Form und Funktion englischer Konditionalsätze mit >if: Eine konversationslogische und sprechakttheoretische Analyse 3484103388, 9783484103382

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Form und Funktion englischer Konditionalsätze mit >if: Eine konversationslogische und sprechakttheoretische Analyse
 3484103388, 9783484103382

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORORT
0. EINLEITUNG
1. DAS PROBLEM DER KONDITIONALSÄTZE IN LOGIK UND PHILOSOPHIE
2. PRÄSUPPOSITIONEN IN PHILOSOPHIE UND LINGUISTIK
3. ZUR KOMMUNIKATIVEN FUNKTION DER KONDITIONALSÄTZE: DER BEITRAG DER LINGUISTISCHEN PRAGMATIK
4. FORM UND FUNKTION ENGLISCHER KONDITIONALSÄTZE MIT IF
5. ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN
LITERATUR

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Linguistische Arbeiten

72

Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Gerda Lauerbach

Form und Funktion englischer Konditionalsätze mit >if< Eine konversationslogische und sprechakttheoretische Analyse

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1979

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Lauerbach, Gerda: Form und Funktion englischer Konditionalsätze mit "if" : e. konversationslog. u. sprechakttheoret. Analyse / Gerda Lauerbach. - Tübingen : Niemeyer. 1979. (Linguistische Arbeiten ; 72) ISBN 3-484-10338-8

ISBN 3-484-10338-8

ISSN 0344-6727

JJ 30

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1979 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

XI

LISTE DER ABKÜRZUNGEN

XIII

0.

EINLEITUNG

1

1.

DAS PROBLEM DER KONDITIONALSÄTZE IN LOGIK UND PHILOSOPHIE

6

1.0.

Zum Verhältnis von Philosophie, Logik und Linguistik

6

1.1.

Zur erkenntnisthearetischen Funktion konditionaler Auadrücke

8

1.2.

Indikativische Konditionalsätze: Die materiale Implikation und if

1.2.1.

Die Differenzhypothese

10 13

1.2.1.1. Strawson 1.2.1.2. Chipman

13 18

1.2.1.3. Stalnaker 1.2.1.4. Zusattmenf assung

20 22

1.2.2.

23

Die Gleichheitshypothese (Grice)

1.2.2.1. Konversationsmaximen und konversationelle Implikatur

24

1.2.2.2. Die konversationeile Implikatur von if 1.2.2.3. Zusammenfassung

32 39

1.3.

Konjunktivische Konditionalsätze

40

1.3.0.

Probisnstel lung

40

1.3.1.

Funktionen konjunktivischer Konditionalsätze

41

1.3.2.

Erkenntnisthecretische Analyse: Nelson Goodman

43

1.3.2.1. Das Problem der relevanten Bedingungen

44

1.3.2.2. Das Problem der Gesetzesartigkeit

45

1.3.2.3. Pragmatische Interpretationendes Gesetzesbegriffs

47

VI 1.3.3.

Die logische Gleichwertigkeit von indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen

1.3.3.1. Zum Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen: Das Problem der Präsuppositionen 1.3.3.2. Konsequenzen für eine linguistisch-pragmatische Beschreibung

52 57

der Konditionalsätze

59

2.

PRÄSUPPOSITIONEN IN PHILOSOPHIE UND LINGUISTIK

62

2.0.

Vorbemerkung

62

2.1.

Präsuppositionen in Logik und Philosophie

68

2.1.1. 2.1.2.

Das Problem der Referenz Die Bivalenz des Präsuppositionsbegriffs: Logische und pragmatische Präsuppositionen

68 71

2.2.

Das Probien der Beschreibungsebene

75

2.3.

Logische Präsuppositionen in der Linguistik

79

2.3.1.

Lexikalische Präsuppositionen und Selektionsbeschränkungen

80

2.3.2.

Referentielle Ausdrücke

83

2.3.3.

Faktive Prädikate

84

2.3.4.

Weitere als logisch definierte Präsuppositionen

87

2.3.5.

Die Präsuppositionen komplexer Sätze

88

2.3.6.

Das Projektionsproblan für indikativische Konditionalsätze

91

2.4.

Die Behandlung pragmatischer Präsuppositionen in der Linguistik

98

2.4.1.

Modifizierung der Griceschen Maximen

100

2.4.2.

Die pragmatische Interpretation definiter Naninalphrasen und faktiver Prädikate

102

2.4.3.

Die pragmatische Interpretation von Satzakzent und Infarmationsstruktur

106

2.5.

Die Implikationen konjunktivischer Konditionalsätze

108

2.6.

Zusammenfassung

109

3.

ZUR KOMMUNIKATIVEN FUNKTION DER KONDITIONALSÄTZE: DER BEITRAG DER LINGUISTISCHEN PRAGMATIK

111

3.0.

Vorbemerkung

111

VII

3.0.1 .

Zum Gegenstandsbereich der linguistischen Pragmatik

113

3.O.2.

Zur Beschreibungsebene sprachaktspezifischer Phänomene

116

3.1.

Was ist ein Sprechakt?

118

3.1.1.

Lokutionärer, illokutionärer und perlokutionärer Akt

118

3.1 .2.

Zur Konventionalität von Sprechhandlungen

120

3.1.3.

Gelingen und Erfolgreichsein

125

3.1.4.

Illokutive Typen

128

3.2.

Zur Darstellung der illokutiven Kraft in der Grarmatik

139

3.2.1.

Die Methode der performativen Paraphrasen

140

3.2.2.

Die Methode der Satzradikale

145

Die semantische Zerlegung (Wunderlich) 3.2.3.1. Ebene der Syntax

146

3.2.3.

3.2.3.2. Ebene der Sanantik 3.2.3.3. Ebene der institutionellen Pragmatik 3.2.3.4. Ebene der situationeilen Pragmatik

149 149 151

3.2.3.5. Ebene der Performanz

153 153

3.2.4.

Zusammenfassung

153

3.3.

Indirekte Karinunikation

155

3.3.1.

Konversationslogik und Höflichkeitslogik

155

3.3.2.

159

Indirekte Sprechakte 3.3.2.1. Realisierungsformen indirekter Sprechakte 3.3.2.2. Zur Ableitung indirekter Sprechakte

161

3.4.

Zusatmenfassung

169

4.

FORM UND FUNKTION ENGLISCHER KONDITIONALSÄTZE MIT IF

170

4.0.

Vorbemerkung

170

4.1.

Granmatisch-funktionale Klassifikation

172

4.2.

Indikativische Konditionalsätze

178

4.2.1.

Die Behandlung der indikativischen Konditionalsätze in der traditionellen und generativen Grarmatik und unter konversationslogischan Aspekt

178

159

VIII 4.2.2.

Semantische und pragmatische Interpretation der indikativischen Konditionalsätze mit open condition

183

4.2.3.

Anaphorische Modifikation (open condition)

186

4.2.3.1. Löschung von Präsuppositionen oder Modifikation logischer Implikationen?

186

4.2.3.2.

Zur granmatischen Darstellung der anaphorisehen if-Modifikation

194

4.2.4.

Indikativische Konditionalsätze mit fulfilled condition (rhetorisches if)

198

4.3.

Konjunktivische Konditionalsätze (rejected condition)

201

4.3.1.

Hypothetische und kontrafaktische Konditionalsätze

201

4.3.2.

Die negativen Implikationen konjunktivischer Konditionalsätze: Präsuppositionen, logische Implikationen und suggerierte Schlußfolgerungen

203

4-3.3.

Funktion und Bedeutung des Konjunktivs

207

4.3.4.

Distanzierung als konversationeile Implikatur des Konjunktivs

209

4.3.5.

Konsequenzen für die Beschreibung der konjunktivischen Konditionalsätze

212

4.4.

Sprechakttheoretische Klassifikation

214

4.5.

Bedingte Sprechakte

217

4.5.1.

Repräsentative

217

4.5.2.

Fragen

217

4.5.3.

Direktive

217

4.5.4.

Katmissive

218

4.5.5.

Kohortative

219

4.5.6.

Retraktive

219

4.5.7.

Satisfaktive

219

4.5.8.

Deklarationen

219

4.5.9.

Vokative

220

4.6.

Indirekte bedingte Sprechakte

220

4.6.1.

Repräsentative

222

4.6.2.

Fragen

223

4.6.3.

Direktive

225

4.6.4.

Kanmissive

228

4.6.5.

Kohortative

230

IX 4.6.6.

Retraktive

230

4.6.7.

Satisfaktive

230

4.6.8.

Deklarationen

231

4.6.9.

Vokative

231

4.7. 4.7.1.

Bedingt gültige Sprechakte Repräsentative

231 232

4.7.2.

Fragen

232

4.7.3. 4.7.4.

Direktive Kcmmissive

232 233

4.7.5. 4.7.6.

Kohartative Retraktive

234 234

4.7.7.

Satisf aktive

23 5

4.7.8. 4.7.9.

Deklarationen Vokative

235 235

4.8. 4.8.1. 4.8.2.

Konditionale Sprechakte Ratschläge und Warnungen Versprechen und Drohungen

236 236 239

4.8.3. 4.8.4.

Aushandlungen und Erpressungen Kontrafaktische Konditionale: Vorwürfe und Rechtfertigungen

239 240

4.9.

Kommentare

240

4.9.1.

Repräsentative

243

4.9.2.

Fragen

246

4.9.3. 4.9.4.

Direktive Karmissive und Kohortative

247 247

4.9.5. 4.9.6.

Andere Kommentare Kommentare zur Diskursstruktur

247 248

4.9.7.

Zusammenfassung

248

4.10.

Ergebnisse

250

4.10.1.

Granmatisch-funktionale Analyse

250

4.10.2.

Sprechaktthearetische Analyse

252

5.

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

254

LITERATUR

260

VORORT

Die vorliegerde Arbeit wurde im Scnmer 1978 van Fachbereich 10 "Neuere Philologien" der Universität Frankfurt als Dissertation angenarmen. Für die Drucklegung habe ich einige Kürzungen und Änderungen vorgenaimen; insbesondere wurde Kapitel 2 um einige Argumentationsstränge gekürzt, die für die Zielsetzung der Arbeit im engeren Sinne nicht urmittelbar relevant waren. Für entsprechende beratende Hinweise habe ich von den Herausgebern dieser Reihe den Herren Professoren Herbert E. Brekle und Christian Rohrer zu danken. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Leonhard Lipka, der die Genese dieser Arbeit mit Unsicht gefördert hat und von dessen Erfahrungsschatz ich in vielen Gesprächen profitierte. Er hat auch die Veröffentlichung in dieser Reihe angeregt. Weiter danke ich Herrn Professor Jürgen Quetz, der die Erstfassung der Arbeit gründlich gelesen hat und dessen ausführliche Armerkungen zu vielen Änderungen führten. Frau Professar Brigitte Schlieben-Lange danke ich für ihre ermutigenden Kammentare zur Erstfassung dieser Arbeit. Dank schulde ich schließlich auch Frau Dr. Helen Leuninger, die mich in einer frühen Phase meiner Beschäftigung mit den Konditionalsätzen auf Grices William James Lectures aufmerksam machte. Auf einer persönlicheren Note möchte ich meinen Kindern danken für ihre überdurchschnittliche Rücksichtnahme während des Schreibens dieser Arbeit und, last but not least, meinem Mann, der mich, obgleich er während dieser Zeit auf meine Gesellschaft weitgehend verzichten mußte, immer wieder ermutigte und von vielen Aufgaben entlastete.

Schwalbach am Taunus, im April 1979

LISTE DER ABKÜRZUNGEN Die folgerden Abkürzungen werden für häufig zitierte Zeitschriften und Fortsetzungswerke gebraucht: CLS Papers

Papers of the Chicago Linguistic Society

FL LAUT

Foundations of Language Linguistic Agency University of Trier

LB

Linguistische Berichte

LI LuD

Linguistic Inquiry Linguistik und Didaktik

PIL

Papers in Linguistics

PzL TL

Papiere zur Linguistik Theoretical Linguistics

ANDERE ABKÜRZUNGEN A

Antezedens

AE

Altenglisch

BL CP Franny

Billy Liar, von Keith Waterhause, London 1961. Cooperative Principle Franny, von J.D. Salinger, Harmondsworth 1964, zuerst erschienen 1955 im New Yorker. Hörer Indirectness Condition The Inimitable Jeeves, von P.G. Wodehouse, Harmondsworth 1975, zuerst erschienen 1924. Konsequens Konditionalsatz kontrafaktischer Konditionalsatz modus ponendo ponens modus ponendo tollens Sprecher New Britain. Selected Speeches by Harold Wilson, London.1964. Zooey von J.D. Salinger, Harmondsworth 1964, zuerst erschienen 1955 im New Yorker.

H IC Jeeves K KS KKS MPP MPT S Wilson Zooey

3

1

O. EINLEITUNG

Das ursprüngliche Ziel dieser Arbeit über englische Konditionalsätze mit if »rar die Beschreibung des Unterschieds zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen mit Hilfe der Relation der Präsupposition. Entsprechend lautete der erste Arbeitstitel "Tanpus, Mcdus und Präsupposition in der englischen Korditionalkonstruktion mit if". Es stellte sich jedoch bald heraus, daß der durch den Rekurs auf die Präsuppositionsrelation als sprachwissenschaftliches Beschreibungs- und Erklärungsinstrument implizierte theoretische Rahmen der generativen Semantik nicht ausreichte, um das komplexe Problem der Konditionalsätze zu erfassen. Bei dem Versuch, das vielschichtige Phänomen der Präsupposition auf den Begriff zu bringen, ergaben sich zunächst Fragen nach der durch die Präsupposition ausgedrückten logischen Relation, dann nach der Abgrenzung gegenüber der logischen Implikation. Die Beschäftigung mit der logischen (materialen) Implikation wiederum führte zu der Frage, ob man nicht mit Hilfe dieser aussagenlogischen Relation die logische Struktur der Konditionalsätze erfassen könne. Während Arbeiten in der Theorie der generativen Senantik, die sich ansatzweise mit diesem Problan beschäftigen (insbesondere G. Lakoffs (1972a) "Linguistics and Natural Logic") die Identität von formaler Logik und logischer Struktur der natürlichen Sprache anscheinend fraglos voraussetzten, fanden sich in der Literatur der sprachanalytischen Philosophie reiche Spuren einer Kontroverse zwischen den Befürwortern einer'Differenzhypothese' und einer 'Gleichheitshypothese', artikuliert besonders von ihren Hauptvertretern Peter Strawson und Paul Grice. Wo Strawson verneint, daß eine Logik der natürlichen Sprache auf dan Kalkül der formalen Aussagenlogik aufbauen könne und meint, daß sie grundsätzlich andere Relationen enthalte, vertritt Grice die Gegenthese, daß die Relationen der Aussagenlogik sich in der natürlichen Sprache wiederfinden und entwickelt - aufbauend auf dem formalen Kalkulus und zur Vermittlung zwischen Aussagenlogik und Logik der natürlichen Sprache - seine Konversationslogik. Das Verhältnis zwischen Linguistik und Philosophie ist seit langem nicht so eng gewesen wie in der Gegenwart. Besonders zwischen der generativen Linguistik und

2 der sprachanalytischen Philosophie besteht eine "nicht inmer friedliche Symbiose" (Apel 1974:87). Der starke Einfluß der sprachanalytischen Philosophie auf die Linguistik äußert sich u.a. im Vorgehen der generativen Semantiker, Sätze auf die ihnen zugrundeliegenden logischen Strukturen zurückzuführen, und schlägt sich in der Verwendung aussagen- und prädikatenlogischer Relationen und Notationsweisen nieder, bis hin zur Zerlegung komplexer semantischer Einheiten nach prädikatenlogischem Muster. Die Klärung der Frage nach der Art der durch if ausgedrückten logischen Relation zwischen den beiden Teilsätzen eines Konditionalgefüges (mit den entsprechenden weitergehenden theoretischen Implikationen), welche im ersten Kapitel versucht wird, verläßt sich daher weitgehend auf die zu diesem Problon in der sprachanalytischen Philosophie geführte Diskussion. Das zweite Problem dieser Arbeit ist die zu Beginn als Hauptfrage formulierte Hypothese über die Art des Unterschieds zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen. Nach dieser Hypothese sollte der Unterschied durch die Annahme einer Präsupposition erklärt werden, daß die in den Teilsätzen ausgedrückten Sachverhalte nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen, also falsch sind. Eine solche Hypothese wiederum hätte Auswirkungen auf die der Sprachbeschreibung zugrundegelegte Logik: Die fonrale Aussagenlogik ist zweiwertig; die in ihr formulierten Sätze sind inmer entweder wahr oder falsch. Frege hat dagegen als erster darauf aufmerksam gemacht, daß es bei bestimmten Sätzen nicht ohne weiteres möglich ist, ihnen einen dieser Wahrheitswerte zuzuteilen. Wenn nämlich die selbstverständlichen Voraussetzungen, daß die in einem Satz gebrauchten Eigennamen auf etwas referieren, etwas bezeichnen, nicht erfüllt seien, so könne man von dem Satz weder sagen, daß er falsch, noch, daß er wahr sei - er sei vielmehr ohne Wahrheitswert und daher bedeutungslos. Folgerichtig mußte eine präsuppositionelle dreiwertige Logik entwickelt werden, mit dem dritten Wahrheitswert zero oder 'unbestirtmt'. Die philosophische Diskussion, die sich an diesem Problem entzündete, hat über den Begriff der Präsupposition auch die linguistische Entwicklung in den letzten 1 0 - 1 2 Jahren nachhaltig beeinflußt. Im Laufe der Diskussion wurde der - schon in der Philosophie nicht klar definierte - Präsuppositionsbegriff immer umfassender und die mit ihm beschreibbaren sprachlichen Erscheinungen inmer vielfältiger. Auch der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen sollte so mit Hilfe der Präsuppositionsrelation beschreibbar werden. Die Auseinandersetzung mit der Präsuppositionsproblematik in Kapitel 2 dient scmit einem doppelten Zweck: Es ist einmal zu fragen, wie die als Grundlage der

3 Sprachbeschreibung postulierte Logik beschaffen sein muß - soll sich die Sprachtheorie auf die erweiterte präsuppositionelle dreiwertige Logik stützen, oder kann die traditionelle zweiwertige Aussagenlogik als Beschreibungsmodell beibehalten werden? Unter unserer spezifischen Fragestellung ist zum anderen und vorrangig zu klären, ob die Präsuppositionsrelation zur Beschreibung des Unterschieds zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen herangezogen werden kann, bzw. mit welchen Mitteln, falls dies nicht der Fall sein sollte, dieser Unterschied anders zu erfassen sei. Beide bisher aufgeworfenen Fragen - sowohl die nach der logischen Struktur der Konditionalsätze bzw. der natürlichen Sprache überhaupt, als auch die nach der Art des Unterschieds zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen - finden eine mögliche Erklärung im Rahmen des Griceschen konversationslogischen Modells, d.h. in einem grundsätzlich pragmatischen Ansatz. Dies birgt den großen Vorteil, daß indikativische und konjunktivische Konditionalsätze die gleiche logische Struktur erhalten können, eben weil der Unterschied zwischen diesen beiden Typen ein pragmatischer ist. Ein pragmatischer Ansatz bei der Beschreibung der Konditionalsätze impliziert auch, daß man die karmunikativen Funktionen dieser Sprachform mit in die Analyse einbezieht. Bei manchen Konditionalsätzen erweist sich dies sogar als unabdingbar, da es sprechaktkannentierende if-Sätze gibt, die in keiner logischen oder konditionalen Relation zum übergeordneten Satz stehen. Will nan allen Konditionalsätzen ein einheitliches Beschreibungsmodell zugrundelegen, so sind diese 'Kommentare' nur unter Bezug auf einen zugrundeliegenden performativen Satz analysierbar, der den Sprechakt selbst thematisiert. Während so in Kapitel 1 und 2 der formale Rahmen für die Beschreibung der Konditionalsätze erarbeitet wird, beschäftigt sich das 3. Kapitel mit der Frage, ob bzw. wie sich die Beschreibung der kanmunikativen Funktionen dieser Sprachform in den skizzierten Rahmen einer wahrheitsfunktionalen Sanantik integrieren läßt. Auch bezüglich dieses unter den Begriff Sprechakttheorie zu subsumierenden Problemkreises hat die gegenwärtige linguistische Forschung entscheidende Anstöße von der sprachanalytischen Philosophie erhalten. Trotz Katz' (1971:102) berechtigter Kritik am linguistischen Phänemenalismus ("Ordinary language philosophy preoccupied itself with unearthing the most minute and detailed facts about the use of English locutions to the almost ccmplete neglect of

4 any ooncern with theary.") sind doch gerade von der philosophischen Beschäftigung mit dem Gebrauch sprachlicher Ausdrücke als Indikator ihrer Bedeutung Impulse für die Linguistik ausgegangen.^ Im bahnbrechenden Werk von John L. Austin, fortgesetzt von Strawson und Searle, findet sich so ein weiterer enger Berührungspunkt von Philosophie und Linguistik. Austin ging von der Beobachtung aus, daß viele Sätze nicht dazu verwendet werden, um Aussagen zu machen, sondern auch Fragen, Ausrufe, Befehle, Wünsche, Versprechen, Warnungen, etc. ausdrücken können. Es war ein altes Problem der logischen Sprachanalyse, daß man glaubte, solcherart verwendeten Sätzen keine Wahrheitswerte zuordnen zu können. So macht z.B. jemand, der sagt, I prcmise I'll ccme keine Aussage darüber, daß er ein Versprechen abgibt (die dann wahr oder falsch sein könnte), sondern mit der Äußerung gibt er das Versprechen selbst. Austin nannte solche Äußerungen perfconatives und stellte sie den constatives, den konstatierenden Aussagen, gegenüber. Diese Äußerungen sind dann nicht mehr wahr oder falsch, sondern sie glücken oder mißglücken. Da dies nicht nur auf performative, sondern auch auf konstative Äußerungen zutrifft, müssen beide als Sprechakte behandelt werden, die, sollen sie glücken, nicht Wahrheitsbedingungen, sondern bestimnten Bedingungen des Gebrauchs unterworfen sind. Der Einfluß der Sprechaktthearie auf die generative Linguistik wird in Kapitel 3 ausführlich diskutiert und, auf den Ergebnissen dieser Diskussion aufbauend, ein Beschreibungsmcdell für die kanmunikativen Funktionen von Sätzen aufgezeigt, das der Analyse der Konditionalsätze in Kapitel 4 zugrundegelegt werden kann.

1

Genau genommen gehört zu einer Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Philosophie und Linguistik eine Diskussion des Katzschen Standpunktes . Katz geht jedoch den umgekehrten Weg zu dan hier eingeschlagenen. Während er nämlich die Relevanz linguistischer Analysen und Begriffe für philosophische Fragestellungen untersucht, geht es in der vorliegenden Arbeit darum, philosophische Untersuchungen für linguistische Fragestellungen - konkret die Beschreibung der Konditionalsätze - fruchtbar zu machen. Eine Auseinandersetzung mit Katz würde deshalb hier zu weit führen.

5 Ausgehend von den in Kapitel 1 bis 3 erörterten theoretischen Grundlagen und von dem umrissenen Beschreibungsmodell wird in Kapitel 4 dann die formale und funktionale Analyse der englischen Konditionalsätze mit if in Angriff gencmmen. Hierbei wird den in der Literatur bisher weniger beachteten Erscheinungs- und Verwendungsweisen der Konditionalsätze besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

6

"I knew what you are thinking about", said Tweedledum: "but it isn't so, nohow". "Contrariwise", continued Tweedledee, "if it was so, it might be and if it were so, it would be, but as it isn't, it ain't. That's logic." (Through the Looking Glass) 1. DAS PROBLEM DER KONDITIONALSÄTZE IN LOGIK UND PHILOSOPHIE

1.0. Zum Verhältnis von Philosophie, Logik und Linguistik Die linguistische Wende in der Philosophie setzte zu Beginn dieses Jahrhunderts ein, als Bertrand Russell und George E. Moore zum ersten Male forderten, eine logische Analyse natursprachlicher Ausdrücke vorzunehmen, um die Behandlung philosophischer und allgemeinwissenschaftlicher Fragen nicht durch die Vagheit, Mehrdeutigkeit oder gar Widersprüchlichkeit der Ungangssprache zu belasten (vgl. Lorenz 1974). Die beiden Hauptrichtungen der sprachanalytischen Philosophie, der logische Empirismus, wie er später von Rudolf Carnap und dem Wiener Kreis vertreten wurde, und der linguistische Phäncmenalismus oder ordinary language philosophy um Gilbert Ryle in Oxford, sind im Keim bereits bei Russell und Moore angelegt: In Russells Programn aus der Analyse des Unterschieds von logischer und granmatischer Form die Konstruktion einer künstlichen, widerspruchsfreien, formalen Wissenschaftsspräche; in Moores Programn, aufbauend auf einer ebensolchen Analyse, die Übersetzung von Ausdrücken der traditionellen Sprache der Philosophie (der 'Bildungssprache') in Ausdrücke der Ungangssprache. Russells Konstruktionsprojiaiim betrifft syntaktische Verknüpfungen. In seiner Kalkülisierung logischer Schlußregeln führt er Ansätze von Leibniz und von Frege, dem eigentlichen Begründer der formalen Logik, weiter. Moores Reduktionsprogramm betrifft primär den Aufbau einer korrekten Semantik. Uber die linguistische Bestimnung der Bedeutung bildungssprachlicher Ausdrücke sollen diese allein mit Hilfe der Ungangssprache auf eben diese Umgangssprache reduziert werden. Ufti grundlegende Begriffe für Theorien der Kausalität, Wahrnehmung, Wahrscheinlich-

7

keit oder des Determinismus zu klären, beschäftigten sich die Nachfolger Moores (Ryle, Malcolm, Benjamin u.a.) mit sanantischen Analysen (oonceptual analysis) des Gebrauchs von Ausdrücken wie voluntary, involuntary, knew, remember, seelng x as y, x looks y to A und handlungsorientierten Begriffen wie try oder carefully. In beiden Richtungen der sprachanalytischen Philosophie arbeitete man an vergleichenden Analysen von Strukturen der natürlichen Sprache und der entsprechenden logischen Funktaren, wenn auch unter verschiedenen Blickwinkeln. Diese Arbeiten zum Verhältnis von logischer und granmatischer Form haben in linguistischen Untersuchungen- besonders der generativen Semantiker - ihren Niederschlag gefunden. Beispiele für den Einfluß der Prädikatenlogik sind Analysen mit dem Existenzquantor und den Quantoren, die Übernahme der Prädikation oder die Zerlegung komplexer semantischer Einheiten nach prädikatenlogischan Muster; Beispiele aus der Aussagenlogik die Übernahme der logischen Konnektoren 'A' (and), 'V' (or), 'ID' (if) und (iff oder if and only if) . Andererseits zeigten solche vergleichenden Analysen jedoch auch schnell die Grenzen der formalen Logik auf. Zwar konnten in der natürlichen Sprache formulierte Theorien in die Sprache der Logik übersetzt werden (wobei dieser Prozess zugleich eine Überprüfung der Theorie auf Widerspruchsfreiheit war), jedoch nur, wenn deren Aussagen in allgemeinen Aussagesätzen im Indikativ Präsens ausgedrückt waren. Un einerseits die Leistungsfähigkeit der formalen Logik zu erweitern und um andererseits die natürliche Sprache selbst mit logischen Mitteln beschreibbar zu machen, sind deshalb in neuerer Zeit verschiedene Versuche von sowohl Logikern wie auch Linguisten zur Erweiterung der formalen Logik unternatmen worden (intensionale und deontische Logik, Referenz- und Zeitlogik). Explizit ist das Verhältnis von formaler Logik und natürlicher Sprache in letzter Zeit besonders am Beispiel der logischen Konnektoren und ihrer natursprachlichen Entsprechungen diskutiert worden. In der ordinary language philosophy lassen sich hierzu zwei Positionen recht klar unterscheiden: Einmal die von Peter Strawson und anderen vertretene, daß formale Logik und eine Logik der natürlichen Sprache zwei verschiedene Untersuchungsgegenstände sind, die sich zwar überlappen und an vielen Stellen Querverbindungen aufweisen, prinzipiell jedoch nicht mit den gleichen logischen Dimensionen und Relationen analysierbar sind. Zum anderen die Position von H.P. Grice, wie er sie in seinen William James Lectures "The Logic of Conversation" progrartmatisch skizziert hat. Mit einem sehr viel

8 komplexeren Beschreibungsapparat als er der Logik bislang zur Verfügung stand - gewonnen insbesondere durch die Einführung der konversationeilen Implikatur soll eine Logik der natürlichen Sprache, aufbauend auf der formalen Aussagenlogik, Inferenzen und Schlüsse nun so erklären, daß keine Differenz bleibt zwischen Logikausdrücken und Ausdrücken der natürlichen Sprache - die natürliche Sprache wird so zur Logiksprache. Sowohl Strawson als auch Grice legen ihre Position am Verhältnis von '3' und if dar, so daß diese Diskussion für eine Beschreibung der logischen Struktur von Konditionalsätzen direkt relevant ist. 1.1. Zur erkenntnistheoretischen Funktion konditionaler Ausdrücke Angesichts der besonderen Rolle, die Konditionalausdrücke in der Erkenntnistheorie und Philosophie einnehmen, sind von einer Analyse philosophischer Untersuchungen Einsichten und Denkanstöße für eine linguistisch-pragmatische Analyse von Konditionalsätzen (im folgenden abgekürzt 'KSe') zu erwarten. Worin besteht nun deren besondere Bedeutung? Auf die Tatsache, daß if in der Bedeutlang der materialen Implikation oder logischen Folge zu den grundlegenden Relationen der formalen Logik gehört, wurde schon hingewiesen. Für die Erkenntnistheorie ist die Folgebeziehung eine der wichtigsten Relationen in der Struktur des mittelbaren Erkennens. Mit ihr können wir, unter Heranziehen einer weiteren Prämisse, eine Aussage von der anderen ableiten. So ist in den beiden Grundformen des Schließens, der Deduktion und der Reduktion (Induktion), die erste Prämisse jeweils in if, then-Form formuliert: Deduktion: if p, then q Reduktion: if p, then q £ :: q

3 :: p

Grice (1968a/IV:18) ninmt dementsprechend an, daß die primäre Funktion von if,then, dessen raison d'etre in der Sprache, die Verwendung in modus ponendo ponens, der deduktiven Schlußregel ist. Obgleich der deduktive Schluß nach den Regeln der formalen Logik unfehlbar ist, kann er dennoch zu absurden Ergebnissen führen, wenn eine als hypothetische Allaussage formulierte Prämisse nicht das Kriterium der Gesetzesartigkeit erfüllt. Für die daraus resultierenden Pseudoerklärungen führt Stegmüller (1969: 274f.) das folgende Beispiel an: Angenatmen, Fritz ist kurzsichtig und wohnt in einem Hause, in dem sämtliche Bewohner kurzsichtig sind. Unter diesen Prä-

9

missen erfüllt das folgende Deduktionsschema alle Mäquatheitsbedingungen für wissenschaftliche Erklärungen: Ax

(Hx Hf Kf

Kx)

(Für alle x gilt: Wenn x ein Bewohner des Hauses H ist, dann ist x kurzsichtig. Fritz ist ein Bewohner des Hauses H, also ist Fritz kurzsichtig.) Es wäre jedoch unsinnig, Fritzens Kurzsichtigkeit damit erklären zu wollen, daß er in einem Hause wohnt, dessen Bewohner ebenfalls alle kurzsichtig sind. Ein Kriterium der Gesetzesartigkeit ist notwendig, um zwischen partikulären (akzidentellen, singulären) und generellen (nicht-akzidentellen, universalen) konditionalen Aussagen unterscheiden zu können. Gesetzesartige Aussagen betreffen sowohl Naturgesetze als auch induktive Generalisierungen wie sie in den Sozial- und Geisteswissenschaften und in der Verarbeitung alltäglicher Erfahrung verwendet werden: (1)

If ice is left in the sun, it melts.

(2)

If a child is very strictly disciplined in the nursery, it will delop aggressive tendencies in adult life. (Bsp. von Strawson 1952:88)

Zu solchen generellen konditionalen Aussagen (variable oder general hypotheticals) gibt es eine unendliche Anzahl partikulärer konditionaler Aussagen, welche die generelle Aussage induktiv bestätigen können: (1)a.

If you leave this piece of ice in the sun, it will melt.

Wie man sieht, entsprechen dem logischen Unterschied generell/partikulär Unterschiede in der sprachlichen Form. An diesem Unterschied macht z.B. Strawson (1952:198) seine vorläufige Charakterisierung von Gesetzesaussagen fest - sie müssen unabhängig von Sprecher, Zeit, Ort und Äußerungssituation inmer wahre Aussagen ergeben: Thus no statanent in which the reference of the words used depends in any way upon the situation in which they are uttered can be an ideal law statement. Das Problem der Gesetzesartigkeit von Aussagen ist in der Philosophie und der Erkenntnistheorie eingehend behandelt worden, ohne daß man ein eindeutiges Kriterium für Gesetzesartigkeit gefurden hätte. Für unser Arbeitsvorhaben ist es besonders für die Analyse der kontrafaktischen KSe interessant, da diesen

10 gesetzesartige Generalisierungen zugrundeliegen.

In der Erkenntnistheorie ist

es ebenfalls relevant für die wissenschaftliche Erklärung von Dispositionsprädikaten, da diese auf gesetzesartige und damit nachprüfbare konditionale Aussagen über Sinnesdaten reduziert werden können. So läßt sich sugar is soluble in water rückführen auf if a piece of sugar were put in water, it would dissolve, wcmit die Aussage der induktiven empirischen Verifikation zugänglich wird. Abschließend sei noch eine weitere Funktion konditionaler Ausdrücke in der Erkenntnistheorie erwähnt:

Sie dienen zur Formulierung von Gedankenexperimenten

und zur gedanklichen Generalisierung. 1.2.

Indikativische Konditionalsätze: Die materiale Implikation und if.

Als logische Beschreibungsform für indikativische KSe bietet sich die materiale Implikation an. Ausgedrückt durch das Symbol bräuchlich,

(oder auch, weniger ge-

das zwei Aussagenvariablen 'p' und 'q' verbindet, ist sie

eine der fünf grundlegenden Relationen der Aussagenlogik.

Da die logischen

Verknüpfungen wahrheitsfunktional interpretiert und inhaltliche Beziehungen zwischen den Aussagen nicht berücksichtigt werden, haben sie eine gegenüber der Umgangssprache eingeschränkte, genau festgelegte und damit eindeutige Bedeutung. Bei der materialen Implikation und ihren umgangssprachlichen Entsprechungen 'wenn', 'falls' oder if wird dies noch deutlicher als z.B. bei der Konjunktion, Disjunktion oder Negation. Eine materiale Implikation ist nämlich nur dann falsch, wenn ihr Vordersatz (im folgenden 'Antezedens, abgekürzt 'A') wahr und ihr Nachsatz (im folgenden 'Konsequens', abgekürzt 'K') falsch ist.

In allen anderen Fällen ist sie wahr. Das heißt insbesondere,

daß aus einen falschen A jede beliebige wahre Aussage folgt, und aus einem wahren A jede beliebige wahre oder falsche Aussage. Die Verteilung der Wahrheitsheitswerte läßt sich auf einer Wahrheitswertetafel darstellen, auf der 'T' für den Wert true und ' ' für den Wert false steht: E T T J~ -L

SL T -L T _L

T T T

1 Für eine kurze und übersichtliche Darstellung der Konnektcren der Aussagenlogik, insbesondere der Implikation, vgl. Allwood/Anderson/Dahl (1973, bes. 34-36).

11

In der Sprache der propositionalen Logik sind die folgenden Aussagen mithin alle wahr: (3)

The sun sets in the West 3

London is the capital of England.

(4)

The moon is made of green cheese 35 the sun sets in the West.

(5)

Cows can fly Z3 the sun sets in the East.

Weiterhin ist nach den Regeln des Aussagenkalküls die Aussage 'psq' äquivalent mit der Aussage '-pVq' ('nicht-p cder q'), so daß man (5) umformen kann in: (5)a.

Cows cannot fly V the sun sets in the East.

Der umgangssprachlichen Bedeutung von if entsprechen aber eher die folgenden Beispiele: (6)

If Bob is over six foot tall, then he is not under six foot tall.

(7) (8)

If sugar is put in water, it dissolves. If we hurry, we'll be in time for the train.

(9)

If you stop that noise, I'll get you sane sweets.

(10)

If you don't step parking your car in front of my garage, I'll have it towed away.

Hier besteht zwischen A und K jeweils ein inhaltlicher Zusammenhang - in (6) ist dies ein logischer, in (7) ein kausaler, der auf ein Naturgesetz zurückgeht. In (8) - (10) sind die beiden Teilaussagen ebenfalls kausal oder temporal voneinander abhängig, was eine gewisse Handlungsrelevanz des Konditionals zur Folge hat. So wird man sich in einer Situation, in der (8) geäußert wird, beeilen, und die Adressaten von (9) und (10) werden ihr Verhalten ändern,falls sie an einer Einlösung des mit (9) gegebenen Versprechens interessiert sind oder die mit (10) ausgesprochene Drohung ernstnehmen. Es ist zu erwarten,daß sich die Divergenzen zwischen materialer Implikation und KS auch bei Umformung in 'nicht-p oder q' fortsetzen. Dies ist bei den meisten Beispielen tatsächlich der Fall: (6)a.

Either Bob is not over six foot tall or he is not under six foot tall.

(7)a. (8)a.

Either sugar is not put into water or it dissolves. Either we don't hurry or we'll be in time for the train.

(9)a. (10)a.

Either you don't stop that noise or I'll get you same sweets. Either you stop parking your car in front of my garage or I'll have it tewed away.

12 Nur (10)a. entspricht umgangssprachlichein Gebrauch. Der Satz drückt eine echte Handlungsalternative aus und kann unter bestimnten Voraussetzungen (having one's car tcwed away is unpleasant) genau wie (10) als Drohung verwendet werden. Auch die Tautologie von (6) bleibt in (6)a. erhalten. (8)a. und (9)a. sind dagegen schwerfällige und irreführende Fonnulierungen, die suggerieren, daß rechtzeitigden-Zug-erreichen und Süßigkeiten-bekarmen negative Erfahrungen sind - (8) und (9) setzen aber gerade das Gegenteil voraus. Schließlich ist (die umgangssprachliche Interpretation von or vorausgesetzt) (7)a. falsch in dem Falle,in dem Zucker in ein anderes Medium als Wasser gegeben wird urxi sich auflöst. Ein solches Ergebnis ist nicht überraschend, da ja auch die Disjunktion in der Logik eine engere Interpretation hat als in der Umgangssprache, also auch von inhaltlichen Beziehungen der Disjunkte untereinander abstrahiert. Sie ist wahrheitsfunktional auch dann wahr, wenn beide Disjunkte wahr sind. Zur Beurteilung umgangssprachlicher Disjunktionen ziehen wir aber, genau wie bei der Implikation, zusätzliche, nicht-wahrheitsfunktionale Informationen heran, insbesondere die Annahme, daß der Sprecher nur eines der beiden Disjunkte für wahr hält, jedoch nicht weiß, welches dies ist. So wird das umgangssprachliche 'oder' meist als ausschließendes 'entweder - oder' interpretiert, während der logische Konnektor 'V' die einschließende Bedeutung hat 'p oder q oder auch beide' . Obwohl sich keiner der Sätze (6) - (10) im Sinne der materialen Implikation wahrheitsfunktional verhält (die Kombination XT liefert für keines der Beispiele einen wahren Satz), hat die Umformung in '-pVq' zu recht unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Dies weist einmal darauf hin, daß es nicht einfach sein wird, eine einheitliche Erklärung für if zu geben, da die Bedeutungen und Funktionen konditionaler Ausdrücke offenbar sehr vielschichtig sind; zum anderen ist zu fragen, warum bei der Umformung in die logisch äquivalente Aussagenform nur (10)a. eine akzeptable Aussage ergeben hat. Die Behandlung beider Problsne ist in der Literatur umstritten, da sie wesentlich davon abhängt, wie man das Verhältnis von if und 'o' interpretiert. Von der Beantwortung dieser Frage wiederum sind allgemeine Antworten über das Verhältnis von formaler Logik und natürlicher Sprache zu erwarten, wenn nicht sogar Hinweise für die Konstruktion einer Logik der natürlichen Sprache, in der 2 die Logiksprache aufgehoben wird. Im folgenden sollen die beiden eingangs um2 Der Verdacht der Zirkelhaftigkeit, der sich hier aufdrängt, ist natürlich, jedoch nicht berechtigt, weist er doch lediglich auf das interdependente Verhältnis von Logik und Sprache hin: Sollte es gelingen, durch Weiterent-

13

rissenen Positionen bezüglich dieses Probiens an den Äußerungen der Hauptkontrahenten dargestellt werden. 1.2.1. Die Differenzhypothese. Die Anhänger der Differenz- oder Restriktionshypothese vertreten den Standpunkt, daß sich die logischen Konnektoren und ihre umgangssprachlichen Entsprechungen grundlegend unterscheiden. 1.2.1.1. Strawson Am Beispiel des Gebrauchs von so zeigt Strawson, daß umgangssprachliche und logisch-deduktive Argumentation nicht den gleichen Regeln folgen. Das Wortchen so wird in He's been travelling for seven hours, so he'll be tired dazu benutzt, um eine korrekte Argumentation zu begründen, die jedoch nicht auf einem deduktiven Schluß beruht: The steps(of reasoning) are justified, not by linguistic rules, but by the way things habitually happen in the world. The connexions involved are not logical, but causal, connexions. (Strawson 1952:37) Leonhard Lipka (persönliche Mitteilung) hat gegen diese Interpretation von so eingewendet, daß Argumente mit so nicht nur auf allgemeinem Erfahrungswissen um dieWelt beruhen, sondern auch rein sprachimmanenten semantischen Inklusionsregeln folgen können. Um die semantischen Merkmale von englischen Partikelverben zu testen, hat er eine Ergänzving des von Bend ix (1966) und Weinreich (1966,1969) eingeführten but-Tests um den so-Test vorgeschlagen, da der butTest allein nicht genügt, um den polaren Wert eines binären Merkmals zu bestürmen. So erhält man für /+Closed7: (11)a.

+

b.

+

c.

She zipped up the dress, BUT it is closed.

She zipped up the dress, BUT it is not closed. She zipped up the dress, SO it is +Closed.

Wicklung der ursprünglich aus der natürlichen Sprache abgeleiteten formalen Logik diese letztlich als Logik der natürlichen Sprache wieder auf die Sprache zurückzuführen, dann wäre in der Tat der Kreis vollendet; Logik und Sprache wären ein- und dasselbe, Sprachlogik und Linguistik eine Wissenschaft.

14

und für /-Closed/: (12)a.

+

She slit up the dress, Bl/T it is not closed.

b.

+

She slit up the dress, BUT it is closed.

c.

She slit up the dress, SO it is -Closed (=not closed).

(vgl. Lipka 1972:59f.&71f.)

Soll das getestete Merkmal eine echte semantische Komponente der betreffenden Konstruktion sein, so müssen die Sätze unter a. tautologisch, die unter b. kontradiktorisch, die unter c. aber akzeptabel sein. "

so implies consequence

and therefore result" (Lipka 1972:60). COn-

sequence und result (ungleich 'Folge' oder 'Implikation') sind aber Termini, mit denen wir kausale Relationen in der außersprachlichen Welt beschreiben. Wie verträgt sich di^s mit dem Anspruch, mit so rein sprachliche Merkmale testen zu können? Wenn man die logische Validität des durch so begründeten Arguments nachprüfen will, d.h. wenn man der Frage nachgeht, ob der Schluß von der Prämisse auf die conclusio zulässig ist, muß man dazu das dem so-Argument entsprechende Konditional heranziehen (vgl. Ryle 1950:326-328). Da allgemeingültige semantische Merkmale getestet werden sollen, muß dieses Konditional auch ein generelles sein: (11)d. If one zips up a dress, it is(afterwards) closed. Das hervorstechende Merkmal dieses Konditionals ist, daß es aufgrund der Bedeutung der verwendeten Wörter inner wahr ist - es ist ein analytischer Satz.Laut Ryle ist ein so-Argument aber inmer dann gültig, wenn das entsprechende Konditional wahr ist. Da die logische Validität eines so-Arguments nur durch Rückgriff auf das entsprechende Konditional bewiesen werden kann, liegt auch dem so-Test ein dem so-Argument logisch vorgängiges Konditional zugrunde. Da dieses Konditional ein analytisches ist, prüft der so-Test rein sprachliche Merkmale, so daß in solchen Fällen die Argumentation mit so auf einem deduktiven Schluß beruht. Meist beruhen Schlüsse mit so jedoch nicht auf logischen Ableitungsregeln, sondern auf allgemeinem Erfahrungswissen. In beiden Fällen, so Strawson, ist die vorangehende Aussage die Begründung für die ihr folgende. So sind sowohl p, so q als auch if p, then g gebräuchliche Argumentationsnuster, die sich lediglich durch die Annahmen des Sprechers hinsichtlich der ersten Aussage unterscheiden:

15

If one statement is a ground for another and we believe the first statement to be true, we are justified in saying something of the form 'p, so q'; if one statanent is a ground for another and we are uncertain whether the first statement is true or not, or believe it to be false, we are justified in saying something of the form 'if p, then q' (1952:37). 'pi3 q' sagt dagegen nicht mehr aus als it is not the case both (that £ and that not-q) oder not both (£ and not-q). Um die materiale Implikation gegen das umgangssprachliche if abzugrenzen und um nicht-wahrheitsfunktionale Verbindungen zwischen A und K auszuschließen, muß bei einer Ubersetzung durch if die zwischen A und K auf inhaltlicher Ebene bestehende logische Verbindung ausdrücklich angegeben werden (vgl. 1952:34-40). (13)a. If x is a younger son, x has a brother ist daher nicht äquivalent mit (13)b. x is a younger son rs x has a brother sondern mit (13)c. 'x is a younger son O x has a brother' is logically necessary. Hier ist die Bedeutung von '^' in der von if enthalten. Ungleich der materialen Implikation kann die Konditionalkonstruktion eine Vielzahl karmunikativer Funktionen erfüllen. Strawson (1952:88) unterscheidet zwei primäre oder Standardfunktionen, die hypothetische Aussage und die gesetzesartige Aussage, und beschreibt die erste Funktion wie folgt: ... the hypothetical statement is acceptable (true, reasonable) if the antecedent statement, if made or accepted, would, in the circumstances, be a good ground or reason for accepting the consequent statement; and the making of the hypothetical statanent carries the implication either of uncertainty about, or disbelief in, the fulfilment of both antecedent and consequent. Eine der hypothetischen Aussage analoge Funktion von if ist dessen Verwendung in konditionalen Warnungen und Versprechen, da auch hier in A die Begründung für das im K ausgedrückte Ereignis formuliert ist. Gesetzesaussagen differieren von normalen hypothetischen Aussagen insofern als der Begründungszusanmenhang zwischen A und K auf eine offene Klasse partikulärer hypothetischer Aussagen zutreffen muß (s.o.1.1.). Daher muß auch die im normalen KS implizierte Unsicherheit bezüglich der Wahrheit oder Erfüllbarkeit von A und K modifiziert werden.

16

Zwei weniger gebräuchliche Verwendungsweisen von if werden von Strawson (1952: 89) ebenfalls erörtert: (14)

If he felt embarrassed, he showed no signs of it.

Im Unterschied zu reinen hypothetischen Aussagen kann man nach Strawson diesem Satz ohne Schwierigkeiten Wahrheitswerte zuordnen. (14) sei nämlich genau dann wahr, wenn der in Rede stehende Mann keine Anzeichen von Verlegenheit erkennen ließ, so daß der Satz weder als materiale Implikation noch als Konditional zu analysieren sei, da die Wahrheit des Satzes lediglich von der Wahrheit des K abhänge. Sicher macht es sich Strawson hier zu einfach. Denn wenn man nicht nur nach der Wahrheit konditionaler Aussagen fragt, sondern auch danach, ob sie acceptable oder reasonable sind- wie er es an anderer Stelle ja selbst tut dann muß man auch fragen, unter welchen Unständen es akzeptabel oder vernünftig wäre, (14) zu äußern und ob (14)a.

He showed no signs of embarrasanent

die gleiche Aussagekraft besitzen würde. Die Wahrheit oder Anganessenheit des Satzes hängt ja davon ab,daß man ihn sinnvoll nur in Situationen äußern kann, in denen beim Subjekt des Satzes Verlegenheit vermutet wird, wie die Paraphrase (14)a. zeigt. Dies aber wird im A ausgedrückt. Der mit if eingeleitete Teilsatz trägt scmit zur Bedeutung der mit (14) realisierbaren Äußerung bei,so daß man solche Sätze nicht einfach aus der Analyse konditionaler Ausdrücke ausschließen kann, wie es Strawson tut. Darüberhinaus ist (14) ein Konditional, das sich ohne Verlust von Bedeutungsschattierungen in '-pN/q' überführen läßt, und dies ist eine Eigenschaft materialer Implikationen: (14)b.

Either he did not feel embarrassed or he showed no signs of it.

Auch eine satzinmanente, rein linguistische Analyse widerlegt Strawson: Dem K he shcwed no signs of it kann überhaupt kein Wahrheitswert zugeordnet werden, ohne daß der Teilsatz, auf den sich das anaphorische it bezieht, zur Analyse herangezogen würde. Sätze wie (14) stellen für eine linguistisch-pragmatische Analyse ein Problem dar, mit dem wir uns noch näher befassen werden. Die andere von Strawson erwähnte Funktion von if läßt sich an folgendem Beispiel demonstrieren: (15)

17

Hier besteht keine logische oder kausale Verbindung zwischen A und K, und dies hat oft dazu Anlaß gegeben, solche Sätze als Beweis dafür zu werten, daß sich if doch manchmal wie verhält. Dagegen läßt sich einwenden, daß gerade die Abwesenheit einer Verbindung zwischen A und K dazu benutzt wird, um einen aliphatischen Effekt zu erzielen. Dies kann aber nur funktionieren, wenn diese Abwesenheit als abweichend empfunden wird, d.h. aber, daß eine solche Verbindung normalerweise vorausgesetzt wird. Abschließend geht Strawson auf Äußerungen ein, mit denen man nicht wahre oder falsche Aussagen macht, sondern Intentionen kundtut; diese Äußerungen können dann aufrichtig oder unaufrichtig sein: (16)

If it rains, I shall stay at hcme.

Strawson behauptet eine grundlegende Verschiedenheit von wahrheitsfunktionaler materialer Implikation und umgangssprachlichen KSen - über die Bedeutung von 'd' hinaus beinhaltet die Bedeutung von if noch zusätzliche Elatiente, die einen logischen oder kausalen Zusammenhang zwischen den durch if verbundenen Aussagen herstellen. Beispiele, in denen if lediglich wahrheitsfunktional gebraucht wird, müßten daher seine These erschüttern. Schon Frege (1892/1962:58) hat ein solches Beispiel vorgebracht: (17)

Wenn die Sonne jetzt schon aufgegangen ist, dann ist der Hinmel stark bewölkt.

Ein ähnliches Beispiel führt Watling (1957:74) als Beweis wahrheitsfunktionaler KSe an: (18)

If Susie is listening at the door, then she is breathing very quietly.

Laut Frege sagt (17) nicht mehr aus als (17)a.

Entweder ist die Sonne noch nicht aufgegangen, oder der Hinmel ist stark bewölkt.

Auch für (18) ergibt die Umformung nach der Regel 'p=>q' a bles Resultat: (18)a.

'^pVq' ein akzepta-

Either Susie is not listening at the door, or she is breathing very quietly.

(17) verhält sich wahrheitsfunktional: Der Satz ist sowohl wahr, wenn die Sonne schon aufgegangen ist und der Hinmel stark bewölkt ist, als auch, wenn die Sonne

18

noch nicht aufgegangen ist, sei nun der Hinmel stark bewölkt oder nicht. Das Reiche gilt für (18). Dennoch bleibt bei diesen Beispielen ein senantischer Rest zu klären. Sie ergeben erst dann sinnvolle Schlüsse, wenn man ihnen best inmte Prämissen unterstellt, etwa: (17)b.

Wenn die Sonne aufgegangen ist, lassen sich, falls der Hirrmel nicht stark bewölkt ist, gewisse Veränderungen beobachten: es wird heller, es gibt Unterschiede zwischen Licht und Schatten, etc. Um die Zeit der Äußerung geht die Sonne am Ort der Äußerung normalerweise auf. Die beschriebenen Veränderungen lassen sich nicht beobachten. Also ist, wenn die Sonne jetzt schon aufgegangen ist, der Hinmel stark

(18)b.

bewölkt. The utterer of (18) has reason to suppose that, scnietimes, Susie listens at doors. Whenever scmeone listens at a door and the door in question answers certain conditions as regards material, fittings,etc., then he or she can be heard breathing unless he or she breathes very quietly. The door referred to answers the conditions specified. No-one can be heard breathing at the door. Therefore, if Susie is listening at the door, she is breathing very quietly.

So verhalten sich zwar (17) und (18) hinsichtlich ihrer Wahrheitswerteverteilung wie materiale Implikationen, es besteht darüberhinaus jedoch zwischen ihren A und K ein inhaltlicher Zusammenhang, der durch naturgesetzliche Gegebenheiten, Komponenten der Äußerungssituation (Zeit, Ort, Referenz) und darauf beruhenden Annahmen des Sprechers begründet ist. Diese zusätzlichen, nicht-wahrheitsfunktionalen Elemente sind es jedoch gerade, die nach Strawson die Bedeutung von if gegenüber der von ' abheben. 1.2.1.2. Chipman Dennoch lassen sich umgangssprachliche if-Gefüge finden, in denen keine logische, gesetzesnäßige, etc. Abhängigkeit zwischen A und K besteht. Nehmen wir an, ein Prüfling wird nach dem Jahr der Schlacht von Hastings gefragt. Er ist überzeugt, daß sie entweder im Jahre 1848 oder im Jahre 1066 stattfand, ist aber nicht sicher, welche dieser beiden Jahreszahlen zutrifft. Katmen ihm nun aufgrund zu-

19

sätzlicher Informationen Zweifel, daß die Schlacht im Jahre 1848 geschlagen wurde, dann kann er schließen: (19)

If the Battle of Hastings did not take place in 1848, then it took place in 1066.

Dieser Schluß ist berechtigt und korrekt, obwohl er über die materiale Folgebeziehung hinaus auf keiner logischen, kausalen oder gesetzesmäßigen Abhängigkeit zwischen A und K beruht. Chipman (1971), von dem dieses Beispiel starrmt, will damit zeigen, daß die inhaltliche Abhängigkeit der beiden Gefügehälften keine notwendige Bedingung für den Gebrauch der if,then-Konstruktion ist. Ähnlich wie Strawson postuliert Chitman eine doppelte Struktur in der Funktion des umgangssprachlichen if: Einmal die Verknüpfungsfunktion wie sie vom Konnektor

' der materialen Implikation wahrgenaimen wird, zum anderen alle da-

rüber hinausgehenden Funktionen von if, einen Komplex, der logische, kausale, probablistische (if Henry has decided to try and make it to the party, then he will pretty surely turn up) und normative Zusanmenhänge (if you are in mixed company, then you ought not to swear) zwischen A und K erfaßt, jedoch, wie anhand von (19) erläutert, nicht notwendigerweise enthalten muß. Diesen Katplex nennt Chipman 'illative Implikation'. Die Vielfalt der von der illativen Implikation wahrgenommenen Funktionen läßt sich nun einheitlich erfassen, wenn man diese zweite Rolle von if annirrmt als "that of making a suppositional assignment of the truth value true to the antecedent which it governs" (Chipman 1971: 189).

In diesem Sinne funktioniert if wie suppose oder let (in Let ABC be a

triangle).

Indem man mit if ausdrücklich eine Annahme macht, legt man sich

nicht darauf fest, ob man sie für wahr oder für falsch hält: It is a device whereby we can assign the truth value true to the antecedent while withholding comient on whether it really has that truthvalue (191). In kontrafaktischen KSen zeigt man dann durch den Gebrauch des Konjunktivs an, daß man dem A einen anderen als den angenommenen Wahrheitswert zuteilt (nämlich 'falsch'). Chipmans Analyse hat den Vorteil, daß man über die Verknüpfung der illativen Implikation hinaus keine weiteren Verbindungen zwischen A und K postulieren muß.

Sie läßt sich damit zusanmenfassen, daß man if p, then q als "p materially

implies q for the case p-true" (Chipman 1971:193) paraphrasiert. Damit wird die illative Implikation auf die ersten beiden Funktionen der Wahrheitswertetafel für 'O' reduziert.

Dieses Vorgehen entspricht dan schon von Quine gemachten

20

Vorschlag, daß KSe nur dann Wahrheitswerte haben, wenn ihre A wahr sind- Ist die in A ausgedrückte Bedingung dagegen nicht erfüllt, wird die konditionale Behauptung des K hinfällig und es wird nichts ausgesagt (1959:12). 1.2.1.3. Stalnaker Den im Rahmen der Differenzhypothese in der intensionalen modalen Logik formulierten Ansätzen zu einer konditionalen Logik (so z.B. Stalnaker (1968), Stalnaker/Thcmason (1970), Lewis (1973) und Kutschera (1974b & 1976)) ist gemeinsam, daß sie die Relation zwischen den Teilaussagen konditionaler Ausdrücke nicht mit Hilfe der materialen Implikation beschreiben, sondern neue Konnektive einführen. Diese neuen Konnektive ('>' bei Stalnaker, 'oV und 'Q-?' bei L»?is und 'K' bei Kutschera) sollen die über die wahrheitsfunktionale Folgebeziehung hinausgehenden logischen, kausalen, temporalen, etc. Zusammenhänge zwischen den beiden Teilaussagen eines Konditionals ausdrücken. Sie sind somit stärker als die materiale Implikation, aber nicht so stark wie die strikte Implikation oder Äquivalenz, welche notwendige Bedingung ausdrückt ('dann und nur dann wenn', if and only if bzw. iff) und für welche die Formel (p=>q) ^ (q 3>p) gilt. Weiterhin ist ihr vorrangiges Ziel nicht die Beschreibung einer natursprachlichen Relation, sondern die Ausarbeitung einer konditionalen Logik, für welche die natürliche Sprache lediglich empirische Daten und Anhaltspunkte liefert. Laut Stalnaker interpretieren wir KSe nach den folgenden Regeln: First, add the antecedent (hypothetically) to your stock of beliefs; second, make whatever adjustments are required to maintain consistency (without modifying the hypothetical belief in the antecedent); finally, consider whether or not the consequent is then true (1968:102) . Kennt man nun zu dan Schluß, daß K wahr ist, dann hält man auch den KS für wahr; hält man K für falsch, dann auch das ganze Konditional. Stalnakers Anliegen ist die Konstruktion einer konditionalen Logik - dies erfordert die Formulierung der Wahrheitsbedingungen konditionaler Ausdrücke. Der Schritt von den oben zitierten belief conditions zu den Wahrheitsbedingungen wird über den aus der Modallogik übernatmenen Begriff der möglichen Welt vollzogen, die man sich als eine Klasse hypothetischer Annahmen (a stock of hypothetical beliefs) vorstellen muß: Consider a possible world in which A is true, and which otherwise differs minimally frcm the actual world. "If A, then B" is true (false) just in case B is true (false) in that possible world.(1968:102) . Stark vereinfachend läßt sich diese als Erweiterung der Modallogik zusätzlich

21

eingeführte Relation

' darstellen als das Produkt einer Selektionsfunktion

1

f', deren Argumente eine Proposition und eine mögliche Welt sind und deren

Wert eine mögliche Welt ist: The s-function selects, for each antecedent A, a particular possible world in which A is true. The assertion which the conditional makes, then, is that the consequent is true in the world selected. A conditional is true in the actual world when its consequent is true in the selected world (1968:102) . Die Wahrheitsbedingungen für konditionale Ausdrücke lassen sich jetzt wie folgt formalisieren: A> B is true in oc if B is true in f (Afic) A > B is false inoc-if B is false in f (A,cd , wobei ' f' die Selektionsfunktion und die tatsächliche Welt (base world) ist (vgl. Stalnaker 1968:102). Die Selektionsfunktion 'f' unterliegt einer Reihe von formalisierbaren Beschränkungen, wie z.B. daß A in der ausgewählten Welt wahr sein muß.Ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl der möglichen Welt ist die oben geforderte minimale Differenz zur tatsächlichen Welt. Das bedeutet, daß sich tatsächliche und mögliche Welt bis auf die durch die Angleichung an A notwendigen Änderungen an der tatsächlichen Welt gleichen. Es bedeutet weiterhin, daß diese Änderungen so vorgencnmen werden müssen, daß einer Beschreibung und Erklärung der tatsächlichen Welt 'am wenigsten Gewalt angetan wird': Wiese are vague conditions which are largely dependent on pragmatic considerations for their application. They suggest, however, that the selection is based on an ordering of possible worlds with respect to their resemblance to the base world (1968:104). Daraus ergeben sich weitere Einschränkungen für die Selektionsfunktion: Die tatsächliche Welt hat Vorrang gegenüber allen anderen; wenn A in der tatsächlichen Welt wahr ist, muß diese als mögliche Welt gewählt werden und 'A>B' ist dann ein faktisches Konditional. Wenn A in der tatsächlichen Welt nicht wahr ist (im Falle von konjunktivischen KSen), erhebt sich die Frage nach der Ordnung von möglichen Welten nach dem Grad ihrer Abweichung von, oder Ähnlichkeit mit, der Basiswelt. Diese Ordnung muß der Selektion einer möglichen Welt vorausgehen. Da diese Fragen pragmatischer Natur und nicht mit logischen Instrumentarium entscheidbar sind, verweist Stalnaker sie in den Bereich der Anwendung einer konditionalen Logik. Damit wird das Problem zumindest der kontrafaktischen KSe ("statements about particular counterfactual worlds", Stalnaker 1968:104) für seine Lösung auf die pragmatische Ebene verschoben.

22

1.2.1.4. Zusammenfassung Für eine linguistisch-pragmatische Analyse sind die Untersuchungen von Strawson, Chipman und Stalnaker insofern interessant, als sie die Bedeutung des umgangssprachlichen if erhellen, indan sie sie gleichsam hierarchisch zerlegen in eine daninierende Folgebeziehung und verschiedene dieser nachgeordnete inhaltliche Komponenten, wenn diese in den Modellen selbst dann auch vernachlässigt werden. Darüberhinaus geben sie Aufschluß über die Annahmen, Voraussetzungen oder Präsuppositionen, die Kcmnunikationsteilnehmer machen, wenn sie konditionale Ausdrücke verwenden. Was das Verhältnis von Sprache und Logik angeht, so bleiben die Erklärungsversuche von Strawson, Chipman und Stalnaker im Rahmen der formalen Logik, zu deren Erweiterung Chipman mit der illativen Implikation eine neue Relation postuliert; Stalnaker erweitert die Modallogik um die Relation des corner connective 1 >'. Die für die Interpretation des umgangssprachlichen if intuitiv wichtige Verknüpfungskarponente und die vielschichtigen inhaltlichen Verbindungen zwischen A und K sind zwar in den neuen Beziehungen implizit enthalten (bei Stalnaker z.B. in der Annahme der von der tatsächlichen Welt minimal abweichenden möglichen Welt), treten jedoch zugunsten einer eindeutigen Definition der Wahrheitsbedingungen für die Folgebeziehung zurück, da sie, so Stalnaker, pragmatischer Natur sind. Weder Chipman noch Stalnaker versuchen eine Annäherung an eine Logik der natürlichen Sprache. Strawson (1952:231) schließlich verneint die Möglichkeit einer solchen Annäherung überhaupt und leitet aus dsn Unterschied zwischen den logischen Konnektoren und ihren natursprachlichen Entsprechungen die Trennung von formaler Logik und Logik der natürlichen Sprache ab: Side by side with the study of formal logic, and overlapping it, we have another study: the study of the logical features of ordinary speech. Obwohl sich die beiden Untersuchungsgegenstände überlappen, eignen sich die Relationen der formalen Logik nicht zur Beschreibung der 'natürlichen Logik', vielmehr müssen hierzu neue Analysemethoden entwickelt werden: ... simple deductive relationships are not the only kind we have to consider if we wish to understand the logical workings of language. We have to think in many more dimensions than that of entailment and contradiction, and use many tools of analysis besides those which belong to formal logic.

23 1.2.2. Die Gleichheitshypothese (Grice). In seinen 1967 in Harvard gehaltenen William James Lectures hat H.P. Grice einen Entwurf zu einer Logik der natürlichen Sprache oder Konversationslogik vorgelegt, der Strawsons Forderung nach karplexeren Analysemethoden und einer vielschichtigeren Betrachtungsweise des Gegenstandes Rechnung trägt. Das vorrangige Ziel von Grices Arbeiten ist - in Abkehr von der meaning-isuse-Position der ordinary language philosophy - die Erhellung des Unterschieds zwischen der konventionellen Bedeutung und dem Gebrauch sprachlicher Ausdrücke und die Entwicklung einer philosophischen Bedeutungstheorie. Da dies ernsthaft nur vor dem Hintergrund einer systematischen philosophischen Sprachtheorie versucht werden kann, befaßt er sich im größten Teil seiner William James Lectures mit der Entwicklung einer solchen Sprachtheorie, in der auch das Verhältnis von formaler Logik und natürlicher Sprache thsnatisiert wird. Im Unterschied zu Strawson geht Grice jedoch nicht davon aus, daß formale Logik und Logik der natürlichen Sprache bis auf Überschneidungen in wenigen Bereichen grundsätzlich nebeneinander existieren und zu betreiben seien. Die allgemein akzeptierte Annahme, daß Ausdrücke der formalen Logik und der natürlichen Sprache sich in ihren Bedeutungen voneinander unterscheiden, hält Grice (1975:43) für einen weit verbreiteten Irrtum, der auf "an inadequate attention to the nature and importance of the conditions governing conversation" zurückzuführen ist. Grices These ist vielmehr, daß eine Logik der natürlichen Sprache auf der formalen Logik Freges und Russell? aufbauen, diese scniit einschließen könne; dazu müssen jedoch die Regeln des Aussagenkalküls um neue Beziehungen erweitert werden: insbesondere um die Relation der konversationeilen Implikatur. Auf das Verhältnis von if und 1rs' bezogen heißt dies, daß die beiden Konnektoren in ihrer Bedeutung nicht divergieren, sondern daß die über die Bedeutung von '3' hinaus im umgangssprachlichen if enthaltenen Komponenten, die eine logisch, semantisch, kausal, empirisch, etc., motivierte Verbindung zwischen A und K signalisieren, von Sprechern konversationeil impliziert werden, wenn sie Konditionalausdrücke gebrauchen. Diese Implikata sind scmit nicht Teil der sprachlichen Bedeutung von if. Damit Grices Argumentation zu diesem Punkt nachvollzogen werden kann, ist es zunächst erforderlich, seinen Begriff der konversationellen Implikatur und die Prinzipien, die konversationslogischen Schlüssen zugrundeliegen, mit einiger

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Ausführlichkeit darzustellen. 1.2.2.1. Konversationsmaximen und konversationeile Implikatur Nach Gr ice besteht in vielen Äußerungen ein Unterschied zwischen dem, was ein Sprecher sagt (welche konventionelle Bedeutung die geäußerten Wörter und Sätze haben) und dem, was er damit (nicht-konventionell) konversationeil impliziert. Zur Illustration möge das folgende Beispiel dienen: Suppose that A and B are talking about a mutual friend, C, who is now working in a bank. A asks B how C is getting on in his job, and B replies, Oh quite well, I think, he likes his colleagues, and he hasn't been to prison yet (1975:43). 1st A mit C und dessen Situation wenig vertraut, so wird er fragen, was B mit seiner Äußerung gemeint oder impliziert hat. B kann dann explizit darlegen, daß es z.B. nicht unwahrscheinlich wäre, wenn C den Versuchungen seines Berufes erliegen würde, da er ihn nicht für ehrlich hält, oder daß C's Kollegen eigentlich ziemlich unangenehme Leute sind, mit denen er nicht gut auskcnmt, etc. Ob nun A die mit B's Äußerung verbundenen Implikata aus dan Kontext erschließt oder ob sie B explizieren muß, so unterscheidet sich doch in jeden Falle das, was B mit seiner Äußerung gesagt hat, erheblich von dan, was er mit ihr impliziert hat. Wie ist dies zu erklären? Konversationelle ünplikaturen sind möglich,weil Sprecher in ihren verbalen Interaktionen bestimmten steuernden Regeln und Prinzipien unterworfen sind, weil Diskurse eine Struktur haben, die konversationeile Entscheidungen beeinflußt, so daß Sprecher in der Wahl ihrer Radebeiträge nicht frei sind. Als grundlegendstes Prinzip verbaler Interaktion nirtmt Grice (1975:45ff.) an, daß alle Gesprächsteilnehmer ein gemeinsames Ziel verfolgen oder sich zumindest auf eine allgemeine Richtung einigen, die das Gespräch nehmen soll. Er nennt dies das COOPERATIVE PRINCIPLE (abgekürzt 'CP'): "Make your conversational contribution such as is required, at the stage at Vilich it occurs, by the accepted purpose or direction of the talk exchange in which you are engaged." In Anlehnung an Kants 'logische Funktionen des Verstandes' schlägt er dann vier Kategorien vor, unter die weitere Konversationsmaximen fallen (vgl. 1975:45ff.): Die Kategorie QUANTITY betrifft die übermittelte Informationsmenge und umfaßt die folgenden Maximen: 1. Make your contribution as informative as is required (for the current purposes of the exchange). 2.

Do not make your contribution more informative than is required.

25 Die zweite Maxime wird damit begründet, daß ein Zuviel an Information zu Verwirrung führen kann oder zu der Implikatur, daß der Sprecher mit dan Informationsüberfluß einen bestirmiten Zweck verfolgt, z.B. von etwas ablenken will. Unter die Kategorie QUALITY fällt eine 'Supermaxime1: "Try to make your contribution one that is true", und zwei spezifischere Maximen: 1. Do not say what you believe to be false. 2.

Do not say that for which you lack adequate evidence.

Die Kategorie RELATION enthält eine einzige Maxime: "Be relevant". Hinter dieser knappen Formulierung verbirgt sich eine Anzahl von Problemen, die noch nicht gelöst sind: Was wird in einem Diskurs für relevant erachtet, wie ändert sich der Relevanzfokus im Verlaufe eines Gesprächs, wie läßt sich ein legitimer Wechsel des Themas mit der Maxime vereinbaren, u.a.m. Die Kategorie MANNER bezieht sich nicht darauf, was gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Sie enthält wieder eine 'Supermaxime': "Be perspicuous", und vier Suhmaximen: 1. 2.

Avoid obscurity of expression. Avoid ambiguity.

3. 4.

Be brief (avoid unnecessary prolixity). Be carder ly.

Die Maximen sind offensichtlich nicht gleichrangig was ihre Bedeutung für den Interaktionsverlauf oder mögliche Sanktionen bei ihrer Verletzung betrifft, jedoch verzichtet Grice auf eine - über die in seinem System über Super- und Submaximen implizierte hinausgehende - Hierarchisierung. Weiterhin gibt es sicher eine ganze Reihe anderer Maximen aesthetischer, sozialer oder moralischer Art (z.B. "Be polite"), die für eine Diskursanalyse wichtig wären, jedoch für Grices Anliegen nicht urmittelbar relevant sind. Eine andere Einschränkung erfährt der Gricesche Ansatz dadurch, daß er den Zweck verbaler Interaktion als den bestmöglichen Austausch von Informationen betrachtet: I have stated my maxims as if this purpose (of human talk) were a maximally effective exchange of information; this specification is, of course, too narrcw, and the scheme needs to be generalized to allcw for such general purposes as influencing or directing the actions of others (1975:47). Ofcwohl Grice selbst sein Modell als zu eng betrachtet, genügt doch auch die von ihm angedeutete Erweiterung nicht, um sprachliches Verhalten in all seiner

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Komplexität zu erfassen. Denn indem er verbales Verhalten als einen Spezialfall zweckgerichteten, rationalen menschlichen Handelns überhaupt faßt, wird er nicht allen Funktionen von Sprache gerecht. Exkurs M.A.K. Halliday (1969, 1970a+b, 1972/73) hat in mehreren Arbeiten versucht, Form und Funktion von Sprache zueinander in Beziehung zu setzen bzw. sprachliche Form auf ihre funktionelle Basis in der Ontogenese des Menschen zurückzuführen und darüberhinaus Schlüsse auf die phylogenetischen Schritte in der Entwicklung der menschlichen Sprache zu ziehen. In der Sprache des Kleinkindes, in welcher jede Äußerung genau eine kanmunikative Funktion erfüllt, unterscheidet er sieben beobachtbare Funktionen: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Die Die Die Die Die

instrumentale Funktion interaktionale Funktion regulative Funktion personale Funktion heuristische Funktion imaginative Funktion

(I want) (me and you) (do as teil you) (here ccme!) (teil me why) (let's pretend, bezogen nicht nur auf die Wirklichkeit, sondern auch auf die Sprache selbst, auf das Spiel mit Laut, Silbe und Wort) 7. Die repräsentative Funktion (I've got scmething to teil you) Die Sprechakte erwachsener Sprachbenutzer dagegen sind funktional kanplexjede Äußerung erfüllt zugleich mehrere Funktionen. Die funktionale Ausdifferenzierung des einzelnen Sprechakts in der Entwicklung von der Kindersprache zur Erwachsenensprache wird begleitet von einer Reduktion der angeführten 7 Funktionen auf 3 Makrofunktionen, deren Ausprägungen sich in der Sprachstruktur spiegeln: 1. Die ideationale Funktion, die weniger aus der repräsentativen, sondern vorherrschend aus der personalen und heuristischen Funktion des Kleinkindes abzuleiten ist. Die ideationale Funktion von Sprache erlaubt es uns, individuelle und gesellschaftliche Erfahrung zu organisieren und zu speichern und Inhalte im Rückgriff auf diese Erfahrung auszudrücken urri zu übermitteln. Auf der abstrakten Ebene der Sprachstruktur ist die einfachste Option, die wir für die kognitive Verarbeitung und sprachliche Wiedergabe von Erfahrung ausüben können, die zwischen Transitivität und Intransitivität. 2. Die interpersonale Funktion verkörpert den Gebrauch von Sprache, um soziale und persönliche Beziehungen auszudrücken. Während sich auf der Ebene des Sprechakts eine unbegrenzte Anzahl spezifischer Ausprägungen sozio—personalen Sprachgebrauchs beobachten lassen (z.B. zustinmen oder ablehnen, in die soziale Gruppe aufnehmen oder aus ihr ausschließen, Fragen stellen, persönliche Gefühle ausdrücken, vertraute Beziehungen herstellen, ansprechen, begrüßen, sich verabschieden, etc., vgl. Halliday (1972/73:41)), schlägt sich die interpersonale Funktion auf der abstrakteren Ebene der Sprachstruktur in den Satzmodi Deklarativ, Interrogativ und Inperativ nieder, welche die grundlegenden Redefunktionen Aussage, Frage, Antwort und Befehl realisieren. 3. Die textuale Funktion "fills the requirement that language should be informationally relevant - that it should have a texture, in real contexts of Situation,

27 that distinguishes a living message frctn a mere entry in a granmar or a dictionary"(Halliday 1972/73:42). Auf der Ebene der Sprachstruktur wird die textuale Funktion in der thanatischen Struktur und in der Informationsstruktur des Satzes reflektiert. Das Thema eines Satzes ist der Kern der in ihm enthaltenen Aussage, das Rhena, was darüber ausgesagt wird. Das Thema kann im Englischen durch die Wortstellung eindeutig definiert werden: es steht inmer an erster Stelle. Da ^ Thema, Handlungssubjekt und grammatisches Subjekt normalerweise identisch sind, entspricht die Thsma-Rherna-Struktur normalerweise der Subjekt-Prädikat-Struktur. Die Informationsstruktur dagegen gliedert sich in topic und caiment bzw. in new und given information und läßt sich nicht an bestimmten Elanenten des Satzes festmachen. In der Sprachstruktur wird sie nicht nur durch Wortstellung, sondern durch Intonation oder andere Einphaseträger gekennzeichnet. Bei normaler Interpretation fallen auch thanatische und Informationsstruktur zusammen (vgl. Halliday 1970:162&164f.). Mit der funktionalen Reduktion, welche die Entwicklung von der Kindersprache zur Erwachsenensprache kennzeichnet, verschiebt sich zugleich das relative Gewicht der einzelnen Funktionen: Während in der Kindersprache die instrumentale, interaktionale und regulative Funktion vorherrschen und die repräsentative (informative) Funktion erst relativ spät erlernt wird, daniniert in der Erwachsenensprache die kognitive ideationale Funktion. Daß sie in fast allen Sprechakten vorhanden ist (Ausnahmen sind Äußerungen wie how do you do? oder no wonderI), erklärt die verbreitete und auch von Grice vertretene Auffassung, daß Sprache fast ausschließlich dazu dient, Informationen zu übermitteln oder Erfahrungen zu ordnen und zu speichern. Während Halliday vorrangig an den Entsprechungen interessiert ist, welche die drei Makrofunktionen auf der abstrakten Ebene der Sprachstruktur haben, orientieren sich andere Überlegungen zur Funktion von Sprache mehr am konkreten Sprechakt. So unterscheidet Corder (1973:42ff.) in Anlehnung an Hymes (1968)^%benfalls 7 Funktionen von Sprache, die auf 7 Komponenten der Sprechsituation bezogen sind und von denen eine jede - allein oder zusaitmen mit anderen - als Fokus des Sprechakts gewählt werden kann: Steht der Sprecher im Mittelpunkt seiner Äußerung, gebraucht er Sprache in ihrer personalen Funktion und teilt in expressiven Sprechakten seine Einstellungen und Hnotionen und damit einen Teil seiner Persönlichkeit mit. Ist die Äußerung auf den Hörer bezogen, so wird Sprache in ihrer direktiven Funktion gebraucht, um das Verhalten des Hörers in irgendeiner Weise zu beeinflussen; hierher gehören Sprechakte wie fragen, befehlen, bitten, warnen, etc. Steht der Kontakt der Interaktionsteilnehmer im Vordergrund, so wird Sprache in ihrer phatic function gebraucht, um in formelhaften, fast rituellen Sprechakten (Begrüßung und Abschied, Gespräche über das Wetter, etc.) interindividuelle Beziehungen zu etablieren, aufrecht zu erhalten oder zu beenden. Die referentielle Funktion von Sprache bringt das Thema des Sprechaktes, seinen propositionalen Gehalt, zum Ausdruck, die kontakt-orientierte Funktion stellt sicher, daß dieser auch van Hörer erfaßt wird, 'ankcnrnt' (scwohl rein technisch: do you hear me? als auch 3

"unless there is good reason for them not to be" (Halliday 1970:161); dann treten markierte Formen wie z.B. das Passiv auf. 4 Z.B. Präposition to bei beneficiary case (vgl. Halliday 1970:163) oder Passiv und pseudo-cleft sentences (vgl. Lipka 1977). 4a der eine Erweiterung und Differenzierung von Karl Bühlers 'Organon-Modell' der Sprache (1930/1965) vornimmt.

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inhaltlich: can you follcw?). Mittels der metalinguistischen Funktion von Sprache können wir die Form sprachlicher Äußerungen thematisieren (eine für alles Lehren und Lernen wichtige Funktion); die imaginative Funktion von Sprache schließlich erlaubt es uns, einen Inhalt auf vielfältige Weise auszudrükken, Sprache zu manipulieren, mit sprachlichen Formen zu spielen, nonsense rhymes zu produzieren, etc., und so die Norm von Sprache außer Kraft zu setzen. Ein Vergleich dieser vielfältigen Funktionen von Sprache auch mit Grices erweitertem Begriff menschlicher Konversation zeigt, daß in Grices Ansatz ganz besonders die personale Funktion von Sprache vernachlässigt wird. Während sich 'informationslose1 Äußerungen, die der interaktionalen Funktion oder phatic function zuzurechnen sind, möglicherweise als Implikaturen ableiten lassen, die durch Verletzung der Maximen quantity, manner oder von noch zu formulierenden Maximen sozialer und moralischer Art entstehen, scheint dies für expressive, emotionell gefärbte,' sprecherbezogene Äußerungen nicht möglich. Eine Auseinandersetzung mit Argumenten, die eine Erweiterung oder Modifikation des Griceschen Ansatzes nahelegen, soll jedoch an anderer Stelle erfolgen (vgl. Kap.3). Unter dieser Einschränkung kann man nun die Verbindung zwischen dem Cooperative Principle und den Maximen einerseits und konversationeilen Implikaturen andererseits untersuchen, denn diese sind dadurch möglich, daß (es so scheint als ob) Sprecher bestinmte Maximen nicht beachten und Hörer daraus bestirrmte Schlüsse ziehen können. Ein Sprecher kann Konversationsmaximen auf verschiedene Weise verletzen (der termininologischen Klarheit halber und um Rückverweise zu erleichtern sei Grice zu diesem Punkt ausführlich zitiert, vgl. Grice 1975:49): 1. He may quietly and unostentatiously VIOLATE a maxim; if so, in same cases he will be liable to mislead. 2. He may OPT OUT frcm the operation both of the maxim and of the CP; he may say, indicate or allow it to beccme plain that he is unwilling to cooperate in the way the maxim requires. He may say, for example, I cannot say more; my lips are sealed. 3. He may be faced by a CLASH: He may be unable, for example, to fulfil the first maxim of Quantity (Be as informative as is required) without violating the second maxim of Quality (Have adequate evidence for what you say). 4. He may FLOUT a maxim; that is, he may BLATANTLY fail to fulfil it. On the assunption that the speaker is able to fulfil the maxim and to do so without violating another maxim (because of a clash), is not opting out, and is not, in via«? of the blatancy of his performance, trying to mislead, the hearer is faced with a minor problem: Hew can his saying what he did say be reconciled with the supposition that he is observing the overall CP? This situation is one that chracteristically gives rise to a conversational implicature; and when a conversational implicature is generated in this way, I shall say that a maxim is being EXPLOITED.

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Den Begriff der konversationeilen Implikatur charakterisiert Grice (1975:49f) nun wie folgt: A man who, by (in, when) saying (or making as if to say) that £ has implicated that 3, may be said to have conversationally implicated that 3 , PROVIDED THAT (1) he is to be presumed to be observing the conversational maxims, or at least the cooperative principle; (2) the supposition that he is aware that, or thinks that, £ is required in order to make his saying or making as if to say £ (or doing so in THOSE terms) consistent with this presumption; and (3) the speaker thinks (and would expect the hearer to think that the speaker thinks) that it is within the ccmpetence of the hearer to work out, or grasp intuitively, that the supposition mentioned in (2) IS required. Ein wichtiges Charakteristikum konversationeller Implikaturen ist es, daß sie nicht nur intuitiv erkannt werden, sondern aus den Äußerungen, in denen sie enthalten sind, ableitbar sein müssen. Bei dieser Ableitung stützt sich der Hörer auf die konventionelle Bedeutung der verwendeten Wörter und Sätze, das CP und seine Maximen, den Kontext der Äußerung (sprachlich und außersprachlich), weiteres relevantes Allgemeinwissen scwie die Tatsache, daß alle Interaktionspartner im Besitz der angeführten Informationen sind und dies auch voneinander wissen oder zumindest annehmen. Das Muster für einen solchen Ableitungsprozess sähe dann etwa so aus(vgl. Grice 1975:50): 'He has said that £; there is no reason to suppose that he is not observing the maxims, or at least the CP; he could not be doing this unless he thought that £; he knows (and kncws that I knew that he knews) that I can see that the supposition that he thinks that 3 IS required; he has done nothing to step me thinking that 3; he intends me to think, or is at least willing to allcw me to think, that 3; and so he has implicated that 3.' Grice (1975:51 f.) führt mehrere Beispiele konversationeller Implikaturen an,von denen eines herausgegriffen sei, in dem die Verletzung einer Maxime dadurch erklärt werden kann, daß sie mit einer anderen in Konflikt gerät: A und B planen eine Route für eine Frankreichreise. Beide wissen, daß A gerne seinen Freund C besuchen möchte, falls dies keinen allzu großen Umweg bedeutet. A: Where does C live? B: Satiewhere in the South of France. Es besteht kein Grund zu der Annahme, daß B nicht das CP beachtet; dennoch ist seine Antwort nicht informativ genug, verletzt also die 1. Maxime der Quantität. Dies kann nur durch die Annahme erklärt werden, daß B nicht mehr sagen kann, da er sonst die 2. Maxime der Qualität (do not say that for which you lack adequate evidence) verletzen würde. Sanit impliziert B, daß er nicht weiß, in welcher Stadt C wohnt.

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Auch ironischer, sarkastischer und metaphorischer Gebrauch von Ausdrücken kann durch konversationelle Implikaturen erklärt werden. So impliziert ein Sprecher mit der - im entsprechenden Tonfall vorgebrachten - Äußerung X is a fine friend in einem Kontext, in dem die Äußerung ganz offensichtlich die 1. Maxime der Qualität verletzt (also falsch ist), genau das Gegenteil der konventionellen Bedeutung des Satzes (vgl. Grice 1975:53). Bisher ist nur die Rede gavesen von Implikaturen, die aufgrund bestimmter Redesituationen entstehen - diese Implikaturen nennt Grice particularized conversational implicatures. Daneben gibt es generalized conversational implicatures, Fälle, in denen allein der Gebrauch bestimmter Ausdrücke in bestirrmter Form normalerweise und situationsunabhängig eine bestürmte Implikatur übermittelt. Mit der Äußerung X is meeting a wanan this evening impliziert ein Sprecher z.B. normalerweise, daß X nicht mit seiner Frau, Mutter, Schwester oder selbst einer guten platonischen Freundin verabredet ist (vgl. Grice 1975:56). Die Implikatur wird dadurch erzeugt, daß der Sprecher die 1. Maxime der Quantität verletzt (make your contribution as informative as is required), vielleicht weil sie mit der 2. Maxime der Qualität in Konflikt steht (have adequate evidence for what you say) oder mit noch zu formulierenden Maximen sozialer oder moralischer Art (z.B. be discreet), sofern sie sich nicht der 2. Maxime der Quantität (do not make your contribution more informative than is required) subsumieren lassen. Generalisierte (nicht-konventionelle) konversationelle Implikaturen sind oft schwer von konventionellen Implikaturen zu unterscheiden, die von der konventionellen, sprachlichen Bedeutung der Wörter getragen werden. Auf den an dieser Stelle von Grice nur kurz angeschnittenen Begriff der konventionellen Implikatur soll hier jedoch nicht weiter eingegangen werden. Im Unterschied zu den konventionellen Implikaturen haben konversationelle Implikaturen (die entweder partikulär oder generalisiert sein können) die folgenden Merkmale: 1. Da allen konversationeilen Implikaturen das CP zugrundeliegt und da es möglich ist, die Kooperation zu verweigern (opt out), müssen generalisierte konversationelle Implikaturen auch widerrufbar oder löschbar sein (feature of cancellability), und zwar: a. Explizit, z.B.: X told me he was meeting a wcman this evening, but knowing him it'll probably be his sister.

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b. Irrplizit (kontextuell: "... if the form of utterance that carries it is used in a context that makes it clear that the speaker is opting out" (Grice 1975:57). Betrachten wir das folgende Beispiel: A: Let's watch the cup final on TV tonight. B: A:

I'm sorry, but you knew I'm taking my sister out to dinner. Oh, I forgot you were meeting a woman this evening.

A's Äußerung ist ironisch. In Grices Konversationslogik ist Ironie daraus erklärbar, daß eine Maxime dadurch, daß sie ganz offensichtlich mißachtet wird, für eine Implikatur ausgenutzt wird (exploitation by flouting a maxim). Die Ironie in A's Äußerung ist aber nur möglich, wenn die (eigentlich durch den Kontext zu löschende) generalisierte Inplikatur von meeting a woman noch vorhanden ist, denn sie ist daraus erklärbar, daß A offensichtlich die 1. Maxime der Qualität verletzt und, analog der Ironie von he's a fine friend, impliziert You are not 'meeting a weman' tonight.^ Grices Anspruch, generalisierte konversationeile Implikaturen seien kontextuell tilgbar, erscheint semit problematisch, zumal er ihn nicht mit Beispielen erhärtet. 2. Da die Ableitung einer konversationeilen Implikatur neben der kontextuellen Information nur von den tatsächlich gebrauchten Ausdrücken abhängt und nicht von der Art der Äußerung (es sei denn, eine Maxime der Kategorie MANNER) wäre betroffen), ist es nicht möglich, das gleiche ohne die Implikatur zu sagen: "If we call this feature NCNDETACHABILITY, one may expect a generalized conversational implicature that is carried by a familiar, nonspecial locution to have a high degree of nondetachability"(1975:58). 3. Konversationelle Implikata gehören nicht zur sprachlichen Bedeutung der Ausdrücke, bei deren Gebrauch sie wirksam werden. 4. Die Wahrheit konversationeller Implikata hängt nicht von der Wahrheit der sie tragenden Äußerungen ab (eine wahre Äußerung kann etwas Falsches implizieren); Implikaturen werden daher nicht durch das, was gesagt wird, erzeugt, sondern "by putting it that way" (1975:58). 5. Die mit einer Äußerung oder einan Ausdruck verbundenen Implikata bilden eine offene Liste möglicher Ableitungen; dies trägt dem unbestirrmten Charakter konversationeller Implikaturen Rechnung und damit der Vagheit und Mehrdeu5 Unser Beispiel zeigt noch ein weiteres Charakteristikum der Implikatur von meeting a weman auf ' Sie ist sexspezifisch. Der Dialog zwischen A und B, und damit die Ableitung der Inplikatur, ist nur dann plausibel, wenn beide Sprecher, zumindest aber B als Adressat der relevanten Äußerung, männlich sind.

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tigkeit der natürlichen Sprache. 1.2.2.2. Die konversationelle Implikatur von if Kannen wir nun auf Grices These zurück, daß die Bedeutungen von 1 1 und if nicht divergieren, sondern daß die zweifellos vorhandenen Unterschiede auf eine mit 1 ' verbundene Implikatur zurückzuführen seien. Es sollte schon deutlich geworden sein, daß eine solche Implikatur weder konventionell,(da sie ja gerade nicht zur sprachlichen Bedeutung von if gerechnet wird), noch partikulär sein kann (sonst würde sie nur in bestimmten Redesituationen erzeugt, was eine systanatische Behandlung von Konditionalausdrücken von vornherein ausschlösse). Vielmehr müssen die mit if assoziierten Implikata auf eine generalisierte konversationeile Implikatur rückführbar sein. Nach der Differenzhypothese ist die Bedeutung von 1 ZD1 in der von if enthalten über die Relation 'O' hinaus beinhaltet if aber einen logischen, semantischen, kausalen, probabilistischen oder normativen Zusammenhang zwischen den beiden Hälften eines Konditionalgefüges (s.o. 1.2.1.). Grice nennt diesen Bedeutungskanplex die Indirectness Condition (im folgenden abgekürzt IC), da diese Bedingung eine indirekte, d.h. nicht-wahrheitsfunktionale Verbindung zwischen den durch if verknüpften Propositionen postuliert (vgl.1968a/IV:1). ... to say 'if p then q1 is to be conventionally carmitted (to assert or imply in virtue of the meaning of 'if') (a) to the proposition that praq and (b) to the Indirectness Condition. Wenn es sich bei der IC un eine generalisierte Implikatur handeln soll, dann muß sie die Merkmale konversationeller Implikaturen aufweisen, muß insbesondere die Bedingungen von nondetachability und cancellability erfüllen (vgl. z. folgenden 1968a/IV): 1. Nondetachability: Gibt es eine Art, if p, then q auszudrücken, bei der die Implikation der IC fehlt? Bei der Uuformung der Aussage (20) If Smith is in London, he is attending the meeting in äquivalente logische Aussageformen (s.o. 1.2.1.) bleibt die IC erhalten: (20)a. Either Smith is not in London or he is attending the meeting. b. It is not the case that Smith is both in London and not attending the meeting. c.

Not both of the following prepositions are true: (i) Smith is in London (ii) Smith is not attending the meeting.

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d.

I deny the conjunction of the statements that Smith is in London and that Smith is not attending the meeting.

2.

Cancellability:

Nach Grice ist die IC in allen Fällen explizit löschbar.

Während (21) die IC,

daß der Sprecher nicht-wahrheitsfunktionale Gründe für die Äußerung des Konditionals hat, impliziert, ist diese Bedingung in (21)a. explizit getilgt: (21)

If Smith is in the library, he is working. a.

I knew just where 3nith is and what he is doing, but all I will tell you is that if he is in the library he is working.

Dadurch, daß der Sprecher von (21) a. seine Äußerung durch but all

will teil

you einschränkt, signalisiert er, daß er sich nicht an die 1. Maxime der Quantität hält (epting out).

Damit läßt er jedoch auch offen, ob er Belege dafür

hat, daß 3nith, sollte er in der Bibliothek sein, dort arbeitet, obwohl er vorausgeschickt hat, daß er ganz genau weiß, wo Smith ist und was er gerade macht.

Ähnliche Einschränkungen machen Sprecher, die Prophezeiungen oder Ver-

mutungen äußern, und zwar bezüglich der 2. Maxime der Qualität (have adequate evidence for what you say), so daß auch in solchen Äußerungen die IC

explizit

gelöscht wird: (22)

If England win the first Test, they will w i n the series, you mark my words.

(23)

Perhaps, if he canes, he will be in a good mood.

In manchen Fällen ist nach Grice die IC jedoch auch kontextuell tilgbar, so z.B. in logischen Puzzles, bei denen man aus den Namen einer Anzahl von Personen, ihren Berufen und augenblicklichen Beschäftigungen sewie einigen wenigen Informationen, wie diese Daten zusammenhängen, Beruf und augenblickliche Beschäftigung bestimmten Personen zuordnen soll. (24)

Eine entsprechende clue könnte z.B. sein:

If Mr. Tailor is a cobbler, Mr. Baker is currently gardening.

LJ. Cohen (1971) , von dan dieses Beispiel stanmt, hat dagegen eingewendet, daß allein der Akt der Äußerung von (24) im Puzzle-Kontext den Ratenden nicht^wahrheitsfunktionale Gründe des Sprechers für die Behauptung des Konditionals suggeriert.

Dieser Einwand trifft sicher dann zu, wenn die Regeln des Spiels vorse-

hen, daß alle clues wahr sein müssen, d.h. wenn es keine irreführenden Informationen geben darf - das ist aber vermutlich die normale Situation im gegebenen Ken text.

Die IC wäre nur dann gelöscht, wenn vorher explizit vereinbart worden

wäre, daß für die Äußerungen im Spielkontext die 1. Maxime der Qualität (try to make your contribution one that is true) außer Kraft gesetzt wird.

Es ist anzu-

nehmen, daß eine solche Regelung das Spiel jedoch unmöglich machen würde.

34 Ein anderer von Grice in diessn Zusammenhang erwähnter Kontext ist das Kartenspiel. Wenn eine Bridgekonvention five no trurrps bedeuten soll: (25) If I have a King of Hearts, I also have a black King, dann ist dies für Grice ein Konditional, bei dem die IC kontextuell getilgt ist und das sich darüberhinaus wie eine wahrheitsfunktionale Implikation verhält: (25) ist dann wahr, wenn der Sprecher/Spieler a. keinen roten, aber einen schwarzen König

(-LT)

b. keinen roten und keinen schwarzen Konig

(J_L)

c. einen roten und einen schwarzen Konig hat und falsch, wenn er

(T T)

d. einen roten, aber keinen schwarzen König hat. (T-L) Zweifellos ist dies der Fall. Dennoch scheint auch hier Cohens Einwand stichhaltig, allein die Äußerung von (25) teile den anderen Spielern mit, daß es nicht-wahrheitsfunktionale, d.h. indirekte Belege für das Konditional gibt. Ein opting out aus der 1. Maxime der Qualität oder aus der Relevanzmaxime kann auch nicht angenarmen werden, denn da Bridge ein Partnerspiel ist, würden irreführende bids den eigenen Partner ebenso wie die Gegenspieler verwirren. Ofcwohl sich (25) ohne Kontext wie ein rein wahrheitsfunktionales Konditional verhält, ist gerade im Bridge-Kontext die IC vorhanden. Untersuchen wir einmal, wann es sinnvoll und kooperativ dem Partner gegenüber wäre, im gegebenen Kontext (25) zu äußern, d.h. was die verschlüsselte Aussage dem Partner mitteilen soll: (25)a'. Ich habe Konige. Damit wird die Wahrheitswertekcmbination b. irrelevant. (25)b'. Ich habe mindestens einen roten und mindestens einen schwarzen König. Damit müssen die Wahrheitswertekcmbinationen (25)a.&d. verworfen werden: (25) ist in dem von Grice explizierten Kontext kein wahrheitsfunktionales Konditional. Da unsere Versuche, die generalisierte Implikatur von meeting a wonan kontextuell zu löschen, ähnlich erfolglos waren, müssen wir annehmen, daß generalisierte Implikaturen, und damit auch die IC, nicht kontextuell löschbar sind, sondern nur explizit getilgt werden können. Betrachten wir unter diesem Aspekt noch einmal Chipnans Prüflings-Beispiel: (19)

If the Battie of Hastings did not take place in 1848, it took place in 1066.

Zwar ist die Tatsache, daß die Schlacht von Hastings nicht im Jahre 1848 stattfand, keinesfalls der Grund dafür, daß sie im Jahre 1066 geschlagen wurde; insofern ist es richtig, daß zwischen den beiden Gefügehälften kein kausaler Zu-

35

sanmenhang besteht. Deshalb verhält sich auch (19) bezüglich seiner Wahrheitswerteverteilung wie ein wahrheitsfunktionales Konditional. Dennoch liefert in der beschriebenen Situation die im A thematisierte Proposition - für den Prüfling - die Begründung für seine Annahme, daß die letzte Jahreszahl zutrifft. Auch hier können wir also aus der bloßen Tatsache, daß er (19) äußert, entnehmen, daß für den Sprecher dieses Konditionals zwischen A und K ein logischer, kausaler, nicht^wahrheitsfunktionaler Zusammenhang besteht.

So ist auch hier

die IC nicht kontextuell, sondern nur explizit (z.B. durch Modal- oder Frageformen) löschbar: (19)a.

I'm not sure, but if the Battle of Hastings did not take place in 1848, it might have taken place in 1066.

b.

If the Battle of Hastings did not take place in 1848, did it take place in 1066?

If in konditionalen Äußerungen nirrmt also einmal die rein wahrheitsfunktionale Rolle von

wahr, in den meisten Fällen inpliziert es aber Uber die wahr-

heitsfunktionale Relation hinausgehende Bedeutungselemente, die dann wiederum explizit ausgeklanmert werden können. Nun kann man einem solchen Umstand in einer Sanantiktheorie dadurch Rechnung tragen, daß man if mit einer Hauptbedeutung und verschiedenen dieser nachgeordneten Nebenbedeutungen versieht, die in bestirmiten Kontexten wirksam bzw. gelöscht werden. Differenzhypothese.

Dies ist die Aussage der

Grice (1968a/III:10) hält dan ein Prinzip entgegen, das er

Modified Occam's Razor nennt: "Senses are not to be multiplied beyond necessity." Wenn man darüberhinaus anninmt, daß es im allgemeinen leichter ist, die Bedeutung eines Ausdrucks (z.B. vermittels einer Implikatur) zu spezifizieren, als einen Ausdruck mit sehr spezifischer Bedeutung in einem weiteren Sinne zu gebrauchen, dann folgt aus Modified Occam's Razor ein weiteres Prinzip: ... one should suppose a word to have a less restrictive rather than a more restrictive meaning, where choice is possible (IH:11). Für eine systematische und im Griceschen Sinne ökonomische Behandlung konditionaler Ausdrücke spricht auch dies für die These, daß if mit der Bedeutung von identisch ist und die spezifizierenden Bedeutungselemente der IC konversationell impliziert werden. Eine Bedingung für konversationelle Implikaturen war, daß sie ableitbar sein müssen, d.h. ihr Entstehungsprozess muß nachvollziehbar sein. Wie konmt es also zur Implikatur der IC? Sie läßt sich, wie die meisten generalisierten Implikaturen, aus dem Konflikt zwischen zwei Maximen erklären:

''

36

To say that p=>q will be to say something logically weaker that to deny that p or to assert that q, and so less informative; to make a less informative rather than a more informative statement is to offend against the first maxim of Quantity, provided that the more informative statement, if made, would be of interest. There is a general presumption that in the case of 'pDq' a more informative statement would be of interest; no one would be interested in knowing that a particular relation (truth-functional or otherwise) held between two propositions without being interested in the truth value of at least one of the propositions concerned (1968a/IV:5) . Unter der Voraussetzung, daß das CP beachtet wird, läßt sich eine Verletzung der 1. Maxime der Quantität am besten damit erklären, daß der Sprecher in Konflikt mit der 2. Maxime der Qualität (have adequate evidence for what you say) geraten ist. Er hat also nicht-wahrheitsfunktionale Belege weder für p noch für q, sondern nur dafür, daß eine Beziehung der Abhängigkeit zwischen beiden besteht. Die Äußerung von if p,then q ist also identisch mit der Aussage 'p3q' zusammen mit der zusätzlichen Implikatur nicht^wahrheitsfunktionaler Gründe für die Behauptung von 'prjq'. Gegen diese Darstellung des Sachverhalts kann der folgende Einwand geltend gemacht werden: Mit Grices Behandlung des Verhältnisses von ' ra1 und if kann man ebenfalls die Identität von 'V' und or ableiten (der Sprecher äußert 'pVq' und impliziert eine IC, daß er nicht-wahrheitsfunktionale Gründe für die Annahme hat, daß entweder die Aussage p wahr ist oder die Aussage q, er aber nicht weiß, welche von beiden). Es besteht jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen Disjunktion und materialer Implikation, den die Darstellung nicht erfaßt: Während eine Disjunktion, die aufgrund nicht-wahrheitsfunktionaler Gründe vorgebracht wurde, durch Bestätigung eines ihrer Disjunkte wahrheitsfunktional bestätigt 1 werden kann, führt eine analoge Anwendung der Wahrheitswertetafel für auf if zu unsinnigen Kombinationen von A und K, den sogenannten Paradoxien der materialen Implikation (s.o. 1.2.). Grices Beispiele für die cancellability der IC zeigen zwar, daß sich if wie verhalten kann; wenn die IC vorhanden ist, d.h. wenn der Sprecher nicht^wahrheitsfunktionale Gründe für die Behauptung des Konditionals hat, hat if jedoch oft (im Unterschied zu or) subordinierende Funktion. Anstelle von (21) könnte man auch sagen: (21)b. Supposing Smith is in the library, then he is working. Da es aber Grices erklärtes Ziel ist, if mit der singulären Bedeutung von ' zu versehen, wird ihm die Klärung der Frage "why it should be in general natural to 'read into' a conditional a subordinating device (in effect, to treat 'if' as if it meant 'supposing1)"(Grice 1968a/IV:12) zum primären Probien.

37

In diesan Zusammenhang stellen sich Grice (1968a/IV:11f. & V/1) vier weitere Fragen: 1. Warum, die logische Äquivalenz von 'p=q' und

1

-pVq' vorausgesetzt, sind

viele Umformungen nach diesem Schema zwar verständlich, aber äußerst unnatürlich? 2. Warum gibt es überhaupt eine konditionale Form if in der Sprache, wenn doch Negation, Konjunktion und Disjunktion das gleiche ausdrücken können? 3. Wie kaimt es zu der Antezedens-Konsequens-Terminologie? 4. Warum sträuben wir uns in den meisten Fällen dagegen, ein Konditional, das aus nicht-wahrheitsfunktionalen Gründen vorgebracht wurde, dadurch bestätigt zu sehen, daß sich sein A als falsch und sein K als wahr herausstellen? Unter der Voraussetzung, daß sich die logischen Konnektoren nach ihr an 'Primitivitätsgrad' (degree of primitiveness) ordnen lassen, begründet Grice (1968a/IV: 15) die Existenz von or in der Sprache, neben den primitiveren not und and, mit sprachlicher und begrifflicher Ökonomie: 'A or B' is more economical typographically and perhaps in terms of concepts explicitly mentioned than (the logically equivalent statement) 'it is not the case that both not A and not B'. Niimit man weiterhin an, daß Disjunktionen ' Interimantworten' auf explizite oder implizite g Wh-Fragen sind, so ist möglicherweise ein pointering principle involviert. Wir fragen z.B. nicht Who didn't shoot Kennedy?, sondern Who shot Kennedy? und erwarten demgemäß auch eine positive Antwort. Dieser Argumentation folgend ist 'A or B' auf die Behauptung von A und von B 'gerichtet' (pointered) und nicht auf die Verneinung von A oder von B. Die Umformung von 'poq' in '-pVq' enthält aber die Verneinung des ersten Disjunkts, was die gesamte Disjunktion kontraintuitiv erscheinen läßt. Mit dem Begriff des pointering läßt sich daher auch die ungewöhnliche Form der durch Umformung aus KSen gewonnenen Disjunktionen (6)a. - (9)a. unter 1.2. erklären. Es zeichnet sich hier eine allganeine Regel ab, daß der A eines Konditionals verneint sein muß, damit die Disjunktion akzeptabel ist: (26)a.

If we don't hurry, we won't be in time for the train,

b.

Either we hurry or we won't be in time for the train.

6

Vgl. Grice (1968a/IV:14ff.). Mit diesem neuen Begriff hat Grice hier auch ein neues Wort geschaffen, bzw. das Ncmen pointer in verbaler Bedeutung gebraucht. Wir können unter pointering ein Ausrichten kannunikativer Absichten und ihrer sprachlichen Realisierungen allgemein auf sprachliche und begriffliche Einfachheit und Ökonanie verstehen, hier insbesondere die Bevorzugung positiver Aussagen und Fragen gegenüber ihren negierten Formen.

38

Neben der mit den 'Interimantworten' wahrgenormenen Planungsfunktion kann or jedoch auch zum indirekten Schließen nach modus ponendo tollens (MPT) verwendet werden. Mit diesem Schlußverfahren leiten wir aus einer komplexen Aussage und der Falschheit einer ihrer Komponenten die Wahrheit der anderen Komponente ab. Wenn wir also ermitteln können, daß die eine Komponente einer Disjunktion falsch ist, können wir daraus auf die Wahrheit der anderen schließen: (27)

Either Ford was elected or Carter was elected. Ford was not elected. :: Carter was elected.

Nun ist es wieder eine Frage sprachlicher und begrifflicher Ökonomie, welche die Einführung von 'pnq' als Variante von '-p^ q" nahelegt: But if disjunctives are to be put to this purpose, would it not be a natural and useful step (particularly if there is anything to my notion of pointering) to devise a new form of expression, equivalent to the disjunctive form, in which the form of expression for one component is the same as the form of expression required for the additional premise involved in MPT? (...) So we introduce 'pzsq' as a needed variant of ' -p Vq' (IV: 18). Unter Verwendung von if erhält das Schlußverfahren nun die Form von modus ponendo ponens (MPP), mit dem wir aus einer komplexen Aussage und der Wahrheit ihrer ersten Komponente die Wahrheit der anderen Komponente bestimmen können: (27)a.

If Ford was not elected, then Carter was elected. Ford was not elected. :: Carter was elected.

Damit kann Grice (1968a/IV:18) auch die oben gestellten Fragen 2 und 3 beantworten: The conditional is, then, so to speak designed for the use in MPP, and the 'antecedent-consequent' nomenclature is now obviously appropriate, since MPP is employed when the determination of one question is taken as prior (temporally) to the indirect determination of another. Auch die Beantwortung der 4. Frage hängt mit der Rolle von if in MPP zusammen. Das auf nicht-wahrheitsfunktionalen Gründen beruhende Konditional (28) If Snith is in the library, he is working ist nach der Wahrheitswertetafel für 1ZD1 nicht nur dann wahr, wenn Smith in der Bibliothek ist und dort arbeitet, sondern auch, wenn er weder in der Bibliothek ist noch arbeitet (in der Bibliothek oder sonstwo), oder wenn er zwar arbeitet,

39

aber nicht in der Bibliothek. Dies widerspricht der Intuition. Wenn die essentielle Funktion von 'poq' aber die Verwendung in MPP ist, dann bedeutet die Entdeckung, daß Smith nicht in der Bibliothek ist, nichts weiter, als daß man aus (28) keinen Schluß ziehen kann, (wcmit auch die Frage, ob er arbeitet oder nicht, uninteressant wird), während he is working als zusätzliche Prämisse die Frage, cb er in der Bibliothek ist, offen läßt, und he is not working die konditionale Prämisse falsifiziert. Damit kürzt aber auch Grice die Wahrheitswertetafel für natursprachliche Konditionale auf die Fälle p-wahr: p

q

T T

p=q T

-L

T -L

Die volle Wahrheitswertetafel der materialen Implikation trifft jedoch auf jene Fälle zu, in denen die IC explizit gelöscht ist. 1.2.2.3. Zusanmenfassung Will man auf eine formale Beschreibung natürlicher Sprachen nicht verzichten, so sind die Vorzüge des Griceschen Ansatzes offensichtlich: Dadurch, daß er die Kluft zwischen formallogischen Konnektoren urü ihren natursprachlichen Entsprechungen mittels explizierbarer Implikaturen überbrückt, die sich auf allgemeine Prinzipien sprachlicher Interaktion zurückführen lassen, tut er einen ersten Schritt auf eine Logik der natürlichen Sprache hin. Dies ist im Kähmen der formalen Logik weder erreichbar noch wird es angestrebt. Ansätze im Rahmen der intensionalen Logik wie z.B. die von Stalnaker (1968) oder Lewis (1973) werfen eigene Probleme in der Bestimnung möglicher Welten oder der Ähnlichkeit zwischen möglichen Welten auf.L j. Cohen (1971:51) hat darauf hingewiesen, daß solche Systeme nicht nur die Komplexität der natürlichen Sprache nicht erfassen können, sondern auf ihre Weise ebenfalls von ihr abweichen: ... at best such a system achieves fidelity of représentation in a certain area of language only at the cost of sacrificing conceptual econony arri ccmputational facility. More catmonly the systan throws up its own, more subtle,divergences fran natural language. Auch Grices Entwurf einer Konversationslogik und einer pragmatischen Bedeutungstheorie weist einige Schwächen und Unklarheiten auf. Die Tatsache, daß die 1967 gehaltenen William James Lectures zwar großes Aufsehen erregt haben und die darin enthaltenen Ideen nicht nur weit verbreitet sind, sondern auch die pragmatische Richtung der Linguistik nachhaltig beeinflußt haben, das Manuskript (bis auf

40

Lecture II) jedoch noch immer unveröffentlicht ist, deutet darauf hin, daß Grice selbst noch an der weiteren Explizierung seiner Theorie arbeiten mag. Inzwischen hat besonders J. Cohen (1971) Kritik an Grices Conversationalist Hypothesis geübt. Cohen hält mit der von ihm vertretenen Semantical Hypothesis am Unterschied zwischen natürlicher Sprache und Logik fest und schreibt alle Elemente, welche die logischen Konnektoren und ihre natursprachlichen Entsprechungen unterscheiden, der sprachlichen Bedeutung der natursprachlichen Ausdrücke zu. Die Sanantical Hypothesis läuft auf die These hinaus, daß eine Semantiktheorie natürlicher Sprachen ohne Rekurs auf Prinzipien des Diskurses oder Merkmale der Sprechsituation nicht nur möglich ist, sondern auch der Conversationalist Hypothesis vorzuziehen sei. Er wendet sich demgemäß auch gegen jeden Versuch, die kcnniunikative Funktion sprachlicher Elemente in deren lingguistische Beschreibung aufzunehmen (vgl. auch 3.2.3.).

1.3.

Konjunktivische Konditionalsätze

1.3.0. Problemstellung Während das Verhältnis von materialer Implikation und if in indikativischen KSen in der philosophischen und logischen Diskussion eingehend behandelt worden ist, nahm man lange an, daß eine Anwendung der Relation 'ra' auf konjunktivische KSe nicht möglich sei. Da nämlich konjunktivische KSe implizieren oder voraussetzen, daß ihr Antezedenssatz falsch ist, müßten nach den Wahrheitsbedingungen für die materiale Implikation alle konjunktivischen KSe wahr sein. Entsprechend liegt auch der Schwerpunkt Wissenschafts- und erkenntnistheoretischer Beschäftigung mit den konjunktivischen KSen nicht auf deren Wahrheitsbedingungen, sondern auf der Suche nach anderen als logischen Bedingungen ihrer Verifikation und nach Kriterien für gesetzesartige Zusarrmenhänge zwischen den Gefügehälften (s.u. 1.3.2.). Aus sprachlogischer und sprachphilosophischer Sicht erscheint es jedoch wünschenswert, sowohl indikativische als auch konjunktivische KSe auf der Basis ein und derselben Folgereltation zu beschreiben, und dies ist auch die Richtung neuerer Ansätze (s.u. 1.3.3.). Angesichts der kaum überblickbaren Fülle von Publikationen zum Problan der konjunktivischen KSe kann dieser Abschnitt nur auf die wichtigsten und für den Fortgang dieser Arbeit relevantesten Positionen eingehen und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für ausführliche Darstellungen der erkenntnistheore-

41

tischen Problematik verweise ich auf Stegmüller (1969:Kap.5) und auf die Diskussion logischer und wissenschaftstheoretischer Argumente unter linguistischem Aspekt in Settekorn (1974). Bevor wir zur eigentlichen Erörterung der konjunktivischen KSe kaimen können, bedarf es noch einer termininologischen Klärung: In der philosophischen Literatur finden wir neben dan umfassenden Begriff 'konjunktivische KSe1 (subjunctive conditionals) auch noch die folgenden Bezeichnungen: unreality conditonals ('Irrealis')/ unfulfilled conditionals, potential conditionals ('Potentialis'), hypothetical conditionals ('hypothetische KSe') und counterfactual conditionals ('tatsachenwiderstreitende, kontrafaktische KSe'). Meist wird dabei kein Unterschied gemacht zwischen KSen mit past tense (gast subjunctive) im A und Konditional I im K (If John came/were to carte, the party would be a success) und KSen mit past perfect im A und Konditional II im K (If John had come, the party would have been a success). Bis zu einer endgültigen und begründbaren Klassifikation werde ich die ersteren hypothetische KSe und die letzteren kontrafaktische KSe nennen, wobei die Bezeichnung 1 konjunktivische KSe' beide Arten umfaßt. 1.3.1. Funktionen konjunktivischer Konditionalsätze Wie die indikativischen KSe nehmen auch die konjunktivischen ein breites Spektrum kcrmunikativer und kognitiver Funktionen wahr, doch gibt es bei den konjunktivischen KSen keine, die man als Haupt- oder Standardfunktion bezeichnen könnte. Die in normaler umgangssprachlicher Interaktion am häufigsten verwendeten konjunktivischen KSe sind wohl jene, die für unser praktisches Handeln unmittelbar relevant sind. Wenn ich z.B. erfahre, daß meine Kinder auf einem schwach zugefrorenen See Schlittschuh gelaufen sind, dann kann ich ihnen mit Entsetzen vorhalten: (29)

Wenn das dünne Eis gebrochen wäre, hättet ihr leicht ertrinken können; 7 zumindest aber hättet ihr euch fürchterlich erkältet. Was in diesem Falle meine Einstellung von der meiner Kinder unterscheidet, ist die Tatsache, daß ich an die Möglichkeit der Realisierung von (29) glaube, sie aber nicht. Ich werde also über meine Vorhaltung hinaus noch Vorsichtsmaßnahmen treffen, damit so etwas nicht wieder vorkaimt. Idealerweise werde ich versuchen, meine Kinder von der Wahrheit von (29) zu überzeugen, denn ihre Einsicht ist die Voraussetzung dafür, daß sie selbst ihr künftiges Verhalten ändern werden, etwa auf der Basis der von Chisholm (1946:290) formulierten Überlegung: 7 Beispiel in Anlehnung an Stegmüller (1969:285)

42 I try to avoid falling through the ice because I believe that if I were to fall I should get wet. Since I believe the conditional to be true, I endeavour to prevent the realization of the conditions mentioned in the antecedent. Für die Analyse von Handlungsmotiven spielen konjunktivische KSe besonders in juristischen Argumentationen eine Bolle: (30)

If this witness had wanted to mislead the Court, he would have ccme forward with his evidence much earlier.

Weiterhin finden konjunktivische KSe bei theoretischen Überlegungen in den Geschichts- und Sozialwissenschaften Verwendung, wo sie z.B. das Verständnis für kausale Bedingungen geschichtlicher Ereignisse vertiefen oder erleichtern können (vgl. Stegmüller 1969:285f.): (31)

Wenn die Bedingungen des Versailler Friedensvertrages in diesem und diesen Punkt anders gelautet hätten, dann wäre die politische Entwicklung in Deutschland in den folgenden beiden Jahrzehnten (vermutlich oder mit großer Wahrscheinlichkeit) eine andere gewesen und es wäre auch nicht zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges gekommen.

(32)

If the Labour Party had called a general election in 1949, it would have lost. (Brown/Watling 1952:223)

Eine andere Funktion konjunktivischer KSe ist nach Chisholm (1946:291) ihr deliberative use, ihr Gebrauch in Gedankenexperimenten und gedanklichen Idealisierungen (s.o. 1.1.). In diese Kategorie gehört z.B. auch die an den Anfang dieses Kapitels gestellte Belehrung Tweedledums durch Tweedledee. Wenn wir die Konsequenzen angenommener Hypothesen bedenken, so tun wir dies notwendigerweise in konjunktivischen KSen. Wollen wir eine Hypothese falsifizieren oder cd. absurdum führen, so benötigen wir dazu ebenfalls konjunktivische KSe (vgl. Stegmüller 1969:286): (33)

Wenn S wahr wäre, so wäre auch der kontradiktorische Satz W wahr.

Auf die Bedeutung der konjunktivischen KSe für die erkenntnistheoretische Analyse von Dispositionsprädikaten wurde unter 1.1. schon hingewiesen. In umgangssprachlichen Charakter- und Vorurteilen wird ein ähnlicher Typ konjunktivischer KSe verwendet: (34)

If John were the honourable young man he ought to be, he would marry the girl.

Für die meisten dieser Funktionen sind sowohl hypothetische als auch kontrafaktische KSe relevant - welche Form wir im Einzelfall verwenden, hängt jeweils

43

davon ab, ob wir den Antezedenssatz für erwiesenermaßen falsch oder nur für möglicherweise falsch halten. 1.3.2. Erkenntnistheoretische Analyse: Nelson Goodman Wenn man die Diskussion der konjunktivischen KSe zunächst auf die kontrafaktischen KSe (abgekürzt KKSe) beschränkt, deren A und K eindeutig falsch sind, so wird eine wahrheitsfunktionale Interpretation sinnlos, da dann alle KKSe wahr wären. Scwohl (35) als auch (36) wären unter einer solchen Interpretation wahr: (35) (36)

If that piece of butter had been heated to 150°F, it would have melted. If that piece of butter had been heated to 150°F,

it would not have

melted. Diese beiden Beispiele stehen am Anfang von Nelson Goodmans (1947/1955) Aufsatz "The Probien of Counterfactual Conditionals", mit dem er die neuere logische und erkenntistheoretische Diskussion um die KKSe eröffnete und der hier exemplarisch für diese referiert werden soll. Das 'Problem1 der KKSe besteht darin, diejenigen Bedingungen zu definieren, unter denen ein KKS wahr, sein entsprechender kontradiktorischer KKS aber falsch ist. Dafür muß ein neues, nicht-logisch begründetes Wahrheitskriterium gefunden werden. And this criterion of truth must be set up in the face of the fact that a counterfactual by its nature can never be subjected to any direct empirical test by realizing its antecedent (4). Dieses Problem besteht jedoch nicht nur für KKSe, sondern auch für die entsprechenden kontraponierten indikativischen KSe im simple past tense: (37)

Since that butter did not melt, it was not heated to 150°F.

Goodman (1947/1955:4) nennt diesen Typ factual conditionals, da ihre Aussage mit den Tatsachen übereinstinme. Da man für since in (37) auch oft if findet, haben wir mit (37)a. der Form nach einen Satz wie (14), bei dessen Analyse wir schon auf Schwierigkeiten gestoßen waren und der zum Vergleich nochmals als (38) angeführt sei: (37)a.

If that butter did not melt, it was not heated to 150°F.

(38)

If he felt embarrassed he shewed no signs of it.

Ohne hier schon auf dieses spezielle Problem eingehen zu können, wollen wir für eine linguistisch-pragmatische Analyse festhalten, daß die indikativischen KSe offenbar keine hcmogene Klasse bilden, sondern daß es in dieser Klasse mindestens zwei Typen von KSen gibt, die ich vorläufig factual und nonfactual nennen will.

44

Eine erschöpfende Analyse der KSe wird sich also nicht allein auf Kriterien der granmatischen Form stützen können. Nach Goodman (1947/55:7f.) kann man sagen, ein KKS sei wahr, wenn zwischen A und K eine bestimmte Verbindung besteht: A counter factual is true if a certain connection obtains between the antecedent and the consequent. But as is obvious from the examples already given, the consequent seldan follcws from the antecedent by logic alone. Wenn wir sagen (39) If that match had been scratched, it would have lighted, dann meinen wir danit auch und über die vorausgesetzte Verbindung zwischen A und K hinaus, daß bestürmte 'relevante' Bedingungen erfüllt sind (das Streichholz ist funktionsfähig, nicht naß, es ist genügend Sauerstoff vorhanden, etc.), die es uns erlauben - zusammen mit A - auf K zu schließen. Thus the connection we affirm may be regarded as joining the consequent with the conjunction of the antecedent and other statements that truly describe relevant conditions (8). Diese Bedingungen werden nicht explizit mitbehauptet, wir behaupten auch nicht, daß KKSe wahr sind, falls diese Bedingungen erfüllt sind, sondern wenn wir einen KKS äußern, dann geben wir zu verstehen, daß wir die relevanten Bedingungen für wahr halten und wir sind verpflichtet, sie gegebenenfalls zu explizieren und ihre Wahrheit zu belegen oder zu begründen. Das erste Probien bei der Definition eines Wahrheitskriteriuns für KKSe ist deshalb für Goodman die Definition der relevanten Bedingungen. Da aber, selbst wenn dies gelingen sollte, der Schluß von A und den relevanten Bedingungen auf K meist dennoch kein logischer Schluß ist, sondern auf natürlichen, physikalischen oder kausalen Gesetzmäßigkeiten beruht, ist das zweite Problem die Definition eines Kriteriums für Gesetzesartigkeit. 1.3.2.1. Das Probien der relevanten Bedingungen Die relevanten Bedingungen versucht Goodman (9-17) als eine offene Liste von Aussagen zu definieren, die selbst wieder bestimmten Bedingungen genügen müssen: Sie müssen nicht nur mit A und -A und untereinander logisch und nicht-logisch verträglich sein, sie müssen auch, zusaimien mit A, aufgrund logischer und nicht-logischer Gesetze zu K, dürfen aber nicht zu -K führen. Dennoch genügen diese Einschränkungen nicht, um ein eindeutiges Wahrheitskriterium für KKSe zu definieren. Die angeführten Bedingungen würden nämlich irritier noch Sätze

45

wie (40) zulassen: (40)

If match m had been scratched, it would not have been dry.

Für diesen Satz enthielte der Komplex (A und Liste S) etwa die folgenden Aussagen: (40)a.

Match m is scratched. It does not light. It is well made. Oxygen enough is present

, etc.

Daraus können wir aufgrund eines allgemeinen Naturgesetzes den Schluß ziehen: (40)b.

It was not dry.

Dennoch ist (40) nicht akzeptabel. Woran liegt das? Goodman (1947/1955:14f.) argumentiert, daß unter den relevanten Bedingungen eine Aussage erscheint, die -obwohl kanpatibel mit A - nicht wahr wäre, wenn A wahr wäre, nämlich it does not light. Normalerweise brennt ein Streichholz ja, wenn man es an einer Reibfläche reibt. Damit das Wahrheitskriterium Sätze wie (40) ausschließen kann, müssen die Aussagen der Liste S (die relevanten Bedingungen) nicht nur mit A verträglich, sondern auch 'zusanmen mit A haltbar1 sein (cotenable with A). Nun ist aber cotenable ein Dispositionsprädikat und diese lassen sich, wie wir schon gesehen haben, nur in konjunktivischen KSen explizieren. Goodman(1947/ 1955:15) muß dementsprechend definieren: A is cotenable with S

if it is not the case that S would not be

true if A were. Damit gerät seine Definition jedoch in einen infiniten Regreß oder Zirkel (vgl. (16):

In order to determine the truth of a given counterfactual it seems that we have to determine, among other things, whether there is a suitable S that is cotenable with A and meets certain further requiranents. But in order to determine whether or not a given S is cotenable with A, we have to determine whether or not the counterfactual "If A were true, then S would not be true" is itself true. But this means determining whether or not there is a suitable S^, cotenable with A, that leads to -S and so on. Thus we find ourselves'involved in an infinite regressus or circle; for cotenability is defined in terms of counterfactuals, yet the meaning of counterfactuals is defined in terms of cotenability. Das heißt aber, daß wir KKSe iitmer nur unter Verwendung von anderen konjunktivischen KSen erklären können. Damit bleibt das Problem der KKSe für Goodman vorerst ungelöst. 1.3.2.2. Das Problem der Gesetzesartigkeit Was die Definition der Gesetzesartigkeit von Aussagen angeht, so wurde schon

46

unter 1.1. auf die in der erkenntnistheoretischen Diskussion bestehenden Schwierigkeiten hingewiesen. Nach Goodman (vgl. 1947/1955:18ff.) ist ein KKS dann wahr, wenn man K aus A und den relevanten Bedingungen mit Hilfe bekannter Naturgesetze oder allgemeiner gesetzesartiger Aussagen, die eine Verbindung zwischen A und K ausdrücken, erschließen kann. Das 'verbildende Prinzip' eines KKS läßt sich dadurch explizieren, daß man den KKS 'generalisiert', also in eine Allaussage umwandelt und dazu die relevanten Bedingungen angibt. So ist für (41) das verbindende Prinzip (41)a.: (41) a.

If the match had been scratched, it would have lighted. Every match that is scratched, well made, dry enough, in enough oxygen, etc., lights.

Jedoch wurde schon unter 1.1. angemerkt, daß nicht alle Allaussagen auch gesetzesartige Aussagen sind. Nehmen wir an, Mr. Goodman hatte am Tage des 'Sieges über Europa' nur Silbermünzen in der Tasche. Dann können wir von einem gegebenen Penny P nicht behaupten (vgl.18f.) (42)

If P had been in his pocket on VE day, P would have been silver,

otwohl wir den K dieses Konditionals aus der relevanten Bedingung (42)a. und der Allaussage (42)b. ableiten können: (42)a. b.

P was in his pocket on VE day. Everything in his pocket on VE day was silver.

Vielmehr würden wir schließen, daß die Allaussage falsch sein muß: (42)c.

If P had been in his pocket on VE day, then it would not have been the case that everything in his pocket was silver.

The truth of a counterfactual thus seatis to depend on whether the general sentence required for the inference is a law or not(19). Im Gegensatz zu Strawson, der die Gesetzesartigkeit von Aussagen an der Relation von sprachlicher Form und Äußerungssituation festmacht (s.o. 1.1.) verwirft Goodman rein sprachliche Kriterien und versucht, Gesetzesartigkeit pragmatisch anhand des Gebrauchs, den wir von solchen Aussagen machen, zu definieren. So besteht der Unterschied zwischen (43) und (44) darin, daß wir (43) akzeptieren, bevor wir alle möglichen Einzelfälle überprüft haben und somit zu prognostischen Zwecken benutzen können, während (44) die Beschreibung einer kontingenten Tatsache ist, nachdem alle Einzelfälle überprüft worden sind.

47

(43) (44)

All butter melts at 150°F. All the coins in his pocket are silver.

Um Pseudogesetze wie (44) auszuschließen und um die Möglichkeit zu vermeiden, daß sich eine gesetzesartige Aussage durch Erschöpfung all ihrer Anwendungsfälle in eine akzidentelle verwandelt, muß das Kriterium der prognostischen Verwendbarkeit noch präzisiert werden: A sentence is lawlike if its acceptance does not depend upon the determination of any given instance (23). Mit dem Begriff der Akzeptabilität, die von bestinmten Bedingungen abhängig ist, verläßt Goodman jedoch wieder den Bereich logischer Argumentation. Akzeptabilität läßt sich definieren durch "Ein Satz S ist dann akzeptierbar, wenn

".

'Akzeptierbar' ist aber ein Dispositionsprädikat, mit dan wir

wieder in einen Zirkel geraten. Dieser Zirkel kann nur durchbrochen werden, wenn wir die Annahme eines Satzes nicht von einem deduktiven Schluß, sondern von seiner induktiven Bestätigung abhängig machen, so daß das Problan der konjunktivischen KSe in das Induktionsprobisn überführt wird. Auf Goodmans Lösung dieses Probiens, in der er "die Begriffe der induktiven Bestätigungsfähigkeit und der Gesetzesartigkeit auf linguistische Praktiken relativiert" (Stegmüller 1969:316), soll hier nicht weiter eingegangen werden. 1.3.2.3. Pragmatische Interpretationen des Gesetzesbegriffs Die in Goodmans Werk implizierte Behauptung, daß der Unterschied gesetzmäßig/ akzidentell nur bei indikativischen KSen zu beobachten sei, daß aber allen konjunktivischen KSen gesetzesartige Generalisierungen zugrundeliegen, wird schon von Hampshire (1948) bestritten. Hampshire unterscheidet allgemeine konjunktivische KSe, die sich auf gesetzesartige Aussagen stützen, und singulare konjunktivische KSe, die sich auf bestürmte Äußerungssituationen beziehen. Die ersteren spiegeln laut Hampshire (1948:10) den 'normalen' Gebrauch, den wir von dieser Aussageform machen: ".. the use of the subjunctive conditional form normally suggests that sane causal and therefore general proposition is being asserted". Solche konjunktivischen KSe können wahr oder falsch sein; sie gelten so lange als wahr bis ein negativer Einzelfall gefunden wird. Wenn ein Historiker (45) äußert, so macht er damit keine falsifizierbare allgemeine Aussage, sondern er fällt ein singuläres Urteil, das seine Interpretation einer bestimmten geschichtlichen Situation ausdrückt: g (45) If Hitler had invaded in 1940, he would have captured London. 8 Beispiel von Hampshire (1948:11 f.)

48

Urteile können mehr oder weniger vernünftig oder begründet sein, sie können jedoch im Prinzip weder falsifiziert noch verifiziert werden, und eine wissenschaftstheoretisch begründete Falsifizierung ist nach Hampshire (1948:13) beim Gebrauch solcher umgangssprachlicher Urteile auch gar nicht beabsichtigt: Singular subjunctive conditional sentences are sometimes used in contexts in which they are not intended to be replaceable by falsifiable general statements plus statements of initial [= relevant, G.LJ conditions. Hat sich schon bei einer einheitlichen Behandlung aller konjunktivischen KSe als versteckte Gesetzesaussagen die Suchsnach Wahrheitskriterien und nach Methoden der Verifikation als schwierig, ja ergebnislos erwiesen, so komplizieren Hampshires Beobachtungen das Problem noch weiter. Nicht nur scheint die Klasse der konjunktivischen KSe in gesetzesartige Aussagen und singulare Urteile zu zerfallen, sondern die beiden Aussagetypen lassen sich nach Hanpshire (1948:12) auch nicht klar voneinander trennen: Certainly the distinction between a judgment (reasonable or unreasonable) and a statanent (true or false), or between an interpretation and a scientific theory, is one of degree and admits a multitude of borderline cases. Dies muß laut Hampshire (1948:14) dazu führen, daß die Wahrheitskriterien für konjunktivische KSe (und damit auch der Gesetzesbegriff) weiter gefaßt werden müssen, um über wissenschaftliche Aussagen hinaus auch umgangssprachliche Interpretationen unserer Erfahrungswelt zuzulassen: The verification principle can be, and should be, so stated as to allow for the characteristic indefiniteness of non-scientific interpretations of experience. Hampshire führt seine Vorstellung von einem solchermaßen modifizierten Verifikationsprinzip nicht aus, jedoch ist die Lösung sicherlich in einer pragmatischen Definition der relevanten Bedingungen und des Gesetzesbegriffs zu suchen. Der Sprecher von (45) könnte z.B. Einwänden dadurch begegnen, daß er die Bedingungen der spezifischen historischen Situation expliziert und sein Urteil sogar durch eine allgemeine prognostische Aussage erhärtet: (45)a.

Whenever at some future time England may be at war with Germany, and all conditions are the same as they were in 1940, then, if the political leader of the Germans invades England, he will capture London.

In einer Erweiterung des Goodmanschen Ansatzes hat Settekorn (1974) einen pragmatischen Gesetzesbegriff entwickelt, der nicht auf eine Sprache, sondern auf

49 einen Text bzw. eine Textklasse bezogen ist. Er argumentiert zu Recht, daß einer Grammatik: zur Beschreibung der konjunktivischen KSe ein weiterer als der streng wissenschaftstheoretische Gesetzesbegriff zugrundeliegen muß, da sonst z.B. die Sätze (46) und (47) nicht semantisch wohlgeformt wären, weil sie auf den 'falschen' (den anpirischen Tatsachen nicht entsprechenden) Allaussagen 9 (46)a. und (47)a. beruhen: (46) a. (47) a.

Wenn ich diesen Vampir einen Holzpflock durchs Herz getrieben hätte, hätte ich ihn getötet. Alle Vampire können dadurch getötet werden, daß man ihnen einen Holzpflock durchs Herz treibt. Wenn ich Knoblauch oder ein Kruzifix zur Hand gehabt hätte, hätte mich der Vampir nicht gebissen. Für alle x, wenn x Knoblauch oder ein Kruzufix bei sich hat, wird x nicht von Vampiren gebissen.

Bei der Definition der Gesetzesartigkeit von Aussagen maß also auch den Gesetzmäßigkeiten spezifischer Textsorten Rechnung getragen werden. Texte spiegeln allgemeine menschliche, von Konventionen gesteuerte und gesellschaftlich vermittelte Erfahrimg wider, die unser Verhalten in Kannunikationssltuationen bestürmt. Wenn wir einen KKS benutzen, um z.B. unser Handeln zu rechtfertigen, dann können wir auf Rückfrage relevante Bedingungen und Gesetzmäßigkeiten angeben, die für uns bei der Äußerung des Konditionals maßgebend waren, ohne uns in einen infiniten Regreß zu verwickeln: Kannunikationssituationen sind endlich und wir werden entweder durch das Anführen weiterer Gründe überzeugen können oder dies gelingt uns nicht. Ob die Verbindung zwischen A und K eines KKSes van Kamiunikationspartner akzeptiert wird, d.h. ob er die zugrundeliegende Allaussage als gesetzesartig gelten läßt, wird in solchen Fällen von Mal zu Mal von der Entscheidung des Adressaten abhängen. Konsequenterweise relativiert Settekorn den Gesetzesbegriff noch weiter, indan er ihn nicht nur van Text (von der Textklasse), sondern auch von der Äußerungssituation abhängig macht. Unter der situativen Voraussetzung, daß 'Haus in der Kopernikusstraße 17' auf ein Altersheim referiert, ist auch der KKS (48) ein akzeptabler Schluß von A auf K, der sich auf die Allaussage (48)a. stützt: 9 Vgl. zum folgenden Settekorn (1974:186ff.)

50

(48)

Wenn Herr Meier aus der Müllerstraße in der Kopernikusstraße 17 wohnte, wäre er über sechzig Jahre alt.

a.

Für alle x, wenn x Bewohner des Hauses in der Kopernikusstraße 17 werden will, muß x über sechzig Jahre alt sein.

Die Allaussage (48)a. enthält aber einen Referenzausdruck, der sich auf die Äußerungssituation bezieht - damit wird auch Strawsons Kriterium der Gesetzesartigkeit^® für eine linguistisch-pragmatische Beschreibung von KSen unbrauchbar - die Grenze zwischen gesetzesartigen und akzidentellen Aussagen verschwirmit. Unter einer anderen situativen Voraussetzung - z.B. daß Herr Meier erst vierzig Jahre alt ist - wäre (48) falsch oder wir müßten die erste Referenzvoraussetzung verwerfen: (49)

Wenn Herr Meier aus der Müllerstraße in der Kopernikusstraße 17 wohnte, wäre das Haus kein Altersheim.

Die situativen Voraussetzungen bestinmen, welche Kcmponente der in A enthaltenen komplexen Aussage thenatisiert wird, und davon hängt der Inhalt des caiment im K ab. Dies ist eine weitere Entscheidung, die von Kammunikationsteilnehmern aufgrund der in der ivußerungssituation gültigen Annahmen und Voraussetzungen getroffen, also ebenfalls von pragmatischen Faktoren beeinflußt wird. Besonders deutlich läßt sich diese den konjunktivischen KSen inhärente pragmatische Ambiguität an den folgenden Beispielen Chisholms (1946:303f.) veranschaulichen: (50)

If Apollo were a man, he would be mortal.

(51)

If Apollo were a man, at least one man would be irrmortal.

Hier wird die Entscheidung, welchen dieser Sätze wir akzeptieren, von unseren Annahmen über Apollo und über die Klasse der Menschen abhängen. Wer (50) akzeptiert, könnte dies in (50)a. explizieren; für (51) gilt (51)a.: (50)a.

If Apollo were different from what we believed him to be and had instead the attributes which all men possess, then he would be mortal.

(51)a.

If the class of men were wider that what we believed it to be and included Apollo, then sane men would be inmortal.

10 ".. no statement in which the reference of the words used depends in any way upon the situation in which they are uttered can be an ideal law statement." Strawson (1952:198)

51

Zusantnenfassend können wir hier festhalten: 1.

Gleich den indikativischen können auch die konjunktivischen KSe allge-

mein oder Singular sein. 2.

Während bei Hampshire die Zweiteilung der Klasse der konjunktivischen KSe

in allganeine (falsifizierbare) und singulare (im Prinzip nicht entscheidbare) unaufhebbar ist- Cime daß jedoch eindeutige Zuordnungskriterien zur Verfügung ständen, so daß die Übergänge fließend sind - ermöglicht ein auf die Äußerungssituation bezogener Gesetzesbegriff wie er von Settekorn entwickelt wurde, eine einheitliche Behandlung dieser beiden Typen.

Zugleich werden alle konjunktivi-

schen KSe unter den Druck kantnunikativer Erfordernisse zwar nicht eindeutig entscheidbar im logischen und wissenschaftstheoretischen Sinne, jedoch für korrnrunikative Zwecke akzeptabel oder nicht akzeptabel.

Damit wird auch der

Mehrdeutigkeit und Vagheit der natürlichen Sprache gegenüber der Wissenschaftsund Logiksprache Rechnung getragen. Als Forderung an eine linguistisch-pragmatische Beschreibung von KSen ergibt sich:

Wenn pragmatische Notwendigkeiten dazu zwingen, die Liste der rele-

vanten Bedingungen als eine endliche aufzufassen und auch die Induktionsproblematik und die pragmatische Disambiguierung der konjunktivischen KSe durch Entscheidungen der Kcmnunikationsteilnehmer pragmatisch gelöst werden, dann muß eine erschöpfende Beschreibung der KSe in der Lage sein, die solchen Entscheidungen zugrundeliegenden Annahmen über relevante Bedingungen und gesetzesartige Zusanmenhänge sowie die situativen Voraussetzungen zu erfassen und zur semantischen Wohlgeformtheit und pragmatischen Angemessenheit von KSen in Beziehung zu setzen. Die Frage nach den Kriterien für die Gesetzesartigkeit von Aussagen bleibt jedoch nach wie vor offen.

Für unsere Zwecke einer linguistisch-pragmatischen

Beschreibung der KSe werden wir sie nicht mehr an die Erkenntnistheorie, sondern eher an die Soziologie, die Psychologie und an die allgemeinen Wahrnehmungstheorien richten müssen.

Für diese Arbeit muß der Rekurs auf unser 'all-

gemeines Alltagswissen', unsere 'normierte Erfahrung' oder auf die 'Konventionen' unserer Gesellschaft genügen, ohne daß diese Begriffe im Rahmen der Theorien, denen sie entronnen sind, erläutert werden könnten.

Dies würde

weit über unser Arbeitsvorhaben hinausgehen und auch die Grenzen einer pragmatischen Linguistik überschreiten.

52 1.3.3. Die logische Gleichwertigkeit von indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen. Bisher ist unsere Diskussion um die KSe etwa so verlaufen: 1. Für die indikativischen KSe mag die materiale Implikation als Beschreibungsmodus angebracht sein, für die konjunktivischen KSe ist sie es nicht, da bei inner falschem A alle konjunktivischen KSe richtig wären. 2. Es ist deshalb zu untersuchen, unter welchen Bedingungen konjunktivische KSe in indikativische 'übersetzt' und damit einer Verifikation näher gebracht werden können. Da konjunktivische KSe, ungleich den indikativischen, nicht aipirisch direkt verifizierbar oder falsifizierbar sind, weil ihre As nicht verwirklicht werden können, müssen wir nach 'relevanten Bedingungen' und gesetzesartigen Verknüpfungen zwischen A und K suchen, die - zusammen mit A legitime Schlüsse auf K erlauben. Als charakteristische Eigenschaft der konjunktivischen KSe wird impliziert, daß sie alle auf gesetzesartigen Aussagen beruhen. 3. Weder die 'relevanten Bedingungen' noch die gesetzmäßigen Verknüpfungen können jedoch für eine linguistisch-pragmatische Beschreibung der konjunktivischen KSE nach streng wissenschaftstheoretischen oder logischen Kriterien definiert, sondern müssen auf Text und Äußerungssituation relativiert werden. Damit verschwirtmt die Unterscheidung akzidentell/gesetzesartig und wir können nur noch Aussagen von unterschiedlichem Allgemeinheitsgrad annehmen, wobei wir am oberen Ende einer solchen Skala Aussagen finden werden, deren gesetzesartiger Charakter in fast allen (Kon)texten und Äußerungssituationen erhalten bleibt, während die Gesetzesartigkeit von Aussagen am unteren Ende der Skala nur für wenige spezielle (Kon)texte und Äußerungssituationen gilt, im Extremfall nur für einen (Kon)text oder für eine Äußerungssituation. Akzeptieren wir Argument 3., dann kann die primäre Funktion, die 'logische Kraft' des Konjunktivs nicht darin bestehen, daß er relevante Bedingungen und eine versteckte Gesetzesaussage im traditionellen Sinne signalisiert, wie man lange angenommen hat (vgl. Hampshire 1948). Bedenken wir nun weiterhin, daß ja auch indikativische KSe nicht direkt empirisch verifizierbar sind. Wollen wir erfahren, ob die Aussage If you go to see the play, you will not enjoy it wahr oder falsch (angemessen oder nicht) ist, so muß der Angesprochene sich das Stück erst einnal ansehen gehen, bevor sich entscheidet, ob der Sprecher mit seiner Prognose Recht hatte oder nicht. Weiterhin muß der Sprecher auf

53 Rückfrage die nicht-wahrheitsfunktionalen Gründe, die ihn zu seiner Äußerung bewogen haben, angeben können, und in der Aufzählung solcher Gründe werden wir Aussagen finden, die relevanten Bedingungen und äußerungsrelativen Gesetzmäßigkeiten entsprechen, ganz so wie sie die Analyse der konjunktivischen KSe ergeben hat. All dies zwingt zu dem Schluß, daß eine Analyse wie die Goodmans eigentlich keine Untersuchung nur der KKSe sein kann, sondern eine präzise Darstellung der Probleme ist, die allen KSen zugrundeliegen. Diese Einsicht ist nicht so erstaunlich wie sie nach der Lektüre der philosophischen Literatur nach Goodman bis in die siebziger Jahre erscheinen mag. Liest man Goodman genauer, so wird deutlich, daß er sich der weiterreichenden Bedeutung seines 'Problems' durchaus bewußt war und sogar den Titel seines Aufsatzes für irreführend hielt (Goodman 1947/1955:4): In one sense the name "problan of counterfactuals" is misleading, because the problem is independent of the form in which a given statement happens to be expressed. Vielmehr kam es Goodman (1947/1955:5) auf die Klärung der zwischen den Teilsätzen aller KSe bestehenden Verbindung an: Although I shall begin my study by considering counterfactuals as such, it must be borne in mind that a general solution would explain the kind of connection involved irrespective of any assumption as to the truth or falsity of the components. Noch 1965 sah sich jedoch M. Ayers veranlaßt dazu aufzurufen, der grundlegenden philosophischen Fehlinterpretation des two categories myth endlich eine einheitliche philosophische Beschreibung von KSen entgegenzusetzen (Ayers 1965:364), — regardless of whether the condition is fulfilled or unfulfilled, and of whether the statanent is expressed in the subjunctive or in the indicative mood. Auch David Lewis hatte, ähnlich wie Goodman, Bedenken gegen den Titel seines Buches Counterfactuals (1973), in welchem er seine Logik der KKSe entwickelt, da auch er ihn im Hinblick auf seinen Gegenstand für zu eng gefaßt hielt. Er rechtfertigt sich jedoch unter Berufung auf Adams (1970) und zitiert dessen vieldiskutierte Oswald-Kennedy-Beispiele als Beweis dafür, daß es doch zwei verschiedene Kategorien von KSen gibt, die nicht ineinander Uberführbar sind:^^ 11 Adams' Aufsatz ist eine Replik auf Ayers (1965).

54

(52)a.

If Oswald had not shot Kennedy in Dallas, then someone eise would have.

b.

If Oswald did not shoot Kennedy in Dallas, then someone eise did.

Während wir (52)b. zustinmen würden, können wir dies laut Lewis bei (52)a. aufgrund unserer Kenntnis der historischen Tatsachen nicht - die beiden Sätze haben also verschiedene Wahrheitswerte und können deshalb nicht logisch gleichwertig sein. Darüberhinaus unterscheiden sich (52)a. & b. aber dadurch, daß in (52)a. die Täterschaft Oswalds als erwiesen betrachtet wird, in (52)b. dagegen nicht. Dies wiederum würde die These unterstützen, daß indikativische und konjunktivische KSe logisch gleichwertig sind und sich nur durch die Annahmen des Sprechers bezüglich der Wahrheit von A (oder von A und K) unterscheiden. Dann aber, so Adams und Lötfis, dürften (52)a. & B. nicht verschiedene Wahrheitswerte haben. Franz von Kutschera, der sich in mehreren Arbeiten mit diesem für eine logische Analyse der KSe grundlegenden Problem auseinandergesetzt hat (1974b; 1976) , führt diese Diskrepanz auf eine Verschiebung von topic und ccninent zwischen (52)a. & b. zurück. In (52)a. wird das Attentat auf Kennedy und die Täterschaft Oswalds als bekannt vorausgesetzt (topic), kcrmentiert werden die näheren Umstände des Attentats, indem gesagt wird, daß Kennedy in jedan Falle das Opfer eines Anschlags geworden wäre. In (52)b. wird dagegen nur als bekannt vorausgesetzt, daß Kennedy in Dallas erschossen wurde (topic), Gegenstand des carroent ist die Frage nach dem Täter im Falle von Oswalds Unschuld (vgl. Kutschera 1976:50f.). Da Kutscheras Ziel eine Logik der Konditionalsätze ist, der er von vornherein zugesteht, daß sie die natürliche Sprache nicht in allen Nuancen erfassen kann, sind Erscheinungen wie die Verschiebung von topic und caitnent für ihn lediglich "pragmatische Ungereimtheiten" (1976:50), die seine Logiksprache nicht beeinträchtigen können. Er läßt deshalb Adams' Beispiel nicht als Einwand gegen eine logisch einheitliche Behandlung aller KSe gelten. Unser Ziel ist jedoch die Beschreibung von Form und Funktion natursprachlicher KSe. Wir müssen deshalb eine befriedigende Beschreibung solcher 'pragmatischer Ungereimtheiten' geben können oder den Versuch aufgeben,einer linguistischpragmatischen Beschreibung der KSe eine einheitliche logische Beschreibungsform zugrunde zu legen. Die Frage stellt sich umso dringlicher, wenn man Adams' Originalbeispiele betrachtet. Diese nämlich werden von sowohl Lewis als auch Kutschera mit einer

55

kleinen, aber wesentlichen, Änderung wiedergegeben und lauten im Original: (53)a. b.

If Oswald hadn't shot Kennedy in Dallas, then no one else would have. If Oswald didn't shoot Kennedy in Dallas, then no one else did.

12

Während Lewis und Kutschera bei ihren Beispielen den konjunktivischen als den abweichenden Satz markieren, ist hier offensichtlich, daß der indikativische Satz falsch ist, der konjunktivische unter bestimmten Bedingungen aber durchaus wahr sein kann. Die Verteilung von topic und canment ist bei beiden Sätzen gleich. Man kann dies an weiteren Beispielen verdeutlichen: (54)a. b.

If Oswald hadn't shot Kennedy at Dallas, Kennedy would be alive today, If Oswald didn't shoot Kennedy at Dallas, Kennedy is alive today.

Adams fragt nicht nach der Wahrheit von KSen, sondern nach dem Grad, in dem eine bedingte Wette if £, then 3 berechtigt ist, d.h. Aussichten hat, gewonnen zu werden. Eine solche Wette sei nur dann gültig, wenn £ der Fall ist und wird gewonnen, wenn auch 3 der Fall ist (und verloren, wenn 3 nicht der Fall ist). Eine Wette wie (53)b. wäre irrational, selbst wenn man an der Täterschaft Oswalds zweifelte, da der K ganz offensichtlich falsch ist, so daß die Wette von vornherein verloren wäre. Deshalb sei das indikativische Konditional nicht begründet und müsse verworfen werden, während das konjunktivische Konditional (53)a. in einem höheren Grade begründet sei und beibehalten werden könne. Eine einheitliche logische Beschreibungsform für scwohl indikativische wie konjunktivische KSe sei scmit ausgeschlossen. Betrachten wir jedoch unsere Beispiele (54)a. & b., so bietet sich noch eine andere Interpetation des Sachverhalts an. Der Sprecher von (54)a. ist von der Täterschaft Oswalds überzeugt, bei (54)b. scheint er im Zweifel zu sein; mit Kennedy is alive today äußert er jedoch einen zweifelsfrei falschen Satz. Analysieren wir die Äußerung (54)b. im Rahmen der Griceschen Konversationslogik, so verstößt der Sprecher gegen die 1. Maxime der Qualität (truth), und zwar in eklatanter Weise (flouting of a maxim), so daß wir eine konversationelle Irnplikatur vermuten müssen. Ich schlage vor, daß durch diese Implikatur eine emphatische Behauptung von Oswalds Täterschaft übermittelt wird, deren Ableitung ich wie folgt skizziere: 12 Beispiele bei Adams (1970:90), Hervorhebung von mir.

56 S has said that, if a certain condition is fulfilled, then Kennedy is alive today (=g). There is no reason to suppose that he is not observing the maxims or at least the CP. Now I knew, and I know that he knows, and I knew that he knews that I know, and I know that he knews that I know that he knows, that Kennedy is not alive today. He could not have said unless he thought that the condition referred to is as impossible to be fulfilled as it is that Kennedy is alive today (=3). He knows (and knews that I know he knows) that this supposition is required. He has done nothing to stop me thinking that 3 ; he intends me to think, or is at least willing to allow me to think, that 3 ; and so he has implicated that 3 . Die Implikatur 3 könnte im Klartext lauten: (54)c.

That Oswald didn't shoot Kennedy is as impossible as it is that Kennedy is alive today. Therefore, as Kennedy is not alive today, there can be no doubt that it was Oswald who shot him.

Durch ähnliche Implikaturen lassen sich auch Fälle wie (55) erklären (vgl.1.2.1.): (55)

If he has passed his exam, I'm a Dutchman.

Unter einer konversationslogischen Analyse wird also Adams' Gegenbeispiel entkräftet und in einen Beweis für die logische Gleichwertigkeit von indikativischen und konjunktivischen KSen umgekehrt. Beiden liegt das gleiche 'verbindende Prinzip' zugrunde (Only Oswald could have shot Kennedy in Dallas and Kennedy's life has not been in any danger since) und beide sind in entsprechenden Kontexten in gleichem Grade akzeptabel. Der Unterschied zwischen dem indikativischen und dem konjunktivischen Satz kann semit kein logischer, sondern muß ein pragmatischer sein, der sich an Sprecherabsichten, Äußerungssituation (Kontext) und allgemeinen Prinzipien der Konversation festmachen läßt. Anders als Settekorn (1974), der für indikativische und konjunktivische KSe verschiedene Beschreibungsmodi für unerläßlich hielt, will ich deshalb davon ausgehen, daß die logische Relation zwischen den Teilsätzen eines Konditionals für indikativische und konjunktivische KSe die gleiche ist. Unter dieser Voraussetzung bleiben - mit dan Blick auf das Ziel dieser Arbeit - noch folgende Fragen zu klären: 1. Wie könnte die logische Beschreibungsform aussehen, die beide Typen von KSen umfaßt? 2. Wie läßt sich der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen beschreiben?

57

1.3.3.1. Zum Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen Konditionalsätzen: Das Problem der Präsuppositionen. Die Arbeiten von Kutschera und Lewis sollen hier nur insofern herangezogen werden, als sie den Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen behandeln und Kriterien für eine Klassifikation der KSe an die Hand geben. Bis auf das Problem der logischen Ungleichwertigkeit von indikativischen und konjunktivischen KSen bei Lewis unterscheidet sich der formale Apparat dieser Arbeiten für unsere Zwecke nicht wesentlich von Stalnaker (1968) und Stalnaker/ Thanason (1970). Kutschera (1974b:258f.) kritisiert die Einteilung der traditionellen Graimiatik in indikativische und zwei Arten von konjunktivischen KSen (potentiale und kontrafaktische) . Da diese Klassifizierung syntaktische Kriterien (Modus) mit semantischen (Präsuppositionen) und pragmatischen (Annahmen des Sprechers) vermische, sei sie für eine logische Analyse unbrauchbar. Während KKSe eine Präsupposition haben, daß A (normalerweise auch K) falsch ist, hat der Potentialis keine solche Präsupposition, sondern drückt die Meinung des Sprechers aus, daß A unwahrscheinlich oder ungewiß ist. Der Potentialis unterscheidet sich deshalb logisch (d.h. in seinen Wahrheitsbedingungen) nicht von dan indikativischen KS und kann deshalb mit diesem in eine Klasse gencmnen bzw. außer Betracht gelassen werden (Kutschera 1976:49). Für eine logische Analyse ist nur eine Art von konditionaler Relation notwendig, mit der man auch Kausativkonstruktionen erfassen kann: die Relation der bedingten Notwendigkeit 'A^B': We say that A=>B is used as an indicative conditional if it is undecided (for the speaker) whether the antecedent A holds or not. A=? B is used as a counterfactual if (for the speaker) it is a fact thati A. And it is used as a causal statement "Since it is the case that A, it is the case that B" if (for the speaker) it is a fact that A (1974b:259). Indikativische und konjunktivische KSe unterscheiden sich deshalb nicht logisch, sondern nur im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Präsuppositionen: We think, therefore, that the difference between the indicative, counterfactual, and causal conditional is not a difference of truth conditions but only a difference in presupposition (1974b:259). Die drei Möglichkeiten der Sprecherannahmen illustriert Kutschera (1974b:259 & 1976:49) an den folgenden Beispielen: (56)a.

If Jack believes that John is married, then he is wrong. (Realis)

b.

If Jack were to believe that John is married, he would be wrong.(Irrealis)

c.

Since Jack believes that John is married, he is wrong. (Kausalsatz)

58

Lewis (1973:2) trifft eine semantisch interesante Unterscheidung in der Klasse der KKSe zwischen notwendiger und möglicher Bedingtheit (symbolisiert durch 'CH ' und '0-> '): (57)a. b.

If Otto behaved himself, he would be ignored. Otto behaves himself CH> Otto is ignored, If Otto were ignored, he might behave himself. Otto is ignored0—7 Otto behaves himself.

1

D-? ' ,wie ' > ' oder 1 ' »liegt in seiner Stärke zwischen strikter Implikation (in der Modallog ik ausgedrückt durch den Notwendigkeitsoperator N: N(A^B)) und der materialen Implikation der formalen Logik; '0—drückt ein 'schwaches' Konditional aus, das sich auch mit den Möglichkeitsoperator der modalen Logik formulieren läßt: M(Az)B). Auch Lewis (1973:3) betont, daß sein konditionaler Operator 'o-?' nicht in jedem Falle die Falschheit von A impliziert, da KKSe mit wahrem A nicht automatisch falsch sind oder keinen Wahrheitswert haben: Granted, the counterfactual constructions of English do carry seme sort of presupposition that the antecedent is false. It is seme sort of mistake to use them unless the speaker does take the antecedent to be false, and some sort of mishap to use them when the speaker wrongly takes the antecedent to be false. But there is no reason to suppose that every sort of presupposition failure must produce automatic falsity or a truth-value gap. Some or all sorts of presupposition, and in particular the presupposition that the antecedent of a counterfactual is false, may be mere matters of conversational implicature, without any effect on truth conditions. Es ist offensichtlich, daß wir uns vor einer weiteren Analyse von KSen näher mit dem Begriff der Präsupposition auseinandersetzen müssen, der allein von den beiden hier zitierten Autoren in vier verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird: Kutschera spricht einmal (1974b:258) von einer semantischen Präsupposition von KSen, daß A falsch sei, die offensichtlich von einer sprachlichen Form, dem Konjunktiv, getragen wird. Eine Seite weiter setzt er Präsuppositionen mit den Annahmen des Sprechers über die Wahrheit bzw. Falschheit von A gleich. In seiner letzten Arbeit über die Logik der KSe (1976:49) macht er keinen Unterschied zwischen Sätzen, die präsupponieren, und den Gebrauch, den Sprecher von solchen Sätzen machen. Ob der A eines KKSes falsch ist oder vom Sprecher für falsch gehalten wird, bleibt unklar. Auch Lewis (1973:3) ninmt verschiedene Arten von Präsuppositionen bezüglich des Wahrheitswertes von A im KKS an. Sie können entweder an die sprachliche Form des Konjunktivs gebunden sein (semantische Präsupposition) oder die Annahmen des Sprechers ausmachen- Sie können aber auch

59

Bedingungen für das Gelingen eines KKSes als Sprechakt sein oder konversationeile Implikaturen des Sprechers übermitteln. 1.3.3.2. Konsequenzen für eine linguistisch-pragmatische Beschreibung der Konditionalsätze. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die von Stalnaker, Stalnaker/Thcmason, Kutschera und Lewis in die Modallog ik eingeführten Operatoren nicht mit der materialen Implikation identisch sind. Ihre Einführung wurde nötig, da die materiale Implikation einmal zu schwach ist, um logische, kausale, etc., Zusammenhänge zwischen den Teilsätzen eines Konditionals auszudrücken und sie deshalb inakzeptable Sätze zulassen würde (Paradoxien der materialen Implikation), zum anderen kann sie nicht zur Beschreibung der KKSe herangezogen werden, deren A als falsch interpretiert werden, da diese dann alle wahr wären. Grice (1968a) hat jedoch dargelegt, wie man mit Hilfe allgemeiner Prinzipien der Konversation die Paradoxien der materialen Implikation umgehen und diese grundlegende Relation der formalen Logik für eine pragmatisch begründete Beschreibung von indikativischen KSen nutzen kann. Es ist nun zu fragen, ob der konversationslogische Ansatz auch für die KKSe herangezogen werden kann, indem man z.B. für die konjunktivischen KSe nach einer konversationeilen Implikatur sucht, die den Glauben des Sprechers übermittelt, daß er A (und normalerweise auch K) für falsch hält. Dies erforderte eine konversationslogische Interpretation der semantischen Kategorien Tempus und Modus. Wenn dies gelänge, könnte man die materiale Implikation als logische Beschreibungsform für alle KSe beibehalten, da, wie wir gesehen haben, indikativische und konjunktivische KSe bis auf divergierende Sprecherannahmen bezüglich der Teilsätze eines Konditionals als logisch gleichwertig betrachtet werden können. Was Grices Indirectness Condition angeht, die über die Relation 1 O ' hinaus eine Verbindung zwischen A und K signalisiert, so könnte sie inhaltlich gefüllt werden mit einer (endlichen) Liste von relevanten Bedingungen und gesetzesartigen Aussagen, welche die nicht-wahrheitsfunktionale Evidenz des Sprechers für die Behauptung 'if p,then 2' ausmachen. Sie könnte, abhängig von semantischen und pragmatischen Faktoren, bei indikativischen KSen explizit getilgt werden, müßte jedoch in der Beschreibung aller konjunktivischen KSe enthalten sein, da bei diesen immer ein über die wahrheitsfunktionale Folgebeziehung hinausgehender Zusanmenhang zwischen den Teilsätzen impliziert wird. Für die neuen Operatoren im Rahmen konditionaler Logiken gilt,daß sie nicht allen logischen Regeln folgen, die für die materiale Implikation gelten. Dies trifft

60

aber auch auf eine Gricesche Analyse zu - wie bei

1

> ',

und ' Q->1 gilt Kon-

txaposition z.B. nur für wahrheitsfunktionale Konditionale, d.h. sie kann auf (58)a. angewendet werden, auf (59)a. jedoch nicht: Regel der Kontraposition:

(ArsB)

(-B=>-A)

(58)a.

If the Battle of Hastings did not take place in 1848, it took place in 1066.

b.

If the Battle of Hastings did not take place in 1066, it took place in 1848.

(59)a. b.

If it rains, the match will be cancelled. If the match is not cancelled, it will not rain.

Da bei konjunktivischen KSen die Implikatur der IC inmer vorhanden ist, ist bei diesen Kontraposition ohne Bedeutungsveränderung überhaupt nicht möglich: (60)a. b.

If that painting had been a Picasso, it would have been very valuable, If that painting had not been very valuable, it would not have been a Picasso.

Auch bei einer Analyse im Rahmen der von Grice vorgeschlagenen konversationeilen Logik ergeben sich also bestimmte Einschränkungen bezüglich der Geltung des formalen Logikkalküls. Weichst! Ansatz, dan modallogischen oder dem konversationslogischen, für eine Beschreibung der KSe der Vorzug zu geben sei, kann hier nicht entschieden werden. Der erste Ansatz ist von Stalnaker (1968), Stalnaker/Thanason (1970), Kutschera (1974b & 1976) und Lewis (1973, für KKSe) als Kalkül ausgearbeitet worden, der zweite beruht auf dem formalen Logikkalkül. Wollte man eine Logik der KSe wie z.B. die Stalnakers einer linguistisch-pragmatischen Beschreibung der KSe zugrundelegen, so müßte man die pragmatischen Kriterien für eine Hierarchisierung möglicher Welten in bezug auf die Basiswelt sowie die Selektionskriterien für bestirrmte mögliche Welten explizieren. Das Ergebnis wären vermutlich auch hier Listen von Aussagen, die Goodmans relevanten Bedingungen und den oben beschriebenen pragmatisch bestimmten Gesetzesaussagen gleichen würden. Sowohl der konversationslogische als auch der modallogische Ansatz benötigen also einen über der logischen Struktur operierenden pragmatischen Interpretationsteil. Während jedoch die Gricesche pragmatische Interpretation zugleich die Brücke zwischen 1 1 3 und if schlägt und deshalb auf der formalen Logik aufbauen kann, benötigt die konditionale modale Logik über die pragmatischen Selektionskriterien für mögliche Welten hinaus noch eine neue logische Relation (ausgedrückt durch das

61

corner oonnective '>')• Der Interpretationsteil müßte für beide Ansätze enthalten: 1. Relevante Bedingungen und text-, äußerungs- und sprecherrelative gesetzesartige Zusairmenhänge zwischen A und K. 2. Sprecherannahmen, welche die Verteilung von topic und ccnment steuern. 3. Sprecherannahmen bezüglich der Wahrheitswerte von A, und normalerweise auch von K. Die Entscheidung für die eine oder die andere Beschreibungsweise wird letztendlich von Kriterien der Einfachheit und Beschreibungs- und Erklärungsadäquatheit bestinmt werden - eine solche Entscheidung ist jedoch beim derzeitigen Stand der Forschung nicht möglich. Sollte es sich jedoch herausstellen, daß man mit einem konversationslogischen Beschreibungsapparat Phänomene nicht nur der KSe - erfassen kann, die herkärmlicher linguistischer oder modallogischer Beschreibung nicht zugänglich waren, so würde das einmal für diese Beschreibungsform für die KSe sprechen; zum anderen wäre es ein Hinweis darauf, in welcher Richtung die Lösung allgemeiner pragmatischer Beschreibungsproblone einer Sprache zu suchen wären. Nicht zuletzt würde ein solches Ergebnis dafür sprechen, die Gricesche Konversationslogik als mögliche Form einer Logik der natürlichen Sprache in Betracht zu ziehen.

62

2. PRÄSUPPOSITIONEN IN PHILOSOPHIE UND LINGUISTIK

2.0. Vorbemerkung^ In seiner allgemeinsten und zugleich bedeutungsleersten Form bezeichnet der Begriff 'Präsuppositian' in der modernen Sprachtheorie all jene Bedingungen, deren Erfüllung für das Gelingen sprachlicher Kaimunikation vorausgesetzt werden muß; in einer etwas eingeschränkten Bedeutung all das, was über das in sprachlichen Ausdrücken explizit Behauptete hinaus von Sprechern implizit mitbehauptet wird und von Hörern aus der sprachlichen Form von Äußerungen gefolgert werden kann. In noch engerer Bedeutung des Begriffs sind Präsuppositionen jene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Aussage wahr oder falsch sein kann. Die folgenden Sätze (1) - (15) enthalten alle in ihrem ersten Teil Voraussetzungen, die man als Präsuppositionen bezeichnet hat; im zweiten Teil wird dieser Präsupposition jeweils widersprochen: (1) a.

Existentielle Präsupposition The present King of France is bald-»there is at present a King of France.

b. +The present King of France is bald, but France doesn't have a King. (2) Selektionsbeschränkungen a. Tiirmy is a bachelors Tiirmy is human, male and adult. b. +Tinrny is a bachelor, but he is only five years old. 1

Seit der Fertigstellung dieses Kapitels sind weitere Arbeiten zur Präsuppositionsproblematik erschienen oder mir zugänglich geworden, die ich nicht mehr im einzelnen berücksichtigen konnte. Es sind dies insbesondere Wilson (1975b) und Reis (1977). Die Grundtendenz dieser Arbeiten ist ähnlich der hier vertretenen These, da auch sie gegen die Nützlichkeit der Präsuppositionsrelation in der Semantiktheorie argumentieren. Während Reis sich darauf konzentriert, den Beweis für diese These zu führen, schlägt Wilson eine Alternative vor, die von der hier vorgebrachten Lösung abweicht. Neben logischer Folge und konversationeller Implikatur führt sie noch eine dritte Beziehung ein, die weder wahrheitsfunktional ist noch konversationeil ableitbar: die Relation der nontruthconditional implication. Diese Relation zieht sie u.a. zur Beschreibung der KKSe heran, und ich werde in Kapitel 4 kurz auf Wilsons Ansatz eingehen.

63

(3)

Lexikalische Präsupposition: wertend Sam accused Glenda of dating a lexicalist lexicalist was bad.

a. b.

Sam thought dating a

+

Sam accused Glenda of dating a lexicalist, but he didn't think dating a lexicalist was bad.

(4)

Lexikalische Präsupposition: temporal a. b.

John stopped smoking yesterday'S» before yesterday, John used to smoke. John stopped smoking yesterday, but he never used to smoke.

+

(5) a. After the game, they had a shaver i? there had been a game. 2 + b. After the game, they had a shower, but there hadn't been any game. (6)

Wahrheitspräsuppositionen faktiver Prädikate a. Bob realizes that his dog has ESP Tf Bob's dog has ESP. b. +Bob realizes that his dog has ESP, but it hasn't.

(7)

Pseudo-cleft sentences: alle nicht hervorgehobenen Elsnente werden präsupponiert a.

It is poetry that John writes in his study 5» John writes something in his study.

b. ?+It is poetry that John writes in his study, but he doesn't write anything there. (8)

Qnphatische Betonung: alle nicht betonten Elemente werden präsupponiert a. John writes POETRY in his study 'S? John writes something in his study. b. ?+John writes POETRY in his study, but he doesn't write anything there. (9) Präsuppositionen kontrafaktischer KSe a.

If John had gone to the party, he would have regretted it » i. John did not go to the party

ii. John did not regret going to the party. b. ?+If John had gone to the party, he would have regretted it, but he (10) a. b.

2

went, and regretted it. Präsuppositionen über extralinguistische Gegebenheiten John called Mary a lexicalist, and then' SHE insulted HIM calling someone a lexicalist constitutes an insult. John called Mary a lexicalist, and then SHE insulted HIM, but John had meant it as a compliment.

Zu den temporalen lexikalischen Präsuppositionen werden auch die Implikationen von Verben wie melt, lose, oder von Partikeln wie again gerechnet, die sich auf die vor dem ausgedrückten Ereignis herrschenden Zustände beziehen; vgl. dazu Franck (1973:33f.).

64 (11)

Präsuppositionen über soziale Beziehungen zwischen Sprecher und Hörer

a.

Du hast dich verplant» soziale Nähe von S und H, vertraute Beziehung, Solidarität, oder: der Angesprochene ist ein Kind oder sozial niedriger stehend als S (z.B. ein Gastarbeiter).

b.

?Du hast dich verplant, aber ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Minister.

Die Sätze (12) - (15) verletzen allgemeine Voraussetzungen für das Glücken sprachlicher Kannunikation, nämlich, daß der Kanal zwischen S und H funktioniert (12), oder daß S willens ist, daß H in den Besitz der übermittelten Information gelangt (13).

(14) und (15) verletzen Voraussetzungen für das Gelingen spezifi-

scher Sprechakte, so die Bedingung, daß Sprecher an die Wahrheit ihrer Behauptungen glauben (14), oder eine der Bedingungen für Versprechen, daß S in der Lage ist, das Versprechen einzulösen (15): (12)

?I'm going to tell you something, but you can't hear me.

(13)

?I've just failed my driving test, but I don't want you to knew.

(14)

?The cat is on the mat, but I don't believe it is.

(15)

?I premise to lend you my copy of 'War and Peace', but I haven't got one.

Geht man davon aus, daß die linguistisch beschreibbaren Präsuppositionen aus der sprachlichen Form der Sätze, in denen sie enthalten sind, ableitbar sein müssen und nur dann können sie ja Gegenstand linguistischer Beschreibung sein - so ergibt sich, daß die 'Präsuppositionen' der Sätze (1) - (15) in verschieden starkem Grade von der sprachlichen Form der Sätze, aus denen sie gefolgert wurden, abhängig sind.

Während sich die Voraussetzungen von (1) - (11) auf 'sprachliche

Präsuppositionsgaranten' (Terminus von Reis 1977) stützen, sind die Voraussetzungen von (12) - (15) allgemeinerer Art;

sie beziehen sich auf allgemeine

Bedingungen der Kannunikation, die sich nicht unmittelbar in der sprachlichen Form niederschlagen.

Diese Art von Voraussetzungen muß deshalb aus der lingui-

stischen Diskussion der Präsuppositionen ausgeschlossen werden - sie ist nicht linguistisch erfaßbar. hanogen:

Doch auch die Voraussetzungen von (1) -(11) sind nicht

Während (1)b. - (6)b. kontradiktorisch sind, sind unsere Urteile be-

züglich der Granmatikalität von (7)b. - (9)b. weniger sicher; die Unangemessenheit von (10)b. und (11)b. schließlich liegt auf einer gänzlich anderen Ebene, da sich die verletzten Voraussetzungen eindeutig auf extralinguistische Annahmen beziehen.

Solche pragmatischen Präsuppositionen (die dennoch aus der sprachli-

chen Form der Äußerungen, in denen sie enthalten sind, erschlossen werden können)

65 werden deshalb von den linguistischen (semantischen, logischen) Präsuppositionen unterschieden, wobei man auch die Voraussetzungen von (7) - (9) zu den linguistischen Präsuppositionen rechnet. Als Test für das Vorhandensein einer linguistischer Präsupposition wird meist die Konstanz unter starker Negation und bei Übertragung in andere Satzmodi verwendet: (1) a. c.

The present King of France is bald. The present King of France is not bald.

d. e.

Is the present King of France bald? Make that the present King of France be bald!

f.

Oh that the present King of France were bald!

b.

There is at present a King of France.

Obwohl man mit (1)a. behauptet, daß der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist, mit (1)c. dies bestreitet, mit (1)d. es erfragt, mit (1)e. es befiehlt und mit (1)f. es wünscht, setzen alle diese Sätze voraus, daß es einen gegenwärtigen König von Frankreich gibt. Man unterscheidet deshalb die Assertion (Behauptung) eines Satzes von seinen Präsuppositionen. Es ist wohl der Gegensatz zwischen Behauptung und Voraussetzung, zwischen Assertion und Präsupposition, welcher als der für die generative Linguistik fruchtbarste Aspekt die Diskussion am meisten angeregt hat, denn mit Hilfe dieses Kontrastes konnte man Phänomene sprachlicher Kcmnunikation erfassen, die bislang der formalen Sprachbeschreibung nicht zugänglich gewesen waren. Wenn man nämlich Präsupposition als etwas in der Äußerung fraglos Vorausgesetztes, als vom Sprecher dem Hörer als beiden ganeinsam Unterstelltes versteht, als eine Möglichkeit, "den Hörer in eine geistige Welt einzuschließen, die er nicht gewählt hat ... und die weder verneint noch in Frage gestellt werden kann, ohne daß man den Dialog als ganzen verweigert" (Ducrot 1974:259f.), und es gelingt, dieses Phänomen adäquat zu beschreiben, dann hat man den Horizont der Linguistik erheblich erweitert und ihrer Theorie neue Bereiche zugänglich gemacht. Aus der Vielfalt der in einem einzigen Terminus verborgenen Begriffe und der damit erfaßbaren Erscheinungen verbaler Katrnunikation wird es verständlich, daß man sich von dem Begriff der Präsupposition eine hohes Erklärungspotential für die Sprach3

Vgl. hierzu Reis (1977:31-53), die allerdings von "illokutionärer Abwandlung" spricht. Zum Verhältnis von Illokution und Satzmodus vgl. 3.2.. Zur Problematik des Negationstests s.u. 2.1.1..

66

forschung erhoffte. Diese Hoffnung manifestiert sich in einer nun schon über ein Jahrzehnt andauernden Diskussion, die, nach der anfänglichen Euphorie über die Leistungsfähigkeit des mit 'Präsupposition' bezeichneten theoretischen Konstrukts und der dieser folgenden sinnlosen Uberdehnung des Begriffs, sich jetzt in drei Hauptrichtungen zu kanalisieren beginnt: Man definiert einmal Präsupposition als Relation zwischen Propositionen in einer wahrheitsfunktionalen Semantik und delegiert die sprechaktbezogene, pragmatische Dimension des Präsuppositionsbegriffs in eine unabhängige und nicht weiter spezifizierte Pragmatiktheorie (z.B. Katz/Langendoen 1976), oder man definiert Präsupposition als kontextuelle, situative und handlungssanantische Voraussetzung in einer Texttheorie und versteht die wahrheitsfunktionalen Präsuppositionsphänarvene als "syntaktisch-semantische Implikationen des verwendeten Sprachsystems, bzw. des Textkontextes" (Schmidt 1973:103). Beide Lösungen offenbaren die Doppelköpfigkeit des bislang gängigen Präsuppositionsbegriffs. Eine Kombination dieser beiden Lösungen schließlich definiert die bisher als Präsuppositionen behandelten sprachlichen Erscheinungen einerseits und Bedingungen für reibungslose Kanminikation andererseits als logische Folgerungen (entailments) in einer wahrheitsfunktionalen Semantik bzw. konversationelle Implikaturen in einer konversationslogisch konzipierten Pragmatiktheorie und räumt so mit dem Konstrukt der Präsupposition überhaupt auf (Kempson 1975, Wilson 1975a&b). Allen diesen Lösungen ist gemeinsam, daß sie die in der generativen Semantik postulierte tiefenstrukturelle Durchdringung von Semantik und Pragmatik aufgeben und daß sie die spezifische Leistung des Präsuppositionsbegriffs - in der Texttheorie als Instrument zur Darstellung und Erklärung der Kohärenz und Konsistenz von Texten, auf der Ebene der Rhetorik als Mittel zur Explikation der Erscheinungsweisen indirekter Kannunlkation (Andeutung, Unterstellung, Implikation, Irreführung und Manipulation) - in den Bereich einer Pragmatiktheorie verweisen, deren Domäne jedoch weit in die Semantiktheorie hineinreicht. Gleichzeitig wird die Semantik auf sprechakttheoretische Fragen ausgedehnt. lin die Möglichkeiten der unter der dritten Lösung angesprochenen Pragmatikthecrie zu illustrieren, seien kurz zwei Beispiele diskutiert: (16) (17)

The man who set fire to your hause has been caught. Your wife is faithful.

Die Äußerung (16), gerichtet an einen nichts Böses ahnenden Hausbesitzer, ist pragmatisch ebenso unarganessen wie die Äußerung (17), wenn sie an jsnanden ge-

67

richtet ist, der bisher keinerlei Grund hatte, an der Treue seiner Frau zu zweifeln. Beide Äußerungen sind Beispiele indirekter Kamrunikation. Was sie im gegebenen Kontext so seltsam macht, ist die Tatsache, daß in ihnen die normale Verteilung von explizit Behauptetem und implizit Mitbehauptetan vertauscht ist.Die Äußerung (16) setzt nämlich als dem Hörer bekannt voraus, was dieser noch gar nicht weiß und bezieht daraus ihrem Überraschungseffekt; mit der Äußerung (17) wird dagegen lediglich vorausgesetzt, daß der Angesprochene eine Frau hat - der Überraschungseffekt liegt hier umgekehrt darin, daß der Adressat als selbstverständlich annimmt, was da behauptet wird und sich nun zu fragen beginnt, welche zusätzlichen, nicht unmittelbar erschließbaren Voraussetzungen den Sprecher zu einer so unmotivierten Äußerung veranlaßt haben könnten. Unter einer Analyse, die Präsuppositionen aus der sprachlichen Form der Äußerung ableitet, hat (16) die Präsuppositionen (16)a.&b.: (16)a. b.

There is a man who set fire to your house. Someone set fire to your house.

Dies allein erklärt jedoch nicht die Unangemessenheit von (16) im gegebenen Kontext, noch die Ähnlichkeit mit der Äußerung (17), die ja nur die Präsupposition (17)a. hat: (17)a.

You have a wife.

Man benötigt also über die Präsuppositionsrelation hinaus noch Konversationspostulate, wie z.B. "Don't State the obvious" für (17) und "Don't presuppose that which your interlocutor does not yet kncw" für (16), um die pragmatische Unangemessenhiet der beiden Äußerungen zu erfassen. Es ist zu vermuten, daß eine konversationslogisch konzipierte Pragmatiktheorie eine einheitlichere Beschreibung und Erklärung dieser Probleme liefern kann, wobei jedoch die Gefahr besteht, daß der Begriff der konversationeilen Implikatur eine ähnliche Inflation erfährt wie zuvor derjenige der Präsupposition. Im folgenden soll die Diskussion der Präsuppositionsproblenatik in der Sprachphilosophie und der generativen Linguistik, soweit sie für die Fragestellung dieser Arbeit relevant ist, kurz umrissen werden. Auf dieser Basis können wir dann untersuchen, mit Hilfe welcher Relation der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen am besten zu beschreiben sei.

68

2.1.

Präsuppositionen in Logik und Philosophie

2.1.1. Das Problem der Referenz Die Beschäftigung mit dem Phänanen der Präsupposition geht auf Gottlcb Freges Benühungen um die Konstruktion einer logisch vollkommenen Sprache ('Begriffs4 schrift') zurück. Für diese Sprache muß Frege die Bedeutung sprachlicher Zeichen definieren und er tut dies durch die Bindung der Zeichen einmal an den bezeichneten Gegenstand ('Bedeutung') und zum anderen an die 'Art des Gegebenseins' ('Sinn'): "Ein Eigenname (Wort, Zeichen, Zeichenverbindung, Ausdruck) drückt aus seinen Sinn, bedeutet oder bezeichnet seine Bedeutung"(1892/1962:44). So haben die Ausdrücke 'Morgenstern' und 'Abendstern' die gleiche Bedeutung (bezeichnen dasselbe), ihr Sinn ist jedoch verschieden. Daß ein referierender sprachlicher Ausdruck etwas bezeichne, ist eine selbstverständliche Voraussetzung seines Gebrauchs: Wenn man etwas behauptet, so ist inmer die Voraussetzung selbstverständlich, daß die gebrauchten einfachen oder zusanmengesetzten Eigennamen eine Bedeutung haben. Wenn man also behauptet, "Kepler starb im Elend", so ist dabei vorausgesetzt, daß der Name "Kepler" etwas bezeichne (52). Diese Voraussetzung wird in der Linguistik 'existentielle Präsupposition' genannt. Sie ist nicht Teil des 'Sinns' des Satzes 'Kepler starb im Elend' und gilt auch für die entgegengesetzte Behauptung 'Kepler starb nicht im Elend'. In dieser Voraussetzung kann man sich jedoch auch irren, so daß man von der 'Bedeutung' eines Zeichens sprechen muß "mit dem Vorbehalte: falls eine solche vorhanden ist" (44). Wenn ich Frege richtig interpretiere, so gibt es zwei Arten solcher Irrtümer: lim einen Falle setzen Sprecher die 'Bedeutung' der von ihnen gebrauchten Eigennamen fälschlicherweise aber aufrichtig voraus, weil sie glauben, diese bezeichneten tatsächlich etwas. Im anderen Falle erliegen sie als Hörer einer Täuschung durch "scheinbare Eigennamen, die keine Bedeutung haben" (54), sondern nur suggerieren, daß sie etwas bezeichnen; oder sie setzen sie als Sprecher selbst rhetorisch ein und täuschen so ihre Gesprächspartner. Als Beispiel für solchen "demagogischen Mißbrauch" führt Frege (54) den Ausdruck "der Wille des Volkes" sin, für den es "keine allganein angenarmene Bedeutung gibt". Für eine logisch vollkcnmene Sprache ist jedoch zu fordern, daß jeder Eigennane aich etwas bezeichne, um "die Quelle dieser Irrtüner wenigstens für die Wissen4 Frege (1892), Wiederabdruck in Frege (1892/1962).

69

schaft ein für allanal zu verstopfen" (54).

Danit kann Frege Sätze, die 'bedeu-

tungslose1 Ausdrücke enthalten (Eigennamen, die nichts bezeichnen),aus seiner Beg r i f f s s c h r i f t ausschließen. ohne weiteres möglich;

Für die natürliche Sprache ist dies jedoch nicht

Sätze, die solche Ausdrücke enthalten, sind nach Frege

dann 'bedeutungslos', sie können weder wahr noch falsch sein und haben scmit keinen Wahrheitswert.

Da die notwendige Voraussetzung für 'Bedeutung' nicht nur beim

Gebrauch referentieller Ausdrücke wie Eigennanen, Ncminalausdrücke mit den bestimmten Artikel und Proncmina e r f ü l l t sein muß, sondern diese Bedingung auch für nichtrestriktive Relativsätze, adverbiale Ausdrücke des Ortes und der Zeit, konzessive und kausale Nebensätze und Nebensätze mit 'daß' nach bestiirmten Verben g i l t , kann es in der natürlichen Sprache recht häufig vorkommen, daß Sätze keine Wahrheitswerte haben oder ein solcher mit Täuschungsabsicht unterstellt wird. Sätze werden dazu benutzt, um Aussagen zu machen.

Aussagen sind dadurch definiert,

daß für sie das Gesetz der ausgeschlossenen Mitte g i l t (de Morgan's Law: - ( p A - p ) ) : Sie müssen entweder wahr oder falsch sein.

Da nach Frege Sätze, deren Präsupposi-

tionen nicht a r f ü l l t sind, keine Wahrheitswerte haben, können solche Sätze keine Aussagen machen.

Daß die Präsuppositionen eines Satzes e r f ü l l t sind, wird so zur

notwendigen Bedingung seiner Verwendbarkeit als Aussage.

Ob die Präsuppositionen

eines Satzes e r f ü l l t sind, hängt jedoch von außerlinguistischen Gegebenheiten seines Verwendungskontextes ab. Gegen diese Ansicht hat sich besonders Russell in seiner "Theory of Descriptions" gewerdet (vgl. Russell 1905).

Nach Russell bestiirmt allein die sprachliche Form,

ob ein Satz wahr oder falsch i s t .

Freges 'selbstverständliche Voraussetzungen'

sind bei ihn Teil der Behauptung, so daß mit (18) zugleich (18)a.

(Existenzbe-

hauptung) , (18)b. (Einzigkeitsbehauptung) und (18)c. (Prädikation) behauptet werden: (18)

The present King of France i s bald. a.

There is an entity which is now King of France

b.

and who is unique in being King of France

c.

and who is bald.

Da die drei Teilbehauptungen eine Konjunktion bilden und da Konjunktionen falsch sind, wenn eines ihrer Konjunkte falsch i s t , i s t (18) falsch (und nicht ohne Wahrheitswert), wenn (18)a. oder b. falsch i s t . Nach Frege bleibt die Präsupposition eines referierenden Ausdrucks unter Negation erhalten.

In seinen Beispiel 'Kepler starb nicht im Elend' ist der Bezug der

70

Negation zwar eindeutig, weil es sich im einen einfachen Satz handelt; grundsätzlich muß man jedoch zwischen zwei Arten der Negation unterscheiden, zwischen natürlicher (starker, interner) und logischer (schwacher,

externer) Negation.

Die schwache Negation kann logisch beschrieben werden als Disjunktion der v e r neinten Konjunkte einer Aussage: ' - ( p A q Ar . . . ) ' i s t äquivalent mit ' ( - p v -q ^ r ...)';

es i s t also nicht f e s t g e l e g t , auf welches Disjunkt sich d i e Verneinung

bezieht, s i e kann sich auf mehrere oder auch a l l e Disjunkte beziehen, da das logische 'oder' einschließend interpretiert wird.

Dagegen ninmt man ein, daß in

der natürlichen Sprache der Skopus der Negation durch Fokus und Betonung meist eindeutig bestinrvt i s t . ^ Dieser Unterschied i s t f ü r Russells Analyse relevant, da nun d i e Verneinung von (18) - j e nach Skopus der Negation - verschiedene Wahrheitswerte haben kann: (19)

The present King of France i s not bald

i s t falsch, wenn der Satz bedeutet: (19)a.

There i s an entity which i s now King of France and i s not bald (natürliche Negation)

und wahr, wenn der Satz bedeutet: (19)b.

I t i s f a l s e that there i s an entity which i s ncw King of France and i s bald (logische Negation)

( v g l . Russell 1905:490).

Im Gegensatz zur präsuppositionellen Analyse, d i e (18) und (19) keine Wahrheitswerte zuordnen kann, wenn es keinen gegenwärtigen König von Frankreich g i b t , i s t nach Russell (18) dann falsch und (19) , j e nach Skopus der Negation, wahr oder falsch.

5

Daß es eindeutige Kriterien für d i e Bestimnung des Skopus der natürlichen Negation g i b t , wird aach in der linguistischen Literatur zur Präsuppositionsproblematik meist fraglos vorausgesetzt, das meist i n t u i t i v e Vorgehen beim Negationstest nicht problanatisiert. Ausnahmen sind neuere Arbeiten wie Kanpson (1975), Wilson (1975a&b) und Reis (1977), d i e betonen, daß d i e natürliche Sprache auf der Ebene des Sprachsystans nur einen Negationstyp kennt, da ihre Negationsmittel nicht zwischen logischer und natürlicher Negation disambiguieren: "Die Negationsmittel der natürlichen Sprache sind also den Termen der Unterscheidung 'starke vs. schwache Negation' weder eindeutig zugeordnet, noch diesbezüglich ambig; s i e sind der Unterscheidung gegenüber bestenfalls vage" (Reis 1977:169). Die Bestürmung des Skopus der natürlichen Negation muß also a i f pragmatischer Ebene erfolgen.

71

2.1.2.

Die Bivalenz des Präsuppositionsbegriffs:

Logische und pragmatische

Präsuppositonen Die Bivalenz des Präsuppositionsbegriffs, wie er heute in der sprachanalytischen Philosophie und der generativen Linguistik gebraucht wird, i s t im Kern schon bei Frege angelegt:

Frege spricht einmal davon, daß d i e Existenzvaraussetzung eine

Bedingung für den Gebrauch r e f e r e n t i e l l e r Ausdrücke sei - dies i s t ein pragmatisches Kriterium.

Zum anderen b l e i b t d i e Voraussetzung zwar in der negierten Aus-

sage erhalten, i s t s i e jedoch nicht e r f ü l l t , so r e s u l t i e r t eine Aussage ohne Wahrheitswert - dies sind logische Kriterien. nus

'Präsupposition 1

Bei Strawson, auf den der Termi-

zurückgeht und der als erster d i e Unterscheidung Präsupposi-

tion und Assertion macht, setzt sich diese zweifache Orientierung der Präsuppositionsrelation f o r t . Strawson (1950; 1952:Ch.6) übt scharfe Kritik an Russells "Theary of Descriptions" und bezieht damit zugleich den Präsuppositionsbegriff auf den Sprechakt.

Er w i r f t

Rüssel vor, den Unterschied zwischen einan Satz und dessen Gebrauch, zwischen Proposition und Assertion, nicht beachtet und so fälschlicherweise Sätzen Wahrheitswerte zugeordnet zu haben.

Der Wahrheitswert einer Behauptung hängt nach Straw-

son (1950:326) nänlich nicht nur von dan Sinn des verwendeten Satzes ab, sondern auch vcm Kontext seiner Äußerung: "We cannot talk of the sentence being true or f a l s e , but only of i t s being used to make a true ar f a l s e assertion." g i l t für r e f e r e n t i e l l e Ausdrücke:

Das gleiche

The present King of France a l l e i n r e f e r i e r e

auf gar nichts; der Gebrauch das Ausdrucks aber durch verschiedene Sprecher während verschiedener Regierungszeiten französischer Könige z.B. hätte jedoch jeweils verschiedene Personen bezeichnet.

Referenz i s t deshalb eine Kategorie des Gebrauchs,

für den Sprechakt des Referierens müssen sowohl Bedingungen sprachlicher Konvention als auch kontextuelle Erfordernisse der Äußerungssituation e r f ü l l t sein. also

Es sind

nicht d i e sprachlichen Ausdrücke oder d i e Sätze, in denen s i e enthalten sind,

d i e r e f e r i e r e n , sondern Sprecher gebrauchen diese, um aus der Fülle der in einer Karmunikationssituation möglichen Referenten einen oder mehrere zur Identifikation durch den Hörer auszusondern.^ Präsuppositionen in diesem Sinne sind Annahmen des Sprechers.

Dennoch d e f i n i e r t Strawson (1952:175) formal die Präsupposition als

eine r e i n logische Relation zwischen zwei Aussagen: 6

S. hierzu auch Linsky (1967), der auch auf d i e Frage der Referenz in fiktionalen Texten eingeht, sowie Searle (1969a:Ch.4).

72 — a statanent S presupposes a statanent S1 in the sense that the truth of S' is a precondition of the truth-or-falsity of S ... Auch seine Unterscheidung zwischen'a sentence'und'a use of a sentence' ändert nichts daran, daß dies eine rein logische Definition ist, in der die Präsuppositionsrelation als eine neue logische Relation in enge Nachbarschaft zur logischen Implikation (entailment) gerückt wird (in der eine Aussage eine notwendige Bedingung für die Wahrheit der anderen Aussage ist), jedoch - und dies ist Strawsons Anspruch - nicht auf diese rückführbar ist. Dieser Anspruch wird in Keenans (1971:45) Definition der logischen Präsupposition noch deutlicher: A sentence S logically presupposes a sentence S' just in case S logically implies S' and the negation of S,~S, also logically implies S'. In other words, the truth of S1 is a necessary condition on the truth or falsity of S. Strawsons und Keenans Definitionen zerfallen also in zwei Teile: Erstens in eine der logischen Implikation ähnliche logische Relation und zweitens in eine Bedingung für die Wahrheit oder Falschheit von 'Aussagen' und damit für den korrekten Gebrauch referentieller Ausdrücke. Daraus folgt, daß ein Satz, dessen Präsuppositionen nicht erfüllt sind a. weder wahr noch falsch ist, also keinen Wahrheitswert hat (dies erfordert eine dreiwertige Logik mit dem dritten Wert 'unbestinmt' oder ' zero') und/oder b. sein (irrtümlicher) Gebrauch keine echte'Aussage'darstellt: "... its use is not a genuine one, but a spurious or pseudo-use: he /the speaker/ is not making either a true or false assertion, though he may think he is" (Strawson 1950:326). Damit ist der Sprechakt irgendwie mißglückt. In Strawsons Haltung, der zwischen der logischen Position (a.) und der pragmatischen Position (b.) schwankt, liegt die bezüglich des Präsuppositionsbegriffs herrschende Verwirrung hauptsächlich begründet: Wie schon Frege - und im Gegensatz zu Fussell - setzt er nämlich die logische Aussage (logical statanent) und den Sprechakt des Behauptens (the act of stating, the speech act of asserting) gleich. Dies wird auch an seinen Gegenbeispielen zur truth-value gap theory (Standpunkt a.) deutlich, die laut Strawson deren Mcdifizierung erfordern. Seine Beispiele sind jedoch pragmatischer Art und greifen deshalb auf einer arideren Ebene: Im einen Fall handelt es sich um Äußerungen, in denen Sprecher absichtlich und mit Täuschungsabsicht nicht erfüllte Präsuppositionen unterstellen. Wenn z.B. ein Vertreter zu einem KaufInteressenten sagt: (21)

The lodger next door has offered me twice that sum

73

und es gibt gar keinen Untennieter nebenan, dann können wir dieser Aussage den Wahrheitswert 'falsch' zuteilen, und dies gerade weil der Untermieter nicht existiert (vgl. Strawson 1954:225). Der zweite Fall betrifft die Verteilung von topic uni caiment in der Aussage (vgl. dazu Strawson 1964). Wenn z.B. jemand über eine Ausstellung, die zur Zeit zu besichtigen ist, sagt (22)

The Exhibition was visited yesterday by the King of France,

dann ist laut Strawson (95f.) diese Aussage falsch, und nicht ohne Wahrheitswert, da sie dan Subjekt des Satzes ein eindeutig falsches Prädikat zuordnet. Dieses Argument läßt sich auch nicht dadurch umgehen, daß man (22) in den Aktivsatz (22)a. umformt und diessn dann den Wahrheitswart zero zuordnet, weil (22) und (22) a. verschiedene 'Aussagen' sind, die in ihrem kamunikativen Interesse ungleich gewichtet sind. Während für (22) das karmunikative Interesse darin liegt, "what notable visitars the Exhibition has had, ar hcw the Exhibition is getting on" (96), konzentriert sich in (22)a. die Aufmerksamkeit auf die Frage when the King of France visited the Exhibition, oder what the King of France did yesterday: (22)a.

The King of France visited the Exhibition yesterday.

Wenn in einer Aussage zwei oder mehr Referenzausdrücke enthalten sind und bei einan die Existenzpräsupposition fehlschlägt, dann ist nach Strawson die 'Aussage' nur dann ohne Wahrheitswert, wenn der betreffenden Referenzausdruck topikalisiert ist, in allen anderen Fällen (d.h. wenn der Ausdruck zum catnient der 'Aussage' gehört) ist sie falsch. Dies hätte zur Folge, daß ein Passivsatz den Wahrheitswert 'falsch' erhalten könnte, der entsprechende Aktivsatz dagegen den Wert 'unbestimnt'. Dies widerspricht den Prinzipien einer wahrheitsfunktionalen Sanantik und kann in ihr nicht dargestellt werden. Sowohl die Verteilung von topic und carment als auch die Konstrukte Assertion und Präsupposition sind (wenn sie für diese Erscheinungen verwendet werden) keine wahrheitsfunktionalen Kategorien, sondern hängen van sprachlichen und katmunikativen Kontext ab und werden von bestimmten Prinzipien der Kcmnunikation gesteuert. Strawson gibt diese selbst sehr allgemein als gewisse 'Platitüden der Katmunikation' an, ohne jedoch den Schluß zu ziehen, daß die Wahrheitswerte von Sätzen per definitionem nicht von diesen tangiert werden können. Diese Prinzipien sind im einzelnen: 1. Principle of Presunption of Ignorance

74

"... the making of an assertive utterance or statement ... implies a presumption (on the part of the speaker) of ignorance (on the part of the aidience) of sane point to be imparted in the utterance" (1964:86). Dieses Prinzip bestinmt, was zum Inhalt der Assertion ganacht wird. 2. Principle of Presumption of Knowledge "...when an empirically assertive utterance is made with an informative intention, there is usually or at least often a presumption (on the part of the speaker) of knowledge (in the possession of the audience) of anpirical facts relevant to the particular point to be imparted in the utterance"(87). Dieses Prinzip kaxmt im Sprechakt der Referenz zum Tragen, wenn der Sprecher bei seinan Gesprächspartner Vorwissen über die Existenz und Einzigkeit des von iim bezeichneten Gegenstandes voraussetzt. Es bestinmt scmit den Inhalt der Präsupposition. 3. Principle of Relevance "... stating is not a gratuitous and randan human activity. We do not, except in social desperation, direct isolated and unconnected pieces of information at each other, hat on the contrary intend in general to give cr aid information about what is a matter of standing or current interest or concern"(97). Das Prinzip der Relevanz bestinmt, welcher Ausdruck zum topic der 'Aussage' wird, wobei sich topic und präsupponiertes Vcrwissen jedoch in den meisten Fällen überlappen: "... the spheres of (a)what a statsnent addressed to an audience is about ard (b)what, in the making of the statanent, the audience is assumed to have sane knawlegde of already, are spheres that will often, and naturally, overlap"(97). ' Doch auch die logisch definierte Präsuppositionsrelation ist nicht unproblsnatisch. Katz (1973) zeigt zwei unerwünschte Konsequenzen auf, die sich aus dieser ergeben: 1. Da jeder Satz, also auch S und -S, alle in einer Sprache ausdrückbaren analytischen Wahrheiten logisch impliziert, gehört zu den logischen Präsuppositionen eines Satzes diese offene Klasse aller analytischen Wahrheiten. Diesan Dilanma kann man auch nicht durch eine Einschränkung der Definition wie "'S1 ist not a logical truth" entgehen, da sonst die Präsuppositionen von Sätzen, die analytische Wahrheiten als Präsuppositionen haben, nicht erfaßt würden: (20)

That everything is either alive or not is not surprising.

2. Die Präsuppositionen eines Satzes können nicht falsch sein: Wenn scwohl S als auch -S die Präsupposition S' logisch implizieren, dann folgt für den Fall 7 Vgl. hierzu auch Hallidays Unterscheidung der thane/rhane- von der topic/ carment-Struktur von Sätzen, die normalerweise zusammenfallen (s. auch den Exkurs unter 1.2.2.1.): "... the association of thane with given, rhane with new, is subject to the usual 'good reason' principle already referred to there is freedan of choice, but the theme will be associated with the 'given' and the rhane with the 'new' unless there is good reason far choosing sane other aligrment" (1970a:162). 8 Strawsons Ausführungen zur topic/comment-Relation und zu seinen 'Prinzipien der Katmunikation' zeigen deutlich den Einfluß von H.P. Grice und nehmen dessen Konversationsnaximen zum Teil von vorweg. Vgl. dazu Strawsons Hinweise in (1952:179,Arm. 1) und (1954:226,Aim.6).

75 S1-falsch, daß sowohl S als auch -S falsch sein müssen (da jeder Satz, der einen falschen Satz logisch impliziert, selbst falsch ist). Dies ist jedoch logisch 9

nicht möglich, deshalb kann S' nianals falsch sein. 2.2. Das Problem der Beschreibungsebene Soll nun die Präsuppositionsrelation überhaupt in einer wahrheitsfunktionalen Semantik darstellbar sein, so käme dafür nur die logische Präsupposition in Frage; die pragmatische müßte auf der Ebene der Pragmatik angesiedelt werden. Dies setzt eirmal eine Modifizierung der logischen Definition voraus, um die von Katz aufgezeigten Paradcscien zu vermeiden, zum anderen müssen sich die beiden Relationen klar voneinander trennen lassen. Dies wirft die Frage nach dem Verhältnis von logischer und pragmatischer Präsupposition auf. In seinen progranmatischen Aufsatz "Presuppositions" hat sich Stalnaker (1973) mit den beiden Präsuppositionsbegriffen auseinandergesetzt und die logische (semantische) Präsupposition auf die pragmatische Präsupposition zurückgeführt. Die grundlegende Präsuppositionsrelation besteht für Stalnaker nicht zwischen Propositionen oder Sätzen, sondern zwischen einan Sprecher und einer Proposition, bzw. einer Klasse von Propositionen. Diese zusanrven konstituieren einen "backgrourxi of kncwledge ar beliefs purportedly shared by the Speaker and his audience" (448). Die Gesamtheit des gemeinsanen oder als ganeinsam unterstellten Wissens von Sprecher und Hörer bildet den pragmatischen Kontext einer Äußerung, der mit jeder weiteren Äußerung bereichert und verändert wird. Die pragmatischen Präsuppositionen definiert Stalnaker (448) mit Hilfe der Annahnen und Handlungsdispositionen des Sprechers und leitet aus diesen die logische Präsuppositionsrelation ab: — a sentence has a presupposition in a derivative sense just in case the use of that sentence would for sane reason narmally be inappropriate unless the Speaker presupposed a particular presupposition. In such a case, ... a sentence requires a presupposition. This notion of presupposition requirartent will be the explication of the linguist's notion of presupposition (451). Semantische Präsuppositionen sind so nach Stalnaker eine Untermenge der pragmatischen Präsuppositionen. Nur die sanantischen Präsuppositionen sind entscheiden! für die Wahrheitswerte von Sätzen; nur für sie gilt, daß sie bei Negation 9

Aufgrund einer ähnlichen Argumentation schließt Neriich (1965), daß die logische Präsupposition nicht von der logischen Implikation zu unterscheiden sei.

76

und in den verschiedenen Satzmodi erhalten bleiben. Neben den bekannten sprachlichen Präsuppositionen erfaßt Stalnakers Definition der semantischen Präsupposition jedoch auch die von Chatisky (1971) angeführten Beispiele für die Relevanz der Oberflächenstruktur für die semantische Interpretation, die auf der Verteilung von Präsupposition (topic) und Assertion (comment) beruhen. Diese Verteilung hängt, wie oben gezeigt wurde, von pragmatischen Entscheidungen des Sprechers ab; in der Äußerung schlägt sie sich in der Betonungsstruktur nieder. Das aliphatische Element des Satzes wird als comment behauptet, der Rest als topic präsupponiert: (23)

John writes POETRY in his study.

(24)

John writes poetry in his STUDY.

Nach Chcmsky haben (23) und (24) verschiedene Präsuppositionen: (23)a. b.

There is someone called John. John writes something in his study.

(24)a. b.

There is someone called John, John writes poetry somewhere.

Diese Präsuppositionen folgen auch aus (23) und (24), wenn diese verneint oder erfragt werden und erfüllen so Keenans Kriterium der logischen Präsupposition: (23)c. d.

It isn't POETRY that John writes in his study, Is it POETRY that John writes in his study?

(24)c.

John doesn't write poetry in his STUDY.

d.

Does John write poetry in his STUDY? (vgl. Chcmsky 1971:199ff.)

Da die Präsuppositionen eines Satzes zu dessen Bedeutung gerechnet werden und deshalb in seine semantische Repräsentation eingehen müssen, haben (23) und (24) auch verschiedene Tiefenstrukturen. Chomsky (205,Anm.a) merkt jedoch an, daß hier verschiedene Begriffe mit dem Terminus 'Präsupposition' belegt werden, die man besser auseinander halten sollte. Er sieht die existentielle Präsupposition über John als Bedingung, daß (23) und (24) überhaupt Wahrheitswerte haben können, während er den b-Präsuppositionen diese Eigenschaft abspricht und sie dem Bereich der Äußerung zuordnet. Ohne weitere Differenzierung ist also Stalnakers Definition der semantischen Präsupposition nicht in der Lage, zwischen den a- und den b-Präsuppositionen zu unterscheiden. Auch die folgenden von G. Lakoff (1971a) angeführten Beispiele pragmatischer Präsuppositionen werden von Stalnakers Definition des presupposition requirement erfaßt (diese Beispiele gehören zu den stärksten Argumenten für die Aufnahme der

77

pragmatischen Präsuppositionsrelation in die generative Kcmponente einer generativen Semantiktheorie): (25) (26) (27)

John insulted Mary, and then SHE insulted HIM. John told Mary that she was ugly, and then SHE insulted HIM. +

John told Mary that she was beautiful, and then SHE insulted HIM.

Zwei Faktoren bestinmen laut Lakoff die Wohlgeformtheit bzw. Nicht-Wohlgeformtheit von (26) und (27): Zum einen die obligatorische Betonung der beiden kontrastierenden Pronomina bei gleichem Verb in beiden Teilen einer Konjunktion (Wissen um innersprachliche Fakten), zum anderen die pragmatische Präsupposition, daß es in unserer Kultur eine Beleidigung für eine Frau konstituiert, wenn man sie häßlich nennt. Nirrmt man die Konstanz unter natürlicher Negation als Test, ob es sich um eine semantische Präsupposition handelt, dann besteht jedoch auch diese Präsupposition den Test: (26)a.

No, that's not true. Neither did John tell Mary that she was ugly, nor did SHE then insult HIM.

(27)a.

No, that's not true. +Neither did John tell Mary that she was beautiful, nor did SHE then insult HIM.

Dennoch sind Sätze wie (26) und (27) für Lakoff nur relativ zu bestimmten Annahmen des Sprechers granmatisch wohlgeformt: certain sentences will be granmatical only relative to certain presuppositions and deductions, that is to certain thoughts and thought processes and the situations to which they correspond (1971b:69). Dies hat für Lakoffs Beispiele jedoch die Konsequenz, daß sich seine Granmatikalitätsurteile bezüglich (26) und (27) in einem Kontext, in dem z.B. Mary als militante Feministin traditionelle Komplimente als Beleidigung auffaßt, umkehren müßten. Auch dieses Beispiel zeigt, daß weder Stalnakers Begriff der semantischen, noch Keenans Begriff der logischen Präsupposition in der Lage ist, logische von pragmatischen Präsuppositionen zu trennen. Ein solches Ergebnis überrascht natürlich keineswegs, waren doch Chomskys und Lakoffs Beispiele gerade dazu bestimmt, die Notwendigkeit der Aufnahme pragmatischer Konstrukte in die Granmatiktheorie zu demonstrieren. Dies führt jedoch für die Semantiktheorie zu äußerst unerwünschten Konsequenzen: Mit einem auf Sprecher und Äußerungssituation relativierten Präsuppositionsbegriff wird nämlich das Konstrukt des 'neutralen Kontexts', der 'normalen Interpretation' eines Satzes oder seiner zeitlosen, kontextlosen, konventionellen Bedeutung aufgegeben - ein Satz hätte in jeder seiner möglichen

78 Kontextualisierungen unterschiedliche Präsuppositionen, unterschiedliche Wahrheitsbedingungen und damit unterschiedliche Bedeutung, die Menge seiner Interpretationen wäre im Prinzip unbegrenzt: "One is thus faced with an analysis of meaning which Claims that every sentence has an indeterminate number of indeterminable meaning respresentations" (Kempson 1975:60). Kanpson (1975:1f.) hat an den semantischen Teil einer allgemeinen Sprachtheorie die folgenden Forderungen gestellt, die von Vertretern sowohl der interpretativen als auch der generativen Semantik weithin akzeptiert werden: 1. Die Sanantiktheorie muß die Satzbedeutung aufgrund der Bedeutung der lexikalischen Einheiten und der zwischen diesen herrschenden syntaktischen Beziehungen vorhersagen können. 2. Da die Sätze einer natürlichen Sprache eine offene Klasse konstituieren, muß die semantische Komponente einer Sprachtheorie - wie die syntaktische - eine endliche Anzahl von generativen Regeln enthalten (predictive rules). 3. Das Modell muß die semantisch abweichenden von den semantisch wohlgeformten Sätzen trennen können. 4. Es muß die Bedeutungsrelationen zwischen Sätzen vorhersagen können (logische Implikation, Kontradiktion, Synonymie). Bedeutung kann entweder wahrheitsfunktional definiert werden als Relation zwischen einem Satz (Wort) und den notwendigen und hinreichenden Bedingungen für seine Wahrheit, oder aber unter Bezug auf Bedingungen für den Gebrauch von Sätzen (Wörtern) in der Karmunikation als Relation zwischen Sprecher und Sprechsituation. ' Wird die Präsupposition als zusätzliche logische Relation zwischen Sätzen definiert, so muß einer wahrheitsfunktionalen Semantik eine dreiwertige Logik zugrundegelegt werden. Wird sie als Relation zwischen Sprecher und Äußerungssituation definiert, so ergeben sich für die Semantiktheorie die oben skizzierten weitaus größeren Problane, die einen sprecherrelativen Präsuppositionsbegriff in der Semantiktheorie nicht zulassen: 10 Vgl. dazu Grice (1957, 1968b, 1969) oder Leisis soziologische Definition der Wortbedeutung über die Gebrauchsbedingungen (1952). 11 Die Wahrheitsbedingungen einer wahrheitsfunktionalen Sanantik geben lediglich jene Bedingungen an, unter denen ein Satz wahr wäre, würde er geäußert. Im Gegensatz zur Korrsepondenztheorie der Wahrheit ist Wahrheit hier nicht kontingent an einen bestürmten Weltzustand gebunden, sondern zeitlos und durch die Bedeutung der Sprache allein gegeben. So wären die Wahrheitsbedingungen für den Satz The boy ran to his mother etwa die folgenden: "...that a male, nonadult, human noved to a female, adult human who is his parent with a particular fast motion that we call running" (Kempson 1975:33). Die Wahrheitsbedingungen geben die Bedeutung des Satzes an, und diese Bedeutung ist unabhängig von den unzähligen möglichen Situationen, in denen er geäußert werden kann.

79 ... a theory which incorporates a Speaker relative concept of pre-

supposition as part of its semantic representation is in principle unable to fulfil any of the four conditions I set up initially as a prerequisite for any semantic theory and therefore must be relinquished (Kempson 1975:60). Aus der bisher geführten Diskussion ergeben sich folgende Schlußfolgerungen: 1. An der Definition der logischen Präsupposition müssen grundsätzliche logische Bedenken angeneidet werden (vgl. Katz 1973). 2. Die pragmatisch definierte Präsuppositionsrelation kann in eine systematische Semantiktheorie nicht aufgenatmen werden, da dann alle in dieser definierten Begriffe automatisch ihre Allgemeingültigkeit verlieren und auf Sprecher und Äußerungssituation relativiert würden. 3. Logische und pragmatische Präsuppositionen lassen sich mit keiner der üblichen Definitionen klar voneinander trennen - damit sind sie auch nicht klar geschieden auf verschiedenen Ebenen der Sprachtheorie darstellbar. Dies legt die Vermutung nahe, daß die Präsuppositionsrelation - sei sie nun logisch oder pragmatisch definiert - gar kein genuines und leistungsfähiges Konstrukt für die Sprachtheorie ist, weder im Bereich der Senantik noch auf der Ebene der Pragmatik. Damit stellt sich die Frage, wie denn die in der linguistischen Literatur als Präsuppositionen beschriebenen sprachlichen Erscheinungen - und damit auch der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen - zu erfassen seien. Im folgenden werde ich in Anlehnung an Kanpson (1975) dafür argumentieren, daß die als logische oder semantische Präsuppositionen bezeichneten Phänomene als logische Implikationen analysierbar sind (und scmit keine Modifikation der zweiwertigen wahrheitsfunktionalen Semantik erfordern), während die als pragmatische Präsuppositionen beschriebenen Erscheinungen größtenteils als konversationelle Implikaturen im Rahmen der Griceschen Konversationslogik erklärt werden können. 2.3. Logische Präsuppositionen in der Linguistik Mit der Übernahme der Präsuppositionsrelation aus der logischen und philosophischen Diskussion hat die Linguistik zugleich die dem Begriff dort anhaftende Unbestirrrntheit und Verwirrung mit übernarmten. Das Resultat ist eine Anwendung des Begriffs auf ein weites Feld sprachlicher Erscheinungen, die oft nur gemeinsam haben, daß in ihnen differenziert werden muß zwischen dem, was Sprecher explizit behaupten und dem, was sie als bekannt voraussetzen oder implizit mitbehaupten.

80 im folgenden werden die wichtigsten dieser Erscheinungen unter der im letzten Abschnitt formulierten Fragestellung erörtert. 2.3.1. Lexikalische Präsuppositionen und Selektionsbeschränkungen Präsuppositionelle Phänomene wurden in der linguistischen Literatur erstmals in Fillmore (1965) unter der Bezeichnung entailment rules diskutiert. In diesem Aufsatz, der als Erweiterung der Katz-Fodorschen interpretativen Sejnantiktheorie zu verstehen ist, bespricht Fillmore die Eigentümlichkeiten relationaler Begriffe (z.B. tall), von even, von Verben wie know, realize, be aware, oder von ccme, go, bring und take. Auch auf die mit den KSen verbunden 'Folgerungen', insbesondere daß bei KKSen der A falsch ist, geht er in dieser Arbeit schon ein. In seinen späteren Arbeiten beschäftigt sich Fillmare vornehmlich mit den Voraussetzungen, die Sprecher machen müssen, wenn sie lexikalische Einheiten korrekt gebrauchen. Insofern als der korrekte Gebrauch per Idealisierung als gegeben angenommen wird, spricht man in der Linguistik allganein davon, daß Wörter oder Sätze - und nicht nur Sprecher oder Äußerungen - andere Sätze oder lexikalische Einheiten präsupponieren. Danit wird die bereits kritisierte Vereinigung des pragmatischen mit dan sanantischen Präsuppositionsbegriff offiziell festgelegt. Solche Präsuppositionen sind dann aus der sprachlichen Form von Sätzen ableitbar und sie bleiben konstant unter Frage, Verneinung und Befehl. Fillmore befaßt sich hauptsächlich mit der sanantischen Struktur von Verben, jedoch ist die dort feststellbare Unterscheidung in Assertion und Präsupposition auch auf Naninalausdrücke übertragbar (vgl. Fillmeare 1969/71 , tfcCawley 1968a&b). So sagt man, daß das Nanen bachelar z.B. die Bedeutungskomponenten human, male, adult präsupponiere und lediglich behaupte, daß der bezeichnete Referent nicht verheiratet ist. McCawley (1968b:133) identifiziert die präsupponierten semantischen Merkmale mit den Selektionsbeschränkungen. Laut Fillmore kann man mit (28) lediglich behaupten, daß die betreffende Person nicht verheiratet ist (oder es janals war), nicht jedoch, daß sie human, male oder adult sei: (28)

That person is a bachelar.

Vernachlässigt man Keenans Einschränkung des Kriteriuns 'Konstanz unter Verneinung' auf die natürliche Negation (was legitim ist, da ja die logische/semantische Präsupposition als neue Relation der Aussagenlogik postuliert wird), so können jedoch alle sanantischen Merkmale einer lexikalischen Einheit in den Be-

81

reich der logischen Negation fallen: (29) a.

12

Abbas is not a bachelor he's married, (verneint untiarried)

b. he's only five years old. (verneint adult) c. she's a wartan. (verneint male) d. he's our dog. (verneint human) Die Beispiele (29)b. - d. konstituieren zugegebenermaßen nicht die natürliche (wahrscheinlichste) Interpretation von Abbas is not a bachelor. Dies ist jedoch kein stichhaltiger Einwand, wenn man als Aufgabe einer wahrheitsfunktionalen Semantiktheorie die Aufzählung aller logisch möglichen Verneinungen eines Satzes betrachtet und die Bestinmung der natürlichen Verneinung, die kontext- und situationsabhängig ist, als Aufgabe einer Pragmatiktheorie ansieht. Unter dieser Analyse kann es sich bei human, male, adult nicht um Präsuppositionen von bachelcr handeln, da diese per definitional! nicht in den Bereich der Negation fallen können. Jedoch ist die Wahrheit von (30) That person is human, male, adult and untiarried eine notwendige Bedingung für die Wahrheit von (31) That person is a bachelor. Dies aber definiert die Relation der logischen Folge (entailment) bzw. sanantischen Inklusion, die man mit dem analytischen Konditional (32) und dan BOT/SO-Test testen kann (s.o. 1.2.1.1.): (32)

If anyone is a bachelor, he is human, male, adult and urmarried.

(33) a.

That person is a bachelor, +

BUT he is married.

+

BUT he is not married.

SO he is not married. BUT he is human. + BUT he is not human.

b.

+

c.

+

d.

+

SO he is human. BUT he is adult. BUT he is not adult. SO he is adult. BUT he is male.

+

BUT he is not male. SO he is male.

12 Vgl. Kempson (1975:63) land die Diskussion bei Wilson (1975a&b).

82

Unter den Arbeiten zu den lexikalischen Präsuppositionen ist Filümares (1971) "Verbs of Judging" eine der bekanntesten und einflußreichsten Studien. Sein meistdiskutiertes Beispiel ist das Paar accuse/criticize, das hinsichtlich der Verteilung des Assertion/Präsupposition-Kontrastes kcmplanentär ist: ... a speaker of English uses the word accuse when talking about a situation which is unquestionably bad ard he wishes to report the claim that a certain person is responsible for that situation; he would use the word criticize when talkirej about a situation in which there is no question about who is responsible far it and he wants to report the claim that the situation was blaneworthy (282). Die semantische Beschreibung der beiden Verben gibt Fillmore (282) wie folgt an: ACCUSE /Judge, Defendant, Situation (of)7 (Performative) Meaning: SAY /Judge, 'X', Addressed X = RESPONSIBLE /Situation, Defendant/ Presupposition: BAD /Situation/ CRITICIZE /Judge, Defendant, Situation (for)_7 Meaning: SAY /Judge, 'X', Addressee/ X = BAD /Situation/ Presupposition: RESPONSIBLE /Defendant, Situation/ Presupposition: ACTUAL /Situation/ Führen wir auch hier den Test mit der logischen Negation durch, so können wiederum alle Bedeutungskomponenten, also auch die vermeintlich präsupponierten, in 13 den Bereich der Negation fallen: (34) a. b. c. (35) a. b. c.

John didn't accuse Harry of dodging the draft he didn't say anything, (verneint SAY) he knew he hadn't, (verneint RESPONSIBLE) he approved of it. (verneint BAD) John didn't criticize Harry for dodging the draft he didn't say anything, (verneint SAY) he approved of it. (verneint BAD) he knew he hadn't, (verneint RESPONSIBLE, ACTUAL)

Auch hier sind also alle semantischen Merkmale der beiden Verben logisch impliziert, während die Bestimmung der natürliehen Negation dan Bereich der pragmati14 sehen Interpretation zugeordnet werden muß. Ebenfalls dort würde die fraglos vorhandene Asymmetrie in der Struktur dieser Verben erfaßt; auf der Ebene der Sanantik muß diese jedoch als eine logische Konjunktion formuliert werden: 13 Vgl. auch Kanpson (1975:64f.) und D. Cohen (1973:22-25). 14 Vgl. dazu auch Wilson (1975b:Ch.4), die zu dan gleichen Ergebnis kennt.

83

ACCUSE (XfY)3^Y IS BAD) A (X IS RESPONSIBLE POR Y)] CRITICIZE (X,Y) => [> C), then S presupposes C (SS>C). (b) If B presupposes C (B»C), then S presupposes C (S»C) unless A semantically entails C (Ait-C).

20

(61 )a. bedeutet, daß jede Präsupposition des Antezedens eine Präsupposition des gesamten Konditionals bleibt; (61)b. sagt aus, daß eine Präsupposition des Konsequens zu einer Präsupposition des Konditionalgefüges wird, falls sie nicht van A logisch impliziert wird. Dies ist z.B. bei (60)a. der Fall, in (59)a. ist A sogar mit der Präsupposition des K identisch. 20 Semantically entails ist gleichbedeutend mit 'impliziert logisch'.

92 Für unsere These ist nun die Frage interessant, ob wir Karttunens Analyse des Projektionsproblems von Präsuppositionen in KSen einfach für die Projektion logischer Folgerungen adaptieren können, indem wir z.B. in (61) für presupposes jedesmal entails schreiben. Dies setzt voraus, daß (61) auf alle Vorkamen der vermeintlichen logischen Präsuppositionen in KSen zutrifft. Karttunen selbst hat jedoch gezeigt, daß dies nicht der Fall ist. So wird zwar in (62)a. die Präsupposition (62)b. des K herausgefiltert, da sie logisch aus dem A folgt (vgl.177): (62)a.

If Harry is married, then his wife is no longer living with him. Harry has a wife.

Nach dem gleichen Kriterium müßte jedoch die Präsupposition (63)b. des K von (63)a. für das gesamte Konditional erhalten bleiben, da sie nicht logisch aus dem A allein folgt.21 Dies ist aber nicht der Fall: (63)a. ¥>.

If Geraldine is a Mormon, she has given up wearing her holy underwear. Geraldine has worn holy underwear.

Karttunen rettet seine Filterbedingung dadurch, daß er neben den logischen Formen von A und K Sprecherannahmen berücksichtigt, die als kontextuelle background assumptions zwischen den Komponenten komplexer Sätze gesetzesartige Zusanmenhänge herstellen, so daß die modifizierte Filterbedingung für die Präsuppositionen des K von KSen nun wie folgt lautet: (64)

If Bi C, then Ss>C unless there is same (possibly null) set X of assumed facts such that XU (a^C (184).

Die Ableitung von (63)b. würde nach dieser Regel nun etwa so verlaufen: (65)

Prämisse 1 (=A)

Geraldine is a Mormon

Prämisse 2 (=set X of assumed facts)

All Mormons have worn holy underwear

Therefore:

Geraldine has worn holy underwear

Nach dieser Analyse ist (63)b. keine Präsupposition von (63)a., da der Satz logisch aus dem A und der zusätzlichen Prämisse der Sprecherannahmen folgt. 21 Vgl. Karttunen (1973:182). Das auf or zugeschnittene Beispiel wurde für if adaptiert, Karttunens Argumentationsgang jedoch beibehalten.

93 Während Karttunens Vorschlag intuitiv einsichtig ist,22 hat er methodisch den Nachteil, daß er sich wesentlich auf eine 'logische' Folgerung stützt, die sich aus einer logischen Form (dem A) und gewissen pragmatisch motivierten kontextuellen Sprecherannahmen ergibt - dies ist nach der Definition der logischen Folge nicht möglich; wieder werden die Ebene von logischer Struktur und pragmatischer Interpretation vermengt. Karttunen hat diese Schwäche auch selbst erkannt: The phrase"assumed fact", of course, is an embarrassingly unclear notion, but at this point I don't have anything better to offer, especially when I am trying not to worry about the distinction between the semantic and the pragmatic concept of presupposition (183). In Karttunen (1974) hat er seine Filteranalyse zugunsten einer - wiederum zugleich logisch und pragmatisch orientierten - Kontextanalyse zurückgezogen. Logische Präsuppositionen werden als aus den lexikalischen Einheiten, der Form des Satzes und aus seiner Ableitungsgeschichte ablesbar verstanden (=basic presuppositions), pragmatische Präsuppositionen als Bedingungen für den Gebrauch des Satzes in einem bestirrmten Kontext. Die grundlegende Relation ist jedoch nicht mehr die PrMsupposition, sondern das Konstrukt satisfaction of presupposition, das eine Relation zwischen Sätzen und Kontexten benennt. Für einen gegebenen einfachen Satz gilt dann die Regel: (66)

Context X satisfies-the-presuppositions-of A just in case X entails all of the basic presuppositions of A (that is, P^pE^), wobei gilt: E x = set of logical forms entailed by X (184).

Für komplexe Sätze - hier KSe - gilt entsprechend: (67)

Context X satisfies-the-presuppositions-of "If A then B" just in case (i) X satisfies-the-presuppositions-of A, and (ii) XUA satisfies-thepresuppositions-of B (185).

Die Frage lautet also nicht mehr "Welche Präsuppositionen hat ein KS?", sondern "Welche Präsuppositionen muß ein Kontext haben, wie muß der Kontext beschaffen sein, damit ein solcher Satz angemessen verwertet werden kann?". Mit diesen Manöver beansprucht Karttunen, in Anlehnung an Stalnaker, die Projektionsproblematik überflüssig gemacht zu haben, da seine Analyse der pragmatischen Tatsache Rechnung trage, daß sich in komplexen Sätzen (wie in Diskursen überhaupt) die als bekannt vorausgesetzten Sachverhalte laufend verändern: 22 obwohl er bezüglich des Tenpusproblems vereinfacht; vgl. dazu die Analyse der Implikationen von stop unter 4.2.3.1.

94 pragmatic presuppositions, or background assumptions, change in the course of a conversation. Here is one obvious principle about how pragmatic presuppositions change: after sane proposition has been asserted, then the speaker may reasonably presuppose it in subsequent conversation until it is denied, challenged, retracted or forgotten. If one asserts a preposition losing a conjunctive sentence, then according to this simple and obvious principle, the presuppositions will change in the middle of the assertion. The first conjunct will be added to the initial presuppositions before the second conjunct is asserted (Stalnaker 1973:455). Unter der Voraussetzung, daß logische und pragmatische Präsuppositionen wahlgeschieden werden sollten, erscheint es jedoch umgekehrt eher so, daß Karttunens Analyse die Aufgabe der Relation der logischen Präsupposition zugunsten der logischen Folge nahelegt: "At the end, of course, it carves dewn to having for each simple sentence a set of logical forms that are to be entailed (in the standard logical sense) by a certain context"(Karttunen 1974:185). Das heißt aber nichts anderes, als daß die logische Form eines Satzes dann mit einem Kontext logisch kanpatibel ist, wenn die logischen Folgerungen beider übereinstirrmen. Diese für die Textanalyse wichtige Erkenntnis enthebt uns jedoch nicht der Aufgabe, die logischen Folgerungen einfacher und komplexer Sätze aus den Folgerungen ihrer Konstituenten zu pngizieren, um so zu ihrer semantischen Interpretation zu gelangen. Dies bringt uns zum Ausgangspunkt unserer Überlegungen zur Projektionsproblematik für KSe zurück. Im folgenden werde ich keine endgültige Lösung des Problems anbieten können, sondern mich darauf beschränken, die Komplexität der Frage - und damit ihrer möglichen Beantwortung - aufzuzeigen. Für die logischen Folgerungen des Antezedens können wir zwar Karttunens Regel (61)a. übernehmen, nicht jedoch (61)b. für die Implikationen des Konsequens, da wir der von Karttunen vorgeschlagenen pragmatischen Erweiterung (64) nicht folgen können. Die in der pragmatischen Erweiterung postulierten assumed facts sind nämlich genau die in Grices Indirectness Condition enthaltenen nicht-wahrheitsfunktionalen Gründe des Sprechers für die Behauptung des Konditionals, die von ihm konversationeil impliziert werden. Sie gehören, folgt man Grice, per definitionem nicht zur logischen Bedeutung des Konditionals, sondern fallen in den Bereich der pragmatischen Interpretation. Nimmt man sie, wie Karttunen, in eine logisch-pragmatisch definierte Bedeutung der Folgerelation hinein, so begibt man sich der Möglichkeit, eine Logik der natürlichen Sprache auf der Basis der klassischen Logik zu schaffen. Auch Stalnakers Bemerkung, daß sich kontextu-

95

eile Annahmen im Diskurs ändern und in komplexen Sätzen nach jedem Konjunkt neu bestirmit werden, trifft nur auf den kormunikativen Vollzug, nicht aber auf die Bestürmung der konventionellen (zeitlosen, sprechaktunafchängigen) Bedeutung solcher Sätze zu. So nirnnt man zwar bei der Äußerung von if £, then 3 im Hinblick auf die Verwendung des Konditionals in MPP £ provisorisch als wahr an, für die Bedeutung des Konditionals ist dies jedoch nicht relevant. Auch unsere Überlegungen zu den den KSen zugrundeliegenden gesetzesartigen Zusammenhängen sprechen dagegen, diese in eine semantische Analyse der KSe einzubringen - wie die sprecherrelative pragmatische Präsupposition würde der pragmatische Gesetzesbegriff die Aufgabe des 'neutralen Kontexts' erfordern. Für die Ableitung der logischen Folgerungen der indikativischen KSe schlage ich 23 deshalb die folgenden Projektionsregeln vor: (68)a.

(ER- 0)

E^)

(Wenn die Folgerungen aus K gleich Null sind, gelten die Folgerungen von A für das gesamte Konditional.) (69)

If Harry has given up diasing wealthy widows, there must be scmsthing wrong with him. E^: Harry used to chase wealthy widcws.

E

(68)b.

AAK:

E

A

( E ^ i y o ^ . E ^ ) (Wenn die Folgerungen aus A van K logisch impliziert werden, gelten die Folgerungen des K für das gesamte Konditional.)

(70)

If Harry's wife leaves him, she has given up trying to make the marriage work. E^: Harry has a wife. Ej,:

Harry's wife has tried to make the marriage work. Harry has a wife.

E

A/\K: **

23 Als logische Folgerungen werden nur die zuvor als Präsuppositionen betrachteten Phänomene aufgeführt. Die Implikationen, daß die in Subjektund Prädikatposition verwendeten Eigennamen und NPen Referenten haben, werden vernachlässigt.

96

(68)c.

(71)

" ( E ^ V ^ ( E m k - (EaA e^)) (Wenn die Folgerungen des K die des A nicht logisch implizieren, dann ergeben sich die Folgerungen des gesamten Konditionals aus der Surttne der Folgerungen von A und K (= cumulative hypothesis).) If Harry's rich aunt dies soon, he can stop chasing wealthy widows. E^: Harry has a rich aunt. Ej^: Harry is chasing wealthy widows.

W

V ^

(68)d.

(Ea^ 0) (EmkS ( A ^ ) ) (Wenn die Folgerungen aus A gleich Null sind, dann sind die Folgerungen des gesamten Konditionals gleich demjenigen Konditional, das A als Antezedens und die Folgerungen von K als Konsequens hat.

(72)

If Geraldine is a Mormon, she has stopped wearing her holy underwear. Ea: 0 Ej,: Geraldine has worn holy underwear. E : AAK

(A3 E.): iC

'Geraldine is a Mormons Geraldine has worn holy

underwear' (68)d. hat gegenüber Karttunens Regel (64) den Vorteil, daß sie kontextunabhängig ist, keinen Rekurs auf Sprecherannahmen über gesetzesartige Zusammenhänge zwischen A und K hat, sondern nur Zusammenhänge expliziert, die zwischen A und K auf der Ebene der logischen Struktur bestehen. Durch diese Regel werden auch jene KSe erfaßt, deren A eine vermeintliche Präsupposition des K ist: (73) If Jack has children, then all of Jack's children are bald. Ea: 0 Jack has children.

V

E : (A3IL): 'Jack has children C3 Jack has children' AAK T\ Nach unserer Analyse wird hier A logisch van K impliziert, so daß die logischen Folgerungen des gesamten Gefüges eine Tautologie sind. Der besondere Charakter von Sätzen wie (73) wird bei (74) (74)

noch augenfälliger:

If Tan is not married, he is a bachelor. Ea: 0 Tan is not married.

V E

MK:

^

:

, T a m i s n 0 t lnarried::

'T a n

is not

married'

24 Die Anregung zu dieser Regel verdanke ich einen Hinweis auf Meters' principle' in Karttunen (1974:182,Anm.2), in dem eine ähnliche Regel für die Projektion von Präsuppositionen vorgeschlagen wird.

97

Die Regel (68)b. ist auch auf jene Fälle anwendbar, in denen die Folgerungen von A und K nicht unabhängig voneinander bestinmbar sind. In den beiden folgenden Beispielen hängt es jeweils van Zeit- und damit Realitätsbezug des K ab, ob die Folgerung aus A von K impliziert wird und damit als Folgerung für das gesamte Konditional gilt oder nicht: (75)

If John regrets having gone to the party, Martha will be furious. Eft:

(76)

If

John went to the party

John regrets having gone to the party, he is a

fool/because

he

regrets having gone to the party/ John went to the party Ej,:

John went to the party

W

*VK

Wo K nicht disambiguiert, bleiben in solchen Fällen die Folgerungen - und damit die Bedeutung - des Konditionals ambig: (77)

If John regrets buying a darmobile, he can always sell it again.

Eine weitere Komplikation tritt dadurch ein, daß verschiedene Prädikate verschieden 'starke' Implikationen haben. Während regret die Wahrheit seines Komplements nicht impliziert, wenn im K ein 'Unwirklichkeitsoperator' wie will oder can steht,25 erhält be aware die Implikation seines Kanplements auch bei will im K: (78)

If John is aware that his wife is deceiving him, he'll divorce her. E^:

John's wife is deceiving him

V

0

Für die vollständige Projektion logischer Folgerungen sind deshalb Analysen wie die von G. Lakoff (1972a:571ff.) über die hierarchische Ordnung von Präsuppositionen, die verschiedenen Untersuchungen zu den faktiven, implikativen und performativen Verben und deren Verhalten in modalen Kontexten, bis hin zur Zer25 Den Terminus 'unreality marker' für zugrundeliegendes will im K von KSen übernehme ich von J. Schachter (1971:76), die sich auf ein mir nicht zugängliches Papier von B. Hall (1964) bezieht.

98

legurig komplexer lexikalischer Einheiten (vgl. CLEAN) nach wie vor von großer Bedeutung, da sich viele dieser in präsuppositionellen Analysen zutage geförderderten Ergebnisse auf die Analyse und Projektion logischer Folgerungen übertragen lassen. 2.4. Die Behandlung pragmatischer Präsuppositionen in der Linguistik Keenan (1971) hat neben der logischen Präsupposition die pragmatische als Relation zwischen der Äußerung eines Satzes und dem Kontext dieser Äußerung definiert. Der Kontext unfaßt die Kanrunikationspar tner, das gesamte außer linguistische 'setting' des Sprechakts und seinen soziokulturellen Hintergrund, erstreckt sich sanit auf den relativen Status der Interaktionspartner, ihr Alter, Geschlecht, ihre Gruppen- und KulturZugehörigkeit, auf Zeit und Ort der Äußerung, etc.. Pragmatische Präsuppositionen sind dann all jene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Satz in einem Kontext angemessen geäußert werden kann. Sie sind scmit den felicity oonditions für Sprechakte verwandt (dies ist etwa auch Filimores Präsuppositionsbegriff): "An utterance of a sentence presupposes that its context is appropriate"(Keenan 1971:49). Daraus folgt, daß nur Äußerungen, nicht aber Sätze pragmatische Präsuppositionen haben können bzw. erfüllen müssen, und daß diese Präsuppositionen für den gleichen Satz in verschiedenen Kontexten je verschieden sein können. Dies bedeutet, daß sie nicht Teil der unabhängig van Äußerungskontext spezifizierbaren Bedeutung des Satzes sind. Die Aufnahme der kontextrelativen Präsupposition in die Granmatik würde deshalb ebenso wie die der sprecherrelativ definierten - die Semantiktheorie ihrer Eigenschaft berauben, die Bedeutung von Sätzen vorhersagen zu können. Deshalb sind diese pragmatischen Präsuppositionen auf der Ebene einer noch näher zu definierenden Pragmatik- bzw. Sprechakttheorie zu beschreiben. Scheinbare Gegenbeispiele zu diesem Argument stellen Sätze dar, bei denen die vermeintlichen pragmatischen Präsuppositionen aus der sprachlichen Form des Satzes abgeleitet werden können. Meist werden hierzu Höflichkeitsformen und geschlechtsspezifische Partikel aus außereuropäischen Sprachen zitiert, doch auch der 'du/Sie'-Kontrast in verschiedenen europäischen Sprachen wird gern als Beweis der gegenseitigen Durchdringung von Semantik und Pragmatik angeführt: "I only mention the French Tu es degoütant, in which it is presupposed that the addressee is an animal, child, socially inferior to the Speaker or personally

99

intímate with the speaker" (Keenan 1971:51). Ohne hier auf die Frage der Höflichkeitsformen eingehen zu können, meine ich, daß die in Keenans Zitat als Präsuppositionen definierten Eigenschaften von tu dessen Bedeutungskomponenten angeben, deren für unsere Argumentation wesentliche sich in dem semantischen Merkmal /+vertraut7 zusammenfassen lassen (entsprechend bekäme vous /^vertraui^ • In Übereinstimmung mit einer noch zu formulierenden Form-Funktion-Maxime der Konversation wählt der Sprecher dann je nach Äußerungskontext und beabsichtigter Wirkung eine Anredeform mit dem Merkmal /^vertraut/ oder Z+vertraut/. Unter dieser Analyse kann man nicht mehr davon sprechen, daß mit tu bestürmte soziale und situationeile Präsuppositionen verbunden sind, sondern die Verwendung von tu signalisiert, daß der Sprecher seine Beziehung zum Hörer durch Vertrautheit i.w.S. definiert, ebenso wie dies z.B. durch die Verwendung von Anredeweisen wie chum, old/dear boy/girl, mate oder darling angezeigt wird. Daß die Verwendung der Anredeformen von genau festgelegten pragmatischen Pegeln gesteuert wird,darf nicht dazu verleiten, diese Regeln ihrer Systematik wegen in die Grammatiktheorie aufnehmen zu wollen. Sie 26,27 liegen auf einer anderen Ebene der Sprachtheorie. Über die angesprochenen Fragen hinaus bleiben jedoch noch eine Reihe von sprachlichen Erscheinungen zu klären, die man als pragmatische Präsuppositionen beschrieben hat und bei denen es nicht unmittelbar ersichtlich ist, auf welcher Ebene der Sprachtheorie sie anzusiedeln seien. Es sind dies einmal die mit dem Sprechakt des Referierens verbundenen 'Präsuppositionen', daß der benannte Referent existiere und für den Hörer unzweideutig identifizierbar sei, zum anderen die mit bestinmten Betonungsstrukturen und topic/ccnnent-Verteilungen assoziierten 'pragmatischen Präsuppositionen1. 26 Andererseits hat jedoch gerade die Verwendung des deutschen du in letzter Zeit und unter bestinmten Gruppen der Gesellschaft (Lehrlingen, Studenten, under thirties) im Zuge gesellschaftlicher Entwicklungen eine Änderung erfahren, die auf die Bedeutung dieser Anredeform (für diese Gruppen) zurückgewirkt hat. Dies kann als Beispiel für die bedeutungsschaffende und -ändernde Funktion von Sprechern (Gruppen, Medien, Institutionen) dienen: Sprachverwendung darf deshalb nicht als unidirektionaler Prozess der Anwendung rigide vorgegebener Zeichen verstanden werden. 27 zu Fragen der Höflichkeits- und Anredeformen vgl. R. Lakoff (1972a&b) und Kunsmann (1974).

100

Bevor diese Fragen unter Rekurs auf Qrices Konversationslogik geklärt werden können, bedarf es jedoch noch einer stringenteren Fassung der Maximen.

2.4.1. Modifizierung der Griceschen Maximen Grices Konversationsmaximen und das Cooperative Principle sind so allganein gehalten, daß man mit ihnen fast jede beliebige konversationelle Implikatur ableiten kann. Um dem Vorwurf zu entgehen, daß dies die Theorie unfalsifizierbar und damit ohne Erklärungswert macht»müssen die Maximen in ihrem zu weiten Erklärungspotential eingeschränkt und inhaltlich spezifiziert werden. Für die Relevanzmaxime und die Maxime der Quantität, auf welche die Kritik der zu weiten Anwendbarkeit in besonder an Maße zutrifft, hat Kempson (1975:Ch.8) Neufonnulierungen vorgelegt. So wird mit der Maxime der Relevanz (Be relevant), auf deren mangelnde inhaltliche Füllung Grice selbst hingewiesen hat, postuliert that in order for any S. to be relevant in a given conversation, it must carry at least one implicature or entailment that is implicated by , oder, als Verhaltenspostulat formuliert: i. Only say any sentence S. made up of "typ", if £ either entails or implicates sane proposition 3 which is also implicated by S±_1 (160). 28 Um Probleme der Betonungsstruktur oder auch des bestimmten Artikels zu erfassen, muß die Relevanzmaxime noch um eine weitere Sufcmaxime erweitert werden: ii. Make the form of your utterance relevant to its content (179). i. und ii. sind jedoch auch nur vorläufige Formulierungen, die der Komplexität der Diskursstruktur nicht gerecht werden. Inbesondere erfassen sie nicht einen im Einklang mit den CP vollzogenen Wechsel des Gesprächsthemas. Kempson selbst räumt ein, daß die Interdependenz von logischer Folge und konversationeller Implikatur noch expliziert werden müsse. Die Maxime der Quantität (i) Make your contribution as informative as is required, (ii) Do not make your contribution more informative than is required, mit dem ihr zugrundeliegenden Begriff der Informativität deckt in ihren beiden Teilen natürlich den assertion/presupposition-Kontrast, bzw. die topic/carment28

ist ein dunrny mood operator, der mit den verschiedenen Satzmodusoperatoren ' H ', '!' und '?' gefüllt werden kann.

101

Struktur von Äußerungen ab und ist deshalb für uns von besonder®! Interesse. Kanpson beschränkt sich zunächst auf Teil (i) und auf die Explikation von as much information as is required. Dies erfaßt sie als "give as much information as the hearer requires"(165), wobei der Begriff dessen, was der Hörer benötigt, unabhängig von Elementen der Äußerungssituation und unter Rekurs auf den semantischen und pragmatischen Inhalt der Sprecheräußerung (und gegebenenfalls der ihr vorangegangenen Äußerungen) definiert wird. Der Begriff des * Informativ-Seins1 ist durch diese Neufassung der Maxime jedoch noch nicht erschöpfend definiert. In 2.1.2.2. habe ich anläßlich der Diskussion von topic und cannent schon auf Strawsons Principle of Presumption of Ignorance und Principle of Presumption of Knowledge hingewiesen. Diese beiden Prinzipien entsprechen den beiden Teilen der Quantitätsmaxime. Eine sinnvolle Definition von 'Informativ-Sein' muß deshalb auf einer Explizierung dessen beruhen, was der Sprecher als dem Hörer bekannt und als zwischen beiden unstrittig annimmt. Diese Explizierung vollzieht Ksnpson (167) über das Konstrukt des Pragmatic Universe of Discourse, das sich aus der Klasse derjenigen Propositionen konstituiert, die das ganeinsame Wissen von Sprecher und Hörer darstellen und das den folgenden Bedingung genügen muß: (1) (2)

S believes P^ S believes H knows P^

(3) (4)

S believes H knows S believes P^ S believes H kncws S believes H knows P^

Das Pragmatic Universe of Discourse (abgekürzt PUD) kann per definitionem nicht statisch sein; es wächst und verändert sich mit jeder neuen Äußerung und/oder Änderung der Äußerungssituation. Es schließt so die pragmatischen Präsuppositionen, wie sie Stalnaker(1973, siehe auch 2.3.6.) beschrieben hat, ein. Auf dieser Basis formuliert Kempson (169f.) nun eine weitere Maxime der Quantität: Do not assert any proposition £ which is a member of the Pragmatic Universe of Discourse, oder, auf alle Äußerungstypen erweitert: For any proposition £, and any mood operator (i.e. ' b ', ' ! ' or '?') , do not say '^p' if £ is a member of the Pragmatic Universe of Discourse. Die Neufassung der Maxime der Quantität lautet nun wie folgt:

102 i. Give as much infconation as the hearer requires, ii. Only say 1 vj-p' if £ is not a member of the Pragmatic Universe of Discourse. Die zu Anfang dieses Kapitels diskutierten Beispiele (16) und (17) (16)

(17)

The man who set fire to your house has been caught. Your wife is faithful.

lassen sich nun im skizzierten Rahmen der Konversationslogik auf einheitliche und einfache Weise als Verletzungen der Maxime der Quantität erklären, vrobei (16) Teil (i) der Maxime und (17) den zweiten Teil verletzt. 2.4.2. Die pragmatische Interpretation definiter Ncminalphrasen und faktiver Prädikate Was hinsichtlich der definiten NPen einer pragmatischen Erklärung bedarf, ist ihre Eigenschaft, die Existenz- und Einzigkeitsimplikation unter Negation und Frage zu erhalten, wenn man eine normale Interpretation zugrundelegt. Auch die Erklärung für den markierten Status der Äußerungen, in denen die beiden Implikationen im Bereich der Negation liegen, ist auf pragmatischer Ebene zu suchen. Beide Phäncmene lassen sich mit Hilfe der beiden neuformulierten Maximen der Quantität erfassen, scwie mit einer Erweiterung der Qualitätsmaxime dahingehend,daß der Sprecher nicht nur die seinen Äußerungen zugrundeliegenden Propositionen, sondern auch deren logische Folgerungen für wahr halten muß (vgl. Kempson 1975: 168). Die Qualitätsmaxime kann allerdings nicht darauf ausgedehnt werden, daß der Sprecher auch die aus seiner Äußerung ableitbaren konversationeilen Implikaturen für wahr halten muß, da a. diese inmer eine offene Liste konstituieren, die den Sprecher nicht in allen Konseuqenzen bewußt sein muß, und b. ein Sprecher mit einer wahren Äußerung auch etwas Falsches implizieren kann, ohne das CP und die Maximen zu verletzen (vgl. 1.2.2. und Grice (1975:58)). Für eine Äußerung "The x is jr' gilt dann: (1) (2)

S believes a. x exists. b. there is only one x. S believes H kncws (1)a. & b.

(3) (4)

S believes H kncws (1). S believes H knows (2).

103

Das bedeutet, daß die logische Existenz- und Einzigkeitsimplikation eines Ausdrucks 'the x1 im Pragmatic Universe of Discourse der Äußerung, in der er vorkamt, enthalten sind und daß der Sprecher dies konversationeil impliziert. Da sie laut Maxime (ii) der Quantität dann nicht mehr behaupted, negiert oder erfragt werden dürfen, erklärt dies ihre Konstanz unter natürlicher Negation und Frage. Ich schlage deshalb vor, die Eigenschaften der definiten NPen wie folgt zu erfassen: 1 . Definite NPen implizieren in positiven Sätzen logisch die Existenz und Einzigkeit der mit ihnen bezeichneten Referenten. Bei Verneinung können beide Implikationen (per def initionem der logischen Folge) in den Bereich der Negation fallen. 2. Mit dem Gebrauch definiter NPen implizieren Sprecher konversationeil, daß die Existenz und Einzigkeit der bezeichneten Referenten Sprecher und Hörer bekannt und zwischen beiden unstrittig ist.29 Unter dieser Analyse sind sowohl die Existenz- als auch die Einzigkeitsimplikation als generalisierte Implikaturen zu behandeln. Das heißt, daß sie auch die von Grice beschriebenen Kriterien konversationeller Implikaturen erfüllen müssen (vgl. 1.2.2.2.), insbesondere: 1. Non-detachability: Diese Bedingung ist erfüllt, da es keine Art gibt, 'the x' auszudrücken, bei der die Existenz- und Einzigkeitsimplikaturen fehlen. 2. Cancellability: Die Existenz- und Einzigkeitsimplikaturen sind löschbar, wobei die Löschung der Existenzimplikatur gleichzeitig die Einzigkeitsimplikatur hinfällig macht, während die Einzigkeitsimplikatur auch allein gelöscht werden kann: (79)a. b. (80)

Hie Duke of York didn't ccme to dinner, because there's no such person, John's children didn't cane to the party - he has none. It was (wasn't) cur dog that broke Aunt Martha's Ming vase, though I don't wish to imply that she possesses only one.

Der Unterschied zwischen logischer Implikation urd konversationeller Snplikatur läßt sich an (81)a.&b. verdeutlichen. Die Existenz urd Einzigkeit des mit einen 29 Für den generisehen Gehrauch des bestinmten Artikels ('der Wal ist ein Säugetier') müßten 1. und 2. entsprechend modifiziert werden.

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referentiellen Ausdruck bezeichneten Referential, die in positiven Sätzen zugleich logisch und konversationell impliziert wird, kann in diesen Kontexten rur als konversationeile, nicht aber als logische Implikatur gelöscht werden, da sonst ein kcmplexer Satz mit kontradiktorischen logischen Folgerungen resultiert: (81)a. b.

+

The Duke of York came to dinner yesterday, although there's no such person. The Duke of York cane to dinner yesterday, though I don't wish to imply that there is such a person - it may just have been saueone irdulging Aunt Martha's craze far titled guests.

Die Widersprüchlichkeit von (81)a. ist eine direkte Folge der ProjektionsregeIn für die Folgerurgen kcmplexer Sätze. Beispiele (79)a.&b. und (80) demonstrieren, daß die Fälle, in denen die Existenz- und Einzigkeitsimplikationen in den Bereich der Negation fallen, markierte Interpretationen der logischen Negation it is not the case that £ konstituieren, wahrend die natürliche Negation deren urmarkierte Interpretation darstellt; dieser Unterschied läßt sich auch für Fragen zeigen. Die Markierung kanmt dadurch zustande, daß die Implikatur, daß Existenz und Einzigkeit des bezeichneten Referenten dam Pragmatic Universe of Discourse angehören, explizit gelöscht wird. 3. Ableitbarkeit: Konversationelle Implikaturen müssen für den Hörer in einem rationalen Deduktionsprozess ableitbar sein, und dieser Deduktionsprozess muß dadurch in Gang gesetzt werden, daß der Sprecher scheinbar eine Maxime der Konversation verletzt. Analog zur Ableitung der Implikatur über 'pDq' (vgl. 1.2.2.2. und Grice 1968a/IV:5) und in Anlehnung an Grice (1968a/V:7) könnte die Ableitung der Existenz- und Einzigkeitsimplikatur über definiten NPen etwa wie folgt lauten: To say "the x is y" is to say something logically weaker than to say "there is an x and there is no more than one x and whatever is x is y". To make a less informative rather than a more informative statement is to offend against the first maxim of quantity, provided that the more informative statement, if made, would be of interest. There is a general presumption that in the case of "the x is y" a more informative statement would be of interest; no one would be interested to know that a particular property was being ascribed to x without wishing to be in a position to correlate x with sane uniquely identifiable object in seme world. However, the expansion "there is an x and there is no more than one x and whatever is x is y" is linguistically and conceptually uneconomical and violates the third maxim of manner ("be brief"). To say "the x is y" therefore has as its point the avoidance of the explicit expression of the existential clauses of the Russellian expansion and thereby :implicates that their truth is familiar, accepted by the audience.

105

Hinsichtlich der Interpretation negierter Faktiva möchte ich dafür argumentieren, daß die bevorzugte Interpretation von (82)a. als (82)b. und nicht normalerweise als (82)c. ebenfalls pragmatisch zu erklären ist. (82)a.

John didn't regret that he went to the party.

b.

John didn't regret that he went to the party because he had a marvellous time.

c.

John didn't regret that he went to the party because he didn't go.

In diesen Sinne argumentiert auch Wilson (1 975b:95ff.), daß Lesarten wie (82)b, preferred interpretations sind, die sich aus Grices Prinzipien der Konversationslogik ableiten lassen. Auf unser Beispiel übertragen, würde eine Verwendung von (82)a. zur Übermittlung der Inf conation, daß John gar nicht auf die Party ging, die Maxime Manner hinsichtlich obscurity, ambiguity und brevity verletzen, so daß man (82)a. normalerweise nicht zur Übermittlung von (82)c., sondern von (82)b. verwendet. (82)c. ist deshalb eine markierte Interpretation. Geht man davon aus, daß eine markierte Interpretation die l£schung einer konversationellen Implikatur anzeigt, dann muß noch ausgeführt werden, wie es zur der normalen Interpretation negierter Faktiva karmt, daß Sprecher deren Komplemente für wahr halten. Analog der Ableitung der Implikatur, daß die Existenz und Einzigkeit der mit definiten NPen bezeichneten Referenten als dem Pragmatic Universe of Discourse angehörig betrachtet werden, schlage ich für die Implikatur, daß die in den Kamplanenten negierter Faktiva ausgedrückten Sachverhalte dem Pragmatic Universe of Discourse angehören, die folgende Ableitung vor: To say "John didn't regret that he went to the party" is to say something logically weaker than to say "John went to the party and he didn't regret that he went to the party". To make a less informative rather than a more informative statement is to offend against the first maxim of quantity, provided that the more informative statement, if made, would be of interest. There is a general presumption that in the case of "John didn't regret that he went to the party" a more informative statement would be of interest; no one would be interested to know that John didn't regret that he went to the party if in fact he didn't go. However, the expansion "John went to the party and he didn't regret that he went to the party" is linguistically and conceptually uneconomical and violates the third maxim of manner ("be brief"). To say "John didn't regret that he went to the party" therefore has as its point the avoidance of the explicit expression "John went to the party" and thereby implicates that its truth is familiar, accepted by the audience. Während also in positiven Sätzen die Wahrheit der Komplemente faktiver Präsikate logisch impliziert wird, wird sie bei der normalen Interpretation der negierten Faktiva lediglich konversationell impliziert. Diese Implikatur erfüllt das Kri-

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terium der cancellability; wird sie explizit gelöscht, resultiert eine markierte Interpretation. 2.4.3. Die pragmatische Interpretation von Satzakzent und Informationsstruktur An Beispiel (8) bzw. (23) und (24) wurde schon auf die Interdependenz von Satzakzent und Informationsstxuktur von Äußerungen hingewiesen. Chcmsky (1971) hat darauf aufmerksam ganacht, daß nur das Informationszentrum eines Satzes den Fokus (caiment) enthält und alles andere als präsupponierte Information (topic) gilt. Man erhält die Präsupposition, indsrt man den Fokus durch eine Variable ersetzt: (83)a. b. (84)a. b.

John writes poetry in his STUDY, John writes poetry sanewhere. John writes POETRY in his study. John writes samething in his study.

Nur die betonte Einheit fällt in den Skopus der Satzmodusoperataren, alle anderen Elanente bleiben konstant unter Frage, Befehl und Negation. Die Verteilung von Fokus und Präsupposition und die Interdependenz mit Satzakzent und Skopus von Negation und Frage kann laut Chansky in der zugrundeliegenden Struktur erfaßt werden, für (83)a. etwa in einer Struktur wie (83)c., für (84)a. in (84)c.: (83)c.

/The place where John writes poetry/ his his study.

(84)c.

/What John writes in his study/ is poetry.

Nach dieser Analyse haben (83)a. und (84)a. verschiedene Präsuppositionen und damit auch verschiedene Wahrheitsbedingungen. Ich habe jedoch schon unter 2.2. dafür argumentiert, daß der Unterschied zwischen Sätzen wie (83)a. und (84)a. kein wahrheitsfunktionaler sein kann. Die vermeintlichen Präsuppositionen sind vielmehr äußerungsrelativ, so daß die Unterschiede auf pragmatischer Ebene liegen: Beim Gebrauch der Sätze (83)a. und (84)a. implizieren Sprecher konversationeil durch die Wahl des Satzakzents und damit einhergeherde Verteilung von alter und neuer Infcrmation, daß die durch (83)b. und (84)b. ausgedrückten Propositionen im Praqmatic Universe of Discourse der Äußerung enthalten sind. Die Ableitung dieser Implikatur erfordert die Annahme einer linguistischen Konvention, daß die Plazierung des Intonationszentruns im Satz bei kontrastiver Betonung ein konventionelles Mittel der Buphase ist. Diese Regel muß Teil der

107

Gramnatik sein, während ihre Anwendung in den Bereich des Sprachgebrauchs fällt.30 Nach dieser Konvention würde die Äußerung (84)a. normalerweise als Antwort auf die Frage (84)d. gegeben, oder als Widerspruch zu der Behauptung (84)e. (84)d. e.

What does John write in his study? John writes Short stories in his study.

Wenn ein Sprecher (84)a. ohne einen solchen Kontext äußert, dann muß der Hörer schließen, "that he has such a Statement in mind"(Grice 1968a/III:16). Durch Markierung des betonten Elements als Antwort auf eine nicht gestellte Frage wird es als unbekannte Information eingeführt - zugleich impliziert der Sprecher aber, daß die anderen Elemente im Satz (i.e. John writes scroething in his study) bekannt und unstrittig sind, also dem Pragmatic Universe of Disoourse angehören. Bevor wir uns wieder den konjunktivischen KSen zuwenden können, bleibt noch ein letztes Gegenbeispiel zu der hier vertretenen These zu erörtern. Es ist dies G. Lakoffs(1971a) viel-zitiertes Beispiel für die Interrelation kontextueller und situationeller Annahmen mit Regeln des Sprachsystans, eingangs aufgeführt als (10),erstmals diskutiert unter 2.2. als (25) — (27) und nun nochmals zitiert als (85) , das als das stärkste Argument für die Aufnahme sprecherrelativer pragmatischer Präsuppositionen in die logische Struktur betrachtet werden kann: (85)

John called Mary a lexicalist, and then SHE insulted HIM.

Eine sprachliche Konvention (die obligatorische kontrastive Betonung der anaphorischen Pronomina bei gleichen Verb in beiden Teilen einer Konjunktion) erfordert hier die pragmatische Präsupposition, daß es eine Beleidigung ist, jemanden einen Lexikalisten zu nennen. Diese Präsupposition ist kontext- und sprecherrelativ. Unter 2.2. wurde bereits gezeigt, daß die Aufnahme einer so definierten Präsuppositionsrelation in die Semantik diese ihres Vorhersagepotentials berauben würde, da sie die Aufgabe des neutralen Kontexts erfordert. Nach unserer These ist diese 'Präsupposition' deshalb als eine konversationeile 30 Die Annahme einer solchen Regel wird der Tatsache gerecht, daß bestürmte Intonationsmuster als 'normale' oder 'unmarkierte' Intonation empfunden werden, davon abweichende Betonungsstrukturen dagegen als 'kontrastiv' oder 'markiert'. Durch unsere These des neutralen Kontexts auf der Ebene der Setiantik, und der normalen Interpretation, sind wir auch automatisch der Annahme von neutralen (normalen) Betonungsstrukturen verpflichtet. Dies ist keineswegs unkontrovers, doch kann auf die einschlägige Diskussion aus Platzgründen hier nicht eingegangen werden. Ich verweise in diesen Kontext auf Schmerling (1971 ,1974) , Bolinger (1972) und Lipka (1976a,1977).

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Implikatur zu analysieren, die der Hörer aus einem Konflikt der 2. Maxime der Quantität mit den Relevanzmaximen (in der Neufonnulierung von Kanpson) ableiten kann: By saying "(John called Mary a lexicalist, and then) SHE insulted HIM", the speaker implies (in accordance with the maxims of relation and quantity) that I already know that John insulted Mary. However,"John called Mary a lexicalist" neither entails nor implicates that John insulted Mary. Thus the speaker appears to be breaking the maxims of relation and quantity in assigning contrastive stress this way, since he kncws the implication required is not satisfied. I take it therefore that S is implicating that to call someone a lexicalist constitutes an insult (vgl. Kempson 1975:197). Im Gegensatz zu den aus (83)a. und (84)a. ableitbaren Implikaturen handelt es sich bei dieser Implikatur nicht um eine generalisierte, sondern um eine (kontextabhängige) partikuläre Implikatur. Beide Arten können gelöscht werden, der Beweis erübrigt sich. Auf diese Weise ergibt sich die Implikatur aus den sprachlichen Konventionen und den Regeln des Sprachgebrauchs, wobei die ersteren den Konventionen des Sprachgebrauchs logisch vorgängig sind. Das Phänomen der sprecherrelativen situationeilen Präsupposition, die dennoch aus der sprachlichen Form der Äußerung abgeleitet werden kann, findet so im Rahmen der Griceschen Theorie seine natürliche Erklärung auf pragmatischer Ebene, ohne daß ein sprecherspezifisches Konstrukt in die Semantiktheorie aufgenommen werden müßte. 2.5. Die Implikationen konjunktivischer Konditionalsätze Daß konjunktivische KSe der Art If John had gone to the party, he would have regretted it eine negative Implikation tragen, ist allgemein bekannt und unkontrovers. Über die Art dieser Implikation - ob sie als logische oder pragmatische Präsupposition, als semantische Implikation des Konjunktivs oder als konversationelle Implikatur zu beschreiben sei - herrscht dagegen weniger Einhelligkeit. Ähnliches gilt für die Frage, ob diese negative Implikation für beide Teile konjunktivischer KSe gelten soll, oder nur für entweder Antezedens oder Konsequens. Unter 1.3.3.1. habe ich dafür argumentiert, daß es diese Implikation ist, die den Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen ausmacht. Wenn sich die hier bisher vertretene These, daß alle logischen Präsuppositionen als logische Implikationen und die meisten der pragmatischen Präsuppositionen als konversationeile Implikaturen analysierbar sind, auch für die konjunktivischen KSe bestätigen läßt, dann stehen zwei Möglichkeiten für deren Analyse

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und Beschreibung zur Diskussion: Die Implikation, daß A oder K eines konjunktivischen KSes, oder auch beide, falsch sind, könnte eine logische Implikation sein. Dann müßten wir die These aufgeben, daß indikativische und konjunktivische KSe logisch gleichwertig sind, da diese dann verschiedene Wahrheitsbedingungen hätten. Im anderen Falle müßte sich die Implikation als konversationeile Implikatur analysieren lassen, d.h. sie müßte aus dan Cooperative Principle und den Maximen ableitbar sein und sich explizit löschen lassen. Diese zweite Lösung impliziert, daß indikativische und konjunktivische KSe sich nicht logisch, sondern pragmatisch unterscheiden, so daß beide die gleiche logische Struktur hätten. Auf dem Hintergrund der in diesem und in Kapitel 1 erarbeiteten Positionen werde ich für die zweite Lösung argumentieren. Die eingehende Erörterung dieses Problems soll sich jedoch nicht hier anschließen, sondern der Analyse und Beschreibung der KSe in Kapitel 4 vorbehalten bleiben. 2.6. Zusammenfassung Ausgehend von Freges 'selbstverständlichen Voraussetzungen' referentieller Ausdrücke und der Diskussion des Referenzproblems in der sprachanalytischen Philosophie wurde in diesem Kapitel die zweifache Orientierung des Präsuppositionsbegriffs aufgezeigt. Der aus der Vermengung der logischen mit der illokutionären Ebene resultierenden Bivalenz wird durch die Annahme zweier verschiedener Arten von Präsuppositionen Rechnung getragen: Einmal der logischen Präsupposition als einer der logischen Implikation ähnlichen Relation, definierbar als notwendige Bedingung für die Wahrheit oder Falschheit logischer Aussagen in einer dreiwertigen Logik; zun anderen durch die Annahme der pragmatischen Präsupposition als einer den Bedingungen für das Glücken von Sprechakten ähnlichen Relation, definierbar als Annahmen und Handlungsdispositionen des Sprechers in gegebenen Außerungskontexten. Entgegen der These der generativen Sanantik, vertreten z.B. durch G. Lakoff und J. Morgan, können Sprecher- und äußerungsrelative Konstrukte - und damit auch die pragmatische Präsupposition - in einer Semantiktheorie nicht dargestellt werden, da dies die Aufgabe des neutralen Kontexts bzw. der konventionellen Bedeutung erfordern würde. Jeder Satz hätte so viele mögliche Interpretationen wie Äußerungskontexte, seine Wahrheitsbedingungen wären nur in der Äußerung feststellbar und könnten von einer wahrheitsfunktionalen Semantik nicht vorherge-

110 sagt werden. Aus der Kritik an der logischen Präsuppositionsrelation und aus der Tatsache, daß sich logische und pragmatische Präsuppositionen nach keiner der gängigen Definitionen klar trennen lassen, ergab sich, daß auch die logische Präsupposition nicht in die Semantik aufgenommen werden kann. Die so an der Leistungsfähigkeit der Präsuppositionsrelation geweckten Zweifel wurden dadurch bestätigt, daß sich die in der linguistischen Literatur als logische (sanantische) Präsuppositionen beschriebenen sprachlichen Erscheinungen als logische Implikationen analysieren lassen, während die aus der Form der Äußerung ableitbaren pragmatischen Präsuppositionen als konversationeile Implikaturen in einer revidierten Griceschen Konversationslogik erfaßbar sind. In diesem Rahmen finden auch der Begriff der natürlichen Negation und die kannunikative Struktur von Äußerungen (die Verteilung von topic und contnent) über den Begriff der normalen bzw. abweichenden (markierten) Interpretation ihre natürliche Erklärung. Auf dem Hintergrund dieser Erörterungen deutet sich an, daß der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen nicht als Präsupposition oder logische Implikation, sondern als konversationelle Implikatur zu beschreiben sein wird. Eine ganze Reihe von Fragen, die zum Thema dieses Kapitels gehören, sind aus Platzgründen jedoch nicht behandelt worden. Es sind dies einmal die mit den nicht-restriktiven Relativsätzen und den Kcmparativkonstruktionen verbundenen 'Präsuppositionen1, zum anderen bleibt die Frage offen nach der Art der mit even, but, therefore verbundenen nicht-wahrheitsfunktionalen Implikationen. (X) diese letzteren als konventionelle oder generalisierte konversationeile Implikaturen oder als pragmatische Präsupipositionen oder als wahrheitsfunktionale Bedeutungskomponenten der betreffenden Konnektoren analysiert werden sollen, ist noch umstritten und fällt nur insofern in den Bereich dieser Arbeit,als wir durch unsere Behandlung von if, or und and einer Analyse im Rahmen der Konversationslogik verpflichtet sind. Ebenfalls noch nicht behandelt worden sind diejenigen pragmatischen 'Präsuppositionen', die sich nicht aus der sprachlichen Form der Äußerung ableiten lassen, sondern sich auf den Äußerungskontext beziehen, da sie erfüllt sein müssen, damit der Sprechakt glückt (vgl. Beispiele (12)—(15))- Diese Bedingungen erfolgreicher Kannunikation, die nur bei äußerster Ausweitlang des Präsuppositionsbegriffs auf alle Komponenten der Äußerungssituation und des Kontextes noch als Präsuppositionen bezeichnet werden können, sollen im nächsten Kapitel besprochen werden, da sie den Bereich der mit KSen realisierbaren kcnmunikativen Handlungen bestürmen.

111

3. ZUR KOMMUNIKATIVEN FUNKTION DER KONDITIONALSÄTZE: DER BEITRAG DER LINGUISTISCHEN PRAGMATIK

3.0. Vorbonerkung Der bisher erarbeitete theoretische Rahmen erlaubt lediglich die Beschreibung von indikativischen und konjunktivischen KSen im Deklarativmodus, er erfaßt also nur konditionale Aussagen der Art (1) und (2) in einer Reihe von Tempus- und Moduskcmbinationen: (1) (2)

If it rains, the match will be cancelled. If it had rained, the match would have been cancelled.

Konditionale Interrogative und Imperative wie (3)a.&b. und (4) können damit noch nicht beschrieben werden: (3)a. b. (4)

If I give up drinking, will you marry me? If I gave up drinking, would you marry me? Close the windcw if you go out!

Weiterhin ist mit unseran Apparat der Unterschied im kcrmunikativen Stellenwert zwischen (3)a. und (3)b. nicht erschöpfend beschreibbar: Die Tatsache, daß zwar die Äußerung von (3)b. noch als reine Frage nach den Handlungsdispositionen des Angesprochenen interpretiert werden kann, daß aber (3)a. nicht nur als konditionale Frage, sondern unter Unständen auch als Heiratsantrag und darüberhinaus als Versprechen gelten kann, mit dsn Trinken aufzuhören, läßt sich nicht allein am Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen festmachen. Eine Beschreibung von (3)a. muß sich daher über den skizzierten Rahmen hinaus auf historisch, gesellschaftlich und institutionell bestimmte Bedingungen für das Gelingen von Sprechakten und die in diesen zum Ausdruck gebrachten Intentionen von Sprechern und Präferenzen von Hörern stützen. Ferner muß eine Analyse der Form und Funktion von if-Sätzen erfassen können, daß diese bestürmte kamiunikative Funktionen bevorzugt wahrnehmen können, so z.B. Ratschlag (5), Warnung (6), Drohung (7), konditionales Versprechen (8), Aushandeln (9), Erpressung (10) und Angebot (11):

112

(5) (6)

If I were you, I'd stop smoking. If you go on disrupting lectures, you will have the police on the campus.

(7)

If you keep on disturbing me, I won't let you go to the cinema tonight.

(8)

If you don't disturb me, you can go to the cinema tonight.

(9)

If you do the shopping, I'll mend your socks.

(10)

If you don't do the shopping, I won't mend your socks.

(11)

Would you like a drink (if I offered you one)?

Schließlich muß eine Analyse, die sich nicht nur m i t der Form, sondern auch m i t der karmunikativen Funktion v o n KSen beschäftigt, auch die m i t if-Sätzen vollziehbaren Sprechakte erfassen, m i t denen aus Höflichkeit oder Unsicherheit oder in manipulativer Absicht Aussagen abgeschwächt oder modifiziert werden: (12)

Would you mind if I asked you how much you paid for that vase?

(13)

Do you mind if I ask you how old you are?

(14)

I would appreciate it if you got off m y foot.

(15)

I wonder if it would be possible to stop that noise?

Manche der solchen Äußerungen zugrundeliegenden if-Sätze sind ohne Rekurs auf Konversations- und Höflichkeitsmaximen gar nicht als KSe beschreibbar, d a in ihnen an der Oberfläche der Antezedens nicht eine Bedingung für den Konsequens darstellt: (16)

Idi Amin has turned up again, if I'm not mistaken.

(17)

I've been driving for 15 years, if you want to know.

(18)

I had just ccme back frcm Rome, if you rananber.

(19)

Greta's just absolutely disinterested, if you know w h a t I mean.

(20)

John has left his wife, if Sue's telling the truth.

(21)

Our dog's had puppies, if I may change the subject.

(22)

That's a nice dress you're wearing, if I may say so.

(23)

If I may speak openly, why don't you wash your feet sane time?

(24)

Half your paper is plagiarized, if you don't mind m y saying so.

Der bisher entwickelte Beschreibungsapparat, der lediglich logische und satlantische Relationen und den Ansatz einer auf Grices Konversationslogik aufbauenden pragmatischen Kariponente enthält,muß offensichtlich erweitert werden, um die in (3) bis (24) aufgezeigten Phänomene erfassen zu können.

Diese Erweite-

rung muß sich vornehmlich auf d i e pragmatische Komponente unseres Ansatzes be-

113

ziehen, um die Breite der mit if realisierbaren kamiunikativen Akte abzudecken. 3.0.1. Zum Gegenstandsbereich der linguistischen Pragmatik Um die pragmatische Komponente unseres Beschreibungsapparates näher zu bestimmen, ist es zunächst notwendig, den Bereich der ihr zugrundeliegenden Pragmatiktheorie zu definieren. Der Terminus 'Pragmatik', wie er heute in der Sprachwissenschaft verwendet wird, geht auf die Zeichentheorie von Charles Morris zurück, in der Zeichen unter drei Aspekten untersucht werden: Der syntaktische Aspekt erfaßt die Zeichen in ihrer formalen Beziehung zu anderen Zeichen, der semantische die Beziehung zwischen den Zeichen und den Objekten, auf die die Zeichen anwendbar sind, der pragmatische die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Interpreten (vgl. Morris 1938:6f.). Diese sehr allgemeine Bestimmung der pragmatischen Dimension von Zeichen ist in bezug auf die Sprache in der sprachanalytischen Philosophie vor allem von BarHillel und Stalnaker und besonders in der Abgrenzung gegenüber der semantischen Dimension differenzierter gefaßt worden. Stalnaker (1972:383) beschreibt zwei große Problembereiche einer pragmatischen Sprachtheorie: There are two major types of problems to be solved within pragmatics: first, to define interesting types of speech acts and speech products; second, to characterize the features of the speech context which help to determine which proposition is expressed by a given sentence. The analysis of illocutionary acts is an example of a problen of the first kind; the study of indexical expressions is an example of the second. Die Untersuchung illokutionärer Akte ist zweifellos Gegenstand einer linguistischen Pragmatik und wird uns weiter unten beschäftigen. Die Argumente für die Behandlung indexikalischer bzw. delktischer Ausdrücke in der Pragmatik- und nicht in der Semantiktheorie sind besonders von Bar-Hillel (1954) vorgebracht worden: Da die Referenz deiktischer Ausdrücke nur Vinter Rekurs auf ihren Verwendungskontext interpretiert werden kann, sind auch die Wahrheitswerte der Sätze, in denen sie enthalten sind, nur in diesem Kontext bestimnbar (vgl. auch 2.1.2.1.) . Die meisten in der alltäglichen Kanmunikation verwendeten Sätze enthalten jedoch deiktische Ausdrücke, so daß der größte Teil umgangssprachlicher Sätze in einer wahrheitsfuriktionalen Semantik keine Wahrheitswerte erhalten, also in ihr nicht interpretiert werden kann. Vielmehr erhält ein Satz wie ]_ an hungry nur in Verbindung mit seiner Äußerung in einan bestimmten pragmatischen Kontext einen Wahrheitswert und damit eine Bedeutung (vgl. 364f.). Die Abstraktion vcm pragmati-

114

sehen Kontext ist nur dann legitim, wenn dieser - etwa bei einem Satz wie ice floats on water - als irrelevant für die semantische Interpretation angesehen werden kann. In dieser Abstraktion wird der Schritt von der Pragmatik zur Semantik getan: ... the abstraction frem the pragmatic context, which is precisely the step taken from descriptive pragmatics to descriptive semantics, is legitimate only when the pragmatic context is (more or less) irrelevant and defensible as a tentative step only when this context can be assumed to be irrelevant (360). Eine an Bar-Hillel orientierte ssnantische Analyse würde in einer wahrheitsfunktionalen Semantik nur die Interpretation nicht-indexikalischer Sätze im zeitlosen Indikativ Präsens zulassen, da dann auch Tempus und Modus als kontextrelative Kategorien aufgefaßt werden müssen. Weiter oben habe ich jedoch bereits das Dilemma der unbegrenzten Vieldeutigkeit von Sätzen mit kontext- bzw. sprecherrelativen Elementen aufgezeigt und einen Ausweg über das Konstrukt der normalen Interpretation in einem neutralen Kontext angedeutet. Der Begriff des neutralen Kontexts kann nun so erweitert werden, daß auch indexikalische Ausdrücke auf der Ebene der Semantik beschrieben werden können. Laut Wunderlich (1976/IV:133) liefert ein neutraler Kontext für einen Satz s "all die Merkmale, die zur Bestinmung der Extension der (explizit oder implizit) in s enthaltenen indexikalischen Ausdrücke notwendig ist [sicj, und nichts sonst."1' 2 Unter Zuhilfennahme dieses Konstrukts lassen sich dann auch Wahrheitsbedingungen für deiktische Sätze wie an hungry aufstellen, die Bar-Hillel in seinem Argumentationsgang selbst so formuliert hat: "For every person X and every time t, if X produces a token of the type 'I am hungry1 at t (in an appropriate mood) this token refers to the proposition that X is hungry at t". And such a token of 'I am hungry' produced by X at t will be true if and only if X is hungry at t (363). Bar-Hillel verwirft diese Lösung jedoch, weil sie seiner Meinung nach die für die Interpretation indexikalischer Sätze wichtige triadische Relation zwischen Äußerung, Kontext und ausgedrückter Proposition auf eine dyadische zwischen Äußerung und ausgedrückter Proposition reduziert, eine Reduktion vorninmt also, die nur bei nicht-indexikalischen Sätzen zulässig ist. Nun kann man jedoch argumentieren, daß auch ein Satz wie ice floats on water für die Interpretation seiner Referenz und die Bestinmung seines Wahrheitswertes van Kontext seiner 1 Ausdrücke, die implizit deiktische Kategorien enthalten, sind z.B. Verben wie carte und cjo, oder bring und take (vgl. Fillmore 1966, 1971a). 2 Zur Formalisierung dieser Lösung vgl. Lewis(1972:175), der den neutralen Kontext mit Hilfe einer möglichen-Welt-Koordinate und weiteren kontextuellen Koordinaten (Zeit, Ort, Sprecher, Hörer, bezeichnete Objekte, vorangegangener Diskurs) expliziert, sowie Montague (1972).

115

Äußerung abhängt insofern als er in einer bestürmten Sprache ausgedrückt ist und sich auf eine bestimmte Welt bezieht.

Für die Legitimierung der Abstraktion

vcm pragmatischen Kontext karmt es offenbar ganz darauf an, wie weit oder wie eng man dessen angenommene Irrelevanz interpretiert.

Die Demarkationslinie

zwischen Semantik und Pragmatik wird so letztlich zu einer arbiträren Grenze, falls nicht andere Gründe dafür sprechen, sich zugunsten der einen oder der anderen Lösung zu entscheiden. Solche anderen Gründe habe ich schon unter 2.2. mit den an eine Semantiktheorie zu stellenden Forderungen angegeben:

Wird Bedeutung kontextrelativ und nicht

kontextunabhängig definiert, dann kann eine Bedeutungstheorie den von Kempson aufgestellten Anforderungen an die Semantik nicht gerecht werden.

Ich ver-

wende deshalb mit Wunderlich, Kempson und anderen das Konstrukt des neutralen Kontexts, zu dem Sprecher, Angesprochener und die raumzeitlichen Umstände der Äußerung gehören.

Indexikalische Ausdrücke werden nun in der indexikalischen

Semantik unter Bezug auf den neutralen Kontext interpretiert; sie haben in diesem Kontext eine Referenz, indexikalische Sätze in ihm Wahrheitswerte. Als Gegenstandsbereich der Pragmatik bleibt nun nach Stalnakers Definition die Beschreibung illokutionärer Akte, wobei eingewendet werden muß, daß man Pragmatik und Sprechakttheorie nicht identifizieren kann. Zumindest bedeutet nach dieser Auffassung jedoch 'Pragmatik' eine Erweiterung der Linguistik um handlungstheoretische Fragestellungen, deren Resultat ich im folgerden 'linguistische Pragmatik' nennen werde.

Dieser Terminus läßt die zur Zeit nicht beantwortbare

Frage offen, ob eine derart erweiterte Sprachtheorie nicht überhaupt als eine von mehreren Teiltheorien einer umfassenden Theorie menschlichen Handelns zu begreifen sei.

Gleichfalls unbeantwortet bleibt die Frage nach den Gegenstands-

bereichen der diese Handlungstheorie konstituiererden Teiltheorien, die unter linguistisch-pragmatischer Problemstellung besonders das Verhältnis der linguistischen Pragmatik zur Psychologie, Soziologie und Ästhetik betrifft.

3

Das Dilenma des kontext- bzw. sprecherrelativen Bedeutungsbegriffs zeigt sich auch deutlich in der Bedeutungstheorie von Grice, der, ausgehend von einer Bedeutungsdefinition unter Bezug auf Intentionen des Sprechers und dessen, was der Sprecher mit einer Äußerung 'meint' (utterer's occasion meaning') die zeitlose, konventionelle Bedeutung aus der kontextuellen Bedeutung abzuleiten sucht. Diese Ableitung gelingt nur, wenn die in der Sprecherbedeutung enthaltene Individualität und Kontextabhängigkeit zugunsten einer den sprachlichen Konventionen entsprechenden Konformität und Kontextneutralität eingeschränkt wird (vgl. Grice 1957;1968b;1969). Zur Frage der linguistischen Konventionen siehe besonders Lewis (1969).

116

3.0.2. Zur Beschreibung sprechaktspezifischer Phänomene Sprechhandlungen können unter zwei verschiedenen, jedoch voneinander abhängigen Gesichtspunkten analysiert werden: Man kann sie einmal daraufhin untersuchen, nach welchen Regeln sie vollzogen werden und von welchen Bedingungen Ihr Gelingen athängt; dies ist die Frage nach dan konstitutiven Moment illokutiver Kraft überhaupt. Man kann zum anderen herausarbeiten, mit welchen sprachlichen Mitteln bestinrite Sprechakte realisierbar sind bzw. typischerweise realisiert werden dies ist die Frage nach den sprachlichen Korrelaten illokutiver Kraft. Beide Fragen können wiederum unter zwei verschiedenen Ansätzen angegangen werden, die sich im Grad ihrer Abstraktion von der konkreten Sprechsituation unterscheiden (wobei die Sprechsituation nicht nur Sprecher und Hörer und den raumzeitlichen Kontext der Äußerung umfaßt, sondern auch den psychosozialen und kognitiven Hintergrund der Kannunikationspartner, ihre Rollen in der Äußerungssituation und in dem Handlungssystem (Schule, Arbeitsplatz, Familie, etc.), in welchem die Komnunikation stattfindet). Wird die Sprechsituation auf einen idealisierten Sprecher und Hörer in einem neutralen raumzeitlichen Kontext abstrahiert (dessen Neutralität de facto auch darin besteht, daß er die Vorstellung vcm entscheidungsfreien, von einer bestinmten Gesellschaftsform und -Schicht unabhängigen Individuum im abendländischen Kulturraum des 20. Jahrhunderts als universell gültig postuliert), so ergibt die Untersuchung der Sprechakte nach ihren konstitutiven Regeln und Handlungsbedingungen idealisierte Sprechaktmuster für Sprechakte wie Behauptung, Aufforderung, Frage, Angebot, Erlaubnis, Warnung, Ratschlag, Danksagung, etc.. Diese Sprechaktmuster lassen sich wiederum nach bestinmten,aufgrund ihrer konstitutiven Regeln und Handlungsbedingungen gewonnenen Kriterien in illokutive Typen klassifizieren (Direktive, Repräsentative, Ccrrmissive, etc.). Dies ist der Ansatz der angelsächsischen Sprechakttheorie, wie er exemplarisch von Austin und Searle vertreten wird. Ebenfalls auf dieser Ebene der Abstraktion ist die zentrale Problemstellung Austins und Searles bezüglich des Verhältnisses von Satz und Sprechakt zu sehen, unter der als Teilaspekt der Beitrag sprachlicher Elanente (performativer Verben und anderer illokutiver Indikatoren) zum Sprechaktpotential von Sätzen und damit zu deren Bedeutung analysiert wird. Es ist dieser für die Systanlinguistik interessante Aspekt gewesen, der hinter den Versuchen der generativen Grantnatik stand, die kannunikative Funktion von Sätzen in deren Tiefenstrukturen als übergeordnete performative Sätze darzustellen.

117

Auf dieser Abstraktionsebene ist es jedoch theoretisch nicht möglich, den Unterschied zwischen z.B. den direktiven Sprechakten des Befehlens, Ersuchens oder Bittens in bezug auf ihre Handlungsbedingungen und sprachliche Realisierungsmöglichkeiten idealtypisch herauszuarbeiten - die Abhängigkeit solcher Sprechakte von der Eingeburdenheit in ein bestimmtes soziales System, von geschichtlichen und gesellschaftlichen Normen fällt auf dieser Ebene der Analyse durch die Maschen. Ihre Untersuchung auf dieser Ebene ist daher nicht sinnvoll und muß auf die nächst-niedere Ebene der Abstraktion verwiesen werden. Für die traditionelle Dreiteilung Syntax-Semantik-Pragmatik ergibt dies ein Problem, das man wie Habermas (1971) durch eine Aufteilung der Pragmatik in Universalpragmatik und empirische Pragmatik (Psycholinguistik, Soziolinguistik) lösen kann, oder aber wie Wunderlich (1976/III) durch die Annahme zweier pragmatischer Interpretationsebenen, der Ebene der institutionalisierten Pragmatik (Ebene der idealisierten Sprechsituation) und der Ebene der situationeilen Pragmatik (Ebene der sozialen Situation der Äußerung) (s.u. 3.2.3.). Unsere Beispiele (3) bis (24) sind nun offensichtlich sowohl auf der Ebene der idealisierten Sprechsituation nach Sprechakttyp und idealisierten Handlungsbedingungen zu untersuchen als auch auf der Ebene der sozialen Situation nach ihrer Abhängigkeit von sozialer Rollenverteilung und bestimmten psychosozialen und/oder schichtspezifischen Normen. Auf der Ebene der sozialen Situation ist jedoch die Tatsache, daß diese Sprechakte u.a. mit if-Sätzen realisierbar sind, vermutlich nicht eigentlich wichtig -die Frage nach der sprachlichen Ausprägung der verschiedenen Sprechakte in gesellschaftlich verschieden gewichteten Situationen muß sich eher an soziolinguistischen Kategorien wie Stil, Register, Deferenzmodi, etc., als an granmatischen Gesichtspunkten ausrichten. Ich werde mich deshalb in meiner Analyse der Form und Funktion von if-Sätzen im großen und ganzen auf die Ebenen der Semantik und institutionellen Pragmatik, wie sie hier vereinfacht skizziert worden sind, beschränken können. Das bedeutet, daß die vcm Standpunkt der empirischen Pragmatik aus zu Recht als verkürzt kritisierten Ansätze der angelsächsischen Sprechakttheorie und deren Weiterentwicklung in der BRD durch Habermas, Wunderlich und andere mit einigen Erweiterungen und Modifikationen für eine linguistisch-pragmatische Analyse der KSe durchaus eine genügend breite Basis liefern können. Diese Entscheidung impliziert eine Abgrenzung des Bereichs 'linguistische Pragmatik' gegenüber sozio- und psycholinguistischen Fragestellungen, die sich auf arbeitsökonomische und methodische Überlegungen gründet, unter inhaltlichen Gesichtspunkten jedoch vorerst arbiträr

118

bleiben muß. 3.1.

Was ist ein Sprechakt?

3.1.1. Lokutionärer, illokutionärer und perlokutionärer Akt Wie eingangs erwähnt, war es J.L. Austin, der mit seinen William James Lectures von 1955 die Sprechakttheorie begründete (vgl. Austin 1962). Er wies darauf hin, daß es neben den nicht wahrheitswertfähigen Frage-, Aufforderungs- und Wunschsätzen, den Problankindern der logischen Sprachanalyse, eine ganze Reihe von Aussagesätzen im Indikativ Präsens gibt, denen man ebenfalls keine Wahrheitswerte zuordnen kann, weil man mit ihrer Äußerung keine Aussage macht, sondern die durch das Verb bezeichnete Handlung selbst ausführt. Austin nannte die betreffenden Verben 1performative Verben' und die Äußerungen, in denen ein solches Verb in der 1. Person Indikativ Präsens explizit U prcmise to be there) oder implizit (I shall be there) vorkarent, 'performative Äußerungen',und stellte diese den konstativen Äußerungen gegenüber. Nur für die konstativen Äußerungen lassen sich Wahrheitsbedingungen aufstellen, die performativen dagegen glücken oder mißlingen, je nachdem ob bestimnte Gelingensbedingungen (felicity conditions) erfüllt sind oder nicht (doctrine of infelicities). Da es ihm aber nicht gelingt, stichhaltige Kriterien für die Unterscheidung zwischen performativen und konstativen Äußerungen zu finden und da die Gelingensbedingungen gleichermaßen für beide Äußerungstypen gelten, faßt er den konstativ/performativ-Kontrast als Spezialfall einer allganeinen Sprechakttheorie, der sich in allen Äußerungstypen als deren lokutionärer und illokutionärer Aspekt niederschlägt (vgl. Lecture XII). Damit verliert die Aussage die Sonderstellung, die sie in der logischen Sprachanalyse innehatte - ihre Wahrheit wird auf die Angemessenheit der mit ihr in einer idealisierten Sprechsituation vollzogenen Sprechhandlung (die keineswegs unbedingt eine Behauptungshandlung sein muß) relativiert, die Äußerung ist right, correct, oder proper: "The truth or falsity of a Statement depends not merely on the meaning of words but on what act you were performing in what circumstances"(Austin 1962:144). Insgesamt unterscheidet Austin die folgenden Aspekte eines Sprechaktes (vgl. 1962): 1. Den lokutionären Akt. "The act of 'saying sanething' in its füll normal sense", "a füll unit of speech"(94). Der lokutionäre Akt umfaßt den phonetischen (das Äußern bestinmter Geräusche), den phatischen (welche Wörter einer bestirrmten Sprache mit einer

119

bestimmten Grairmatik darstellen) und den rhetischen Akt (und die mit einem bestimmten Sinn und einer bestürmten Referenz - also mit einer bestimmten Bedeutung - gebraucht werden). 2. Den illokutionären Akt. "To perform a locutionary act is in general ... also and eo ipso to perform an illocutionary act"(98). Mit jeder Äußerung eines lokutionären Aktes wird dieser als illokutionärer Akt zu einem bestimmten kannunikativen Zweck verwendet, z.B. um eine Warnung, ein Versprechen oder einen Ratschlag auszudrücken. Dadurch werden verschiedene illocutionary forces auf den Angesprochenen ausgeübt. Diese illokutionäre Kraft von Äußerungen identifiziert Austin nicht mit der Bedeutung (sense und reference) des lokutionären Aktes; dennoch ist der illokutionäre Akt ein konventioneller Akt, "an act dene as conforming to a convention"(105). 3. Den perlokutionären Akt. "saying something will often produce certain consequential effects upon the feelings, thoughts or actions of the audience, or of the speaker, or of other persons: and it may be done with the design, intention or purpose of producing them. (...) We shall call the performance of an act of this kind the performance of a perlocutionary act or perlocution"(101). Man kann einen perlokutiven Akt mit dem perlokutiven Ziel gebrauchen,jemanden zu überreden, zu verblüffen oder zu beleidigen; dieser Effekt kann aber auch eintreten, wenn er night beabsichtigt war: Dann sprechen wir von einan perlokutionären Nachspiel. Im Unterschied zum illokutionären Akt kajjtn der perlokutionäre nicht in der performativen Formel ausgedrückt werden ( 3[ persuade you herewith that the moon is made of green cheese), und der perlokutionäre Effekt wird, im Gegensatz zum illokutiven Effekt (z.B. der Verpflichtung des Sprechers, die durch ein Versprechen geschaffen wird) nicht auf konventionelle Weise erreicht: Die Argumente, die jemanden von etwas überzeugen, können sehr unterschiedlich und brauchen nicht einmal sprachliche zu sein.

Das Verhältnis der drei Teilakte zueinander veranschaulicht Austin an folgendem Beispiel (101): Act (A) or Locution He said to me 'shoot her!' meaning by 'shoot' shoot and referring by 'her' to her. Act (B) or Illocution He urged (or advised, ordered, &c.) me to shoot her. Act (C) of Perlocution He persuaded me to shoot her. 4 Ehrich/Saile (1972:273) weisen darauf hin, daß man in solchen Fällen nicht von einem perlokutionären Akt sprechen kann, da die konstitutiven Elemente von Handeln - Absicht und Verantwortlichkeit - nicht gegeben sind.

120 Für Searle, wie für Austin, ist die kleinste Einheit sprachlicher Kaimunikation nicht das Wort oder der Satz, sondern der Sprechakt, in dem er in Anlehnung an Austin ebenfalls drei Aspekte unterscheidet (vgl. Searle 1969a:23f.): 1. Den Äußerungsakt, der Austins phonetischem und phatische Akt entspricht. 2. Den propositionalen Akt, der im Äußern eines Sprechakts eine Proposition (Referenz und Prädikation) ausdrückt (entspricht Austins rhetischesn Akt) . 3. Den illokutionären Akt, der Austins illokutionärem Akt entspricht. Dazu kamt noch Austins perlokutionärer Akt, den Searle jedoch nur am Rande erwähnt, ohne weiter auf ihn einzugehen. 3.1.2. Zur Konventionalitat von Sprechhandlungen Die von Austin als charakteristisches Merkmal des illokutionären Aktes postulierte Konventionalität versteht Searle als von semantischen Konventionen vermitteltes Verhältnis von propositionalem und illokutionärem Akt. Die illokutionäre Kraft einer Äußerung ist immer von der Bedeutung des geäußerten Satzes mitbestirimt; obwohl des Sprechaktpotential eines Deklarativsatzes wie (25) äußerst reich ist (vgl.L.Cohen 1974:196) , kann man dennoch mit einem solchen Satz z.B. keine Frage stellen oder keinen Vorwurf machen, und die kaimunikativen Funktionen von (26) sind allein auf direktive Äußerungen beschränkt: (25) (26)

You are the kindest person I have met here. Shut the door!

Die Tatsache, daß das Sprechaktpotential von Äußerungen eine Funktion der Bedeutung der geäußerten Sätze ist, bedeutet aber nicht, daß die Satzbedeutung die illokutionäre Kraft der Äußerung eindeutig bestinmt. Dennoch ist es laut Searle (1969a:18) prinzipiell möglich, jeden Sprechakt eindeutig bezüglich seiner karimanikativen Funktion sprachlich zu explizieren, selbst wenn man dazu die Sprache um neue Ausdrücke bereichern müßte (principle of expressibility): The meaning of a sentence does not in all cases uniquely determine what speech act is performed in a given utterance of that sentence, for a speaker may mean more than what he actually says, but ... it is in principle possible for every speech act one performs or could perform to be uniquely determined by a given sentence (or set of sentences), given the assumptions that the speaker is speaking literally and that the context is appropriate. Entsprechend unterscheidet Searle zwei, nicht notwendigerweise immer trennbare, Elemente in der syntaktischen Struktur des Satzes, die er propositional indicator und illocutionary force indicator nennt:

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The illocutionary force indicator shews hew the proposition is to be taken, or ... what illocutionary force the utterance is to have. ( — ) Illocutionary force indicating devices in English include at least: word order, stress, intonation contour, punctuation, the mood of the verb, and the so-called performative verbs (1969a:30). Searles Fragestellung ist primär semantisch - sie konzentriert sich darauf, die dem Vollzug bestimmter Sprechhandlungen zugrundeliegenden semantischen Regeln für den Gebrauch der für diese Sprechakte angemessenen illocutionary force indicating devices zu explizieren. Diese Regeln ergeben sich aus den Bedingungen für den korrekten Vollzug von Sprechakten: The procedure which I shall follow is to state a set of necessary and sufficient conditions for the performance of particular kinds of speech acts and then extract from those conditions sets of semantic rules for the use of the linguistic devices which mark the utterances as speech acts of those kinds (22). Für Searle ist Sprechen "engaging in a rule-governed form of behavior" (22) land der Begriff der Regel ist zentral für seine Theorie. Er unterscheidet regulative Regeln (Imperative der Form Officers must wear ties at dinner) von konstitutiven Regeln, die neue Verhaltensformen schaffen können und die charakteristischerweise die Form X counts as Y oder X counts as Y in context C haben. Es ist die konstitutive Regel, welche die Rolle von Austins Konventionen überninmt und mittels derer Searle den Schritt von der Satzsemantik zur Sprechaktsemantik tut: — the semantic structure of a language may be regarded as a conventional realization of a series of sets of underlying constitutive rules, and speech acts are acts characteristically performed by uttering expressions in accordance with these sets of constitutive rules (37). Exemplarisch für den Sprechakt des Versprechens stellt Searle dann 9 Bedingungen auf, die für das Ausführen eines geglückten Versprechens erfüllt sein müssen und leitet aus diesen die folgenden 5 "semantical rules for the use of any illocutionary force indicating device Pr for premising" ab (vgl. 62f.): Rule 1 (Propositional content rule): Pr is to be uttered only in the context of a sentence (or larger stretch of discourse) T, the utterance of which predicates sane future act A of the speaker S. Rule 2 (Preparatory rule): Pr is to be uttered only if the hearer H would prefer S's doing A to his not doing A, and S believes H would prefer S's doing A to his not doing A. Rule 3 (Preparatory rule): Pr is to be uttered only if it is not obvious to both S and H that S will do A in the normal course of events.

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Rule 4 (Sincerity rule): Pr is to be uttered only if A intends to do A. Rule 5 (Essential rule): The utterance of Pr counts as the undertaking of an obligation to do A."" Die illokutionäre Kraft einer Äußerung ist jedoch nicht nur von der Bedeutung des geäußerten Satzes abhängig, sondern auch vcm Kontext der Äußerung. Während in explizit performativen Äußerungen der Sprechaktcharakter in der Bedeutlang ganz enthalten ist ("the meaning exhausts the force", vgl. Strawson 1964/71:150 und Bsp. (27)) oder grammatische Modi unmißverständlich angeben können, in welcher Funktion die geäußerte Proposition verstanden werden soll (Bsp. 28), kann die illokutionäre Kraft eines Einwandes (wie (29)b.) oder einer Antwort (wie (30)b.&c.) nur kontextuell erschlossen werden: (27) (28) (29)a. b.

I promise to give up smoking. Don't go! Jones is a nimble dancer, He has only one leg.

(30)a. What did the doctor say? b'. I smoke too much. b". Mind your own business! Es ist in (29)b. und (30)b.&c. nicht mehr möglich, einen illocutionary force indicator auszumachen - diese Sprechakte beziehen ihre katinunikative Funktion aus der Satzbedeutung und aus ihrer Stellung im Diskurs, sie verschließen sich daher einer rein semantischen Analyse. Searles These von der Widerspiegelung der proposition/force-Struktur von Äußerungen in der semantischen Struktur von Sätzen muß scmit auf bestirrmte Sprechakte - nämlich die sequenzeröffnenden oder initiativen - eingeschränkt werden. Zugleich muß man den Konventionalitätsbegriff erweitern, um die Konventionen der Sprechaktabfolgen im Diskurs zu erfassen. 5 Für eine Aufstellung der Regeln für eine Reihe weiterer Sprechakte vgl. Searle (1969a:66f.). Die oft kritisierte Neutralität dieser Regeln bezüglich des möglichen gesellschaftlichen Kontexts der betreffenden Sprechakte (vgl. z.B. Maas/Wunderlich 1972:143ff.), die sich auch darin äußert, daß der Kontext C der Formel X counts as Y in context C in der essential rule nicht mehr erscheint, läßt sich auf dieser Ebene der Abstraktion vertreten. 6 Beispiel von Schiffer (1972:91).

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Auch das principle of expressibility bedarf einer Modifikation: Während zwar reaktive Sprechakte wie Antwort oder Einwand in eine explizite Form gebracht werden können, ohne daß der ausgeführte Sprechakt davon berührt wird, gibt es Sprechakte, deren Gelingen gerade davon abhängt, daß sie Informationen und Einstellungen implizit übermitteln (z.B. Andeuten oder Angeben, vgl. Strawson 1964/ 71:161f.) und deren Effekt durch Explizierung gefährdet würde (vgl. SchliebenLange 1974:323). Aus dem principle of expressibility folgt jedoch, daß Searle all jene Sprechakte aus seiner Analyse ausschließen muß, die auf verdeckter oder indirekter Karmunikation beruhen, was er auch explizit tut: /The principle of expressibility/ has the consequence that cases where the Speaker does not say exactly what he means - the principal kinds of cases of which are nonliteralness, vagueness, ambiguity, and imcanpleteness - are not theoretically essential to linguistic catmunication (20). Der Ausschluß aller indirekter Katmunikation als theoretisch uninteressant wie auch die Vernachlässigung der perlokutionären Akte - erklärt sich aus Searles Ziel einer semantischen Analyse; zugleich wird diesem Ziel jedoch ein weiter Bereich sprachlicher Karmunikation geopfert, der auf pragmatischen Konventionen beruht. Diese Konventionen des Sprachgebrauchs sind einmal die fundamentalen Konventionen menschlicher Kommunikation wie sie Grice in seinem Cooperative Principle und den Konversationsmaximen formuliert hat uixl die ein weites Spektrum indirekter, verdeckter und perlokutionärer Akte als konventionell vermittelt erfaßbar machen. So läßt sich z.B. der Sprechakt des Andeutens, den Strawson (1964/71:163) den perlokutionären Akten zurechnet, als von Sprecher intendierte konversationelg le Implikatur ableiten, die aufgrund einer der Konversationsmaximen entsteht. Weitere pragmatische Konventionen sind die schon von Austin angeführten sozialen Prozeduren, die im Rahmen gesellschaftlicher Institutionen und Verfahrensweisen festgelegt und zum Teil zu Ritualen erstarrt sind (z.B. Urteilsverkündungen, Ernennungen). Diese Verfahrensweisen müssen als ein eigener Konventionalitätstyp aufgefaßt werden; sie lassen sich weder auf die Konversationsmaximen zurückführen, da sie sich oftmals verselbständigt, d.h. von der für ihre Ableitung ursprünglich wirksamen Rationalität und Kooperativität entfernt haben, noch sind sie den Gelingensbedingungen auf die gleiche Weise wie die anderen Sprechakte 7 Für eine spätere Analyse indirekter Sprechakte vgl. jedoch Searle (1973,1975), scwie 3.3.2.2. 8 Vgl. dazu auch Grices (1975:53) Beispiel eines nichts-sagenden Gutachtens, durch dessen Informationslosigkeit der Autor andeutet, daß der Kandidat für die in Diskussion stehende Stelle nicht geeignet ist.

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unterworfen: In Institutionellen Prozeduren ist typischerweise das Mcment der individuellen Verantwortlichkeit und damit auch das der Aufrichtigkeit ausgesetzt (vgl. Wunderlich 1972:39). Die Konventionalität von Sprechhandlungen beruht scmit auf fünf verschiedenen 9 Typen von Konventionen, die ich wie folgt zusartmenfasse: A. Die Konventionen des verwendeten Sprachsystems. B. Die Konventionen bestürmter Abfolgeschemata für Sprechakte (z.B. FrageAntwort, Vorwurf - Rechtfertigung, Behauptung - Zustimmung, Einwand). C. Die Konventionen der Gelingensbedingungen für Sprechakte (Austins felicity conditions, Searles rules for the use of the illocutionary force indicating device). D. Die Konventionen, regulärer Prozeduren innerhalb bestirnnter institutioneller Verfahrensweisen (z.B. Eheschließung, Taufe). E. Die Konventionen des Cooperative Principle und der Konversationsmaximen (hier sind noch Höflichkeitsraaximen zu ergänzen, s.u. 3.3.1.). Dieses Schema muß zur Zeit noch vorläufig bleiben, da insbesondere der Status der Gelingensbedingungen für Sprechakte noch nicht ganz geklärt ist. So entsprechen z.B. die non-obviousness-conditions in Searles preparatory rules der verschiedenen Sprechakte (für Behauptungen z.B. "It is not obvious to both S and H that H kncws (...)£" Searle (1969a:66)) Grices 2. Maxims der Quantität, sind also keine semantischen Regeln, so daß von Searles preparatory und sineerity rules nur die mit bestimmten Sprechakten charakteristisch verbundenen prcpositionalen Einstellungen der Teilnehmer bleiben (Interessen, Fähigkeiten, Präferenzen, kognitive und emotionale Zustände). Diese entsprechen in etwa Austins felicity conditions (vgl. 1962:15) , welche die für bestürmte Sprechakte beim Sprecher vorauszusetzenden propositionalen Einstellungen und Intentionen und die für Sprecher und/oder Hörer aus diesen erwachsenden Obligationen thematisieren. Austin neigte dazu, diese Voraussetzungen als Präsuppositionen zu betrachten (vgl. 1962:20,138f.), da im Falle ihres Nicht-Erfülltseins der betroffene Sprechakt null und nichtig wird, genau wie eine Aussage null und nichtig ist, deren Existenzpräsupposition fehlschlägt. Da wir Präsuppositionen auf logische Folgerungen bzw. konversationelle Implikaturen zurückgeführt haben. 9 Vgl. hierzu auch die Diskussion bei Strawson (1964/71) und Wunderlich (1972). 10 Siehe dazu unsere Beispiele (12)-(15) in Kapitel 2. Zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Präsupposition und Gelingensbedingungen für Sprechakte, vgl. Hutchinson (1971) und Heringer (1971).

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müssen v/ir nun fragen, ob Austins und Searles Sprechaktbedingungen bzw. -regeln in bezug auf diese beiden Kategorien analysierbar sind: Sie sind es nicht weder folgen sie logisch aus dem Satz (sie liegen nicht auf der logischen Ebene), noch kann sie der Hörer aus der Äußerung aufgrund allgemeiner Maximen der Konversation erschließen. Sprechaktbedingungen sind vielmehr Handlungsbedingungen, die, ähnlich den Konventionen von Syntax und Semantik, einen weiteren Konventionalitätstyp im Rahmen sprachlicher Kcrrnunikation konstituieren. Wunderlich (1972:33ff.) trifft eine weitere Unterscheidung zwischen Konventionen erster und zweiter Ordnung, welche die Konventionstypen A bis E überlagert und den Unterschied zwischen direkter und indirekter Kommunikation betrifft. Während direkte Kommunikation (Searles literal ccmmunication) im Einklang mit allen Konventionen vollzogen wird, verletzt indirekte Kenmunikation scheinbar den Konventionstyp E, während A, B und C in Kraft bleiben. Typ D wird von diesen Prozessen nicht berührt; Typ E dagegen wird als Sonderfall deutlich: Die Verletzung dieser Konventionen gibt Anlaß zu einem Deduktionsprozeß des Hörers, an dessen Ende seine Ableitung der von Sprecher intendierten konversationellen Implikatur steht,während die Verletzung der anderen Konventionstypen zu ungranmatischen Sätzen, mißglückten Äußerungen, einem inkohärenten Diskurs oder gesellschaftlichen Sanktionen führt. Die Konventionen zweiter Ordnung erklären scmit, wie Sprecher nicht im Wortlaut der Äußerung enthaltene Propositionen konversationeil implizieren und indirekte Sprechakte ausführen können, und wie Hörer diese Emplikaturen aus den Äußerungen ableiten, etwa nach den von Grice exemplarisch angeführten Ableitunganustern (vgl. 1.2.2.1.). Konventionen zweiter Ordnung sind also verantwortlich für alle nicht-direkten Sprechakte, Andeutungen, ironischen und sarkastischen Äußerungen, Metaphern, etc.. 3.1.3. Gelingen und Erfolgreichsein Die Bedingungen für das Gelingen von Sprechakten beziehen sich auf das Gelingen, Erfolgreichsein oder Glücken von Sprechakten in wesentlicher Weise, ohije daß diese für die Sprechakttheorie zentralen Begriffe jedoch einheitlich definiert wären. Für Austin konstituiert das Verstehen der Bedeutung und der illokutionären Kraft den Effekt des illokutionären Aktes, und nur dann, wenn Verständnis gesichert ist, ist dieser gelungen: Unless a certain effect is achieved, the illocutionary act will not have been happily, successfully, performed (1962:115).

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Generally, the effect amounts to bringing about the understanding of the meaning and of the farce of the locution. So the performance of an illocutionary act involves the securing of uptake (116). In Anlehnung an Strawsons Diskussion von Austins Begriff des securing of uptake (1964/71) und an Grices (1957,1968b & 1969) Explikation der Sprecherbedeutung hat Searle (1975:59; vgl. auch 1969a:48ff.) den Gelingensbegriff in bezug auf das Erkennen des vom Sprecher intendierten illokutionären Effekts durch den Hörer und auf die Regeln für das Hervorbringen von Sprechakten definiert: the speaker intends to produce a certain illocutionary effect in the hearer, and he intends to produce this effect by getting the hearer to recognize his intention to produce it, and he intends to get the hearer to recognize this intention in virtue of the hearer's knowledge of the rules that govern the utterance of the sentence. Danach ist ein Sprechakt gelungen, wenn der Hörer die komplexe Intention des Sprechers rekonstruiert and erkannt hat. Diese Explikation läßt sich übernehmen, wenn man rule nicht in der SearIschen Einschränkung auf sanantische Regeln versteht, sondern auf alle Regeln ausweitet, die auf den Konventionen A bis E beruhen. (I972:141f.) und Wunderlich (1972:22ff. & 1976/III:110ff.) thematisieren neben dan Gelingen von Sprechakten jedoch auch deren Erfüllung bzw. Erfolgreichsein, da erst mit der Einbeziehung der Konsequenzen von Sprechhandlungen diese in ihrer Bedeutung für die menschliche Interaktion voll begriffen werden können. Austins, Strawsons und Searles Gelingensbegriff bleibt dangegenüber auf den einzelnen Sprechakt beschränkt. Es bietet sich daher eine Unterscheidung an zwischen dan Gelingen eines einzelnen Sprechaktes einerseits, das dann gewährleistet ist, wenn der Hörer die Intention des Sprechers verstanden hat (und gegebenenfalls den Sprechakt akzeptiert, z.B. dadurch, daß er eine Aufforderung nicht auf ihre Berechtigung hin problematisiert oder eine Einladung anninmt), und dem Erfolgreichsein eines Sprechakts andererseits. Ein Sprechakt ist erfolgreich dann, wenn ihn der Hörer nicht nur versteht und akzeptiert, sondern wenn die von den Teilnehmern geforderten Folgehandlungen (verbal oder extraverbal) ausgeführt, d.h. die durch den Sprechakt eingeführten Interaktionsbedingungen erfüllt sind.^ So ist der Sprechakt der Frage dann erfüllt, M a a s / W u n d e r l i c h

11 Der von Wunderlich (1976/III:57f.) eingeführte Begriff der Interaktionsbedingung wird als Resultat der illokutiven Kraft von Äußerungen definiert: "Die illokutionäre Kraft ist etwas, das neue Interaktionsbedingungen (Obligationen oder caimitments für jede der beteiligten Seiten) einführt, und zwar hinsichtlich Typus und Stärke abhängig von einan gegebenen Handlungssystan und von dem mementanen Entwicklungsstand einer Situation, also insbesondere abhängig von den vorangegangenen Interaktionszügen."

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wenn der Angesprochene auf die Präge geantwortet hat, der Sprechakt der Aufforderung dann, wenn der Hörer der Aufforderung nachgekommen ist, und der Sprechakt des Versprechens ist dann erfolgreich, wenn der Sprecher das Versprechen erfüllt hat. Die Gelingensbedingungen können sich selbstverständlich nur auf die illokutiven Akte beziehen, da der Erfolg einer Reihe von perlokutiven Akten (andeuten, ablenken, ausweichen) gerade davon abhängt, daß die Intention des Sprechers nicht oder zumindest nicht ganz durchschaut wird: The whole point of insinuating is that the audience is to suspect, but not more than suspect, the intention, for example, to induce or disclose a certain belief. The intention one has in insinuating is essentially nonavcwable (Strawson 1964/71:163). Da es aber auch eine große Zahl perlokutiver Akte gibt»deren Intentionen durchaus zugebbar, ja sogar explizit darlegbar sind (vgl. don't want to offend you, but your argument doesn't make sense; knew this will upset you, but I'm learing yai; I don't want to alarm you, but your hair's on fire; Can persuade you to have dinner with me?), kann Strawsons essential nonavewabi1ity nicht als Definitionskriterium perlokutiver Akte dienen, wie es Schlieben-Lange (1974:321, 323) zur Diskussion gestellt hat. Zwar sind alle illokutiven Akte 'offene', jedoch sind nicht alle perlokutiven Akte nicht-zugebbare Sprechhandlungen. Bei den nicht-zugebbaren perlokutiven Akten muß man wiederum unterscheiden zwischen solchen, deren Gelingen davon abhängt, daß die Sprecherintention nicht durchschaut wird ('verzerrte' Perlokutionen wie z.B. lügen oder ablenken) und solchen, bei denen der Angesprochene die Sprecherabsicht konversationell erschließen soll (indirekte 'verdeckte' Perlokutionen wie andeuten, Ironie oder Metapher). Es stellt sich also die grundsätzliche Frage, ob nicht zwischen solchen sprachlichen Handlungen unterschieden werden müßte, die dann geglückt sind, wenn sie nicht durchschaut werden, und jenen anderen, die dann geglückt sind, wenn eine Verständigung auf einer anderen Ebene gelingt. Strawsons "nonavcwability" hätte also zwei grundsätzlich verschiedene Seiten (Schlieben-Lange 1974:325). Die Unterscheidung offen/verzerrt wird auch dadurch gerechtfertigt, daß die offenen und verdeckten Perlokutionen in unserem theoretischen Rahmen als konventionell vermittelte indirekte Sprechakte ableitbar sind, während die verzerrten Sprechakte nicht erfaßt werden können, da sie das Cooperative Principle und die Maximen heimlich und in täuschender Absicht verletzen (vgl. auch 3.3.2.1.).

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3.1.4. Illokutive Typen Eine wohlbegründete und umfassende Klassifikation von Sprechakten nach fundamentalen illokutiven Typen ist noch inner ein Forschungsdesiderat der Sprechakttheorie. Eine solche Typologie muß erfassen, daß sich Bitte und Befehl z.B. ähnlicher sind als Befehl und Entschuldigung, und sie muß die charakteristischen Eigenschaften angeben können, welche die einzelnen illokutiven Typen voneinander unterscheiden und scmit definieren. Eine Klassifikation von grundlegenden Sprechhandlungstypen ist aus mindestens drei Gründen wichtig: Sofern Sprechakttheorie universalpragmatisch verstanden wird, müssen Sprechakttypen zu den pragmatischen Universalien gerechnet werden, d.h. "die lexikalische Mannigfaltigkeit der Sprechakte in den verschiedenen Einzelsprachen /muß sich7 auf eine universal gültige Klassifikation zurückführen lassen"(Habermas 1971:111). Auf die Einzelsprache bezogen ist dagegen die Frage nach der Bedeutung der verschiedenen illokutiven Typen und ihren je verschiedenen sprachlichen Realisierungen. Schließlich läßt sich ein systematischer Zusammenhang feststellen zwischen Sprechaktbedingungen und den verschiedenen Möglichkeiten, Sprechakte indirekt auszuführen (z.B. durch Verbalisieren einer für den entsprechenden Sprechakt geltenden Bedingung). Um diese Erscheinung generalisieren zu können, muß die Vielzahl der möglichen illokutiven Akte (Austin sprach von 10 allein der expliziten Performativa) auf wenige illokutive Typen reduziert werden, für welche dann allgemeine Sprechaktbedingungen formuliert werden können. Die Frage nach den charakteristischen Eigenschaften der verschiedenen illokutiven Typen ist zugleich die problematischste aller Klassifikationsversuche, denn sie betrifft die Kriterien für die Klassifikation. Habermas richtete seine Klassifikation an dem in Searles essential condition ausgedrückten pragmatischen Sinn des Sprechaktes, d.h. dan Verwendungszweck des Satzes aus (vgl. 1971:111). Searle legt seiner Typologie das Kriterium der illokutionären Absicht oder des illokutionären Zwecks zugrunde und unterscheidet die folgenden Sprechakttypen: 1. Repräsentative: Behauptungen, Feststellungen, Vorhersagen, Klassifikationen,etc. Absicht oder Zweck: Einen Sachverhalt (wahr oder falsch, richtig oder unrichtig) darzustellen. 2. Direktive: Anordnungen, Befehle, Bitten, Anträge, Gesuche, Ratschläge. Absicht oder Zweck: Der Sprecher versucht, den Hörer dazu zu bewegen, etwas tu tun. 3. Kcnroissive: Versprechen, Gelübde, Drohungen, Wetten, Anerbieten, Verträge und Garantien. Absicht oder Zweck: Den Sprecher auf einen zukünftigen Lauf der Dinge zu verpflichten.

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4. Expressive: Danksagungen, Beglückwünschungen, Entschuldigungen, Beileidsbezeugungen, Klagen und Willkarnmensheißungen. Absicht oder Zweck: Eine psychische Einstellung des Sprechers zu dan Sachverhalt auszudrücken, der im propositionalen Gehalt gekennzeichnet ist. 5. Deklarative: Krieg erklären, exkarmunizieren, trauen, schenken, vermachen, ernennen, abdanken, kündigen, entlassen. Absicht oder Zweck: Übereinstimnung zwischen dem propositionalen Gehalt und der Wirklichkeit herbeizuführen. (Vgl. Searle 1973:275) In seiner jüngsten Arbeit zu einer Typologie der illokutiven Typen hat Searle (1976) die Klassifikationskriterien differenzierter dargelegt. Die folgenden Unterscheidungen sind für eine Bestinmung von Sprechakttypen relevant: 1. Differences in the point (or purpose) of the (type of) act (entspricht der früheren essential condition). 2. Differences in the direction of fit between words and the world. Sprache und Welt können in verschiedener Weise zur Deckving gebracht werden: Entweder beschreibt Sprache die Welt, wie sie ist (z.B. bei Behauptungen), dann paßt sich die Äußerung der Welt an; oder sie beschreibt, wie die Welt sein soll/wird (z.B. bei Befehlen, Bitten, Versprechen), dann muß die Welt dem Gesagten angepaßt werden. Direction of fit wurde in Speech Acts in der propositional content condition erfaßt. 3. Differences in the expressed psychological states. Dies entspricht der früheren sincerity condition, stellt jedoch gegenüber Speech Acts insofern einen Fortschritt dar, als die Klassifizierung von Sprechakten wie Versprechen nun nicht mehr davon abhängig gemacht wird, daß der Sprecher die Intention haben muß, das Versprechen zu erfüllen, sondern lediglich postuliert wird, daß er dieser Intention Ausdruck verleihen muß. Kriterium 3 erlaubt nun auch die Klassifizierung unaufrichtiger Sprechakte. 4. Differences in force or strength with which the illocutionary point is presented. Diese Bedingung erfaßt verschiedene Grade illokutionärer Verpflichtung auf das Geäußerte, so z.B. den Unterschied zwischen einem Vorschlag und einer beharrlichen Forderung, oder einer Behauptung und einer Vermutung. 5. Differences in the status or position of the speaker and hearer as these bear on the illocutionary force of the utterance. Dies entspricht einer der früheren preparatory conditions für Befehle und Bitten. 6. Differences in the way the utterance relates to the interests of the speaker and the hearer. Dies entspricht der früheren preparatory condition für Versprechen, Rat, Warning. 7. Differences in propositional content that are determined by illocutionary force indicating devices. Dies entspricht ebenfalls der früheren propositional content condition. 8. Differences between those acts that must always be speech acts, and those that can be, but need not be performed as speech acts. Diese Unterscheidung würde z.B. den Pfiff und die Zeigegeste des Schiedsrichters beim Elfmeter dem "guilty" des Jurysprechers gegenüberstellen.

130 9.

Differences in relations to the rest of the discourse. Dieser wichtige Gesichtspunkt ist neu; er ist nicht nur in einer Sprechakttypologie für die Unterscheidung zwischen initativen und reaktiven Sprechakten zu berücksichtigen, sondern auch in der Bedingungsstruktur einzelnen Sprechakttypen, um den Begriff der relevant response jeweils inhaltlich zu füllen (s.u.). 10. Differences between those acts that require extra-linguistic institutions for their Performance and those that do not.

11. Differences between those acts where the corresponding illocutionary verb has a performative use and those where it does not. 12. Differences in the style of Performance of the illocutionary act. Dieser Gesichtspunkt erfaßt den Unterschied zwischen Sprechakten wie ankündigen und anvertrauen. Die Unterscheidungskriterien (1) - (12) sind heterogen: Während sich (1), (2), (3) und (7) auf die Ebene der Semantik beziehen lassen, ist die Klassifikation von Sprechakttypen aufgrund der restlichen Kriterien nur durch eine über den semantischen Gehalt des Sprechakts hinausgehende pragmatische Interpretation möglich, die sich bezieht auf extralinguistische Kanponenten der Äußerungssituation wie relativer Status von Sprecher und Hörer, Stärke der mit dem Sprechakt ausgedrückten Verpflichtung, Aufeinanderfolge von Sprechakten im Diskurs, institutionelle Verfahrensweisen, die interaktioneile Rolle der verdeckten Sprechakte, die keine performative Explizierung erlauben, etc.. Die Kriterien (4) - (6), (8), (11) und (12) sind deshalb für die Bedingungstruktur der Sprechakttypen zwar interessant, für die Begründung fundamentaler Sprechakttypen jedoch sekundär. Die Bedingung (10), die für Deklarative ausschlaggebend ist, ninmt eine Sonderstellung ein, da hier extra-linguistische Konventionen den illokutiven Typ bestürmen. Diese Überlegungen werden dadurch implizit bestätigt, daß Searles neueaufgrund der erörterten Kriterien erstellte - Typologie mit der auf Speech Acts fußenden Klassifikation von 1973 identisch ist. Besonders auffallend ist, daß das Kriterium (9) der relativen Stellung im Diskurs nicht zur Begründung eines reaktiven oder satisfaktiven neuen illokutiven Typs herangezogen wird. Anders als Habermas und Searle charakterisiert Wunderlich (1975,1976/111) Sprechhandlungen nicht primär in bezug auf ausgedrückte Intentionen des Sprechers, sondern in bezug auf Interaktionsbedingungen, wcmit er von vornherein Sprechakte als Teile einer Interaktionssequenz und nicht als isolierte Einheiten faßt. Darüberhinaus trägt eine solche Analyse all jenen Sprechakten Rechnung, bei denen die illokutionäre Absicht des Sprechers nicht primär entscheidend ist, weil sie in institutionelle Verfahrensweisen eingebunden sind, wie z.B. bei den meisten von Searles Deklarativen. Indem er fragt, "in welcher Hinsicht die Sprechhand-

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lung den zwischen den Interaktionspartnern bestehenden Zustand von Handlungsbedingungen (bzw. Verpflichtungsverhältnissen) ändert"(1975:275), kaimt Wunderlich zu folgender Klassifikation illokutiver Typen (vgl. auch 1976/III:77ff.): 1. Direktiv: Bitten, Aufforderungen, Befehle, Instruktionen, Anweisungen, Ratschläge, Verbote, Normsetzungen. Die Sprechhandlung führt eine neue Handlungsbedingung ein, die genau dadurch erfüllt wird, daß ein anderer als der Sprecher (i.a. der Angesprochene) eine in der Sprechhandlung genannte Handlung ausführt bzw. unterläßt. 2. Cannissiv: Versprechungen, Drohungen, Ankündigungen. Die Sprechhandlung führt eine neue Handlungsbedingung ein, die genau dadurch erfüllt wird, daß der Sprecher selbst eine in der Sprechhandlung genannte Handlung ausführt. 3. Erotetisch: Fragen. In Wunderlich (1975)noch dem direktiven Typus zugeordnet, bilden diese nun (1976/III) einen eigenen Typus, insbesondere deshalb, weil sie durch einen spezifischen gidiuiiatischen Modus gekennzeichnet sind. Die Sprechhandlung führt eine neue Handlungsbedingung ein, die genau dadurch erfüllt wird, daß ein anderer als der Sprecher in behauptender Weise eine der in der Sprechhandlung thanatisierten Propositionsalternativen auswählt (ja/ nein-Fragen) bzw. eine Proposition, die aus der in der Sprechhandlung thematisierten logisch folgt, behauptet (w-Fragen). 4. Repräsentativ: Behauptungen, Feststellungen, Berichte, Beschreibungen, Erklärungen, Versicherungen. Die Sprechhandlung führt eine neue Handlungsbedingung ein, die genau dadurch erfüllt wird,daß der Sprecher die Wahrheit der in der Sprechhandlung genannten Proposition gegebenenfalls ausweist. 5. Satisfaktiv: Entschuldigungen, Danksaglangen, Antworten, Begründungen, Rechtfertigungen. Die Sprechhandlung erfüllt eine bereits bestehende Handlungsbedingung, welche ihrerseits durch vorhergehende Spschhaxilungen, Erwartungskontexte, gesetzliche Vorschriften o.ä. eingeführt sein kann. 6. Retraktiv: Zurückziehen eines Versprechens, Korrektur einer Behauptung, Erlaubnisse. Die Sprechhandlung löscht eine bereits bestehende Handlungsbedingung, d.h. sie macht sie ungültig. 7. Deklaration: Benennungen, Definitionen, Ernennungen, Schuldsprüche, Festsetzen einer Tagesordnung, Taufen. Die Sprechhandlung führt neue soziale Fakten ein. 8. Vokativ: Anrufe, Aufrufe, Anreden. Die Sprechhandlung führt eine neue Handlungsbedingung ein, die genau dadurch erfüllt wird, daß der Angesprochene seine Aufmerksamkeit auf Äußerungen oder Handlungen des Sprechers richtet, oder Äußerungen oder Handlungen an den Sprecher adressiert. 9. Expressiv: Kundgebung von Freude, Zuneigung, Trauer, Ärger, Wut, Angst, Schmerz. Diese wesentliche Funktion von Sprache wird(1976/III) nicht mehr aufgeführt. Die Sprechhandlung drückt eine persönliche Emotion bzw. einen Gefühlszustand aus.

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10. Kommentar: Korrekturen einer Wortwahl, Selbstkcmmentare. Die Sprechhandlung bezieht sich auf den Modus des Ausführens einer Sprechhandlung. (1976/III nicht mehr aufgeführt). Im folgenden will ich auf den Hintergrund von Searles und Wunderlichs Klassifikationen eine Sprechakttypologie entwickeln, welche die Basis für eine linguistisch-pragmatische Analyse der kcmnunikativen Funktionen von KSen bilden soll. Unkontrovers und bisher am erschöpfendsten untersucht sind die illokutiven Typen Repräsentativ, Direktiv, Katmissiv und Deklarativ. Die illokutionäre Absicht dieser Typen ist eindeutig/und sie führen alle klar bestimmbare, neue Interaktionsbedingungen ein, so daß sowohl Searles als auch Wunderlichs Klassifikationskriterien sie treffend charakterisieren. Ebenfalls relativ unproblematisch ist der Typus der Frage, den man wie Wunderlich (1976/III) wegen der speziell verbal geforderten Erfüllung der eingeführten Handlungsbedingung und wegen des eigenen granmatischen Modus besser aus dem Direktiv-Typus herausnimmt. Bei Wunderlichs Satisfaktiv-Typ treten jedoch Probleme auf: Die unter diesem Typ zusammengefaßten Sprechakte erfüllen zwar alle eine bereits bestehende Handlungsbedingung, erfordern jedoch sehr verschiedene Sprechaktbedingungen und sollten daher unterschiedlichen Sprechakttypen zugerechnet werden. So beziehen sich Entschuldiglang und Rechtfertigung auf eine vorausgegangene Handlung des Sprechers, die nachteilig für den Hörer oder sonstwie negativ gewesen ist, während sich Danksagungen auf eine vorausgegangene Handlung des Hörers beziehen, die von Vorteil für den Sprecher oder sonstwie positiv gewesen ist; Antworten erfüllen vcm Hörer eingeführte Handlungsbedingungen, während sich Begründungen auf die sehr allgemeine Erwartung beziehen, daß Handlungen zu begründen sind. Wegen der Heterogenität der Handlungsbedingungen schlage ich vor, den Satisfaktiv in drei Untertypen aufzuteilen:Erstens in "echte" Satisfaktive wie Entschuldigungen und Rechtfertigungen, zweitens in Dank und drittens in Antwort, während die Begründungen dem Repräsentativtypus zugeordnet werden. Searles Einstufung der Danksagung unter die Expressive läßt sich wegen der starken Ritualisierung dieses Sprechaktes nicht vertreten. Wunderlichs Orientierung an der Erfüllung bereits eingeführter Handlungsbedingungen erfordert in der Konsequenz die Explizierung der solche Bedingungen einführenden Sprechakttypen, scweit dies nicht durch bereits angeführte Typen geschieht. Dies ist nicht der Fall bei Anklagen und Beschuldigungen, welche die Handlungsbedingungen für die "echten" Satiskfaktive einführen. Ich werde diese Sprechakte 'Exhortative' nennen, da sie vom Hörer eine Stellungnahme zu

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seinen als negativ gewerteten Handlungen anmahnen (wie die Frage kann allerdings auch der Exhortativ-Typ als Spezialfall des Direktiv-Typs gefaßt werden).

12

Eine Erweiterung von Searles und Wunderlichs Typologien ist ferner angezeigt, um Sprechakte des Vorschlagens, Anregens, etc., aufzunehmen, die, da der Sprecher mit ihnen Interaktionsbedingungen

sowohl für sich selbst als auch für den Hörer

einführt, zwischen dem Direktiv- und dem Caimissiv-Typ liegen.

Ich werde diesen

Typ 'Kohortativ' nennen. Während Wunderlichs Sprechakttypen 1 bis 8 alle Interaktionsbedingungen einführen oder erfüllen (initiativ oder reaktiv sind), ist dies bei den Expressiven und Kcmmentaren nicht der Fall, was vermutlich der Grund dafür ist, daß sie in der Typologie von (1976/III) nicht mehr aufgeführt sind.

Da eine Sprechakttypologie alle

Sprechakte erfassen sollte, können sie nicht einfach fortgelassen werden.

Ex-

pressive und Kaimentare sind betont auf Sprecher und Interaktion bezogen (die Kaimentare sind der einzige illokutive Typ, der sich explizit auf Prinzipien der Kaimunikation bezieht) und ihr kaimunikativer Zweck ist erfüllt, wenn der Kcmmunikationspartner die Äußerung verstanden und akzeptiert hat.^ ^ Darüberhinaus ist mit den Expressiven keine Interaktionsbedingung verbunden (so ist eine Äußerung "I'm so unhappy!" mit dem impliziten Appell "Do scmething about it!" keine expressiver, sondern ein impliziter direktiver Sprechakt). Dies wirft die Frage 12 Für eine sozio-psychologische Analyse von Anklage/Beschuldigung und Entschuldigung/Rechtfertigung vgl. Goffman (1967) und Scott/Lyman (1968). 13 Kaimentare können sich entweder auf die sprachliche Äußerung selbst (z.B. die Wortwahl) beziehen, sie haben dann metasprachliche Funktion wie in (i), oder sie beziehen sich auf allgemeine Prinzipien der Konversation (ii) oder der Höflichkeit (iii) und erfüllen so eine wichtige interaktioneile Funktion: (i) Subconsciously, if you knew what I mean/if that's the word, I knew something was wrong. (ii) Jan's pregnant, if you don't know already. (iii) Half your paper is plagiarized, if I may say so. Mein Gebrauch des Terminus unterscheidet sich deshalb von dem Posners (1972). Bei den hier zur Diskussion stehenden Äußerungen handelt es sich um Selbstkommentare eines einzelnen Sprechers, mittels derer er seine sprachliche Formulierung oder den kommunikativen Effekt seiner Äußerung modifizierend abschwächen kann. Ihre Relevanz liegt auf der Ebene der konkreten Interaktion. Posners Kaimentare dagegen sind dialoggebunden; sie sind Äußerungen des einen Dialogpartners, der auf vorangegangene Äußerungen des anderen mit Zustimmung, Ablehnung, Entrüstung, Bedauern, etc., reagiert. Diese kcnmentierenden Äußerungen zieht Posner in einem 'Kammentartest' heran, um die kommunikative Gliederung von Sätzen in Relation zu ihrer semantisch-pragmatischen Repräsentation freizulegen: Daraus, daß die Information x im Satz y direkt kerrmentiert wird, ist zu schließen, daß sie unter allen Informationen dieses Satzes die größte kannunikative Relevanz hat (11).

134

auf, ob Wunderlichs Konstrukt der Interaktionsbedingung als alleiniges Klassifikationskriterium zureichend ist und ob nicht auch die illokutionäre Absicht des Sprechers ein konstitutives Mcxnent des Sprechakttyps sein muß. In der folgenden Typologie habe ich versucht, beides zu berücksichtigen, indem ich Searles Sprechaktbedingung beibehalten, seine essential rule jedoch als interactional condition formuliert habe, welche die durch den Sprechakt eingeführte Interaktionsbedingung scwie deren Erfüllensbedingung angibt. Bei denjenigen illokutiven Typen, die keine neuen Interaktionsbedingungen einführen, sondern auf sie reagieren, erscheint die Interaktionsbedingung in der preparatory condition (bei den Satisfaktiven und Kaimentaren) oder im prepositional content (bei den Retraktiven). Searles sincerity condition habe ich als propositional attitude condition angeführt, um auszudrücken, daß Aufrichtigkeit kein konstitutives Klassifikationskriterium ist. Unter 5. habe ich jeweils versucht, das Konzept der relevant response, in dem sich die Konventionalität der Sprechaktabfolgen niederschlägt, inhaltlich zu füllen. Das Wissen um relevante Erwiderungen gehört zur pragmatischen Kompetenz der Kcmnunikationspartner und befähigt sie dazu, indirekte Sprechakte abzuleiten (s.u. 3.3.2.2.). Akzeptable Reaktionen auf vorangegangene Äußerungen sind: A. Den Sprechakt zu akzeptieren und entsprechend positiv darauf zu reagieren. B. Den Sprechakt zu problematisieren, in Zweifel zu ziehen, rückzufragen, etc. C. Den Sprechakt zurückzuweisen und entsprechend negativ darauf zu reagieren. Wegen des hohen Allgemeinheitsgrades dieser Reaktionsmöglichkeiten,von denen man eine wählen muß, will man sich nicht unkooperativ verhalten, schlage ich vor, sie als Sufcmaxime der Relevanzmaxime zu formulieren. Diese lautet nun wie folgt (vgl. auch 2.4.1.): Die von ihm auf dieser Basis erarbeitete Satzanalyse versteht Posner als einen über die Ansätze von Halliday, Fillnore, Gruber und die der Prager Schule hinausgehenden Schritt auf dem Weg zu einer funktionalen Grarrmatik. Seine Kaimentare sind also für die unter der konkreten Ebene der Sprechakte liegende abstraktere Ebene der Sprachstruktur relevant. Eine den Posnerschen Karmentaren vergleichbare Rolle nehmen die weiter unten behandelten mit if vollziehbaren Einschränkungen der logischen Folgerungen von Sätzen ein, da man auch bei diesen davon ausgehen kann, daß sie diejenige Information modifizieren, die die größte kommunikative Relevanz besitzt (vgl. 4.2.3.1.).

135

(i)a. Only say any sentence S^ made up of *yp', if £ either entails or implicates seme proposition g which is also implicated by . b. Respond to previous utterances by accepting, questioning or rejecting them. (One can question or reject a previous utterance by questioning whether or denying that one or more of the speech act conditions hold.) (ii) Make the form of your utterance relevant to its content. Die folgerden illokutiven Typen werden von mir unterschieden: I. REPRESENTATIVE (Behauptungen) 1. Propositional content Any proposition p. 2. Preparatory condition S has evidence for the truth of p. 3. Proposititional attitude condition S expresses the belief that p is true. 4. Interactional condition a. Introduces an obligation far S to undertake that p represents an actual state of affairs. b. Is fulfilled if p is true. 5. Relevant response Agreement, disagreement, contradiction, expression of doubt, disbelief. II. EROTETISCH (Fragen) A. Echte Frage 1. Any proposition or propositional function p. 2. a. S does not knew if p is true/the information to complete the proposition tally. b. S believes H knews if p is true/the information to oanplete the proposition truly. 3. S expresses a desire to obtain this information. 4. a. Introduces the obligation for H to provide the information required by S. b. Is fulfilled when H has provided that information. 5. Answer, refusal to answer, evasion, giving reason for not being able to answer.

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b. Prufungsfrage 1. Any proposition or propositional function p. 2. a. S kncws whether p is true/the information to complete the proposition truly. b. S does not know if H knows whether p is true/the information to ocmplete the proposition truly. 3. S expresses a desire to knew if H knows whether p is true/the information to complete the proposition truly. 4. a. Introduces the obligation for H to provide the information required by S. b. Is fulfilled when H has provided that information. 5. Answer, evasion, giving reason for not being able to answer. III. Direktive (Aufforderungen, Ratschlage, Warnungen) 1. S predicates a future act A of H. 2. S believes that H is able to perform A. 3. S expresses a desire for H to do A/abstain frcm doing A. 4. a. Introduces an obligation for H to do A/abstain frcm doing A. b. Is fulfilled when H has done A/abstained frcm doing A. 5. Compliance, refusal to ccmply, request for reason, doubting the authority of S, giving reasons for not doing/being unable to do A. Untertyp EXHORTATIVE (Anklagen, Beschuldigungen) 1. Past act A of H. 2. A has disturbed the social equilibrium. 3. S expresses a desire for H to re-establish the social equilibrium. 4. a. Introduces an obligation for H to re-establish the social equilibrium, b. Is fulfilled when H has re-established the social equilibrium. 5. Excuse, justification, oounteraccusation, denial. IV. KQMMISSTVE (Versprechen, Drohungen, Angebote) 1. S predicates a future act A of S. 2. a. S is able to perform A. b. S believes that H would prefer/would not prefer his doing A to his not doing A. 3. S expresses the intention of carrying out A. 4. a. Introduces an obligation for S to do A. b. Is fulfilled when S has done A. 5. Acceptance, rejection, thanks.

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V. KOHORTATIVE (Einladungen, Vorschläge) 1. S predicates a future act A of S and/or H. 2. a. S and/or H is/are able to perform A. b. S believes that H would prefer doing A to not doing A. 3. S expresses a desire for S and/or H to do A. 4. a. Introduces an obligation for S and/or H to do A. b. Is fulfilled when S and/or H have done A. 5. Compliance, refusal, counterproposal, request for reason, objection. VI. SATISFAKTIVE A. Echte Satisfaktive (Entschuldigungen, Rechtfertigungen) 1. Any proposition p expressing the propositional attitude condition. 2. a. Past act A of S has disturbed the social equilibrium b. and thereby (or past act A' of H) has introduced an obligation for S to re-establish it. 3. a. S expresses the belief that A was bad but denies full responsibility, b. S accepts responsibility for A but denies the pejorative quality associated with it. 4. Is fulfilled when a. S has offered to re-establish the social equilibrium b. H has accepted the offer. 5. Acceptance, rejection. B. Danksagungen 1. Any proposition p expressing the propositional attitude condition. 2. a. Past act A (or intention i or attempt a) of H has disturbed the social equilibrium, b. ana thereby has introduced an obligation for S to re-establish it. 3. S expresses gratitude for A (or i, or a). 4. Is fulfilled when S has re-established the social equilibrium. C. Antworten 1. Any proposition p entailed by past act A of H. 2. a. H, by A, has expressed a desire to obtain the information contained in p b. and thereby has introduced an obligation for S to provide that information. 3. S expresses the belief that p is entailed by A. 4. a. Introduces an obligation for S to undertake that p is entailed by A. b. Is fulfilled if p is so entailed. 5. Thanks, agreement, expressions of surprise, doubt, disbelief.

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VII. RETRAKTTVE (Erlaubnis, Korrektur einer Behauptung, Zurückziehen eines Versprechens) 1. Any proposition p expressing a social or scientific norm N in context C which entails the interactional condition q. 2. S is authorized to retract q. 3. S expresses the intention to retract q. 4. Is fulfilled when q has been retracted. 5. Acceptance, thanks, objection, rejection. VIII. DEKLARATIONEN (Ernennungen, Definitionen) 1. 2. 3. 4.

Any proposition p expressing S is authorized to introduce a. Introduces an obligation b. Is fulfilled when N or P

a social or scientific norm N or procedure P. N or apply P. for S and H to observe N or P. are being observed.

5. Observance, disregard. IX. VOKATIVE (Anreden, Aufrufe, Anrufe) 1. Any form of address. 2. H is able to perceive and respond. 3. S expresses a desire to draw H's attention to utterances or actions of his or for H to direct utterances or actions to him. 4. a. Introduces an obligation for H to direct his attention to S. b. Is fulfilled when H has directed his attention to S. 5. Acknowledgment, disregard. X. EXPRESSIVE Siehe die Diskussion unter 3.2.4. und 3.3.1. XI. KOMMENTARE (redekcnmentierende und -strukturierende Äußerungen) 1. a. Any speech act A or conversational contribution C infringing the rules of Clarity and Politeness, b. Any discourse oanmenting or discourse structuring device. 2. By the Rules of Clarity and Politeness regulating conversation (s.u. 3.3.1.) , an obligation has been introduced for S to modify his speech act or conversational contribution. 3. S expresses a desire to observe the Rules of Clarity and Politeness. 4. Is fulfilled when S has modified A or C. 5. Acceptance, non-acceptance.

139

3.2. Zur Darstelllang der illokutiven Kraft in der Grammatik Die logische Sprachanalyse und traditionelle Semantik befaßten sich fast ausschließlich mit Aussagen im Deklarativmodus. Da van Äußerungscharakter der Aussage abstrahiert wurde, konnte man auch darauf verzichten, die Semantik des Deklarativmodus zu untersuchen, so daß man sich ganz auf die Analyse von Propositionen beschränkte. Die Erweiterung der logischen Sprachanalyse auf nichtdeklarative Aussagen brachte nun nicht nur die Notwendigkeit mit sich, Wahrheits- oder Gelingensbedingungen für diese neuen Aussagetypen zu formulieren, sondern erforderte auch eine Revision der Analyse für deklarative Aussagen. Bei den neueren Arbeiten, die sich mit diesem Problem beschäftigen, ist allerdings oft nicht klar, ob sich die vorgeschlagenen Analysen auf die Semantik der grammatischen Satzmodi oder auf die Darstellung der illokutiven Kraft von Äußerungen beziehen. Diese Unklarheit rührt daher, daß sich die Literatur zur Darstellung der nicht-deklarativen Sätze in der Sprachtheorie vornehmlich mit jenen Modi befaßt, die unmißverständlich einen illokutiven Typ ausdrücken: Dan Interrogativ, Imperativ und Deklarativ, bei denen in direkter Kommunikation Satzmodus und illokutiver Typ zusamnenfallen. Letztlich ist diese Verwirrung auf eine Vermischung der lokutionären und illokutionären Ebene von Sprache zurückzuführen, wie sie schon für die Bivalenz des Präsuppositionsbegriffs verantwortlich war. Wir müssen jedoch fragen, ob man nicht unterscheiden muß zwischen dem Deklarativmodus des Satzes und der assertiven Äußerung oder Behauptung, zu welcher er verwendet werden kann; zwischen den grarrmatischen Modi Interrogativ, Imperativ und Optativ und den Sprechakten, welche mit den entsprechenden Sätzen vollzogen werden können. Für die Bedeutungstheorie, welche die Basis einer Sprachverwendungstheorie bilden muß, bleibt so die Aufgabe, die Bedeutung der Satzmodi zu beschreiben und ihre Wahrheitsbedingungen zu definieren. In der neueren Literatur werden vornehmlich zwei Methoden zur Darstellung der Satzmodi diskutiert: Die Methode der Satzradikale und die Methode der performativen Paraphrasen. In der generativen Linguistik hat sich diese Diskussion in der performative analysis von Ross (1968) niedergeschlagen, während Wunderlich (1976/III) eine "Skizze zu einer integrierten Theorie der grarrmatischen und pragmatischen Bedeutung" vorgelegt hat, in der er semantische und sprechakttheoretische Fragestellungen weiterentwickelt. Die Grundfrage dieser Arbeiten lautet: Ist die Darstellung der Satzmodi und der illokutiven Kraft von Äußerungen Aufgabe der Semantik oder der Pragmatik? Oder, auf die generative Linguistik be-

140

zogen: Kann die generative Linguistik so um pragmatische Fragestellungen erweitert werden, daß in ihr das Sprechaktpotential von Äußerungen erfaßt werden kann? 3.2.1. Die Methode der performativen Paraphrasen Ausgehend von Austins Unterscheidung von explizit und implizit performativen Äußerungen (I order you to go vs. Go!) postuliert Ross (1968) für alle Sätze einen obersten performativen Satz in der zugrundeliegenden Struktur, der aus einem Subjekt der 1. Person (I), einem performativen Verb im Indikativ Präsens und einem Objekt der 2. Person (you) besteht. Diese 'performative Analyse1 soll scwohl den granmatischen Modus als auch das Sprechaktpotential von Sätzen erfassen, obwohl Ross sie im Detail nur für Deklarativsätze ausführt. Nach der performativen Analyse erhält Satz (31) die Tiefenstruktur (32) (vgl. 224): (31)

Prices slumped. S

(32) NP

s

"

^

Der oberste performative Satz wird dann in einer transformationellen rule of performative deletion gelöscht. Diese Regel ist obligatorisch, wenn der performative Satz ein Elanent wie hereby enthält, da dies in der Oberflächenstruktur zu den von Ross (250) als ungranmatisch eingestuften Satz (33) führt;

141

sonst ist sie optional: (33)

+

I hereby tell you that prices slumped.

Diese Formulierung ist offensichtlich zu generell, denn sie würde Sätze wie (33)a. nicht zulassen: (33)a.

I hereby swear never to touch a cigarette again.

Ross hat deshalb vorgeschlagen, die Lexikoneinträge der Verben des Sagens mit einem Hinweis zu versehen, ob sie in performativer Verwendung obligatorisch gelöscht werden müssen oder nicht. Aber auch, wenn man annimmt, daß ein solcher Vermerk nur bei jenen Verben sinnvoll erscheinen kann, die eindeutig einen Satzmodus ausdrücken (also nicht bei Verben wie swear, grant, authorize, etc.), so ergibt auch diese Einschränkung der Ross'sehen Hypothese keinen Ausweg aus dem Dilemma, da auch Sätze wie (33)b.-e. völlig akzeptabel sind: (33)b.

I hereby declare this meeting closed.

c.

I hereby ask hew long we have to put up with this state of affairs.

d.

I hereby order you to leave.

e.

We hereby wish you health and prosperity in the years of you retirement.

So deutet schon die Fragwürdigkeit der rule of performative deletion auf die Unhaltbarkeit der performativen Hypothese hin. Ross versucht seine Hypothese mit den stichhaltigsten Argumenten zu erhärten, die in der generativen Linguistik möglich sind: Er führt syntaktische Beweise für die postulierten performativen Tiefenstrukturen an - 7 für zugrundeliegendes _If 3 für ein tiefenstrukturelles Verb des Sagens und 3 für zugrundeliegendes you. Die Kritik an der performativen Analyse (vgl. Fräser 1971/74, Grewendorf 1972) hat sich sowohl gegen die syntaktische Rechtfertigung der performativen Tiefenstruktur als auch gegen die Hypothese selbst gerichtet. Die syntaktischen Argumente gegen Ross1 Analyse sind bei Fräser und Grewendorf im Detail angeführt und brauchen hier nicht noch einmal wiederholt zu werden. Als Beispiel sei lediglich eine von Ross' Begründungen für zugrundeliegendes I herausgegriffen: Laut Ross erfordert die idiomatische Wendung be damned if in einfachen deklarativen Sätzen immer ein Subjekt der 1. Person (vgl. (34)a.&b.), während bei Einbettung nach einem Verb des Sagens das Subjekt von be damned if mit dem

142

Subjekt des höheren Satzes übereinstimmen maß (vgl. (35)a.&b.): (34)a. b. (35)a. b.

I'll be damned if I'll have anything to do with her. +

Ycur Uncle Frank will be damned if he'll have anything to do with her. I said that I would be damned if I'd have anything to do with her. EH said I would be damned if I'd have anything to do with her.

+

Ross' syntaktisch begründete Grammatikalitätsurteile sind jedoch bezüglich sowohl (34)b. als auch (35)b. zweifelhaft. Kriterium für die Akzeptabi Ii tat dieser Sätze ist vielmehr, daß der Sprecher über die dan Subjekt von be damned zugeschriebenen propositionalen Einstellungen gut Bescheid wissen muß (vgl. Fräser 1971/74:16). Bei (35)b. ist dies explizit dadurch gegeben, daß Sprecher urd Subjekt von be damned identisch sind und der Sprecher die beste Autorität für die Richtigkeit der berichteten Einstellung ist. Bei (34)b. muß davon ausgegangen werden, daß der Sprecher sich für die Wahrheit der berichteten propositionalen Einstellung des Subjekts von be damned verbürgt (und das kann er nur, wenn er sie auch kennt), sonst müßte er sich nämlich - etwa durch (36) davon distanzieren: (36)

Your Uncle Frank will be danned if he'll have anything to do with her, but you should see him when Aunt Martha isn't around.

Von den propositionalen Einstellungen anderer erhalten wir aber am untrüglichsten dadurch Kenntnis, daß die Betreffenden selbst uns diese mitteilen. (34)b. wäre demnach als elliptische indirekte Wiedergabe der direkten Rede von (34)c. aufzufassen: (34)c.

Your Uncle Frank told me: "I'll be damned if I'll have anything to do with her."

Eine Analyse der indirekten Redewiedergabe, wie sie etwa auch Sadock (1969) im Rahmen der generativen Granmatik in Form von Hypersätzen zu motivieren versucht hat, gehört nicht zum Thana dieser Arbeit. Es ist jedoch klar, daß eine solche Analyse in wesentlicher Weise auf semantische Abhängigkeiten und pragmatische Prinzipien der Karmunikation Bezug nehmen muß, so daß die von Ross angeführten Beispiele gar nicht mit syntaktischen Argumenten allein zu diskutieren sind. Sie können daher auch nicht zur Erhärtung einer syntaktisch motivierten Hypothese herangezogen werden.

143

Die Kritik an der Hypothese selbst hat sich hauptsächlich gegen den unklaren Status und Anwendungsbereich der rule of performative deletion gerichtet, scwie gegen die Behauptung, daß jeden Satz ein performativer Satz mit genau einem obersten performativen Verb, das seine illokutive Kraft urmißverständlich bestimmen soll, zugrundeliege. Letzteres ist eindeutig nicht richtig (vgl. Fräser 1971/74:4) : (37)a. b.

I admit that I concede the election. I announce that I hereby promise to be timely.

Der Sprechaktcharakter dieser Sätze ist komplex und läßt sich nicht durch ein einziges performatives Verb wiedergeben: "Force-multiplicity is direct oounterevidence to the PA claim of one sentence one force"(Fräser 1971/74:4). (37)b. zeigt zudan, daß auch explizite performative Sätze mit hereby unter einen obersten performativen Satz eingebettet werden können, was der Anwendungsbe14 dingung für die performative Tilgungsregel widerspricht. In Anbetracht der - noch relativ einfachen - force-multiplicity der Beispielsätze muß man fragen, ob das Sprechaktpotential von Sätzen überhaupt in deren Tiefenstruktur als einfache Relation illokutionäre Kraft/performatives Verb darstellbar ist und ob nicht die auch bei Ross gleich behandelten Kategorien von granmatisehen Modus und illokutiver Kraft besser zu trennen seien. So herrscht ja nicht nur bei Einbettung performativer Sätze Unklarheit bezüglich der illokutiven Kraft - vielmehr ist illokutive Vagheit ja der Normalfall menschlicher Kannunikation. So könnte die performative Analyse zwar dem Satz (38)a. die Tiefenstruktur (38)b. zuordnen, ob es sich bei der Äußerung des Satzes jedoch um einen Befehl, ein Ersuchen oder eine Bitte handelt - oder ob der Sprecher diese Frage gerade offenlassen möchte - hängt von der Äußerungssituation ab und kann nicht in der Tiefenstruktur des Satzes erscheinen.

14 Die Tilgungstransformation ist auch aus anderen Gründen angreifbar: Da der performative Satz bedeutungshaltig ist, kann er nicht einfach gelöscht werden, ohne daß die Bedeutung des gesamten Satzes verändert würde (vgl. L. Cohen 1964:122f.). Implizit performative Sätze und ihre performativen Paraphrasen haben nicht dieselbe Intension.

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(38)a. b.

Go! S

Das gleiche gilt für G. Lakoffs (1972a:566f.) Argument, gewisse Nebensätze mit since, in case, if seien nur unter Bezug auf einen performativen Satz in der logischen Struktur analysierbar, da sie nicht den Oberflächenhauptsatz, sondern den performativen Satz modifizieren. So ist (39)a. zwar nur im Rückgriff auf (39)b. granmatisch, jedoch legt (39)b. die 'Stärke' dieser direktiven Äußerung keineswegs fest: (39)a. b.

Since I am tired, go haue. Since I am tired, I order you to go heme.

Die These der generativen Semantik, "illocutionary force is that part of the meaning of a sentence which corresponds to the highest clause in its semantic representation"(Sadock 1974:19) ist deshalb nicht haltbar. Dagegen wäre es möglich, mit der Methode der performativen Analyse die grammatischen Modi in der Tiefenstruktur darzustellen, wobei der performative Satz die abstrakten Satzmodusindikatoren DECLARE, ASK und REQUEST für Deklarative, Interrogative und Imperative enthalten würde, etwa wie von Sadock (1974:18) angegeben. Dieses Vorgehen rückt die performative Analyse in die Nähe der Methode der Satzradikale. Lewis (1972) Vorschlag zur Darstellung der Bedeutung nicht-deklarativer Sätze in der Tiefenstruktur mittels performativer Paraphrasen betont das bei Ross ausgesparte Problem ihrer Wahrheitswerte. Im Gegensatz zu Austin, der ja performativen Sätzen Wahrheitsfähigkeit absprach, hält Lewis grundsätzlich alle Sätze für wahr oder falsch, wobei sich der Wahrheitswert nicht-deklarativer Sätze nicht nach der ausgedrückten Proposition, sondern nach der performativen Paraphrase richtet. Insofern sind alle nicht-deklarativen Sätze trivialerweise wahr:

145

"If I say to you 'Be late!' and you are not late, the smbedded sentence is false but the paraphrased performative is true because I do cxrmand that you be late" (210). Dies macht nun aber eine Sonderbehandlung der deklarativen Sätze erforderlich: Wenn z.B. jemand aufrichtig äußert I declare that the earth is flat, dann hat er nach Lewis wahrhaftig gesprochen, seine Erklärung ist scmit wahr, der propositionale Gehalt der Erklärung jedoch ist falsch. Deklarative Sätze dürfen deshalb in ihrer Tiefenstruktur keine performativen Paraphrasen erhalten, wie es die performative Analyse vorsieht, da dies ihre Wahrheitsbedingungen verzerren würde (210). An dieser Auffassung ist jedoch zu kritisieren, daß sie nicht unterscheidet zwischen Wahrheitsbedingungen für Sätze und Gelingensbedingungen für Sprechakte. Lewis hat zwar (1969:Ch.5) Wahrhaftigkeitskonventionen aufgestellt, die zwischen den beiden verschiedenen Arten von Bedingungen vermitteln, greift diese jedoch in der späteren Arbeit nicht mehr auf. Die Methode der performativen Paraphrasen hat aber noch einen anderen Nachteil: Sätze wie oannand you to be late sind hinsichtlich ihrer möglichen Verwendungsweisen ambig - sie können entweder in der performativen Bedeutung (hier direktiv) oder in deskriptiver (deklarativer) Bedeutung verstanden werden. Die Methode der performativen Paraphrasen ist nicht in der Lage, diese Ambiguität zu erfassen. 3.2.2. Die Methode der Satzradikale Nach der Methode der Satzradikale wird in jedem Satz unterschieden zwischen der ausgedrückten Proposition und den Satzoperatoren, welche den indikativischen (deklarativen), iirperativen und interrogativen Satzmodus anzeigen (vgl. Stenius 1967:254f.): (40)a. b. c.

It is the case that John lives here now.

I(p)

Let it be the case that John lives here ncw. Is it the case that John lives here now?

!(p) ?(p)

Diese Strukturen können tiefenstrukturell abgebildet werden: S

(41)

MOOD declarative interrogative ^imperative

SENTENCE RADTCAT.

146

Die Ambiguität von Sätzen wie JE ccrrriand you to be late läßt sich nun einfach dadurch explizieren, daß der Satz eirmal den Imperativmodus mit dem Radikal that you be late erhält, im anderen Falle aber den Deklarativrrodus mit dem Radikal oanrnand you to be late. Im Unterschied zu der Methode der performativen Paraphrasen wird der Wahrheitswert des Satzes hier vcm Satzradikal bestiimvt, so daß sich das Problem der Wahrheitsbedingungen nicht-deklarativer Sätze nicht mehr stellt. Dafür muß jedoch eine Satzmodussemantik entwickelt werden. Stenius (1967:268,273) versucht dies über die folgenden Regeln, welche die Verwendung der Satzradikale in den einzelnen Modi steuern: (42)a.

Produce a sentence in the indicative mood only if its sentence radical is true.

b.

React to a sentence in the imperative mood by making the sentence radical true.

c.

Answer the question by 'yes' or 'no' according as its sentence radical is true or false.

Diese Regeln, welche die Bedeutung der Modi angeben sollen ("the imperative means, according to the rules of language, that the hearer 'shall' do the act" (273)), sind jedoch ausschließlich pragmatische Regeln. Sie erinnern an Searles Sprechaktbedingungen, differenzieren aber nicht zwischen Sprecher- und hörerseitigen Regeln. Zudem thematisieren sie nicht, wie Searles Regeln, den propositionalen Gehalt, so daß Satzradikale und Modusoperator beliebig kcmbinierbar erscheinen. 3.2.3. Die semantische Zerlegung (Wunderlich) Aus dem fragwürdigen methodologischen Status der Methode der Satzradikale schließt Kanngießer (1973:13f.), daß eine Modussemantik gar nicht entwickelt werden könne, da sie eine Pragmatisierung der Semantik nach sich ziehe, die es zu vermeiden gelte. Er optiert deshalb für die Eliminierung der Satzmodi aus 15 Ein ähnliches Vorgehen findet sich in Filimores (1968) Zerlegung des Satzes in modality und proposition. Die Methode der Satzradikale wird auch von Grice und Searle verwendet.Anders als bei Stenius und Grice, die die Satzmodusoperatoren lediglich auf die grannatischen Modi beziehen, finden wir aber bei Searle wieder die Gleichstellung von Modus und illokutiver Kraft. Searle (1969a:31) gibt die folgenden Symbolisierungen illokutionärer Akte an: (p) for assertions, !(p) for requests, Pr(p) for prcmises, W(p) for warnings, ?(p) for yes-no questions.

147

der Granmatik durch die Methode der performativen Paraphrasen. Der Preis dieser Lösung ist allerdings, daß sich keine semantischen Unterschiede zwischen z.B. Fragesätzen und Befehlssätzen mehr feststellen lassen (weil alle nicht-deklarativen Sätze die gleichen Wahrheitsbedingungen haben). Er ist nach Kanngießer jedoch noch höher: Da die Lewis-Semantik nichts über die mögliche Verwendung von Sätzen in Sprechakten aussage, sondern lediglich die Bedeutung deklarativer und nicht-deklarativer Sätze erlaube, schließt Kanngießer, daß der propositionale Gehalt eines Satzes keineswegs die illokutive Kraft seiner möglichen Äußerungen bestinme und weiter: Auf eine semantische Theorie der Satztypen kann mithin verzichtet werden und zwar deshalb, weil die Typzugehörigkeit nichts über die Klasse der Sprechhandlungen besagt, die mit der Äußerung eines Satzes S, der einen Gehalt G hat, vollzogen werden können; nicht verzichtet werden dagegen kann auf eine Theorie der illokutiven Kraft von Äußerungen - diese Theorie aber ist im Rahmen der Pragmatik und nicht im Rahmen der Ssnantik zu entwickeln (19). Schlüssig ist dann auch Kanngießers Zurückweisung des Searleschen Anspruchs, die Sprechakttheorie sei eine Theorie der langue. Ich habe jedoch schon unter 3.1.2. darauf hingewiesen, daß Satztyp und illokutive Kraft keineswegs voneinander unabhängig sind (vgl. Beispiele (29 und (26)). Es ist vielmehr so, daß die Satzmodi in ihrem Sprechaktpotential unterschiedlich variabel sind - der Imperativ eindeutig direktiv, der Deklarativ hinsichtlich seiner Anwendungsbreite am neutralsten - und diese Variabilität muß eine Funktion der Modusbedeutung sein. Diese Funktion zu explizieren und die entsprechenden Wahrheitsbedingungen einzugeben, bleibt semit weiterhin als Forderung an eine Darstellung der Satzmodi bestehen. Die bisher beschriebenen Schwierigkeiten - entweder ist die Bedeutung der Satzmodi als solche gar nicht erfaßbar bzw. muß auf den groben Unterschied zwischen deklarativen und nicht-deklarativen Sätzen reduziert werden (Lewis 1972), oder aber sie läßt sich nur unter Rekurs auf Regeln des Sprachgebrauchs beschreiben (Stenius 1967) - weisen darauf hin, daß eine befriedigende Modussemantik in der Tat die typischen Verwendungsweisen von Deklarativ-, Imperativ- und Interrogativsätzen wird berücksichtigen müssen. Dies muß nicht zu einer Pragmatisierung der Sanantik führen, gegen die ich ja schon mehrfach argumentiert habe. Wie an anderer Stelle, bietet sich auch hier das Konstrukt des neutralen Kontexts für die Analyse an. Der Beitrag des Imperativmodus zur Bedeutung von (43) läßt sich in Anlehnung an Vianderlieh (1976/IV: 134) wie folgt präzisieren:

148

(43)

Go hone! Jede Äußerung von /43_7 in einan bezüglich /437 neutralen Kontext realisiert einen direktiven Sprechakt, d.h. eine Aufforderung im Unterschied etwa zu einer Frage oder einer Behauptung.

Dieses Vorgehen gibt zugleich eine Möglichkeit an die Hand, zwischen Modus und illokutiver Kraft zu unterscheiden: Der neutrale Kontext kann jedoch nicht zwischen einer befehlenden oder bittenden, anweisenden, instruierenden oder ratenden Verwendung von /"43\] differenzieren; eine derartige Differenzierving ist nur pragmatisch unter Berücksichtigung eines reicheren Kontextes möglich (134). Wir können verallgemeinernd sagen, daß alle granmatischen Modi charakteristischerweise illokutive Typen ausdrücken: Der Imperativmodus den Direktivtyp, der Interrogativroodus den erotetischen Typ, der Deklarativmodus den Repräsentativtyp. Da man aber mehr als diese drei illokutiven Typen unterscheiden muß (vgl. 3.1.4.), ist es theoretisch möglich, weitere grammatische Modi zu postulieren. So unterscheidet z.B. Lewis (1969) neben dem Indikativ- (=Deklarativ) und Imperativmodus (zu welchem er die Fragen rechnet) noch einen Karmissiv- und Permissivmodus. Es liegt auch nahe, in den diffusen Deklarativmodus noch weitere Modi zu unterscheiden. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Ausdehnung des herkätml ichen Modusbegriffs hängt von Untersuchungen zur typischen einzelsprachlichen Ausprägung der verschiedenen illokutiven Typen ab (die auch zu einer Revision der hier vorgeschlagenen Typologie führen können) und kann beim derzeitigen Stand der Sprechakttheorie noch nicht getroffen werden. Die Präzisierung der Semantik der illokutiven Typen und deren Wahrheitsbedingungen soll nun im Rahmen der von Wunderlich (1976/III) umrissenen "integrierten Theorie der grammatischen und pragmatischen Bedeutung" kurz skizziert werden.^ Es gibt neben den beiden oben dargestellten Methoden zur Beschreibung von Modus/ illokutiver Kraft in der Sprachtheorie noch eine weitere, rein sanantische Position, wie sie z.B. L.J. Cohen vertritt (s. besonders 1964,1974). Nach Cohen hängt die Bedeutung einer Äußerung von der Bedeutung des geäußerten Satzes und kontextuel1er Information ab. Die Satzbedeutung schließt semantic force (Satzmodus, wofür 16 Katz' Theorie der illokutiven Typen, erwähnt bei Wunderlich (1976) als Katz (1975), stellt offenbar einen mit Wunderlichs Theorie nahezu identischen Ansatz dar. Da das Buch bei Abfassen dieses Kapitels noch nicht greifbar war, konnte es nicht berücksichtigt werden.

149

Cohen die Analyse allerdings schuldig bleibt) und semantische Modalität ein (Modalverben wie may, ought, must; Adverbien wie probably, necessarily, possibly; die Kategorien Indikativ und Konjunktiv), welche den Bereich der mit dan Satz realisierbaren Sprechakte wesentlich einschränken bzw. mitbestimmen.

Dies dürfe

jedoch nicht dazu verleiten, jene Sprechakte selbst als der langue zugehörig zu betrachten;

diese seien vielmehr kontextabhängig und somit nicht Gegenstand der

Linguistik: ... the meaning of a sentence1s utterance on a particular occasion is determined by the meaning of the sentence in the langue' as disambiguated by the context, and since the meaning of the sentence in the 'langue' must be supposed to include its modality and semantic force these elements are present also in the meaning, stricto sensu, of the utterance. Whatever else affects the so-called illocutionary force of the utterance starts frcm its context, not from the composition of the sentence uttered. Hence there is no feature whatever of the sentence in the langue that can be related to the illocutionary force of an utterance analogously to the way in which the meaning of the utterance is related to the meaning of the sentence uttered. Illocutionary force, whatever it may be, is not a topic for linguistics (Cohen 1974:197). Wunderlichs sprechakttheoretische Analyse der Bedeutung von Äußerungen vermittelt zwischen rein semantischen Positionen wie der von L.J. Cohen und der vergleichsweise mehr am Sprechakt orientierten Position z.B. Searles.

Diese Vermittlung

wird möglich durch die Annahme mehrerer Interpretationsebenen, wcdurch auch den verschiedenen, den Sprechakt regulierenden Typen von Konventionen Rechnung getragen wird. 3.2.3.1.

Auf der Ebene der Syntax wird einem Äußerungsprodukt e eine Menge von

Farmen einer Sprache, relativ zu einem raumzeitlichen Kontext C und zu einem Sprachsystem L zugeordnet.

Jede Form einer Sprache ist eine Sequenz 1 von Wör-

tern (lexikalischen Einheiten), die in einer Konstruktion k geordnet sind (hier handelt es sich im Oberflächenstrukturen): form (e,C,L) 3.2.3.2.

= {f

:

f

= }

Auf der Ebene der Sanantik wird jeder Form einer Sprache relativ zu

einer Instanz dieser Form, einen raumzeitlichen Kontext C und einen Sprachsystan L eine Bedeutung zugeordnet.

Diese Bedeutung ist eine Funktion eines propositio-

nalen Gehaltes p, einer propositionalen Struktur str(p), einem Positionstyp E und einem illokutiven Typ K: 17 Vgl. zum folgenden Wuiväerlich (1976/111:64-110).

150

bedeutung (f,C,L) = (b : b = J Jeder propositionale Gehalt hat eine spezifische Struktur, welche bestürmt, mit welchem illokutiven Typ er kambinierbar ist. Wunderlich unterscheidet vier Arten von propositionalen Gehalten: Propositionen (z.B. bei Behauptungen), offene Propositionen (diese enthalten mindestens eine Leerstelle, die durch ein Individuum des Verwendungskontextes zu ersetzen ist, bei Aufforderungen z.B. durch den Adressaten), Prädikatsbegriffe (z.B. bei W- und Ergänzungsfragen), Propositionsbegriffe (z.B. bei Entscheidungs- und Alternativfragen). Positionstypen sind Typen propositionaler Einstellungen, welche die Kanmunikationsteilnehmer zu den propositionalen Gehalten einnehmen. Sie können durch verschiedene Arten von Funktoren ausgedrückt werden: epistemische (wissen, denken,zweifeln), doxastische (glauben, überzeugt sein, unterstellen), normative (müssen, sollen), motivationale (wünschen, möchten), intentionale (wollen, beabsichtigen, werden), präferentielle (vorziehen, für besser finden), evaluative (schlecht finden, zu ... finden, für gut halten), expectative (erwarten, annehmen, hoffen, befürchten). In den verschiedenen Positionstypen ist so u.a. Cohens semantic modality aufgehoben. Illokutive Typen ordnen propositionalen Gehalten eine bestinmte illokutive Kraft zu. Sie können ausgedrückt werden durch granmatische Modi, explizit performative Formeln, Satzintonation und Partikel im Satz. Wunderlich unterscheidet 8 illokutive Typen: Direktiv, Ccnmissiv, Erotetisch, Repräsentativ, Satisfaktiv, Retraktiv, Deklaration und Vokativ. Wie schon unter 3.1.4. erwähnt, charakterisiert er die illokutiven Typen in bezug auf die Interaktionsbedingungen, welche sie einführen (initiative Sprechakte) oder erfüllen (reaktive Sprechakte). Die semantisch-logischen Eigenschaften der illokutiven Typen werden im Hinblick auf eine im Rahmen der Modallogik noch zu entwickelnde logische Theorie der Bedingungen formuliert, die ausgeht von einer Menge möglicher Welten und einer Zeitrelation, die jede mögliche Welt in eine Sequenz von Weltzuständen ordnet. Für eine an den Adressaten 'Peter' gerichtete Aufforderung "Schließ' die Tür" ergeben sich so vereinfacht die folgenden Wahrheits- und Erfüllensbedingungen: (A) (B)

Peter zur Zeit t erfüllt die Bedingung (die hier eine offene Proposition ist), daß jemand die Tür schließt, genau dann, wenn es wahr ist zur Zeit t, daß Peter die Tür schließt. Das Türschließen zur Zeit t durch Peter erfüllt die Bedingung, daß Peter die Tür schließen soll, genau dann, wenn es wahr ist zur Zeit t, daß Peter die Tür schließt(76).

151

Während (A) eine Definition der Wahrheit zur Verfügung stellt ('Es ist wahr zur Zeit t, daß Peter die Tür schließt')» wird diese in (B) vorausgesetzt, um zu definieren, was die Erfüllung einer Interaktionsbedingung ist ('daß Peter die Tür schließen soll'). Als Beispiel sei die Präzisierung der Wahrheits- und Erfüllungsbedingungen für den Direktivtyp angeführt: Wenn s ein Satz von L mit der Bedeutung ... ,Dir) ist, wobei p eine offene Proposition A(y) mit dem Handlungsbegriff A ist, dann führt die Äußerung von s durch S adressiert an H zur Zeit t für alle Zeiten t>t Q die Interaktionsbedingung Dir p ein, die genau dann erfüllt ist, wenn es innerhalb des Zeitintervalls (t , t +i) eine Zeit t. gibt, fso daß A(H) wahr ist in L zur°Zei? t.. f" {so daß H zur Zeit t ± die Handlung A ausführt(81) .J Die Zeit t^ hängt pragmatisch vcm weiteren Kontext, der Art der geforderten Handlung, etc. ab (so wird z.B. die Bitte um die Vermittlung eines Telefongesprächs schneller erfüllt als ein Antrag auf Steuerrückerstattung). Für die pragmatische Interpretation unterscheidet Wunderlich zwei Ebenen: die Ebene der institutionellen Pragmatik und die Ebene der situationeilen Pragmatik. 3.2.3.3. Auf der Ebene der institutionellen Pragmatik werden sprachliche Äußerungen relativ zu einem bestimmten Handlungssystem N und einan raumzeitlichen Kontext C interpretiert. Jedes Handlungssystem charakterisiert eine Institution der Gesellschaft und enthält deren spezifische Interaktionszusamnenhänge, Konventionen, Erwartlangen, Normen und Sanktionen. Solche Handlungssysteme, deren 18 Bedingungszusanmenhänge noch kaum erforscht sind, bleiben in der Regel im Laufe einer Interaktion oder eines Diskurses konstant. Auf dieser Ebene werden die auf der semantischen Ebene ausgedrückten propositionalen Einstellungen und illokutiven Typen pragmatisch interpretiert, indan eine Sinn-Funktion ihnen jeweils eine Menge einzelner mit dam Sprechakt assoziierter Einstellungen des Sprechers und eine Menge h einzelner Interaktionsbedingungen zuordnet: sinn (b,C,N) = s = Scwohl die propositionalen Einstellungen als auch die illokutiven Typen werden jeweils doppelt in bezug auf die spezifischen Interaktionsbedingungen und Einstellungen des Sprechers interpretiert. Für die illokutiven Typen ergibt diese Interpretation hinsichtlich der anzunehmenden propositionalen Einstellungen kanplexe sprecherspezifische Intentionen, 18 Vgl. jedoch Ehlich/Rehbein (1972) zur Institution Speiserestaurant.

152

wie sie etwa von Grice (1957,1968b,1969) und Strawson (1964/71) sowie in Searles sincerity oondition formuliert worden sind. Die Interpretation bezüglich der Interaktionsbedingungen ergibt sprechaktspezifische Interaktionsbedingungen, die z.B. die in einem Handlungssystem herrschenden Autoritätsverhältnisse reflektieren und es z.B. für den Direktivtyp erlauben, die 'Stärke' der eingeführten Interaktionsbedingung zu differenzieren. Interpretation der propositionalen Einstellungen für den Direktivtyp: 1. S wünscht/präferiert, daß H die Aktion A ausführt. 2. S intendiert, daß H diese Einstellung erkennt. 3. S intendiert, daß H bereit ist, die Aktion A auszuführen (98). Interpretation der Interaktionsbedingungen für den Direktivtyp: Wenn s ein Satz von L mit der Bedeutungist, wobei p eine offene Proposition A(y) mit dan Handlungsbegriff A ist, dann führt die Äußerung von s durch S, adressiert an H zur Zeit t in dem Kontext C und dem Handlungssystan N, die Obligation für H relativ zu S ein, die Handlung A auszuführen, wobei sich die Stärke der Obligation aus C und N ergibt. (Hier wären dann z.B. gemeinsames Interesse, Befehlsbefugnis, physische Überlegenheit o.ä. zu spezifizieren...)(94). Die Positionstypen werden im Prinzip ebenso wie die illokutiven Typen interpretiert. Zum Zwecke einer übersichtlichen Darstellung gebe ich hier nur an, daß so in einem gegebenen Kontext C und N verschiedene Realisierungen einer Aufforderung dieselbe Sinn-Interpretation erhalten können: (44)a.

Schließ das Fenster!

b.

Ich möchte, daß du das Fenster schließt.

c.

Kannst du das Fenster schließen?

Bei (44)b. kann aus dem ausgedrückten Wunsch des Sprechers geschlossen werden, daß eine Obligation für den Hörer eingeführt wurde, die Handlung A auszuführen; abhängig von einem anderen C und N kann (44)b. aber auch einen repräsentativen Sprechakt realisieren; das gleiche gilt für (44)c. (vgl.100). Die Ableitung der indirekten Aufforderung, die nach der Sear]eschenAnalyse dadurch ausgeführt wird, daß eine der Sprechaktbedingungen verbalisiert wird (bei (44)b. ist es die propositional attitude condition, bei (44)c. die preparatory 19 condition), wird über die Interpretation der Positionstypen wie folgt präzisiert: 19 Vgl. Searle 0973,1975) und 3.3.2.2. unten.

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Wenn s. ein Satz im Imperativmodus ist, dann führt die Äußerung von s^ durch S adressiert an H die Obligation für H ein, eine Aktion A auszuführen; und daraus kann geschlossen werden (in C und N), daß S wünscht, daß H die Aktion A ausführt. Wenn s 2 ein Satz mit einem rrotivationalen Funktor, einem Subjektausdruck der 1. Person und einer Aktionsverbphrase V, ist, und zwar im DeklarativIndikativ-Aktiv, dann drückt die Äußerung durch S adressiert an H den Wunsch von S aus, daß H die Aktion A ausführt; und daraus kann geschlossen werden (in C und N), daß die Obligation für H eingeführt wurde, die Aktion A auszuführen (100). 3.2.3.4. Auf der Ebene der situationeilen Pragmatik werden Äußerungen in Abhängigkeit von der sich ständig ändernden sozialen Interaktionssituation interpretiert, und zwar im Rückgriff auf gemeinsane Erfahrungen der Interaktanten, spezifische Prämissen der Situation, etc. Auf dieser Ebene ordnet eine Sinn'Funktion dem Sinn s einen modifizierten Sinn s1 zu, wodurch situationeile Disambiguierungen geleistet, Andeutungen entschlüsselt werden, etc. Auf dieser Ebene wirken Schlußprozesse, wie sie Grices (partikularisierter) konversationeller Implikatur zugrundeliegen, also jene Konventionen, die verdeckte Kcmnunikation regeln und die Wunderlich (1972) Konventionen zweiter Ordnung nannte. (Konventionelle und generalisierte konversationelle Implikaturen müssen in diesem Rahmen auf einer anderen Ebene, derjenigen der institutionellen Pragmatik, angesiedelt werden.) 3.2.3.5. Die Ebene der Performanz schließlich ist nicht konventionell geregelt. Hier ordnet eine Meinungsfunktion relativ zur Motivationsstruktur von A und H und zu ihrer Wahrnehmung der Situation der Äußerung eine je Sprecher- und hörerspezifische Meinung, einen individuellen Standpunkt zu. Diese Ebene ist notwendig für die Analyse allgemein 'schiefer' Interaktionsabläufe (Mißverständnisse, Nichtübereinstimmungen, rhetorische Strategien, Sprachbarrieren). 3.2.4. Zusanmenfassung Durch die Methode der semantischen Zerlegung erfaßt Wunderlich die Relation Satzbedeutung/illokutiver Typ auf der Ebene der Semantik. Hier kann insbesondere die Erforschung des Verhältnisses Positionstyp/realisierbarer illokutiver Typ weit über die bisher eher fragmentarischen Untersuchungen zu den sogenannten illokutiven Indikatoren hinausgehen. Auf der Ebene der institutionellen Pragmatik werden die illokutiven Typen in spezifische illokutionäre Kräfte interpretiert. Ebenfalls erst auf dieser Ebene erscheinen die propositionalen Ein-

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Stellungen, die Sprecher beim Vollzug dieser Sprechakte haben. Während Austin und Searle diese für das Glücken der Sprechakte voraussetzen, werden sie bei Wunderlich aus dem vollzogenen Sprechakt geschlossen. Bezogen auf Wunderlichs Analyse wären von Searles Sprechaktregeln die propositional content rule und die essential rule (die etwa Wunderlichs Interaktionsbedingung entspricht, jedoch nicht so weit geht wie sie, da jene auch die Konsequenzen des Sprechakts mit erfaßt) auf der semantischen Ebene anzusiedeln, die preparatory rule dagegen auf der Ebene der institutionellen Pragmatik. Dies trägt der Tatsache Rechnung, daß z.B. die Entscheidung darüber, ob die kcrmissive Äußerung ¿ will oane to the party ein Versprechen oder eine Drohung ist, nur pragmatisch getroffen werden kann, da dies von Annahmen über die spezifischen Präferenzen des Angesprochenen abhängt (insofern war Searles Wahl des Sprechakts des Versprechens für eine exemplarische sprechaktsemantische Analyse nicht sehr glücklich). Ebenso kann die Aufrichtigkeit des Sprechers keine Bedingung dafür sein, daß die Äußerung einen kcmmissiven Sprechakt realisiert; deshalb muß man die sincerity rule zugunsten einer propositional attitude rule aufgeben, die dann allerdings auf der Ebene der Semantik wirksam ist (vgl. 3.1.4.) und dort in Wunderlichs Rahmen über die Positionstypen erfaßt wird. Wenn ich dennoch an der in 3.1.4. erarbeiteten Typlogie festhalten möchte, so mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Heterogenität der in dieser Typologie vereinigten Bedingungen. Einer der Gründe für die Beibehaltung der Typologie ist, daß sie über die von Wunderlich angeführten illokutiven Typen hinaus noch einen Kohortativtyp, den Typ des Kcnmentars und den Expressivtyp enthält. Während Kohortativ und Kommentar im Rahmen des Wunderlichschen Ansatzes behandelt werden können (obwohl der Kcrrcrentar durch den expliziten und wesentlichen Bezug auf die Prinzipien der Karniunikation eine Sonderstellung einnimmt), verschließt sich der Expressivtyp einer solchen Analyse - vermutlich müßte er dem Repräsentativtyp subsumiert werden. Wegen der herausragenden Rolle, die expressive Äußerungen für das menschliche Zusanmenleben spielen, widerspricht ein solches Abschieben in den neutralen 'Papierkorb' der illokutiven Typen jedoch der Intuition. So wird bei Wunderlich eine Schwierigkeit erneut deutlich, die uns schon bei Grices Kcmuunikationsbegriff begegnet war: die Vernachlässigung der personalen, interaktionalen Funktion sprachlicher Interaktion (vgl. 1.2.2.1.). Hatte die traditionelle Bedeutungstheorie über der ausschließlichen Beschäftigung mit der repräsentativen Funktion von Sprache deren handlungsorientierte Funktion vernachlässigt und so die Sprechakttheorie inspiriert, so muß man jener jetzt vor-

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werfen, daß sie über der Analyse des Handlungscharakters von Sprache deren Leistlang für die Selbstdarstellung des Individuums, den Aufbau von Gruppenidentitäten, kurz den gesamten Bereich, den Schlieben-Lange (1975:98) "identitätsorientierte Kcntnunikation" nennt, lange Zeit völlig ausgeklanmert hat. Auch von der Linguistik her liegen meines Wissens bis auf Larkin/O 'Malley (1973) noch keine Untersuchungen zu diesem Bereich vor. Allerdings erschöpft sich Larkin/O'Malleys Analyse expressiver Deklarativsätze in einer - gewiß notwendigen - Aufzählung ihrer kararvunikativen Funktionen, obwohl gerade die angeführten Verwendungszwecke (Gefühlsäußerungen, put downs, build ups, protests, canplaints) auf den Begründungszusanmenhang expressiver Kamnunikation verweisen, wie er z.B. von Goffman (1967) umrissen wurde. Was unsere Analyse von KSen angeht, so können wir im Rahmen des Wunderlichschen Ansatzes und auf der Basis unserer Typologie der illokutiven Typen neben den konditionalen Aussagen (Repräsentativen) nun auch bedingte Fragen, Aufforderungen, Kcnmissive, Kohortative, Satisfaktive und Retraktive untersuchen (vgl. Beispiele (3)—(11)). Die illokutiven Typen Deklaration, Vokativ können nur beschränkt konditional ausgedrückt werden, während es beim Kanmentar eine Fülle konditionaler Wendungen gibt, die den Sprechakt nur bedingt gültig machen und deren sprachliche Realisierung Bezug nimmt auf allgemeine konversationslogische Maximen oder auf allgemeine Höflichkeitspostulate (vgl. Beispiele (16)—(24))• Mit den letzteren befaßt sich der nächste Abschnitt. 3.3.

Indirekte Konmunikation

3.3.1. Konversationslogik und Höflichkeitslogik Die Einschränkung des Katmunikationsbegriffs auf den optimalen Austausch von Informationen erlaubt es, über die Aufstellung fundamentaler Konversationsprinzipien Begriffe wie Wahrhaftigkeit, Relevanz, Informativität und Klarheit sprachlicher Äußerungen zu definieren. Der Wert eines solchen Erklärungsrahmens für eine pragmatisch orientierte Linguistik ist unbestritten. Jedoch werden die Maximen der Konversation wie sie Grice beschrieben hat laufend verletzt - jedes Gespräch enthält eine große Zahl spezifischer Partikel oder Wendungen, die einen Verstoß gegen die Maximen anzeigen. Im Englischen sind dies z.B. hesitancy und uncertainty markers, ausgedrückt durch bestürmte Modalverben und Ausdrücke wie guess, sort of, kind of, durch die der Sprecher anzeigt, daß er nicht die volle Verantwortung für die Wahrhaftigkeit seiner

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Äußerung übernirrmt. Die Funktion des Konjunktivs fällt ebenfalls in diese Kategorie. As you know leitet eine Verletzung der Quantitätsmaxime ein, a pros pros, by the way kündigen einen Themawechsel an. Die Tatsache, daß es diese Wendungen gibt, ist jedoch der Beweis dafür, daß die Prinzipien der Konversation normalerweise befolgt werden - sie sind opting out devices, mit denen Sprecher die vorübergehende Mißachtung einer Maxime signalisieren können. Daneben gibt es ganze Reihe anderer Wendungen, die eine Verletzung nicht der Konversationanaximen, sondern von Regeln anderer Art ankündigen, die sich auf Höflichkeit und Rücksichtnahme in der verbalen Interaktion beziehen. Diese politeness markers sind jedoch in den europäischen Sprachen - im Vergleich etwa mit den Japanischen - kaum explizit vorhanden. Das Englische hat darüberhinaus gegenüber anderen europäischen Sprachen, in denen der Grad der Vertrautheit oder der sozialen Nähe/Distanz durch den du/Sie-Kontrast ausgedrückt werden kann, noch weniger Möglichkeiten, die soziale Definition einer katmunikativen Beziehung explizit zu machen. R. Lakoff (1972a) hat jedoch überzeugend nachgewiesen, daß z.B. das englische Modalsystem eine Möglichkeit an die Hand gibt, Einschätzungen der Statusbeziehungen der Interaktanten implizit auszudrücken. In unserem Zusamnenhang interessanter sind jedoch Wendungen wie to tell you openly, if I may be frank, to be honest, if I may say so openly. Oberflächlich betrachtet, betonen diese Wendungen eigentlich nur, daß sich der Sprecher an die Konversationsmaximen hält, wären von daher also redundant, da dies als selbstverständlich scwieso immer vorausgesetzt wird. Ihr katmunikativer Zweck läßt sich an den folgenden Beispielen verdeutlichen: (45)a.

If I may be frank, your class on abstract syntax was rather dry.

b.

Pink doesn't do anything for you, if you want to knew the truth.

Eine für den Angesprochenen unangenehme Äußerung, eine negative Bewertung, ein Widerspruch, die nach den Gesetzen des Takts eigentlich gar nicht ausgesprochen werden dürften, wird unter expliziter Berufung auf die Prinzipien der Konversation, welche Wahrhaftigkeit, Offenheit, etc., gebieten, dennoch geäußert. Dieses Lippenbekenntnis macht es möglich, die Schranken des Takts zu übertreten, ohne daß der Vorwurf unsozialen Handelns erhoben werden kann: Der Sprecher gibt eben dem Gebot der Wahrhaftigkeit oder Offenheit Vorrang gegenüber Geboten der Höflichkeit, der Rücksichtnahme und des Takts. Diese letzteren Gebote betreffen die Ausformung und Aufrechterhaltung eines Netzes sozialer Beziehungen und machen so den identitätsorientierten, expressiven Bereich sprachlicher Interaktion

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theoretisch zugänglich.20 Wie unsere Beispiele zeigen, stehen sie den Forderungen nach Wahrhaftigkeit und Klarheit diametral gegenüber. R. Lakoff (1973:296) hat dies in zwei, allen Prinzipien der Katmunikation übergeordneten Rules of Pragmatic Competence ausgedrückt: (46)a. b.

Be clear, Be polite.

Die Regeln der Klarheit kennen wir schon als die Griceschen Konversationsnaximen, die Regeln der Höflichkeit gibt R. Lakoff wie folgt an: (47)a. b. c.

Don't impose. Give options. Make A feel good - be friendly.

Im Konfliktfall zwischen Klarheits- und Höflichkeitsgeboten wird meist der Höflichkeit der Vorzug gegeben: It seems to be the case that, when Clarity conflicts with Politeness, in most cases ... Politeness supersedes: it is considered more important in a conversation to avoid offense than to achieve clarity. Ulis makes sense, since in most informal conversations, actual ccmmunication of important ideas is secondary to merely reaffirming and strengthening relationships (297f.). Die erste Regel, Don't impose, regelt Kcnntunikation auf einer formalen, in bezug auf die sozialen Beziehungen der Gesprächspartner neutralen Ebene der Interaktion und des sachlichen Informationsaustausches, der Ebene des 'Sie'. Sie steht nicht im Konflikt mit den Regeln der Klarheit und bedeutet: Sei zurückhaltend, dräng' dich nicht auf, respektiere die Privatsphäre des anderen. Die Vertraulichkeit, die ein Kompliment impliziert, wird hier vorsichtig eingeschränkt (vgl. Bsp. (22)), Fragen nach dem Einkommen, den Anschaffungskosten privater Besitztümer oder dem Alter weiblicher Personen sind - im sozialen Kontext westeuropäischer Mittelschichten - nach dieser Regel tabu. Werden sie dennoch gestellt, dann in Form einer Bitte um Erlaubnis, die Information erfragen zu dürfen, oder einer Erkundigung, ob die Frage auch nicht unangenehm sei. Die Frage selbst wird bei diesem Verfahren allerdings gleich mitgestellt (vgl. auch Beispiele (12)8,(13)): (48)a. b.

May I ask hew old you are? Would you mind if I asked you hew old you are?

20 In diesem Bereich hat Imagepflege nicht nur das eigene Selbstbild zum Gegenstand, sondern hier wird auch - um der konfliktfreien Interaktion willen die protektive Pflege des Selbstbildes der Interaktionspartner zur wesentlichen Aufgabe, vgl. Goffman (1967).

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Die zweite Regel, Give options zielt darauf ab, den Angesprochenen in seiner Entscheidungsfreiheit nicht einzuschränken. Hier finden wir indirekte Realisierungen besonders der direktiven Sprechakte (vgl. Beispiele (14)&(15)), da diese am einschneidendsten in die Planungsfreiheit des Partners eingreifen. Die indirekte Ausdrucksweise stellt jedoch einen Verstoß gegen die Klarheitsmaxime dar. Durch die Verwendung der höflichen Frageform wird dem Gesprächspartner eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Ausführen und dan Unterlassen der geforderten Handlung suggeriert - lehnt er ab (indem er die diesen Sprechakten inhärente illokutive Ambiguität ausnützt, also z.B. einen als Frage formulierten direktiven Sprechakt wörtlich nimmt und lediglich verbal reagiert), dann hat auch der 'Fragende1 keinen großen Gesichtsverlust erlitten: (49)a. b.

Can you call me tomorrow at 11? - No, I can't. I wonder if' it would be possible to stop that noise? - No, it isn't.

Wo die Status- bzw. Autoritätsbeziehungen zwischen den Kcrminikationspartnern asynmetrisch sind, ist diese Wahlfreiheit jedoch nicht gegeben, so daß diese Taktiken dann gerade dazu dienen, die soziale Distanz herunterzuspielen und Entscheidungsfreiheit und damit Gleichheit zu suggerieren, wo eigentlich sozialer Zwang und Ungleichheit herrschen. Die dritte Regel Make A feel good - be friendly ist die ehrlichste und offenste Regel; sie operiert auf der Ebene freundschaftlicher und vertrauter Beziehungen, die durch Gleichheit gekennzeichnet sind. Dies ist die Ebene des 'Du', des Vornamens, der vertraulichen Anredeformen, aber auch der größeren Freiheit, dem anderen einmal unverblümt die Wahrheit zu sagen. Hier finden wir unkcmplizierte, ehrliche Komplimente, aber auch taktlos-offene Äußerungen wie (45)a.&b.. Grice hat für seine Konversationsmaximen den Anspruch erhoben, sie gelten nicht allein für sprachliche Kommunikation, sondern ganz allgemein für menschliches Handeln. Das gleiche läßt sich für die Regeln der Höflichkeit sagen. Weiterhin wird für beide Regeltypen Universalität postuliert in dem Sinne, daß zwar kultur- und schichtspezifische Unterschiede bestehen können zwischen dem, was als relevant und präzise, als zurückhaltend oder aufdringlich angesehen wird, daß jedoch davon unabhängig klares, wahrhaftiges Sprechen und rücksichtsvolles Interagieren nach den gleichen Regeln der pragmatischen Kompetenz definiert werden.

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Was das Verhältnis von handlungsorientierter und identitätsorientierter Kommunikation angeht, so wäre zu überlegen, ob man nicht dem eingeschränkten Kaimunikationsbegriff Wunderlichs und Grices dadurch Rechnung tragen sollte, daß man die expressiven Sprechakte aus einer am Begriff der Interaktionsbedingung orientierten Sprechakttheorie konsequent ganz herausnimmt (wie es ja Wunderlich - allerdings ohne jede Diskussion - bereits getan hat) und sie im Bereich identitätsorientierter Kcmrnunikation (welche die Verfahrensweisen indirekter Kanmunikation wesentlich einschließen müßte) behandelt. In der Behandlung der Kcmnentare müßte man dann ebenso verfahren, scweit sie die Pflege sozialer Beziehungen zum Ziele haben, d.h. sich auf Regeln der Höflichkeit beziehen (vgl. Beispiele (21)-(24)). Kammentare beziehen sich jedoch ebenso häufig auf Konversationsmaximen (vgl. Beispiele (16)-(20)), was eine Zweiteilung dieses Typus notwendig machen würde. Entscheidungen hierüber können nur aufgrund weitergehender Überlegungen und Untersuchungen getroffen werden als ich im Rahmen dieser Arbeit anstellen kann. Für den Augenblick werde ich deshalb am Kamientartypus, wie ich ihn beschrieben habe, festhalten, zumal die Formulierung der relevanten Bedingungen den Bezug auf sowohl Klarheitsais auch Höflichkeitsregeln zuläßt. Die Frage der expressiven Sprechakte muß ich offenlassen. 3.3.2. Indirekte Sprechakte 3.3.2.1. Realisierungsformen indirekter Sprechakte Die sprachliche Realisierung indirekter Sprechakte ist nicht arbiträr, sondern unterliegt bestürmten Konventionen, die Wunderlich (1972) Konventionen zweiter Ordnung nannte, jedoch nicht weiter ausführte. Auf eine Frage nach dan Alter und die darauffolgenden möglichen Antworten wären folgende Realisierungsformen denkbar: (50)a. b.

c. d.

Hcw old are you? May I ask you hcw old you are? I wonder hcw old you are.

e.

I vrould like to kncw hcw old you are. Can you teil me how old you are?

f.

Are you going to teil me how old you are?

g-

You can't be more than twenty-five. You must be about my age.

h.

160

(51)a. b.

(I'm) thirty-five. Old enough to kncw better.

c.

I'd rather not answer that.

d. e.

Nice weather we're having. (I'm) twenty-five.

f.

Why do you ask?

g.

Oh no, I thirik I've left the lights on in my car!

Vielehe dieser Realisierungsformen sind konventionell vermittelt - im Sinne unserer Konventionalitätstypen A bis E - und so im Rahmen einer pragmatischen Linguistik erklärbar, welche sind es nicht? Offensichtlich sind (50)a.-h. konventionelle Arten, eine Frage nach den Alter zu stellen. (50)a. ist eine direkte, (50)b.-h. sind indirekte Fragehandlungen. Bei (50)g.-h. ist die Konventionalität nicht so augenfällig, da hier kontextuelle und konversationslogische Annahmen herangezogen werden müssen, um die implizite Frageabsicht zu erschließen. (51)a. ist eine direkte und, wir wollen annehmen wahrhaftige Antwort auf (50). (51)b.-g. stellen dagegen verschiedene Möglichkeiten dar, der Frage auszuweichen bzw. von ihr abzulenken (vgl. Weiser 1975). Sowohl bei der formelhaften Erwiderung (51)b. als auch bei dem offensichtlichen Nonsequitur (51)d., wie auch bei der direkten Antwortverweigerung (51)c. ist die Intention der Sprecherin, die Frage nicht zu beantworten, offen oder erschließbar, und es ist auch ihre Absicht, daß der Fragende dies erkennen solle. Anders bei (51)e.-g.; (51)e. ist eine Lüge, (51)f. ein Ablenkungsmanöver, die Sprecherin von (51)g. schließlich zieht sich dadurch aus der Affaire, daß sie einen plötzlichen Einfall vortäuscht, der einen Abbruch der Frage-Antwart-Sequenz legitimiert.Essentiell für das Gelingen von (51)e.-g. ist, daß die Sprechintention nicht durchschaut wird, es handelt sich um verzerrte Sprechakte (vgl. 3.1.3.). Während (51)b.-d. offene indirekte Sprechakte sind, die konventionell vermittelt sind über die in unseren Rahmen wirksamen Konventionen, sind die verzerrten Sprechakte (51)e.-g. mit unserem Beschreibungsapparat nicht zu erfassen. Ich möchte daher die folgenden Unterscheidungen treffen: offen illokutiv direkt

X indirekt/

implizit

verzerrt perlokutiv

direkt

IM BEREICH

implizit/ verdeckt

perlokutiv implizit

NICHT IM BEREICH DER PRAGMATISCHEN LINGUISTIK

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Der Begriff der Perlokution bleibt allerdings immer noch weitgehend ungeklärt, was u.a. darauf zurückzuführen ist, daß einzelne perlokutive Akte eher die Ausnahme normaler Kcnmunikation sind und perlokutive Ziele und Effekte vielmehr längeren Sprechakt-Sequenzen und größeren Diskursabschnitten zugeordnet werden müssen (vgl. Schlieben-Lange 1975:89f.). Für eine Analyse der Realisierungsformen indirekter Sprechakte braucht der Begriff der Perlokution jedoch nicht vorausgesetzt zu werden, da perlokutive Effekte inner erst über illokutiven Funktionen operieren (by warning alarming, vgl. Austin 1962:107). 3.3.2.2. Zur Ableitung indirekter Sprechakte Indirekte Sprechakte liegen dann vor, wenn eine Diskrepanz besteht zwischen dem in der Satzbedeutung ausgedrückten illokutiven Typ und der tatsächlich intendierten kcmnunikativen Funktion bzw. wenn der Sprecher über den ausgedrückten illokutiven Typ hinaus noch einen weiteren kcmmunikativen Zweck - und diesen primär verfolgt. Im Anschluß an Searle (1975) werde ich im folgenden die ausgedrückte Illokution die sekundäre, die indirekt realisierte die primäre nennen. Die Frage nach der Konventionalität indirekter Sprechakte ist die Frage danach, wie die primäre kommunikative Funktion einer Äußerung aus der wörtlichen Bedeutung des Satzes und den darin ausgedrückten illokutiven Typ abgeleitet werden kann. Alle Versuche, dieses Problem zu lösen, setzen eine Theorie der illokutiven Typen - wie sie ja erst in Ansätzen besteht - voraus. Gordon/Lakoff(1971) haben im Rahmen der generativen Semantik versucht, die Ableitung der indirekten Sprechakte über Konversationspostulate vorzunehmen. Unter Berufung auf Grices Konversationslogik und in offensichtlicher Anlehnung an Searles Sprechaktbedingungen stellen sie für Aufforderungen u.a. die folgenden Postulate auf, die im Rahmen der 'natürlichen Logik' gelten sollen (vgl.64): (52)a. b.

SINCERE(a, REQUEST(a,b,Q)) —* WANT(a,Q) SINCERE(a, REQUEST(a,b,Q)) —* ASSUME(a,CAN(b,Q)) where Q is of the form FOT(D0(b,R)) /h will do act r7

'—>' benennt hier die materiale Implikation, und (52)a.&b. werden auch als Bedeutungspostulate bezeichnet, welche die Bedeutung von 'Aufrichtigkeit bei Aufforderungen' angeben.

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Gordon/Lakoff nennen (52)a. eine speaker-based sincerity condition und (52)b. eine hearer-based sincerity condition und erfassen den systematischen Zusammenhang zwischen (53)a., b.&c. durch die Generalisierung (54)a.&b.(vgl.65): (53)a. b. c. (54)a. b.

Take out the garbage! I want you to take out the garbage. Can you take out the garbage? One can convey a request by (i) asserting a speaker-based sincerity condition or (ii) by questioning a hearer-based sincerity condition. SAY (a,b,WANT(a,Q)) REQUEST(a,b,Q) ASK (a ,b ,CAN (b ,Q) —»• REQUEST (a,b,Q)

Obwohl diese Erklärung die Ableitung indirekter Sprechakte im Kern richtig trifft, so daß man (54)a. auf andere Sprechakte übertragen kann, muß doch an einer Behandlung im Rahmen der generativen Senantik grundsätzliche Kritik angemeldet werden: 1. Der methodische Status der Konversationspostulate ist unklar. Aufrichtigkeit ist kein logischer, sondern ein pragmatischer Begriff, so daß der Gebrauch von '-=>' hier unzulässig ist. Weiterhin ist, wie wir gesehen haben (vgl. 3.1.4.) , Aufrichtigkeit keine notwendige Bedingung in der spezifischen Struktur einzelner Sprechakte. Das Bedeutungspostulat 'Aufrichtigkeit bei Aufforderungen' müßte deshalb auf den Ausdruck der betreffenden propositionalen Einstellung (hier WANT) reduziert werden. 2. Die Begriffe speaker-based und hearer-based bleiben unklar; sie scheinen davon abzuhängen, ob Sprecher oder Hörer das Subjekt in einen Konversationspostulat ist. 3. (54) kann nicht erklären, daß nicht alle Oberflächenrealisierungen von WANT, CAN, etc. freie Varianten sind, d.h., daß die Realisierungen indirekter Sprechakte in gewissem Maße idiomatisch sind, so daß (55)a.&b. nicht den gleichen kamunikativen Stellenwert haben wie (53)b.&c.:21 21 Die hier gemeinte Idiamatizität ist auf einer unteren Ebene einer frozenness hierarchy, wie sie Fräser (1970) aufgestellt hat, anzusiedeln. Sie betrifft die größere 'üblichkeit1, 'Gebräuchlichkeit','Häufigkeit' (und damit Vorhersagbarkeit) bestürmter stabiler Realisierungsformen indirekter Sprechakte gegenüber ihren ungebräuchlicheren Paraphrasen. Sie ist nicht zu verwechseln mit dem engen Begriff des Idicms, dessen Bedeutung von der semantischen Sumne seiner Komponenten verschieden ist. Zur Problematik des Idianbegriffs vgl. Lipka (1974). Die allgemein akzeptierte Tatsache, daß es verschiedene Grade von Idiamatizität gibt, läßt sich auch auf der Ebene des Sprechakts nachweisen: So realisiert ((53)c., nicht aber (55)b., eine normale indirekte Auf-

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(55)a. ?I desire you to take out the garbage. b.

?Do you possess the ability to take out the garbage?

5. Gordon/Lakoff reduzieren das Verhältnis direkter/indirekter Sprechakt auf die logische Folgerelation. Es kann nach diesem Ansatz mithin nicht erklärt werden, daß eine Äußerung von (56) unter bestiimiten Umständen als die Aufforderung (57) verstanden werden kann, da sich die Bedeutungen von (56) und (57) nicht durch Bedeutungs- oder Konversationspostulate,wie sie Gordon/Lakoff formulieren, zueinander in Beziehung setzen lassen: (56)

It's cold in here.

(57)

Please shut the window.

Das Problem indirekter Sprechakte of hew it is possible for the speaker to say one thing and mean that but also to mean sanething else /and/ ... of hew it is possible for the hearer to understand the indirect speech act when the sentence he hears and understands means something else (Searle 1975:60) stellt sich jedoch für die von Gordon/Lakoff diskutierten indirekten Sprechakte und für Sprechakte wie (56) gleichermaßen. Searles Erklärung (1973,1975) dieser Prozesse setzt die in der Sprechakttheorie formulierten Bedingungen für ebn Erfolg von Sprechhandlungen voraus sowie den Begriff der relevant response (vgl. unsere Typologie); weiterhin die Prinzipien der Konversation, wie sie von Grice formuliert worden sind, kontextuelle Hintergrundinformation von Sprecher und Hörer und die Fähigkeit des Hörers zu rationalem Schließen (hier sind nicht logische, sondern pragmatisch motivierte 22 konversationeile oder 'praktische' Schlüsse gemeint, die der Finalität logischer Schlüsse entbehren). forderung. In Abhebung gegenüber der stabilen Form (53)c. wird (55)b. vielmehr als ironisch-sarkastische Äußerung verstanden, deren besonderer Charakter aus einer Verletzung der Relevanzmaxime (Make the form of your utterance relevant to its content) abgeleitet werden kann. Am obersten Ende der Skala der Idicmatizität stehen Sprechakt-Idicms wie You bet it's cold oder Don't I know it (vgl. Sadock 1972), deren illokutionärer Charakter der emphatischen Zustimmung sich nicht aus der semantisch-pragmatischen Interpretation des Satzes oder aus den Regeln zur Ableitung indirekter Sprechakte ergibt, genau wie sich die Bedeutung eines festen Idicms nicht aus den Bedeutungen seiner Teile ermitteln läßt. 22 Der Terminus 'praktischer Schluß' stanmt von Wunderlich, der ihn von v. Wright (1971) Übernamen und in die Sprechakttheorie eingebracht hat. Vgl. Wunderlich (1976/11:47 & VI: 257ff.), wo er eine der SearfcschenExplikation indirekter Sprechakte ähnliche Ableitung skizziert.

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Searle demonstriert seine Ableitung indirekter Sprechakte an dem folgenden Beispiel (vgl. 1975:63): Student X: Let's go to the movies tonight. Student Y: I have to study for an exam. STEP 1: I have made a proposal to Y, and in response he has made a statement to the effect that he has to study for an exam (facts about the conversation). STEP 2: I assume that Y is cooperating in the conversation and that therefore his remark is intended to be relevant (principle of conversational cooperation). STEP 3: A relevant response must be one of acceptance, rejection, counterproposal, further discussion, etc. (theory of speech acts). STEP 4: But his literal utterance was not one of these, and so was not a relevant response (inference frcm steps 1 and 3). STEP 5: Therefore, he probably means more than he says. Assuming that his renark is relevant, his primary illocutionary point must differ frcm his literal one (inference frcm steps 2 and 4). STEP 6: I know that studying for an exam normally takes a large amount of time relative to a single evening, and I knew that going to the movies normally takes a large amount of time relative to a single evening (factual background information) . STEP 7: Therefore, he probably cannot both go to the movies and study for an exam in one evening (inference frcm step 6). STEP 8: A preparatory condition on the acceptance of a proposal, or any other carmissive, is the ability to perform the act predicated in the prepositional content condition (theory of speech acts). STEP 9: Therefore, I know he has said sanething that has the consequence that he probably cannot consistently accept the proposal (inference frcm steps 1, 7 and 8). STEP 10: Therefore, his primary illocutionary point is probably to reject the proposal (inference from steps 5 and 9). Bei perlokutiven Akten kann nach der gleichen Strategie zuerst die intendierte illokutive Funktion abgeleitet werden; der perlokutive Effekt dagegen hängt nicht von der Art der Realisierung des illokutiven Aktes ab - alle Ausweichmanöver (51)b.-d. z.B. können den perlokutiven Effekt haben, daß sie den Hörer in Verlegenheit bringen, weil ihm bedeutet wird, daß er eine indiskrete Frage gestellt hat. Besonders deutlich wird dies bei (51)d., das Beispiel sei hier noch einmal wiederholt: (58)a. "How old are you?" b. "Nice weather we're having."

(direkter illokutiver Akt)

(59)a. I don't want to answer your question/ let's talk about something else.

(impliziter illokutiver Akt)

b. You shouldn't have asked me that.

(perlokutiver Effekt der Zurechtweisung)

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Mit dan theoretischen Apparat, der solchen Schlußstrategien zugrundeliegt, lassen sich nun auch diejenigen illokutiven Akte erklären, die durch Verbalisierung einer Sprechaktbedingung einen indirekten Sprechakt realisieren. Searle (1975:73f.) führt dies für die indirekte Aufforderung Can you pass me the salt? aus: STEP 1: Y has asked m e a question as to whether I have the ability to pass the salt (fact about the conversation). STEP 2: I assume that he is cooperating in the conversation and that therefore his utterance has sane aim or point (principles of conversational cooperation) . STEP 3: The conversational setting is not such as to indicate a theoretical interest in my salt-passing ability (factual background information). STEP 4: Furthermore, he probably already knows that the answer to the question is yes (factual background information). (This step facilitates the move to Step 5, but is not essential.) STEP 5: Therefore, his utterance is probably not just a question. It probably has same ulterior illocutionary point (inference frcm Steps 1,2,3, and 4). What can it be? STEP 6: A preparatory condition for any directive illocutionary act is the ability of H to perform the act predicated in the propositional content condition (theory of speech acts). STEP 7: Therefore, X has asked m e a question the affirmative answer to which would entail that the preparatory condition for requesting me to pass the salt is satisfied (inference frcm Steps 1 and 6). STEP 8: W e are now at dinner and people normally use salt at dinner; they pass it back and forth, try to get others to pass it back and forth, etc. (background information). STEP 9: He has therefore alluded to the satisfaction of a preparatory condition for a request whose obedience conditions it is quite likely he wants me to bring about (inference frcm Steps 7 and 8). STEP 10: Therefore, in the absence of any other plausible illocutionary point, he is probably requesting m e to pass him the salt (inference frcm Steps 5 and 9). Die systanatische Verbindung direkter/indirekter Sprechakt ist - soweit sie die Verbalisierung von Sprechaktbedingungen betrifft - im Prinzip die gleiche, wie sie schon von Gordon/Lakoff formuliert wurde: Wenn in einem Kontext die normale illokutionäre Absicht einer Frage oder einer Behauptung nicht die einzige illokutionäre Absicht der Äußerung ist, dann gilt eine Frage oder Behauptung bezüglich einer der Angebrachtheitsbedingungen (Vorausbedingungen, Bedingungen des propositionalen Inhalts, Aufrichtigkeitsbedingungen) einer illokutionären Handlung als Vollzug der Handlung selbst (Searle 1975:125).

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Die Bedingungen für die deklarative oder interrogative Äußerung der betreffenden Sprechaktbedingung lassen sich einfacher darstellen als Searle(1975) dies tut (Searle muß 9 Generalisierungen für direktive und katmissive Sprechakte aufstellen), wenn man das von Forman(1974:164) formulierte The Speaker Kncws Best Principle (SKB) zugrundelegt: (60) One can indirectly perform a speech act by a. asserting a relevant condition which is a speaker-proposition or b. questioning a relevant condition which is a hearer-proposition, wobei gilt: (61)a. A speaker-proposition is a proposition about which the speaker has more direct knowledge than the addressee. b. A hearer-proposition is a proposition about which the addressee has more direct knowledge than the speaker. Daraus erklärt sich die Unmöglichkeit, mit (62)a.&b. einen indirekten direktiven bzw. kcnmissiven Sprechakt zu realisieren: +

(62)a.

Do I want you to take out the garbage?

+

b. Would I be willing to help you? Dennoch gibt es auch indirekte Direktive wie (63): (63)

You will take out the garbage.

Hier wird, entgegen SKB, eine Hörer-Proposition behauptet, was zu einem autoritären und äußerst unhöflichen Befehl führt. Das SKB-Principle muß deshalb auf höfliche Sprechakte eingeschränkt werden, was dadurch legitimiert ist, daß die Motivation für die indirekten Sprechakte ja die Beachtung der Höflichkeitsregeln ist. Als letztes Problem der Searleschen Analyse bleibt die Ableitung der Idicmatizität indirekter Sprechakte, damit erklärt werden kann, daß (55)a.&b. keine indirekten direktiven Sprechakte realisieren, obwohl in ihnen genau wie bei (54)c. nach der Fähigkeit des Angesprochenen, die Handlung auszuführen, gefragt wird. Wie Sadock(1974,bes.Ch.5) gezeigt hat, ist der Grund für die Idicmatizität indirekter Sprechakte in der Sprachentwicklung zu suchen: Formen, die selbst schon idiomatisch waren (also (53)b. eher als (55)a.) haben sich zu konventionellen Realisierungen indirekter Sprechakte verfestigt. Die in diesem Zusammenhang von Searle (1975:78) vorgeschlagene zusätzliche Konversationsmaxime "Speak idiomatically unless there is seme special reason not to" ist

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in unserer Relevanzmaxime bezüglich Form und Inhalt schon aufgehoben und deshalb nicht notwendig. Wie würden nun die indirekten Sprechakte in Wunderlichs Theorie der illokutiven Typen erfaßt? Was die Ableitung von indirekten Sprechakten wie (56) angeht, die Wunderlich 'implizite kontextuelle Realisierungen' nennt (1976/VII: 310), so muß sie ähnlich der Searles verlaufen, und zwar auf der Ebene der situationeilen Pragmatik, da auf dieser die konversationeilen Schlüsse wirken (vgl. 3.2.3.4.). Unterschiede ergeben sich erst bei den indirekten Sprechakten, welche Sprechaktbedingungen verbalisieren. Wunderlich unterscheidet ja nicht zwischen den verschiedenen Angehrachtheitsbedingungen, sondern nirrmt bestürmte propositionale Einstellungen von Sprecher und Adressat als pragmatische Voraussetzungen des Sprechakts an: Aufgrund des allgemeinen Wissens über die in normalen Äußerungssituationen mit einem Sprechakt assoziierten Einstellungen kann der Sprechakt oft schon dadurch realisiert werden, daß die betreffenden Einstellungen explizit ausgedrückt werden. Der Adressat kann sich fragen, welchen interaktioneilen Zweck die Äußerung verfolgt, und kann deshalb von der geäußerten Voraussetzung eines Sprechaktes auf diesen Sprechakt selbst schließen (1976/VII:307). Dieser Schluß wird auf der Ebene der institutionellen Pragmatik über die Interpretation der Positionstypen vollzogen (vgl. 3.2.3.3.). Allerdings muß hier noch ein Speaker Knews Best Principle ergänzt werden, um zu regeln, welche propositionalen Einstellungen erfragt, welche behauptet werden können. Während Wunderlich also implizite kontextuelle Realisierungen und indirekte Sprechakte auf verschiedenen theoretischen Ebenen behandeln würde, scheint Searles Vorgehen eine einheitlichere Behandlung beider Realisierungsformen zu bieten. Dabei wird jedoch die stärkere Konventionalisierung der indirekten Sprechakte vernachlässigt. Andererseits ist zu vermuten, daß auch die impliziten kontextuellen Realisierungen konventionalisiert sind. Wunderlich (1976/VII: 310f.) hat einige Charakteristika dieser Sprechakte skizziert, die Kriterien für eine noch ausstehende Typisierung abgeben könnten. So können Aufforderungen z.B. dadurch implizit realisiert werden, daß man einen negativ eingeschätzten Zustand ausdrückt, nichtexistente Zustände als wünschenswert beschreibt, ein Aktionsschema nennt, das normalerweise (nicht) befolgt wird, oder ironisch übertreibt:

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(64)a.

Hier zieht es.

b. c.

Wenn ich nur einmal nicht hinter dir aufräumen müßte. Normalerweise ißt man wohl mit der Gabel/nicht mit den Fingern.

d.

Manche Leute waschen sich nie.

Diese Kriterien machen jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen impliziten Realisierungen und indirekten Sprechakten deutlich: Die implizite Realisierung ist in ihrer Form und in ihrem Inhalt völlig vcm Kontext der einzelnen Äußerung abhängig; die Realisierungsformen der indirekten Sprechakte sind dagegen in systematischer Weise an Sprechaktbedingungen bzw. propositionale Einstellungen gebunden und werden sprachlich idiomatisch ausgedrückt. Eine einheitliche Behandlung beider Realisierungsformen, wie sie Searle vorninmt, wird dadurch plausibel, daß beide über die gleichen Schlußprozeduren ableitbar sind. Auch Wunderlich nimmt offenbar die gleichen praktischen Schlüsse auf beiden Ebenen der Pragmatik an, ohne zwischen ihnen zu differenzieren (vgl. 1976/111:100 & VII:307). Es liegt jedoch nahe, für den Unterschied zwischen indirektem und implizitem Sprechakt die Gricesche Unterscheidung zwischen generalisierten und partikulären konversationellen Implikaturen heranzuziehen, die ja auch auf verschiedenen theoretischen Ebenen anzusiedeln sind. Das würde bedeuten, daß mit den durch Verbalisierung einer Sprechaktbedingung indirekt realisierten Sprechakten generell impliziert wird, daß der betreffende Sprechakt selbst intendiert ist (und diese Implikatur ist löschbar, was die Ambiguität indirekter Sprechakte hinsichtlich der mit der wörtlichen Bedeutung übermittelten sekundären illokutiven Funktion erklärt). Die implizit realisierten Sprechakte werden dagegen als nur im Kontext der Äußerung gültige partikuläre Implikaturen verstanden. Beiden Arten von Implikaturen liegen die gleichen konversationellen Schlüsse zugrunde, diese operieren jedoch sowohl auf der Ebene der institutionellen als auch auf der der Situationellen Pragmatik. Auf diese Weise würde die Ableitung der indirekten und impliziten Sprechakte in die Theorie der grammatischen und pragmatischen Bedeutimg Wunderlichs aufgenommen. Es bleibt allerdings eine Schwierigkeit, die mich auch veranlaßt hat, an meiner Typologie der illokutiven Typen mit ihren heterogenen Sprechaktbedingungen festzuhalten: Um die indirekten Sprechakte von den propositionalen Einstellungen abzuleiten, muß Wunderlich annehmen, daß bestimmte Sprechakte bestinmte propositionale Einstellungen pragmatisch voraussetzen (vgl. 1976/VII:306). Nun ist zu fragen, wie und auf welcher Ebene diese pragmatischen Voraussetzungen in seiner

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Theorie thonatisiert werden sollen. Wunderlich selbst legt eine Behandlung 23 auf der Ebene der institutionellen Pragmatik nahe. Dennoch geschieht auf dieser Ebene ja nicht mehr, als daß Äußerungen, die bestimmte propositionale Einstellungen ausdrücken, in Abhängigkeit von einan Handlungssystati und einan gegebenen Kontext auf die mit jenen Einstellungen assoziierten illokutiven Kräfte hin interpretiert werden. Der Zusammenhang propositionale Einstellung/illotiver Typ erscheint über die Positionstypen jedoch schon auf der Ebene der Semantik. Um die möglichen Verbindungen auf dieser Ebene im einzelnen zu erfassen, muß noch viel empirische Fußarbeit geleistet werden, die, so scheint mix, erheblich erleichtert werden kann, wenn man sich an den Sprechaktbedingungen urd an den Regeln zur Ableitung indirekter Sprechakte orientiert. Eine Typologie der illokutiven Typen wie die oben vorgeschlagene, die nicht nur die Interaktionsund Erfüllungsbedingungen, sondern auch das allgemeine Handlungsschema urd die komplexe Voraussetzungsstruktur für jeden illokutiven Typ angibt, könnte die Grundlage einer pragmatisch orientierten Sprachbeschreibung sein und als methodisches Hilfsmittel dienen, um Typen propositionaler Einstellungen mit illokutiven Typen zu korrelieren und so die empirischen Daten zu gewinnen, auf denen jede Theorie der illokutiven Typen fußen muß. Meine Zielsetzung impliziert, daß ich auf die Typologie als Basis einer Sprachbeschreibung zurückgreifen werde, die auch die kanmunikativen Funktionen der KSe berücksichtigt, um die typischen Realisierungsmuster der mit der konditionalen Form realisierbaren illokutiven Akte zu ermitteln. 3.4. Zusaimenfassung Während im ersten Kapitel ein Rahmen für die Beschreibung der Syntax und Semantik indikativischer KSe erarbeitet wurde und im zweiten eine Lösung zur Beschreibung der konjunktivischen aufgezeigt wurde, habe ich in diesem Kapitel die Basis für die Beschreibung auch der kannunikativen Funktionen konditionaler Äußerungen gelegt. Bedingte Sprechakte können nun im Rahmen von Wunderlichs Theorie der grammatischen und pragnatischen Bedeutlang beschrieben, indirekte bedingte Sprechakte von den in unserer Typologie erfaßten Sprechaktbedingungen abgeleitet werden. Unter Bezug auf weitere Konventionen der Kannunikation können wir schließlich die konditionalen sprechaktmodifizierenden Kanmentare beschreiben. Zwar sind auch die implizit realisierten Sprechakte in diesem Kapitel als konventionell vermittelt erfaßbar geworden, dies wird jedoch für eine Analyse konditionaler Äußerungen nicht relevant werden. 23 s.o. 3.2.3.3. zur Interpretation von (44)b. Ich möchte, daß du das Fenster schließt.

170 4.

FORM UND FUNKTION ENGLISCHER KONDITIONALSÄTZE MIT IF

4.0. Vorbemerkung In diesen Kapitel will ich eine Analyse der Form und Funktion englischer KSe mit if vorlegen. Die Analyse soll sich nicht erstrecken auf: Vergleichssätze mit as if (vgl. Beispiel (1)), konzessives if bzw. even if (vgl. Beispiel (2)),^ Wunschsätze mit if only (vgl. Beispiel (2')) und interrogatives if in indirek2 ten Entscheidungsfragen (vgl. Beispiel (3)). (1) (2)a. b. (2')a. b.

I'm beginning to feel as if (as though) it were a crime. He looked at me kindly, if (though) somewhat sceptically. I wouldn't go back to him even if he went dcwn on bended knees. If only he doesn't spill the beans! If only you had warned me!

(3)

Can you tell me if (whether) this bus goes to Oxford Circus?

1 Zur Leistung von evon, das den konditionalen Charakter des Satzgefüges aufhebt, vgl. Horn (1969), Fräser (1969,1971) und Fillmore (1965). 2 Gilbert Harman(1975) vertritt in einem Papier mit dem Titel "'If' and Modus Ponens" die These, daß if und die materiale Implikation nicht gleichgesetzt werden dürfen, und zwar hauptsächlich deshalb, weil if nicht nur ein konditionaler Satzkonnektor sei, sondern auch in indirekten Entscheidungsfragen verwendet werde. Um eine einheitliche Behandlung dieser beiden Funktionen zu gewährleisten, dürfe if nicht als logisches Konnektiv analysiert werden, da man sonst eine zweite (interrogative) Bedeutung für if ansetzen müsse. Harmans Lösung ist eine Modifikation der materialen Implikation in Richtung auf das natursprachliche if, ähnlich der von Chipnan, Stalnaker, etc. vorgeschlagenen (vgl. 1.2.1.) . Der interrogative Gebrauch von if geht auf AE gif zurück und bezeugt die Entwicklung abhängiger Alternativfragen aus Konditionalgefügen. Jespersen (MEG 111:42) weist darauf hin, daß dies eine ganz natürliche Entwicklung sei, da man oft nicht zwischen Konditionalsatz und Interrogativsatz unterscheiden könne, wie z.B. in I hope you will teil me if you can cane. Die gleiche Verbindung von konditionaler und interrogativer Verwendung finde sich deshalb auch in anderen Sprachen (vgl. dt. 'ob', frz. si). Allerdings ist der interrogative Gebrauch von if in seiner Distribution nicht so frei wie der des ihm entsprechenden whether: Am Satzanfang wird if in der Regel konditional interpretiert. Dies wiederum kann auf eine sprachliche Universalie zurückgeführt werden: "In conditional statements, the conditional clause precedes the

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Die Analyse gliedert sich grob in einen (funktional(grammatischen Teil, der auf den in Kapitel 1 und 2 entwickelten Rahmen aufbaut, und einen sprechakttheoretischen Funktionsteil, in dem das illokutionäre Potential von KSen untersucht werden soll und der sich auf die in Kapitel 3 erarbeiteten Grundlagen bezieht. Ich werde mich dabei bemühen, die bisher weniger diskutierten Formen und Funktionen der KSe in den Vordergrund meiner Betrachtungen zu stellen und werde deshalb die zu den bekannten Erscheinungsformen der KSe bereits vorliegenden Analysen älteren und neueren Datums voraussetzen bzw. ohne eingehende Diskussion verwenden, wenn es mir nützlich erscheint. Die bisher weniger beachteten Verwendungsweisen von if sind insbesondere der rhetorische Gebrauch von if zur Emphase oder Modifikation, sowie der Gebrauch in indirekten Sprechakten und sprechaktkarrmentierenden KSen. Als Belege für diese Erscheinungsformen habe ich, neben den in der Fachliteratur angeführten Beispielen, wörtliche Rede aus zeitgenössischen angelsächsischen Texten herangezogen, um einmal mich nicht nur auf mein eigenes (non-native Speaker) intuitives Urteil (oder auf das ebenfalls intuitive Urteil von native speakers) verlassen zu müssen und um zum anderen der gesprochenen lingangssprache möglichst nahe zu kamen. Die Texte sind: Franny und Zooey von J.D. Salinger, The Inimitable Jeeves von P.G. Wodehouse, und Billy Liar von Keith Waterhouse. Eine Analyse politischer Reden (New Britain, von Harold Wilson) ergab - im Unterschied zu den zuvor zitierten Texten - keine Belege für rhetori3 sehen oder sprechaktkcrmentierenden Gebrauch von if. Mein Vorgehen ist theorieneutral insofern als es sich nicht an eines der vorherrschenden und schulebildenden Granmatik- oder Karraurdkationsmode1le anlehnt, sei es Transformationsgrammatik oder generative Semantik, Montaguegraimvatik oder Sprechakttheorie. Ich werde vielmehr eklektisch verfahren, um der Komplexität des Gegenstandes gerecht zu werden. Dies impliziert allerdings eine Zurückweisung des Anspruchs, daß eine der genannten Theorien allein allen Facetten der Problematik von Form und Funktion der KSe gerecht werden könnte. oonclusion as the normal order in all languages"(Greenberg 1963:84). Es ist deshalb nicht ohne weiteres einsichtig, daß eine Analyse von if als logischer Konnektor notwendigerweise die Annahme einer zweiten, interrogativen Bedeutung für if erfordert. Sollte sich dies dennoch als notwendig erweisen, so stünde einer Analyse wie der Harmans bei dem hier vertretenen Ansatz der Vorteil gegenüber, das dieser keine Modifikation der Aussagenlogik erfordert. Diese Fragen muß ich jedoch hier offenlassen. 3 Die Texte werden zitiert als Franny, Zooey, Jeeves, EL und Wilson.

172

4.1. Grammatisch-funktionale Klassifikation Für eine Klassifikation von KSen bieten sich eine Reihe von Kriterien an, die zum Teil schon hier diskutiert worden sind. So könnte man KSe z.B. danach unterscheiden, ob sie gesetzesartige oder partikuläre Aussagen machen, ob sie wahrheitsfunktional sind oder nicht, oder ob die Folgerelation eine notwendige ist oder nur eine mögliche. Man könnte weiterhin die Zeitrelation zwischen dem Antezedens und der im Konsequens ausgedrückten Folge untersuchen, oder den gesamten Zeitbezug des Konditionals aus der Sicht des Sprechers. Schließlich könnte man traditionelle granmatische Maßstäbe anlegen und die KSe einteilen in indikativische und konjunktivische und danach fragen, ob die Realisierung der im A ausgedrückten Bedingung wahrscheinlich, möglich oder uimöglich ist. Keines dieser Kriterien, für sich allein angewandt, würde jedoch eine befriedigende Klassifikation ergeben; sie sind vielmehr interdependent und alle mehr oder weniger relevant, jedoch können wir für unsere Zwecke einige Unterscheidungen unbeachtet lassen. So läßt sich z.B. der gesetzesartig/partikulär-Kontrast für unsere Klassifikation vernachlässigen (vgl. 1.3.2.3.); auch haben wir nicht (wie Lewis 1973) zwischen konditionaler Möglichkeit und Notwendigkeit unterschieden. Die Differenzierung wahrheitsfunktional/nicht-wahrheitsfunktional läuft, wie wir gesehen haben, auf eine Ausgrenzung der konjunktivischen KSe hinaus, da bei diesen die Implikatur nicht-wahrheitsfunktionaler Gründe für die Behauptung des Konditionals immer vorhanden ist, und würde deshalb nur für die indikativischen KSe gelten (vgl. 1.3.3.2.). Ich werde sie deshalb ebenfalls nicht als Klassifikationskriterium verwenden. Meine Behandlung der KSe in Kapitel 1 und 2 impliziert vielmehr eine primäre Trennung in indikativische und konjunktivische, wenn auch beide als logisch gleichwertig zu gelten haben. Dies gibt uns eine erste Klassifikation nach der grammatischen Form: Konj unktivisch Antezedens

Konsequens would could

bzw. modal past modal past perfect

Indikativisch

must

verb have + participle

einfache Konditionale, Tempusformen fast so frei wie in indikativischen Deklarativsätzen (vgl. auch Schachter 1971:70)

4 Ich werde im folgenden die Termini modal past und modal past perfect verwenden.

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Die Verbformen im A der konjunktivischen KSe nehmen, nach dem Verlust der Konjunktivformen im Englischen, Konjunktivfunktion wahr. Jespersen (MEG/IV:112ff.) spricht von imagiiative use of tenses bzw. preterit of imagination und pluperfect of imagination; Quirk/Greenbaum(1973:52ff.&338f.) benutzen modal past with present and future reference und modal past with past reference. In alien granmatischen Schulen wird weiterhin danach unterschieden, ob die Erfüllung der im A ausgedrückten Bedingung möglich, unwahrscheinlich oder unmöglich ist. Die folgenden Termini sind gebräuchlich: clauses of open/rejected condition (Jespersen (MEG/ V:377);5Poutsma (21929:694)); real/unreal condition (Palmer(1965); Leech(1971); Quirk/Greenbaum(1973)); open/hypothetical condition (Leech/Svartvik (1975)). Die Unterscheidung open/rej ected condition deckt sich im großen urd ganzen mit der Unterscheidung indikativisch/konjunktivisch1. Ausnahmen sind jedoch indikativische KSe mit erfüllten Bedingungen, die als rhetorisches Mittel der Bnphase oder Gradation verwendet werden, scwie die kommentierenden KSe im Indikativ. In der Gruppe der clauses of rejected condition muß weiter unterschieden werden zwischen hypothetischen KSen, mit denen wir erwägen, was geschehen würde, wenn ein bestirrmter Sachverhalt gegeben wäre, und kontrafaktischen KSen, mit denen wir z.B. über Ereignisse nachdenken, die eingetreten wären, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt gewesen wären. Diese letzteren - die traditionellen kontrafaktischen KSe - übermitteln die starke Implikation, daß die angesprochenen Bedingungen nicht erfüllt waren bzw. nicht erfüllbar sind, während bei den hypothetischen KSen die Realisierung der Bedingung noch im Bereich des Möglichen liegt. Jespersen (MEG/V:377) hat jedoch darauf hingewiesen, daß auch KSe mit modal past im A und Konditional im K kontrafaktisch sein können, sofern sie sich auf die Gegenwart beziehen: "If we are talking of something in the present time, the imaginative preterit excludes the possibility: if he were in tcwn, he would call implying that he is not in town." Dagegen macht Jäger (1971:160) darauf aufmerksam, daß Konjunktivformen im Deutschen auch Erfüllbarkeit ausdrücken können, und zwar ebenfalls abhängig van realen Zeitbezug und der Kontextsituierung der Aussage: 5 Jespersen (1917:36) erwägt auch den Terminus rejecting condition: Hypothetical clauses, like if were rich ... or if I had been rich are often termed "clauses of rejected condition", but as it is not the condition that is rejected but that which is (or would be) dependent on the condition, (for instance, should travel, or I_ should have travelled) a better name would be "clauses of rejecting condition".

174

Denn die Frage, ob eine Aussage, in der der Konjunktiv II steht, ein noch mögliches, wahrscheinliches oder urmögliches Geschehen bezeichnet, hängt neben anderen von der r e a l z e i t l i c h e n , nicht der temporalen Situierung ab. In dan Satz: In ein paar Wochen hätte ich diese verdarrmte Konjunktivitis endlich hinter mich gebracht kann (bei Zukunftsbezug) Erfüllbarkeit vorliegen. Man könnte inneren Monolog annehmen. Da dies auch für das Englische gilt, will ich als sekundäres Klassifikationskriterium für KSe deren realen Zeitbezug annehmen, als tertiäres das zeitliche Verhältnis zwischen A und K. Der im A ausgedrückte Sachverhalt kann entweder zeitlich vor dem im K ausgedrückten Sachverhalt liegen (=Vorzeitigkeit des A), er kann mit den K-Sachverhalt gleichzeitig sein (Gleichzeitigkeit von A und K), oder er kann zeitlich dan K-Sachverhalt nachfolgen (Nachzeitigkeit des A). Unter Anwendung dieser Kriterien erhalten wir zugleich einen Überblick über die in den KSen möglichen Tanpus- und Moduskanbinationen und eine tragfähige Erklärungsbasis für die herrschenden Restriktionen (die Anzahl der Beispiele reflektiert nicht die relative Häufigkeit der in ihnen demonstrierten Formen): I. 1.

Indikativische Konditionalsätze: open condition Futurbezug Vorzeitigkeit des A: If he ccmes, I shall go. If he is in town, he will call. If you have posted your entry form by November 5th, you will receive your free copy of 'Housewife's Delight' by Christmas. If you have made such a premise, you'll have to keep it. If he was here yesterday, he won't cone tomorrow. Nachzeitigkeit des A: You have changed, if you're going to premise me that. Gleichzeitigkeit von A und K: If you're going to be there, I'll came, too.

2.

Gegenwartsbezug Vorzeitigkeit des A: He must be lying, if he told you that. If you have made such a promise, you can't break it. If the warning was given in time, the authorities are not to blame.

175

Nachzeitigkeit des A: If you think I'm going to marry you, you've made a mistake. If you can't reach your toes, you haven't been doing the exercises. Gleichzeitigkeit von A und K: If that cord, the parachute opens. If you he'spull here, he's probably working in the garden. 3.

4.

If you have made such a premise, you have been rather rash. Vergangenheitsbezug Vorzeitigkeit des A: If the warning had been given in time, the authorities were not to blame. Nachzeitigkeit des A: If the plane was able to start again, it had been refuelled without anyone noticing. Gleichzeitigkeit von A und K: If he was here yesterday, he was in the garden. If you allowed that, you were very foolish. If he was embarrassed, he did not show it. If Oswald did not shoot Kennedy at Dallas, someone else did. Anaphorische Modifikation (Nur für Gleichzeitigkeit von A und K in allen Zeitbezügen) This will be one of the best books of the month, if not of the year. This is one of the best books of the month, if not of the year. Few men have stopped beating their wives, if any at all have. His better feelings conquered, if better feelings he had. The fire was smouldering, if that. A hundred people were there, if that many. There were 500 people there, if not more. How much, if anything, did you give to the R.S.P.C.C.?

II. Indikativische Konditionalsätze: fulfilled condition (rhetorisches if) A.

Qnphase (Die hier relevanten if-Sätze sind alle in verschieden starkem Grade idicmatisiert.) Futurbezug I'm going to get to the bottom of this, and if it's the last thing I do! (konzessiv) Gegenwartsbezug I'll be damned hanged dashed blown

if

She's on the wrong side of thirty, if she's a day. If I've told you once, I've told you a hundred times! If there's one thing I can't stand, it's getting caught in the rush hour traffic!

176

3.

Vergangenheitsbezug If there was any form of Government he liked, it was that of Prance. If I left early, it was because I had a train to catch. He measured 6'2", if an inch.

B.

Kataphorische Gradation (nur für Vergangenheitsbezug) If I was a bad carpenter, I was a worse tailor. If he had loved her before, he now adored her. If he had been embarrassed at first meeting her, he was new utterly confused.

III. Konjunktivische Konditionalsätze: rejected condition 1.

Futurbezug Gleichzeitigkeit von A und K: If you allcwed that, you would be very foolish. It would do Sam good, if you were to visit him seme time. If it should rain, we had better stay at heme. If I concentrated on this to the exclusion of all other work, I would make faster progress. (Monolog) Vorzeitigkeit des A: Then, if I had finished this chapter by Christmas, I could take a short holiday. (Monolog) Nachzeitigkeit des A: If Tern arrived soon, we wouldn't have waited in vain.

2.

Gegenwartsbezug Gleichzeitigkeit von A und K: If you really loved me, you wouldn't object to mother's caning to live with us. If Smith were in his office, he'd answer the phone. Perhaps you wouldn't be so irritable if we had a bigger flat. If elephants had wings, they could fly. Vorzeitigkeit des A: If Oswald hadn't shot Kennedy at Dallas, Kennedy would be alive today. Nachzeitigkeit des A: If it were malignant, they would have operated at once.

3.

Vergangenheitsbezug Gleichzeitigkeit von A und K: If If If If

that piece of butter had been heated to 150°F, it would have melted. you had done an extra paper, you would have passed. it hadn't been for Jack, I should have died there and then. Oswald had not shot Kennedy at Dallas, scmeone else would have.

177

Durch dieses Vergehen wird deutlich, daß indikativische KSe sowohl open als auch fulfilled condition ausdrücken, daß konjunktivische KSe mit modal past im A sowohl hypothetisch als auch kontrafaktisch sein können, und daß KSe mit modal past perfect im A nicht immer kontraf aktische Bedingungen angeben, sondern auch als hypothetische oder sogar als erfüllbare KSe interpretiert werden können. Die jeweilige Interpretation hängt van realen Zeitbezug des Konditionals aus der Sicht des Sprechers ab, der sich oft nicht aus den Tempus formen des Satzgefüges, sondern aus dem Kontext ergibt. Ich will dennoch annehmen, daß sich Sprecher normalerweise mit konjunktivischen KSen von der Möglichkeit der Realisierung der im A ausgedrückten Bedingung distanzieren (= rejected condition), daß sie sich mit indikativischen KSen gegenüber dieser Möglichkeit neutral verhalten (= open condition) oder sich mit der Wahrheit bzw. Falschheit des im A ausgedrückten Sachverhaltes identifizieren (= fulfilled condition). Nach diesen propositionalen Einstellungen ergibt sich die folgende semantisch-pragmatische Klassifikation: DISTANZ Konjunktivische KSe (rejected condition) 1. Hypothetische KSe konjunktivische KSe mit Zukunftsbezug 2. Kontrafaktische KSe konjunktivische KSe mit Gegenwarts- und Vergangenheitsbezug

NEUTRALITÄT Indikativische KSe (open condition)

IDENTIFIKATION Indikativische KSe (fulfilled condition)

1. Einfache KSe Mit Zukunfts-, Gegenwarts- und Vergangenheitsbezug

1. Biphase 2. Kataphcarische Gradation (3. Kaimentare)

2. Anaphorische Modifikation

Schwierigkeiten bei der Klassifikation bereiten die sprechakt-kannentierenden indikativischen KSe, die, ihrer abweichenden Syntax und Semantik wegen, unter Formgesichtspunkten behandelt werden müßten, aufgrund ihrer - eben wegen dieser eigenwilligen Form eindeutigen interaktionellen Funktion - jedoch sinnvoller für die sprechakttheoretische Betrachtung aufgehoben werden. Ihrer Form nach sind sie elliptische KSe, bei denen der Hauptsatz mit einem verbum dicendi zu ergänzen ist und die, da die Erfüllung der im A thanatisierten Bedingung im darauffolgenden Sprechakt immer schon vorausgesetzt wird, dan identif ikatorischen Typ zugerechnet werden können:

178

(4)a.

The point of my argument, if you're interested, is that you can't make an omelette without breaking eggs,

b.

If you are interested, I will tell you: You can't make an omelette without breaking eggs.

Auch die beiden anderen, den indikativischen KSen mit fulfilled condition subsumierten Typen von KSen,sind nach sowohl formalen als auch funktionalen Gesichtspunkten benannt und eingeordnet worden. Eine solche Mischung der Klassifikationskriterien läßt sich jedoch schwer vermeiden; schon die Termini fulfilled, open und rejected condition verbinden ja die funktionalen Begriffe Identifizierung, Neutralität und Distanz mit einer formalen Opposition (Indikativ und Konjunktiv). Bei der Verwendung der indikativischen KSe zum Ausdruck der für diese Sprachform nicht angemessenen fulfilled condition (die konditionale Form verwendet man ja gerade dann, wenn man sich der Wahrheit der Antezedensbedingung nicht sicher ist) resultiert deren Funktion der identifikatorischen Elnphase oder der Gradation. Solche KSe sind deshalb durch eine besondere Verbindlang von Form und Funktion gekennzeichnet,die ihrer Verwendung in Sprechakten übergeordnet ist bzw. diese sogar eindeutig festlegt, und zwar auf assertorische (repräsentative) Sprechakte. Die anaphorische Modifikation ist ebenfalls nach formalen und funktionalen Kriterien klassifiziert. Sie bezeichnet eine Funktion der indikativischen KSe mit open condition, die auf einem Prozeß beruht, der auf die logische Form dieser KSe zurückgreift. 4.2.

Indikativische Konditionalsätze

4.2.1. Die Behandlung der indikativischen Konditionalsätze in der traditionellen und generativen Gramnatik und unter konversationslogischem Aspekt KSe werden übereinstimmend als adverbiale Nebensätze beschrieben; sowohl Vertreter der traditionellen Granmatik wie Jespersen (MEG/V:365ff.) und Poutsma 2 ( 1929:694ff.), als auch der auf dem Syntactic Structures Modell fußende Härtung (1964), als auch die Vertreter der generativen Semantik (vgl. G. Lakoff (1972a), Davison (1970), Morgan (1969), Schachter (1971)) oder einer eklektischen Position wie Quirk/Greenbaum (1973), Quirk et al. (1972) oder Leech/Svartvik (1975) betrachten if als subordinierende konditionale Konjunktion. Hartlang (1964:66&128f.) erörtert die Ableitung konditionaler Nebensätze aus zwei Ketten, von denen die eine (der Hauptsatz) einen konditionalen Platzhalter für die Einbettung des Nebensatzes scwie eine Quasinominalisierung mit 'konditionaler

179

Charakteristik' enthält: (5)a.

Er hat Zeit. /kond/Präp + P n + kommt er auch.

b.

Er hat Zeit. Dann/da kennt er auch.

c.

Wenn er Zeit hat, dann kamt er auch.

Eine Satzverbindungs- bzw. Einbettungstransformation führt zu (5)c. Indikativische KSe, die bezüglich der Erfüllung bzw. Nicht-Erfüllurg ihrer A-Bedingung ambig sind, haben nach Härtung eine verschiedene Ableitungsgeschichte; so ninmt er für (6)a. die folgende Doppeldeutigkeit an (vgl.134): (6)a. b.

Er macht sich verdächtig, wenn er kein Alibi hat. Es ist eine Tatsache, daß er kein Alibi hat. Falls er tatsächlich kein Alibi hat, macht er sich verdächtig.

c.

Es ist möglich, daß er kein Alibi hat. Falls er tatsächlich kein Alibi hat, macht er sich verdächtig.

Ansätze für eine transformationelle Ableitung der KSe im Syntactic Structures Modell wie der von Härtung sind zwar für die Entwicklung der generativen Sprachwissenschaft interessant gewesen, wegen des Ausschlusses sanantischer (und umso mehr pragmatischer) Fragestellungen heute jedoch überholt. Es ist in diesem Rahmen z.B. nicht möglich, semantische Abhängigkeiten der Teilsätze untereinander zu erfassen, der Begriff 'konditionale Charakteristik' bleibt deshalb semantisch leer; welche Kette den konditionalen Platzhalter enthält, scheint willkürlich. Mit Hartungs Verfahren scheint ebenso gut (5)d. ableitbar: (5)d.

Wenn er kennt, dann hat er auch Zeit.

Die Ambiguität von (6)a. schließlich ist nicht syntaktischer Art. Im Rahmen der generativen Sanantik hat Davison(1970) zur Repräsentation von if, since und because in der semantischen Struktur den Vorschlag gemacht, if wie in der Aussagenlogik als Konnektiv zwischen Propositionen darzustellen, jedoch ohne die für since und as geltende Spezifizierung, daß die erste Proposition als wahr präsupponiert wird:® (7)a.

Since, as: S

IF

+ Fact

6 Vgl. Davison(1970:194-198). Dav.isons Spezifizierung "on S. und S- als performative Sätze lasse ich aus.

180

(7)b.

If: S

Uber das semantische Verhältnis zwischen S^ und S2 sagt ein solcher Vorschlag allerdings ebenso wenig aus wie der Hartungs. G. Lakoff (1972a) verweist auf die Gefahren einer Übersetzung von if S^, then S^ in die aussagenlogische oder irgendeine andere logische Folgerelation zwischen S1 und S 2 (etwa '>', 'O?' oder ' John has children

If John went to the party, he probably regrets it. Ea: 0 Ej,: John went to the party E

MK 1

^

e

k' =

went to the party zz John went to the party

Dies ist übrigens das Ableitungsmuster für alle indikativischen KSe, deren K sich mit it anaphorisch auf den A bezieht; so auch für (56): (56)

If he was embarrassed, he did not shew it. A°

V AAK

0 he was embarrassed (A rs E^J = he was embarrassed r^ he was embarrassed

Otwohl sich Sätze wie (47)a. - (55)a. und (56) auf der Ebene der logischen Struktur gleichen (weil A jeweils die logische Folgerung aus K thanatisiert und weil die Folgerungen aus den gesamten Konditional deshalb eine Tautologie sind), unterscheiden sie sich dennoch in ihrer semantischen Aussage. Die anaphorische ifModifikation übermittelt eine Abschwächung der K-Aussage durch Einschränkung der A-Bedingung (deren Formen any, ever, at all, etc. ohnehin schon an der unteren Grenze eines semantischen Kontinuums anzusiedeln sind) auf das absolute Minimum

198

(nämlich deren logische Implikation). 4.2.4. Indikativische Konditionalsätze mit fulfilled condition (rhetorisches if) Auch den unter 4.1. der Unphase und kataphorischen Gradation subsumierten ifSätzen hat man in der neueren linguistischen Literatur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zwar diskutiert Ross (1968) den Beispielsatz (57), jedoch lediglich unter dem Aspekt syntaktischer Spuren übergeordneter performativer Sätze: (57)

I'll be damned if I'll have anything to do with her.

Bei Quirk/Greenbaum (1973) und Leech/Svartvik (1975) erscheinen sie überhaupt nicht. Die unter 4.1. angeführten Sätze drücken alle das aus, was Jespersen (MEG/V:377) pseudo-condition genannt hat, "when the if-form is used rhetorically to point to a contrast or to show that two statanents are equally true". Poutsma 2 ( 1929:696) führt ähnliche Sätze als Beispiele dafür an, daß if oft auftritt, wenn die konditionale Relation mit anderen Relationen, z.B. quality (58) oder degree (59) vermischt ist: (58) If he had loved her before, he now adored her. (59) She's six and fifty, if she's an hour. (= She's at least 65) Anders als Jespersen trennt Poutsma zwischen (58)und (59) und Sätzen wie (60) und (61): (60)

If the offer was rejected, it was because people distrusted him (Jespersen MEG/IV:134).

(61)

If I sent for the doctor at last, it was chiefly to break the 2

abnormal tension of not sending (Pcutsma 1929:697). Beide Auffassungen scheinen vertretbar: Während allen diesen Sätzen gemeinsam ist, daß zwischen ihren Teilsätzen keine echte konditionale Abhängigkeit besteht, ist dennoch Poutsmas feinere Differenzierung gerechtfertigt, ja notwendig: Im Gegensatz zu (57) - (59) sind nämlich (60) und (61) keine echten Bedingungssätze, sondern Kausalsätze. Die anderen der von Jespersen als pseudo-condition bezeichneten if-Sätze jedoch sind Konditionalsätze, die sich allerdings von echten Bedingungssätzen dadurch unterscheiden, daß einer der Teilsätze van Hörer als wahr oder falsch erkannt wird, so daß die konditionale Form - für eine solche Verwendung an sich nicht angemessen - zum rhetorischen Mittel der Betonung des anderen Teilsatzes wird. Die zu besprechenden Sätze lassen sich danach einteilen.

199

welcher der Teilsätze offensichtlich wahr oder falsch ist: I.

A offensichtlich wahr - K emphatisch wahr

(62)

She's on the wroraj side of thirty, if she's a day (= she's definitely over thirty).

(63)

He measures six feet two, if an inch (= he measures at least 6'2").

(64)

If there's one thing I can't stand, it's getting caught in the rush hour traffic (=1 definitely can't stand getting caught in the rush hour traffic).

(65)

And if there's one thing I never am, it's abusive (Zooey 123) (= I definitely never am abusive).

(66)

If (= If (=

(67)

I've I've I've I've

told told seen seen

you once, I've told you a hundred times you very often indeed). it happen once, I've seen it happen a dozen times (Jeeves 27) it happen very often indeed).

(68)

The classical transformational granmarian's solution to this problem is an illustration of pushing under the rug, if ever there was one (R. Lakoff 1975:327) (= the best illustration of pushing under the rug).

(69)

If there was any form of Government he liked, it was that of France (= he liked the French form of Government best).

(70)

If I was a bad carpenter, I was a worse tailor (=1 was a very bad tailor) (vgl. Jespersen MBG/IV:134). 2 If he had loved her before, he new adored her (Poutsma 1929:696) (= he definitely new adored her). If he had been anbarrassed at first meeting her, he was new utterly confused (= he was definitely utterly confused).

(71) (72)

Hier wird K emphatisch behauptet (was an den verstärkenden Partikeln definitely und very der Paraphrasen ablesbar ist) oder bis hin zur stärkstmöglichen Aussage gesteigert (dokumentiert durch best in den Paraphrasen). Diese Emphase wird als konversationeile Implikatur abgeleitet: Da bei diesen Sätzen die A-Bedingung imner erfüllt ist, ist die konditionale Form nicht anganessen. Wer diese Sätze dennoch äußert, verstößt damit gegen die 3. Relevanzmaxime (welche die Verbindung von Form und Inhalt regelt) und impliziert, daß - da die A-Bedingung so offensichtlich erfüllt ist (weil sie, wie bei der if-Modifikation, das absolute Minimum zur Bedingung erhebt, oder, wie in (70) - (72) , eine Grundform der

200

gesteigerten K-Aussage) - auch der K ganz offensichtlich wahr sein muß. II. K offensichtlich falsch - A emphatisch falsch (73)a.

b. (74)a. b.

I'll beidamned) if [I'll apologize. hanged •> I' 11 have anything to do with her. [it isn't George, . dashed blown etc.

{

If he has passed his exam, fl' 11 eat my hat. [I'm a Dutchman. — I was dashed if I was going to demean myself (Jeeves 51). What! I'm hanged if I do (Jeeves 19).

Während diese Formen feste Kollokationen sind, kann das gleiche syntaktische \ind semantische Muster produktiv zur emphatischen Verneinung von A verwendet werden. Die so gebildeten Sätze bekamen dann den gleichen leicht ironischen Ton, wie ihn (73) - (74) haben. Wir haben ein solches Beispiel schon in Kapitel 1 als (54)b. kennengelernt: (75)

If Oswald didn't shoot Kennedy at Dallas, Kennedy is alive today.

Die konversationeile Implikatur, daß A emphatisch falsch ist, wurde unter 1.3.3. aus der Verletzung der 1. Qualitätsmaxime ausführlich abgeleitet: K ist offensichtlich falsch, und unter der Voraussetzung, daß der Sprecher das Cooperative Principle und die Maximen beachtet, leitet der Hörer die Implikatur ab, daß deshalb die Erfüllung der A-Bedingung unmöglich sein müsse: That Oswald didn't kill Kennedy is impossible. Für die Beispiele (73) und (74) gilt der gleiche Ableitungsprozeß, der dadurch in Gang gesetzt wird, daß der Hörer den K als eindeutig falsch erkennt, oder als offensichtlich unaufrichtig interpretiert, da der Sprecher die im K angekündigte Handlung nicht auszuführen beabsichtigen bzw. wünschen kann, z.B. weil sie zu seinem Nachteil ist. Hier gehen in die Ableitung also auch Bedingung für das Glücken von Sprechakten ein. Die Darstellung dieser KSe in der logischen Struktur ist gleichfalls problemlos möglich durch und die Implikatur der Indirectness Condition.

201 4.3.

Konjunktivische Konditionalsätze (rejected condition)

4.3.1. Hypothetische und kontrafaktische Konditionalsätze Unter 4.1. habe ich darauf hingewiesen, daß sich die Unterscheidung hypothetisch/ kontrafaktisch nicht nur an den Verbformen im A orientieren kann. Auch KSe mit nodal past im A können kontrafaktisch interpretiert werden, sofern sie sich auf die Gegenwart beziehen. Ctowohl Jespersen schon 1940 auf diese Tatsache aufmerksam gemacht hat als etwas "/which7 seems to have escaped notice" (MEG/V:377), wird dieser Aspekt der konjunktivischen KSe weiterhin kaum beachtet. Quirk/Greenbaum (1973:338f.) weisen darauf hin, daß Sätze wie (76) eine negative Inferenz erlauben und daß bei Vergangenheitsbezug diese Inferenz absoluter ist und die A-Bedingung zurückweist, während bei Präsens- und Futurbezug lediglich Unwahrscheinlichkeit und negative Erwartung ausgedrückt werden (vgl. (77)a.&b.): (76)

If we had enough money, we wouldn't have to work so hard

(77)a.

If you listened to me, you wouldn't make mistakes

(but we don't have enough money).

b.

(but I don't suppose you will listen to me). If he had listened to me, he wouldn't have made the mistake (but in fact he didn't listen).

Auf die Frage,wieso (76) die gleiche negative Inferenz mit modal past ausdrückt, für die in (77)b. ein modal past perfect erforderlich ist, gehen sie jedoch nicht ein. J. Schachter (1971:69f.) hat sich eingehender mit diesen Problem auseinander gesetzt und führt den Unterschied auf im KS selbst enthaltene zusätzliche Information zurück: "When we have additional information to indicate the imaginary situation does not coincide with present reality, we interpret the subjunctive as 'counterfactual'also." So wird (78)a. als kontrafaktisch interpretiert, (78)b. dagegen, wo solche zusätzliche Information fehlt, als hypothetisch: (78)a. b.

If you were here right new, I'd hit you. If Nixon were to collapse fright now!, chaos would reign. ttanorrow J

Dies wirft zwar Zweifel hinsichtlich des Gegenwartsbezugs solcher Sätze als notwendige und hinreichende Bedingung ihrer Kontrafaktizität auf (vgl. 4.1.), liefert jedoch keine weiterführende Erklärung dafür, wodurch in (77)b. oder (76) die

202

zusätzliche Information übermittelt wird, daß die vorgestellte Situation nicht mit der gegenwärtigen Wirklichkeit übereinstinmt. Man vergleiche dazu jedoch die folgenden Beispiele: (79)a. b.

If he came,I would go. If you pulled that oord, the parachute would open.

c. (80)a.

If you wrote another paper, you would probably pass. If he were in town, he would call.

b.

If she didn't always smell of horses, she'd be quite a nice girl to have around.

c.

If Sam heard voices, he'd see a psychiatrist.

d.

If he believed in transderivational rules, he'd believe in anything.

e.

If Jane resembled her mother, we'd easily recognize her.

Wir sehen, daß der Kontrast zwischen event verbs und state verbs, der bei den indikativischen KSe für die Unterscheidung von eindeutig offener und zwischen offen und erfüllt ambit jer Bedingung relevant war (vgl. 4.2.2.) , sich auch bei den konjunktivischen KSen niederschlägt. Daß es die Verbformen des A und nicht die des K sind, die für die kontrafaktische Interpretation verantwortlich sind, zeigen die folgenden Beispiele: (81)

If Tcm were in tcwn, you wouldn't have seen him at the races.

(82)

If the Government had reacted earlier, we wouldn't be in this mess now.

Mein von Jespersen übernanrenes Kriterium des Gegenwartsbezugs muß deshalb von der Unterscheidung state/event ergänzt werden. Aus diesen Überlegungen läßt sich die folgende Generalisierung ableiten: (83)a.

Konjunktivische KSe werden dann kontrafaktisch interpretiert, wenn i. A ein state verb im modal past enthält, oder ii. A ein event verb im modal past perfect enthält,

b.

Sie werden hypothetisch interpretiert, wenn A ein event verb im modal past enthält.

(83)b. gilt auch dann für das gesamte Konditional, wenn im K Konditional II steht, d.h. die Hypothetizität des A modifiziert die negative Inferenz dieser Form im K: (84)

If Tcm arrived now, we wouldn't have waited in vain.

203

4.3.2. Die negativen Implikationen der konjunktivischen Konditionalsätze: Präsuppositionen, logische Implikationen und suggerierte Schlußfolgerungen Die Bedeutung der konjunktivischen KSe mit rejected condition wird allgemein dadurch beschrieben, daß A, manchmal auch K, negativ interpretiert wird, bzw. die Präsupposition, daß nicht-A, zu dieser Bedeutung gerechnet wird. Fillmore (1965:544ff.) schlägt vor, in die Tiefenstruktur der konjunktivischen KSe ein konditionales Merkmal aufzunehmen, daß einmal die Transformationen steuert, die zu den richtigen Tempuskcmbinationen führen, und zum anderen eine supposition rule auslöst, die der Bedeutung des Konditionals die Information hinzufügt, daß A falsch ist. Laut Morgan (1969) und G. Lakoff (1972a) präsupponieren die kontrafaktischen KSe jedoch nicht nur die Falschheit ihrer A-Sätze, sondern auch die ihrer K-Sätze. So haben nach Lakoffs Analyse (571) (85)a.&b. die Präsuppositionen (85)c.&d.: (85)a. b.

If Irv were a Martian, I'd be running away frcm here. It is not the case that if Irv were a Martian, I'd be manning away frcm here.

c.

Irv is not a Martian.

d. e.

I'm not running away frcm here If Irv were a Martian, I wouldn't be running away frcm here.

Diese Analyse ist nicht haltbar. (85)b. nämlich wird extern negiert, während die Präsuppositionsrelation dagegen in Abhängigkeit von der natürlichen Negation definiert wird. Grice (1968a/V:18f.) hat gezeigt, daß die natürliche Negation eines Konditionals den K verneint. Die natürliche Negation von (85)a. - (85)e. aber kehrt die vermeintliche Präsupposition (85)d. um, während die negative Implikation (85)c. erhalten bleibt. Auch andere Gründe sprechen scheinbar dafür, eine negative Implikation nur für A, nicht aber für K, aufrecht zu erhalten. Daß der A-Satz konjunktivischer KSe negativ interpretiert wird, ist eindeutig und wird auch dadurch bestätigt, daß in dieser Umgebung polarity items (wie already, seme, im Gegensatz zu yet, any) in negierten Sätzen auftreten können, die sonst nur in positiven Sätzen grammatisch sind. Dies wird damit erklärt, daß z.B. (86)a. das Negat von A, also den positiven Satz (86)b. präsupponiere und daher semeone und already zulässig sind (vgl. Baker 1970, Karttunen 1970):

204

(86)a.

If someone hain't already asked my sister to the dance, I would be trying to find someone to take her.

b.

Someone has already asked my sister to the dance.

Was die suggerierte negative Interpretation des K angeht, so hat G. Lakoff (1972a: 573) darauf aufmerksam gemacht, daß diese 1Präsupposition' löschbar sei, nicht aber die des A; Karttimen (1971) hat dieses Argument aufgegriffen und aus der Verschiedenartigkeit der A- und K-Implikation geschlossen, daß kontrafaktische KSe wie (87)a. die Falschheit ihrer A-Sätze präsupponieren, die Negation von K jedoch eine suggerierte Schlußfolgerung im Sinne von Geis/Zwicky (1971) sein müsse: (87)a.

If Harry had kncwn that Sheila survived, he would have gone heme.

b.

Harry did not know that Sheila survived.

c.

Harry did not go heme.

Nur (87)c. sei nämlich durch Modifikation löschbar, bei (87)b. sei dies dagegen nicht möglich (wobei die Löschbarkeit zum Kriterium für das Vorhandensein einer suggerierten Schlußfolgerung (87)d. e.

wird):

If Harry had kncwn that Sheila survived, he would still have gone heme, +

If Harry had known, as he did, that Sheila survived, he would have gone home.

Suggerierte Schlußfolgerungen oder invited inferences sind laut Geis/Zwicky (1971) Schlüsse, die weder auf der logischen noch anderweitigen sprachlichen Form von Sätzen beruhen, sondern auf "a tendency in the human mind" zurückzuführen sind, weitergehende Schlußfolgerungen zu ziehen, als aufgrund der sprachlichen Daten eigentlich logisch zulässig ist. Beispiel für solche Prozesse ist u.a. die Folgerung kausaler Zusammenhänge aufgrund temporaler Sequenz (post hoc ergo propter hoc) und besonders die Tendenz, einfache KSe wie (88)a. als Bikonditionale, also logische Äquivalenz, zu interpretieren: (88)a. b. c.

If you mew the lawn, I'll give you five dollars. If you don't mew the lawn, I won't give you five dollars. If and only if you mew the lawn, I'll give you five dollars.

Für die Beziehung zwischen (88)a.&b. formulieren Geis/Zwicky das Principle of Conditional Perfection: (89)

A sentence of the form X=sY invites an inference of the farm~X

205 Was den theoretischen Status dieser Prozesse betrifft, so vermuten sie, daß sie eine Art konversationeller Implikatur sein könnten, meinen jedoch, daß eine Ableitung über eine Verletzung der Maximen nicht möglich sei, wcmit sie die Erklärung des Phänomens schuldig bleiben. Zwei Dinge sind hier zu better ken: 1. Die vermeintliche Löschbarkeit der negativen Implikation von K hat mit dem beobachteten verschiedenen Verhalten der Implikationen von A und K nichts zu tun. Sie verweist nicht auf einen qualitativen Unterschied zwischen A und K, sondern liegt in der Funktion der KSe begründet. Die Löschung der K-Implikation allein ist nur deshalb möglich, weil zugleich mit der negativen Implikation von K die konditionale Relation überhaupt verneint wird. (87)d. läßt sich nämlich mit daxt Satz (87)g., der auch die negative Implikation des A löscht, paraphrasieren: (87)g.

Harry would have gone hatte, (whether he had known that Sheila survived or not. in any case. no matter what.

2. Das Principle of Conditional Perfection gilt nicht für alle KSe, so nicht für: (90)a. b. c.

If he was embarrassed, he did not show it. If you saw Tan at the races, he's not in tcwn. If your plane leaves in a hour, you're flying Lufthansa.

Und es gilt in besonderatt Maße für bestinmte Sprechakte wie Versprechen, Aushandeln, Erpressung: (91 )a. b.

If you do the shopping, I'll mend your socks. If you don't do the shopping, I won't mend your socks.

In den Sätzen unter (90) ist die A-Bedingung keine notwendige Bedingung für die Wahrheit des K;es handelt sich um Behauptungen einer konditionalen Relation, während die Sätze unter (91) bedingte Aussagen sind (statements made conditionally) . Als solche ordnen sie die Erfüllung der A-Bedingung der Erfüllung des K eindeutig unter, wodurch suggeriert wird, daß die A-Bedingung in der Tat nicht nur eine hinreichende, sondern auch eine notwendige Bedingung für die Erfüllung des K ist. Die Ableitung dieser Implikatur könnte wie folgt verlaufen: The subordinating use of 'if p,then q' implies that the determination of the truth of 'p' is (temporally) prior to the indirect determination of the truth of'q'. If 'p' is not a necessary condition for the truth of 'q', this sub-

206 ordination is pointless and violates the second maxim of relation (form-content). S can therefore only be construed to have male a cooperative statement if he is taken to implicate that 'p' is indeed a necessary condition for the truth of 'q'. Wenn aber 'p' eine notwendige Bedingung ist, dann kann ^Lf jd, then cj (P3>q) als if and only if p, then q (pa q) interpretiert werden, und dafür gilt: if not-p, then not-q (-p3-q). Diese Ableitung gilt, wie das Principle of Conditional Perfection,für indikativische und konjunktivische KSe gleichermaßen. Über die Subordination von A liefert sie zwar eine Erklärung dafür, daß in konjunktivischen KSen die negative Implikation von A nicht in gleicher Weise löschbar ist wie die des K, jedoch erhellt sie nicht, welcher Art diese negativen Implikationen der A- und K-Sätze konjunktivischer KSe überhaupt sind. Wenn die negativen Implikationen der konjunktivischen KSe als logische Präsuppositionen oder auch als logische Folgerungen analysiert werden, dann beeinflußt dies die Wahrheitswerte dieser Sätze, und die Ableitung ihrer Präsuppositionen oder logischen Folgerungen wird äußerst komplex. Ich bin aber mit Stalnaker (1968,1972,1973) und Lewis (1973) der Meinung, daß der Gebrauch des Konjunktivs nicht logisch impliziert oder präsupponiert, daß die entsprechende Proposition falsch ist, sondern lediglich eine propositionale Einstellung des Sprechers anzeigt, daß dieser sich von der Wahrheit der Proposition distanziert. Deshalb bleibt auch die konjunktivische Formulierung ohne Einfluß auf den Wahrheitswert des entsprechenden Konditionals (vgl. auch Lewis 1973:3): If the conditional is to be understood as a function of the propositions expressed by its component clauses, then its truth value should not in general be dependent on the attitudes which anyone has tcwards these propositions (Stalnaker 1968:102). Würden konjunktivische KSe die Falschheit ihrer A-Sätze logisch implizieren oder präsupponieren, dann müßten konjunktivische KSe, bei denen sich A als wahr herausstellt, entweder kontradiktorisch oder -bei presupposition failure ohne Wahrheitswert sein. Keines von beiden ist jedoch der Fall: "The false information conveyed by using a counterfactual construction with a true antecedent eclipses the falsity cr truth of the conditional itself"(Lewis 1973:27). Konjunktivische KSe mit wahren A sind vielmehr - wie andere KSe auch - wahr oder falsch, je nachdem, ob die konditionale Relation zwischen A und K besteht oder nicht, wie das folgende Beispiel von Lewis (1973:27) zeigt:

207

(92)a.

If Caspar had cane, it would have been a good party.

b.

That's false, for he did came, yet it was a rotten party.

c.

That's true; for he did and it was a good party.

You didn't see

him because you spent the whole time in the kitchen, missing all the fun. Die negativen Implikationen konjunktivischer KSe sind offensichtlich Manifestationen eines allgemeineren - nicht^wahrheitsfunktionalen - Phänomens: des Konjunktivs . 4.3.3.

Funktion und Bedeutung des Konjunktivs

Konjunktivformen drücken hypothetische Bedeutung aus - im Gegensatz zur faktischen Bedeutung des Indikativs übermitteln sie ein negative truth canmitment des Sprechers: "

this implies an assumption, by the speaker, that the happening

described did not, does not or will not take place" (Leech 1971:111). Differenzierte Auseinandersetzungen mit dan Konjunktiv finden sich - dan Rückgang der Konjunktivformen im Englischen entsprechend - in Arbeiten zur englischen Sprachwissenschaft selten.

Doch lassen sich Ergebnisse aus Untersuchungen zum Kon-

junktiv im Deutschen auf das Englische übertragen.

Die Duden-Grammatik spricht

(1966:§6665) van Konjunktiv II (entspricht modal past perfect) als dem"Modus der persönlichen Stellungnahme des Sprechers".

Die beiden großen Anwendungsgebiete

des Konjunktivs im Deutschen sind die indirekte Rede und die konjunktivischen KSe.

In beiden dient der Konjunktiv dan Sprecher dazu, sich von dem berichteten

Geschehen zu distanzieren;

die primäre Funktion des Konjunktiv II ist es, die

subjektive Stellungnahme des Sprechers als Distanzierung von oder Skepsis gegenüber Sachverhalten auszudrücken (vgl. Jäger 1971:164f.).

Die Implikation, daß

der ausgedrückte Sachverhalt falsch ist, entsteht aus der Distanz gegenüber Vergangenem: "Distanz gegenüber Vergangem bewirkt häufig, a b e r n i c h t 9 10 i m m e r , Gewißheit über das Nichtgegebensein des Sachverhalts" (Jäger 1971:212). 9 10

vgl. 4.1. Für das Englische gibt Jespersen (MEG/IV:114) in diesem Zusanmenhang eine psychologische Erklärung für d e n Gebrauch der Vergangenheitsformen, u m Unwirkliches auszudrücken und weist zugleich auf die daraus resultierende Kontextabhängigkeit der modal past Formen hin: — the tense which is ordinarily used to express past time here simply removes the idea frcm the actual present and keeps the action or state denoted by the verb at seme distance: the sphere of the preterit is thus extended to comprise everything not actually present: but of course this can only take place if the sentence indicates at the same time clearly that it must not be understood as referring to real past time; this is achieved through such words as wish and if.

208 Während die Bestürmung der Leistung des Konjunktiv II zunächst intuitiv aus dem Sprachgefühl erfolgt, ist es auch möglich, Hinweise auf diese Bedeutung in kontextuellen Entsprechungen objektiver zu fassen, um mit dieser Methode das Verhältnis von Ausdruck und Inhalt zu erhellen. So wird laut Jäger (219) z.B. bei konjunktivischen KSen die Bedingung meist im Kontext expressis verbis negiert: Aus Symptomen unmittelbar auf Krankheiten zu schließen, ist nicht möglich. Wenn man von einen Symptcm unmittelbar auf eine Krankheit schließen könnte, wäre die Medizin sehr einfach. Dennoch ist die Bedeutung des Konjunktiv II konstant - wenngleich er in verschiedenen Kontexten verschieden interpretiert werden kann - und kann in Abhebung gegenüber dan Indikativ angegeben werden als: Konjunktiv II = "Indikativ + y", wobei die Entsprechung für dieses y als Gegensatz (verbal am deutlichsten als Negation, aber auch auf andere Weise) zu fassen ist.(220). Jäger macht weiterhin auf die Gefahr aufmerksam (262), bei Analysen des Konjunktivs "Bedeutungen des Kontextes in die der Konjunktive hineinzuprojizieren". Dieser Gefahr sind viele der Analysen zu den konjunktivischen KSen im Englischen erlegen, weil sie nicht unterschieden zwischen der Funktion des Konjunktivs als solcher (Distanz) und der Funktion der Konditionalkonstruktion (Hypothese in MPP), und deshalb für A und K verschiedene negative Implikationen ansetzten. Dies ist allerdings verständlich, da oft nur aus dem Kontext (also dem K) ersichtlich ist, ob es sich in A um simple past oder modal past handelt: (93)a. b.

If you wrote another paper, you passed the course. If you wrote another paper, you would pass the course.

Da im Englischen past tense Formen Konjunktivfunktion wahrnehmen, kaimt dan Kontext, stärker als in Sprachen mit vollständigen Konjunktivparadigmen, klärende Bedeutung zu. So sind neben if auch it's time, if only, wish Kontextsignale für modal past, während as if, as though, suppose/imagine, even though, would rather, sowohl Indikativ als auch modal past erlauben: (94)a. b. (95)a. b.

It's time you were in bed. If only I had listened to my English teacher! He behaves as if he owns/owned the place. I'd rather you listened to me.

(vgl. Leech 1971:112f.)

209

4.3.4. Distanzierung als konversationeile Implikatur des Konjunktivs Es ist naheliegend, die besondere Funktion des Konjunktivs als Mittel der Distanzierung des Sprechers gegenüber dem ausgedrückten Sachverhalt, als opting out device, wemit der Sprecher signalisiert, daß er sich über eine Wahrheitsmaxime hinwegsetzt, über eine generalisierte konversationeile Implikatur zu erfassen. Wie aber wäre eine solche Implikatur abzuleiten? Da zur Semantik und Pragmatik von Modus und Tempus kaum Arbeiten vorliegen und ich im Rahmen dieser Arbeit eine solche Analyse nicht leisten kann, haben die folgenden Überlegungen eher progranmatischen Charakter. Wegen der starken Kontextabhängigkeit des Konjunktivs im Englischen empfiehlt es sich, bei einem solchen Ableitungsversuch von einer sprachlichen Konstruktion auszugehen, welche die typischste und häufigste Umgebung konjunktivischer Formen darstellt. Diese Form ist der konjunktivische KS. Wie wir schon gesehen haben, befindet sich das morphologische Merkmal der Hypothetisierung im K, und zwar meist in der Form von'vrould + Verb' oder'would + have + Verb'. Ausgehend von dan Widerspruch, der in would durch die Kombination von will und past enthalten ist, schlägt Kanpson (1975:219) folgenden Ableitungsprozeß vor: A Speaker knows that an implication of future action and of perfected action cannot be simultaneously attributed to the same action. Yet the consequent of a counterfactual contains a tense form (will + past + perfect) which implies just such a contradiction. This being so, the speaker kncws that the hearer will assume that he must be trying to convey sane other information, additional to that inherent in the logical conditional, which will resolve this anomaly. But tense contradictions, unlike lexical contradictions, are not interpretable metaphorically. So the only possible implication that the speaker could be conveying in using a contradictory tense specification is that the consequent is indeed false. On the assumption that this is so, the only way the speaker can be committed to the truth of what he is saying is if he also believes the antecedent is false He must by the maxim of quality be implying that the antecedent is false... Neben der Verwendung in konjunktivischen KSen ist das zweite große Anwendungsgebiet des Konjunktivs im Deutschen die indirekte Rede. Nun ist es weder plausibel, die Implikatur der Sprecherdistanzierung für konjunktivische KSe und indirekte Redewiedergabe verschieden abzuleiten, noch ist es vertretbar, für die gleiche Leistung des Konjunktivs im Englischen und im Deutschen verschiedene Ableitungswege zu postulieren. Eine Bindung der Leistung des Konjunktivs an den kontrafaktischen KS, wie sie Kanpson vorninmt, ist daher zu speziell. Ich schlage demgegenüber die folgende Analyse vor:

210

(96)a. [If he inherited his aunt's fortune,1 IIf hejwerejKing, b.

he would be rich.

J

Wenn er König wäre, wäre er reich.

(96)a.&b. beziehen sich auf die Gegenwart bzw. Zukunft. Die Verbformen (inherited, were/was, would, wäre) sind jedoch Formen des Vergangenheitsparadigmas (im Deutschen des Konjunktiv Imperfekt). Aus diesen Widerspruch, der die Form-Funktion Maxime verletzt, wird dann, so wie es Kempson für would dargelegt hat, die Implikatur erschlossen, daß der Sprecher sich von der Wahrheit der betreffenden Proposition distanziert. Für die modal past perfect Farmen ergibt sich die kontrafaktische Interpretation aus dem noch stärkeren Mißverhältnis zwischen benutzter Verbfarm und realan Zeitbezug. Analysiert man die negativen Implikationen der konjunktivischen KSe als konversationeile Implikaturen, so ergibt sich, daß sie Grices Kriterium der cancellability erfüllen: (97) a.

If Bob had come to the party, Tan would have left, but perhaps Bob came after all and Tan did go because, cane to think of it, I didn't see Tan around after midnight.

b.

but perhaps Bob came after all, only Tom didn't see him and stayed.

Eine implizite Löschung der negativen Implikatur des Konjunktivs erfolgt bei Frageform. So kann (98) a. in einan Kontext verwendet werden, in dem bekannt ist, daß Jakob weggegangen ist, wie die Paraphrase (98)b. zeigt: (98)a. b.

Wäre Jakob weggegangen, wenn Peter gekommen wäre? Wäre Jakob auch dann weggegangen, wenn Peter gekatmen wäre? (Vgl.Ducrot 1973:255)

Auch in anderen als konditionalen Kontexten ist die negative Implikatur des Konjunktivs löschbar: (99)a. b.

He behaves as if he owned the place, but perhaps he really does? If only I had listened to nty English teacher, but then I did, really, and look where it got me.

Ein weiteres Kriterium konversationeller Implikaturen ist es, daß sie nicht Teil der konventionellen Bedeutung der Ausdrücke sind, welche die Implikatur tragen (vgl. Grice 1975:58). Das heißt, daß man sie im Anschluß an die implizite Übermittlung noch einmal explizit mit but behaupten kann:

211

(100)a. Oh, that all of John's children were bald, tut they are not. b. If only I had listened to my English teacher, but I didn't. Logische Implikationen können dagegen nicht ohne Widerspruch nochmals mit but behauptet oder verneint werden, man kann sie nur noch eirmal mit so bestätigen: (101)a. John regrets that he went to the party, +but he went. +

but he didn't go. so he went.

b. Timmy is a bachelor, +but he is not married. +

but he is married, so he is not married.

Wilson (1975b:122f.) argumentiert ebenfalls, daß die negative Impllkatur des A konjunktivischer KSe sich nicht auf deren Wahrheitswerte auswirkt, so daß sie nicht, als logische Präsupposition oder Implikation analysiert werden kann, sondern eine nicht-wahrheitsfunktionale Implikation sein müsse. Zur negativen Implikatur des K äußert sie sich nicht. Sie schlägt die folgende Analyse für KKSe vor: (102) If John had left, Barbara would have left. truth conditions: If John left, Barbara left. non-logical Implication: John didn't leave. Wilson setzt die nicht-logischen Implikationen mit Grices conventional conversational implicatures gleich. Wie die konversationellen Implikaturen sind sie löschbar, jedoch sind sie nicht an den Sprecher gebunden, so daß sie bei Löschung nicht einfach ungültig werden, sondern als propositionale Einstellung einer anderen an der Interaktion beteiligten oder mit ihr verbundenen Person uminterpretiert werden. Ihre Argumentation ist dann an stärksten, wenn sie das besondere Verhalten der von but, yet, even, let alone übermittelten Implikationen diskutiert (dies sind die favorisierten Kandidaten für Gricesche konventionelle Implikaturen, da sie ohne Einfluß auf die Wahrheitswerte der Propositionen bleiben, in denen sie enthalten sind,jedoch nicht löschbar sind) - für die Analyse der konjunktivischen KSe überzeugt sie jedoch nicht. So kann laut Wilson (103)b. nur als Antwort auf (103)a. verstanden werden, bei der der Sprecher erst eirmal auf die darin ausgedrückte Meinung des Fragenden eingeht, daß John nicht weggegangen sei (vgl. 122&134): (103)a. b.

What wculd have happed if John had left? If John had left, I wculd have seen him go; hit I did see him go, so he did leave.

Die im but-Satz gelöschte Implikation ist also nie die des Sprechers gewesen; die Löschung ist vielmehr die Berichtigung einer falschen Annahme des Interaktionspartners. Man kann deshalb auch nicht davon sprechen, daß eine Uninterpretation stattfindet. (104) wird als weiteres Beispiel dafür angeführt, daß die negative Implikation des konjunktivischen KSes - die als Sprecherimplikation gelöscht wird - als eine dan erwähnten John zugeschriebene nicht-logische Implikation uminterpretiert wird: 11 Zum but-so-Test vgl. Lipka (1972) & 1.2.

212

(104)

John Claims that if he had been a fool, he would never have disccvered the exact sort of cheese of which the moon was made - still the one fact on which you and I agree is that John is a fool (147).

(104) ist jedoch ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein Sprecher von der Wahrheit einer berichteten Äußerung (und deren Implikaturen) distanzieren kann - dies maß in einer pragmatischen Analyse der Berichtsverben erfaßt werden. Der Inhalt der Äußerung (104) ist komplex - er besteht aus der konditionalen Relation, der Implikatur der Indirectness Cordition und der durch den Konjunktiv übermittelten Implikatur, daß die so verbundenen Konjunkte falsch sind. Da der Sprecher die Verantwortung für diese letzte Xmplikatur explizit zurückgewiesen hat, kann sie rurmehr für die Meinung von John, des Sprechers der berichteten Äußerung,gelten. Für eine solche Analyse werden nur logische und konversationslogische, jedoch keine nichtlogischen Implikationen benötigt. Der Anwendungsbereich der nicht-logischen bzw. konventionellen Implikatur kann deshalb auf Partikel wie bat, even, let alone, therefgre, (deren Anzahl überschaubar bleibt), eingegrenzt werden. 4.3.5. Konsequenzen für die Beschreibung der konjunktivischen Konditionalsätze Die letzten Abschnitte haben gezeigt, daß sich indikativische und konjunktivische KSe, wie schon unter 1.3.3.2. urd 2.5. vermutet, tatsächlich nur auf pragmatischer Ebene in bezug auf die Einstellung des Sprechers gegenüber dan dargestellten Sachverhalt unterscheiden. Sie können daher beide die gleiche logische Struktur erhalten und auf der Basis der materialen Implikation beschrieben werden. Diese logische Struktur wird über die Implikatur der Indirectness Condition pragmatisch interpretiert, wobei die Implikatur nicht^wahrheitsfunktionaler Gründe für die Wahrheit des Konditionals bei materialen indikativischen KSen fehlt, bei den konjunktivischen KSen aber immer vorhanden sein muß, da bei diesen immer ein gesetzesartiger Zusanmenhang zwischen A und K besteht (vgl. 1.3.2.). Ob ein konjunktivischer KSe eine starke oder schwache negative Implikatur übermittelt, (kontrafaktisch oder hypothetisch interpretiert wird), hängt van realen Zeitbezug des Konditionals und von der Art des Verbs im A ab: Antezedent I.

Hypothetisch Gegenwarts- und Zukunftsbezug

modal past V ^ — event were to + V event modal past perfect V event

Konsequent (will 1 •j shall >

{ etc.J

+ past + V

II. Kontrafaktisch a.

Gegenwartsbezug

modal past v „ t a t c + rro a

{iiavej b.

Vergangenheitsbezug

^ -'- psst

modal past perfect ^event/state

fwill ) shall !• + past + V etc.

J

Twill ] |shallI + past + have + | etc.I participle

213

Wenn die negative Implikation des Konjunktivs pragmatisch interpretiert wird, dann haben indikativische und konjunktivische KSe auch die gleichen Wahrheitsbedingungen (vgl. 1.3.3.) und die Ableitung der logischen Folgerungen beider Typen kann nach den gleichen Projektionsregeln - wie sie unter 2.3.6. aufgestellt wurden - erfolgen. Durch dieses Vorgehen wird auch eine Schwierigkeit vermieden, die sich der präsuppositionellen Analyse stellt. So unterscheidet J. Schachter (1971:88ff.) zwei Typen kontrafaktischer KSe: neutrale KSe wie (106)a. und präsuppositionelle KSe wie (106)b.: (106)a. If my brother hadn't arrived, I wouldn't have gone to the party, b. If they had had twins, they'd have named than Tern and Jerry. Während (106) a. dann wahr sei, wenn die starke Negation des A gilt und K als falsch interpretiert wird, könne dem K von (106)b. kein Wahrheitswert zugeteilt werden: They'd have named than Tan and Jerry präsupponiere nämlich they had twins. Da aber in jedem kontrafaktischen KS die starke Negation des A gelte, sei die Präsupposition von K hier nicht erfüllt und K könne deshalb keinen Wahrheitswert erhalten. Vermutlich ist dann aber auch das ganze Konditional ohne Wahrheitswert. Diese Analyse ist insofern unbefriedigend als - was inrner sonst an (106)b. seltsam sein mag - kein Zweifel daran bestehen kann, daß der Satz wahrheitsfähig ist; der Satz hat die gleichen Wahrheitsbedingungen wie (106)c.: (106)c. If they have twins, they will name them Tom and Jerry. Dies verträgt sich jedoch nicht mit dem Anspruch, daß (106)b. ohne Wahrheitswert sei. Wenn man demgegenüber (106)b. - wie schon die Sätze (47) - (56) so interpretiert, daß K den A logisch impliziert, und daß die negative Implikatur des Konjunktivs pragmatisch zu erklären ist, dann kann man die logischen Folgerungen von (106)b. nach Regel 2(68)d. (Ea= 0) = ( E m k ^ ( A ^ ) ) ableiten; dazu müssen A und K in die entsprechenden Indikativformen übersetzt werden: (106)d. If they had twins, they named them Tan and Jerry. Ea: 0 E^: E

they had twins

AM< ~

=

Ej^) : They had twins 13 they had twins

214

Während dem besonderen Charakter solcher Sätze dadurch Rechnung getragen wird, daß ihre Folgerungen eine Tautologie sind, erlaubt es eine Analyse unter Rekurs auf logische Implikationen und konversationeile Implikaturen,bezüglich der Wahrheitswerteverteilung alle KSe einheitlich zu behandeln und jedem KS einen Wahrheitswert zuzuordnen.

4.4.

Sprechakttheoretische Klassifikation

Bei der Klassifikation konditionaler Aussagesätze habe ich unterschieden zwischen drei Möglichkeiten der propositionalen Einstellung, die der Sprecher gegenüber der Erfüllbarkeit der in A ausgedrückten Bedingung einnehmen kann, nämlich Distanz, Neutralität und Identifikation. Im folgenden wurde deutlich, daß bei Identifikation mit der Wahrheit des in A ausgedrückten Sachverhaltes die Verwendung der konditionalen Form zur emphatischen Behauptung des K führt, da diese Form unter solchen Umständen eigentlich gar nicht angebracht ist (vgl. 4.2.4.). Ein indikativischer Aussagesatz der Form if ja, then 3 impliziert vielmehr eine Distanzierung des Sprechers von der Wahrheit des K, die er ja nur unter der Bedingung behauptet, daß die A-Bedingung erfüllt ist. Bei konjunktivischen KSen karmt noch die zusätzliche Distanzierung des Sprechers von der Erfüllbarkeit von sowohl A als auch K hinzu. Dieses sind die Funktionen indikativischer und konjunktivischer bedingter Repräsentative. Nun können jedoch nicht nur Repräsentative, sondern auch andere illokutive Tpyen, besonders erotetische, direktive und katmissive, konditional ausgedrückt werden - ich werde solche Realisierungen bedingte Sprechakte nennen. Bedingte Sprechakte sind nur dann gültig, wenn die A-Bedingung erfüllt ist. So braucht der mit (107) Angesprochene der Aufforderung nur dann nachzukommen, wenn er nach Frankfurt kernt, urri er kann die Ausführung der Aufforderung dadurch vermeiden, daß er die Erfüllung der A-Bedingung nicht wahr macht: (107)

Please ring me, if you ever ccme to Frankfurt.

Eine Sonderfonm der bedingten Sprechakte sind die bedingt gültigen Sprechakte, bei denen die A-Bedingung eine Sprecher- oder hörerseitige preparatory condition ausdrückt (nicht aber einepropositional attitude condition, vgl. (108)c.) - nur wenn diese erfüllt ist, hat der ausgeführte Sprechakt überhaupt Relevanz für die weitere Interaktion:

215

(108)

I'll give you a lift heme

a. if you like. b. if I can. c. +if I intend to. Während die Relation illokutiver Typ/Positionstyp (= sprachliche Realisierung) bei diesen Sprechakten in Wunderlichs Modell (vgl. 3.2.3.) auf der Ebene der Semantik erfaßt wird, hat Wunderlich (1976/IV:175ff. & VI:272ff.) darauf aufmerksam ganacht, daß bestürmte Sprechakte sich einer solchen Behandlung verschließen. Bei Ratschlag, Aushandeln, Belehrung einerseits und Drohung, Warnung, Erpressung und Vorwurf andererseits ist die Bestürmung der illokutiven Kraft nur unter Berücksichtigung der Präferenzen von S und/oder H möglich. Da diese nicht aus der sprachlichen Form hervorgehen müssen, kann dies zuverlässig erst auf der Ebene der institutionellen Pragmatik geleistet werden. Ob (109) z.B. als Ratschlag oder als Warnung van Sprecher intendiert oder van Hörer verstanden wird, hängt von der Einschätzung des Sprechers hinsichtlich der Präferenzen des Hörers bzw. von dessen tatsächlichen Präferenzen ab: (109)

You're bound to meet Edna, if you go to Miriam's party.

Diese Sprechakte sind pragmatisch bestürmt, sie sind ein Untertyp des Direktivtypus oder des Kammissivtypus, und ich werde sie im Anschluß an Wunderlich konditionale Sprechakte nennen, da sie normalerweise durch KSe realisiert werden. Auch die sprechaktkammentierenden if-clauses oder Karmentare schränken die Gültigkeit des Sprechakts ein, jedoch nicht, wie die bedingt gültigen Sprechakte, auf die Erfüllung einer preparatory condition, sondern in allgemeinerer Weise auf die Erfüllung der Konversations- und Höflichkeitsmaximen. Die A-Bedingung modifiziert hier nicht den propositionalen Gehalt des Oberflächen-K, sondern generelle Bedingungen sprachlicher Kommunikation. Dies läßt sich durch einen übergeordneten perfconativen Satz verdeutlichen: (110)

(I am asking you) Where were you last night, if you wouldn't mind telling me.

(111)

(I am telling you) Joanna's left heme, if you don't already knew it.

Alle diese mit der konditionalen Form realisierbaren Sprechakte lassen sich nun entweder direkt oder indirekt ausdrücken (zur Definition indirekter Sprechakte vgl. 3.3.2.2.). Da bedingte oder bedingt gültige Sprechakte sehr oft den Effekt haben, dem Adressaten (oder auch dem Sprecher) Handlungsalternativen offenzuhalten,

216

und Kanmentare explizit auf Höflichkeitsmaximen bezug nehmen können, wird durch zusätzliche indirekte Realisierung dieser Sprechakte (durch Verbalisierung von Sprechaktbedingungen oder Höflichkeitsregeln) die höfliche Unverbindlichkeit solcher Äußerungen noch unterstrichen: (112)

May I ask where you bought that dress, if you wouldn't mind telling me?

Allerdings sind diese modifizierenden Deferenzmuster nicht uneingeschränkt kombinier bar: (113) May I give you a lift heme, + a. if you like? b. if I can? c. if you don't mind my offering? d. ?if I can, if you don't mind my offering? Mit der konditionalen Form if £, then cj lassen sich demnach die folgenden, auf meine Typologie unter 3.1.4. zu beziehenden - Sprechakte vollziehen: bedingte Sprechakte bedingt gültige Sprechakte konditionale Sprechakte Das Schema soll die Sonderstellung der indirekten bedingten Sprechakte deutlich machen - da alle bedingten Sprechakte, auch die Kaimentare, indirekt ausgedrückt werden können - sowie die Besonderheit der Kaimentare aufzeigen, da alle bedingten Äußerungen, auch indirekte, in bezug auf allgemeine Prinzipien der Kommunikation karmentiert werden können. In den folgenden Ausführungen wird sich zeigen, daß verschiedene direkte/indirekte Realisierungen der mit der konditionalen Form vollziehbaren Sprechakte in ver12

schiedenem Grade idiomatisch sind, und zwar sewohl innerhalb eines illokutiven Typs hinsichtlich der möglichen sprachlichen Realisierungen, als auch zwischen den verschiedenen illokutiven Typen bezüglich der Möglichkeit, diese zu hypothetisieren oder konditional auf bestimmte Gültigkeitsbereiche einzuschränken. Aus der verschieden starken Konventionalisierung bestimmter Sprechaktmuster lassen 12 Da die Entscheidung über Grade von Idicmatizität in Abwesenheit umfangreicher empirischer Belege nur intuitiv getroffen werden kann, habe ich darauf verzichtet, für die im folgenden angeführten Beispiele solche Festlegungen zu treffen. Zum Begriff 'Grade von Idicmatizität, vgl. 3.3.2.2., Anm.21.

217

sich Schlüsse auf die in einer Gesellschaft herrschenden Wertschätzungen und Normen ziehen: Weist ein bestinmter illokutiver Typ z.B. eine Vielzahl indirekter Realisierungen auf und ist er zudem in vielfältiger Weise modifizierbar und abschwächbar, und wird mit den Sprechhandlungen, die mit diesem Typ ausgeführt werden können, besonders scharf in die Privatsphäre oder in den Entscheidungsspielraum des Individuums eingegriffen, so kann man daraus schließen, daß in der betreffenden Gesellschaft der Freiheitsraum des Individuums hochgeschätzt und darüberhinaus als besonders schutzbedürftig angesehen wird. Die reiche Aasdifferenzierung der Direktive, die den Wirkungsbereich sozialer Hierarchien betreffen, und der Fragen, welche die Privatsphäre des Individuums i.w.S. tangieren, weist darauf hin, daß dies in unserem Kulturraum und in unserer Gesellschaftsform in besonderen Maße der Fall ist. 4.5.

Bedingte Sprechakte

4.5.1. Bedingte Repräsentative Die Normalform der bedingten Sprechakte ist nicht die Behauptung eines konditionalen Zusammenhangs zwischen A und K, sondern das Statement made conditionally: If

then S asserts 3.

Diese Formel für bedingte Repräsentative läßt sich auf andere illokutive Typjen übertragen: 4.5.2. Bedingte Fragen: if £, then S asks 3? (114)a. What will happen if I press this button? b. Will you be all right if I leave you far a second? (Franny 38) c. Would you have marked it wrong (if you had had to correct it)? d. Can I go to the cinema tonight, if I've finished my homework? 4.5.3. Bedingte Direktive: If £, then S orders/requests (115)

take an umbrella. Ishould rainj

Wegen des Zukunftsbezugs der propositional content condition des Direktivtyps können direktive Sprechakte nicht mit dem auf die Vergangenheit bezogenen medal past perfect ausgedrückt werden. Im Einklang mit dem Vergangenheitsbezug der propositional content condition der bedingten Exhortative drückt dieses Tempus

218

vielmehr bevorzugt bedingte Anklagen, Beschuldigungen und Vorwürfe aus: (116)a. If that gun had been loaded, you could have killed me! b. If you hadn't dawdled, we wouldn't have missed the train. Hier wird dem Angesprochenen jeweils eine vom Sprecher negativ bewertete und im A ausgedrückte Handlung zum Vorwurf gemacht, weil sie eine ebenfalls negativ bewertete Folge K hatte oder hätte haben können. Da negative Bewertungen, ebenso wie Präferenzen, weitgehend anthropologisch, gesellschaftlich oder konventionell festgelegt oder vermittelt sind und wir sQ meistens von unseren eigenen Präferenzen und Abneigungen auf die unserer Gesprächspartner schließen können, ist es bei solchen Sprechakten auch oft ohne den spezifischen Kontext der Äußerungssituation möglich, ihre illokutive Kraft zu bestinmen. Dennoch können oft spezifische situative Voraussetzungen des weiteren Kontexts andere Bewertungen des K-Sachverhaltes ergeben. So kann z.B. in einer bestimmten Situation jemand darüber froh sein, einen Zug verpaßt zu haben; mit (116)b. würde er dann keinen Vorwurf ausdrücken. Deshalb sind Exhortative - obwohl weitgehend in gesellschaftlichen Normen wurzelnd - erschöpfend nur als konditionale Sprechakte pragmatisch interpretierbar (s.u. 4.8.). 4.5.4. Bedingte Korrmissive: If £, then S commits himself to doing (117)a. If I get a tax rebate, I'11 buy you a moped. b. If you miss your bus, I'll run you heme. c. If you came round about 8, I'll get us seme dinner. Wie bei den Exhartativen hängt auch bei den Kcumissiven der Sprechaktcharakter von der Bewertung der in A und K ausgedrückten Sachverhalte ab, die jedoch ebenfalls weitgehend normiert und dann auch sprachlich manifest sein können, wie z.B. in der mit (118)a. ausgedrückten Warnung oder der mit (118)b. übermittelten Drohung: (118)a. If you don't attend classes regularly, you won't pass the course. b. If you don't attend classes regularly,ll'll fail you in the course.) I you'11 be sorry.

I

Dennoch gilt auch hier, daß eine endgültige Bestürmung der illokutiven Kraft der Kanmissive nur auf der Ebene der institutionellen Pragmatik möglich ist; sie sind deshalb ebenfalls den konditionalen Sprechakten zuzurechnen.

219

4.5.5. Bedingte Kohortative: if £, let's do q! Auch bei Kohortativen sind Präferenzen involviert, jedoch nicht nur die des Hörers, sondern auch die des Sprechers. Wie bei den Direktiven werden diese jedoch durch das Ausführen des Sprechakts kundgetan und brauchen deshalb nicht noch auf pragmatischer Ebene aus der Situation erschlossen werden. Die Korrelation illokutiver Typ/Positionstyp ist auf der Ebene der Semantik besonders durch die Formeln let's, why don't we, gegeben: (119)

Let's/why don't we go to the cinema tonight, if there's a decent film on somewhere.

Während die bedingte Realisierung der bisher besprochenen Sprechakte recht häufig und daher auch weitgehend idicmatisiert ist, wird dies bei den folgenden illokutiven Typen zunehmend problematisch: 4.5.6. Bedingte Retraktive: If £, _I allcw you to do q. Diese sind in ihrer Nähe zu bedingten Versprechen zwar recht häufig, in direkter Realisierung jedoch nicht idiomatisch (vgl.(120)a.). Vielmehr wird hier die direkte Hervorkehrung von Autorität meist vermieden und indirekte Realisierung bevorzugt: (120)

If you premise to be careful,

a. I allcw you to go skating. b. you can go skating. 4.5.7. Bedingte Satisfaktive liaben für Entschuldigungen und Rechtfertigungen und Antworten keine idiomatischen Formen, während Danksagungen gar nicht bedingt, sondern nur bedingt gültig möglich sind: (121) If Peter apologized, I apologize, too. (122)a. Hew long does it take to get to London? b. 20 minutes, if you take the M 4. (123)

Thank you for the flcwers, if you sent any.

4.5.8. Deklarationen schließlich sind überhaupt nicht bedingt möglich, weil sie in ihrer Eingeburdenheit in institutionelle Verhaltensweisen und Prozeduren neue soziale Fakten schaffen und dies immer absolut, nie bedingt, tun.

So ist (124)a.

keine Ernennung, sondern eine bedingte Zusage: (124)a. Wenn beim Verfassungsschutz nichts gegen Sie vorliegt, werden Sie zum Beamten auf Lebenszeit ernannt.

220

Oft kann auch hier die genaue Bestürmung der illokutiven Kraft nur auf der Ebene der pragmatischen Interpretation geleistet werden, wie z.B. die Disambiguierung von (124)b. zwischen vorsichtigem Vorfühlen und Heiratsantrag (der nur deshalb bedingt gestellt werden kann, weil die Bereitschaft des Sprechers, die A-Bedingung zu erfüllen, vorausgesetzt wird): (124)b. If X give up drinking, will you marry me? 4.5.9. Bei den Vokativen sind nur Aufrufe, nicht jedoch Anreden, bedingt realisierbar : (125)a. +Hallo Gearge, if ... b. If you care about democracy, listen to this! 4.6. Indirekte bedingte Sprechakte Wie bei anderen Realisierungsformen von Sprechakten sind auch bei den bedingten Sprechakten die indirekt übermittelten sehr häufig, bei bestimmten illokutiven Typen sogar häufiger und weitaus gebräuchlicher als die direkt ausgedrückten. Dies ist nicht anders zu erwarten, wenn wir uns die zwei leitenden Prinzipien sprachlicher Kannunikation (Be clear. Be polite.) ins Gedächtnis rufen sowie die Tatsache, daß bei einem Konflikt zwischen den Regeln der Klarheit und denen der Höflichkeit die Höflichkeitsregeln vorrangig befolgt werden (vgl. 3.3.1.). Von diesen sind es besonders die ersten beiden Fegein, (Don't impose. Give options.), die zur indirekten Übermittlung bestinmter Sprechakte Anlaß geben. Die durch diese Regeln auferlegte Zurückhaltung und Unverbindlichkeit führt dazu, daß man Äußerungen, die den Privatbereich des Gesprächspartners tangieren oder die in irgendeiner anderen Weise negativ bewertet, peinlich oder tabuisiert sind - wenn man sie überhaupt tut - meist als Frage formuliert, ob man die betreffenden Sprechakte überhaupt ausführen dürfe, die mögliche Reaktion des Partners auf die beabsichtigte Sprechhandlung erkundet oder eigene mögliche Reaktionen auf antizipierte Partnerhandlungen beschreibt. Frage-, Konjunktiv- und itodalfarmen sind die natürlichen Übermittler solcher indirekten Karmunikationsangebote, die dem Angesprochenen jeweils mehrere, mindestens aber zwei, Möglichkeiten der Interpretation (des wörtlich und des indirekt übermittelten Sprechakts) offenlassen, und seinen Entscheidungs- und Handlungsspielraum deshalb so wenig wie möglich einschränken. Andererseits stellt auch die höflichste Formulierung z.B. einer Frage diese als zu beantwortende in den Raum und stört so das interaktioneile Gleichgewicht, und dies auch, oder sogar besonders dann, wenn das Angebot der Anwort-

221

Verweigerung genutzt wird:

(126)a. May I ask you hcw old you are? b. You may not. (127)a. Would you mind telling me how old you are? b. Yes, I would. Der Initiator einer vertraulichen oder problembeladenen Kcmmunikationssequenz und sei seine Äußerung noch so unverbirdlich formuliert - setzt sich der Gefahr aus, einen interaktioneilen Rüffel zu erhalten. Da solche Reaktionen das interaktioneile Gleichgewicht jedoch noch weiter stören und die Interaktions als Ganzes sowie die soziale Beziehung zwischen den Gesprächspartnern gefährden können, wird der mit einan solchen Sprechakt Angesprochene sehr oft diesen lieber erfüllen als es zum Affront kommen lassen. So betrachtet, können sich indirekte Sprechakte in ihrer Wirkungsweise in ihr Gegenteil verkehren: Sie dienen dann z.B. dazu, Dinge aussprechbar zu machen, die eigentlich den Regeln der Höflichkeit widersprechen, oder unangenehme Fragen in einer Weise zu stellen, die suggeriert, daß der Fragende eigentlich ein Recht auf die erfragte Information habe und daß der Interaktionspartner, würde er sich nur kooperativ verhalten, sie schon längst von selbst hätte zur Verfügung stellen sollen. Dies erklärt den vorwurfsvollen Ton, den solche Fragen oft haben: (128)

Do you mind if I teil you that you are a lousy driver?

(129)

Would you mind telling me where you were last night?

Wie unter 3.3.2.2. ausgeführt, werden indirekte Sprechakte dadurch realisiert, daß man entweder eine Sprecherseitige Sprechaktbedingung behauptet oder eine hörerseitige Sprechakt_bedingung erfragt. Zu den sprechaktspezifischen hörerseitigen Bedingungen, die in meiner Typologie aufgeführt sind,muß jedoch noch eine allgemeine Regel hinzugefügt werden, die Verletzungen der Höflichkeitsmaximen vermeidet und beinhaltet, daß der Hörer dem Sprecher für das Ausführen solcher Sprechakte, welche die Höflichkeitsregeln verletzen würden, erst Erlaubnis erteilen muß. Heringer (1971:30f.)hat in diesem Zusammenhang eine allgemeine Sprechaktbedingung formuliert, daß der Hörer damit einverstanden sein müsse, daß der Sprecher alle Teile eines Sprechakts vollständig ausführt. Diese rein syntaktisch motivierte Regel ist jedoch zu allgemein als daß sie die Funktion der indirekten Sprechakte zu erfassen vermöchte. Sie würde nämlich auch die Ableitung von (130) als indirekte Behauptung erlauben, da sie nicht berücksichtigt, welche Art von Sprechakten aus welchen Gründen indirekt realisiert werden:

222

(130)

Would you mind if I told that 2 + 2 = 4 ?

Für bedingte Realisierungen indirekter Sprechakte sind im einzelnen folgende Korrelationen illokutiver Typ/Positionstyp möglich: 4.6.1. Indirekte bedingte Repräsentative Bei den idiomatischen indirekten Realisierungen der bedingten Repräsentative wird im A der von Sprecher ausgeführte Sprechakt konditionalisiert und im K entweder - im Einklang mit den Höflichkeitsregeln - das Einverständnis des Hörers mit diesem Sprechakt eingeholt oder seine mögliche Reaktion auf den Sprechakt und dessen Erfüllungsbedingung (Repräsentative sind erfüllt, wenn ihr propositionaler Gehalt wahr ist) erfragt: (131)a. Do (would) you mind if I say (said) that you're a lousy cook? b. Is it (would it be) all right with you if I say (said) that the (132)

joint is overdone? (Beispiele von Heringer 1971) Will (would) you be interested if I tell (told) you that Joanna's surprised leaving heme? upset etc.

Bei Sprechakten wie (,133) ist die A-Bedingung durch den Vollzug des Sprechakts inmer schon erfüllt; sie kann deshalb auch oft weggelassen werden: (133)

If I tell (told) you that Sam is being unfaithful, will (would)l you believe it? can (could) J a. Can you believe that Sam is being unfaithful?

{

b. Would ycu believe that Sam is being unfaithful? Während die konditionale Herkunft von (133)a. aus der sprachlichen Form allein nicht ersichtlich ist, verweist in (133)b. das konditionale would ganz deutlich auf einen zugrundeliegenden konjunktivischen KS. Eine weitere Realisierungsmöglichkeit indirekter bedingter Repräsentative besteht darin, daß der Sprecher seinen Redebeitrag als Antwort auf eine hypothetische Frage formuliert: (134)

If you asked me, I would say that I have been extremely patient.

Auch hier wird die A-Bedingung gewöhnlich fortgelassen: (134)a. I would say that I have been extremely patient.

223

Weiterhin kann der Sprecher seine Verpflichtung auf die Wahrheit des im A thenatisierten Sprechakts im K nochmals bekräftigen. Auch hier wird die Bedingung häufig fortgelassen: (135)

If I tell you that San is being unfaithful, you canl rely on it. [believe me.

a.

San is being unfaithful, (you can) J rely on it. I believe me.

4.6.2. Indirekte bedingte Fragen Der Häufigkeit indirekter Fragen, besonders auch in der Wiedergabe direkter Rede, entspricht eine eigene Ausdrucksform mit whether oder anderen Fragepronemen bzw. interrogativem if. In direkter Rede realisiert das häufige I yonder if durch die Behauptung der sprecherseitigen preparatory condition (S does not knew if p is true/the information to canplete the proposition truly) eine indirekt übermittelte Frage: (136)

I I vronder

[don't know

Auch die Behauptung der propositional attitude condition (S wants the information) und die Frage nach der hörerseitigen preparatory condition (H_ knews the information) führt zu indirekten Fragehandlungen: (137)a. I I want I I would like[ '

to know

if whether who what where etc.

b. Do you knew if p? Weitere Möglichkeiten, Fragen indirekt auszudrücken, ergeben sich durch den expliziten Bezug auf die Höflichkeitsregeln: (138)a. I Can (could) I I May (might) [

I ask

(if

|

p?

\ whether> [etc. J

b. Do (wDuld) you mind my asking [if

1 p?

\whether > [etc. J

224 c. Do (would) you mind telling me iif lp?

11 remanber correctly. I

244

Hier fallen Kommentar und bedingt gültiger Sprechakt zusanmen (vgl. 4.7.1.), da die preparatory condition für Repräsentative und die 2. Maxime der Qualität identisch sind.

Dies trifft auch auf folgende Realisierungsmöglichkeiten zu:

(213)a. John has left his wife, if Sue is telling the truth, b.

They got married in 1974, if our records are correct.

Dagegen kündigt das folgende Beispiel den zu modifizierenden Sprechakt erst an: (214)

"Buddy once said something reasonably sensible a couple of years ago," he said. "If I can remember what it was." (Zooey 121)

Maxim of Quantity: Zugrundeliegende Struktur:

If

then I. will tell you (informatively): 'x'

1. Give as much information as the hearer requires. Die folgenden if-clauses sind idiomatisch: x, if you

're interested. (really) f fwant to] know /the truth. 11 I [must J {what I think./] want me to tell you. know what I mean, ask me.

(215)

"The aim of both little books, if you're interested," he said, "is supposedly to wake everybody up to the needs and benefits of saying the Jesus Prayer incessantly." (Zooey 91)

(216)

"If you must know, I hate any kind of so-called creative type who gets on any kind of ship." (Zooey 109)

(217)

"In my opinion, if you really want to know, half the nastiness in the world is stirred up by people who aren't using their true egos."(Zooey 131)

(218)

"It's this business of desiring, if you want to knew the goddan truth, that makes an actor in the first place." (Zooey 154)

Die spezielle Leistung von if you knew what I mean ist die Verständnissicherung bezüglich der Bedeutung einzelner Wörter oder Satzteile, von denen der Sprecher annimmt, daß sie dem Angesprochenen nicht in allen Bedeutungsnuancen vertraut sein könnten, urd die er deshalb auch noch zusätzlich erläutern kann. Zugrundeliegende Struktur: If you knew what (220)a. b.

mean b^ i,

will tell you 'x(i) '

... there was something dashed odd - almost sinister, if you know what I mean - about young Bingo's manner. (Jeeves 18) Subconsciously, if you know what I mean, I could see it was pretty special. (Jeeves 21)

245 (220)c. ... cloaks his emotions, if you knew what I mean. (Jeeves 51) d. I mean to say, the whole essence of a rescue, if you knew what I mean, is that the party of the second part shall keep fairly still and in one spot. If he starts swinming off on his own account and can obviously give you at least 40 yards in the 100, where are you? (Jeeves 59) 2. Do not make your contribution more informative than is required. (Do not say ' Y p ' f if P is a member of the pragmatic universe of discourse.) Die folgenden if-clauses sind idicmatisch: x, if

you don't Jknow(it yet). 1 [already knew it.J I haven't told you already. I haven't already told you so. you remember. you haven't heard.

(221)

"... but I shined my shoes for the Fat Lady every time I went on the air again - all the years you and I were on the program together, if you rananber." (Zooey 155)

Einschränkung bezüglich der Höflichkeitsregeln Rules of Politeness: 1. Don't impose. 2. Give options. 3. Make A feel good - be friendly. Zugrundeliegende Struktur: If £, I will tell you (im)politely: 'x' Die folgenden if-clauses sind idicmatisch: 1.

x, if

I may say so. you don't mind J my saying so. 1 {knewing what I think.J I may contradict, disagree, say semething. remind you.

2.

x, if

I m y be

frank open candid blunt honest personal etc.

(M , /fspeak

(ly)

246

Bezüglich der Funktion von Formeln wie 'offen gesagt', die den style disjuncts bzw. den if-Sätzen unter 2. entsprechen, hat Hindelang (1975) die typischen Äußerungen herausgearbeitet, die mit diesen Mitteln modifiziert werden. Es sind dies meist nicht sequenzeröffnende, sondern reaktive Sprechakte wie Widerspruch, Richtigstellung, negative Bewertung, Tadel, Eingeständnis von Unfähigkeit, eine Frage zu beantworten, Zurückweisung von Sprechakten. Der durchgehend negative Charakter dieser Sprechakte weist auf die Notwendigkeit einer höflich einschränkenden Absicherung durch den Sprecher hin, die hier dadurch geleistet wird, daß er die Äußerung van Einverständnis des Hörers abhängig macht, daß er offen, geradeheraus, wahrhaftig, etc. sprechen darf. Eine der an die CXiantitätsmaxime gebundenen Formel if you know what I mean parallele Funktion hinsichtlich der Höflichkeitsregeln hat if you like: Mit dieser Formel wird das Einverständnis des Angesprochenen eingeholt, ein gewähltes Wort zu gebrauchen oder einen Sachverhalt auf die gewählte Weise darzustellen: (222)a.

... those who earn money with, if you like, speculation rather than industry. (Wilson 13)

b. Scmewhere along the line - in one dam incarnation or another, if you like - you not only had a hankering to be an actor or an actress but to be a good one. (Zooey 154) 4.9.2. Karmentier te Fragen Zugrundeliegende Struktur: If p, I ask you:j'x?'

j'Wh- x?"

)

j

Einschränkung bezüglich der Klarheits- und Höflichkeitsregeln: Maxim of Quantity: x, if /I JI haven't already asked. 1 [you haven't already toldi me.| Rules of Politeness: x, if

I may

iask. 1 \kncw.J

you don't mind my (me) asking, it's not too much to ask. youfdon't \ mind telling me. Wouldn't J

247 4.9.3. Kaimentier te Direktive Zugrundeliegende Struktur: If £, I[ask )you: 'x!' tell I orderj Maxim of Quantity: x, if |I haven't already told you to. I jyou haven't already said I couM.j Rules of Politeness: x, if I may ask you to. you [don't 1 mind fntyl asking you to. (.wouldn't/ [me J it's not too much to ask. 4.9.4. Kommentierte Kcrmissive und Kohortative ... 17 Zugrundeliegende Struktur: If p, I V ^ ^ ycu: 'x Maxim of Quantity: x, if I haven't already

offered. premised, asked you. invited you. etc.

Rules of Politeness: x, if you don't mind my

x, if I may

offer to. ask you. invite you. etc.

4.9.5. Andere Kaimentare Maxim of Quantity: x, if I haven't already

offering. | asking you. | inviting you etc.

1

apologized. thanked you. told you. said you could.

Rules of Politeness: x, if I may

apologize, thank you. answer your question (openly, etc.) let you.

17 V ^ ^ bezeichnet in performativer Verwendung kommissive Verben wie premise, ask, invite, etc.

248

Deklarationen und Vokative können nicht einschränkend karmentiert werden. 4.9.6. Kanmentare zur Diskursstruktur Diese Sprechakte beziehen sich in ihrer Mehrheit auf die Maxime Manner mit ihren Sufcmaximen: 1. 2. 3. 4.

Avoid obscurity. Avoid anbiguity. Be brief. Be orderly.

Die Diskurskanmentare werden durchweg in indirekter Form, meist unter explizitem Bezug auf die Höflichkeitsregeln, ausgedrückt. Sie bezeichnen den kommunikativen Stellenwert der durch sie angekündigten Äußerung in der Diskursstruktur, können aber auch die illokutive Kraft eines einzelnen nachfolgenden Sprechaktes im vorhinein festlegen. Die ihnen zugrundeliegende Struktur ist: If £, then I say; 'x'. Folgende Erscheinungsformen sind idiomatisch: If I may

be brief. sum up/sunmarize. add. interrupt. make one final point, etc.

If I may

propose suggest say ask etc.

something.

answer to that, etc. Ein explizites opting out device, das die Maxime der Relation außer Kraft setzt und so einen legitimen Wechsel des Themas ermöglicht, ist: If I may change the subject,... 4.9.7. Zusanmenfassung Wie zu Beginn dieses Abschnitts erwähnt, hat man Erscheinungen wie die hier besprochenen herangezogen, um die performative Analyse zu erhärten (vgl. Kap.3). Daß dies jedoch nicht möglich ist, zeigen die folgenden Überlegungen: 1. Wie schon in Kapitel 3 (vgl. 3.2.1.) ausgeführt, kann ein oberstes performatives Verb - selbst wenn es das Problem der force-multiplicity nicht gäbe -

249

lediglich den illokutiven Typ, nicht jedoch die in der Äußerungssituation jeweils wirksame illokutive Kraft erfassen, da diese erst in der pragmatischen Interpretation erschlossen werden kann. 2. Da sich sprechaktmcdifizierende Kaimentare nicht auf spezifische Sprechaktbedingungen, sondern auf allgemeine Bedingungen sprachlicher Kcmnunikation beziehen, sind sie sprechaktübergreifend. 3. Dies wird besonders deutlich an den Kamientaren zur Diskursstruktur, in deren zugrundeliegender Struktur ein allgemeines Verb say alle Sprechakte ankündigt. Kammentare sind also keine sprechaktspezifischen Ausdrucksmittel, sondern beziehen sich auf generelle Regeln der Konversation. Sie haben deshalb mit dem Anspruch der performativen Analyse wenig zu tun und können diese somit auch nicht erhärten (vgl. auch Fräser 1971/74:25f.). Hinsichtlich der Wahrheitswerte der Kanmentare ergibt sich allerdings das gleiche Probien, das Lewis im Rahmen der performativen Analyse betragen hat, den Deklarativen eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen - hier jedoch für alle Sprechakte (vgl. auch 3.2.1.): Analysiert man nämlich (223)a. in der logischen Struktur als (223)b., so ist dieser Satz inner wahr, sofern er nur vom Sprecher geäußert wird, da die Äußerung selbst den K wahrmacht und dadurch die Erfüllung der A-Bedingung als gegeben voraussetzt (das gleiche gilt für alle nicht-repräsentativen Sprechakte) : (223)a. The earth is flat, if you're interested. b. If you are interested, I will teil you: The earth is flat. Deshalb müssen in der logischen Struktur Kaimentar und kaimentierte Proposition getrennt und ihreWahrheitsbedingungen separat ermittelt werden. Aus den oben genannten Gründen sind die Kommentare iirmer wahr (was ihre Informations- und Bedeutungslosigkeit reflektiert), während die Wahrheitsbedingungen der kaimentierten Propositionen unabhängig nach dan in Wunderlich (1976/III) vorgestellten Modell (vgl. 3.2.3.) bestimnt werden: (224)a. If you are interested, I will teil you: x. b. x. Bezüglich meiner Belege für die beschriebenen Kanmentare bleiben noch eine Reihe offener Fragen, die ich hier nicht weiterverfolgen kann: Sind die bezüglich der Quantitäts- und Qualitätsmaxime kcrimentierten Repräsentative (vgl. (215)-(220)) wirklich so viel gebräuchlicher als andere Kanmentare,

250

oder liegt dies an der Auswahl des Materials? Gibt es bezüglich der Kcmmentiergewohnheiten Unterschiede zwischen amerikanischem urd britischem Englisch, oder sind diese Unterschiede eher in den Faktoren der Sprechsituation zu suchen, die sich dann im Stil bestinmter Textsarten niederschlagen? Die belegten Kommentare würde ich sämtlich R. Lakoffs dritter Ebene der interpersonellen Beziehungen (make A feel good - be friendly) zuordnen, unter soziolinguistischer Fragestellung einem casual oder intimate style, da der in den Karmentaren versprachlichte Partnerbezug eine vertraute Beziehung zwischen den Interaktionspartnern zun Ausdruck bringt und damit zugleich dazu dient, diese Beziehung zu bestätigen und damit zu stabilisieren. Dies würde z.B. erklären, daß sich für die Textsorte politische Rede, in der ein anderer Stil vorherrscht, bis auf das stilneutrale if you like keine Karmentare belegen ließen. Diese kurzen Barer kurigen zeigen, daß eine funktionale Analyse, wie sie hier versucht wurde, weitergehende Implikationen für die soziolinguistische Analse und die literarische Stilanalyse hat. Die didaktische Relevanz solcher Einsichten schließlich für den eigen- und fremdsprachlichen Unterricht ist ebenfalls nicht zu übersehen. 4.10.

Ergebnisse

4.10.1. Granmatisch-funktionale Analyse Zur grammatisch-funktionalen Klassifizierung der KSe in 4.1. wurden drei Kri'terien angewendet: Einmal die grammatische Form, die eine primäre Trennung in indikativische und konjunktivische KSe ergab, zum anderen der reale Zeitbezug der KSe und zum dritten das zeitliche Verhältnis zwischen A und K. Während das letztere Kriterium die möglichen Tanpus- und Moduskambinationen offenlegte, zeigte sich, daß der reale Zeitbezug eines KSes entscheidend mitbestimmt, ob der Satz faktisch, offen, hypothetisch oder kontrafaktisch interpretiert wird, daß darüberhinaus jedoch erst die semantische Beschaffenheit des Verbs im A - zusanmen mit dem Kontext - über die endgültige Interpretation entscheidet. Daß indikativische KSe mit Vergangenheitsbezug scwohl faktisch als auch offen interpretiert werden können, ist offensichtlich, jedoch trifft dies auch auf indikativische KSe mit Gegenwartsbezug oder Zukunftsbezug zu, sofern in ihrem A ein State verb im simple present enthalten ist. Eine eindeutig offene Interpretation der A-Bedingung ist nur dann gegeben, wenn A ein event verb im simple

251

present enthält.

Bei Ambiguität zwischen faktischer und offener Lesart ent-

scheidet der weitere linguistische oder pragmatische Kontext (vgl. 4.2.2.). Der event/state-Kontrast schlägt sich auch bei den konjunktivischen KSen nieder: Obwohl meist die Unterscheidung zwischen hypothetischen und kontrafaktischen KSen mit deren Gegenwarts- oder Zukunftsbezug gegenüber den Vergangenheitsbezug der letzteren (bzw. den entsprechenden Verbformen) gleichgesetzt wird, sind auch jene KSe mit Gegenwarts- oder Zukunftsbezug kontrafaktisch zu interpretieren, deren A ein State verb im modal past enthält (vgl. 4.3.1. & 4.3.4.). Die Verwendung von if zur Modifikation des propositionalen Gehaltes von Aussagen wird in 4.2.3., entgegen der These der generativen Semantik, wie sie besonders G. Lakoff vertreten hat, nicht als Löschung von Präsuppositionen, sondern als Einschränkung der logischen Implikationen von Aussagen beschrieben, wodurch zugleich ein weiterer Beweis für die in Kapitel 2 ausgeführte Reduktion der logischen Präsuppositionsrelation auf die logische Implikation geführt wird. Unter 4.2.4. wird der rhetorische Gebrauch von if in indikativischen KSen zur emphatischen Behauptung oder Abstreitung von Aussagen unter Rekurs auf Grices Konversationslogik aus einer Verletzung der Form-Funktion-Maxime bzw. der ersten Qualitätsmaxime erklärt. In 4.3. schließlich wird die negative Implikation der konjunktivischen KSe hinsichtlich der Wahrheit der in A und K ausgedrückten Sachverhalte, wieder entgegen der präsuppositionellen Analyse der generativen Sanantiker, auf eine über die modal past Formen konversationell implizierte Distanzierung des Sprechers von der Wahrheit dieser Sachverhalte zurückgeführt. Ferner wird gezeigt, daß das Principle of Conditional Perfection, verantwortlich für suggerierte Schlußfolgerungen und einige Verwirrung in der Diskussion der konjunktivischen KSe, ebenfalls in konversationslogisch explizierbaren Gegebenheiten wurzelt. Damit wird der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen als ein pragmatischer sichtbar, der ohne Einfluß auf die Wahrheitsbedingungen dieser Sätze bleibt. Der Beschreibung beider Typen kann deshalb die gleiche logische Struktur zugrundegelegt werden, so daß auf die logische Interpretation beider die gleichen Projektionsregeln für die Folgerungen kcmplexer Sätze zutreffen (vgl. 2.3.6., 4.2.3.2., 4.2.4., 4.3.5.), während ihre pragmatische Interpretation für die konversationeile Implikatur der Indirectness Condition von nicht-wahrheitsfunktionalen (logischen, semantischen, gesetzmäßigen, normativen, konventionellen, probabili-

252 stischen) Zusammenhängen zwischen A und K gilt (vgl. 4.2.1.). 4.10.2. Sprechakt-theoretische Analyse Die sprechakttheoretische Analyse der if-Sätze zeigte, daß die konditionale Form ganz besonders zum Ausdruck von Unverbindlichkeit, höflicher Distanz und zur Abschwächung der illokutiven Kraft von Äußerungen geeignet ist. Dadurch, daß die Erfüllung des Sprechakts irtmer von der A-Bedingung abhängig gemacht wird, ergeben sich für den Sprecher vielfältige Möglichkeiten, die Verbindlichkeit und Gültigkeit seines Sprechakts graduell einzuschränken und damit dem Adressaten ebenso differenzierte Möglichkeiten, auf den Sprechakt zu reagieren, zu Verfügung zu stellen. Besonders Aufforderungen, Fragen und Verpflichtungshandlungen werden daher häufig bedingt, bedingt gültig oder indirekt realisiert, während z.B. institutionell verankerte Sprechakte wie Deklarationen nicht möglich sind. Viele dieser Realisierungsmöglichkeiten sind idiomatisch und zum Teil üblicher als ihre direkten oder nicht-bedingten Entsprechungen. Für manche Sprechakte ist die konditionale Form sogar die Normalform, so für die konditionalen Sprechakte Ratschläge und Warnungen, Versprechen und Drohungen, Aushandlungen und Erpressungen, und die mit den kontrafaktischen KSen realisierbaren Vorwürfe und Rechtfertigungen. Doch auch Angebote und Einladungen haben eine konditionale Normalform

(would you like (me) to

). Hier verweist das konditionale would

auf den zugrundeliegenden KS (vgl. 4.6.4., 4.6.5.). Die Sprechaktkannentierenden if-Sätze schließlich können einheitlich beschrieben werden, wenn man sie als opting out devices gegenüber den Maximen der Klarheit und Höflichkeit betrachtet. Sie ermöglichen dem Sprecher Distanzierung von der Wahrheit, Informativität, Relevanz und Art der Darstellung seiner Äußerung und fungieren mit ihran expliziten Adressatenbezug und dem impliziten Appell an den Hörer, einen Teil der Verantwortung für den Sprechakt mit zu übernehmen, als Mittel der Rückversicherung und Rücksichtnahme durch den Sprecher. Sie dienen so zur Ausfcntiung und Bestätigung sozialer Beziehungen. Kammentare, die eine Verletzung der Höflichkeitsmaximen anzeigen (z.B. if you don't mind my saying so) können dagegen eine bereits zwischen den Partnern bestehende persönliche Beziehung stören oder gefährden. In ihrer logischen Struktur modifizieren die Kcmmentare einen an der Oberfläche nicht vorhandenen Satz mit einem Verb des Sagens, das den entsprechenden Sprechakt thematisiert. Weil der Sprecher im Vollzug des Sprechakts den K immer sofort erfüllt und dadurch die A-Bedingung

253

inmer schon als erfüllt voraussetzt, ist der zugrundeliegende KS imter wahr, so daß der Wahrheitswert des kcmentierten Sprechakts separat bestinmt werden muß (vgl. 4.9.7.). Was die in dem zugrundegelegten Beschreibungsmodell von Wunderlich auf der Ebene der Semantik angesiedelte Korrelation illokutiver Typ/Positionstyp angeht, so hat die sprechakttheoretische Analyse durch Bezug auf die in meiner Typologie unter 3.1.4. aufgeführten Sprechaktbedingungen und die Kegeln zur Ableitung indirekter Sprechakte (vgl. 3.3.2.2.) eine große Anzahl idiomatischer konditionaler Realisierungen der bedingt gültigen und indirekten bedingten Sprechakte ergeben.

254

5.

ABSCHLIESSENDE BEMERKUNGEN

5.1. Die primäre Zielsetzung dieser Arbeit - eine möglichst umfassende Beschreibung der sprachlichen Form englischer KSe mit if sowie der kommunikativen Funktionen, welche diese Form erfüllt - erforderte zunächst eine Auseinardersetzung mit den theoretischen Grundlagen gegenwärtiger Beschreibungsansätze. Ausgehend von der Prämisse, daß die zugrundeliegende Struktur von Sätzen als logische Proposition zu formulieren sei, bin ich in Kapitel 1 der Frage nach dsn Verhältnis von Logik und Linguistik nachgegangen. Für die spezifische Problemstellung dieser Arbeit betrifft dies die Frage nach der Nützlichkeit der aussagenlogischen Relation der materialen Implikation (oder anderer logischer Konnektoren, die zur Erfassung der konditionalen Relation im Rahmen der modalen Logik formuliert worden sind) für die Beschreibung natursprachlicher KSe. Am Ende des ersten Kapitels stand dann die Frage, welche Beschreibungsform für KSe vorzuziehen sei, eine konversationslogische nach dan Ansatz von Grice, der auf den Relationen der traditionellen Aussagenlogik aufbaut und diese über konversationslogisch ableitbare Implikaturen pragmatisch interpretiert, oder eine modallogische, etwa nach dem von Stalnaker (1968) und Stalnaker/Thamason(1970) formulierten Ansatz, in dan über der logischen Struktur ebenfalls eine pragmatische Interpretation anzunehmen ist. 5.2. Während dort diese Frage noch offenbleiben mußte, ergab sich in der weiteren Diskussion, daß man mit dem konversationslogischen Ansatz eine ganze Reihe anderer natursprachlicher Phänanene beschreiben kann, die für linguistische Beschreibungsversuche im Rahmen der generativen Grairmatik, insbesondere der generativen Semantik, Problanfälle darstellen. So erwies sich die vielschichtige (logische und pragmatische) Präsuppositionsrelation, die bislang zur Beschreibung des Unterschiedes zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen herangezogen wurde (und damit unterschiedliche logische Strukturen für diese beiden Typen erforderte) als für die linguistische Beschreibung nicht relevant. Die logische (semantische) Präsupposition (postuliert besonders für die definiten NPen und die Faktiva) konnte

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auf die Relation der logischen Implikation zurückgeführt werden; die pragmatische Präsupposition erwies sich als analysierbar im Rahmen der Konversationslogik als generalisierte bzw. partikularisierte konversationelle Implikatur. 5.3. Die theoretischen und beschreibungstechnischen Implikationen einer solchen Analyse sind: 5.3.1. Die Erweiterung der traditionellen zweiwertigen Aussagenlogik um den dritten Wert zero oder 'unbestinrit' ist nicht notwendig; alle Aussagen sind wahrheitsfähig. 5.3.2. Das Probien der Projektionsregeln für die Präsuppositionen komplexer Sätze reduziert sich auf die Projektion ihrer logischen Folgerungen. Spezifisch für die KSe bedeutet dies, daß dem besonderen Charakter der als präsuppositionell analysierten KSe (bei denen der A eine vermeintliche Präsupposition des K ist: If John has children, then all his children are asleep) dadurch Rechnung getragen wird, daß ihre Folgerungen eine Tautologie sind. Im übrigen haben sie die gleichen Wahrheitsbedingungen wie andere KSe (vgl. 2.3.6., 4.2.3.2.). 5.3.3. Die in der generativen Senantik als presupposition cancelling durch if beschriebene Erscheinung muß als Einschränkung logischer Implikationen analysiert werden (= anaphorische if-Modifikation). Die zugrundeliegende Struktur ist ein normaler KS (vgl. 4.2.3.). 5.3.4. Die Analyse des aliphatischen Behauptens oder Abstreitens in indikativischen KSen mit fulfilled condition erfolgt nach konversationslogischen Prinzipien (vgl. 4.2.4.). 5.3.5. Der Unterschied zwischen indikativischen und konjunktivischen KSen ist kein logischer, sondern beruht auf konversationslogisch ableitbaren Implikaturen, daß sich Sprecher mit konjunktivischen Äußerungen von der Wahrheit der betreffenden Propositionen distanzieren. Er ist somit pragmatisch, so daß beiden Typen von KSen die gleiche logische Struktur der materialen Implikation zugrundegelegt werden kann. Beide haben die gleichen Wahrheitsbedingungen, da die Implikation des Konjunktivs nicht wahrheitsfunktional ist; da sie konversationslogisch ableitbar ist, ist sie jedoch auch keine nicht-logische Implikation, wie von Wilson (1975b) behauptet (vgl. 1.3.3., 2.5., 4.3.2., 4.3.5.). 5.3.6. Das von Geis/Zwicky(1971) formulierte Principle of Conditional Perfection findet ebenfalls im Rahmen konversationslogischer Ableitungsprozesse seine natürliche Erklärung (vgl. 4.3.2.).

256

5.4. Im Zusanmenhang mit der Erörterung der Präsuppositionsproblanatik zeigte sich, daß auch die topic/ccmment-Struktur von Äußerungen ihre natürliche Beschreibung durch konversationslogische Konstrükte findet (vgl. 2.4.3.), ebenso wie die Erscheinung, daß bestimmte logische Implikationen (besonders der definiten NPen und der Faktiva) bei normaler Interpretation nicht in den Bereich der Negation fallen. Hin sie es dennoch, so resultiert eine markierte Interpretation (vgl. 2.4.2.). 5.5. Grundlegend für diese konversationslogischen Analysen ist die Annahme von zwei verschiedenen Ebenen von Bedeuten: Einmal die der konventionellen, verbindlichen, wahrheitsfunktional relevanten Bedeutungen des verwendeten Sprachsystems; zum anderen die Ebene des wahrheitsfunktional nicht relevanten, jedoch ebenfalls konventionalisierten, dennoch unverbindlichen und daher ohne logische Kontradiktion widerrufbaren, sprechsituationsspezifischen oder -unabhängigen 'Meinens' (i.e. der partikularisierten und generalisierten konversationeilen Implikatur). Nur auf dem Hintergrund dieser Griceschen Unterscheidung (die den langue/parole, ccrnpetence/performance-Kontrast reflektiert) wird es sinnvoll, auf der Ebene des Sprachsystans in einem neutralen Kontext normale Interpretationen mit normalen Betonungsstrukturen zu postulieren, oder eine FarmFunktion-Maxime aufzustellen (vgl. 1.2.2.1., 2.4.1., 2.4.3.); nur so werden konversationelle Implikaturen und markierte Interpretationen ableitbar. 5.6. Während so der konversationslogische Ansatz es nunmehr erlaubt, die traditionelle Aussagenlogik als Beschreibungsfarm der natürlichen Sprache zugrundezulegen, indan er zwischen der Stringenz und Eindeutigkeit der ersteren und der Vagheit und Uneindeutigkeit der letzteren vermittelt, gibt es einige Erscheinungsweisen der natürlichen Sprache, die sich nicht durch konversationslogische Ableitungsprozesse auf die logische Struktur beziehen lassen. Es sind dies die schon erwähnten Kandidaten für Gricesche konventionelle Implikaturen even, therefore, yet, vielleicht let alone, und but (vgl. 4.3.4.). Die Implikationen dieser Partikel sind nicht wahrheitsfunktional relevant, dennoch scheinen sie eher semantischer Art zu sein, denn sie sind nicht löschbar wie die konversationeilen Implikaturen und sie resultieren nicht, wie die Implikaturen, die zwischen ' und if, '/\ 1 und and, ' V ' und er vermitteln, aus einer Verletzung der Konversationsmaximen. Wilson (1975b) analysiert sie deshalb als nicht-logische Implikaturen, Kenpson (1975) als Gricesche konventionelle Implikaturen.

257

Ich greife die Frage nach dem Status dieser Partikel deshalb noch einmal auf, weil in dieser Arbeit in vielen Argumentationen der But-so-Test eine wichtige Rolle für das Auffinden und Testen von logischen Implikationen gegenüber logischen Präsuppositionen oder konversationellen Impllkaturen gespielt hat. Wahrheitsfunktional betrachtet, hat but die gleichen Wahrheitsbedingungen wie and; £ but 3 ist dann wahr, wenn p und 3 beide wahr sind. Darüberhinaus impliziert but jedoch einen Kontrast zwischen £ und £ (der meist semantischer Art ist, aber auch anders definiert sein kann, vgl. R. Lakoff 1971). Dieser Kontrast muß als konventionelle bzw. nicht-logische Implikatur betrachtet werden. Was bedeutet dies nun für die logische und methodische Validität des But-so-Tests? (225)a. Tinrny is a bachelor, b.

+

BUT he is not married. BUT he is married.

+

c.

SO he is not married.

Bezüglich des Schlusses mit so habe ich schon unter 1.2.1.1. angonerkt, daß dessen logische Validität nur im Rückgriff auf das zugrundeliegende analytische Konditional (hier: If Tinniy is a bachelor, he is not married) bewiesen werden kann. Das gleiche gilt für but: Die logische Relation der Tautologie von (225)a. ergibt sich aus den wahrheitsfunktionalen Eigenschaften des im but enthaltenen logischen and, ebenso die Kontradiktion von (225)b.: (225)

Timmy is a bachelor,

a'. AND he is not married} b1. +AND he is married. Dem But-so-Test liegt also logisch ein AND-IF-Test zugrunde, wcmit seine logische Validität gesichert ist. Die Verwendung dieser umgangssprachlichen Argumentationsform (gegenüber dem logischen Schlufrnuster) als Werkzeug des Linguisten ist dadurch gerechtfertigt, daß die Relationen Kontrast (but) und Resultat/Konsequenz (so) bei der Objektivierung intuitiver Auffindungsprozeduren natursprachlicher Phäncmena kognitiv bessere Dienste leisten als die aussagenlogischen Relationen Konjunktion und Implikation. Dies legitimiert den Test methodisch. (Diese Über1 Kempson (1975:218) macht darauf aufmerksam, daß die Beweislage bezüglich des logischen/nicht-logischen Status von but durchaus nicht eindeutig ist - dies wird durch (225)a. und a1. bestätigt. Wenn nämlich die Implikation des Kontrasts nicht logisch ist, darf sie die Wahrheitswerte einer Proposition nicht beeinflussen. Dennoch ist der Status von (225)a'. (immer wahr, da eine Tautologie) und der von (225)a. nicht gleich.

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legungen zeigen allerdings, daß die Liste der konventionellen Implikaturen noch um eine weitere nicht-logische Relation erweitert werden muß, nämlich so.) 5.7. Neben den schon erwähnten Einsichten, die sich aus der aussagenlogischen und konversationslogischen Analyse ergeben haben, hatte die linguistisch-pragmatische Analyse der KSe in Kapitel 4 noch die folgerden Ergebnisse: 5.7.1. Ob ein KS faktisch, offen, hypothetisch oder kontrafaktisch interpretiert wird, hängt nicht nur von den Tempus- und Modusformen in A und K ab, sondern auch van realen Zeitbezug des Konditionals und vcm zeitlichen Verhältnis zwischen A und K (vgl. 4.1.). 5.7.2. Darüberhinaus ist der semantische Typ des Verbs im A ausschlaggebend für die Interpretation: Hier spielt der event/state-Kontrast eine entscheidende Rolle (vgl. 4.2.2., 4.3.1., 4.3.4.). 5.8. Was die Darstellung der kaimunikativen Funktionen der KSe in der Grairmatik angeht, so ist sie über fundamentale illokutive Typen auf der Ebene der Semantik möglich, während die situationsspezifische illokutive Kraft der einzelnen illokutiven Typen Sache der pragmatischen Interpretation ist, so wie es Wunderlich (1976/III) in seiner Theorie der granmatischen und pragmatischen Bedeutung skizziert hat. Dies erfordert die Erweiterung der wahrheitsfunktionalen Semantik um eine logische Theorie der Bedingungen (vgl. 3.2.3.). Manche Sprechakte sind jedoch ausschließlich pragmatisch bestinmt, da für sie Präferenzen von Sprecher und Hörer konstitutiv sind, die nur auf der Ebene der pragmatischen Interpretation erschließbar sind; dies gilt besonders für die konditionalen Sprechakte (vgl. 4.8.). 5.9. Indirekte Kcmnunikation, realisiert besonders durch indirekte und implizite Sprechakte, wird über die Annahme von Höflichkeitsmaximen, die Grices Konversationsmaximen diametral gegenüberstehen, motiviert. Hier zeigt sich die Allgemeingültigkeit konversationeller Schlüsse daran, daß sie nicht nur über der Ebene der sprachlichen Konventionen operieren, sondern auch auf jener Ebene der Konventionalität wirksam sind, welche die Bedingungen für den Erfolg oder das Glücken von Sprechakten regelt (vgl. 3.1.2.). Sie sind, auf dem Hintergrund einer Theorie der illokutiven Typen wie der Wunderlichs und einer Sprechakttypologie, welche die Bedingungen und spezifischen Voraussetzungsstrukturen von Sprechakten angibt (vgl. 3.1.4.), verantwortlich für die Ableitung indirekter und impliziter Sprechakte (vgl. 3.3.2.2., 4.6., 4.7.). Diese letzteren sind auf verschiedenen Ebenen eines semanto-pragmatischen Beschreitungsnodells

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anzusiedeln - die indirekten Sprechakte als generalisierte konversationeile Implikaturen auf der Ebene der institutionellen Pragmatik, die impliziten Sprechakte als partikularisierte Implikaturen auf der Ebene der Situationellen Pragmatik. Schließlich bestürmen die Konversationsmaximen - zusammen mit den Pegeln der Höflichkeit - den Inhalt der sprechaktmodifizierenden Karmentare mit if (vgl. 4.9.). 5.10. Wie wiederholt deutlich wurde (vgl. 1.2.2.1., 3.2.4., 3.3.1.), ist sowohl der Gricesche Ansatz als auch der von Wunderlich auf handlungsorientierte Kcmnunikation ausgerichtet und klammert den Bereich personaler, emotionaler, beziehungs- und identitätsbezogener Kcrmunikation aus. Ein Teilgebiet dieses Bereichs wird über die durch die Höflichkeitsregeln motivierten indirekten und impliziten Äußerungen sprechakttheoretisch zugänglich, jedoch kann der Begründungs zusairmenhang expressiver, sozio-personaler Kannunikation unter einer linguistisch-pragmatischen Fragestellung, wie sie hier zum Zwecke einer möglichst vollständigen Sprachbeschreibung eingegrenzt werden mußte (vgl. 3.0.), nicht erschöpfend erfaßt werden. Hier sind Untersuchungen im Grenzgebiet zwischen Linguistik, Psychologie, Soziologie und Anthropologie notwendig.

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