schafe.112 Das Gesetz verfolgte offenbar zwei wichtige Intentionen: Auf der einen Seite sollte es Geld akkumulieren, das für die Kriege gegen Schottland und Frankreich dringend benötigt wurde. 113 Auf der anderen Seite versuchte die Regierung darüber sehr wahrscheinlich der unkontrollierbaren Zunahme von Einhegungen entgegenzuwirken, die immer wieder Anlass von kleineren und größeren Tumulten und Unruhen gewesen waren.114

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lions, S. 54f; ROWSE, Tudor Cornwall, S. 253-258; ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 71-82; COOPER, Propaganda and the Tudor State, S. 58f. Siehe The kinges Mates answer to the supplicacon made in the name of his highnes subiectes of Devon and Cornwall, TNA, SP 10/8, fol. 17r-20v; vgl. auch die Bearbeitung bei ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 218. Vgl. The kinges Mates answer, fol. 17v: „Thorder of confirmacon ye seme not to mislike but yo[u] thinke your children shall not learne it except they go to scole“. Vgl. The kinges Mates answer, fol. 18r sowie ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 218; YOUINGS, South-Western Rebellion, S. 108f. Siehe das Gesetz in STATUTES OF THE REALM IV, 2° & 3° Edw. VI, c. 36, S. 78-93. Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der schottischen Kriege hat besonders betont BUSH, Somerset, S. 1-6 und passim. Vgl. The kinges Mates answer, fol. 18v & fol. 19v; dazu auch FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 61f; GREENWOOD, A Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 10.

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In die Beschwerden über neue Steuern mischten sich ferner Klagen über schlechte Ernten und eine Abnahme der Viehbestände, die zusammen zu einem erheblichen Mangel an Lebensmitteln und somit zu einer Hungersnot geführt hätten.115 Dieser Punkt musste eine besondere Sprengkraft entwickeln, da die Aufständischen offenbar zugleich den allzu sichtbaren Reichtum einiger königlicher Ratgeber und Beamter scharf kritisierten.116 Der Vorwurf zielte wohl darauf ab, die Einführung neuer Steuern als Akt einer (unrechtmäßigen) Bereicherung zu stilisieren, der in einer sozioökonomischen Notlage zusätzlich dazu beitragen würde, das ohnehin schon angeschlagene Land noch weiter auszubluten.117 Heikel gestaltete sich die Situation zudem, da eine drückende Inflation das Land heimsuchte, die die knappen Lebensmittel zusätzlich zu verteuern drohte. Die Regierung erkannte die Lage und versuchte nicht zuletzt aus diesem Grund, die Preise auf einige Grundnahrungsmittel wie Butter, Fleisch und Käse zu stabilisieren.118 Die kombinierten Forderungen der devonischen und kornischen Aufständischen, wie sie sich aus der Antwort des Lord Protektors deduzieren lassen, reproduzierten somit einerseits die ursprünglich religiösen Forderungen und Klagen, verschärften diese andererseits jedoch um eine sozio-ökonomische Dimension. Die Bandbreite einzelner Themen wuchs damit an, wodurch sich grundsätzlich eine zunehmende Anzahl an Menschen mit der Sache der Aufständischen identifizieren konnte. Gleichwohl gefährdete diese Ausweitung der Klagen auf andere gesellschaftliche Teilbereiche die innere Kohärenz der Bewegung. Aus diesem Grund erschien es geboten, die einzelnen Themen in einem übergreifenden Sinnhorizont zu vereinen und sie dadurch zu integrieren. Dieser schien sich in zunehmendem Maße durch den Rekurs auf eine spezifische Interpretation des henrizianischen Erbes zu etablieren. Hier115 Siehe The kinges Mates answer, fol. 20v. 116 So schreibt Somerset in einer Passage: „And thou some of them shulde be riche and welthie whiche is the gifte of god and reioyse of Princ[es] to haue welthie subiec[tes] so they haue it by trueth and do vs no wronge, what cause haue we agenst them?“ The kinges Mates answer, fol. 19r. 117 Zudem dürfen die finanziellen Folgen der Kriege für die einzelnen Gemeinden nicht unterschätzt werden. Aus Duffys Studie zu Morebath geht klar hervor, wie stark die Gemeinde durch immer neue Kriegsmittel bis an die Grenzen belastet wurde und gleichzeitig die neuen religiösen Bestimmungen ihr traditionelle Einnahmequellen wegnahmen. Siehe DUFFY, Voices of Morebath, S. 112-121. 118 Vgl. dazu YOUINGS, South-Western Rebellion, S. 105; zum Problem der Inflation, steigender Preise, der Münzverschlechterung sowie auch einer stetig ansteigenden Bevölkerung ferner DIES., Sixteenth-Century England, Harmondsworth u.a. 1984, S. 143-148; die finanziellen Probleme schildern Nicholas J. MAYHEW, Prices in England, 1170-1750, in: P & P 219 (2013), S. 3-39; Richard HOYLE, Taxation and the Mid-Tudor Crisis, in: EconHR 51 (1998), S. 649-675; Christopher E. CHALLIS, The Debasement of the Coinage, 1542-1551, in: EconHR 20 (1967), S. 441-466; LOACH, Mid-Tudor Crisis, S. 8, 10-12; zur wirtschaftlichen Situation insgesamt einführend George D. RAMSEY, Britische Inseln 1350-1650, in: Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, hrsg. von Wolfram Fischer / Hermann Kellenbenz et al., Bd. 3: Europäische Wirtschaftsund Sozialgeschichte vom ausgehenden Mittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts, Stuttgart 1986, S. 502-563.

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aus erwuchs zuletzt ein eigenständiger Diskurshorizont, der als gesellschaftlicher Gegenentwurf in Konkurrenz zum unter Eduard VI. etablierten Wahrheitsregime trat. Seinen markantesten Ausdruck fand dieser Gegenentwurf schließlich in den 15 Artikeln der vereinten kornischen und devonischen Aufständischen, die als zeitgenössische Kopie überliefert sind. Die Kopie wurde Ende Juli 1549 als Anhang eines Briefes von einem gewissen R. L., der sich zu jener Zeit im Lager von Lord Russell befand, nach London geschickt und dort in Druck gegeben. 119 Auffallend ist, dass sich die ersten zehn Artikel eindeutig auf religiöse und kirchenpolitische Belange bezogen und damit den grundlegenden Referenzrahmen etablierten. So finden sich die bereits bekannten Forderungen nach der Wiedereinsetzung der Sechs Artikel, der Messe in ihrer althergebrachten Form und auf Latein. Das Abendmahl solle nur an Ostern durch die Laien empfangen werden und nur in einer Gestalt, Weihwasser und Oblate regelmäßig sonntags geweiht werden. Hinzu kamen Forderungen nach Restitution der Bildnisse, der Pyxis bzw. dem Tabernakel über dem Altar sowie der Wiedereinführung althergebrachter kirchlicher Zeremonien und Praktiken wie Palmsonntag und Aschermittwoch. Ebenfalls abgelehnt wurde die neue Gottesdienst-ordnung, die man als „Christmas game“ diffamierte.120 Die Aufständischen forderten an dieser Stelle explizit die Wiederaufnahme des lateinischen Gottesdienstes, wobei als Zusatz in diesem Artikel vermerkt ist, dass die Menschen Cornwalls dies verlangten, da einige kein Englisch verstehen würden und sie darüber hinaus dieses „neue Englisch“ ablehnen würden.121 Ausdrücklich bestanden die Aufständischen darauf, dass jeder Priester und Prediger für die Seelen im Fegefeuer beten solle. Neu waren die Forderung nach Einzug der Bibel sowie aller Schriften, die sich auf Englisch mit der Bibel auseinandersetzten sowie die Aufforderung, zwei inhaftierte, altgläubige Kleriker freizulassen, die die Aufständischen in ihrem „katholischen Glauben“ unterweisen sollten.122 Als neuartig erwiesen sich die Forderungen nach einer Restitution der Hälfte des eingezogenen Kirchenlandes, egal in welchem Besitz es sich gegenwärtig befände, sowie nach der Übereignung der gesamten Almosen für die nächsten sieben Jahre. Etwas irritierend für die Forschung hat sich lange die Aufforderung dargestellt, man solle Kardinal Reginald Pole begnadigen und ihn gar zu einem Berater des Königs 119 Vgl. R. L., A Copye of a Letter contayning certayne newes, & the Articles or requestes of the Deuonshyre & Cornyshe rebelles, London 1549 (STC2 15109.3/Lambeth Palace Library), die Artikel fol. Bvir-Bviiiv. Zum Kontext siehe FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 62; ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 247; GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 31-35. 120 Die Formulierung „Christmas game“ hat v.a. dazu geführt, dass ein Katalog von 9 Artikeln, der sich ausschließlich bei John Foxe erhalten hat, zuletzt von der Forschung als Vorentwurf bzw. als Eingabe einer Gruppe der am Aufstand beteiligten Personen gewertet worden ist. Siehe dazu GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 35-37. 121 Siehe R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviir: „And so we the Cornyshe men (wherof certen of vs vndersta[n]ded no Englysh) vtterly refuse thys newe Englysh.“ 122 Vgl. R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviiv: „Item we wyll haue Doctor Moreman and Doctor Crispin which holde our opinions to be sauely sent vnto vs and to them we require the Kinges maiesty, to geue some certain liuinges, to preache amenges vs our Catholycke faith.“

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erheben.123 Eine interessante Passage, die nicht weniger interpretationsbedürftig erscheint, war die Forderung nach der Begrenzung von Bediensteten für alle Gentlemen. Dort hieß es: „Item we wyll that no Gentylman shall haue any more seruauntes then one to wayte vpo[n] hym excepte he maye dispende one hundreth marke land and for euerye hundreth marke we 124 thynke it reasonable he should haue a man.“

Die genuin sozio-ökonomischen Belange scheinen in diesem Katalog in Artikel 15 aufgegangen zu sein, in dem vorgeschlagen wurde, zwei Emissäre zum König zu schicken, die über die spezifischen Problematiken Auskunft geben sollten.125 Diese 15 Artikel können im Wesentlichen als Abschluss der von den Aufständischen sukzessiv formulierten Forderungen gelten. Ergänzend hinzugefügt sei dennoch, dass es offenbar eine leicht abgewandelte Version gab, die im Zeitraum des Aufstandes als Manuskript zumindest in der Region zirkulierte. Zwei unterschiedliche Quellen belegen deren Existenz und geben gleichermaßen Auskunft über die Modifikationen: demnach waren es vor allem vereinzelte Korrekturen an der Wortwahl, die spezifischen Punkten mehr nachdruckt verleihen sollten. In Artikel acht wird derart etwa präzisiert, dass man den Gottesdient wieder in lateinischer Sprache wünsche und explizit nicht in Englisch.126 Gleichfalls spezifizierte man Artikel zehn dahingehend, dass es nun hieß, man wolle die gesamte Bibel einziehen. Gravierendere inhaltliche Veränderungen wurden in zweifacher Hinsicht vorgenommen: zum einen verlangte man nun, dass die Kommission, welche die Rückerstattung des Kirchenlandes überwachen und organisieren sollte, zur Hälfte durch Vertreter der Aufständischen besetzt werden solle. Zum anderen kam ein Artikel 16 hinzu, indem bis zur vollständigen Umsetzung der Forderungen eine genaue Anzahl an zu stellenden Geiseln genannt wurde.127 123 Siehe zu beiden Punkten R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviiv-Bviiir. 124 R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviiv-Bviiir. 125 R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviiir-v. Genannt werden Humphrey Arundell und der Bürgermeister von Bodmin, Henry Bray. 126 Hier drückt sich wohl der Glaube aus, dass ein Gottesdienst in der Volkssprache zu einer Desakralisierung der Lithurgie und damit zum Entschwinden des transzendentalen Bezugs führe. Siehe GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 42. 127 Eine detaillierte Übersicht zu den Veränderungen liefert ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 222f; zum einen geht Philip Nicolls in einer Erwiderung auf diese ein, was nahelegt, dass er mit der veränderten Version vertraut war. Siehe Philip NICOLLS, An answer to the articles of the commoners of Devonshire and Cornwall […], abgedruckt in: Nicholas Pocock (Hg.), Troubles connected with the Prayer Book of 1549, London 1884, S. 141-193. Pocock hat freilich den Text noch Nicholas Udall zugeschrieben, eine Annahme, die heute als widerlegt gelten darf. Siehe G. SCHEURWEGHS, On an Answer to the Articles of the Rebels of Cornwall and Devonshire, in: British Museum Quarterly 8 (1933/34), S. 24-25; die andere Überlieferung stammt aus einer walisischen Chronik des 16. Jahrhunderts, in der ebenfalls die abgeänderten Artikel auftauchen. Der walisische Text sowie eine englische Übersetzung sind ediert bei ROSE-TROUP, Western Rebellion, Appendix I, S. 471-476.

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Wie sind nun die Forderungen der Aufständischen im Hinblick auf einen fundamentalen Antagonismus zwischen unterschiedlichen Interpretationen des henrizianischen Erbes zu beurteilen? Es steht zu vermuten, dass die Artikel der Aufständischen den Versuch aufzeigen, einen generellen Zeitgeist einzufangen und ihn für die eigenen Ziele einzusetzen. Dabei geht es vor allem darum, den Entwicklungen seit dem Regierungsantritt Eduards VI. ein grundlegend negatives Vorzeichen zuzuschreiben und diese Abwertung gegen die Zustände unter Heinrich VIII. aufzuwiegen. Heinrichs Regierungszeit repräsentiert in diesem Zuge das gute Alte, von dem sich die Gegenwart infolge immer neuer Reformen stetig weiter entferne. Der Aufbau einer verklärten Vergleichsfolie ermöglichte es zuletzt, die Problematiken der eigenen Zeit als schlechte Neuerungen zu stigmatisieren, die gerade deshalb schädlich waren, weil sie eine Abkehr von den Bestimmungen und Setzungen des alten Königs darstellten. In dieser Form versuchten die Aufständischen letztlich, die innovative Politik des neuen Regimes zu diskreditieren und zu unterbinden. Ein Beispiel, wie die Aufnahme genereller Kritiken zur Stütze der Rebellenforderungen fruchtbar gemacht werden konnte, zeigt sich in den Artikeln zu den neuen und beschwerlichen Steuern, die im Kontext einer ohnehin äußerst prekären Lebenssituation sowie dem Verweis auf eine überbordende Lebensweise vieler Gentlemen gesehen werden sollten. Andy Wood hat zuletzt in seiner faszinierenden Studie zu den Rebellionen im Jahr 1549 sehr deutlich herausgearbeitet, wie stark diese Punkte nicht nur mit jener von Robert Kett harmonierten, sondern vielmehr Ausfluss eines generellen Zeitgeistes waren, der die sozio-ökonomische Lage weiter Teile der Bevölkerung als schwere Notlage präsentierte.128 So hieß es beispielsweise in Henry Brinkelows Complaint of Roderyck Mors: „[T]he body of this reame / I meane the comunalty so is eppressed and oueryoked / as fewe Realmes vnder [the] so[n]ne be / by wicked lawes & cruell tirau[n]ts / w[hich] be extorcio[n]ers of [the] come[n]welth. For al me[n] are geue[n] to seke their owne p[ri]uate welth on129 ly & [the] pore are nothi[n]g prouided for.“

In anderen Schriften der Zeit monierten die Autoren in ähnlicher Weise eine für das Gemeinwesen schädliche Verhaltensweise vieler Gentry-Angehörigen. In der Supplication of the poore commons kritisierte der Autor etwa die Landbesitzer aus Schärfste und beschimpfte sie als Erpresser. Seine Klagen richteten sich vornehmlich gegen jene ‚landlords‘, die weite Teile des ehemaligen Kirchenlandes aufgekauft hatten und nun dazu übergingen, ihren Pächtern neue, wesentlich härtere Konditionen aufzu128 Freilich muss in dieser Hinsicht die Kritik von Geoffrey Elton berücksichtigt werden, der im Hinblick auf die sog. Commonwealth-Men klar machte, dass viele Traktate und Schriften mit einer sozio-ökonomischen Kritik erst nach den Aufständen erschienen sind und daher eine direkte Beeinflussung der Aufstände durch diese Schriften nicht möglich gewesen sei. Siehe Geoffrey ELTON, Reform and the ‚commonwealth-men‘ of Edward VI’s reign, in: Peter Clark et al. (Hgg.), The English Commonwealth 1547-1640. Essays in politics and society presented to Joel Hurstfield, Leicester 1979, S. 23-38, hier S. 25. 129 Henry BRINKELOW, The co[m]plaint of Roderyck Mors […], London 1548 (STC2 3760/Bodleian Library), fol. Hvir; siehe dazu auch WOOD, 1549 Rebellions, S. 34, dem ich diesen Hinweis verdanke; cf. DAVIES, Religion of the Word, S. 200-209.

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zwingen. Wenn diese sich nicht fügten, konnte es zuweilen zu Vertreibungen kommen, wobei anscheinend bestehende Rechte der Pächter einfach ignoriert wurden. 130 Der Autor prophezeite in diesem Zusammenhang, dass eine derartige Situation gefährliche Auswirkungen auf die Ordnung des Gemeinwesens haben könne, wenn ein Teil den anderen über Gebühr ausnutze und dabei seiner von Gott auferlegten Schutzverpflichtung nicht nachkomme. 131 Diverse Punkte wurden im Zuge dessen aus der Bibel entnommen und als massive Kritik an den gegebenen Umständen nun neu verargumentiert. Einerseits kontrastierten die Autoren den Lebensstil der Gentlemen, die nicht für ihren Unterhalt arbeiten würden, mit dem biblischen Ideal, nach dem jeder für sein Brot arbeiten müsse. An dieser Stelle konnte somit die frühere Kritik an geistlichen Orden und Klerikern gewinnbringend aktualisiert werden. 132 Andererseits verknüpfte man damit eine christliche Ermahnung an zu viel Besitz und Reichtum und warnte vor dem allzu schnellen Umschlagen in Stolz oder Gier: „Thou that art so gorgyously apparelled, and feadeth thy corruptible carkasse so dayntely; thou that purchasest so fast, to the vtter vndoyng of the poore, consyder whereof thou camest, & wherunto thou shal returne. Where is the[n] all thy pompe? Wher is all thy ruffe of thy glori133 ousnes become?“

Prägnant wurde diese soziale Schieflage sicherlich durch Thomas More in dessen Schrift Utopia ausgedrückt. In der 1551 gedruckten englischen Übersetzung des Textes heißt es zu den Gentlemen: „Ffyrste there is a great numbre of gentilmen, which can not be content to lyue ydle them selfes like dorres of that whiche other haue laboryd for: their tenauntes I meane, who[m] they polle and shaue to [the] quycke by reysing their rentes […] thies gentilmen (I say) do not only liue in ydilnes them selfes, but also carry about with them at their tayles a greate flocke or trayne of ydell and loytrynge seruynge men, whyche neuer learned any crafte wherby to get their 134 liuings.“

130 Siehe Henry BRINKELOW [?], A supplication of the poore commons […], London 1546 (STC2 10884/British Library), fol. Bviv-Bviir; die Autorschaft ist nicht sicher belegt. Alec Ryrie vermutet Brinkelow als möglichen Autor. Siehe Alec RYRIE, Art. „Brinklow, Henry“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017]; ähnlich auch Robert CROWLEY, An informacion and Peticion agaynst the oppressours of the pore Commons of this Realme […], London 1548 (STC2 6086/British Library), hier fols. Aivr, Avv, Aviv-Bir. 131 Vgl. BRINKELOW, A supplication of the poore commons, fol. Bviiv-Ciiir; CROWLEY, An informacion, fols. Avv, Aviiiv-Biiir. 132 Siehe etwa BRINKELOW, A supplication of the poore commons, fol. Civv: „Let none eat that laboureth not.“; cf. WOOD, 1549 Rebellions, S. 36 mit weiteren Belegen. 133 The Seconde Sermon of Master Hughe Latemer […], London 1549 (STC2 15274.3/British Library) fol. Aivr-v. 134 A fruteful, and pleasaunt worke of the beste state of a publyque weale, and of the newe yle called Vtopia, übersetzt von Ralph Robinson, London 1551 (STC2 18094/Henry E. Huntington Library), fol. Civr.

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So können die Kritik an den Gentlemen sowie die Forderung nach Beschränkung von deren Personal einerseits als Ausfluss sozio-ökonomischer Missstände gesehen werden. Gleichwohl scheint sich der Ärger auf die Gentry zum Teil aus deren Rolle in der Veräußerung von Kirchenbesitz zu speisen. Derart bekräftigte der Autor R. L., welcher die endgültigen Artikel nach London schickte, er würde bis zum Letzten gegen die Rebellen kämpfen, die ihm sein erworbenes Land aus sozusagen papistischen Bestrebungen heraus abspenstig machen wollten.135 Anscheinend gingen die Aufständischen in verschiedenen Landesteilen sukzessiv dazu über, die religiösen Neuerungen unter Eduard VI. auf der einen Seite mit der zunehmenden Konfiskation von Kirchenbesitz und auf der anderen Seite mit der generellen Wahrnehmung einer Verschlechterung ihrer Lebensssituation zu verknüpfen.136 Im Grunde nahmen wohl viele Gemeinden das Vorgehen der Herrschenden als Diebstahl sakraler Güter wahr. 137 Auf diese Weise wurden anti-seigneurale Stimmungen mit generellen gesellschaftlichen Problematiken verknüpft und zu Themen in einem Diskurs verwandelt. Und in der Tat spielten derartige Ressentiments eine nicht unerhebliche Rolle im Zuge der Erhebungen. Gentlemen wurden nicht nur bevorzugt als direkte Feinde wahrgenommen, sondern die Aggression der Aufständischen richtete sich primär gegen diese.138 Freilich darf hier keineswegs die Ansicht entstehen, es handle sich um eine Art frühen Klassenkampf. So belegt etwa die Mitwirkung einiger Gentlemen, wie etwa des militärischen Kommandeurs Humphrey Arundell deutlich, dass keine generelle Abneigung gegen die Gentry bestand.139 Die Studie von Helen Speight hat in diesem Zusammenhang gezeigt, dass sich die Kritik vielmehr gezielt gegen Personen wie Sir Peter Carew, Sir Gawen Carew oder Sir Peter Courtenay richtete. Dies waren nicht nur Männer, die größtenteils lang amtierende lokale Gentlemen in wichtigen Ämtern ersetzt hatten, sondern sie kamen häufig von außen und waren dazu überzeugte Protestanten.140 Gerade diese wurden vermehrt von evangelischen Autoren der 135 Vgl. R. L., A Copye of a Letter, fol. Bivv. 136 Dies konnte sich zu der Ansicht ausweiten, dass die neue protestantische Elite mit ihrem ausbeuterischen und habgierigen Verhalten lediglich eine ältere klerikale Elite ersetzt hätte. Siehe dazu u.a. Robert CROWLEY, Philargyrie of Greate Britayne, London 1551 (STC2 6089.5/British Library); cf. John KING, Philargyrie of greate Britayne by Robert Crowley, in: English Literary Renaissance 10 (1980), S. 47-75. 137 Siehe zu dieser Wahrnehmung DUFFY, Voices of Morebath, S. 122; DERS., Stripping, S. 487-489; WOOD, 1549 Rebellions, S. 180f. 138 Mehr als alle anderen Betroffenen wurden die Gentlemen eingesperrt, erpreßt und mit dem Tode bedroht. Siehe die Auflistung bei HOOKER, Description, S. 63, 65f; besonders schwer wiegte indessen der Mord an dem Gentleman William Hellyons, der in Sampford Courtenay versucht hatte, den Aufstand zu entschärfen. Siehe DUFFY, Voices of Morebath, S. 131; dieser wurde im Nachgang der Rebellion stets als warnendes Exempel herangezogen und als Märtyrer gefeiert. Siehe dazu etwa die nur als Fragment erhaltene Ballad on the defeat of the Devon and Cornwall rebels of 1548, London 1549 (STC2 6795/British Library): „And sume fled a waie or else they had bene slayne / As was Wyllam Hilling that marter truly / Whiche they killed at sandford mowre in the playne“. 139 John Hooker nennt eine ganze Reihe von Gentlemen, die in den Aufstand involviert waren. Siehe HOOKER, Description, S. 67. 140 Siehe SPEIGHT, Local Government, S. 1-3; COOPER, Propaganda, S. 62f.

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Zeit angehalten, eine prominente Rolle im Kampf gegen die Relikte einer papistischen Kirche zu übernehmen, was sie vielfach auch taten.141 So steht zu vermuten, dass vor allem solche Gentlemen Ziel der aufständischen Kritik und Aggression waren, die die Rebellen ohne Probleme mit den Neuerungen seit dem Regierungsantritt Eduards VI. identifizieren konnten. Dergestalt konvergierten an deren Beispiel mehrere Konfliktfelder: Sie waren Symbol zunehmender Interventionen des Zentrums in die lokalen Angelegenheiten, viele waren zudem Profiteure der diversen kirchlichen Enteignungswellen und repräsentierten zugleich eine neue religiöse Politik, welche sie zur Not auch sehr rücksichtslos durchzusetzen suchten. Im Kern wurden diese arrivierten Gentry-Angehörigen also mit etwas Neuem assoziiert, das als überaus schlecht und schädlich empfunden wurde. In dieser Hinsicht ergibt sodann auch ein den Rebellen zugeschriebener Ausspruch Sinn, welcher in der Anklageschrift gegen jene nach dem gescheiterten Aufstand auftaucht. Dort heißt es: „[K]yll all the gentlemen and we wyll have the acte of sixe articles uppe againe and ceremonies as were in kinge henrye theights tyme.“142 Unschwer erkennt man, dass hier die Gentlemen als Blockade eines bestimmten Lebensstils angesehen werden, durch deren Beseitigung man letztlich sozusagen die ‚gute, alte Zeit‘ zurückbekommen könnte.143 Die sich hier abzeichnende Konfrontation zweier unterschiedlicher Interpretationen der henrizianischen Ära erhellt zudem andere Äußerungen der Aufständischen, wie etwa die bereits angesprochene Forderung nach der alten lateinischen Messe. Die kornischen Aufständischen hatten explizit anfügen lassen, dass sie Latein bevorzugen würden, weil viele Bewohner Cornwalls kein Englisch verstehen und sie überdies jenes ‚neue Englisch‘ ablehnen würden. Auch wenn die eigentlichen Sprachprobleme für Teile Cornwalls sicherlich eine Rolle gespielt haben dürften, zog sich doch die Sprachgrenze, hinter der außer Kornisch nichts gesprochen oder verstanden wurde,

141 Vgl. dazu DAVIES, Religion of the word, S. 151; zu Carew auch John P. D. COOPER, Art. „Carew, Peter“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017]. 142 TNA, Sig. KB 8/17 m. 9; cf. COOPER, Propaganda, S. 62; SPEIGHT, Local Government, S. 9. 143 Ein illustratives Beispiel für die Ablehnung evangelisch eingestellter Gentlemen zu dieser Zeit ist eine Anekdote, die John Hooker in seiner Geschichte Exeters schildert. Demnach habe Sir Walter Raleigh, der Vater des berühmten Walter Raleigh, auf seinem Weg nach Exeter eine alte Frau angetroffenen, die offensichtlich mit einem Rosenkranz unterwegs war. Anscheinend wies er daraufhin die alte Dame zurecht und bemerkte, dass derartige Dinge von nun an gegen das Gesetz verstießen. Die rüstige, ältere Dame setzte nichtsdestotrotz ihren Weg in die Gemeindekirche fort und erzählte dort offenbar einer versammelten Menschenmenge, sie sei von Raleigh bedroht worden: „[S]aying that she was threatened by the gentleman, that except she would leave her beads and give over holy bread and holy water the gentleman would burn them out of their houses and spoil them“. So solle der Aufruhr in Clyst St. Mary seinen Anfang genommen haben, der sich später zur Belageurng Exeters ausweitete. Siehe dazu HOOKER, Description, S. 62f sowie ROSETROUP, Western Rebellion, S. 145-147.

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immer weiter zurück.144 Demgegenüber konnte die Beharrung auf den angestammten Sprachen ebenfalls als eine Reminiszenz an die henrizianischen Verhältnisse gelesen werden. So gab es eine Verfügung des Bischofs von Exeter (John Veysey) von 1538, in der er festlegt hatte, dass der Klerus dort, wo Englisch nicht gesprochen oder verstanden werde, seine Tätigkeiten auf Kornisch vollziehen solle. 145 Das „neue Englisch“, was die Menschen aus Cornwall nicht verstehen würden, scheint dergestalt eher eine Chiffre für jenen Bruch mit den henrizianischen Vorstellungen gewesen zu sein. Gegen jene setzten sich die Aufständischen zur Wehr; und deren Ablehnung vereinte die kornischen letztlich mit den devonischen Rebellen. Zu diesen Erfahrungen des Neuen zählte zuletzt auch die Auflösung traditioneller und teilweise tief verwurzelter sozio-religiöser Praktiken, über die sich viele Gemeinden identifiziert und konstituiert hatten. Im Örtchen Morebath beispielsweise bedeutete das Verbot von Kirchenfeiern wie dem sog. „Church Ale“ den ersatzlosen Wegfall finanzieller Mittel, die traditionell für wichtige Reparaturen an der Kirche usw. genutzt wurden.146 Eamon Duffy hebt gerade solche Feiern als Dreh- und Angelpunkt eines gemeinschaftlichen Lebens hervor, bei denen sich die soziale Realität des Gemeindelebens mit dem religiösen Bereich immer wieder aufs Neue verbunden habe.147 Ähnlich einschneidende Effekte hatte der Chantry Act, der nun die verbliebenen religiösen Gilden und Bruderschaften endgültig auflöste und damit vielerorts nicht nur eine lang währende Tradition beseitigte, sondern zudem kleinere Gemeinden teilweise ihrer notwendigsten sozialen und karitativen Einrichtungen beraubte.148 In Ashburton fungierte die Gilde des St. Lawrence allem Anschein nach als eigentlicher Stadtrat und hatte darüber hinaus die Aufsicht über den lokalen Markt, die Kranken- sowie die Wasserversorgung inne. Gleichermaßen reduzierte die Auflösung die Anzahl der einer Gemeinde zur Verfügung stehenden Geistlichen zum Teil erheb144 Siehe dazu u.a. Mark STOYLE, The Dissidence of Despair: Rebellion and Identity in Early Modern Cornwall, in: JBS 38 (1999), S. 423-444, hier S. 434f; grundsätzlich Martyn F. WAKELIN, Language and History in Cornwall, Leicester 1975, hier S. 72-100. 145 Vgl. Letters and Papers XIII/1, Nr. 1106, S. 403f; dazu auch COOPER, Propaganda, S. 64. 146 Das church ale war eine Festivität, bei der reichlich Bier konsummiert wurde, die gleichzeitig aber auch erhebliche Erträge generieren konnte. Zu Funktion und Herkommen siehe COULTON, Priests and People, S. 152f; für London BRIGDEN, London, S. 23-26; zu den finanziellen Problem auch DUFFY, Stripping, S. 485-487. 147 Siehe DUFFY, Voices of Morebath, S. 120f: „The ales were also a lynchpin of social life, the raison d’etre of the church houses. Theirs was a religious as well as a social reality, in their shared feasting linked to religious festivals and the parish dedication, the ales were one of the most practical expressions possible of the life of charity which the parish existed to support and foster.“ 148 Einen guten Überblick zu den unterschiedlichen Funktionen der chantries und dem involvierten Personal gibt Nicholas ORME, The Dissolution of the Chantries in Devon, 1546-8, in: Transactions of the Devonshire Association 111 (1979), S. 75-123, hier S. 8590; wie Clive Burgess betonte, war gerade das Amt eines churchwarden (Kirchenvorsteher) eine wichtige Schnittstelle, durch die Laien in die Administration der Kirche involviert wurden. Gleichzeitig bedeutete das Amt i.d.R. aber auch eine gewisse Ehre, die entsprechend von der Gemeinde gewürdigt worden sei. Siehe BURGESS, ‚A fond thing vainvainly invented‘, S. 76-78; cf. WHITING, Blind Devotion, S. 91.

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lich.149 Harold Hanham fasste seine Untersuchung zu den Auswirkungen des Chantry Acts für die Gemeinde Ashburton wie folgt zusammen: „For Ashburton the suppression of the chantries was indeed the most disturbing consequence of the Reformation. The town lost at a blow control over its market, the endowments of its parochial school, the funds used for supplying water to the town and for caring for the sick, most of the clergy serving in the parish church, and about one tenth of the income from the parish 150 lands.“

Vor dem Hintergrund einer gegenseitigen Durchdringung von religiöser, sozialer und karitativer Dimension müssen nachgerade die Forderungen nach Restitution der Klöster, Abteien und Kantoreien gesehen werden. Selbstverständlich ging es hier auch um Fragen des Glaubens und die Bereitstellung religiöser Dienstleistungen. Aber in der Frühen Neuzeit war damit stets eine soziale Komponente verbunden, auf die zum Beispiel Stephen Gardiner in einer Predigt hinwies, die er zu seiner Rechtfertigung vor dem neuen Regime halten sollte. Darin ging Gardiner auf den Chantry Act ein, wobei er die Institutionen im Hinblick auf das Spenden der Seelenmesse ablehnte und inhaltlich weitgehend den Setzungen des neuen Regimes folgte. Daneben sprach er freilich auch die soziale Problematik an, die sich aus deren Auflösung unweigerlich ergebe. Der Bischof von Winchester erinnerte dabei an die Armen und Bedürftigen, für die durch Institutionen wie den chantries gesorgt worden sei und die nun voraussichtlich einer ungewissen Zukunft entgegen sehen würden. 151 In diesem Zusammenhang kam Stephen Gardiner auf Heinrich VIII. zu sprechen und kontrastierte das Vorgehen des neuen Regimes mit jenem unter der Herrschaft des alten Königs. Er nutzt den Vergleich in erster Linie, um die ‚radikalen‘ Handlungen der eduardianischen Regierung im Verhältnis zu den eher nachsichtigen des ehemaligen Monarchen herauszustellen. So erklärt Gardiner zum Problem von Abendmahl und Seelmesse: „King Henry the viii anoble and wise prince, not without a great payne maynteined the masse, and yet in his doctrine it was confessed that masses of Seila celi, were not to be vsed ne allowed bycause they did peruert the right vse and institution of the masse, for when men adde vnto the masse an opinion of satisfaction, or of a new rede[m]ption the[n] do they put it to another vse then it was ordeyned for I that allow masse so well, and I that allowe prayeng for the

149 Siehe zu den Aufgaben der Gilden DUFFY, Stripping, S. 141-154; DERS., Voices of Morebath, S. 123; zu Ashburton Harold J. HANHAM, The suppression of the chantries in Ashburton, in: Transactions of the Devonshire Association 99 (1967), S. 111-137; zu den Aufgaben der Gilde auch WHITING, Blind Devotion, S. 105-112. 150 HANHAM, suppression, S. 129. 151 Siehe dazu Here foloweth the some and effect of the sermon which Gardiner Bishop of Winchester preached before the kings maiesty […], abgedruckt bei: John Foxe, Actes and Monuments […], London 1563 (STC2 11222/Henry E. Huntigton Library), S. 771-776, hier S. 773.

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dead (as in deede the deade are of Christe[n] charitie to be praied for) yet can agree with the 152 relme in that matter of putting down chauntries“.

Der Bischof von Winchester verpackte hier geschickt eine altbekannte Kritik an der Regierung. Er verwies darauf, dass unter Heinrichs Herrschaft eine andere Vorgehensweise galt, und sich das neue Regime hier folglich von den Setzungen des alten Königs entferne. Soziale, ökonomische, kulturelle sowie lokalpolitische Konflikte fanden somit ihren Platz im Rahmen der Prayer Book Rebellion. Und trotzdem überwog zuletzt eindeutig die religiöse Dimension der Rebellenforderungen. Sehr wahrscheinlich war dies der Tatsache geschuldet, dass die religiösen Forderungen und Kritiken die disparate Bewegung am einfachsten zusammenhalten konnten, weil an ihnen die Abkehr von den henrizianischen Setzungen am deutlichsten zu Tage trat. Sie waren sozusagen der ‚Kitt‘, durch den die einzelnen Themen zusammengefügt und eine Form bekommen haben. Gleichzeitig bot sich hierüber die Möglichkeit, die Kritik am ‚Neuen‘ durch einen Gegenentwurf zu inkarnieren, der zudem den Vorteil mit sich brachte, eine Traditionslinie zu Heinrich VIII. zu etablieren und damit das Ganze zusätzlich zu fundieren. So wurde in ausnahmslos allen Schriften der Rebellen die Restitution der Sechs Artikel gefordert. Dies kann nachgerade als der eigentliche Kristallisationskern für die weiteren Punkte angesehen werden. Die weitergehenden Forderungen der Aufständischen die Taufe, Konfirmation, Liturgie etc. betreffend waren dergestalt Elaborationen dieses ersten Punktes. Man wollte – mit anderen Worten – den Gottesdienst weitestgehend wieder so geordnet sehen, wie er unter Heinrich VIII. bestanden hatte. Nicht ganz unwichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass die konkreten Artikel auf der einen Seite mit Taufe, Konfirmation und Beerdigung wesentliche Übergangsrituale einer Gemeinde ansprachen, die deren Lebenswirklichkeit unmittelbar betrafen. Auf der anderen Seite müssen die Aufforderungen nach einer Wiedereinsetzung traditioneller Rituale und Zeremonien sowohl vor einem religiösen als auch vor einem sozio-ökonomischen Hintergrund gesehen werden. Beides betraf gleichermaßen, wie etwa das church ale in Morebath, den Alltag einer Gemeinde. Beides tendierte freilich dazu, die lokalen Vergemeinschaftungspraktiken fundamental zu zerstören. Aus diesem Grund ist die These von Aubrey Greenwood nicht von der Hand zu weisen, dass es sich bei den Rebellenpetitionen primär um den Ausdruck einer „popular religion“ gehandelt habe, die nicht primär Ausfluss altgläubiger Kleriker waren, sondern vor allem die Belange und Nöte der Gemeinden versuchten wiederzugeben.153 Ein ganz wesentlicher Punkt im Zusammenhang mit den religiösen Forderungen war die Tatsache, dass die Restitution der päpstlichen Suprematie nicht explizit gefordert wurde. Anstatt auf den römischen ‚Tyrann‘ berief man sich auf den englischen König, was die Prayer Book Rebellion signifikant von der Pilgrimage of Grace unterscheidet. Dieser Umstand machte die Prayer Book Rebellion für die Regierung 152 Here foloweth the some and effect of the sermon, S. 773; Gardiner folgt damit den Bestimmungen des unter Heinrich VIII. zusammengestelten King’s Book. Siehe den Abschnitt „Of prayer for soules departed“, in: A necessary doctrine and erudition for any Christen man, fol. {fiv-fiiv}. 153 Siehe GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 76-81.

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aber ungleich schwieriger zu handhaben, da sich die Aufständischen nicht auf einen auswertigen Potentaten beriefen, sondern im Gegenteil genuin englische Traditionen fruchtbar machten.154 Damit partizipierte die Erhebung an einer von vielen Zeitgenossen geteilten Auffassung, die zwar grundlegende Setzungen Heinrichs, wie beispielsweise die Ablehnung der päpstlichen Suprematie akzeptierte, gleichzeitig allerdings viele der unter Eduard VI. eingeführten Neuerungen dezidiert ablehnte. Wie Alec Ryrie zuletzt argumentiert hat, führte die Auflösung des henrizianischen Kirchenkonsens’ unter Eduard letztlich dazu, dass sich viele Befürworter der Reformen Heinrichs angesichts der Entwicklungen unter Eduard von dieser Art der evangelischen Reformation abwandten und ihr Heil am Ende erneut in der katholischen Kirche suchten.155 Eine dieser Personen war John Proctor, der 1549 durch seine Anklageschrift gegenüber anabaptistischen Lehren in England in Erscheinung getreten ist. Im Vorwort heißt es zu Heinrichs Leistungen: „That Noble Henrye, Kynge of Kynges, now dissolued & dwellyng with Christ: That heuenly Josias I say, dyd much for you, what tyme not without great traueyle & study, not withoute tirannicall hatred of forrein powers therby procured vnto him, he brought home that comfortable light, that pleasaunt foode of soulless, and gaue it eche of you in your hands. What tyme ye were yoked to the Popes bulles, he vnyoked you, and pulled your neckes out of that miserable 156 bondage.“

Proctor hob in dieser Passage unzweifelhaft die Errungenschaften Heinrichs VIII. im Kampf gegen die päpstliche Unterjochung hervor und bestätigte damit im Grundsatz den Konsens der späten 30er und 40er Jahre. Indessen kam er ein paar Zeilen weiter auf den gegenwärtigen Stand der Entwicklung zu sprechen, der ihn mindestens ebenso sehr betrübte wie der ehemalige Zustand. Dort schrieb er: „Then ye were halfe blynde, and nowe ye see nothyng. Then stockes and stones were in your eye, and nowe God is oute of your hertes. Then ye sought pardones in paper for youre synnes, and nowe ye synne without repentaunce in your hertes. […] Finally then ye had muche zeale without all knowledge: and nowe ye haue muche knowledge without all zeale. Then knew ye 157 least, and folowed most: and nowe ye knowe most, and followe least.“ 154 So hat sogar die Forderung nach Einzug und Vernichtung der englischsprachigen Bibel sowie damit zusammenhängender Texte ein Vorbild in der Regierungszeit Heinrichs VIII., der freilich noch vor der Abspaltung von Rom die Übersetzung von William Tyndale mitsamt verwandter Arbeiten öffentlich verbrennen ließ. Vgl. u.a. Vgl. Calendar of State Papers Venice, Bd. 3, Nr. 210; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 111; MORE, A Dialogue concerning Heresies, S. 28; DANIELL, Tyndale, S. 267. 155 Vgl. RYRIE, Paths not taken, passim. 156 John PROCTOR, The fal of the late Arrian, London 1549 (STC2 20406/Bodleian Library), fol. Biiir-v; zur Person David LOADES, Art. „Proctor, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [21.02.2017]; RYRIE, Paths not taken, S. 7-12. 157 PROCTOR, The fal of the late Arrian, fol. Bivr-v; Proctor reproduzierte hier eine Auffassung Heinrichs VIII., der das englische Volk von den Bedrückungen des alten ‚Mumpsimus‘ befreit, gleichzeitig aber auch davor gewarnt hatte, dem neuen

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Im Besonderen waren Proctor die diversen Erscheinungsformen anabaptistischen bzw. radikalen Gedankengutes in England zuwider, die seiner Ansicht nach vornehmlich durch die eduardianischen Reformen gefördert worden seien. So lamentierte er über den Zustand, dass nunmehr jeder und jede(!) sich für einen wahren Prediger des Gotteswortes halte, damit aber oftmals lediglich die eigenen, teilweise absonderlichen und häretischen Ansichten zu bemänteln versuche. 158 Proctors Unbehagen im Hinblick auf die Verbreitung häretischer Ideen wurde im Grundsatz von einer ganzen Reihe hochrangiger eduardianischer Autoren geteilt. 159 Er selbst sah im Aufkommen und der Verbreitung solchen Gedankengutes eine akute Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung, da aus dieser Art von Freiheit lediglich Unordnung, Unruhe und Chaos entstehen könnten. Und wohl auch im Hinblick auf die jüngsten Unruhen 1549 meinte Proctor dazu: „When hathe there ben hearde of the lyke headynesse, flattery, ambicion, and rashnesse as nowe a dayes is yet practised euen in the pulpettes, where hence, the syncere and pure worde of God shulde be taught and preached with all mekenesse, with al humblenesse, with all simplicitie. When hath there ben harde of the lyke dissolutenesse, disorder, disobedience, and daunger160 ous lybertie, as is presentely in vse amongst the Commons.“

Vor derartigen Auswüchsen einer allzu starken Lockerung der bestehenden Gesetzeswerke im Bereich der Religion hatten bereits zu Anfang der Regierungszeit viele gewarnt. Unter ihnen befand sich auch der spanische Botschafter van der Delft, der Somerset explizit auf die möglichen Konsequenzen hinsichtlich radikaler Überzeugungen und Ideen und den damit verbundenen Gefahren für die Ordnung des Gemeinwesens hingewiesen hatte.161 Andere wie Stephen Gardiner oder William Paget äußerten ähnliche Befürchtungen bezüglich der sozialen und politischen Situation, wenn die Kontrolle über religiöse Ansichten und Ideen vorschnell aus der Hand gegeben würde.162 Insgesamt fürchtete man einen Zustand hoher Volatilität und Unsicherheit, der den Nährboden für radikale Ansichten bereite, die nachgerade negative

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‚Sumpsimus‘ zu weit zu folgen. Siehe dazu Peter MARSHALL, Mumpsimus and Sumpsimus: The Intellectual Origins of a Henrician Bon Mot, in: JEH 52 (2001), S. 512-520; RYRIE, Paths not taken, S. 9. Vgl. dazu PROCTOR, The fal of the late Arrian, fols. Aviiiv & Ciiiv; in ähnlicher Weise hatte sich bereits 1546 Stephen Gardiner in einer Schrift über die Zunahme häretischen Gedankengutes beklagt, das er abwechselnd mit den Etiketten „Arrianer“, „Epikuräer“ oder „Sophisten“ versah. Siehe Stephen GARDINER, A detection of the Devils sophistrie, London 1546 (STC2 11591/British Library), fols. Avv & Aviiir. Vgl. dazu etwa A Copie of a lettre sent to preachers, London 1548 (STC2 9181.5/ Lambeth Palace Library) sowie DAVIES, Religion of the Word, S. 67-86. PROCTOR, The fal of the late Arrian, fol. Bvv-Bvir. Siehe Calendar of State Papers relating to Spain, Bd. 9, ed. von Martin A. S. HUME & Royall TYLER, London 1912, S. 197, 205, 206: „After some more conversation I referred to the abuses and innovations in the matter of religion that were going on here constantly; and admonished him […] to beware against all novelties of that sort, from which only confusion and disobedience can arise; as had been already proved.“ (Zitat S. 205) Siehe dazu die Belege bei TOOK, Printing Trade, S. 135-137.

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Auswirkungen auf das Gemeinwesen zeitigen könnten. So war auch sozusagen die ‚erste Garde‘ eduardianischer Geistlicher sehr darum bemüht, aufkeimende anabaptistische und andere, als radikal angesehene Ideen in ihren Anfängen zu ersticken. Die initiierte Kampagne belegt dabei freilich eher die Gefahr, die das Etikett ‚Anabaptismus‘ als Instrument im Kampf gegen die eduardianischen Reformen haben konnte, als deren konkrete Ausmaße, die allem Anschein nach doch recht bescheiden blieben.163 Dass gleichwohl ein gewisses Unbehagen mit den vielen Veränderungen im Volk spürbar war, zeigten die Forderungen der Aufständischen sehr deutlich. Entgegen etwaigen Neuerungen verlangten sie Sicherheit in einem Bereich, der den alltäglichen Lebensvollzug einer Gemeinde und deren Identität direkt betraf. Diese Sicherheit versprach der Rekurs auf die henrizianischen Setzungen, mit dem gleichsam die Autorität des alten Königs gegen die Regierung des Protektors Somerset ausgespielt werden konnte. Diesem wurde nicht nur von verschiedener Seite die notwendige Autorität zu derart umfassenden Eingriffen abgesprochen, sondern offenbar schienen auch die inhaltlichen Entscheidungen der Berater des Königs auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Vor diesem Hintergrund könnte sich zuletzt auch die Forderung nach der Begnadigung und Beförderung Reginald Poles erklären lassen, der durchaus als ein katholischer Reformer gegolten hatte und ohne Zweifel für eine Bewegung in eine andere Richtung gestanden hätte. Der Punkt führt freilich zu einer generellen Problematik, die mit einigen Forderungen zusammenhängt. Obwohl das henrizianische Erbe in allen ‚Petitionen‘ (Greenwood) vorherrschend war, stellten die Forderungen nach Poles Begnadigung sowie beispielsweise auch der explizite Wunsch, die Priester mögen für die Seelen im Fegefeuer beten, eindeutige Brüche mit Heinrichs Ansichten dar. So scheint in diesem Bereich die Vermutung Alec Ryries zuzutreffen, dass es viele „Henricians“ gab, die zwar nicht in allen Einzelheiten den konfessionellen Vorstellungen des alten Königs folgten, trotzdem aber aus einer überkommenen Loyalität ihm gegenüber seine Setzungen akzeptierten und verteidigten. Der Grund dafür scheint vor allem ein Gefühl nach Sicherheit gewesen zu sein. So setzte auch John Proctor dem religiösen „hurlye burlye“ seiner Tage die Errungenschaften der henrizianischen Ära entgegen und warnte die Engländer davor, den alten König nicht zu betrügen und seine Hinterlassenschaft nicht zu verraten. 164

163 Siehe zur Reaktion der Obrigkeit sowie zur Gefahr, die das Etikett des Anabaptismus annehmen konnte, DAVIES, Religion of the Word, S. 67-86; generell auch Irvin B. HORST, The radical Brethren. Anabaptism and the English Reformation to 1558, Nieuwkoop 1972, S. 98-140. 164 Vgl. PROCTOR, The fal of the late Arrian, fols. Diiir, Dviir und Civv (Zitat): „Deceauve not the louyng expectacion of so high and fartherly a Prince conceyued of you, do not frustrate his traueil and labours.“ Siehe auch RYRIE, Paths not taken, S. 9.

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3.3 Zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens oder weiter ins gelobt e Land? Reaktionen auf die Prayer Book Rebellion 3.3.1 Die Stilisierung der Prayer Book Rebellion als Murren in der Wüste Aufgrund ihrer spezifischen Modellierung genoß die Western oder Prayer Book Rebellion eine besondere Aufmerksamkeit seitens der Obrigkeit. Dies lag vor allem an der Art und Weise, wie die Rebellen versuchten, ihre Forderungen in einem Kontinuum zur Regierungszeit Heinrichs VIII. zu präsentieren. Die angestrebten Innovationen mussten vor diesem Hintergrund also vorrangig gegen die eigene Geschichte und Tradition konstruiert werden, woraus ein Konflikt mit einer besonderen Qualität entstand. Die Reformer um Protektor Somerset reagierten mit einer ähnlichen Strategie auf diese Herausforderung wie einst Heinrich VIII. im Konflikt mit der Kurie und setzten zur Verteidigung ihrer innovativen Politik auf die Idee der Erwählung. Freilich musste diese nun an die spezifischen Gegebenheiten Englands Ende der 1540er Jahre angepasst werden, weshalb der Aufstand der Prayer Book Rebellion im Rahmen einer Krisenerfahrung verortet wurde, die an die Prüfungen und Fährnisse der Israeliten in der Wüste erinnerte. Das vordergründige Problem, das die Rebellen in sehr klarer Weise aufgeworfen hatten, bestand darin, dass sie nicht einfach ein Zurück in die Papstkirche forderten – zumindest nicht offiziell. Stattdessen artikulierten sie ihre Forderung nach einer Rückkehr zu den Gesetzen und Praktiken Heinrichs VIII., was die Gegenseite in eine paradoxe Situation brachte. Denn auf der einen Seite konnten sie die Regierungszeit des alten Monarchen nicht rundheraus verurteilen, war es doch Heinrich, der den Bruch mit Rom initiiert und den Reformprozess überhaupt erst in Gang gesetzt hatte, an den man nun anzuschließen versuchte. Zudem leitete sich die gegenwärtige Autorität der Regierung, d.h. sowohl die Position Eduards VI. als Erbe seines Vaters als auch der testamentarisch eingesetzte Regierungsrat von Bestimmungen des alten Königs ab.165 Auf der anderen Seite durfte man Heinrichs Weg auch nicht einseitig befürworten, da dies im Endeffekt die Position der Aufständischen gestützt und das eigene Reformvorhaben unterminiert hätte. Philipp Melanchthon brachte das Problem in einem Brief, den er nach der Veröffentlichung der Sechs Artikel an Heinrich VIII. schrieb, und der 1547 in einer englischen Übersetzung gedruckt wurde, auf den Punkt: „Ye shewe forth that ye improue and abolishe the tirannie of the byshoppe of Rome and ye truly call hym Antichriste, but in the meane time in a maner ye defende his lawes whiche are euen 166 the sinnowes of his power.“ 165 Vgl. IVES, Henry VIII’s Will; DERS., Henry VIII’s Will – A Forensic Conundrum; HOULBROOKE, Henry VIII’s wills; MILLER, Henry VIII’s Unwritten Will; DAVIES, Religion of the Word, S. 12f. 166 Philipp MELANCHTHON, The epistle of the famous and great clerke Philip Melancton made vnto oure late Souereygne Lorde Kynge Henry the eight, for the reuoking and abolishing of the six articles, Antwerpen 1547 (STC2 17789/British Library), fol. Bvr. Zu den originären Umständen des Briefes vom 01. November 1539 siehe John SCHOFIELD, Philip Melanchthon and the English Reformation, Aldershot 2006, S. 130-132.

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Mit dem Regierungsantritt Eduards VI. gab es jedoch starke Tendenzen, gerade diese letzten Relikte päpstlicher Tradition in England endgültig zu beseitigen. Die Forderungen der devonischen und kornischen Rebellen lagen freilich eindeutig quer zu diesen Absichten und blockierten das ambitionierte Reformvorhaben nachhaltig. Entscheidende Bedeutung kam dabei der versuchten Polarisierung seitens der Rebellen zu, die die Setzungen einer glorifizierten, henrizianischen Ära in starkem Kontrast zu den Neuerungen der eduardianischen Zeit präsentierte. Diese Stilisierung bedrohte in fundamentaler Weise die Legitimität des Reformprozesses. An dieser Stelle musste es demnach primär darum gehen, die aufgebaute Kontrastierung weitgehend aufzuheben und aus dem vermeintlich legitimen Kampf für das rechtmäßige Erbe des alten Königs gegen die Neuerungen eines unlauteren und häretischen Regimes einen unrechtmäßigen Aufstand von Untertanen gegen ihren Souverän zu machen. In diesem Sinne bestand ein wesentlicher Schritt im Umgang mit dem durch die Rebellen aufgebrachten Gedankengut darin, eine Dissoziation ihrer Forderungen von der Regierungszeit Heinrichs zu konstruieren. Die Folge war eine Neu-Determinierung des Aufstandes, welche alle positiven Bezüge zu einer genuin englischen Tradition sowie zur Herrschaftszeit Heinrichs versuchte, aus den Artikulationen der Rebellen zu eleminieren. Die angestrebte ‚Entfremdung‘ der Rebellenforderungen gelang den evangelischen Autoren der Zeit schließlich durch die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung, die nun im Rahmen des Exodus-Narrativs die Erwählungspolitik der henrizianischen Zeit auf die aktuelle Situation applizierte. Die Zuschreibung der Rebellen zum bekannten Alteritätsmoment des Papisten war hier ein erster wichtiger Schritt. Dies hatte nicht nur den Vorteil, sämtliche Forderungen und Klagen in einen papistischen, und damit dezidiert anti-englischen und anti-henrizianischen Horizont einzuordnen, sondern man konnte darüber nahtlos an Entwicklungen der frühen 1530er Jahre anschließen, und somit die Aufständischen zusätzlich in einem krassen Gegensatz zu zentralen Setzungen der henrizianischen Ära präsentieren. Anstatt somit für die Erhaltung dessen Erbes zu streiten, beschuldigten die Reformatoren jene Aufständischen, durch ihr Verhalten letztlich die Absicht anzuzeigen, in die päpstliche Tyrannei zurückkehren zu wollen und damit das eigentliche Vermächtnis Heinrichs VIII. zu verraten. Diese Neu-Determinierung verlief auf mehreren Ebenen: Grundsätzlich gab es aber einen Konsens darin, dass es sich um eine unrechtmäßige Erhebung von Untertanen gegen ihren Souverän gehandelt habe. Diese Feststellung war keineswegs trivial, zweifelten doch Viele an der Rechtmäßigkeit der Regierung. So bereitete Thomas Cranmer bereits die äußere Form Unbehagen, kritisierte er in seiner Erwiderung doch ausführlich die fehlende Anrede für den souveränen König in den Forderungen der Aufständischen: „Is this the fashion of subjects to speak unto their prince: ‚We will have?‘ Was this manner of 167 speech at any time used of the subjects to their prince since the beginning of the world?“

167 Thomas CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, in: The Remains of Thomas Cranmer, ed. von Henry Jenkyns, 4 Bde., Oxford 1833, hier Bd. 2, S. 202-244, hier S. 204.

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Der Erzbischof sprach hiermit sogleich einen zentralen Punkt vieler Auseinandersetzungen an: die fehlende Huldigung und Anerkennung der Autorität, die dem jungen Eduard VI. als amtierenden Herrscher vonseiten der Aufständischen entgegengebracht wurde.168 In dieser Hinsicht geriet auch die Formulierung des Artikels zwei unter Verdacht, wo es hieß: „Ite[m] we will haue the Lawes of our Souerayne Lord Kynge Henry the viii concernynge the syxe articles, to be in vse again“ 169. Die Formulierung deutete an, dass die Aufständischen nach wie vor Heinrich als ihren souveränen König betrachteten und nicht die Regierung Eduards VI. In ähnlicher Weise kritisierten Philip Nicolls und John Cheke den eingeschlagenen Weg der Errichtung von Lagern und des gewaltsamen Aufbegehrens als eine Missachtung der Autorität des Königs und einen Verstoß gegen die gute Ordnung.170 Das Problem der Autorität Eduards und dessen Regierung im Hinblick auf eine umfassende Vollmacht zur Veränderung bestehender Gesetze ist bereits als ein wesentliches Thema geschildert worden. Entsprechend reagierten Somerset und andere Reformanhänger auf derartige Illoyalitäten. Primär galt es aus diesem Grund, die Position Eduards im gesamtgesellschaftlichen Gefüge zu stabilisieren. Dies sollte vor allem im Anschluss an die unter Heinrich VIII. eingeführten Konstruktionen durch die Rekapitulation der erwählten Stellung des Königs geschehen. Dazu hieß es bereits in der Erwiderung auf die ersten Artikel der Devonshire-Rebellen: „GOD hath made vs youre kyng, by his ordinaunce and prouidence, by our bloud and inheritaunce, by Laufull succession and our Coronacion […] Wee are your moste naturall souereigne Lorde and kyng, Edwarde the VI. to rule you, to preserue you, to saue you from all 171 youre outward enemies to see our Lawes well ministered“ .

Der von Gott eingesetzte Monarch sei ein Herrscher aus eigenem Recht, unabhängig von seinem Alter. Seine Funktion könne nicht mit dem Alter des jeweiligen Throninhabers gleichgesetz werden, weshalb es in der Antwort auch konsequenterweise hieß: „Ye muste firste knowe, as a kyng, wee haue no difference of yeres, nor tyme, but as a naturall man, and creature of God, wee haue youthe, and by his sufferaunce, shall haue age: we are your rightfull kyng, your liege lord, your kyng anoynted, your Kyng Crouned, the souereigne Kyng of England, not by our age, but by Gods ordinau[n]ce, not onely when we shalbe xxi of yeres,

168 Siehe dazu auch Hugh LATIMER, The Fifth Sermon preached before King Edward, April 5, 1549, in: Corrie (Hg.), Sermons, Bd. 1, S. 171-193, hier S. 177. 169 R. L. A Copye of a Letter, fol. Bvir. 170 Siehe NICOLLS, An answer, S. 145; so auch John CHEKE, The hurt of sedicion howe greueous it is to a commune welth, London 1549 (STC2 5109/British Library), fol. BivvBvr. 171 A message sent by the kynges Maiestie, fol. Aiiiv-Aivr (Hervorhebung im Original); Kevin Sharpe hat im Hinblick auf diesen Text dafür plädiert, die Autorschaft Eduards ernsthaft in Erwägung zu ziehen und die Schrift als authentischen Ausdruck des zwölfjährigen Königs zu lesen. Siehe SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 205-207.

292 | E NGLANDS E XODUS but when we wer of x. yeres: wee possesse our Croune, not by yeres, but by [the] bloud and 172 discent from our father kyng Henry theight.“

In derartigen Passagen zeigt sich die Notwendigkeit, dass Eduards besonderer Status in ähnlicher Weise wie der seines Vaters immer wieder öffentlich kommuniziert und repräsentiert wird. Bereits im Book of Homilies gemahnte Thomas Cranmer alle Leser daran, dass Eduard VI. ein von Gott selbst eingesetzter Herrscher und die von ihm ausgehende Ordnung daher göttlichem Wunsch entspreche. Gleichsam rekapitulierte Cranmer an dieser Stelle die unter Heinrich VIII. konstruierte Gehorsamspflicht der Untertanen, bei der ein Vergehen zur Sünde avanciert und den Delinquenten mit der Verdammnis bestraft.173 In diesem Zusammenhang müssen ferner die diversen Stilisierungen Eduards als alttestamentliche Könige gesehen werden, die neben ihrer konkreten (ikonoklastischen) Vorbildfunktion vor allem dessen grundsätzliche Stellung als von Gott erwählter Herrscher reproduzieren sollten. Von entscheidender Bedeutung war die Anerkennung der besonderen Position des Königs, weil hiervon die gesamte Hierarchie und gute Ordnung des Gemeinwesens abhinge.174 Ohne die Anerkennung der königlichen Autorität dagegen würden in der Folge die Gesetze ihre Bindekraft verlieren. Die Konsequenzen eines derartigen Prozesses wären die Subversion der guten Ordnung und schließlich Chaos. Der Verfasser R. L. schrieb genau diese Einstellung den Belagerern von Exeter zu: „Then bega[n]ne they to perswade theyr people, that they had all gone to farre to shrinke, and that nothinge now shoulde helpe them, but stoutnes & courage, eyther wolde they now be Lor-

172 A message sent by the kynges Maiestie, fol. Bvr. Eine entsprechende bildliche Darstellung der Kontinuität zu seinem Vater findet sich in einem Porträt Eduards, das sehr wahrscheinlich kurz nach seiner Thronbesteigung angefertigt worden ist und ihn in einer ähnlichen Pose zeigt wie seinen Vater auf dem berühmten Whitehall Cartoon von Hans Holbein. Das Porträt befindet sich im Besitz der NATIONAL PORTRAIT GALLERY: siehe King Edward VI, Bestandsnummer NPG 5511; zur Problematik von Eduards Minderjährigkeit im Hinblick auf die publizistische Darstellung auch DAVIES, Religion of the Word, S. 198-200; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 189-219; ALFORD, Kingship, S. 51. 173 Siehe Certayne sermons, or homilies, fol. Rivr-Tivr; cf. SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 204, 210-216, 228-236 zu Eduards Erwählung und der Kontinuität zu seinem Vater; DAVIES, Religion of the Word, S. 158f. 174 Vgl. Certayne sermons, or homilies, fol. Rivv; auch John HOOPER, An answer unto my lord of wynchesters booke […], ed. in: Carr, Early Writings of John Hooper, S. 97-248, hier S. 142, der eine ganz klare Hierarchie vorgibt. An deren Spitze stehen Gott und der König, gefolgt von den Bischöfen, die für den geistlichen Bereich zuständig seien, und den weltlichen Magistraten, die für die Einhaltung und Umsetzung der Gesetze verantwortlich zeichnen. Der Rest habe loyal zu folgen; DERS., A declaratyon of the ten holy commaundementes of almyghtye God, London 1550 (STC2 13750.5/British Library), fol. Iiir-Iiiiv; William THOMAS, The vanitee of this world, London 1549 (STC2 24023/Cambridge University Library), fol. Bvir-v; cf. DAVIES, Religion of the Word, S. 140-146; ALFORD, Kingship, S. 39-41.

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des, or els haue nothynge, eyther rule, or els not lyue, eyther make a kynge, or haue no kynge, 175 no meane thynge might content them.“

Der Punkt einer Pervertierung der Ordnung wird ferner ausgeweitet, wenn beispielsweise die Klagen über den Lebensstil der Gentlemen und die Frage über die Anzahl von deren Bediensteten von Cranmer in diesen Bezugsrahmen eingebettet werden. So warf der Erzbischof den Rebellen vor, sie würden sich erdreisten, hierarchisch höhergestellten Personen Vorschriften machen zu wollen und damit die Ordnung der Welt verkehren.176 John Cheke vertiefte diesen Punkt nochmals im Hinblick auf die Aggressionen, die vor allem die Norfolk-Rebellen den Gentlemen entgegengebracht hätten. Er kritisiert ebenfalls das militante Vorgehen der Aufständischen, in dessen Zuge die natürliche Ordnung außer Kraft gesetzt worden sei. „Rule they [die Gentlemen – BQ] neuer toke so muche in hande, as ye do nowe. They neuer resisted the kyng, neuer wyth stode his counsaile, be fayethfull at this daye, when ye be fayethles, 177 not only to the king, whose subiectes ye be, but also to your lords whose tennau[n]tes ye be.“

Das unrechtmäßige Aufbegehren von Untertanen und die damit einhergehende Gefahr für das Summum bonum des Gemeinwesens wurden in der Folge mit einer Vielzahl von gesellschaftlichen Problematiken verknüpft. So machten die Autoren klar, dass derartige Aufstände stets mit einem enormen Gewaltpotenzial verbunden seien, das sich in der Regel gegen das Volk richte. John Hooker schilderte vor allem die Schrecken, welche der Stadt Exeter, ihrer Bewohner sowie dem Umland vor und während der Belagerung widerfahren waren. Neben dem eklatanten Mangel an Lebensmitteln waren es hier primär die gewaltsamen Akte gegen die Gentlemen, die ihren Höhepunkt in der Ermordung von William Hellyons fanden, die der Autor besonders hervorhob.178 Für andere Autoren indessen hatte der Aufstand weitreichendere Folgen, hätten die Rebellen durch ihr Verhalten doch einen Lebensraum generiert, in dem Räuber, Diebe, Vergewaltiger und Mörder gedeihen und offenkundige 175 R. L. A Copye of a Letter, fol. Aivv-Avr; zu diesem Punkt auch LATIMER, The Fifth Sermon, S. 193; siehe ferner DAVIES, Religion of the Word, S. 142f. 176 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 241; DERS., A Sermon concerning the Time of Rebellion, in: Cox (Hg.), Miscellaneous Writings and Letters, S. 190-202, hier S. 193 & 197; zu dem immer wieder auftretenden Thema der Verkehrung einer guten Ordnung siehe u.a. HEIMANN, „Verkehrung“ sowie CLARK, Inversion. 177 CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Aviv-Aviir; CRANMER, Sermon concerning Rebellion, S. 195; auch Robert Crowley erinnerte die Yeoman daran, sich in die von Gott gesetzte Ordnung zu fügen. Siehe Robert CROWLEY, The voyce of the laste trumpet […], London 1549 (STC2 6094/Henry E. Huntington Library), fol. Avir. 178 Vgl. HOOKER, Description, S. 79f & 92f; die Hungersnot in Exeter beschreibt auch CHEv KE, The hurt of sedicion, fol. Di . Auch er klagt über die Gewalt gegenüber den Gentler men. Siehe Ibid., fol. Fvi ; zu William Hellyons auch die Ballad on the defeat of the Devon and Cornwall rebels of 1548. Wie allerdings Roger Manning betonte, richtete sich ein Großteil der aufgewandten Gewalt nicht gegen Personen oder Personengruppen, sondern primär gegen Eigentum und Sachwerte. Siehe DERS., Violence and Social Conflict in Mid-Tudor Rebellions, in: JBS 16 (1977), S. 18-40, hier S. 20 & 35.

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Vagabunde und streitlustige Schläger die Unterminierung der königlichen Ordnung betreiben würden.179 In diesem Zustand ohne Gesetze und ohne anerkannte Hierarchie und Ordnung könne hernach nahezu alles geschehen. Der Sohn beraube den Vater, Töchter würden vor den Augen ihrer Mütter mißbraucht und den Wohlhabenden ihre Güter genommen von Mittellosen und Nichtsnutzen, die eigentlich nichts haben sollten.180 Es war vor allem John Cheke, der die Beschreibung dieses Zustandes einer manifesten Unischerheit ausnutzte, um sukzessiv generellere, gesellschaftliche Problematiken zu inkorporieren und damit beobachtbare Misslagen als negative Folgen des Vorgehens der Rebellen darzustellen. Demnach fördere die Errichtung der Rebellenlager die Seuchengefahr, Ernten würden entweder zerstört oder eingezogen, Vagabundismus, Raub und Mord nähmen zu, die Zahl der Witwen und Waisen stiege an und ganze Dörfer und Gemeinden würden zerstört oder in Mitleidenschaft gezogen. Insgesamt bedeute dies eine Schwächung des Landes und drohe, das Commonwealth im Innern zu spalten.181 Die Konsequenzen für die Aufständischen selbst sowie deren Felder und Familien werden in einem ähnlich düsteren Licht dargestellt: „Ye do in the meantime neglect your husbandry, whereby ye must live: your substance and catall is not only spoiled and spent upon unthriftes, who but for this your outrage know no mean nor way to be fedde: your houses falle in ruin, your wives are ravished, your daughters defloured before your own faces, your goods that ye have many long years laboured for lost in an hour and spent upon vagabonds and idle loiterers. Your meat is unpleasant, your drink unsa182 vory, your sleep never sound, never quiet, never in any safety.“

Es zeigt sich unverkennbar, dass man bemüht schien, einige der drängenden Probleme der Zeit, wie beispielsweise schlechte Ernten oder die Zunahme von Vagabundismus etc. vornehmlich als Resultat der Tumulte, Unruhen und Rebellionen im Land darzustellen – und nicht einer versagenden Administration.183 Die evidenten Nachteile des Aufruhrs für das Gemeinwesen sollten möglichst plastisch vor Augen geführt werden. Die Abkehr von Recht und Ordnung des Königs, die naturgemäß eng mit der royalen Position im Gesellschaftsgefüge zusammenhingen, befördere somit in grundlegendem Maße die Zunahme von Unsicherheit, was in Anbetracht der schädlichen Auswirkungen unbedingt vermieden werden sollte. Philip Nicolls hat die Folgen pointiert zusammengefasst: „Take these things away and what surety or safety may any man be in?“184

179 CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Bivv; NICOLLS, An answer, S. 146. 180 Siehe R. L. A Copye of a Letter, fol. Avr-v. 181 Vgl. CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Divr-Eiir; CRANMER, Sermon concerning Rebellion, S. 194. 182 NICOLLS, An answer, S. 145f; ähnlich bereits A message sent by the kynges Maiestie, fol. Aiiv. 183 Siehe CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Eivr-Evir; generell zum Thema Clifford S. L. DAVIES, Slavery and Protector Somerset: The Vagrancy Act of 1547, in: EconHR 19 (1966), S. 533-549. 184 NICOLLS, An answer, S. 147; CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Eiv.

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Die zusammenfassende Darstellung und Aufzählung der schädlichen Auswirkungen, die das Treiben der Aufständischen für das Gemeinwesen an sich bedeute, war nur ein erster Schritt hin zu einer tiefer gehenden ‚Ursachenanalyse‘ der Autoren. Im Wesentlichen ging es um die Frage, wie die offenkundig entstehende Unsicherheitslage in einen Bezugsrahmen eingeordnet werden konnte, der Erklärungsansätze im Sinne des neuen Regimes generierte und die Rebellion in einem intelligiblen Weltbild verortete. An dieser Stelle kam es sodann zu einer ‚Neu-Rahmung‘ des Aufstandes, die die Beurteilung der Western Rebellion bis in die heutige Zeit hinein prägen sollte.185 Alle Autoren schrieben demnach die Western Rebellion auf die eine oder andere Weise entweder den emsigen Umtrieben ‚römischer‘ Kleriker zu oder situierten die weltlichen Anführer in einem durch papistisches Gedankengut beeinflussten Ideenhorizont. Thomas Cranmer vermerkte, dass er überzeugt sei, die übersandten Artikel seien letztlich das Machwerk von „some crafty papists“. Philip Nicolls äußerte ähnliche Gedanken und meinte, die Aufständischen seien als Instrumente papsttreuer Akteure mißbraucht worden, die darüber lediglich die von Gott gesetzte, gute Ordnung zerstören wollten.186 John Hooker urteilte entsprechend über die Rebellen in Devon: „The principall and cheeffe Capitaynes in Devon beinge fullie resolved by theire owne powre & authoritie to meanteane and contynew the religion according to the Romyshe Churche and vtterlie to impugne the reformation thereof established by acte of parlament: and to supporte 187 the authoritie of the Idoll of Rome“ .

In der nur mehr als Fragment erhaltenen Ballad on the defeat of the Devon and Cornwall rebels of 1548 hieß es analog: „There hartes ware so roted in the popes lawes“188. Und auch der anonyme R. L. glaubte schließlich an eine Beeinflussung durch papistisches Gedankengut: „But the matters of Deuonshyre nowe shewes furthe the rotes of treason, the buddes of rebellion, and the fructe of fylthye pop185 Vgl. u.a. die Darstellungen der Debatten um eine eventuelle Beteiligung altgläubiger Kleriker bzw. den Grad der Beteiligung bei GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 15f; COOPER, Propaganda, S. 61; siehe auch die Beurteilung von ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 225 & 231; zusammenfassend FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 61-66. 186 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 202; DERS., Sermon concerning Rebellion, S. 193; NICOLLS, An answer, S. 190 & S. 150: „And wherefore is it that ye move all this tumult. For the filthy suddes and dragges of stynkyng poperie“; A message sent by the kynges Maiestie, fol. Aivv; CHEKE, The hurt of sedicion, fol. GviiivHir; auch Holinshed beschreibt den Aufstand als durch „certeine popish priests“ beeinflusst. Siehe HOLINSHED, Third volume of Chronicles, S. 1002; Thomas Cranmer stellte sogar eine direkte Verbindung zwischen den verschiedenen Aufständen her, wobei er freilich die Initiative einzig den papistischen Radikalen im Westen zuschrieb. Siehe CRANMER, Notes for a Homily against Rebellion, 1549, in: Cox (Hg.), Miscellaneous Writings and Letters, S. 188f, hier S. 189: „And these tumults first were excitated by the papists and others which came from the western camp“. 187 HOOKER, Description, S. 67 (Kursiv im Original). 188 Ballad on the defeat of the Devon and Cornwall rebels of 1548, nur eine Seite überliefert.

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erye“189. Protektor Somerset baute den gleichen Referenzrahmen auf, wenn er unter anderem an den Lordsiegelbewahrer schrieb, dass die einfachen Leute durch „certen popyshe prests“ betrogen worden wären, die ihre unlauteren Absichten zudem durch verräterische Lügen und falsche Gründe verbergen wollten. 190 Die sich hier abzeichnende Argumentation beinhaltet mindestens zwei wichtige Komponenten: Die Stigmatisierung als Papist bzw. papistisch diente zunächst ganz grundsätzlich dazu, die Fremdartigkeit und Alterität dieser Zuschreibung auszudrükken. Allerdings suggerierte die unterstellte Verbindung der Rebellen zum Papsttum und zur Römischen Kirche zugleich den Versuch einer auswärtigen Macht, die intakte Ordnung des Gemeinwesens zu unterminieren und von innen zu schwächen. Neben die generelle Abwertungs- und Abgrenzungsfunktion mitsamt ihren religiösen Implikationen trat dergestalt ein genuin politisch-rechtliches Argument, das den Papisten somit nicht nur als Häretiker und Feind disqualifizierte, sondern jeden Anhänger derartigen Gedankengutes gleichfalls zum Verräter deklarierte. Mit dieser Argumentation entstand eine direkte Kontinuitätslinie zur Regierungszeit Heinrichs VIII., dessen offensichtlichster Schritt gerade die Abkehr von Rom und die damit einhergehende Transformation des Papsttums und dessen Anhänger zu Feinden Englands im Rahmen einer neuen Identitätsbildung gewesen ist. Thomas Cranmer brachte diesen Kern der Argumentation pointiert auf den Punkt: „[A] papist is also both a heretic and a traitor withal.“191 Diese Bedeutung der Rebellion als von äußeren, katholischen Mächten gelenkter oder beeinflusster Aufstand, der England schwächen sollte, bekam gleichsam vor dem Hintergrund der internationalen Lage eine besondere Brisanz. Im Hinblick auf die Kriege mit Schottland und Frankreich erweckte der neuralgische Zeitpunkt das Misstrauen der meisten Autoren und alle vermerkten das verräterische Treiben, welches hier geschehe, wenn das Königreich sich im Krieg befinde.192 Es war an dieser Stelle vor allem John Cheke, der am ausführlichsten auf den Zusammenhang zwischen der inneren Situation und den außenpolitischen Bestrebungen und Gefahren einging. Nachdem er ganz allgemein auf das schlechte Ansehen verwiesen hatte, das durch solch innere Unruhen von England im europäischen Kontext entstehen konnte, kam er hernach ganz gezielt auf die Unionsabsichten mit Schottland zu sprechen. Im Zuge dessen warf er den Rebellen explizit vor, sie hätten durch ihr Verhalten den Ei-

189 R. L. A Copye of a Letter, fol. Aiiv. 190 Vgl. POCOCK (Hg.), Troubles connected with the Prayer Book, Nr. 10, S. 15-19, hier S. 16; in einem Brief an die Aufständischen in Norfolk äußerte er Ähnliches, wenn er die Initiative für deren Aufstand papistischen Klerikern zuschrieb. Siehe BRITISH LIBRARY, Additional MS 48018 (Yelverton MS XIX), fol. 389r. 191 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 206. 192 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 243; DERS., Notes against Rebellion, S. 189; DERS., Sermon concerning Rebellion, S. 193 & 196; NICOLLS, An answer, S. 148; HOOKER, Description, S. 59; The kinges Mates answer to the supplicacon, fol. 18v; CHEKE, The hurt of sedicion, fols. Cviiiv & Gvr; A message sent by the kynges Maiestie, fol. Bviv-Bviir; siehe dazu auch Memorial of the Council to the Justices of Peace in Devonshire, 26. Juni 1549, in: POCOCK (Hg.), Troubles connected with the Prayer Book, Nr. 8, S. 12f, hier S. 13.

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nigungsprozess unterminiert.193 Das Argument gewann insofern an Substanz, als es die Rebellen im Innern mit auswärtigen Feinden wie Frankreich oder dem Papsttum assoziierte, und auf diese Weise erneut die Aufständischen als Schergen eines papistischen Außen porträtierte.194 Es zeigt sich somit, dass die Paladine des neuen Regimes äußerst bestrebt waren, den Aufstand weitestmöglich in einen papistischen Referenzrahmen zu verschieben. Dieses Vorgehen sollte die Gefahr in Erinnerung rufen, die von einem derartigen Gedankengut ausging, und gleichzeitig dessen schädliche Auswirkungen für das Gemeinwesen demonstrieren. Während darüber einerseits an henrizianische Entwicklungen angeschlossen werden konnte, bildete dieses Vorgehen gleichermaßen die Voraussetzung, um andererseits die Forderung nach weitergehenden Reformen als Notwendigkeit zu präsentieren. So argumentierten die meisten Verfasser, dass das Gros der Leute respektive der Aufständischen vornehmlich durch einen Mangel an Glauben in die Vorgänge involviert worden wäre, der sich in Ignoranz, Unwissenbzw. Blindheit konkretisierte und durch den die Leute hätten leichter verführt werden können. Thomas Cranmer betonte in seiner Auseinandersetzung mit den Artikeln mehrfach, dass es sich im Großen und Ganzen um „simple and unlearned people“ gehandelt habe. Sobald man erst einmal ihre Augen geöffnet habe, würden sie ihre Fehler gegen Gott und den rechtmäßigen König erkennen und akzeptieren. So sind Sätze wie folgender typisch für Cranmers Antwort: „What moved you to require this Article, but only ignorance?“195 Das selbe Argument findet sich bei Philip Nicolls, der von der „simplicity“ und „lightness“ der Leute spricht, weshalb sie auch so einfach durch jene „whelps of the Romish litter“ hätten verführt werden können.196 Die Zuschreibungen von Blindheit, Ignoranz, Unwissenheit, Dunkelheit oder auch Halsstarigkeit erfüllten im konkreten Zusammenhang eine essenzielle Funktion – wurden die Aufständischen und generell alle, die deren Gedankengut teilten, damit in ein Narrativ eingefügt, das als Teil der eduardianischen Erwählungsidee figurierte. Dieser Art bedeuten die Aufstände und Widerstände gegen das neue Wahrheitsregime nichts anderes als das ‚Murren‘ der Israeliten in der Wüste, bevor sie das Gelobte Land erreichten.197 Philip Nicolls brachte dies prägnant auf den Punkt, wenn er schrieb: „Ye [die Aufständischen – BQ] play now like as the Jews, when they mur193 Siehe v.a. CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Giiv-Gvr, hier besonders Giiiv-Givr: „Al this had ben wel brought to passe now if your wicked enterprises had not muche hindred their furderaunce, and caused the[m] to breth against their owne profite, and doute much to fall into an agreement with vs, who can not well nor ciuilie agree amonge our selues. For howe should thei thinke them selues to enter into a good state of comune weal the where there is nothing, but disobedience of subiectes rebellion[n] againe [against] magistrates, non order of duti, & vnrulines so confuse of [the] communes[…]“ 194 Vgl. dazu auch den Abschnitt 4 zur Schottlandpolitik der Zeit! 195 Siehe bspw. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 203, 204, 207, 208, 209, 211, 216, 220, 224, 227, 236, 239, 244; vgl. auch CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Gviiir. 196 Siehe NICOLLS, An answer, S. 141, 144, 150, 157, 161, 162, 165, 166-167, 170, 175, 176, 191. 197 Vgl. dazu grundsätzlich WALZER, Exodus und Revolution, S. 51-79; ASSMANN, Exodus, S. 305-324.

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mured against God and against their governour Moses in the wilderness, they being a stiff-necked and rebellious people“.198 Thomas Cranmer zog einen ähnlichen Vergleich, indem er die Revolte mit dem Aufruhr von Dathan, Korah und Abiram sowie ähnlichen „murmurations of the children of Israel against Moses and Aaron“ verglich.199 Auch Hugh Latimer fand im Vorbild der murrenden Israeliten eine passende Analogie für das Verhalten der Aufständischen: „As the Jewes were styfnecked, and were euer read to walke inordinately, no lesse are we Englyshe men geuen to vntowardnes, and inordinate walkynge after oure owne fantasyes and braynes.“200 Die Porträtierung der Auf- und Widerstände gegen die angedachten Reformen als Murren in der Wüste stellte die Art und Weise dar, wie die eduardianischen Reformer versuchten, die Ablehnung der Neuerungen mit ihrem Weltbild in Einklang zu bringen. Wesentlich dabei war, dass sie durchaus die Vorbehalte und Ängste des Volkes vor den anvisierten Innovationen anerkannten, sie aber als Ausdruck einer weit verbreiteten Unkenntnis des wahren Glaubens und einer Ignoranz des verheißenen Ziels interpretierten. In diesem Sinne verglich Philip Nicolls die Aufständischen mit den Israeliten in der Wüste, welche die neuen Vorgaben nicht akzeptieren wollten und sich nach Ägypten zurücksehnten, wo sie bei den Fleischtöpfen saßen und es Brot genug zu essen gegeben habe: „[Y]et [they – die Israeliten in der Wüste, BQ] were not contented with all these, but murmured against Moses, their governor […] and said unto him (Exodus 16), Would God we had died by the hand of the Lord in the land of Egipte, when we sat by the flesh pots and did eat bread our beally full, for ye have brought us out in the wilderness to kill this whole multitude for hun201 ger.“

Der Unwille des Volkes, von den alten Traditionen abzulassen und sich den neuen göttlichen Geboten zu öffnen, stellte das vorrangige Problem der Reformer dar. Durch dieses Festhalten an alten Gewissheiten wurde ein notwendiger Reformprozess blockiert, der es der englischen Bevölkerung erst ermöglichen sollte, aus der Wüste weiter ins Gelobte Land zu ziehen. Je länger man sich aber den Unsicherhei198 NICOLLS, An answer, S. 166 & 189f; John Hooker spielt ebenfalls auf dieses Murren an, wenn er bemerkt, die commons hätten das Manna nicht akzeptieren wollen, sondern begnügten sich lieber mit ihrem alten Aberglauben. Siehe HOOKER, Description, S. 56. 199 CRANMER, Notes against Rebellion, S. 189; DERS., Sermon concerning Rebellion, S. 199; zum Aufruhr von Korah, Dathan und Abiram Numeri 16, 1-30; 26, 9-11; Deut. 11, 6. Siehe dazu auch Florentine S. BECHTEL, Art. „Core, Dathan and Abiron“, in: The Catholic Encyclopedia, 17 Bde., hrsg. von Charles G. Herbermann et al., New York 1907-1922, hier Bd. 4, New York 1913, S. 361. 200 Hugh LATIMER, The fyrste sermon of Mayster Hughe Latimer […], London 1549 (STC2 15272.5/Henry E. Huntington Library), fol. Bivv-Bvr. 201 NICOLLS, An answer, S. 166; auch Cranmer sieht den Hauptgrund darin, dass das Volk die neuen Vorgaben nicht annehmen wolle. Siehe CRANMER, Sermon concerning Rebellion, S. 197: „One thing there is, which after all I think necessary to be added hereunto, and that in mine opinion is the head and beginning of all these tribulations. For the gospel of God now set forth to the whole realm is of many so hated, that it is reject, refused, reviled, and blasphemed.“

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ten der Wüste aussetze, desto eher bestand die Möglichkeit, dass das Gros des Volkes Zuflucht in einer verklärten Vergangenheit sucht, anstatt den Weg ins verheißene Land und zu Gott zu beschreiten. Die Prayer Book Rebellion stellte für die eduardianischen Reformer vor diesem Hintergrund in erster Linie eine Art Menetekel dar. Sie wurde als offensichtliches Zeichen gewertet, dass im Volk nach wie vor die Tendenz zu beobachten war, an alten, papistisch durchsetzten Traditionen festzuhalten. Hinsichtlich des begonnenen Exodus bedeutete dies in den Augen der Reformer eine akute Gefahr, die Scheitern und drohende Rückkehr in ein papistisches Ägypten verhieß. 202 3.3.2 Der Weg aus der Wüste: Ablehnung ‚Ägyptens‘ und weitergehende Reformen Die Prayer Book Rebellion hatte für die eduardianischen Reformer noch einmal die Notwendigkeit für weitergehende Reformen deutlich vor Augen geführt. Die größte Gefahr bestand dabei darin, dass das ideosynkratische Erbe Heinrichs VIII. dazu genutzt werden würde, um eine überwiegend altgläubige Interpretation seiner Reformen zu stützen, die im schlimmsten Fall den Weg zurück in die Papstkirche hätte ebnen können. Es war freilich diese Option des Zurück bzw. der Rückkehr zum ‚Irrglauben‘, die die evangelischen Autoren als unsag- und undenkbar aus den zeitgenössischen Diskursen ausschließen wollten. Die Applikation und Anpassung der henrizianischen Erwählungsvorstellungen boten hier die Möglichkeit, ihre Vision einer neuen Gesellschaftsordnung, die im Einklang mit den göttlichen Geboten stehen sollte, über ein bekanntes und unter dem alten König weitgehend akzeptiertes Motiv zu kommunizieren. Das Kernstück der Argumentation bildete die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung, die nun auf wesentliche Teile des henrizianischen Erbes angewandt wurde, um diese als Relikte einer idolatrischen, gottlosen und damit falschen Glaubensauffassung zu diskreditieren. Einher damit ging – wie gesehen – die Ausformung eines Narrativs, welches das englische Volk in der Wüste zwischen Ägypten und dem Gelobten Land zeigte. Hierdurch konnten nicht nur die prinzipielle Kontingenz und Unsicherheit des angestrebten Prozesses dargestellt, sondern auch eine Form der ‚Versicherheitlichung‘ produziert werden. Indem die Möglichkeit der Erreichung des Gelobten Landes bereits als Versprechen im Status des erwählten Volks gegenwärtig war, war es jedoch zur Realisierung dieses Zieles von essenzieller Bedeutung, dass das englische Gemeinwesen die anvisierten Reformen akzeptiert. Die eduardianischen Reformer sahen sich hierbei als Helfer und Füher auf diesem schwierigen Weg. Sie waren jene Boten des Herren, die in einer Zeit der Krise geschickt werden, um das Volk zu unterrichten, zu ermahnen und schließlich auf den richtigen Weg zurückzuführen. Sie waren jene wahrhaft gläubigen Späher, die zwar von den Archonten der Finsternis abgelehnt und verfolgt würden, tatsächlich aber die

202 Vgl. dazu die Beurteilung von NICOLLS, An answer, S. 166: „We will therefore back again into Egipt, & c. Even so play you Devonshere men now.“ Und nochmal S. 191: „Your King hath clean delivered you from the tyranny of the Romish Antichriste, and yet are ye so unthankful towards him that ye will needs back again into Egypte to be bond and worse than bond under Pharao.“

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„most high chosen messengers“ Gottes seien.203 Diese Form der Selbststilisierung erlaubte es ihnen, sich selbst in dem aufgebauten Narrativ zu verorten und darüber eine autoritative Stellung innerhalb des Gesellschaftsgefüges zu reklamieren. Ihre hauptsächliche Aufgabe bestand in der Folge darin, die Masse der Untertanen endgültig aus ihrer Unwissen- bzw. Blindheit zu befreien und ihnen dadurch den Weg ins Gelobte Land zu weisen.204 Als Anführer erkoren sie sich gleichwohl Eduard VI., der in seiner Rolle als junger König Josia das Volk nun viel weiter führen soll, als es selbst sein Vater jemals für möglich gehalten hätte: „Josias, the best king that ever was in Jewry, reformed his father’s ways, who walked in worldly policy. In his youth he took away all idolatry, and purged his realm of it, and set a good order in all his dominions, and wrestled with idolatry. […] Josias began, and made an alteration in his childhood; he turned all upside-down, he would suffer no idolatry to stand. Therefore you 205 must not take it for a general rule, that the son must ever walk in his father’s ways.“

Die Stilisierung Eduards VI. als Josia oder Hiskia hatte derart ganz eindeutige, innovatorische Züge. Gleichsam konnte sich im Lob Eduards als biblischer Reformer auch die Notwendigkeit widerspiegeln, die vorherrschende Idolatrie sowie den immer noch existenten Aberglauben auszumerzen und an deren Stelle die Gebote Gottes zu restituieren. In dieser Form kommunizierten die Exempel eine dezidierte Handlungsaufforderung an den König. 206 Das Ziel bestand darin, das englische Gemeinwesen aus der Wüste in Richtung des Gelobten Landes zu führen. Hierfür war ein Transformationsprozess notwendig, der die Idolatrie Ägyptens mitsamt verbundenen Verfehlungen verwarf und aus den ehemaligen papistischen Sklaven nun wahre Diener oder Knechte Gottes machte. In diesem Kontext musste es vor allem darum gehen, durch eine kontinuierliche Bildungs- und Aufklärungsarbeit das rechte Wissen und die Wahrheit Gottes zu verbreiten und so den gemeinen Mann sukzessiv aus seinem Wüstendasein zu befreien. Hierbei bedienten sich die unterschiedlichen Autoren in grundlegender Weise der Mosaischen Unterscheidung, deren Logiken nun in einer Vielzahl asymmetrischer 203 John BALE, The image of bothe churches […], Antwerpen 1545 (STC2 1296.5/British Library), hier die erweiterte Neuausgabe London 1548 (STC2 1297/British Library), fol. Svr. 204 Vgl. etwa LATIMER, Fyrste Sermon, fol. Aviir: „Therefore let the preacher teach, improue, amende an [sic!] instructe in ryghtuousnes, wyth the spyrituall sweard“. 205 LATIMER, Fifth Sermon, S. 176f; Eduard selbst artikulierte ähnliche Gedanken in seinem Traktat gegen die päpstliche Suprematie. Dort heißt es: „Je sçay bien que nostre religion ne consiste pas en la vielle coustume et l’usance de nos peres. […] Mais nostre religion ne doit pas estre gouvernée par noz peres: car Ezechiel dit, Vous ne deviéz pas suivre vos peres, car ilz estoient mauvais.“ NICHOLS (Hg.), Literary Remains, Bd. 1, S. 198 (Hervorhebung im Original). 206 Vgl. HOOPER, An answer, S. 201; CRANMER, Speech at the Coronation, S. 127; Siehe auch ‚A prayer for the kynge‘, in: Thomas BECON, The flower of godly prayers, London 1551 (STC2 1720/British Library) fol. Cviiv-Cviiir; DAVIES, Religion of the Word, S. 150-152; BRADSHAW, David or Josiah, S. 81-87; MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 14f & Kap. 2.

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Gegenbegriffe aktualisiert wurden, die letztlich das Ziel verfolgten, die Gottlosigkeit und Falschheit vieler nach wie vor bestehender Traditionen und Auffassungen offenzulegen. Erst aus dieser Abgrenzung zu einer verworfenen Vergangenheit konnte sodann die Voraussetzung für einen weitergehenden Reformationsprozess hervorgehen.207 Das eindeutig Neue in diesem Zusammenhang war die Tatsache, dass die Reformer dazu übergingen, die Logiken der Mosaischen Unterscheidung auf elementare Bestandteile der henrizianischen Setzungen im theologischen Bereich anzuwenden. Besonders deutlich wurde dies an den im Zuge der Prayer Book Rebellion immer wieder hervorgehobenen Sechs Artikeln, die nun in einen papistischen Bezugsrahmen verschoben wurden.208 So sei Heinrich VIII. bereits bei der Abfassung durch bösartige, papistische Berater getäuscht worden und hätte nicht zuletzt aus diesem Grund bald nach Veröffentlichung einige Bestimmungen abgemildert.209 Ferner wird herausgestellt, dass die Sechs Artikel ein relativ junges Machwerk waren, welches nur knapp über ein Jahr in vollem Umfang in Kraft gewesen und nun – ganz legal – durch ein neues Gesetz abgelöst worden sei.210 Freilich ging es den Aufständischen nicht nur um die äußere Form des Gesetzeswerkes, sondern mindestens ebeno sehr um dessen Inhalte. Dergestalt deuten beispielsweise die Rechtfertigungen von Nicolls und Cranmer bezüglich des im Rahmen 207 Entscheidend war hier die bewusste Ablehnung und Negation der alten Traditionen. Siehe dazu den Kommentar bei WALZER, Exodus und Revolution, S. 31: „Ägypten wird nicht einfach zurückgelassen, sondern es wird abgelehnt, gerichtet und verurteilt.“; ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 24f. 208 In einer 1548 erschienenen Auseinandersetzung mit altgläubigem Gedankengut werden die Sechs Artikel ohne Bedenken in diesen Bezugsrahmen eingeordnet. Freilich wird Heinrich als Verantwortlicher hier nicht erwähnt. Siehe Peter MOONE, A short treatise of certayne thinges abused in the Popysh Church long vsed, London 1548 (STC2 18056/Henry E. Huntington Library), fol. Aiiiv: „Than scourged they [die Papisten – BQ] the simple soules, with their whyp of correction / And there on hanged .vi. strynges surely fastened with a lawe / This whyp was very mete, for ther pestilent complection […] Untyl our noble kynge of his mercy and compassion / Brake this cruell whyp that kept the people in awe / And hath aduaunced Goddes worde the lyght of our saluacion.“; die Bezeichnung der Six Articles als ‚whip‘ auch in The kinges Mates answer, fol. 17v;cf. RYRIE, The Gospel and Henry VIII, S. 23-39. 209 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 212; auch in der 1547 erschienenen Übersetzung des Briefes von Philipp Melanchthon will dieser an eine Täuschung des Königs durch die „sophistrie“ einiger Bischöfe glauben. Siehe MEv r r LANCHTHON, The epistle, fols. Aii ; Aiii -Aiv , wo er die verantwortlichen Bischöfe in einen römisch-katholischen Gedankenhorizont verweist und fol. Avi r, wo er besonders Stephen Gardiner herausstellt. Zur Kritik an Gardiner, der vielfach als Sündenbock herhalten musste, siehe etwa RIORDAN / RYRIE, Stephen Gardiner and the Making of a Protestant Villain. 210 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 212; NICOLLS, An answer, S. 152f; A message sent by the kynges Maiestie, fol. Biiir-Bivr; siehe auch den Kommentar in The kinges Mates answer, fol. 17v: „The vith artycle and the statute that made wordes treason and other such sewere lawes ye seme to require ageine the wch all our hole parliament almost on their knees required vs tabolish [sic!] and put away.“

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der Sechs Artikel beibehaltenen Zölibats daraufhin, dass dies seinerzeit ein mehr als umstrittenes Thema gewesen ist.211 Die Argumentation in diesem Bereich tendierte dahin, die Ehelosigkeit der Priester als Erfindung der Papstkirche zu verdammen, die ferner in absolutem Gegensatz zur Heiligen Schrift stünde.212 John Bale beschrieb die proklamierte Keuschheit der Kirche als eine Art Maske, die sich die Kirche aufgesetzt hätte, um durch eine vorgetäuschte Spiritualität ihre wahre Gestalt als „Hure des Teufels“ zu verbergen.213 Semantische Zuschreibungen wie „Hure des Teufels“, „Große Hure“, „Hure Babylon“ etc. tendierten in diesem Zusammenhang dazu, einerseits ein Panoptikum ‚fleischlicher Lüste und Verfehlungen‘ der katholischen Kirche zu alludieren und andererseits den antichristlichen Charakter der Institution zu reproduzieren.214 Die Ehe sei demgegenüber eine von Christus selbst befürwortete Verbindung von Mann und Frau, weshalb etwa Paulus Bischöfe und andere Kleriker aufgefordert habe, sich eine Frau zu nehmen.215 Das Beispiel des Zölibats sollte nicht nur die Bigotterie und antichristliche Ausrichtung der alten Kirche illustrieren. Vielmehr verbanden die Akteure das Thema mit angrenzenden Problematiken, so dass hierüber erneut die Kirche und ihre Diener als Ausgeburt fleischlicher Lust, sexuellen Verfehlungen, Habgier und gemein-

211 Siehe dazu An Acte abolishing div[er]sity in Opynions, in: STATUTES OF THE REALM III, 31° Hen. VIII, c. 14, S. 739: „Thirdly, that Preests after the order of Presthode receyved as afore may not marye by the lawe of God“. Dass Heinrich teilweise persönlich intervenierte, um weitergehende Konfikte im Keim zu ersticken, wird bspw. aus einer englischen Übersetzung einer Schrift von Martin Bucer deutlich. Darin schreibt Bucer, dass Heinrich ihn darum gebten habe, eine Erwiderung auf Stephen Gardiners Schriften (auch gerade zum Punkt des Zölibats) zu verschieben und einstweilen andere Wege des Austauschs zu suchen. Siehe Martin BUCER, The gratulation of the mooste famous clerke M. Martin Bucer […] vnto the churche of Englande for the restitucion of Christes religion, London 1549 (STC2 3963/British Library), fol. Bivv-Bvr; vgl. auch GRABES, Das englische Pamphlet, S. 18f; DAVIES, Religion of the Word, S. 18, 33, 40. 212 So der grundsätzliche Tenor bei John PONET, A defence of the marriage of priests […], London 1549 (STC2 20176/Bodleian Library), fols. Bvv, Bviir-Dir und passim. 213 Siehe John BALE, The actes of Englysh votaryes comprehendynge their vnchast practyses and examples by all ages, from the worldes begynnynge to thys present yeare, Antwerpen 1546 (STC2 1270/British Library), hier etwa fols. Aviv, Aviiv-Biv; auch Bucer beschrieb den Zölibat aus Erfindung des Teufels, wodurch dieser versuchen würde, die Gesetze Christi und der wahren Kirche zu Fall zu bringen. Siehe BUCER, The gratulation, fol. Biiiv-Bivr; PONET, A defence, fol. Bivv. 214 Siehe dazu programmatisch die Gegenüberstellung bei BALE, Image of bothe churches, fol. Aiiv, der unterscheidet zwischen einer wahren Kirche Christi, die als demütige Braut Jesu firmiert, und jener Hure des Antichristen, die als „proud church of hypocrites“ und Synagoge des Satans stigmatisiert wird; dazu auch DAVIES, Religion of the Word, S. 27f. 215 Vgl. u.a. A bryfe and faythfull declaration of ye true fayth of Chryst […], London 1547 (STC2 1035.5/Bodleian Library), fol. Bvr; BALE, Englysh votaryes, fols. Bir, Bivv-Bvir; MELANCHTHON, Epistle, fol. Avv; BUCER, The gratulation, fols. Diiv-Diiir & Dviir-Dviiir; PONET, A defence, fols. Aiiir, Aviiv, Aviiiv.

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schaftsschädlichem Verhalten präsentiert werden konnten.216 Damit einher ging sodann die Abwertung all jener Themen, die mit diesem disqualifizierenden Narrativ verwoben werden konnten. So rekapitulierte Nicolls im Hinblick auf ein zölibatäres Leben des Klerus nicht nur die bestehende Kritik daran, sondern verknüpfte ein eventuell daraus resultierendes Fehlverhalten eines Geistlichen zusätzlich mit der Problematik der Ohrenbeichte. Die intime Kenntnis privater Verfehlungen im Verbunde mit den unterstellten ‚Gelüsten‘ des offiziell enthaltsam lebenden Klerikers hätten derart vielfältige Möglichkeiten zu Unzucht und Sünde geboten – vor allem mit den Frauen und Töchtern der Untertanen.217 Philipp Melanchthon betonte einen anderen Aspekt, indem er der Klerisei unterstellte, sie würden das enthaltsame Leben bevorzugen, weil es besser zu ihrem Streben nach Pomp und Reichtum passe, als ein geordnetes Dasein in Zweisamkeit. 218 Er verwies zugleich auf ein ganzes Bündel von Anschuldigungen gegen die ‚alte‘ Kirche und ihre Kleriker, die letztlich doch in der Feststellung kulminierten, die Kirche habe apostolische Tugenden gegen weltliche Güter eingetauscht und damit sozusagen ihren Status als große Hure Babylon mehr als bestätigt.219 Erst die Abschaffung dieser Missstände, die im Rahmen der Sechs Artikel beibehalten werden sollten, könne letztlich die Gemeinde von solch schändlichen Auswirkungen befreien. 220 Ähnliche Konstruktionsprozesse lassen sich im Hinblick auf grundlegende Veränderungen des alltäglichen Gottesdienstablaufs sowie zentraler religiöser Praktiken beobachten. So waren beispielsweise Weihe und anschließende Präsenz der Hostie im Kirchenraum in Form des Tabernakels zentrale Bestandteile des gemeinschaftlichen Kirchenlebens. Dementsprechend forderte Artikel vier der vereinten kornischen und devonischen Aufständischen: „Item we wyll haue the Sacrament hange ouer the hyeghe aulter, and there to be worshypped as it was wount to be […]“221 Der gesamte Themenbereich berührte einen zentralen Konfliktpunkt, der letztlich in grundsätzlicher Weise auf Status und Funktion des Abendmahls und der damit zusammenhän-

216 John Ponet bediente sich dabei eines ‚umfassenden‘ Repertoires, wenn er dem enthaltsam lebenden Klerus ‚sodomitische Praktiken‘ – neben anderen sexuellen Ausschweifungen – unterstellte. Siehe PONET, A defence, fol. Dviv, wo er von „vnlauful commixtions, to the heinous offence of God“ spricht; cf. DAVIES, Religion of the word, S. 33; vgl. dazu auch die Vorwürfe, die im Rahmen der Pilgrimage of Grace gegen die Ordensbrüder und Mönche erhoben wurden, dargestellt im Abschnitt B, Kap. 5.4. 217 NICOLLS, An answer, S. 152; Nicolls wiederholt hier eine Anklage, die er bereits 1548 in einer anderen Schrift in Bezug auf die rechtliche Exemtion des Klerus erhoben hatte. Siehe NICOLLS, Godly newe story, fol. Bvv: „For the dayes hath bene that yf a manne hadd fownde a Preste or A [sic!] Fryer in the bedde wyth hys wyffe: he durste not to haue layed hys hands vpon hym.“ 218 Vgl. MELANCHTHON, Epistle, fol. Bvr: „I do knowe that single lyfe is more mete for the keepyng of pompe by byshoppes and of cathredrall churches, and to preserue theyr rytches, then is wedlocke.“ 219 Zu dieser Konstruktion siehe DAVIES, Religion of the Word, S. 32. 220 Siehe NICOLLS, An answer, S. 152; CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 212f. 221 R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviv.

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genden Vorstellungen der Messe verwies.222 Gleichsam neigten viele Texte dazu, die prominente Rolle der Hostie mit angrenzenden Thematiken zu verquicken, die ebenso in die Kritik der Reformer gerieten. 223 Im Besonderen stellte die Annahme einer durch Transsubstantiation herbeigeführten Realpräsenz Christi im Abendmahl einen Affront für die evangelischen Autoren der Zeit dar. Sie werteten es als Ausdruck von Idolatrie, Blasphemie und häufig paganen Gebräuchen und bezeichneten es mehrheitlich als Teufelswerk.224 Das Thema der Eucharistie bzw. der Messe war derart heikel, dass es Gegenstand einer überwältigenden Anzahl von Schriften der späten 1540er Jahre war.225 Womöglich zeigten sich in diesem Zusammenhang die Langzeitfolgen 222 Vgl. zu dieser Thematik MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 89-91, 117f; DERS., Die zweite Phase der englischen Reformation (1547-1603) und die Geburt der anglikanischen Via Media [Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 58], Münster 1998, S. 21-29; DAVIES, Religion of the Word, S. 122-127. 223 Siehe etwa John VÉRON, The V. Abhominable Blasphemies co[n]teined in the Masse […], London 1548 (STC2 24679/Folger Shakespeare Library); William PUNT, A new dialoge called the endightment agaynste mother Messe, London 1548 (STC2 20499/Bodleian Library); William TURNER, A newe dialogue vvherin is conteyned the examinatio[n] of the messe and of that kind of priesthode, whiche is ordeyned to saye messe, London 1548 (STC2 24363/Cambridge University Library). 224 VÉRON, The V. Abhominable Blasphemies, fol. Aiiir nannte die Messe „the moste abhominable, pernicious, and damnable idolle, that euer Sathan with all his craft coulde inuent“; A brife and faythfull declaration, fol. Bir. John Ponet stellt das papistische Abendmahl als ein kannibalistisches Ritual dar. Siehe John PONET, A notable sermon concerninge the ryght vse of the lordes supper […], London 1550 (STC2 20177/Henry E. Huntington Library), fol. Civr, wo er sehr plastisch dazu schreibt: „[T]hat we muste eate and chawe with our corporall teeth […] Christes blessed fleshe and bones“; ein ähnlicher Vorwurf scheint bei Richard Smyth auf, der eine evangelische Kritik wiedergibt, wonach es durch das Mosaische Gesetz verboten sei, das Blut von Menschen und Tieren zu trinken. Siehe Richard SMYTH, The assertion and defence of the sacramente of the aulter, London 1546 (STC2 22815/Bodleian Library), fol. 114v. 225 Vgl. John MARDELEY, Here is a shorte resytal or certayne holy doctours whych proueth that the naturall body of christ is not conteyned in the Sacrame[n]t of the Lordes supper but fyguratyuely, London 1548 (STC2 17318/Bodleian Library); Edmund GEST, A treatise againste the preuee masse, London 1548 (STC2 11802/British Library); Edmund TILNEY, Here beginneth a song of the Lordes Supper, London 1550 (STC2 24078/Folger Shakespeare Library); wichtig waren in diesem Zusammenhang auch die Disputationen an den Universitäten Oxford und Cambridge, wobei jener in Oxford größeres Gewicht beigemessen wurde, weil dort der Anteil konservativer Gelehrter weitaus höher war als in Cambridge. Die Debatte in Oxford ist im Anschluss in einem lateinischen Druck veröffentlicht worden, der sogar auf dem Kontinent Beachtung fand. Siehe dazu Tractatio de sacramento Eucharistiae habita in celeberrima vniuersitate Oxoniensi in Anglia, per D. Petrum Martyrem Vermilium Florentinum, Regium ibidem Theologiae professorem, cum iam absoluisset interpretationem, London 1549 (STC2 24673/Bodleian Library); zur Rezeption MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 91f; eine englische Übersetzung durch Nicholas Udall erschien im Folgejahr. Siehe A discourse or traictise of Petur Martyr Vermilla Flore[n]tine, the publyque reader of diuinitee in the Vniuersitee of Oxford

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der restriktiven Gesetzgebung und -handhabung der Spätzeit Heinrichs VIII. So hatte Artikel eins der Six Articles dezidiert an der Realpräsenz im Abendmahl festgehalten und einen Verstoß gegen diese Meinung mit dem Tode als Häretiker bestraft. Anders als bei den anderen fünf Artikeln war indessen bei diesem Thema grundsätzlich keine Abschwörung möglich. Das heißt ein Delinquent hätte sofort nach dem erstmalig festgestellten Verstoß hingerichtet werden müssen.226 Freilich konnte diese Regelung, wenn es opportun erschien, durchaus unterlaufen werden. So kam es zu vereinzelten, dafür aber umso spektakuläreren Fällen, in denen vormals überzeugte Protestanten ihre Ansichten zu Abendmahl und Transsubstantiation widerriefen und fortan die Setzungen des henrizianischen Regimes vehement verteidigten. Das bekannteste Beispiel hierfür war Nicholas Shaxton, der 1539 zusammen mit Hugh Latimer sein Bistum aus Protest gegen die Sechs Artikel aufgegeben hatte. 1546 widerrief Shaxton jedoch seine vormaligen Aussagen zu Realpräsenz, Transsubstantiation, Zölibat etc. Er erkannte in der Folge die Sechs Artikel in vollem Umfang an, verstieß seine Frau und war an einigen Verfolgungen, Verhören und selbst Hinrichtungen evangelischer Gläubiger beteiligt.227 Shaxton war damit ein anschauliches Beispiel, dass sich auch überzeugte Reformer nach wie vor in eine ‚falsche Richtung‘ bewegen konnten. 228 Während er selbst zum Anathema erklärt wurde, verdeutlicht sein Beispiel doch die Schwere der Aufgabe, die sich die Reformer vorgenommen hatten. 229 Robert Crowley bezeichnete die von Shaxton im Anschluss an seine Wiederrufung veröffentlichen 13 Artikel als „so blasphemouse doctrine of Antichristes schole“ und warf ihm gleichzeitig vor, dass es eine Blockade der göttlichen Wahrheit sei, die zudem durch seine Autorität eine nicht unerhebliche Zahl von Leuten mit ins Verderben führen könne. 230 Die Bindekräfte jenes ‚ägyptischen‘ Gedankengutes wirkten nachhaltig, und das Gros der Leute bevorzugte es offenbar, „[to] wallowe in tholde dregges & puddles of old superstition then to be fedd & refreshed w[ith] the wholsome and hevenlie Manna“ 231. Vor diesem Hintergrund musste der Angriff auf die bestehenden Überzeugungen und Vorgaben auf einer möglichst breiten Basis vonstatten gehen. Gerade am Beispiel des Abendmahls versuchten die Autoren durch eine Kombination aus bekannten und be-

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wherein he openly declared his whole and determinate iudgemente concernynge the sacrament of the Lordes supper in the sayde Vniuersitee, London 1550 (STC2 Henry E. Huntington Library); vgl. auch die Angaben bei DAVIES, Religion of the Word, S. 19f, 122127 sowie die folgenden Anmerkungen. Vgl. An Acte abolishing div[er]sity in Opynions, S. 740. Siehe dazu Susan WABUDA, Art. „Shaxton, Nicholas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2009, URL: [21.02.2017]. Für John Bale stellten solche Personen die größte Gefahr für die wahre Kirche Christi dar, denn sie hätten ihre Berufung durch weltlichen Ehrgeiz und Gier invertiert. Siehe seine Erläuterungen zu Balaam in BALE, Image of bothe churches, fol. Fiiv. Zur Reaktion auf Shaxton siehe etwa CROWLEY, The confutation of the xiii. articles; Philipp Melanchthon hatte bereits Heinrich VIII. davor gewarnt, dass die Sechs Artikel ein sicheres Zeichen dafür seien, dass ein Großteil der Bischöfe auch weiterhin den alten, römischen Vorstellungen anhängen würden. Siehe MELANCHTHON, Epistle, fol. Aviiv. Siehe CROWLEY, The confutation of the xiii. articles, fols. Aiir (Zitat) & Aiiv. HOOKER, Description, S. 56.

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stehenden Kritikpunkten, einer satirischen Überspitzung einzelner Elemente des Glaubens sowie aufklärenden Abschnitten den Leser gegen die traditionelle Auffassung einer Realpräsenz und damit einhergehender Überzeugungen einzunehmen. So schilderten Cranmer und Nicolls die Tradition, dass die Hostie in einem Tabernakel verwahrt und in der Folge gar angebetet wird, aus allein pragmatischen Umständen entspringende Tatsache, die deshalb keinen Niederschlag in der Heiligen Schrift gefunden habe.232 Nicolls rekapitulierte in diesem Zusammenhang eine populäre Erzählung, wonach in einigen Fällen die geweihte Hostie – dem Glauben der Leute nach also der Leib Christi – durch schlechte oder fahrlässige Lagerung von Mäusen aufgefressen oder von Schimmel, Würmern und anderem Ungeziefer befallen worden sei.233 Solche Vorfälle hätten letztlich zur Einführung von Pyxis und Tabernakel geführt, weshalb es menschliche Erfindungen seien, die reformiert oder abgeschafft werden könnten und keinesfalls einer Anbetung anheim fallen dürften.234 Die Popularität des Themas lässt sich aus einer Schrift Stephen Gardiners ableiten, in der der Bischof von Winchester gegen die nach seiner Auffassung verunglimpfende und häretische Vorstellung vorging, dass es zu keiner Transsubstantiation komme und der Leib Christi von niederem Getier und Gewürm befallen werden könne.235 Gardiner reproduzierte glücklicherweise in einem Abschnitt die offenbar weidlich zirkulierenden Vorbehalte gegenüber einer Verehrung der Hostie: „Do we not se (saith the deuyl) the sacrament of the aulter [that] they call god their ydol, (o blasphemous tongue) sometyme eaten of a mouse, sometime waxe grene moulde, redde 236 moulde, and blue moulde?“

Eine Seite weiter ergänzte er diesen populären Vorwurf um einen weiteren, indem er anfügte: „The papistes god, (the deuyl sayeth) is also passible. And here the senses be also redy, and 237 shal affirme, they haue sene the mouse eate it, mannes hande braeke it, & mans teth teare it.“

Während Gardiner dieses Gedankengut abwechselnd epikuräischen, arianischen und letztlich schlicht häretischen Überzeugungen zuschrieb238, stellten just jene Punkte

232 Siehe CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 219. 233 Vgl. NICOLLS, An answer, S. 155f: „After this it came to passe that by negligence of the curates and parsons, sometimes it moulded and putrified, sometimes it was eaten up with myce or other vermin, or had some other mischance.“; CROWLEY, The confutation of the xiii. articles, fol. Dvir-Dviiiv. 234 Siehe CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 224-226. 235 Siehe GARDINER, A detection of the Devils sophistrie, fols. Aivv, Avv-Bir; vgl. dazu auch SMYTH, The assertion and defence of the sacramente of the aulter, fol. 180v-182r. 236 GARDINER, A detection of the Devils sophistrie, fol. Aviiiv. 237 GARDINER, A detection of the Devils sophistrie, fol. Bir. 238 Der Vorwurf, man würde sich ‚epikuräischem Gedankengut‘ hingeben, wiegte dabei besonders schwer. Siehe dazu u.a. GREENBLATT, Die Wende, S. 86-90, 111f und 235-249 zur Rezeption in England; Catherine WILSON, Epicureanism at the Origins of Modernity,

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ein bevorzugtes Angriffsziel protestantischer Kritik dar. Ein wesentliches Argument in diesem Rahmen war der Vorwurf, die Papisten würden sich zu „God makers“ erheben.239 Im Zuge dessen erfuhr die Hostie eine ‚Ridikülisierung‘, indem der gesamte Vorgang desakralisiert und ins Lächerliche gezogen wurde. Ein Beispiel aus vielen gestaltete sich wie folgt: „John podyngmaker wyll prynte a thousaunde of youre gods in one day betwene a payre of yero[n]s, and when you haue babled and mumbled vp your Masse, that is to say, eate[n] vp all, and dronke vp all; then you turne vp the botom and blesse vs wyth the empty cup, and byd God 240 be wyth vs, or elles, tell vs that all is done.“

Mit der Kritik des Herstellungsprozesses verbunden war der Vorwurf der Idolatrie.241 Sehr deutlich monierten die Autoren die Praxis, dass mit der Hostie eine falsche Gottheit angebetet werden würde. Als einfache Menschen habe der papistische Klerus nicht die Macht, eine derartige Verwandlung herbeizuführen. Der anonyme Autor der Schrift „Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche“ ließ sich gar dazu hinreißen, der Gegenseite eine Art Vielgötterei zu unterstellen, da aus

Oxford 2008; Lynn S. JOY, Epicureanism in Renaissance Moral and Natural Philosophy, in: JHI 53 (1992), S. 573-583. 239 Siehe CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 225: „But the Bishop of Rome invented new devices of his own making, and by them promised remission of sins and salvation, that he might be set up and honoured for a savior equal to Christ.“; die Anklage als ‚God maker‘ zieht sich ferner durch viele populäre Schriften der Zeit. Vgl. u.a. Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche […], London 1548 (STC2 21305.3/British Library), fols. Aiir & Aiiir; CROWLEY, The confutation of the xiii. articles, fol. Eir; A Dyalogue or disputacio[[n] bytwene a gentylman and a prest concernyng the Supper of ye Lorde, London 1548 (STC2 6802.5/Cambridge University Library), fol. {Bvv}; TURNER, A newe dialogue, fol. Bir; A brife and faythfull declaration, fol. Bir. 240 Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche, fol. Bvir. Die Figur des „John Podyngmaker“ wird noch zweimal dazu benutzt, um Herstellung und Gestalt der Hostie zu verspotten. Siehe fols. Ciiiv & Civv. 241 Vgl. auch Luke SHEPHERD, John Bon and Mast person, London 1548 (STC2 3258.5/British Library), Titelblatt: „For ye beare a great God, which ye yourselfes made / Make of it what ye wyl, it is a wafar cake / And between two Irons printed it is and bake / And loke where Idolatrye is, Christe wyl not be there.“; A Goodly Dyalogue betwene Knowledge and Symplicitie, London 1548 (STC2 6806/Henry E. Huntington Library), keine Foliierung, insgesamt 8 fols., hier fol. 4 v; Thomas Hancock sprach vom „Idol of the Altar“. Siehe The Autobiographical Narrative of Thomas Hancock, Minister of Poole, ed. in: John G. Nichols (Hg.), Narratives of the Days of the Reformation, London 1859, S. 71-84, hier S. 73; siehe zum Punkt der Idolatrie auch die Zusammenstellung verschiedener Bibelpassagen zum Thema, die Eduard VI. in französischer Sprache abfasste und die wohl als Geschenk für den Herzog von Somerset gedacht waren. Text ed. in: NICHOLS (Hg.), Literary Remains, Bd. 1, S. 145-153; cf. DAVIES, Religion of the Word, S. 31f, 3741.

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deren Perspektive zwangsläufig jede Hostie eine eigene Gottheit darstellen müsse.242 Gerade solche Assoziationen verdeutlichten das grundlegende Argument, nach dem die Papisten im eigentlichen Sinne keine Christen seien, sondern sich außerhalb eines christlichen Kontextes bewegten (im Sinne Ägyptens) und durch ihr Verhalten eher gegen Gott und die Lehren Christi opponieren würden.243 Dieses antichristliche Verhalten zeige sich außerdem im massenhaften Verkauf ihrer falschen Götter. Rhetorisch nicht ungeschickt, stellte ein Autor einen Vergleich zu Judas her, wobei dieser einen besseren Preis für den ‚Verkauf‘ seines Gottes bekommen hätte.244 Solche Kombinationen dienten neben dem Nachweis der antichristlichen Einstellung der Kirche auch dazu, um mehrere Themenkomplexe miteinander zu verbinden und diese an generelle Klagen anzukoppeln. Der in diesem Sinne immer wieder aufscheinende Vorwurf, die papistische Kirche ‚verschachere‘ spirituelle Dienstleistungen und betrüge die Laien, sollte dergestalt auf der einen Seite die Niederträchtigkeit, Habgier und Amoralität der Institution illustrieren. 245 Auf der anderen Seite stellten diese Stereotype einen Konnex zu älteren Klagen, wie beispielsweise zur Problematik des Fegefeuers und Ablasshandels her, die hierdurch nun in einem neuen Kontext aktualisiert werden konnten.246 Ein wesentlicher Teil der Auseinandersetzungen wurde freilich durch die Frage nach der Form des Abendmahls und des konkreten Ablaufs des Gottesdienstes bestimmt. Um in diesem Bereich eine Entfremdung und Stigmatisierung herbeizuführen, bedienten sich einige Autoren der Allegorie als stilistischem Mittel. Dabei wurde der gesamte Bedeutungsgehalt der „verhassten papistischen Messe“ in eine Frauen-

242 Vgl. Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche, fols. Biir & Biiir. Diese Darstellungsweise kommt daneben epikuräischem Gedankengut verdächtig nahe, wie es u.a. später von Giordano Bruno artikuliert worden ist. Siehe dazu GREENBLATT, Die Wende, S. 241-249. 243 Bucer nennt die katholische Kirche in seiner Auseinandersetzung mit Gardiner „the church of Egipt“. Siehe BUCER, The gratulation, fol. Eiiir; siehe zu diesem Gegensatz auch Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche, fol. Avv-Avir; zur symbolischen Funktion dieser Zuordnung ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 20f. 244 Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche, fols. Bviiv & Biiiv: „[A]nd euen as Judas solde the lyuinge God, soo doo these falce Ypocrytes sell theyr God for mony, and yet was Judas honister man then they, for he solde hym for xxx pence but these gentylmen wyll sell hym for a penny, wherefore I prayse Judas more then they, for a good thynge is worthy to haue a good price.“ 245 Siehe dazu auch Walter LYNNE, The beginning and endynge of all popery, or popishe kyngedome, London 1548 (STC2 17115/British Library), fols. Civr-v, Eiv; MOONE, A short treatise, fol. Aivr; William KETHE, A ballet declaringe the fal of the whore of babylone intytuled Tye thy mare tom boye, London 1548 (STC2 14942/Bodleian Library), fol. Aviiiv; siehe dazu auch die Bemerkung bei SMYTH, A defence of the blessed masse, fol. 188v-189r. 246 Derart spricht Philip Nicolls in seiner Erwiderung zum Punkt des Fegefeuers und der abzuhaltenden Messen von „certain Popish merchaunts“, durch die die Rebellen getäuscht worden wären. Siehe NICOLLS, An answer, S. 174; siehe auch OCHINO, A tragoedie, fol. Yivv-Zir.

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gestalt hineinprojiziert, die mitunter als „Tochter des Papstes“ firmierte. 247 Als personifizierte Messe „mastress missa“ porträtierten sie unter anderem Luke Shepherd und William Turner und machten deutlich, dass sie eine Art Allzweckwaffe der Kirche gewesen sei, um die Leute in ihrem Glauben an die Heilswirkung der Institution zu bestärken und die Macht des Papstes zu konsolidieren.248 William Turner ließ die ‚Dame‘ über sich selbst berichten: „But harke now what I both do and ca[n] do. I deliuer the fely soules that haue bene long pituosly punished in purgatory, fro[m] theyr paynes and tormentes. […] I can make fayre wether, and rayne: I can heale all Sycknesses, and brynge dampned soules oute of Hell: I can purchase remysson of synnes, by the offerynge vp agayne of Chrystes body and bloude. I can wyth fyue 249 words, make bothe God and man“

Wichtig in diesem Zusammenhang war freilich die Tatsache, dass diese Form der Messe absolut nichts mit dem von Christus selbst gelehrten Abendmahl zutun habe.250 So könne die ‚Dame‘ weder den Seelen im Fegefeuer noch den Kranken helfen, und die Transsubstantiation sei eine Erfindung der Kirche, die zudem die Gläubigen zur Idolatrie verleite, indem sie ein Stück Brot als Gottheit anbeten lassen würde.251 Im Gegenteil deutet die Darstellung bei Turner auf einen Vorgang der Hypostasierung hin, in dessen Zuge einer erfundenen Sache wie der Messe sukzessiv weitere Eigenschaften und Funktionen zugeschrieben werden, um deren Legitimität zu rechtfertigen. Bezeichnend nahm sich dergestalt die bei Luke Shepherd beschriebene ‚Ausstaffierung‘ der Messe mit ergänzenden Zeremonien, Ritualen und anderem ‚papistischen Pomp‘ aus.252 Analog beschrieb John Véron sehr detailliert die sukzessiven Erfindungen und Erweiterungen des ursprünglichen Gottesdienstes 247 Dass der Begriff „Messe“ von evangelischen Reformern regelrecht gehasst worden sei, betont MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 89. In ihren Augen gab es eine fundamentale Unterscheidung zwischen dem Abendmahl als spiritueller Erinnerungszeremonie und dessen verweltlichter Form im Rahmen der papistischen Messe. Siehe dazu DAVIES, Religion of the Word, S. 30f. In dieser Hinsicht gilt es zu berücksichtigen, dass in den zeitgenössischen Texten mit dem Begriff Messe sowohl der Gottesdienst an sich, als auch spezifischer nur die Eucharistie als Teil des Gottesdienstes gemeint sein konnte. In den Quellen ist der Übergang zwischen beiden Bedeutungen oftmals fließend. Siehe zu dieser Problematik einführend Volker SERESSE, Kirche und Christentum – Grundwissen für Historiker, Paderborn u.a. 2011, S. 46-48. 248 Luke SHEPHERD, The vpcheringe of the messe, London 1548 (STC2 17630/Bodleian Library); DERS., Pathose, or an inward passion of the pope for the losse of hys daughter the masse, London 1548 (STC2 19463/Cambridge University Library), fol. Biir und passim. 249 TURNER, A newe dialogue, fol. Avv-Avir; ähnlich PUNT, A new dialoge, fol. Aivr-Avr. 250 So lässt Turner die Messe fragen: „Where fynd you in al the holy scripture, that the supper of our Lorde can do so much?“ Und wenig später heißt es ergänzend: „Whyche thynge, seynge that God can not doo: can not I do more, then God can doe?“ Siehe TURNER, A newe dialogue, fol. Avir. 251 Siehe dazu etwa A Goodly Dyalogue betwene Knowledge and Symplicitie, fol. 3r-5v; CROWLEY, The confutation of the xiii. articles, fol. Cviiir-Fiiir. 252 Vgl. SHEPHERD, Pathose, fols. Bvr, Bvir-Bviiiv.

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durch Zeremonien und Praktiken, die nichts mit den Lehren Christi gemein hätten. Der Autor zeigte sich sehr bemüht, einerseits die Verwendung der Volkssprache im Gottesdienst zu rechtfertigen und andererseits die semantische Umwertung der Bedeutung des Gottesdienstes von einem Akt der Opferung, den der Priester vollziehe, hin zu einer Versammlung der Gläubigen zu stützen.253 Die von der Papstkirche praktizierte Form des Gottesdienstes sei demgegenüber das Resultat menschlicher Erfindungen, einzig dazu erdacht, um die Blasphemie und Idolatrie der Kirche mit einem Schein von Heiligkeit zu versehen und gleichzeitig den Gläubigen das Geld aus der Tasche zu ziehen.254 In diesem Sinne muss schließlich auch der Kommentar Cranmers gesehen werden, der dazu vermerkte: „And therefore the old Service pleaseth you better. Which in many things is so foolish and so ungodly, that it seems rather to be old wives’ tales and lies, than sound to any godliness.“ 255 Der Nachweis eines antichristlichen Ursprungs vieler papistischer Praktiken und Glaubensgrundsätze wurde zudem durch eine unterstellte Nähe von Papst und dem Propheten Mohammed geliefert. Luke Shepherd beispielsweise ließ in einer Passage den Papst über den schlimmen Gesundheitszustand seiner ‚Tochter‘ klagen und suchte in der Folge Rat und Unterstützung bei „mahomyte“. Die enge Beziehung der beiden offenbarte sich durch die Anrede der Messe als „Nichte“ Mohammeds, zu deren Heilung er ein paar gelehrte „Araber“ schicken solle.256 Shepherd aktualisierte hier auf der einen Seite eine Verbindung zwischen Mohammed und dem Papst, die bereits John Bale in seiner monumentalen Geschichte der beiden Kirchen propagiert hatte. Für Bale repräsentierten Papst und Mohammed zwei unterschiedliche Ausprägungen einer falschen Lehre, die letztlich gegen Christus und Gott gerichtet sei. Zusammenfassend bemerkte Bale dazu: „Thus though they outwardly appere verye vertuous, yet are they the malignau[n]t ministers of Sathan, denyinge the Lorde which hath redemed them.“257 Auf der anderen Seite konnte der Hinweis auf von einem falschen Propheten gesandte Mittelsmänner dazu tendieren, generelle Klagen über falsche und unchristliche Propheten in ein anschauliches Beispiel umzumünzen. So warnte etwa Hugh Latimer eindringlich vor dem Auftauchen falscher Propheten, die von den Lehren Christi abweichen und ihre eigenen „Phansyes“ lehren würden. 258 253 Vgl. dazu MACCULLOCH, Die zweite Phase der englischen Reformation, S. 22f; DERS., Cranmer, S. 384-386, 463-467; Günther GASSMANN, Die Lehrentwicklung im Anglikanismus. Von Heinrich VIII. bis zu William Temple, in: Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte, hrsg. von Carl Andresen & Adolf Martin Ritter, Bd. 2, 2., überarb. & erg. Aufl., Göttingen 1998, S. 353-409, hier S. 362-366; DUFFY, Stripping, S. 464f. 254 Siehe John VÉRON, Certayne litel treaties, London 1548 (STC2 24676/Bodleian Library), hier bes. Abschnitt III: A decleratio[n] how the masse crepte in fyrste into the church, fol. Gviiiv-Hivr, hier etwa fol. Fvr. 255 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 232. 256 Vgl. SHEPHERD, Pathose, fol. Aiiiv. 257 BALE, Image of bothe churches, fol. Bvv. Weitere Beispiele für das gemeinsame Wirken auf fols. Fviiv, Kviv, Lir-v; siehe auch „A prayer agaynst the pope and Turkes, whiche be the mortall enemies of Christ, hys word, and hys churche“, in: PONET, A notable sermon, fol. Gvv-Gviiiv. 258 Siehe LATIMER, Fyrste Sermon, fol. Aviiir-v; ähnliche Warnungen hatte auch Philip Nicolls geäußert. Siehe NICOLLS, Godly newe story, fol. Cvr-v.

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Dies bildete sodann den Hintergrund zur Kontextualisierung von Artikel elf der Rebellenforderungen, in dem die Freilassung und Wiedereinsetzung von zwei dezidiert altgläubigen Klerikern (John Moreman und Richard Crispin) gefordert worden war. Diese Forderung nutzten Cranmer und Nicolls dazu, um der Gegenseite vor Augen zu führen, dass sie gerade in derartigen Punkten von etwaigen papistischen Agitatoren betrogen worden seien. Solche Prediger seien genau jene falschen Führer und Propheten, vor denen die Bibel so eindringlich gewarnt habe. Nicolls schrieb in einer eigenen Auseinandersetzung mit Crispin dazu: „Thus dyd Christe prophecie that you shoulde come, & that you shoulde dooe miracles and wonders. In so muche that euen the verie elect […] should be brought into errowre. And saint Paule sayth you shal come with lieinge signes and wonders, and wyth al deceyueablenesse of vnrightuousnesse. […] Most euident and playne it is, that ye be euen of the same sinful sinago259 ge“ .

Wichtig für die Argumentation war, dass die angesprochenen Kleriker die Gläubigen mit falschen, papistischen Ansichten ‚füttern‘ würden, die sie von Gott weg führten.260 In diesem Sinne beschrieb Cranmer die beiden als „so ignorant that they cannot teach, and so full of craft and hypocrisy, that they be able to deceive you all, and to lead you into error after themselves“. Anstelle des himmlischen Manna bekämen die Gläubigen von Leuten wie Moreman und Crispin lediglich „[the] sour and unwholsesome leaven of Romish pharisaical doctrine“.261 In der Beschreibung Nicolls’ zu diesem Artikel offenbaren sich die grundlegenden, dichotomischen Muster der Diskussionen. Denn der König selbst habe die Inhaftierung der beiden Kleriker befohlen. Sie waren sozusagen den göttlichen Reformbestrebungen des neuen Regimes zum Opfer gefallen. Doch durch die Forderung nach deren Wiedereinsetzung als Prediger des Volkes würden die Aufständischen sich dezidiert dieser Gott gewollten Neuordnung des Gemeinwesens widersetzen. Sehr deutlich zeige sich dies daran, dass sie den Anordnungen und der Autorität ihres von Gott begünstigten und eingesetzten Monarchen nicht Folge leisten wollten.262 Die Wiedereinsetzung falscher und papistischer Kleriker wird also erneut als eine Art des Murrens gegen Moses präsentiert, welches nachgerade den Weg ins Gelobte Land blockiere und im krassen Gegensatz dazu eher auf die papistische Knechtschaft zurück verweise.263 Analog wurde ferner auf die Forderung nach einer Restitution aller Dekrete und Beschlüsse der Vorväter und Kirchenkonzilien reagiert. Grundsätzlich vermerkte Cranmer, dass sich die diversen Konzilsbeschlüsse sehr oft widersprä259 NICOLLS, The copie of a letter, fol. Divv; cf. YOUINGS, South-Western Rebellion, S. 115; ROSE-TROUP, Western Rebellion, S. 105f. 260 Zur altgläubigen Einstellung der beiden siehe auch den Beitrag von Charles S. KNIGHTON, Art. „Moreman, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017]; YOUINGS, South-Western Rebellion, S. 115. 261 Zu beiden Zitaten siehe CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 239. 262 Siehe NICOLLS, An answer, S. 178f. 263 Siehe auch LATIMER, Fourth Sermon, S. 153: „It is to be thought that some of them would have it so, to bring in popery again.“

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chen und diese als Orientierung daher wenig geeignet seien.264 Die Gesetze und Verordnungen des Papstes könnten gleichermaßen nicht als Richtschnur dienen, da sie einzig zur Konsolidierung und Ausweitung der Macht der Kirche erdacht worden wären. Sie offenbarten einzig die Profitgier und Ruhmsucht der Instituton und verstießen zudem gegen die bestehenden Gesetze des Königreiches. Die Kombination der einzelnen Punkte war in diesem Fall äußerst wichtig, da suggeriert wurde, dass letztlich alle Gesetze, Verordnungen und Dekrete der römischen Kirche Ausfluss eigennütziger Bestrebungen seien, die ferner zur Unterdrückung der Laienschaft geschaffen worden wären.265 Gerade vor diesen unlauteren und schädlichen Auswirkungen für das Gemeinwesen wollten jedoch ehedem Heinrich und nun Eduard ihre Untertanen durch die letzten Reformen schützen.266 Eine erneute Einführung römischkatholischer Gesetzgebung bzw. eine Beibehaltung des kanonischen Rechts hätten demnach fatale Konsequenzen für die Ordnung des Gemeinwesens, was Cranmer wie folgt beschreibt: „It is nothing else but a clear subversion of the whole state and laws of this realm; and to make this realm to be wholly governed by Romish laws, and to crown the idol and Antichrist of Rome king of this realm, and to make our most undoubted natural King his vile subject and 267 slave.“

Eine Wiedereinführung der angesprochenen Beschlüsse, Dekrete etc. käme folglich einer Rückkehr in die ägyptische Gefangenschaft gleich. Hugh Latimer unterstützte diese Ablehnung zusätzlich durch seine Auseinandersetzung mit den Qualitäten, die ein König aufweisen sollte. Wichtigstes Merkmal war für ihn dabei die Tatsache, dass der König aus dem Land stammen müsse, das er regieren wolle. Im Umkehrschluss hieß dies für Latimer: „Thou muste not set a straunger ouer the.“ Und quasi in der Aufnahme der Aussage von Cranmer zum Papst, fügte Latimer hinzu:

264 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 203; zur Ablehnung der Verbindlichkeit von Generalkonzilien, die bereits unter Heinrich VIII. erfolgte, siehe auch die Ausführungen in Abschnitt B, Kap. 5.4, S. 239. 265 Siehe u.a. die Bemerkungen in CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 208; The Plouumans tale, fols. Avir-v & Aviiir; LYNNE, beginning, fols. Ciir, Ciiir, Divr, Fir; MOONE, A short treatise, passim; KETHE, Tye thy mare tom boye, Vorwort fol. {AiivAiiir} und passim. 266 Siehe etwa CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Fiiir-v: „The kinges maiestie & c. hath godli reformed an vncleane parte of religion, & hath brought it to [the] true forme of the first churche that followed Christe, thinking that to be the trueste, not what later mens phansies hath of themselues deuised, but what thapostles and their felowes had at Christes hande receiued, and willeth the same to be knowen and set abrode to all his people.“; auch HOOPER, An answer, S. 141 spricht letztlich dem König die Entscheidungsgewalt zu, wie es ehedem bei Moses der Fall gewesen sei; OCHINO, A tragoedie, fol. Yiir. 267 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 211.

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„It hath pleased God to graunte vs a naturall liege Kynge and Lorde, of oure owne nacion, an Englyshe man, one of our owne religion. God hath geuen hym vnto vs, and is a most precious 268 treasure, and yet many of vs do desyre a straunger to be Kynge ouer vs.“

Hier scheinen somit die zentralen Funktionen des Erwählungsmotivs gebündelt auf, wenn einerseits die Restitution etwaiger Konzils- oder Papstbeschlüsse mit einer rückwärts gewandten Bewegung in alte Traditionen und eine erneute Fremdherrschaft gleichgesetzt wurde. Als Kontrast zu diesem verworfenen Fremden wird Eduard als Sproß einer genuin englischen Nation präsentiert, dessen Regentschaft mit dem Segen Gottes versehen sei. Eduard VI. sei der rechtmäßige Sohn und Erbe Heinrichs VIII., der von Gott erwählt wurde, um den wahren Glauben zu restituieren und die Überreste eines falschen Aberglaubens zu tilgen.269 Am deutlichsten konnten die Autoren ihre Absicht, eine Dissoziation der Rebellenforderungen zur Regierungszeit Heinrichs zu konturieren, womöglich im Rahmen der Forderung nach einer Begnadigung Reginald Poles umsetzen. Die Aufständischen verlangten indes nicht nur Pardon und Rückkehr, sondern sie wollten Pole in der Folge sogar auf dem Platz eines königlichen Beraters sehen. 270 Hierauf antworteten die Autoren mehrheitlich, indem sie das Verhalten Poles nochmals vor Augen führten. So schrieb Cranmer dazu: „Surely I have read a book of his making, which whosoever shall read, if he have a true heart to our late sovereign lord King Henry VIII, or to this realm, he will judge Cardinal Pole neither worthy to dwell in this realm, nor yet to live. For he doth extend all his wits and eloquence in that book to persuade the Bishop of Rome, the Emperor, the French King, and other princes, to 271 invade this realm by force.“

Das angesprochene Buch war Poles Pro ecclesiasticae unitatis defensione, ein Werk, indem der Autor die henrizianische Reformation verurteilte, Heinrich riet, seine Ehe mit Katharina fortzusetzen und überdies die europäischen Potentaten aufrief, den englischen Herrscher seiner Königswürde zu entheben.272 Pole brachte sich mit einer derartigen Auffassung vorsätzlich in eine Kontinuitätslinie mit John Fisher, der eben268 LATIMER, Fyrste Sermon, fol. Bviv-Bviir zu beiden Zitaten. 269 Vgl. HOOPER, An answer, S. 201; A message sent by the kynges Maiestie, fol. Bvr; BRADSHAW, David or Josiah, S. 81-89; MACCULLOCH, Tudor Church Militant, Kap. 2; SHARPE, Selling the Tudor Monarchy, S. 205-217. 270 Diskussion der Forderung bei GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 5860. 271 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 240; fast die gleiche Anschuldigung findet sich bei NICOLLS, An answer, S. 181. 272 Vgl. Reginald POLE, Ad Henricum Octauum Britanniae regem, pro ecclesiasticae unitatis defensione, libri quatuor, Rom 1536 (USTC 850087/Biblioteca universitaria Alessandrina). Zu Pole v.a. die Arbeit von Thomas F. MAYER, Reginald Pole. Prince and Prophet, Cambridge 2000, hier bes. S. 13-61 zu dessen Schrift gegen Heinrich; Pole war zudem während der Pilgrimage of Grace bemüht, eine Koalition gegen Heinrich VIII. zu schmieden und Söldner für eine Invasion zu rekrutieren. Siehe dazu SCARISBRICK, Henry VIII, S. 346f.

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falls zur Invasion Englands aufgerufen hatte.273 Seine Versuche, auf dem Kontinent Unterstützung für die Aufständischen und deren Pilgerfahrt der Gnade von 1536/37 zu organisieren, führten schließlich zur königlichen Anklage der Familie Pole als Hochverräter.274 Pole war aber nicht nur politisch geächtet, sondern bei den evangelischen Reformern zudem äußerst unbeliebt. Melanchthon bemerkte zu ihm in seinem Brief an Heinrich: „Thys sophistrie hath nowe not onely a greate name of wisedome in Englande, but also at Rome it beareth a great rule, where as Cardinall Contaranus Sodoletus and Reynolde Pole 275 paynte abuses wyth newe counterfeyte colours.“

Obgleich Pole mit einigem Recht als Reformer innerhalb der Kirche betrachtet werden kann, der zudem zeitweilig die Aufmerksamkeit der Inquisition erweckt hatte, sprach letztlich sein fester Glaube in die göttliche Gründung des Papsttums gegen ihn.276 Cranmer machte diesen Aspekt besonders deutlich: „And sure I am, that if you have him, you must have the Bishop of Rome also.“277 In Reginald Pole vereinte sich demnach der Verräter an Krone und Patria mit jenem an Gott und wahrem Glauben in besonders klarer und anschaulicher Weise.278 Zudem symbolisierte er wie kaum eine andere Gestalt der Zeit den öffentlichen Bruch mit der Politik Heinrichs VIII. Er musste vor allen anderen als ‚Apologet Ägyptens‘ gelten, der danach trachtete, das englische Volk zurück in die päpstliche Gefangenschaft zu führen. Wie kaum eine andere unterminierte diese Forderung in fundamentaler Weise die Argumentation der Rebellen, indem sie eindeutig einen Bruch mit der henrizianischen Politik vollzog. In diesem Sinne gewinnt die These an Plausibilität, wonach gerade dieser Artikel vor allem im Hinblick auf lokale Verhältnisse beurteilt werden müsse, wo die Familie Pole einen offensichtlich nach wie vor respektablen Einfluss genoß.279 Die Forde273 Pole lieferte in seiner Schrift zudem eine Art Hagiographie zugunsten der unter Heinrich VIII. hingerichteten John Fisher und Thomas More; siehe zu Fisher etwa SCARISBRICK, Fisher, Henry VIII and the Reformation crisis, S. 156f; REX, Theology of John Fisher. 274 Pole wurde im Rahmen der sog. Exeterverschwörung von 1537 in die Anklageschrift miteinbezogen und daraufhin offiziell geächtet. Freilich dürfte hier auch seine Familienzugehörigkeit ein Beweggrund gewesen sein, da er durch seine Mutter zur York-Dynastie gehörte und daher einen legitimen Anspruch auf den englischen Thron erheben konnte. Siehe dazu Thomas F. MAYER, Art. „Pole, Reginald“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [21.02.2017]; DERS. Reginald Pole, S. 77. 275 MELANCHTHON, Epistle, fol. Aivv. 276 Siehe dazu die Auseinandersetzung mit Poles Ansichten bei LATIMER, Fifth Sermon, S. 173f. 277 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 240. 278 Bereits Richard Morison hatte Pole vorgeworfen, sein Heimatland verraten zu haben. Zum Beweis zitierte er einen Ausspruch Poles, wonach dieser gesagt haben soll: „Roma mihi patria est.“ Siehe MORISON, Exhortation, fol. Dir; BURGESS, Political Thought, S. 52. 279 Siehe FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 66.

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rung, ihn zum Berater des Königs zu erheben, deutet zudem darauf hin, dass Pole als ausgleichende Instanz bzw. als Gegenpol in der Politik des neuen Regimes dienen sollte. In einer französischen Flugschrift zu den Aufständen von 1549, die vermutlich eine erweiterte Übersetzung einer heute verlorenen englischen Schrift der Zeit war, werden explizit die Praktiken und Verfahrensweisen bei der Implementierung und Umsetzung religiöser Reformen in England als ein wesentlicher Punkt des Aufstandes herausgestellt.280 Dort hieß es zum einen hinsichtlich des Vorgehens einiger Berater: „[I]lz ont excessiuement passé les bornes d’administrateurs de ce royaume, faisans l’office qui seulement est reserué à Dieu ou son vicaire, Euesques & aultres ministres de l’Eglise.“281 Aus diesem Grund sei ein zentraler Anlass des Aufstandes gewesen, dass dem Volk missfallen habe zu sehen, wie einige wenige Personen aufgrund persönlicher Ambitionen die Religion, welche ihre Vorfahren seit zwölfhundert Jahren ausgeübt hätten, zugunsten eines neuartigen Glaubens verändert hätten. 282 Zwei offensichtliche Veränderungen in dieser Hinsicht waren freilich einerseits die Auflösung der Klöster, Kantoreien und Bruderschaften sowie andererseits die Veröffentlichung der volkssprachigen Bibel. Beides waren Punkte, die von den Rebellen aufs Schärfste verurteilt und abgelehnt worden waren. Während sich Nicolls im Hinblick auf die Frage nach einer möglichen Restitution von Kirchenland relativ konziliant zeigte, und lediglich die Art und Weise kritisierte, wie die Aufständischen diese Forderung vorgebracht hätten, sah Cranmer darin einen direkten Angriff auf die Autorität des Herrschers und eine potentielle Destabilisierung bestehender Gesetze.283 Dadurch, dass die Veräußerung des Kirchenbesitzes rechtlich abgesichert worden sei, gebe es legitime Ansprüche und Besitzrechte, die durch eine solche Forderung desavouiert werden würden. Ein solches Vorgehen bedrohe letztlich die bestehende Hierarchie und könnte zu einer Verschärfung der inneren Unsicherheitslage beitragen.284 Im Hinblick auf die Bibel hatten die Rebellen den Einzug sämtlicher gedruckten Ausgaben gefordert, inklusive aller Schriften, die sich mit derartigen Themen befassten.285 Das vorgebrachte Argument belief sich auf die Feststellung, dass durch weid280 Siehe dazu Peter HOGUE [?], La responce du peuple anglois à leur roy Edouard sur certaines articles qui en son nom leurs ont esté envoyez touchant la religion chrestienne, Paris 1550 (USTC 3410/British Library), ed. in: Rose-Troup, Western Rebellion, Appendix H, S. 445-470; zur Schrift und ihrem Bezug zur Western Rebellion GREENWOOD, Study of the Rebel Petitions of 1549, S. 25-28 & S. 56f. 281 La responce du peuple anglois, S. 451. 282 La responce du peuple anglois, S. 452. 283 NICOLLS, An answer, S. 183f; CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 242; die Zurückhaltung Nicolls’ in diesem Fall kann daran gelegen haben, dass auch evangelische Reformer die Art und Weise der Veräußerung und Nutzung des einstiegen Kirchenbesitzes teilweise scharf kritisierten. Siehe dazu WOOD, 1549 Rebellions, S. 3140; DAVIES, Religion of the Word, S. 200-209; Claire CROSS, Church and People. England 1450-1660, 2. Aufl., Oxford 1999, S. 71, 75-78; siehe auch die Bemerkungen oben, S. 279-281. 284 Vgl. CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 242f. 285 Zu diesen Schriften hätten dann u.a. Erasmus’ Paraphrase, die gedruckten Liturgien sowie natürlich auch das Book of Common Prayer gehört.

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liche Zirkulation derartigen Schrifttums häretische Ansichten unverhältnismässig verbreitet würden. Der Klerus sei dadurch nicht mehr imstande, diese Häresien zu widerlegen.286 An dieser Stelle musste es vor allem darum gehen, die zentrale Errungenschaft der henrizianischen Ära zu verteidigen. Thomas Cranmer betonte deshalb auch den essenziellen Stellenwert, den die Bibel im Kampf gegen die Machenschaften des Antichristen einnehme: „And therefore, until God’s word came to light, the Bishop of Rome, under the Prince of darkness, reigned quietly in the world: and his heresies were received and allowed for the true catholic faith. And it can none otherwise be, but that heresies must reign, where the light of God’s 287 word driveth not away darkness.“

Philip Nicolls fügte diesem Standpunkt Cranmers eine wichtige Notiz hinzu: Auch er sah im Einzug der volkssprachigen Bibel eine große Gefahr, würde das Volk dadurch doch spirituellen Trost und „Nahrung“ verlieren und in der Folge sehr wahrscheinlich in die alte Blindheit und die alten Fehler zurückfallen. 288 Nach Nicolls’ Dafürhalten sei der gegenwärtige Aufstand das beste Beispiel für die schädlichen Folgen, die aus einem Mangel an richtiger Unterweisung infolge der Ignoranz der Heiligen Schrift resultieren würden. Die Prayer Book Rebellion habe deutlich gezeigt, wie eine papistische Gruppe das Wort Gottes vor den Menschen zurückhalte und die daraus erfolgende Ignoranz und Unkenntnis ausnutze, um Aberglaube und Idolatrie zu fördern, Papisterei für Heiligkeit auszugeben und durch solche Aktionen zuletzt die Loyalität zum Herrscher zu untergraben.289 Diese Darstellung schlug sodann einen Bogen zurück zu den Anfängen, indem als eigentliche Ursache der Rebellion die Ignoranz und Unwissenheit der meisten Menschen angeführt wurde. Diesen Zustand hätten einige umtriebige Anhänger der alten Kirche ausnutzen können, um die Masse der Aufständischen zu einer unrechtmäßigen Erhebung gegen ihren souveränen Herrscher zu verleiten.290 Miles Coverdale vermerkte vor diesem Hintergrund in seiner Übersetzung des Neuen Testamentes von 1549: „Wherfore thei be in a miserable state, & much to be lame[n]ted, to whom this booke (whiche is the booke of euerlasting life) is so straunge and vnknowen, [that] wha[n] thei here it called, the new Testame[n]t, thei fa[n]tasy it to be som new work, made by the wyt & inue[n]cion of man. For the whiche cause also Antichrist is to be cursed & abhorred of al me[n], who wold not 291 suffer men of the laitee […] to reade this boke“ . 286 R. L., A Copye of a Letter, fol. Bviir-v. 287 CRANMER, Against the Articles of the Devonshire Men, S. 238. 288 Miles Coverdale beschrieb die Lektüre der Bibel als ähnlich erquickende Handlung. Siehe Miles COVERDALE, The Newe Testament, London 1549 (STC2 2858/British Library), Vorwort fol. 2v. 289 Siehe NICOLLS, An answer, S. 175-177. 290 So auch CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Eivr. 291 COVERDALE, The Newe Testament, Vorwort fol. 3r; auf das hier angedeutete ‚sophistische Problem‘ von alt und neu in der Zeit geht auch John Cheke ein. Siehe CHEKE, The hurt of sedicion, fol. Aivv-Avr.

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Diesen Versuchen des Antichristen, das englische Volk in seiner Unwissen- bzw. Blindheit zu halten, hätten letztlich Heinrich VIII. und freilich in viel stärkerem Maße Eduard VI. durch ihre Reformen widerstanden. Während der Vater das englische Volk aus der Gefangenschaft des Papstes befreit hat, lag es nun am Sohn, seinem Volk in der Wüste die neuen göttlichen Gesetze und Vorgaben näherzubringen, um am Ende das verheißene Land erreichen zu können. Hierfür war eine innere Läuterung notwendig, die in dieser Hinsicht den Kern der evangelischen Reformabsichten der Zeit deutlich machte. Im Gegensatz zu den Prämissen Heinrichs VIII. ging es den eduardianischen Reformern weniger um eine äußere Konformität, als vielmehr um eine innere Überzeugung, die letztlich den wahren Glauben an Gott ausmachte. Dieser Transformationsprozess, der aus ägyptischen Sklaven bzw. in papistischen Traditionen gefangenen Untertanen wahre Gläubige machte, war das eigentliche Ziel der Wüstenerfahrung und letztlich der unter Eduard VI. angestrebten Reformen. 3.4 Zusammenfassung Die Frühphase der Regierungszeit Eduards VI. zwischen 1547 und 1550 zeichnet sich vor allem durch einen starken Reformimpuls aus. Akteure wie der Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, der junge König selbst und eine Vielzahl reformatorischer Autoren versuchten nach dem Tode Heinrichs VIII., das Land einer weitergehenden Reformation zu unterziehen. Wie das Beispiel der Prayer Book Rebellion jedoch gezeigt hat, war dies kein Vorhaben, das lediglich durch die Abschaffung einiger Gesetze und der Aufsetzung neuer Normen vonstatten gehen konnte. Im Gegenteil hatte die Rebellion offenbart, wie stark ein Großteil des Volkes offenbar immer noch in eher traditionellen Glaubensauffassungen verhaftet war und die sukzessiv eingeführten Neuerungen der Obrigkeit zugunsten der Regelungen Heinrichs VIII. mehrheitlich ablehnte. Brisant gestaltete sich vor diesem Hintergrund eine Argumentation, wonach die Zustände unter Heinrich VIII. sowie dessen Autorität gegen die Reformbestrebungen der Regierung ausgespielt wurden. Der hier anklingende Vorwurf belief sich darauf, das Regime um Protektor Somerset des Bruchs mit den henrizianischen Traditionen und Bestimmungen anzuklagen, den Ruch von schlechten Neuerungen heraufzubeschwören und die Reformvorhaben der Regierung dadurch grundlegend zu delegitimieren. In selten klarer Weise offenbarte sich hier die Notwendigkeit, die projektierten Reformen nicht nur institutionell-rechtlich abzusichern, sondern eine ‚ideologische‘ Überzeugungsarbeit zu leisten. Die angestrebten Veränderungen sollten dem zeitgenössischen Verständnis nach plausibel gemacht, erklärt und dadurch idealiter eine breite Akzeptanz generiert werden. Das hauptsächliche Problem bestand hierbei im Umgang mit dem henrizianischen Erbe, das weder vollkommen verworfen, noch vollständig übernommen werden konnte. Zudem musste der Widerstand gegen die geplanten Reformen, wie er sich unter anderem in der Prayer Book Rebellion manifestiert und in der Forderung nach einer Beibehaltung des henrizianischen Vermächtnisses kristallisiert hatte, in der Form der ideologischen Rahmung berücksichtigt werden, um Resonanzen sicherzustellen. Eine passende Rahmung für diese legitimatorische Krise fand sich in der Stilisierung der gegenwärtigen Situation Englands als erwähltes Volk in der Wüste. Hierüber konnte zunächst eine Anschlusskommunikation an die unter Heinrich VIII. zir-

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kulierenden Erwählungsvorstellungen sichergestellt werden. Wichtig war dies vor allem zur Stärkung der Position des jungen Königs, dessen uneingeschränkte Autorität mitunter bestritten worden war. In der Herstellung einer Kontinuität zu seinem Vater konnte nun Eduard VI. als legitimer Nachfolger Heinrichs präsentiert werden, der analog zu diesem ebenfalls über eine von Gott gegebene Autorität verfügte. Wenn Heinrich ehedem der englische David war, so verkörperte Eduard nun Salomon. Während Heinrich als mosaischer Befreier das englische Volk aus der Gefangenschaft des Papstes gerettet hatte, so oblag es nun Eduard als jungem König Josia oder Hiskia, die Reinigung des Kults und Neuerrichtung des Tempels zu betreiben. Verbunden mit dieser Form der Anschlusskommunikation war die Konstruktion eines Narrativs auf der Grundlage des israelitischen Exodus. Nach dieser Vorstellung befand sich das englische Volk nun in der Wüste, die einen Raum des Übergangs darstellte, der nicht ohne Gefahren war. Die Position in der Wüste war eine Weiterentwicklung der henrizianischen Erwählungsidee, wobei es sich in diesem Zusammenhang um eine selektive Aneignung handelte, die ihren Fokus auf die Entwicklungen der frühen 1530er Jahre legte und gleichsam die späteren Geschehnisse ausklammerte. In dieser Lesart hat Heinrich VIII. durch sein vollzogenes Schisma sowie die Veröffentlichung der volkssprachigen Bibel den Grundstein zur Annahme des wahren Glaubens und der Gewinnung des verheißenen Landes gelegt. Allerdings hat der unter ihm begonnene Exodus das englische Volk zunächst nur bis in die Wüste geführt, wo ein schwieriger Prozess der inneren Läuterung wartete, der sowohl eine bewusste Ablehnung und Zurückweisung der alten Traditionen, als auch die Annahme neuer Regeln und Vorgaben verlangte. Dieser Prozess der inneren Läuterung kann als das eigentliche Ziel der eduardianischen Reformen angesehen werden. Entgegen dem Festhalten an einer rein äußeren Konformität ging es nun darum, zu einer inneren Überzeugung zu gelangen, die den wahren Gläubigen aus Sicht der Reformer ausmachte. Dieser Transformationsprozess implizierte zunächst eine bewusste Zurückweisung sämtlicher Relikte einer papistischen Glaubensvorstellung, wozu die Reformer in der Folge nicht nur Abbildungen, Heiligenschreine und Ähnliches, sondern auch wesentliche Teile der ideosynkratischen Religionsvorstellungen Heinrichs VIII. zählten. Vor allem die Sechs Artikel von 1539 sowie zahlreiche Bestimmungen des King’s Book von 1543 waren hier das Ziel der Angriffe. In diesem Zusammenhang kam es schließlich zu einer tatsächlichen Innovation, da die unter Heinrich etablierte Mosaische Unterscheidung nun auf viele seiner eigenen religiösen Setzungen appliziert wurde. Dadurch konnten Gesetze wie die Sechs Artikel einer genuin papistischen Tradition zugeordnet und als idolatrische, falsche und blasphemische Auffassung verworfen werden. Die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung im Kontext der eduardianischen Reformen schuf eine zweite Anknüpfung an die henrizianische Regierungszeit und sollte das grundsätzliche Bedrohungspotential, das von einer papistischen Weltanschauung ausging, verdeutlichen und reproduzieren. Gleichzeitig war es eine Strategie, um die Vereinnahmungsversuche des henrizianischen Erbes durch die Aufständischen zu diskreditieren und eine Dissoziation zwischen deren Verhalten und der Regierungszeit des alten Königs zu konstruieren. Im Kampf um die Deutungshoheit über das henrizianische Vermächtnis entstanden somit unterschiedliche Deutungsrahmen seiner Herrschaft, wobei für die Reformer die frühen Neuerungen als Ausgangspunkt des eduardianischen Erwählungsdenkens fungierten, währenddessen vor allem die

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Entwicklungen ab den späten 1530er Jahren in eine papistische Traditionslinie verschoben wurden. Ein konkurrierendes Deutungsmuster stellte in diesem Zusammenhang der von den Aufständischen artikulierte Wunsch dar, den Status quo zu erhalten und keine weiteren Veränderungen an den Setzungen Heinrichs VIII. vorzunehmen. Im Sinnhorizont der eduardianischen Erwählungsvorstellungen bedeutete diese konservative Auffassung freilich einen Widerstand gegen die geplanten Reformen, der in der Folge als das Murren der Israeliten in der Wüste ausgelegt wurde. Dieses wurde durchaus ernst genommen, konnten sich darin doch die Zweifel des Volkes ob des verheißenen Ziels äußern und der Wunsch Gestalt annehmen, man möge zu den alten Traditionen zurückkehren. Im Falle der Prayer Book Rebellion sah man darin das explizite Verlangen, zu den katholischen Praktiken, Ritualen und Ansichten zurückzukehren. Die eduardianischen Reformer interpretierten dieses Murren jedoch vor allem als einen Mangel an Glauben, der durch die Unkenntnis bzw. Ignoranz der göttlichen Gebote und des wahren Glaubens gespeist wurde. Sie konnten so derartige Widerstände als Bestätigung darstellen, dass es einer weitergehenden Aufklärung und Reform des Gemeinwesens bedürfe. Vor diesem Hintergrund sahen sich zuletzt die Reformer in der Pflicht. Als wahrhaft Gläubige war es ihre Aufgabe, in Zeiten der Krise und Ungewissheit dem darbenden Volk in der Wüste den richtigen Weg zu weisen. Durch die Stilisierung als Helfer und Führer auf dem Weg zu Gott und ins Gelobte Land schrieben sich die evangelischen Reformer zuletzt selbst in das aufgebaute Narrativ ein und konnten auf diese Weise eine autoritative Stellung im Diskurs der Zeit reklamieren. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass es sich bei der Rahmung des Reformprozesses der Zeit um den Versuch gehandelt hat, die henrizianischen Erwählungsvorstellungen für die Bedingungen der eigenen Zeit fruchtbar zu machen. Daraus ist ein narratives Grundmuster hervorgegangen, das Kontinuität zur Regierungszeit Heinrichs VIII. suggerieren sollte, um dadurch den tatsächlich vollzogenen Bruch mit dessen Setzungen und Bestimmungen zu eskamotieren. 292 Der kommunikative Anschluss an diese Vorstellungen war zudem von grundlegender Bedeutung, weil seit der Zeit Heinrichs VIII. innovative Neuerungen, vor allem im Bezug auf reformatorische Entwicklungen und Ideen, über den Rekurs auf die Erwählungsidee gerechtfertigt werden mussten. Die Vorstellung vom erwählten Volk in der Wüste fungierte hier als Interpretament der inneren Situation des Landes, über das nicht nur die gegenwärtigen Probleme in einem intelligiblen Weltbild der Reformer verortet werden sollten. Es enthielt zudem konkrete Lösungsvorschläge für die missliche Lage in der Wüste. Diese bestanden in einer bewussten Abkehr von den Resten papistischer Glaubensauffassungen und -praktiken, die nun endgültig ausgemerzt werden sollten. Damit einher ging das Postulat weiterer Reformen, die das Land dem wahren Glauben an Gott näherbringen sollten, und sich unter anderem in den Veröffentli292 Unabhängig von der in der Forschung diskutierten Frage, ob Heinrich VIII. am Ende seines Lebens tatsächlich eine weitergehende Protestantisierung seines Landes ins Auge gefasst haben mag, zeigen die publizistisch fassbaren Strategien der Reformer eindeutig die Absicht, dessen Handlungen genau in dieser Weise zu interpretieren und stilisieren. Vgl. zu diesen Diskussionen etwa die Ausführungen von MACCULLOCH, Tudor Church Militant, S. 1-7, 15, 57-59.

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chungen der beiden Gebetbücher von 1549 und 1552 sowie der Publikation der so genannten Zweiundvierzig Artikel niederschlugen.

4. D ER K RIEG MIT S CHOTTLAND UND DIE E XTERNALISIERUNG DER ENGLISCHEN E RWÄHLUNG Der Krieg mit Schottland, den Eduard Seymour in der Regierungszeit Eduards VI. führte, muss ebenfalls als eine Hinterlassenschaft Heinrichs VIII. gewertet werden. 293 Die militärischen Auseinandersetzungen hatten bereits 1542 begonnen und setzten sich mit Unterbrechungen bis ins Jahr 1550 fort. In der einschlägigen Historiographie zu diesem Thema hat sich für die Aufeinanderfolge der einzelnen militärischen Phasen zwischen 1542 und 1550 weitgehend der Begriff des „rough wooing“ durchgesetzt.294 Ohne Zweifel handelte es sich beim Rough Wooing um einen geerbten Krieg. Was die Auseinandersetzung mit Schottland für die vorliegende Arbeit allerdings von Interesse macht, war die Art und Weise, wie protestantische Autoren im Kontext des Konflikts die Vorstellung einer göttlichen Erwählung des englischen Gemeinwesens einsetzten, um eine neuartige Politik zu formulieren und abzusichern. Analog zu den innenpolitischen Konstruktionen der Zeit war hier die Tendenz zu erkennen, unter Heinrich VIII. entstandene Wahrnehmungsmuster aufzunehmen und im Lichte der gegenwärtigen Bedingungen und Absichten weiterzuentwickeln und zuzuspitzen. Wesentlich war in diesem Prozess eine Wahrnehmungsverschiebung des Verhältnisses zum schottischen Nachbarn, die ihren Ursprung in den Reformen der 1530er Jahre haben dürfte, aber erst unter Eduard VI. vollends zum Tragen kam. Protestantische Autoren projektierten in diesem Zusammenhang eine Union der beiden Länder und rekurrierten zur Absicherung ihrer Ziele auf eine spezifische Ausprägung der englischen Erwählungsvorstellungen. Diese innovatorische Politik, die von Arthur Willi-

293 Grundlegend zum Konflikt Gordon DONALDSON, Scotland: James V – James VII, Edinburgh u.a. 1965, S. 17-62; Marcus MERRIMAN, The Rough Wooings. Mary Queen of Scots, 1542-1551, East Linton 2000; DERS., The Struggle for the Marriage of Mary Queen of Scots: English and French Intervention in Scotland, 1543-1550, unveröffentlichte PhD-Thesis, London 1974; Jane E. A. DAWSON, Scotland Re-formed 1488-1587 [The New Edinburgh History of Scotland, Bd. 6], Edinburgh 2007, S. 155-175; BUSH, Somerset, S. 7-39; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 433-445; Richard B. WERNHAM, Before the Armada. The growth of English foreign policy 1485-1588, London 1966, S. 149-178. 294 Siehe grundsätzlich Morag MACLEOD, Art. „Rough Wooing“, in: The Oxford Companion to Scottish History, ed. von Michael Lynch, Oxford 2001, S. 532-534. Die Bezeichnung ist vor allem deshalb präferiert worden, weil dadurch trotz einiger Unterschiede im konkreten Vorgehen die Kontinuitäten betont werden konnten, die sich in diesem Ereigniszusammenhang zwischen den Regierungszeiten Heinrichs VIII. und Eduards VI. abzeichneten.

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amson in das berühmte Schlagwort des „Edwardian Moment“295 gefasst worden ist, muss analog zu den Konstruktionen im Inneren des englischen Gemeinwesens gesehen werden, wo die Aktualisierung der henrizianischen Erwählungsidee ebenfalls dazu gedient hatte, Kontinuitäten zu dessen Herrschaftszeit herzustellen sowie eindeutige Neuerungen mit der bekannten und zeitgenössisch akzeptierten Vorstellung der englischen Erwählung abzusichern. Im Hinblick auf den Krieg im Norden ist vor diesem Hintergrund eine Anpassung der Erwählungsidee an den konkreten kommunikativen Kontext zu beobachten. Die selbstkritischen und reflexiven Züge, die prägend für dessen Anwendung auf die genuin englischen Verhältnisse waren, traten hier zugunsten einer offensiv vorgetragenen Selbstbestimmung zurück, die im Besonderen die England zuteil gewordene und immer noch zuteil werdende göttliche Fürsorge betonte. Ausgehend von dieser Position als von Gott begünstigtes Gemeinwesen wurde England in der Auseinandersetzung mit Schottland nun sozusagen die Rolle eines Führers zugeschrieben, der den Schotten helfen sollte, ihren falschen und antichristlichen Weg zu verlassen. Ganz im Sinne der von Gott erwählten und gesandten Boten sollte das englische Gemeinwesen dem schottischen in der Folge den Weg ins Gelobte Land weisen und damit den Willen Gottes umsetzen. Entscheidend war in diesem Rahmen, dass das Gelobte Land, in das Gott die beiden Gemeinwesen führen wollte, die Vision eines geeinten Inselreiches war, die den Namen Britannien trug. 4.1 Die ‚britische Perspektive‘: Ein Erbe Heinrichs VIII. Der englisch-schottische Krieg förderte eine rege Auseinandersetzung und Aufarbeitung der Beziehung zwischen beiden Ländern. Diese Vorgänge spielten sehr wahrscheinlich eine maßgebliche Rolle für die eduardianischen Vorschläge einer Vereinigung, weshalb sie hier kurz skizziert werden sollen. Dem Konflikt vorausgegangen waren diplomatische Verhandlungen, welche die englischen Grenzen im Norden sichern sollten, während sich Heinrich VIII. auf dem Kontinent engagierte. 296 Schottland bildete in dieser Zeit in mehrerlei Hinsicht einen Gegenpol zum englischen Nachbarn. Das Land hatte sich unter der Regierung Jakobs V. seinen traditionellen Glauben bewahrt, wohl auch weil die schottischen Könige aus der Liaison mit der Kurie Vorteile ziehen konnten: So gestand Rom den schottischen Monarchen das Recht der Investitur zu, wodurch der Adel enger an die Krone gebunden und zudem die illegitimen Söhne der Könige versorgt werden konnten. Mindestens ebenso wichtig schien das Zugeständnis Clemens’ VII. von 1531, wonach die schottische Krone einen Teil der jährlichen Kircheneinkommen ihres Territoriums zugesprochen be-

295 Arthur H. WILLIAMSON, Scotland, Antichrist and the Invention of Great Britain, in: John Dwyer / Roger A. Mason / Alexander Murdoch (Hgg.), New Perspectives on the Politics and Culture of Early Modern Scotland, Edinburgh [1982], S. 34-58, hier S. 39. 296 Vgl. inter alia David M. HEAD, Henry VIII’s Scottish Policy: a Reassessment, in: SHR 61 (1982), S. 1-24, hier S. 16f; John D. MACKIE, Henry VIII and Scotland, in: TRHS 4th Series 29 (1947), S. 93-114, hier S. 111f; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 433-449; DONALDSON, Scotland, S. 59.

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kam, womit das erste zivilrechtliche „College of Justice“ in Edinburgh finanziert wurde.297 Ähnlich gute Beziehungen pflegten die schottischen Regenten zu Frankreich, mit dem seit 1296 eine besondere, immer wieder erneuerte Allianz bestand, die sich primär gegen England richtete. Unter Jakob V. intensivierte sich diese Beziehung durch zwei rasch aufeinanderfolgende dynastische Eheschließungen. 1537 hatte der schottische Herrscher Prinzessin Madeleine, eine Tochter des französischen Königs, geheiratet, die aber wenig später verstarb. 1538 kam es zur Vermählung mit Maria von Guise, einer Tochter des Herzogs von Lothringen.298 Der internationale Kontext spielte in dieser Phase eine wichtige Rolle, verschärften sich die Beziehungen zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König doch rapide. Beide buhlten in Vorbereitung größerer Kriegszüge in der Folge um die Kooperation des englischen Königs, der sich letztlich doch für eine Allianz mit dem Kaiser und ein Engagement gegen Frankreich entschied.299 Dies entspricht zudem den von David Grummitt betonten Konstanten in der henrizianischen Außenpolitik, die sich vor allem auf die Sicherung der letzten englischen Festlandbastion Calais konzentriert hätten.300 Um seine politischen Ambitionen auf dem Kontinent umsetzen zu können, war es unbedingt erforderlich, dass die Grenze nach Norden gesichert wurde. So müssen die diplomatischen Manöver Anfang der 1540er Jahre vor allem im Kontext des europäischen Mächtespiels zwischen den Dynastien Habsburg und Valois gesehen werden.301 297 Siehe zu diesen Punkten DONALDSON, Scotland, S. 46-48; KOHLER, Expansion, S. 154f; cf. Michael MAURER, Kleine Geschichte Schottlands, Stuttgart 2008, S. 97. 298 Zur Auld Alliance grundsätzlich MERRIMAN, Rough Wooings, S. 65-67; Elizabeth BONNER, Scotland’s ‚Auld Alliance‘ with France, 1295-1560, in: History 84 (1999), S. 5-30; Gordon DONALDSON, The Auld Alliance. The Franco-Scottish connection, Edinburgh 1985; zu Jakobs Heiraten und deren politischer Bedeutung DONALDSON, Scotland, S. 2426; MAURER, Kleine Geschichte Schottlands, S. 97f. 299 David POTTER, Henry VIII and Francis I. The Final Conflict, 1540-1547, Leiden/Boston 2011, S. 66-79. 300 Siehe dazu David GRUMMITT, ‚One of the mooste pryncipall treasours belongyng to his Realme of Englande‘: Calais and the Crown, c. 1450-1558, in: Ders. (Hg.), The English Experience in France c. 1450-1558. War, diplomacy and cultural exchange, Aldershot 2002, S. 46-62; DERS., The Calais garrison. War and military service in England, 14361558, Woodbridge 2008; Malcolm VALE, The Ancient Enemy. England, France and Europe from the Angevins to the Tudors 1154-1558, London u.a. 2007, S. 111-128. 301 Zu diesem Kontext siehe KOHLER, Hegemonie, S. 363-378; die Priorität auf den europäischen Kontext legt auch SCARISBRICK, Henry VIII, S. 425, 435f; ähnliche Einschätzung bei Clifford S. L. DAVIES, Peace, Print and Protestantism, 1450-1588, London 1976, S. 214; WERNHAM, Before the Armada, S. 142-148; MERRIMAN, Rough Wooings, S. 164183; Geoffrey ELTON, Henry VIII. An essay in revision, London 1962, S. 6-8, 23; ferner Marcus MERRIMAN / Jenny WORMALD, The High Road from Scotland, in: Alexander Grant / Keith J. Stringer (Hgg.), Uniting the Kingdom? The Making of British History, London/New York 1995, S. 111-132, hier S. 115; GRUMMITT, Calais and the Crown; Michael Bush relativiert zwar die Einschätzung Scarisbricks, sieht Heinrichs Prioritäten aber auch auf dem Kontinent. Siehe BUSH, Somerset, S. 9.

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Vor diesem Hintergrund freilich entwickelte der Bruch mit Rom eigene Logiken, die zu einer veränderten Perspektive auf die britischen Verhältnisse beitrugen. Seit der Loslösung vom Papsttum kann demzufolge ein vitales Interesse der Tudorregierung ausgemacht werden, die Einflüsse europäischer Mächte auf strategisch wichtige Territorien wie Irland und Schottland zu beseitigen, um so die Möglichkeit einer Invasion des schismatischen Englands über diese Gebiete zu verhindern. 302 In diesem Zusammenhang sollten alsdann auch jene Bemühungen gesehen werden, die Heinrich VIII. im Hinblick auf die Einführung der Reformation im schottischen Nachbarland unternahm. So forderte der englische König seinen Neffen mehrfach dazu auf, in Schottland ähnliche Reformen durchzuführen, wie er selbst sie in England vollzogen hatte. Dies wäre nicht nur profitabel, sondern würde auch die schädlichen Auswirkungen der römischen Kurie auf das Gemeinwesen beenden.303 Diese Anstrengungen können als Versuch gewertet werden, Schottland durch die Übernahme des ‚wahren Glaubens‘ als potentiellen Bündnispartner Frankreichs und anderer katholischer Mächte auszusondern und damit ein eklatantes Sicherheitsproblem des englischen Gemeinwesens zu beseitigen.304 Hinzuzufügen wäre außerdem, dass Ende der 30er Jahre Pläne einer päpstlichschottischen Allianz gegen England ruchbar geworden waren, gegen die jene Warnungen vor dem Einfluss kirchlicher Amtsträger ebenso gerichtet waren. 305 Die Engländer beließen es freilich nicht bei diesen Aufforderungen an die schottische Krone. Im Gegenteil können die Ratschläge Heinrichs als Beginn einer Tradition der Förderung des evangelischen Glaubens gesehen werden, die sich im Zuge der Invasion 302 Siehe zur essenziellen Bedeutung dieser Politik seit dem Bruch mit Rom Hiram MORGAN, British Policies before the British State, in: Brendan Bradshaw / John Morrill (Hgg.), The British Problem, c. 1534-1707. State Formation in the Atlantic Archipelago, Houndmills u.a. 1996, S. 66-88, hier bes. S. 66-76. 303 Siehe dazu die Instruktionen des Königs für Ralph Sadler, in: Letters and Papers XV, Nr. 136, S. 43-46 sowie das Schreiben Heinrichs VIII. an Jakob V. vom 29. April 1541, in: Letters and Papers XVI, Nr. 766, S. 369; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 427. Zur Gesandtschaft Sadlers auch Arthur J. SLAVIN, Politics and Profit. A Study of Sir Ralph Sadler, 1507-1547, Cambridge 1966. 304 Siehe SCARISBRICK, Henry VIII, S. 427; MORGAN, British Policies, S. 72f; Clare KELLAR, Scotland, England, and the Reformation 1534-61, Oxford 2003, S. 78-95. 305 Herauszustellen ist in diesem Zusammenhang die Person David Beatons, römischer Kardinal seit 1538 und absoluter Parteigänger Frankreichs in Schottland. Vor diesem warnte Heinrich seinen Neffen insbesondere, und wohl nicht ganz zu Unrecht, drohte Beaton doch eine schottische Version von Thomas Wolsey zu werden. Zur Einschätzung Beatons siehe MERRIMAN, Struggle for Marriage, S. 40; Heinrichs Verurteilung Beatons wird u.a. in einer Proklamation deutlich, die im Rahmen des Feldzuges von 1544/45 in Schottland verteilt werden sollte. Siehe dazu The Hamilton Papers. Letters and Papers illustrating the political relations of England and Scotland in the 16th century, ed. von Joseph BAIN, 2 Bde., Edinburgh 1890-92, hier Bd. 2, Edinburgh 1892, Nr. 222, S. 348-351; zu den Umständen SLAVIN, Politics and Profit, S. 85; KELLAR, Scotland, S. 87-95 sowie Letters and Papers XV, Nr. 136, S. 43-46; zur Person siehe auch Margaret H. B. SANDERSON, Art. „Beaton, David“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2005, URL: [21.02.2017].

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Schottlands unter Eduard Seymour in den Jahren 1544/45 intensivierte. 306 Marcus Merriman bemerkte, dass viele Schotten wohl protestantische Predigten zuerst von beauftragten und bezahlten Predigern der englischen Krone zu hören und in diesem Rahmen vermutlich das erste Mal eine englischsprachige Bibel in die Hände bekommen hätten.307 Überlegungen, wie am besten mit dem nördlichen Nachbarn verfahren und wie die Beziehung zu Schottland geregelt werden könnte, führten Anfang der 1540er Jahre zum Ausstoss zahlreicher Druckerzeugnisse.308 In diesen ist der Versuch zu erkennen, durch die Aktualisierung überkommener Gründungserzählungen und anderer mythischer Narrationen eine zielgerichtete und systematische Aufarbeitung der anglo-schottischen Beziehungen vorzunehmen. Dieser Vorgang schärfte die Konturen einer genuin ‚britischen Perspektive‘, in deren Rahmen dem englischen König sodann die Oberhoheit über die gesamte Insel ‚Britannien‘ zugeschrieben wurde.309 Hiram Morgan und Stephen Alford haben unabhängig voneinander die Grundlage dieser Entwicklung in den frühen 1530er Jahren gesehen, wobei vor allem Morgan 306 So schrieb bereits Ende 1542 Lord Lisle an Heinrich: „O what godly acte shuld yt be to your excellent highnes to bring suche a soorte of people to the knowlege of Godes lawes, the countrey soo necessarie to your domyneons, by reason wherof somany soules shuld lyve also in quyetnes!“ Freilich wollte Lisle damit die Annexion des südlichen Schottlands rechtfertigen. Siehe Lisle to Henry VIII, 12. Dezember 1542, in: Hamilton Papers, Bd. 1, Edinburgh 1890, Nr. 255, S. 328-332, hier S. 331; KELLAR, Scotland, S. 79-100; siehe dazu auch Alec RYRIE, The origins of the Scottish Reformation, Manchester/New York 2006, S. 75-82. 307 Vgl. Marcus MERRIMAN, War and Propaganda during the „Rough Wooing“, in: International Review of Scottish Studies 10 (1980), S. 20-30, hier S. 22; DERS., Rough Wooings, S. 154; DONALDSON, Scotland, S. 27f; KELLAR, Scotland, S. 85f, 95-100; RYRIE, Origins, S. 75; zur späteren Entwicklung in diesem Bereich siehe u.a. den Beitrag von Jane E. A. DAWSON, Anglo-Scottish protestant culture and integration in sixteenthcentury Britain, in: Steven G. Ellis / Sarah Barber (Hgg.), Conquest and Union. Fashioning a British State, 1485-1725, London/New York 1995, S. 87-114; auf die Zunahme protestantischen Gedankengutes, auch unter Förderung Englands, weist ferner ein Brief von Maria von Guise an Papst Paul III. vom November 1543 hin: „[T]he realm is marvellously seduced and spoiled by the Lutheran sect, as well by the King of England as by the greater part of the subjects of this realm“. Siehe Letters and Papers XVIII/2, Nr. 416, S. 222. 308 Siehe dazu u.a. Cathy SHRANK, Writing the Nation in Reformation England, 1530-1580, Paperback Ed., Oxford 2008, hier Kap. 2, S. 65-103; Roger A. MASON, Scotching the Brut: Politics, History and National Myth in Sixteenth-Century Britain, in: Ders. (Hg.), Scotland and England 1286-1815, Edinburgh 1987, S. 60-84; ferner May MCKISACK, Medieval History in the Tudor Age, Oxford 1971, bes. Kap. 1 & 5; auch MERRIMAN, Rough Wooings, S. 39-42. Siehe auch die Angaben in den folgenden Fußnoten. 309 SHRANK, Writing the Nation, S. 65-103; MASON, Scotching the Brut, S. 60-84; MERRIMAN, Rough Wooings, S. 39-42; siehe auch das Beispiel bei Daniel R. WOOLF, The power of the past: history, ritual and political authority in Tudor England, in: Paul A. Fideler / Thomas F. Mayer (Hgg.), Political Thought and the Tudor Commonwealth. Deep structure, discourse and disguise, London/New York 1992, S. 19-49, hier S. 21.

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die Entstehung eines neuen Sicherheitsdenkens im Anschluss an das Schisma herausstellte.310 Die Erzählungen über die britische Insel spielten in diesem Zusammenhang eine nicht zu unterschätzende Rolle für die Deutung und Wahrnehmung der politischen Prozesse jener Zeit, sei doch die administrative Elite Tudor-Englands nachhaltig durch eben jene ‚Geschichten‘ geprägt worden.311 Die neuen Prämissen fanden ihren Niederschlag zuerst in der sogenannten Declaration von 1542, in der bereits auf der Titelseite erklärt wurde, dass der englische König die Souveränität („souerayntie“) über Schottland rechtmäßig inne habe. 312 Obwohl dieser Anspruch im Text selbst nicht weiter ausgearbeitet wurde, kann die Declaration als erstes deutliches Zeichen einer Wahrnehmungsveränderung des englisch-schottischen Verhältnisses angesehen werden. So ist der Großteil der Schrift auf die Beweisführung ausgelegt, dass die schottischen Könige seit je her die Superiorität der englischen Herrscher anerkannt hätten.313 Zu diesem Zweck wird unter anderem der Ursprungsmythos von Brutus bemüht, der zuerst eine zivilisierte Gesellschaft auf der britischen Insel aufgebaut hätte, die deshalb auch „Brytayn“ genannt worden sei. Sein Königreich sei in der Folge unter seinen drei Söhnen aufgeteilt worden, wobei der älteste Sohn „Locrine“ England bekommen habe, die beiden anderen Söhne „Albanact“ und „Cam“ aber zu Herrschern über Schottland und Wales gekürt worden wären. Dadurch, dass Locrine der älteste Sohn gewesen sei, gebühre diesem sowie dessen Nachfolgern naturgemäß auch die notwendige Huldigung der jüngeren Brüder.314 310 Siehe MORGAN, British Policies, S. S. 66-71 sowie KELLAR, Scotland, S. 87; ALFORD, Kingship, S. 194 verweist v.a. auf die Sammlung der Collectanea als eines wichtigen Faktors in der Wandlung des anglo-schottischen Verhältnisses; auch MERRIMAN, Rough Wooings, S. 47f sieht die Collectanea als Grundlage der Ansprüche, die seit Beginn der 40er Jahre vermehrt geäußert wurden; bereits BUSH, Somerset, S. 9 hatte zumindest einen deutlichen Umschwung in der henrizianischen Schottlandpolitik Anfang der 1540er Jahre erkannt. 311 Vgl. MORGAN, British Policies, S. 67; zur Rezeption auch DERS., Giraldus Cambrensis and the Tudor conquest of Ireland, in: Ders. (Hg.), Political Ideology in Ireland, 15411641, Dublin 1999, S. 22-44; MASON, Origins of Anglo-British Imperialism, passim; siehe ferner Andrew HADFIELD, Briton and Scythian: Tudor Representations of Irish Origins, in: IHS 28 (1993), S. 390-408. 312 Vgl. A Declaration, conteynyng the ivst cavses and considerations, of this present warre with the Scottis […], London 1542 (STC2 9179/British Library), Titelblatt. Die Declaration war das Ergebnis eingehender Untersuchungen, die der Kronrat angesichts des bevorstehenden Waffengangs mit Schottland in den Archiven des Erzbistums York sowie der Diözese Durham in Auftrag gegeben hatte, um etwaige Superioritätsansprüche belegen zu können. Siehe dazu etwa die Schreiben in: Letters and Papers XVII, Nr. 898, S. 516. 313 Siehe A Declaration, fol. Biiiv. 314 Siehe A Declaration, fol. Bivv-Cir. Zur politischen Legitimationsfunktion solcher Ursprungsmythen siehe u.a. Klaus GRAF, Ursprung und Herkommen. Funktionen vormoderner Gründungserzählungen, in: Hans-Joachim Gehrke (Hg.), Geschichtsbilder und Gründungsmythen, Würzburg 2001, S. 23-36 sowie die Einleitung von Hans-Joachim Gehrke im selben Band, S. 9-20; die letzte große Bestandsaufnahme zu diesem For-

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1542 erschien sodann eine überarbeitete Version des sog. „short cronycle“, die im Gegensatz zur Ausgabe von 1540 die Brutuserzählung wiedergab und explizit dessen gesamtbritische Herrschaft betonte.315 Ebenfalls 1542 kam es zu einer korrigierten Neuausgabe der Chronik von Robert Fabyan, in der die erstmalige Besiedlung Britanniens sowie die nachmalige Aufteilung des Landes unter die Söhne Brutus’ ausführlich beschrieben wurden.316 Ferner erfolgte 1543 die Veröffentlichung von John Hardyngs „The Chronicle from the firste begynnyng of Englande“, in der dieser unter Rückgriff auf den Brutusmythos unmissverständlich klarstellte, dass Schottland letztlich ein Lehen sei und dessen Herrscher dem englischen Monarchen Lehnstreue und Huldigung schuldeten.317 Bezeichnenderweise sprach Richard Grafton, der Hardyngs Chronik von der Regierungszeit Eduards IV. bis in seine eigene Gegenwart fortführte, im Hinblick auf den Krieg mit Schottland auch von den schottischen „Rebellen“, und reproduzierte damit wiederum den englischen Anspruch auf Oberhoheit. 318 Damit griff Grafton zugleich in Form und Inhalt auf bestehende Vorbilder zurück. Derart hatte bereits John Skelton kurz nach der Schlacht von Flodden 1513 ein Gedicht über die Schotten verfasst, in dem der schottische König als aufrührerischer Vasall des englischen Königs porträtiert worden war, der mit dem Tode nun seine gerechte Strafe erhalten habe.319 Eine besondere Wendung erfuhr die ‚britische Perspektive‘ mit der 1544 veröffentlichten „Assertio inclytissimi Arturij Regis Britanniae“ von John Leland. Der Autor wollte damit nicht zuletzt gegen die Dekonstruktionsversuche eines Polydor Vergil vorgehen, der in seiner Anglica Historia sowohl die Existenz einer Figur wie Arthur angezweifelt, als auch akribisch zwischen den Bezeichnungen Britannien, England und Schottland unterschieden hatte.320 Dies trug ihm grobe Vorwürfe und

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schungsfeld lieferte HÖLKESKAMP, Mythos und Politik, der auch auf die „TrojaDeszendenz“ eingeht (S. 25f). Vgl. A cronicle of yeres from the begynning of the worlde, wherin ye shal fynd the names of al the kinges of Engla[n]d […], London 1542 (STC2 9986/British Library), fol. Aiir-v. Siehe zum Vergleich die Ausgabe von 1540 (STC2 9985.5/Bodleian Library), in der gerade jener Hinweis auf die ‚Brutustradition‘ fehlt. The chronicle of Fabyan whiche he hym selfe nameth the concordaunce of historyes, nowe newely printed, [and] in many places corrected […], London 1542 (STC2 10661/British Library), hier S. 10-12; zu den Korrekturen, die u.a. die Titulatur des Papstes (Bischof von Rom) sowie die Umwertung Thomas Beckets (von einem Märtyrer zum Verräter) betrafen, siehe MCKISACK, Medieval History in the Tudor Age, S. 95-97. Siehe John HARDYNG, The chronicle from the firste begynnyng of England […], London 1543 (STC2 12767/British Library), fol. 16v. Vgl. HARDYNG, Chronicle, Widmung fol. 2v-3r. Siehe John SKELTON, Agaynst the Scottes, in: John Skelton, The Complete English Poems, ed. von John Scattergood, Harmondsworth 1983, S. 115-120. Siehe Polydore Vergil’s English History, ed. von Henry Ellis London 1846, S. 28-33 zur Kritik an der Brutuserzählung sowie S. 1 und passim zur Unterscheidung zwischen Britannien, England und Schottland; zu Vergils kritischer Geschichtsauffassung siehe u.a. Denys HAY, Polydore Vergil. Renaissance Historian and Man of Letters, Oxford 1952, S. 106-128, hier S. 109f sowie William J. CONNELL, Art. „Vergil, Polydore“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL:

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Anschuldigungen Lelands ein, der Polydor Vergil zu einem „eifersüchtigen Fremden“ deklassierte, welcher durch seine „italienische Bitternis“ vergiftet sei.321 Im starken Kontrast zu Vergils Geschichte entwickelte Leland in seiner Assertio hernach anhand der Figur Arthurs eine eindeutig englisch determinierte, britische Geschichte, die in dieser Hinsicht ebenfalls dazu angelegt war, englische Superioritätsansprüche über andere Teile der britischen Insel historisch zu legitimieren. 322 Das vermehrte Auftreten von Schriften, die sich explizit mit einer britischen Perspektive und Geschichtserzählung befassten, muss auch vor dem Hintergrund wichtiger politischer Entscheidungen gesehen werden, die im weitesten Sinne eine britische Dimension der englischen Politik betrafen. So wurde im Rahmen der Beurteilung der Schottlandpolitik Heinrichs häufig vergessen oder übersehen, dass es zu Beginn der 1540er Jahre zu zwei weiteren wichtigen politischen Vorgängen kam, die ebenfalls eine ‚britische Dimension‘ eröffneten.323 Dergestalt ernannte das irische Parlament Heinrich VIII. im Juni 1541 offiziell zum König von Irland. 324 Wichtig erschien dies, weil viele Iren nach wie vor den Papst als eigentlichen Oberherrn von Irland ansahen, und die Bezeichnung Heinrichs als „Lord“ hier eine untergeordnete Stellung bedeutet hätte.325 Zudem wollte Heinrich etwaigen Ambitionen des schottischen Königs ent-

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[21.02.2017]. Die Anglica Historia erschien zuerst in Basel 1534 im Druck und wurde dann sukzessiv erweitert und neu aufgelegt. John LELAND, Assertio inclytissimi Arturij Regis Britanniae, London 1544 (STC2 15440/British Library), fol. 19r-v, die Verunglimpfung Polydor Vergils fol. 19 v; ähnliche Urteile auch bei BALE, A brefe chronycle, fol. 5r sowie später bei John PRICE in seiner Historiae Brytannicae defensio, Edition London 1573 (STC2 20309/Henry E. Huntington Library). Siehe dazu MERRIMAN, Rough Wooings, S. 42. Siehe SHRANK, Writing the Nation, S. 71f. Obwohl diese Blickrichtung bereits POLLARD, Henry VIII, S. 290-294 vorgegeben hatte. Freilich betont er zu stark eine kohärente und stringente, „imperiale Politik“ Heinrichs, die heutzutage eher in Zweifel gezogen wird. Siehe dazu SCARISBRICK, Henry VIII, S. 424-426, der Wernham eine ähnlich überspitzte Argumentation vorwirft; vgl. WERNHAM, Before the Armada, S. 153; eine neure Würdigung des Problems bietet MORGAN, British Policies; zuletzt hat David Armitage im Hinblick auf die schottische Politik der 40er Jahre die Vorgänge bezüglich der benachbarten Territorien zumindest angedeutet. Siehe David ARMITAGE, Making the Empire British: Scotland in the Atlantic World 1542-1707, in: P & P 155 (1997), S. 34-63, hier S. 39. Siehe den sog. „Crown of Ireland Act“, in: The Irish Statutes, hrsg. von W. N. OSBOROUGH, überarb. und verb. Neuausgabe Dublin 1995, S. 13-15; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 424f; WERNHAM, Before the Armada, S. 149. Siehe KOHLER, Hegemonie, S. 158; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 425, Anm. 1; Calendar of State Papers relating to Ireland, Bd. 1, ed. von Hans C. HAMILTON, London 1860, Nr. 70, S. 56; TNA, Sign. SP 60/9 (Henry VIII, Ireland Series), fol. 274 r-v, hier fol. 274v: „We thinke that if it may so stond w[ith] your maiesties pleasure that it were good that yo[ur] maiestie were fromhensforth called King of Irelande whervnto we thinke that ineffecte all the nobilite and other inhabitaunt[es] of this yo[ur] lande wolde thervnto agre and we thinke that they that be of the Irissh here wolde more gladde & obey yo[ur] highness by name of king […] then by the name of lorde therof having hadde here tofore a folisshe

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gegenwirken, von dem er überzeugt war, dass dieser selbst die Königswürde über Irland anstrebe.326 Gestützt wurden solche Gerüchte zusätzlich durch enge Verbindungen zwischen Schottland und Teilen Irlands, die gelegentlich in Hilfsmaßnahmen der Schotten für irische Aufständische gipfelten.327 Außerdem wurde Anfang des Jahres 1543 mit dem sog. zweiten „Act of Union“ Wales endgültig in den englischen Herrschaftsbereich inkorporiert und damit ein Prozess abgeschlossen, der 1536 mit dem ersten „Act of Union“ begonnen hatte. 328 Beide Aktionen auf der politischen Bühne korrespondierten vorzüglich mit einem erstarkten Interesse an einer gesamtbritischen Geschichte unter englischer Führung, wie sie diverse Publikationen der ersten Hälfte der 1540er Jahre nahelegten. 329 Ohne an dieser Stelle die Ansicht einer allzu kohärenten, imperialen Politik des englischen Königs aus der älteren Forschung reproduzieren zu wollen, muss dennoch für diese Phase eine Verschiebung in der Wahrnehmung und Beurteilung der britischen Verhältnisse konstatiert werden. Infolge der Ereignisse der frühen 1530er Jahre erschien in zunehmendem Maße ein neues Sicherheitsdenken notwendig, das sich nicht mehr nur auf das englische Kernland, sondern immer stärker auch auf die Peripherie und angrenzende Territorien erstreckten musste, die im Falle einer Invasion als Brückenkopf hätten dienen können.330 Der anstehende Waffengang mit Schottland Anfang

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opinion amonge them that the bisshoppe of Rome shulde be king of the same.“ (Schreiben vom 30. Dez. 1540) Vgl. dazu MORGAN, British Policies, S. 73; KELLAR, Scotland, S. 87. Siehe zu den Verbindungen zwischen Schottland und Irland sowie den Bestrebungen des schottischen Königs MERRIMAN, Rough Wooings, S. 70-72; zu den Schotten in Irland auch Steven G. ELLIS, Ireland in the age of the Tudors, 1447-1603. English expansion and the end of Gaelic rule, London 1998, S. 16, 244-248, 250f; Jane E. A. DAWSON, Two Kingdoms or Three?: Ireland in Anglo-Scottish Relations in the Middle of the Sixteenth Century, in: Roger A. Mason (Hg.), Scotland and England 1286-1815, Edinburgh 1987, S. 113-138; Alison CATHCART, Scots and Ulster: the late medieval context, in: William P. Kelly / John R. Young (Hgg.), Scotland and the Ulster Plantations. Explorations in the British Settlements of Stuart Ireland, Dublin 2009, S. 62-83; Ciaran BRADY, East Ulster, the MacDonalds and the provincial strategies of Hugh O’Neill, earl of Tyrone, 15851603, in: Ibid., S. 41-61; Muríosa PRENDERGAST, Scots Mercenary Forces in Sixteenth Century Ireland, in: John France (Hg.), Mercenaries and paid men. The mercenary identity in the Middle Ages, Leiden 2008, S. 363-382. Vgl. STATUTES OF THE REALM III, 34° & 35° Hen. VIII, c. 26, S. 926-937. Im Hinblick auf Wales wäre zudem zu erwähnen, dass der Ex-Mönch Thomas Gardiner 1542 für Heinrich einen Stammbaum entwarf, der dessen Genealogie auf den walisischen König Cadwallader zurückführt, welcher hinwiederum der letzte Nachkomme der britischen Könige gewesen sein soll. Siehe dazu WOOLF, The power of the past, S. 21; zu Beginn der Regierungszeit Eduards VI. kam zudem eine ausführliche Beschreibung der gemeinsamen Abstammung von Walisern und Engländern heraus, deren Genealogie auf Brutus zurückgeführt worden ist. Wie der Autor selbst erklärt, ging die Initiative für sein Werk aber in die Regierungszeit Heinrichs zurück. Siehe Arthur KELTON, A chronycle with a genealogie declaryng that the Brittons and Welshemen are linealiye dyscended from Brute […], London 1547[?] (STC2 14918/British Library). MORGAN, British Policies, S. 67.

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der 1540er Jahre förderte angesichts dessen ganz offensichtlich eine intensive Auseinandersetzung mit der Beziehung zum nördlichen Nachbarn. Das Ergebnis war hier die Entstehung einer genuin britischen Perspektive englischer Politik, die als henrizianisches Erbe in diesem Bereich den Keim für die nachfolgenden Ereignisse bildete. 4.2 Ein britisches ‚Manifest Destiny‘: Die Externalisierung der englischen Erwählung Das eduardianische Regime erbte sowohl die Sicherheitsbedenken der henrizianischen Zeit als auch die Kriege mit Frankreich und Schottland, die unter dem alten König initiiert worden waren.331 Die außenpolitischen Konstellationen bildeten, wie Michael Bush schon sehr früh bemerkt hat, einen festen Bestandteil jener innenpolitischen Krise der Zeit zwischen 1547 und 1550.332 Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend die These vertreten werden, dass das englische Erwählungsdenken im Rahmen des anglo-schottischen Konflikts eingesetzt wurde, um das Verhältnis zum nördlichen Nachbarn neu zu definieren und infolgedessen die bestehende Unsicherheitslage für das englische Gemeinwesen zu beseitigen. Analog zu den inneren Konstruktionen zeichneten sich diese Versuche vor allem dadurch aus, dass sie einerseits den kommunikativen Anschluss an ein henrizianisches Erbe suchten, dieses im Kontext des Aktualisierungsprozesses andererseits weiterentwickelten und auf diese Art letztlich zu einer neuartigen Politik gegenüber Schottland gelangten. Die unter Heinrich VIII. ausgeprägte britische Perspektive fand somit im kommunikativen Kontext des anglo-schottischen Krieges unter Eduard VI. eine Zuspitzung, indem durch den Rekurs auf eine göttliche Erwählung die Vereinigung der beiden Gemeinwesen proklamiert wurde. Die Idee der Erwählung fungierte in diesem Zusammenhang dazu, die Vision eines verheißenen Landes zu konturieren, das militärisch stärker, wirtschaftlich potenter und kulturell blühender war, weil es von Gott vorherbestimmt und deshalb in besonderer Weise gesegnet worden sei. Im Grunde entwarfen die evangelischen Autoren hier eine Art Manifest Destiny für die britische Insel, welches über die Vorstellung der göttlichen Erwählung im zeitgenössischen Diskurs etabliert und akzeptabel gestaltet werden sollte.333 Gleichermaßen kam es durch die Aktualisierung des Gedankengutes in diesem Kontext zu einer Erweiterung der Idee selbst, der nun neben der inneren Perspektive auf das englische Gemeinwesen eine nach außen gerichtete Dimension beiseite gestellt wurde. Den Nukleus der im Folgenden zu besprechenden Texte bildet dabei eine Schrift von Eduard Seymour selbst, die dieser 1548 in englischer und lateinischer Sprache 331 Vgl. dazu zuletzt David POTTER, Mid-Tudor Foreign Policy and Diplomacy: 1547-63, in: Susan Doran / Glenn Richardson (Hgg.), Tudor England and its Neighbours, Houndmills u.a. 2005, S. 106-138. 332 Bush plädierte in diesem Rahmen schon früh für eine „unifying conception“ im Hinblick auf die Politik der Zeit. Siehe BUSH, Somerset, Einleitung S. vii und passim. 333 Der Begriff bei MORGAN, British Policies, S. 75, der hier eine passende Anleihe bei der us-amerikanischen Geschichte nimmt. Siehe dazu John L. O’SULLIVAN, The Great Nation of Futurity [Manifest Destiny], in: The United States Democratic Review 06, 23 (1839), S. 426-430.

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veröffentlicht hat.334 Bemerkenswert daran ist, dass Seymour versuchte, die unterschiedlichen Themen, die in historischer und aktueller Perspektive die Beziehungen mit Schottland bestimmten, zusammenzuführen und sie schließlich in einem übergeordneten Motiv zu integrieren. Dieses übergeordnete Motiv stellte sich als der Glaube dar, dass Gott die Union zwischen England und Schottland befürworte und fördere, wodurch die englischen Bestrebungen zuletzt in einen providentiellen Rahmen eingebettet wurden, der die Engländer gleichsam als ausführendes Organ des Allmächtigen konstituierte. Der Text markiert damit den Fluchtpunkt unterschiedlicher Argumentationslinien, die von genealogischen Herleitungen, über mythische Erklärungen bis hin zu historischen Ereignissen reichen und zuweilen durch Verweise auf kulturelle, wirtschaftliche, rechtliche oder religiöse Gemeinsamkeiten ergänzt werden. Allen hier behandelten Schriften gemein ist die Bemühung, Differenzen zwischen Schottland und England abzubauen. Obwohl sich die konkret eingeschlagenen Wege unterschieden, versuchten doch alle Werke, aus zwei vormals getrennt vorgestellten Entitäten ein neues Ganzes zu kreieren.335 Dass diese Aufgabe nicht ganz einfach war, zeigt sich unter anderem an älteren Schriften, wie beispielsweise jener von John Skelton, in denen die Schotten in chauvinistischer Weise karikiert und als alteritäres Moment englischer Identitätsstiftung benutzt worden waren. Auf der anderen Seite bedienten sich auch die Schotten seit je her der Abgrenzung vom englischen Nachbarn, um die eigene Identität zu konturieren.336 Umso mehr mussten überzeugende

334 Siehe Eduard SEYMOUR, An epistle or exhortacion to vnitie and peace […], London 1548 (STC2 22268/Henry E. Huntington Library); DERS., Epistola exhortatoria ad pacem […], London 1548 (STC2 22269/Cambridge University Library). Sie ist gleichsam die Erweiterung und Elaboration einer Proklamation aus dem Jahre 1547. Siehe DERS., Proclamation, London 1547 (STC2 7811/Society of Antiquaries). 335 So heißt es bereits in der Proclamation von 1547: „[W]ee mynde by this coniunccion of mariage […] to vnite theim togeders in one name by the name of Britons“. 336 Sehr eindringlich zu sehen in der Declaration of Arbroath (1320), in der nicht nur eine von England und den Engländern unabhängige Ursprungserzählung wiedergegeben, sondern auch konstatiert wird: „[A]s long as a hundred of us remain alive, never will we on any conditions be subjected to the lordship of the English.“ Text online veröffentlicht durch die National Archives of Scotland. Siehe Alan BORTHWICK, Translation of the Declaration of Arbroath, rev. Version 2005, National Archives of Scotland, S[tate] P[apers] 13/7, URL: [21. 02.2017]; zu den schottischen Bemühungen um eine eigenständige Ursprungserzählung neuerdings Hugh TREVOR-ROPER, The Invention of Scotland. Myth and History, New Haven/London 2008, S. 3-32; ferner MASON, Scotching the Brut; MERRIMAN, Rough Wooings, S. 40-42; Hans UTZ, Erste Spuren von Nationalismus im spätmittelalterlichen Schottland: Forduns „Chronica Gentis Scotorum“, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 29 (1979), S. 305-329; Alexander GRANT, Aspects of National Consciousness in Medieval Scotland, in: Claus Bjørn / Alexander Grant / Keith J. Stringer (Hgg.), Nations, Nationalism and Patriotism in the European Past, Kopenhagen 1994, S. 68-95.

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Argumente gefunden werden, die dem englischen Anliegen das Odium des Neuen und Negativen nahmen und es bestmöglich unterstützten.337 Ein zentrales Argument für Eduard Seymour, Herzog von Somerset und Lord Protektor Englands, war die Heirat zwischen Eduard VI. und Maria Stuart. Bezüglich dieser Thematik konnte er auf bestehende Traditionen sowohl von englischer als auch von schottischer Seite zurückgreifen. Heinrich VIII. hatte eine Ehe zwischen seinem Sohn und der Stuarterbin nach der Schlacht bei Solway Moss als günstige Möglichkeit betrachtet, um die stetige Bedrohung durch den nördlichen Nachbarn im Rahmen einer dynastischen Allianz zu beseitigen. Er ließ zu diesem Zweck jene schottischen Adligen, die nach der Schlacht als Gefangene nach England gebracht worden waren, schwören, einer Vermählung zuzustimmen, Maria nach England zu bringen und selbst als Fürsprecher Englands in Schottland aufzutreten. Im Vertrag von Greenwich vom Juli 1543 wurde die projektierte Ehe zwischen Eduard und Maria schließlich formalisiert.338 Neben dem englischen bestand auch auf schottischer Seite ein erster Entwurf zu einer dynastischen Allianz, aus der idealiter eine Vereinigung beider Gemeinwesen hervorgehen sollte. So hatte bereits der bekannte Theologe John Mair (Major) in seiner 1521 erschienenen Historia Majoris Britanniae für eine Union der beiden Länder durch Heirat geworben.339 Allerdings plädierte dieser für eine gleichberechtigte Stellung beider Gemeinwesen im Zuge einer Vereinigung, weshalb er folgerichtig unter anderem die Brutuserzählung, die oftmals zur Begründung englischer Superioritätsansprüche herangezogen wurde, verwarf und für eine wertfreie Nutzung der Begriffe Britannien und Briten eintrat.340 Aufbauend auf derartigen Ansätzen konnten Somerset und andere nun ihre eigene Version einer Vereinigung beider Königreiche darlegen, in deren Mittelpunkt immer noch die Heirat stand. Diese diskutierte Eduard Seymour in mehrerlei Hinsicht: Er337 Vor allem da seit 1527 mit dem Geschichtswerk des schottischen Gelehrten Hector Boece eine elaborierte Gegenerzählung zu den englischen Historiographien vorlag, die weidlich rezipiert wurde. Siehe Hector BOECE (Boethius), Scotorum historiae a prima gentis origine […], Paris 1527 (USTC 145871/Bodleian Library); das Werk wurde 1540 ins Schottische übertragen. Vgl. Heir beginnis the hystory and croniklis of Scotland, Edinburgh 1540 (STC2 3203/British Library); zur Rezeption des Werkes TREVOR-ROPER, Invention, S. 23-32; MASON, Scotching the Brut, S. 64f. 338 Vgl. SCARISBRICK, Henry VIII, S. 436; KELLAR, Scotland, S. 83. 339 Siehe John MAIR, Historia Majoris Britanniae, tam Angliae quam Scotiae, Paris 1521 (USTC 145413/Bayerische Staatsbibliothek), S. 28, 156, 179. Eine Übersetzung der Schrift liegt vor. Siehe A History of Greater Britain as well England as Scotland, ed. und übersetzt von Archibald CONSTABLE, Edinburgh 1892, hier S. 41f, 189f & 217f; siehe dazu u.a. Roger MASON, Kingship, nobility and Anglo-Scottish union: John Mair’s History of Greater Britain (1521), in: Innes Review 41 (1990), S. 182-222; zur Person Alexander BROADIE, Art. „Mair, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2011, URL: [21.02.2017]. 340 Vgl. MAIR, Historia Majoris Britanniae, S. 12f sowie MASON, Scotching the Brut, S. 66; damit kam Mair dem mittelalterlichen Sinn wohl recht nahe. Siehe Denys HAY, The use of the term „Great Britain“ in the Middle Ages, in: Proceedings of the Antiquaries of Scotland 89 (1955/56), S. 55-66.

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stens sei diese Verbindung gut und gerecht, weil das schottische Parlament dieser bereits zugestimmt habe: „Can it be denied, but that we haue the great seale of Scotlande, graunted by the Parlament of Scotlande, for the mariage whiche shoulde bee made, with assuraunces and pledges, vntil the 341 performau[n]ce?“

Der Hinweis auf einen bestehenden Vertrag, der freilich von den Schotten gebrochen worden sei, war ein sehr starkes legalistisches Argument, welches seit dem Vertrag von Greenwich kontinuierlich reproduziert wurde. So fand es beispielsweise Aufnahme in englische Proklamationen, die im Grenzgebiet zirkulierten und dort ansässige Schotten zur Kollaboration mit England überreden sollten.342 1544 machte Eduard Seymour, zu dieser Zeit noch Earl of Hertford, die Vermählung Marias und Eduards zum Gegenstand eines Eides, den Kollaborateure vor der Zusammenarbeit mit englischen Instanzen ablegen mussten.343 Daneben setzten es englische Autoren sowie mit der Sache sympathisierende schottische Akteure als Argument ein, um die Legitimität des englischen Vorgehens zu belegen und/oder das Verhalten der anderen Seite aufs Schärfste zu diskreditieren. In diesem Sinne firmierte es als Argument in einem Schreiben von John Elder an Heinrich VIII., indem dieser einen möglichen Weg der Vereinigung beider Länder umriss. Elder, selbst gebürtiger Schotte, sympathisierte mit den Bestrebungen der englischen Krone seit den frühen 1540er Jahren.344 Für ihn stellte die Heirat zwischen Eduard und Maria die logische Vorbedingung zur Vereinigung beider Königreiche dar. Dieses Unterfangen sah er gleichwohl durch mannigfaltige Anstrengungen altgläubiger Akteure wie Kardinal David Beaton gefährdet.345

341 SEYMOUR, Epistle, fol. Aviiiv. 342 Siehe bspw. A proclamatioun maid be the Protectour of England the tyme of the field of Pinkie, 1547, in: The Warrender Papers, Bd. 1, ed. von Annie I. CAMERON & Robert S. RAIT, Edinburgh 1931, Nr. 26, S. 17f; vgl. dazu sowie zum Phänomen, schottische Kollaborateure aufzutun und anzuwerben, den Beitrag von Marcus MERRIMAN, The assured Scots. Scottish collaborators with England during the Rough Wooing, in: SHR 47 (1968), S. 10-34, hier S. 13. 343 Siehe dazu Hertford and others to Henry VIII, 15. Mai 1544, in: Hamilton Papers, Bd. 2, Nr. 237, S. 371-378, hier S. 376-378. 344 Dies ging soweit, dass er Heinrich VIII. eine sehr detaillierte Karte Schottlands sowie eine begleitende Beschreibung des Landes übereignete, die alle größeren Ortschaften inklusive der entsprechenden Entfernungsangaben beinhaltete. Siehe zur Person Marcus MERRIMAN, Art. „Elder, John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2005, URL: [21.02.2017]; DERS., Rough Wooing, S. 281. 345 Siehe John ELDER, A Proposal for uniting Scotland with England, addressed to King Henry VIII, abgedruckt in: The Bannatyne Miscellany, containing original papers and tracts, chiefly relating to the history and literature of Scotland, Bd. 1, Edinburgh 1827, S. 1-18, hier S. 8. Die ursprüngliche Datierung des Schreibens in der oben angegeben Edition für das Jahr 1542 ist jüngst in einem anderen Zusammenhang durch Alec Ryrie auf Ende 1543/Anfang 1544 korrigiert worden. Vgl. RYRIE, Paths not taken, S. 3, Anm. 6.

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Das Heiratsargument findet sich ferner bei James Harrison (Henrisoun), einem Landsmann von Elder, der in seiner Schrift ebenfalls Partei für die englische Seite ergriff.346 Ferner hielt es Einzug in das 1548 veröffentlichte, offizielle „Gebet für Sieg und Frieden.347 Zuletzt nennt auch William Patten in seiner Beschreibung des Feldzuges in Schottland von 1548 als den wesentlichen Grund des letzten Konfliktes die vereinbarte Hochzeit zwischen Eduard und Maria: „[T]hat the cause of our cummynge then was nothynge els but touchynge the perfourmaunce of coouenauntes on bothe sydes about thys mariage, that had bene before tyme on both sides agreed vppon“348. Das Heiratsprojekt bildete in den 1540er Jahren den Kern der Bestrebungen, eine Einigung zwischen Schottland und England (unter Heinrich) bzw. eine Union der beiden Gemeinwesen (unter Eduard) herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund musste schließlich die einseitige Annullierung des Vertrages von Greenwich durch das schottische Parlament am 11. Dezember 1543 als herber Rückschlag wahrgenommen werden. Damit verbunden war allerdings nicht nur der Verlust einer rechtlichen Grundlage für die projektierte Ehe, sondern die Zurückweisung des englischen Werbens korrespondierte mit der erneuten Annäherung der Schotten an Frankreich. So wird die Annullierung in der Regel der Agitation einer eindeutig pro-französisch und pro-römisch eingestellten Gruppe um Kardinal David Beaton und die Königinwitwe Maria de Guise zugeschrieben. Ferner erneuerte das Parlament im gleichen Zuge wie die Verträge mit England für nichtig erklärt wurden die Auld Alliance mit Frankreich. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Gesandte des Papstes sowie des französischen Königs im Land und führten Geld, Waffen sowie weitere Versorgungsgüter mit sich.349 Die französisch-römische Unterstützung hatte in diesem Rahmen die Schotten bei ihrer Entscheidung bekräftigt, weshalb gerade dieses Verhältnis zunehmend in den Fokus der englischen respektive pro-englischen Autoren geriet. Das primäre Ziel bestand an dieser Stelle darin, die Beziehung zwischen Frankreich und Schottland zu unterminieren und die evidenten Nachteile der Auld Alliance für das schottische Gemeinwesen aufzuzeigen. In diesem Rahmen wurden schließlich die Logiken der Mosaischen Unterscheidung aktualisiert und auf das franco-schottische Verhältnis appliziert. Im Hinblick auf die Behandlung des Heiratsabkommens widmete sich Eduard Seymour in ausführlicher Weise den Nachteilen, die aus einer ‚fremden Heirat’ Marias und einer daraus hervorgehenden Allianz entstehen könnten. 350 Darin warnte der Lord Protektor etwa vor ausländischen Truppen im Land, die einquartiert werden 346 Vgl. James HARRISON, An exhortacion to the Scottes to conforme them selfes to the honourable, expedie[n]t, and godly vnion, betwene the twoo realmes of Englande and Scotlande, London 1547 (STC2 12857/British Library), fol. Fvir. 347 Siehe A prayer for victorie and peace, London 1548 (STC2 16503/Pepys Library), fol. Aiiir-v. 348 William PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de of the most woorthely fortunate prince Edward, Duke of Somerset […], London 1548 (STC2 19476.5/Henry E. Huntington Library), fol. Dir-v. 349 Siehe zu den Abläufen DONALDSON, Scotland, S. 64-69; MERRIMAN, Rough Wooings, S. 121-136; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 442; KELLAR, Scotland, S. 90f, 108-112. 350 Vgl. SEYMOUR, Epistle, fol. Bivr-Bviir.

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müssten und dabei den Grund und Boden verwüsten, die Lebensmittel verzehren und ansonsten die Bewohner unterdrücken und als Sklaven ansehen würden. 351 Gleichfalls mahnte Seymour die Rolle Schottlands an, die dieses in einem Bündnis mit fremden Mächten mehr oder weniger zwangsläufig einnehmen werde. Besonders einprägsam waren in diesem Zusammenhang sicherlich die Warnungen vor einem möglichen Krieg mit England, in dem zwar Befehlshaber jener fremden Macht aktiv sein könnten, die Schotten aber auf jeden Fall als ‚verheizbares‘ Fußvolk dienen würden.352 Zuletzt gab der Autor zu bedenken, dass es gar nicht so einfach sein könnte, einen einstigen Verbündeten wieder loszuwerden, bevor sich dieser gegen einen selbst wende. In diesem Falle drohe den Schotten etwas Ähnliches wie ehedem den Briten mit den sächsischen Verbündeten: „And then take hede lest in deede that follow, whiche you feare, that is that you shalbe by them conquered, that you shalbe by them put from your holdes, la[n]des, tackes, and offices: that your lawes by them shalbe altered: That your nacio[n] shalbe by them destroyed. Co[n]sider in 353 this realme: Did not the Britaynes call in the Saxons for helpe, and by theim wer put out?“

Seymour alludierte in dieser Situation auf die Gefahren, die ‚fremde Hilfstruppen‘ stets mit sich brächten 354 und reproduziert zugleich ein alteritäres Moment, das gerade die Franzosen als vertrauenswürdige Bundesgenossen disqualifizieren sollte. In ähnlicher Weise warnte auch James Harrison vor Bündnissen mit Frankreich, die für die Schotten von großem Nachteil gewesen seien. So klagt der Autor, dass die Schotten zwar oftmals auf der Seite der Franzosen gekämpft, dabei aber keinerlei Ehre oder Gewinn davongetragen hätten. Im Gegenteil zögen einzig die Franzosen Vorteile aus dem Abkommen, während für einen selbst lediglich Verluste, Missgeschicke, Metzeleien, Verderbnis und äußerster Ruin übrig bliebe.355 Seine Schilderung der Zusammenarbeit mit den Franzosen kulminierte zuletzt in einer deutlichen Bewertung der Situation, die an Seymours Aussage erinnert: „And so farre did we estraunge our selfes, that wee could finde in our hartes to become seruile, and to bee as co[m]mon hirelynges, to a forrein nacio[n].“356 Der Vorwurf der Ausnutzung der Schotten als willfährige Söldner durch die französische Krone sowie das Fehlen jedweden Vorteils für das schottische Volk, findet sich zudem bei William Patten sowie in einer historischen Perspektivierung des Bündnisses bei Nicholas Bodrugan. 357 Siehe SEYMOUR, Epistle, fol. Bivv. Siehe SEYMOUR, Epistle, fol. Bvr-v. SEYMOUR, Epistle, fol. Bvv-Bvir. In der Beschreibung und Bewertung der französischen Hilfstruppen rekapitulieren Seymour und andere sehr deutlich die Warnungen, welche Niccolò Machiavelli zum Phänomen der Hilfstruppen und derartiger Verbündeter in seiner Schrift Il Principe artikuliert hat. Siehe Niccolò MACHIAVELLI, Il Principe. Italienisch / Deutsch, übers. und hrsg. von Philipp Rippel, Stuttgart 1986, hier S. 105-113. 355 Siehe HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Gir. 356 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Giv. 357 Vgl. PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Bviiv; Nicholas BODRUGAN, An epitome of the title that the kynges Maiestie of Englande, hath to the souereigntie of Scotlande […], London 1548 (STC2 3196/British Library), fol. Diiir-v.

351 352 353 354

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Das Bündnis mit Frankreich wurde als eine Form der Unterordnung oder gar Unterjochung dargestellt, die sich auf nahezu alle Lebensbereiche ausgedehnt habe. Im wirtschaftlichen Bereich brächte die Auld Alliance den Schotten keine Vorteile, da weder Zölle für deren Waren gesenkt würden, noch eine bevorzugte Behandlung geschehe. Demgegenüber bot Eduard Seymour den schottischen Kaufleuten einen freien Handel mit Waren zwischen den beiden Ländern an, in dessen Rahmen sie ohne Einschränkung alle englischen Häfen und Handelsplätze nutzen dürften und dafür die gleichen Steuern und Abgaben entrichten müssten wie ihre englischen Pendants.358 Die schottisch-französische Allianz bekam ferner im Hinblick auf eine gesamtgesellschaftliche Perspektive eine besondere Wendung. Einerseits darf man hier die traditionelle Gegnerschaft Englands und Frankreichs nicht außer Acht lassen, die sich seit dem Hundertjährigen Krieg sukzessiv auf nahezu alle Lebensbereiche (Herkommen, Sprache, Ressourcen, Kleidung, Mentalität, Landschaft etc.) ausgedehnt hat.359 Vor dem Hintergrund des schottischen Krieges ergab sich gleichwohl eine neue Sichtweise auf dieses Verhältnis. Während bis dato die Beziehung zu den Franzosen vor allem als Rivalität betrachtet werden konnte, so veränderte sich das Verhältnis im Kontext der Unionsbestrebungen beträchtlich. Aus dem einstigen Rivalen Frankreich wird nun zunehmend eine äußere Bedrohung, die in essenzieller Weise einer angestrebten und von Gott gebotenen britischen Identitätsbildung im Wege stehe, und im Grunde die Etablierung einer solchen aktiv blockiere. In dieser Hinsicht wird der Versuch unternommen, Frankreich in die Konstruktionen und Logiken der in den 1530er Jahren etablierten Mosaischen Unterscheidung zu integrieren. Dadurch würde das Land auf einer Ebene mit Papsttum und alter Kirche stehen und eine ähnliche Bedeutung in den identitären Prozessen zugeschrieben bekommen. Eine besondere Rolle spielte dabei der Nachweis, dass Frankreich gemeinsam mit Papst und römischen Klerus danach trachte, die Union von England und Schottland zu hintertreiben. So hatte bereits John Elder in seinem Schreiben an Heinrich VIII. darauf hingewiesen, dass seiner Ansicht nach vor allem eine Fraktion aus altgläubigen Akteuren um Kardinal David Beaton, die er als „Beelzebubs flesmongers“ bezeichnete, der Vereinigung im Wege stehe. Diese verräterische Gruppe gehöre nicht nur zur „Konvokation des Teufels“, sondern werde auch vom französischen Hof beeinflusst: „[They] haue drunkyne the Frence kynges wynes, and taistide of his cwps, plainge leger de mane (as they say) with boithe haundes, wer tyied vp in ropis and halters.“360 358 Siehe BODRUGAN, Epitome, fol. Diiiv; SEYMOUR, Epistle, fol. Ciiir-v; Somerset setzt hier eine Politik fort, die bereits unter Heinrich VIII. initiiert worden war, um schottische Verbündete zu gewinnen. Siehe dazu mit Quellenbelegen MERRIMAN, assured Scots, S. 16. 359 Ein vorzügliches Beispiel für diese alte und umfassende Rivalität zwischen den beiden Königreichen ist eine Schrift mit dem Titel Le débat des hérauts d’armes de France et d’Angleterre, ed. von Léopold PANNIER, Paris 1877. Eine englische Übersetzung des französischen Textes bei Henry PYNE (Hg.), England and France in the Fifteenth Century, London 1870. Aufgrund interner Indizien datiert Pyne den Text auf Mitte des 15. Jahrhunderts; zum Kontext VALE, Ancient Enemy, S. 101-110. 360 ELDER, A Proposal for uniting Scotland with England, S. 8 (Zitat) & 16; Elder kritisiert in diesem Zusammenhang v.a. die im Zuge der Auld Alliance 1445 errichtete schottische Leibgarde des frz. Königs. Siehe dazu BONNER, Auld Alliance, S. 13-15.

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Die von John Elder angedeutete Verschwörung von Papst und Klerus, die letztlich dem Teufel diene, und nun durch Frankreich komplettiert werden würde, findet sich auch in der späteren Darstellung von James Harrison. Dieser sah die Gründe für die Annullierung des Ehevertrages ebenfalls in einer Verschwörung von Klerisei, Papsttum und Franzosen: „[B]ut onely of the prouocacion of the deuil, the pope, and his rable of religious men (as thei would seme to be) & specially those, whom we cal our auncient frendes, where thei are in 361 deede our auncient enemies, [the] Frenchemen.“

Im Hinblick auf die britische Problematik werden die Franzosen dergestalt immer stärker als ein wesentliches Element identifiziert, welches aktiv zur Konfrontation und Teilung der beiden Königreiche beigetragen habe und immer noch würde. So erinnerte Harrison zum Beispiel an die seiner Ansicht nach schändlichen Vorgänge, die sowohl 1513 als auch 1542 zu einer schottischen Invasion Englands geführt hätten, während der englische Monarch mit dem Großteil seines Heeres auf dem Kontinent gegen Frankreich zu Felde zog.362 Von englischer Seite wurden diese Invasionen ebenfalls als überaus hinterhältige und verachtenswerte Aktionen wahrgenommen, für die die beiden schottischen Könige zu Recht mit dem Tod bezahlt hätten.363 Freilich bleibe an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass die Schotten dies in ihrer Funktion als Söldner der französischen Krone getan hätten. So kamen auch die meisten Autoren nicht umhin einzugestehen, dass die Invasionen und Kriegszüge der Schotten für den nördlichen Nachbarn Englands keine erkennbaren Vorteile erbracht hätten.364 Vielmehr seien dadurch nur die Differenzen zwischen beiden Völkern gewachsen, was nachgerade als eigentlichen Verursachern dem Papsttum sowie den Franzosen angelastet wurde. In der Festigung dieser Verbindung zwischen Rom und Paris lassen sich zwei eminent wichtige Prozesse ausmachen: Zum einen schließen die Autoren an eine Tradition an, die im englischen Raum bereits von William Tyndale prominent vertreten und ventiliert worden ist. So hatte Tyndale in seiner Practice of Prelates die enge Zusammenarbeit zwischen Pippin (dem Jüngeren) und Papst Zacharias herausgestellt, und die französischen Könige seit dieser Zeit mehr oder weniger deutlich als Handlanger des Papsttums etikettiert.365 Während dieser Konnex in den 1530er Jahren vor allem dazu diente, das Papsttum zu desavouieren, bekam die dargestellte Liaison vor dem Hintergrund der schottischen Problematik einen neuen Aspekt. Das 361 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Fviir. 362 Siehe HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Fviiv-Fviiiv. 363 Vgl. dazu u.a. SKELTON, Agaynst the Scottes, S. 119; PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Biiir; Declaration. fol. Aiiv-Aiiir; BODRUGAN, Epitome, fols. Diiir & DviirEiiv findet eine ganze Reihe historischer Beispiele für die Niederträchtigkeit der schottischen Könige. 364 BODRUGAN, Epitome, fol. Diiiv schreibt: „[F]or their league geueth no benefite to theimselfes, either in fre trafique of their awne commodities, or benefite of the fre[n]che, or other priuilege to the people of both.“; HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Fviiiv-Giiir. 365 Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 260f; ähnlich BARNES, Supplication, S. 489f.

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enge und historische Bündnis zwischen französischer Krone und Papsttum konnte nun zur Diskreditierung der Franzosen herangezogen und in der Folge als Argument gegen die Auld Alliance fruchtbar gemacht werden. In diesem Zusammenhang müssen für die Wahrnehmung derartiger Prozesse auch Schriften berücksichtigt werden, die scheinbar nicht direkt mit dem Problem einer britischen Identität zu tun haben. Viel zu selten wird dergestalt etwa auf die von Walter Lynne aus dem Deutschen übersetzte Schrift „The beginning and endynge of all popery“ hingewiesen. In dieser wird nicht nur der weltliche Aufstieg des Papsttums historisch rekapituliert,366 sondern die Schrift visualisiert zentrale Punkte mit einschlägigen Abbildungen. So findet sich einerseits die klassische Erzählung vom Bündnis zwischen Pippin und Papst Zacharias, durch das beide letztlich ihre Macht ausbauen konnten.367 Daneben bietet der Text gleichsam eine überaus deutliche Darstellung des gemeinsamen Wirkens beider Mächte. Abbildung 3: The pope thrusteth downe the Aigle

LYNNE, Beginning and endyng of all poperye, fol. Div

Die von Walter Lynne zu dieser Abbildung angefügte Erklärung lautet wie folgt: „The crowned aigle doutles signifieth themperour of Rome, whom the pope vnder the pretens of holines hath alwaies stopped with [the] floure delils, whiche is the frensh

366 Neben Tyndale widmete sich im englischen Raum auch Thomas Swinnerton ausführlich diesem Themenkomplex. Siehe SWINNERTON, Mustre. 367 Vgl. LYNNE, Beginning, fol. Ciiir; das deutsche Vorbild ist Andreas OSIANDER / Hans SACHS, Ein wunderliche weissagung von dem Bapstnmb wie es yhm bis an das ende der welt gehen sol […], Wittenberg 1527 (USTC 647521/Bayerische Staatsbibliothek). Beide Texte gehen freilich auf Joachim von Fiores Schrift Vaticinia sive prophetiae zurück. Siehe dazu GRABES, Das englische Pamphlet, S. 26f; ALFORD, Kingship, S. 102-105; KING, Tudor Royal Iconography, S. 165-169.

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kinge.“368 Ikonografisch verdeutlichen sich die besondere Beziehung sowie deren unterstellte Funktion in der französischen Lilie, die am Ende der päpstlichen Ferula angebracht ist und vom Pontifex dazu benutzt wird, den gekrönten Reichsadler niederzustoßen. Der sich anschließende Text elaboriert die Situation noch weiter, indem er das enge Zusammenwirken der französischen Könige mit dem Papsttum thematisiert. „Is this any other thing, then with the assistence of the flowre deliis, to resiste themperoure? Ye, and vnto this present daie haue [the] popes alwaies more fauoured fraunce, then thempire. For what soeuer these two haue, hath bene in time past, vnder the occidentalle empire. And to 369 thentente it be not taken frome them againe, they styke harde togither.“

Von Bedeutung ist die Darstellung des engen Verhältnisses von Papsttum und französischer Krone sowie die Historisierung dieses Bündnisses vor allem deshalb, weil es in der Situation Ende der 1540er Jahre dazu beitragen sollte, die traditionelle Allianz zwischen Schotten und Franzosen zu diskreditieren. Im Rahmen einer britischen Identitätskonstruktion beabsichtigte man eine Gleichsetzung von Rom und Paris, insofern als dass beide Mächte fortan als Fremde und Feinde einer genuin britischen Identität markiert wurden.370 In diesem Sinne würden beide gleichermaßen den Frieden und die Erlangung der Glückseligkeit bedrohen und fungierten damit als das Außen eines diskursiven Horizontes, der versucht wird, von einer englischen auf eine britische Ebene zu heben. Dieser Prozess ist äußerst komplex, spielte sich aber grundsätzlich in den Grenzen des Referenzrahmens ab, wie er am Beispiel Philip Nicolls beschrieben worden ist. Dieses Wahrheitsregime, in dem sich Autoren wie Seymour, Harrison, Lynne, Patten oder Bodrugan bewegten, gab bestimmte Wertigkeiten vor und schloß spezifische Positionen als nicht denk- und sagbar aus den identitären Konstruktionsprozessen der Zeit aus. Die Assoziation von französischer Krone und Papsttum sollte unter diesen Bedingungen dazu führen, neben der römischkatholischen Kirche nun auch die Machenschaften Frankreichs als absolut konträr zu einem ‚britischen Lebensweg‘ zu präsentieren.371 368 LYNNE, Beginning, fol. Div zu Bild und Zitat; die Verwendung von Abbildungen, um bestimmte Argumente und Phänomene zu visualisieren, ist eine Erscheinung, die erst mit der Regierungszeit Eduards VI. wieder einsetzt. Unter Heinrich VIII. kam es hingegen zu einem starken Rückgang. Freilich werden anfangs viele der Vorlagen vom Kontinent bezogen. Siehe dazu James A. KNAPP, Illustrating the Past in Early Modern England. The Representation of History in Printed Books, Aldershot 2003, hier S. 66f sowie die Studie von Malcolm JONES, The Print in Early Modern England, New Haven u.a. 2010, S. 62, 135f. 369 LYNNE, Beginning, fol. Diir. 370 Somit deutet sich hier ein Vorgang an, den Linda Colley für eine spätere Zeit ausführlich beschrieben hat. Siehe Linda COLLEY, Britons. Forging the Nation 1707-1837, New Haven 1992. Zur Kritik an ihrer Arbeit siehe exemplarisch Gerald NEWMAN, Nationalism Revisited, in: JBS 35 (1996), S. 118-127, hier S. 123-126; ähnliche Prozesse wurden schon früh für das spätere 16. und frühe 17. Jh. betont. Siehe u.a. WIENER, Beleaguered Isle, passim. 371 Vgl. zu den Mechanismen die Argumentation bei Linda COLLEY, Britishness and Otherness: An Argument, in: JBS 31 (1992), S. 309-329. Freilich bezieht sie sich auf eine viel

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Bezeichnend für diesen Umschwung in der Bewertung und Wahrnehmung Frankreichs ist eine Passage aus der bereits angesprochenen „Debatte der Herolde von England und Frankreich“. In der ersten Version dieser Schrift, die vermutlich zur Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist, brüstete sich der französische Herold mit den Leistungen und glorreichen Taten, welche seine Lehnsherren seit den Tagen Pippins immer wieder für Kirche und Papsttum vollbracht hätten. 372 In einer von John Coke 1550 herausgegebenen ‚Antwort‘ auf diese Schrift nahm sich die Darstellung dieses Verhältnisses jedoch vollkommen anders aus. Dort heißt es: „[T]he Truthe is / that although dyuers Bysshoppes of Rome beynge Annabaptystes, heretyques, scismatiques, & children of Sathan, for theyr demerytes by sum most godly Emperours and kynges of Lombardy, haue ben expulsed out of theyr sees at rome, yet theyr champions the the[sic!] frenche kynges founde meanes by treason and money that the proper subiectes of such Emperours and kynges haue so resyted them, that they coulde not q[ui]etly archeue theyr godly purposes which the […] frenchemen were neuer able to do by theyr owne strength, but by the power and subtiltie of Sathan, who aydeth the[m] in all theyr affaires, especially consernynge those peruers and sanguynary enemyes of the true christen religion, and hath giuen to the[m] the style of most christen kynges, as pryncipall champions maynteyners supporters and capitaynes of the Churche malyguaunt & of all popery pryde, ambition, Ipocracy 373 supersticion, and Idolatry.“

Überdeutlich demonstrieren die beiden Texte einen signifikanten Wandel in der Wahrnehmung der Franzosen. Während im 15. Jahrhundert die erbrachten Dienste für die Kurie noch als Argument der Vorrangstellung benutzt werden konnten, dienten sie knapp ein Jahrhundert später als Beleg für eine grundlegende Perhorreszierung und ‚Entfremdung‘ derselben. Dieser Wandel in der Wahrnehmung Frankreichs scheint ein Resultat der Auseinandersetzungen zwischen Schotten und Engländern in den 1540er Jahren gewesen zu sein. Entscheidend ist dabei die Beobachtung, dass sich diese Veränderung aus der Anwendung der Mosaischen Unterscheidung auf die außenpolitischen Verhältnisse der Zeit ergab und dem eigentlichen Ziel der Formulierung einer gesamtbritischen Identität geschuldet war. Die Integration der Franzosen in die Logiken der Mosaischen Unterscheidung korrespondierte gleichermaßen mit innerenglischen Diskussionen der Zeit, die sich vornehmlich durch ihren providentiellen Bezug auszeichneten. So blockierten Franzosen und Kurie nicht einfach nur die Gründung einer britischen Identität, indem sie die angestrebten Ziele von Union und Frieden unterminierten. Sie avancierten vielmehr zu diabolischen Mächten, die danach trachteten, die wahren Gläubigen von ihrem Weg hin zu Gott abzubringen und das Walten Gottes aktiv zu bekämpfen. In diesem Sinne nahmen beide Akteure die Form jener falschen Propheten und Handlanger spätere Epoche; die Darstellung von alter Kirche und Franzosen als „Fremde“ und Vorkämpfer des Antichristen auch bei BALE, Image of bothe churches, fol. Kiiiv. 372 Siehe Le débat des hérauts, S. 13f. 373 John COKE, The debate betwene the heraldes of Englande and Fraunce, London 1550 (STC2 5530/British Library), fol. Givr-v. Coke schließt hier direkt an Aussagen der 1530er Jahre an. In diesem Fall etwa die Verdammung einiger Päpste als Häretiker, wie sie bereits Thomas Swinnerton vornahm. Siehe SWINNERTON, Mustre, fol. Aivv-Avv.

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des Teufels an, vor denen Autoren wie Philip Nicolls eindringlich gewarnt hatten. Deutlich werden der Status und die wahre Beschaffenheit dieser Personen unter anderem durch die im Text von Walter Lynne wiedergegebenen Abbildungen, die nichts anderes als visualisierte Prophezeiungen aus dem Mittelalter seien, welche in ihrer Zeit aber weder ausgesprochen noch niedergeschrieben werden konnten. Der Autor hielt demgegenüber seine gegenwärtige Zeit für mehr als geeignet, um die Wahrheit ans Licht zu bringen.374 Diese bestand letztlich in der Feststellung, dass die Päpste ihre Anordnungen nicht von Gott sondern dem Teufel bekommen würden. Der Papst sei diesem verschworen und regiere allein aus dessen Macht auf Erden heraus. Aus diesem Grunde wertete der Text auch die Schlüsselgewalt des Pontifex um und erklärt dazu: „Because that all the auctoritie whiche he [der Papst – Anm. BQ] hath here in earthe, commeth not from god, but from the deuyll.“375 Auch diese Aussage begleitete ein überaus anschauliches Bild der Situation. Abbildung 4: The Pope thrustethe the lambe thorowe with his sworde. And therefore gyueth him the deuyll the keyes that is, power and might

LYNNE, Beginning and endyng of all poperye, fol. Eiiv

Der Papst erhält hier seine Schlüssel nicht von Gott, Christus oder Petrus, sondern von seinem ‚eigentlichen Herrn‘ – dem Teufel. Während auf diese Art und Weise der Oberhirte seiner Autorität und Stellung beraubt wird, erstreckt sich die Abwertung der Kurie in der Folge auch bildlich auf die Franzosen.

374 Siehe LYNNE, Beginning, fol. Aiiir-v sowie DAVIES, Religion of the word, S. 180 & 185. 375 LYNNE, Beginning, fol. Eiiv.

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Abbildung 5: The Pope with his keyes

LYNNE, Beginning and endyng of all poperye, fol. Eiiiv

Die Darstellung ist für den konkreten Zusammenhang äußerst wichtig, weil sie alle zentralen Figuren in einer Abbildung vereint. Die von Walter Lynne hinzugefügte Beschreibung liest sich wie folgt: „There falleth the lambe euen to the grounde. The pope headeth him, and he muste dye. In all these doings he hathe kepte hym selfe with the kocke, that is Fraunce, signified by the kocke, 376 whiche helpeth him to suppresse goddes worde.“

Angesichts dieser Stigmatisierung von Kurie und Franzosen erschien eine gewisse Notwendigkeit zu bestehen, die Schotten aus ihrer unheilvollen Allianz mit Rom und Paris zu befreien. Eduard Seymour griff in seiner Schrift genau dies auf und formulierte dazu: „Yet this shalbee a witnesse afore God, and all Christian people, betwixte you and vs, that wee professyng the Gospell of Christ accordyng to the doctrine thereof, doo not cease to call and prouoke you, from theffusio[n] of your awne blood, from the destruccio[n] of the realme of Scotland, from perpetuall enemitie and hatred, from the finall eradicacion of your nacion, and from seruitude to foreyne nacions: to libertie, to amitie, to equalitie with vs, to that, whiche 377 your writers hath alwayes wished, mighte once come to passe.“

376 LYNNE, Beginning, fol. Eivr. 377 SEYMOUR, Epistle, fol. Aiiiv-Aivr; ähnlich auch PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Bviiv-Bviiir, wo er propagiert, dass die Engländer die Schotten von ihrer ‚falschen Freundschaft‘ mit Frankreich sowie „fro[m] the most seruile thraldome and bondage vnder that hydeous monster, that venemous Aspis and very Antichriste the Bisshop of Rome“ befreien wollten.

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An dieser Stelle zeichneten sich die Konturen einer neuen Dimension des englischen Erwählungsdenkens ab, das sich aus der Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung ergab. Angepasst an den kommunikativen Kontext des Konflikts firmierte das englische Gemeinwesen im Hinblick auf Schottland nun selbst als einer jener von Gott gesandten Führer. Eduard Seymour zufolge war es dessen Aufgabe, die Schotten von ihrem Joch zu befreien und in eine bessere Zukunft zu führen. Ein ganz wichtiger Punkt dabei war die Tatsache, dass in dieser Zukunft eine Gleichwertigkeit oder Ebenbürtigkeit (equalitie) beider Mächte erreicht sein würde, wie sie im Übrigen von schottischen Autoren seit langem gewünscht worden sei.378 In diesem Zustand schließlich herrsche ein gutes Einvernehmen, Schottland wäre befreit von seiner fremden Servitut und die gesamte Insel könne in Einigkeit, Harmonie und Frieden fortbestehen.379 Die Argumentation Seymours baute sich um dieses Ziel auf, das von Gott durch mannigfache Zeichen verheißen worden sei. So wiederholte er in diesem Zusammenhang nicht nur jene Argumente aus der Proclamation von 1547, die auf eine gemeinsame Abkunft und Verwandtschaft aufmerksam machten, sondern betonte auch die gemeinsame Sprache sowie die geographischen Umstände, die beide Gemeinwesen von den anderen ‚Nationen‘ trennen würden.380 Um eine Vereinigung beider Länder herbeizuführen, gebe es freilich keine bessere Möglichkeit als eine Hochzeit, in deren Zuge aus zwei Geschlechtern und Herkunftslinien eine Dynastie entstehen würde. Dass die Gelegenheit günstig sei, dürfe indes nicht dem Glück, sondern müsse göttlicher Vorsehung zugesprochen werden.381 In gleicher Weise ordnete Seymour in der Folge sowohl das Ableben des schottischen Königs und das Vorhandensein einer weiblichen Thronerbin als auch die Scheidungen Heinrichs, die letztlich zur Vermählung mit Jane Seymour und der Geburt des Thronfolgers geführt hätten, einer göttli378 Dies war ein cleverer Versuch Seymours, um bestehende Schriften schottischer Autoritäten (etwa John Mair) einzubeziehen und für die eigene Sache zu instrumentalisieren! Zu Mair siehe oben S. 331. 379 Vgl. auch SEYMOUR, Epistle, fol. Aviiv. 380 Siehe SEYMOUR, Proclamation; DERS. Epistle, fol. Aivr-v; dieselbe Argumentation findet sich auch in einer Schrift von John Hooper. Siehe John HOOPER, A declaration of Christe and of his offyce, Zürich 1547 (STC2 13745/British Library). Aufgrund der mangelhaften Ausführung des Druckes enthält der Text eine Unmenge von orthographischen Fehlern, die teilweise gar den Inhalt verändern können. Diese Fehler sind in einer späteren Ausgabe korrigiert worden, weshalb hier die Edition von Samuel Carr benutzt wird, der sorgsam beide Versionen kollationiert hat. Siehe Early Writings of John Hooper, ed. von Samuel CARR, Cambridge 1843, S. 1-96, hier Widmung an Edward Seymour S. xii; die geteilte Insularität wird fortan ein immer wiederkehrendes Thema der Publizistik werden. Vgl. etwa Anthony GILBY, An Admonition to England and Scotland to call them to repentance, gedruckt als Appendix zu The appellation of Iohn Knoxe […], Genf 1558 (STC2 15063/Bodleian Library), fol. 59v-80; Michael DRAYTON, Poly-Olbion, London 1612 (STC2 7226/University of Wisconsin Library); auch WIENER, Beleagured Isle, passim; vor allem im Zuge der Union von 1603 bemühten verschiedene Autoren dieses Thema ausgiebig. Siehe dazu u.a. die edierten Texte bei Brian P. LEVACK / B. R. GALLOWAY (Hgg.), The Jacobean Union. Six tracts of 1604, Edinburgh 1985. 381 Vgl. SEYMOUR, Epistle, fol. Aivv-Avr.

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chen Bestimmung zu. Aus dieser Konstellation leitete der Autor schließlich jenen göttlichen Plan ab, der vorsehe, beide Königreiche durch eine Ehe unwiderruflich zu vereinen: „[W]hat can any wise or any Christian manne […] thinke otherwise, but that it was Gods pleasure it should bee so, that these twoo realmes should ioyne in mariage, and by a godly Sac382 rament, make a Godly, perpetuall, and moste frendly vnitie and concord.“

Ganz im Stile zeitgenössischer evangelischer Autoren konstatierte Seymour, dass dies die Art und Weise sei, in der Gott zu seinen Gläubigen sprechen würde. Und seine Botschaft sei absolut klar: „I of my infinite mercie and loue to your nacio[n], had prouided a Prince to the one, and a Princesse to the other, to bee ioyned in my holy Lawes“383. James Harrison sah in der gegebenen Situation ebenfalls eine von Gott dargebotene Möglichkeit, Zwietracht und andauernde Konflikte zwischen beiden Völkern zu beenden.384 William Patten zuletzt konstatierte, dass die Gnade Gottes in den vergangenen Jahren beständig mit den Engländern gewesen sei und den Schotten hierdurch die einmalige Gelegenheit offeriert werden würde, an den Segnungen Gottes teilzuhaben.385 Auf diese Weise enthüllte Patten die zugrunde liegenden Vorstellungen der Zeitgenossen bezüglich einer möglichen Vereinigung beider Königreiche sowie Art und Weise des konkreten Ablaufs. So betonten alle Autoren die Tatsache, dass Gott nicht nur deutliche Zeichen für eine Union gegeben habe, sondern dass eine solche auch nur mit seiner Gnade und seinem Segen von Bestand sein könne.386 In dieser Hinsicht konnte keine Gleichrangigkeit zwischen beiden Gemeinwesen bestehen, da auf der einen Seite große Teile Schottlands und der dortigen Bevölkerung nach wie vor den falschen Versprechungen des Antichristen und dessen Schergen folgen würden.387 In derartigen Passagen artikulierten die Autoren ihre Vorbehalte gegen das 382 SEYMOUR, Epistle, fols. Avir-v (Zitat) & Avr-Avir zum Ableben Jakobs V. und Heinrichs Scheidungen. 383 SEYMOUR, Epistle, fol. Aviir-v. In seiner Proclamation nennt Seymour es eine „goodly occasion that God hath sente“. Dies war der von Arthur Williamson getaufte „Edwardian Moment“. Siehe WILLIAMSON, Scotland, Antichrist and the Invention of Great Britain, S. 39. 384 Vgl. HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Bivv-Bvr. 385 Siehe PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, Vorwort fol. 6v und fol. Cvr. 386 So auch HOOPER, Declaration, S. xi, der den Sieg bei Pinkey als äußeres Zeichen Gottes wertet, dass die Engländer seine Segnungen genießen würden. Diese Botschaft wiederholte sich auch in den regelmäßigen Dankgottesdiensten, Prozessionen und Gebeten, die anlässlich des Krieges in Schottland abgehalten worden sind. Siehe dazu etwa National Prayers. Special Worship since the Reformation, Bd. 1: Special Prayers, Fasts and Thanksgivings in the British Isles 1533-1688, ed. und hrsg. von Natalie MEARS, Alasdair RAFFE et al., Woodbridge 2013, Einträge 1545-E2, S. 26; 1547-E, S. 28f; 1548-E, S. 2931. 387 Bodrugan unterstellt den Schotten eine Neigung, die sie verblenden und in die „Wüste der Halsstarrigkeit“ führen würde. BODRUGAN, Epitome, fol. Gviiiv-Hir. Siehe auch seine Kritik am „Peter’s Pence“, den die Schotten bis in die Gegenwart zahlen würden, auf fol.

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‚Ägyptische‘ in Schottland. Das englische Gemeinwesen auf der anderen Seite habe sich mit jener Befreiungstat Heinrichs VIII. aus der ägyptischen Knechtschaft entlassen, weshalb ihm – wie bspw. Patten bemerkte – seit geraumer Zeit die Segnungen des Allmächtigen zuteilwerden würden.388 Die Texte machten sich in dieser Situation wesentliche Elemente der im Inneren Englands virulenten Diskussionen zunutze, um sie sodann auf die Ebene des Schottland-Konfliktes zu übertragen. Allen voran versuchte man die Logiken der Mosaischen Unterscheidung zu aktualisieren, um dadurch das schottische Gemeinwesen zu einem ähnlichen Exodus zu bewegen, wie ihn England bereits unter Heinrich VIII. begonnen hatte. Dies war indessen eine radikale und innovative Politik, die mit einem erheblichen Maß an Unsicherheit befrachtet war. Angesichts dessen bot sich England sozusagen als Führer und Helfer des schottischen Exodus an und avancierte damit als Kollektiv zu einem von Gott gesandten Boten, der dem nördlichen Nachbarn bei seinem Auszug aus der Gefangenschaft der Papstkirche beistehen sollte. 389 Die Reklamation dieses erwählten Status’ im Kontext des Konflikts wurde durch eine Fülle von Belegen versucht zu untermauern. So seien deutliche Zeichen jener besonderen Beziehung zu Gott sowohl in kulturellen und wirtschaftlichen als auch in militärischen Belangen zu beobachten.390 Das Proprium dieser exzeptionellen Stellung zeigte sich gleichwohl in der Darstellung der Engländer als ‚Volk in der Wüste‘ auf dem Weg ins verheißene Land. Zu dieser Stellung des englischen Volkes müsse das schottische aufschließen, oder ein dauerhafter Friede sei nicht möglich. Harrison macht dies in seiner Schrift ganz deutlich, wenn er dazu schreibt: „Which thi[n]g [die Abkehr von der Dunkelheit – BQ] bei[n]g well perceiued by [the] most noble king, of immortal memory, Henry the VIII of Englande, like a prince no lesse Godly then prudent, cleuyng in that part to Christes worde, weded out of his realme, those wicked plantes, not onely vnprofitable to his commo[n] wealth, but also enemies to all veritie and true Religion,

Dvir; PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Cviv sieht die Schotten ebenfalls noch in der „Gefangenschaft“ des Papstes; HOOPER, Declaration, S. xii. 388 Patten rekurriert auch auf die Befreiungstat Heinrichs als Ausgangspunkt der göttlichen Segnungen. Siehe PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Ciiir-v. 389 Dies stellt somit meines Erachtens die erste Gelegenheit dar, in der eine Übertragung des Erwählungsdenkens von den inneren Zuständen auf eine außenpolitische Lage stattfand! England firmierte hier dezidiert als eine elect nation, freilich geschah dies viel früher und vollkommen anders als es ältere Studien postuliert hatten. Vgl. dazu etwa HALLER, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation; CLAYDON / MCBRIDE, The trials of the chosen peoples, S. 10-16; COLLINSON, A chosen people?, S. 14-20. 390 Vgl. dazu die Bemerkungen bei SEYMOUR, Epistle, fol. Avir; PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, Vorwort fol. 6v, Aivr, Biiiv, Cvr; HOOPER, Declaration, S. xif; BODRUv r GAN, Epitome, u.a. fol. Fi -Fii und passim zu den militärischen Erfolgen über Schottland; in John Cokes Schrift werden systematisch nahezu alle wichtigen Lebensbereiche mit dem französischen Gemeinwesen verglichen. Das Resultat bleibt immer gleich: Durch göttliche Segnungen sei England reicher an Bodenschätzen, üppiger in Flora und Fauna, herausragender in Betreff militärischer Siege und die englischen Waren wären den französischen ohnehin überlegen. Siehe COKE, Debate, fol. Liv-Lviiir und passim.

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whose example, if we of Scotlande, had the grace to folow, I would nothyng dispaire of an 391 honorable and Godly concorde, betwene bothe realmes in shorte time.“

Dieser Aufschluss Schottlands ergebe sich zudem aus der Geschichte der britischen Insel. So argumentierte Harrison, beide Gemeinwesen wären nicht nur politisch einst verbunden gewesen, sondern auch in Fragen der Religion. In diesem Sinne nutzte er jenen König Lucius, welcher der erste christliche Herrscher der Briten gewesen sei. Über diesen suchte er nachzuweisen, dass in Britannien ehedem ein gemeinsamer Glaube geherrscht habe.392 Dieser geteilte Glaube sei freilich von der englischen Seite ausgegangen, was nicht zuletzt die Oberhoheit des Erzbistums York über die schottische Kirche beweise. Abschließend vermerkte Harrison zu diesem Themenkomplex: „This I alledge to shewe, that the two realmes at the first were not onely vnited in one Empire, but also in one Religio[n] the superioritie wherof, seynge it so longe continued in the English 393 side“ .

König Lucius war freilich Teil der englischen Erwählungskonstruktion gewesen, wie sie unter Heinrich VIII. im Umfeld der Loslösung von Rom ausgebildet worden ist. Er stand für die Tatsache, dass England seinen christlichen Glauben nicht vom Papsttum, sondern von Nachfolgern der Apostel selbst empfangen habe. 394 Diese Tatsachen seien gleichwohl durch die schändlichen Machenschaften von Mönchen und Klerikern verfälscht worden. Gegen diese Praktiken hätte lange Zeit nichts getan werden können, da eben jene Personen für das Abfassen von Chroniken und Geschichtswerken zuständig gewesen wären.395 Erneut ist also der Aufruf zu erkennen, sich aus der Gefangenschaft der alten Kirche und überkommener Traditionen zu befreien und den Weg in die Wüste zu suchen. Wie die Engländer selbst erfahren hatten, war dieses Unterfangen jedoch mit grundlegenden Zweifeln und Unsicherheiten versehen, weshalb es einer spezifischen Form der Versicherung bedurfte. Die Exodus-Erzählung hat dafür ein Vorbild geliefert, indem – wie Michael Walzer betonte – das Ende des Exodus in der Erzählung am Anfang als göttliches Ver391 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Dviiv-Dviiir. 392 Diese Konstruktion einer Traditionslinie von König Lucius, einem Gemeinwesen Britannien und einem damit verbundenen, geteilten Glauben findet sich auch in anderen Zusammenhängen. Bspw. taucht es im Rahmen einer Kritik an der Transsubstantiationslehre auf, die dieses „neue Wissen“ einem alten, wahren Glauben in Britannien seit den Tagen König Lucius’ gegenüberstellt. Siehe R. V., The olde fayth of greate Brittaygne, and the newe learnynge of Inglande […], London 1549 (STC2 24566/Henry E. Huntington Library). 393 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fols. Dviv (Zitat) und Cviiir-Dviv zum gesamten Themenkomplex. 394 Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt B, Kap. 4.1, S. 147f sowie R. V., The olde fayth of greate Brittaygne, fol. Aiir-v; cf. HEAL, King Lucius. 395 Vgl. HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Dviir-v, der hier eine Kritik von William Tyndale aufnimmt und reproduziert. Siehe TYNDALE, Practice of Prelates, S. 268; vgl. auch die Ausführungen dazu in Abschnitt B, Kap. 3.2.5.

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sprechen gegenwärtig sei. Die Vergegenwärtigung des verheißenen Ziels mache laut Walzer die eigentliche Kraft der Erzählung aus.396 Für die zeitgenössischen Verhältnisse konnten das Wissen um das prophezeite Ziel bzw. die Vision davon gleichsam als Form der Versicherung dienen, um den zweifelnden Schotten wie Engländern zu bestätigen, dass dies der von Gott gewollte und begünstigte Weg sei. Im Kontext des anglo-schottischen Krieges manifestierte sich dieses von Gott verheißene Ziel in der Vision einer geeinten Insel, die nur mehr ein Gemeinwesen beherbergen sollte, das den Namen Britannien trage. Wesentlich war in diesem Zusammenhang, dass die Autoren dazu übergingen, dieses Konstrukt sukzessive mit den Elementen des ursprünglich englischen Erwählungsdenkens auszustatten. Bei William Patten ist derart das Angebot zu lesen, die Engländer würden bereitwillig ihre Segnungen mit den nördlichen Nachbarn teilen.397 Was vormals für die englische Geschichte gegolten hatte, wird nun im Horizont einer britischen Geschichte artikuliert. So hieß es bei Harrison explizit: „Imagine you (I praye you) if Britayne coulde speake, mighte she not well saye thus: Hath not the almighty prouide[n]ce seuered me from the reste of the worlde, with a large sea, to make me one Islande? Hath not natures ordinau[n]ce furnisshed me with asmany thinges necessary, as any one ground bringeth furth? Hath not mans pollicie at the beginninge subdued me to one 398 gouernoure? And hath not the grace of Christ illumined me ouer all, with one faith“ .

Aufgrund der natürlichen Gegebenheiten, der sprachlichen Verwandtschaft, der gemeinsamen Herkunft sowie der Tatsache, dass beide Gemeinwesen einst unter einem Herrscher vereint gewesen seien, wäre es bereits naheliegend, eine erneute Verbindung anzustreben.399 Der wichtigste Grund allerdings, der von allen Autoren angeführt wurde, war der Wunsch Gottes, das, was vormals geteilt war, nun wieder zusammenzuführen. „Reme[m]ber […] how that by this calling of vs into this vnitie, proceding plainly fro[m] god him selfe he woulde also vnite & ioyne vs in one religio[n].“400 Eduard Seymour sah die Situation ebenfalls als einen Akt göttlicher Vorsehung, wenn er schrieb: „[W]ho cannot but confesse, that there appereth Gods prouidence herein, and opportunitie and occasion[n] geuen, to vnite both the realmes“401. William Patten verkündete ähnlich lautende Parolen in seiner Vorstellung eines dauerhaften Friedens mit den Schotten: „[W]hearby like cuntreymen and cuntreymen, like frend & frend, nay like broother and broother we might in one perpetual and brotherly life, ioyn, loue & lyue together, accordynge as thearunto, bothe by the appointement of God at the firste, and by continuau[n]ce of nature since 396 Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 20. 397 Siehe PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Cvr: „These goodly benefites, or rather Gods blessings, if ye wil your selues, shal we with Gods assistence bring you to enioi aswel as our selfs.“ 398 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Hir. 399 Harrison sprach aus diesem Grund auch bevorzugt von einer Wiedervereinigung. Siehe An exhortacion to the Scottes, fol. Hvv-Hviv. 400 HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Hivr-v. 401 SEYMOUR, Epistle, fol. Aviiv.

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we seme to haue bene made and ordeyned: seperate by seas from all oother nacions, in cus402 tomes and condicions littell differinge, in shape and langage nothynge at all.“

Patten und die anderen rekapitulierten auf diese Weise die vielen Gemeinsamkeiten, die das englische und schottische Volk verbinden würden. Entscheidend war hier, dass die Autoren die einzelnen Punkte letztlich auf den Wunsch Gottes zu einer Union hin konzentrierten und die englischen Avancen somit im Einklang mit Gottes Willen präsentierten. Gemeinsame Sprache und Herkunft, die Insellage sowie die Erinnerung an eine einstiege Stärke als vereinte Nation firmieren hier lediglich als Evidenz für den göttlichen Willen, eine Verbindung beider Länder herbeizuführen. Es war somit die Idee der göttichen Erwählung, welche an dieser Stelle als Basis für eine Unionspolitik beider Königreiche dienen sollte. Diese Vorstellung war ein Erbe der Regierung Heinrichs VIII. und repräsentierte in seiner Zeit eine spezifische Form des Gemeinwesens. Es fungierte in diesem Zusammenhang primär dazu, eine Ordnung zu etablieren und abzusichern, die ohne den Bezug zum Papsttum und einer damit zusammenhängenden Traditionslinie der alten Kirche auskam. Im Rahmen des Krieges mit Schottland kam es zu einer Aktualisierung dieses Gedankengutes, wobei die Funktion der Erwählungsvorstellungen hier nicht nur darin bestand, eine Dissoziation von Papsttum und französischer Krone zu rechtfertigen, sondern einen Vereinigungsprozess der Tudor- und Stuart-Gemeinwesen ideell abzusichern und akzeptabel zu gestalten. Dass sich das Erwählungsmotiv in diesem Prozess veränderte, zeigte sich insbesondere an dessen Ausrichtung auf das Konstrukt Britannien als verheißenem Land. So präsentierten die Verantwortlichen als Ziel der ganzen Anstrengungen die Kollektivbegriffe Britannien bzw. Briten, welche gleichsam mit einer passenden Historizität versehen wurden.403 Auf dieses Konstrukt hin wurden im weiteren Verlauf sämtliche Argumentationen gerichtet. So beteuerte etwa James Harrison, dass er die Bezeichnungen Engländer und Schotten regelrecht hasse, weshalb sie seiner Ansicht nach abgeschafft gehörten und durch den Begriff Briten ersetzt werden sollten. 404 Auch Eduard Seymour offerierte, die Bezeichnung Engländer aufzugeben, um fürderhin den wertneutralen Namen Briten anzunehmen. Er schrieb dazu: „[W]e offre loue, we offer equalitie & amitie, we ouercome in war, and offer peace, wee wynne holdes, and offre no conquest, we gette in your lande and offre Englande“. Eine Seite weiter bot er zudem an,

402 PATTEN, The Expedicion into Scotla[n]de, fol. Biv-Biir (meine Hervorhebung). 403 Mit dieser Historizität hängt ein weiterer Aspekt zusammen, der vor allem von Literaturwissenschaftlern betont wird. So sei Britannien auch ein Begriff gewesen, der bewusst die Andersartigkeit der Insel herausstellen und sie – aufbauend auf der geographischen Isolation – als Bestandteil eines eher mythischen Konstruktes der „fortunate Isles“ imaginieren sollte. Diese literarische Tradition konnte dabei sehr gut mit der Vorstellung einer besonderen Beziehung zu Gott harmonieren. Siehe zu dieser mythischen Vorstellung Josephine WATERS BENNETT, Britain among the Fortunate Isles, in: Studies in Philology 53 (1956), S. 114-140 sowie Jeffrey KNAPP, An Empire Nowhere. England, America, and literature from Utopia to The Tempest, Berkeley u.a. 1992, hier Kap. 1, S. 18-61. 404 Vgl. HARRISON, An exhortacion to the Scottes, fol. Gvv.

348 | E NGLANDS E XODUS „to leaue the name of the nacion, and the glory of any victorie if any wee haue had, or should haue of you, and to take the indifferent old name of Britaynes again, because nothyng should 405 be left, of our part vnoffered, nothyng of your part vnrefused“ .

Dieses neu geformte Gebilde verfüge schließlich über die Vorzüge beider Königreiche und sei insgesamt stärker als es den einzelnen Gemeinwesen jemals vergönnt gewesen sei. In einer Zeit der Unsicherheit und Krise sei diese Stärke gleichsam von unschätzbarem Wert gewesen, weshalb Seymour dazu erklärte: „If we twoo beyng made one by amitie, bee moste hable to defende vs against all nacions: and hauyng the sea for wall, the mutuall loue for garrison, and God for defence, should make so noble and wel agreyng Monarchie, that neither in peace wee maie bee ashamed, nor in warre 406 affraied, of any worldely or forrein power“ .

Von der Union Englands und Schottlands versprachen sich die Verantwortlichen eine prinzipielle Stärkung beider Gemeinwesen. Da dies allerdings zu jener Zeit ein äußerst radikales politisches Vorhaben darstellte, bemühten die Autoren mit der Idee der göttlichen Erwählung einen diskursiven Horizont, der dieser Absicht Absicherung und Akzeptanz verleihen sollte. Ausgehend von den henrizianischen Konstruktionen entwickelte man das Erwählungsmotiv vor dem Hintergrund der aktuellen Situation weiter und gab ihm analog zur Exodus-Erzählung eine spezifische Richtung. Die Schotten sollten demnach zuerst ihre Auld Alliance aufgeben und aus der päpstlichen Knechtschaft ausbrechen, und sich dadurch auf den Weg in die Wüste und zu Gott machen. Die mit dieser innovativen Politik verbundenen Strapazen, Fährnisse und Unbilden werden von englischer Seite mit dem Versprechen auf zukünftigen Wohlstand, Sicherheit und göttlichen Segen aufgewogen. Das Erwählungsmotiv gab hier eine konkrete Richtung bzw. ein konkretes Ziel vor, wonach beide Völker letztlich nur gemeinsam im Gelobten Land ankommen würden. Ratsam erschien dies, da die Engländer zu jenen wenigen, wahrhaften Kundschaftern des Herrn gehörten, die das Gelobte Land bereits erblickt hatten und den Weg dorthin kannten. Und dieses Land hieß Britannien! 4.3 Zusammenfassung Der Kontext des schottischen Krieges förderte englischerseits unter der Regierung Eduards VI. die Weiterentwicklung einer britischen Perspektive, wie sie unter Heinrich VIII. sukzessiv ausgeprägt worden war. Diese war ein direktes Resultat der unter Heinrich vollzogenen Reformen, die für England eine neue Dimension in dessen Sicherheitsdenken schufen. So musste das ‚schismatische‘ und ‚häretische‘ England immer wieder mit Interventionen und Invasionen katholischer Mächte rechnen, die 405 Siehe SEYMOUR, Epistle, fols. Bir & Biv. 406 SEYMOUR, Epistle, fol. Cir. Dieser Gedanke wird später von William Cecil in der Regierungszeit Elisabeths I. stärker konturiert und ausgebaut. Siehe dazu nach wie vor Jane DAWSON, William Cecil and the British Dimension of early Elizabethan foreign policy, in: History 74 (1989), S. 196-216; neuerdings auch Stephen ALFORD, Burghley. William Cecil at the court of Elizabeth I, New Haven/London 2008, S. 107.

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sich nun über angrenzende Gebiete wie Irland oder Schottland, in denen größtenteils die Loyalität zur Kurie und dem alten Glauben gewahrt worden war, dem englischen Kernland nähern konnten. In den frühen 1540er Jahren hatten hier erste Versuche eingesetzt, diese Gefährdungssituation für England unter anderem durch eine dynastische Allianz mit Schottland zu beseitigen. Dieses Projekt konnte jedoch zu Lebzeiten Heinrichs VIII. nicht reüssieren. Unter Eduard VI. bzw. der Regentschaft Eduard Seymours griff man die Ansätze zu einer dynastischen Allianz auf, entwickelte sie aber vor dem Hintergrund der zeitgenössisch virulenten Deutungsmuster weiter. Analog zu den inneren Entwicklungen übertrugen die Akteure um Seymour die wesentlichen Elemente und Mechanismen des Erwählungsdenkens auf die Konfliktkonstellation mit Schottland. Auf der einen Seite wurde dadurch versucht, die Bindung des direkten Nachbarn an die Kurie sowie die Auld Alliance mit Frankreich durch die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung zu unterminieren. Die untersuchten Texte zeigen dabei deutlich das Bestreben, die evidenten Nachteile dieser Beziehungen für Schottland herauszustellen, um dadurch das schottische Gemeinwesen zu einem Bruch zu bewegen, wie ihn England bereits unter Heinrich VIII. vollzogen hatte. Diese Aufforderung stellte auf der anderen Seite freilich einen Akt radikaler und innovativer Politik dar, der entsprechend gerahmt und abgesichert werden musste, damit er die Chance auf Akzeptanz hatte. Zu diesem Zweck bemühten die Autoren die Idee der göttlichen Erwählung, die auf die Konstellationen des Konflikts angepasst wurde. Im Zuge dessen firmierte das englische Gemeinwesen in der äußeren Darstellung nun insgesamt als erwählte Nation, die von Gott begünstigt, dem schottischen Nachbarn aus dessen ‚Knechtschaft‘ helfen sollte. Analog zu den Aufgaben eines von Gott gesandten Propheten mahnte und warnte England vor den falschen Propheten Papsttum und Frankreich, die das schottische Gemeinwesen von Gott und dem Gelobten Land fernhalten würden. Mit dieser Position korrespondierte zuletzt ein weiterer Aspekt englischer Erwählungsvorstellungen der Zeit, wonach es gerade den wahren Propheten gegeben war, den Weg in das von Gott verheißene Land zu weisen. Dieser Weg bestand in der Vereinigung beider Länder zu einem neuen Gemeinwesen, das den Namen Britannien tragen sollte. Britannien als verheißenes Land und Ziel des anvisierten Exodus stellte letztlich in mehrfacher Hinsicht eine adäquate Lösung des Konfliktes dar: Durch die Union von England und Schottland hätten die Engländer ein erhebliches Unsicherheitspotential beseitigt, das von dem Nachbarn im Norden ausging. Gleichsam betonten die Autoren die verbesserten Möglichkeiten hinsichtlich des Agierens gegenüber anderen europäischen Mächten, der militärischen Stärke oder auch der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich für beide Gemeinwesen durch eine Union ergeben würden. Für die Schotten konnte die Vision Britanniens zugleich als Strategie der ‚Versicherheitlichung‘ dienen, durch die ihnen die Vorbehalte gegenüber einer Abwendung von Kurie und Frankreich genommen und gleichzeit eine Hinwendung zu England schmackhaft gemacht werden sollte. Immerhin bot das verheißene Land nicht nur den speziellen Segen Gottes, sondern auch weltlichen Profit, mehr Sicherheit sowie eine Gleichstellung mit dem englischen Nachbarn.

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5. Z WISCHENFAZIT : E IN V OLK IN DER W ÜSTE Die Phase zwischen 1547 und 1550 zeichnet sich durch die Aufnahme sowie die anschließende Weiterentwicklung der unter Heinrich VIII. instituierten Erwählungsvorstellungen aus. Das neue Regime um Eduard VI., Erzbischof Thomas Cranmer sowie den Lordprotektor Somerset versuchte in diesem Zusammenhang, eine spezifische Traditionslinie zu konstruieren, die ihren Ausgang in den frühen 1530er Jahren nahm. Heinrich VIII. firmierte in dieser Vorstellung als ein mosaischer Befreier, der durch seine Reformen das englische Gemeinwesen aus papistischer Gefangenschaft befreit und einen neuen Exodus eingeläutet hatte. Aus dieser Stilisierung der henrizianischen Reformen ließ sich unter Eduard VI. nun ein Narrativ formen, das mit der Darstellung des englischen Volkes in der Wüste nahtlos an die henrizianische Zeit anschließen konnte. Diese Rahmung der Geschehnisse in Form des israelitischen Exodus hatte den Vorteil, dass hierüber eine selektive Kontinuitätsstiftung zur Herrschaftszeit Heinrichs VIII. konstruiert werden konnte, die gleichsam den konkreten Bedürfnissen der eduardianischen Reformer entsprach. Deren primäres Ziel war eine weitergehende Reform des Gemeinwesens, das endlich von den Überresten einer römisch-katholischen Vergangenheit befreit werden sollte. Die Notwendigkeit einer derartigen Stilisierung ergab sich aus dem Widerstand, dem das Regime bei seinen Reformversuchen begegnete. In großen Aufständen wie der Prayer Book Rebellion konkretisierte sich ein offenbar weit verbreiteter Vorbehalt gegen die anvisierten Neuerungen, wobei sich die Aufständischen in ihren Erklärungen und Forderungen explizit auf religiöse Setzungen Heinrichs VIII., wie etwa die Sechs Artikel, beriefen. Die Minderjährigkeit des Königs sowie den zweifelhaften Status Eduard Seymours als Lordprotektor ausnutzend, spielten die Gegner weiterer Reformmaßnahmen die Autorität des alten Monarchen gegen das neue Regime aus, wodurch eine Legitimitätskrise drohte. In dieser Situation ermöglichte das Exodus-Narrativs den Aufbau einer alternativen Interpretation des henrizianischen Erbes, durch die jene Argumentation der Aufständischen delegitimiert und eine eigene Sinnstiftung der Ereignisse kolportiert werden konnte. In dieser Version firmierte der Aufstand im Südwesten Englands als Zeichen einer nach wie vor bestehenden katholischen bzw. papsttreuen Einstellung eines Großteils des Volkes. Hieraus konnten die eduardianischen Reformer sodann ganz im Sinne des aufgebauten Narrativs die Notwendigkeit weitergehender Reformen ableiten. Die Weiterentwicklung der henrizianischen Erwählungsvorstellungen im Sinne des Exodus-Narrativs markiert primär eine Reaktion auf den in der Frühphase Eduards VI. entstandenen Deutungskonflikt über das Vermächtnis des verstorbenen Königs. Die Rahmung der Wüste stellte dabei nicht nur eine Interpretation dar, die einen kommunikativen Anschluss an Heinrichs Regierungszeit gewährleisten sollte, sondern forderte zugleich weitergehende Reformen ein, die das Gemeinwesen in eine deutlich protestantische Richtung drängen sollten. Hierfür stand das grundlegende Muster der Exodus-Erzählung, die, wie Michael Walzer betonte, ihre eigentliche Kraft gerade aus dem Umstand beziehe, dass das Ziel bereits am Anfang als Hoffnung oder Versprechen gegenwärtig sei. 407 In diesem Sinne wurde durch die Verortung in einem Exodus-Narrativ, das seinen Anfang unter Heinrich VIII. genommen 407 Vgl. WALZER, Exodus und Revolution, S. 20.

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hatte, die postulierte Pflicht des Gemeinwesens zu Reformen, die es in Einklang mit den göttlichen Vorgaben bringen sollten, ein Stück weit an den alten König selbst relegiert. Die Legitimität der angestrebten Innovationen speiste sich anders gesagt aus dem unter Eduard VI. konstruierten Faktum, dass Heinrich den Exodus initiiert hatte, den die eduardianischen Reformer nun lediglich zu seinem logischen Ende führen wollten. Allerdings war das Gelobte Land noch nicht erreicht. Im Gegenteil diente das Sinnbild der Wüste vielmehr dazu, einen prekären Status zwischen dem Alten und dem Neuen zu bezeichnen und darüber die Notwendigkeit weiterer Reformen anzumahnen. Um nicht der Versuchung einer Rückkehr in alte Traditionen zu erliegen, musste in der Wüste ein Transformationsprozess vonstatten gehen, in dessen Zuge aus den ehemaligen papistischen Sklaven nun wahre Gläubige werden würden. Dies war der Moment, wo sich die evangelischen Reformer selbst in das aufgebaute Narrativ einschrieben. Ihre Forderungen nach einer rigorosen Ausmerzung der nach wie vor bestehenden papistischen Praktiken und Vorstellungen entsprachen in dieser Hinsicht den Bedingungen des Transformationsprozesses in der Wüste. Gleichsam boten sie sich als Führer und Helfer an, die dem zweifelnden Volk in der Wüste den richtigen Weg weisen würden. Ihre hauptsächliche Funktion bestand in diesem Zusammenhang darin, das strauchelnde Volk zu ermahnen und es wieder mit den göttlichen Geboten und Vorgaben zu versöhnen. Denn sie gehörten zu den wenigen wahrhaft Gläubigen, die das Land der Verheißung erblickt hatten und den Weg aus der Wüste kannten. Sofern sie die Autorität des Königs als von Gott erwähltem Herrscher sowie die von ihm ausgehende Ordnung anerkannten, konnten sich die Reformer unter Eduard VI. auf diese Art und Weise in das konstruierte Narrativ einschreiben, um ihre eigenen Ziele mit denen des neuen Regimes in Einklang zu bringen. Diese Modellierung der englischen Erwählungsvorstellungen richtete sich auf die inneren Verhältnisse des Gemeinwesens und sollte einen Rahmen etablieren, der die angestrebten Reformen mit einem dem neuen Regime passenden Sinn versah. Die Erwählungsidee fungierte hier als ‚ideologisches‘ Moment der ‚Versicherheitlichung‘ eines angestrebten Innovationsprozesses. Entscheidend war in diesem Kontext, dass damit ein zunächst unter Heinrich VIII. noch prekäres Gedankengut wie die Frage weitergehender protestantischer Reformen popularisiert und verallgemeinert sowie in der Folge von seinem Status als prekär zu einem Bestandteil des offiziellen Diskurses gemacht werden konnte. Eine ähnliche, wenn auch nicht in demselben Umfang zu beobachtende Funktion nahm das englische Erwählungsdenken im Hinblick auf die Auseinandersetzungen mit Schottland ein. Seit dem Schisma sowie den inneren Reformen unter Heinrich VIII. entwickelte sich sukzessiv eine neue Sicherheitsdoktrin in England, die in den religiösen Unterschieden zwischen England und seinen Nachbarn den Ansatzpunkt für eine politisch-militärische Bedrohung des Gemeinwesens ausmachte. Unter Heinrich VIII. begann man aus diesem Grund, eine stärker britische Perspektive auszubilden, die in diversen Versuchen mündete, den schottischen Nachbarn stärker an England zu binden. Ersten Reforminitiativen trat hierbei nach dem Tod des schottischen Königs im Nachgang der Schlacht von Solway Moss eine dynastische Allianz zur Seite. Die Idee, den englischen Thronfolger mit der schottischen Thronfolgerin zu verheiraten, entstand bereits unter Heinrich VIII., wurde aber unter Eduard VI. und Protektor Somerset zur außenpolitischen Leitlinie des Regimes erklärt. Obwohl es in

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der jüngeren Geschichte beider Länder durchaus Vorschläge für eine dynastische Vereinigung gegeben hatte, stellte die tatsächlich artikulierte Vorstellung einer Union doch für viele Zeitgenossen eine Form der Neuerung dar, die mehrheitlich abgelehnt wurde. Auch in diesem Zusammenhang spielte die Idee göttlicher Erwählung eine bestimmende Rolle, wenn es darum ging, den prekären Status dieser Vorstellung mit einer grundsätzlichen Form von Akzeptanz zu versehen. Entscheidend war in dieser Hinsicht, dass der kommunikative Kontext der schottischen Auseinandersetzung zu einer wesentlichen Anpassung der Erwählungsvorstellung führte. Während die Idee im Hinblick auf die inneren Verhältnisse eine in hohem Maße selbstreflexive und selbstkritische Form annahm, veränderte die Transponierung von einem inneren auf einen äußeren Bezugsrahmen ihren Gehalt. Die nach innen konstatierten Probleme traten hier zugunsten einer selbstbewusst artikulierten Position als von Gott in besonderem Maße gesegnetes Land zurück. Dieser Status einer erwählten Nation wurde in der Folge dahingehend ausgenutzt, dass man sich dem schottischen Nachbarn als Helfer und Führer anbot, damit dieser sein sklavisches Dasein unter dem doppelten Joch von Kurie und Frankreich endlich abwerfen könne. Die Engländer wollten den Schotten helfen, selbst eine Art Exodus zu initiieren, in dessen Folge sie zum eigenen Gemeinwesen aufschließen könnten. Gemeinsam würde man dann die Gefahren der Wüste besser ertragen und bezwingen können, um zuletzt das Gelobte Land zu erreichen. Dieses stellten sich die Akteure als Britannien vor – ein Gemeinwesen, entstanden aus der von Gott geforderten Union von England und Schottland. Der Konflikt mit Schottland zeigt somit zwei wichtige Phänomene hinsichtlich der Erwählungsidee auf: Zum einen bestätigt er wesentliche Entwicklungen, die auch im Inneren zu beobachten waren. Dazu gehörte vor allem der Versuch einer Anknüpfung an die Entwicklungen unter Heinrich VIII., die freilich unter den konkreten Bedingungen weiterentwickelt und angepasst wurden. Zudem diente die Vorstellung einer göttlichen Erwählung auch in diesem Fall dazu, einen Rahmen zu schaffen, der einem hochgradig unsicheren oder prekären Gedankengut eine spezifische Sinnhaftigkeit zuschreiben und es damit akzeptabel machen sollte. Zum anderen zeigt das Fallbeispiel des anglo-schottischen Krieges eine Erweiterung der Erwählungsidee, die nun nicht mehr nur zur Absicherung innerer Innovationsprozesse herangezogen wurde, sondern in dieser Situation ebenso einen genuin außenpolitischen Prozess begleiten, legitimieren und absichern helfen sollte.

D. ‚Probleme in Kanaan‘: Irland und der Nine Years’ War (1594 – 1603)

1. D ER IRISCHE K ONTEXT IN DER DES 16. J AHRHUNDERTS

ZWEITEN

H ÄLFTE

Im Rahmen der konfessionellen Auseinandersetzungen der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich auch der irische Schauplatz in zunehmendem Maße zu einem sicherheitspolitischen Problemfeld.1 Im Besonderen war es der Konflikt zwischen England und Spanien, der als übergeordneter Bezugsrahmen die Bedeutung Irlands im Kontext der europäischen Konflikte veränderte und letztlich auch die englische Wahrnehmung der Nachbarinsel beeinflusste.2 Entscheidend ist vor diesem Hintergrund die wechselseitige Beeinflussung der europäischen Dimension auf der

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Vgl. MORGAN, British Policies, S. 66f, 80-87; zur Einführung in die konfessionellen Konflikte der Zeit u.a. Luise SCHORN-SCHÜTTE, Konfessionskriege und europäische Expansion. Europa 1500-1648, München 2010, hier bes. S. 93-132; Heinz SCHILLING, Konfessionalisierung und Staatsinteressen. Internationale Beziehungen 1559-1660 [Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, Bd. 2], Paderborn u.a. 2007, bes. S. 424-447, 462-476; Harm KLUETING, Das Konfessionelle Zeitalter. Europa zwischen Mittelalter und Moderne, Darmstadt 2007, S. 339-341; Günter VOGLER, Europas Aufbruch in die Neuzeit 1500-1650 [Handbuch der Geschichte Europas, Bd. 5], Stuttgart 2003, S. 58-62; Heinrich LUTZ / Alfred KOHLER, Reformation und Gegenreformation [Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd. 10], 5., durchges. und erg. Aufl., München 2002, hier Kap. C, S. 62-86. Siehe zum Konflikt u.a. Richard B. WERNHAM, After the Armada. Elizabethan England and the struggle for Western Europe, 1588-1595, Oxford 1984; DERS., The Return of the Armadas. The Later Years of the Elizabethan War against Spain, 1595-1603, Oxford 1994; Wallace T. MACCAFFREY, Elizabeth I. War and politics 1588-1603, Princeton 1992; Paul E. J. HAMMER, The catholic threat and the military response, in: Susan Doran / Norman L. Jones (Hgg.), The Elizabethan World, London u.a. 2011, S. 629-645; DERS., Elizabeth’s Wars. War, Government and Society in Tudor England, 1544-1604, Houndmills u.a. 2003; Geoffrey PARKER, The Grand Strategy of Philip II, New Haven 1998; Henry KAMEN, Philip of Spain, New Haven/London 1997, S. 242-316; zuletzt John GUY, Elizabeth. The Forgotten Years, New York 2016, hier S. 304-313, 347-350, 372f, 376f, 383f.

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einen und der konkreten irischen Situation auf der anderen Seite. 3 So stellte das größtenteils katholische Irland nach der Protestantisierung Schottlands die letzte Exklave des alten Glaubens im nordwestlichen Europa dar und bildete damit den einzig verbleibenden direkten Zugriffspunkt katholischer Mächte auf die britischen Inseln. Eine militärische Intervention in Irland bzw. Unterstützungsmaßnahmen in Form von Waffen oder Geld konnten auf diesem Wege also englische Ressourcen binden und die Tudor-Dynastie dadurch von anderweitigen Engagements abhalten.4 Die konfessionelle Disparität zwischen England und Irland bot gleichsam oppositionellen irischen Akteuren neue Anknüpfungspunkte, über die ein Widerstand gegen die englische Herrschaft mit den übergeordneten Konfliktlagen des europäischen Mächtesystems verbunden werden konnte. Irischen Aufständischen erschlossen sich dadurch idealiter neue Handlungsmöglichkeiten und Spielräume, die in den Auseinandersetzungen mit der englischen Krone entweder als Druckmittel oder als ganz konkretes Bündnis mit entsprechenden Hilfeleisten fruchtbar gemacht werden konnten. Die stärkere Annäherung an kontinentaleuropäische Mächte über ein entsprechendes, konfessionell grundiertes ‚Self-Fashioning‘ (Greenblatt) entwickelte sich vor allem seit den Umwälzungsprozessen der Scheidungsaffäre zu einer lohnenden Option für in Irland lebende und aktive Gegner der Tudormonarchie. 5 Wie Hiram Morgan angesichts dieses henrizianischen Erbes vollkommen richtig konstatierte, musste es den englischen Regierungen von Heinrich VIII. bis zu Elisabeth I. in dieser Hinsicht vor allem darum gehen, fremde Mächte aus dem „Hinterhof“ Englands herauszuhalten.6 3

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Vgl. zu dieser wechselseitigen Beeinflussung der unterschiedlichen Ebenen die Bemerkungen bei Eckart CONZE, Jenseits von Männern und Mächten. Geschichte der internationalen Politik als Systemgeschichte, in: Hans-Christof Kraus / Thomas Nicklas (Hgg.), Geschichte der Politik. Alte und Neue Wege [HZ Beihefte, N. F. Bd. 44], München 2007, S. 41-64, hier S. 43. Hiram Morgan verglich das Engagement Spaniens in Irland mit dem englischen Engagement in den Niederlanden, wo es auch primär darum gegangen sei, Ressourcen des Gegners zu binden. Siehe Hiram MORGAN, Hugh O’Neill and the Nine Years War in Tudor Ireland, in: HJ 36 (1993), S. 21-37. Siehe dazu etwa Declan M. DOWNEY, Irish-European integration: The legacy of Charles V, in: Judith Devlin / B. Howard (Hgg.), European encounters. Essays in memory of Albert Lovett, Dublin 2003, S. 97-117; zu den frühen Bündnisgesuchen auch Enrique GARCÍA HERNÁN, Ireland and Spain in the Reign of Philip II, Dublin 2009, S. 11-14; David POTTER, French Intrigue in Ireland during the Reign of Henri II, 1547-1559, in: International History Review 5 (1983), S. 159-180; Mary Ann LYONS, Franco-Irish relations, 15001610. Politics, migration, and trade, Woodbridge 2003. Vgl. dazu grundlegend MORGAN, British Policies, S. 66f; zu Irlands strategischer Funktion und den daraus resultierenden Problemen für die Tudormonarchie auch William PALMER, The Problem of Ireland in Tudor Foreign Policy, 1485-1603, Woodbridge 1994. Zeitgenössisch hat sich die strategische Position Irlands in einem geflügelten Wort niedergeschlagen, das lautete: „He that England will win, through Ireland he must come in.“ Siehe dazu Robert CHARNOCK, An ansvvere made by one of our brethren, a secular priest, now in prison, to a fraudulent letter of M. George Blackwels, written to Cardinall Caietane […], London 1602 (STC2 19830/Henry E. Huntington Library), fol. Air; Fynes MORYSON, An

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Der so genannte Neunjährige Krieg (Nine Years’ War), der in den Jahren von 1594 bis 1603 zwischen der englischen Krone und irischen ‚Häuptlingen‘ ausgetragen wurde, stellte den bis dato mit Abstand bedrohlichsten Konflikt im englischen Herrschaftsbereich dar.7 Die Auseinandersetzung war deshalb so gefährlich, weil in diesem Zuge nicht nur versucht wurde, innere Konfliktfelder zu bündeln und sie gegen die englische Vorherrschaft in Irland zu richten, sondern die Aufständischen unternahmen zugleich den Versuch, durch eine entsprechende Stilisierung an den übergeordneten konfessionellen Konflikten zu partizipieren.8 Mehr als alle vorangegangenen Erhebungen in Irland zeichnet sich der Neunjährige Krieg durch seinen Status als eine Art Syndrom aus, in dem sich politisch-kulturelle Probleme mit der gesellschaftlich mobilisierenden und konfliktintensivierenden Kraft konfessioneller Deutungs- und Wahrnehmungsmuster verbanden. Vor diesem Hintergrund gesehen, eignet sich der Neunjährige Krieg in methodischer Hinsicht besonders gut als Fallbeispiel, um darüber die Reaktionen auf diese eminente Bedrohungs- und Unsicherheitslage zu studieren, die in ideologischer Hinsicht über die Aktualisierung des englischen Erwählungsdenkens erfolgten. 9 Der Konflikt fungiert also als eine Art Brennglas, über das die spezifischen ideengeschichtlichen Mechanismen sichtbar gemacht werden können. Diese beliefen sich in erster Linie darauf, aktuelle Entwicklungen und Probleme mit tradierten Wahrnehmungsmustern und Diskursen in einer speziell an die irischen Verhältnisse angepassten Ausformung der Erwählungsidee zu verbinden. Die Vorstellung einer göttlichen Erwählung manifestierte sich in diesem Zusammenhang in der Imagination Irlands als neuzeitliches Land Kanaan, das Gott seinem erwählten Volk zu Beginn des Exodus verheißen hatte. Damit fügten sich die Propagandisten dieser Idee in eine Traditionslinie ein, die unter Eduard VI. konstruiert worden war und nun in der Herrschaftszeit Elisabeths I. einen Höhepunkt erreichte. Während das englische Gemeinwesen unter Eduard noch in der Wüste firmierte, war es unter der elisabethanischen Regierung im Gelobten Land angekommen. Freilich zeigt sich alsbald, dass das Land, in dem Milch und Honig fließen, seine Reichtümer nicht ohne weiteres

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itinerary, containing his ten Yeeres Travell through the Twelve Dominions of Germany, Bohmerland, Sweitzerland, Netherland, Denmarke, Poland, Italy, France, England, Scotland & Ireland, 4 Bde., Glasgow 1907-1908, hier Bd. 2, S. 170. Die einzige neuere Gesamtdarstellung des Konflikts ist Hiram MORGAN, Tyrone’s Rebellion. The Outbreak of the Nine Years’ War in Tudor Ireland, Woodbridge 1993, hier Paperback Ed., Woodbridge 1999; siehe aber auch John MCGURK, The Elizabethan conquest of Ireland. The 1590s crisis, Manchester/New York 1997; GARCÍA HERNÁN, Ireland and Spain, S. 190-228; Gerald A. HAYES-MCCOY, The Completion of the Tudor Conquest and the Advance of the Counter-Reformation, 1571-1603, in: A New History of Ireland, hrsg. von Theodore W. Moody / Francis X. Martin und Francis F. Byrne, Bd. 3: Early Modern Ireland 1534-1691, unver. Neuausgabe Oxford 2003, S. 94-141, hier bes. S. 115-141. Diese Konstruktionen werden in Kap. 3 eingehend behandelt. Im Sinne der Neueren Ideengeschichte soll der Neunjährige Krieg hier also als Rahmen dienen, über den die Bedingungen der Aktualisierung der Erwählungsidee methodisch kontrolliert und historisch geerdet werden können. Siehe dazu STOLLBERG-RILINGER, Einleitung, S. 38; RAPHAEL, Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft, S. 12; LUHMANN, Ideengeschichte.

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preisgeben würde. Im Gegenteil kommen nun die Konditionen des Bundes mit Gott zum Tragen, die von den neuzeitlichen Israeliten ein Leben nach den strengen Vorgaben der göttlichen Gebote verlangen. Diese Auflagen richten sich vor allem gegen die Reste einer ägyptischen Tradition, die vollkommen negiert und ausgemerzt werden muss, bevor sich die Verheißungen Kanaans erfüllen. 10 Es soll nachfolgend aufgezeigt werden, dass die Rahmung der irischen Situation im Sinne der Kanaan-Analogie den Versuch einer radikalen Intervention in die englische Irlandpolitik darstellte. Das grundlegende Problem bestand hier in einer Wahrnehmung, die den Angelegenheiten der britischen Nachbarinsel nur in Ausnahmefällen eine verstärkte Aufmerksamkeit zuteil werden ließ. Grosso modo zeichnete sich die Politik der elisabethanischen Regierung gegenüber Irland bis zum Neunjährigen Krieg durch einen eher konservativen, teilweise behäbigen und weitgehend passiven Zug aus. Es galt in diesem Bereich lange Zeit die Prämisse, dass etwaige Reformen und Sicherungsmaßnahmen zu keiner finanziellen Mehrbelastung der königlichen Schatzkammer führen durften.11 Um hier einen prinzipiellen Wandel herbeizuführen, versuchten Angehörige der englischen Administration sowie englisch-protestantische Siedler in Irland über die Konstruktion einer Kanaan-Vorstellung an in England zirkulierende Diskurse anzuknüpfen und diese auf den irischen Schauplatz zu applizieren. Das primäre Ziel bestand darin, die bestehende Perzeption Irlands, und damit auch die politischen Leitlinien, die daraus hinsichtlich der Formulierung einer englischen Irlandpolitik gewonnen wurden, von Grund auf zu verändern. Die Imagination Irlands als Kanaan schuf in diesem Zusammenhang einen eigenen Wahrnehmungshorizont, über den die irischen Belange in die Konstruktionen einer englischen Erwählungsvorstellung integriert und dadurch spezifische Reformen, zumeist im Sinne radikaler Innovationen, als notwendige politische Schritte eingefordert werden konnten. Die Aktualisierung der Erwählungsidee im Sinne Kanaans kreierte hier einen Handlungsrahmen, der einem radikalen und innovativen Vorhaben Sinn verleihen und den angestrebten Prozess dadurch akzeptabel machen und legitimieren sollte. Dies war letztlich die Art und Weise, wie Exponenten einer englisch-protestantischen Siedlerschaft in Irland auf die konkrete Bedrohungs- und Unsicherheitslage reagierten, wie sie diese interpretierten und letztlich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Weltanschauung bearbeiteten. Mit dieser Perspektive folgt der Abschnitt einer historiographischen Ausrichtung, die erst seit wenigen Jahren stärkere Beachtung gefunden hat. Es handelt sich hierbei um die Frage nach der Rolle religiöser Deutungs- und Wahrnehmungsmuster im Hinblick auf die irische Geschichte des 16. Jahrhunderts. Gerade für die Entwicklungen in der zweiten Hälfte des Säkulums, und insbesondere für die Zeit ab ca. 1570, ging die Forschung lange Zeit von einer Art ‚Kolonialisierungsparadigma‘ bzw. einem ‚atlantischen Paradigma‘ aus, durch das Irland sozusagen als ‚erste Kolonie‘ 10 11

Dieser Aspekt wird in den Kap. 4 und 4.1 näher erläutert. Vgl. zur Beurteilung der Politik der elisabethanischen Regierung hinsichtlich Irlands inter alia Hiram MORGAN, ‚Never Any Realm Worse Governed‘: Queen Elizabeth and Ireland, in: TRHS 6th Ser., 14 (2004), S. 295-308; MACCAFFREY, Elizabeth I, S. 329-348; David EDWARDS, Ireland. Security and conquest, in: Doran / Jones (Hgg.), The Elizabethan World, S. 182-200; Penry WILLIAMS, The Later Tudors. England 1547-1603, Oxford 1995, S. 265-270, 291-299.

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Englands gewertet wurde.12 Das Problem bei dieser Perspektive bestand vornehmlich darin, dass die irischen Verhältnisse dadurch zunehmend in einer einseitigen ‚atlantischen Perspektive‘ betrachtet wurden, welche die dortigen Entwicklungen auf der Folie der nachfolgenden Kolonialisierung der Neuen Welt betrachtete.13 Nach dieser Auffassung hätten sich die Strategien, Denk- und Wahrnehmungsmuster zu einer erneuten Eroberung Irlands in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor allem aus humanistischen und säkularen Diskursen ergeben. Eine eventuelle Rückbindung an die konfessionellen Debatten und Konflikte der Zeit wurde in diesem Zusammenhang abgelehnt oder schlicht ignoriert.14 Nach Meinung Hiram Morgans drohe Irland

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Unangefochtener Wortführer dieses Ansatzes ist Nicholas Canny, der zahlreiche Publikationen zu diesem Themenfeld veröffentlicht hat. Vgl. inter alia Nicholas CANNY, The Ideology of English Colonization: From Ireland to America, in: William and Mary Quarterly, 3rd Ser., 30 (1973), S. 575-598; DERS., The Elizabethan Conquest of Ireland: A Pattern Established, Hassocks 1976; DERS., From Reform to Restoration: Ireland 15341660, Dublin 1987; DERS. / Anthony PAGDEN (Hgg.), Colonial identity in the Atlantic world, 1500-1800, Princeton 1987; DERS. (Hg.), The Origins of Empire. British Overseas Enterprise to the Close of the Seventeenth Cetury [The Oxford History of the British Empire, Bd. I], Oxford 1998, hier Paperback Ed. Oxford 2001; DERS., Making Ireland British, 1580-1650, Oxford 2001, hier Paperback Ed. Oxford 2003; vor allem Literaturwissenschaftler übernahmen in der Folge die Perspektive des atlantischen Paradigmas gerne in eigene Arbeiten. Siehe zur Rezeption und Wirkung etwa Andrew MURPHY, Reviewing the Paradigm: A new look at early-modern Ireland, in: Éire-Ireland 31 (1996), S. 13-40; DERS., Revising criticism: Ireland and the British model, in: David J. Baker / Willy Maley (Hgg.), British Identities and English Literature, Cambridge 2002, S. 24-33; Andrew HADFIELD, Crossing the Borders: Ireland and the Irish between England and America, in: Ders., Shakespeare, Spenser and the Matter of Britain, Basingstoke u.a. 2004, S. 12-26. Die Arbeiten von Canny und anderen haben dabei ältere Ansätze von David Quinn aufgenommen und weiterentwickelt. Siehe etwa David Beers QUINN, The Elizabethans and the Irish, Ithaca 1966; DERS., „A discourse of Ireland“ (circa 1599): a sidelight on English colonial policy, in: Proceedings of the Royal Irish Academy, Section C, 47 (1942), S. 151-166; DERS., Sir Thomas Smith (1513-1577) and the Beginnings of English Colonial Theory, in: Proceedings of the American Philosophical Society 89 (1945), S. 543-560; DERS., Ireland and sixteenth-century European expansion, in: T. Desmond Williams (Hg.), Historical Studies, Bd. 1, London 1958, S. 20-32; ferner der Beitrag von Howard Mumford JONES, Origins of the Colonial Idea in England, in: Proceedings of the American Philosophical Society 85 (1942), S. 448-465. Siehe etwa Nicholas CANNY, Revising the Revisionist. Rezension zu: Ciaran Brady, The Chief Governors: The Rise and Fall of Reform Government in Tudor Ireland, 1536-1588, in: IHS 30 (1996), S. 242-254, hier S. 253f, wo er Brady die vollkommene Abstinenz religiöser Diskussionen vorwirft. Canny selbst hat in seinen neueren Studien die religiöse Komponente stärker berücksichtigt und dies als wesentlichen Fehler seiner älteren Arbeiten eingestanden. Siehe das von Hiram MORGAN geführte Interview mit Canny, abgedruckt in: History Ireland 6/1 (1998), S. 52-55, hier S. 53f; CANNY, Making Ireland British, Kap. 1, S. 1-58; weitere Beispiele für die vollständige Ausblendung religiöser Motive sind Debora SHUGER, Irishmen, Aristocrats, and Other White Barbarians, in: Re-

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durch diese Sichtweise schrittweise „in den Tiefen des Atlantiks“ zu verschwinden und zu einem bloßen Trittstein auf dem Weg nach Amerika zu verkommen. Der Gefahr einer fatalen Rückprojektion späterer Entwicklungen stellt Morgan daher den wesentlich wichtigeren Kritikpunkt gegenüber, dass Irland im Rahmen dieser Sichtweise seiner genuin europäischen Merkmale verlustig ginge. 15 Demgegenüber hat zuerst Brendan Bradshaw in einer stupenden Studie von 1979 die Konturen einer genuin europäischen Perspektive auf die irischen Verhältnisse vorgezeichnet, indem er die Verwurzelung der diversen Reformbestrebungen und konzepte vor allem der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einer europäischen Geistesgeschichte herausarbeitete.16 Seiner Ansicht nach habe sich durch die Rezeption eines christlichen Humanismus’ in den Reihen jener Gruppe, die verschiedentlich als Palesmen, Anglo-Iren und im späteren 16. Jahrhundert als Old English firmierte17, eine spezifische Form eines Commonwealth-Gedankens herausgebildet, welcher einen ganzheitlichen Reformansatz für die Probleme in Irland verlangt hätte. Im Gegensatz zu älteren Reformkonzepten, die vornehmlich das englisch dominierte Pale18

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naissance Quarterly 50 (1997), S. 494-525 und zuletzt John Patrick MONTAÑO, The Roots of English Colonialism in Ireland, Cambridge 2011. Siehe die Kritik in Hiram MORGAN, Mid-Atlantic Blues, in: Irish Review 11 (1991/92), S. 50-55, Zitat S. 50. Brendan BRADSHAW, The Irish constitutional revolution of the sixteenth century, Cambridge 1979; cf. Steven G. ELLIS, Tudor state formation and the shaping of the British Isles, in: Ders. / Sarah Barber (Hgg.), Conquest and Union. Fashioning a British State 1485-1725, London/New York 1995, S. 40-63, hier S. 56. Diese Gruppe sah sich als Nachfahren der im Mittelalter eingewanderten normannischen Siedler und leitete nicht zuletzt aus diesem Umstand ihren Anspruch zur Repräsentation der englischen Interessen in Irland ab. Siehe dazu BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 231-238; ferner Nicholas CANNY, The formation of the Old English elite in Ireland, Dublin 1975; DERS., Identity Formation in Ireland: The Emergence of the AngloIrish, in: Ders. / Pagden (Hgg.), Colonial Identity, S. 159-212; Colm LENNON, Richard Stanihurst (1547-1618) and Old English Identity, in: IHS 21 (1978), S. 121-143; Ute LOTZ-HEUMANN, Aus ›Anglo-Iren‹ werden ›Altengländer‹: Die Hinwendung des angloirischen Stadtbürgertums zum Katholizismus als Wechselwirkungsprozess von Repräsentation und Praktiken, in: Vera Isaiasz et al. (Hgg.), Stadt und Religion in der frühen Neuzeit. Soziale Ordnungen und ihre Repräsentationen [Eigene und fremde Welten, Bd. 4], Frankfurt a. M./New York 2007, S. 275-305; für einen späteren Zeitraum auch Aidan CLARKE, The old English in Ireland, 1625-42, Ithaca 1966. Das sog. Pale stellte den kolonialen Kern der englischen Besiedlung Irlands dar. Das Pale erstreckte sich über den östlichen und südlichen Teil des Landes, umfasste die Grafschaften Louth, Meath, Kildare sowie Dublin als administratives Zentrum, und damit den Großteil des fruchtbarsten Landes der Insel. Zugleich galt es als Hort der Zivilisation, während das restliche Irland als eher unzivilisiert bis barbarisch wahrgenommen wurde. Siehe Colm LENNON, Sixteenth-century Ireland. The incomplete conquest, Dublin 1994, S. 11f; Steven G. ELLIS, Ireland in the Age of the Tudors 1447-1603. English Expansion and the End of Gaelic Rule, London/New York 1998, S. 31-40 & 70-75; DERS., The Pale and the Far North. Government and society in two early Tudor borderlands, Galway 1988, S. 4f; DERS., The English Pale: A ‚failed entity‘?, in: History Ireland 19/2 (2011),

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im Auge gehabt hätten, habe man nun eine graduelle Angleichung der gesamten Insel an das englische System angestrebt. Dahinter stand der Leitgedanke, dass der zunächst konstitutionellen und juristischen Anpassung schließlich die kulturelle Assimilation der Nachbarinsel folgen würde. Die Erhebung Irlands zum Königreich 1541 sei nach Bradshaw das manifeste Resultat dieses „ideologischen Umschwungs“ gewesen.19 Bradshaw lieferte damit die Grundlage, um einen Gegenentwurf zur atlantischen Blickrichtung zu profilieren. Die Historiographie zum frühneuzeitlichen Irland ist seitdem zwischen zwei Konzeptualisierungen der Insel gespalten, die mit den Begriffen Königreich und Kolonie beschrieben werden können.20 Allerdings tendierte die Forschung trotz dieser Erkenntnisse mehrheitlich weiterhin dazu, für die Zeit ab ca. 1570 einer kolonialen Perspektive auf die irischen Verhältnisse zu folgen. Erst Hiram Morgan hat aufbauend auf Arbeiten von Bradshaw und anderen den Blick der historischen Forschung auf jene genuin ‚europäischen Probleme‘ gelenkt, die weniger Ausfluss kolonialer Politik als vielmehr strukturelle Phänomene von ‚Composite Monarchies‘ im Allgemeinen und von ‚Multiple Kingdoms‘ im Speziellen waren.21 Durch diese ‚Reintegration‘ Irlands in den europäischen Kontext sollte eine Neubewertung der kolonialen Politik erfolgen, in deren Zuge auch dem Thema der Religion wieder verstärkt Aufmerksamkeit von Seiten der Forschung gewidmet werden musste. Obwohl bereits John Elliott in seiner programmatischen Studie zu den Kompositmonarchien der Frühen Neuzeit die religiöse Divergenz zwischen den einzelnen Teilen als potentiell gefährlichste Bedrohung für die Stabilität zusammengesetzter

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S. 14-17; David B. QUINN / Kenneth W. NICHOLLS, Ireland in 1534, in: Moody et al. (Hgg.), A New History of Ireland, Bd. 3, S. 1-38. Zum gesamten Absatz siehe die Diskussion bei BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 49-57. Vgl. u.a. die Überblicke bei Karl S. BOTTIGHEIMER, Kingdom and colony: Ireland in the Westward Enterprise, 1536-1660, in: Kenneth R. Andrews / Nicholas P. Canny / Paul E. H. Hair (Hgg.), The Westward Enterprise. English activities in Ireland, the Atlantic, and America 1480-1650, Liverpool 1978, S. 45-64 sowie Nicholas CANNY, Kingdom and Colony. Ireland in the Atlantic world 1560-1800, Baltimore 1988; Jane H. OHLMEYER (Hg.), Political thought in seventeenth-century Ireland. Kingdom or colony, Cambridge 2000; jüngst die Rezension von Edward CAVANAGH, Kingdom or Colony? English or British? Early modern Ireland and the colonialism question, in: Journal of Colonialism and Colonial History 14,2 (2013), URL: [20.03. 2017]. Diese Zeitschrift erscheint ausschließlich online. Siehe MORGAN, Mid-Atlantic Blues, S. 50f und passim; zum Phänomen der composite monarchies nach wie vor John ELLIOTT, A Europe of composite monarchies, in: P & P 137 (1992), S. 48-71; Conrad RUSSELL, Composite monarchies in early modern Europe. The British and Irish example, in: Alexander Grant / Keith J. Stringer (Hgg.), Uniting the Kingdom? The Making of British History, London/New York 1995, S. 133-146; Michael PERCEVAL-MAXWELL, Ireland and the Monarchy in the Early Stuart Multiple Kingdom, in: HJ 34 (1991), S. 279-295.

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Monarchien identifiziert hatte, fehlte es im Rahmen des irischen Kolonialisierungsparadigmas lange an einer entsprechenden Aufarbeitung der Thematik. 22 Mit der Marginalisierung religiöser Deutungs- und Wahrnehmungsmuster einher ging lange die Ansicht, dass es den englisch-protestantischen Siedlern in Irland an einer geteilten, ideologischen Wahrnehmung und Sinnstiftung gefehlt hätte.23 Entgegen dieser Ansicht soll nachfolgend der Nachweis geführt werden, dass mit der Vorstellung Irlands als neuem Kanaan ein Sinnhorizont geschaffen worden war, der eine konkurrierende Wahrnehmung zur bestehenden Perzeption der Insel bilden sollte. Vor allem die englisch-protestantischen Siedler sowie Angehörige der Administration, des Klerus und des Militärs bedienten sich dieser Form der Wahrnehmung und Deutung, um sowohl auf die bestehenden Gefahren als auch auf die potentiellen Möglichkeiten hinsichtlich der irischen Verhältnisse aufmerksam zu machen. Dabei versuchten die Propagandisten dieses Wahrnehmungsmusters eindeutig an Konstruktionen eines Erwählungsdenkens anzuschließen, wie sie in England selbst zirkulierten. Aufgrund der konkreten Bedingungen in Irland führte die Übertragung und Aktualisierung dieser Vorstellung freilich zu einer Radikalisierung des Gedankengutes, gerade weil sich hier im Verlauf der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zunehmend kulturelle, politische, ökonomische und gesellschaftliche Konflikte durch die Inkorporation konfessioneller Differenzen intensivierten. Die Kanaan-Analogie bildete vor diesem Hintergrund die ideologische Reaktion auf diese Prozesse. Ihre wesentlichen Inhalte und Ziele beliefen sich auf ein radikales Vorgehen gegen die autochthone Bevölkerung, eine Zurückdrängung des alt-englischen Einflusses sowie der Forderung nach einem stärkeren Engagement der Krone in Irland, welches im Vorstellungshorizont der Kanaan-Analogie neuerlich erobert und in der Folge kolonialisiert werden müsse. Diese Imagination stellte den ideologischen Rahmen für den Appell zu einer durch die englische Regierung gestützten Kolonialisierung des Landes dar. Die Probleme, die das Multiple Kingdom erzeugte, sollten mit anderen Worten also durch eine Form der Kolonialisierungspolitik bekämpft werden. Der Nine Years’ War schuf in diesem Rahmen die Bedingungen, damit die bereits formulierten Szenarien der 22

23

Vgl. ELLIOTT, Composite Monarchies, S. 58f; dies obwohl es schon früh Kritik an einer Ausblendung der religiösen Dimension gegeben hatte. Siehe dazu etwa die Rezension von Brendan Bradshaw zum Buch von Nicholas Canny: Brendan BRADSHAW, The Elizabethans and the Irish. Rezension zu: Nicholas Canny, The Elizabethan Conquest of Ireland: A Pattern Established, 1565-1576, in: Irish Quarterly Review 66 (1977), S. 38-50, hier bes. S. 47-49; ähnliche Kritik äußerte auch Helga ROBINSON-HAMMERSTEIN, Rezension zu: Nicholas Canny, The Elizabethan Conquest of Ireland: A Pattern Established, 1565-1576, in: IHS 21 (1978), S. 106-111. Sehr prominent wurde dies in mehreren Beiträgen von Ciaran Brady vertreten, der sich in diesem Zusammenhang kritisch zu den Arbeiten von Nicholas Canny geäußert hat. Siehe dazu Ciaran BRADY, Spenser’s Irish Crisis: Humanism and Experience in the 1590s, in: P & P 111 (1986), S. 17-49 sowie Nicholas CANNY, Debate: Spenser’s Irish Crisis: Humanism and Experience in the 1590s, in: P & P 120 (1988), S. 201-209 und Ciaran BRADY, Debate: Spenser’s Irish Crisis: Humanism and Experience in the 1590s: Reply, in: Ibid., S. 210-215; DERS., New English ideology in Ireland and the two Sir William Herberts, in: A. E. Piesse (Hg.), Sixteenth-century identities, Manchester/New York 2000, S. 75111.

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Siedler auf mehr Akzeptanz stoßen und sich hierdurch eine radikale koloniale Politik als Leitidee der englischen Politik festsetzen konnte. Die Grundlage dieser Entwicklungen bildete jedoch jene Erwählungsvorstellung, die von den Engländern eine besondere Form der Frömmigkeit und des Einsatzes für den Glauben verlangte.

2. ‚G OD IS E NGLISH ‘: ENGLISCHE B UNDESVORSTELLUNGEN UNTER E LISABETH I. ALS G RUNDLAGE DER IRISCHEN E NTWICKLUNGEN Die Forschungsdebatten, -diskussionen und Darstellungen zur Vorstellung göttlicher Erwählung unter Elisabeth I. sind äußerst umfangreich, vielfach kontrovers und für einen einzelnen Forscher kaum noch zu überblicken. Eine Rekapitulation dieser Debatten kann daher nicht das Ziel dieses Abschnitts sein. Vielmehr soll der Versuch unternommen werden, die Grundlage zu konturieren, auf der die Konstruktionen im irischen Kontext aufbauten. Der Zugang zu den im elisabethanischen England virulenten Vorstellungen göttlicher Erwählung erfolgt hier deshalb im Hinblick auf die für die irische Peripherie wichtigen Entwicklungen und Auffassungen. Prägend für die irischen Vorstellungen waren zwei Interpretationsansätze der englischen Erwählung, die sich unter den konkreten Bedingungen und Verhältnissen Irlands schließlich zur Imagination des Landes als zweitem Kanaan zusammenfanden. Beide Ansätze können als Erbe der eduardianischen Entwicklungen betrachtet werden. Einer genuin puritanischen und presbyterianischen Bundesvorstellung, die vor allem die inneren Zustände des englischen Gemeinwesens als reformbedürftig auswies und sich derart eher kritisch mit dem eigenen Land befasste, stand demnach eine zweite Interpretation beiseite, die England in einer eindeutig positiv-affirmierenden Weise ansprach und es als europäischen Vorkämpfer gegen die antichristlichen Machenschaften katholischer Mächte sah. Beide Ausprägungen thematisierten mit der inneren und äußeren Lage verschiedene Ebenen und unterschieden sich daher in der Repräsentation des Verhältnisses Englands zu Gott. Freilich bedeutet dies nicht, dass die beiden Ebenen vollkommen unabhängig voneinander existierten. Im Gegenteil kann konstatiert werden, dass es hier eine wechselseitige Beeinflussung innerer und äußerer Entwicklungen gegeben hat, wobei die Vorgänge in einem Bereich jeweils als Folie und argumentative Grundlage für den anderen genutzt wurden. Die nach außen gerichteten Konstruktionen einer englischen Erwählung wurden maßgeblich durch den Konflikt mit Spanien als außenpolitischem Leitfaktor der Zeit bestimmt. Dieser Konflikt hatte nicht nur zu einem militärischen Engagement der Engländer in den Niederlanden und Frankreich geführt, sondern wurde seit 1585 als offener Krieg ausgetragen.24 Gefördert durch die Exkommunikation der englischen Königin, stimulierte der Krieg zugleich die Aktivitäten exilierter, katholischer Engländer auf dem Kontinent, gegen das Unrechtsregime Elisabeths anzuschreiben und

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Vgl. zum Konflikt die Angaben in Anm. 2; zu den militärischen Einsätzen siehe auch David J. B. TRIM, Fighting ‚Jacob’s Wars‘. The employment of English and Welsh mercenaries in the European Wars of Religion: France and the Netherlands, 1562-1610, unveröffentlichte PhD-Thesis, London 2002, S. 161-198.

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ihre Absetzung zu fordern.25 Sieht man einmal von den eher randständigen skandinavischen Königreichen ab, war England in dieser Phase neben den Niederlanden sowie einigen Reichsterritorien eines der letzten großen europäischen Gemeinwesen, wo der Protestantismus noch den Rückhalt der Obrigkeit genoss. Umso mehr fokussierten sich die Bestrebungen des Papsttums und Spaniens darauf, England wieder in den Schoß der Kirche zurückzuführen. Diese Ambitionen wurden verstärkt seit den frühen 1580er Jahren durch jesuitische Missionierungsversuche ergänzt, die in England indes eher als Ausbreitung ‚katholischer Agenten‘ im Inneren des Landes wahrgenommen wurden.26 Vor dem Hintergrund der außenpolitischen Situation konnte dies zum Eindruck führen, dass man von nahezu allen Seiten einer katholischen Übermacht ausgeliefert sei. Die hieraus resultierende Grundstimmung einer akuten Unsicherheitslage der Zeitgenossen hat Carol Wiener sehr treffend im Begriff der „Beleaguered Isle“ zusammengefasst.27 Im außenpolitischen Bereich lieferten die Auseinandersetzung mit Spanien im Generellen sowie die militärischen Gefechte im Besonderen einen Anlass, um die Grundstimmung einer Beleaguered Isle in ein positives Self-Fashioning umzumünzen. Von entscheidender Bedeutung gestaltete sich in diesem Rahmen der Sieg gegen die spanische Armada, der von englischer Seite mehrheitlich einem Eingriff Gottes zugeschrieben und als Bestätigung angesehen wurde, dass die eigene Form des Protestantismus als einzig wahrhaftige gelten durfte. 28 So konnte durch die Verquickung 25

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Vgl. Peter HOLMES, Resistance & Compromise. The Political Thought of the Elizabethan Catholics, Cambridge 1982, hier Reprint Cambridge 2009, Kap. 2 & 3; Victor HOULISTON, Catholic resistance in Elizabethan England. Robert Persons’s Jesuit polemic, 1580-1610, Aldershot 2007; Thomas H. CLANCY, Papist Pamphleteers. The AllenPersons Party and the Political Thought of the Counter-Reformation in England, 15721615, Chicago 1964; Malcolm H. SOUTH, The Jesuits and the joint mission to England during 1580-1581, Lewiston 1999; Mark NETZLOFF, The English Colleges and the English Nation: Allen, Persons, Verstegan, and Diasporic Nationalism, in: Ronald Corthell et al. (Hgg.), Catholic culture in early modern England, Notre Dame u.a. 2007, S. 236-260; Eamon DUFFY, William, Cardinal Allen, 1532-1594, in: Recusant History 22 (1995), S. 265-290; Michael E. WILLIAMS, William Allen: the sixteenth-century Spanish connection, in: Recusant History 22 (1994), S. 123-140. Siehe zu den Aktivitäten der Jesuiten u.a. Thomas M. MCCOOG, The Society of Jesus in Ireland, Scotland, and England, 1589-1597. Building the Faith of Saint Peter upon the King of Spain’s Monarchy, Farnham u.a. 2012; DERS., The Society of Jesus in Ireland, Scotland, and England 1541-1588. ‚Our Way of Proceeding?‘, Leiden 1996; Michael L. CARRAFIELLO, English Catholicism and the Jesuit Mission of 1580-1581, in: HJ 37 (1994), S. 761-774. WIENER, Beleaguered Isle; siehe auch MALTBY, The Black Legend in England; LAKE, Anti-popery, S. 79f. Vgl. Bertrand T. WHITEHEAD, Brags & Boasts. Propaganda in the Year of the Armada, Stroud u.a. 1994, S. 181-199; James MCDERMOTT, England and the Spanish Armada. The necessary quarrel, New Haven/London 2005; Richard BAUCKHAM, Tudor Apocalypse, Oxford 1978, S. 173-180; David CRESSY, Bonfires and Bells. National Memory and the Protestant Calendar in Elizabethan and Stuart England, London 1989, S. 113-123; Martina MITTAG, Nationale Identitätsbestrebungen und antispanische Polemik im engli-

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von providentialistischen und apokalyptischen Mustern mit patriotischen und antikatholischen Elementen eine chauvinistische Vorstellung Englands als einer oder gar der elect nation Gestalt annehmen.29 Diese Lesart invertierte also das Bedrohungsszenario dahingehend, dass es nun als Ausweis einer besonderen Rolle des eigenen Gemeinwesens im Heilsplan Gottes gewertet wurde. „God with the wynges of his marcye […] hathe and dothe noryshe and defend us, as instrumentes of his truth“, schrieb ein Begleiter Francis Drakes 1587 dazu.30 Die Erwählung Englands leitete sich in diesem Fall von seinem Kampf gegen die Feinde Gottes ab, zu denen vor allem Spanien erklärt wurde.31 Dass England hier eine dezidiert heilsgeschichtliche Funktion zugeschrieben bekam, hat unterschiedliche Wissenschaftler zu sehr weitgehenden Schlüssen veranlasst. So hatte seinerzeit der Amerikaner William Haller die Entstehung dieses Gedankengutes primär dem Wirken von John Foxe unterstellt und dessen monumentale Heils- und Kirchengeschichte der Acts and Monuments32 gewissermaßen als Blau-

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schen Pamphlet, 1558-1630, Frankfurt a. M. u.a. 1993, S. 57-77; Heike SCHERNECK, Außenpolitik, Konfession und nationale Identitätsbildung in der Pamphletistik des elisabethanischen England, in: Helmut Berding (Hg.), Nationales Bewusstsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 2, Frankfurt a. M. 1994, S. 282-300, hier S. 292; instruktiv dazu der von William Cecil unter dem Pseudonym Richard Leigh publizierte Brief The copie of a letter sent out of England to Don Bernardin Mendoza ambassadour in France for the King of Spaine declaring the state of England, London 1588 (STC2 15412/Henry E. Huntington Library), bes. fols. Aiiir, Ciir, Eivv, Fir & Fiir. Dieser Text wurde noch 1588 ins Spanische und Französische übertragen und gedruckt. Zu den apokalyptischen und providentiellen Deutungs- und Wahrnehmungsmustern der Zeit siehe inter alia BAUCKHAM, Tudor Apocalypse; FIRTH, Apocalyptic Tradition; Paul K. CHRISTIANSON, Reformers and Babylon. English apocalyptic visions from the reformation to the eve of the civil war, Toronto u.a. 1978; Bernard CAPP, The political dimension of apocalyptic thought, in: C. A. Patrides / Joseph Wittreich (Hgg.), The Apocalypse in English Renaissance Thought and Literature. Patterns, antecedents and repercussions, Ithaca 1984, S. 93-124; DERS., Astrology and the popular press. English almanacs 15001800, London u.a. 1979, S. 131-179; WALSHAM, Providence; THOMAS, Religion and the Decline of Magic, S. 78-112; für Irland GILLESPIE, Devoted People, S. 40-62; zur visuellen Verarbeitung dieser Muster auch JONES, Print, S. 237-265. Robert LENG, The true Discripcion of the last voiage of that worthy Captayne, Sir Frauncis Drake, knight, with his service done against the Spanyardes [1587], in: The Camden Miscellany, Bd. 5, Westminster 1864, S. 1-23, hier S. 19. LENG, The true Discripcion, S. 15f, 22; siehe dazu auch Thomas ROGERS, An historical dialogue touching antichrist and poperie, London 1589 (STC2 21237/Bodleian Library), S. 80, 82-90; Anthony MARTEN, An exhortation, to stirre vp the mindes of all her Maiesties faithfull subiects, to defend their countrey in this dangerous time, from the inuasion of enemies, London 1588 (STC2 17489/Folger Shakespeare Library), u.a. fols. Aiiv, Biv, Cir, Diiiv, Eivr-v. Zur Lebzeit von John Foxe erschienen vier Ausgaben der Acts and Monuments, die jeweils überarbeitet und um neues Material erweitert wurden. Siehe John FOXE, Actes and monuments of these latter and perillous dayes touching matters of the Church, wherein ar

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pause dafür beschrieben.33 Vor allem die Rückbindung der nationalen Erwählungsvorstellung an die Person und das Werk von John Foxe löste eine massive Kritik an Hallers Thesen aus. Dem Autor wurde vorgeworfen, die Intentionen von Foxe missverstanden zu haben. Dessen Ziel sei es keineswegs gewesen, England als eine oder gar die erwählte Nation zu präsentieren. Im Gegenteil habe jener eine Kirchen- und Heilsgeschichte angestrebt, in der die kleine Gruppe der wahrhaft gläubigen Märtyrer vor dem Hintergrund einer universalen Kirchenvorstellung präsentiert werden sollte.34 Obwohl die Kritik an Hallers Werk im Hinblick auf den damaligen Stand der Wissenschaft und den damit einhergehenden Frageperspektiven durchaus nachvollziehbar ist, hat die jüngere Forschung seine Arbeit zumindest teilweise rehabilitiert. Einige Forscher wie beispielsweise Glyn Parry vertreten die These, dass nicht die Intention des Autors maßgeblich war für die Ausbildung jener Vorstellung, sondern Art und Weise der Rezeption.35 Aufbauend auf Arbeiten zu zeitgenössischen Lesege-

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comprehended and decribed the great persecutions [and] horrible troubles, that haue bene wrought and practised by the Romishe prelates, speciallye in this realme of England and Scotlande, from the yeare of our Lorde a thousande, vnto the tyme nowe present. Gathered and collected according to the true copies [and] wrytinges certificatorie, as wel of the parties them selues that suffered, as also out of the bishops registers, which wer the doers therof, London 1563 (STC2 11222/Henry E. Huntington Library); weitere Ausgaben London 1570, 1576 und 1583; zuletzt dazu Elizabeth EVENDEN / Thomas S. FREEMAN, Religion and the book in early modern England. The making of Foxe’s „Book of Martyrs“, Cambridge 2011. Vgl. HALLER, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation, bes. Kap. 7: The Elect Nation, S. 224-250; in der Tradition von Haller zuletzt auch GREENFELD, Nationalism, Kap. 1: God’s Firstborn: England, S. 27-87 sowie GORSKI, The Mosaic Moment, S. 1452f; siehe auch den Neuaufguss eines älteren Aufsatzes von Herbert GRABES, „Elect Nation“. The Founding Myth of National Identity in Early Modern England, in: Ders. (Hg.), Writing the Early Modern English Nation. The Transformation of National Identity in Sixteenth- and Seventeenth-Century England, Amsterdam/Atlanta 2001, S. 173-189. Zur Kritik an Hallers Buch siehe u.a. Viggo Norskov OLSEN, John Foxe and the Elizabethan Church, Berkeley u.a. 1973; FIRTH, The Apocalyptic Tradition, S. 106-110; CHRISTIANSON, Reformers and Babylon, S. 13-46; Anthony FLETCHER, The first century of English Protestantism and the growth of national Identity, in: Stuart Mews (Hg.), Religion and national Identity, Oxford 1982, S. 309-317, hier S. 309f; John KING, Fiction and Fact in Foxe’s Book of Martyrs, in: David Loades (Hg.), John Foxe and the English Reformation, Aldershot 1997, S. 12-35; zusammenfassend auch COLLINSON, A chosen people?, S. 14-20 und zuletzt DERS., John Foxe and national consciousness, in: Christopher Highley / John King (Hgg.), John Foxe and his World, Aldershot 2002, S. 10-36, wiederabgedruckt in: Patrick Collinson, This England. Essays on the English nation and commonwealth in the sixteenth century, Manchester/New York 2011, S. 193-215. Glyn PARRY, Elect Church or Elect Nation? The Reception of the Actes and Monuments, in: David Loades (Hg.), John Foxe. An Historical Perspective, Aldershot 1999, S. 167181; ASCH, Elect Nation, S. 123f, spricht im Hinblick auf die Rezeption der Acts and Monuments von einem „produktiven Mißverständnis“; siehe auch Andrew ESCOBEDO, The Book of Martyrs: Apocalyptic Time in the Narrative of the Nation, in: Prose Studies

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wohnheiten fragte Parry derart nach möglichen Aneignungsvorgängen von John Foxe Acts and Monuments und betonte im Besonderen ein partielles Lesen sowie einen äußerst flexiblen Umgang mit den gelesenen Inhalten. 36 Die hieraus resultierenden Aneignungsprozesse müssten sodann anhand des konkreten Kontextes weiter aufgeschlüsselt werden. Am Beispiel von Francis Drake führt Parry in der Folge einen solch flexiblen Aneignungsvorgang vor, und zeigt, wie im Rahmen außenpolitischer Bedrohungen durch Spanien Foxes generelle apokalyptische Muster schnell an konkrete Konfliktkonstellationen adaptiert werden konnten.37 Die Folge war ein identifikatorisches Angebot, das, ausgehend von der Vorstellung jener kleinen verfolgten Gemeinde oder wahren Kirche, die Engländer als von Gott auserkohrendes Volk sah und ihnen eine entscheidende, heilsgeschichtliche Rolle zuwies. 38 Nach dieser Sichtweise wurden somit der Kampf gegen Spanien und der Sieg über die Armada sowohl als göttliche Bestätigung der bestehenden Ordnung als auch als Ansporn für ein offensiveres Vorgehen gegen den Katholizismus angesehen. 39 Diese Form der Außen-

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20 (1997), S. 1-17, hier etwa S. 6, wo der Autor dafür plädiert, von zwei narrativen Mustern in Foxes Buch auszugehen: einem universal-apokalyptischen und einem englischnationalen. Siehe dazu Kevin SHARPE / Steven N. ZWICKER, Introduction: discovering the Renaissance reader, in: Dies. (Hgg.), Reading, Society and Politics in Early Modern England, 3. Aufl., Cambridge 2005, S. 1-37, hier S. 20 und passim; ferner die Studie von Lisa JARDINE / Anthony GRAFTON, „Studied for Action“: How Gabriel Harvey read his Livy, in: P & P 129 (1990), S. 30-78; zu den puritanischen Lesegewohnheiten zuletzt Andrew CAMBERS, Godly Reading. Print, Manuscript and Puritanism in England, 1580-1720, Cambridge 2011, bes. die Kap. 2-5; zur neueren Forschung über Foxe und das Book of Martyrs u.a. COLLINSON, John Foxe and national consciousness; John KING, Foxe’s „Book of Martyrs“ and early modern print culture, Cambridge 2006; Elizabeth EVENDEN / Thomas FREEMAN, Religion and the book in early modern England. The making of Foxe’s Book of martyrs, Cambridge 2011; Thomas P. ANDERSON / Ryan NETZLEY (Hgg.), Acts of Reading. Interpretation, Reading Practices, and the Idea of the Book in John Foxe’s Acts and Monuments, Newark 2010. Vgl. PARRY, Elect Church or Elect Nation?, S. 173-180. Siehe PARRY, Elect Church or Elect Nation?, S. 180. Siehe dazu exemplarisch die Schrift von Stephen GOSSON, The trumpet of vvarre. A sermon preached at Paules Crosse the seuenth of Maie 1598, London 1598 (STC2 12099/Bodleian Library); Arthur DENT, The ruine of Rome: or An exposition vpon the whole Reuelation […], London 1603 (STC2 6640/Union Theological Seminary New York); George GIFFORD, Sermons vpon the whole booke of the Reuelation, London 1596 (STC2 11866/Henry E. Huntington Library); Jean MOREL, De ecclesia ab Antichristo liberanda […], London 1589 (STC2 18099/Bodleian Library), zweite Aufl., London 1594 (STC2 18100/Bodleian Library); John GIBSON, The sacred shield of al true Christian souldiers […], London 1599 (STC2 11834/British Library); ROGERS, An historical dialogue touching antichrist and poperie; cf. BAUCKHAM, Tudor Apocalypse, S. 173-180; Simon ADAMS, The Protestant Cause: Religious Alliance with the West European Calvinist Communities as a Political Issue in England, 1585-1630, unveröffentlichte PhDThesis, Oxford 1973, hier bes. Kap. 1-4; DERS., A Puritan Crusade? The composition of the earl of Leicester’s expedition to the Netherlands, 1585-86, in: Ders., Leicester and the

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darstellung nahm also Impulse aus den inneren Debatten auf und selektierte die Inhalte nach den Bedürfnissen und Anforderungen momentaner außenpolitischer Zusammenhänge, wodurch es letztlich zu einer Modifikation, Anpassung oder Transformation innenpolitischer Diskussion und Themen kommen konnte. Umgekehrt konnte der außenpolitische Horizont auch im Rahmen der inneren Reformdebatten aktualisiert werden, um dadurch eine Drohkulisse aufrechtzuerhalten, vor deren Hintergrund die Notwendigkeit weitergehender Reformen eingefordert wurde. Vor allem puritanische Geistliche benutzten hier die Vorstellung einer besonderen Beziehung zu Gott, um darüber die Verpflichtung des Gemeinwesens zu essenziellen Reformen etwa im Sinne einer presbyterianischen Umgestaltung der Kirche, einer Straffung der Kirchendisziplin oder der Reinigung von letzten Resten papistischer Tradition abzuleiten.40 Ihre zeittypische Manifestation fand diese exzeptionelle Beziehung im Bild des göttlichen Bundes, der analog zum alttestamentlichen Bund Gottes mit dem Volk Israel am Berg Sinai imaginiert und konstruiert wurde. Für das letzte Drittel des 16. sowie das beginnende 17. Jahrhundert wurde für die fast inflationäre Heranziehung und Verwendung der Israel-Analogie und einer damit einhergehenden Bundesrhetorik von Michael McGiffert das Schlagwort des „Israelite paradigm“ geprägt.41 Er verstand darunter einen von vielen anglikanischen Konformisten ebenso wie von ‚puritanischen Reformern‘ geteilten Glauben an die Notwendigkeit, dass sich das englische Gemeinwesen einer grundlegenden moralischen Erneuerung und Reform unterziehen müsse.42 Ansonsten bestünde die Gefahr, dass

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court. Essays on Elizabethan politics, Manchester 2002, S. 176-195; Jan Albert DOP, Eliza’s Knights. Soldiers, Poets and Puritans in the Netherlands 1572-1586, Phil-Diss. Leiden, Alblasserdam 1981, hier bes. S. 156-176; Hugh DUNTHORNE, Britain and the Dutch Revolt 1560-1700, Cambridge 2013. Siehe u.a. Patrick COLLINSON, The Elizabethan puritan movement, Berkeley/Los Angeles 1967; DERS., The religion of Protestants. The church in English society 1559-1625, Oxford 1982; Diarmaid MACCULLOCH, The change of religion, in: Patrick Collinson (Hg.), The sixteenth century, 1485-1603 [Short Oxford History of the British Isles], Oxford 2002, S. 83-111, hier S. 100-108; Christopher DURSTON / Jacqueline EALES (Hgg.), The Culture of English Puritanism, 1560-1700, Basingstoke 1996; Peter Iver KAUFMAN, The Protestant Opposition to Elizabethan Religious Reform, in: Tittler / Jones (Hgg.), Companion, S. 271-288. Michael MCGIFFERT, God’s Controversy with Jacobean England, in: AHR 88 (1983), S. 1151-1174; zu diesem Themenfeld auch Patrick COLLINSON, Biblical rhetoric: the English nation and national sentiment in the prophetic mode, in: Claire McEachern / Debora Shuger (Hgg.), Religion and Culture in Renaissance England, Cambridge 1997, S. 15-45, wiederabgedruckt in: Collinson, This England, S. 167-192. Das Problem schilderte etwa Thomas Tymme in seiner Übersetzung einer Schrift von Johannes Brenz. Siehe Thomas TYMME, Newes from Niniue to England, brought by the prophete Ionas […], London 1570 (STC2 3601/British Library), fol. Aivr: „For wee come not together in the Church to trifle and playe, but we come to the ende we might be instructed in the worde of the Lorde. Neyther are we created by God, and redeemed by the precious death and bloudshedding of Christ, to the ende we should ryot, lyue in excesse, and giue our selues to all kinde of filthye pleasure, but we are created and redeemed to the ende we might glorifie God by our lyfe and conuersation.“

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Gott sich von seinem erwählten Volk abwenden könnte, woraus letztlich Verfall und Untergang resultieren würden. Das grundlegende Ziel sei folglich die Stärkung einer durch die göttlichen Vorgaben inspirierten Moralität gewesen, von der am Ende Wohl und Wehe des englischen Gemeinwesens als Ganzes abhinge.43 Um dies plastisch darstellen zu können, hätten die jeweiligen Prediger und Autoren vor allem auf den Reichtum des Alten Testaments zurückgegriffen – und dort insbesondere auf die Geschichte der Israeliten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das israelitische Vorbild in dieser Phase vorsätzlich fruchtbar gemacht wurde, weil es eine Verbindung zwischen einem bestimmten Kollektiv und Territorium herstellte, die zugleich durch die Bestätigung Gottes sanktioniert wurde.44 Die Kopplung zwischen beiden wird dadurch als Ausfluss des göttlichen Bundes und damit einer spezifischen Erwählungsidee präsentiert. 45 Die IsraelAnalogie konnte diesen Zusammenhang besonders adäquat aufnehmen und darstellen. Die Aktualität des Vergleichs ergab sich dabei – wie Connor Cruise O’Brien anmerkte – aus einer eigenständigen Interpretation des Alten Testaments und IsraelExempels, die jene stets auf Christus verweisende allegorische Lesart alttestamentlicher Motive aufgehoben und damit den universalen Aspekt des Neuen Testaments zurückgedrängt habe. Mit der Befreiung von seiner ‚Christianisierung‘ sei gleichsam eine Art Resurgenz eines ‚partikularen Nationalismus‘ des Alten Testaments geschehen, deren offensichtlichste Ausprägung eine genuin „territoriale Politik“ gewesen sei.46 Für Michael McGiffert passte sich die veränderte Lesart des Alten Testaments gut in die Situation im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts ein. So sieht er das israelitische Paradigma zweigeteilt: Auf der einen Seite stünden all jene göttlichen Segnungen, die sich im Falle der englischen ‚Israeliten‘ in einem Reichtum an natürlichen Ressourcen, der Insellage, einer prosperierenden Wirtschaft etc. niederschlagen würden.47 Analog zum israelitischen Vorbild fänden sich auf der anderen Seite freilich 43 44 45

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MCGIFFERT, God’s Controversy, S. 1152. Siehe O’BRIEN, God Land, S. 2f, der hier auch auf eine Passage aus Exodus 6,4 verweist, wo Gott den Israeliten seinen Bund, und mit dem Bund, das Land Kanaan verspricht. Dieser Prozess korrespondierte mit Entwicklungen auf anderen Feldern wie einem verstärkten Interesse an der Kartierung oder den aufkommenden Beschreibungen des Landes. Siehe dazu Richard HELGERSON, Forms of Nationhood. The Elizabethan Writing of England, Chicago 1992, hier Paperback Ed., Chicago 1994, Kap. 3, S. 105-147; ältere Studien zum englischen Erwählungsdenken haben sich vor allem auf diesen Aspekt der Idee kapriziert, allerdings häufig ausschließlich unter dem Lemma der ‚Nation‘. Siehe etwa GREENFELD, Nationalism, S. 29-87; GORSKI, Mosaic Moment; Christopher HILL, The Protestant Nation, in: The Collected Essays of Christopher Hill, Bd. 2: Religion and Politics in 17th Century England, Brighton 1986, S. 21-36; vgl. auch APPELBAUM, Biblical nationalism; ABERBACH, Nationalism. O’BRIEN, God Land, S. 6-8, 19f, 25f und passim; siehe dazu auch den Kommentar bei Julius A. BREWER, The Authority of the Old Testament, in: Journal of Religion 16 (1936), S. 1-9, hier S. 2: „The Old Testament sanctions […] extreme nationalism in politics and religion.“; ähnlich argumentiert auch GORSKI, Mosaic Moment, S. 1429, 1433, 1434-1443. Eine mustergültige Applikation dieser Segnungen auf die englischen Zusammenhänge findet sich in der Schrift A comparison of the English and Spanish nation, London 1589

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jene repetitiven Mahnungen, die das Volk Gottes an die eingegangen Verpflichtungen des Bundes erinnern würden, wobei eine fortwährende Ignoranz dieser Warnungen Gottes Zorn erwecken könne.48 Die von McGiffert betonte und von den zeitgenössischen Autoren geforderte Moralität wurde durch die Einführung eines Werkbundes (covenant of works) erreicht, der neben dem allgemein gültigen Gnadenbund (covenant of grace) eine Konditionalität in das Verhältnis des Menschen zu Gott einschrieb, nach der die göttlichen Segnungen von der Einhaltung jener von Gott gesetzten moralischen Ordnung abhingen.49 Über diesen Bund konnte letztlich auch eine rigidere Form der Kirchendisziplin gefordert werden, an der es nach Meinung vieler Puritaner der anglikanischen Kirche und dem Gemeinwesen bis dato gemangelt hätte.50 Autoren wie Walter Travers betonten in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer „lawfull Discipline“, die als Komplement der Predigt des wahren Gotteswortes verstanden werden müsse und die Kirche vor einem stetigen Verfallsprozess, der allen Institutionen inhärent sei, bewahren sollte.51 Während der Werk- und Gnadenbund eigentlich zunächst individuell ausgerichtete Bünde waren, kam es durch die Integration dieser Vorstellungen in ein übergeordnetes Israel-Paradigma zu einer Transformation dieses Gedankengutes. Durch die Heranziehung der Israel-Analogie konnten nicht nur der Bundestheologie immanente Spannungen gelöst bzw. invisibilisiert werden52, sondern dieser Schritt transformierte

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(STC2 13102/British Library), fols. Cir-Ciir, Eiir-Eiiir, Fir. Die Schrift ist eine Übersetzung aus dem Französischen und war primär dazu gedacht, das Bündnis zwischen Frankreich (Heinrich von Navarra) und der englischen Krone zu festigen; ähnlicher Tenor bei Thomas NELSON, The blessed state of England Declaring the sundrie dangers vvhich by Gods assistance, the Queenes most excellent Maiestie hath escaped in the whole course of her life, London 1591 (STC2 18422.5/Folger Shakespeare Library), fols. Aiir, Aiiir-v, Bir, Biir, Biiir-v. MCGIFFERT, God’s Controversy, S. 1153f. Vgl. zu den einzelnen Bünden u.a. Michael MCGIFFERT, Grace and Works: The Rise and Division of Covenant Divinity in Elizabethan Puritanism, in: Harvard Theological Review 75 (1982), S. 463-502; Jens G. MØLLER, The Beginnings of Puritan Covenant Theology, in: JEH 14 (1963), S. 46-67; cf. J. F. Gerhard GOETERS, Art. „Föderaltheologie“, in: TRE 11 (1983), S. 246-252; David A. WEIR, The Origins of Federal Theology in Sixteenth-Century Reformation Thought, Oxford 1990, S. 1-50. Siehe den Überblick bei BURGESS, British Political Thought, S. 117-121. Siehe Walter TRAVERS, A full and plaine declaration of ecclesiasticall discipline owt off the word off God and off the declininge off the churche off England from the same, Heidelberg 1574 (STC2 24184/Henry E. Huntington Library), fol. Air-Aiir; generell zu den puritanischen Vorstellungen zur Kirchendisziplin siehe COLLINSON, Puritan Movement, S. 291-329, 346-355. Grundlegend galt es die Frage zu lösen, wie das Kreuzopfer Christi, durch das alle Gläubigen erlöst worden seien, mit eventuellen Auflagen eines Werkbundes im Hinblick auf die Erlösung in Einklang gebracht werden konnte. Dahinter verbirgt sich nicht zuletzt das weitaus umfangreichere Problem, wie und in welchem Verhältnis das Alte und Neue Testament in der Föderaltheologie aufeinander bezogen werden sollten. Siehe dazu MØL-

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eine Kritik der Sünden jedes Einzelnen zu einer generellen Klage gegen das englische Gemeinwesen als Ganzes. Unabhängig von sozialem Status oder übernommenem Amt innerhalb des Commonwealths arbeitete somit jeder Einzelne in positiver oder negativer Weise am Schicksal Englands mit. Umgekehrt wirkten sich ‚nationale Ereignisse‘ auf das Leben eines jeden aus.53 Bei Adam Hill ließt sich dies etwa wie folgt: „The blasphemies and periuries of England haue infected euerie Countrie, Citie and House of this land: therefore without a generall, heartie and speedie repentance, perpetuall desolation, & the vengeance of eternall fire will fall vpon the father and the sonne, the pastor and the people, 54 the priuate man and the magistrate for euer.“

Die Verknüpfung des individuellen mit dem Schicksal des Kollektivs war seit der Zeit Heinrichs VIII. und der Konstruktion einer englischen Heilsgemeinschaft essenziell mit dem Thema des Erwählungsdenkens verbunden. Vor diesem Hintergrund scheint es entgegen der Vermutung von Michael McGiffert der Fall zu sein, dass das israelitische Paradigma nicht erst in der Regierungszeit Elisabeths I. entstand, sondern eine Aktualisierung und spezifische Anpassung eines bereits bestehenden Gedankengutes war. Das Paradigma erwiese sich sodann als eine durch das kontinentale Reformiertentum angereicherte Weiterentwicklung englischer Erwählungs-politik, welche nun unter Elisabeth I. in die Form eines spezifischen Bundes gegossen worden wäre.55 So feierten und preisten die Autoren in vielen Druckschriften der Zeit die

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LER, The Beginnings of Puritan Covenant Theology, S. 49f und passim; WEIR, Origins of Federal Theology, S. 2-7. Zu dieser nicht unumstrittenen Sichtweise siehe Theodore D. BOZEMAN, Federal Theology and the ‚National Covenant‘: An Elizabethan Presbytarian Case Study, in: Church History 61 (1992), S. 394-407; ähnlich schildert auch Benjamin Kaplan das Verhältnis von individueller Glaubensausrichtung, Integrität und Fortbestand eines Gemeinwesens. Siehe Benjamin J. KAPLAN, Divided by Faith. Reigious Conflict and the Practice of Toleration in early Modern Europe, Cambridge (MA)/London 2007, S. 99-104 und S. 114-124 zu England; cf. Christopher HILL, The English Bible and the Seventeenth-Century Revolution, London 1993, S. 264-270, hier bes. S. 267; Edward Vallance konstatiert ebenfalls einen ‚nationalen Bund‘, der kaum zwischen individuellem und kollektivem Schicksal unterscheidet, allerdings bezweifelt er die von Bozeman angeführte Föderaltheologie als ausschlaggebenden Punkt. Siehe Edward VALLANCE, Revolutionary England and the National Covenant. State Oaths, Protestantism and the Political Nation, 1553-1682, Woodbridge 2005, hier Kap. 1, S. 6-48. Adam HILL, The crie of England A sermon preached at Paules Crosse in September 1593, London 1595 (STC2 13465/British Library), fol. Biiir-v. Ähnliche Aussagen fols. Bvir, Cvv, Gir, Gvv. Zu den kontinentalen Prägungen englischer Protestanten siehe grundsätzlich die Arbeit von Christina H. GARRETT, The Marian Exiles. A study in the origins of Elizabethan puritanism, unver. Nachdruck der Ausgabe Cambridge 1938, Cambridge 1966; Nicola M. SUTHERLAND, The Marian Exiles and the Establishment of the Elizabethan Régime, in: ARG 78 (1987), S. 253-286; W. J. Torrance KIRBY, The Zurich Connection and Tudor Political Theology, Leiden/Boston 2007.

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Tatsache, dass Gott sich mit England verbunden habe wie ehedem mit dem Volk der Israeliten. In einer 1590 erschienen Schrift hieß es dazu etwa: „[W]e must acknowledge, that as with Israel & Iudah, so with vs, the Lord hath dealt, to witte, that as the girdle cleaueth to the loynes of a man, so hath the Lord tyed him self to this whole nation, that we might bee his people.“56

Feststellungen einer besonderen Beziehung zwischen Gott und den Engländern wurden auch gerne mit Elogen der Regierung Elisabeths verbunden: „This peace the Lord of his goodnesse hath continued with great and vnspeakeable mercie 57 among vs his chosen people of Englande since the time of hir maiesties reigne.“

Der Bund, in dem sich England nun befinde, zeichne sich freilich im Besonderen durch seinen reziproken Charakter aus. So erläuterte etwa John Fotherby die genauen Bedingungen des Bundes wie folgt: „Yea, he doth bind himself to be obedient to al Gods commandements as I haue shewed, els there could be no couenant. And when Moses had been the second time in the mount with God, and brought with him the two tables of the couenant, then he red them to the people, who an-

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The reformation of religion by Iosiah, London 1590 (STC2 14815/Bodleian Library), fol. Aiiv; weitere Bsp. sind etwa John STOCKWOOD, A sermon preached at Paules Crosse on Barthelmew day, being the 24. of August. 1578, London 1578 (STC2 23284/Folger Shakespeare Library), fols. Bviv & Bviiv; John CARPENTER, Time complaining, giueth a most godly admonition, and very profitable instruction to England in this our dangerous tyme, London 1588 (STC2 4668/Henry E. Huntington Library), fols. {Avr} & Bir; John KNEWSTUBS, The lectures of Iohn Knewstub, vpon the twentith chapter of Exodus, and certeine other places of Scripture […], London 1578 (STC2 15043/Henry E. Huntington Library), etwa fol. Aiir-Avr und passim; MARTEN, An exhortation, fol. Diiiv; siehe auch das anonyme Gedicht The Love of God (Auszug) in: Edward Farr (Hg.), Select Poetry, chiefly devotional of the reign of Queen Elizabeth, Bd. 2, Cambridge 1845, S. 346 sowie die bei WALSHAM, Providence, S. 281-325 behandelten Schriften; cf. Peter E. MCCULLOUGH, Sermons at Court. Politics and religion in Elizabethan and Jacobean preaching, Cambridge 1998, S. 51-99. NELSON, The blessed state of England, fol. Biir; CARPENTER, Time complaining, fol. {Aivv}; John NORDEN, A Progresse of Pietie, London 1598 (STC2 18626a.3/Bodleian Library), fol. Biiv-Biiir; Edward HAKE, The Commemoration (Auszug), in: Farr (Hg.), Select Poetry, Bd. 2, S. 368f; Thomas CHURCHYARD, The Miserie of Flavnders, Calamitie of Fraunce, Misfortune of Portugall, Unquietnes of Irelande, Troubles of Scotlande: And the blessed State of Englande, London 1579 (STC2 5243/Henry E. Huntington Library), fols. Air & Eir-Eivr; MARTEN, An Exhortation, fol. Biiv; Maurice KYFFIN, The blessednes of Brytaine, or A celebration of the Queenes holyday Wherein is briefly discoursed the most happy regiment of her Highnes, London 1588 (STC2 15097/Henry E. Huntington Library), hier fols. Biir-v, Ciir-v, Diiiv; GREENFELD, Nationalism, S. 63-65.

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swered with one voice. Exod. 24. 3,7. All things which the Lord hath saide, we will doe, and be obedient.“58

An dieser Stelle wurde somit nicht irgendein Bund des Alten Testaments als Vorlage herangezogen, sondern die verschiedenen Autoren griffen bewusst das Vorbild des göttlichen Bundes am Berg Sinai auf (Exodus 24). Gerade dieser unterscheidet sich jedoch durch seine Auflagen fundamental von anderen Bünden Gottes wie beispielsweise mit Noah oder David, die als bedingungslose Versprechen von Gott gestaltet waren.59 Der Aufgriff des Sinai-Bundes kann dergestalt als Bestätigung der These gesehen werden, dass es sich hierbei um eine Form des Erwählungsdenkens handelte, die primär auf der Exodus-Erzählung basierte. Jener Bund (und alle, die diesem von der Anlage her folgten) muss folglich als Fluchtpunkt des konstatierten israelitischen Paradigmas gelten, in dem der unter Heinrich VIII. begonnene Exodus seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Der ‚nationale Bund‘ (Bozeman) im Sinne des israelitischen Paradigmas stellte somit eine Weiterentwicklung jenes Erwählungs-Narrativs dar, wie es zuerst unter Heinrich VIII. aufgekommen und unter Eduard VI. ausgeformt worden war. Der Aufgriff dieser Traditionslinie und das Weiterspinnen jener Form des Erwählungsdenkens wurde anscheinend bewusst aufgegriffen, um darüber weitergehende Reformen des Gemeinwesen einzufordern. Hierfür spricht nicht zuletzt die Beobachtung, dass sich Autoren und Prediger, die Gebrauch von dieser Bundesrhetorik machten, selbst in die Rolle alttestamentlicher Propheten wie Hosea oder Jeremia einfügten. In diesem Sinne rekapitulierten sie ältere Vorbilder wie etwa Hugh Latimer oder Thomas Lever, die bereits unter der Herrschaft Eduards VI. über ähnliche Stilisierungen versucht hatten, grundsätzliche Reformen des Gemeinwesens durchzusetzen.60 Der Prophet in seiner Funktion als göttlicher Mahner und Alarmist war

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J. F. [John Fotherby?], The couenant betweene God and man plainly declared in laying open the first and smallest pointes of Christian religion, London 1596 (STC2 10638.5/Folger Shakespeare Library), fol. Civv-Cvr (Hervorhebung im Original); ähnlich KNEWSTUBS, Lectures, fol. Aiir-Avr; cf. Thomas CARTWRIGHT, A treatise of Christian religion. Or, the whole bodie and substance of diunintie, London 1616 (STC2 4707.7/Henry E. Huntington Library), fol. Mivr. Vgl. WALZER, Exodus und Revolution, S. 87; Ernest W. NICHOLSON, God and his people. Covenant and theology in the Old Testament, Oxford 1986, hier S. 148f & 191217; Bernhard W. ANDERSON, Art. „Covenant“, in: The Oxford Companion to the Bible, ed. von Bruce M. Metzger & Michael D. Coogan, New York u.a. 1993, S. 138f; was in diesem Zusammenhang dezidiert vernachlässigt wird, sind Debatten über die historischen Hintergründe der einzelnen Bünde. Siehe dazu etwa John BARTON, Covenant in Old Testament Theology, in: A. D. H. Mayes / R. B. Salters (Hgg.), Covenant as Context. Essays in honour of E. W. Nicholson, Oxford 2003, S. 23-38. Vgl. dazu Abschnitt C in dieser Arbeit. Neben den gedruckten Mahnungen müssen die sog. Paul’s Cross-Predigten in diesem Zusammenhang beachtet werden, die bevorzugt Exempel der alttestamentlichen Israeliten als einprägsame Warnungen verwendeten. Siehe dazu WALSHAM, Providence, S. 281-325; zur Thematik der ‚Hoseaden‘ und ‚Jeremiaden‘ generell auch COLLINSON, Biblical rhetoric; zum Genre der ‚Jeremiaden‘ ferner Per-

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demzufolge ein sozialer Kritiker, der Dekadenz, Irrlehren, Papismus, Atheismus, Amoralität sowie kultische Verstöße anprangerte und das Gemeinwesen zu Umkehr und Reform aufrief. Diese wichtige Aufgabe hat beispielsweise der gemäßigte puritanische Geistliche William Burton prägnant zusammengefasst: „[T]he prophet telleth them of their disobedience, that so he might make them more fit to returne vnto God.“61 Das von McGiffert herausgearbeitete israelitische Paradigma bot freilich nicht nur Geistlichen die Möglichkeit, Kritik an bestehenden Missständen zu üben. Wie zuletzt Nicholas Tyacke und Michael Winship betont haben, bildete jenes eine Art ideellen Horizont der Zeit, unter dem sich eine Vielzahl von Klagen und Reformforderungen zusammenfinden konnten. So mahnten puritanische Geistliche und Autoren genau wie Parlamentarier, Anwälte und Geschäftsleute in wechselnden Konstellationen nicht nur die papistischen Zustände in der anglikanischen Episkopalkirche an, sondern warnten unter Heranziehung des israelitischen Wahrnehmungshorizonts auch vor einer möglichen Anjou-Heirat der Königin. Sie lamentierten über die inflationäre Vergabe von Patenten und Monopolen oder stritten für die konstitutionelle Rolle des Parlaments im Gegensatz zu einer absoluten Monarchie. 62 Wesentlicher Bezugspunkt dieser Warnungen und Mahnungen blieb die Vorstellung einer durch Ausbleiben notwendiger Reformen in den angezeigten Bereichen einsetzenden Zerrüttung des Gemeinwesens, die mit der neuerlichen Ausbreitung papistischen und antichristlichen Gedankengutes assoziiert wurde. Im schlimmsten Fall konnte dies zur Zurückweisung des englischen Volkes durch Gott führen, woraus die Gefahr einer katholischen Invasion und der damit einhergehenden Rückkehr in die ägyptische Knechtschaft abgeleitet wurde.63 Das für die innenpolitischen Entwicklungen konstatierte israelitische Paradigma aktualisierte also die Mosaische Unterscheidung, um dadurch das außenpolitische Szenario der Beleaguered Isle für die inneren Diskussionen fruchtbar zu machen und vor diesem Hintergrund notwendige Reformen anzumahnen. Durch die Verknüpfung mit einer stets gegenwärtigen Drohkulisse versuchten die Akteure, auf der einen Sei-

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ry MILLER, The New England Mind. From Colony to Province, Cambridge 1953, S. 2739. William BURTON, A sermon preached in the Cathedrall Church in Norwich, the xxi. day of December, 1589, London 1590 (STC2 4178/British Library), fol. {Aiiir}; Henry SMITH, The Calling of Ionah, in: Ders., Foure sermons preached by Maister Henry Smith, London 1602 (STC2 22761/Cambridge University Library), fol. Dvv-Eviir, hier fol. Dviv. Gerade diese Funktion spiegelt sich in den von Collinson, Miller, McGiffert und Walsham als Hoseaden bzw. Jeremiaden bezeichneten Schriften und Predigten wider, die ausnahmslos die Forderung nach Reue, Buße, Umkehr und Reform beinhalteten. Vgl. dazu Michael WINSHIP, Freeborn (Puritan) Englishmen and Slavish Subjection: Popish Tyranny and Puritan Constitutionalism, c. 1570-1606, in: EHR 124 (2009), S. 10501074; Nicholas TYACKE, The Puritan Paradigm of English Politics, 1558-1642, in: HJ 53 (2010), S. 527-550; Peter LAKE, The Monarchical Republic of Elizabeth I Redefined (by Its Victims) as a Conspiracy, in: Barry Coward / Julian Swann (Hgg.), Conspiracies and Conspiracy Theory in Early Modern Europe, London 2004, S. 89-114. Siehe dazu etwa LAKE, Anti-popery, S. 79f, 82f und passim; TYACKE, Puritan Paradigm, S. 530, 535, 538, 540; WINSHIP, Freeborn Englishmen, S. 1051-1053 und passim.

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te eine größtmögliche Form der Aufmerksamkeit für ihre Belange zu generieren. Denn ihre argumentativen Strategien sagten im Grunde, dass ein Ausbleiben der geforderten Reformen die Revokation des göttlichen Bundes sowie die Gefahr einer katholischen Überwältigung zur Folge haben könnte. Auf der anderen Seite ergab sich aus dieser Konstruktion eine Autorisierung der Akteure, die sie an den politischen Diskursen des Gemeinwesens partizipieren ließ. Grundlage hierfür war die Vorstellung, dass der mit Gott geschlossene Bund alle Engländer gleichermaßen betreffe und deshalb der Einbruch katholischer, respektive gegen Gott gerichteter Vorstellungen und Praktiken letztlich Auswirkungen auf das Leben jedes Einzelnen habe. Schließlich säßen alle Engländer durch die Vorsehung Gottes in einem Boot zusammen: „And seeing God hath placed vs English me[n] here in one common wealth, also in one Church, as in one Ship together.“64 Auf der Basis dieser Annahme versuchten reformorientierte Autoren sodann Sprecherrollen zu kreieren, die ihren Aussagen die notwendige Aufmerksamkeit und Resonanz zubilligten sowie deren innovative Vorschläge idealiter mit einer grundsätzlichen Validität versehen sollten. Ein (misslungenes) Beispiel für die Anwendung dieses Gedankengutes ist die Schrift The discouerie of a gaping gvlf (1579), in der John Stubbs eine mögliche französische Heirat der Königin mit einer Rückkehr in antichristliche Zustände verglich: „[I]t is a sin, a greate and mightye sinne for England to geue one of Israels daughters to any of Hemors sonnes; to match a daughter of God vvith one of the sonnes of men: to couple a Christian Ladye, a member of Christ, to a Prince & good sonne of Rome that Antichristian mother citie. For the inuincible manifestastion [sic!] therfore of this truth, let vs first consider England as a region purged from Idolatry, a kingdom of light, confessing Christ and seruing the liuing God: Contrariwise, Fraunce a den of Idolatrye a kingdome of darkenes, confessing Belial and 65 seruing Baal.“

Ganz im Sinne der Bundesvorstellung setzte Stubbs das anvisierte Heiratsprojekt mit dem Einfall antichristlicher Praktiken in das englische Gemeinwesen gleich, womit eine Abkehr von den göttlichen Gesetzen und eine Zurückweisung durch Gott selbst

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Thomas TYMME, A preparation against the prognosticated dangers of this yeare, 1588, London 1588 (STC2 24420/Folger Shakespeare Library), fol. Bviir; fast gleicher Wortlaut bei John FOXE, Actes and Monuments […], Ausgabe London 1570 (STC2 11223/Harvard University Library), Einführung „To the true and faithfvll congregation of Christes vniuersall Church”, fol. 4v sowie bei Philipp Sidney in seinem Brief an Elisabeth I., in dem er vor ihrer Hochzeit mit dem Herzog von Anjou warnte. Siehe A Letter Written By Sir Philip Sidney To Queen Elizabeth, Touching Her Marriage With Monsieur (1579), in: Miscellaneous Prose of Sir Philip Sidney, ed. von Katherine Duncan-Jones & Jan van Dorsten, Oxford 1973, S. 46-57, hier S. 47; siehe dazu auch WINSHIP, Freeborn Englishmen, S. 1055. John STUBBS, The discouerie of a gaping gvlf vvhereinto England is like to be swallovved by another French mariage, if the Lord forbid not the banes, by letting her Maiestie see the sin and punishment thereof, London 1579 (STC2 23400/Henry E. Huntington Library), fol. Aiiiv-Aivr.

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verbunden wurden.66 Freilich wurde sein Vorstoß für das Wohl des Gemeinwesens von obrigkeitlicher Seite keineswegs positiv aufgenommen. Im Gegenteil sollten er und ein anderer Beteiligter, der Kopien versuchte zu verteilen, für die Veröffentlichung dieser Schrift mit ihrer rechten Hand bezahlen.67 Das eigentliche Skandalon bestand in dieser Situation jedoch darin, dass hier eine Privatperson versucht hatte, ein heikles Thema, das die Königin als Reservatrecht der Krone betrachtete, im Rahmen des israelitischen Paradigmas in eindeutig pejorativer Art und Weise zum Gegenstand eines öffentlichen Diskurses zu machen. 68 Durch die Einordnung der anvisierten Heirat in den angezeigten Bezugsrahmen konnte Stubbs die ganze Sache sowohl als Bedrohung des Gemeinwesens als auch als Bedrohung jedes Einzelnen präsentieren, da ein Einbrechen antichristlicher Zustände den Bund mit Gott akut gefährdet hätte, woraus letztlich allen Engländern gleichermaßen Nachteile hätten erwachsen können. Die Verargumentierung der Angelegenheit im Horizont des israelitischen Paradigmas sollte also einen Handlungsrahmen schaffen, der es dem Autor ermöglichte, die ‚Privatangelegenheit‘ der Königin in ein öffentliches Thema zu verwandeln, zu dem er sodann legitim Stellung beziehen konnte.69 In Vorfällen wie jenen mit John Stubbs oder prominent später auch in der sog. Marprelate-Affäre70 zeigt sich, dass Zeitgenossen die von presbyterianischen und puritanischen Autoren, Predigern und Aktivisten vorgebrachten Klagen, Kritiken und Warnungen durchaus als Bedrohung der etablierten Ordnung auffassten. Einzelne Personen, die nachweislich einem puritanischen Gedankengut zugeordnet werden können, wurden sogar öffentlich als ‚Innovatoren‘ beschimpft.71 Und tatsächlich zielten ihre Forderungen de facto vielfach auf eine Weiterentwicklung des Gemeinwesens ab, die freilich zeitgenössisch nicht als solche apostrophiert werden konnte. Die ‚Godly people‘ verargumentierten diesen Wunsch nach Innovation im Rahmen einer 66

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Stubbs betont an anderer Stelle, dass mit dieser Heirat Elisabeth und England das bislang erfahrene „englische Paradies“ verlieren würden. Siehe STUBBS, The discouerie of a gaping gvlf, fol. Aiir: „[T]hey haue sent vs hither not Satan in body of a serpent, but the old serpent in shape of a ma[n], whos sting is in his mouth, and who doth his endeuour to seduce our Eue, that shee and we may lose this Englishe Paradise.“ Siehe Natalie MEARS, Art. „Stubbe [Stubbs], John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2010, URL: [20.03.2017]. Siehe dazu Ilona BELL, „Souereaigne Lord of lordly Lady of this land“: Elizabeth, Stubbs, and the Gaping Gvlf, in: Walker (Hg.), Dissing Elizabeth, S. 99-117. Vgl. zu diesen Abläufen LAKE / PINCUS, Rethinking the Public Sphere, S. 273-279. Joseph L. Black (Hg.), The Martin Marprelate tracts. A modernized and annotated edition, Cambridge u.a. 2008; einführend DERS., Art. „Marprelate, Martin“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [20. 03.2017]; Jesse LANDER, Inventing polemic. Religion, Print, and Literary Culture in Early Modern England, Cambridge 2006, Kap. 2, S. 80-109; Patrick COLLINSON, Richard Bancroft and Elizabethan Anti-Puritanism, Cambridge 2013, Kap. 5: Martin Marprelate, S. 60-82; Peter LAKE, Anglicans and Puritans? Presbyterianism and English Conformist thought from Whitgift to Hooker, London u.a. 1988, S. 88-144; Leland L. CARLSON, Martin Marprelate, Gentleman. Master Job Throkmorton laid open in his colors, San Marino 1981. Siehe dazu TYACKE, Puritan Paradigm, S. 536 für Peter Wentworth.

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Bundesvorstellung, die sehr deutlich die wesentlichen Merkmale der Erwählungsidee, wie sie seit Heinrich VIII. in England zirkulierte und gepflegt wurde, reproduzierte. Die Folie eines ägyptischen Außens, das als kontinuierliche Bedrohung stets präsent gehalten wurde, war ebenso ein konstitutiver Bestandteil dieses Erwählungsmotivs wie der Versuch, über das Self-Fashioning als moderne Propheten eine autoritative Stellung innerhalb des Gemeinwesens zu beanspruchen, über die eine Politik des Wandels zeitgenössisch legitimiert werden sollte. So kann man sagen, dass puritanische und presbyterianische Kritiker vor diesem Hintergrund zuletzt die Rolle ‚institutionalisierter Innovatoren‘ annahmen, deren primäres Interesse in der Fortentwicklung des Gemeinwesens lag. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es im elisabethanischen England mindestens zwei Interpretationen der eigenen Position als Gottes erwähltes Volk gegeben hat. Beide müssen zunächst nach ihrem jeweiligen Verwendungszusammenhang entweder in einem außen- oder innenpolitischen Bereich unterschieden werden. Mit dem Wechsel des Kommunikationszusammenhangs geht eine Veränderung der Repräsentation Englands einher. Beiden Vorstellungen gemein war indes die Abgrenzung zu einem Feindbild, das als stets gegenwärtige Drohkulisse imaginiert wurde. Der Kampf gegen diese Bedrohung bildete eine Klammer für die ansonsten divergierenden Konstruktionen englischer Erwählung. Während somit im Inneren vor allem eine selbstreflexive Wahrnehmung vorherrschte, über die weitergehende Reformen und innovative Neuerungen eingefordert wurden, präsentierte sich das englische Gemeinwesen nach außen vielfach im Rahmen apokalyptischer und providentieller Muster als Vorkämpfer des europäischen Protestantismus’ gegen die Mächte des Antichristen.72 Obgleich es in der konkreten Ausgestaltung Unterschiede gibt, zeigt sich in beiden Fällen ein grundlegendes Merkmal des Erwählungsdenkens, das in der Forderung nach Innovation besteht. Diese Forderung ergab sich aus den Vorgaben und Pflichten des Bundes mit Gott, dessen wesentliches Charakteristikum das reziproke Verhältnis zwischen Gott und seinem Volk war. Als generelles Muster englischer Bundesvorstellungen müssen die immer wiederkehrenden Themen und Motive des (moralischen) Verfalls, der Korruption, der Dekadenz und Degeneration, der Regression und Subversion angesehen werden, die mit einem ‚ägyptischen Außen‘ im Sinne des anti-papistischen und anti-römischen Feindbilds assoziiert und präsent gehalten werden. In der argumentativen Strategie der Zeit kann der ständig reproduzierte, drohende Einfall des ‚Ägyptischen‘ in das 72

Diese aupenpolitische Darstellung führte gerade unter den ersten beiden Stuartherrschern zu Spannungen innerhalb des Gemeinwesens, da, wie Kaspar von Greyerz etwa betonte, vor dem Hintergrund eines äußerst virulenten Auserwähltheitsdenkens die passive Rolle Englands im Dreißigjährigen Krieg vielfach als intensive, nationale Demütigung empfunden worden sei. Vgl. Kaspar VON GREYERZ, England im Jahrhundert der Revolutionen, 1603-1714, Stuttgart 1994, S. 96f; cf. Hans-Christoph SCHRÖDER, Die Revolutionen Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986, S. 27; wie Englands besondere Stellung im göttlichen Heilsplan für die Propagierung einer aktiven Kriegspolitik eingesetzt werden konnte, zeigt auch Ronald G. ASCH, The Revelation of the Revelation. Die Bedeutung der Offenbarung des Johannes für das politische Denken in England im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Pečar / Trampedach (Hgg.), Die Bibel als politisches Argument, S. 315-331.

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englische Gemeinwesen lediglich durch weitergehende Reformmaßnahmen im Sinne einer vollständigen Hinwendung und Annahme der göttlichen Gesetze und Vorgaben bzw. im offensiven Kampf gegen die Feinde Gottes verhindert werden. Es war die beständige Bedrohung durch ein Außen, die zudem einen Raum für die Artikulation und Platzierung von Reformen öffnete. Aus der evidenten Gefahr für das gesamte Gemeinwesen wurden so in der Folge Vorgehensweisen abgeleitet, die als einzigen Ausweg letztlich innovatorische Maßnahmen zuließen. Im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass die anvisierten Reformen die etablierte Ordnung erheblich hätten beeinflussen oder in Teilen gar vollständig unterminieren können, wurden diese Innovationen im referentiellen Rahmen des Erwählungsmotivs verargumentiert, um sie dadurch letztlich akzeptabel zu gestalten und im Diskurs der Zeit zu legitimieren. Die postulierte Umkehr zu Gott und dessen Vorgaben sowie die damit verbundene Preisgabe der letzten Relikte einer ägyptischen Vergangenheit gerieten somit zur Affirmation innovatorischer Akte. In der Kanaan-Analogie, die für den irischen Schauplatz ab den 1570er Jahren sukzessiv ausgebildet worden ist, gingen die beiden Interpretationen englischen Erwählungsdenkens meiner Ansicht nach eine sehr spezifische Verbindung ein. Gefördert wurde dies durch eine jüngere Generation englischer Einwanderer, die nach der Niederschlagung der Kildare-Rebellion 1534 sukzessiv nach Irland gekommen waren. Diese von der Forschung gerne als New English bezeichneten Siedler bezogen in mehreren wichtigen Feldern eine zunehmend antagonistische Stellung zu den alteingessenen Eliten englischer Abstammung. 73 So konkurrierten sie nicht nur mit der altenglischen Elite um Ämter und politischen Einfluss, sondern vertraten auch oftmals eine konträre Auffassung dazu, wie man die irischen Verhältnisse ordnen sollte. Eng damit zusammen hingen auch divergierende religiöse Prämissen, vertraten die New English doch größtenteils einen aggressiven Protestantismus, der in dieser Form die lang bestehende Assimilationspolitik der zumeist katholisch gebliebenen altenglischen Siedler zu unterminieren drohte und mit deren altgläubigen Überzeugungen konfligierte.74 Die Kanaan-Analogie erlaubte den neu-englischen Siedlern nun, einerseits die innere Reformproblematik der englischen Diskussionen auf die irischen Zustände zu übertragen. Gerade der katholische Glaube der alt-englischen Siedler wurde in diesem Zusammenhang als ein wesentliches Hindernis weitergehender Reformen identifiziert, die somit als Bedrohung des Bundes stigmatisiert werden konnten. Neben der Anwendung des inneren Reformdiskurses vermochte die Kanaan-Analogie andererseits auch die außenpolitische Dimension zu reproduzieren, indem die ebenfalls zumeist katholische Bevölkerung Irlands als äußere Bedrohung dargestellt wurde. Vergleichbar mit den Stilisierungen Spaniens, Roms und anderer ‚antichristlicher Mächte‘ firmierten die Iren nun ebenfalls als ein Feind, dessen Bekämpfung ein notwendiger Bestandteil des mit Gott geschlossenen Bundes sei. In diesem Zusammen73 74

Vgl. einführend LENNON, Sixteenth-century Ireland, S. 199-202; Sean J. CONNOLLY, Contested Island. Ireland 1460-1630, Oxford 2007, S. 200-214. Siehe dazu u.a. Alan FORD, The Protestant Reformation in Ireland, in: Ciaran Brady / Raymond Gillespie (Hgg.), Natives and Newcomers. Essays on the making of Irish colonial Society 1534-1641, Suffolk 1986, S. 50-74; Colm LENNON, The CounterReformation in Ireland, 1542-1641, in: Ibid., S. 75-92.

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hang stellt die Kanaan-Analogie die Ausbildung eines radikalen politischen Konzeptes dar, das als Zuspitzung und Anpassung englischer Diskussionen im Kontext der irischen Bedingungen gesehen werden muss. Die radikalen und innovativen Züge des Gedankengutes legen die Vermutung nahe, dass die in Irland vorherrschenden Bedingungen tatsächlich ein Experimentieren mit Lösungsansätzen erlaubten bzw. evozierten, die in England selbst nicht ohne weiteres hätten implementiert werden können. In diesem Sinne konnte Irland in der Tat die Rolle jenes viel beschworenen Laboratoriums für englische Politik- und Gesellschaftskonzepte annehmen, in dem neuartige und/oder radikalere Mixturen getestet wurden.75 Ausschlaggebend hierfür war nicht zuletzt die neue Qualität der Konflikte mit den Iren, die sich seit den 1570er Jahren einer zunehmend konfessionell grundierten Argumentation bedienten, um sowohl im Inneren als auch im europäischen Ausland für Unterstützung im Kampf gegen die englische Herrschaft zu werben. Erst vor diesem Hintergrund kommt der Erwählungsidee in ihrer Modellierung als Kanaan-Analogie eine besondere Bedeutung zu, weil sie eine Reaktion auf diese qualitative Veränderung der Konflikte darstellte. Damit bildete sie zugleich eine neue Ingredienz im irischen Laboratorium, die dazu beigetragen hat, die erneute Eroberung und anschließende Kolonialisierung Irlands ideologisch einzufordern und zu rechtfertigen.

3. ‚T O F ASHION

A R EBELLION ‘ AUS KATHOLISCHER S ICHT



DER

N EUNJÄHRIGE K RIEG

Der Neunjährige Krieg war aus zunächst inneririschen Friktionen über die bedeutende und mächtige gälische Herrschaft Tyrone hervorgegangen, wo Hugh O’Neill, der zweite Graf von Tyrone, nach der Präeminenz in der Region Ulster strebte. 76 Hierbei konnte O’Neill zunächst auch auf die Unterstützung der englischen Krone setzen, die ihn gegen die Ansprüche rivalisierender Mitglieder des Clans O’Neill lange Zeit stützte.77 Bis in die späten 1580er Jahre hatte sich der Graf von Tyrone vor diesem Hintergrund einen beträchtlichen Herrschaftskomplex gesichert, dessen größter Vorteil sicherlich in einer rechtlichen Exemtion bestanden hatte, die fast einem Palati-

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Dazu etwa Jane H. OHLMEYER, A Laboratory for Empire? Early Modern Ireland and English Imperialism, in: Kevin Kenny (Hg.), Ireland and the British Empire, Oxford 2004, S. 26-60. Siehe zu diesen inneririschen Problematiken ausführlich MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 85-112; ELLIS, Ireland in the Age of the Tudors, S. 334-336; LENNON, Sixteenthcentury Ireland, S. 50-57 & 283-292; HAYES-MCCOY, The completion of the Tudor conquest, S. 112-121. Vgl. Henry A. JEFFERIES, Hugh O’Neill, Earl of Tyrone, c. 1550-1616, in: Charles Dillon / Ders. / William Nolan (Hgg.), Tyrone. History and society, Dublin 2000, S. 181-232, hier S. 189-193; zur Entwicklung der Herrschaft Tyrone siehe auch Hiram MORGAN, Gaelic Lordship and Tudor Conquest: Tír Eoghain, 1541-1603, in: History Ireland 13/5 (2005), S. 38-43.

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natsstatus gleichkam.78 Vertreter der englischen Administration in Irland beäugten diese Entwicklungen jedoch mit erheblichen Missfallen und versuchten in der Folge, der Entstehung eines übermächtigen Herrschaftskomplexes in Nordirland entgegenzuwirken. Demnach hätten englische Offiziere vor Ort wie Henry Bagenal, die sich von einer administrativen Durchdringung Ulsters nicht zuletzt finanzielle Vorteile erhofften, im Verbund mit den jeweils amtierenden Statthaltern in Dublin versucht, den Aufstieg O’Neills aktiv zu hintertreiben.79 Als unmittelbare Bedrohung musste in diesem Zusammenhang die neuerlich ventilierte Absicht gelten, die Herrschaft Tyrone in kleinere Einheiten zu zerteilen und an unterschiedliche Linien des Clans O’Neill zu vergeben. Gerade hiergegen hatten sich die Anstrengungen des Grafen gerichtet, weshalb unter anderem Nicholas Canny in der Bedrohung des etablierten Herrschaftskomplexes letztlich den entscheidenden Grund für den Umschwung in der Loyalität O’Neills und den folgenden Aufstand ausmachte. 80 Die Charakterisierung und Bewertung dieses Aufstandes unterliegen dabei bis heute zum Teil starken Variationen.81 Standish O’Grady zum Beispiel wollte Ende des 19. Jahrhunderts die Auseinandersetzung von ihren zu einseitigen nationalen Färbungen befreien, indem er den Konflikt als Kampf zwischen einer auf Zentralisierung gerichteten Monarchie gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen einiger großer Magnaten beschrieb, und dafür den Begriff des Nine Years’ War prägte.82 Dieser Deutung stand und steht eine dezidiert nationalistische Aufladung des Konfliktes gegenüber, die bereits von den Zeitgenossen betrieben und derart mitunter in spätere 78

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Vgl. Nicholas CANNY, Art. „O’Neill, Hugh“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]: „The English government accepted Tyrone as their leading servant in Ulster, and this grant implied that his lordship would remain outside the authority of any new provincial president or minor official. What he obtained was little short of palatine jurisdiction such as Ormond enjoyed in co. Tipperary […]“. Siehe Nicholas CANNY, Taking sides in early modern Ireland: the case of Hugh O’Neill, earl of Tyrone, in: Vincent P. Carey / Ute Lotz-Heumann (Hgg.), Taking Sides? Colonial and confessional mentalités in Early Modern Ireland. Essays in honour of Karl S. Bottigheimer, Dublin 2003, S. 94-115, hier S. 102-104; eine weniger, rein machtpolitische Perspektive auf O’Neills Handlungen nimmt dagegen Thomas O’CONNOR, Hugh O’Neill: free spirit, religious chameleon or ardent Catholic?, in: Hiram Morgan (Hg.), The Battle of Kinsale, Bray 2004, S. 59-72 ein. Siehe CANNY, Taking sides, S. 96 sowie die detaillierte Darstellung bei MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 139-166. Den besten Überblick zur historiographischen Debatte liefert MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 3-15; siehe auch Richard A. MCCABE, Fighting words: writing the ‚Nine Years War‘, in: Thomas Herron / Michael Potterton (Hgg.), Ireland in the Renaissance c. 15401660, Dublin 2007, S. 105-121. Siehe das Vorwort zur Edition Thomas STAFFORD, Pacata Hibernia or a history of the wars in Ireland during the reign of Queen Elizabeth especially within the province of Munster under the government of Sir George Carew, ed. von Standish O’Grady, 2 Bde., London 1892, hier Bd. 1, S. xxx: „For the controversy was not at all England versus Ireland, but the Crown, plus the majority of the nation, versus the great lords.“ (Hervorhebung im Original); MCCABE, Fighting words, S. 105.

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Darstellungen übernommen worden ist. So versah beispielsweise Matthew J. Byrne seine Edition einer Schrift des katholischen Geistlichen Peter Lombard von 1600 zum Neunjährigen Krieg mit dem Titel „The Irish War of Defence“.83 Byrne reproduzierte damit eine von Lombard selbst propagierte „Faith & Fatherland“-Ideologie, die charakteristisch für die späte Phase des Konfliktes sowie einige gälische Geschichtsdarstellungen des 17. Jahrhunderts war.84 Dem gegenüber stand eine Traditionslinie, die aus protestantisch-englischer Sicht den Konflikt als Aufstand eines renitenten, irischen Magnaten sah und ihm bisweilen machiavellistische Verhaltensweisen unterstellte, die stark an die Darstellung Moritz von Sachsens in der deutschen Historiographie erinnern. Vertreter dieser Ansicht tendierten in der Regel dazu, den Neunjährigen Krieg eher als „Tyrone’s Rebellion“ zu beschreiben. 85 Hiram Morgan rechtfertigte seine Wahl des Titels primär mit dem Hinweis auf ähnlich gelagerte Konflikte in anderen Teilen Europas, wo es ebenfalls zu ‚Rebellionen‘ gegen zentralistische Bestrebungen der Kronen gekommen sei. Sein bevorzugtes Vergleichsobjekt war dabei der niederländische Aufstand.86 Während Morgans Charakterisierung sicherlich aus heutiger, analytischer Perspektive zutreffender erscheint, entspricht sie doch keineswegs den zeitgenössischen, irischen Versuchen der Stilisierung und Repräsentation des Aufstandes. Diese waren im Gegenteil bestrebt, den gesamten Konflikt als legitimen Freiheitskampf eines katholischen Landes gegen ein unrechtmäßiges und ungläubiges Regime zu präsentieren. Diese Form der Stilisierung wurde durch gewisse Notwendigkeiten diktiert, sollte der Aufstand eine reelle Chance auf Erfolg haben. Primär muss in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit der Iren von kontinentaleuropäischer Hilfe genannt werden, die sich sowohl in materiellen als auch in ideologischen bzw. ideellen Leistungen niederschlagen konnte. So ist denn auch ein Grundzug des gesamten Aufstandes dessen ostentative Hinwendung zum katholischen Europa.87 Diese Hinwendung wurde durch mehrere Faktoren verstärkt: Erstens lockerten sich die traditionellen Bindungen irischer Lords beispielsweise nach Schottland, nachdem das Land zum protestantischen Glauben übergewechselt war. Der Aufrechterhaltung einer ‚pan-gälischen‘ Verbundenheit stand damit ein enormes Hindernis entgegen, 83 84

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Vgl. Peter LOMBARD, The Irish War of Defence 1598-1600. Extracts from the De Hibernia Insula commentarius, ed. von Matthew J. Byrne, Cork 1930. Siehe MCCABE, Fighting words, S. 107-121; zur gälischen Historiographie des 17. Jahrhunderts auch Salvador RYAN, Reconstructing Irish Catholic History after the Reformation, in: Katherine van Liere / Simon Ditchfield / Howard Louthan (Hgg.), Sacred History. Uses of the Christian Past in the Renaissance World, Oxford 2012, S. 186-205 und die Beiträge in Jason HARRIS / Keith C. SIDWELL (Hgg.), Making Ireland Roman. Irish NeoLatin writers and the republic of letters, Cork 2009. Vgl. MORYSON, An itinerary, Bd. 2, S. 165-466 zur Rebellion in Irland. Siehe MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 15, 219-221 sowie DERS., Hugh O’Neill, passim. Diese Dimension wurde erst in den letzten Jahren verstärkt untersucht. Siehe etwa Hiram MORGAN, Policy and propaganda in Hugh O’Neills connection with Europe, in: Thomas O’Connor / Mary Ann Lyons (Hgg.), The Ulster Earls and baroque Europe. Refashioning Irish Identities 1600-1800, Dublin 2010, S. 18-52; Mary Ann LYONS, French reactions to the Nine Years’ War and the Flight of the Earls, 1589-1608, in: Morgan (Hg.), The Battle of Kinsale, S. 241-254.

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welches sich nachgerade durch die Personalunion der Kronen Englands und Schottlands nochmals erhöhen sollte. Die Kluft zwischen der irischen und britischen Insel vertiefte sich vor diesem Hintergrund durch die Ausbildung und Festigung einer englisch- bzw. britisch-protestantischen Kultur auf der einen Seite bei einem gleichzeitigen Scheitern protestantischer Reformmaßnahmen in Irland auf der anderen Seite. 88 Das Auseinanderdriften einer protestantisch-englischen und einer zunehmend irischkatholischen Kultur bot zweitens Ansatzpunkte, um die sich eher ablehnend bis feindlich gegenüberstehenden Gruppen der autochthonen Bevölkerung und der altenglischen Siedlerschaft in einer neuen Gemeinschaft zu vereinen. Freilich mussten hier Vorurteile und Stereotype überwunden werden, die über Generationen kontinuierlich reproduziert und gepflegt worden waren.89 Drittens war die Hinwendung wichtig, um den irischen Kontext überhaupt in das Bewusstsein der katholischen Mächte Europas zu rücken. Dies war in zweifacher Hinsicht kein leichtes Unterfangen, musste das an der Peripherie Europas gelegene Land grundsätzlich ob seiner geographischen Position um die Aufmerksamkeit Zentraleuropas kämpfen. Zumeist durch englische Autoren vermittelt, galt die Grüne Insel den meisten Europäern als kulturell rückständig; seine Einwohner wurden durchweg als barbarische und unziviliserte Wilde beschrieben 90, und auch in ökonomischer 88

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Siehe dazu Steven G. ELLIS, The collapse of the Gaelic world, 1450-1650, in: IHS 31 (1999), S. 449-469, hier S. 463-469; DERS., Building the nation: patriotism and national identity in early modern Ireland, in: Robert von Friedeburg (Hg.), ‚Patria‘ und ‚Patrioten‘ vor dem Patriotismus. Pflichten, Rechte, Glauben und die Rekonfigurierung europäischer Gemeinwesen im 17. Jahrhundert [Wolfenbütterler Arbeiten zur Barockgeschichte, Bd. 41], Wiesbaden 2005, S. 169-191, hier S. 172; DAWSON, Anglo-Scottish Protestant Culture; DIES., Calvinism and the Gaidhealtachd in Scotland, in: Andrew Pettegree / Alastair Duke / Gillian Lewis (Hgg.), Calvinism in Europe, 1540-1620, Cambridge 1994, S. 231-253; DIES., Two Kingdoms or Three; Nicholas CANNY, The Intersections between Irish and British Political Thought of the Early-Modern Centuries, in: David Armitage (Hg.), British Political Thought in History, Literature and Theory, 1500-1800, Cambridge 2006, S. 67-88, hier S. 69f; zur gescheiterten Reformation in Irland Samantha A. MEIGS, The Reformations in Ireland. Tradition and Confessionalism, 1400-1690, Basingstoke u.a. 1997, S. 57-76; zuletzt zur Reformation in Irland Henry A. JEFFERIES, Elizabeth’s Reformation in the Irish Pale, in: JEH 66 (2015), S. 524-542; DERS., The Reformation in Ireland: interpretations old and new, in: History Ireland 24/2 (2016), S. 14-17. Siehe dazu u.a. MORGAN, Giraldus Cambrensis and the Tudor conquest of Ireland. Vgl. dazu die verschiedenen Quellenextrakte bei Andrew HADFIELD / John MCVEACH (Hgg.), Strangers to that Land. British Perceptions of Ireland from the Reformation to the Famine, Gerrards Cross 1994, S. 36-52; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 20-32; Edward M. HINTON, Ireland through Tudor Eyes, Philadelphia 1935; zur Verbeitung jener negativen Wahrnehmung der Iren über englische bzw. zuweilen sogar alt-englische Akteure in kontinentaleuropäischen Kontexten siehe etwa Albert J. LOOMIE, Richard Stanyhurst in Spain: Two Unknown Letters of August 1593, in: HLQ 28 (1965), S. 145155, hier S. 147 & 154; DERS., The Spanish Elizabethans. The English Exiles at the Court of Philip II., London 1963; DERS. (Hg.), English polemics at the Spanish Court. Joseph Creswell’s „Letter to the Ambassador from England“: the English and Spanish texts of 1606, New York 1993; O’CONNOR / LYONS (Hgg.), The Ulster Earls and Baroque Eu-

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Hinsicht schien Irland unterentwickelt und wenig attraktiv, konnte es doch noch nicht an dem sich ausprägenden Atlantikhandel partizipieren.91 Im Versuch, die peripheren Angelegenheiten Irlands ins Zentrum der europäischen Aufmerksamkeit zu transportieren, bildete andererseits eine Konkurrenzsituation der Iren mit den englischen Exilkatholiken ein erhebliches Problem. Beide Fraktionen buhlten und wetteiferten gleichermaßen um Aufmerksamkeit und Unterstützung der katholischen Mächte Europas, allen voran Spaniens und des Papsttums. Und obwohl beide Gruppen einen gemeinsamen Gegner hatten, kam es hier nur in Ausnahmefällen zu einer tatsächlichen Vereinigung. In der Regel standen sich beide Gruppierungen eher feindlich gegenüber, wobei neben der Konkurrenz um Ressourcen und Aufmerksamkeit auch die historisch gewachsenen, gegenseitigen Vorurteile eine wichtige Rolle spielten.92 Die Notwendigkeit, sich im europäischen Kontext gegen die Ansprüche und Interessen anglo-katholischer Exilanten behaupten zu müssen, führte zur Entwicklung spezifischer Strategien der Iren, um die jeweiligen Akteure zu adressieren. Die Aufständischen konnten in diesen Zusammenhängen zur bestmöglichen Platzierung ihrer Interessen zumeist auf historische Vorbilder und Vorgänge rekurrieren. Dergestalt waren in dieser Situation die päpstlichen Bullen Laudabiliter und Regnans in Excelsis ebenso von Bedeutung wie beispielsweise die Inanspruchnahme des ‚Milesischen Mythos‘. Gleichzeitig mussten diese einzelnen Punkte jedoch in irgendeiner Weise in einen übergeordneten Sinnhorizont reintegriert werden, um dem Aufstand eine innere Kohärenz und Zielstrebigkeit zu verleihen. Diesem Zweck diente die so genannte Faith & Fatherland-Ideologie, die aufbauend auf der Vorstellung Irlands als konstitutionell einheitlichem und souveränem Gebilde versuchte, alle in Irland lebenden Katholiken zu inkludieren.93 Freilich gilt es in der Folge darzulegen, dass jene von

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rope; zu Stanyhursts Leben und seinem Einstellungswandel gegenüber der irischen Bevölkerung siehe auch die Einleitung in Richard STANYHURST, Great deeds in Ireland. Richard Stanihurst’s De rebus in hibernia gestis, ed. und übers. von John Barry & Hiram Morgan, Cork 2013, S. 1-73. Zum Atlantikhandel u.a Hans-Heinrich NOLTE, Der Atlantik. Jugendzimmer des Weltsystems, in: Ulrike Schmieder / Ders. (Hgg.), Atlantik. Sozial- und Kulturgeschichte in der Neuzeit, Wien 2010, S. 13-28; siehe auch die Beiträge in Friedrich EDELMAYER / Erich LANDSTEINER / Renate PIEPER (Hgg.), Die Geschichte des europäischen Welthandels und der wirtschaftliche Globalisierungsprozeß, München 2001; REINHARD, Europa und die atlantische Welt, S. 766-795, 809-811, 814-819, 824-831; ein früher Entwurf, wie Irland an diesen Handelsströmen beteiligt werden könnte, findet sich in der von David Quinn edierten Schrift A Discourse of Ireland; weitere Projekte dieser Art nennt Nicholas CANNY, England’s New World and the Old, 1480s-1630s, in: Ders. (Hg.), The Origins of Empire, S. 148-169, hier S. 166f. Siehe dazu etwa Christopher HIGHLEY, Catholics writing the Nation in Early Modern Britain and Ireland, Oxford 2008, hier Kap. 5: English Catholics and Ireland, S. 118-150; vgl. auch den negativen Kommentar von Richard Stanyhurst zu den Iren in LOOMIE, Stanyhurst in Spain, S. 154. Vgl. grundsätzlich Hiram MORGAN, Faith and Fatherland or Queen and Country? An Unpublished Exchange Between O’Neill And The State At The Height Of The Nine Years War, in: Dúiche Néill 9 (1994), S. 9-65; DERS., Faith & Fatherland in SixteenthCentury Ireland, in: History Ireland 3/2 (1995), S. 13-20.

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Hiram Morgan herausgearbeitete Ideologie im Rahmen des Neunjährigen Krieges eine entscheidende Erweiterung erfuhr, die zwischen den übergeordneten konfessionellen Konflikten der Zeit und den genuin irischen Konstruktionsversuchen einer neuen katholischen Gemeinschaft vermitteln helfen sollte. Dies war der Rekurs auf ein providentielles und prophetisches Gedankengut, über das der Aufstand und die neu geschaffene Vorstellung eines katholischen Irlands mit einem göttlichen Zuspruch versehen wurden. Mit der Funktionalisierung eines solchen war zugleich die Absicht verbunden, der Rebellion im Gesamten den Ruch eines unrechtmäßigen Aufstandes und darüber hinaus Hugh O’Neill das Odium des machiavellistischen Realpolitikers zu nehmen. Im Zuge der Einpassung des irischen Aufstandes in die anglo-spanischen Auseinandersetzungen sowie der damit einhergehenden Proklamation einer katholischen Identität Irlands avancierte der Neunjährige Krieg schließlich zu einem fundamentalen Antagonismus, der zwischen zwei inkommensurablen Wahrheitsregimen ausgetragen wurde. Mit anderen Worten war es die Hinwendung zum katholischen Europa und dessen Prämissen, die den Konflikt gerade aus (neu-) englischer Sicht so brisant gestaltete. Im Folgenden sollen die einzelnen Elemente und Themen dieser Hinwendung nun eingehender dargelegt werden. 3.1 Die Rolle des Papsttums: Der Heilige Kreuzzug Das Gelingen des gesamten Aufstandes hing nicht unwesentlich davon ab, ob die revoltierenden Magnaten auch die alt-englischen Siedler für ihre Sache gewinnen konnten. Diese teilten in der Regel nicht nur die religiösen Überzeugungen der Aufständischen, sondern kontrollierten auch die wirtschaftlich wichtigen Städte. Die Gruppe der Old English hatte sich jedoch in vergangenen Revolten größtenteils zurückgehalten und war bestrebt, sich – trotz ihrer Konfession – mehrheitlich als loyale Untertanen der englischen Krone zu präsentieren. Diese Strategie teilten sie freilich mit vielen anderen englischen Katholiken, die versuchten, sich trotz ihres Glaubens vom Verdacht des Hochverrats zu befreien, indem sie immer wieder betonten, Elisabeth I. als ihre rechtmäßige Königin anzuerkennen. 94 Erleichtert wurde dies vor allem durch eine Deklaration Papst Gregors XIII. von 1580, wonach dieser auf Bitten englischer Jesuiten die katholischen Untertanen Elisabeths von den Verpflichtungen der Exkommunikationsbulle entband, die eigentliche Verurteilung der Königin aber aufrechterhielt. Die Vollstreckung der Bulle wurde lediglich bis zu einem Zeitpunkt ausgesetzt, an dem die Bestimmungen hätten umgesetzt werden können. Dieser

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Vgl. HOLMES, Resistance & Compromise, Kap. 1: Political Non-resistance, S. 11-78; Arnold PRITCHARD, Catholic Loyalism in Elizabethan England, London 1979, Kap. 3, S. 37-72; v.a. nach dem Vorfall mit Edmund Campion, in dessen Zuge die englische Obrigkeit versucht hatte, den katholischen Glauben per se als Hochverratsmoment zu etablieren. Siehe Michael A. R. GRAVES, Art. „Campion, Edmund“, in: ODNB, onlineAusgabe, Oxford 2008, URL: [20.03. 2017]; zur Bedeutung des Falles auch Peter LAKE / Michael QUESTIER, Puritans, Papists, and the „Public Sphere“ in Early Modern England: The Edmund Campion Affair in Context, in: JModH 72 (2000), S. 587-627.

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Schritt wurde allerdings von einer Mehrzahl der Katholiken als eine Art Suspension aufgefasst.95 Sollte der Aufstand folglich reüssieren, mussten die irischen Aufständischen die alt-englischen Katholiken aus deren ‚strategischer Passivität‘ reißen und von der Rechtmäßigkeit ihrer Sache überzeugen. Damit verbunden war zugleich die Bekämpfung eines grundsätzlichen Misstrauens gegenüber den Intentionen und Ambitionen Hugh O’Neills, das ein zweites bedeutendes Hindernis für den erfolgreichen Ausgang der Rebellion darstellte. Als kontraproduktiv offenbarten sich an dieser Stelle die Ursprünge des Aufstandes, die tatsächlich zunächst im Rahmen der inneririschen Machtkonsolidierung und Stabilisierung der gälischen Herrschaft Tyrone zu suchen waren.96 O’Neill selbst machte in einem Schreiben an König Jakob I. im Nachhinein das Verhalten der englischen Offiziellen vor Ort für den Ausbruch der Feindseligkeiten verantwortlich, deren Vorgehen und Gebaren die Sicherheit seiner Herrschaft bedroht hätten.97 Weitere Entwicklungen wie etwa die Annahme des gälischen Titels O’Neill (1595), der eine Oberhoheit über andere irische Magnaten in Ulster inklusive der damit verbundenen Regalien implizierte, konnten von englischer Seite als zusätzliche Indizien für ein persönliches Machtstreben interpretiert werden.98 Als repräsentativ für die Zweifel an Tyrones Absichten im Generellen sowie seiner Rolle als katholischem Freiheitskämpfer im Speziellen kann ein Ausspruch des Grafen von Essex angeführt werden. Jener hatte O‘Neill in einer persönlichen Unterredung vorgeworfen, er schere sich um die Religion ebenso sehr wie sein Pferd.99 Die Zweifel an der Integrität des Grafen sowie an dessen Absichten und Zielen waren ebenso hinderlich für die Bildung einer gemeinsamen Front zwischen irischen und alt-englischen Katholiken wie die vermeintliche Suspension der Exkommunikationsbulle. Beide Punkte konnten dazu benutzt werden, um einerseits eine Involvierung in die Kämpfe abzulehnen und andererseits die Rechtmäßigkeit der Unterneh95

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99

Siehe Arnold Oskar MEYER, England and the Catholic Church under Queen Elizabeth, London 1916, S. 135-139; Patrick J. CORISH, The origins of catholic nationalism [The History of Irish Catholicism, Vol. 8, Pt. 3], Dublin 1967, S. 15; MORGAN, Hugh O’Neill, S. 29; cf. Michael L. CARRAFIELLO, Rebus sic Stantibus and English Catholicism, 16061610, in: Recusant History 22 (1994), S. 29-40. Siehe dazu ausführlich MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 85-112; CANNY, Taking sides. Siehe das Schreiben Tyrone’s declaration of grievances, abgedruckt in: Charles P. MEEHAN, The fate and fortunes of Hugh O’Neill, earl of Tyrone, and Rory O’Donel, earl of Tyrconnell, 2. Aufl., Dublin 1870, S. 186-201, hier S. 192, wo O’Neill primär die unrechtmäßigen Machenschaften von Henry Bagenal und anderen englischen Offizieren und Amtspersonen für den Ausbruch der Kämpfe verantwortlich machte. Vgl. MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 19-24, 188f; siehe auch den Kommentar von George CAREY in A Discourse of Ireland, sent to Sir Robert Cecill, her majesty’s principal secretary, from Sir George Carey, 1601, ed. in: Desiderata Curiosa Hibernica, Bd. 1, Dublin 1772, S. 5-12, hier S. 6: „The common opinion received, and by the rebels published to be the principal motives of their late and former rebellions […] is supposed to be religion: but therein, let no man be deceived, for ambition only is the true and undoubted cause that moves the rebels, and others of this realm, to take arms.“ Siehe MORYSON, An itinerary, Bd. 2, S. 321: „Hang thee up, thou carest for religion as much as my horse.“; cf. O’CONNOR, Hugh O’Neill, S. 65.

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mung insgesamt zu diskreditieren. So war es von essenzieller Bedeutung für den Erfolg des Ganzen, eine entsprechende ideologische Stilisierung und Legitimation zu generieren, die zu einer Transformation des Konfliktes verhalf. Ein wichtiger Baustein in diesem Unterfangen bildete das Papsttum. Die Kurie konnte aufgrund ihrer Stellung innerhalb der Christenheit nicht nur zur Legitimation der Rebellion beitragen, sondern darüber hinaus juristische und militärische Unterstützung bereitstellen. Freilich zeichnete sich das Pontifikat Clemens’ VIII. (1592-1605) vor allem durch eine Zurückhaltung in der englischen Frage aus, die von seinen Vorgängern zumindest in propagandistischer Hinsicht nicht geteilt worden war. Im Besonderen war dem Oberhirten daran gelegen, eine uneingeschränkte Vormachtstellung Spaniens in Europa nach Möglichkeit zu verhindern, weshalb er zunächst nicht gewillt war, ein Engagement der spanischen Krone aktiv zu unterstützen. Im Gegenteil kämpfte er zu diesem Zeitpunkt sowohl in Italien als auch in Spanien selbst vor allem gegen einen zu starken Einfluss der spanischen Könige auf die Kirche. Gleichzeitig unterstützte der Pontifex die französischen Entwicklungen und förderte dort vor allem die Konversion Heinrichs IV.100 Mit dieser Neuausrichtung päpstlicher Politik korrespondierte eine ideengeschichtliche Wende, die die Rolle des Heiligen Stuhls – wie Peter Holmes in seiner klassischen Studie zum katholischen Widerstandsdenken der Zeit herausgestellt hat – ebenfalls in eher moderaten Zügen entwarf. Den Kristallisationskern dieser Sichtweise stellte die Veröffentlichung von Robert Bellarmins Theorie einer ‚indirekten‘, päpstlichen Macht über weltliche Fürsten dar, der seitdem die meisten englischen Autoren folgten.101 Der Papst sei demnach keineswegs aufgrund seiner kirchlichen Autorität auch tatsächlich Herr über alle weltlichen Herrschaften, sondern habe vielmehr die Pflicht, sich um Erhalt und Pflege des wahren Glaubens zu kümmern. Erst wenn dieser offensichtlich bedroht werden würde, könne und müsse der Stellvertreter Christi intervenieren.102 Die irischen Rebellen benötigten jedoch ein starkes Papsttum, weshalb ein wesentlicher Teil ihrer Propaganda auf die Hervorhebung der Zuständigkeit und Rolle 100 Zur Politik Clemens’ VIII. Ludwig VON PASTOR, Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters, Bd. 11: Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration, Klemens VIII. (1592-1605), 7. Aufl., Freiburg i. Br. 1927, Kap. 2 & 3 zu Frankreich, Kap. 4 zu Spanien; zur eher zurückhaltenden Politik Clemens’ VIII. auch Eckehart STÖVE, Häresiebekämpfung und „ragione di stato“. Die Protestanten und das protestantische Lager in den Hauptinstruktionen Clemens’ VIII., in: Georg Lutz (Hg.), Das Papsttum, die Christenheit und die Staaten Europas 1592-1605. Forschungen zu den Hauptinstruktionen Clemens’ VIII., Tübingen 1994, S. 53-66; zur Person Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1, bearb. und hrsg. von Friedrich Wilhelm BAUTZ, Hamm (Westf.) 1975, s. v. „Clemens VIII.“, Sp. 1057f. 101 Vgl. Robert BELLARMIN, Disputationes Roberti bellarmini politiani, societas Jesu, de controversiis Christianae fidei, adversus huius temporis haereticos, tribus tomis comprehensae, Ingolstadt 1586 (USTC 640032/Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel); cf. Stefania TUTINO, Empire of souls. Robert Bellarmine and the Christian commonwealth, Oxford u.a. 2010, S. 9-47. 102 Siehe HOLMES, Resistance & Compromise, S. 152-157; TUTINO, Empire of souls, S. 3944.

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der Kurie für ihren Fall ausgerichtet war. Die folgende Argumentationsstrategie wies eine historische und eine auf zeitgenössische Ereignisse Bezug nehmende Dimension auf. Im Rahmen einer historischen Argumentation war der Rekurs auf die Bulle Laudabiliter (um 1155) von entscheidender Bedeutung, durch die Papst Hadrian IV. Irland König Heinrich II. mit einer Vielzahl an Auflagen zu Lehen gegeben hatte. Unter anderem musste der englische Monarch versprechen, den christlichen Glauben wiederherzustellen, eine moralische Reform der irischen Gesellschaft zu initiieren, eine intakte Kirchenstruktur aufzubauen und zu beschützen sowie regelmäßige Abgaben an Rom zu entrichten.103 Die Bulle bildete im eigentlichen Sinne die Herrschaftsgrundlage der Engländer in und über Irland, da die Insel, wie Hadrian IV. feststellte, ohne jeden Zweifel unter die Gerichtsbarkeit Roms falle. 104 Diese Passage wurde gemeinhin derart interpretiert, dass Irland als päpstliches Lehen dem englischen König unter bestimmten Umständen auch wieder entzogen werden könne. 105 Laudabiliter mitsamt ihren Richtlinien und Vorgaben gewann gerade vor dem Hintergrund der protestantischen Reformmaßnahmen im 16. Jahrhundert an Aktualität und wurde von der Gruppe alt-englischer, katholischer Siedler sowie dem Klerus des Pales unter anderem als Argument gegen die Politik der Tudors in Irland eingesetzt,

103 Siehe zur Bulle MAGNUM BULLARIUM ROMANUM [nachfolgend MBR], Bd. 2, Turin 1859, Nr. 5, S. 627f; eine englische Version findet sich in English Historical Documents, Bd. 2: 1042-1189, ed. von David DOUGLAS / George W. GREENAWAY, 2. Aufl., London u.a. 1982, Nr. 159, S. 828-830. Es gab lange eine Kontroverse um die Echtheit der Bulle, wobei an der Intention des Papsttums, Irland an Heinrich II. zu übergeben, in der Regel nicht gezweifelt wurde. Dies ist auch durch anderes Quellenmaterial zur Genüge belegt. Siehe etwa die drei Briefe Papst Alexanders III. in: Ibid., Nrn. 160-162, S. 830-833; dazu auch J. F. O’DOHERTY, Rome and the Anglo-Norman Invasion of Ireland, in: Irish Ecclesiastical Record 5th Ser., 42 (1933), S. 131-145; zum historischen Kontext MARTIN, Coming of the Anglo-Normans, S. 56-66. 104 Siehe MBR, Bd. 2, S. 628: „Sane Hiberniam, et omnes insulas, quibus Sol iustitiae Christus illuxit, et quae documenta fidei christianae coeperunt, ad ius B. Petri et sacrosanctae Romanae Ecclesiae […] non est dubium pertinere.“ 105 Siehe etwa Advice of Archbishop Browne, 4. Dezember 1535, in: Constantia MAXWELL (Hg.), Irish History from contemporary sources 1509-1610, London 1923, S. 121, wo es heißt: „He [der Erzbischof von Armagh George Cromer – BQ] made a speech to them […] saying that [this] isle – as it is in their Irish chronicles, Insula Sacra – belongs to none but the Bishop of Rome [who] gave it to the King’s ancestors.“ (Hervorhebung im Original); zu dieser Meinung auch TNA, Sign. PRO SP 60/9, fol. 274 v; Calendar of State Papers relating to Ireland, Bd. 1: 1509-1578, ed. von Hans Claude HAMILTON, London 1860, Nr. 70, S. 56; KOHLER, Hegemonie, S. 158; SCARISBRICK, Henry VIII, S. 425, Anm. 1; Gregor XIII. aktualisierte diese Meinung 1580, indem er Irland als Lehen der Kurie bezeichnete. Siehe dazu Calendar of State Papers Foreign of the Reign of Elizabeth, Bd. 14: 1579-1580, ed. von Arthur John BUTLER, London 1904, Nr. 240, S. 207210, hier S. 208; Grundlage dieser Ansicht bildete eine Bestimmung aus der Konstantinischen Schenkung, wonach Kaiser Konstantin die geistlichen wie weltlichen Rechte über alle Inseln im Westen an Papst Sylvester I. übertragen habe. Siehe dazu HIGHLEY, Catholics writing the Nation, S. 129.

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um darüber nicht zuletzt den Status quo zu verteidigen und etwaige Neuerungen zu desavouieren.106 Gestützt und erweitert wurde jene Argumentationsrichtung durch die Bulle Regnans in Excelsis (1570), mit der Papst Pius V. die englische Königin offiziell exkommuniziert hatte. Damit einher ging die Verurteilung Elisabeths als Häretikerin, ihre Absetzung, die Entbindung ihrer Untertanen von deren Treueeid sowie die Androhung, dass alle Katholiken, die sich für die englische Königin einsetzten, ebenfalls der Exkommunikation verfallen würden.107 Die Kombination wesentlicher Aussagen beider Bullen sollte in der Folge den Grundstock der irischen Propaganda bilden. So hieß es beispielsweise in einem handschriftlich zirkulierenden Pamphlet Hugh O’Neills vom November 1599: „[M]any Catholikes [..] doe thinke themselves bound to obey the Queene as their lawfull prince which is denyed in respect that she was deprived of all such kingdomes, dominions and possessions which otherwise perhaps should not have been due unto hir and consequently of all subiects in so much as she is left a private person and noe man bound to give hir obedience and beyond this such as weare sworne to be faithfull unto hir weare by his holiness absolved from performance theirof, seeinge she is by a declaratory excommunication pronounced hereticke neither is their any revocacion of excommunication as some Catholikes most falsly for particular affeccion doe surmise; for the sentence was in the beginning given for heresie and for contynued heresie, the same was contynued, it is a thing voide of all reason that his holynes 108 should revoke the sentence she perseveringe in heresie […]“

Die Passage verweist auf mehrere entscheidende Feststellungen: erstens benutzt der Autor die Exkommunikation der Königin als legitimatorisches Mittel, um seinen Aufstand gegen die „Privatperson“ Elisabeth zu rechtfertigen. Zweitens bestreitet O’Neill alle Ansichten, nach denen Regnans in Excelsis suspendiert worden sei. Der letzte Teil des Zitats schafft schließlich die Verbindung zu Laudabiliter, da Elisabeth für ihre perennierenden, häretischen Auffassungen verurteilt worden sei. Ihre Herrschaft habe dem Land lediglich Häresie, endloses Morden und eine bösartige, abscheuliche Politik gebracht sowie es mit Dunkelheit und Ignoranz genährt, so dass es am Ende in einem Zustand der Barbarei und Unzivilisiertheit verharren müsse. 109

106 Siehe Thomas O’CONNOR, A justification for foreign intervention in early modern Ireland: Peter Lombard’s Commentarius (1600), in: Ders. / Mary Ann Lyons (Hgg.), Irish Migrants in Europe after Kinsale, 1602-1820, Dublin 2003, S. 14-31, hier S. 16f; James MURRAY, The diocese of Dublin in the sixteenth century: clerical opposition and the failure of the Reformation, in: James Kelly / Dáire Keogh (Hgg.), History of the Catholic diocese of Dublin, Dublin 2000, S. 92-111, hier S. 99-102. 107 Siehe MBR, Bd. 7, Turin 1862, Nr. 155, S. 810f; eine Edition mit englischer Übersetzung findet sich bei Geoffrey ELTON (Hg.), The Tudor constitution. Documents and commentary, Cambridge 1960, Nr. 197, S. 414-418. 108 Copie of a trayterous writing delyvered throughout Ireland by the Archtraytor, hugh late Earl of Tyrone, TRINITY COLLEGE DUBLIN, Sign. MS 578, fol. 31; eine Edition findet sich bei MORGAN, Faith and Fatherland or Queen and Country?, S. 30-32, hier S. 32. 109 Copie of a trayterous writing, S. 31.

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Hugh O’Neill bemühte an dieser Stelle bewusst ein Verfallsnarrativ, das darauf abzielte, die Grundlagen der Bulle Laudabiliter zu unterminieren und dadurch die alt-englischen Kritiken anzusprechen. Hatten die englischen Könige dereinst Irland mit der Auflage übereignet bekommen, dort den Glauben zu festigen und zu erhalten, so wollten die Aufständischen nun den Nachweis erbringen, dass genau diese Vorgaben spätestens mit der offiziellen Exkommunikation Elisabeths hinfällig geworden seien. Was das Rundschreiben lediglich anschnitt, wurde von dem alt-englischen, katholischen Geistlichen und späteren Erzbischof von Armagh Peter Lombard in seiner um 1600 entstandenen Schrift „De Regno Hiberniae, Sanctorum Insula, Commentarius“ zur Gänze entfaltet. Er sah es als erwiesen an, dass mit den religiösen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts die Vorgaben der Bulle Laudabiliter eindeutig verletzt worden wären.110 Heinrichs vor allem aus Zügellosigkeit geborenes Schisma sei unter seinem Sohn Eduard VI. zu einer vollständigen Häresie ausgewachsen, die unter Elisabeth nicht nur perpetuiert, sondern aufgrund ihres Geschlechts gewissermaßen pervertiert werde.111 Über Heinrich wurde ausgesagt, dass die von ihm vollzogene Verschmelzung von weltlichem und kirchlichem Führungsamt sowie die eigenmächtige Erklärung zum König von Irland gemäß Laudabiliter unzulässig gewesen seien. Analog dazu führte Peter Lombard in der Folge weitere Beispiele an, die allesamt darauf ausgerichtet waren, evidente Verstöße der Engländer gegen das Konstituens der Bulle anzuzeigen. Besonders schwer wogen seiner Meinung nach die vielen Gräueltaten, die von den Engländern im Verlauf ihrer Herrschaft verübt worden seien. Der Autor konnte damit etwa auf eine exzessive Gewaltanwendung seitens der neu-englischen Siedler und Tudor-Gouverneure verweisen, die sich unter anderem in der umfangreichen Anwendung des Kriegsrechts in Irland niedergeschlagen hatte.112 Als herausste110 Siehe Peter LOMBARD, De Regno Hiberniae, Sanctorum Insula, Commentarius, ed. von Patrick F. Moran, Dublin 1868, hier S. 113-116; die Schrift wurde aber erst 1632 in Löwen das erste Mal gedruckt. Vgl. Terry CLAVIN, Art. „Peter Lombard“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]. 111 Siehe LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 114; Lombard folgt hier einer Argumentation, die von Nicholas Sander vorgezeichnet worden war. Siehe dazu seine posthum erschiene Schrift Nicholas SANDER, De origine ac progressu schismatis Anglicani, libri tres, zuerst Rheims 1585. Die hier benutzte Ausgabe ist Ingolstadt 1586 (USTC 678008/Universitätsbibliothek Gent), S. 269f; eine Edition samt Übersetzung liegt ebenfalls vor. Siehe Nicholas SANDER, Rise and Growth of the Anglican Schism, ed. und übers. von David Lewis, London 1877, S. 237f; cf. Christopher HIGHLEY, ‚A Pestilent and Seditious Book‘: Nicholas Sander’s Schismatis Anglicani and Catholic Histories of the Reformation, in: HLQ 68 (2005), S. 151-171. 112 Siehe dazu u.a. Ciaran BRADY, The captains’ games: army and society in Elizabethan Ireland, in: Thomas Bartlett / Keith Jeffery (Hgg.), A military history of Ireland, Cambridge 1996, S. 136-159; David EDWARDS, Ideology and experience: Spenser’s View and martial law in Ireland, in: Hiram Morgan (Hg.), Political Ideology in Ireland, 1541-1641, Dublin 1999, S. 127-157; DERS., Beyond reform: martial law & the Tudor reconquest of Ireland, in: History Ireland 5/2 (1997), S. 16-21; Ronan KEANE, ‚The will of the general‘: Martial law in Ireland, 1535-1924, in: Irish Jurist 25-27 (1990-1992), S. 150-180; generell zum Problem der Gewalteskalation im Irland der Zeit David EDWARDS, The escalati-

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chendes Beispiel der jüngeren Geschichte führte Lombard die Geschehnisse von Smerwick (Dún an Óir, 1580) an, in deren Zuge englische Truppen ein Massaker an der aus italienischen und spanischen Söldnern bestehenden Besatzung begingen, die sich ihnen vorher ergeben hatte.113 Peter Lombard dehnte jedoch seine Kritik an der englischen Regierung auf weitere gesellschaftliche Bereiche aus und schuf dadurch sukzessiv einen Horizont, indem sich zunächst einzelne Beschwerden und partielle Phänomene zu einer generellen Verurteilung englischer Herrschaft verdichten konnten. So seien katholische Schulen geschlossen worden, die auch zur Unterweisung in Religionsfragen gedacht waren. Ferner betonte er die Enteignung des Kirchenbesitzes sowie den Zwang, dass alle Amtsinhaber den Suprematseid schwören müssten, der vor allem die Befugnisse und Vollmacht des Papstes negierte und die Königin als spirituelles und weltliches Oberhaupt Englands und Irlands bestätigte. Von besonderer Problematik war für Lombard indessen die Praxis, dass all jene, die den Eid verweigerten, quasi des Majestätsverbrechens verdächtigt wurden.114 Mit der Unterdrückung der katholischen Religion korrespondierte in der Darstellung Lombards die nachdrückliche Förderung und Ausbreitung protestantischen, und damit häretischen, Gedankengutes. Als Beispiel diente in diesem Zusammenhang die Gründung der Dubliner Universität 1592, die einzig mit protestantischen Professoren versehen worden sei und von ihren Studenten ebenfalls den Suprematseid verlange.115 Gerade die Gründung des Trinity College wurde von katholischen Autoren mit besonderem Argwohn bedacht, hielt man die Bildungsanstalt doch in erster Linie für ein Vehikel, um der irischen Jugend die englischen Häresien näherzubringen.116

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on of violence in sixteenth-century Ireland, in: Ders. / Pádraig Lenihan / Clodagh Tait (Hgg.), Age of Atrocity. Violence and political conflict in early modern Ireland, Dublin 2007, hier Paperback Ed., Dublin 2010, S. 34-78. Siehe LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 144; BYRNE (Hg.), Irish War of Defence, S. 11 & 13; Vincent P. CAREY, Atrocity and History: Sir Arthur Grey, Edmund Spenser and the Slaughter at Smerwick (1580), in: Edwards et al. (Hgg.), Age of Atrocity, S. 79-94; siehe auch die Beschreibung bei John HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, continued from the death of king Henrie the eight, 1546, vntill this present yere 1586 […], in: Raphael Holinshed, The Second volume of Chronicles, London 1586 (STC2 13569/Henry E. Huntington Library), S. 107-183, hier S. 171f; ferner A. M., The true reporte of the prosperous successe which God gaue vnto our English souldiours against the forraine bands of our Romaine enemies lately ariued […] in Ireland, in the yeare 1580, London 1581 (STC2 17124a/Cambridge University Library). Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 115f; zum elisabethanischen Suprematseid sowie den Konsequenzen siehe Caroline ROBBINS, Selden’s Pills: State Oaths in England, 1558-1714, in: HLQ 35 (1972), S. 303-321, hier S. 308-310; CANNY, Intersections, S. 69 sowie DERS., Formation of the Old English Elite, S. 24. Siehe LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 117. Das heißt, im Grunde blieb jedem überzeugten und praktizierenden Katholiken die Aufnahme am Trinity College verwehrt. Vgl. dazu Catholic View of the Purpose of Trinity College (1595-98), in: MAXWELL (Hg.), Irish History from contemporary sources, S. 123, wo es heißt: „[B]ut now, a year or two since, a new policy has been adopted, whereby England, devoted to heresy, may draw Ireland into the same snare, and bind it closer to itself. This is the building of a

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Während die Intention der Bulle Laudabiliter gerade darin bestand, eine Reform der Kirche in Irland durchzuführen, für die der englische König einstehen sollte, verdeutlichte Lombard durch solche Passagen den Umstand, dass spätestens seit der Regierungszeit Heinrichs VIII. die englischen Monarchen gegen deren Auflagen verstoßen hätten. Freilich war die Anhäufung von Belegen, wie und wo die Engländer die Entfaltung der irischen Gesellschaft absichtlich gehemmt und hintertrieben hätten 117, lediglich das Präludium zu einem weitaus wichtigeren Argument: und zwar insinuierte der Autor, dass der Papst angesichts derart offensichtlicher Häresien auf jeden Fall zuständig sei und aktiv werden müsse. Der Verfasser lieferte auch gleich einen Vorschlag für das weitere Verfahren, indem er dem Gedanken Ausdruck verlieh, der Pontifex könne bei einem offenkundigen Fehlverhalten der englischen Monarchen die Souveränität über Irland durchaus auf einen anderen Herrscher übertragen. Als Beleg dafür sollte nicht nur die erstmalige Übereignung Irlands an Heinrich II. dienen, sondern Lombard zitierte auch einen Brief von Papst Johannes XXII. an König Eduard II. (1307-1327), in welchem der Oberhirte den Plantagenet ermahnte, er solle sich an die Richtlinien von Laudabiliter halten oder Irland könnte an einen anderen Souverän übergehen.118 Im Versuch, das Papsttum im Hinblick auf den irischen Aufstand in seiner Bedeutung aufzuwerten, konnte Lombard zusätzlich auf eine von englischen Katholiken im Exil entwickelte Argumentationslinie rekurrieren. Nach dieser Sichtweise müsse das Papsttum im Hinblick auf England und Irland als der oberste Lehensherr der englischen Könige angesehen werden, da der englische König Johann im Jahr 1213 seine Krone mitsamt allen damit verbundenen Herrschaftsrechten an Papst Innozenz III. abgetreten habe. Thomas Stapleton schrieb dazu: „[H]e gaue ouer to the Pope, his crowne and kingdome: and receiued it againe at the Popes handes.“119 Der Lehnseid Johanns, das Königreich an die Kurie zu übergeben, stand spätestens seit dem durch Erzbischof Matthew Parker besorgten Druck der Historia Maior des Matthew Paris jedem Interessierten zur Verfügung. Darin hieß es explizit, dass Johann dem apostolischen Stuhl die Königreiche England und Irland inklusive aller dazu gehörenden

certain ample and splendid college beside Dublin, in which the Irish youth shall be taught heresy by English teachers. From this college a great danger threatens the Irish.“ 117 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 48, 108-110. 118 Siehe LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 111f; O’CONNOR, A justification, S. 17. 119 Thomas STAPLETON, A counterblast to M. Hornes vayne blaste against M. Fekenham, Löwen 1567 (STC2 23231/Harvard University Library), fol. 312r; dies war eine weitverbreitete Ansicht unter englischen Katholiken im Exil. Siehe etwa William ALLEN, An admonition to the nobility and people of England and Ireland concerninge the present vvarres made for the execution of his Holines sentence, by the highe and mightie Kinge Catholike of Spaine, Antwerpen 1588 (STC2 368/British Library), fol. Avr-v; Robert PERSONS / William ALLEN, A conference about the next succession to the crowne of Ingland, Antwerpen 1595 (STC2 19398/Henry E. Huntington Library), erstes Buch, fol. Fiv; John LESLIE, A treatise of treasons against Q. Elizabeth, and the croune of England, Löwen 1572 (STC2 7601/Henry E. Huntington Library), fol. 86r; HOLMES, Resistance & Compromise, S. 152-157.

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Rechte abtrete.120 Papst Paul IV. hatte diese Traditionslinie 1555 fortgesetzt, indem er die Herrschaft Heinrichs VIII. und Eduards VI. über Irland für illegitim erklärte und Kraft seiner Autorität das Königreich an Philipp II. und Maria Tudor übergab. 121 Die Anhäufung historischer Exempla für die unbestreitbare Zuständigkeit der Kurie im Falle Irlands war ein erster wichtiger Schritt hin zu einer stärkeren Einbindung Roms in die irische Causa. Wie ein intensiveres Engagement des Pontifex konkret aussehen konnte, führte Lombard am Beispiel vorausgegangener Aufstände in Irland vor Augen. Im Besonderen nannte er in diesem Zusammenhang die Revolten und Aufstände, die zwischen den Jahren 1578/79 und 1581 in Irland von Mitgliedern der Familie Fitzgerald sowie von James Eustace, dem Viscount Baltinglass, angezettelt worden waren. Auf die Inhalte und Themen, die im Rahmen dieser Konflikte zirkulierten, wird im folgenden Abschnitt zurückzukommen sein. An dieser Stelle interessiert dagegen die Position des damaligen Papstes Gregors XIII., der von Lombard als leuchtendes Vorbild für einen energischen und tatkräftigen Oberhirten angeführt wird. In der Beschreibung der Hilfsmaßnahmen Gregors offenbart sich zuletzt auch das Ansinnen Lombards, wenn er Gregors Bereitschaft herausstellt, die Aufständischen nicht nur mit einem Kontingent päpstlicher Truppen zu unterstützen, sondern ihnen auch einen Ablassbrief für ihren Kampf zu gewähren. 122 Die Legitimierung des irischen Kampfes durch dessen Gleichsetzung mit einem mittelalterlichen Kreuzzug war hernach der wesentliche Punkt eines päpstlichen Schreibens, welches Lombard zur Gänze zitierte: „[W]e granted to all who with contrition confessed their sins, and joined him and his army in defence and maintenance of the Catholic Faith […] a plenary indulgence and remission of all their sins, such as was usually granted by the Roman Pontiffs to those who went to war against the Turks, and for the recovery of the Holy Land […] Wherefore, with the greatest earnestness we can command, we, in the name of the Lord, exhort, require, and urge, all and every of you to hasten to the aid of the said John and his army against the heretics in every way as we advised you to aid the said James and […] we grant and extend […] the same plenary indulgence and remission of all your sins, as was granted to those who 123 fought against the Turks and for the recovery of the Holy Land“

Die Transformation des Konfliktes zu einem Kreuzzug muss als oberstes Ziel der Aufständischen im Hinblick auf die Verhandlungen mit der Kurie betrachtet werden. Darüber konnte nicht nur eine eigenständige Legitimation generiert werden, die 120 Vgl. Matthew PARIS, Historia Maior, London 1571 (STC2 19209/British Library), S. 316: „[C]onferimus et libere co[n]cedimus Deo & sanctis Apostolis ei[us] Petro & Paulo & sancte Romanae ecclesiae matrae nostre [matri nostrae] ac domino Pape [Papae] Innocentio eiusque catholicis successoribus totum regnum Angliae & totum regnum Hyberniae, cum omni iure ac pertinentiis suis“. 121 Siehe die Bulle Hiberniae insulam regio titulo aliisque regalibus praeeminentiis decorat, instantibus Philippo II Hispaniarum et Maria Angliae regibus, in: MBR, Bd. 6, Turin 1860, Nr. 1, S. 489f. 122 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 140f. 123 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 141f in der Übersetzung von BYRNE (Hg.), Irish War of Defence, S. 5 & 7.

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O’Neill und seine Gefolgsleute vom Vorwurf persönlicher Interessenverfolgung freisprechen sollte, sondern der Aufruf zu einem Heiligen Krieg produzierte eigene Bindekräfte, deren primäre Ziele die Mobilisierung der alt-englischen Siedlerschaft sowie eine Vereinigung zwischen Iren und Alt-Engländern im Horizont des Glaubenskrieges gewesen waren.124 Mit diesem Vorgehen griff Lombard einerseits auf die Revolten um 1580 zurück und stiftete eine Traditionslinie. Andererseits kopierte er damit jene Artikulationen und Methoden, die englische Katholiken im Zuge des Armadaunternehmens ventiliert hatten. So wurden beispielsweise in diesem Kontext eine Flugschrift sowie ein Flugblatt in englischer Sprache von William Allen vorbereitet, in denen er die Erneuerung der Exkommunikation Elisabeths durch Papst Sixtus VI. explizierte und den anstehenden „Religionskrieg“ gegen die englische Königin allein deshalb für gerecht und ehrenhaft erklärte, weil der Kampf durch den Segen der Kirche autorisiert worden sei.125 Die Erklärung des Heiligen und gerechten Krieges 126 war somit gleichermaßen eine Maßnahme, um den Ruch des Kampfes für private Interessen loszuwerden, wie auch ein Instrument, um ein gemeinsames Feindbild zu generieren und all jene zaudernden Katholiken in Irland in den Konflikt zu zwingen. In dieser Hinsicht war es demnach nur folgerichtig, dass mit der Forderung nach einer Erneuerung der Exkommunikation Elisabeths der Wunsch nach einer Bevollmächtigung verbunden wurde, die es O’Neill erlaubte, alle Gegner des Heiligen Krieges ebenfalls aus der

124 Nicht jeder Heilige Krieg war automatisch auch ein Kreuzzug, aber jeder Kreuzzug per definitionem ein Heiliger Krieg. Siehe zur Typologie Heiliger Kriege Egon FLAIG, ‚Heiliger Krieg‘. Auf der Suche nach einer Typologie, in: HZ 285 (2007), S. 265-302; die Kreuzzugsideologie bzw. ein Kampf gegen ‚Ungläubige‘ konnte sehr effizient konkrete Unterschiede politischer, kultureller, sozialer und sogar konfessioneller Natur überbrükken helfen. Siehe dazu DANIEL, The Legal and Political Theory of the Crusade, S. 38 sowie auch die Bemerkungen zum ‚Türkenkrieg‘ bei Holger Th. GRÄF, „Erbfeind der Christenheit“ oder potentieller Bündnispartner? Das Osmanenreich im europäischen Mächtesystem des 16. und 17. Jahrhunderts – gegenwartspolitisch betrachtet, in: Marlene Kurz et al. (Hgg.), Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie [MIÖG, Ergänzungsbd. 48], Wien/München 2005, S. 37-51, hier S. 43. 125 William ALLEN, A Declaration of the Sentence and deposition of Elizabeth, the vsurper and pretensed Quene of Englande, Antwerpen 1588 (STC2 22590/British Library); DERS., Admonition, fols. Diiv-Diiir, Civv und passim; siehe auch DERS., The copie of a letter vvritten by M. Doctor Allen: concerning the yeelding vp of the citie of Dauentrie vnto his Catholike Maiestie, by Sir VVilliam Stanley knight, Antwerpen 1587 (STC2 370/British Library), fol. Bir-v, wo Allen Elisabeth vorwirft, sie könne aufgrund ihrer Exkommunikation keinen gerechten Krieg führen, was nicht zuletzt die englischen Aktivitäten in den Niederlanden, Schottland und Frankreich diskreditieren sollte. 126 Zur Unterscheidung siehe Arnold ANGENENDT, Die Kreuzzüge: Aufruf zum ‚gerechten‘ oder zum ‚heiligen‘ Krieg?, in: Andreas Holzem (Hg.), Krieg und Christentum. Religiöse Gewalttheorien in der Kriegserfahrung des Westens [Krieg in der Geschichte, Bd. 50], Paderborn u.a. 2009, S. 341-367.

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Kirche ausschließen zu dürfen.127 Dies schien nun ein scharfes Werkzeug zu sein, um eine Drohkulisse für alle wahrhaft gläubigen Katholiken in Irland aufzubauen und gleichsam jene Suspensionsklausel von Papst Gregor XIII. auszuhebeln, auf die sich vor allem die alt-englischen Siedler lange Zeit zurückgezogen hatten. Am 18. April 1600 gewährte Clemens VIII. den irischen Aufständischen schließlich das ersehnte Breve. Darin reproduzierte der Papst jene von Lombard vorgezeichnete Kontinuitätslinie und stellte O’Neill in eine Tradition katholischer Freiheitskämpfer wie James Fitz Maurice und John Fitzgerald. Zugleich ernannte der apostolische Stuhl Tyrone zum Generalbefehlshaber der katholischen Armee in Irland und erklärte den Kampf zu einem Heiligen Krieg, der für alle Beteiligten die vollständige Vergebung der Sünden bedeutete.128 Die Vorbehalte vieler Katholiken in Irland gegenüber den Ambitionen und Absichten O’Neills blieben trotz der päpstlichen Unterstützung größtenteils bestehen. Aus diesem Grund sahen sich zuletzt die Universitäten Salamanca und Valladolid aufgefordert, alle bestehenden Unklarheiten an der Rechtmäßigkeit von O’Neills Kampf endgültig auszuräumen. In einem in englischer Sprache gedruckten Flugblatt vermerkten die spanischen Theologen dabei als letztlich entscheidenden Punkt für die Legitimität des Aufstandes, dass die Auseinandersetzung – analog zum Türkenkrieg – von der Kurie zu einem Heiligen Krieg gegen Häretiker erklärt worden sei, weshalb sich kein aufrechter Katholik diesem Unternehmen entziehen oder verweigern dürfe.129 Dieses Gutachten kam freilich viel zu spät, als dass es noch größere Auswirkungen im Rahmen des Neunjährigen Krieges hätte haben können. Allerdings erlangte es im 17. Jahrhundert verstärkte Aufmerksamkeit, nachdem Philip O’Sullivan Beare das Dokument in seinem Werk zur irischen Geschichte abgedruckt und als argumentative Grundlage zur Verteidigung von O’Neills Aufstand als gerechten Krieg gegen ein Unrechtsregime benutzt hatte.130 3.2 Faith & Fatherland Ohne Zweifel bildete die Kurie ein wesentliches Element in den Planungen der Aufständischen. Die päpstliche Unterstützung sollte dabei nicht nur eine ideologische Absicherung der Revolte liefern, sondern auch einen gemeinschaftstiftenden Faktor 127 Siehe dazu John HAGAN (Hg.), Some Papers Relating to the Nine Years’ War, in: Archivium Hibernicum 2 (1913), S. 274-320, hier bspw. Nr. 8, S. 283f; Nr. 14, S. 288f; Nr. 16, S. 290-292, hier S. 291; Nr. 21, S. 296; Nr. 23, S. 297-300, hier S. 299. 128 Zur Bulle Calendar of the Carew Manuscripts, Bd. 3: 1589-1600, ed. von John S. BREWER & William BULLEN, London 1869, hier Nachdruck Nendeln 1974, Nr. 5, S. 523, wo es heißt: „[W]e grant to all of you who follow and assist the said Hugh and the Catholic army, if you truly repent and confess, and if possible receive the holy communion, plenary pardon, and remission of all sins, – as usually granted to those setting out to the war against the Turks for the recovery of the Holy Land.“ 129 Vgl. An extracte of the determinacion, and censure of the Doctours of the vniuersities of Salamanca and Valledolid, touching the vvarres of Ireland, and declaracion of the Poape [sic!] his Breve concerning the same vvarres, Salamanca 1603 (STC2 21595/British Library). 130 Siehe dazu MORGAN, Making Ireland Spanish, S. 88f.

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in den Beziehungen der irischen und alt-englischen Siedler bilden. In diesem Punkt freilich beließen es Hugh O’Neill und seine Verbündeten nicht bei Appellen an ein oftmals wankelmütiges Papsttum. Vielmehr schufen sie aufbauend auf der katholischen Konfession als gemeinsamem Nenner eine ergänzende ideologische Rahmung des Konfliktes, die in ihren zentralen Elementen auf das Vermächtnis einer altenglischen Politik rekurrierte. Der Nukleus dieser Propaganda bestand aus einer Fusion von katholischem Glauben mit einer gesamtirischen Perspektive, wie sie im Rahmen der Erhebung Irlands zum Königreich und einer damit verbundenen Commonwealth-Rhetorik von alt-englischer Seite kultiviert worden war. Wie zuerst Brendan Bradshaw in diesem Zusammenhang beobachtet hat, neigte diese Gemeinwohl-Rhetorik dazu, ältere juristische und sozio-kulturelle Unterschiede zwischen (feindlichen) Iren und (loyalen) Engländern zu nivellieren, um darüber die unterschiedlichen politisch-kulturellen Gruppen in einer neuen nationalen Gemeinschaft zu vereinen.131 Hiram Morgan hat daran anknüpfend die Ausbildung einer zuerst in alt-englischen Kreisen virulenten „Faith & Fatherland“-Ideologie herausgearbeitet, die die gesamtirische Perspektive der konstitutionellen Einheit Irlands als Königreich mit den alt-englischen Commonwealth-Vorstellungen verband und dadurch eine spezifische Form eines ‚irischen Patriotismus‘ geschaffen habe.132 Freilich bleibt zu bedenken, dass sich dieser ‚Patriotismus‘ auf alt-englischer Seite nicht nur gegen die neu-englischen Parvenüs richten, sondern auch gezielt eine Abwertung der gälischen Bevölkerung implizieren konnte.133 Angesichts dieser vorherrschenden Ambivalenz im Verhältnis der irischen und alt-englischen Bevölkerung war es umso wichtiger, verbindende Elemente zu betonen. Die bereits erwähnten Aufstände von 1579/1580 hatten vor diesem Hintergrund eine Rhetorik gepflegt, die alle Katholiken in England und Irland zum Widerstand aufrief und damit explizit versuchte, die Grenzen zwischen alt-englischen Siedlern und Iren zu transzendieren. Als wegweisende Entwicklung in diesem Zusammenhang gestaltete sich die Verbindung eines alt-englischen Commonwealth-Patriotismus, der nachgerade, angereichert durch die religiösen Ideale der katholischen Reform des Kontinents, repatriiert wurde.134 Als Schlüsselereignis darf hier die so genannte zweite Desmond-Rebellion gelten, in der James Fitz Maurice Fitzgerald versucht hatte, mit Hilfe der Kurie einen landesweiten Aufstand zu initiieren.135 Obwohl Fitz Maurice selbst in einem unbedeutenden Scharmützel bald nach seiner Ankunft getötet wur131 BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 49-57, 263-275; zur praktischen Seite dieser Ausgrenzungen siehe auch MURRAY, The diocese of Dublin, S. 100f. 132 Siehe MORGAN, Faith & Fatherland, S. 13-16; BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 276-288; ELLIS, Building the nation, S. 180-184. 133 Wie dies bspw. zunächst bei Richard Stanihurst vorkommt. Siehe LENNON, Richard Stanihurst and Old English Identity, S. 129f. 134 Vgl. MORGAN, Hugh O’Neill, S. 27; DERS., Faith & Fatherland, S. 15-20; ELLIS, Building the nation, S. 183; Mícheál MAC CRAITH, The Gaelic reaction to the Reformation, in: Ellis / Barber (Hgg.), Conquest and Union, S. 139-161, hier S. 146; BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 288. 135 Grundlegend zur Person Anthony M. MCCORMACK, Art. „Fitzgerald, James fitz Maurice“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017].

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de, entwickelte sein angezettelter Aufstand eine Eigendynamik, die in der Folge den Bruder des amtierenden Grafen von Desmond, John Fitzgerald sowie den altenglischen Magnaten James Eustace, Viscount Baltinglass, ebenfalls zu Revolten veranlasste.136 Der Aufstand Fitz Maurices offenbarte mehrere wichtige und für die späteren Entwicklungen stilbildende Erscheinungen: Zuvorderst hatte er die Unterstützung Gregors XIII., der ihm nicht nur Truppen unterstellte, sondern diesem auch ein päpstliches Breve mit auf den Weg gab. Dieses rief alle Einwohner Irlands dazu auf, Fitz Maurice beizustehen und versprach im Gegenzug einen vollkommenen Ablass der Sünden.137 Im Besitz dieses Schreibens konnte Fitz Maurice in der Folge seinen Kampf als Heiligen Krieg und Kreuzzug gegen das tyrannische und häretische Regime Elisabeths führen. Unterstrichen wurde der religiöse Anspruch des Aufstandes zusätzlich durch eine entsprechende Symbolik, wie sie sich etwa im Zuge der Landung im Juli 1579 zeigte: „The expedition, arranged in processional order, landed at Dingle pier, shortly before noon on Saturday, 18 July, to the chant of the Litany of the Saints. Leading the procession were two Franciscans, bearing banners, one of which was the Papal Standard emblazoned with the emblem of the Holy Cross. A Bishop in mitre and crozier followed. Then came Fitzmaurice, Dr. 138 Sander, priests and friars, the members of Fitzmaurice’s family […]“

Von besonderer Bedeutung war hier jedoch nicht nur die aktive Unterstützung durch die Kurie, sondern mit Nicholas Sander gehörte auch ein führender englischer Exilkatholik zur Entourage Fitz Maurices. Durch seine Partizipation an der Unternehmung verwies Sander nicht zuletzt auf die Bedeutung Irlands im Prozess der katholischen Rückeroberung Englands und demonstrierte gleichsam, dass ethnischkulturelle Resentiments diesem Unterfangen abträglich waren. In der Person Nicho136 Siehe u.a. Anthony M. MCCORMACK, The Earldom of Desmond 1463-1583. The decline and crisis of a feudal lordship, Dublin 2005, S. 145-192; Ciaran BRADY, Faction and the Origins of the Desmond Rebellion of 1579, in: IHS 22 (1981), S. 289-312; Christopher MAGINN, The Baltinglass Rebellion, 1580: English Dissent or a Gaelic Uprising?, in: HJ 47 (2004), S. 205-232; Helen Coburn WALSHE, The Rebellion of William Nugent, 1581, in: R. V. Comerford et al. (Hgg.), Religion, Conflict and Coexistence in Ireland. Essays presented to Monsignor Patrick J. Corish, Dublin 1990, S. 26-52; zu den Personen Colm LENNON, Art. „Eustace, James“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017] und Christopher MAGINN, Art. „Fitzgerald, Sir John“, in: Ibid., URL: [20.03.2017]. 137 Siehe dazu Calendar of State Papers relating to Ireland [nachfolgend CSPI], Bd. 2: 1574-1585, ed. von Hans C. HAMILTON, London 1867, Nr. 5, S. 178; MCCORMACK, James fitz Maurice; MORGAN, Faith & Fatherland, S. 15f; DERS., Hugh O’Neill, S. 23f; zur militärischen Unterstützung siehe auch C. de la ROCHE, L’aventure de James Fitz Maurice. „Généralissime du Pape“ 1570-1579, in: Revue des études historiques 97 (1931), S. 117-126, hier S. 123f. 138 Myles V. RONAN, The Reformation in Ireland under Elizabeth 1558-1580 (from original sources), London u.a. 1930, S. 612.

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las Sanders manifestierte sich derart gewissermaßen die angestrebte Kooperation zwischen (alt-)englischen und irischen Katholiken, deren primäres Ziel ein aktiver Widerstand gegen die sich ausbreitende englische Häresie sein sollte.139 Was die personelle Unterstützung symbolisch andeutete, nahm in der Folge die von Fitz Maurice und seinen Verbündeten lancierte Propaganda auf. Die Aufständischen betonten im Besonderen den Kampf für ‚ihr Land‘ und den rechten Glauben, und schufen aus dieser Verbindung heraus eine spezifische Patria-Vorstellung Irlands. Wichtig in diesem Zusammenhang war, dass es ein kollektives Identifikationsangebot sowohl für irische als auch für alt-englische Katholiken darstellen sollte. So kämpften sie explizit nicht gegen die englische Krone, sondern gegen die zur Privatperson erklärte Elisabeth, die sich in illegitimer und tyrannischer Art und Weise immer noch die Herrschaftsrechte anmaße.140 In Briefen an irische und alt-englische Magnaten bedienten sich Fitz Maurice und Sander141 jenes neuen gemeinschaftstiftenden Patriotismus‘ weidlich, um die Rebellion festigen und ausdehnen zu können. So heißt es in einem der Briefe: „[W]e are fighting for our faith and for the Church of God; and next, defending our country, and extirpating heretics, and barbarians, and unjust and lawless men.“142 Zu weiteren Gelegenheiten sprachen beide vom „common good and weal of this noble Ireland“, von „our dear country“ oder von der Begeisterung im Kampf zur Ehre Gottes und des eigenen Landes. 143 Ergänzend dazu reproduzierten sie in englischen und lateinischen Proklamationen die wesentlichen Elemente der Exkommunikationsbulle und erklärten, Elisabeth sei eine Häretikerin und Usurpatorin und hauptsächlich für die vielen Tumulte und Aufstände in diversen Teilen Europas verantwortlich.144 Die Untaten Elisabeths, worauf die Exkommunikation durch Papst Pius V. folgte, spielten auch bei der Herstellung eines katholischen Solidaritätsgefühls innerhalb der brititschen Inseln eine zentrale Rolle. So bezogen Fitz Maurice und Sander in einer 139 Zur Rolle Sanders HIGHLEY, Catholics writing the Nation, S. 131-137; Thomas McNevin VEECH, Dr. Nicholas Sanders and The English Reformation, 1530-1585, Löwen 1935, hier S. 259-292; zur Person auch Thomas F. MAYER, Art. „Sander, Nicholas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2014, URL: [20.03.2017]. 140 Vgl. VEECH, Nichols Sander, S. 263. 141 Angesichts der Komposition der Schreiben kann ziemlich sicher davon ausgegangen werden, dass Nicholas Sander hier mit seinen rhetorischen Fähigkeiten involviert war. Vgl. HIGHLEY, Catholics writing the Nation, S. 132; VEECH, Nicholas Sander, S. 262. 142 Vgl. John O’DONOVAN (Hg.), The Irish Correspondence of James Fitz Maurice of Desmond, in: Journal of the Kilkenny and South-East Ireland Archaeological Society, New Ser. 2 (1859), S. 354-369, S. 362. Ähnlicher Wortlaut Ibid., S. 363. Zu weiteren Briefen an verschiedene irische Magnaten siehe CSPI, Bd. 2, Nrn. 32-36, S. 172f sowie RONAN, Reformation in Ireland, S. 616-621. 143 Siehe die Schreiben bei RONAN, Reformation in Ireland, S. 616-621; MAC CRAITH, Gaelic reaction, S. 145 144 Siehe O’DONOVAN (Hg.), The Irish Correspondence of James Fitz Maurice, S. 364-369; siehe auch Father Sanders the Jesuit [sic!], to the Catholick Nobility and Gentry of Ireland, to stir them to Rebellion, 21. Feb. 1580, in: Henry ELLIS (Hg.), Original letters, illustrative of English history, 2nd Series, Bd. 3, London 1827, Nr. 217, S. 92-97.

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beachtlichen Passage die englischen Katholiken als potentielle Bündnispartner und Unterstützer mit ein, indem sie vor allem die Bewohner der nordwestlichen Grafschaften (Cumberland, Cheshire, Lancashire und Wales) dazu aufriefen, sich einem Kampf gegen das „Kreuz Christi“ und dessen Vikar auf Erden zu verweigern. 145 Diese Perspektive irischer Aufstände deutete eine neue Qualität in den Auseinandersetzungen zwischen protestantischem England und den katholischen Gruppen in Irland an. Der Einbezug der katholischen, nordwestlichen Grafschaften darf nicht nur als Referenz auf die geographische Position verstanden, sondern muss vielmehr vor dem Hintergrund der Northern Rebellion von 1569 gesehen werden. Der Aufstand im Norden Englands spiegelte in gewisser Weise die späteren Probleme in Irland wider, insofern als ein Zustrom ‚vertrauenswürdiger Protestanten‘ in die nördlichen Territiorien zu verzeichnen war, die sukzessiv die lokale Elite ersetzten. Damit einher ging oftmals eine rücksichtslose Aneignung von ehemaligem Kirchengut, welches sich eigentlich im Besitz von lokalen Familien befand oder zur Verwaltung an diese übereignet worden war. Hinzu kamen zuletzt Versuche einer verstärkten Durchsetzung protestantischer Glaubensinhalte, wozu unter anderem die Entfernung und Zerstörung überkommener religiöser Bildnisse und anderweitiger Kirchenausstattung gehörten. Letztlich muss das Vorgehen des Zentrums in dieser Region als geballter Einbruch von Innovationen in unterschiedlichen Bereichen wahrgenommen worden sein, was den Kampf für den alten und wahren Glauben gleichsam an den Kampf für einen traditionellen Lebensvollzug sowie eine althergebrachte, bekannte und akzeptierte Ordnung koppelte.146 Im Zuge der Aufteilung des Konflikts in eine gute alte Ordnung, die es zu bewahren bzw. wiederherzustellen galt, und eine schlechte neue, mutierte die Revolte am Ende zu einem katholischen Befreiungskampf gegen ein häretisches und innovatorisches Regime. 147 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Fitz Maurice und seine Verbündeten hier auf diesen Aufstand Bezug nehmen wollten, um eine Traditionslinie zu stiften. Eine Traditionslinie, die nicht zuletzt darauf ausgerichtet war, die ethnisch-kulturellen Vorurteile von Engländern und Iren im Hinblick auf die geteilte Katholizität zu nivellieren und im Rekurs auf ein gemeinsames Feindbild eine neue Front gegen England zu etablieren.148 Im Zuge des Neunjährigen Krieges übernahmen Hugh O’Neill und seine Mitstreiter sodann ab 1596 die zentralen Elemente dieser Rhetorik und passten ihre öffentlichen Äußerungen schnell den historischen Vorbildern an. So hatten die Konföderier145 O’DONOVAN (Hg.), The Irish Correspondence of James Fitz Maurice, S. 365f; eine ähnliche Perspektive der Zusammenabeit zwischen englischen, schottischen und irischen Katholiken eröffnete Sander auch in einem Brief an Ulicke Burke. Siehe Dr. Sanders to Ulicke Burke, 27. Okt. 1579, in: Calendar of the Carew Manuscripts, Bd. 2, Nr. 134, S. 159. 146 Siehe zu diesen Prozessen auch die funktional gleichen Abläufe im Zuge der Western bzw. Prayer Book Rebellion im Abschnitt C, Kap. 3.1 und 3.2 dieser Arbeit. 147 Siehe u.a. FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor Rebellions, S. 102-115; Mervyn JAMES, The concept of order and the Northern rising, 1569, in: P & P 60 (1973), S. 49-83. 148 So kopierten die Aufrufe von Fitz Maurice und Sander wesentliche Passagen der Proklamationen, die die revoltierenden Adligen im Zuge der Northern Rebellion herausgegeben hatten. Siehe dazu etwa The proclamation of the earls, 1569, in: FLETCHER / MACCULLOCH, Tudor rebellions, S. 163, Dok. 22.

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ten in einem Rundschreiben an die Nobilität Munsters aus dem selben Jahr klar gemacht, dass sie deren Unterstützung in einem Krieg für „Christ’s Catholic religion“ suchten.149 An Papst Clemens VIII. schrieb O’Neill im April 1600, dass er seinen Kampf gegen die englische Königin „pro Romana et pro libertate patriae“ führe. 150 Der Ansatz einer spezifischen „Faith & Fatherland“-Propaganda gewann vor allem mit der Annäherung der militärischen Auseinandersetzungen an das Pale deutlich an Konturen. Die Leitlinien dafür wurden prägnant in seiner Proklamation von 1599 zusammengefasst: „I will employe myselfe to the utmost of my power in their defence and for the extirpation of heresie, the plantinge of the Catholike Religion, the deliverie of our country of infinite murders, wicked and detestable policies by which this kingdom was hetherto governed, nourished in obscuritie and ignorance, mayntained in barbarity and incivility and consequently of infinite evills 151 which weare to lamentable to be rehearsed.“

In ganz ähnlicher Weise wie später Peter Lombard schilderte O’Neill hier eine Verfallsgeschichte der Grünen Insel, die ihren Ursprung in der Herrschaft eines fremden Potentaten gehabt hätte, dessen einziges Ziel es gewesen sei, die Bevölkerung der gesamten Insel zu unterdrücken und in einer quasi pharaonischen Unzivilisiertheit und Barbarei zu halten. An seinen irischen Standesgenossen James Fitzpiers schrieb O’Neill 1598: „And forasmuch as it is lawful to die in the quarrel and defence of the native soil, and that we Irishmen are exiled and made bond slaves and servitors to a strange and foreign prince, having 152 neither joy nor felicity in anything, remaining still in captivity […]“

In einem vergleichbaren Schreiben an den alt-englischen Adligen David Barry, Viscount Buttevant, vom 13. Februar 1600 ventilierten O’Neill und Desmond ähnliche Parolen: „We have, for the maintenance of the Catholic religion to be planted in this realm, as also for expelling our enemies from the continual treachery and oppressions used towards this our poor country undertaken a journey to visit those places which as yet have not joined in that godly en153 terprise.“

Die irischen Aufständischen versuchten in dieser Situation also an eine spezifische Traditionslinie des aktiven, religiös grundierten Widerstandes anzuknüpfen und für ihren eigenen Kampf fruchtbar zu machen. Der beabsichtigten Kreation einer ‚gesamtirischen‘, katholischen Gemeinschaft stand dabei ein englisches Feindbild gegenüber, welches vor allem durch das gewaltsame Vorgehen zumeist neu-englischer 149 150 151 152

Calendar of the Carew Manuscripts, Bd. 3, Nr. 244, S. 179. HAGAN (Hg.), Some papers relating to the Nine Years War, S. 290. Copie of a trayterous writing, S. 30f. CSPI, Bd. 7, Nr. 168(ii), S. 358f, hier S. 358; ferner O’Neill to [Edward Gybbon] the White Knight, in: CSPI, Bd. 8, Nr. 19, S. 8. 153 CSPI, Bd. 8, Nr. 123(i), S. 493.

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Offiziere und Siedler, der Bedrohung des adligen Besitzes durch die diversen Ansiedlungsprojekte, der zunehmenden Ausbreitung von Häresie und eines damit einhergehenden rapiden Verfalls des Gemeinwesens gekennzeichnet sei. 154 Der Grad an Antipathie, den viele Mitglieder der alt-englischen Gemeinde den Neuankömmlingen entgegenbrachten, wird in einem Brief des Anwalts Nicholas White 155 deutlich. Er verurteilte die unnötig gewalttätige Regierung der englischen Offiziellen im Land, attestierte den New English ein fehlendes Feingefühl für die Belange Irlands und betonte dabei gleichzeitig deren Hang zur Korruption.156 Alles in allem würden die neuenglischen Siedler lediglich ihren eigenen Vorteil suchen und gefährliche Neuerungen anstreben.157 Mit der Beschuldigung, die New English seien ‚Innovatoren‘, hatte White sie nicht nur – wie Nicholas Canny betonte – in einem Bezugsrahmen verortet, der in dieser Zeit vor allem mit dem Gedankengut Niccolò Machiavellis assoziiert wurde, sondern auch Allusionen zu puritanischen und presbyterianischen Umtrieben in England selbst geschaffen.158 Beides war freilich am englischen Hof der Zeit äußerst unbeliebt. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konkurrenz zwischen den beiden englischen Siedlergruppen in Irland müssen auch die im November 1599 veröffentlichten 22 Artikel gesehen werden. Sie stellen eine Ergänzung und Erweiterung der Faith & Fatherland-Propaganda dar. Während die ersten sieben Punkte genuin religiöse Forderungen beinhalteten, war ein Großteil der restlichen Artikel eine Art Köder, um spezifisch alt-englische Interessen zu bedienen. Die religiösen Punkte umfassten unter anderem die freie Ausübung des katholischen Glaubens in ganz Irland, die Wiedereinsetzung des Papstes als Oberhaupt der Kirche von Irland, die ausschließliche Besetzung von Kirchenämtern mit Iren und die Restauration sämtlicher Kircheneinrichtungen und des dazu gehörenden Landes sowie der entsprechenden Abgaben. Die restlichen Artikel verlangten unter anderem den freien Verkehr von Menschen und Waren, den Abbau bestehender Hindernisse für den Aufstieg der Iren 154 Vgl. CSPI, Bd. 7, Nr. 161, S. 348-350, hier S. 349; MORGAN, Faith & Fatherland, S. 1520; DERS., Faith and Fatherland or Queen and Country?, S. 11, 13f und passim; DERS., Policy and Propaganda, S. 27-29. 155 Nicholas White stammte aus einer angesehenen Familie des Pales und war fast zwanzig Jahre lang in der Dubliner Administration u.a. als Master of the Rolls tätig. Siehe zur Person Jon G. CRAWFORD, Art. „White, Nicholas“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]. 156 Vor allem das gewalttätige Vorgehen der neu-englischen Siedler stellte ein massives Problem dar. Siehe Vincent P. CAREY, Elizabeth I and State Terror in Sixteenth-Century Ireland, in: Donald Stump / Linda Shenk / Carole Levin (Hgg.), Elizabeth I and the ‚Sovereign Arts‘: Essays in Literature, History and Culture [Medieval and Renaissance Texts and Studies, Vol. 407], Tempe 2011, S. 201-216; EDWARDS, The escalation of violence, passim. 157 Nicholas White to Burghley, 23. Dez. 1581, in: TNA, PRO SP 63/87/55, fol. 151r-152v; die quasi ‚historische Verantwortung‘ und gute Administration der alt-englischen Siedler im Vergleich zu den neu-englischen betont auch Richard HADSOR, Discourse on the Irish State (1604), ed. von Joseph McLaughlin, in: IHS 30 (1997), S. 337-353, hier S. 345-349. 158 Vgl. CANNY, Identity Formation in Ireland, S. 167; cf. Felix RAAB, The English face of Machiavelli. A changing interpretation 1500-1700, London 1964, S. 30-76.

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innerhalb der englischen Administration, die Errichtung einer katholischen Universität sowie freien Zugang zu allen Bildungsstätten für Iren in Irland und England.159 Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass Begriffe wie „Irish“ und „Irishman“ im Sinne der neuen Patria-Vorstellungen gesehen werden müssen, hier also die altenglischen Siedler miteinschlossen. Aus diesem Grund bemerkte Hiram Morgan treffend, dass die Artikel vor allem ein erhebliches Zugeständnis an die Gruppe der Old English in wirtschaftlicher wie auch administrativer Hinsicht gewesen seien. 160 Robert Cecil hat diese Liste von Forderungen nicht ganz zu Unrecht mit dem Wort „Ewtopia“ versehen.161 Um dieses ‚Utopia‘ Wirklichkeit werden lassen zu können, musste vor allem eine starke Phalanx aus irischen und alt-englischen Katholiken gebildet werden. Die Faith & Fatherland-Rhetorik hatte kein anderes Ziel, als bestehende und vielfach reproduzierte Stereotype, die Iren und Alt-Engländer als zwei distinkte Ethnien mit divergierenden kulturellen Prägungen präsentierten, abzubauen und an deren Stelle eine neue kollektive Identifikationsmöglichkeit zu errichten. Neben der Kultivierung eines gemeinsamen Feindbildes, einem spezifischen Patriotismus sowie der geteilten Religion gab es hier schließlich auch erste Ansätze, die ethnischen Zugehörigkeitskriterien direkt anzugehen. Im Zentrum stand die Konstruktion einer neuen Ursprungserzählung durch eine Flexibilisierung der eigentlich starren, auf Reinheit und Anciennität bedachten ethnischen Herkunftserzählungen.162 So argumentierte Peter Lombard, dass die alt-irische Nobilität zwar ihren Ursprung in Spanien und Skythien hatte, die normannischen und damit alt-englischen Familien aber ebenfalls einen weitverzweigten, europäischen Stammbaum aufweisen würden. Demnach stamme die Familie de Burgos beispielsweise aus Burgund und Frankreich, die Familie Fitzgerald aus Italien, wohingegen die Butlers tatsächlich aus England kämen. 163 Insgesamt zeichnete er damit ein pluralistisches und vor allem inkludierendes Bild irischer und altenglischer Familien, welches zur Fundierung einer neuen gesamtirischen Gruppenidentität beitragen sollte.164 3.3 Verhandlungen mit Spanien Die Verhandlungen mit Spanien konnten 1596 unmittelbar vor dem Abschluss eines Friedensvertrages zwischen den Aufständischen und der englischen Krone in ein Bündnis überführt werden.165 Die irischen Konföderierten erhofften sich vom spanischen Königshof vor allem militärische Unterstützung in Form von Truppen sowie 159 Zu den Artikeln siehe CSPI, Bd. 8, Nr. 55, S. 279f. 160 MORGAN, Policy and Propaganda, S. 31; DERS., Hugh O’Neill, S. 27; MAC CRAITH, Gaelic reaction, S. 146. 161 CSPI, Bd. 8, S. 279. 162 Siehe O’CONNOR, A justification, S. 18. 163 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 5f. 164 Siehe zur wichtigen, fundierenden Wirkung solcher Herkommensnarrative u.a. Klaus GRAF, Ursprung und Herkommen. Funktionen vormoderner Gründungserzählungen, in: Hans-Joachim Gehrke (Hg.), Geschichtsbilder und Gründungsmythen [Identitäten und Alteritäten, Bd. 7], Würzburg 2001, S. 23-36. 165 Siehe dazu MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 206-213.

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Waffen- und Munitionslieferungen. Darüber hinaus waren Hugh O’Neill und seine Verbündeten aber auch an engeren Kontakten interessiert, die in zweifacher Hinsicht beurteilt werden können: Einerseits konkurrierten die Iren um Ressourcen und Aufmerksamkeit mit anderen katholischen Gruppen wie beispielsweise den englischen Exilanten, die für eine neuerliche spanische Intervention in England warben. In diesem Rahmen musste es folglich darum gehen, die eigenen Interessen und Absichten bestmöglich im Spiel um Aufmerksamkeit zu platzieren, damit der Aufstand überhaupt eine reelle Chance auf Erfolg haben konnte. Peter Lombard warf den englischen Exilanten in diesem Zusammenhang gar vor, sie würden gegen den irischen Aufstand aktiv opponieren und zu einer Diffamierung O‘Neills beitragen. 166 Andererseits konnten Spanien und die spanischen Niederlande als Zufluchtsort dienen, sollte die Revolte wider Erwarten einen negativen Ausgang nehmen. Hier durften die Unterlegenen nicht nur ihren Glauben frei ausüben, sondern konnten auch mit einer erleichterten Aufnahme in der stetig anwachsenden irischen Gemeinde rechnen.167 Dass man mit englischen Katholiken um Ressourcen und Aufmerksamkeit wetteifern musste, stellte ein nicht zu unterschätzendes Hindernis in der Formierung einer gemeinsamen Identität von Alt-Engländern und Iren dar. Letztere setzten in diesem Zusammenhang zum einen auf die Aktualisierung einer spezifischen Herkunftserzählung, die im Gegensatz zur englischen Seite die enge, historische Verflechtung zwischen Spaniern und Iren betonte. Demnach seien die Iren eigentlich Abkommen und Nachfahren des spanischen Königs Milesius gewesen, dessen Söhne 1342 v. Chr. von Spanien aus Irland erobert hätten. Nach der Eroberung hätten sodann 181 Könige spanischer Abstammung in ununterbrochener Abfolge über die Grüne Insel geherrscht.168 Die unter dem Namen „Milesischer Mythos“ bekannt gewordene Ursprungserzählung erfreute sich im 16. Jahrhundert großer Beliebtheit169 und wurde 166 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 158f. 167 Siehe Micheline WALSH, The Military Order of Saint Patrick, 1593, in: Seanchas Ardmhacha 9 (1979), S. 274-285, hier S. 280, Anm. 3; MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 208f & S. 209, Anm. 134; Bernadette CUNNINGHAM, Native Culture and Political Change in Ireland, 1580-1640, in: Brady / Gillespie (Hgg.), Natives and Newcomers, S. 148-170, hier S. 155-157 & 167; Ciaran O’SCEA, Special Privileges for the Irish in the Kingdom of Castile (1601-1680): Modern Myth or Contemporary Reality?, in: David Worthington (Hg.), British and Irish Emigrants and Exiles in Europe, 1603-1688, Leiden/Boston 2010, S. 107-124; zum Phänomen, dass viele Iren in spanischen Diensten versuchten unterzukommen, siehe GARCÍA HERNÁN, Ireland and Spain, S. 321-325; Gráinne HENRY, The Irish military community in Spanish Flanders, 1586-1621, Blackrock 1992. 168 Siehe MORGAN, Making Ireland Spanish, S. 97. 169 Zum Mythos John CAREY, Did the Irish Come from Spain? The Legend of the Milesians, in: History Ireland 9/3 (2001), S. 8-11; der Mythos wurde spätestens mit dem sog. Book of Invasions, einem pseudo-historischen Werk aus dem 12. Jahrhundert in Form gegossen und von da an kontinuierlich reproduziert. Siehe dazu u.a. R. A. Stewart MACALISTER (Hg.), Lebor Gabála Erenn. The Book of the Taking of Ireland, 5 Bde., Dublin 19381956; Liam Ó BUACHALLA, The ‚Lebor Gabala‘ or book of invasions of Ireland, in: Journal of the Cork Historical & Archeological Society 67 (1962), S. 70-79; Myles DILLON, Lebor Gabhála Érenn, in: Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland 4th Ser., 86 (1956), S. 62-72.

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gerne herangezogen, um Bündnisgesuche irischer Aufständischer an spanische Monarchen mit einer zusätzlichen Reliabilität zu versehen. 170 Derart machte der spanische Unterhändler Alfonso Cobos bei seinen Verhandlungen mit den Iren 1596 nachdrücklich darauf aufmerksam171 und verwies im Rahmen einer Rede vor den versammelten irischen Magnaten darauf, dass deren Vorfahren ursprünglich aus der Biskaya gekommen wären.172 Cobos reproduzierte damit zeitgenössische Vorstellungen, die auch in Madrid bekannt waren. So hatte ein irischer Exilant im Jahr 1593 in einem Schreiben an den spanischen König, indem er um Unterstützung ersuchte, erklärt: „The kingdom of Ireland is populated by Spanish Biscayans.“173 Über die Aktualisierung des Milesischen Mythos sollte eine Verflechtung beider Gemeinwesen dargestellt und eine Interessengemeinschaft postuliert werden. Wie zuletzt Anuschka Tischer ausführte, hatte die Schaffung derartiger Gemeinschaften primär den Zweck, bestehende nationale Abgrenzungen zu überbrücken und eine proklamierte Souveränität der einzelnen europäischen Gemeinwesen zu transzendieren. Ziel des Ganzen sei letztlich die Plausibilisierung von Eingriffen in souveräne Herrschaftsgebiete gewesen.174 Im konkreten Fall nutzten die Aufständischen die konstatierte Verflechtung beider Gemeinwesen dazu, um Philipp II. als ihren rechtmäßigen König anzuerkennen und diesen Schritt mit einer historischen Fundierung zu versehen.175 Gleichzeitig konnte darüber dem spanischen König eine Handlungsaufforderung kommuniziert werden, welcher mit der Anerkennung der Iren als seine Untertanen für deren Schutz und Schirm verantwortlich war. Im Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit des Königs konnte dies ein wichtiges Faustpfand zugunsten der Iren bedeuten. Als zusätzlich verlockendes Angebot musste der Appell an den Monarchen gelten, im Nachgang einer erfolgreichen Rebellion einen geeigneten habsburgischen Prätendenten für den dann vakanten Herrschaftsposten über Irland zu ernennen. Im 170 Bereits 1528 hatte ein Agent des Earl of Desmond versucht, darüber die Unterstützung Karls V. zu gewinnen. Siehe dazu sowie zu weiteren Verwendungen des ‚Milesischen Mythos‘ MORGAN, Hugh O’Neill, S. 34; zu diesen frühen Bündnisgesuchen auch GARCÍA HERNÁN, Ireland and Spain, S. 11f; DOWNEY, Irish-European integration, S. 102-110. 171 Zur Gesandtschaft Cobos’ CSPI, Bd. 5, Nr. 2, S. 516; Nr. 13, S. 517; Nr. 18(v), S. 518; Calendar of State Papers Spain Bd. 4: 1587-1603, ed. von Martin A. S. HUME, London 1899, Nr. 634-637, S. 618-620; MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 208-211; JEFFERIES, Hugh O’Neill, S. 200. 172 TNA, PRO SP 63/190, Nr. 42(1); MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 208. 173 WALSH, The Military Order of Saint Patrick, S. 280, Anm. 3 & S. 283 (Zitat). Ähnliches hatte 1588 bereits der ebenfalls exilierte Bischof von Killaloe, Cornelius O’Mulrian, geäußert. Vgl. MORGAN, Hugh O’Neill, S. 34, Anm. 72. 174 Vgl. Anuschka TISCHER, Grenzen der Souveränität: Beispiele zur Begründung gewaltsamer Einmischung in „innere Angelegenheiten“ in der Frühen Neuzeit, in: HJb 131 (2011), S. 41-64, hier S. 53f; DIES., Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit. Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis [Herrschaft und soziale Systeme in der Frühen Neuzeit, Bd. 12], Berlin 2012, hier S. 158-160. 175 Vgl. CSP Spain, Bd. 4, Nr. 635, S. 619; CSPI, Bd. 5, Nr. 71 (viii), S. 409f.

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Rahmen der 1596 geschlossenen Allianz baten die Aufständischen Philipp II. ganz formell, er solle einen passenden Nachfolger bestimmen. Wunschkandidat der Rebellen war Kardinal Erzherzog Albrecht, Statthalter der Spanischen Niederlande. 176 Dieser Schritt versuchte auf der einen Seite den spanischen Hof enger an die irische Situation zu binden. Auf der anderen Seite wirkte man damit auch zahlreichen Gerüchten um die Ambitionen des rebellierenden Grafen von Tyrone entgegen. Um das Bündnis mit den anderen irischen Magnaten nicht unnötig zu belasten und die Vorwürfe persönlichen Machtstrebens zu entkräften, hatte Hugh O’Neill eine eventuelle Königswürde für sich selbst frühzeitig abgelehnt. 177 Gerade im Hinblick auf die alt-englische Siedlerschaft war dies ein überaus wichtiger Vorgang, um die Gefahr einer Desavouierung des gesamten Unternehmens zu verhindern. Die irischen Avancen in Madrid konnten gleichwohl zu einer Hypothek werden, wenn die alt-englischen Siedler die spanische Intervention als weitaus größere Gefahr und Bedrohung ihrer eigenen Lage wahrnahmen als die Bedrückungen durch neuenglische Offizielle. Zudem war es nicht unbedingt einsichtig, warum die Herrschaft Elisabeths I. durch einen fremden Potentaten, zu dessen Volk die Old English keine derart exklusive Beziehung vorweisen konnten wie ihre irischen Nachbarn, ersetzt werden sollte; und dessen Anspruch auf Irland noch dazu aus sich selbst heraus eher zweifelhaft erscheinen musste. Was an dieser Stelle für eine nachhaltige Interessengemeinschaft zwischen Iren und Alt-Engländern notwendig erschien, war eine Harmonisierung und Integration der einzelnen Elemente und Themen des Aufstandes. Wesentlich dabei war die Berücksichtigung der zentralen Wegmarken sowohl irischer als auch alt-englischer Identität, die nachgerade in ein neues, vereinendes Konzept überführt werden konnten. 3.4 Katholischer Exodus und die Suche nach einem Gott gesandten Erlöser Das grundlegende Problem der irischen Aufständischen bestand darin, die unterschiedlichen Interessen einzelner Akteure auszutarieren. Wie gesehen, gab es hierbei eine deutliche Diskrepanz zwischen der Gruppe der alt-englischen Siedler auf der einen und den irischen Akteuren auf der anderen Seite. Während die irischen Konföderierten mit ihrer Propaganda Anschluss an das katholische Europa suchten, und dadurch zugleich eine der englischen Identitätskonstruktion diametral entgegengesetzte Politik entwarfen, versuchte das Gros der Alt-Engländer noch einen Platz in der neuen englischen Gemeinschaftsvorstellung zu finden. Die von Hiram Morgan herausgearbeitete Faith & Fatherland-Politik bot eine Grundlage, um die bestehende Kluft zu überbrücken. Unzweifelhaft war die initiierte Propagandamaschinerie der Versuch, ein neues Identifikationsangebot für alle in Irland lebenden Katholiken zu etablieren. Freilich reichte die Evokation von Glauben und Vaterland nicht aus, um die-

176 Siehe bspw. den Brief O’Neills und O’Donnells an den spanischen König, 16. Mai 1596, in: CSP Spain, Bd. 4, Nr. 638, S. 620; MORGAN, Tyrone’s Rebellion, S. 210; DERS., Hugh O’Neill, S. 33 jeweils mit weiteren Belegen. 177 Vgl. dazu etwa seine Erklärung in Copie of a trayterous writing, S. 31; zu den Hintergründen auch MORGAN, Hugh O’Neill, S. 33.

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ser neuen, vorgestellten Gemeinschaft178 Substanz zu verleihen. Wie bereits Ernest Renan festgestellt hatte, gehörte zu dieser Substantialisierung vor allem eine gemeinsame Geschichte, die geteiltes Erbe wie geteiltes Leid aufweisen müsse. Für Renan wiegte das „Gemeinsam-gelitten-haben“ weitaus mehr als Erinnerungen an gemeinsam errungene Triumphe: „Jawohl, das gemeinsame Leiden verbindet mehr als die Freude. In den gemeinsamen Erinnerungen wiegt die Trauer mehr als die Triumphe, denn sie erlegt Pflichten auf, sie gebietet ge179 meinschaftliche Anstrengungen.“

Im Kontext des Neunjährigen Krieges fand jene Leidensgemeinschaft ihren zeitgenössischen Ausdruck in der Vorstellung, die in Irland lebenden Katholiken würden die Tyrannei Elisabeths ebenso ertragen müssen wie ehedem das Volk Israels das ägyptische Joch. Diese Stilisierung fügte sich in die vorherrschenden providentiellen Muster der Zeit ein und versah die Konstruktion einer Gemeinschaft nachgerade mit einer transzendentalen Vergewisserung. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, ermöglichte der Vergleich mit dem Volk Israels zudem zwei wichtige Vorgänge: Einerseits konnte man einen Anschluss an übergeordnete Artikulationen finden, die im Rahmen des anglo-spanischen Konfliktes getätigt wurden. Andererseits konnte die gemeinschaftstiftende Vorstellung eines geteilten Leidens unter einer tyrannischen Herrschaft auch den Ausgangspunkt für eine Erhebung bilden, wenn es gelang, die verstreuten Energien durch die Erwartung eines katholischen Erlösers zu bündeln und zu kanalisieren. Eine Vorbildfunktion übte dabei sehr wahrscheinlich die Philipp II. zugeschriebene Rolle eines von Gott auserkohrenen Befreiers aus. Vermutlich im Wissen um die Affinität des spanischen Königs zu einem Glauben an göttliche Vorsehung und Eingriffe Gottes in das Wirken der Menschen 180 schrieben ihm englische Katholiken

178 Vgl. klassisch die Studie von Benedict ANDERSON, Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2., erw. Aufl. der Neuausgabe 1996, Frankfurt a. M./New York 2005 (Erstausgabe unter dem Titel Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London 1983); siehe auch M. Rainer LEPSIUS, Nation und Nationalismus in Deutschland, in: Ders., Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S. 232-246, hier S. 233, der von einer „gedachten Ordnung“ spricht. 179 Ernest RENAN, Was ist eine Nation? Vortrag an der Sorbonne, gehalten am 11. März 1882, in: Ernest Renan, Was ist eine Nation? Und andere politische Schriften, übersetzt von Maria Fehringer und Henning Ritter, Wien 1995, S. 41-58, hier S. 57. 180 Geoffrey PARKER, The Place of Tudor England in the Messianic Vision of Philip II of Spain, in: TRHS 6th Ser., 12 (2002), S. 167-221; DERS., David or Goliath? Philip II and his world in the 1580s, in: Richard L. Kagan / Ders. (Hgg.), Spain, Europe and the Atlantic world. Essays in honour of John H. Elliott, Cambridge 1995, S. 245-266, hier S. 248, 256-262; generell zu einem messianischen Gedankengut am spanischen Hof der Zeit auch Enrique GARCÍA HERNÁN, Pio V y el mesianismo profético, in: Hispania Sacra 45 (1993), S. 83-102; kritisch dazu Edward TENACE, Messianic Imperialism or Traditional Dynasticism? The Grand Strategy of Philip II and the Spanish Failure in the Wars of the 1590s, in: Tonio Andrade / William Reger (Hgg.), The Limits of Empire: European Im-

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im Exil daher eine herausgehobene Stellung innerhalb eines göttlichen Planes zur Rückeroberung Englands zu. Philipp firmierte dergestalt etwa als Salomon, der den Frieden innerhalb der Christenheit wiederherstellen und mit der Restitution der Glaubenseinheit den Tempel neu errichten würde.181 Im Hinblick auf die englischen Verhältnisse wurde er zudem als biblischer Obadja angesprochen, der die israelitischen Propheten vor der grausamen Isebel retten müsse. 182 Der König galt für viele englische Katholiken der Zeit gar als ein neuzeitlicher Moses, der die Unterdrückten bald aus ihrer Knechtschaft befreien und ins Gelobte Land führen würde.183 Mit der Rolle Philipps II. korrespondierte die Vorstellung englischer Katholiken als unterdrückte Israeliten, die unter einem gottlosen und tyrannischen Regime zu leiden hatten. Elisabeth firmierte in dieser Darstellung sodann unter anderem als Isebel, Athalia, Maacha, Herodias oder Eudoxia.184 Ein die Abwertung ergänzendes Attribut stellte ferner die Konnotation der elisabethanischen Ordnung als einer aus sexueller Unzucht und schädlicher Dekadenz geborenen Herrschaft. In Anlehnung an marianische Geschichten der Reformation suggerierten Autoren wie William Allen oder Nicholas Sander, die Königin sei Frucht einer zweifelhaften bzw. sogar inzestuösen Beziehung: Anne Boleyn habe einerseits Unzucht mit ihrem Bruder getrieben und andererseits in einem Verhältnis der Verwandtschaft zu Heinrich VIII. gestanden, welches durch die Beziehung des Königs zu deren Schwester und Mutter entstanden sei.185 Entscheidend war, dass jene Beziehung zwischen Heinrich und Anne oftmals als Ausgangspunkt diente, um die henrizianische Reformation an sich als Ausgeburt von sexueller Lust, Ausschweifung und einem grundlegend unchristlichen, tugendlosen Verhalten zu präsentieren.186 Diese Merkmale können zugleich als Evidenz für ein grundsätzlich antichristliches, hier also ägyptisches Anderes angeführt werden, mit dem sodann weitere Phänomene wie Verkehrung der guten Ord-

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perial Formations in Early Modern World History. Essays in Honor of Geoffrey Parker, Farnham 2012, S. 281-307. PARKER, Messianic Vision of Philip II, S. 181. Robert PERSONS, A relation of the King of Spaines receiving in Valliodolid, and in the Inglish College of the same towne […], Antwerpen 1592 (STC2 19412.5/Cambridge University Library), S. 30. Siehe die Beispiele bei HOLMES, Resistance & Compromise, S. 143f; ferner die Beispiele der direkten Verbindung Philipps II. zu Gott bei PARKER, Messianic Vision of Philip II, S. 174-185. ALLEN, Admonition, fol. Cir-v; SANDER, De origine ac progressu schismatis Anglicani, S. 271; DERS., Rise and Growth, S. 240; siehe auch Adam BLACKWOOD, De Iezabelis Angliae Parricidio [1587?], in: Adami Blacvodaei, Opera Omnia, Paris 1644 (Bayerische Staatsbibliothek München), S. 458-467. Vgl. etwa ALLEN, Admonition, fols. Avr, Avir; Annes Unzucht mit dem eigenen Bruder sowie mit anderen Freiern wird beschrieben bei SANDER, Rise and and Growth, S. 133; zur angeblichen Vaterschaft Heinrichs Ibid., S. 23f; cf. HIGHLEY, A Pestilent and Seditious Book, S. 163f. Siehe dazu die vorzügliche Studie von Thomas BETTERIDGE, Tudor Histories of the English Reformations, 1530-83, Aldershot 1999, hier S. 120-136; SANDER, Rise and Growth, S. 101: „Certainly it is true that this marriage has opened a door to every heresy and to every sin.“

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nung, moralischer Verfall, Habgier, Korruption, innere Unruhen etc. assoziiert wurden.187 Direkte Angriffe auf die Königin waren freilich konjunkturell bedingt und blieben eher eine Ausnahme, wohingegen ihre Berater regelmäßig das Ziel katholischer Attacken bildeten. Vergleiche mit antiken Despoten und Tyrannen wie Nero oder Barbaren wie den Vandalenkönigen Geiserich (428-477) und Hunerich (477-484) waren in diesem Zusammenhang nicht selten.188 Insgesamt tendierten katholische Autoren dazu, England als ein Land voller Häretiker, Tyrannen, Schismatiker, Epikuräer und anderer gottloser Gestalten darzustellen.189 Prägnant fasste William Allen diese Charakterisierung zusammen und sprach von einer „machiavellistischen Gottlosigkeit“, welche die Aktivitäten der Tudors nach Innen und Außen auszeichnen würde.190 Die katholischen Autoren invertierten im Rahmen der Explikation ihrer Vorwürfe eine protestantische Erzählung, indem sie deren Religionsauffassung und -ausübung kurzerhand mit Götzendienst, Gottlosigkeit und Häresie gleichsetzten. In geschickten Assoziationen wurden in der Folge die wertenden Etiketten von alt und neu mit den protestantischen Neuerungen verknüpft, woraus zuletzt ein Verfallsnarrativ mitsamt einer katholischen Leidensgeschichte resultierte. Demnach habe das tyrannische und antichristliche Regime der Königin die letzten Reste der alten wahren Kirche, wie sie unter Maria Tudor restituiert worden sei, zerstört. Wahrhaft gläubige Christen zwinge man entweder zu Konversion oder Flucht, wobei in diesem Fall deren Güter konfisziert würden. Ferner sei die rechtmäßige Thronerbin Maria Stuart von einem niederträchtigen Regime ermordet worden. Zuletzt seien der alte Klerus und die alte Nobilität sukzessiv durch eine neue Elite ersetzt worden, deren Mitgliedern es indes an den für Amt und Würden notwendigen christlichen Tugenden mangele, was unter

187 Vgl. ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 21: „Die ganze Konstellation von Israel und Ägypten ist symbolisch und steht für eine ganze Reihe von Unterscheidungen und Gegensätzen. Aber die leitende Unterscheidung ist die zwischen wahrer Religion und Götzendienst.“ 188 Siehe u.a. SANDER, Rise and Growth, S. 243f; Robert PERSONS, An Advertisement to a secretarie of my L. Treasvrers of Ingland, by an Inglishe Intelligencer […], Antwerpen 1592 (STC2 19885/British Library), fol. Avir-Biv; Richard VERSTEGAN, A declaration of the true causes of the great troubles, presupposed to be intended against the realme of England, Antwerpen 1592 (STC2 10005/Henry E. Huntington Library), fols. Aivv-Biir, Diiv-Diiiv und passim; eine klassische Kritik an den bösartigen Beratern ist ferner The copie of a leter, vvryten by a Master of Arte of Cambrige, to his friend in London […], Paris 1584 (STC2 5742.9/Bodleian Library); weitere Beispiele bei HOLMES, Resistance & Compromise, S. 140f; ALFORD, Burghley, S. 315f; HOULISTON, Catholic Restistance, S. 50-70; CLANCY, Papist Pamphleteers, S. 15f, 26-28, 30-36. 189 Vgl. etwa ALLEN, Admonition, fols. Avv-Avir, Aviiiv, Biiir; DERS., Declaration; SANDER, Rise and Growth, S. 242; zusammenfassend auch CLANCY, Papist Pamphleteers, S. 1443; HOULISTON, Catholic Resistance, 60-70; HOLMES, Resistance & Compromise, S. 136-146. 190 ALLEN, Admonition, fol. Bivv; ähnlicher Vorwurf an Burghley bei VERSTEGAN, Declaration, fol. Diiir.

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anderem an deren offenkundiger Neigung zu Habgier, Bestechlichkeit und Wollust abzulesen sei.191 Der Vorwurf eines machiavellistischen, also tugendlosen, Vorgehens verband in der Folge die inneren Problematiken mit den außenpolitischen Aktivitäten des elisabethanischen Englands. Hier wiederholten sich Vorwürfe, dass ihre Regierung entgegen jeglichen Rechts und zum Schaden der gesamten Christenheit offenkundige Rebellen in Schottland, Frankreich und den Niederlanden unterstützen würde, Piraterie aktiv fördere und betreibe, und auch nicht davor zurückschrecke, mit den Türken gegen christliche Fürsten zu paktieren.192 Es ist anzumerken, dass das geschilderte Leiden englischer Katholiken analog zu den alttestamentlichen Israeliten eine zunächst passive Konstruktion war. Mit dieser Form der Selbststilisierung stifteten die unter der Herrschaft Elisabeths lebenden Katholiken einen Sinn, der es ihnen ermöglichte, die Notwendigkeiten der Herrschaft einer häretischen Königin und die Verbundenheit zu ihrem Glauben in einem entsprechenden identitären Angebot in Einklang zu bringen. Vergleichbar mit protestantischen Stilisierungen unter Maria Tudor stellten sie sich nun als kleine verfolgte Herde dar, die sich gezwungenermaßen mit dem Unrechtsregime der Königin arrangieren oder ins Exil fliehen müsse.193 Dieses passive Konzept konnte durch die Evokation einer mosaischen Erlösergestalt aktiviert und dynamisiert werden. Entscheidend war, dass dieser Befreier nicht 191 Vgl. ALLEN, Admonition, fol. Avv-Aviiiv; VERSTEGAN, Declaration, fols. Civv-Cviir, Diiv-Dviir; Thomas STAPLETON, Apologia Pro Rege Catholico Philippo II. Hispaniae et caetera rege, [Löwen] 1592 (USTC 407935/Universitätsbibliothek Gent), S. 10-11, 1516, 20, 23, 24, 29, 35; genau diese Vorwürfe äußerten auch die Old English gegenüber den neu-englischen Offizieren, Amtspersonen und Siedlern. Siehe CANNY, Identity Formation, S. 166f. 192 ALLEN, Admonition, fol. Bivr-v; DERS., Declaration; der Vorwurf, England wiegele die Türken zum Krieg gegen Spanien auf, wird auch in anderen Exilschriften wiedergegeben. Siehe etwa Robert PERSONS, Nevves from Spayne and Holland, Antwerpen 1593 (STC2 22994/Folger Shakespeare Library), fol. Ciiir-Cvv, wo der Autor einen äußerst freundlichen Brief des Sultans wiedergibt und bekundet, dass England für nichts mehr gehasst werde als seine engen Verbindungen zu den Türken, die sich auch gegen christliche Fürsten richten würden; VERSTEGAN, Declaration, fol. Aviir-Biiiv; STAPLETON, Apologia, S. 86-89; cf. CLANCY, Papist Pamphleteers, S. 30-36; eine knappe, aber luzide Auseinandersetzung der englisch-türkischen Beziehungen vor allem unter Elisabeth I. liefert Christine WOODHEAD, England, the Ottomans and the Barbary Coast in the late Sixteenth Century, in: State Papers Online 1509-1714, Cengage Learning, Reading 2009, URL: [20.03.2017]. 193 Es ist wichtig anzumerken, dass diese Konstruktion einer ‚Opferrolle‘ der Katholiken in der neueren Forschung stark relativiert worden ist. Siehe dazu u.a. William J. SHEILS, The Catholic Community, in: Doran / Jones (Hgg.), The Elizabethan World, S. 254-268; Michael QUESTIER, Catholicism and Community in Early Modern England: Aristocratic Patronage and Religion c. 1550-1640, Oxford 2006; Lisa MCCLAIN, Lest We Be Damned: Practical Innovation and Lived Experience among Catholics in Protestant England, 1559-1642, London 2004; ferner den Überblick bei Christopher HAIGH, Catholicism in Early Modern England: Bossy and beyond, in: HJ 45 (2002), S. 481-494.

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nur als Projektionsfläche für die Hoffnungen der neuzeitlichen katholischen Israeliten fungierte, sondern gleichsam als Repräsentation eines möglichen Gegenentwurfs zur dann als ‚pharaonisch‘ konstruierten Herrschaft Elisabeths I. firmierte. In diesem Sinne offenbarte sich hier erneut der Grundzug einer Exodus-Politik, indem ein schwieriges und komplexes Herrschaftsgefüge in zwei deutlich unterscheidbare, diametral entgegengesetzte Wahrheitsregime aufgelöst wird. Der radikale Kern einer derartigen Politik hatte sich im Zuge des Armadaunternehmens offenbart, als englische Autoren darüber die Substitution ihrer Königin durch Philipp II. als göttlich sanktionierten und von Gott geforderten Akt darstellten. Die irischen Aufständischen kopierten sozusagen dieses Vorgehen, indem sie die wesentlichen Elemente jener Stilisierung in die eigene Propaganda übernahmen. So ist es evident, dass Peter Lombard vor allem Versatzstücke der Schriften von William Allen und Nicholas Sander in seinem eigenen Werk fruchtbar machte. 194 Hierdurch deutet sich bereits dessen Absicht an, die eher radikalen Äußerungen zur Position Elisabeths sowie der elisabethanischen Herrschaft, wie sie im Umfeld der Armada bzw. ganz grundsätzlich im Werk Sanders zu finden waren, im Rahmen des Neunjährigen Krieges zu aktualisieren und an die Konstellationen des anglo-spanischen Krieges anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund muss folglich auch der bewusste Aufgriff der Exkommunikation Elisabeths I. sowie die damit verbundene Abwertung ihrer Person durch die Aufständischen bewertet werden. Die päpstliche Bulle von 1570 hatte Elisabeth ihrer Herrschaft enthoben und zur Privatperson erklärt. Hugh O’Neill wollte genau auf diesen Vorgang verweisen, wenn er in seiner Proklamation schrieb: „[M]any Catholikes [..] doe thinke themselves bound to obey the Queene as their lawfull prince which is denyed in respect that she was deprived of all such kingdomes, dominions and possessions which otherwise perhaps should not have been due unto hir and consequently of all subiects in so much as she is left a private person and noe man bound to give hir obedience and beyond this such as weare sworne to be faithfull unto hir weare by his holiness absolved from 195 performance theirof“

Elisabeth als Privatperson und ausgewiesene Häretikerin könne hernach keine herrscherlichen Funktionen mehr wahrnehmen. Die dennoch vollzogene Herrschaftsausübung habe schließlich zur Korrumpierung des irischen Gemeinwesens geführt, die O’Neill mit der Ausbreitung von Dekadenz, Unwissenheit, Ignoranz, Tyrannei und Häresie beschreibt. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen, bemühte er ein bekanntes Rollenbild Elisabeths, das er gleichwohl ins Gegenteil verkehrte. So hatte John Jewel in seiner Schrift zur Verteidigung der anglikanischen Kirche und Elisabeths Stellung als oberstes Kirchenhaupt sie in Anlehnung an eine biblische Passage aus dem Buch Jesaja als „Nource“ der Kirche beschrieben.196 O’Neill invertierte diese 194 O’CONNOR, A justification, S. 17 vermutet ebenfalls, dass Lombard hier absichtlich versuchte, an die Äußerungen von Allen und Sander anzuknüpfen. 195 Copie of a trayterous writing, S. 32. 196 Isaiah 49, 23: „And Ki[n]gs shalbe thy nourcing fathers, and Quenes shalbe thy nources“, aus: William WHITTINGHAM et al., The Bible and Holy Scriptures conteyned in the Olde and Newe Testament. Translated according to the Ebrue and Greke, and conferred with the best translations in diuers languges [Geneva Bible], Genf 1560 (STC2 2093/Henry E.

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eigentlich positiv konnotierte Vorstellung Elisabeths I. als nursing mother, indem er das Königreich als bislang „nourished in obscuritie and ignorance“ und „mayntained in barbarity and incivility“ beschrieb.197 Die Überzeugung, Elisabeth sei spätestens seit der offiziellen Exkommunikation keine Autoritätsperson mehr, manifestierte sich auch in subtileren Praktiken wie etwa im Umgang mit englischen Grammatiken in den irischen Schulen. William Lyon, der Bischof von Cork und Ross berichtete dergestalt im Juli 1596, er habe nach einer Untersuchung festgestellt, dass sämtliche Seiten, auf denen Konterfei und Titel der Königin abgedruckt waren, aus den Schulbüchern in seiner ganzen Diözese herausgerissen worden waren. Als er daraufhin zwei der Lehrer danach befragte, entgegneten beide, sie würden Elisabeths Autorität für unrechtmäßig erachten. 198 Eine ähnliche Missachtung der königlichen Person und Autorität berichtete Erzbischof Adam Loftus im September 1590 an William Cecil über die katholischen Einwohner Dublins, die sich massenhaft den eigens zur Feier des Armadasieges und der Errettung Englands und seiner Königin eingerichteten Dankgottesdiensten entzogen hätten. 199 Eine besondere Erscheinung im irischen Kontext war die Stigmatisierung der Tudor-Herrscherin als Hexe. Christopher Highley vermutete, dass dies primär an einem hypertrophierten Glauben an die Wirkung von Abbildungen, Porträts und ähnlichen visuellen Bildnissen gelegen haben könnte, die in Irland entweder Gegenstand einer fast sakralen Verehrung oder bevorzugtes Objekt desakralisierender Gewaltrituale gewesen waren – auch weil ihnen eine magische Kraft unterstellt wurde.200 Hierzu hat sehr wahrscheinlich ein quasi-religiöser Personenkult um die Königin zusätzlich beigetragen, der auf einer marianischen Ikonografie aufbaute und Elisabeth den Vorwurf von Idolatrie einbrachte.201 Es scheint, dass dieser Glaube ferner durch eine

197 198

199 200

201

Huntington Library), fol. 300v; John JEWEL, A defense of the Apologie of the Churche of Englande […], London 1570 (STC2 14601/Henry E. Huntington Library), Widmung an die Königin, fol. Aivv: „And the same here I humbly presente vnto your Maiestie, as vnto my most Graceous, and Soueraine Liege Lady, and, as now, the onely Nource, and Mother of the Churche of God within these your Maiesties moste Noble Dominions.“ Copie of a trayterous writing, S. 31. A view of certain enormities and abuses meet to be considered of, praying your Honour to vouchsafe the perusing thereof at your best leisure, in: CSPI, Bd. 6, Nr. 8 (i), S. 17-20, hier S. 17; cf. Christopher HIGHLEY, The Royal Image in Elizabethan Ireland, in: Julia Walker (Hg.), Dissing Elizabeth. Negative Representations of Gloriana, Durham/London 1998, S. 60-76, hier S. 66. Siehe Archbishop Loftus to Burghley, 22. Sept. 1590, in: MAXWELL (Hg.), Irish History from contemporary sources, S. 153, Nr. 2. Vgl. HIGHLEY, Royal Image, S. 64-66; Roy STRONG, Portraits of Queen Elizabeth I, Oxford 1963, S. 21-32, S. 33-41 zur Anbetung und Divinisierung; siehe auch den Vorwurf in: Calendar of the Carew Manuscripts, Bd. 2, S. 431; ein einprägsames Gewaltritual wird beschrieben in CSPI, Bd. 4, Nr. 12, S. 142f. Siehe ALLEN, Admonition, fol. Bvr; zum Kult um Elisabeth auch Vera NÜNNING, Die Macht der Mythen – Elisabeth I., in: Christine Strobl / Michael Neumann (Hgg.), Mythen Europas. Schlüsselfiguren der Imagination, Bd. 4: Renaissance, Regensburg 2006, S. 5879; KING, Tudor royal iconography, S. 182-211, 221-266; Roy STRONG, Gloriana. The

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katholische Propagandamaschinerie gespeist worden ist, die Elisabeth in einer Traditionslinie mit ihrer Mutter verorten wollte. Autoren wie Nicholas Sander hatten Anne Boleyn sowohl durch Darstellung ihrer äußeren Erscheinung als auch durch ausführliche Schilderung ihres unlauteren Lebenswandels in die Nähe eines Hexereivorwurfs gerückt. Zudem wurde ihr bereits zu Lebzeiten vorgeworfen, König Heinrich VIII. zur Einwilligung in ihre Beziehung verzaubert und verhext zu haben.202 Die Einbettung Elisabeths in diese Traditionslinie lieferte weitere Gründe zur Abwertung ihrer Person. Da jedoch die Verbindung von Heinrich VIII. und Anne Boleyn als Ausgangspunkt für sämtliche Wirren und Konflikte seit den 1530er Jahren gewertet wurde, trugen derartige Allusionen zudem zur grundlegenden Diskreditierung der elisabethanischen Ordnung bei. Ihre Herrschaft stellte nun in der Sichtweise der Gegenseite den Höhepunkt einer Entwicklung dar, die durch Wollust, Hexerei, Gier und persönliches Machtstreben bestimmt war. In der Tochter konvergierten somit die machiavellistischen Ambitionen des Vaters mit den persönlichen Defiziten der Mutter. Das Resultat war die Herrschaft einer häretischen und tyrannischen Hexe, welche die natürliche Ordnung pervertiere. Die derart charakterisierte Herrschaft der Königin fand ihre entsprechende Sinnstiftung im irischen Kontext durch die Heranziehung einer Israel-Analogie. Vor allem in der passiven Wendung als leidendes Volk Gottes fügte sich diese Vorstellung gut in die konkrete Situation der irischen Szenerie. Denn wie Marc Caball betonte, gab es in Irland ohnehin eine alte Tradition einer spezifischen Israel-Motivik, die unter anderem über die genuin bardische Kultur sowohl in der irischen Gesellschaft als auch in Teilen der alt-englischen Siedlerschaft präsent gehalten wurde.203 Im Verportraits of Queen Elizabeth I, London 1987; Susan FRYE, Elizabeth I. The competition for representation, New York u.a. 1993. 202 Retha WARNICKE, The Rise and Fall of Anne Boleyn: Family Politics at the Court of Henry VIII, Cambridge 1989, hier Kap. 8, S. 191-233 sowie S. 58, 243-247; zur Darstellung Annes, die laut Sander sechs Finger an der rechten Hand, einen hervorstehenden Zahn unter der Oberlippe sowie eine große Talgzyste unter ihrem Kinn gehabt haben soll, siehe SANDER, Rise and Growth, S. 25. 203 Siehe Marc CABALL, Providence and Exile in Early Seventeenth-Century Ireland, in: IHS 29 (1994), S. 174-188; vgl. auch Jerrold CASWAY, Gaelic Maccabeanism: the politics of reconciliation, in: Jane H. Ohlmeyer (Hg.), Political Thought in Seventeenth-Century Ireland, Cambridge 2000, S. 176-188, hier S. 177 und die Quellenhinweise in Anm. 5; die weidlich zirkulierende Israel-Motivik in irischen und alt-englischen Kreisen betont auch Brandie R. SIEGFRIED, Wrestling with the angel: the typology of Israel in John Derricke’s The image of Ireland, in: Michael Potterton / Thomas Herron (Hgg.), Dublin and the Pale in the Renaissance c. 1540-1660, Dublin 2011, S. 319-351, hier S. 336-347. Zur bardischen Tradition in diesem Zusammenhang Marc CABALL, Religion, culture and the bardic elite in early modern Ireland, in: Alan Ford / John McCafferty (Hgg.), The Origins of Sectarianism in Early Modern Ireland, Cambridge 2005, S. 158-182; DERS., Poets and politics. Continuity and reaction in Irish poetry, 1558-1625, Cork 1998, S. 40-82; DERS., Faith, culture and sovereignty: Irish nationality and its development, 1558-1625, in: Brendan Bradshaw / Peter Roberts (Hgg.), British consciousness and identity. The making of Britain, 1533-1707, Cambridge 1998, S. 112-139; DERS., The literature of later medieval Ireland, 1200-1600: from the Normans to the Tudors. Part I: Poetry, in: The

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bund mit dem generell zirkulierenden providentiellen Gedankengut konnten beide Gruppen in der Folge die empfundene Unterdrückung durch englische Instanzen als Ausdruck eines göttlichen Missfallens gegenüber seinem erwählten Volk interpretieren. Besonders der Zustrom an neu-englischen Siedlern sowie der Übergang zu einer vielfach militanten und brutalen Kolonisierungspolitik in weiten Teilen Irlands stimulierten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Vorstellung, hier handele es sich um von Gott gesandte Plagen, die das irische Gemeinwesen für seine Sünden bestrafen sollten.204 Die Selbstwahrnehmung als leidendes Volk Israel schuf eine Kongruenz zwischen irischen und englischen Katholiken, die sich in dieser Hinsicht im Leiden vereint sehen konnten. Die Konstruktion dieser gemeinsamen Leidensgemeinschaft deutet auf erste Versuche hin, die ethnisch-kulturellen Unterschiede zwischen AltEngländern und Iren zugunsten neuer, religiös determinierter Identifikationsangebote aufzugeben. In dieser Hinsicht muss die Thematik als Ergänzung sowohl zu den Versuchen einer Neukonzeption der Ursprungserzählungen von Peter Lombard als auch zur von Hiram Morgan konstatierten Faith & Fatherland-Rhetorik gesehen werden. Die Israel-Motivik kann in diesem Zusammenhang sozusagen als göttliche Approbation betrachtet werden, welche der neu entworfenen Gemeinschaft eine Art sicheres Fundament gab.205 Zugleich schuf man damit die Voraussetzungen, um die irische Situation mit den europäischen Diskussionen zu verbinden. Vor allem Spanien war hier der priorisierte Adressat. Indem man den irischen Kontext analog zu den Entwürfen englischer Exilkatholiken gestaltete, die diese für das englische Königreich entworfen hatten, versuchten die irischen Aufständischen diese bereits bestehenden Angebote der Eigenwahrnehmung zu adaptieren und für ihre eigenen Interessen nutzbar zu machen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die konstatierten Antipathien englischer Exilkatholiken Cambridge History of Irish Literature, hrsg. von Margaret Kelleher / Philip O’Leary, Bd. 1: To 1890, Cambridge 2006, S. 74-109; Breandán Ó BUACHALLA, Poetry and politics in Early Modern Ireland, in: Eighteenth-Century Ireland 7 (1992), S. 149-175; Patricia PALMER, Language and Conquest in Early Modern Ireland. English Renaissance literature and Elizabethan imperial expansion, Cambridge 2001. 204 Siehe dazu etwa den Kommentar eines irischen Arztes und Schreibers in einem medizinischen Manuskript von 1578, ed. in: Paul WALSH, Gleanings from Irish Manuscripts, 2. Aufl., Dublin 1933, hier S. 160f; ferner das Gedicht von Lochlainn Ó Dálaigh, ed. und übers. von William Gillies, A poem on the downfall of the Gaoidhil, in: Éigse 13 (1969/70), S. 203-210, hier S. 208f; weitere Belege finden sich bei CABALL, Providence and Exile, S. 175-180; Clodagh TAIT, ‚The just vengeance of God‘: reporting the violent deaths of persecutors in early modern Ireland, in: Edwards / Lenihan / Ders. (Hgg.), Age of Atrocity, S. 130-153, S. 149f; zum Providentialismus im Irland der Zeit GILLESPIE, Devoted People, S. 40-62. 205 Der Versuch einer gegenseitigen Annäherung von Iren und Alt-Engländern entsprach dabei einem langwierigen Prozess, dessen Beginn Historiker und Literaturwissenschaftler in die Mitte des 16. Jahrhunderts datieren. Siehe dazu u.a. CABALL, Faith, culture and sovereignty, S. 113 und passim; DERS., The literature of later medieval Ireland, S. 85; BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 286-288; Ó Buachalla, Poetry and politics, S. 159f.

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gegenüber ihren irischen Glaubensgenossen zum Teil auf diese Versuche zurückgehen, Irland als ebenbürtiges Ziel einer potentiellen spanischen Intervention in den providentiell beeinflussten Überlegungen Philipps II. zu verankern. 206 So hatte Peter Lombard in seiner Werbeschrift für die Sache der Aufständischen zunächst die weltliche Unterwerfung Irlands unter Heinrich II. und die geistliche unter Heinrich VIII. mit den beiden Exilen des israelitischen Volkes verglichen. 207 Er nutzte die Analogien in der Folge als Ausgangspunkt, um sie hernach vor dem Hintergrund mannigfaltiger, providentieller Zeichen um das Element einer erwarteten Erlösergestalt zu erweitern. Wichtig war an dieser Stelle, dass Lombard damit einerseits auf ein bestehendes Wissensreservoir innerhalb der irischen Gesellschaft rekurrierte, in der die Figur eines göttlichen Erlösers eine lange Tradition hatte. 208 Andererseits duplizierte der Autor damit auch eine Philipp II. zugeschriebene Rolle, und machte derart erneut die Absicht deutlich, an den übergeordneten Diskursen partizipieren zu wollen. Der Glaube an das baldige Kommen eines mosaischen Erlösers war im Kontext des irischen Aufstandes von essenzieller Bedeutung. Denn erst die Erwartung eines zweiten Moses versah das starre Konzept der ägyptischen Gefangenschaft mit einem dynamisierenden Moment des Aufbruchs. Die Ankunft des Erretters markiete einen Einschnitt, eine Art Hiatus-Erfahrung, durch die eine momentan noch schlechte Lage in einen zukünftig besseren Zustand und idealerweise ein goldenes Zeitalter überführt werden konnte. Hieraus konnte sich eine Bewegung konstituieren, die durch ein klares Ziel zusammengehalten wurde, welches sich zudem in der Erlösergestalt manifestierte. Lombard machte sich den Glauben an den erwarteten Erlöser zu Nutze und versuchte, Hugh O’Neill diese Rolle für den irischen Aufstand zuzuschreiben. Sensibel für deren zeitgenössische Wirkungsmächtigkeit, versuchte er diese Zuschreibung unter anderem anhand einer Reihe providentieller Zeichen zu bestätigen. Ein wichtiger Bezugspunkt war in diesem Rahmen eine alte Prophezeiung, die vom Heiligen Patrick, dem Schutzpatron Irlands, ausgesprochen worden sein soll.209 Demnach sei dem Heiligen ein Engel erschienen, der ihm zuerst eine düstere Zukunft für die Insel gezeigt habe. Der klägliche Zustand Irlands wird allerdings am Ende durch ein Licht beendet, das seinen Ausgang in Ulster nehme, lange Zeit gegen die Mächte der Fin-

206 Zu den gegenseitigen Abneigungen siehe u.a. HIGHLEY, Catholics writing the Nation, S. 118-150 sowie LOOMIE, Richard Stanyhurst in Spain, S. 154. 207 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 130-132. 208 CABALL, Providence and Exile, S. 179f; Thomas FINAN, Prophecies of the Expected Deliverer in Thirtheenth- and Fourteenth-Century Irish Bardic Poetry, in: New Hibernia Review 6 (2002), S. 113-124; speziell zu Moses auch John HENNIG, The Literary Tradition of Moses in Ireland, in: Traditio 7 (1949/1951), S. 233-261. 209 Vgl. JOCELIN OF FURNESS, The Life and Acts of Saint Patrick, the Archbishop, Primate and Apostle of Ireland, übers. und ed. von Edmund L. Swift, Dublin 1809, S. 192-194; eine Version wurde 1514 in Antwerpen gedruckt. Siehe JOCELINUS, Vita Sancti Patricii, Antwerpen 1514 (USTC 410096/British Library); O’CONNOR, Hugh O’Neill, S. 62-64; cf. Ludwig BIELER, The Life and Legend of St. Patrick. Problems of modern Scholarship, Dublin 1949; die generell durch messianische Prophezeiungen aufgeladene Situation im Irland der späten 1580er und 90er Jahre betont auch GARCÍA HERNÁN, Ireland and Spain, S. 319-325.

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sternis kämpfe und schließlich die ganze Insel mit seinen Strahlen erfüllen würde. 210 Darauf aufbauend versuchte Lombard in der Folge Hugh O’Neill eindeutig mit diesem Licht der Prophezeiung zu identifizieren. Er war sich dabei vollkommen im Klaren, dass es konkurrierende Interpretationen gab, denen er aber wenig Bedeutung beimaß. Sein Argument dafür erinnert nochmals an die ontologische Dimension des Konfliktes, da er andere Füllungen der Prophezeiung, wie etwa die Verwüstung durch die Nordmänner oder den Verfall der irischen Kirche, zurückweist211, um letztlich die Konsequenzen der seit Heinrich VIII. bestehenden Ordnung als jene Finsternis zu identifizieren. Den qualitativen Unterschied mache in diesem Falle die Tatsache aus, dass nicht nur die Eroberer von dieser Finsternis geblendet wären, sondern sie versuchten nun auch noch, die ihnen Anvertrauten mit in jene Finsternis zu reißen.212 Deutlich zeigt sich hier die Absicht Lombards, die protestantischen Reformen als Ausbreitung einer diabolischen, antichristlichen Dunkelheit darzustellen. Dass er dabei den Beginn mit der henrizianischen Reformation setzte, offenbart sein Ansinnen, an den generellen Diskursen zur Abwertung der englischen Reformation, wie sie zu bestimmten Zeiten von Nicholas Sander, William Allen, Richard Verstegan und anderen entworfen wurden, zu partizipieren – und mehr noch: er versuchte sie im Rahmen des Neunjährigen Krieges zu aktualisieren, um dadurch nicht zuletzt die Bedeutung des irischen Konfliktes für das katholische Europa anzuzeigen und aufzuwerten. Darüber hinaus sieht er aber die Zeit gekommen, in der das Vordringen jener Finsternis durch ein Eingreifen Gottes bekämpft und zurückgedrängt werden würde. Die Zeichen stünden allenthalben günstig für einen Umschwung. Um seine Argumentation zu untermauen, instrumentalisierte Lombard zusätzlich die so genannten Papstprophezeiungen des Heiligen Malachias, der im 12. Jahrhundert als Erzbischof von Armagh die Sukzession der Päpste bis zum Untergang Roms vorhergesagt haben soll.213 Diese angeblichen Prophezeiungen erschienen 1595 zum ersten Mal im Druck, integriert in ein umfangreicheres Werk des Benediktinermönchs Arnold Wion.214 Entscheidend war nun, dass Lombard das Motto sowie das Wappen des amtierenden Aldobrandini-Papstes Clemens VIII. als Hinweis auf die patrizische Prophezeiung las. Clemens hatte sich das Motto „Crux Romulea“ (römisches Kreuz) gewählt und sein Wappen zeigte das Dreifachkreuz, auch päpstliches Kreuz genannt.215 Wesentlich für die Argumentation Lombards gestaltete sich indes der Um210 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 132f, hier S. 133: „[V]idit [der Hl. Patrick – BQ] modicam prius lucem in Ulidia exorientem, diu cum tenebris concertare, tandem iisdem effugatis sua fulgore totam Insulam illustrare.“ 211 Diese Interpretation, zusammen mit der Vermutung, der Heilige Malachias sei jenes Licht im Norden gewesen, hatte bereits der Mönch Jocelin in seinem Leben des Heiligen Patricks dem Leser angeboten. Siehe JOCELIN, The Life and Acts of Saint Patrick, S. 194. 212 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 134; O’CONNOR, A justification, S. 27. 213 Siehe dazu etwa M. J. O’BRIEN, An Historical and Critical Account of the so-called „Prophecy of St. Malachy“ regarding the Succession of Popes, Dublin 1880. 214 Arnold WION (de Wyon), Lignum vitae, ornamentum, & decus ecclesiae, in quinque libros divisum, Venedig 1595 (USTC 863980/Bibliothèque municipale de Lyon), hier S. 307-311 zur Papstliste. 215 Vgl. Georg SCHEIBELREITER, Heraldik, Wien u.a. 2006, S. 85f.

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stand, dass sechs Sterne jenes Kreuz umgaben. Der Autor interpretierte dies als Hinweis auf das erstrahlende Licht im Norden Irlands und als Bestätigung der Prophezeiung Patricks, der bereits von Jocelin als „Prediger des Kreuzes“ bezeichnet worden war.216 Für Peter Lombard stellte somit das Pontifikat Clemens VIII. den Vorboten größerer Veränderungen dar, in deren Zuge ein aufgehendes Licht im Norden Irlands die Zerstreuung der vorherrschenden Finsternis bewirken würde. „No sooner was the Roman cross, by which emblem St. Malachy, that great reformer of Ireland, is said to have foretold, about 450 years ago, the pontificate of Clement VIII, of the Aldobrandini family, set upon the Chair of St. Peter, than, as from the coronet of six stars with which it gleamed on both sides, a refulgence seemed to radiate to dispel the darkness of heresy and schism which for the last sixty years the English governors and oppressors of Ireland have been endeavouring to spread over that land, and there began to appear that faint light which, as already mentioned, was foreshown to St. Patrick, the first founder of religion here, nearly 1200 years ago, and which, after a somewhat prolonged struggle against the darkness, at last dis217 pelled the shadow and illumined this whole island with its own splendour.“

Peter Lombard fand daneben weitere Zeichen, die allesamt für die Erfüllung der patrizischen Prophezeiung sprächen, dass nun ein von Gott gesandter Erlöser die vorherrschende Finsternis endgültig zurückdrängen würde. Neben der Inklusion des Papsttums durch das Wappen Clemens’ VIII. wurde nun auch das Agieren der spanischen Krone in die Konstruktion miteingeflochten. So sah der Autor beispielsweise die Einrichtung der Priesterkollegien in Douai, Salamanca, Lissabon und Löwen, wo auch Angehörige der irischen Nation ausgebildet werden würden, als Ausweis, dass der aktive Kampf gegen die Finsternis begonnen habe.218 In ähnlicher Weise beurteilte Lombard sodann auch die Übergabe der Stadt Deventer in den Niederlanden an die spanischen Truppen. Während der englische Kommandant Sir William Stanley für diese Tat von englischer Seite als Hochverräter diffamiert wurde 219, galt er in den 216 Zum Motto und der Beschreibung des Wappens siehe O’BRIEN, An Historical and Critical Account, S. 64; zur Identifikation des Hl. Patricks mit dem Kreuz JOCELIN, The Life and Acts of Saint Patrick, S. 64. 217 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 149 in der Übersetzung von BYRNE, Irish War of Defence, S. 23. 218 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 137f; siehe dazu auch Activities of the Jesuits, in: MAXWELL (Hg.), Irish history from contemporary sources, Nr. 4, S. 146f, hier S. 146: „Every port town and upland town, and also gentlemen’s houses for the most part are furnished with superstitious seducing priests. The townsmen and merchants do transport them from Spain to Ireland, and so from Ireland to Spain again […] Every town is established with sundry schools where the noblemen and gentlemen’s sons of the country do repair; these schools have a superstitious or an idolatrous schoolmaster, and each school overseen by a Jesuit“; zu den Jesuiten in Irland zu dieser Zeit MCCOOG, The Society of Jesus in Ireland. 219 Vgl. etwa Gerard PROUNINCK, A shorte admonition or warning, vpon the detestable treason vvherevvith Sir VVilliam Stanley and Rovvland Yorke haue betraied and deliuered for monie vnto the Spaniards, the towne of Deuenter, and the sconce of Zutphen, London 1587 (STC2 23228.7/Folger Shakespeare Library).

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Augen der englischen Exilkatholiken sowie von Peter Lombard als aufrechter Christ, der sich der Teilnahme an einem ungerechten Krieg, der lediglich Häretikern diene, verweigert habe. Analog zu William Allen präsentierte auch Lombard Stanleys Verhalten als Vorbild für alle gläubigen Soldaten, die nicht länger in den unrechten und gottlosen Kriegen Englands kämpfen sollten.220 Der Geistliche wertete diese Geschehnisse als Auspizien, die gewissermaßen die Ankunft Hugh O’Neills als Erlöser Irlands ankündigten. Der letzte Teil seiner Schrift diente einzig dem Nachweis, dass der Graf von Tyrone sowohl die militärische Befähigung als auch den göttlichen Segen für seine Unternehmung habe. 221 Die dargestellte Unterstützung Gottes muss mindestens in zweifacher Hinsicht beurteilt werden: Erstens kann darin der Versuch gesehen werden, den Aufstand im Rahmen eines providentiellen Gedankenhorizontes zu präsentieren, der auf die spezifischen Vorstellungen am spanischen Hof reagierte. Zweitens sollte durch die Argumentation Lombards O’Neill auch vom Vorwurf der persönlichen Vorteilsnahme freigesprochen werden. Kontinuierlich betont der Autor aus diesem Grund die ‚reinen Ziele‘ des Grafen, der von Beginn an lediglich die Restitution des wahren Glaubens angestrebt habe, was die ihm bislang zuteil gewordene göttliche Vorsehung bestätigen würde.222 So zitierte Lombard eine Rede O’Neills, die dieser im Rahmen einer Unterredung mit englischen Unterhändlern gehalten haben soll. Darin wehrte sich der Graf gegen die Anschuldigung, den Krieg aus rein persönlichen Motiven begonnen zu haben, mit dem Hinweis auf seine überragenden Siege gegen einige der besten Heerführer und größten Häretiker der Zeit, die ihm nur durch göttlichen Beistand geglückt seien.223 Die militärischen Erfolge des Grafen avancierten im weiteren Verlauf zum ausschlaggebenden Beweis, dass Gott sich mit der Sache der Iren verbunden habe und deren Handeln stütze.224 In der Einordnung dieser Siege machte Lombard überdies Gebrauch von vertrauten Motiven, indem er die Iren mit den Israeliten und die

220 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 139; cf. ALLEN, A copie of a lettre; zu Stanley Rory RAPPLE, Art. „Stanley, Sir William“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]; LOOMIE, The Spanish Elizabethans, hier Kap. 5, S. 129-181; zur Übergabe Deventers auch Simon ADAMS, Stanley, York and Elizabeth’s Catholics, in: History Today 37 (1987), S. 46-50. 221 Vgl. dazu LOMBARD, De Regno Hiberniae, Kap. 25, S. 179-184; die militärischen Erfolge O’Neills wurden auch in italienischen Flugschriften sehr überschwänglich dargestellt, wobei die dargebotenen Informationen teilweise reine Erfindung waren. Siehe Bernadino BECCARI, Relatione della guerra d’Hibernia […], Rom 1596 (USTC 812992/Biblioteca Angelica Rom); DERS., Avviso della rotta che ha data il signor d’Odonnel a l’esercito dell’asserta reina d’Inghilterra, Rom 1596 (USTC 812981/Biblioteca Angelica Rom); DERS., Ragguaglio de i successi dell’isola d’Hibernia a favor de‘ cattolici, Rom 1599 (USTC 813019/Biblioteca Angelica Rom); cf. MORGAN, Policy and Propaganda, S. 18f. 222 Zu dieser Funktion O’CONNOR, Hugh O’Neill, S. 62-68. 223 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 157: „Quod postquam sum aggressus, quoniam, quod agnoscam in perpetuum, divinitus ita sum adjutus, ut supra quam vel ego sperare, vel vos timere, vel mundus expectare poterat aut etiamnum forte credit, felices in eo hactenus habuerim successus contra potentissimos et nocentissimos Europae totius haereticos.“ 224 Vgl. etwa LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 155, 157, 159.

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Engländer mit den Ägyptern verglich, die selbstverständlich unterliegen müssten, da Gott mit seinem Volk kämpfe: „In quo interea Catholici adeo prosperos successus continuos habuerunt, Deo ipso victorias eis et vires dante, ut quod Aegyptii olim sunt coacti confiteri: ‚Fugiamus Israëlem, Dominus enim pugnat pro eis contra nos,‘ hoc qui ab adversa parte, fusi fugatique semper, sibi quoque acci225 disse saepius sint experti.“

Ganz im Sinne der Israel/Ägypten-Zuschreibungen mutiert der Graf von Tyrone schließlich durch seine eigenen Worte zu einem zweiten Moses, wenn er erklärt, sein erster Anreiz zur Entfachung des Krieges sei das leidenschaftliche Verlangen gewesen, sein Land von der unerträglichen Unterdrückung und Knechtschaft zu befreien, in der es sich befunden habe. Und ganz wie im Falle des alttestamentlichen stehe Gott nun auch seinem frühneuzeitlichen, irischen Moses bei.226 3.5 Zusammenfassung Der Neunjährige Krieg stellte eine enorme Herausforderung und Gefährdung der englischen Herrschaft in Irland dar. Von besonderer Brisanz gestaltete sich dabei der Versuch, über die Vereinnahmung konfessioneller Deutungsmuster den Konflikt mit der englischen Krone in einen legitimen katholischen Freiheitskampf zu transformieren. In diesem Zusammenhang knüpften die Aufständischen an eine Vorstellung Irlands als souveränem Gebilde an und leiteten daraus ein identifikatorisches Angebot ab, das sowohl die autochthone Bevölkerung als auch die Gruppe der alt-englischen Siedler ansprach. Im Sinne einer Faith & Fatherland-Rhetorik wurde das katholische Irland nun als Patria beider Gruppen dargestellt, die sich in der Folge zur Verteidigung ihres Landes gegen eine tyrannische und unrechtmäßige englische Herrschaft erheben sollten. Ein wesentliches Element hierbei war die Konstruktion einer eigenen Leidensgeschichte, die analog zum Volk Israel konstruiert wurde. An dieser Stelle offenbart sich sehr deutlich, welche Wirkmächtigkeit dem Exodus-Narrativ in jener Zeit zukam. Katholische Autoren invertierten dergestalt die englisch-protestantischen Erzählungen, indem sie deren Form der Religionsauffassung und -ausübung mit Götzendienst, Gottlosigkeit und Häresie gleichsetzten. Damit entwarfen sie nun ihrerseits die Herrschaft Elisabeths I. als eine Art ägyptischer Knechtschaft, wodurch zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden konnten, um die gegenwärtige Regentschaft einer häretischen Königin mit der Verbundenheit zum katholischen Glauben in einem identitären Angebot in Einklang zu bringen. Diese primär passive Konstruktion einer Leidensgeschichte irischer und alt-englischer Katholiken konnte jedoch – ebenfalls analog zum alttestamentlichen Vorbild der Israeliten – durch die Evokation einer mosaischen Erlösergestalt aktiviert und dynamisiert werden. Dieser Glaube an das baldige Kommen eines neuzeitlichen Moses war im Kontext des irischen Aufstandes von zentraler Bedeutung. Denn in der Figur des Befreiers bündelte sich ein konkreter Gegenentwurf zur ‚pharaonischen Herrschaft‘ der englischen Königin. Hier wurde 225 LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 161. 226 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 157.

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mit anderen Worten eine Grundlage geschaffen, auf der das komplexe und keineswegs konfliktfreie Verhältnis zwischen irischen und alt-englischen Katholiken neu austariert werden konnte. Den Hintergrund dafür bildete die Aufteilung eines schwierigen und komplexen irischen Herrschaftsgefüges in zwei deutlich unterscheidbare, diametral entgegengesetzte Wahrheitsregime, in deren Rahmen Hugh O’Neill schließlich als ein von Gott gesandter Erlöser firmierte, der das darbende Land von der gottlosen und knechtischen Herrschaft der englischen Königin befreien würde. Dies war eine Form katholischer Exodus-Politik. Die Politik und Propaganda der irischen Aufständischen war im Hinblick auf die inneren Verhältnisse Irlands darauf ausgerichtet, die Gruppe der Alt-Engländer für ihre Sache zu gewinnen. Hierzu diente nicht nur der Vorstoß an der Kurie, wo O’Neill und seine Mitstreiter darauf drangen, ihrem Kampf eine päpstliche Approbation zu geben und ihn zu einem Kreuzzug zu erklären. Die Iren inkorporierten darüber hinaus wesentliche Elemente eines alt-englischen Narrativs in ihre Propaganda, indem sie die Entwicklungen seit den Reformen Heinrichs VIII. als evidenten Verstoß gegen die Auflagen der Bulle Laudabiliter präsentierten. Das Dokument diente den Alt-Engländern gewissermaßen als Grundlage und Selbstvergewisserung ihrer Stellung und Identität in Irland, die nun durch die Ankunft einer protestantisch geprägten, jüngeren Siedlergruppe akut bedroht wurden. Mit der konfessionellen Modellierung der inneren Verhältnisse korrespondierte die Hinwendung der Aufständischen zum katholischen Europa. Im Besonderen suchte man hier den Anschluss an die europäischen Religionskonflikte der Zeit. Dieser Vorgang war auf der einen Seite durch die Notwendigkeit bestimmt, im europäischen Ausland nach Verbündeten im Kampf gegen die englische Krone zu suchen, deren größeren Ressourcen die Iren auf Dauer nichts entgegenzusetzen hatten. Auf der anderen Seite bemühte man sich auch deshalb, an die Muster der übergeordneten Konfessionskonflikte anzuknüpfen, weil der irische Schauplatz aufgrund seiner peripheren Lage sowohl in geographischer als auch in politisch-ökonomischer Hinsicht kaum die Aufmerksamkeit des restlichen Europas erregt hätte. Indem die irischen Aufständischen jedoch wesentliche Elemente der anglo-katholischen Exilliteratur kopierten, und daraus eine eigene Version einer katholischen Leidensgeschichte generierten, fügten sie sich in die dominierenden Narrative des anglo-spanischen Konfliktes ein. Auf dieser Grundlage sollte schließlich die Aufmerksamkeit einer militanten katholischen ‚Gegenreformation‘ auf die irischen Verhältnisse gelenkt werden. Die bewusste Hinwendung zum katholischen Europa führte am Ende zu einer grundlegenden Transformation des Konfliktes. Die ideologische Inkorporation von Elementen der katholischen Gegenreformation veränderte den Wahrnehmungsrahmen des Konflikts und machte aus ihm eine antagonistische Auseinandersetzung zwischen zwei inkommensurablen Wahrheitsregimen. Obwohl damit zwar die Bedingungen der Möglichkeit geschaffen worden waren, eine gemeinsame Front von alt-englischen Siedlern und autochthoner Bevölkerung zu kreieren, wurde diese Option von den meisten Alt-Engländern noch nicht wahrgenommen. Dennoch müssen zwei grundlegende Ergebnisse dieses Prozesses festgehalten werden: Einerseits wandten sich die in Irland lebenden Gruppen mehr und mehr von einer englischprotestantischen Kultur ab, wie sie sich in Großbritannien sukzessiv auszubreiten begann und mit der Thronfolge Jakobs I. auch konstitutionelle Züge annahm. Mit der Hinwendung zum katholischen Europa war andererseits die Reproduktion englischer

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Urängste verbunden, mussten doch die neu-englischen Siedler vor Ort sowie die Krone generell um den Fortbestand ihrer Existenz bzw. ihrer Herrschaft in und über Irland fürchten. Ein kulturell, religiös und politisch nicht gesichertes Irland bedeutete dergestalt eine kontinuierliche Bedrohung, die direkt vor der eigenen Küste lag. Carol Wieners Rede von der Beleaguered Isle bekam vor diesem Hintergrund eine äußerst aktuelle Bedeutung, vor allem wenn sie im Sinne jener alten Prophezeiung gesehen wurde, die besagte: „He that England will win, through Ireland he must come in.“227

4. ‚P ROBLEME IN K ANAAN ‘ – I RLAND UND DER N EUNJÄHRIGE K RIEG AUS ENGLISCH - PROTESTANTISCHER S ICHT Die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts sah für den irischen Raum eine signifikante Zunahme an gewaltsamen Konflikten zwischen irischen und englischen Instanzen, die teilweise, wie von der neueren Forschung vermehrt herausgestellt, von schwerwiegenden Gräueltaten verschiedenster Fasson begleitet wurden.228 Während die Formen dieser eskalierenden Gewalt inzwischen für viele konkrete Beispiele beschrieben worden sind, bleibt die Frage nach der ideologischen Legitimation der offensichtlich zunehmenden Gewalttätigkeit und -bereitschaft gegenüber der indigenen Bevölkerung umstritten. Teile der Forschung möchten die gesteigerte Gewaltbereitschaft mit der Rezeption klassischer Renaissance-Auffassungen von Zivilität erklären und gerade in der Abwertung indigener Völker als Barbaren den entscheidenden Grund für einen legitimierten Einsatz von Gewalt sehen. Die Bedeutung religiöser Erklärungsmuster wird in diesem Zusammenhang mehrheitlich verneint. Für diese Richtung der Geschichtsschreibung waren Gewalt und Gräueltaten letztlich Beiwerk der Eroberung und Kolonialisierung besetzter Gebiete.229 227 CHARNOCK, An ansvvere, fol. Air; MORYSON, An itinerary, Bd. 2, S. 170; cf. MORGAN, British Policies, S. 67. 228 Die quantitative und qualitative Zunahme an gewaltsamen Auseinandersetzungen hat zuletzt betont EDWARDS, The escalation of violence; siehe auch die weiteren Beiträge in EDWARDS / LENIHAN / TAIT (Hgg.), Age of Atrocity; ferner EDWARDS, Ideology and experience; CAREY, Elizabeth I and State Terror; DERS., „What pen can paint or tears atone?“ Mountjoy’s scorched earth campaign, in: Hiram Morgan (Hg.), The battle of Kinsale, Bray 2004, S. 205-216; DERS., John Derricke’s „Image of Ireland“, Sir Henry Sidney, and the Massacre at Mullaghmast, 1578, in: IHS 31 (1999), S. 305-327; CANNY, Making Ireland British, Kap. 2; DERS., The Elizabethan Conquest of Ireland, Kap. 6; siehe auch die Rezension von Inga JONES, War, Violence, and Laws of War – Military Apprenticeship and Practice in Early Modern Britain and Ireland, in: HJ 53 (2010), S. 795-804, hier bes. 801-804. 229 Vgl. den Überblick bei EDWARDS, The escalation of violence, S. 36f; John MCGURK, The pacification of Ulster, 1600-3, in: Edwards et al. (Hgg.), Age of Atrocity, S. 119-129; dieselbe Argumentation findet sich bei SHUGER, Irishmen, Aristocrats, and Other White Barbarians; mit der weitgehenden Negation religiöser Erklärungsmuster folgt man dem

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An dieser Sichtweise sind die von Hiram Morgan kritisierten Auswirkungen einer Perspektive zu erkennen, die Irland einzig vor dem Hintergrund kolonialer Entwicklungen in der Neuen Welt sieht und dabei die genuin ‚europäischen Probleme‘ in diesem zweiten Königreich der englischen Krone ignoriert.230 Irland war nie nur Kolonie oder zweites Königreich; aber um das Königreich regierbar zu machen, setzten die Engländer ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vermehrt Methoden ein, die später auch in den überseeischen Gebieten zum Einsatz kommen sollten.231 Warum es jedoch gerade in der Regierungszeit Elisabeths I. zu einem Umschwung im Umgang mit der irischen Bevölkerung gekommen ist, erklärt sich weder durch die teilweise erst später einsetzenden Kolonialisierungsprojekte in Übersee noch durch den generellen Verweis auf klassische Renaissance-Vorstellungen von Mensch und Barbar. Ein auf antiken Topoi aufbauender Barbarendiskurs existierte bereits seit dem Hochmittelalter und damit lange bevor zumeist neu-englische Akteure dazu übergingen, eine radikale und brutale Politik gegen die autochthone Bevölkerung zu propagieren und initiieren.232 Diese Argumentationen verlieren somit als Erklärungsansätze für den zu beobachtenden Umschwung unter Elisabeth I. deutlich an Kraft. Demgegenüber gewinnt, wie im vergangenen Abschnitt gezeigt, das konfessionelle Moment in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an Bedeutung. Die katholische Reform im Zuge des Konzils von Trient hatte zu einem erstarkenden Selbstbewusstsein irischer und altenglischer Katholiken geführt, die in der Folge dazu übergingen, ihre eigenen Forderungen und Motive zunehmend in konfessionellen Deutungsmustern und Semantiken zu präsentieren.233 Dies hatte zwei wesentliche Auswirkungen: Für die inneren Verhältnisse Irlands bedeutete es die Einführung einer neuen Differenzierung, mit der gleichsam die Möglichkeit eines neuen identifikatorischen Angebots einherging. Für die äußeren Belange erlaubte der Rekurs auf konfessionelle Muster ferner den Einbezug auswärtiger Mächte, wie etwa des Papsttums oder Spaniens, in die Angelegenheiten des eigentlich souveränen Königreichs Irland. Im Folgenden soll argumentiert werden, dass als Reaktion auf diese Bedrohungen von innen und außen zumeist protestantische, neu-englische Akteure eine neue Perzeption Irlands entwickelten, welche die Insel zum Bestandteil der englischen Erwählungsvorstellung machte. Diese nahm im irischen Kontext die spezifische Form einer Bundesvorstellung an, in deren Rahmen die bis dato dominierenden Wahrnehmungsmuster Irlands sowie der dort lebenden Gruppen teilweise reproduziert, teilweise aber auch neu geordnet, modifiziert

230 231

232 233

vorgezeichneten Weg von David QUINN, Renaissance Influences in English Colonization, in: TRHS 5th Ser. 26 (1976), S. 73-93. MORGAN, Mid-Atlantic Blues. Vgl. dazu u.a. CANNY, England’s New World and the Old; Jane H. OHLMEYER, ‚Civilizinge of those Rude Partes‘: Colonization within Britain and Ireland, 1580s-1640s, in: Canny (Hg.), Origins of Empire, S. 124-147. Zum Barbarendiskurs siehe das Kapitel 4.2.2 unten. Vgl. LENNON, The Counter-Reformation in Ireland; DERS., Taking sides. The emergence of Irish Catholic ideology, in: Carey / Lotz-Heumann (Hgg.), Taking sides?, S. 78-93; Salvador RYAN, „New wine in old bottles“: implementing Trent in early modern Ireland, in: Herron / Potterton (Hgg.), Ireland in the Renaissance, S. 122-137; MEIGS, Reformations in Ireland, Kap. 4, 5 & 6; zuletzt auch JEFFERIES, Elizabeth’s Reformation.

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oder gänzlich negiert und durch vollkommen neue ersetzt wurden. An dieser Stelle offenbart sich demnach erneut die grundlegende Funktion der Erwählungsidee als einer Art Schnittstelle, die wesentliche Versatzstücke bereits bestehender Diskurse über Irland inkorporierte, ihnen aber durch die Verbindung mit genuin konfessionellen Deutungsmustern eine neue Stoßrichtung gab. Das Resultat war ein neuer Wahrnehmungshorizont, der das Land und die bestehenden Verhältnisse als ein zweites Kanaan modellierte.234 Diese Imagination erlaubte es den angesiedelten englischen Protestanten, die im Mutterland zirkulierenden Bundesvorstellungen im irischen Kontext zu aktualisieren, diese aber gleichsam an ihre eigenen Motive und Intentionen anzupassen.235 In dieser Hinsicht lieferte die Vorstellung der Grünen Insel als neues Kanaan primär einen Erklärungsansatz dafür, warum die bisherigen Reformmaßnahmen versagt hatten. Im gleichen Zuge stellte die Kanaan-Analogie jedoch ebenfalls einen Lösungsvorschlag bereit, der in seinem Kern äußerst radikal war, und damit jener von der Forschung insgesamt konstatierten Radikalität gerade der Schriften im Umfeld des Neunjährigen Krieges entsprach.236 Vordergründig betrachtet, war Kanaan das von Gott zu Anfang des Exodus verheißene Land. So heißt es etwa in Exodus 3, 8: „Therefore I am come downe to deliuer them out of the hand of the Egyptians, and to bring them out of that land into a good la[n]d, into a la[n]d that floweth with milke & hony, euen into the place of the Canaanites, and the Hittites, & the Amorites, and the Perizzites, and the Hiuites, and the Iebusites.“237 234 Zur Einführung siehe etwa Fritz STOLZ, Art. „Kanaan“, in: TRE 17 (1988), S. 539-556; P. Kyle MCCARTER JR, Art. „Canaan“, in: The Oxford Companion to the Bible, ed. von Bruce M. Metzger & Michael D. Coogan, New York u.a. 1993, S. 98; Moshe WEINFELD, The Promise of the Land. The Inheritance of the Land of Canaan by the Israelites, Berkeley u.a. 1993. 235 Meines Wissens hat einzig Brendan Bradshaw in zwei älteren Aufsätzen eine annähernd ähnliche Perspektive entworfen. Freilich bezieht er sich primär auf ein grundsätzlich calvinistisches Gedankengut, ohne die Idee der Erwählung hier weiter zu verfolgen. Siehe Brendan BRADSHAW, Robe and sword in the conquest of Ireland, in: Claire Cross / David Loades / John J. Scarisbrick (Hgg.), Law and Government under the Tudors. Essays presented to Sir Geoffrey Elton, Cambridge u.a. 1988, S. 139-162; DERS., Sword, Word and Strategy in the Reformation in Ireland, in: HJ 21 (1978), S. 475-502; zuletzt dazu Mark A. HUTCHINSON, Calvinism, reform and the absolutist state in Elizabethan Ireland, London/Vermont 2015, der aber auch einen anderen Fokus hat. 236 Siehe etwa Richard A. MCCABE, The Fate of Irena: Spenser and Political Violence, in: Patricia Coughlan (Hg.), Spenser and Ireland. An Interdisciplinary Perspective, Cork 1989, S. 109-125; die Debatte zwischen Nicholas Canny und Ciaran Brady in den 1980er Jahren drehte sich auch um die Radikalität von Edmund Spensers Schrift. Siehe dazu Nicholas CANNY, Edmund Spenser and the Development of an Anglo-Irish Identity, in: Yearbook of English Studies 13 (1983), S. 1-19; BRADY, Spenser’s Irish Crisis sowie CANNY, Debate: Spenser’s Irish Crisis und BRADY, Debate: Spenser’s Irish Crisis; ferner BRADSHAW, Robe and sword; aus literaturwissenschaftlicher Sicht etwa GREENBLATT, Renaissance Self-Fashioning, S. 157-192. 237 Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 25r.

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Ausgemalt wird die Vision eines Landes, in dem Milch und Honig fließen, etwa durch folgende Passage aus dem Deuteronomium: „For the Lord thy God bringeth thee into a good land, a la[n]d in the which are riuers of water and fountains, & depthes that spring out of valeis and mountains. A land of wheat, and barley, and of vineyardes, and figtrees, & pomegranates: a la[n]d of oyle oliue and honey. A la[n]d wherein thou shalt eat bread without scarcetie, nether shalt thou lacke anie thing therein: a 238 la[n]d whose stones are yro[n], & out of whose mountains thou shalt digge brasse“

Kanaan als verheißenes Land firmiert hier als eine Art Chiffre für materiellen Überfluß und einen Ort glückseligen Lebens.239 Allerdings erschlossen sich diese Reichtümer nicht unmittelbar. Zwischen der Verheißung auf ein leichtes Leben und der letztlichen Erreichung dieses Ziels bestanden mindestens zwei wesentliche Hindernisse: Auf der einen Seite musste das von Gott verheißene Land zuerst im Zuge einer Landnahme erkämpft werden, war es doch bereits von starken Völkern besiedelt.240 Auf der anderen Seite tritt neben diese eher territoriale Dimension der Kanaanvorstellung eine ‚moralische‘ Komponente, die primär zeitlich verortet ist. Hierbei spielt sodann der mit Gott geschlossene Bund eine wichtige Rolle, war die Verheißung eines leichten Lebens in Kanaan doch ursächlich an Auflagen gebunden. So spricht Gott zu Moses am Berg Sinai: „Now therefore if ye wil heare my voice in dede, & kepe my couena[n]t, the[n] ye shalbe my chief treasure aboue all people, thogh all the earth be mine. Ye shalbe vnto me also a kingdome of Priestes, and an holy nation. These are the words which thou shalt speake vnto the children 241 of Israel.“

Das Gelobte Land musste demnach nicht nur ganz pragmatisch erobert, besiedelt und kultiviert werden, sondern es waren zusätzlich moralische Auflagen zu erfüllen. Wie Michael Walzer in diesem Zusammenhang betont hat, beinhaltet bereits die biblische Darstellung eine Kehrseite, die das irdische Genießen an eine gerechte Ordnung bindet, die im krassen Gegensatz zur ägyptischen Knechtschaft stehe. 242 Diese gerechte Ordnung fußt letztlich auf den Bedingungen des Bundes mit Gott, den die Israeliten am Berg Sinai eingegangen sind. Erst wenn sich das Volk vollständig zu Gottes Geboten hinwendet, seine Vorgaben akzeptiert und dadurch den Bund erneuert, werden 238 Deuteronomium 8, 7-9 (Geneva Bible, fol. 84v). 239 Vgl. WALZER, Exodus und Revolution, S. 109-115. 240 Siehe u.a. die Darstellung in Numeri Kap. 21, Kap. 33, 50-56 und die Kap. 34-36 sowie die entsprechenden Stellen im Buch Josua, Kap. 6, 8, 10, 11 & 15; cf. WEINFELD, The Promise of the Land, S. 99-155; Koert VAN BEKKUM, From conquest to coexistence. Ideology and antiquarian intent in the historiography of Israel’s settlement in Canaan, Leiden 2011; Hartmut N. RÖSEL, Israel in Kanaan. Zum Problem der Entstehung Israels [Beiträge zur Erforschung des Alten Testaments und des antiken Judentums, Bd. 11], Frankfurt a. M. 1992, S. 9-21. 241 Exodus 19, 5-6, zitiert nach der Geneva Bible, fol. 32v. 242 Vgl. WALZER, Exodus und Revolution, S. 112-117; cf. KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 91f.

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sich die Reichtümer Kanaans den Auserwählten zur Gänze erschließen. 243 Beim Propheten Jesaja heißt es deshalb: „If ye consent and obey, ye shal eat the good things of the land.“244 Das verheißene Land erschließt sich folglich nur denjenigen zur Gänze, die eine innere Reform durchlaufen und in diesem Zuge ihre ägyptische Vergangenheit ablegen, um sich vollständig Gott zuzuwenden. Dieser Prozess ist freilich nicht als einmaliger Akt zu denken, sondern muss immer wieder aufs Neue vollzogen werden. 245 So ist die Aufrechterhaltung und Perpetuierung eines gottgefälligen Lebensstils ursächlich mit der Verheißung Kanaans verbunden. Eine Abweichung bzw. bewusste Ablehnung dieses Lebensstils führe demgegenüber am Ende zurück in einen Zustand ägyptischer Knechtschaft, durch den die Segnungen des Landes verschloßen würden und der Beistand Gottes verloren ginge. So hat Michael Walzer vollkommen zu Recht bemerkt: „Wenn man Sklaven nach Kanaan bringt, wird Kanaan bald ein zweites Ägypten werden.“246 Die folgenden Kapitel dienen dazu, die These von der Wahrnehmung Irlands als zweitem Land Kanaan zu substantialisieren. Es steht zu vermuten, dass eine derartige Imagination des Landes für die neu-englischen Akteure mehrere Vorteile mit sich brachte: Zuvorderst erlaubte es ihnen, den Status der Engländer als von Gott erwähltes Volk im vorliegenden Kontext zu reproduzieren, und derart eine Anknüpfung an die englischen Diskussionen herzustellen. Damit war freilich eine selbstkritische und reflexive Dimension verbunden, die analog zum englischen Kontext die erwählte Position immer wieder einer kritischen Prüfung unterzog und dadurch nicht zuletzt bestehende politische, religiöse, soziale und kulturelle Phänomene, Praktiken und Übereinkünfte hinterfragen konnte. Diese Hinterfragung führte nachgerade dazu, dass die beiden in Irland ansässigen Gruppen der Iren und Alt-Engländer einer neuerlichen Bewertung unterzogen wurden. Im Fall der autochthonen Bevölkerung okkupierten neu-englische Autoren gewissermaßen einen seit dem Mittelalter bestehenden Barbarendiskurs und reproduzierten große Teile davon im Rahmen ihrer eigenen Schriften. Allerdings ist in diesem Zusammenhang eine signifikante Verschiebung feststellbar, erweiterten doch die meisten Autoren ihre Betrachtungen zu den irischen Verhaltensweisen und Lebensumständen um eine konfessionelle Dimension. Dadurch nahm die indigene Bevölkerung in den Darstellungen der neu-englischen Akteure nicht mehr nur eine kulturelle Andersartigkeit an, die gut und gerne auch für Texte anderer Provenienz konstatiert werden kann, sondern durch den Einbezug der Logiken der Mosaischen Unterscheidung konnte diese Andersartigkeit als ein fundamentaler Gegensatz zu Gott konstruiert werden. Bestimmend war hier der vorherrschende Katholizismus in den Reihen der Iren, der freilich vielfach als defizitär, synkretistisch und heidnisch beschrieben wurde. Dennoch, oder gerade deswegen, konnten die Iren als Idolatoren gebrand243 In diese Richtung kann sodann die göttliche Forderung „Ihr sollt mir ein priesterliches Königreich und eine Heilige Nation“ sein aus Ex. 19, 5-6 interpretiert werden. 244 Jesaja 1, 19, zitiert nach der Geneva Bible, fol. 283r. 245 Gerade dieser Aspekt, dass der Bund immer wieder wiederholt und reproduziert werden muss, macht die Exodus-Geschichte für Walzer erst politisch anwendbar. Siehe WALZER, Exodus und Revolution, S. 94-99; KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 91f. 246 WALZER, Exodus und Revolution, S. 115.

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markt werden, wodurch sich der nach Jan Asmann wesentliche Faktor der Mosaischen Unterscheidung aktualisieren ließ und die indigene Bevölkerung somit in einem dezidiert gegen Gott gerichteten Bereich situiert werden konnte. Gerade im Rahmen des Neunjährigen Krieges lässt sich aufgrund der existenziellen Krisenhaftigkeit des Konflikts die Stilisierung der Iren als jene kanaanitischen Völker beobachten, die sich in erster Linie durch ihre kulturelle und kultische Andersartigkeit auszeichneten und vielfach als Erz- und Erbfeinde Israels und Gegner Gottes dargestellt worden sind. In ähnlicher Weise wie die irische Bevölkerung in das Muster kanaanitischer Völker eingepasst wurde, verfuhren neu-englische Autoren auch mit der altenglischen Siedlerschaft. Besonders im Hinblick auf diese Gruppe muss die artikulierte Angst vor einem Rückfall in ägyptische Zustände gesehen werden. Der weidlich praktizierte Katholizismus eines Großteils der alt-englischen Siedlergemeinde bot hier den entsprechenden Ansatzpunkt, um eine Differenzierung innerhalb der englischen Gruppen in Irland zu fördern. Dies geschah letztlich durch die Aktualisierung einer Degenerations- oder Verfallserzählung, welche den Alt-Engländern vorwarf, sie hätten sich seit der Zeit der erstmaligen Eroberung sukzessiv mit der autochthonen Bevölkerung vermischt, seien von der irischen Kultur assimiliert worden oder hätten sich einfach den vorherrschenden Bedingungen ergeben. 247 Neuenglische Autoren leiteten aus diesem Verfallsnarrativ eine spezifische Rolle für die Alt-Engländer ab, die sie als jene Israeliten entwarf, welche die göttlichen Vorgaben zum Umgang mit den kanaanitischen Völkern gebrochen hatten. Dadurch hätten sie den Zorn Gottes riskiert, was für die neu-englischen Vertreter eine der wesentlichen Ursachen dafür war, dass einerseits in zunehmenden Maße eine Invasion bzw. Intervention von katholischen Mächten drohe, und andererseits eine Erklärung dafür bot, warum die Transformation Irlands in ein prosperierendes und gesegnetes Land bislang noch nicht geglückt sei. Der neu-englische Kanaandiskurs zeichnete sich somit vor allem dadurch aus, dass er die irische Bevölkerung sowie die alt-englischen Siedler als wesentliche Blockade auf dem Weg zu einem verheißenen Land präsentierte. Auf diese Weise versuchten die neu-englischen Siedler und Offiziellen die politischen Prämissen der Alt-Engländer zu diskreditieren und darüber deren politischen Einfluss zu minimieren. Indem neu-englische Autoren in gleicher Weise vor den dräuenden Gefahren des Verfalls und eines damit zusammenhängenden Zorn Gottes warnten, beanspruchten sie in dieser Situation die Funktion von Propheten. Denn mit ihren Warnungen war zugleich eine Reihe von Vorschlägen und ‚Reformkonzepten‘ verbunden, die im Einklang mit dem göttlichen Bund die drohenden Gefahren abwehren, jenen erneuern und Irland dadurch letztlich doch in ein zweites Kanaan verwandeln konnten. Der Interpretations- bzw. Wahrnehmungsrahmen der Insel als ein neues Kanaan hatte Auswirkungen auf zentrale Traditionsbestände und Konstruktionen im irischen Raum. Die neu-englische Ursachenanalyse setzte durch die Einführung des konfessionellen Moments sowohl die autochthone Bevölkerung als auch die alt-englische 247 Grundlegend dazu Seán DUFFY, The Problem of Degeneracy, in: James Lydon (Hg.), Law and Disorder in Thirteenth-century Ireland. The Dublin Parliament of 1297, Dublin 1997, S. 87-106; J. A. WATT, Approaches to the history of fourteenth-century Ireland, in: Art Cosgrove (Hg.), New History of Ireland, Bd. 2, S. 310f.

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Gemeinde in einen fundamentalen Gegensatz zu England, der eigenen Gruppe und Gott. Der Gegner wurde im Rahmen dieser Wahrnehmung gewissermaßen ‚kanaanisiert‘, so dass er schließlich als wesentliches Hindernis für die Befriedung des Landes sowie die Ausbeutung und Nutzbarmachung der irischen Reichtümer und Ressourcen präsentiert werden konnte. Damit einher ging zugleich der Versuch, Iren und AltEngländer, die beide formal Untertanen der englischen Krone waren, aus den bestehenden rechtlichen und identifikatorischen Zusammenhängen auszuschließen und als Feinde und Fremde zu präsentieren. Zugleich implizierte diese Stilisierung, dass nur eine neuerliche Eroberung und Kolonialisierung die bestehenden Defizite beseitigen könne. In diesem Rahmen schließlich war auch eine erhöhte Gewalttätigkeit bzw. ein radikaleres Vorgehen gegen die kanaanitischen Völker gerechtfertigt, da Gott den Engländern die Besiedlung und Reform des Landes analog zum biblischen Beispiel aufgetragen habe. Es handelte sich hierbei also um eine Form von Erwählungspolitik, die sich auf spezifische Teile der Exodus-Erzählung stützte, um Innovationen in die englische Irlandpolitik einzuführen und zu legitimieren. Erst infolge der vorgeschlagenen Reformprogramme konnte die Nachbarinsel in den Augen neu-englischer Autoren zu einem verheißenen Land avancieren und seine natürlichen Reichtümer am Ende preisgeben. 4.1 Irland als zweites Kanaan I: Das fruchtbare Land In einem frühen Werbeschreiben für ein privates Ansiedlungsunternehmen, an dem auch Sir Thomas Smith und dessen Sohn beteiligt waren, schrieb der Autor I. B. über Irland: „Let vs therefore vse the persuasions which Moses vsed to Israel, they will serue fitly in this place, & tell them that they shall goe to possesse a lande that floweth with milke and hony, a fertile soile truly if there be any in Europe, whether it be manured to corne, or left to grasse. There is Timber, stone, plaister, & slate commodious for building euery where aboundant, a countrey full of springs, riuers and lakes both small and greate, full of excellent fishe and foule, no parte of the countrey distant aboue viii miles from a moste plentifull sea, or land water able 248 to beare lode.“

Die Präsentation Irlands als zweites Land Kanaan, die sich hier abzeichnet, war von zentraler Bedeutung für die Auseinandersetzungen mit den dortigen Verhältnissen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Denn in diesem positiv besetzten Kanaanbild kondensierten die Hoffnungen, Wünsche, Ziele und Motive, die englische Unternehmer, Investoren, Abenteurer, Militärs, Siedler und andere offizielle wie private Personen mit der Nachbarinsel verbanden. Irland firmierte in diesen Darstellungen 248 I. B., A letter sent by I.B. Gentleman vnto his very frende Maystet [sic] R.C. Esquire vvherin is conteined a large discourse of the peopling & inhabiting the cuntrie called the Ardes, and other adiacent in the north of Ireland, and taken in hand by Sir Thomas Smith one of the Queenes Maiesties priuie Counsel, and Thomas Smith Esquire, his sonne, London 1572 (STC2 1048/Henry E. Huntington Library), fol. Dir; zu Thomas Smith und dessen Kolonialisierungsprojekt siehe QUINN, Sir Thomas Smith (1513-1577) and the Beginnings of English Colonial Theory.

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als ein Raum der Möglichkeiten und stellte somit nicht nur einen Ort des materiellen Überflusses dar, sondern offerierte für eine ganze Reihe von englischen Problematiken adäquate Lösungen. Die topische Aufzählung der vielen Vorteile stellte in diesem Zusammenhang keineswegs ein rein rhetorisches Element dar.249 Im Gegenteil reproduzierten die verschiedenen Autoren damit sowohl die Gründe für ein Engagement in Irland, als auch das letztliche Ziel eines prosperierenden, befriedeten und damit einträglichen Landes. Die Lobpreisungen auf dessen Fruchtbarkeit und den natürlichen Ressourcenreichtum waren somit nicht nur rhetorisches Beiwerk oder bewusste Verklärung und Überzeichnung eines Unternehmers, sondern bildeten die Voraussetzung des Zustroms neu-englischer Akteure sowie einer neu-englischen Politik, die mit fortschreitender Zeit für die Herstellung des verheißenen Landes eine zunehmende Vehemenz und Brutalität forderte und selbst streckenweise vorantrieb. Edmund Spenser äußerte sich in seiner berühmten Schrift A vewe of the present state of Irelande ganz im Sinne des oben angezeigten Musters. So beschrieb er das Land als „a moste bewtifull and swete Countrie as anye is vnder heaven“. Was folgte, war eine Aufzählung der vielen Vorteile, die Irland zu bieten hatte. Darunter fanden sich selbstredend die Fruchtbarkeit des Landes, der Reichtum an Fischen sowie das reichlich vorhandene und gute Nutzholz, das zum Bau von Häusern und Schiffen benutzt werden könne. Spenser hatte anscheinend auch bereits ökonomische Aspekte im Hinterkopf, als er die vielen Flüsse und Seen lobte, auf denen ohne weiteres Schiffe passieren könnten. Zudem lobte er die natürliche Anlage der Buchten und Häfen, die sich besonders günstig zu England und Schottland hin öffnen und die Engländer geradezu einladen würden, um nach Irland zu kommen und die dort vorhandenen Waren zu begutachten.250 Spensers Kommentar stellt eine relativ kurze Zusammenfassung der unterschiedlichen Äußerungen zu den Vorteilen der irischen Insel dar. Sein Lob der generellen Fruchtbarkeit des Landes sowie eines natürlichen Reichtums der Flora und Fauna bildet einen wichtigen Aspekt in der Imagination Irlands als verheißenes Land, der sich in vielen verschiedenen Texten der Zeit wiederholt. So schreibt der bereits erwähnte Autor I. B. dazu: „[T]here cannot be [...] a more fertile soile thorowe out the world for that climate than it is, a more pleasant, healthful, ful of springs, riuers, great fresh lakes, fishe, and foule, and of moste commodious herbers. England giueth nothing saue fine woolle, that will not be had also moste 251 abundantly there, it lacketh only inhabitants, manurance, and pollicie.“ 249 Zur topischen Aufzählung der vielen Vorteile eines zu besiedelnden Landes siehe JONES, Promotion Literature, S. 132; ferner John PARKER, Books to Build an Empire. A Bibliographical History of English Overseas Interests to 1620, Amsterdam 1965, bes. S. 38-50 & 102-125; Loren E. PENNINGTON, The Amerindian in English Promotional Literature 1575-1625, in: Andrews / Canny / Hair (Hgg.), Westward Enterprise, S. 175-194; Ada Kathleen LONGFIELD, Anglo-Irish Trade in the Sixteenth Century, London 1929, S. 2240 und passim. 250 Edmund SPENSER, A View of the Present State of Ireland [ca. 1596], in: Rudolf Gottfried (Hg.), Spenser’s Prose Works [The Works of Edmund Spenser, A Variorum Edition, Bd. 10], 3. Aufl., Baltimore 1966, S. 39-231, hier S. 62. 251 I. B., A letter, fol. Biv. Ähnlicher Kommentar zur Fruchtbarkeit des Landes auf fol. Aiiir.

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Die Darstellung Irlands als fruchtbares Land, das über ein mannigfaltiges Angebot an natürlichen Ressourcen verfügt, findet sich auch in einem wohl um 1600 entstandenen Traktat. Darin beschreibt der Autor die Situation wie folgt: „The soile is generally fertill, but litle and badly manured […] The country yeeldeth great store of beeffes and porkes, excellent horses of a fine feature and wonderfull swyftnes, and are thought to be a kinde of the race of the Spanish Genetts. There ar many and those very good hawkes, but yt aboundeth cheefly in fysh and fowle, some store of sheepe […] Great plenty of 252 woode […] There are also many mynes, especially iron and lead, and some copper […]“

In seinem internen Bericht über die Zustände in Irland äußerte sich Sir William Gerrard ähnlich: „[Y]et all agree in this: that the soyle is fertill, pleasaunt and plentifull, yealdeth all thinges necessarye for mans sustentacion [sic!].“253 Eine dezidiert propagandistische Flugschrift ist Robert Paynes A briefe description of Ireland. Darin schildert er, wie vorzüglich sich das irische Land für den Anbau zahlreicher Getreidesorten und anderer Feldfrüchte eignen würde. Die Holzvorkommen seien nahezu unerschöpflich, könnten leicht verarbeitet werden und auch einer eventuellen Erzund Metallverarbeitung zu Gute kommen. Erze gäbe es in vielfältiger Art und Zahl, darunter Eisen-, Blei- und Sumpferz.254 Die Küstenregionen böten eine Unmenge an Austern und weiteren Muschelarten sowie Meerfenchel. Insgesamt beschreibt Payne die Fauna reichhaltiger als im Mutterland und vermerkt zudem das im Vergleich zur britischen Insel gemäßigtere Klima.255 Das im Verhältnis zu England angenehmere Klima konstatierte auch der deutsche Reisende Ludolf von Münchhausen, als er 1591 Teile Irlands bereiste. Im Übrigen schloss sich der Deutsche den gängigen Bewertungen der englischen Autoren zum Reichtum Irlands an natürlichen Ressourcen an.256 William Camden äußerte sich in seinem Werk Britannia vergleichbar zu den natürlichen Vorzügen der Grünen Insel und zitierte zusammenfassend einen Ausspruch Giraldus Cambrensis’, indem er schrieb: „[T]he Iland aboundeth in so many blessings, that Giraldus said not without just cause, That Nature had cast into this Western Kingdome of Zephyrus, a more grabious [gracious?] eie than ordinary.“257 252 John DYMMOK, A Treatice of Ireland [um 1600], ed. von Richard Butler in: Tracts Relating to Ireland, Bd. 2, hrsg. von der Irish Archaeological Society, Dublin 1843, S. 1-90, hier S. 5f. 253 William GERRARD, Lord Chancellor Gerrard’s Notes of His Report on Ireland, ed. von C. McNeill, in: Analecta Hibernica 2 (1931), S. 93-291, hier S. 93f. 254 Zur Bedeutung der Erzverarbeitug siehe LONGFIELD, Anglo-Irish Trade, S. 167-169. 255 Siehe Robert PAYNE, A briefe description of Ireland, made in this yeare, 1589, by Robert Payne, vnto xxv. of his partners for whome he is vndertaker there, London 1589 (STC2 19490/Bodleian Library), S. 8-10 & 5f; cf. William HERBERT, Croftus Sive de Hibernia Liber [1591?], ed. und übersetzt von Arthur Keaveney & John A. Madden, Dublin 1992, hier S. 25; so auch SPENSER, A View, S. 62. 256 Vgl. die Edition des Tagebucheintrages zu Irland in Dagmar Ó RIAIN-RAEDEL, A German visitor to Monaincha in 1591, in: Tipperary Historical Journal (1998), S. 223-233, hier S. 229. 257 William CAMDEN, Britain, or A chorographicall description of the most flourishing kingdomes, England, Scotland, and Ireland, and the ilands adioyning, out of the depth of

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Das entworfene Bild porträtiert die Insel als einen Raum der Möglichkeiten, dessen Entwicklung eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich brächte. Immer wieder werden in diesem Zusammenhang beispielsweise gesellschaftliche Problematiken in England genannt, für die eine Kultivierung und Entwicklung Irlands potentielle Lösungen anbieten würden. Zu den von der Forschung als eher weniger akut eingestuften Problematiken zählte das Argument der Überbevölkerung, das jedoch in nahezu sämtlichen Werbeschreiben zur Kolonisierung der Neuen Welt an irgendeiner Stelle auftaucht.258 Im Falle Irlands machte bereits der Autor I. B. von diesem Argument gebrauch, um seine Leser von der Nützlichkeit eines Ansiedlungsprojektes in Ulster zu überzeugen: „England was neuer that can be heard of, fuller of people than it is at this day, and the dissolution of the Abbayes hath done two things of importance heerin: It hath doubled the number of gentlemen and mariages, whereby commeth daily more increase of people and suche yonger 259 brothers as were wonte to be thruste into Abbayes, there to liue“

Forschungen zur ‚Sozialpolitik‘ der Tudors haben inzwischen bestätigt, dass man keineswegs von einer Überbevölkerung sprechen könne. Allerdings konnten die sozialen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts zu einer beobachtbaren Verschiebung althergebrachter Lebensmodelle führen, in deren Zuge ein deutlicher Zustrom vom Land in die Städte und ein damit einhergehendes Anwachsen bzw. überhaupt die Entstehung eines signifikanten, unteren Sozialmilieus zu verzeichnen waren. Die Zunahme an Bettlern, Vagabunden und Armen, und vor allem das Sichtbarwerden dieser Gruppen, stellte eine große Herausforderung für die englische Krone dar, für die nun durch die Ansiedlungsprojekte eine adäquate Lösung angeboten werden konnte.260 Ein zweites Problem, für das Irland eine potentielle Lösung bot, war der Überfluss an jüngeren Söhnen, die aufgrund der Primogeniturregelung in England kaum Chance auf sozialen Aufstieg hatten. Nicht nur stand für diese Gruppe Landbesitz im Übermaß bereit, sondern deren überschüßige Energie konnte zudem in den Weiten antiquitie beautified vvith mappes of the severall shires of England, London 1610 (STC2 4509/Yale University Library), S. 63 (Hervorhebung im Original); zusammenfassend zu den einzelnen Punkten auch LONGFIELD, Anglo-Irish Trade, Kap. 3-12. 258 Siehe JONES, Promotion Literature, S. 146-152; gerne wurde das Argument auch mit einer steigenden Anzahl an Kriminellen und Armen in Verbindung gebracht. PARKER, Books to Build an Empire, S. 82, 105, 115. 259 I. B., A letter, fol. Civr. 260 Vgl. JONES, Promotion Literature, S. 146f; Marjorie K. MCINTOSH, Poor relief in England, 1350-1600, Cambridge 2012, Kap. 3 & 4; Paul SLACK, Poverty and policy in Tudor and Stuart England, London 1988, S. 37-60; A. L. BEIER, The problem of the poor in Tudor and early Stuart England, London 1983; Mark OVERTON, Agricultural Revolution in England. The transformation of the agrarian economy 1500-1850, Cambridge 1996, S. 171f, 188-190; freilich bleibt hier die Frage bestehen, ob das ‚Problem’ der Überbevölkerung nicht teilweise durch die Interessen der Unternehmer erst als ein solches geschaffen wurde, weil man Argumente für die Unterstützung der diversen Ansiedlungsprojekte brauchte.

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des neu zu besiedelnden Landes produktiv eingesetzt werden. Zuletzt verhieß Irland auch einen relativ schnellen sozialen Aufstieg für all jene, die beherzt zur Sache gingen und es verstanden, eine günstige Gelegenheit zu ergreifen. Die Enteignung des Kirchenbesitzes sowie die vielen Konfiskationen im Anschluss an diverse Aufstände irischer Häuptlinge schufen nicht nur ein beträchtliches Angebot an Land, sondern einher damit mussten zwangsläufig neue Verwaltungsposten auf unterschiedlichen Ebenen sowie Möglichkeiten für Profit gehen.261 So ist es kaum verwunderlich, dass es sukzessiv Militärs, Glücksritter und Karrieristen nach Irland zog, die mit dem Land eine Vorstellung von ökonomischer Solidität sowie politisch-gesellschaftlichem Aufstieg verbanden.262 Dieser Aufstieg war denn auch relativ leicht zu haben, beliefen sich die notwendigen Kosten für ein Leben als ‚Gentleman‘ in Irland lediglich auf einen Bruchteil dessen, was ein vergleichbares Dasein in England selbst verschlungen hätte. Gerade hiermit versuchten einzelne Unternehmer für ein Leben in Irland zu werben.263 Ein letzter, wichtiger Punkt zugunsten eines Engagements in Irland ist ebenfalls ökonomischer Natur und spiegelt die vielfach konstatierte atlantische Perspektive wider. So kommt es gegen Ende des 16. Jahrhunderts vermehrt zu Argumentationen, die Irland zusätzlich zu den bereits genannten weiter kultivieren und entwickeln möchten, damit es im zunehmenden Atlantikhandel eine wichtige Rolle – auch vor dem Hintergrund einer Konkurrenz mit Spanien – einnehmen konnte.264 In einem 261 Das klassiche Beispiel für einen zweitgeborenen Sohn, der in der Folge in Irland zu großem Reichtum und Ansehen gelangte, wobei er u.a. Vorteile aus den Konfiskationen im Anschluss an die Desmond-Rebellion zog, ist Richard Boyle, erster Graf von Cork. Siehe zu dessen Karriere Nicholas CANNY, The Upstart Earl. A Study of the Social and Mental World of Richard Boyle, First Earl of Cork, 1566-1643, Cambridge 1982. 262 Als Beispiele für neu-englische Aufsteiger und Profiteure in diesem Bereich können die Cousins Peter und George Carew genannt warden. Siehe dazu Jason DORSETT, Sir George Carew: The Study and Conquest of Ireland, unveröffentlichte PhD-Thesis, Oxford 2000; Ute LOTZ-HEUMANN, Art. „Carew, George“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]; John A. WAGNER, The Devon Gentleman. The Life of Sir Peter Carew, Hull 1998; generell zur Gruppe der Militärs in Irland Rory RAPPLE, Martial Power and Elizabethan Political Culture. Military Men in England and Ireland, 1558-1594, Cambridge 2009. 263 I. B., A letter, fols. Fiv & Div; PAYNE, A briefe description of Ireland, S. 12f; Richard McCabe sah gerade auch den Poeten Edmund Spenser unter diesen Personen, als er dazu schrieb: „For second sons, impoverished soldiers and indigent poets, Ireland afforded the otherwise impossible prospect of ascent to the ranks of the landed gentry.“ Siehe Richard A. MCCABE, Edmund Spenser, Poet of Exile, in: Proceedings of the British Academy 80 (1993), S. 73-103, hier S. 74. 264 Vgl. dazu etwa CANNY, England’s New World and the Old, S. 166f; PARKER, Books to Build an Empire, S. 118f; ähnlich äußerte sich auch Richard Hakluyt zur Konkurrenzsituation: „I conceiue great hope, that the time approcheth and nowe is, that we of England may share and part stakes (if wee will our selues) both with the Spaniarde and the Portingale in part of America, and other regions as yet vndiscouered.“ Richard HAKLUYT, Diuers voyages touching the discouerie of America, and the ilands adiacent vnto the same made first of all by our Englishmen, and afterward by the Frenchmen and Britons

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anonymen Traktat wird dergestalt Irland als Umschlagplatz für Warenströme aus allen Himmelsrichtungen propagiert. Der Autor führt eine Vielzahl von Argumenten an, die diese herausragende Position der Insel rechtfertigen würden: Zuvorderst böte sich Irland an, weil es vom Ozean her besser zugänglich sei als England mit seinen Häfen.265 Die natürliche Anlage der Grünen Insel begünstige somit die Etablierung von Handelsströmen, die vormals über andere Zentren wie Hamburg abgewickelt worden seien. Der Unterschied bestünde vor allem darin, dass im Gegensatz zum oft beschwerlichen Weg über Land der Seeweg weitaus komfortabler, günstiger und risikoärmer sei.266 Für die in Irland stationierten Handelskompanien hätte der Ort zusätzliche Vorteile, könnte doch das reichlich vorhandene Nutzholz zum Bau von Schiffen verwendet werden. Ein netter Nebeneffekt dieser Tätigkeit sei – dem Autor zufolge – das Anwachsen der königlichen Marine, wodurch eine bessere Absicherung der britischen Inseln erreicht werden könne.267 Eine ganz ähnliche Kombination von militärischem Nutzen und wirtschaftlichen Überlegungen konnte Nicholas Canny auch für andere Ansiedlungsprojekte in Irland nachweisen. So plante etwa Henry Challon eine Besiedlung und Entwicklung des süd-westlichen Irlands, weil es auf der Route nach Amerika lag. Challon empfahl ferner die Errichtung einer Serie von verbundenen Siedlungen, die er als Zulieferer für die maritimen und militärischen Unternehmungen in Irland und dem Atlantik geplant hatte, und die durch eine starke Festung in diesem Gebiet geschützt werden sollten. Darüber hinaus sah er das süd-westliche Irland als Umschlagplatz, an dem Lebensmittel und Textilien aus Irland ihren Weg in die neuen Kolonien Amerikas finden, und umgekehrt die Waren aus dem Atlantikraum nach England reimportiert werden sollten. 268 Eine fast identische Vorstellung zu Irlands Position und Funktion sah auch William Herbert. Er schrieb dazu:

„Given also Ireland's convenient harbours, its copious corn supply, its abundance of commodities necessary for the maintenance of troops and finally its location in the west, we should note how much support and assistance this kingdom would have brought us in carrying out our vast 269 enterprises in the Atlantic and West Indies“. Ein eigener Punkt, auf den immer wieder Bezug genommen wird, war die Vorstellung Irlands als ‚Kornkammer‘ Englands. Herbert verglich in diesem Rahmen die Insel mit dem antiken Sizilien, welches für Rom eine ähnliche Funktion ausgeübt hätte:

265

266 267 268 269

[…], London 1582 (STC2 12624/University of Michigan Libraries), Dedicatorie Epistle fol. ¶ 1r. Vgl. A Discourse of Ireland, S. 160f; die gute natürliche Lage der Buchten und Häfen vermerkte auch SPENSER, A View, S. 62; vgl. auch die Bemerkungen bei LONGFIELD, Anglo-Irish Trade, S. 30-40. A Discourse of Ireland, S. 161. A Discourse of Ireland, S. 162; cf. SPENSER, A View, S. 62. Hier spielten natürlich die jüngsten Erfahrungen mit der spanischen Armada eine nicht unerhebliche Rolle. Siehe CANNY, England’s New World and the Old, S. 166. HERBERT, Croftus, S. 29.

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„When did she not give, at the appointed time, the corn which was owing? When did she not, of her own accord, promise what she thought was needed? When did she refuse what was ordered? And so the great Marcus Cato Sapiens called Sicily the store-place of our state and the nurse of the Roman people. […] At no expense to us she clothed, fed and armed our mighty 270 armies with a supply of hides, tunics and corn.“

Aufgrund des fruchtbaren Bodens sah auch der Verfasser I. B. gute Chancen, in Irland einen beträchtlichen Überschuss an Getreide zu erwirtschaften, der nicht nur zur Versorgung des Mutterlandes genutzt, sondern auch gewinnbringend exportiert werden könne.271 Insgesamt zeigt sich, dass englische Autoren verschiedenster Couleur in den natürlichen Voraussetzungen Irlands enormes Potential sahen. Ob nun als Stützpunkt für den transatlantischen Verkehr, als zentraler Umschlagplatz für Waren aus aller Welt, als Kornkammer, Zuflucht für jüngere Söhne oder als Auffanglager für all jene, die man aus welchen Gründen auch immer in England nicht mehr haben wollte: Irland bot für alle Möglichkeiten und Hoffnungen auf einen Neuanfang, auf eine Karriere, auf Landbesitz und sozialen Aufstieg – und natürlich verhieß es für alle Reichtum und Profit. In dieser Hinsicht stellte die Insel im wahrsten Sinne ein Land der Verheißung dar. Allerdings bedeutete das Potential, das hier in vielen Schriften der Zeit immer wieder betont worden war, nicht zwangsläufig, dass sich diese Reichtümer und Verheißungen auch tatsächlich einstellten. Im Gegenteil waren die Versprechungen auf ein gutes Leben und materiellen Überfluss ursächlich an Auflagen gebunden, die vor das Genießen die Aufgabe der ‚Reformierung‘ des Landes gestellt hatten. 4.2 Irland als zweites Kanaan II: Die kanaanitischen Völker „And as touching the Irish […] what are they better then Cananites, which contemne God and Reli272 gion“

Während am prinzipiellen Reichtum Irlands kaum ein Zweifel bestehen konnte und das Land in dieser Hinsicht tatsächlich wie ein zweites Kanaan erscheinen mochte, bestand jedoch ein großes Problem darin, diese Reichtümer entsprechend zu fördern und nutzbar zu machen. Im Gegensatz zu den bestehenden Erwartungen erschien Irland allen Beteiligten realiter als ein großes Loch, in dem sukzessiv Gelder, Soldaten und Hoffnungen auf Besserung verschwanden.273 Dieser Zustand führte dazu, dass sich die Regierung um Elisabeth I. über weite Strecken ihrer Herrschaftszeit nicht bemüßigt sah, ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und finanzieller Förderung in die 270 271 272 273

HERBERT, Croftus, S. 27; cf. LONGFIELD, Anglo-Irish Trade, S. 173-177. I. B., A letter, fol. Eir. A Discourse of Ireland, S. 164. Vgl. dazu grundsätzlich Sheila T. CAVANAGH, ‚The fatal destiny of that Land‘: Elizabethan views of Ireland, in: Brendan Bradshaw / Andrew Hadfield / Willy Maley (Hgg.), Representing Ireland. Literature and the origins of conflict, 1534-1660, Cambridge 1993, S. 116-131; WILLIAMS, The Later Tudors, S. 265-270.

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irischen Verhältnisse zu investieren.274 Zu hoch schien die Diskrepanz zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen Erfahrungen, die englische Offizielle vor Ort machten. Diese grundsätzliche Enttäuschung im Hinblick auf die Ausbeutung irischer Ressourcen und einer eventuellen ökonomischen Nutzbarmachung Irlands wurde durch eine Zuspitzung der Konflikte zwischen Iren und Engländern begleitet. Nicht nur erhöhte sich die Zahl militärischer Scharmützel, sondern der Grad an Brutalität und Gewaltausübung beiderseits nahm deutlich zu.275 Allerdings müssen das Verhalten und Vorgehen neu-englischer Offizieller hier gesondert betrachtet werden, da diese in Umfang und Ausmaß weit über alle irischen Handlungen hinausgingen. Während die vielen Gräueltaten und ausufernde Gewalt in ihren Schattierungen zuletzt mehrfach beschrieben worden sind, fehlt es bislang am Versuch einer Kontextualisierung dieser Radikalisierung, die jene Gewaltausübung im ideellen Horizont der neuenglischen Akteure verorten und mit der ambivalenten Haltung gegenüber Irland verbinden kann. Die Applikation einer Kanaanvorstellung auf die irischen Verhältnisse, wie sie sich im obigen Zitat aus einer Schrift vom Ende des 16. Jahrhunderts abzeichnet, scheint vor diesem Hintergrund der Weg gewesen zu sein, wie einerseits die beschriebene Diskrepanz zwischen Erwartungen und Erfahrungen erklärt werden konnte, und wie andererseits eine Radikalisierung des Vorgehens gegenüber der autochthonen Bevölkerung gerechtfertigt wurde. Zentraler Punkt dieser Stilisierung war die Darstellung der Iren als kanaanitische Völker, die durch ihre kulturelle und kultische Anders- und Fremdartigkeit die in Kanaan siedelnden Israeliten existenziell bedrohen würden.276 Nahmen die Iren in dieser Konstruktion die Rolle der Kanaaniter an, so wurden die Alt-Engländer zunehmend in die Position jener Israeliten gedrängt, die sich widerrechtlich mit den in Kanaan ansässigen Völkern eingelassen hatten. Aus dieser Rahmung des irischen Kontextes ergab sich eine Gefährdungssituation für die neu-englische Gemeinde in Irland, die sich sowohl auf genuin weltliche Phänomene des Zusammenlebens und der guten Ordnung als auch auf Fragen des richtigen Glaubensvollzugs und einer damit eventuell zusammenhängenden Bestrafung durch Gott beziehen konnte. Neben der Ursachenanalyse nutzten neu-englische Autoren die biblischen Vorbilder, um darüber konkrete Verfahrensmöglichkeiten mit den Iren sowie der altenglischen Gemeinde zu artikulieren bzw. zu insinuieren. Die der Kanaanvorstellung immanente Konditionalität eröffnete den protestantischen Akteuren hier einen Raum, um ihre radikalen Reformvorschläge für Irland zu äußern. Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass die Schriften eine deutliche Tendenz aufwiesen, Iren und AltEngländer soweit zu entfremden und als Außen einer englischen Identität zu markie274 Siehe MORGAN, Never Any Realm Worse Governed, S. 297 und passim; DERS., British Policies, S. 80-87; MACCAFFREY, Elizabeth I, S. 329, 337-348. 275 Siehe nur den Überblick bei EDWARDS, The escalation of violence. 276 Der Begriff „Kanaaniter“ konnte sowohl als Sammelbezeichnung für alle im Land Kanaan ansässigen Völker als auch lediglich für einen Stamm benutzt werden. Vgl. dazu Cornelis HOUTMAN, Die ursprünglichen Bewohner des Landes Kanaan im Deuteronomium. Sinn und Absicht der Beschreibung ihrer Identität und ihres Charakters, in: Vetus Testamentum 52 (2002), S. 51-65, hier S. 51f. Sofern nicht anders angegeben, soll der Begriff hier als Sammelbezeichnung verstanden werden.

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ren, dass sie nicht länger als legitime Untertanen der englischen Krone angesehen werden konnten. Was sich hier offenbart, sind also die Konturen einer Erwählungspolitik, die darauf abzielte, bestehende Identifikationsangebote und die damit einhergehenden Positionen der betroffenen Gruppen zu disqualifizieren und sie durch neue zu ersetzen. Die Grundlage dafür bildeten ohne Zweifel die biblischen Bestimmungen zu den prä-israelitischen Bewohnern des Landes Kanaan. 4.2.1 Der biblische Kontext Die Bibel zeichnet kein einheitliches Bild des Umgangs mit den kanaanitischen Bevölkerungsgruppen.277 Allerdings lassen sich doch einige zentrale Merkmale herausdestillieren, die auch für die Situation in Irland von Belang waren. So ist allen biblischen Passagen zu den Einwohnern Kanaans gemein, dass den Israeliten ein Zusammenleben und eine Vermischung mit diesen Völkern und ihrer Kultur untersagt wurde. In Exodus 23,32 heißt es deshalb: „Thou shalt make no couenant with the[m], nor with their gods.“278 Diese Vorgabe wird in späteren Abschnitten des Buches Exodus ebenso wie in Passagen des Deuteronomiums wiederholt, wobei es zu Elaborationen kommt, die eindringlich vor einer Vermischung warnen, damit die Israeliten nicht in Versuchung geführt werden konnten, von ihrem Glauben an Gott und den dazu gehörenden kultischen Praktiken abzufallen: „Take hede to thy self, that thou make no compact with the inhabitants of the land whither y[ou] goest, lest thei be the cause of ruine among you: […] Lest thou make a compact with the inhabitants of the land, and when they go a whoring after their gods, and do sacrifice vnto their gods, some man call thee, and thou eat of his sacrifice: And lest thou take of their daughters vnto thy sonnes, and their daughters go a whoring after their gods, and make thy sonnes go a 279 whoring after their gods.“

Die Heirat untereinander erscheint als eines jener Momente, durch die die israelitische Loyalität zu Gott und dessen Geboten gefährdet werden könne. Die Befürchtungen reichten dahin, dass über die Ehe eine nachhaltige Beeinflussung stattfände, in deren Folge ein Abfall von Gott und eine Annahme der kanaanitischen Kultur wahrscheinlich seien. Um dieser Versuchung einer erneuten Götzenanbetung frühzeitig zu begegnen, hatten die Israeliten den Auftrag bekommen, die einheimische Kultur auszulöschen. In der genauen Art und Weise, wie dies vonstatten gehen sollte, unterscheiden sich die einzelnen Stellen des Alten Testaments zwar voneinander280, jedoch 277 Siehe zu den unterschiedlichen Bestimmungen hinsichtlich der Kanaaniten WEINFELD, The Promise of the Land, Kap. 4, S. 76-98 sowie die Bemerkungen bei RÖSEL, Israel, S. 37-49. 278 Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 35r. 279 Exodus 34, 12, 14-16, zitiert nach der Geneva Bible, fol. 42r (Hervorhebung im Original); ähnlich Deuteronomium 7, 1-2; zu den Problematiken einer Koexistenz siehe auch Pauline Deryn GUEST, Dangerous Liaisons in the Book of Judges, in: Scandinavian Journal of the Old Testament 11 (1997), S. 241-269. 280 Siehe dazu die Diskussion bei WEINFELD, The Promise of the Land, S. 76-93 zu den unterschiedlichen Begrifflichkeiten im Hinblick auf die kanaanitischen Bevölkerungsgruppen von Vertreibung, Enteignung und Ausrottung.

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können die verschiedenen Darstellungen insofern auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden, als dass alle die Toleranz und schiere Existenz eines anderen Kults im verheißenen Land strikt ablehnten. Die Gefahr, die von solch einer Koexistenz für die Ordnung des israelitischen Gemeinwesens und dessen religiöser Ausrichtung ausging, war hier wegweisend. Bereits im Buch Exodus wird die grundlegende Warnung vor den destruktiven Kräften der kanaanitischen Kultur ausgeprochen und auf die Vertreibung der Völker gedrängt: „[F]or I will deliuer the inhabitants of the land into your hand, and thou shalt driue them out from thy face. […] Nether shal they dwel in thy land, lest they make thee sinne against me: for 281 if y[ou] serue their gods, surely it shal be thy destruction.“

In einer Ergänzung dazu heißt es in Exodus 34, 13: „But ye shal ouerthrowe their altars, and breake their images in pieces, and cut downe their groues. For thou shalt bowe downe to none other god, because the Lord […] is a ielous God.“ 282 Im Buch Numeri wiederholt sich die Warnung Gottes vor den negativen Auswirkungen, die eine Tolerierung auf längere Sicht hätte, weshalb an dieser Stelle ebenfalls eine Vertreibung gefordert wird: „Speake vnto the children of Israel, and say vnto them, When ye are come ouer Iorden to entre in to the land of Canaan, Ye shal then driue out all [the] inhabitants of the land before you, & destroy all their pictures, and breake a sunder all their images of metal, & plucke downe all their hie places. […] But if ye wil not driue out the inhabitants of the land before you, then those w[hich] ye let remaine of them, shal be prickes in your eies, and thornes in your sides, 283 and shal vexe you in the land wherein ye dwel.“

Um zu verhindern, dass die autochthone Bevölkerung des Gelobten Landes zu einem kontinuierlichen Quell des Ärgernisses avanciert, müssten deren Götzenbilder und Tempel zerstört werden. Die Ausführungen zu einer eventuellen Vertreibung legen ferner nahe, dass selbst eine Koexistenz als schädlich für das israelitische Gemeinwesen angesehen wurde. Zudem durften die Israeliten unter keinen Umständen matrimoniale Bindungen zu den kanaanitischen Völkern eingehen, weil hierüber letztlich eine Form der Degeneration befürchtet wurde. Ferner bestand dadurch die Gefahr, dass Gott seinen Zorn über das Volk der Israeliten bringt, weil sie die Bestimmungen seines Bundes gebrochen hatten. Die Verletzung des Bundes durch die Ehe mit Abkömmlingen der Kanaaniter und ein damit einhergehender Abfall vom vorgegebenen Kult war eines der zentralen Themen in den neu-englischen Texten. Die von der Forschung konstatierte Radikalität der Schriften war dabei bereits dem biblischen Vorbild inhärent. Im Buch Numeri findet sich eine Passage, in der über genau diesen Fall geschrieben wird. Die Konsequenzen daraus gestalteten sich extrem radikal: 281 Exodus 23, 31 & 33 (Geneva Bible, fol. 35r). 282 Exodus 34, 13-14 (Geneva Bible, fol. 42r). 283 Numeri 33, 51-52 & 55, zitiert nach der Geneva Bible, fol. 78v; ähnliche Warnung Richter 2, 3: „[B]ut thei shalbe as thornes vnto your sides, and their gods shalbe your destruction.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 109r.

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„Now whiles Israel abode in Shittim, the people began to co[m]mit whoredome with the daughters of Moab: Which called [the] people vnto the sacrifice of their gods, & the people ate, & bowed downe to their gods. And Israel coupled him self vnto Baal Peor: wherefore the wrath of the Lord was kindled against Israel. And the Lord said vnto Moses, Take all the heads of the people, & hang them vp before the Lord against the sunne, that the indignacion of the Lords wrath may be turned from Israel. Then Moses said vnto the Iudges of Israel, Euerie one slay his 284 men that were ioyned vnto Baal Peor.“

Dies war freilich nicht die einzige Gelegenheit, in der nach einer massiven Verletzung des Bundes eine Art interner Bestrafung und Säuberung vorgenommen wurde. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Szene am Berg Sinai, wo sich ein Teil der Israeliten nach einem greifbaren und sichtbaren Götzenbild sehnte. Die Errichtung des Goldenen Kalbs, das vermutlich eine Reminiszenz an die diversen Fruchtbarkeitskulte in der Region darstellen sollte285, wurde in der Folge durch die Darbringung von Brand- und Tieropfern, durch Essen, Trinken und andere ‚Belustigungen‘ gebührend gefeiert.286 Die Handlung ist von eminenter Bedeutung, da Israel kurz zuvor seinen Bund mit Gott geschlossen hatte (Ex. 24) und nun in Zuwiderhandlung des ersten Gebots ein Götzenbild formt, welches stark an die gerade verlassene ägyptische Gefangenschaft erinnert.287 Gott erzürnt ob dieses offensichtlichen Bruches seines Bundes und spricht zu Moses, der immer noch auf dem Berg Sinai weilte: „Go, get the downe: for thy people which thou hast broght out of the la[n]d of Egypt, hathe corrupted their waies. Thei are sone turned out of the way, which I commanded them: for thei haue made a molte[n] calf, & haue worshipped it, & haue offred thereto, sayi[n]g, These be thy gods, 288 o Israel, which haue broght thee out of the land of Egypt.“

284 Numeri 25, 1-5 (Geneva Bible, fol. 73v). 285 FISCHER / MARKL, Exodus, S. 328 bemerken, dass es in der Region eine Reihe von Fruchtbarkeitskulten um das Symbol eines Stieres gegeben hatte, die hier als Vorbild gedient haben könnten; WALZER, Exodus und Revolution, S. 66 interpretiert das Goldene Kalb als eine Reminiszenz an den ägyptischen Stiergott Apis. 286 Vgl. die Darstellung in Exodus 32, 1-6. Der Zusatz „andere Belustigungen“ wird häufig im Sinne von Tänzen und sexuellen Riten interpretiert, was der gesamten Feier eine orgiastische Konnotation verlieh, welche wiederum an dekadente, ägyptische Praktiken gemahnen konnte. Zur Interpretation siehe FISCHER / MARKL, Exodus, S. 327; WALZER, Exodus und Revolution, S. 65; die dargestellte Dekadenz erinnert dabei an das symbolische Ägyptenbild im Sinne von Jan Assmanns Mosaischer Unterscheidung. Siehe ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 17-26. 287 Siehe zu dieser Interpretation die exzellente Studie von WALZER, Exodus und Revolution, S. 66, dem ich wesentliche Ideen dieses Abschnitts verdanke. 288 Exodus 32, 7-8 zitiert nach der Geneva Bible, fol. 41r.

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Während Gott sein störrisches Volk vertilgen möchte, kann Moses ihn davon abbringen.289 Als er jedoch mit den Gesetzestafeln ins Lager zurückkehrt und das Ausmaß des Vergehens erkennt, ‚ergrimmt sein Zorn‘ wie zuvor jener Gottes. Die Folge war eine stilbildende, innere Gewaltaktion, die häufig als erste politisch-revolutionäre Säuberungsaktion der Geschichte angesehen wird und von diesem Moment an als Vorlage für eine ganze Reihe von Rechtfertigungen religiös und politisch motivierter Gewalt dienen sollte.290 In der Version der Geneva Bible liest sich dieser Akt wie folgt: „And Moses stode in the gate of the ca[m]p, and said, Who perteineth to the Lord? Let him come to me. And all the sonnes of Leui gathered them selues vnto him. Then he said vnto them, Thus saith the Lord God of Israel, Put euerie man his sworde by his side: go to and fro, fro[m] gate to gate, through the hoste, and slay euerie man his brother, and euerie man his companion, & euerie man his neighbor. So the children of Leui did as Moses had commanded: and there fel 291 of the people the same day about thre thousand me[n].“

Vor dem Hintergrund der biblischen Darstellung offenbaren sich für die Situation in Irland mehrere wichtige Anhaltspunkte: Die Imagination des Landes als ein neuzeitliches Kanaan setzt eine Bundesvorstellung voraus, nach der Gott seinem Volk zwar die Segnungen des Landes zugesteht, dafür aber gleichwohl die Einhaltung seiner Gebote fordert. Ein Bruch dieses Bundes kann schwere Konsequenzen nach sich ziehen, die bis hin zur Vernichtung des Volkes reichen können. Um dies zu verhindern, bedurfte es wiederholter innerer Säuberungsaktionen, in deren Zuge all jene bestraft wurden, die sich des Abfalls von Gott und des Bundesbruchs schuldig gemacht hatten. Die Radikalität nach innen spiegelt sich gleichsam im Umgang mit den in Kanaan ansässigen Völkern nach außen wider. Nicht minder radikal, verlangten hier die göttlichen Vorgaben eine Vertreibung oder gar Auslöschung der autochthonen Bevölkerung, damit von diesen keine Gefahr mehr für das Gemeinwesen der Israeliten in kultureller, religiöser und politisch-sozialer Hinsicht ausgehen konnte. 4.2.2 Die kulturelle Andersartigkeit der Iren: Der englische Barbarendiskurs Die Zuschreibung klassischer Barbarentopoi zur irischen Gesellschaft und Lebensweise zieht sich sowohl durch alt-englische als auch durch neu-englische Texte des 16. Jahrhunderts.292 Beide Gruppen bedienten sich dabei aus einem überkommenen 289 Vgl. Exodus 32, 9-10: „Againe the Lord said vnto Moses, I haue sene this people, and beholde, it is a stifnecked people. Nowe therefore, let me alone, that my wrath may waxe hote against them, for I wil consume them.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 41r. 290 Siehe dazu etwa WALZER, Exodus 32 and the Theory of Holy War; DERS., Exodus und Revolution, S. 64-79; zuletzt Melanie J. WRIGHT, Moses in America. The cultural uses of biblical narrative, Oxford/New York 2003. 291 Exodus 32, 26-28 (Geneva Bible, fol. 41r). 292 Vgl. u.a. John GILLINGHAM, The English invasion of Ireland, in: Brendan Bradshaw / Andrew Hadfield / Willy Maley (Hgg.), Representing Ireland. Literature and the origins of conflict, 1534-1660, Cambridge 1993, S. 24-42; DERS., Images of Ireland, 1170-1600. The Origins of English Imperialism, in: History Today 37 (1987), S. 16-22; Andrew

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Reservoir an stereotypen Elementen, jedoch leiteten sie daraus unterschiedliche Schlussfolgerungen ab.293 Es kann dies nicht der Ort sein, um eingehend auf die altenglischen Reformansätze und verschiedenen Vorschläge zur Reformierung der irischen Barbarei einzugehen.294 Lediglich zwei grundsätzliche Punkte sollen kurz skizziert werden, weil sie für die Identität der alt-englischen Gemeinde ebenso wichtig waren wie auch für deren Selbstverständnis als einzig legitime Vertreter englischer Interessen in Irland. Der Barbarendiskurs fungierte für die alt-englische Gemeinde vornehmlich dazu, die Grenzen des eigenen Herrschaftsbereichs als „Räume asymmetrischen Aufeinandertreffens“ zu entwerfen.295 Damit schuf der Barbarendiskurs eine Demarkationslinie zwischen Kosmos und Chaos (Münkler), die einen Raum der Unzivilisiertheit und Unordnung von einem Bereich der Zivilität, Ordnung und Sicherheit trennte. Wie Joep Leerssen zuletzt konstatierte, imaginierten vormoderne Akteure diese Differenz im Sinne einer Grenzziehung zwischen Kultur und Natur. 296 Die Zuordnung einer bestimmten Gruppe zur Natur hatte den Zweck, diesen Personen fundamentale soziale Verhaltensweisen abzusprechen. Infolgedessen wurden sie in einen unkultivierten „sub-humanen“ Zustand degradiert, der mehr Tieren ähnelte als in Gemeinschaft lebenden Menschen.297

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HADFIELD, Edmund Spenser’s Irish Experience. Wilde Fruit and Salvage Soyl, Oxford 1997; DERS., Briton and Scythian; Joep LEERSSEN, Wildness, Wilderness, and Ireland: Medieval and Early-Modern Patterns in the Demarcation of Civility, in: JHI 56 (1995), S. 25-39; OHLMEYER, ‚Civilizinge of those Rude Partes‘; PALMER, Language and Conquest, S. 40-73; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 62-90; SHUGER, Irishmen, Aristocrats, and Other White Barbarians; freilich wirkten derartige Zuschreibungen weit über das 16. Jahrhundert hinaus. Siehe zur Langlebigkeit bspw. Edward D. SNYDER, The Wild Irish: A Study of Some English Satires Against the Irish, Scots, and Welsh, in: Modern Philology 17 (1920), S. 147-185. Zur klassischen Barbarentopik siehe grundlegend Manfred SCHNEIDER, Der Barbar. Endzeitstimmung und Kulturrecycling, München/Wien 1997; Wilfried NIPPEL, Griechen, Barbaren und „Wilde“. Alte Geschichte und Sozialanthropologie, Frankfurt a. M. 1990; Margaret T. HODGEN, Early Anthropology in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, Philadelphia 1964, S. 17-48; Reinhart KOSELLECK, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: Ders., Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten, Frankfurt a. M. 1989, S. 211-259. Siehe dazu u.a. die Arbeiten von BRADSHAW, Irish Constitutional Constitution; BRADY, Chief Governors, S. 1-158; DERS., Conservative subversives sowie die Quelleneditionen von Nicholas CANNY, Rowland White’s ‚Discors Touching Ireland‘, c. 1569, in: IHS 20 (1977), S. 439-463; David B. QUINN, Edward Walshe’s ‚Conjectures‘ concerning the State of Ireland [1552], in: IHS 5 (1947), S. 303-322; Brendan BRADSHAW, A treatise for the reformation of Ireland, 1554-5, in: Irish Jurist, New Ser. 16 (1981), S. 299-315. Herfried MÜNKLER, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Reinbek bei Hamburg 2007, Abschnitt „Der Barbarendiskurs und die Konstruktion des imperialen Raumes“, S. 150-157. LEERSSEN, Wildness, S. 25-29; Jacques LE GOFF, Phantasie und Realität des Mittelalters, Stuttgart 1990, S. 58. Vgl. LEERSSEN, Wildness, S. 26f.

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Die hierüber produzierte Kluft zwischen der englischen Gemeinde und der autochthonen Bevölkerung sollte die Überlegenheit englischer Kultur darstellen und bildete den Kern eines identifikatorischen Angebots und Selbstbildes, welches selbst außerhalb des Mutterlandes die Zugehörigkeit der Siedler zu einem englischen Kulturkreis sicherstellte. Der Barbarendiskurs trug somit dazu bei, eine realiter oft fließende Grenze zu den irischen Bewohnern der Insel semantisch zu konsolidieren und damit die identitäre Abgrenzung stetig aufs Neue zu reproduzieren. In diesem Sinne gab es bis weit ins 16. Jahrhundert hinein nur zwei wichtige Identifikationsangebote in Irland: Ire oder Engländer.298 Für die Zuordnung zur einen oder anderen Gruppe war die Frage der Herkunft indes zweitrangig. Von Bedeutung war vielmehr, ob man die rechtlichen, kulturellen und politischen Normen und Werte akzeptierte, die mit dem Status des Engländers als Untertan der englischen Krone einhergingen. 299 Der Barbarendiskurs ist darüber hinaus eng mit der erstmaligen Instituierung englischer Herrschaft in Irland verbunden. So hatten bereits Papst Hadrian IV. sowie dessen Nachfolger Alexander III. die Legitimation einer englischen Intervention in Irland an die Feststellung einer barbarischen Natur der Iren geknüpft, und das Land mit der Auflage einer grundlegenden Reform an die englischen Herrscher übertragen.300 Als Nachfahren jener ersten normannischen Eroberer sahen sich die altenglischen Siedler in dieser Tradition einer Reformpolitik und reklamierten gleichzeitig für sich die Deutungshoheit im Diskurs über die irischen Verhältnisse, da sie eine lange Erfahrung, und damit ein überlegenes Wissen, anführen konnten. Die Eroberung unter Heinrich II. mitsamt deren Folgen diente angesichts dessen in der Regel als Fluchtpunkt einer alt-englischen ‚Herkunftserzählung‘. Im Wesentlichen glorifizierte diese die Taten der großen (alt-)englischen Adelsfamilien seit diesem Zeit-

298 Vgl. dazu etwa die Gegenüberstellung des englisch geprägten Pales mit dem restlichen Irland bei Richard STANYHURST, A Treatise contayning a playne and perfect Description of Ireland, in: Raphael Holinshed (Hg.), The firste [laste] volume of the chronicles of England, Scotlande, and Irelande, London 1577 (STC2 13568/Christ Church Library Oxford), fol. 1-28v, hier fol. 2v: „There is also an other diuision of Ireland, into the English pale and Irishry. For when Ireland was subdued by the English, diuers of the conquerors […] seazed away the Irish, in so much as that countrey became meere English. And therof it was termed, the English pale“; ähnliche Teilung bei Edmund CAMPION, Historie of Ireland [1571], in: James Ware (Hg.), The historie of Ireland, collected by three learned authors viz. Meredith Hanmer Doctor in Divinitie: Edmund Campion sometime fellow of St Iohns Colledge in Oxford: and Edmund Spenser Esq, Dublin 1633 (STC2 25067a/Henry E. Huntington Library), S. 1-139, hier S. 4f; siehe auch die Beispiele bei ELLIS, Building the Nation, S. 174f. 299 Siehe dazu ELLIS, Building the Nation, S. 170-176; LEERSSEN, Wildness, S. 31. 300 Zur Bulle Laudabiliter Hadrians IV. MBR, Bd. 2, S. 628; siehe ferner die drei Schreiben Papst Alexanders III. an die irischen Prälaten, die irische Nobilität sowie an Heinrich II., in: DOUGLAS / GREENAWAY (Hgg.), English Historical Documents, Bd. 2, Nrn. 160-162, S. 830-833; zur Bedeutung der Bulle für die alt-englische Gemeinde etwa O’CONNOR, A justification for foreign intervention, S. 16f; MURRAY, The diocese of Dublin, S. 99-102.

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punkt, um darüber den Anspruch auf die Vertretung englischer Interessen in Irland zu präsentieren und kontinuierlich zu reproduzieren.301 Die neu-englischen Autoren okkupierten in der Folge diesen seit dem Mittelalter beständig gepflegten Barbarendiskurs und übernahmen wesentliche Teile davon in ihre eigenen Betrachtungen zu Irland. Wo die alt-englischen Texte allerdings stets die Möglichkeit offen ließen, dass die Iren durch Erziehung und Bildung sukzessiv ihren barbarischen Zustand hinter sich lassen könnten, betonten neu-englische Schriften gerade den Umstand, dass es sich hierbei um eine grundsätzliche Neigung handele, der mit den bisherigen Reformkonzepten nicht beizukommen sei. Im Gegensatz zu den alt-englischen Stellungnahmen sahen neu-englische Akteure in der irischen Barbarei eine Art anthropologischer Konstante, die bei jeglicher Form von Tolerierung eine große Gefahr und Bedrohung für das englische Dasein in Irland bilden konnte. Durch die Akzentuierung der problematischen Auswirkungen, die irische Sitten, Gebräuche und Praktiken für die Aufrechterhaltung einer genuin englischen Ordnung haben konnten, formten neu-englische Autoren ein Bild der Iren, das deren kulturelle Anders- und Fremdartigkeit betonte und ihnen die Position jener biblischen Völker Kanaans aufdrängte. Im Sinne der Warnung aus dem Buch Numeri wird demnach die Koexistenz beider Gruppen eindeutig zu Lasten der englischen Gemeinde geschildert, wobei die Iren selbst als kontinuierlicher Stachel im Fleisch der Kolonisten beschrieben werden, deren Verhalten bereits negative Effekte auf einen Teil der altenglischen Gemeinde ausgeübt habe.302 Diese Form der Wahrnehmungsgestaltung des irischen Raums stellte eine qualitative Veränderung zu den alt-englischen Texten dar, die sich letztlich in der Forderung nach eindeutig härteren Maßnahmen im Umgang mit dem Phänomen der irischen Barbarei und Renitenz niederschlug. Im Besonderen offenbart sich diese kulturelle Andersartigkeit in der Schrift von Edmund Spenser, die dieser sehr wahrscheinlich um 1596 geschrieben hat, die aber gleichwohl erst 1633 das erste Mal im Druck erschienen ist.303 Um Werk, Autor so301 Siehe dazu etwa die beiden alt-englischen Darstellungen von CAMPION, Historie of Ireland, S. 55-72 und Richard STANYHURST, The Historie of Ireland, in: Raphael Holinshed (Hg.), The firste [laste] volume of the chronicles of England, Scotlande, and Irelande, London 1577 (STC2 13568/Christ Church Library Oxford), separate Paginierung, S. 1115, hier S. 21-42; cf. Richard A. MCCABE, Making History: Holinshed’s Irish Chronicles, 1577 and 1587, in: David J. Baker / Willy Maley (Hgg.), British Identities and English Renaissance Literature, Cambridge 2002, S. 51-67, hier S. 53-58. 302 Vgl. Numeri 33, 55: „But if ye wil not driue out the inhabitants of the land before you, then those w[hich] ye let remaine of them, shal be prickes in your eies, and thornes in your sides, and shal vexe you in the land wherein ye dwel.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 78v; siehe auch Richter 2, 3. 303 Zur Datierung siehe u.a. Appendix III, Abschnitt B ‚The Date and Place of Composition‘, in: GOTTFRIED (Hg.), Spenser’s Prose Works, Bd. 10, S. 503-505; Rudolf GOTTFRIED, The Date of Spenser’s View, in: Modern Language Notes 52 (1937), S. 176-180; HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 52; zuletzt Elizabeth FOWLER, A Vewe of the Presente State of Ireland (1596, 1633), in: McCabe (Hg.), The Oxford Handbook of Edmund Spenser, S. 314-332; die Ausgabe von 1633 liegt inzwischen in einer neuen Edition vor. Siehe Edmund SPENSER, A view of the State of Ireland. From the first printed edition (1633), ed. von Andrew Hadfield & Willy Maley, London 1997.

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wie Person Edmund Spensers gibt es inzwischen eine Fülle von Spezialstudien und Forschungskontroversen, die hier nicht rekapituliert werden können. 304 Was dagegen von zentraler Bedeutung für den konkreten Zusammenhang dieser Studie erscheint, ist eine Debatte zum Stellenwert von Spensers View zwischen Nicholas Canny und Ciaran Brady. In diesem Rahmen hatte Ciaran Brady die von Canny propagierte Repräsentativität der View für die ‚ideologische‘ Disposition einer neu-englischen Gruppe kritisiert und für eine singuläre Stellung des Werkes in den Debatten der 1590er Jahre plädiert.305 Bradys Hauptargument gründete auf einem anscheinenden Widerspruch zwischen der von Spenser vertretenen Radikalität gegenüber der indigenen Bevölkerung auf der einen und dem Versuch, diese Radikalität in bestehende Reformansätze für Irland zu integrieren. Die von Brady konstatierte Singularität leitet sich demnach primär von Spensers radikalen Vorschlägen zur Dezimierung bzw. nahezu vollständigen Auslöschung eines Großteils der indigenen Bevölkerung ab, die seiner Ansicht nach in dieser Intensität in keiner anderen neu-englischen Schrift der Zeit gegeben sei.306 Während Bradys Befund zum Problem der Reform durchaus zutreffend war, müssen jedoch seine Schlussfolgerungen zur Frage der Repräsentativität und Stellung angezweifelt werden. In der Tat überschreitet Spensers Text definitiv die seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts formulierten Reformkonzepte. Allerdings stand Spenser damit keineswegs allein. Im Gegenteil kann sein Text als Bestandteil einer Neubewertung Irlands angesehen werden, in deren Zuge die autochthone Bevölkerung immer mehr entfremdet und als Feind und Bedrohung einer englischen Ordnung präsentiert werden sollte. Um dies nachzuweisen, nahm er eine Reihe von Gemeinplätzen und älteren Aussagen über die Iren in seine Schrift auf, fokussierte dabei aber jeweils auf die schädlichen und bedrohlichen Konsequenzen der einzelnen Phänomene für das englische Dasein. Damit trug letztlich auch Spenser zu einer ‚Kanaanisierung‘ des irischen Raums und seiner Einwohner bei. Vor diesem Hintergrund betrachtet, gehörte Edmund Spensers A View of the Present State of Ireland ganz sicher zu einem ‚ideologischen‘ Horizont, der sich in den Reihen neu-englischer Siedler, Militärs und Offizieller ausbreitete.307 304 Einen ersten Überblick vermittelt Willy MALEY, A Spenser Chronology, Basingstoke u.a. 1994; ferner Andrew HADFIELD, Art. „Spenser, Edmund“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]; Fragen nach dem literarischen Wert von Spensers Schriften sollen literaturwissenschaftlichen Experten überlassen bleiben und eine moralische Bewertung seiner literarischen Ergüsse ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Siehe zu diesen Debatten etwa HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 51-53; BRADY, Spenser’s Irish Crisis, S. 17; die Kritik bei Edward SAID, Culture & Imperialism, London 1994, S. 5 sowie die definitive Stellungnahme bei GREENBLATT, Renaissance Self-Fashioning, S. 186. 305 Siehe BRADY, Spenser’s Irish Crisis, S. 22-26; zu seiner Kritik an einer geschlossenen, neu-englischen Ideologie siehe DERS., New English ideology in Ireland, S. 75-111. 306 Vgl. BRADY, Spenser’s Irish Crisis, S. 32-38; DERS., Debate: Spenser’s Irish Crisis, S. 210-212. 307 Dass Spensers Schrift zu diesem Gedankengut gezählt werden kann, wird ohnehin von einer Mehrzahl der Spenser-Forscher angenommen. Siehe zuletzt Thomas HERRON, Spenser’s Irish Work. Poetry, Plantation and Colonial Reformation, Aldershot 2007;

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Ein wichtiger und immer wiederkehrender Bestandteil des Barbarendiskurses war die Charakterisierung der Lebensweise als weitgehend nomadisch und damit nicht sesshaft. Bereits mittelalterliche Autoren wie der walisische Kleriker Giraldus Cambrensis (Gerald of Wales, ca. 1146-1220/23)308 hatten das nicht sesshafte Leben der Iren als signifikanten Nachweis für deren Barbarei herangezogen, und gerade die unterstellte Wildheit und Barbarei mit dem bevorzugten Leben in der Wildnis erklärt: „They are a wild and inhospitable people. The live on beasts only, and live like beasts. They have not progressed at all from the primitive habits of pastoral living. While man usually progresses from the woods to the fields, and from the fields to settlements and communities of citizens, this people despises work on the land, has little use for the money-making of towns, contemns the rights and privileges of citizenship, and desires neither to abandon, nor lose respect 309 for, the life which it has been accustomed to lead in the woods and countryside.“

Infolge der anwachsenden ‚ethnographischen‘ Literatur im 16. Jahrhundert, die im großen Umfang Wissen über barbarische Völker sowie deren Sitten und Gebräuche

DERS., Early Modern Ireland and the New English Epic: Connecting Edmund Spenser and Sir George Carew, in: Journal of the American Society of Irish Medieval Studies 1 (2006), S. 27-52; HADFIELD, Spenser’s Irish Experience; Richard MCCABE, Spenser’s monstrous regiment: Elizabethan Ireland and the poetics of difference, Oxford 2002; DERS., Fate of Irena; Richard MALLETTE, Spenser and the Discourses of Reformation England, Lincoln/London 1997; CANNY, Making Ireland British, Kap. 1; DERS., Introduction: Spenser and the Reform of Ireland; DERS., Spenser and the Development of an Anglo-Irish Identity; Hiram MORGAN, ‚Tempt not God too long, O Queen‘: Elizabeth and the Irish Crisis of the 1590s, in: Brendan Kane / Valerie McGowan-Doyle (Hgg.), Elizabeth I and Ireland, Cambridge 2014, S. 209-238. 308 Zur Person siehe Robert BARTLETT, Gerald of Wales, 1146-1223, Oxford 1982; DERS., Art. „Gerald of Wales“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2006, URL: [20.03.2017]; Cambrensis hatte zwei programmatische Werke zu Irland verfasst. Siehe Giraldus CAMBRENSIS, Expugnatio Hibernica. The conquest of Ireland [1189], übers. und ed. von Alexander B. Scott & Francis X. Martin, Dublin 1978 sowie DERS., Topographia Hibernica. The history and topography of Ireland [1188], übers. und ed. von John J. O’Meara, überarb. Neuausgabe, Harmondsworth 1982; grundlegend dazu zuletzt Diarmuid SCULLY, Christians, Pagans and Barbarians. The Irish in Giraldus Cambrensis and the Grasco-Roman sources, in: Florence Bourgne / Leo Martin Carruthers / Arlette Sancery (Hgg.), Un espace colonial et ses avatars. Naissance d’identités nationales: Angleterre, France, Irlande, Paris 2008, S. 49-62; siehe auch MORGAN, Giraldus Cambrensis. 309 CAMBRENSIS, Topography, S. 101f. Der Begriff „wild“ entspricht zwar der Bedeutung des lateinischen gens silvestris, allerdings hat Leerssen darauf hingewiesen, dass die lateinische Bedeutung eine Reihe von Konnotationen aufweist, die mit dem modernen Verständnis für ‚wild’ nur unzureichend beschrieben sind. Gens silvestris meinte somit nicht nur das Leben der Iren in der Wildnis, hier durch den Wald symbolisiert, sondern auch eine natürliche Wildheit der Iren selbst, die sie in einen Gegensatz zur rechtlichen und sozialen Ordnung setzte. Vgl. LEERSSEN, Wildness, S. 30.

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bereitstellte310, konnten zeitgenössische Autoren die mittelalterlichen Diskurse substantialisieren. Sie banden die beobachteten barbarischen Praktiken an konkrete Vorbilder und konstruierten darüber spezifische Genealogien, die eine Kohärenz in den Beobachtungen zu unterschiedlichen Bereichen herstellen sollten. Im Falle der Iren führten Autoren wie Edmund Spenser oder Fynes Moryson in der Folge deren Abstammung auf das barbarische Volk der Skythen zurück. 311 Als primäres Indiz für die barbarische Natur der Iren galt auch im 16. Jahrhundert die weit verbreitete Wanderweidewirtschaft (Transhumanz), woraus verschiedene Autoren, nicht ganz korrekt, ein nomadisches Dasein herleiteten. 312 Das Herumziehen mit großen Viehherden von einem Weideplatz zum nächsten, im irischen Kontext als ‚booleying‘ bezeichnet, stellte etwa für Edmund Spenser und Fynes Moryson ein Relikt skythischer Lebensweise dar: „[T]heare is one vse amongst them to kepe theire Cattell and to live themselves the moste parte of the yeare in Bollyes pasturing vppon the mountaine and waste wilde places and removing still to freshe lande as they haue depastured the former: The which appearethe plaine to be the 313 manner of the Scithians.“

Mehrere Punkte erschienen für die englischen Beobachter an diesem Lebensstil fragwürdig bzw. sogar bedrohlich für die Aufrechterhaltung englischer Ordnung in Irland: Die bloße Existenz dieses weitgehend nomadischen Lebens war für Edmund Spenser bereits Ausweis eines barbarischen und zutiefst liederlichen Daseins. Als Beleg wird das Hausen fernab von Städten in der Wildnis genannt, was für ihn gleichbedeutend mit einem Leben außerhalb sozialer Konventionen und rechtlicher 310 Die beiden Klassiker, auf die auch Spenser rekurriert, waren zum einen Johann BOEMUS, Repertorium librorum trium Joannis boemi de omnium gentium ritibus, Augsburg 1520 (USTC 690593/Bayerische Staatsbibliothek) und zum anderen Olaus MAGNUS, Historiae de gentibus septentrionalibus: libri XXII, Antwerpen 1552 (USTC 404929/Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel). Vor allem das Werk von Boemus wurde vielfach nachgedruckt und im Verlauf des 16. Jahrhunderts auch teilweise oder ganz in andere Sprachen übersetzt. Eine erste partielle Übersetzung ins Englische findet sich bei John FRAMPTON, A Discouerie of the countries of Tartaria, Scithia, & Cataya, by the North-East: With the maners, fashions, and orders which are vsed in those countries, London 1580 (STC2 11255/Lambeth Palace Library). Die erste vollständige Übersetzung ins Englische geschah bei Edward ASTON, The manners, lauues, and customes of all nations […], London 1611 (STC2 3198.5/Harvard University Library). 311 SPENSER, A View, S. 82; Fynes MORYSON, A Description of Ireland, in: Henry Morley (Hg.), Ireland under Elizabeth and James the First, London 1890, S. 411-430, hier S. 428 & 430; so bereits CAMPION, Historie of Ireland, S. 16 & 30f; siehe zu diesem Themenfeld HADFIELD, Briton and Scythian. 312 Wie bspw. Fernand Braudel in seiner ausführlichen Beschreibung dieses Phänomens für den mediterranen Raum feststellte, dürfen Transhumanz und Nomadentum nicht gleichgesetzt werden. Umso wichtiger war freilich die zeitgenössische Behauptung, dass beide Phänome das Gleiche seien! Vgl. Fernand BRAUDEL, Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II., 3 Bde, Frankfurt a. M. 1990, hier Bd. 1, S. 120-144. 313 SPENSER, A View, S. 97 (Hervorhebung im Original); MORYSON, Description, S. 430.

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Normen war, wodurch die Leute eine Form von Freiheit genießen würden, die zu mannigfaltigen Sünden und Vergehen gegen das Gemeinwesen verleite: „Moreouer the people that live thus in these Bollies growe theareby the more Barbarous and live more licentiouslye then they Could in townes vsinge what meanes they liste and practisinge what mischiefs and villanies they will either againste private men whom they maligne by stealinge theire goodes or murderinge themselves; for theare they thinke themselues haulfe exemted from lawe and obedience and having once tasted fredome doe […] grudge and repine 314 ever after to Come vnder rule againe.“

Spenser aktualisierte über das Beispiel der Booleys den Gegensatz von Natur und Kultur, wobei diese irische Praxis eindeutig auf der Seite der Natur verortet und damit als unkultiviert, barbarisch und in letzter Instanz als gefährlich für ein geordnetes Gemeinwesen klassifiziert wird.315 Dieser Gegensatz, den die Booleys markierten, wird zusätzlich illustriert durch die Behauptung, dass die Herden nicht nur selbst ein Hort der Kriminalität und Sünde seien, sondern dass sie auch dezidierten Verbrechern und anderen zwielichtigen Gestalten als Zufluchtsstätte dienten und sie mit den notwendigsten Nahrungsmitteln versorgten. 316 Erneut argumentiert Spenser, dass ohne diese Herden der Verbrecher entweder früher oder später an Unterernährung zu Grunde gehen würde, oder gewzungen sei, in die Stadt zurückzukommen, wo er dann viel leichter gefangen werden könne.317 Eine weit verbreitete Neigung der irischen Gesellschaft zu Verbrechertum, Amoralität und Aufsässigkeit identifizierte Edmund Spenser darüber hinaus in der Art der Bekleidung und des äußeren Erscheinungsbildes. Als besonders markante Beispiele erschienen ihm zum einen der irische Mantel sowie zum anderen die irische Art, das Haar in einem dicken, gekräuselten Busch über die Augen hängend zu tragen (im Englischen als ‚glib‘ bezeichnet318), wodurch ein Teil des Gesichts verdeckt wurde. „They haue another Custome from the Scythyans that is the wearinge of mantells and longe glibbes which is a thicke Curled bushe of haire hanginge downe over their eyes and monstrous319 lye disguisinge them which are bothe verye bad and hurtefull.“ 314 SPENSER, A View, S. 98. 315 So bereits CAMBRENSIS, Topography, S. 101f; siehe auch FRAMPTON, A Discouerie, fol. Bvir; cf. LEERSSEN, Wildness, S. 25-28. 316 Dieser Vorwurf findet sich auch in anderen Quellen. Siehe etwa Thomas SMYTH, Smyth’s Information for Ireland [1561], in: Ulster Journal for Archaeology First Series, Bd. 6 (1858), S. 165-167, hier S. 166, wo es heißt: „They [gemeint sind die irischen Brehons – BQ] have great pleantie of cattell, and they harbour many vacabons and ydell persons; and if their be anye reabell that moves any rebellione ageinste the Prince, of theis people they ar chiflie mantayned.“ 317 Siehe SPENSER, A View, S. 98. 318 Vgl. den Eintrag im OXFORD ENGLISH DICTIONARY, online-Ausgabe, Oxford 2014, s.v. „glib, n.1“, URL: [20.03.2017]. 319 SPENSER, A View, S. 99; zum irischen Mantel als Distinktionsmerkmal zuletzt John R. ZIEGLER, Irish Mantles, English Nationalism: Apparel and National Identity in Early

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Vor allem der Mantel wird von Spenser zu einem unverkennbaren Symbol irischer Unzivilisiertheit, Ruchlosig- und Fremdartigkeit stilisiert. Er habe einst den nomadischen Völkern als Schutz vor Kälte und Witterung gedient und könne zudem als notdürftige Schlafstatt zweckentfremdet werden. In dieser Hinsicht war der Mantel in Spensers Darstellung ein Utensil, welches den nomadischen Lebensstil der barbarischen Völker unterstützt und damit aufrechterhalten habe, weshalb er in der Vergangenheit von höherentwickelten Kulturen zu Recht abgelegt und ersetzt worden sei. 320 Die Präsenz des Mantels in der irischen Kultur nutzt Spenser in der Folge freilich, um damit eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Missständen zu assoziieren und erneut eine Differenz zwischen Natur und Kultur herzustellen. So schreibt er zum Gebrauch des Mantels: „[I]t is a fitt howsse for an outlawe a mete bedd for a Rebell and an Apte cloake for a thefe.“321 Wesentlich ist, dass Spenser den Mantel sozusagen naturalisiert oder barbarisiert, ihn also aus dem Raum der Zivilität in einen Bereich der Wildnis und Unordnung verbannt. In diesem Sinne heißt es dazu: „[F]firste the Outlawe beinge for his manye Crymes and villanies banished from the Townes and howses of honeste men and wanderinge in waste places far from daunger of lawe maketh his mantle his howsse and vnder it Couerethe him self from the wrathe of heaven from the of322 fence of the earthe and from the sighte of men.“

Analog zum Verbrecher assoziiert Spenser den Mantel mit weiteren Verstößen gegen eine zivilisierte Ordnung, indem er ihn auf Rebellen und Diebe ausdehnt. Während der Rebell sich oftmals in den Wäldern und anderen schwer zugänglichen Orten verstecke und dort, auf seine Chance lauernd, den Mantel ebenfalls als Schlafstatt und Schutz vor der Witterung benutzen könne, diene er dem Dieb dazu, seine Beute sowie verschiedene Waffen darunter zu verbergen und sich abends unerkannt bewegen zu können.323 Mit seiner Darstellung der Funktion des irischen Mantels für Verbrecher und Rebellen knüpfte Spenser gleichsam an andere Texte neu-englischer Prägung an. So hatte bereits 1581 John Derricke in seiner Schrift The Image of Ireland den notorischen Rebellen Rory Oge O’More (ca. 1540-1578) beschrieben als „a grose and corpulent man, lapped in a mantel ouerwhelmed with miserie, beyng in a Wood (an ill fauored Churle)“324. Wenn Derricke im folgenden Abschnitt Rory Oge aus dessen eigener Perspektive über die vielen Gesetzesbrüche, Rebellionen und Verbrechen berichten lässt, die er gegen die Krone und die englische Ordnung in Irland begangen habe, verdeutlicht sich noch einmal die Zuordnung des Mantels zu einem Bereich iri-

320 321 322 323 324

Modern English and Irish Texts, in: Journal for Early Modern Cultural Studies 13 (2013), S. 73-95. Vgl. SPENSER, A View, S. 99f. SPENSER, A View, S. 100. SPENSER, A View, S. 100. Vgl. SPENSER, A View, S. 101. John DERRICKE, The image of Irelande with a discouerie of vvoodkarne […], London 1581 (STC2 6734/British Library), hier fol. Hiv; zur Person David FINNEGAN, Art. „O’More, Rory Oge“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017].

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scher Unzivilisiertheit, Barbarei und Feindseligkeit. Wichtig ist, dass Derricke den Rebellen Rory Oge ebenfalls mit der Wildnis assoziiert: „I lead my life, in Boggs and thickets grene.“325 Mit dieser grundsätzlichen Bestimmung verbunden wird in der Folge die schlechte Natur des Protagonisten, der von sich selbst sagt: „My harte is bent, to eurie kinde of ill […] I spoile and burne, thereby t’encrease my fame […] (My noble Queene) for cheef I doe refuse […] Her highnesse Lawes, I daiely doe deface.“326 Rory Oge O’More firmiert hier als ein typisches Beispiel für einen irischen ‚Outlaw‘, dessen bevorzugter Lebensraum die Wildnis war. Mit dieser Zuordnung korrespondiert sein grundlegend rebellisches Verhalten gegen die englische Ordnung in Irland. Der Mantel repräsentiert in diesem Zusammenhang die Assoziation von Wald/Wildnis und irischem Rebellentum und avanciert somit fernab seiner eigentlichen Funktion zu einem Symbol für die grundsätzliche Bedrohung, die von der irischen Barbarei für die englische Gemeinde ausgeht. Er versinnbildlicht geradezu die in die englische Zivilität hineingetragene irische Wildnis und Barbarei. Dies zeigt, dass neben einer akuten physischen auch eine moralisch-ideelle Bedrohung empfunden wurde, die von der eklatanten Amoralität und Sündhaftigkeit der autochthonen Bevölkerung ausstrahlte und sich unter anderem in der Kleidung manifestieren konnte. Edmund Spenser und andere Autoren nahmen die negative Konnotation des Mantels ferner als Ansatzpunkt, um darüber auch andere Bereiche der irischen Gesellschaft in ihre Kritik miteinzubeziehen. So dehnten sie beispielsweise den symbolischen Bedeutungsgehalt des Kleidungsstücks auf die irischen Frauen aus und assoziierten es dabei primär mit dem Geschäft der Prostitution. Spenser berichtet, dass im Sommer jene „wandernden Frauen“ lediglich mit einem Kittel und ihrem Mantel bekleidet seien, um so leichter ihre Dienste verrichten zu können. Im Winter diene der Mantel sowohl als Schutz vor der Witterung als auch als Decke für ihre unzüchtigen Aktivitäten. Ferner könne der Mantel nach getaner Arbeit zudem Schutz bieten, um ihre Sünde(n) zu verbergen: „And when she hathe filled her vessell vnder it she maye hide bothe her burden and her blame.“ Spenser bezieht sich hier sowohl auf die Sünde des außerehelichen Geschlechtsakts, als auch auf die Möglichkeit eines Bastards, der aus einer derartigen Zusammenkunft entstehen konnte. Für das Kind wiederum stelle der Mantel Wiege und Windel zugleich dar.327 Der Autor kritisierte im Zuge dessen nicht nur das sündhafte Verhalten dieser Frauen, sondern kontrastierte es mit englischen Normvorstellungen, wonach die eigentlichen Aufgaben der Frau im Bereich der Haushaltsführung liegen würden. Analog zu dessen Funktion im männlichen Bereich argumentierte Spenser, dass der Mantel dazu beitrage, ein Leben jenseits sozialer Normen zu unterstützen, das nicht nur 325 DERRICKE, The image of Irelande, fol. Hiir. 326 DERRICKE, The image of Irelande, fol. Hiir. Siehe zu den schädlichen Auswirkungen der irischen Verbrecher auch die detaillierte Darstellung fol. Divv-Eir. 327 Siehe SPENSER, A View, S. 101f. Zitat S. 101. Fynes Moryson schildert eine Geschichte, wonach irische Frauen häufig kurz vor ihrem Tode ihren Söhnen deren ‚richtige Väter‘ offenbaren würden. Siehe Fynes MORYSON, Itinerary, ed. in Charles Hughes, Shakespeare’s Europe. Unpublished Chapters of Fynes Moryson’s Itinerary, London 1903, hier S. 196.

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moralisch fragwürdig, sondern auch sozial schädlich sein konnte. 328 Die Möglichkeiten, die er bereitstelle, hielten die irischen Frauen von einer sozial anerkannten und dem Gemeinwesen förderlicheren Tätigkeit ab. Jenes Kleidungsstück wurde hier also herangezogen, um die Transgression bestehender Rollenbilder aufzuzeigen, da die Frauen darüber in die Lage versetzt würden, ihre klassische, haushälterische Tätigkeit zugunsten eines liederlichen Lebens aufzugeben.329 Weitere Verstöße gegen klassische soziale Rollenbilder und Hierarchien haben zuletzt Ann Jones und Peter Stallybrass herausgestellt. Ihrer Ansicht nach führte auch die Tatsache, dass nicht nur Männer und Frauen gleichermaßen den Mantel trugen 330, sondern auch Personen unterschiedlichen Standes und Ranges, dazu, dass Autoren wie Moryson oder Spenser im irischen Mantel ein Symbol für die Verletzung englischer Vorstellungen von sozialer Hierarchie und guter Ordnung sahen.331 Vor diesem Hintergrund müssen schließlich die vielen Kleiderordnungen und -vorschriften gesehen werden, die den Iren auftrugen, sich nach englischem Vorbild zu kleiden und ihre äußere Erscheinung dementsprechend anzupassen, während Engländern das Tragen irischer Kleidung sowie die Übernahme irischer Sitten und Gebräuche strengstens untersagt war. 332 Eine weitere Verletzung sozialer Verhaltensnormen präsentierten englische Autoren in der in Variationen immer wieder auftretenden Assoziationskette FleischMilch-Alkohol, die bereits in der Antike zur Herabsetzung einer bestimmten Ethnie

328 Vgl. SPENSER, A View, S. 102; siehe auch die Kritik bei SMYTH, Information for Ireland, S. 167: „There is a sort of women that be calleid the goyng women; they be great blasphemers of God; and they rune from contry to contry, soynge sedicione amongst the people. They are comen to all men.“ Spenser betonte die Fähigkeit des irischen Raums, Frauen aus einer patriachalischen Kontrolle herauszulösen und ihnen eine (sexuelle) Freiheit zu gewähren, auch in anderen Schriften. Siehe dazu Christopher HIGHLEY, „A softe kind of warre“: Spenser and the female reformation of Ireland, in: Ders., Shakespeare, Spenser, and the crisis in Ireland, Camrbidge 1997, S. 110-133, hier S. 128f. 329 Weitere Beispiele für das unsittliche, englischen Moralvorstellungen fundamental wiedersprechende Verhalten der irischen Frauen finden sich u.a. bei MORYSON, Description, S. 425; cf. CAVANAGH, Elizabethan views, S. 122f. 330 Siehe dazu MORYSON, Description, S. 422: „[A]nd mantles generally worn by men and women.“ 331 Vgl. Ann Rosalind JONES / Peter STALLYBRASS, Dismantling Irena: The Sexualizing of Ireland in Early Modern England, in: Andrew Parker et al. (Hgg.), Nationalisms & Sexualities, New York/London 1992, S. 157-171, hier bes. 165-167. 332 Bereits im Statut von Kilkenny 1366 finden sich derartige Bestimmungen, die nachfolgend immer wieder durch Parlamentsbeschlüsse und royale Anordnungen erneuert wurden. Siehe dazu James HARDIMAN (Hg.), A Statute of the Fortieth Year of King Edward III. enacted in a Parliament held in Kilkenny A. D. 1367, Dublin 1843, S. 11-17; siehe auch die Dokumente An Act for the English Order, Habit and Language [1537] und Prohibition of Irish Manners and Customs [1571], in: MAXWELL (Hg.), Irish History from contemporary sources, Nr. 11, S. 112-114, hier S. 113 & Nr. 30, S. 166f; weitere Belege bei JONES / STALLYBRASS, Dismantling Irena, S. 157f & 167; HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 21f.

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benutzt worden war.333 Edmund Campion bemerkte zu den Essgewohnheiten der Iren:

„They drinke Whey [Molke – BQ], Milke, and Beefe broth, Flesh they devoure without bread, corne such as they have they keepe for their horses. In haste and hunger they squese out the blood of raw flesh, and aske no more dressing thereto, the rest boyleth in their stomackes with Aquavitae, which they swill in after such a surfeite, by quarts & pottles. Their kyne they let blood which growen to a jelly they bake and over spread with Butter, and so eate it in 334 lumpes.“ Nicht nur die Tatsache, dass sich die Iren hier von weitgehend unverarbeiteten Speisen ernährten, die noch dazu aus dem Umfeld ihrer Viehherden stammten, sollte im Bereich der Essgewohnheiten die kulturelle Differenz deutlich machen. Vielmehr stellten einzelne Autoren immer wieder die Trunkenheit der Iren, und besonders ihrer Frauen, heraus. Fynes Moryson zeigte sich erstaunt über deren Verhaltensweisen, wenn sie zu viel des irischen Aqua vitae (Whiskey) getrunken hatten: „[N]ot to speak of the wives of Irish lords or to refer it to the due place, who often drink till they be drunken, or at least till they void urine in full assemblies of men. I cannot, though un335 willing, but note the Irish women more specially with this fault.“

Die Betonung einer grundsätzlichen Anders- und Fremdartigkeit der irischen Bevölkerung bildete für Edmund Spenser die Voraussetzung, um in der Folge an konkreten Beispielen die Gefahr darzustellen, die von einer Tolerierung der indigenen Kultur für die Aufrechterhaltung der englischen Ordnung in Irland ausginge. Neben einzelnen Sitten und Gebräuchen war es vor allem der rechtliche Bereich, in dem Spenser fundamentale Gegensätze und Unvereinbarkeiten ausmachte. Als ein Beispiel führte er das Problem des Tanistry an. Der Begriff bezeichnete die irische Form der Nachfolgeregelung, die sich fundamental von englischen Usancen unterschied. Spenser erklärte in seiner View zur Praxis des Tanistry: „[T]heire Auncestors had not estate in anye theire Landes, Segniories or hereditamentes longer then duringe theire owne lives, as they Alleadge, ffor all the Irishe doe houlde theire Lande by 333 Vgl. Sarah BÄCKER, Was aßen die Germanen? Überlegungen zu antiker Barbarentopik und modernem Kulturbegriff, in: Kai Ruffing et al. (Hgg.), Kontaktzone Lahn. Studien zum Kulturkontakt zwischen Römern und germanischen Stämmen, Wiesbaden 2010, S. 153-166, hier bes. S. 158-161. 334 CAMPION, Historie of Ireland, S. 18; ähnlich STANYHURST, Description of Ireland, fol. 28r; DERRICKE, Image of Irelande, fol. Fir-Fiir; cf. QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 64-68 arbeitet mit weiteren Quellenbelegen genau diese Assoziationskette Fleisch-MilchAlkohol ab. 335 MORYSON, Description, S. 425; Barnaby Rich kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Hang zu Trunkenheit und den damit einhergehenden schädlichen Auswirkungen auch auf die Engländer übergegriffen habe. Siehe Barnaby RICH, The Irish hubbub or, The English hue and crie […], London 1617 (STC2 20989/Henry E. Huntington Library), S. 23f.

446 | E NGLANDS E XODUS Tanistrye which is saie they, no more but a personall estate for his life tyme that is Tanist. by 336 [sic] reasone that he is admitted thearevnto by eleccion of the Countrie.“

In mehrfacher Hinsicht stellte das Tanistry für englische Autoren eine Quelle der Unsicherheit dar. Ein wesentliches Problem sah man in der Annahme, dass mit dem Tod eines irischen Häuptlings sämtliche Besitzansprüche, Verpflichtungen usw. erloschen, und nicht wie im englischen Falle automatisch auf den ältesten Sohn übergingen. Gerade im Hinblick auf die Verstetigung von Rechtstiteln über Ländereien, aber auch generell im Sinne von etwaig eingegangen rechtlichen Kontrakten und Verpflichtungen des Verstorbenen bedeutete dies ein hohes Maß an Unsicherheit. Über die Besprechung des Tanistry gelangte Spenser zu einem ersten Nachweis dafür, wie die irischen Gepflogenheiten in fundamentaler Weise die englische Ordnung unterminieren konnten. So argumentierte er, dass sich im Zuge der Königserhebung Heinrichs VIII. zwar die meisten irischen Häuptlinge dem englischen Recht unterworfen hatten, allerdings seit dieser Zeit das Gros der Iren wieder zu ihren alten Gesetzen und Praktiken zurückgekehrt sei. Als Grund nennt Spenser unter anderem die irische Praxis des Tanistry, was in diesem Fall also dazu geführt habe, dass die Iren ihre Unterwerfung unter die englische Krone bewusst und freiwillig aufgegeben hätten und nun in noch barbarischeren Umständen leben würden als zuvor.337 Insgesamt musste demnach das Tanistry aus englischer Sicht jegliche Form von rechtlicher Vereinbarung und gesetzten Normen fragwürdig erscheinen lassen, was Spenser unter anderem durch den Hinweis auf nicht anerkannte bzw. ignorierte Statuten des Dubliner Parlaments seitens der Iren bestätigte.338 336 SPENSER, A View, S. 49; siehe auch MORYSON, Itinerary, S. 194; die im 16. und frühen 17. Jahrhundert dominierende Darstellung des Tanistry von englischer Seite war streng genommen nur eine Variante desselben. Wie Kenneth Nicholls anmerkte, bezeichnete der Begriff ‚tánaiste‘ ursprünglich einen bereits zu Lebzeiten des Anführers gewählten Nachfolger, der im Falle des Todes dann automatisch die Nachfolge antrat. Siehe Kenneth NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland in the Middle Ages, Dublin 1972, S. 25-29; DERS., Gaelic society and economy in the high middle ages, in: Art Cosgrove (Hg.), New History of Ireland, Bd. 2, S. 423-425; QUINN / NICHOLLS, Ireland in 1534, in: Moody et al. (Hgg.), New History of Ireland, Bd. 3, S. 25f; MONTAÑO, Roots, S. 15; Hiram MORGAN, Art. „tánaiste“, in: The Oxford Companion to Irish History, hrsg. von Sean J. Connolly, 2. Aufl., Oxford 2007, S. 563; ELLIS, Ireland in the Age of the Tudors, S. 40-47; für das frühe 17. Jahrhundert auch Jean-Paul PITTION, Land Rhetoric and Ideology in Sir John Davis’s Report on the Case of Tanistry (1615), in: Daniela Carpi (Hg.), Property law in Renaissance literature, Frankfurt a. M./New York 2005, S. 63-74; Hans S. PAWLISCH, Sir John Davies and the conquest of Ireland. A study in legal imperialism, Cambridge 1985, S. 55-83. 337 Siehe die Argumentation bei SPENSER, A View, S. 49. 338 Vgl. SPENSER, A View, S. 48f; siehe dazu auch John DAVIES, A discouerie of the true causes why Ireland was neuer entirely subdued, nor brought vnder obedience of the crowne of England, vntill the beginning of his Maiesties happie raigne, London 1612 (STC2 6348/Folger Shakespeare Library), S. 118, der zum Tanistry bemerkte: „[W]hich makes all their possessions vncertaine, and brings Confusion, Barbarisme, and Inciuility“; zu Werk und Person Davies siehe PAWLISCH, Sir John Davies.

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Die Behandlung des Tanistry deutete zugleich bereits auf den weit größeren Bereich der Rechtsvorstellungen hin. Hier sah Edmund Spenser im Besonderen eklatante Unterschiede zwischen englischen und irischen Vorstellungen. Die auf der Insel geltenden Brehon Laws begriff der Autor als ausgesprochen defizitäres und barbarisches Rechtsinstrument, weshalb er die umfassende Anwendung bzw. das Wiederaufkommen dieser Rechte in nahezu allen Teilen der Insel beklagte und aufs schärfste kritisierte.339 Ein grundlegendes Problem bestand darin, dass der Brehon, eine Art Richter, direkt zwischen den Konfliktparteien verhandelte und am Ende oftmals eine finanzielle Rekompensation für das begangene Verbrechen festlegte. Dazu bemerkt Spenser: „The Brehon that is theire Iudge will Compounde betwene the murderer and the friendes of the partie murdered which prosecute the Accion that the malefactour shall give vnto them or to the 340 Childe or wife of him that is slaine a recompence, which they call an Iriach.“

Kritisiert wurde hierbei einerseits der Umstand, dass selbst bei Kapitalverbrechen wie Mord in der Regel eine Entschädigung festgelegt wurde. Dies führe laut Spenser dazu, dass immer mehr Mörder unter den Iren herangezogen werden würden.341 Andererseits wurde kritisiert, dass die Brehons offen für Bestechung gewesen seien und gleichsam sie selbst wie auch die irischen Fürsten, denen die Geschädigten nominell unterstanden, an den Entschädigungsleistungen prozentual beteiligt wurden.342 Damit handelte es sich bei den Brehon Laws um auf Stammestraditionen basierende Rechtsgrundsätze, die fundamental von englischen Rechtsvorstellungen abwichen. Dies schien zudem umso problematischer, als dass die mündlich tradierten Brehon Laws eine Rechtspraxis darstellten, die keine öffentlichen Institutionen benötigte, wodurch in diesem Bereich keine Möglichkeiten einer englischen Einflussnahme ge339 Zur Bewertung und Darstellung der Brehon Laws SPENSER, A View, S. 47-49; The Itinerary of Fynes Moryson, in: Caesar Litton FALKINER (Hg.), Illustrations of Irish History and Topography, mainly of the Seventeenth Century, London 1904, S. 211-325, hier S. 273-275; siehe auch QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 45f; NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 44-57; DERS., Gaelic society, S. 427-430; Nerys PATTERSON, Brehon Law in Late Medieval Ireland: ‚Antiquarian and Obsolete‘ or ‚Traditional and Functional‘?, in: Cambridge Medieval Celtic Studies 17 (1989), S. 43-63. 340 Vgl. SPENSER, A View, S. 47f zu den Brehon Laws, Zitat S. 47 (Hervorhebung im Original); vgl. auch DAVIES, A discouerie, S. 117: „[W]hy shoulde they not embrace their owne Brehon Lawe, which punnisheth no offence, but with a Fine or Ericke?“ (Hervorhebung im Original); Der Begriff „eric“ bezeichnete ein ‚Blutgeld‘, das im Falle eines Kapitalverbrechens wie Mord entrichtet werden musste. Siehe dazu auch die Beschreibung bei DYMMOK, Treatice of Ireland, S. 9 sowie die Erklärung bei DAVIES, A discouerie, S. 109. 341 Siehe SPENSER, A View, S. 47; DYMMOK, Treatice of Ireland, S. 9f; zur grundlegenden Abneigung der Engländer gegenüber den Brehon Laws auch Richard BAGWELL, Ireland under the Tudors, 2 Bde., London 1885, hier Bd. 1, S. 11. 342 Siehe Itinerary of Fynes Moryson, S. 274; SPENSER, A View, S. 47; SMYTH, Information for Ireland, S. 166; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 45; NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 53-57.

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geben waren, die irische Gesellschaft hier also vollkommen unabhängig arbeiten konnte.343 Jenes Rechtssystem war damit essenzieller Bestandteil einer genuin irischen Kultur, der Edmund Spenser freilich vorwarf, sie zeichne sich vor allem durch ihren Hang zu innergesellschaftlichen Konflikten aus. In diesem Zusammenhang beklagte er sodann, dass die irischen Brehon Laws wesentlich zur Perpetuierung dieser irischen ‚Konfliktkultur‘ beitragen und damit einen Zustand kontinuierlicher Unordnung fördern würden, der schließlich auch negative Auswirkungen auf die englische Gemeinde in Irland haben musste.344 Er bemerkte dazu: „But with Ireland it is farr otherwise, for it is a nacion ever Acquainted with warrs thoughe but Amongest themselves, and in theire owne kinde of milytare discipline trayned vp even from theire youthes which they haue neuer yeat bynne taughte to laye aside nor made to learne obedience vnto the Lawe scarselye to knowe the name of Lawe, but insteade theareof haue all345 waies preserued and kepte theire owne lawe which is the Brehon Lawe.“

Die Markierung des irisch dominierten Teils der Insel als Raum des Chaos’, der Unsicherheit und Konfliktivität stellte einen zentralen Punkt in Spensers Schrift dar. Durch den Nachweis, dass es in diesem Bereich weder zivilisierte Gesetze noch eine zivilisierte Kultur gebe und dieser sich gleichsam durch einen Hang zu Krieg und Konflikten auszeichne, wollte er einen absoluten Gegenpol zur englischen Ordnung und Kultur schaffen, von dem gleichwohl eine beständige Bedrohung ausginge. Als einen wesentlichen Grund für die Persistenz von kriegerischen Konflikten identifizierten englische Autoren den hohen Grad an Militarisierung innerhalb der indigenen Kultur.346 Zur Aufrechterhaltung des irischen Militärsystems bedienten sich die Häuptlinge unter anderem des so genannten „Coyne and Livery“, das als eine überaus barbarische Einrichtung, Quelle vieler Konflikte sowie einer grundlegenden Unsicherheit innerhalb der irischen Herrschaftsgebiete angesehen wurde. Nach den Beschreibungen von John Dymmok und Edmund Spenser bedeutete Coyne dabei die Einquartierung und Versorgung von Söldnern, während Livery sich auf die Ver343 In diese Richtung sollte sodann auch der Kommentar zur weidlichen Praktizierung der Brehon Laws in Irland gelesen werden, wo Spenser anfügt: „[Y]eat the same Brehon lawe is privilye practized amongeste themselves, By reason that dwellinge as they doe whole nacions and septes of the Irishe togeather without anye Inglishman amongest them they maye doe what they liste and Compounde or alltogeather Conceale amongest themselves theire owne Crimes of which no notice cane be had by them which woulde and mighte amende the same by the rule of the lawes of Englande.“ SPENSER, A View, S. 48. 344 Siehe dazu die Bemerkung bei SPENSER, A View, S. 46f. 345 SPENSER, A View, S. 47. 346 Zum irischen Militärsystem siehe u.a. QUINN / NICHOLLS, Ireland in 1534, S. 31f; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 39-41; NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 84-90; Katharine SIMMS, Warfare in the Medieval Gaelic Lordships, in: Irish Sword 12 (1975), S. 98-108; Seán Ó DOMHNAILL, Warfare in Sixteenth-Century Ireland, in: IHS 5 (1946), S. 29-54; zu den schottischen Söldnern in Irland zuletzt Seán DUFFY (Hg.), The world of the galloglass. Kings, warlords and warriors in Ireland and Scotland, 1200-1600, Dublin 2007; PRENDERGAST, Scots Mercenary Forces in Sixteenth Century Ireland, S. 363-382.

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pflegung von Pferden bezog, wobei der betroffene Bauer neben dem Futter gegebenenfalls auch einen Pferdeknecht bereitstellen, oder einen bereits vorhandenen Burschen entlohnen musste.347 Dieses System wurde offenbar in großem Umfang praktiziert, um die militärische Leistungsfähigkeit der einzelnen Fürsten zu gewährleisten. Da neben den genannten allerdings noch weitere Formen von Zuwendungen und Abgaben existierten, die irische Bauern an Söldner sowie ihre Häuptlinge zu entrichten hatten, muss die Aufrechterhaltung des irischen Militärsystems insgesamt als eine große Belastung für die Zivilbevölkerung betrachtet werden.348 So kritisierten auch viele Beobachter, dass diese Praktiken zur Verarmung des Landes beitragen würden und letztlich ein unerträgliches Übel seien, das unbedingt abgeschafft werden müsse.349 Die Kritik am Coyne and Livery, das als Stützpfeiler des irischen Militärsystems angesehen wurde, resultierte freilich auch aus dem Umstand, dass englische Autoren darin eine Brutstätte für Verbrecher und Rebellen erkennen wollten. So hatte etwa John Dymmok beklagt, dass viele irische Söldner traditionell dazu neigten, sich die Leistungen des Coyne and Livery auch dann anzueignen, wenn sie nicht im Dienst waren oder zu einer Kampagne eingezogen wurden. Notfalls hätten sie sich diese Zuwendungen mit Gewalt genommen.350 Damit wurde eine Brücke vom irischen Militärsystem zum Bereich des Verbrechens und der Kriminalität geschlagen, die in dieser Zeit auch andernorts zu beobachten war. Die fließenden Übergänge zwischen militärischer und ziviler Welt, die sich in Phänomenen wie den gartenden Knechten351 des Reiches manifestierten, werden im irischen Raum mit der Gruppe der ‚Woodkern‘ assoziiert. Der Begriff leitet sich von der allgemeinen Bezeichnung Kern ab, die eigentlich einen leichtbewaffneten, irischen Fußsoldaten beschrieb, und avanciert durch das Präfix ‚Wood‘ zum Ausdruck für den irischen Verbrecher schlecht-

347 DYMMOK, A Treatice of Ireland, S. 8f; ähnlich I. B., A letter, fol. Diiir; SPENSER, A view, S. 78-80. 348 Siehe die Darstellungen bei DYMMOK, A Treatice of Ireland, S. 8; SPENSER, A view, S. 79; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 49-53; NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 31-37. 349 Vgl. DYMMOK, A Treatice of Ireland, S. 9; die Forderung zur Abschaffung findet sich auch bei WHITE, Acts and Orders, S. 459; bereits John Bale hatte das ‚Coyne and Livery‘ als unchristliche Praktik verdammt, die in dieser Form nicht einmal bei Türken und Sarazenen vorkomme. Siehe The vocacyon of Ioha[n] Bale to the bishiprick of Ossorie in Irela[n]de his persecucio[n]s in ye same, & finall delyueraunce, Wesel[?] 1553 (STC2 1307/Bodleian Library), fol. 46r: „Coyne and lyuerie […] are so cruell pillages & oppressions of [the] poore commens there / as are no where els in this whole earthe / neither vndre wicked Saracene nor yet cruell Turke / besides all prodigiouse kindes of lecherie and other abhominacions therin committed.“ 350 Siehe DYMMOK, A Treatice of Ireland, S. 9. 351 Vgl. dazu nur Peter BURSCHEL, Söldner in Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien, Göttingen 1994, S. 273-285; Jan Willem HUNTEBRINKER, „Fromme Knechte“ und „Garteteufel“. Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jahrhundert, Konstanz 2010.

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hin.352 Ihre Bezeichnung spiegelte dabei in den Augen John Derrickes nicht nur ihren bevorzugten Lebensraum in der Wildnis, sondern auch ihre natürliche Veranlagung wider.353 Die Beschreibung ihres äußeren Erscheinungsbildes erinnert dabei stark an die von Spenser später ausgebreiteten klassischen Attribute des barbarischen Iren: „With Mantelles doune vnto the Shoe, to lappe them in by night: With speares and swords and little dartes to shield them from despight […] With glibbed heddes like Mars hym self, their malice to expresse: With Irefull hartes and bloudie hands, soone prone to wickednesse.“354

Die Woodkern sind für die englischen Beobachter weitaus mehr als lediglich vagabundierende und marodierende Söldner. Folgt man den einschlägigen Beschreibungen, dann stellen sie eine Art Inkarnation irischer Gewalttätigkeit, Bösartigkeit und Barbarei dar, die in dieser Form nur der als chaotisch und barbarisch konstruierte, irische Raum hervorbringen konnte. Wichtig war, dass die Woodkern diese Gewalttätigkeit nicht nur im Hinblick auf die irische Gesellschaft ausübten, sondern sie vor allem in die englische Hemisphäre hineintrugen. Beschreibungen der Terrorisierung ganzer Dörfer und Städte, von Raub und Mord sowie einer rebellischen Grundhaltung gegenüber der Krone dominieren das englische Bild der Woodkern und markieren sie dadurch eindeutig als Feinde einer englischen Ordnung sowie eines englischen Lebensstils.355 Edmund Spenser wollte vor allem die schädlichen Auswirkungen auf das englische Gemeinwesen illustrieren, als er über deren generelles Verhalten klagte: „[F]rom the time that they enter into thet Course they doe vse all the beastlye behavour that maye be. The[y] oppress all men, they spoile aswell the subiecte as the enemye, they steale, they are Cruell and bloddye; full of revenge and delighting in deadlye execucion; licentious 356 swearers and blasphemours Comon ravishers of weomen and murderers of Children.“

352 Siehe dazu den Eintrag „wood-kern“, in: OXFORD ENGLISH DICTIONARY, online-Ausgabe, Oxford 2014, URL: [20.03.2017]; zu den ‚Kern‘ u.a. QUINN / NICHOLLS, Ireland in 1534, S. 31f; QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 39-41; SIMMS, Warfare, S. 104f; Ó DOMHNAILL, Warfare, S. 33, Anm. 3. 353 Siehe etwa DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Diiir. 354 DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Div (Hervorhebung im Original). Siehe auch die fast analoge Zuordnung zu Mantel und Glib auf fols. Dir & Eiiiv. 355 Vgl. zu den Taten der Woodkern DERRICKE, The Image of Ireland, fols. Divv, Eivr-v, HiirIiiir & Liiv; siehe ferner die Darstellung bei Gervase MARKHAM, The Newe Metamorphosis [c. 1601], ed. in: Andrew Carpenter, Verse in English from Tudor and Stuart Ireland, Cork 2003, hier S. 109. 356 SPENSER, A View, S. 123 (Satzzeichen nachträglich eingefügt).

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William Shakespeare erkannte in einem fast zeitgleich gedruckten Stück ebenfalls die überaus schädliche Wirkung der irischen Woodkern an, und nahm zudem in deren Beschreibung offensichtlich Anleihen bei John Derricke, als er dazu schrieb: „Now for our Irish wars, We must supplant those rough rugheaded kerne, Which liue like venome, where no venome else, But onely they haue priuiledge to liue.“357 Die Woodkern stellten für die englischen Autoren eine große Gefahr dar, zumal diese Gruppe keine Anzeichen auf eine grundsätzliche Besserung erkennen ließe, wie bereits John Derricke konstatiert hatte.358 Dass jedoch immer wieder große Teile der irischen Gesellschaft in ein verbrecherisches und rebellisches Leben verfielen, liege nach Spenser auch an den irischen Barden. Er betont dabei zunächst das hohe Ansehen, das diese Gruppe innerhalb des irischen Gemeinwesens genießen würde. 359 Freilich würden die Barden diese Stellung vornehmlich dazu benutzen, um durch ihre Verse jedwede Form von Sünde, Illoyalität gegenüber der englischen Krone, rebellischem Verhalten und genereller Bösartigkeit zu preisen und zu glorifizieren. Dadurch schufen diese Barden, nach Ansicht Spensers und anderer, Vorbilder für die irische Jugend, an denen diese sich orientieren konnte, um letztlich selbst einmal den Weg eines irischen Verbrechers und Rebellen einzuschlagen: „[W]hom soeuer they finde to be moste Licentious of life moste bolde and lawles in his doinges moste daungerous and desperate in all partes of disobedience and rebellious disposicion him they set vp and glorifye in theire Rymes him the [sic] praise to the people and to yonge 360 men make an example to followe.“

Auf diesem Wege wurden somit auch Träger irischer Kultur und Sprache in einen Bezugsrahmen eingeordnet, der im Wesentlichen die schädlichen Effekte der irischen Andersartigkeit aufzeigen sollte. Der Barbarendiskurs wurde in dieser Hinsicht von neu-englischen Autoren aufgenommen und in eine spezifische Richtung weiterentwickelt. Die sich nunmehr präsentierende Andersartigkeit der autochthonen Bevölke357 William SHAKESPEARE, The Tragedie of King Richard the Second, London 1597 (STC2 22307/Henry E. Huntington Library), fol. Dir (2. Akt, 1. Szene); vgl. auch die Assoziation der Woodkern mit giftigem Getier, das in Irland eigentlich ausgestorben sei, bei DERr RICKE, The Image of Ireland, Preface fol. b2 & den Vorwurf an den Heiligen Patrick, er habe alle giftigen Tiere aus Irland verbannt, nur die Woodkern konnte selbst er nicht bekehren, auf fol. Diiiv-Divr. 358 Vgl. etwa DERRICKE, The Image of Ireland, fols. Diiiv, Divv, Eivr-v. 359 SPENSER, A View, S. 124; SMYTH, Information for Ireland, S. 166f; MORYSON, Itinerary, S. 238; zum Einfluss dieser Gruppe siehe auch QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 4244; NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 82-84; zur Rolle der Barden in der irischen Gesellschaft CABALL, Faith, culture and sovereignty; DERS., Responses to transformation: Gaelic poets and the plantation of Ulster, in: Éamonn Ó Ciardha / Micheál Ó Siochrú (Hgg.), The plantation of Ulster. Ideology and Practice, Manchester/New York 2012, S. 176-197; Ó BUACHALLA, Poetry and politics. 360 SPENSER, A View, S. 125; der gleiche Vorwurf, dass die Barden zu rebellischem Verhalten und Verbrechen aufrufen und beitragen würden, findet sich bei SMYTH, Information for Ireland, S. 166f und DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Fiir-v; HERBERT, Croftus, S. 107; MORYSON, Itinerary, S. 196 & 199.

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rung stellte eine signifikante und beständige Bedrohung der englischen Kultur und Ordnung in Irland dar. Diese Beschreibung und Bewertung der irischen Zustände unterschied sich folglich massiv von alt-englischen Darstellungen, indem sie die irische Bevölkerung immer stärker in das Bild der kanaanitischen Völker drängte, die ebenfalls als kontinuierliche Bedrohung der Israeliten geschildert worden sind. 4.2.3 Die religiöse (kultische) Andersartigkeit der Iren: Katholizismus und Paganismus Die kulturelle Anders- und Fremdartigkeit der irischen Bevölkerung stellte einen wichtigen Teil jenes Kanaanbildes dar, welches von neu-englischen Autoren auf die insularen Verhältnisse appliziert wurde. Den ungleich wichtigeren Teil dieses Bildes formte indes der Vorwurf einer religiösen Andersartigkeit, die sich in abergläubischen und idolatrischen Praktiken niederschlug und einen fundamentalen Gegensatz zu Gott markierte. Aus der Ablehnung Gottes, die hier essenziell für die Bestimmung der Alterität der kanaanitischen Völker war, resultierte zugleich ein Konflikt mit dessen auserwähltem Volk. Neu-englische Autoren machten sich diese Konstellation zunutze, um darüber der irischen Situation eine ihren eigenen Interessen förderliche Wendung zu geben. Im Zuge des Neunjährigen Krieges kam es somit vermehrt zu einer Applikation biblischer Kanaan-Analogien. In einer wohl im Jahr 1598 entstandenen Schrift fasste der anonyme Autor die gesamte Problematik des Verhältnisses von Iren und Engländern sehr prägnant in folgenden Worten zusammen: „They are that very Amalekites, that god hath often given (as he doth nowe) into the handes of England. They have alweyes ben thorns in the sides of us, because we have neglected the Charge that god hath geven us. What his sentence was against Amalecke in the tyme of Israell, the same is his sentence nowe against the Irishe, his enemyes, in the tyme of the gospell.“ 361

Die irische Bevölkerung wird hier in ihrer Gesamtheit angesprochen und als Feind Gottes und Englands verworfen. Auffallend ist, dass der Autor sehr deutliche Anleihen an der biblischen Darstellung der kanaanitischen Völker nimmt. 362 Der Verweis darauf, dass die Iren den Engländern seit langem ein stetiger Quell des Ärgernisses gewesen seien („thorns in the sides of us“) ist eine direkte Übernahme aus dem Buch Numeri, wo vor den Gefahren einer Koexistenz mit den einheimischen Völkern Kanaans gewarnt wird.363 Weitere Parallelen zum biblischen Vorbild bilden der Vorwurf, die Engländer hätten den Willen Gottes missachtet, sowie ein daraus abzuleitender Anspruch auf eine besondere Beziehung zu Gott. Dieser hatte es im Rahmen der Eroberung Kanaans den Israeliten zur Aufgabe gemacht, die ansässigen Völker 361 The Supplication of the Blood of the English Most Lamentably Murdered in Ireland, Cryeng out of the Yearth for Revenge [ca. 1598], ed. von Willy MALEY, in: Analecta Hibernica 36 (1995), S. 3-77, hier S. 58f; Hiram Morgan hat zuletzt in einem durchaus provokanten Beitrag die Möglichkeit eingeräumt, dass Edmund Spenser der Autor dieser Schrift sein könnte. Siehe MORGAN, Tempt not God too long, S. 231-238. 362 Siehe dazu die fast gleiche Feststellung in A Discourse of Ireland, S. 164: „And as touching the Irish […] what are they better then Cananites, which contemne God and Religion“. 363 Vgl. Numeri 33, 55.

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zu vertreiben bzw. deren Kultur restlos auszulöschen. Während diese Aufforderung allgemein gehalten war, findet sie im Hinblick auf das alttestamentliche Volk der Amalekiter eine für die irische Politik der Zeit wichtige Konkretisierung. Amalek und die Amalekiter hatten die Israeliten im Zuge ihrer Wüstenwanderung in einer Situation der Schwäche überfallen, woraus in der Folge der Status als Erz- und Erbfeind Israels und Feind Gottes abgeleitet wurde. 364 Für die Applikation auf die irischen Verhältnisse wegweisend war freilich, dass Gott im Rekurs auf diesen Überfall in der Wüste die vollständige Ausrottung des Volkes befahl.365 Die Anwendung von Exempeln, welche die autochthone Bevölkerung als kanaanitische Völker zeigten, erfüllte in den zeitgenössischen Diskursen mehrere Funktionen. Der biblische Gegensatz zwischen den idolatrischen und abergläubischen Völkern Kanaans und Gott konnte vor dem Hintergrund der konfessionellen Auseinandersetzungen des späten 16. Jahrhunderts problemlos aktualisiert werden. Äußerst hilfreich war in diesem Zusammenhang, dass protestantische Autoren Vorwürfe des Aberglaubens und der Idolatrie traditionell mit dem Papsttum und der katholischen Kirche assoziierten, um dadurch nicht zuletzt die gottlose Ausrichtung der Gegenseite im Kampf der Konfessionen zu belegen.366 In einer Schrift, die nach dem englischen Sieg bei Kinsale 1601 veröffentlicht wurde, hieß es zum Glauben der Iren: „Idolators, superstitious men, False worshippers, sworne slaues vnto the Pope, Trusting to dreames and fained prophecies, Obseruers of old writs that haue no ground:

364 Siehe zum Überfall und zur Bewertung Amaleks und der Amalekiter Exodus 17, 8-16. Zur besonderen Qualität der Feindschaft Ex. 17, 16: „The Lord hathe sworne, that he will haue warre with Amalek from generacion to generacion.“ (Geneva Bible, fol. 32r). 365 Siehe Deuteronomium 25, 17-19: „Reme[m]ber what Amalek did vnto thee by [the] way, whe[n] ye were come out of Egypt: How he met thee by the way, and smote the hindmost of you, all that were feble behind thee, when thou wast fainted and weary, and he feared not God. Therefore, when the Lord thy God hathe giuen thee rest from all thine enemies round about in the land, which the Lord thy God giueth thee for an inheritance to possesse it, then thou shalt put out the remembrance of Amalek from vnder heauen: forget not.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 91v; cf. Hans Andreas TANNER, Amalek, der Feind Israels und der Feind Jahwes. Eine Studie zu den Amalektexten im Alten Testament, Zürich 2005. 366 So wurde etwa die katholische Messe als Idolatrie bezeichnet, die bis zum Vorfall mit dem Goldenen Kalb zurückreiche. Siehe dazu DAVIES, Religion of the Word, S. 27. Wie Davies bemerkt, konnte der Vorwurf der Idolatrie aber auf nahezu alle Bereiche des als Popery verworfenen katholischen Glaubens ausgedehnt werden. Siehe Ibid., S. 32; Barnaby Rich schildert Rom als Ort, an dem heidnische Götzen verehrt werden würden. Siehe Barnaby RICH, A short suruey of Ireland […], London 1609 (STC2 20999/Henry E. Huntington Library), fol. Giiir-v; generell zum Phänomen Maria EFFINGER / Cornelia LOGEMANN / Ulrich PFISTERER (Hgg.), Götterbilder und Götzendiener in der Frühen Neuzeit. Europas Blick auf fremde Religionen [Katalog zur Ausstellung vom 15. Februar bis 25. November 2012, Universitätsbibliothek Heidelberg], Heidelberg 2012.

454 | E NGLANDS E XODUS More ignorant then beasts are in their kinde, 367 Willing to lose what chiefe they ought to finde.“

Die Stigmatisierung der autochthonen Bevölkerung als Papisten, und damit einhergehend als abergläubische, idolatrische und zutiefst in weltlichen Umständen gefangene Personen, wiederholt sich beständig in den neu-englischen Texten der Zeit. John Derricke und Ralph Byrchensha kritisierten in diesem Zusammenhang etwa den papistischen Glauben an die Wirkung von weltlichen Gegenständen, die den fehlgeleiteten Gläubigen angeblich zur Erlösung verhelfen könnten, tatsächlich aber einzig den Weg in die Verdammnis weisen würden.368 Aus dem Hang, Götzen anzubeten, sich einer weltlichen Form des Glaubens zu bedienen und Gottes Wahrheit zu leugnen, ergab sich eine religiöse bzw. konfessionelle Andersartigkeit der Iren, die an die Darstellungen der kanaanitischen Völker erinnerte. Die Supplication of the Blood hatte zur Darstellung dieses Gegensatzes etwa das alttestamentliche Volk der Amalekiter angeführt, illustrierte ihn gleichsam aber auch anhand anderer Gegensatzpaare, die dem Fundus des Alten Testaments entnommen wurden. So heißt es in einer Passage der Supplication zum Verhältnis zwischen Engländern und Iren: „The Contention begune betwene Edome and Israell in the wombe is never to be pacified: religion and heresie never to be agreed: heaven and hell never to be joyned: God and the Divell never to be reconciled. If yee professe the truth of godds religion, the sinceritie of his word, let it appeare, halte no more wth Idolaters: they doe not halte wth you, neither in their profession, ne 369 yet in the effects thereof.“

Der geschilderte Gegensatz zwischen beiden Völkern rekapitulierte in besonderer Weise das Verhältnis zwischen Israeliten und den Bewohnern Kanaans. Ausschlaggebend für die klare Positionierung der Iren als Feinde Gottes waren deren idolatrische bzw. abergläubische Praktiken, wodurch nach Jan Assmann der im religiösen Bereich entscheidende Unterschied zwischen wahr und falsch etabliert werden konn-

367 Ralph BYRCHENSHA, A discourse occasioned vpon the late defeat, giuen to the archrebels, Tyrone and Odonnell, by the right Honourable the Lord Mountioy, Lord Deputie of Ireland, the 24. of December, 1601, London 1602 (STC2 3081/Henry E. Huntington Library), fol. Cir; siehe dazu Hiram MORGAN, Birchensha’s discourse, in: Ders. (Hg.), Battle of Kinsale, S. 391-407. 368 Derricke schreibt dazu: „And therefore serues his booke, / the Candell and the Bell: / But thinke you that suche Apishe toies, / bring damned soules from hell.“ DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Fiiiv-Fivr. Siehe dazu auch jeweils die Bemerkungen des Autors in den Randglossen; BYRCHENSHA, A discourse, fol. Div: „Booke, bell, and candle curst them all to hell“; vgl. ferner die Kritik von RICH, A short suruey of Ireland, fol. Dir. 369 The Supplication of the Blood, S. 31. Maley hat an dieser Stelle einen Transkriptionsfehler begangen und anstatt „Edome“ „C[hriste]ndome“ transkribiert. Vgl. dazu das Original BL Add MS 34313, fol. 96r; cf. FORD, Apocalyptic Ireland, S. 135; zum Gegensatz zwischen Edom und Israel siehe u.a. Manfred WEIPPERT, Art. „Edom und Israel“, in: TRE 9 (1982), S. 291-299.

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te.370 Diese Stilisierung eröffnete zugleich die Möglichkeit, im Hinblick auf den weiteren Umgang mit der irischen Bevölkerung ein eindeutig radikales Argument vorzubereiten, da gerade das geschilderte Verhalten der Kanaaniten ein wesentlicher Grund dafür war, warum Gott ihre Auslöschung bzw. die Zerstörung ihres Kults und ihrer Kultur befohlen hatte.371 Neben der genuin religiösen Dimension mit ihren Implikationen konnten biblische Deutungsmuster, die aus dem Zusammenhang des Exodus-Narrativs genommen wurden, auch die handfeste, politische Bedrohung durch die autochthone Bevölkerung wiedergeben. Auf über drei Seiten präsentierte beispielsweise Ralph Byrchensha in seiner Schrift alttestamentliche Antitypen zu Israel. Wichtig an der Reproduktion derartiger Exempel war, dass die aufgemachten Gegensätze etwa zwischen Moses und dem Pharao, zwischen den drei Rebellen Korah, Dathan und Abiram und Moses oder dem Volk der Midianiter und Israel nicht nur als Aufstände und Verfehlungen gegen Gott selbst betrachtet wurden, sondern gleichsam auch weltliche Rebellionen, Kriege und Konflikte darstellten.372 Dies war der Referenzrahmen, den der Autor für den Aufstand O’Neills und alle papistischen Umtriebe in Irland angelegt sehen wollte. Entscheidend war in diesem Zusammenhang, dass die physische Bedrohung aufgezeigt wurde, die in den Augen der neu-englischen Autoren vom Papsttum und dessen Agenten ausging. So stellte etwa die Schrift Englands hope against Irish hate von 1600 die Rebellion Hugh O‘Neills in eine Traditionslinie mit anderen ‚papistischen‘ Aufständen und Umtrieben. Genannt werden in diesem Zuge der Vorfall um Edmund Campion, die Verschwörung Francis Throckmortons sowie die Northern Rebellion von 1569.373 Das grundlegende Problem sah man in der Gefährdung englischer Ordnung und Sicherheit, da Agenten des Papsttums dazu aufrufen würden, die bestehenden Eide gegenüber der Königin zu brechen und gegen ihr Regime zu rebellieren. „Seminarie priests and lying Friers, First sware them, that Gods word they shall not heare, And teach them their oth vnto their Prince May lawfully be broken when they will: And sweares them, that deuoutly they shall keepe, 374 What so the Pope of Rome and themselues like.“ 370 Vgl. ASSMANN, Moses der Ägypter, S. 17-26, 245-260 & 268-270; DERS., Mosaische Unterscheidung, S. 96-106; vgl. auch DAVIES, Religion of the Word, S. 39: „The whole panoply of traditional piety was to protestants a concatenation of idolatries centred on the Mass. Idolatry was the prime form of disorder, as it directed worship away from God to his creation.“ 371 Siehe etwa Deuteronomium 7, 5: „But thus ye shal deale with them, Ye shal ouerthrowe their altars, and breake downe their pillers, and ye shal cut downe their groues, & burne their grauen images with fire.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 83v-84r. 372 Siehe die Darstellung bei BYRCHENSHA, A discourse, fol. Biiiv-Bivv. 373 J. G. E., Englands hope, against Irish hate, London 1600 (STC2 7434.7/Lambeth Palace Library), fol. Biiv-Biiir. 374 BYRCHENSHA, A discourse, fol. Ciir; selbe Kritik bei RICH, A short suruey of Ireland, fol. Aiiv; dass es in allen Ecken und Enden der Insel von katholischen Priestern und Mönchen

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Bereits zuvor hatte John Derricke in ganz ähnlicher Weise die eifrigen Umtriebe katholischer Geistlicher in Irland kritisiert. Besonders den Mönchen wirft er dabei vor, sie würden die Iren zu Aufständen und Rebellionen gegen das Tudor-Regime aufrufen: „The Frier of his councells vile, to rebelles doth imparte. Affirmyng that it is, an almose deede to God: To make the Englishe subiectes taste, the Irishe Rebells rodde. To spoile, to kill, to burne, this Friers councell is: And for the doyng of the same, he warrantes heauenlie blisse. He tells a holie tale, the white he tournes to blacke: And through the pardons in his Male, 375 he workes a knauishe knacke.“

Derrickes Darstellung offenbarte zugleich die schädliche Konvergenz zwischen einem falschen Glauben und dessen teilweise fatalen Auswirkungen auf politische Verhältnisse, wie sie neu-englische Autoren wahrnahmen. Was er hier den Mönchen vorwarf, illustrierte John Hooker in seiner Schrift am Beispiel des katholischen Geistlichen Nicholas Sander. Nachdem der Bruder des amtierenden Grafen von Desmond zwei Abgesandte der englischen Krone hinterrücks und heimtückisch ermordert hatte, habe jener Nicholas Sander, „the popes doctor“, Desmond für diese Tat von allen Sünden freigesprochen und sie gar zu einem „Opfer für Gott“ erklärt. Hooker erklärt weiter: „Howbeit, doctor Sanders terming his bloudie murther to be a sweet sacrifice before God, did both allow it, and gaue him plenarie remission of all his sinnes.“376

wimmele, die zur Rebellion aufriefen, wird auch in der Supplication of the Blood, S. 43 geschildert; die große Präsenz römischer Geistlicher beklagt auch SPENSER, A View, S. 221; vgl. dazu bspw. auch das Pamphlet von Hugh O’Neill vom November 1599: Copie of a trayterous writing, S. 32. 375 DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Fiiv-Fiiir. 376 HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 156; zu Sanders Wirken in Irland zuletzt HIGHLEY, English Catholics and Ireland, S. 131-137; Barnaby Rich äußerte ähnliche Bedenken im Hinblick auf das heimtückische Vorgehen des Papsttums. So habe der Papst nicht nur die Macht, bereits begangene Sünden zu vergeben, „but likewise of sinnes before they are done, as to the holy Frier that kild the king of France, to a second againe that murthered the prince of Oranges, & to sundry others to whom he had in like manner giuen full pardon and free absolution aforehand to haue attempted the like against our late gracious Queene Elizabeth.“ RICH, A short suruey of Ireland, fol. Div (Hervorhebung im Original).

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Mit der inneren Bedrohung durch katholische Agenten korrespondierte eine außenpolitische Dimension. So warnten verschiedene Schriften davor, den irischen Papisten zu vertrauen, da sie nur auf die Gelegenheit warten würden, um ihre Masken abzuwerfen und mit den Feinden Englands zu kooperieren. Der Autor der Supplication of the Blood äußerte in diesem Rahmen ein bekanntes Argument, als er davor warnte, die Papisten in Irland könnten den Feinden des englischen Volkes die Hintertür nach England selbst öffnen: „[T]hey will massacre all the Englishe amonge them; and they wilbe ready, for the establishinge of their religion (if a man may call blind supersitition [sic] religion) to let in the enemies 377 of England upon her backe, yea and to ioyne wth them.“

Aufgrund seiner Affinität zum katholischen Glauben sowie zur Institution des Papsttums erscheint der Papist in den Schriften neu-englischer Provenienz also als Aufrührer, Rebell gegen die Krone und Verräter am eigenen Land, – galten die Iren rechtlich betrachtet doch seit 1541 allesamt ebenfalls als Untertanen der englischen Herrscher.378 Ralph Byrchensha fasste diese Stellung der Iren prägnant zusammen: „Rebels to Prince, rebels to natiue home, Traitors to Prince, traitors to countries due, Supplanters of all rule and gouernment, 379 Infringing lawes, the waste of Common-weale.“

Entscheidend war, dass die neu-englischen Akteure den Gegensatz zwischen Iren und Engländern als unüberbrückbare Kluft zwischen zwei sich gegenseitig ausschließenden Wahrheitsregimen ansahen. In der Supplication of the Blood bemerkt der Verfasser dazu: „The divell will never be a true servant to god; nor an Irishe papist (upon whom the naturall hatred of his Country, and the old inveterate hate of his religion setts an edge) a true subiect to 380 Queene Elizabeth.“

In derartigen Sätzen deutet sich auf englischer Seite die Überzeugung an, dass die Iren sozusagen eine natürliche Feindschaft zu Gott, und infolgedessen zur englischen Gemeinde in Irland, pflegen würden. Diese Auffassung korrespondiert mit ihrer Darstellung als Kanaaniter und insbesondere als Amalekiter, erklärt sich aber nur teil377 Supplication of the Blood, S. 52; siehe auch die Bemerkungen bei J. G. E., Englands hope, fol. Biiir; BYRCHENSHA, A discourse, fol. Ciiir; auch bei Spenser spielt die spanische Bedrohung im Hintergrund eine Rolle. Siehe SPENSER, A View, S. 198; Irland als eminentes Sicherheitsrisiko für England sahen auch CHARNOCK, An ansvvere, fol. Air und MORYSON, An itinerary, Bd. 2, S. 170; cf. MORGAN, British Policies, S. 67. 378 Vgl. dazu BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 231-238. Freilich bemühten sich die neu-englischen Autoren gerade diesen Fakt durch ihre Propagandakampagne auszuhebeln. 379 BYRCHENSHA, A discourse, fol. Cir (Hervorhebung im Original). 380 Supplication of the Blood, S. 52.

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weise aus deren Stigmatisierung als Papisten. So wurde das Bild der Iren nicht nur durch ihre Akzeptanz des katholischen Glaubens geprägt, sondern mindestens ebenso sehr durch die weidlich konstatierte Existenz heidnischer Elemente. Als Scharnier, um den katholischen Glauben der Iren mit ihrer postulierten heidnischen Prägung zu vereinen, dienten die Vorwürfe abergläubischer und idolatorischer Praktiken. Die Religionsausübung der autochthonen Bevölkerung erschien vor diesem Hintergrund als hochgradig defizient, weshalb sie vielfach eher als gottlose Heiden denn tatsächliche Christen galten. Edmund Spenser bemerkte aus diesem Grund zum religiösen Zustand der Insel: „Therefore the faulte that I finde in religion is but one but the same vniuersall thoroughe all that Countrye, that is that they are all Papistes by theire profession but in the same so blindelye and brutishly enformed for the moste parte as that ye woulde rather thinke them Atheists or infidles but not one amongest a hundred knowethe anye grounde of religion anie article of his faithe but Cane perhaps saie his pater noster or his Ave marye without anie knowledge or vnderstandinge 381 what one worde theareof meanethe.“

Der Vorwurf, die Iren seien allenfalls oberflächlich christianisiert, findet sich nicht nur bei Edmund Spenser an mehreren Stellen seiner Schrift, sondern zieht sich durch eine ganze Reihe neu- und auch alt-englischer Texte. John Hooker berichtete in ähnlicher Weise in seinem Beitrag zur Neuauflage der Chroniken von Raphael Holinshed über den fehlenden oder falschen Glauben der irischen Bevölkerung, als er dazu schrieb: „And among all other the most intolerable miseries vniuersallie reigning, this one exceeded all the rest, that there was scarse a God knowen; and if knowen, not all honored in the land.“382 Klagen über die weitgehend heidnische Lebensweise der Iren lassen sich bis zu den Arbeiten von Giraldus Cambrensis zurückverfolgen. Ein wichtiger Themenkomplex in diesem Zusammenhang war die sexuelle Neigung der Iren, wozu Cambrensis berichtete: „This is a filthy people, wallowing in vice. Of all peoples it is the least instructed in the rudiments of the Faith. They do not yet pay tithes or first fruits or contract marriages. They do not avoid incest. […] Moreover, and this is surely a detestable thing, and contrary not only to the Faith but to any feeling of honour – men in many places in Ireland, I shall not say marry, but rather debauch, the wives of their dead brothers. They abuse them in having such evil and incestuous relations with them. In this (wishing to imitate the ancients more eagerly in vice than 383 in virtue) they follow the apparent teaching, and not the true doctrine, of the Old Testament.“

381 SPENSER, A View, S. 136 (Hervorhebung im Original). 382 Vgl. HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 114; ähnlicher Kommentar nochmals auf S. 133: „God is not knowne in their land, neither is his name called rightlie vpon among them.“ 383 CAMBRENSIS, Topography, S. 106; Vorwürfe des Inzests und der Polygamie finden sich zudem in alt-englischen Schriften des 16. Jahrhunderts. Siehe dazu CAMPION, Historie of Ireland, S. 16 & 19; STANYHURST, Description of Ireland, fol. 28v; cf. QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 80-82.

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Wie John Gillingham dazu anmerkte, waren zur Zeit Cambrensis’ gerade Vorwürfe von Polygamie und Inzest besonders geeignet, um die irischen Praktiken außerhalb eines als genuin christlich verstandenen Horizonts zu verorten. Die Einschätzung der Zeitgenossen zusammenfassend, gibt Gillingham ein Zitat Bernhards von Clairvaux wider, der über die Iren gesagt haben soll: „[S]hameless in their customs, uncivilised in their ways, godless in religion, barbarous in their law, obstinate as regards instruction, foul in their lives: Christians in name, pagans in fact.“384 Giraldus Cambrensis schloss sich dieser Wertung seiner Zeitgenossen dadurch an, dass er zwei Geschichten in seine Darstellung aufnahm, welche die sexuell verwerfliche und im Grunde nichtchristliche Natur der Iren zusätzlich illustrieren sollten. Demnach habe im Zuge einer Königskrönung der Prätendent Unzucht mit einer weißen Stute getrieben und ferner seien Einwohner Irlands entdeckt worden, die lediglich einen Lendenschutz aus roher Tierhaut, ansonsten aber keine Kleidung getragen hätten; ihre Ernährung habe hauptsächlich aus unverarbeiteten Produkten wie Milch, Fleisch und Fisch bestanden und von Christus und den Regeln der Kirche hätten sie noch nie gehört.385 Massive Zweifel an einer tatsächlich christlichen Lebensweise und Glaubensauffassung artikulierten im 16. Jahrhundert unter anderem Edmund Campion, Edmund Spenser, Barnaby Rich sowie ein Autor in William Camdens Werk Britannia. Edmund Campion kritisierte etwa die ungewöhnlichen Taufpraktiken der Iren: „In some corners of the land they used a damnable superstition, leaving the right armes of their Infants males unchristened (as they termed it) to the intent it might give a more ungracious and 386 deadly blow.“

Edmund Spenser stellt ferner die heidnische Dimension überkommener Traditionen wie der irischen Totenklage heraus. Mit ihren verzweifelten Ausrufen und extremen Wehklagen gleiche diese Tradition eher den barbarischen Lamentationen der Skythen und sei in ihrem Kern heidnisch. Spenser erläutert dazu: „[F]or it is the manner of all pagans and Infidells to be intemperate in theire waylinges of theare dead for that they had no faithe nor hope of salvacion.“387 Weitere pagane Sitten will Spenser in der Vorbereitung einer Schlacht erkennen, in deren Zuge die Kämpfer ihre Waffen in einer bestimmten Art und Weise ‚weihten‘. So beschreibt er, dass die Iren verschiedene Zaubersprüche und Gebete an ihre Schwerter richten würden und dabei ein Kreuz auf dem Boden markierten, in das sie im Anschluss ihre Waffen rammen würden. Dies solle den Erfolg in der Schlacht sicherstellen.388 Ihre abergläubischen Einstel384 GILLINGHAM, Images of Ireland, S. 19 (meine Hervorhebung). 385 Siehe die Darstellung bei CAMBRENSIS, Topography, S. 110f; cf. MORGAN, Giraldus Cambrensis, S. 24. 386 CAMPION, Historie of Ireland, S. 15; STANYHURST, Description of Ireland, fol. 28v. 387 SPENSER, A View, S. 105 (Hervorhebung im Original); auch Barnaby Rich registrierte die irischen Totenklagen und hielt sie für heidnische und barbarische Relikte. Siehe RICH, The Irish hubbub, S. 3f; David Quinn bemerkte, dass Vergleiche der Begräbnisriten von Iren und bspw. indigenen Völkern der Neuen Welt häufig vorkamen. Siehe etwa QUINN, Elizabethans and the Irish, S. 26 & 83. 388 SPENSER, A View, S. 108.

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lungen illustriert Spenser ferner am Umgang mit Licht und Feuer. So würden beim Entfachen des Feuers und Entzünden der Kerzen Gebete gesprochen sowie etwaige abergläubische Rituale vollzogen, was deren übersteigerte Verehrung von Feuer und Licht belege. Diese Verehrung sei freilich ein Zeichen all jener nördlichen Völker, die durch Kälte und Dunkelheit heimgesucht würden, was für den Autor wiederum die These belegt, dass die Iren letztlich von den Skythen abstammten und im Grunde eher Heiden als Christen seien.389 In William Camdens Britannia findet sich ein Abschnitt, indem die religiösen Vergehen zusammengefasst werden. Die Argumentation weist dabei zwei Richtungen auf: Einerseits scheinen immer wieder vorchristliche Gebräuche und Traditionen durch, die sich offenbar mit einer oberflächlichen Form des christlichen Glaubens verbunden haben. So berichtet der Autor in Camdens Chronik, dass die Iren vor dem aufgehenden Mond niederknien würden und ein Vaterunser sprächen, auf dass er ihnen nicht schade. In ähnlicher Weise wird eine Fusion von christlichen und vorchristlichen Praktiken im Hinblick auf die irischen Kräuterfrauen und Heilerinnen geschildert, die jeweils vor und nach ihren Zaubereien und Zaubersprüchen ein Pater Noster und Ave Maria aufsagen würden.390 Andererseits werden auch der Zustand genuin kirchlicher Einrichtungen sowie das Verhalten und die Verfassung des Kirchenpersonals mehrheitlich scharf kritisiert. Das Personal sei schlecht ausgebildet, ignorant oder selbst mit Sünden beladen; notwendige Institutionen seien häufig nur in rudimentärer Form vorhanden und selbst diese befänden sich oftmals in einem miserablen Zustand: „Among those wild Irish, there is neither divine service; nor any forme of Chappell but outwardly: no Altars at all, or else they be filthily polluted: the image of the Rood or Crosse defaced, if there be any at all. The sacred vestiments are so foule and nasty that they would make one to cast up his stomacke: The Altar portable without any crosses emprinted upon it, and by some abuse or other polluted. The Missal or Masse booke all torne, and bereft of the Canon: yet the same is tendred to all othes and perjuries; the Chalice of lead without a cover to it, the small vessels for wine made of a horne. The Priests minde nothing but gathering of goods and getting of children. The Persons play the Vicars, and that of many Parishes together: they make a great shew of the Canon-Law, but have never a jot of learning. They have their children to succeed 391 them in their Churches, for whose illegitimation they are dispensed with.“

Die Darstellung der Iren wahlweise als Heiden und/oder Papisten ist keineswegs einem ungenauen, zeitgenössischen Verständnis beider Begriffe geschuldet. Im Gegenteil offenbart die gegenseitige Durchdringung beider Begrifflichkeiten und das Changieren zwischen beiden ein grundsätzliches Phänomen der Einordnung und Wahrnehmung der Insel, das bereits zeitgenössisch bestand. Die Herausstellung der heidnischen und unchristlichen Züge im irischen Glaubensvollzug war ohne Zweifel durch die beiden Prozesse, der Entdeckung der Neuen Welt auf der einen und der Wiederentdeckung der alten Welt im Zuge der Renaissance auf der anderen Seite,

389 SPENSER, A View, S. 108. 390 Siehe CAMDEN, Britain, S. 145f im Abschnitt zu Irland. 391 CAMDEN, Britain, S. 144f.

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beeinflusst.392 Wie Michael Ryan herausarbeitete, konfrontierten beide Vorgänge das alte Europa mit einem Übermaß an Alterität, für deren Verarbeitung eine Matrix benötigt wurde.393 Laut Ryan fanden zeitgenössische Beobachter im Wahrnehmungsmuster des Heidnischen quasi einen Universalschlüssel, um sowohl die neu entdeckten außereuropäischen Völker als auch die historischen Ethnien der wieder zugänglichen Texte in die vorherrschenden, alteuropäischen Konzepte und Kategorien einzupassen. Die äußerst flexible Handhabung, mit der hier unterschiedlichste kulturelle Phänomene und ganze Lebensarten in das Muster des Heidnischen (und Barbarischen) gezwängt wurden, habe es den europäischen Beobachtern grundsätzlich ermöglicht, die Fremd- und Andersartigkeit als etwas Bekanntes zu betrachten und auf diese Weise in die europäische Ideen- und Vorstellungswelt zu integrieren.394 Wie allerdings bereits Reinhart Koselleck zum Begriffsfeld des Heidnischen festgestellt hat, implizierte dies eine temporale Dimension, die eine zukünftige Bekehrung offen ließ: „Temporal gesprochen, war der Heide Noch-nicht-Christ, der Häretiker Nicht-mehr-Christ: als solche hatten sie verschiedene Qualitäten.“ 395 Genau diese Möglichkeit einer zukünftigen Bekehrung wollten die meisten neu-englischen Autoren jedoch im Hinblick auf die irische Bevölkerung ausschließen. Demnach hätten sich die Iren bewusst von Gott abgewandt und zu einem dezidiert falschen, antichristlichen Weg bekannt, was ihre Gefolgschaft zum Papsttum („sworne slaues vnto the Pope“ – Byrchensha) belege. John Derricke ließ ebenfalls keinen Zweifel daran, dass große Teile der autochthonen Bevölkerung nicht reformierbar seien, und Gott sie deshalb von der Erdoberfläche vertilgt sehen möchte. Besonders im Hinblick auf die Woodkern betonte Derricke deshalb explizit, dass Gott sie verworfen habe: „No strength maie preuaile whom God doeth withstande, no phisicke can cure, whom God in his ire striketh, showing that God hath giuen vp Woodkarne to a reprobate sence.“396 Der Heidenvorwurf sollte in diesem Zusammenhang die Feindschaft zu Gott und dessen erwähltem Volk zusätzlich kulturell inkarnieren helfen. Die Vorwürfe zu nach 392 Gängige Muster waren in diesem Zusammenhang einerseits der Vergleich der Iren mit den Indianern der Neuen Welt, und andererseits mit antiken Barbarenvölkern wie bspw. den Skythen. Siehe dazu QUINN, Elizabethans and the Irish, Kap. 9: Ireland and America Intertwined, S. 106-122; Andrew HADFIELD, Crossing the Borders: Ireland and the Irish between England and America, in: Ders., Shakespeare, Spenser and the Matter of Britain, Basingstoke u.a. 2004, S. 12-26; PALMER, Language and Conquest, Kap. 5, S. 148-172; zur Kopplung mit historischen Völkern u.a. HADFIELD, Briton and Scythian; DERS., ‚Bruited Abroad‘: John White and Thomas Harriot’s Colonial Representations of Ancient Britain, in: Ders., Shakespeare, Spenser and the Matter of Britain, S. 59-76; siehe neuerdings auch die Studie von KOHLER, Neue Welterfahrungen. 393 Michael T. RYAN, Assimilating New Worlds in the Sixteenth and Seventeenth Centuries, in: Comparative Studies in Society and History 23 (1981), S. 519-538. 394 Siehe RYAN, Assimilating New Worlds, S. 525 und passim. 395 Siehe KOSELLECK, Gegenbegriffe, S. 239; so auch Maryclaire MORONEY, Apocalypse, Ethnography, and Empire in John Derricke’s Image of Ireland (1581) and Spenser’s View of the Present State of Ireland (1596), in: English Literary Renaissance 29 (1999), S. 355374, hier S. 361f. 396 DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Divr (Randglosse).

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wie vor existierenden vor-christlichen Elementen innerhalb der irischen Gesellschaft müssen derart als Komplementär zur barbarischen Lebensweise der Iren gesehen werden. In diesem Sinne erscheint ihr Hang zu einem rudimentären papistischen Glauben, der mit heidnischen Elementen durchsetzt ist, als ein Wesensmerkmal irischen Daseins, weshalb eine Reform als nahezu aussichtslos betrachtet wird. Der Prozess der Entfremdung kann somit nicht nur kulturell fundiert und religiös überhöht, sondern auch in einer andauernden Gegnerschaft zu Gott zementiert werden. Die irische Lebensweise scheint vor diesem Hintergrund deutliche Konturen der kanaanitischen Völker anzunehmen, insbesondere im Hinblick auf deren Stilisierung als Amalekiter, mit denen Gott eine besondere Feindschaft verbindet. „The Lord hathe sworne, that he will haue warre with Amalek from generacion to generacion.“397 4.3 Der Bruch des Bundes: Alt-englische Degeneration und neuenglische Erwählungspolitik im Zuge des Neunjährigen Krieges Die Modellierung Irlands als Land Kanaan in positiver wie negativer Hinsicht hatte derweil nicht nur Auswirkungen auf die Wahrnehmung der indigenen Bevölkerung. Im Gegenteil beinhaltete der neu-englische Diskurs eine hochgradig reflexive Dimension, in deren Zuge die Verhältnisse im englisch dominierten Teil des Landes thematisiert wurden. Dieser selbstreflexive Modus diente einer spezifischen Form der Ursachenanalyse und war gleichsam ein wesentlicher Bestandteil englischer Erwählungsvorstellungen, wie sie sich zeitgenössisch im Bund mit Gott ausgedrückt hatten.398 Der erste Schritt bestand in der Feststellung eines vorherrschenden Unglaubens in weiten Teilen Irlands, wie es Edmund Spenser, John Hooker, Ralph Byrchensha und andere getan hatten.399 Darauf aufbauend konnten in der Folge die vielen Rebellionen und Aufstände im Innern als negative Auswirkungen dargestellt werden, die sich aus der Tolerierung gottloser Glaubenspraktiken ergeben hätten. Die Supplication of the Blood sah die eigentlichen Ursachen des Neunjährigen Krieges genau in dieser Problematik. Der Autor schrieb dazu: „Sinne it was that brought all upon us. Our rebellion against god, made him stirre up these rebells against the state to devour us. Our carelessenes in his cause, made him cast away the care 400 of us; Our disordered livinge was the only begininge of this disordered confusion.“ 397 Exodus 17, 16 (Geneva Bible, fol. 32r). 398 Siehe dazu COLLINSON, Biblical rhetoric, S. 175 sowie die Bemerkungen in Kap. 2. 399 HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 114 & 133; SPENSER, A View, S. 136; BYRCHENSHA, A discourse, fol. Cir; DERRICKE, The Image of Ireland, fols. Diiir-Divv, Hiir-v; RICH, A short suruey of Ireland, fol. Aiiv-Aiiir und passim; J. G. E., Englands hope. 400 Supplication of the Blood, S. 45; dass die Rebellion Hugh O’Neills sowie die Unterstützung durch Spanien eine Strafe Gottes für die Sünden der Engländer gewesen sei, klingt auch in der anonymen A joyfull new ballad of the late Victory obtain’d by my Lord Mount-Joy and her Majesties forces in Ireland against yt arch-traytor Tirone and his confederats, upon the 24 of December last von 1602 an. Siehe die Edition in Carpenter (Hg.), Verse in English, S. 116-120, hier S. 116.

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Hier zeigt sich somit ein wesentlicher Bestandteil der Bundesvorstellung, wenn reale Aufstände und Rebellionen als Konsequenz einer unzureichenden Pflege und Einhaltung des wahren Gotteswortes gewertet wurden. Interessant ist der Hinweis auf eine vorherrschende Unordnung, welche als Ursprung für die gegenwärtige Krise identifiziert wird.401 Der Autor spezifizierte diese Problematik in der Folge, indem er erklärte: „We did not in ore Government seeke his glorie; in ore reformations we leaste attempted the reformation of his house, of his Churche: we halted our selves w th the infidells in religion.“402 In der Bekämpfung von Idolatrie und Aberglauben hätten die englischen Siedler bislang mit anderen Worten kläglich versagt. 403 Eine tatsächliche Glaubens- und Kirchenreform sei nicht geschehen. In diesem Sinne klagte der Autor auch die politische Führung an, wenn er dazu schrieb: „The fault hath been ours: wee have made godes cause the last and least cause, yea no cause: we have had no care of it, we have neglected it, we have despised it; we have made a mocke of 404 it.“

Der Sache der Reform wurde offensichtlich in den Augen des Verfassers von offizieller Seite nicht die notwendige Aufmerksamkeit oder Bedeutung beigemessen, die sie verdient hätte. Dies stünde freilich in starkem Kontrast zum eigentlichen Auftrag, mit dem die Eroberung und Besiedlung Irlands ursprünglich verbunden gewesen seien. Hier ging es gerade um eine nachhaltige Reform des Landes, wie der anonyme Autor der Supplication verdeutlichte: „God gave us the land to erect therein the Gospell: he sett us up and threwe downe them, to the ende he would by us pull downe their Idolatrie: He gave us the sword to swaye that his word 405 might beare sway amongst them.“

Während an dieser Stelle die Konditionalität des englischen Bundes mit Gott rekapituliert und mit der spezifischen Aufgabe der Reform versehen wurde, war für die neu-englischen Autoren gerade der Nachweis bislang nicht durchgeführter Reformen entscheidend. Sie arbeiteten in der Folge mehrere Symptome heraus, welche den bisherigen Fehlschlag verdeutlichen und den Bruch des Bundes belegen sollten. Wichtiger Bestandteil dieser Analyse waren die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen irischen Rebellionen und Aufstände, die als Ausfluss einer grundsätzlich heidnisch401 Eine ähnliche „disorder and confusion“ konstatierte auch Richard Beacon in seinem Traktat, und nahm es als Zeichen für eine manifeste Krise. Siehe Richard BEACON, Solon his follie, or a politique discourse, touching the reformation of common-weales conquered, declined or corrupted, Oxford 1594 (STC2 1653/Henry E. Huntington Library), S. 67. 402 Supplication of the Blood, S. 21. 403 Für analoge Warnungen vor der eigenen Sündhaftigkeit im englischen Kontext siehe WALSHAM, Providence, S. 281-325; COLLINSON, Biblical Rhetoric; MCGIFFERT, God’s Controversy. 404 Supplication of the Blood, S. 22. 405 Supplication of the Blood, S. 21f.

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papistischen und barbarischen Neigung der irischen Bevölkerung präsentiert wurden. Ausgehend von der weiten Verbreitung und offensichtlichen Tolerierung dieser Lebensart und den damit verbundenen Gefahren und Belastungen für die englischen Siedler in Irland kam es nun vermehrt zu Vorwürfen an die alt-englische Gemeinde. Neu-englische Autoren warfen ihren alt-englischen Pendants vor, dass sie durch ihr Verhalten und ihre falsche Politik gegenüber der indigenen Bevölkerung als hauptsächlich Verantwortliche für den miserablen Zustand des hiesigen Gemeinwesens angesehen werden müssten. Der für die Neu-Engländer entscheidende Nachweis für diese Behauptung resultierte dabei aus der Anwendung der Bundesvorstellung auf die irischen Verhältnisse und konkretisierte sich im Vorwurf der Degeneration. Die Feststellung beziehungsweise die Klage darüber, dass Teile der englischen Siedlerschaft in Irland sich über die Zeit der irischen Kultur und Lebensweise angenähert hätten, war dabei nichts originär Neues. Im Gegenteil sind derartige Vorwürfe seit dem 13. Jahrhundert zu beobachten.406 Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Konkurrenzsituation zwischen alt- und neu-englischen Siedlern im 16. Jahrhundert sowie einer konfessionell geprägten Konfliktkonstellation am Ende des Jahrhunderts bekam dieser Vorwurf freilich eine neue Wertigkeit, indem er fortan zur Diskreditierung der alt-englischen Gemeinde benutzt werden konnte.407 Obwohl beispielsweise Richard Stanyhurst seine Leser davor warnte, die Bewohner des Pales in irgendeiner Weise mit den barbarischen Iren zu vergleichen, kam auch er nicht umhin, die Auswirkungen einer längerfristigen Koexistenz in ihren für die englischen Siedler schädlichen Dimensionen einzugestehen: „They were enuironned & co[m]passed with euill neighbours. Neighbourhoode bredde acquaintance, acquaintance wasted in [the] Irish to[n]gue, the Irishe hooked with it attyre, attyre haled rudenes, rudenesse engendred ignora[n]ce, ignoraunce brought contempt of lawes, the 406 Vgl. dazu grundlegend DUFFY, The Problem of Degeneracy; WATT, Approaches, S. 310f; ein Verfall des englisch dominierten Teils der Insel wurde bereits zu Anfang des 16. Jahrhunderts konstatiert. Siehe dazu The State of Ireland, and Plan for it’s Reformation [1515], in: State Papers Henry VIII, Bd. 2, Teil 3, London 1834, S. 1-31; Patrick FINGLAS, A Breviat of the Getting of Ireland, And of the Decaie of the same, [c. 1534], in: Walter Harris (Hg.), Hibernica, or some antient pieces relating to Ireland, Bd. 1, Dublin 1770, S. 79-103; die Koexistenz und die sich daraus ergebenden Veränderungen für die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche englische Gemeinde beschreibt BRADSHAW, Irish Constitutional Revolution, S. 18-29; zu den Mustern und Funktionen solcher Verfallserzählungen auch John H. ELLIOTT, Self-Perception and Decline in Early Seventeenth-Century Spain, in: P & P 74 (1977), S. 41-61 und Randolph STARN, MeaningLevels in the Theme of Historical Decline, in: H & T 14 (1975), S. 1-31. 407 Siehe zur Konkurrenzsituation LENNON, Sixteenth-Century Ireland, S. 187-202; CANNY, Identity Formation, S. 164-177; diese Konkurrenz hat sich etwa auch in den beiden unterschiedlichen Editionen des irischen Teils von Raphael Holinsheds Chroniken niedergeschlagen. Vgl. dazu u.a. Christopher IVIC, Incorporating Ireland: Cultural Conflict in Holinshed’s Irish Chronicles, in: Journal of Medieval and Early Modern Studies 29 (1999), S. 473-498; MCCABE, Making History; Felicity HEAL, The Holinshed editors: religious attitudes and their consequences, Working Papers des Holinshed Projects, einzusehen unter URL: [20.03.2017].

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contempt of lawes bred rebellio[n], rebellion raked thereto warres, and so co[n]sequently the 408 vtter decay and desolatio[n] of that worthy countrey.“

Die hier geschilderten Effekte des Zusammenlebens waren für die neu-englischen Autoren im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung. Denn in ihrem Referenzrahmen bedeuteten sie einen schweren Verstoß gegen zentrale Auflagen des mit Gott geschlossenen Bundes. Dieser hatte im Hinblick auf die kanaanitischen Völker eindeutig erklärt: „Thou shalt make no couenant with the[m], nor with their gods.“409 Indem man nun den alt-englischen Siedlern eine Form der Akkulturation vorwarf, konnte diese Auffassung des Bundesbruches aktualisiert und die altenglische Gemeinde darüber zu einem wesentlichen Hindernis bei der notwendigen Reform Irlands erklärt werden. Damit einher ging schließlich eine Diskreditierung und Disqualifikation alt-englischer Politikkonzepte und Vorstellungen, wie sie bis weit ins 16. Jahrhundert die englische Irlandpolitik bestimmt hatten. Ein grundlegendes Problem sahen Autoren wie Edmund Spenser, Richard Beacon oder Fynes Moryson in einer zu großen Freiheit, welche den englischen Siedlern vom Mutterland in der Vergangenheit zugestanden worden sei.410 Daraus hätten sich in der Folge zahlreiche Fehlentwicklungen ergeben, die zusammengenommen eine nachhaltige Reform Irlands blockieren würden. Ein wesentlicher Punkt war in diesem Rahmen die Kritik an den beiden großen Familien der Fitzgeralds und Butlers. Diese hatten bis zur Rebellion des zehnten Grafen von Kildare, Thomas Fitzgerald, im eigentlichen Sinne die englische Macht in Irland als Stellvertreter der Krone repräsentiert. Allerdings beklagte etwa Edmund Spenser, dass etliche Mitglieder beider Familien ihre Position vor allem dazu genutzt hätten, um ihre Macht und ihren Einfluss zu vermehren und diese vor allem in privaten Fehden gegeneinander oder gegen andere englische Magnaten einzusetzen.411 Wichtig war in diesem Rahmen die Unterstellung, dass englische Adlige ganz im Sinne der inneririschen Verhältnisse anfingen, sich gegenseitig zu bekriegen und in militärische Konflikte zu verwickeln. Aus diesen Kämpfen seien sodann größere Faktionsbildungen hervorgegangen, die als überaus schädlich bewertet wurden, weil sie die Iren peu à peu in diese Auseinandersetzungen mithineingezogen hätten. Aus diesem Grund kam Spenser zu dem Schluss, dass die Alt-Engländer inzwischen ein mindestens genauso großes Problem darstellten wie die Iren selbst: „[F]or the Chiefest abuses which are now in that realme are growen from the Englishe and the Englishe that weare are now muche more Lawles and Licentious then the verie wilde Irishe, so 408 STANYHURST, Description of Ireland, fol. 3v. 409 Exodus 23, 32; siehe auch die vergleichbaren Auflagen in Exodus 34, 12, 14-16 & Deuteronomium 7, 1-2. 410 Fynes Moryson drückte es sehr deutlich aus: „Great priuiledges weare worthely graunted at first to the great Lordes of English race for theire Conquest, and great power over the people was wisely giuen them at first both for Reward and for power to keepe the meere Irish in Subieccion.“ MORYSON, Itinerary, S. 207. 411 Siehe SPENSER, A View, S. 114f; vgl. auch MORYSON, Itinerary, S. 202; ferner Nicholas BROWNE, Munster in A.D. 1597, ed. von James Buckley, in: Journal of the Cork Historical and Archaeological Society Second Ser., 12 (1906), S. 53-68, hier S. 55.

466 | E NGLANDS E XODUS that as muche Care as was then by them had to reforme the Irishe so muche and more muste 412 now be vsed to reforme them so muche time dothe alter the manners of men.“

Von besonderer Dringlichkeit erschien die Reform alt-englischer Magnaten gerade deshalb, weil von diesen eine akute Bedrohung für die Sicherheit der englischen Krone ausginge. Richard Beacon erinnerte in seiner Abhandlung an die Geschehnisse der Kildare-Rebellion und stellte im Besonderen die Versuche der Grafen heraus, mit dem französischen König, dem Kaiser sowie dem Papst gegen Heinrich VIII. zu konspirieren und eine Invasion Englands zu planen.413 Spenser fügte dieser äußeren Bedrohungsperspektive einen weiteren Aspekt hinzu, der sich primär auf die inneren Angelegenheiten Irlands bezog. So klagte er, dass die Degeneration der großen Familien notwendigerweise Auswirkungen auf deren Untergebene haben müsste. 414 Spenser exemplifizierte diesen Umstand, indem er einen weiteren Effekt der Degeneration darstellte. So hätten inzwischen viele Familien, die ursprünglich englischer Abstammung gewesen seien, ihre Namen „aus Hass“ gegenüber allem Englischen abgelegt und irische angenommen. „[S]ome of them haue quite shaken of theire Englishe names and put on Irishe that they mighte be alltogeather Irishe.“415 Er illustrierte dies am Beispiel der drei Familien MacMahon, MacSween und MacSheehy, die zum Gefolge der Grafen von Desmond gehörten und als notorische Unruhestifter bekannt waren.416 Mit der äußeren Umwandlung des Namens korrespondiere nach Spenser eine innere Verwandlung, da sich diese Familien vor allem durch ihre rebellische und illoyale Haltung gegenüber der Krone auszeichnen würden.417 In diesem Zusammenhang dominierte indessen ein anderer Vorwurf die Auseinandersetzungen mit der alt-englischen Gemeinde. Spenser erklärte dazu: „And firste I haue to finde faulte with the Abuse of language that is for the speakinge of Irishe amongest the Englishe which as it is vnnaturall that anye people shoulde love anothers lan-

412 SPENSER, A View, S. 113; zu den schädlichen Auswirkungen zu großer Freiheiten siehe auch HERBERT, Croftus, S. 47-49 & 55-57; BEACON, Solon his follie, S. 75f sowie MORYSON, Itinerary, S. 201-214. 413 BEACON, Solon his follie, S. 24f; cf. PALMER, Ireland in Tudor foreign policy, S. 40-54; zu den Bestrebungen der irischen Rebellen von 1534, Bündnisse mit kontinentaleuropäischen Mächten einzugehen siehe den Beitrag von ELLIS, The Kildare Rebellion, S. 807830; Brendan BRADSHAW, Cromwellian reform and the origins of the Kildare rebellion, 1533-34, in: TRHS 5th Ser., 27 (1977), S. 69-93. 414 SPENSER, A View, S. 118: „[F]or wheare the Lordes and Chief men wax so barbarous and bastardlike what shalbe hoped of the pesantes and base people.“ 415 SPENSER, A View, S. 115. 416 Siehe SPENSER, A View, S. 117; weitere Bsp. nennt MORYSON, Itinerary, S. 203; siehe dazu auch das Wortspiel bei John Derricke, der aus dem Familiennamen MacSween eine Anspielung auf ‚Schwein‘ macht, um deren ‚Natur‘ nachdrücklich zu betonen. Siehe DERRICKE, The Image of Ireland, Preface fol. biir; ähnliches Wortspiel bei J. G. E., Englands hope, fol. Div mit „rebellious Swine“. 417 Siehe SPENSER, A View, S. 116-118; selbes Argument bei MORYSON, Itinerary, S. 203.

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guage more then theire owne soe is it verye inConvenient [sic] and the Cause of manye other 418 evills.“

Die Übernahme von Sprache und Kleidung galt in diesem Rahmen als primäres Zeichen der Degeneration. Fynes Moryson argumentierte in diesem Bereich recht ‚modern‘, als er dazu feststellte: „[T]he Irish English altogether vsed the Irish tounge, forgetting or neuer learning the English. And this communion or difference of language, hath allwayes beene obserued, a spetiall motiue 419 to vnite or allienate the myndes of all nations.“

Gemeinsame Sprache, darüber ist sich die moderne Forschung weitgehend einig, ist ein zentrales Merkmal von Vergemeinschaftungsprozessen. Erst auf dieser Basis können andere Kriterien, die für Vergemeinschaftungsprozesse generell sowie insbesondere für die spezifische Form der Nation herausgearbeitet worden sind, überhaupt ihre Wirkung entfalten. Der Gebrauch von Massenmedien, etwa zur Konstruktion gemeinsam geteilter Feindbilder, zur Stiftung von Gründungsmythen und Perpetuierung von Herkunftserzählungen oder auch zur Vergegenwärtigung der vorgestellten Gemeinschaft, ist eng an eine geteilte Sprache geknüpft.420 Insofern müssen die Vorwürfe von Fynes Moryson, dass viele alt-englische Siedler, die teilweise auch in öffentlichen Ämtern wirken würden, entweder der Muttersprache nicht mächtig seien oder sich gar weigerten, jene zu sprechen, als äußerst fatale Entwicklungen aus englischer Sicht angesehen werden.421 Denn in den Augen der zeitgenössischen Autoren spiegelte sich in der äußeren Anpassung eine innerliche Abkehr von englischen Normvorstellungen wider, die an der grundsätzlichen Loyalität dieser Personen zweifeln ließ. Moryson schrieb zum Problem des Gebrauchs der irischen Sprache sowie zum Tragen irischer Kleidung innerhalb der alt-englischen Siedlergemeinde: 418 SPENSER, A View, S. 118; cf. STANYHURST, Description of Ireland, fol. 2v-3r; die umfangreiche Evidenz für Klagen darüber, dass viele Alt-Engländer zunehmend Irisch sprächen, hat zuletzt Patricia Palmer untersucht. Siehe PALMER, Language and Conquest, S. 40-45; HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 22-25. 419 MORYSON, Itinerary, S. 213. 420 Die zentrale Stellung der Sprache für Vergemeinschaftungsprozesse betont Benedict ANDERSON, Erfindung der Nation, S. 72-87 und passim. Als Überblick zur neueren Forschung siehe u.a. Dieter LANGEWIESCHE, Nation, Nationalismus, Nationalstaat: Forschungsstand und Forschungsperspektiven, in: Neue Politische Literatur 40 (1995), S. 190-236; Christian JANSEN / Henning BORGGRÄFE, Naion – Nationalität – Nationalismus [Campus Historische Einführungen, Bd. 1], Frankfurt a. M./New York 2007, S. 7-32; Siegfried WEICHLEIN, Nationalbewegungen und Nationalismus in Europa, 2. aktual. Aufl., Darmstadt 2012; für die Frühe Neuzeit Reinhard STAUBER, Nationalismus vor dem Nationalismus? Eine Bestandsaufnahme der Forschung zu „Nation“ und „Nationalismus“ in der Frühen Neuzeit, in: GWU 47 (1996), S. 139-165; für die englischen Zusammenhänge etwa HELGERSON, Forms of Nationhood, S. 1-18; David ARMITAGE, Literature and Empire, in: Canny (Hg.), The Origins of Empire, S. 99-123. 421 Vgl. die Darstellung bei MORYSON, Itinerary, S. 213f; cf. PALMER, Language and Conquest, S. 41-44.

468 | E NGLANDS E XODUS „These outward signes being the tuchstones of the inward affection, manifestly showed that the English Irish helde it a reproach among themselues, to apply themselues any way to the English, or not to followe the Irish in all thinges […] To conclude they abhor from all thinges that 422 agree with English Ciuility.“

Edmund Spenser schlug in dieselbe Kerbe, als er in seiner Schrift dazu bemerkte: „Eudox: what is this that ye saie of soe manye as remayne Englishe of them? why? are not they that weare once Englishe abidinge Englishe still./ Iren: no for the moste parte of them are degenerated and growen allmoste meare Irishe yea and 423 more malitious to the Englishe then the verye Irishe themselves.“

Zuletzt konstatierte auch Richard Beacon im Hinblick auf die Zustände in Irland eine „finall declination, which did chiefely growe by a general corruption of manners in the people“.424 Das Problem, was alle Beobachter mit dem Phänomen der altenglischen Degeneration hatten, war eine sich daraus potenziell ergebende Affiliation der Alt-Engländer und Iren zum Schaden der englischen Herrschaft. Das beherrschende Motiv in den einschlägigen Darstellungen war somit ein solides Misstrauen gegenüber der grundsätzlichen Haltung der alt-englischen Gemeinde. Nicht nur warfen neu-englische Autoren den alt-englischen Magnaten vor, sie würden sich irischer Praktiken wie des Coyne and Livery bedienen, um ihre Macht auszubauen und ihren Profit zu steigern, sondern vielen wurde zur Last gelegt, sie hätten in vergangenen Konflikten Abgaben an die Rebellen geleistet und mit ihnen sympathisiert.425 Neu-englische Autoren sahen vor allem zwei Wege, auf denen sich AltEngländer und Iren annähern konnten. Auf der einen Seite bestand eine Verbindung zwischen beiden Gruppen in ihrem gemeinsamen Glauben. Bereits im Zuge der zweiten Desmond-Rebellion hatten James Fitzmaurice Fitzgerald und seine Verbündeten versucht, das verbindende Element des katholischen Glaubens als Basis einer gemeinsamen Frontbildung gegen die englische Herrschaft in Irland fruchtbar zu machen. Während des Neunjährigen Krieges hatte sodann Hugh O’Neill ebenfalls den Versuch unternommen, die alt-englische Gemeinde durch Appelle an den geteilten katholischen Glauben zu einem Bündnis zu bewegen. Es ist anzunehmen, dass sich diese Aufrufe zur Solidarisierung in den einschlägigen Verlautbarungen neuenglischer Akteure seit der zweiten Desmond-Rebellion in eindeutig aggressiveren

422 423 424 425

MORYSON, Itinerary, S. 214. SPENSER, A View, S. 96. BEACON, Solon his follie, S. 7. Siehe dazu MORYSON, Itinerary, S. 206; BROWNE, Munster in A.D. 1597, S. 55; zum Einzug des Coyne and Livery sowie weiterer Abgaben durch alt-englische Magnaten etwa NICHOLLS, Gaelic and Gaelicised Ireland, S. 34-37; RAPPLE, Martial Power, S. 134f; BRADY, Chief Governors, S. 173-176; die Mehrheit der alt-englischen Siedler verhielt sich während des Neunjährigen Krieges allerdings loyal, wie Colm Lennon zuletzt bemerkte. Siehe LENNON, Sixteenth-Century Ireland, S. 322.

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Parolen niederschlugen, welche die katholische Gesinnung der alt-englischen Gemeinde zunehmend als eine Gefährdung wahrnahm.426 Eine zweite Form der Annäherung bestand auf der anderen Seite in den vielfach praktizierten Heiraten untereinander sowie in der Erziehung alt-englischer Kinder durch irische Ammen. Spenser schrieb über die seiner Ansicht nach fatalen Auswirkungen, die diese Praktik auf englische Kinder hätte: „I suppose that the Chief Cause of bringinge in the Irishe language amongest them [die Old English – BQ] was speciallye theire fosteringe and marryinge with the Irishe. The which are two moste dangerous infeccions for firste the Childe that suckethe the milke of the nurse muste of necessitye learne his firste speache of her, the which beinge the firste that is envred to his tounge is ever after moste pleasinge vnto him. In so muche as he afterwardes be taughte Englishe yeat the smacke of the firste will allwaies abide with him and not onelye of the speche but allsoe of the manners and Condicions for besides that younge Children be like Apes which will affecte and ymitate what they see done before them speciallye by theire nurses whom they love so well, they moreouer drawe into themselues togeather with theire sucke even the nature and 427 disposicion of theire nurses.“

Spenser nutzte die alt-englische Praxis, die eigenen Nachkommen von irischen Ammen aufziehen zu lassen, hier dazu, um ein im Grunde frühmodernes, rassistisches Argument stark zu machen.428 In seiner Studie zum Gedankengut der „Limpieza de Sangre“ widmet der Autor Max Sebastián Hering Torres einen Abschnitt der Diskussion, wie in den frühneuzeitlichen Vorstellungen die Unreinheit einer Person über die Muttermilch übertragen werden konnte.429 Nach Hering Torres gründen derartige Ansichten auf einer von dem aus Pergamon stammenden Arzt Claudius Galenus (129-200 n. Chr.) entworfenen Theorie des Menstruationsflusses. Dieser ging davon aus, dass der während einer Schwangerschaft ausbleibende Menstruationsfluss der Frau dazu genutzt wurde, um den Fötus im Mutterleib zu ernähren. Nach der Geburt ändere sich sodann der Blutverlauf der Mutter, so dass jenes Blut, welches den Fötus vormals ernährt habe, nun anstatt zum Mutterleib in die Brüste fließe und dort in Milch umgewandelt werde.430 Entscheidend in dieser Konstruktion war die Tatsache, dass Blut und Milch in direktem Kontakt standen und somit die ‚Unreinheit‘ einer

426 Siehe dazu MORYSON, Itinerary, S. 202, 204f, 209-211; Andrew Trollope to Burghley, 26. Oct. 1587, TNA, SP 63/131/64, fol. 200r-204v; Trollope to Walsingham, 12. Sept. 1581, TNA, SP 63/85/39, fol. 96-102r; CANNY, Identity Formation, S. 168-174; FORD, Apocalyptic Ireland, S. 134f; cf. LENNON, Stanihurst and Old English Identity, S. 139f und passim; DERS., Counter-Reformation; WALSHE, Rebellion of William Nugent. 427 SPENSER, A View, S. 119 (Satzzeichen zum besseren Verständnis nachträglich eingefügt). 428 Grundsätzlich zum Thema in der Zeit siehe Margo HENDRICKS, Race: A Renaissance Category?, in: Michael Hattaway (Hg.), A Companion to English Renaissance Literature and Culture, Oxford 2000, S. 690-698. 429 Max Sebastián HERING TORRES, Rassismus in der Vormoderne. Die „Reinheit des Blutes“ im Spanien der Frühen Neuzeit [Campus Forschung, Bd. 911], Frankfurt a. M./New York 2006, hier S. 174f & 235-237. 430 HERING TORRES, Rassismus in der Vormoderne, S. 174.

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Person über die Milch an eine andere übertragen werden konnte. 431 Dies schloss laut Hering Torres auch religiöse und moralische Neigungen ein, weshalb verschiedene Autoren die Frauen immer wieder dazu aufriefen, ihre Kinder selbst zu stillen und nicht von ‚fremden‘ Ammen versorgen zu lassen.432 Edmund Spenser sowie auch Barnaby Rich bedienten sich beide dieses Gedankengutes. Während Ersterer eine Übertragung der generellen irischen Lebensart befürchtete, beklagte Rich vor allem die ‚Infektion‘ mit papistischen Glaubensauffassungen.433 Unabhängig von den konkreten Ausprägungen wollten beide Autoren mit der Heranziehung dieser Thematik die negativen Auswirkungen aufzeigen, die durch die Übergabe des Nachwuchses an ‚unreine‘ Ammen entstehen konnten. Auf diese Weise eröffnete sich die Möglichkeit, die Abstammung der alt-englischen Siedler zu diskreditieren, indem ihnen damit vorgeworfen werden konnte, sie hätten durch diese Praktik ihr einstmals ‚reines‘, englisches Blut durch irische Zusätze verwässert. Wurde bereits die Erziehung und Ernährung durch irische Ammen als überaus verwerflich betrachtet, so galt die Heirat zwischen englischstämmigen Männern und irischen Frauen als noch größere Schande.434 Edmund Spenser hegte besondere Aversionen gegen derartige Verbindungen. Sein hauptsächlicher Kritikpunkt war auch an dieser Stelle die Problematik, dass die Kinder den größten Teil ihrer Natur und Kultur von der Mutter mitbekämen, so dass aus solchen interkulturellen Heiraten letztlich nur wieder neue Iren hervorgehen müssten, die eine ähnliche Gesinnung wie ihre Mütter hätten: „And indede how cane suche matchinge but bringe forthe an evill race seinge that Comonlye the Childe takethe moste of his nature of the mother besides speache manners inclynacion which are for the moste parte agreable to the Condicions of theire mothers for by them they are firste framed and fashioned soe as what they receaue once from them they will hardelye euer 435 after forgoe.“

Wie wichtig eine frühzeitige Intervention in die Erziehung gerade der alt-englischen Kinder war, zeigte etwa das von John Hooker angeführte Beispiel des Patrick Fitzmaurice, Sohn des Barons von Lixnaw. Fitzmaurice wurde als Junge an den Hof Maria Tudors geschickt, um dort eine englische Erziehung zu bekommen und gleichzei-

431 HERING TORRES, Rassismus in der Vormoderne, S. 175. 432 HERING TORRES, Rassismus in der Vormoderne, S. 235f. 433 Siehe SPENSER, A View, S. 119; Barnaby RICH, A new description of Ireland […], London 1610 (STC2 20992/Henry E. Huntington Library), S. 15; cf. Clare CARROLL, Representations of Women in Some Early Modern English Tracts on the Colonization of Ireland, in: Albion 25 (1993), S. 379-393, hier S. 383f; Jean E. FEERICK, Uncouth Milk and the Irish Wet Nurse, in: Dies., Strangers in Blood. Relocating Race in the Renaissance, Toronto u.a. 2010, S. 55-77. 434 Siehe zu den Warnungen vor matrimonialen Beziehungen mit den Kanaanitern etwa WEINFELD, The Promise of the Land, S. 195f; GUEST, Dangerous Liaisons sowie oben S. 433-435. 435 SPENSER, A View, S. 120.

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tig als Geisel die Loyalität seines Vaters sicherzustellen.436 Hooker beschrieb nun, wie dieser Patrick Fitzmaurice unmittelbar nach seiner Rückkehr sämtliche Eide gegenüber der Krone gebrochen und sich selbst darüber hinaus an der Rebellion des Grafen von Desmond beteiligt habe.437 Der Autor kommentierte diesen Schritt in einer Art und Weise, die deutliche Reminiszenzen an Spensers Kritik der frühzeitigen Erziehung offenbart: „Wherein appeareth the nature of himselfe, and of the brood of that cursed generation, among whome there is neither faith, nor truth. And therefore they maie be verie well resembled to an ape, which (as the common prouerbe is) an ape is but an ape, albeit he be clothed in purple and veluet: euen so this wicked impe. For notwithstanding he was trained vp in the court of England, sworne seruant vnto hir maiestie, in good fauour and countenance in the court, and apparelled according to his degree, and dailie nurtured and brought vp in all ciuilitie: he was no sooner come home, but awaie with his English attires, and on with his brogs, his shirt, and oth438 er Irish rags, being become as verie a traitor as the veriest knaue of them all.“

Das Problem hier besteht darin, dass John Hookers Darstellung suggeriert, Patrick Fitzmaurice sei der Abkömmling eines irischen Hauses gewesen. Allerdings täuscht diese Einschätzung, denn der Baron von Kerry und Lixnaw war englischer Abstammung, gehörte freilich zu jenen Adligen, deren Genealogie durch irische Heiraten geprägt war. Der Degenerationsvorwurf führte in diesem Fall also dazu, dass John Hooker keinen Unterschied mehr machen wollte zwischen autochthoner Bevölkerung und degeneriertem alt-englischen Adel. Er zählte vielmehr beide in einer eindeutig biblischen Sprache zu einer „cursed generation“.439 Die Einschätzung, dass etliche (oder gar alle) alt-englischen Siedler durch ihre Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung degeneriert seien und nunmehr selbst eher als Iren denn als Landsleute betrachtet werden müssten, teilten viele der neuenglischen Autoren. Im anonymen Discourse of Ireland heißt es dazu etwa: „The endeavours of her Majesties Progenitors, haue been greate to reduce this people to Ciuilitye, in so much as king Richard the second went there in person, and planted manie great English families among them whose names onely remaine English but in Nature digressing are become meere Irish for it is a thing obserued in Ireland, and growen in to a Prouerbe that English 440 in the second generation become Irish but neuer English.“

436 Vgl. Christopher MAGINN, Art. „Fitzmaurice, Patrick“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]; siehe auch die Angaben in Edmund HOGAN (Hg.), The Description of Ireland […] in Anno 1598, Dublin 1878, S. 230. 437 Siehe HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 159f; MAGINN, Fitzmaurice. 438 HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 159f. 439 Vgl. dazu auch MCCABE, Holinshed’s Irish Chronicles, S. 62; diese Thematik einer verworfenen Gruppe findet sich ansonsten nur im Hinblick auf die Iren, wie etwa bei John Derrickes Behandlung der Woodkern. Siehe DERRICKE, The Image of Ireland, fols. Divr, Iiir-v. 440 A Discourse of Ireland, S. 164.

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Die Supplication of the Blood zeigt sich auch in dieser Hinsicht äußerst radikal, und fragt eingedenk der matrimonialen Beziehungen zwischen alt-englischen und irischen Familien: „What hath made the Garaldins, the Lacyes, the Purcells, to alter the nature of themselves from the nature of theire names, but theire former Irishe matches? what hath made the neighborhood, the sight, nay the thought of an Englishman soe hatefull unto them, but such Irishe matches? what hath turned them from Englishe wch they sounde in name, to Irishe wch they appeare in na441 ture? from men to monsters? but theire Irishe matches?“

Analog zu Spenser sah auch die Supplication das hauptsächliche Problem in einer frühzeitigen Beeinflussung der Kinder durch ihre irischen Mütter und Ammen: „[T]hey drewe theire nature from the corruption of their mothers; they suckte theire conditions from the teates of their Irishe nurses.“442 Aus dieser Degeneration altenglischer Familien leiteten neu-englische Autoren zwei Erkenntnisse ab: Erstens könne fortan kein Unterschied mehr gemacht werden zwischen alt-englischen und irischen Geschlechtern. Und zweitens ergab sich daraus der Vorwurf, dass die AltEngländer in gleichem Maße wie die Iren als Feinde der Krone, Gottes und des Landes betrachtet werden müssten. „[W]hat difference (I pray yee) doe yee finde between the O Roorkes and the Garaldins, betweene the O Moores and the lacyes, betwene the O mulveanies and the Purcells, the Supples, and the McShees; Are they not neere hande all rebells to god, their prince, and their contry? Is there lesse hatred towards us in the one then in the other? […] They are nowe all one: there is 443 no difference.“

Die postulierte Indifferenz zwischen alt-englischen und irischen Familien war auch der Hintergrund für die teilweise sehr radikalen Äußerungen und Anschuldigungen Andrew Trollopes. Dieser hatte in ganz ähnlichen Worten wie die Supplication über die Old English geschrieben: „[W]hen they myght gett oportunytie [they – Anm. BQ] spared not the c[o]mmytting of eny kinde of treason or mischeif & manifested themselves to burne[ning] haterad & malyce agaynst 444 all the englisshe nation.“

Die Darstellung der Gefahren und schädlichen Auswirkungen, die eine dauerhafte Koexistenz mit der irischen Bevölkerung haben konnte, war ein wichtiges Element in der Artikulation einer genuin neu-englischen Perspektive auf Irland. Vorwürfe der Degeneration und Affiliation fungierten in diesem Rahmen dazu, die alt-englische Gemeinde insgesamt abzuwerten und deren politische Konzepte und Strategien im Diskurs als nicht länger sagbar zu markieren. Im Gegenteil wurden sie als wesentli441 Supplication of the Blood, S. 33. 442 Supplication of the Blood, S. 33. 443 Supplication of the Blood, S. 33; ähnlicher Vorwurf bei DYMMOK, Treatice of Ireland, S. 7. 444 Trollope to Walsingham, fol. 99r.

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ches Hindernis auf dem Weg zu einer nachhaltigen Reform Irlands angesehen. 445 Dies geschah im Rahmen einer Kanaanvorstellung, nach der die alt-englischen Siedler nunmehr als jene Israeliten erschienen, die den Bund mit Gott gebrochen hätten, indem sie sich mit den idolatrischen und gottlosen Völkern Kanaans eingelassen hatten. Nicht nur beteten sie dieselben Götzen an, sondern sie hatten sich auch mit den Töchtern der Kanaaniten verbunden, und wurden auf diese Weise von deren Andersund Fremdartigkeit vereinnahmt.446 Die Folge war eine Degradierung der alt-englischen Gemeinde auf den Status der Iren, also der kanaanitischen Völker. Im Wahrnehmungshorizont der neu-englischen Autoren bedeutete dies eine Entfremdung der Gruppe, mit der zugleich eine Feindschaft einhergehen konnte. Sie firmierten nun ebenso wie die Iren als Feinde Gottes, der Königin und Englands. Paradigmatisch erklärte die Supplication dazu: „Idolatry and true obedience can noe more agree in one chayre, then pride and humylitie.“447 4.3.1 ‚When gentlenesse preuaileth not, / then rigour taketh place‘: Radikale Reformpolitik Die Disqualifikation alt-englischer Reformkonzepte im Zuge einer generellen Diskreditierung der Gruppe schuf den notwendigen Raum, um in der Folge ein eigenes ‚Reformprogramm‘ der irischen Missstände zu artikulieren. Wichtig war in diesem Zusammenhang, dass die Autoren von der Feststellung ausgingen, ein Großteil der indigenen Bevölkerung sei aufgrund seiner natürlichen Veranlagung nicht reformierbar oder reformwillig. 448 Das intendierte Programm richtete sich also nicht primär auf eine Reform, sondern vielmehr auf eine Veränderung bestehender Verhältnisse, so dass Irland aus englischer Sicht am Ende sowohl regierbar(er) als auch profitabler erscheinen sollte. Nicholas Canny sprach in diesem Zusammenhang von einer anvisierten „Transformation“ Irlands, ein Begriff, der dem angedachten ‚Reformprogramm‘ wohl am ehesten entspricht.449 Denn es ging hier weniger um die Korrektur einzelner Missstände, sondern eher um die weitgehende Zerstörung einer autochthonen Kultur und die anschließende Errichtung neuer Strukturen. Angesichts der offensichtlichen Problematiken in Irland hatte sich in den Reihen neu-englischer Akteure die Meinung herausgebildet, dass ein nachlässiger Umgang mit bisherigen Verfehlungen der falsche Ansatz gewesen sei und ein zu hohes Maß an Gnade und Nachsicht seitens der englischen Administration lediglich zu immer 445 Vgl. etwa SPENSER, A View, S. 113 oder auch die Feststellung bei Andrew Trollope, wonach Irland erst reformiert werden könne, wenn alle irischen (womit er alle in Irland geborenen meinte) Amtspersonen durch englische Würdenträger ersetzt worden wären. Trollope to Walsingham, fol. 99v-100v. 446 Siehe die Warnungen davor in Exodus 34, 12, 14-16; ähnlich Deuteronomium 7, 1-2; cf. GUEST, Dangerous Liaisons. 447 Supplication of the Blood, S. 52. 448 Eine Besserung durch Konversion scheinen die Schriften in diesem Zusammenhang bewusst auszuschließen. Auch wenn dies oftmals nicht direkt thematisiert wird, tendiert die Argumentation der meisten Texte in die Richtung, dass man den absolut nicht reformierbaren bzw. -willigen Charakter der Iren betont, die gerade deshalb von Gott verworfen worden seien. 449 Vgl. CANNY, Introduction, S. 12.

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neuen Vergehen animieren würde. Ein vehementer Vertreter dieser Ansicht war Barnaby Rich, der bereits Ende der 1570er Jahre erklärt hatte: „But leauing all other forreigne histories, I will come but to this one example whiche is moste familiar among vs for the proofe of the premisses, which is this: That the greatest cause of those endlesse warres, that are holden in Ireland, do onely proceede of the mercie & lenitie that is vsed amongest them: and that the onely means to bring the people soonest to conformitie, and the countrie to quietnesse, is without compassion to punishe the offenders, and without ei450 ther grace or mercie to execute the rebelles, and such as be malefactours.“

Rich argumentierte im konkreten Zusammenhang zugunsten eines härteren Vorgehens gegen die irische Bevölkerung, das am Ende auch die Aufnahme eines umfassenden Krieges bedeuten könne. Anscheinend brauchte es für diesen Schritt jedoch schlagkräftige Argumente, um die Obrigkeit für ein derartiges Engagement zu gewinnen. In seiner Überzeugungsarbeit für einen gerechten Krieg gegen die Iren wird mehrfach die seinen Ausführungen zugrundeliegende ideelle Prägung deutlich. So konstatierte er zunächst: „I could here cite a number of like places, but these may seeme sufficient, to prooue that warres haue bene acceptable before the maiestie of God, and sometimes more auaylable then peace, as in the second chapter of the booke of Iudges it appeareth, where the children of Israel were 451 blamed for making of peace with the Cananites.“

Ergänzt wurde diese Stellungnahme durch einen Aufruf Richs, der die radikalen Implikationen der neu-englischen Bundesauffassung mustergültig reproduzierte: „GOD gaue charge to Saul, that he should sacke the cou[n]tries of the Amalechites, and to passe by the edge of the sword, men, women, children, and beasts, without dispense or grace, giuing a reason of that extreeme iustice: because those people had done many oppressions to Is452 rael, in the voyage out of Egypt into Chanaan.“

Die Vorstellung eines umfassenden Krieges gegen die Amalekiter und Kanaaniter, die aufgrund ihrer Taten von Gott zur Auslöschung bestimmt worden waren, lag wohl auch den Äußerungen von Thomas Jones, dem Bischof von Meath, zugrunde, als dieser Mitte der 1580er Jahre die temporäre Aussetzung der Konformitätsgesetze in Irland heftig kritisierte. Eine nachlässige Haltung gegenüber „Idolatoren, Papisten und Ungläubigen“ dürfe von Herrschern nicht geduldet werden, und auf keinen Fall sei eine Verbindung mit Ungläubigen zu tolerieren. Er plädierte demgegenüber für eine radikale Vorgehensweise, indem er analog zum biblischen Kanaanbild deren Auslöschung empfahl („root them out“). Als Begründung führte Jones zudem eine

450 RICH, Allarme to England, fol. Diiv. 451 RICH, Allarme to England, fol. Aiiir. 452 RICH, Allarme to England, fol. Aiiv.

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vertraute Passage an, als er davor warnte: „[T]hey will be pricks in their eyes, thorns in their sides and whips to their backs.“453 Die im Zusammenhang mit der biblischen Darstellung der kanaanitischen Völker von Gott geäußerte Forderung nach Annihilation findet sich in einer Reihe neuenglischer Schriften.454 Immer spielte dabei die religiöse und kulturelle Andersartigkeit der Iren eine Rolle, die jeweils in ihrer Wesenhaftigkeit und gottlosen Ausrichtung als akute Bedrohung englischer Präsens auf der Grünen Insel aufgefasst wurden. John Derricke hatte die Unmöglichkeit einer Reform der irischen Woodkern ausführlich dargestellt, um dann zum Schluss zu kommen, dass sie von Gott selbst verworfen worden seien.455 Diese Erkenntnis schlug sich letztlich in der von ihm propagierten Wende im Umgang mit dieser Gruppe nieder, als er zum Abschluss einer langen und äußerst blutrünstigen Schilderung von Kampfhandlungen zwischen Iren und Engländern erklärte: „When gentlenesse preuaileth not, / then rigour taketh place.“ 456 Auch John Hooker bemühte diesen Interpretationsrahmen, als er die miserable Lage Irlands hauptsächlich durch einen fehlenden oder falschen Glauben erklärte. Durch ihre Affinität zu einem satanischen und gegen Gott gerichteten Glauben, der mit der katholischen Kirche gleichgesetzt wurde, seien die Iren ein verworfenes Volk, dessen Ausrottung von Gott für gut befunden worden sei. 457 So schilderte Hooker sehr ausführlich und detailreich die Folgen einer verheerenden Hungersnot, die sich im Zuge der Rebellionen von 1579 bis 1581 in großen Teilen Munsters einstellten. Das Elend muss derart groß gewesen sein, dass nach seiner Erzählung die Leute zu Kannibalen wurden, um überleben zu können.458 Dieses geradezu infernale Bild kommentierte der Autor wie folgt: „A heauie, but a iust iudgement of God vpon such a Pharoicall and stifnecked people, who by no persuasions, no counsels, and no reasons, would be reclamed and reduced to serue God in true religion, and to obeie their most lawfull prince in dutifull obedience; but made choise of a

453 Siehe A report, written by the archbishop of Armagh, John Long, to explain the dispute which arose in the Council Chamber between Sir N. White and the bishop of Meath [1586], in: W. Maziere BRADY (Hg.), State Papers concerning the Irish Church in the time of Elizabeth, London 1868, S. 113-115, hier bes. S. 113f. 454 Zu den biblischen Bestimmungen etwa Numeri 33, 51-52 & 55; Deuteronomium 7, 1-2; WEINFELD, The Promise of the Land, S. 76-93; zu neu-englischen Schriften bspw. MORONEY, Apocalypse, S. 364f; SIEGFRIED, Wrestling with the angel, S. 321f. 455 Vgl. DERRICKE, The Image of Ireland, fols. Divr (Randglosse) & Iiir. 456 Siehe DERRICKE, The Image of Ireland, fol. Giir-Giiir, Zitat fol. Giiir. 457 HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 183, wo der Papst als „that holie father, maister pope, the sonne of sathan, and the man of sinne, and the enimie vnto the crosse of Christ“ angesprochen und Rom mit Babylon gleichgesetzt wird. 458 Siehe dazu HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 182f; freilich muss der Vorwurf des Kannibalismus an dieser Stelle auch vor dem Hintergrund einer zunehmenden europäischen Faszination für das Thema gesehen werden, die sich im späten 16. Jahrhundert v.a. durch die Berichte Amerigo Vespuccis, Hans Stadens oder die Illustrationen Theodor de Brys ausbreitete. Siehe dazu KOHLER, Neue Welterfahrungen, S. 282-285; einführend zudem Iris GAREIS, Art. „Kannibalismus“, in: EdN 6 (2007), Sp. 322-327.

476 | E NGLANDS E XODUS wicked idoll, the god Mazim to honor, and of that wicked antichrist of Rome to obeie, vnto the 459 vtter ouerthrow of themselues and of their posteritie.“

Die Aussagen von John Hooker nahmen nicht nur jene ‚Hoffnungen‘ von John Derricke auf eine baldige Auslöschung einer von Gott verworfenen Generation auf, sondern erinnerten durch Hinweise auf idolatrische Praktiken und die göttliche Forderung nach Annihilation sehr stark an die Darstellung der kanaanitischen Völker. 460 In den Schriften über Irland finden sich zudem Beispiele für die konkrete Anwendung und Umsetzung der geforderten Härte und Strenge. Der Soldat und Autor Thomas Churchyard berichtete beispielsweise mit unverhohlener Bewunderung von den Handlungen Humphrey Gilberts in Munster.461 Gilbert wurde im September 1569 zum Militärgouverneur der Provinz ernannt und verfügte durch die Ausrufung des Kriegsrechts über weitgehende Befugnisse und Freiheiten, welche er in einem maßlosen Terrorzug gegen die dortige Bevölkerung eingesetzt hatte. 462 So pflegte er bei einem Einfall in feindliches Gebiet nicht nur alle verfügbaren Lebensmittel zu vernichten, sondern auch Männer, Frauen und Kinder in diesem Gebiet zu töten. Als Rechtfertigung für dieses Vorgehen führte Thomas Churchyard an, dass diese Zivilisten die eigentlichen Verbrecher und Rebellen durch die Bereitstellung von Nahrungsmitteln etc. unterstützt hätten.463 Erklärend fügte der Autor hinzu: „So that the killyng of theim by the sworde, was the waie to kill the menne of warre by famine, who by flight oftentymes saued them selues from the dinte of the sworde.“ 464 In der einschlägigen Forschungsliteratur wird zudem immer wieder die besondere Behandlung erwähnt, die Gilbert seinen Gegnern angedeihen ließ. Wollte sich ein Kontrahent beispielsweise ergeben oder zu einem Gespräch mit Gilbert kommen, so musste er notgedrungen eine äußerst makabre Wegstrecke hinter sich bringen. Churchyard berichtet dazu: „His maner was that the heddes of all those (of what sort soeuer thei were) whiche were killed in the daie, should bee cutte of from their bodies, and brought to the place where he incamped 459 HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 183. 460 Vgl. dazu auch MORONEY, Apocalypse, S. 364f. 461 Vgl. Thomas CHURCHYARD, A generall rehearsall of warres, called Churchyardes choise […], London 1579 (STC2 5235.2/Henry E. Huntington Library), hier fol. Qir-Riv; zum Kontext zuletzt RAPPLE, Martial Power, bes. S. 200-249. 462 Siehe Rory RAPPLE, Art. „Gilbert, Sir Humphrey“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2012, URL: [20.03.2017]; William G. GOSLING, The life of Sir Humphrey Gilbert, England’s first empire builder, London 1911, S. 36-53; zu Gilbert generell David QUINN, The voyages and colonising enterprises of Sir Humphrey Gilbert, 2 Bde., London 1940. 463 Siehe CHURCHYARD, A generall rehearsall of warres, fol. Qir-Qiir; dieses Argument taucht immer wieder als Begründung für ein härteres Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung auf. Siehe etwa SPENSER, A View, S. 156-159; SMYTH, Information for Ireland, S. 166. 464 CHURCHYARD, A generall rehearsall of warres, fol. Qiir; diese Einstellung vertraten viele Amtspersonen vor und nach Gilbert. Siehe dazu die Beispiele bei EDWARDS, The escalation of violence, S. 74f.

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at night: and should there bee laied on the ground, by eche side of the waie leadyng into his owne Tente: so that none could come into his Tente for any cause, but commonly he muste passe through a lane of heddes, whiche he vsed ad terrorem, the dedde feelyng nothyng the more paines thereby: and yet did it bryng greate terrour to the people, when thei sawe the heddes of their dedde fathers, brothers, children, kinsfolke, and freendes, lye on the grounde before 465 their faces, as thei came to speake with the saied Collonell.“

Humphrey Gilbert war bei weitem nicht der einzige Provinzgouverneur, der sich derartiger Methoden im Umgang mit der einheimischen Bevölkerung und rebellierenden Iren bediente. Es ist bemerkenswert, wie stark gerade in den 1590er Jahren zwei weitere Vertreter einer harten und unnachgiebigen Linie von neu-englischen Autoren als Vorbilder propagiert worden sind. Richard Beacon lobte besonders die Aktionen von Richard Bingham, der zwischen 1584 und seinem Tod im Januar 1599 mit Unterbrechung Gouverneur der Provinz Connacht gewesen war. 466 Die Amtszeit Binghams zeichnete sich vor allem durch seine brutale Vorgehensweise, der Ausnutzung des Kriegsrechts sowie weiterer extra-legaler Methoden aus. 1586 soll er ein Massaker an schottischen Klans befohlen haben, die angeblich auf dem Weg gewesen wären, um aufständische Iren in der Region zu unterstützen. Dabei sollen bis zu dreitausend Männer, Frauen und Kinder getötet worden sein.467 Mit Überlebenden der Armada, die in Irland Schiffbruch erlitten hatten, soll er in ähnlicher Weise verfahren sein, indem er an einem Tag dreihundert von ihnen hinrichten ließ.468 Binghams unnachgiebige Art im Umgang mit Rebellen und Andersgläubigen brachte ihm von Seiten alt-englischer Offizieller eine Menge Kritik ein und förderte einen Konflikt mit dem damaligen Statthalter in Irland John Perrott.469 Beide Parteien brachten Anschuldigungen gegen Bingham vor, so dass er zeitweilig nach England rückbeordert und von seinem Amt suspendiert worden war. Richard Bingham war ohne Zweifel eine Reizfigur in den Augen alt-englischer Akteure, weil er immer wieder die politischen Ausgleichsbemühungen der Administration in Dublin bewusst durch eine Politik der Härte unterlief. Dadurch trug er, wie ihm seine Widersacher

465 CHURCHYARD, A generall rehearsall of warres, fol. Qiiiv (Hervorhebung im Original). 466 Zur Person Bernadette CUNNINGHAM, Art. „Bingham, Sir Richard“, in: ODNB, onlineAusgabe, Oxford 2008, URL: [20.03. 2017]; MACCAFFREY, Elizabeth I, S. 354f; HIGHLEY, Crisis in Ireland, S. 116-121; CANNY, Identity Formation, S. 171f. 467 Vgl. dazu Dowcra’s Relation of Service done in Ireland, in: Miscellany of the Celtic Society, ed. von John O’DONOVAN, Dublin 1849, S. 187-213, hier S. 211f. Der Autor war ein Offizier Binghams; cf. HIGHLEY, Crisis in Ireland, S. 117; Binghams Gräueltaten gegenüber der Bevölkerung schildert auch O’SULLIVAN BEARE, Ireland under Elizabeth, S. 37f. 468 Vgl. HIGHLEY, Crisis in Ireland, S. 117. 469 Zu den Problematiken der Statthalterschaft Perrotts siehe u.a. Hiram MORGAN, The fall of Sir John Perrott, in: John Guy (Hg.), The reign of Elizabeth I. Court and culture in the last decade, Cambridge 1995, S. 109-125; Roger TURVEY, Art. „Perrott, Sir John“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2009, URL: [20.03.2017].

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vorwarfen, erheblich zum Ausbruch diverser Rebellionen und Aufstände bei. 470 Gleichwohl schien das Vorgehen Binghams in den turbulenten 1590er Jahren als Vorbild für neu-englische Politikkonzepte bestens geeignet zu sein, da Richard Beacon ihn als zweiten „Cäsar“ lobte, durch dessen einzigartige militärische Fähigkeiten die revoltierenden „Gallier“ in Irland besiegt worden seien.471 Im Besonderen hob Beacon jedoch Binghams schnelles und kompromissloses Verhalten in Krisensituationen hervor, welches zwar gegen die Grundsätze des Common Law verstoßen habe, aber zum Schutz der englischen Herrschaft anscheinend gerechtfertigt gewesen sei. So habe er beim Ausbruch einer Rebellion, die nicht nur drohte, die gesamte Provinz Connacht ins Chaos zu stürzen, sondern auch die Befreiung einiger eingesperrter, notorischer Rebellen zum Ziel gehabt habe, die Gefangenen kurzerhand exekutiert. Beacon bemerkt dazu: „For seeing himselfe fallen into these extremities, that either he must spare the lives of open and manifest rebels to the damage of the common-weale, or execute them without lawfull inditement and other ceremonies, like a wise governour, two mischiefes offering themselves at 472 once, made choice of the least“.

Richard Bingham, den Beacon als einen „most valiant and honourable Knight“ und „a most wise and grave governour“ bezeichnet, habe verstanden, dass Zeiten des Krieges und Zeiten des Rechts zwei unterschiedliche Dinge seien. 473 Richard Beacons Affinität zu einer Politik der Härte wird schließlich daran deutlich, dass er unter anderem Richard Bingham als Vorbild für zukünftige Gouverneure und deren Reformpolitik empfahl: „After this maner by a severe discipline of lawes, did the Lorde Gray in times past, and now Sir R. Bingehame, mightily reforme and advance the government of Salamina, so as wee may truly 474 say, by such governours must this nation be reformed.“

Dass Beacon hier neben Bingham auch Arthur Grey als ein weiteres Vorbild für den richtigen Umgang mit den Iren nannte, darf unter neu-englischen Autoren ebenfalls

470 Zur Kritik an Bingham und dessen Methoden siehe MORYSON, Itinerary, S. 259f; HIGHLEY, Crisis in Ireland, S. 117f; CUNNINGHAM, Bingham; MACCAFFREY, Elizabeth I, S. 358-361; CANNY, Identity Formation, S. 171f; zuletzt auch RAPPLE, Martial Power, S. 250-300; wie MORGAN, British Policies, S. 85f freilich anmerkte, handelten zahlreiche neu-englische Offizielle in ähnlicher Weise wie Richard Bingham. 471 BEACON, Solon his follie, S. 91: „Wee neede not search forraine examples herein: for Salamina [Irland – Anm. BQ] by this errour committed was for many yeares vexed with the rebellions of the Burkes and the Orurkes, vntil that famous knight Sir R. Bingham by his singuler art and skill in military discipline, as an other Casar, suppressed at the last Vercingentorix, and the rebelling Gaules.“ (Hervorhebungen im Original) 472 BEACON, Solon his follie, S. 16. 473 BEACON, Solon his follie, S. 16. 474 BEACON, Solon his follie, S. 8 (Hervorhebungen im Original).

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als ein verbreitetes Phänomen angesehen werden.475 Fynes Moryson beklagte analog zu anderen Autoren die Nachsichtigkeit und Milde, die zuweilen von englischer Seite den Iren entgegengebracht worden sei. Er konstatierte gleichsam eine natürliche Renitenz der Iren, die einzig durch eine harte Hand und Bestrafung gezüchtigt werden könnten. Während er dies in seiner Zeit mehrheitlich vermisste, stellte Moryson gleichwohl fest: „Some of our old Gouernors wisely obserued this nature of the Irish, and practiced the right Course to bridle it, proclaiming their Comaundes at the point of the sword. Such was the lord Gray in the late Queenes Raigne lord Deputy of Ireland, who knew best of all his Predecessors to bridle this fierce and Clamorous Nation. Such was Sir Richard Bingham, though only a subordinate Gouernor of the Prouince of Connaght, who with a handful of Soldiers, and a heauy hand of Justice, taught vs what Reformation might be wrought this way if it were constantly 476 and sincerely followed.“

Das Paar Arthur Grey, Baron von Wilton, und Richard Bingham fand darüber hinaus sehr wahrscheinlich seinen literarischen Niederschlag in Edmund Spensers epischem Gedicht der Faerie Queene.477 In Buch fünf, das die Tugend der Gerechtigkeit behandelt und von den Taten des Ritters Artegall sowie seines Adjutanten, des Eisenmanns Talus’ berichtet, verarbeitete Spenser allem Anschein nach seine eigenen Erfahrungen mit dem Problem, in Irland langfristig eine gerechte Ordnung zu installieren.478 Kennzeichnend für das Buch sind zum einen die überdeutlichen Bezüge zu realen Begebenheiten, die die Erzählung nach Ansicht der meisten Forscherinnen und Forscher subvertieren und in ihrer literarischen Qualität stark einschränken würden.479 Aufgrund dieser Bezüge erscheint das Buch zum anderen im besonderen Maße durch den exzessiven Einsatz von Gewalt gegenüber Rebellen, Feinden und Verbrechern geprägt.480 Der hauptsächlich für diese Gewaltausübung verantwortliche Protagonist in Buch fünf ist der Eisenmann Talus, der als Stallbursche der Feenköni475 Zur Stellung Greys in neu-englischen Diskursen etwa HERRON, Spenser’s Irish Work, S. 54-62; MALEY, Salvaging Spenser, S. 60-66; HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 114-116. 476 MORYSON, Itinerary, S. 259; cf. HIGHLEY, Crisis in Irland, S. 117f. 477 Siehe die Argumentation bei HIGHLEY, Crisis in Irland, S. 119-121. 478 Als Überblick siehe den Beitrag von Michael O’CONNELL, The Faerie Queene, Book V, in: The Spenser Encyclopedia, ed. von A. C. Hamilton, London u.a. 1990, S. 280-283; T. K. DUNSEATH, Spenser’s allegory of justice in book five of the Faerie Queene, Princeton 1968. 479 Vgl. inter alia HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 146-170; C. S. LEWIS, The Allegory of Love, Oxford 1936, 4. Aufl., New York 1961, S. 357; William B. YEATS, Edmund Spenser, in: Ders., Essays and Introductions, London 1961, S. 356-383; O’CONNELL, The Faerie Queene, Book V, S. 280; zu den politischen Bezügen zuletzt Nicholas CANNY, Poetry as politics: a view of the present state of the Faerie Queene, in: Morgan (Hg.), Political Ideology in Ireland, S. 110-126; MALLETTE, Spenser, S. 143168; HERRON, Spenser’s Irish Work, S. 165-183 sowie DERS., The Spanish Armada, Ireland, and Spenser’s „The Faerie Queene“, in: New Hibernia Review 6 (2002), S. 82-105. 480 Siehe etwa den Überblick bei HADFIELD, Spenser’s Irish Experience, S. 157.

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gin vorgestellt wird. In der Beschreibung seiner Funktion zeigt sich jedoch schnell, dass dieser Begleiter nicht als Helfer zur gerechten Setzung oder Herstellung von Recht bestimmt war. Im Gegenteil werden dessen Aufgaben von vornherein in einem eher exekutiven Feld verortet, wenn Spenser ihn einleitend wie folgt charakterisiert: „But when she parted hence, she left her groome An yron man, which did on her attend Alwayes, to execute her stedfast doome, And willed him with Artegall to wend, And doe what euer thing he did intend. His name was Talus, made of yron mould, Immoueable, resistlesse, without end. Who in his hand an yron flale did hould, 481 With which he thresht out falsehood, and did truth vnfould.“

In der Figur und den Handlungen Talus’ manifestierten sich offenbar die Wunschvorstellungen neu-englischer Akteure. Nicht nur ist er ein unermüdlicher Jäger der Gesetzlosen, sondern zudem ein kompromissloser und unnachgiebiger Vollstrecker. Mehrfach wird er zu Gewaltzügen gegen eine rebellische und anonyme Masse losgelassen, die sowohl Spensers Vorstellungen aus der View rekapitulieren als auch an die Terrorzüge eines Humphrey Gilberts oder Richard Binghams erinnern. In Canto XII heißt es dazu etwa: „But Talus sternely did vpon them set, And brusht, and battred them without remorse, That on the ground he left full many a corse; Ne any able was him to withstand, But he them ouerthrew both men and horse, That they lay scattred ouer all the land, 482 As thicke as doth the seede after the sowers hand.“

Das Bild von Leichenbergen, die über das Land verteilt herum liegen, erinnert dabei stark an die Darstellungen der Hungerkrise in Munster, die Spenser und John Hooker als gerechte Strafe für das rebellische Verhalten der Iren im Zuge der zweiten Desmond-Rebellion angesehen hatten.483 Im Vorgehen Talus’ spiegelt sich darüber hinaus in sehr deutlicher Weise die Forderung Spensers aus der View, wonach zuerst das Böse ausgerottet werden müsse, bevor etwas Gutes und gesundes Neues gepflanzt

481 Edmund SPENSER, The Faerie Queene, Book V, ed. von Ray Heffner [Variorum Edition, Bd. 5], 4. Aufl., Baltimore 1966, hier Canto I, Strophe 12 (Hervorhebungen im Original). 482 SPENSER, The Faerie Queene, Book V, Canto XII, Strophe 7; ferner Strophe 26, in der Talus ausgesandt wird, um das irische Gemeinwesen von allen Rebellen und Verbrechern zu befreien; siehe auch Canto VII, Strophe 35-36; zu Binghams Vorgehen Dowcra’s Relation, S. 211f; zu Gilberts Handlungen CHURCHYARD, A generall rehearsall of warres, fol. Qir-Qiir. 483 Siehe HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 182f; SPENSER, A View, S. 158.

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werden könne. So heißt es in der View zur Frage, wie eine nachhaltige Reform der irischen Verhältnisse bewerkstelligt werden könnte: „Eudox: Howe then doe ye thinke is the reformacion thereof to be begonne yf not by Lawes and Ordinaunces/ Iren: Even by the sworde. for all the evills muste firste be Cutt awaie by a stronge hande before anie good Cane be planted, like as the Corrupte braunches and vnholsome boughes are firste to be pruned and the foule mosse clensed and scraped awaye before the tree cane bringe forthe 484 anye good fruite“

Richard Beacon benutzte in seiner Schrift ein ganz ähnliches Bild, um die Aufgaben eines seiner Ansicht nach guten Gouverneurs zu umreißen. Er schrieb dazu: „[F]or no doubt, like as the wilde olive and figge tree, by the continuall addressing of a skilfull husbandman, is made at the last kindely, profitable, and fruitfull […] so a common-wealth overgrowne with a generall corruption of manners, and thereby become savage, barbarous, and barren, like vnto the vvilde olive and figge tree may by the continuall pruning and addressing of a skilfull magistrate, be made obedient, civill, and profitable vnto that prince, whom God 485 hath constituted to be the labourer in that vineyarde.“

Und auch Ludowick Bryskett bediente sich in seiner 1606 erschienenen, aber wohl bereits Mitte der 1580er Jahre verfassten Schrift „A Discourse of Civill Life“ einer ähnlichen Charakterisierung Lord Greys und seiner Aktivitäten. So heißt es bei ihm: „We haue […] great cause indeed to thanke God of the present state of our country, and that the course holden now by our present Lord Deputie, doth promise vs a continuance, if not a bettering, of this our peace and quietnesse. My Lord Grey hath plowed and harrowed the rough ground to his hand: but you know that he that soweth the seede, whereby we hope for haruest according to the goodnesse of that which is cast into the earth, and the seasonablenesse of 486 times, deserueth no lesse praise then he that manureth the land.“

In den zitierten Passagen offenbart sich nochmals das eigentliche Ziel, das Beacon und andere neu-englische Akteure mit einer ‚Reform‘ Irlands verbanden. Ihnen ging es primär darum, das Land regierbar zu machen und in der Folge profitabel zu gestalten. Was ihnen dabei im Wege stand, sollte rigoros ‚weggeschnitten‘ werden, wie es 484 SPENSER, A View, S. 147f; zur Verwendung botanischer und agrikultureller Motive durch neu-englische Autoren siehe etwa HERRON, Spenser’s Irish Work, S. 45-68 sowie MONTAÑO, Roots, Kap. 1-3, S. 22-153. 485 BEACON, Solon his follie, S. 52f. 486 Lodowick BRYSKETT, A discourse of ciuill life containing the ethike part of morall philosophie, London 1606 (STC2 3959/British Library), S. 158; siehe zur Besprechung des Werkes zuletzt CANNY, Making Ireland British, S. 1-9; Bryskett war ein enger Freund Spensers und bewegte sich im gleichen Personenkreis. Siehe dazu u.a. Thomas E. WRIGHT, „Bryskett, Lodowick“, in: Hamilton (Hg.), Spenser Encyclopedia, S. 119; Richard A. MCCABE, Art. „Bryskett, Lodowick“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2004, URL: [20.03.2017].

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das Bild des Schnitters in Gottes Weingarten versinnbildlichte. 487 Diese Aufgabe wurde in Buch fünf der Faerie Queene der Figur des Talus übertragen, der erbarmungslos jegliche Form von Bösartigkeit, Verbrechen und Illoyalität verfolgt und bestraft. Dass es sich hierbei um eine Idealvorstellung für den irischen Kontext handelte, zeigt etwa die in Canto IX beschriebene Bestrafung des ‚Malengin‘ (Tücke), einer Figur, die deutliche Reminiszenzen an die irischen Woodkern und deren Verhalten aufweist. Äußere Ähnlichkeiten werden etwa durch den Glib des Übeltäters sowie den irischen Mantel hergestellt, den dieser trägt. Spenser bemerkte: „And long curld locks, that downe his shoulders shagged / And on his backe an vncouth vestiment / Made of straunge stuffe.“488 Das äußere Erscheinungsbild korrespondierte dabei mit dem Verhalten des Missetäters, versuchte dieser sich doch der Bestrafung durch eine Flucht in die Wälder zu entziehen, wobei er mehrfach seine Gestalt wechselte.489 Allerdings wurde der unbeirrbare und kompromisslose Talus entsandt, um den Geflohenen dingfest zu machen, was diesem letztlich auch gelingt.490 Die Bestrafung Malengins erfolgte auf dem Fuße, ebenfalls durch den Eisenmann Talus, der solange mit seinem „iron flayle“ auf ihn einschlug, bis alle Knochen gebrochen waren und er schließlich daran zugrunde gegangen ist.491 Dies war die Art und Weise, wie Spenser die Ausübung von Recht und Gerechtigkeit in Buch fünf der Faerie Queene überwiegend beschrieb. Michael O’Connell hat deshalb zu Recht festgestellt, dass es hierbei im eigentlichen Sinne nicht um die Idee ginge, Recht zu sprechen oder Gerechtigkeit zu suchen, indem unter Heranziehung von Rechtsinstanzen zwischen richtig und falsch abgewogen wurde. 492 Vielmehr stelle Spenser die Situation so dar, dass bereits alle moralischen und legalen Fragen entschieden seien. Die Ungerechtigkeit und Unrechtmäßigkeit der Gegner müsse als gegeben vorausgesetzt werden, so dass im Grunde die Ausführung der Be-

487 Siehe zu dieser Vorstellung von Reform auch den Beitrag von Lisa JARDINE, Encountering Ireland: Gabriel Harvey, Edmund Spenser, and English colonial ventures, in: Bradshaw et al. (Hgg.), Representing Ireland, S. 60-75, hier S. 66f. 488 SPENSER, The Faerie Queene, Book V, Canto IX, Strophe 10. 489 Die Thematik, dass die irischen Woodkern ihre Gestalt wechseln konnten, taucht auch in anderen Schriften der Zeit auf. Siehe etwa MARKHAM The Newe Metamorphosis, S. 109; zu den klassischen Quellen dieser Transformationsszene siehe Harold SKULSKY, „Malengin“, in: Hamilton (Hg.), Spenser Encyclopedia, S. 450. 490 Dass dieser sich weder durch das Gelände noch durch die Umwandlungen des Delinquenten beeindrucken oder von seiner Aufgabe abbringen ließ, wird explizit angesprochen. Siehe SPENSER, The Faerie Queene, Book V, Canto IX, Strophe 16: „[H]is yron man he sent, / To follow him; for he was swift in chace. / He him pursewd, where euer that he went, / Both ouer rockes, and hilles, and euery place, / Where so he fled, he followd him apace“ 491 SPENSER, The Faerie Queene, Book V, Canto IX, Strophe 16-19. 492 Mit anderen Worten ging es hier nicht um die Einführung oder Umsetzung des englischen Common Law. Die beschriebenen Praktiken bewegen sich vielmehr außerhalb der Normen des englischen Rechts, was wiederum mit einer Feststellung Spensers aus der View korrespondiert, wo er die Durchsetzung des Common Law in der gegenwärtigen irischen Gesellschaft für aussichtslos erklärt. Siehe SPENSER, A View, S. 53-55, 65-75, 147f.

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strafung durch Artegall und den Eisenmann Talus im Vordergrund stehe. 493 Die Frage war somit nicht ob, sondern in welcher Form eine Bestrafung der Missetäter erfolgen sollte. Während Christopher Highley in der Figur des Talus Anspielungen auf das Verhalten bzw. die Person Richard Binghams gesehen hat, der bereits zu Lebzeiten den Beinamen „the Flail of Connaught“ bekommen haben soll, argumentierte Richard McCabe in einem anderen Kontext dafür, die beiden Protagonisten Artegall und Talus als zwei separierte Dimensionen einer historischen Person und deren Verhalten zu betrachten.494 McCabe sieht in Talus eine von Spenser propagierte Notwendigkeit zur Gewaltausübung gegenüber Iren und anderen Feinden Englands, die ihr Gegenstück in der realen Welt in der Person Arthur Greys gehabt hätte. Arthur Grey kam 1580 in Begleitung seines Sekretärs Edmund Spenser auf die Insel, um dort den Posten des Lord Deputy of Ireland zu übernehmen.495 Grey wurde mit dem expliziten Auftrag dorthin geschickt, die bestehende Gefahr durch die Rebellionen von James Eustace, Viscount Baltinglass, und Gerald Fitzgerald, Graf von Desmond, zu beseitigen. In diesem Zuge hatte sich auch eine kleine italienischspanische Söldnertruppe, die vom Papst zur Unterstützung der Aufständischen entsandt worden war, in Smerwick an der Westküste der Grafschaft Kerry festgesetzt. Was dort nachfolgend geschah, steht bis heute als Synonym für eines der schlimmsten Kriegsverbrechen, das im 16. Jahrhundert auf irischem Boden begangen worden ist.496 Die Fakten sind dabei weitgehend unstrittig: Am 7. November 1580 begann der englische Beschuss der im Fort von Smerwick eingekesselten italienisch-spanischen Söldner, die sich letztlich am 10. November bedingungslos ergaben. 497 Nachdem die Offiziere von den restlichen Truppen separiert und die Übergabe der Waffen sichergestellt worden waren, gab Arthur Grey den Befehl, die im Fort verbliebenen circa 500 Mann hinzurichten.498 Bereits von den Zeitgenossen wurde diese Aktion des Gouverneurs mit sehr unterschiedlichen Bewertungen versehen. Katholische Propagandisten nahmen den Vorfall zum Anlass, um Arthur Grey des Meineids und der

493 Siehe O’CONNELL, The Faerie Queene, Book V, S. 282. 494 Vgl. HIGHLEY, Crisis in Ireland, S. 120; MCCABE, Fate of Irena, S. 120f. 495 Zur Person Julian LOCK, Art. „Grey, Arthur“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2014, URL: [20.03.2017]; zu Spensers Tätigkeit als Sekretär neuerdings Christopher BURLINSON / Andrew ZURCHER, Spenser’s Secretarial Career, in: McCabe (Hg.), Oxford Handbook of Edmund Spenser, S. 65-85; Richard RAMBUSS, Spenser’s life and career, in: Andrew Hadfield (Hg.), The Cambridge Companion to Edmund Spenser, Cambridge 2001, S. 13-36, hier bes. S. 26. 496 Siehe dazu CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick; Alfred O’RAHILLY, The massacre at Smerwick, 1580, Cork 1938; vgl. etwa auch den Beitrag von David LISTER, Massacre victims from Raleigh’s time return to haunt Irish shore, in: The Times, 13. April 2004, URL: [20. 03.2017]. 497 Vgl. CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick, S. 83f. 498 Siehe etwa die Darstellung bei HOOKER, The Svpplie of this Irish Chronicle, S. 171f; CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick, S. 84f.

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Unredlichkeit bzw. eines unehrenhaften Verhaltens zu beschuldigen.499 Wichtig war, dass Smerwick von diesem Zeitpunkt an als stehendes Argument für ein Engagement gegen die englische Herrschaft benutzt werden konnte, wie es etwa auch Peter Lombard im Zuge des Neunjährigen Krieges ausführlich getan hatte.500 Im Gegensatz zur katholischen Traditionsbildung um Smerwick wurde die Sache von englischer Seite mit ganz anderen Vorzeichen versehen. Hier galt die Tat Greys als Beweis einer göttlichen Providenz, durch die Gott die Engländer von der Bedrohung durch die Kräfte des Antichristen befreit habe. Entscheidend dabei war freilich, dass das Massaker von Smerwick umgedeutet wurde. Ein Beispiel dafür findet sich in einer gelegentlich dem bedeutenden Theaterautor und Übersetzer Anthony Munday zugeschriebenen Publikation, der vor allem durch seine beißende Kritik an der katholischen Kirche sowie den Jesuiten bekannt geworden ist. 501 Der Autor schildert bereits die Ausgangslage als überaus ungünstig für die Engländer, hätten doch sechshundert Söldnern in der Festung lediglich achthundert Mann unter dem Kommando von Arthur Grey gegenübergestanden. Zudem seien die englischen Truppen durch einen Mangel an Munition, schlechte Ausrüstung und die generell ungünstige Situation weiter im Nachteil gewesen, so dass Grey schon kurz vor der Verzweiflung gewesen sei.502 Diese Situation nimmt der Autor zum Anlass, um eine erste göttliche Fügung darzustellen, da gerade noch rechtzeitig notwendige Verstärkung in Form von Schiffen eingetroffen sei.503 Mit Hilfe der zusätzlichen Truppen sei es schließlich gelungen, die Besatzung Smerwicks zur Kapitulation zu zwingen. Als wichtige Notiz erscheint in diesem Zusammenhang eine Unterredung zwischen Grey und dem Kommandeur der Festung. Grey soll diesen mehrfach gefragt haben, ob er und seine Männer im Auftrag oder mit dem Wissen des spanischen Königs nach Irland ge499 Der Vorwurf von Greys „bad faith“ soll hernach zu einem geflügelten Begriff geworden sein, der zudem als feststehender Begriff („Grey’s faith“) Eingang in die irische Folklore gefunden hat. Siehe CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick, S. 86f. 500 Vgl. LOMBARD, De Regno Hiberniae, S. 144; man könnte sagen, dass Smerwick auf katholischer Seite zu einem propagandistischen Gegenstück zur Plünderung Antwerpens durch spanische Truppen 1576 avancierte. Siehe etwa die Darstellung bei John COPINGER, The theatre of Catolique and Protestant religion diuided into twelue bookes, SaintOmer 1620 (STC2 4284/Bodleian Library), S. 578f; O’SULLIVAN BEARE, Ireland under Elizabeth, S. 23-25; siehe auch den Brief des spanischen Botschaftes Bernardino de Mendoza an Philipp II. vom 11. Dezember 1580 in: Calendar of State Papers Spain, Bd. 3, Nr. 57, S. 69f; cf. CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick, S. 86. 501 Zur Person David M. BERGERON, Art. „Munday, Anthony“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2007, URL: [20.03.2017]; zur Schrift A. M., The true reporte of the prosperous successe which God gaue vnto our English souldiours against the forraine bands of our Romaine enemies lately ariued […] in Ireland, in the yeare 1580, London 1581 (STC2 17124a/Cambridge University Library). 502 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fols. Aiiir, Aiiiv & Aivr. 503 Siehe A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aiiir: „The Lord Deputie, beeing (in so great disaduauntage) almost in dispayre of dooing any good, was soone recomforted with the happy arriuall of the Queenes Shippes, which it is to be thought that the verie great and woonderfull prouidence of God […] sent thither so luckely for their succour.“

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kommen wären, um gegen Elisabeth I. zu kämpfen. Da der gegnerische Offizier dies verneinte, habe Grey in der Folge die Gegner wie einfache Verbrecher und Vagabunde behandelt.504 Die Hinrichtung von über fünfhundert Personen sowie das Hängen von weiteren siebzehn, darunter wohl auch schwangere Frauen, katholische Priester und englische Katholiken, werden nachfolgend mit dem Hinweis entschuldigt, dass diese Truppen vom Papst geschickt worden seien. Dadurch habe er, wie seine Vorgänger, nicht nur die Souveränität von Elisabeths Herrschaftsbereich verletzt, sondern zudem deren Untertanen bei einer Rebellion gegen ihre Königin unterstützt. Mit dieser Zuordnung zum Papsttum und zum katholischen Glauben konnte nun gleichsam die Mosaische Unterscheidung aktualisiert werden, wodurch der Gegner in einen antichristlichen Bereich gedrängt wurde, der es gerade im irischen Kontext legitim erschienen ließ, die Schergen eines explizit gegen Gott agierenden Tyrannen zu eliminieren. So heißt es in der Schrift: „But as theyr greedynes of gaine, or superstitious deuocion towardes an infamous Idole, hath brought them to the Shipwracke of theyr lyues (at the least) so hath their vnaduised rashnes 505 vtterly sunck, all excuse of theyr guiltines, and pittie of theyr misearying.“

Der Autor vermerkte nicht nur, dass die gesandten Truppen selbst abergläubischen und idolatrischen Praktiken anhängen würden, sondern erklärte darüber hinaus, dass sie vom Papst geschickt worden seien, dessen Abzeichen und Insignien sie am Fort angebrächt hätten.506 In diesem Zusammenhang war die Gleichsetzung von Papsttum und Antichrist äußerst wichtig, leitete sich daraus doch letztlich die Begründung für die Legitimität der Handlungen Arthur Greys ab. So soll jener bereits in einem ersten Gespräch mit dem Gegner, noch vor der Kapitulation, Folgendes zu deren Position geäußert haben: „Wyll you (sayd my Lord) aduenture in the seruice of a shaueling, an Antichrist, a murtherer bothe of soule & body, against such a Prince as my Mistresse is? You shall haue the iust reward of your seruice.“ 507 Dass sich in dieser Beschreibung die Grundlinien des englischen Erwählungsdenkens im Sinne des Bundes mit Gott manifestieren, verdeutlicht sich nochmals in der den Engländern zugewiesenen Aufgabe. So sei es die Pflicht der Engländer „to withstand the assaultes of the Deuill, and the tyranny of Antichrist his dearling (our spirituall enemy) & to serue our Redeemer in true feare and holynesse“ 508. Nur dann könne der Bund mit Gott gesichert werden, wie es bereits im Schlussvers eines Ge-

504 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aiiiv: „Then (quoth my Lord) if you be not sent by the King, you come as a runnagate, and must receyue the like hyer.“ 505 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aivr. 506 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aivr-v. 507 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aiiiv. Dies entspricht im Übrigen ziemlich genau dem Wortlaut des Briefes, den Grey nach der Aktion an Elisabeth I. geschickt hatte. Siehe dazu Grey to Elizabeth, 12. Nov. 1580, TNA, SP 63/78, fol. 29; cf. CAREY, Grey, Spenser and the slaughter at Smerwick, S. 89. 508 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. Aivv.

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dichts heißt, das dem eigentlichen Text als Einleitung vorangestellt wurde: „Let Pope, let Turke, let Sathan rage thir fill: / God keepeth vs, if we doo keepe his will.“509 Für viele neu-englische Autoren stellten Smerwick und die Politik Arthur Greys den einzig richtigen Weg dar, um nachhaltige Reformen in Irland überhaupt einführen zu können. Edmund Spenser, der sehr wahrscheinlich in Smerwick anwesend war510, verteidigte in seiner View nicht nur dessen Maßnahmen sowie die Person, sondern bediente sich genau jener Argumentation, die bereits Anfang der 1580er Jahre von englischer Seite entwickelt worden war. Demnach seien die italienischspanischen Truppen keine regulären Kombattanten gewesen, sondern Verbrecher, die sich dem rebellischen Treiben der Iren anschließen wollten. Insofern habe die Entscheidung, wie mit ihnen nach der Kapitulation verfahren werden sollte, einzig bei Grey gelegen, der aus Gründen der Notwendigkeit sowie einer drohenden Vereinigung mit den Iren entschieden habe, einen Großteil der Besatzung hinzurichten.511 Diese Aktion, gepaart mit weiteren Maßnahmen, wie etwa der Hinrichtung von über 20 Palesmen, wurden von Spenser als „notwendige Handlungen“ verteidigt, die zudem die irischen Verhältnisse dahingehend positiv beeinflusst hätten, dass hernach eine grundlegende Umgestaltung des Gemeinwesens möglich gewesen wäre. 512 Der Autor erklärte dazu: „So I remember that in the late goverment of that good Lo. Grey when after longe travell and manye perilous assayes he had broughte thinges allmoste to this passe that yee speake of, that it was even made readie for reformacion and mighte haue bene broughte to what her maiestie 513 woulde.“

Freilich beklagte Spenser in diesem Zusammenhang, dass die günstige Gelegenheit vergeben worden sei, da Arthur Grey durch politische Winkelzüge abberufen wurde, bevor er seine initiierte Politik zu einem erfolgreichen Ende bringen konnte. 514 Er 509 A. M., The true reporte of the prosperous successe, fol. {Aiir}. 510 So bemerkt Irenius: „[F]or this I cane assure youe my selfe beinge then as neare as anye.“ SPENSER, A View, S. 161; zum Phänomen der ‚Augenzeugenschaft‘ siehe etwa Richard MCCABE, Ireland: policy, poetics and parody, in: Hadfield (Hg.), Cambridge Companion to Spenser, S. 60-78, hier S. 60f & 70f; siehe auch Appendix III, Abschnitt D, in: GOTTFRIED (Hg.), Spenser’s Prose Works, S. 524-530 zu Smerwick. 511 Siehe die Argumentation bei SPENSER, A View, S. 161f. Der Autor weist auch noch einmal auf die Gefahr für die englischen Truppen hin, deren Anzahl nur wenig über der des Feindes gelegen habe, weshalb auch aus dieser Situation heraus eine gewisse Notwendigkeit bestanden habe, den Feind nicht einfach laufen zu lassen. 512 Vgl. dazu SPENSER, A View, S. 160: „But that the necessitye of that presente state of thinges forced him to that violence“; zu den Aktionen im Pale siehe etwa Vincent P. CAREY, Surviving the Tudors: the „Wizard“ Earl of Kildare and English rule in Ireland, 1537-1586, Dublin 2000, S. 179-211; BRADY, Chief Governors, S. 209-219. 513 Siehe die Darstellung bei SPENSER, A View, S. 159f, Zitat S. 159; ähnlich die Beschreibung bei BRYSKETT, Discourse, S. 158; zum Begriff der Reformation/Reform bei Spenser auch MCCABE, Fate of Irena, S. 113-119. 514 Eine ähnliche Klage findet sich auch im Buch V der Faerie Queene, wo der Ritter Artegall ebenfalls vor der Vollendung notwendiger Reformen an den Hof der Feenköni-

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nutzte das Beispiel zugleich dazu, um seiner Ansicht nach ein generelles Problem in der Irlandpolitik zu monieren. Demnach sei es für die englischen Ziele äußerst schädlich, wenn es eine rasche Abfolge von Gouverneuren gebe, deren Politik sich zudem jeweils stark unterscheide.515 Die fehlende Kontinuität in der Politik bemängelte Spenser im Zuge dessen vor allem bei John Perrott, dessen politisches Vorgehen er in einem starken Kontrast zu jenem Greys schildert. Im krassen Gegensatz zu Grey habe Perrott die Iren gefördert und aufgerichtet, währenddessen er die Engländer in Irland vernachlässigt und erniedrigt hätte. Das Resultat verglich Spenser mit zwei Ärzten, die an einem kranken Körper laborierten und dabei durch ihre unterschiedlichen Vorgehensweisen die Sache nur verschlimmern würden. 516 Deshalb forderte er, dass eine einmal begonnene Reform nicht auf halbem Weg abgebrochen oder fundamental geändert werden dürfe, sondern bis zum Ende durchgezogen werden müsse: „Therefore by all meanes it muste be forsene and assured that after once entring into this Course of reformacion, theare be afterwardes no remorse or drawinge back, for the sighte of anie suche rufull obiectes as muste thearevppon followe, nor for Compassion of theire Callamityes, seinge that by no other meanes it is possible to recure them, and that these are not of will 517 but of verye vrgente necessitye.“

Die um Smerwick und das Vorgehen Lord Arthur Greys aufgebaute Argumentation muss vor diesem Hintergrund in zweifacher Hinsicht beurteilt werden: Auf der einen Seite fungierte das Exempel als Warnung dafür, dass eine nicht vollendete oder nur akzidentiell durchgeführte Reformpolitik die Verhältnisse letztlich noch verschlimmern könnte.518 In diesem Zusammenhang äußerte sich über das Beispiel Greys auch eine massive Kritik an der Regierung Elisabeths und ihrer Berater, die jenen vorschnell zurückgerufen hätten. Auf der anderen Seite suggeriert das Beispiel Greys, dass eine kompromisslos durchgeführte, gründliche Reform des Gemeinwesens durchaus zum Erfolg führen könne, wie Spenser es sehr plastisch an den Folgen der Erhebung in Munster verdeutlichte.519

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gin zurückbeordert wird und dadurch Irena quasi halbreformiert zurückgelassen wird. Siehe SPENSER, The Faerie Queene, Book V, Canto XII, Strophe 27. SPENSER, A View, S. 144f nennt vor allem persönliche Motive für eine fehlende Kontinuität in der Politik der Gouverneure. SPENSER, A View, S. 163. SPENSER, A View, S. 163. Die Kritik, dass akzidentielle Reformen für den irischen Fall nicht helfen würden, findet sich auch bei BEACON, Solon his follie, S. 8f, 19, 21. Siehe SPENSER, A View, S. 158f, wo er das großflächige Aushungern sowie eine damit verbundene Politik der verbrannten Erde für den gegenwärtigen Konflikt mit Hugh O’Neill empfiehlt; diese Taktik sollte tatsächlich am Ende den entscheidenden Vorteil für die englische Seite bringen. Siehe dazu CAREY, Mountjoy’s scorched earth campaign.

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4.3.2 ‚A God given just Occasion‘: Erwählungspolitik im Neunjährigen Krieg Die neu-englische Wahrnehmung der irischen Verhältnisse zeichnete sich demnach maßgeblich durch ihren radikalen Kern aus. In dieser radikalen Perspektive nahm die indigene Bevölkerung die Rolle der kanaanitischen Völker an, die als eine fortwährende Bedrohung der englischen Existenz angesehen und daher idealerweise ausgelöscht werden sollten. Reform bedeutete in diesem Zusammenhang also die göttlich sanktionierte Auslöschung all jener Elemente, die die Transformation Irlands in ein zweites Kanaan ver- oder behindern würden. Der Neunjährige Krieg bot die passende Gelegenheit, um die diversen projektierten Schritte im Hinblick auf konkrete Reformen Irlands zu artikulieren und umzusetzen. Die Auseinandersetzung hatte Aufmerksamkeit auf die irischen Verhältnisse konzentriert, wodurch die Chancen auf eine grundlegende Akzeptanz der Vorschläge deutlich erhöht worden waren. Bereits in der Supplication of the Blood hieß es deshalb dazu: „He [Gott – BQ] hath nowe geven you just occation to use such reformation, as before you could not easilie have done wthout suspition of hardenes.“520 In dieser Aussage offenbarte sich somit das der Krise immanente Potenzial, welches zur Umsetzung oder Einführung von Innovationen und radikalen Veränderungen genutzt werden konnte. Ganz ähnlich hatte auch Richard Beacon die Situation dargestellt. So suggerierte er, dass die Chance, die in der Zeit Arthur Greys vergeben worden sei, sich nun unter der Regide William Russells erneut böte, weshalb dieser uneingeschränkte Unterstützung seitens der Obrigkeit erhalten sollte. 521 In den konkreten Vorschlägen zur Reform Irlands zeigt sich zuletzt erneut die starke Beeinflussung der Autoren durch die Grundlinien des Exodus-Narrativs. Richard Beacon verglich die Herrschaft irischer Häuptlinge über die gemeine Bevölkerung gleich an zwei Stellen seiner Schrift mit ägyptischen Zuständen. 522 Seiner Ansicht nach konnte die von ihm konstatierte „finall declination“ und „general corruption“ des irischen Gemeinwesens nur durch eine grundlegende Reformation behoben werden. Darunter verstand er nichts anderes als „a thorough and absolute mutation and change, of auncient lawes, customes, and manners of the people, and finally of the common-wealth it selfte“.523 Entscheidend ist, dass Beacon für diesen Prozess der grundlegenden Umgestaltung den Einsatz von Gewalt grundsätzlich billigte. Ihm zufolge gebe es nämlich eine Masse an Leuten, die sich notwendigen Reformen aus egoistischen und eigensinnigen Gründen verschließe und entgegenstelle,

520 Supplication of the Blood, S. 18f. 521 Siehe die Argumentation bei BEACON, Solon his follie, S. 43f; cf. Sydney ANGLO, A Machiavellian Solution to the Irish Problem: Richard Beacon’s Solon His Follie (1594), in: Edward Chaney / Peter Mack (Hgg.), England and the Continental Renaissance. Essays in Honour of J. B. Trapp, Woodbridge 1990, S. 153-164, hier S. 159; Russell war zwischen 1594 und 1597 Lord Deputy of Ireland. Siehe zur Person John MCGURK, Art. „Russell, William“, in: ODNB, online-Ausgabe, Oxford 2008, URL: [20.03.2017]. 522 Siehe BEACON, Solon his follie, S. 77 & 104. 523 BEACON, Solon his follie, S. 19, zur Feststellung einer umfassenden Degeneration S. 7; cf. ANGLO, A Machiavellian Solution, S. 157.

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besonders in durchweg korrumpierten Gemeinwesen.524 Die Beacons Ansichten innewohnende Radikalität offenbarte sich schließlich in der Heranziehung des mosaischen Beispiels am Berg Sinai. Er schrieb dazu: „Therefore Moyses, before he coulde establish the lawes, which God vnto him had delivered, and commaunded, founde it necessarie, vvith forces to remove such, as being pricked forwarde 525 with envie, did oppose themselves against his intended reformation.“

Was Beacon hier durch das Exempel lediglich andeutete, konnte realiter als Aufforderung zum Töten einer großen Anzahl von Idolatoren aufgefasst werden. In der entsprechenden Stelle im Buch Exodus forderte Moses alle wahrhaftig Gläubigen auf, sich um ihn zu versammeln und im Namen Gottes die Götzenanbeter ‚abzuschlachten‘, auch wenn es Familienangehörige, Verwandte oder Freunde gewesen seien. 526 Die um diese Passage entstandenen Interpretationsansätze hat Michael Walzer eingehend untersucht. Für das 16. Jahrhundert konnte er eine spezifische Ausrichtung im Calvinismus sowie in Teilen des englischen Puritanismus’ ausmachen, die aufgrund ihrer Auslegung bereit waren, bestehende Ordnungszusammenhänge im Hinblick auf das von Gott befohlene Werk zu durchbrechen und damit nicht nur innovatives, sondern letztlich auch radikal-revolutionäres Handeln begründen wollten.527 Ein frühes Beispiel dafür war John Knox, der in einer Ermahnung an den englischen Klerus das Beispiel Moses und der Leviten reproduzierte und daraus folgerte: „It is euident by this storie, that the power of Goddes worde, pronounced by the mouthe of a man, preuailed at one tyme in a great nombre againste nature, and compelled them to be ex528 ecutores of Goddes vengeaunce, regardynge nothynge the affinitie nor nyghnes of bloud.“

Das Vorbild der Handlungen Moses am Berg Sinai konnte in der Zeit also herangezogen werden, um radikale Aktionen zur Umformung einer inneren Ordnung zu verteidigen oder zu legitimieren. Im Rekurs auf diese Säuberungsaktion akzeptierte Beacon somit grundsätzlich die Option, durch den Einsatz extensiver Gewalt eine Art Tabula rasa der irischen Verhältnisse vorzunehmen und dabei die reformfeindlichen

524 Siehe BEACON, Solon his follie, S. 41; vgl. zu dieser Thematik auch den Kommentar bei POCOCK, Machiavellian Moment, S. 172: „Innovation is the theme. It is the most difficult and dangerous of human enterprises for reasons which we already know. It makes enemies who are fervent because they know what they have lost, and friends who are lukewarm because they do not know what they have gained, not having yet had enough experience of it; precisely the problem of the fleshpots of Egypt.“ 525 BEACON, Solon his follie, S. 41 (Hervorhebung im Original); cf. ANGLO, A Machiavellian Solution, S. 156f; dessen Radikalität betonte auch BRADSHAW, Robe and sword, S. 153f. 526 Exodus 32, 26-28 (Geneva Bible, fol. 41r). 527 Siehe WALZER, Exodus 32, S. 11-14; DERS., Exodus und Revolution, S. 68-75. 528 John KNOX, A faythfull admonition made by Iohn Knox, vnto the professours of Gods truthe in England […], Emden 1554 (STC2 15069/Henry E. Huntington Library), fol. Giv-Giir (meine Hervorhebung).

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Elemente auszumerzen.529 Dieser Einschnitt müsse seiner Ansicht nach hart und radikal sein, wolle man eine umfassende und nachhaltige Reform erreichen. Zu dieser schrieb er: „Bvt otherwise wee are to institute and reforme a Monarchy, by making there a thorough alteracion and chaunge of auncient lawes, customes, and governement, yea and of the honours, 530 titles and dignities also, not leaving any shadow or resemblaunce in place thereof.“

Erst infolge solch einer umfassenden Reform, in deren Zuge quasi die ‚ägyptischen Überbleibsel‘ in der irischen Gesellschaft beseitigt würden, könne ein Neuaufbau des Gemeinwesens beginnen, wie es unter anderem an den Beispielen König Davids sowie der Eroberung und Unterwerfung der Latiner durch Rom zu sehen gewesen sei.531 Zu diesem Neuaufbau zählte Richard Beacon, wie viele andere neu-englische Autoren auch, primär die Errichtung von Kolonien.532 Im Zuge dessen rekapitulierte Beacon viele der bereits durch die frühen Ansiedlungsprojekte bekannten Vorteile von Kolonien: So könnten dadurch unliebsame Personen aus dem Mutterland transferiert werden, wodurch die Gefahr von Unruhen und Aufständen reduziert werden könnte.533 Zudem sah er die Kolonien als stabilisierende Elemente an, die eine Region langfristig befrieden würden, indem sie im Gegensatz zu einer rein militärischen Garnison einen positiven Einfluss ausübten und durch ihre Präsenz Schritt für Schritt die Kultur der Eroberer im kolonisierten Gebiet einpflanzen könnten. Zuletzt präsentierte er die Kolonien auch als einträglicher für die Krone, da sie entweder jährliche Abgaben entrichten oder anderweitige Dienste für die Krone wahrnehmen würden. 529 Beacons Radikalität muss an dieser Stelle gegen die Ausführungen Ciaran Bradys betont werden, der einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Spensers Propagierung einer Politk der verbrannten Erde und Beacons Akzeptanz von „some bloodshed“ sehen wollte. Siehe BRADY, Debate: Spenser’s Irish Crisis, S. 211; DERS., Spenser’s Irish Crisis, S. 24f. 530 BEACON, Solon his follie, S. 47; siehe auch die korrespondieren Aussagen, dass Irland diese umfassende Reform benötige, da die gegenwärtige Situation die Leute nur verderben würde, auf S. 7, 19, 20, 21, 44f, 47-50, 52. 531 BEACON, Solon his follie, S. 47-49; ANGLO, A Machiavellian Solution, S. 156f. 532 Vgl. seine Argumentation BEACON, Solon his follie, S. 107-112; ANGLO, A Machiavellian Solution, S. 161; siehe zum Kolonialisierungsprozess im Anschluss an den Neunjährigen Krieg u.a. CANNY, Making Ireland British, Kap. 3; Ó CIARDHA / Ó SIOCHRÚ (Hgg.), The plantation of Ulster; James Lyttleton / Colin Rynne (Hgg.), Plantation Ireland. Settlement and material culture, Dublin 2009; Raymond GILLESPIE, After the Flight: the plantation of Ulster, in: History Ireland 15/4 (2007), S. 40-45; John ANDREWS, Plantation Ireland. A review of settlement history, in: Terry Barry (Hg.), A History of Settlement in Ireland, London/New York 2000, S. 140-157. 533 BEACON, Solon his follie, S. 110. Der Autor scheint hier zudem zu suggerieren, dass damit auch dem Problem der Überbevölkerung sowie des Anwachsens eines Prekariats entgegengewirkt werden könnte; siehe dazu auch JONES, Promotional Literature, S. 146152; PARKER, Books to Build an Empire, S. 82, 105, 115; JARDINE, Encountering Ireland, S. 66.

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Auf jeden Fall verhießen Kolonien aber Profit!534 Somit zeigt sich in Beacons Plan zur Reformation Irlands sehr deutlich die Vorstellung, wonach das Land durchaus in einen Zustand transformiert werden könne, in dem es sowohl regierbar als auch profitabel erscheint. Ein Autor, der Beacons radikale Reformpläne weitgehend teilte, war Edmund Spenser. Auch dieser porträtierte die Iren als ausgemachte Feinde jeglichen Reformvorhabens, vor allem wenn es von englischer Seite ausgehe. Deshalb plädierte Spenser analog zu Beacon für den Einsatz größtmöglicher Stärke und Macht bei einer neuerlichen Reform.535 Dass sich Spenser damit abseits traditioneller Pfade bewegte, zeigte sich in einem Kommentar dazu, wie er sich den Reformprozess vorstellte: „But all the Realme is firste to be reformed and laws are afterwardes to be made for kepinge and Continewinge in that reformed estate.“536 Ähnlich wie Richard Beacon verstand Spenser darunter zunächst die militärische Unterwerfung der autochthonen Bevölkerung. Dazu sah er die Entsendung eines großen Heeres vor, das auf starke Garnisonen in den rebellierenden Gebieten Ulster und Connacht verteilt werden sollte. Danach sei ein Ultimatum zu stellen, durch das den rebellierenden Iren mit Ausnahme ihrer Anführer die Möglichkeit geboten werden sollte, zu kapitulieren und begnadigt zu werden. Allerdings schlug Spenser vor, die betroffenen Personen weitgehend zu enteignen und umzusiedeln sowie deren familiäre Strukturen zu zerstören, damit sie sich nicht erneut zu einer Rebellion hinreißen ließen.537 Für all jene Personen, die der Aufforderung zur Kapitulation nicht nachkommen würden, sah Spenser demgegenüber die endgültige Vernichtung vor. Diese müssten als „stoute and obstinate Rebells“ betrachtet werden, welche niemals die englischen Standards eines zivilisierten Lebens akzeptieren würden. Um diesen Personen habhaft zu werden und sie als störende Elemente im anvisierten Reformprozess auszuschließen, riet Spenser zu einer Politik der verbrannten Erde, in deren Zuge den Rebellen und Verbrechern ihre Lebensgrundlage genommen werden sollte, was sie entweder massiv schwäche, so dass sie leichter gefangen oder bekämpft werden konnten, oder woran sie am Ende von alleine zugrunde gingen.538 Zudem schlug er als weitere langfristige Sicherungsmaßnahme großflächige Umsiedlungen vor, die einzelne Familien aus den rebellischen Gebieten in andere, entlegenere Territorien versetzen sollten, um so deren Clanstrukturen und Klientelverhältnisse zu zerstören oder zumindest erheblich zu schwächen. In diesem Rahmen sollte die Errichtung von

534 Siehe zu beiden Punkten BEACON, Solon his follie, S. 110. 535 SPENSER, A View, S. 146f. Spenser bemerkte, dass die Iren jeglichen Versuch zur Reform und Unterordnung unter englische Herrschaft hassen und ablehnen würden. 536 SPENSER, A View, S. 147. Siehe dazu auch die gesamte Diskussion zwischen Eudoxus und Irenius auf S. 147, wo der zurückhaltende Eudoxus vor den Gefahren innovativer Politik explizit warnt. Zur absolut negativen Perzeption von Neuerungen und Innovationen im England des 16. Jahrhunderts siehe etwa das Beispiel der Rezeption Machiavellis bei RAAB, English Face of Machiavelli, S. 8-76; WOOLF, The social circulation of the past, S. 50-55. 537 Siehe die Ausführungen bei SPENSER, A View, S. 155-157. 538 Vgl. SPENSER, A View, S. 158f.

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Kolonien in den betroffenen Gebieten unter anderem dafür sorgen, dass ein Wiederaufbau oder ein Wiedererstarken solcher Clanstrukturen verhindert würde. 539 Für eine großräumige gewaltsame Säuberungsaktion des irischen Schauplatzes warb auch die Supplication of the Blood. Wie Spenser und Beacon forderte der anonyme Autor die Entsendung einer großen Streitmacht, die jene unter Heinrich II. begonnene, aber nicht abgeschlossene Eroberung Irlands zu Ende bringen solle.540 Die militärische Intervention sei für eine tiefgreifende und grundlegende Reformation des Landes unerlässlich, wenn es englischen Interessen dienstbar gemacht werden solle. Während die Supplication für all jene, die diesen notwendigen Reformprozess blokkieren würden, den Vergleich mit den Amalekitern zog und damit deren Auslöschung insinuierte, plädierte sie analog zu Spenser und Beacon für eine grundlegende Zerstörung der irischen Kultur und bediente sich zur Illustration dessen einer botanischen Analogie: „This malice of theirs naturally engraffed in their stomackes this canker deeply eaten into their hartes, will never be worne out, untill either they have cleane worne us out of the contry, or yo re ma:tie weeded them. Weedes they are O Queene, the naturall plants of theire owne soyle; […] you can never soe cherishe us, what care soe ever you take about our plaintinge, unlesse you 541 seeke to supplant them, or at the least to keepe them downe from theire full groweth.“

Die Supplication empfahl demnach eine Entwurzelung der irischen Bevölkerung, was im Zuge einer neuerlichen Eroberung, durch die Zerstörung der irischen Kultur und der Einführung englischer Sprache, englischen Rechts sowie englischer Konfession erreicht werden sollte.542 Erst die Angleichung Irlands an das Mutterland würde ferner sicherstellen, dass Städte, Kolonien und Garnisonen nicht durch das schlechte Umfeld pervertiert und nachgerade selbst degenerieren würden. 543 Elemente dieser Argumentation finden sich auch bei William Herbert, dessen Schrift aber nicht uneingeschränkt zu einem neu-englischen Milieu gezählt werden kann.544 Allerdings ging auch Herbert davon aus, dass die Renitenz der Iren ein wesentlicher Grund für den schlechten Zustand der Insel sowie die Degeneration der englischen Ansiedlungen gewesen und immer noch sei, weshalb auch er für die Auslöschung der irischen Kultur sowie eine weitläufige Zerstreuung der Bevölkerung

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Siehe SPENSER, A View, S. 178f. Supplication of the Blood, S. 19. Supplication of the Blood, S. 38. Supplication of the Blood, S. 64f; wie Thomas Herron zuletzt zeigen konnte, waren agrikulturelle und im weitesten Sinne gärtnerische Tropen unter neu-englischen Akteuren weit verbreitet. Siehe HERRON, Spenser’s Irish Work, S. 60f. 543 Supplication of the Blood, S. 41. 544 Siehe dazu BRADSHAW, Robe and sword, S. 140-152 zu Herberts Schrift, S. 153-160 zu den Unterschieden zwischen Herbert und Beacon/Spenser; siehe auch die Bemerkungen bei BRADY, Spenser’s Irish Crisis, S. 24; BRADY, New English ideology in Ireland, passim.

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plädiert hatte.545 Freilich war dieses „social engineering“ (Bradshaw) Herberts nicht die Voraussetzung für weitergehende Reformen, wie es sich bei Spenser, Beacon und der Supplication gezeigt hat, sondern die ultima ratio eines Reformprozesses, der deutlich mehr auf die autochthone Bevölkerung einging. 546 Dass großflächige Umsiedlungsaktionen sowie die Ansiedlung von loyalen und rechtgläubigen Engländern wichtige Argumente im Umgang mit der irischen Problematik waren, zeigt sich auch im anonymen Discourse of Ireland. Die weitgehend mit ökonomischen Themen befasste Schrift argumentierte im Hinblick auf die Frage, wie die Insel den englischen Interessen am besten zugänglich gemacht werden könne, damit, dass idealiter alle Iren aus Irland vertrieben werden sollten. Der frei werdende Raum solle in der Folge mit englischen und einigen flämischen Siedlern neu besiedelt werden.547 Bereits hier zeichnen sich somit die beiden zentralen Punkte der Zwangsumsiedlung bzw. Vertreibung sowie einer nachfolgenden Wiederbesiedlung durch englische Kolonisten ab. Eine weitgehende Indifferenz gegenüber dem Schicksal der irischen Bevölkerung, wie es Beacon, Spenser und andere offenbart hatten, zeigt sich derweil auch in dieser Schrift. Im Hinblick auf die Frage, was mit den Vertriebenen fürderhin geschehen solle, sah sie die Ansiedlung einiger in England vor, um diesen doch noch die Chance auf Besserung und Zivilisierung zu gewähren. Für einen Großteil der Vertriebenen schlug der Autor indes ein Engagement in den Niederlanden vor und bemerkte dazu: „[A]nd these warres with the sword and famine will devoure manye.“548 Obwohl der Verfasser beteuert hatte, dass er keineswegs die Auslöschung der Iren im Sinne habe, zeugt seine Aussage eher davon, dass er dem Tod der verpflanzten Iren weitgehend indifferent gegenüber stand und ihn billigend in Kauf nahm. Damit bestätigte sich implizit die im Text selbst bereits getroffene Aussage: „And as touching the Irish […] what are they better then Cananites“. 549 Vertreibung, Vernichtung und rigorose Unterdrückung im Sinne des biblischen Kanaanbildes waren somit die bestimmenden Motive im Umgang mit der autochthonen Bevölkerung und zugleich die Voraussetzung, um eine nachhaltige Transformation Irlands herbeizuführen. Der Neunjährige Krieg wurde in diesem Zusammenhang als eine einmalige, von Gott gegebene Gelegenheit gesehen, die notwendigen Reformen ein- und durchzuführen. Diese Verpflichtung musste nach dem Sieg elisabethanischer Truppen in der Schlacht bei Kinsale im Winter 1601 noch gravierender erscheinen, da sich hier den englischen Darstellungen zufolge erneut Gottes Gnade und Gunst gegenüber dem eigenen Volk offenbart habe.550 So berichtete ein Teilnehmer der Schlacht in einem gedruckten Brief an einen Freund in der Heimat, dass die Aus545 Vgl. HERBERT, Croftus, S. 45, 87 & 113; eine ausführliche Auseinandersetzung mit Herberts Ansichten, die denen Spensers teilweise entgegenlaufen, findet sich bei BRADSHAW, Robe and sword, S. 140-152. 546 Siehe BRADSHAW, Robe and sword, S. 148-153. 547 A Discourse of Ireland, S. 164. 548 A Discourse of Ireland, S. 165. 549 A Discourse of Ireland, S. 164. 550 Zum historischen Kontext der Schlacht bei Kinsale MORGAN (Hg.), The Battle of Kinsale; John SILKE, Kinsale. The Spanish Intervention in Ireland at the End of the Elizabethan Wars, Dublin 2000; John MCGURK, The Battle of Kinsale, in: History Ireland 9/3 (2001), S. 16-21.

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gangslage der Truppen äußerst schlecht gewesen sei. Demnach habe sich ein Großteil des Landes in Aufruhr befunden, und die Rebellen hätten die bis dato größte Armee aufgestellt, die jemals gegen die englische Krone in den Kampf geführt worden sei.551 Gleichsam präsentierte der Autor die eigenen Truppen als vom Winter geschwächt, die Pferde in schlechten Zustand und die Versorgung ungewiss.552 In dieser Situation, die stark an die Darstellung der Belagerung von Smerwick erinnert, sei es vor allem der göttlichen Gnade sowie den Fähigkeiten des Generals zu verdanken gewesen, dass letztlich ein Sieg gegen die besser ausgerüsteten und motivierteren irisch-spanischen Truppen errungen wurde. Der Verfasser vermerkte abschließend dazu: „A victorie indeede giuen by the God of Hostes and marueillous in our eyes, if all circumstances be duely considered, and of such consequence for the preseruation and assuraunce to her Maiestie, of this deepely endangered kingdome […] I see the God of power and might, disposed to protect the iust cause of his seruaunt, our gratious Queene Elizabeth, against the pride, 553 malice, and powerful disdain of the greatest potentates, hir enemies. To him be the glorie.“

In ganz ähnlicher Weise feierte auch eine 1602 entstandene Ballade zum Sieg bei Kinsale den göttlichen Beistand. Trotz der immer noch verhandenen Sündhaftigkeit der Engländer habe Gott in einer extremen Notlage seinem Volk Gnade gewährt. Aus diesem Grund forderte der anonyme Autor: „Oh, give Him thanks for that which He hath done! In Ireland through Him hath England won A victory, which doubted was of all, 554 Till through God’s help they saw the rebels fall.“

Mit gleicher Inbrunst verkündete der Text im weiteren Verlauf die enge Verbindung zwischen England und Gott, die sich gerade im Kampf gegen ‚papistische Feinde‘ bewährt hatte: „Oh God, continue this thy favour still, To us thy servants, yf yt be thy will, That Pope and Spaine, with all their Irish rout, 555 May alwayes say, ‚The Lord for England fought!‘“

Im Zusammenhang des Sieges bei Kinsale müssen zuletzt auch die Israelvergleiche gesehen werden, wie sie etwa in Ralph Byrchenshas Discourse vorkommen. Der Au551 Vgl. I. E., A letter from a souldier of good place in Ireland, to his friend in London touching the notable victorie of her Maiesties forces there, against the Spaniards, and Irish rebels: and of the yeelding vp of Kynsale, and other places there held by the Spanyards, London 1602 (STC2 7434/British Library), fol. Aiiir-v. 552 I. E., A letter from a souldier, fols. Aiiiv & Aivv. 553 I. E., A letter from a souldier, fol. Biiiv-Bivr. 554 A joyfull new ballad, hier S. 116 (Hervorhebungen im Original). 555 A joyfull new ballad, S. 119.

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tor fand hier zahlreiche Analogien zu alttestamentlichen Exempeln, allerdings sticht die Zuordnung zu den biblischen Figuren des Pharaos und Moses deutlich heraus: „But loe beholde, when Israels hope was gone, And sawe no meane to scape or life to saue, And bloudie Pharaoh bent to take reuenge, Then would the Lord make knowne he was a God: At his commaund the sea was made dry land, 556 To saue his people from inuaders hand.“

Diese Form der biblischen Errettung (deliverance) bildete den Referenzrahmen, indem die Schlacht und der Sieg bei Kinsale gesehen werden sollten. 557 Deutlich zu erkennen ist in diesem Fall die Ähnlichkeit zu entsprechenden Stilisierungen des Armadasieges, die ebenfalls rasch nach der definitiven Nachricht des Sieges dazu übergingen, den Sieg als eine Form göttlicher Intervention darzustellen, durch die der Gott Englands sein Volk vor der drohenden Gefahr gerettet hatte. 558 Der Neunjährige Krieg wurde folglich als ähnlich schwere Prüfung des englischen Gemeinwesens wie seiner Zeit die spanische Armada aufgefasst. In ähnlicher Weise entsponnen sich um dieses Ereignis vergleichbare Konstruktionen, die eine göttliche Vorsehung am Werke sahen und den Sieg über die irisch-spanischen Truppen auf die besondere Beziehung Englands zu Gott zurückführten. Neu-englische Autoren hatten bis zu diesem Zeitpunkt bereits über Jahre hinweg eine Wahrnehmung der irischen Verhältnisse geprägt, die die erwählte Position Englands zum Ausgangspunkt nahm, um eine weitreichende und neuartige Politik auf der irischen Insel zu etablieren. Kern dieser Wahrnehmung war ein reziprokes Verständnis der irischen Situation, das die ökonomische Ausbeutung und Nutzbarmachung Irlands sowie die endgültige Befriedigung und ‚Regierbarmachung‘ an eine grundlegende Transformation des Gemeinwesens band. Erst nachdem sämtliche ‚ägyptischen Relikte‘ ausgemerzt und die Bedrohung durch die idolatrische und gottlose Kultur der autochthonen Bevölkerung ausgeschaltet worden war, konnte Irland zu einem wahrhaft verheißenen Land werden und seine Reichtümer preisgeben. So gab sich letztlich im Jahr 1612 John Davies in seiner Bestandsaufnahme und Kritik der nach der Niederschlagung des Neunjährigen Krieges erfolgten Maßnahmen zur Eroberung und

556 BYRCHENSHA, A discourse, fol. Biiiv (Hervorhebung im Original). 557 Vgl. zu diesem Versuch, an die Konstellationen des Armadakonflikts anzuschließen, auch die Schrift J. G. E., Englands hope, fol. Aivr-v. 558 Siehe dazu etwa CRESSY, Bonfires and Bells, S. 117-129; Jonathan I. ISRAEL / Geoffrey PARKER, Of Providence and Protestant Winds: the Spanish Armada of 1588 and the Dutch armada of 1688, in: Jonathan I. Israel (Hg.), The Anglo-Dutch Moment. Essays on the Glorious Revolution and its world impact, Cambridge 1991, hier Paperback 2003, S. 335-363; Patrick GALLAGHER / D. William CRUICKSHANK, The Armada of 1588 Reflected in Serious and Popular Literature of the Period, in: Dies. (Hgg.), God’s Obvious Design. Papers for the Spanish Armada Symposium, Sligo 1988, London 1990, S. 167-183; vgl. auch die bei MEARS et al. (Hgg.), National Prayers I, S. 182-190 edierten Dankgottesdienste anlässlich des Sieges über die Armada.

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Besiedlung der Grünen Insel zuversichtlich, dass Englands Nachbarinsel nun die besten Voraussetzungen habe, um zu einem zweiten Kanaan zu avancieren: „And, though heeretofore it hath bin like the leane Cow of Egypt, in Pharaohs Dreame, deuouring the fat of England, and yet remaining as leane as it was before, it will heereafter bee as fruitfull as the land of Canaan; the description whereof, in the 8. of Deutronomie, doth in euery part agree with Ireland; being, Terra Riuorum, aquaraumq. & Iontium, in cuius Campis, & Montibus, erumpunt fluviorum abysi; Terra frumenti, & hordei; Terra lactis, & mellis, vbi ab559 sque vlla penuria comedes panem tuum, & rerum abundantia perfrueris.“

4.4. Zusammenfassung Das vorausgegangene Kapitel hat den Nachweis erbracht, dass sich seit den 1570er Jahren eine neue Perzeption Irlands und der dortigen Verhältnisse als neuzeitliches Kanaan ausbildete. Diese Form der Imagination des Landes stellte eine spezifische Ausprägung des englischen Erwählungsdenkens dar, wie es unter Elisabeth I. in England zirkulierte. Getragen von einer Schicht englisch-protestantischer Siedler, die in der Forschung zumeist als New English firmieren, diente die Kanaanvorstellung dazu, um eine Intervention in die englische Irlandpolitik vorzunehmen und diese grundlegend zu verändern. Ausschlaggebend war in diesem Zusammenhang, dass das neue Deutungs- und Wahrnehmungsmuster die außenpolitische Situation sowie die damit verbundenen Ängste einer katholischen Überwältigung im Rahmen des irischen Kontextes aktualisieren konnte. Der irische Raum wurde damit als ein hochgradig bedrohtes und gefährdetes Gut im zeitgenössischen Sicherheitsdiskurs ausgewiesen, was den neu-englischen Konzepten erhöhte Aufmerksamkeit sichern sollte. Neben seiner Funktion als kommunikative Schnittstelle, über die Aufmerksamkeit generiert werden sollte, diente das kanaanitische Deutungs- und Wahrnehmungsmuster zugleich als eine Art Konvergenzpunkt, in dem sich ökonomische Interessen und politische Ambitionen neu-englischer Offiziere, Siedler und Amtsträger mit ihren religiösen Überzeugungen in Übereinstimmung bringen ließen. Im Rahmen dieser Sichtweise gab es zwei Visionen von Irland, die in einem Bedingungsverhältnis standen: Auf der einen Seite existierte die Vorstellung eines Landes, in dem Milch und Honig fließen könnten. Hier wurden die natürlichen Reichtümer der Insel ebenso gelobt und herausgestellt wie die günstige handels- und geostrategische Lage oder deren ökonomisches Potential. Diese positive Interpretation der irischen Verhältnisse war im wahrsten Sinne eine Verheißung, welche die Attraktivität des Landes steigern und die Bereitschaft für ein stärkeres Engagement seitens der englischen Regierung erhöhen sollte. Auf der anderen Seite lieferte die Kanaan-Analogie eine Erklärung dafür, warum die Ausbeutung und Nutzbarmachung dieser Ressourcen den Engländern bislang weitgehend versagt geblieben waren. Der Grund für die bisher ausgebliebene Transformation des Landes müsse demnach vor allem im Bruch des göttlichen Bundes gesucht werden. In Irland und dessen Kultur herrschten demzufolge nicht nur Barbarei, sondern auch Idolatrie und Aberglauben vor, deren Duldung durch die Engländer zu einem evidenten Bruch mit den Bestimmungen des Bundes geführt habe. Im Sinne 559 DAVIES, A discouerie, S. 284f (Hervorhebungen im Original).

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des konstruierten Wahrnehmungsmusters nahm die autochthone Bevölkerung an dieser Stelle die Rolle der kanaanitischen Völker an, deren Auslöschung von Gott befohlen worden sei. Das offenkundige Versagen der Engländer im richtigen Umgang mit den irischen Kanaaniten bildete hierbei die Grundlage für Forderungen zu einem radikaleren Vorgehen gegen die gottlosen und unchristlichen Zustände auf der Insel. Während hierdurch zunächst die politischen Leitlinien im Umgang mit der Bevölkerung einer prinzipiellen Korrektur unterzogen werden sollten, konnte im gleichen Zuge auch die Gruppe der Alt-Engländer angegriffen werden. Im Horizont des kanaanitischen Wahrnehmungsmusters galten sie nun als jene Israeliten, die sich im krassen Gegensatz zu den Vorgaben Gottes mit den verworfenen Völkern eingelassen und dadurch dessen Zorn riskiert hätten. Die New English warfen der altenglischen Gemeinde in diesem Rahmen eine Degeneration vor, die ihre Entsprechung im Abfall der Israeliten von Gott und der Anbettung kanaanitischer Götter fand. In den Augen neu-englischer Autoren hatten die Old English mit anderen Worten eine Übereinkunft mit jenen getroffen, die analog zum Buch Richter Gottes Missfallen erregt hatten.560 Aus der konstatierten Affiliation von Iren und Alt-Engländern leitete man in der Folge eine existenzielle Bedrohung ab, die in einer Zurückweisung durch Gott kulminieren und sich nachgerade in einer konkreten Bedrohungssituation in Irland manifestieren konnte. In diesem Bereich diente der Wahrnehmungshorizont folglich dazu, die politischen Prämissen, Reformkonzepte und Handlungen der altenglischen Siedlergemeinde im zeitgenössischen Diskurs zu diskreditieren und disqualifizieren, und damit zugleich den politischen Einfluss der Gruppe zu beseitigen bzw. zu minimieren. Insgesamt zeigt sich in der Kanaan-Analogie eine sehr spezifische Ausprägung des englischen Erwählungsdenkens der Zeit. Dessen traditionelle Funktion seit den Reformen Heinrichs VIII. bestand darin, für eine innovatorische und vielfach radikale Politik ein Präzedens zu konstruieren, über die die angestrebten Reformen und Umwälzungen legitimiert und mit Akzeptanz versehen werden konnten. Im irischen Fall reproduzierte sich diese Logik in der Herausbildung des Kanaan-Motivs, das den ideellen Sinnhorizont für das Vorgehen der New English bereitstellte. Letztlich entscheidend zur Durchsetzung von deren Zielen war der Neunjährige Krieg. Dieser Konflikt bildete aufgrund seiner konfessionell aufgeladenen Grundkonstellation den entscheidenden Anlass, um die politischen Vorstellungen der neu-englischen Gemeinde weitgehend in der englischen Irlandpolitik zu verankern. Die Politik der verbrannten Erde, wie sie etwa Lord Mountjoy in der letzten Phase des Neunjährigen Krieges praktizierte, kann dabei ebenso als Ausfluss dieses Umschwungs betrachtet werden wie die nachfolgende systematische Kolonialisierung Irlands.

560 Richter 2, 1-3: „And an Angel of the Lord came vp from Gilgal to Bochim, & said, I made you to go vp out of Egypt, & haue broght you vnto the land which I had sworne vnto your fathers, and said, I wil neuer breake my couenant with you. Ye also shal make no couenant with the inhabitants of this land, but shal breake downe their altars: but ye haue not obeyed my voyce. Why haue ye done this? Wherefore, I said also, I wil not cast the[m] out before you, but thei shalbe as thornes vnto your sides, and their gods shalbe your destruction.“ Zitiert nach der Geneva Bible, fol. 109r.

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5. Z WISCHENFAZIT : E RWÄHLUNSPOLITIK DES B UNDES

ALS

E RNEUERUNG

Das Beispiel Irlands und des Neunjährigen Krieges markiert den vorläufigen Höhepunkt in der ideengeschichtlichen Entwicklung göttlicher Erwählung im England des 16. Jahrhunderts. Aufgrund der besonderen Umstände, die im irischen Kontext vorherrschten, begegnet man hier einer überaus radikalen Form des englischen Erwählungsdenkens unter Elisabeth I. Gerade deshalb lohnt die Untersuchung an diesem Fallbeispiel, weil oftmals erst in einer akuten Krisensituation die Fundamente einer spezifischen Denkweise sichtbar werden. Die irischen Konstruktionen einer KanaanVorstellung stellten demnach die Zusammenführung zweier Ausprägungen englischen Erwählungsdenkens dar, die hernach an die Bedingungen der irischen Verhältnisse angepasst wurden. Unter Elizabeth I. nahm die Vorstellung einer besonderen Beziehung zu Gott die Form eines Bundes (covenant) an, der freilich mit Auflagen versehen war. Diverse protestantische bzw. puritanische Prediger und Autoren thematisierten in diesem Rahmen vor allem innere Missstände des englischen Gemeinwesens und zogen die Bundesvorstellung heran, um Kritik an der anglikanischen Kirche sowie dem religiösen Leben der Engländer zu üben und grundlegende Reformen anzumahnen. Mit dem zunehmenden Engagement Englands in den konfessionellen Konflikten des Kontinents bekam die vorwiegend selbstreflexive Wahrnehmung als Gottes erwähltes Volk eine zusätzliche Dimension, indem überzeugte Protestanten ihre Unternehmungen gegen katholische Länder wie Spanien immer mehr im Rahmen dieser Bundesvorstellung artikulierten und darüber eine Verpflichtung Englands zum Eingreifen in die tobenden Kämpfe des späten 16. Jahrhunderts ableiten wollten. Beide Dimensionen fanden ihre Entsprechung in den Entwicklungen des irischen Raums seit den 1560er Jahren. Vor allem nach der Exkommunikation Elisabeths durch Papst Pius V. versuchten irische und alt-englische Aufständische, die konfessionell disparate Situation zwischen den einzelnen Teilen des Multiple Kingdoms dahingehend auszunutzen, dass sie ihre diversen Rebellionen und Aufstände mit einer konfessionellen Grundierung versahen. Spätestens mit dem ‚Schock‘ der zweiten Desmond-Rebellion von 1579/80, in deren Zuge nicht nur die militante Gegenreformation, sondern auch zum ersten Mal in größerem Umfang eine europäische Unterstützung durch päpstliche Truppen in Irland angekommen war, zeichneten sich hier die Konturen eines horrenden Sicherheitsproblems ab. Die Insel schien in den Augen neu-englischer Akteure für eine Intervention katholischer Mächte anfällig, weil ein Großteil der Bevölkerung ebenfalls katholisch war und zudem ein erhebliches Konfliktpotential innerhalb der Gesellschaft ausgemacht wurde. Der Neunjährige Krieg stellte in diesem Rahmen eine Aktualisierung solcher Befürchtungen dar. Hugh O’Neill und seine Verbündeten warben schon sehr früh um europäische Unterstützung und suchten vor allem bei der Kurie und Spanien um ideelle und materielle Unterstützung für ihren Aufstand gegen die englische Krone. In diesem Zusammenhang betrieben sie eine Propagandakampagne, die zentrale Punkte der zweiten Desmond-Rebellion reproduzierte und auf eine Solidarisierung mit den alt-englischen Katholiken ausgerichtet war. Entscheidend war, dass im Zuge des Neunjährigen Krieges, aufbauend auf einer Faith & Fatherland-Rhetorik, eine

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eigene Vorstellung und Interpretation der israelitischen Leidensgeschichte entwickelt wurde. In Aufgriff der Konstruktionen englischer Exilkatholiken sowie des am spanischen Hof vorherrschenden providentiellen Denkens der Zeit imaginierten altenglische und irische Akteure die Herrschaft Elisabeths I. als ägyptische Knechtschaft, unter der alle in Irland lebenden Katholiken gleichermaßen zu Leiden hätten. Hieraus konnte ein neues identifikatorisches Angebot geschaffen werden, das die vormaligen Gegensätze zwischen den beiden katholischen Gruppen in Irland im Sinne einer katholischen Exodus-Politik versuchte aufzulösen. Wichtig war zudem, dass die zunächst passive Konstruktion einer katholischen Leidensgeschichte durch die Evokation einer mosaischen Erlösergestalt aktiviert und dynamisiert werden konnte. Bei Peter Lombard beispielsweise ist der Versuch zu erkennen, diese Rolle unmissverständlich Hugh O’Neill zuzuschreiben. Dessen Aufstand sollte dadurch nicht nur vom Vorwurf persönlicher Motive und Vorteilsnahme befreit werden, sondern auch als von Gott legitimiert gelten. Gerade diese Absicht einer religiösen bzw. konfessionellen Überhöhung des Konflikts durch die Einbeziehung wesentlicher Elemente einer im Grunde protestantischen Exodus-Politik verdeutlicht die Wirkmächtigkeit, die dem Gedankengut in jener Zeit als Grundlage neuartiger Politik zukam. In diesem Zusammenhang sollte sie dazu fungieren, um die jahrhundertalte kulturelle sowie politisch-soziale Kluft zwischen Alt-Engländern und autochthoner Bevölkerung zu überbrücken, indem ein neues identifikatorisches Angebot bereitgestellt wurde. Vor diesem Hintergrund der Konstruktion einer neuen Gemeinschaftsvorstellung trug die Aktualisierung des Exodus-Narrativs dazu bei, dass sich der Neunjährige Krieg zur größten und gefährlichsten Herausforderung entwickelte, der die englische Herrschaft in Irland bis dahin begegnet war. Englisch-protestantische Autoren reagierten auf die sich seit den 1570er Jahren entwickelnde Bedrohungssituation mit der Ausbildung einer Wahrnehmung Irlands, welche die dortigen Verhältnisse immer stärker im Rahmen einer KanaanVorstellung interpretierte. Dieses Interpretament hatte den Vorteil, dass es im Sinne einer selbstreflexiven Dimension des Erwählungsdenkens die alt-englischen Bemühungen und Handlungen scharf kritisierte und als eindeutig falschen Weg verwarf. Gleichzeitig aktualisierte die Kanaan-Analogie auch die außenpolitische Konfliktkonstellation und applizierte sie auf die autochthone Bevölkerung. Diese wurde nun sukzessiv ‚kanaanisiert‘, um ihre absolute Andersartigkeit sowohl auf kultureller als auch auf kultischer Ebene darzustellen und sie zu einem äußeren Feind des englischen Gemeinwesens zu erklären. Erreicht wurde diese Entfremdung der Iren durch die Reproduktion der Mosaischen Unterscheidung in den Verhältnissen dieses Raums, wobei neben die Vorwürfe von Häresie und Idolatrie nun solche der Barbarei und des Heidentums traten. Diese Versatzstücke entstammten älteren Diskursen über die irische Bevölkerung und sollten dazu beitragen, die postulierte Anders- und Fremdartigkeit als anthropologische Konstante zu verfestigen. Ihre Neuverwertung im Rahmen der Erwählungspolitik illustriert in diesem Zusammenhang nochmals die fundamentale Funktion der Idee, die in einer Um- und Neugruppierung tradierter Wissensbestände besteht, aus der letztlich Neues entsteht. Die Schaffung einer neuen Perzeption des irischen Raums im Sinne einer Kanaan-Vorstellung stellte eine spezifische Ausformung des englischen Erwählungsdenkens dar. Sie steht in einer Tradition englischer Imaginationen einer besonderen Beziehung zu Gott, die ihre zentrale politische Bedeutung mit den Reformen Hein-

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richs VIII. bekam. Ganz im Stile dieser vorausgegangen Anwendungen und Artikulationen englischen Auserwähltheitsbewusstseins fungierte das Gedankengut auch hier primär dazu, um radikale und innovative Forderungen zur Umstrukturierung eines Gemeinwesens anzubringen und diese gleichzeitig mit einer grundlegenden Legitimität und Akzeptanz zu versehen. Für einen Vorgang ohne konkretes Präzedens stellte es derart einen Sinnhorizont bereit, der die Handlungen englischer Offizieller vor Ort ebenso legitimieren konnte wie die radikalen Vorschläge zur Umgestaltung des irischen Gemeinwesens. Mit der Kanaan-Analogie wurde hinsichtlich der Entwicklung einer Erwählungsidee ein Endpunkt erreicht. Das englische Volk imaginiert sich selbst in einem bestehenden Bund mit Gott, dessen evidente Verletzung gerade den Ausgangspunkt für die neu-englischen Konstruktionen bildete. Ihre Forderungen können letztlich dahingehend zusammengefasst werden, dass sie eine Erneuerung jener besonderen Beziehung postulierten. Diese Erneuerung gehe laut Michael Walzer vor allem aus einem Akt der moralischen Stärkung hervor, in dessen Zuge die persönliche und kollektive Verpflichtung des Volkes in Erinnerung gerufen werden solle.561 Im Hinblick auf die irischen Verhältnisse bedeutete diese Forderung nach Erneuerung primär den Kampf gegen die idolatrischen, häretischen und barbarischen Praktiken und Glaubensauffassungen der in Irland lebenden Menschen. In diesen sah man schließlich die Gefahr einer Rückkehr ägyptischer Zustände, die einen Bruch mit Gott evozieren konnte. Es ist gerade die Gefahr, dass das Gelobte Land zu einem neuen Ägypten werden könnte, die die Reaktionen der neu-englischen Akteure so drastisch und radikal erscheinen lässt. Und genau diese Gefahr ist es auch, die die Forderungen nach einer Erneuerung des Bundes stimuliert. Denn: „Den Bund zu erneuern heißt dann, erneut auf die Suche nach dem Gelobten Land zu gehen.“562 Die Möglichkeit, dass die Handelnden tatsächlich in der Lage waren, den Bund immer wieder zu wiederholen, macht die Exodus-Erzählung letztlich erst zu einem politischen Modell – und die Geschichte Israels zum politischen Vorbild für andere Gesellschaften.

561 Vgl. WALZER, Exodus und Revolution, S. 97. 562 KRAUSE / MALOWITZ, Michael Walzer, S. 92.

E. Schlussbetrachtung

„Seit dem späten Mittelalter oder der frühen Neuzeit gibt es im Westen eine charakteristische Methode, über politischen Wandel nachzudenken – ein Muster, das wir den Ereignissen in der 1 Regel auferlegen, eine Geschichte, die wir einander weitererzählen.“

Diese Geschichte ist der Exodus Israels aus Ägypten. In der vorliegenden Studie wurde eine spezifische Aneignung dieses Narrativs im nachreformatorischen TudorEngland untersucht. Analog zum alttestamentlichen Vorbild konnten auch hier drei wesentliche Phasen herauspräpariert werden: Unter Heinrich VIII. kam es zur Konstruktion einer ägyptischen Knechtschaft und dem ‚Auszug‘ des englischen Volkes aus dem Joch des päpstlichen Pharaos. Für die Problematiken der frühen Regierungsjahre Eduards VI. fand man alsdann eine passende Rahmung im Bild eines Volkes in der Wüste. In der Herrschaftszeit Elisabeths I. dominierte schließlich eine Bundesvorstellung, die im Hinblick auf den irischen Schauplatz zusätzlich durch die Imagination der Nachbarinsel als ein Gelobtes Land Kanaan ergänzt wurde. Die in dieser Form stattfindende, sukzessive Aneignung und Anwendung von Teilen des Narrativs in den einzelnen Herrschaftszeiten der drei genannten Tudorherrscherinnen und -herrscher schuf eine besondere Form der Kontinuitätsstiftung. Diese erweckt den Eindruck eines zusammenhängenden Ereigniskomplexes, der die Entwicklungen von den henrizianischen Reformen der frühen 1530er Jahre bis zum Tode Elisabeths I. umfasst und sie in Gestalt einer sich schrittweise entfaltenden und fortschreitenden Erzählung präsentiert. Hier betrieben mit anderen Worten die Zeitgenossen selbst die Stiftung einer speziellen Traditionslinie, welche zum größten Teil jene Phase abdeckt, die zuletzt in der Forschung als ‚Lange Reformation‘ Englands bezeichnet worden ist. Die zentrale Stellung, die Heinrichs Reformen in den meisten Darstellungen zur englischen Reformation und Geschichte einnehmen, kann dabei ebenso als zumindest teilweise beeinflusst durch die Kraft des Narrativs angesehen werden, wie beispielsweise auch etwaige Versuche, den englischen Monarchen als überzeugten Protestanten und Vorkämpfer einer neuen religiösen Weltsicht zu präsentieren. Auch die Marginalisierung der Herrschaft Maria Tudors bekommt vor diesem Hintergrund eine Bedeutung, passte ihre Regierungszeit doch nicht in das Narrativ eines englischen Exodus. Oder besser gesagt, fügten sie und ihr Regime sich allenfalls in einer negativen Art in das Muster ein, insofern es als Beispiel für eine

1

WALZER, Exodus und Revolution, S. 141.

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Rückkehr in ägyptische Verhältnisse gelten konnte. Diese nachhaltige Prägekraft des Narrativs muss als ein erstes wichtiges Ergebnis der Arbeit festgehalten werden. In ideengeschichtlicher Hinsicht kann ferner als wesentliches Merkmal und Resultat der zeitgenössischen Verargumentierung des Exodus-Narrativs die Herausbildung und Verfestigung einer Idee göttlicher Erwählung angesehen werden. Der Traditionszusammenhang des biblischen Exodus bildete in diesem Zusammenhang die Grundlage, auf der es zur politischen Nutzbarmachung des Gedankengutes kam. Ausgangspunkt dieses Prozesses waren die Problematiken der Scheidungsaffäre Heinrichs VIII., die in Verbindung mit den generell ‚neuen Welterfahrungen‘ der Zeit die Entstehung einer neuartigen Erwählungspolitik beförderten. Wesentlich war hierbei, dass die Auseinandersetzung mit dem Papsttum und Teilen des englischen Klerus den Anlass bot, um den Bereich des Religiösen erneut zum Gegenstand politischer Aushandlungsprozesse zu machen und das Verhältnis zwischen beiden Sphären neu zu definieren. Heinrichs Great Matter führte – anders formuliert – also zu einer Reaktivierung sedimentierter Diskurse, die bislang in der Mehrheit als unhintergehbare Wahrheiten geglaubt und nicht hinterfragt worden waren. In einer traditionalen Gesellschaft, in der Veränderungen größtenteils negativ konnotiert waren, musste freilich ein Weg gefunden werden, um zwischen Tradition und Innovation zu vermitteln und angestrebte Neuerungen mit einer Aura des Alten, Vertrauten und Wahren zu versehen. Diese Rolle kam letztlich der Idee göttlicher Erwählung zu. Im England des 16. Jahrhunderts repräsentierte sie einen diskursiven Horizont, dessen primäre Aufgabe es war, eine Selektion, Umgruppierung und NeuVerschränkung bestehender Diskurse zu arrangieren, so dass darüber letztlich eine neuartige oder innovatorische Politik legitimiert und akzeptabel gestaltet werden konnte. Diese neuartige Politik hatte am Ende tiefgreifende Auswirkungen sowohl auf die religiösen Prämissen und Vorstellungen als auch auf Ordnungsstruktur und Vergemeinschaftung des englischen Gemeinwesens, weil dadurch eine neue Verbindung zwischen den Bereichen des Religiösen und Politischen, zwischen Transzendenz und Immanenz geschaffen wurde. Hieraus entstanden am Ende jene neuen Denk- und Sprachmöglichkeiten, mit denen agiert und auf die konkreten Herausforderungen der jeweiligen Herrschaftsphase reagiert wurde. Dieser neue Referenzrahmen der Erwählungsidee musste selbst erst geschaffen werden – ein Vorgang, der im Rahmen der Scheidungsaffäre König Heinrichs VIII. seinen Anfang nahm. Hier konvergierten die Interessen und Ziele der Krone in wichtigen Punkten mit jenen Vorstellungen evangelischer Reformer, so dass sich daraus eine neue hegemoniale Formation bilden konnte. Grundlage dieser war die Ablehnung wesentlicher Befugnisse und Vollmachten des Papsttums und Klerus’. Englische Autoren machten sich in diesem Zusammenhang unter anderem genuin protestantische Vergangenheitskonstruktionen zu eigen und entwarfen auf dieser Grundlage die gegenwärtige Lage des Gemeinwesens als ähnlich schwere Unterdrückungssituation, wie sie seinerzeit die Israeliten in Ägypten erdulden mussten. Entscheidend war in diesem Kontext, dass bislang vereinzelt auftretende Kritiken beispielsweise an den politischen Einflussmöglichkeiten sowie den ökonomischen Verhältnissen und sozialen bzw. rechtlichen Privilegien des Klerus nun konzentriert, verallgemeinert und mit einer grundsätzlichen Ablehnung von dessen sakraler Funktion überformt werden konnten. Im diesem Kontext etablierte sich in England schließlich eine fundamentale Unterscheidung zwischen einer wahren und falschen Weltsicht, die in An-

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lehnung an Jan Assmann als Mosaische Unterscheidung bezeichnet worden ist. Wesentliches Resultat dieser Unterscheidung war die Stigmatisierung der Papstkirche und aller ihrer Unterstützer als idolatrisch, gottlos, antichristlich und damit letztlich gemeinschaftsschädlich. Im Kampf der Wahrheiten, wie er infolge der Reformation ausgebrochen und geschürt worden war, wurden Kurie und Klerisei damit in einem Bereich des Unwahren bzw. Falschen verortet. Ihre Ablehnung avancierte fortan zur existenziellen Bedingung eines in England lebenden wahren Gläubigen und stellte damit einen unverzichtbaren Bestandteil englischer Identitätskonstruktion der Zeit dar. Die Etablierung der Mosaischen Unterscheidung war die notwendige Voraussetzung, um eine neuartige Erwählungspolitik zu konturieren, deren Kern unter Heinrich VIII. in der Verfestigung des königlichen Status als von Gott auserkohrener Herrscher bestand. Bereits an diesem Beispiel zeigt sich die grundlegende Funktion der Erwählungsidee, die hier als Schnittstelle diente, um das reformatorische Gedankengut, das sukzessiv vom Kontinent in das Gemeinwesen eindrang, mit einem Reservoir genuin englischer Traditionen und Vorstellungen in Einklang zu bringen und darüber bestehende Grundsatzkonflikte zu bearbeiten. Die Aufwertung der königlichen Stellung und Autorität sowie die Gründung der anglikanischen Staatskirche verdanken sich letztlich genau jener Neu-Verschränkung bestehender Wissensbestände mit genuin reformatorischen Entwicklungen und Ansichten im Horizont der königlichen Erwählung. So bekommt der Verweis auf die im Act of Appeals beschworenen „olde autentike histories and cronicles“, aus denen die ursprüngliche Unabhängigkeit Englands von der Papstkirche abgeleitet und die Eigenständigkeit der anglikanischen Kirche belegt werden sollte, erst durch die Erwählung des Herrschers seine volle Geltung. Denn erst diese Konstruktion erlaubte es, den König als legitimen Substituenten für den in seinen Vollmachten abgelehnten Papst zu präsentieren. Diese Erhebung des Monarchen war wiederum ein Effekt der reformatorischen Lesart der Bibel im Allgemeinen und insbesondere der in England vertretenen Befreiung des Alten Testaments aus seiner neutestamentlichen Deutung. Die unter Heinrich VIII. entwickelte Erwählungsidee war freilich kein starres Gebilde, sondern konnte zur Formulierung unterschiedlicher Interpretationen herangezogen werden. Während der König darüber vor allem eine sakrale Überhöhung seiner Herrschaft anstrebte, um so die institutionellen und rechtlichen Veränderungen abzusichern, betonten englische Reformer im Gegensatz dazu vielmehr die Pflichten, die sich aus jener Position notwendigerweise ergäben. Sie nutzten die Idee der Erwählung ebenfalls zur Propagierung einer innovatorischen Politik. Allerdings umfasste sie bei ihnen die Veröffentlichung einer volkssprachigen Bibel, die Bekämpfung von papistischen Praktiken und Glaubensvorstellungen wie Fegefeuer, Seelenmessen, Pilgerfahrten oder sonstigen ‚guten Werken‘ sowie die Rückkehr zu einem urkirchlichen Ideal. In diesem Sinne offenbarten sich die unterschiedlichen Zielsetzungen, die Krone und Reformer mit der Erwählungspolitik verfolgten. Derweil für Heinrich VIII. mit der Instituierung seiner Autorität der Prozess als abgeschlossen galt, sahen englische Reformer darin lediglich den ersten Schritt zu einer umfassenden Neustrukturierung von Kirche und Gesellschaft. Sinnbildlich schlugen sich die divergierenden Interpretationen in den Figuren David und Moses nieder, wobei Ersterer vor allem die königlichen und Letzterer die reformatorischen Interessen widerspiegelte.

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Die grundsätzliche Prekarität des Gedankengutes in henrizianischer Zeit wird nicht zuletzt durch die Widerstände illustriert, denen der König und die englischen Reformer begegneten. Die Auseinandersetzungen im Rahmen der Pilgrimage of Grace stellen gewissermaßen die Geburtswehen einer neuen Ordnung dar und zeigen deutlich, dass die Zeitgenossen sich der Neuartigkeit jenes diskursiven Horizonts Erwählung sehr wohl bewusst waren. Dieser Umstand führte dazu, dass die Idee nicht nur zur Rechtfertigung innovatorischer Politik herangezogen werden konnte, sondern selbst eine Innovation darstellte, die entsprechend legitimiert und legalisiert werden musste. Auf rechtlicher Ebene hatte sich dieser Prozess durch eine Reihe von parlamentarischen Gesetzen vollzogen, in dessen Zuge die Institution des Parlaments enorm aufgewertet wurde. Ausschlaggebend war auch hier die Notwendigkeit, die reklamierten Vollmachten des Königs in allgemein akzeptiertes und bindendes Recht zu überführen und damit die Neuartigkeit der Idee göttlicher Erwählung zu eskamotieren. Neben der rechtlichen Dimension fokussierten Konflikte wie die Pilgerfahrt jedoch in viel stärkerem Maße Fragen des Gemeinwohls und transferierten das Problem damit in einen ordnungspolitischen Rahmen, der die Grundfesten des Gemeinwesens betraf. So präsentierten die Akteure der Pilgrimage of Grace die jüngsten Veränderungen als grundlegend gemeinschaftsschädlich und heilsgefährdend, und leiteten daraus ihre Befugnis zum aktiven Widerstand gegen das Regime ab. Im Zuge der Erhebung kam es sodann zur Propagierung eines Gegenentwurfs, der im starken Kontrast zur aktuellen Ordnung die altkirchliche Art des Glaubensvollzugs zum alleinigen Fundament eines funktionierenden und prosperierenden, christlichen Gemeinwesens erklärte. Als Reaktion auf diese Herausforderungen erfolgte schließlich eine Elaboration der Erwählungsidee, die nun unmittelbar mit dem Gemeinwohl des englischen Königreichs verbunden wurde. In dieser Hinsicht konturierten die Apologeten der neuen Ordnung eine Vorstellung Englands als Heilsgemeinschaft, in der die Loyalität des Untertans zum entscheidenden Eckpfeiler der Heilsvergewisserung erklärt und somit sakral überhöht wurde. Mit dieser Verschmelzung von königlicher Erwählung und Gemeinwohl entwickelten englische Autoren zum ersten Mal eine genauere Definition der Bedeutung des Gedankengutes. Die henrizianische Zeit markiert die neuzeitliche Entstehung des diskursiven Horizonts Erwählung im englischen Gemeinwesen. Das wichtigste Artefakt seiner Regierung war ohne Zweifel die Einführung der Mosaischen Unterscheidung, die zur Grundlage englischer Identitätsbildung in der Neuzeit avancierte. 2 Die Logik der Mosaischen Unterscheidung war das notwendige Konstituens einer englischen Erwählungspolitik. Mit ihrer Aktualisierung wurde nicht nur eine Negativfolie geschaffen, von der man sich abgrenzen und die man verwerfen musste. Vielmehr diente sie dazu, die Notwendigkeit innovativer Politik vor Augen zu führen, indem sie die eigene, sozusagen unkonvertierte Vergangenheit als drohendes Menetekel immer wieder vergegenwärtigte. Besonders deutlich zeigt sich diese Logik in den Regierungszeiten Eduards VI. und Elisabeths I. Unter Eduard nutzten evangelische Akteure die Möglichkeiten der Mosaischen Unterscheidung, um weitergehende Reformen zu propagieren und legi2

In einer verkürzten Lesart wird dieses Phänomen von der Forschung zumeist unter dem Etikett Popery bzw. Anti-Popery behandelt.

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timieren. Ihrer Ansicht nach befand sich das Gemeinwesen in einer heiklen Phase, in der über das weitere Schicksal Englands entschieden wurde. Zur Rahmung dieser Situation nahm man Anleihe an der Exodus-Erzählung und verglich die aktuelle Lage mit jener Wanderung der Israeliten durch die Wüste. Auch diese sahen sich des Öfteren der schwierigen Frage ausgesetzt, ob man nicht vor dem Hintergrund einer unsicheren Zukunft und den beschwerlichen Umständen besser nach Ägypten zurückkehren solle. Für die eduardianischen Reformer bestand dieses Ägypten primär in der synkretistischen Glaubensform Heinrichs VIII., wie sie vor allem seit der Veröffentlichung der Sechs Artikel von 1539 umgesetzt worden war. Im Zuge der Prayer Book Rebellion waren die Aufständischen dezidiert für eine Beibehaltung der unter Heinrich eingeführten Gesetze und Praktiken eingetreten und hatten versucht, das Erbe des verstorbenen Königs gegen die angestrebten Reformen des neuen Regimes auszuspielen. In diesem Rahmen zeigte sich die kreative Adaptabilität der Mosaischen Unterscheidung, die nun verstärkt auf die henrizianische Herrschaftszeit ab 1539 angewandt wurde. Die Folge war eine Aufspaltung seiner Regierungszeit, wobei die frühe Reformphase sukzessiv als Beginn eines englischen Exodus stilisiert und die Zeit ab 1539 dagegen vermehrt als Rückschritt oder Stillstand angesehen wurde. Für diese Situation fand man im Bild der Wüste eine entsprechende Rahmung. Heinrich hatte derart das Volk aus der päpstlichen Knechtschaft befreit und es in die Ödnis geführt. Hier war nun der Ort, wo eine fundamentale Entscheidung getroffen werden musste zwischen der Rückkehr unter das Joch des päpstlichen Pharaos und dem Weiterzug ins Gelobte Land. An dieser Stelle offenbart die Applikation des Exodus-Narrativs ihre besondere Kraft: Denn einerseits leiteten die eduardianischen Reformer aus dem Bild der Wüste eine plastische und authentische Beschreibung ihrer eigenen Gegenwart ab und konnten beispielsweise einen Aufstand wie die Prayer Book Rebellion sehr passend als das Murren der Israeliten in der Wüste darstellen. Andererseits implizierte das biblische Vorbild auch eine Form der Versicherung, da das Gelobte Land dem auserwählten Volk bereits versprochen war. Um dort hinzugelangen, mussten freilich die gegenwärtigen Fährnisse überwunden werden. Auf diese Art und Weise artikulierten die Reformer letztlich jene Notwendigkeit weitergehender Reformen, durch die das englische Gemeinwesen in ihren Augen den Weg aus der Wüste und ins Gelobte Land finden würde. Hiermit wurde also versucht, Ängste vor Veränderungen und einer damit einhergehenden unsicheren und kontingenten Zukunft durch die Aktualisierung von Teilen der Exodus-Erzählung bestmöglich zu bekämpfen und dadurch gegenwärtige politische Maßnahmen akzeptabel zu gestalten. Die herangezogenen Teile des Exodus wiesen an dieser Stelle somit eine doppelte Funktion auf: Sie fungierten als Präzedens für eine Politik ohne eigentliches Präzedens; und sie insinuierten eine Kontinuität zur henrizianischen Regierungszeit, dessen Reformpolitik nach eigenen Angaben hier lediglich ihren logischen Fortgang gefunden hatte. Die frühe Regierungszeit Eduards VI. offenbarte ferner hinsichtlich der außenpolitischen Konstellation eine kreative Anwendung der Erwählungsidee. Seit dem englischen Schisma sowie den Reformen Heinrichs VIII. und Eduards VI. hatte sich sukzessiv eine neue sicherheitspolitische Doktrin entwickelt, die in den religiösen Unterschieden zwischen England und seinen Nachbarn den Ansatzpunkt für eine politisch-militärische Bedrohung ausmachte. Im Hinblick auf Schottland folgte hier

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nach ersten Reforminitiativen alsbald der Vorschlag einer dynastischen Vereinigung beider Länder, die unter Eduard VI. und der Regentschaft Protektor Somersets zur außenpolitischen Leitlinie erklärt wurde. Freilich stellte dies für viele Zeitgenossen eine Form der Neuerung dar, die mehrheitlich abgelehnt wurde. Im Kontext des anglo-schottischen Krieges verfielen Somerset und andere nun auf eine Erwählungspolitik, in deren Zuge die Union beider Länder als Gott gewollt präsentiert wurde. England firmierte in diesem Rahmen als ein erwählter Helfer und Führer, der Schottland aus dessen sklavischen Dasein unter dem doppelten Joch von Papsttum und Frankreich befreien und auf den Weg des wahren Glaubens lenken sollte. Auch hier spielte die Aktualisierung von Teilen des Exodus-Narrativs eine zentrale Rolle, stellte man die gegenwärtige Lage doch analog zu den Unbilden und Gefahren der Wüste dar. Gleichzeitig evozierten die Propagandisten der Unionsidee aber auch eine Vorstellung des Gelobten Landes, das in ihren Augen durch eine Vereinigung beider Gemeinwesen erreicht werden könne und den Namen Britannien trage. Dieses Land sei militärisch stärker, wirtschaftlich prosperierender, kulturell blühender und geostrategisch geschützter als die einzelnen Teile, was als deutliche Signale eines göttlichen Willens interpretiert wurde. Der Konflikt zeigt den erstmaligen Versuch einer systematischen Anwendung des Horizonts göttlicher Erwählung auf außenpolitische Konstellationen. Analog zu der Funktion im Inneren diente die Vorstellung auch hier dazu, bestehende Diskurse umund neu zu gruppieren, mit reformatorischen Ideen anzureichern und dadurch einen Rahmen zu schaffen, der einem hochgradig unsicheren oder prekären Gedankengut eine spezifische Sinnhaftigkeit zuschreiben und es damit akzeptabel machen sollte. Das Gedankengut fungierte – anders formuliert – auch hier als Referenzrahmen, um einen Akt innovatorischer Politik zu begleiten, zu legitimieren und abzusichern. Das Beispiel Irlands in elisabethanischer Zeit stellt für den vorliegenden Betrachtungszeitraum der Studie einen vorläufigen Höhepunkt in der Applikation und Anwendung von Teilen des Traditionszusammenhangs Exodus dar. Nicht nur bedienten sich die Iren und katholischen Engländer des Narrativs, um ihre eigene Situation als schwere Unterdrückung durch die elisabethanische Herrschaft zu präsentieren, die im Rahmen einer Inversion englisch-protestantischer Konstruktionen als quasi pharaonisches Joch dargestellt wurde. Im Rahmen des Neunjährigen Krieges spielte diese Art der Selbstwahrnehmung eine nicht unerhebliche Rolle, konnten so doch sowohl der spanische König als auch Hugh O’Neill, der Graf von Tyrone, als potentielle mosaische Befreier der darbenden katholischen Gemeinschaft in Irland angesprochen und stilisiert werden, welche gleichwohl erst durch diese Form der Sprachregelung hergestellt wurde. Darüber hinaus leiteten englisch-protestantische Siedler, Amtspersonen, Militärs und Autoren in Irland aus dem Exodus-Narrativ eine eigene Wahrnehmungstradition der Grünen Insel ab. Mit dem Ziel, eine Intervention in die bis dato praktizierte Irlandpolitik zu vollziehen und sie durch eine eindeutig radikalere Vorgehensweise zu ersetzen, wurde hier eine Perzeption geschaffen, die das Land als neuzeitliches Kanaan imaginierte. Diese Form der Repräsentation entwickelte sich aus den inneren Debatten um die Frage des englischen Bundes mit Gott, fand aber in ihrer Aktualisierung im irischen Kontext eine spezifische Modellierung, die den Gegebenheiten vor Ort angepasst war. Der Vorteil dieser Wahrnehmung lag in der Mehrdimensionalität des Vorbilds, das aus der Sicht englischer Akteure sowohl das Scheitern bisheriger

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Konzepte erklären als auch eine neue Richtung für notwendige Maßnahmen vorgeben konnte. Vor diesem Hintergrund betonten Schriften zu Irland auf der einen Seite die natürlichen Vorzüge, geographischen Vorteile sowie den prinzipiellen Ressourcenreichtum. Die Nachbarinsel erschien in diesen Darstellungen in der Tat als ein Land, in dem Milch und Honig fließen könnten. Dieses Potential wurde in den Augen englischer Siedler, Militärs und Unternehmer auf der anderen Seite jedoch konterkariert durch einen falschen Umgang mit der autochthonen Bevölkerung und Kultur, welche gewissermaßen ‚kanaanisiert‘ wurden. Analog zum biblischen Vorbild verlief die Argumentation in zwei Richtungen: Die Iren wurden sukzessiv aufgrund ihrer barbarischen Natur und ihres überwiegend katholischen Glaubens als jene kanaanitischen Ureinwohner charakterisiert, die eine beständige Bedrohung der Israeliten gewesen und von Gott selbst zur Ausrottung bestimmt worden seien. Diese Repräsentation war entscheidend, konnte die autochthone Bevölkerung so doch in die englischen Erwählungskonstruktionen der Zeit eingebunden werden. Demnach stellten es englische Autoren als Bruch des mit Gott geschlossenen Bundes dar, dass irische Kultur und Religion bislang weitgehend toleriert anstatt aktiv bekämpft worden waren. In ähnlicher Weise verfuhr man auch mit der Gruppe der sogenannten altenglischen Siedler. An ihnen demonstrierten neu-englische Autoren wie Edmund Spenser, Fynes Moryson, John Derricke, Barnaby Rich oder Richard Beacon die negativen Auswirkungen, die eine Tolerierung der irischen Kultur gehabt hätte. Parallel zu alttestamentlichen Klagen wurde den Old English vorgeworfen, sich entgegen den Bestimmungen des Herrn mit den Kanaanitern eingelassen zu haben, wodurch der Bund mit Gott gebrochen worden sei. Aufgrund der sicherheitspolitischen und militärischen Situation, gerade im Zuge des Neunjährigen Krieges, musste dieser Vorwurf sowohl Ängste einer katholischen Überwältigung als auch Vorbehalte gegen die Gruppe der Alt-Engländer schüren und die Notwendigkeit umfassender Maßnahmen in Irland umso deutlicher hervortreten lassen. Gerade im Hinblick auf die Gruppe der Old English zeigt sich noch einmal, dass die Mosaiche Unterscheidung eine hochgradig selbstreflexive Seite hat, da die Alt-Engländer hier als Symbol der eigenen unkonvertierten Vergangenheit erscheinen, von der man sich unbedingt befreien und lossagen möchte. Im Sinne des vorherrschenden Bundesgedankens in elisabethanischer Zeit forderten englisch-protestantische Akteure deshalb eine Erneuerung des Bundes, die sich bei ihnen primär in einem rücksichtslosen Kampf gegen Idolatrie, Häresie und Barbarei niederschlug. Die Kanaanisierung Irlands implizierte somit eine Politik der Umgestaltung und Neustrukturierung des Gemeinwesens, die in dieser Form ebenso neuartig wie radikal war und durch den Rekurs auf die vorherrschende Form der Erwählungsidee abgesichert und legitimiert werden sollte. Dass auf dieser Basis nicht nur die weitgehende Entmachtung alt-englischer Amtspersonen und Magnaten gefordert, sondern auch zahlreiche Gräueltaten an der autochthonen Bevölkerung begangen und gerechtfertigt wurden, nahmen die Betreffenden offenbar billigend in Kauf. Diese gewaltsame Wendung erklärt sich ebenfalls aus dem Zusammenhang des Exodus-Narrativs, das an sich von einem hohen Maß an Gewalt begleitet wird, eine überaus deutliche Konkretisierung jedoch im Hinblick auf die kanaanitischen Völker aufweist. Dieser ‚Anti-Kanaanismus‘ ließ sich sehr gut mit den unter Elisabeth I. entstehenden konfessionellen Gegensätzen in Irland in Einklang bringen. In der Stilisie-

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rung der Grünen Insel als neuzeitliches Kanaan ist daher eine Reaktion auf die konfessionelle Zuspitzung zu sehen, die in diesem Zeitraum überall in Europa zu beobachten war und derart einen englisch-protestantischen Bearbeitungsmodus jener Konfliktlage darstellte. Dieser Modus ergab sich freilich aus einer Tradition englischen Erwählungsdenkens und englischer Erwählungspolitik, wie sie seit der Zeit Heinrichs VIII. entstanden waren. Zusammenfassend kann zur Beurteilung der Erwählungsidee somit gesagt werden, dass es sich dabei weniger um einen eigenständigen Diskurs gehandelt hat, sondern eher um ein diskursorganisierendes Moment, dessen Funktion in erster Linie darin bestand, die Um- und Neugruppierung von Diskursen zu repräsentieren und die daraus hervorgehenden Verschränkungen politisch nutzbar zu machen. Im England des 16. Jahrhunderts wurde dieser Horizont primär dazu eingesetzt, um eine Politik der Neuerungen und des Wandels zu begleiten und zu legitimieren. Erwählung war also eine Art politisches Weltbild, das als eine handlungsleitende Fiktion einen Sinnhorizont produzierte, der Orientierungswissen bereitstellte, Identitätsangebote schuf und eine neuartige Form von Ordnung etablierte. Wesentlich dabei ist gleichwohl die Tatsache, dass es sich bei der Idee göttlicher Erwählung zunächst selbst um ein präkeres Wissen im Sinne Martin Mulsows gehandelt hatte, das erst infolge der Scheidungsaffäre und den damit verbundenen Reformen von der Krone als legitimes Wissen ausgewiesen und sukzessiv implementiert werden musste. Dies geschah im Zusammenhang einer hegemonialen Formation, in deren Rahmen sich die Obrigkeit Elemente des reformatorischen Gedankengutes zu Eigen machte, sie gleichsam aber in spezifischer Art und Weise auslegte. Das Ergebnis war ein neuer Zugang zur damaligen Welt, der die neuen Welterfahrungen der Zeit mit den politischen Zielen und religiösen Notwendigkeiten, wie sie sich aus dem Konflikt mit der Kurie ergeben hatten, in Einklang bringen konnte. Das unter Heinrich VIII. geschaffene Muster englischer Erwählungspolitik wies sowohl Konstanten im Sinne der Mosaischen Unterscheidung als auch Veränderungen auf. Vor allem scheint es hier ein Lernprozess gewesen zu sein, der es den zeitgenössischen Akteuren erlaubte, das neue Ordnungs- und Wahrheitsregime nicht nur zu akzeptieren, sondern es sukzessiv auch zur Propagierung der jeweils eigenen Interessen und Ziele nutzbar zu machen. Der biblische Exoduszusammenhang bot hierfür die narrative Rahmung und erlaubte eine mitunter kreative Anpassung des Horizonts an konkrete Umstände und Konstellationen. Hieraus resultierte eine englische Erwählungspolitik, die in erster Linie eine Politik der Innovation war und Neues erfahr-, denk- und akzeptierbar machen sollte. An deren Anfang stand Heinrich VIII. – ein Ende war mit dem Tod Elisabeths I. allerdings noch nicht erreicht. Denn wie bereits Michael Walzer festgestellt hat, kann ein Rückfall in ägyptische Verhältnisse immer drohen, solange Menschen in der diesseitigen Welt Leben und Handeln.

F. Anhang

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS AHR AKG ARG EconHR EHR EdN GG HJ HJb H&T HZ HLQ IHS JbKG JBS JEH JEMH JMEMS JHI JModH NZSTh

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American Historical Review Archiv für Kulturgeschichte Archiv für Reformationsgeschichte Economic History Review English Historical Review Enzyklopädie der Neuzeit Geschichte & Gesellschaft Historical Journal Historisches Jahrbuch History & Theory Historische Zeitschrift Huntington Library Quarterly Irish Historical Studies Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte Journal of British Studies Journal of Ecclesiastical History Journal of Early Modern History Journal of Medieval and Early Modern Studies Journal of the History of Ideas Journal of Modern History Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie Oxford Dictionary of National Biography Past & Present Religion in Geschichte und Gegenwart, 8 Bde. + Reg., 4. Auflage, hrsg. von Hans Dieter Betz et al., Tübingen 1998-2007. Sixteenth Century Journal Scottish Historical Review A short-title catalogue of books printed in England, Scotland, & Ireland and of English books printed abroad 1475-1640, zuerst bearb. und hrsg. von Alfred W. POLLARD und Gilbert R. REDGRAVE, London 1926. Zweite durchges. und erw. Aufl., begonnen von William A. JACKSON und Frederic S. FERGUSON, vollendet

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TRE TRHS USTC

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VfZ WMQ ZHF ZPol ZRGG

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von Katharine F. PANTZER, und mit einem chrono-logischen Index versehen von Philip R. RIDER, 3 Bde., London 1976-91. Theologische Realenzyklopädie Transactions of the Royal Historical Society Universal Short Title Catalogue, betreut von der Universität St. Andrews, URL: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte William and Mary Quarterly Zeitschrift für historische Forschung Zeitschrift für Politikwissenschaft Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte

ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Moses empfängt die Zehn Gebote, aus: Coverdale, Biblia, Titelblatt [Auszug], © British Library. Abbildung 2: Titelblatt der Coverdale-Bibel 1535, © British Library. Abbildung 3: The pope thrusteth downe the Aigle, aus: Lynne, Beginning and endyng of all poperye, fol. Div, © British Library. Abbildung 4: The Pope thrustethe the lambe thorowe with his sworde. And therefore gyueth him the deuyll the keyes that is, power and might, aus: Lynne, Beginning and endyng of all poperye, fol. Eiiv, © British Library. Abbildung 5: The Pope with his keyes, aus: Lynne, Beginning and endyng of all poperye, fol. Eiiiv, © British Library.

Q UELLEN Ungedruckte Quellen BRITISH LIBRARY Cleopatra E 6, fols. 16-135 Add[itional] MS 34313, fols. 84-121 Add MS 48018 (Yelverton MS XIX), fols. 388-391 THE NATIONAL ARCHIVES PRO, SP 2/N, fols. 78-79 PRO, SP 10/8 PRO, SP 60/9 PRO, SP 63/78 PRO, SP 63/85/39

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PRO, SP 63/87/55 PRO, SP 63/131/64 PRO, SP 63/190, Nr. 42(1) KB 8/17 m. 9 NATIONAL ARCHIVES OF SCOTLAND State Papers 13/7 TRINITY COLLEGE DUBLIN MS 578

Gedruckte Quellen ABEL, Thomas: Invicta Veritas, Antwerpen[?] 1532 (STC2 61/British Library). A bryfe and faythfull declaration of ye true fayth of Chryst […], London 1547 (STC2 1035.5/Bodleian Library). A comparison of the English and Spanish nation, London 1589 (STC2 13102/British Library). A compendious olde treatyse, shewynge howe that we oughte to haue ye scripture in Englysshe, Antwerpen 1530 (STC2 3021/Henry E. Huntington Library). A Copie of a lettre sent to preachers, London 1548 (STC2 9181.5/Lambeth Palace Library). A cronicle of yeres from the begynning of the worlde, wherin ye shal fynd the names of al the kinges of Engla[n]d […], London 1542 (STC2 9986/British Library). A Declaration, conteynyng the ivst cavses and considerations, of this present warre with the Scottis […], London 1542 (STC2 9179/British Library). A dialogue betwene a knyght and a clerke concernynge the power spiritual and temporall, London 1533 (STC2 12511/British Library). A discourse of Ireland (circa 1599): a sidelight on English colonial policy, ed. von David B. Quinn, in: Proceedings of the Royal Irish Academy, Section C, 47 (1942), S. 151-166. A Dyalogue or disputacio[[n] bytwene a gentylman and a prest concernyng the Supper of ye Lorde, London 1548 (STC2 6802.5/Cambridge University Library). A fruteful, and pleasaunt worke of the beste state of a publyque weale, and of the newe yle called Vtopia, übers. von Ralph Robinson, London 1551 (STC2 18094/Henry E. Huntington Library). A Glasse of the truthe, London 1532 (STC2 11918/Bodleian Library). A Goodly Dyalogue betwene Knowledge and Symplicitie, London 1548 (STC2 6806/Henry E. Huntington Library). A joyfull new ballad of the late Victory obtain’d by my Lord Mount-Joy and her Majesties forces in Ireland against yt arch-traytor Tirone and his confederats, upon the 24 of December last [1602], in: Carpenter (Hg.), Verse in English, S. 116120. ALLEN, William: An admonition to the nobility and people of England and Ireland concerninge the present vvarres made for the execution of his Holines sentence,

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by the highe and mightie Kinge Catholike of Spaine, Antwerpen 1588 (STC2 368/British Library). ALLEN, William: A Declaration of the Sentence and deposition of Elizabeth, the vsurper and pretensed Quene of Englande, Antwerpen 1588 (STC2 22590/British Library). ALLEN, William: The copie of a letter vvritten by M. Doctor Allen: concerning the yeelding vp of the citie of Dauentrie vnto his Catholike Maiestie, by Sir VVilliam Stanley knight, Antwerpen 1587 (STC2 370/British Library). A. M.: The true reporte of the prosperous successe which God gaue vnto our English souldiours against the forraine bands of our Romaine enemies lately ariued […] in Ireland, in the yeare 1580, London 1581 (STC2 17124a/Cambridge University Library). A necessary doctrine and erudition for any Christen man sette furthe by the kynges maiestie of Englande, London 1543 (STC2 5168/British Library). An extracte of the determinacion, and censure of the Doctours of the vniuersities of Salamanca and Valledolid, touching the vvarres of Ireland, and declaracion of the Poape [sic!] his Breve concerning the same vvarres, Salamanca 1603 (STC2 21595/British Library). A panegyric of Henry VIII as the abolisher of papist abuses, London 1537[?] (STC2 13089a/Bodleian Library). A prayer for victorie and peace, London 1548 (STC2 16503/Pepys Library). A Relation, or rather, a true account of the Island of England: with sundry particulars of the customs of these people and of the royal revenues under King Henry the Seventh, about the year 1500, übers. und ed. von Charlotte A. SNEYD, London 1847. A report, written by the archbishop of Armagh, John Long, to explain the dispute which arose in the Council Chamber between Sir N. White and the bishop of Meath [1586], in: W. Maziere Brady (Hg.), State Papers concerning the Irish Church in the time of Elizabeth, London 1868, S. 113-115. Articles deuisid by the holle consent of the kynges moste honourable counsayle his gracis licence opteined therto, not only to exhorte, but also to enfourme his louynge subiectis of the trouthe, London 1533 (STC2 9177/British Library). Articles devised by the kynges highnes maiestie, to stablyshe christen quietnes and vnitie amonge us […], London 1536 (STC2 10033.2/British Library). A short cronycle wherin is mencioned all the names of all the kings of England of the mayers, [and] sheriffes of the cytie of Londo[n] of diuers and many notable actes and thi[n]ges done in [the] sith the time of kige henry [the] fourth, London 1540 (STC2 9985.5/Bodleian Library). ASTON, Edward: The manners, lauues, and customes of all nations […], London 1611 (STC2 3198.5/Harvard University Library). A treatise concernynge generall councilles, the byshoppes of Rome, and the clergy, London 1538 (STC2 24237/Durham University Library). A treatise vvherin Christe and his techynges, are compared with the pope and his doinges, London 1534 (STC2 14575/Folger Shakespeare Library). A treatyse of the donation or gyfte and endowme[n]t of possessyons, gyuen and graunted vnto Syluester pope of Rhome, by Constantyne emperour of Rome […], London 1534 (STC2 5641/British Library).

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BALE, John: The image of bothe churches […], erw. Neuausgabe London 1548 (STC 2 1297/British Library). BALE, John: A comedy concernynge thre lawes, of nature, Moses, & Christ, corrupted by the Sodomytes, Pharysees and Papystes, Wesel 1548[?] (STC2 1287/British Library). BALE, John: The actes of Englysh votaryes comprehendynge their vnchast practyses and examples by all ages, from the worldes begynnynge to thys present yeare, Antwerpen 1546 (STC2 1270/British Library). BALE, John: A brefe chronycle concernynge the examinacyon and death of the blessed martyr of Christ syr Iohan Oldecastell the lorde Cobham, Antwerpen 1544 (STC2 1276/British Library). BALE, John: Yet a course at the Romyshe foxe A dysclosynge or openynge of the Manne of synne […], Antwerpen 1543 (STC2 1309/British Library). BALE, John: The vocacyon of Ioha[n] Bale to the bishiprick of Ossorie in Irela[n]de his persecucio[n]s in ye same, & finall delyueraunce, Wesel[?] 1553 (STC2 1307/Bodleian Library). Ballad on the defeat of the Devon and Cornwall rebels of 1548, London 1549 (STC2 6795/British Library). BARLOW, Jerome: A proper dyaloge, betwene a gentillman and a husbandma[n], eche complaynynge to other their miserable calamite, through the ambicion of the clergye, Antwerpen 1530 (STC2 1462.5/British Library). BARLOW, Jerome: Rede me and be nott wrothe for I saye no thynge but trothe […], Straßburg 1528 (STC2 1462.7/Henry E. Huntington Library). BARLOW, William: A dyaloge describing the originall grou[n]d of these Lutheran faccyons, and many of theyr Abusys, London 1531 (STC2 1461/Bodleian Library). BARNES, Robert: A supplicatyon […] vnto the most excellent and redoubted prince kinge henrye the eyght, Antwerpen 1531 (STC2 1470/Cambridge University Library). BATESON, Mary (Hg.): The Pilgrimage of Grace and Aske’s Examination, in: EHR 5 (1890), S. 330-345 und 550-573. BEACON, Richard: Solon his follie, or a politique discourse, touching the reformation of common-weales conquered, declined or corrupted, Oxford 1594 (STC² 1653/Henry E. Huntington Library). BECCARI, Bernadino: Ragguaglio de i successi dell’isola d’Hibernia a favor de‘ cattolici, Rom 1599 (USTC 813019/Biblioteca Angelica Rom). BECCARI, Bernadino: Relatione della guerra d’Hibernia […], Rom 1596 (USTC 812992/Biblioteca Angelica Rom). BECCARI, Bernadino: Avviso della rotta che ha data il signor d’Odonnel a l’esercito dell’asserta reina d’Inghilterra, Rom 1596 (USTC 812981/Biblioteca Angelica Rom). BECON, Thomas: The flower of godly prayers, London 1551 (STC2 1720/British Library). BELLARMIN, Robert: Disputationes Roberti bellarmini politiani, societas Jesu, de controversiis Christianae fidei, adversus huius temporis haereticos, tribus tomis comprehensae, Ingolstadt 1586 (USTC 640032/Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel).

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BERKOWITZ, David S. (Hg.): Humanist Scholarship and Public Order, Washington u.a. 1984. BLACK, Joseph L. (Hg.): The Martin Marprelate tracts. A modernized and annotated edition, Cambridge u.a. 2008. BLACKWOOD, Adam: De Iezabelis Angliae Parricidio [1587?], in: Adami Blacvodaei, Opera Omnia, Paris 1644 (Bayerische Staatsbibliothek München, Sign. Opp. 662 t). BODRUGAN, Nicholas: An epitome of the title that the kynges Maiestie of Englande, hath to the souereigntie of Scotlande […], London 1548 (STC 2 3196/British Library). BOECE (Boethius), Hector: Heir beginnis the hystory and croniklis of Scotland, Edinburgh 1540 (STC2 3203/British Library). BOECE (Boethius), Hector: Scotorum historiae a prima gentis origine […], Paris 1527 (USTC 145871/Bodleian Library). BOEMUS, Johann: Repertorium librorum trium Joannis boemi de omnium gentium ritibus, Augsburg 1520 (USTC 690593/Bayerische Staatsbibliothek). BOMELIUS, Heinrich: The summe of the holye scripture […], Antwerpen 1529 (STC2 3036/Cambridge University Library). BONDE, William: A deuote treatyse for them that ben tymorouse and tearefull in conscience […], London 1534 (STC2 3275/Henry E. Huntington Library). BRADSHAW, Brendan (Hg.): A treatise for the reformation of Ireland, 1554-5, in: Irish Jurist, New Ser. 16 (1981), S. 299-315. BRAY, Gerald L. (Hg.): Documents of the English Reformation, Cambridge 1994. BRINKELOW, Henry: The co[m]plaint of Roderyck Mors […], London 1548 (STC2 3760/Bodleian Library). BRINKELOW, Henry[?]: A supplication of the poore commons […], London 1546 (STC2 10884/British Library). BROWNE, Nicholas: Munster in A.D. 1597, ed. von James Buckley, in: Journal of the Cork Historical and Archaeological Society Second Ser., 12 (1906), S. 53-68. BRYSKETT, Lodowick: A discourse of ciuill life containing the ethike part of morall philosophie, London 1606 (STC2 3959/British Library). BUCER, Martin: The gratulation of the mooste famous clerke M. Martin Bucer […] vnto the churche of Englande for the restitucion of Christes religion, London 1549 (STC2 3963/British Library). BURNET, Gilbert: The Abridgement of the History of the Reformation of the Church of England, London 1682 (Wing B 5755/British Library). BURTON, William: A sermon preached in the Cathedrall Church in Norwich, the xxi. day of December, 1589, London 1590 (STC2 4178/British Library). BYRCHENSHA, Ralph: A discourse occasioned vpon the late defeat, giuen to the archrebels, Tyrone and Odonnell, by the right Honourable the Lord Mountioy, Lord Deputie of Ireland, the 24. of December, 1601, London 1602 (STC2 3081/Henry E. Huntington Library). CAJETAN, Opusculum de coniugio regis Angliae cum relicta fratris sui, Paris 1545 (USTC 116369/Bodleian Library). Calendar of State Papers and Manuscripts, Relating to English Affairs, Existing in the Archives and Collections of Venice and in other libraries of northern Italy, 38 Bde., ed. von Rawdon BROWN et al., London 1864-1940.

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Calendar of State Papers Domestic Series of the reign of Edward VI 1547-1553, überarb. Neuauflage, ed. von C. S. KNIGHTON, London 1992. Calendar of State Papers Relating to the Negotiations Between England and Spain, ed. von Pascual DE GAYANGOS / Gustav Adolf BERGENROTH et al., 13 Bde., London 1862-1954. Calendar of State Papers relating to Ireland, of the reigns of Henry VIII., Edward VI., Mary and Elizabeth, 10 Bde., ed. von Hans C. HAMILTON / Ernest George ATKINSON / Robert P. MAHAFFY, London 1860-1912. Calendar of State Papers relating to Scotland. The Scottish Series, 2 Bde., ed. von Markham J. THORPE, London 1858. Calendar of the Carew Manuscripts, preserved in the Archiepiscopal Library at Lambeth, ed. von John S. BREWER & William BULLEN, 6 Bde., London 1867-73, hier Nachdruck Nendeln 1974. CALVERLEY, William: A dyalogue bitwene the Playntife and the Defendaunt, London 1537[?] (STC2 4370/Henry E. Huntington Library). CAMBRENSIS, Giraldus: Expugnatio Hibernica. The conquest of Ireland [1189], übers. und ed. von Alexander B. Scott & Francis X. Martin, Dublin 1978. CAMBRENSIS, Giraldus: Topographia Hibernica [1188], übers. und ed. von John J. O’Meara, The history and topography of Ireland, überarb. Neuausgabe, Harmondsworth 1982. CAMDEN, William: Britain, or A chorographicall description of the most flourishing kingdomes, England, Scotland, and Ireland, and the ilands adioyning, out of the depth of antiquitie beautified vvith mappes of the severall shires of England, London 1610 (STC2 4509/Yale University Library). CAMPION, Edmund: Historie of Ireland [1571], in: James Ware (Hg.), The historie of Ireland, collected by three learned authors viz. Meredith Hanmer Doctor in Divinitie: Edmund Campion sometime fellow of St Iohns Colledge in Oxford: and Edmund Spenser Esq, Dublin 1633 (STC 2 25067a/Henry E. Huntington Library), S. 1-139. CANNY, Nicholas (Hg.): Rowland White’s ‚Discors Touching Ireland‘, c. 1569, in: IHS 20 (1977), S. 439-463. CAPORELLA, Pietro Paolo: Quaestio de matrimonio serenissimae reginae Angliae, Neapel 1531 (USTC 818575/Biblioteca universitaria Alessandrina). CARPENTER, Andrew (Hg.): Verse in English from Tudor and Stuart Ireland, Cork 2003. CARPENTER, John: Time complaining, giueth a most godly admonition, and very profitable instruction to England in this our dangerous tyme, London 1588 (STC2 4668/Henry E. Huntington Library). CARTWRIGHT, Thomas: A treatise of Christian religion. Or, the whole bodie and substance of diunintie, London 1616 (STC2 4707.7/Henry E. Huntington Library). CAVENDISH, George: The Life and Death of Cardinal Wolsey, ed. von Richard S. Sylvester, London 1961. CECIL, William: The copie of a letter sent out of England to Don Bernardin Mendoza ambassadour in France for the King of Spaine declaring the state of England, London 1588 (STC2 15412/Henry E. Huntington Library). Certayne sermons, or homilies, appoynted by the Kynges Maiestie, to be declared and redde […], London 1547 (STC2 13641.9/Folger Shakespeare Library).

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CHARNOCK, Robert: An ansvvere made by one of our brethren, a secular priest, now in prison, to a fraudulent letter of M. George Blackwels, written to Cardinall Caietane […], London 1602 (STC2 19830/Henry E. Huntington Library). CHEKE, John: The hurt of sedicion howe greueous it is to a commune welth, London 1549 (STC2 5109/British Library). CHURCHYARD, Thomas: The Miserie of Flavnders, Calamitie of Fraunce, Misfortune of Portugall, Unquietnes of Irelande, Troubles of Scotlande: And the blessed State of Englande, London 1579 (STC2 5243/Henry E. Huntington Library). CHURCHYARD, Thomas: A generall rehearsall of warres, called Churchyardes choise […], London 1579 (STC2 5235.2/Henry E. Huntington Library). COKE, John: The debate betwene the heraldes of Englande and Fraunce, London 1550 (STC2 5530/British Library). COLET, John: Oratio habita a D. Ioanne Colet decano Sancti Pauli ad clerum in conuocatione, London 1512 (STC2 5545/Bodleian Library). COLET, John: The Sermo[n] of doctor Colete, made to the Conuocacion at Paulis, London 1530 (STC2 5550/Bodleian Library). Complaint and Reform in England, 1436-1714, hrsg. und ed. von William H. DUNHAM / Stanley PARGELLIS, Neuausgabe New York 1968. COPINGER, John: The theatre of Catolique and Protestant religion diuided into twelue bookes, Saint-Omer 1620 (STC2 4284/Bodleian Library). Correspondence of Edward, Third Earl of Derby, ed. von Thomas N. TOLLER [Chetham Society, New Series 19], Manchester 1890. Correspondence of Matthew Parker, Archbishop of Canterbury, comprising letters written by and to him, from A.D. 1535, to his death, A.D. 1575, ed. von John BRUCE, Cambridge 1853. Correspondence of Sir Thomas More, ed. von Elizabeth F. ROGERS, Princeton 1947. CORRIE, George E. (Hg.): Sermons by Hugh Latimer, 2 Bde., Cambridge 1844/45. COVERDALE, Miles: The whole Byble that is the holy scripture of the Olde and Newe testament, Zürich 1550 (STC2 2080/British Library). COVERDALE, Miles: The Newe Testament, London 1549 (STC2 2858/British Library). COVERDALE, Miles: Biblia. The Bible, that is, the holy Scripture of the Olde and New Testament, faithfully and truly translated out of Douche and Latyn in to Englishe, Antwerpen[?] 1535 (STC2 2063/British Library). CRANMER, Thomas et al.: The determinations of the moste famous and mooste excellent vniuersities of Italy and Fraunce […], London 1531 (STC 2 14287/British Library). CROWLEY, Robert: Philargyrie of Greate Britayne, London 1551 (STC2 6089.5/British Library). CROWLEY, Robert: The voyce of the laste trumpet […], London 1549 (STC2 6094/Henry E. Huntington Library). CROWLEY, Robert: The confutation of the xiii. articles, wherunto Nicolas Shaxton, late bishop of Salilburye [sic!] subscribed and caused to be set forth in print […], London 1548 (STC2 6083/British Library). CROWLEY, Robert: An informacion and Peticion agaynst the oppressours of the pore Commons of this Realme […], London 1548 (STC 2 6086/British Library). DAVIES, John: A discouerie of the true causes why Ireland was neuer entirely subdued, nor brought vnder obedience of the crowne of England, vntill the beginning

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of his Maiesties happie raigne, London 1612 (STC2 6348/Folger Shakespeare Library). DENT, Arthur: The ruine of Rome: or An exposition vpon the whole Reuelation […], London 1603 (STC2 6640/Union Theological Seminary New York). DERRICKE, John: The image of Irelande with a discouerie of vvoodkarne […], London 1581 (STC2 6734/British Library). Desiderata Curiosa Hibernica, or a select collection of State Papers; consisting of Royal instructions, directions, dispatches, and letters. To which are added some historical tracts. The whole illustrating the opening of the political systems of the chief governors and government of Ireland during the Reigns of Queen Elizabeth, James the First, and Charles the First, 2 Bde., Dublin 1772. Dowcra’s Relation of Service done in Ireland, in: Miscellany of the Celtic Society, ed. von John O’DONOVAN, Dublin 1849, S. 187-213. DRAYTON, Michael: Poly-Olbion, London 1612 (STC2 7226/University of Wisconsin Library). DUMONT, Jean: Corps universel diplomatique du droit des gens […], 8 Bde. in mehreren Teilbänden, Amsterdam 1726-1740. Dye Grundtlichen Vnd rechten haupt Artickel aller Baurschafft vnnd Hyndersessen der Gaistlichen vn[d] Weltlichen oberkayten, von wölchen sy sich beschwert vermainen, Augsburg 1525 (Bayerische Staatsbibliothek/VD 16 G 3540). DYMMOK, John: A Treatice of Ireland [um 1600], ed. von Richard Butler in: Tracts Relating to Ireland, Bd. 2, hrsg. von der Irish Archaeological Society, Dublin 1843, S. 1-90. Early Writings of John Hooper, ed. von Samuel CARR, Cambridge 1843. EDWARD VI. / Edward SEYMOUR: A message sent by the kynges Maiestie, to certain of his people, assembled in Deuonshire, London 1549 (STC2 7506/Bodleian Library). EDWARD, Lord Herbert of Cherbury: The Life and Reign of Henry VIII, London 1741. ELDER, John: A Proposal for uniting Scotland with England, addressed to King Henry VIII, abgedruckt in: The Bannatyne Miscellany, containing original papers and tracts, chiefly relating to the history and literature of Scotland, Bd. 1, Edinburgh 1827, S. 1-18. ELLIS, Henry (Hg.): Original letters, illustrative of English history, 2nd Series, Bd. 3, London 1827. ELTON, Geoffrey (Hg.): The Tudor constitution. Documents and commentary, Cambridge 1960. English Historical Documents, Bd. 2: 1042-1189, ed. von David DOUGLAS / George W. GREENAWAY, 2. Aufl., London u.a. 1982. English Historical Documents, Bd. 4: 1327-1485, ed. von Alec R. MYERS, London 1969. English Historical Documents, Bd. 5: 1485-1558, ed. von C. H. WILLIAMS, London 1967. Enormytees vsyd by the Clergy, London 1532 (STC2 10421.5/Cambridge University Library). FABYAN, Robert: The Great Chronicle of London, ed. von Arthur H. Thomas & Isobel D. Thornley, London 1938.

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FARR, Edward (Hg.): Select Poetry, chiefly devotional of the reign of Queen Elizabeth, Bd. 2, Cambridge 1845. FINGLAS, Patrick: A Breviat of the Getting of Ireland, And of the Decaie of the same, [c. 1534], in: Walter Harris (Hg.), Hibernica, or some antient pieces relating to Ireland, Bd. 1, Dublin 1770, S. 79-103. FISH, Simon: A Supplicacyon for the Beggers, Antwerpen[?] 1529 (STC2 10883/British Library). FISHER, John: Assertionis Lutheranae confutatio, Antwerpen 1523 (USTC 403705/Cambridge University Library). FISHER, John: Here after ensueth two fruytfull Sermons […], London 1532 (STC2 10909/Henry E. Huntington Library). FOXE, Edward: Opus eximium, de vera differentia regiae potestatis et ecclesiasticae et quae sit ipsa veritas ac virtus vtriusque, London 1534 (STC2 11218/British Library). FOXE, John: Actes and Monuments of these latter and perillous dayes touching matters of the Church […], London 1570 (STC2 11223/Harvard University Library). FOXE, John: Actes and Monuments of these latter and perillous dayes touching matters of the Church […], London 1563 (STC2 11222/Henry E. Huntington Library). FRAMPTON, John: A Discouerie of the countries of Tartaria, Scithia, & Cataya, by the North-East: With the maners, fashions, and orders which are vsed in those countries, London 1580 (STC2 11255/Lambeth Palace Library). FRITH, John: A disputacio[n] of purgatorye, Antwerpen 1531 (STC2 11386.5/British Library). FRITH, John: Antithesis, wherin are compared together Christes actes and the Popes (1529), in: The whole workes of W. Tyndall, Iohn Frith, and Doct. Barnes, three worthy martyrs […], London 1573 (STC 2 24436/Henry E. Huntington Library), S. 97-106. Fourth Report of the Deputy Keeper of Public Records, Appendix II, London 1843. FYLOLL, Jasper: Agaynst the possessyons of the clergye, London 1533[?], (STC2 11489/Bodleian Library). GARDINER, Stephen: Here foloweth the some and effect of the sermon which Gardiner Bishop of Winchester preached before the kings maiesty […], abgedruckt bei: John FOXE, Actes and Monuments […], London 1563, S. 771-776. GARDINER, Stephen: A detection of the Devils sophistrie, London 1546 (STC2 11591/British Library). GARDINER, Stephen: De vera obedientia, oratio, Hamburg 1536 (USTC 694670/Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin). GARDINER, Stephen: De vera obedientia oratio, London 1535 (STC2 11584/British Library). GERRARD, Philip: A godly inuectiue in the defence of the Gospell […], London 1547 (STC2 11797/British Library). GERRARD, William: Lord Chancellor Gerrard’s Notes of His Report on Ireland, ed. von C. McNeill, in: Analecta Hibernica 2 (1931), S. 93-291. GEST, Edmund: A treatise againste the preuee masse, London 1548 (STC2 11802/British Library).

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GIBSON, John: The sacred shield of al true Christian souldiers […], London 1599 (STC2 11834/British Library). GIFFORD, George: Sermons vpon the whole booke of the Reuelation, London 1596 (STC2 11866/Henry E. Huntington Library). GILBY, Anthony: An Admonition to England and Scotland to call them to repentance, gedruckt als Appendix zu The appellation of Iohn Knoxe […], Genf 1558 (STC2 15063/Bodleian Library), fol. 59v-80. GILLIES, William (Hg.): A poem on the downfall of the Gaoidhil, in: Éigse 13 (1969/70), S. 203-210. GODWIN, Francis: Annals of England […], London 1675 (Wing G 968/University of Michigan Libraries). GOODRIDGE, John F. (Hg.), Piers the Ploughman, überarb. Neuaufl., London u.a. 1966. GOSSON, Stephen: The trumpet of vvarre. A sermon preached at Paules Crosse the seuenth of Maie 1598, London 1598 (STC2 12099/Bodleian Library). HADFIELD, Andrew / MCVEACH, John (Hgg.): Strangers to that Land. British Perceptions of Ireland from the Reformation to the Famine, Gerrards Cross 1994. HADSOR, Richard: Discourse on the Irish State (1604), ed. von Joseph McLaughlin, in: IHS 30 (1997), S. 337-353. HAGAN, John (Hg.): Some Papers Relating to the Nine Years’ War, in: Archivium Hibernicum 2 (1913), S. 274-320. HAKLUYT, Richard: Diuers voyages touching the discouerie of America, and the ilands adiacent vnto the same made first of all by our Englishmen, and afterward by the Frenchmen and Britons […], London 1582 (STC2 12624/University of Michigan Libraries). HALL, Edward: Hall’s Chronicle. Containing the history of England, during the reign of Henry the Fourth, and succeeding monarchs, to the end of the reign of Henry the Eighth, ed. von Henry Ellis, Nachdruck der Ausgabe London 1809, New York 1965. HARDIMAN, James (Hg.): A Statute of the Fortieth Year of King Edward III. enacted in a Parliament held in Kilkenny A. D. 1367, Dublin 1843. HARDYNG, John: The chronicle from the firste begynnyng of England […], London 1543 (STC2 12767/British Library). HARPSFIELD, Nicholas: Harpsfield’s Life of More, ed. von Elsie Vaughan Hitchock, London 1963. HARRISON, James: An exhortacion to the Scottes to conforme them selfes to the honourable, expedie[n]t, and godly vnion, betwene the twoo realmes of Englande and Scotlande, London 1547 (STC2 12857/British Library). Here begynneth a boke, called the faule of the Romyshe churche […], London 1548 (STC2 21305.3/British Library). Here begynnethe the Lanterne of Lyght, London 1535[?] (STC2 15225/British Library). HENRY VIII.: An epistle of the most myghty and redouted Prynce Henry the .viii. […] wrytten to the Emperours Maiestie, to all Christen princes, and to all those that trewly and syncerely professe Christes religion […], London 1538 (STC2 13081/Folger Shakespeare Library).

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HENRY VIII.: Henrici octaui regis Angliae et Franciae […] ad Carolum Caesarem Augustum, caeterosq[ue] orbis Christiani monarchas, populumq[ue] Christianum, epistola […], London 1538 (STC2 13080.5/Henry E. Huntington Library). HENRY VIII.: Illustrissimi ac potentissimi Regis, Senatus, populiq[ue] Angliae, sententia, & de eo concilio, quod Paulus episcopus Rom. Mantuae futurum simulauit & de ea bulla, quae ad calendas Nouembres id prorogarit, London 1537 (STC2 13082/British Library). HENRY VIII.: A protestation made for the most mighty and moste redoubted kynge of Englande […] that neyther his hyghenes, nor his prelates, neyther any other prynce, or prelate, is bounde to come or sende, to the pretended councell […], London 1537 (STC2 1537/Bodleian Library). HENRY VIII.: Answere to the petitions of the traytours and rebelles in Lyncolneshyre, London 1536 (STC2 13077.5/Cambridge University Library). HENRY VIII.: Answere made by the Kynges hyghnes to the petitions of the rebelles in Yorkeshire, London 1536 (STC2 13077/Cambridge University Library). HENRY VIII.: Assertio septem sacramentorum aduersus Martin Lutheru[m] […], London 1521 (STC2 13078/British Library). HERBERT, William: Croftus Sive de Hibernia Liber [1591?], ed. und übers. von Arthur Keaveney & John A. Madden, Dublin 1992. HILL, Adam: The crie of England A sermon preached at Paules Crosse in September 1593, London 1595 (STC2 13465/British Library). HOGAN, Edmund (Hg.): The Description of Ireland […] in Anno 1598, Dublin 1878. HOGUE, Peter[?]: La responce du peuple anglois à leur roy Edouard sur certaines articles qui en son nom leurs ont esté envoyez touchant la religion chrestienne, Paris 1550 (USTC 3410/British Library). HOLINSHED, Raphael: The Third volume of Chronicles […], London 1587 (STC2 13569/Henry E. Huntington Library). HOLME, Wilfrid: The fall and euill successe of rebellion from time to time wherein is contained matter, moste meete for all estates to vewe, London 1572 (STC2 13603/Henry E. Huntington Library). HOOKER, John (alias Vowell): The Description of the Citie of Excester, ed. von W. J. Harte / J. W. Schopp / H. Tapley-Soper, 3 Bde., Exeter 1919-1947. HOOKER, John: The Svpplie of this Irish Chronicle, continued from the death of king Henrie the eight, 1546, vntill this present yere 1586 […], in: Raphael Holinshed, The Second volume of Chronicles, London 1586 (STC 2 13569/Henry E. Huntington Library), S. 107-183. HOOPER, John: A declaratyon of the ten holy commaundementes of almyghtye God, London 1550 (STC2 13750.5/British Library). HOOPER, John: An answer unto my lord of wynchesters booke […], in: Carr (Hg.), Early Writings of John Hooper, S. 97-248. HOOPER, John: A declaration of Christe and of his offyce, Zürich 1547 (STC2 13745/British Library). HUGHES, Paul L. / James F. LARKIN (Hgg.): Tudor Royal Proclamations, 3 Bde., New Haven/London 1964. I. B.: A letter sent by I.B. Gentleman vnto his very frende Maystet [sic] R.C. Esquire vvherin is conteined a large discourse of the peopling & inhabiting the cuntrie called the Ardes, and other adiacent in the north of Ireland, and taken in hand by

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Sir Thomas Smith one of the Queenes Maiesties priuie Counsel, and Thomas Smith Esquire, his sonne, London 1572 (STC2 1048/Henry E. Huntington Library). I. E.: A letter from a souldier of good place in Ireland, to his friend in London touching the notable victorie of her Maiesties forces there, against the Spaniards, and Irish rebels: and of the yeelding vp of Kynsale, and other places there held by the Spanyards, London 1602 (STC2 7434/British Library). Iniunctions gyue[n by the auc]toritie of the kynges highnes to the clergie, London 1536 (STC2 10084.7/Bodleian Library). Jack vp Lande, London 1536[?] (STC2 5098/Henry E. Huntington Library). JEWEL, John: A defense of the Apologie of the Churche of Englande […], London 1570 (STC2 14601/Henry E. Huntington Library). J. F. [John Fotherby?]: The couenant betweene God and man plainly declared in laying open the first and smallest pointes of Christian religion, London 1596 (STC2 10638.5/Folger Shakespeare Library). J. G. E.: Englands hope, against Irish hate, London 1600 (STC2 7434.7/Lambeth Palace Library). JOCELIN OF FURNESS: The Life and Acts of Saint Patrick, the Archbishop, Primate and Apostle of Ireland, übers. und ed. von Edmund L. Swift, Dublin 1809. JOCELIN OF FURNESS: Vita Sancti Patricii, Antwerpen 1514 (USTC 410096/British Library). JOYE, George: Ieremy the prophete, translated into Englisshe, Antwerpen 1534 (STC2 2778/British Library). KELTON, Arthur: A chronycle with a genealogie declaryng that the Brittons and Welshemen are linealiye dyscended from Brute […], London 1547[?] (STC2 14918/British Library). KETHE, William: A ballet declaringe the fal of the whore of babylone intytuled Tye thy mare tom boye, London 1548 (STC2 14942/Bodleian Library). KNEWSTUBS, John: The lectures of Iohn Knewstub, vpon the twentith chapter of Exodus, and certeine other places of Scripture […], London 1578 (STC2 15043/Henry E. Huntington Library). KNOX, John: A faythfull admonition made by Iohn Knox, vnto the professours of Gods truthe in England […], Emden 1554 (STC2 15069/Henry E. Huntington Library). KYFFIN, Maurice: The blessednes of Brytaine, or A celebration of the Queenes holyday Wherein is briefly discoursed the most happy regiment of her Highnes, London 1588 (STC2 15097/Henry E. Huntington Library). LATIMER, Hugh: The Seconde Sermon of Master Hughe Latemer […], London 1549 (STC2 15274.3/British Library). LATIMER, Hugh: The fyrste sermon of Mayster Hughe Latimer […], London 1549 (STC2 15272.5/Henry E. Huntington Library). Le débat des hérauts d’armes de France et d’Angleterre, ed. von Léopold PANNIER, Paris 1877. LELAND, John: Assertio inclytissimi Arturij Regis Britanniae, London 1544 (STC2 15440/British Library).

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National Prayers. Special Worship since the Reformation, Bd. 1: Special Prayers, Fasts and Thanksgivings in the British Isles 1533-1688, ed. und hrsg. von Natalie MEARS, Alasdair RAFFE et al., Woodbridge 2013. NELSON, Thomas: The blessed state of England Declaring the sundrie dangers vvhich by Gods assistance, the Queenes most excellent Maiestie hath escaped in the whole course of her life, London 1591 (STC2 18422.5/Folger Shakespeare Library). NICHOLS, John G. (Hg.): Narratives of the Days of the Reformation, London 1859. NICHOLS, John G. (Hg.): Literary Remains of King Edward the Sixth, 2 Bde., London 1857. NICOLLS, Philip: An answer to the articles of the commoners of Devonshire and Cornwall [1549], abgedruckt in: Nicholas Pocock (Hg.), Troubles connected with the Prayer Book of 1549, London 1884, S. 141-193. NICOLLS, Philip: Here begynneth a godly newe story of xii men […], London 1548 (STC2 18576/Bodleian Library). NICOLLS, Philip: The copie of a letter sente to one maister Chrispyne chanon of Exceter for that he denied ye scripture to be the touche stone or trial of al other doctrines, London 1548 (STC2 18575/British Library). NORDEN, John: A Progresse of Pietie, London 1598 (STC2 18626a.3/Bodleian Library). Obedience in Church and State. Three political tracts by Stephen Gardiner, ed. von Pierre JANELLE, Cambridge 1930, hier Neuausgabe New York 1968. OCHINO, Bernadino: A tragoedie or dialoge of the vniuste vsurped primacie of the Bishop of Rome […], London 1549 (STC2 18770/Henry E. Huntington Library). O’DONOVAN, John (Hg.): The Irish Correspondence of James Fitz Maurice of Desmond, in: Journal of the Kilkenny and South-East Ireland Archaeological Society, New Ser. 2 (1859), S. 354-369. Ó RIAIN-RAEDEL, Dagmar (Hg.): A German visitor to Monaincha in 1591, in: Tipperary Historical Journal (1998), S. 223-233. OSIANDER, Andreas / SACHS, Hans: Ein wunderliche weissagung von dem Bapstnmb wie es yhm bis an das ende der welt gehen sol […], Wittenberg 1527 (USTC 647521/Bayerische Staatsbibliothek). O’SULLIVAN, John L.: The Great Nation of Futurity [Manifest Destiny], in: The United States Democratic Review 06, 23 (1839), S. 426-430. PARIS, Matthew: Historia Maior, London 1571 (STC2 19209/British Library). PARIS, Matthew: Chronica Majora, ed. von Henry Richards Luard, 7 Bde., London 1872-83. PARKER, Douglas H. (Hg.): A Critical Edition of Robert Barnes’s A Supplication Vnto the Most Gracyous Prince Kynge Henry The. VIIJ. 1534, Toronto u.a. 2008. PARKER, Henry: Diues et pauper, London 1496 (STC2 19213/Bodleian Library). PARKER, Henry (Baron Morley): The exposition and declaration of the Psalme, Deus ultionum Dominus, London 1539 (STC2 19211/Bodleian Library). PARR, Katherine: The lamentacion of a synner, London 1547 (STC2 4827/Cambridge University Library). PATTEN, William: The Expedicion into Scotla[n]de of the most woorthely fortunate prince Edward, Duke of Somerset […], London 1548 (STC2 19476.5/Henry E. Huntington Library).

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Greke textes, by ye dylygent studye of dyuerse excellent learned men, expert in the forsayde tonges, London 1539 (STC2 2068/British Library). The chronicle of Fabyan whiche he hym selfe nameth the concordaunce of historyes, nowe newely printed, [and] in many places corrected […], London 1542 (STC2 10661/British Library). The copie of a leter, vvryten by a Master of Arte of Cambrige, to his friend in London […], Paris 1584 (STC2 5742.9/Bodleian Library). The cronicles of Englond […], Westminster 1480 (STC2 9991/Henry E. Huntington Library). The defence of peace: lately translated out of laten in to englysshe, London 1535 (STC2 17817/Bodleian Library). The discripcion of Britayne, Westminster 1480 (STC2 13440a/British Library). The enquirie and verdite of the quest panneld of the death of Richard Hune wich was founde hanged in Lolars tower, Antwerpen 1537[?] (STC2 13970/British Library). The examinacion of Master William Thorpe preste accused of heresye before Thomas Arundell, Archebishop of Ca[n]terbury, the yere of ower Lord MCCCC and seuen [mit] The examinacion of […] syr Jhon Oldcastell […], Antwerpen 1530 (STC2 24045/British Library). The great boke of statutes co[n]teynyng all the statutes made in the parliamentes from the begynnyng of the fyrst yere of the reigne of kyng Edwarde the thyrde […], London 1533 (STC2 9286/British Library). The Hamilton Papers. Letters and Papers illustrating the political relations of England and Scotland in the XVIth century, ed. von Joseph BAIN, 2 Bde., Edinburgh 1890-92. The Irish Statutes, hrsg. von W. N. OSBOROUGH, überarb. und verb. Neuausgabe Dublin 1995. The Letters of Stephen Gardiner, ed. von James Arthur MULLER, Cambridge 1933. The Life of Fisher, ed. von Ronald Bayne, London 1921. The ploughman’s tale, London 1536[?] (STC2 5099.5/Henry E. Huntington Library). The prayer and complaynte of the ploweman vnto Christe, Antwerpen 1531[?] (STC2 20036/Henry E. Huntington Library). The reformation of religion by Iosiah, London 1590 (STC2 14815/Bodleian Library). The Remains of Thomas Cranmer, ed. von Henry JENKYNS, 4 Bde., Oxford 1833. The State of Ireland, and Plan for it’s Reformation [1515], in: State Papers Henry VIII, Bd. 2, Teil 3, London 1834, S. 1-31. The Statutes of the Realm, printed by command of his Majesty King George the Third, ed. von John RAITHBY et al., 11 Bde., London 1810-1828. The Supplication of the Blood of the English Most Lamentably Murdered in Ireland, Cryeng out of the Yearth for Revenge [ca. 1598], ed. von Willy MALEY, in: Analecta Hibernica 36 (1995), S. 3-77. The true dyffere[n]s betwen ye regall power and the ecclesiasticall power translated out of latyn by Henry lord Stafforde, London 1548 (STC2 11220/British Library). The Warrender Papers, ed. von Annie I. CAMERON & Robert S. RAIT, 2 Bde., Edinburgh 1931/32. TILNEY, Edmund: Here beginneth a song of the Lordes Supper, London 1550 (STC2 24078/Folger Shakespeare Library).

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