Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter [1 ed.]
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WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT

ERNST SCHUBERT EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDPROBLEME DER DEUTSCHEN GESCHICHTE IM SPÄTMITTELALTER

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ERNST SCHUBERT EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDPROBLEME DER DEUTSCHEN GESCHICHTE IM SPÄTMITTELALTER

GRUNDPROBLEME DER DEUTSCHEN GESCHICHTE

ERNST SCHUBERT

EINFÜHRUNG IN DIE GRUNDPROBLEME DER DEUTSCHEN GESCHICHTE IM SPÄTMITTELALTER

WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT

Einbandgestaltung: Studio Franz & McBeath, Stuttgart.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schubert, Ernst: Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter / Ernst Schubert. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1992 (Grundprobleme der deutschen Geschichte) ISBN 3-534-08823-9

Bestellnummer 08823-9

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 1992 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Offsetpapier Gesamtherstellung: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Printed in Germany Schrift: Linotype Garamond, 9.5/11

ISBN 3-534-08823-9

INHALT I. Vorfragen. 1. „Spätmittelalter“ — Inhalte eines Epochenbegriffs .... 2. Was heißt „deutsch“, was bildet den Gegenstand einer „deut¬ schen Geschichte“ im Spätmittelalter?. II. Die Ausgestaltung der deutschen Kulturlandschaften .... III. Bauern und Herren. 1. Spätmittelalterhche Zeugnisse: Bauernnot, Bauernverachtung und Furcht vor den Bauern. 2. Vom Fronhofverband zur Grundherrschaft. Konflikt und Konsens als Folgeerscheinung eines Strukturwandels ... 3. Die Leibeigenschaft. 4. Gutsherrschaft und Grundherrschaft. 5. Die Ausbildung der Gemeindeverfassung. 6. Bäuerliche Aufstände.

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IV. Die Stadt. 97 1. Das Spätmittelalter als Epoche der deutschen Stadtgeschichte 97 2. Stadt und Umland.104 3. „wir Bürger reich und arm“: Patrizier und Handwerker . . 108 4. Obrigkeit: Eine von den Städten entwickelte neue Herr¬ schaftsform .124 5. Bürgerkämpfe als Aussage für Konfliktfelder zwischen sozialer Struktur und politischer Verfassung.131 6. Reichsstädte und Hansestädte im Rahmen deutscher Städte¬ bünde: Der verfassungsgeschichtliche Hintergrund des Ge¬ gensatzes von nieder-und oberdeutscher Wirtschaft ... 146 V. Wirtschaftliche Entwicklung und neue Wirtschaftskräfte im deut¬ schen Spätmittelalter.154 1. Indikatoren für die Intensivierung der Wirtschaft . ... 154 2. Das Geld.163 3. Geld und Kredit, Wirtschaftspraxis und Wirtschaftsethik . . 172 4. Der Handel, das Recht und die Politik - Kaufleute und Fürsten.177

Inhalt

VI

5. Technische Innovation: „Die industrielle Revolution des Mittelalters“. 6. Neue Produktionsformen: Der tiefe Graben zwischen Kapi¬ tal und Arbeit.191 VI.

Verfassungsgeschichtliche Strukturen.196 1. Das Fürstentum.196 a) Die Realität hinter dem Begriff „Territorialstaat“ ... 196 b) Die landständische Verfassung.205 2. Die spätmittelalterliche Grundlegung der Reichsverfassung . 217 a) Die Wahl des römischen Königs, des künftigen Kaisers

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218

b) Die Goldene Bulle.223 c) Das Königtum.226 d) Wandlung der Reichsstruktur: Von Kronvasallen zu Reichsständen.232 e) Die Reichsreform.240 VII. Kirche und Frömmigkeit.247 1. Kirche und Welt.249 2. Reichtum und Adel: Die Reichskirche.253 3. Pfarrei und Gemeinde auf dem Land und in der Stadt

.

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256

4. Die Laien und die Kirche: Die Frage nach Lehrautorität und Gnadenschatz.264 5. Selbstbewußter Glauben: Spätmittelalterliche Volksfrömmig¬ keit

.272

6. Die Kirche, die neuen Bildungsformen und die Laien

.

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Auswahl aus der neueren Forschungsliteratur.289 Register.313

I. VORFRAGEN

1. „Spätmittelalter “

-

Inhalte eines Epochenbegriffs

Ende des Mittelalters oder Spätmittelalters: Positionen und Assoziationen - die Epochenschwellen zur Neuzeit und zum Hochmittelalter - Altes und Neues: Herbst des Mittelalters oder Frühling der Neuzeit? - „Krise“ als Epochenmerkmal - die soge¬ nannte Agrarkrise - Weltangst und Angst vor „jähem Tod“: das Spätmittelalter als Seu¬ chenzeit - die Pest und ihre Wandlung von „Internationalität“ als Epochenmerkmal der „gemeine Mann“ und seine Freiheit.

Der Begriff Spätmittelalter ist noch nicht alt. Seine Karriere setzt langsam zu Beginn unseres Jahrhunderts ein. Erst seit den zwanziger Jahren gehört er zum festen Inventar historischer Terminologie. Die Handbücher des 19. Jahrhunderts kannten noch keinen Epochenbe¬ griff „Spätmittelalter“. Sie sprachen wie Schlossers Weltgeschichte von den „letzten Zeiten des Mittelalters“ oder wie noch die von Julius Pflugk-Harttung 1909 herausgegebene Ullstein-Weltgeschichte vom „Ausgang des Mittel¬ alters“. Das legte immerhin den neuen Terminus nahe, denn unzweifelhaft erschien, daß das Mittelalter mit der Reformation ende. Für die davor liegen¬ den beiden Jahrhunderte galt diesen Weltgeschichten „für das deutsche Volk“ der „Zusammenbruch universaler Gewalten“ (so Ullsteins Weltgeschichte) als Epochenmerkmal; speziell für die deutsche Geschichte war dabei der Nieder¬ gang des Königtums der zentrale Vorgang. Mit der „Auflösung des Reiches“ begründete 1919 Dietrich Schäfers Deutsche Geschichte eine Epocheneintei¬ lung von 1254-1521. Den Konsens der Historiker faßte der Dahlmann-Waitz in seiner 8. Auflage (1912) zusammen: Der „Übergang zur neueren Zeit“ besteht in diesem Niedergang des Königtums. Spätmittelalter: Für die Forschungsentwicklung barg die neue Epochenbe¬ zeichnung Gefahren, denn mit ihr verbanden sich Assoziationen des Verge¬ henden, des Absterbens, des Verfalls. Sie werden bereits mit der JahreszeitenMetapher des Titels in dem historiographisch bedeutsamen Werk von Johan Huizinga, Herbst des Mittelalters (Herfstid der middeleuwen, erstmals 1919; in deutscher Übersetzung erstmals 1924) geweckt. Mit Huizingas Herbst-Metapher trat durch ein mehrfach aufgelegtes, ein¬ flußreiches Buch gefördert eine andere Variante der Spätzeit-Assoziation in Konkurrenz. Willy Andreas, Deutschland vor der Reformation (1. Auflage 1932): Ein bunter Strauß von historischen Erzählungen ist hier von dem Ge¬ danken der Vorläufigkeit zusammengehalten. Das ausgehende Mittelalter

Vorfragen

2

wird zur Vorgeschichte einer erst mit der Reformation beginnenden Neuzeit. Wirkungsvoll hatte Andreas popularisiert, was Georg von Below im fachwis¬ senschaftlichen Disput mit der kirchengeschichtlichen Periodisierung von Ernst Troeltsch und teilweise auch mit Karl Heussi nachdrücklich vertreten hatte: Mit der Reformation beginnt die Neuzeit (Georg von Below, Über hi¬ storische Periodisierungen mit besonderem Blick auf die Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit, 1925). Immer wieder wird besonders aus geistesgeschichtlicher Perspektive die Epochenwirkung der Reformation angezweifelt. Die Auffassung einer Epo¬ cheneinheitlichkeit des 15. und 16. Jahrhunderts konnte eher als langgestreck¬ ter Ablösungsvorgang von einem im Grunde früher, mit dem 14. Jahrhundert, beendeten Mittelalter, als Zwischenstück zur eigentlichen Neuzeit, mehrfach vertreten werden. Am bekanntesten wurde diese Ansicht durch Will Erich Peuckerts >Die große WendeReformatio Sigismundi< fir¬ miert? Die Zeitgenossen wußten durchaus, daß diesem Herrscher die Reichs¬ reform ein Anliegen war: „unde er waz geneigt uff reformaciones unde besserunge der cristenheit geistlicher und weltlicher lute unde uff lantfrede zu machen, roubslossere und roubere zu stillen.“ Was dieser Nachruf Hartung Kammermeisters rühmt, weiß auch eine Bamberger Chronik zum Jahre 1434 offenbar aufgrund von Informationen Bambergischer Gesandter zu berich¬ ten, die in eben jenem Jahre am kaiserlichen Hofe sich aufgehalten hatten: „Er het gar gern ein reformation durch die ganze Christenheit durch geistlich und werntlich gesehen; er redet gütlich und zornlich vil und oft mit in und vermant sy der grossen Ungerechtigkeit, die do unter geistlichen und werntlichen in allen landen (wer).“ Der Kaiser bezeugt schließlich selbst, daß er sich stärkei um diese Frage bemüht habe, als es die Reichstagsakten überliefern. Er ließ 1436 kurfürstlichen Gesandten auf deren Frage nach einer Reichs¬ reform vorstellen, „dass er in deutschen landen auf gar manchem tage oft und kräftig davon gesprochen, wege angegeben und ernstlich begert habe, dass man dazu helfen und raten möge, dass aber das folge nicht gehabt“. Reichs- und Kirchenreform hängen zusammen. Beides wird noch nicht auf Verbesserung von Institutionen verengt, ist noch keine primär politisch zu behandelnde Frage - wie dann weitgehend zur Zeit Maximilians -, beides soll vielmehr Teil einer umfassenden Besserung der menschlichen Ordnung sein.

Reichsverfassung

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Eine solche Reform will zugleich auch Sitten- und Sozialreform sein. Erst von daher erschließt sich der Sinn einer Reformschrift wie der >Reformatio SigismundiVita Christi< des Kartäusers Ludolf von Sachsen (f 1378) - der noch viel größere Einfluß der >Nachfolge Christi< (De imitatione Christi) des Thomas Hemerken von Kem¬ pen ist an der Handschriften- und Inkunabelüberlieferung abzulesen - und wissen damit auch von der Suche nach Demut und verinnerlichter Religiosität;

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Kirche und Frömmigkeit

dem stehen aber so viele andere Zeugnisse gegenüber von einer lärmenden, weltliche Repräsentation befriedigenden Frömmigkeit. Jedoch: Der Historiker kann den Menschen früherer Zeiten nicht ins Herz sehen. Die Quellen geben immer nur eine Seite eines Menschen, meistens die der vita activa wieder. Noch nicht einmal bei großen Fürsten lassen sich feinere Persönlich¬ keitskonturen erkennen, obwohl über sie noch die meisten Quellen vorlie¬ gen. Erkennen läßt sich jedoch manchmal, wie einseitig die Menschen in der normalen Überlieferung beleuchtet werden. Wer würde allein aufgrund der Urkunden dem bis zur Durchtriebenheit geschickten Politiker Karl IV. die selbstkasteiende Religiosität Zutrauen, die andere Quellen überliefern, die existentielle Erschütterung, als ihm 1362 die Geschichte des blinden Jüng¬ lings vorgetragen wurden? Abmeßbar ist allein das institutioneile und auch das mentale Feld, in dem sich Frömmigkeit bewegen kann, nicht notwendigerweise bewegen muß. Nur in dieser sehr eingeschränkten Form kann die spätmittelalterliche Frömmig¬ keitsgeschichte eine begrenzte Antwort auf die wohl unauslotbare Frage bie¬ ten, warum die Reformation Martin Luthers häufig so leidenschaftlich als neue Möglichkeit des Glaubens begriffen wurde. Das vielgestaltige, „blinde Wort Kirche“ kann als historische Erscheinung nur, wir deuteten es bereits an, aus den verschiedenen, zunächst klar ausein¬ anderzuhaltenden Perspektiven gesehen werden. Wir nennen diese Perspekti¬ ven zugleich mit ihren Fluchtpunkten: Die institutionelle Gestalt der Kirche sei nicht unter dem vordergründigen Stichwort der Verweltlichung, sondern dem der „Überweltigung“ betrachtet, womit folgendes gemeint ist: Die Welt siegt über die Kirche, indem soziale Interessen, die sich des Stiftungsreich¬ tums der Kirche bedienen, stärker sind als der religiöse Auftrag. Die Per¬ spektive der Theologie ist in unserer Auswahl an den Fluchtpunkten des Got¬ tesbildes des gemeinen Mannes und seines Verständnisses von der Passion orientiert. Die wissenschaftliche Diskussion des späten Mittelalters sei nur gestreift. Die erregten Auseinandersetzungen um die Theologie Wiclifs errei¬ chen Deutschland, das schon vom geringen Bildungsstand her kein Land der Ketzer war, nur oberflächlich, erschüttern selbst die Theologen wenig. Die Frömmigkeit als historische Perspektive versuchen wir nicht durch die Zeiten zu verfolgen (das sensible Thema eignet sich nicht zur vereinfachenden Syn¬ these), sondern versuchen, den Wandel vom 14. zum 15. Jahrhundert anzu¬ deuten, von der Laienfrömmigkeit zu der von der Kirche sich ansatzweise ab¬ lösenden Volksfrömmigkeit mit ihrem «immense appetit du divin» (Lucien Febvre). Dieser Vorgang ist schwer zu nuancieren zwischen Vertrauen in den Gnadenschatz der Kirche und beginnender Lösung von ihrer institutionellen Gestalt. Deshalb sei Tradition und Wandel der Begegnung von Laien und Kle¬ rikern zunächst über die Rahmenbedingungen, über die Stellung des Dorf¬ pfarrers und das Verhältnis von Stadt und Kirche dargestellt. Dahinter steht

Kirche und Welt

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die Frage, ob die Laien noch, wie es der alten Anschauung von der kirchlichen Lehrautorität entsprach, eine „grex audiens et oboediens“ bildeten. Vor der Frömmigkeit, vor dem Glauben steht die Institution der Kirche, verflochten mit der Welt, gefangen in — wie nicht nur Wiclif meinte — ihrem Reichtum, stärker wohl noch in ihren sozialen und verfassungsgeschichtlichen Strukturen. 1. Kirche und Welt Die verschiedenen Ebenen der Verflechtung von Kirche und Welt - Kirchenpfründe und soziale Interessen — Entwicklung zur Konkurrenz von geistlichem und weltlichem Gericht - Erosion der Macht, immer weniger gefürchtete kirchliche Strafmittel - Bru¬ derschaften als Beispiel für die Verflechtung von Frömmigkeits- und sozialer Gemein¬ schaftsübung - Kirche und Welt im Alltag. Die Verflechtung von Kirche und Welt ist den Zeitgenossen selbstverständ¬ lich. Die vielbesprochene Laisierung hat ihre engen Grenzen. Die Stadträte tragen mit den Kirchen und Klöstern innerhalb der Stadtmauern so manchen Konflikt um die Steuerfreiheit, den anwachsenden Besitz der „toten Hand“ usw. aus. Aber niemals geht es um das Grundsätzliche, niemals werden die kirchlichen Freiheiten insgesamt in Frage gestellt; immer bleibt der Konflikt auf den einzelnen Punkt, die Steuerfreiheit eines bestimmten Hauses, die Zollfreiheit für den Hopfen eines bestimmten Klosters, beschränkt. Verflechtung von Kirche und Welt zeigt sich im Alltag in Stadt und Land, wo das Kirchengeläut Zeitmesser ist, zeigt sich aber auch bis hinauf zum Königtum auf allen Verfassungsebenen. Deshalb erschien es vielen Konzils¬ vätern naheliegend, Kirchen- und Reichsreform miteinander zu verknüpfen, deshalb hatte das Basler Konzil unter der „causa pacis“ neben dem Ausgleich europäischer Streitigkeiten auch die Sicherung des Landfriedens im Reich ver¬ standen. Umgekehrt beschäftigte sich der Reichstag 1433 u. a. mit den Zu¬ ständen in den deutschen Diözesen, und niemand nahm Anstoß, daß 1444 ein Reichstag „in Sachen der Kirche und des Reichs“ einberufen wurde. Eine Trennung von Welt und Kirche im Sinne von klerikal und laizistisch ist ein Anachronismus. Zwar konnten die Zeitgenossen weltliche und kirchliche In¬ stitutionen genau auseinanderhalten, aber ihr Ideal blieb deren gegenseitige Verantwortung. Die Verflechtung von Kirche und Welt wurde dort wie selbstverständlich hingenommen, wo sie Mächtigen und Reichen nutzte, wurde getadelt, wo sie der weltlichen Herrschaft im Wege stand. Die Praxis der Pfründenvergabe nach immer genauer gezogenen Personenverbänden der sozialen Hierarchie - die Domherrenstellen dem Adel, die Vikariate an den Pfarrkirchen der obe¬ ren Mittelschicht - fand mitnichten die allgemeine Kritik, die ihrer allgemei¬ nen Verbreitung entsprach.

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Kirche und Frömmigkeit

Der Pfründenreichtum der Kirche, Erbe frommer Stiftungen, wurde von der Welt auf die verschiedenste Weise ausgenutzt. Könige und Fürsten sorgten dafür, daß Mitglieder ihrer Kanzlei, daß gelehrte Räte Stiftskapitulare wur¬ den, ein gesichertes Einkommen hatten, das dem Fürsten die Besoldung er¬ sparte. Nicht anders handelten Stadträte, wenn sie städtische Schreiber und Notare zur Kostenersparnis mit Altar- und Meßpfründen versorgten. Eine andere Variante der „Überweltigung“ bezeugt fast jede Entstehungsge¬ schichte einer deutschen Universität im Spätmittelalter. Die Gründung be¬ steht im wesentlichen in der Umwidmung der „dos“ geistlicher Stiftungen. Der Gründer zog daraus noch den Gewinn, daß die solchermaßen ausgestat¬ tete Universität ihm professorale Ratgeber - gesucht waren vor allem die Juri¬ sten - zur Verfügung stellte. Pfründendenken, Versorgungsinteresse von der kleinen Altarstiftung bis zum reich dotierten Kanonikat, entfremdeten zwar nicht im streng kanonistischen Sinne Kirchengut, aber sie entzogen es dem pastoralen Auftrag der Kirche. Als anfangs des 14. Jahrhunderts Gelehrte wie Ugolino von Celle, Wilhelm von Ockham oder Marsilius von Padua die strikte Trennung von geistlichem und weltlichem Recht forderten, stießen sie noch auf geringe Resonanz. Die Legisten, die Experten des Römischen Rechts, hatten allesamt auch Kirchen¬ recht studiert; für das Studium galt als Grundsatz, daß der Kanonist ohne Kenntnis des weltlichen, des Römischen Rechts, wenig, der Legist ohne Kenntnis der Kanonistik aber gar nichts tauge. Hinter der Ausweitung der kirchlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Angelegenheiten steht in vielen Fäl¬ len nicht ein klerikaler Machtanspruch, sondern die Substanzschwäche des an starre Regeln gebundenen, nur langsam sich sozialen Veränderungen an¬ passenden weltlichen Rechts. Selbst um ihre Autonomie besorgte Stadträte haben in komplizierten Fragen die Auskunft des geistlichen Gerichts und da¬ mit die des geschmeidigeren Kirchenrechts gesucht. Weiterhin ließ die Ver¬ schränkung von Kirche und Welt eine Säkularisierung des Rechts bestenfalls als theoretische Prämisse zu. Der gleiche Göttinger Rat zum Beispiel, der bewegte Klage gegen Übergriffe des geistlichen Gerichts führen konnte, benutzte dieses doch bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts, um Vergleiche über Hinterlassenschaften von Bürgern protokollieren zu lassen. Unverzichtbar war lange Zeit die Gerichtsbarkeit der Kirche, hinter der eine Dauer verheißende Institution stand, für die Beglaubigung weltlicher Geschäfte. Aber mit Verfestigung der Ratsherrschaft mußte sich auch ein Konkurrenzverhältnis anbahnen. Und das steht hinter den immer vernehmlicher werdenden Klagen: die Ausbildung des weltlichen Rechts. Mit der Rezeption des Römischen Rechts, des Kaiserrechts in der Terminologie der Zeit, und wohl noch wichtiger - mit der Ausgestaltung weltlicher Rechtsgrundsätze von bäuerlichen Weistümern angefangen bis hin zum Statutenwerk der Städte

Kirche und Welt

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wurde das, was einmal Hilfe und Rechtsergänzung durch das Kirchenrecht gewesen war, zur Konkurrenz, zur Belastung. Der Gedanke einer strikten Trennung von weltlichem und geistlichem Recht wird populär, wird etwa in einer im 15. Jahrhundert weit verbreiteten Prophetie, die sich die Autorität Hildegards von Bingen geliehen hatte, propagiert. In der Kirche selbst dräng¬ ten Reformkräfte wie schon auf dem Konzil zu Konstanz auf einen klaren Kompetenzausgleich. Jacob Wimpfeling drückte 1515 in reformerischer Ab¬ sicht einen Konsens der Laien aus, als er heftig die Eingriffe der Kirche ins weltliche Recht tadelte. Die Kontinuität der Klagen über die Eingriffe der Kirche in das weltliche Recht kann darüber hinwegtäuschen, daß im Verlauf des späten Mittelalters der Einfluß der Kirche auf die Rechtsentwicklung stetig zurückgegangen war. Am einfachsten ist dieser Prozeß an der Universitätsgeschichte abzule¬ sen. Ihrer Natur entsprechend reagieren die Hohen Schulen langsam auf neue Entwicklungen - aber sie reagieren. Der Kanonist ist unangefochten der am höchsten besoldete Professor an einem „Studium generale“ im 14. Jahrhun¬ dert. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aber ist die Distanz zu den Gehältern seiner Kollegen in den anderen Fakultäten erheblich geschrumpft; und vor allem: In der Besoldung steht ihm der Legist, der Lehrer des welt¬ lichen Rechts, der an Hohen Schulen des 14. oder frühen 15. Jahrhunderts bisweilen gar für entbehrlich gehalten werden konnte, fast gleich. Die Struk¬ tur- und Besoldungsveränderungen in den deutschen juristischen Fakultäten zeigen im 15. Jahrhundert das Vordringen des Römischen Rechts. Wenn es sich nicht gerade um kirchenrechtliche Fragen handelt, sucht der Fürst das Votum des Legisten und nicht des Kanonisten. Die einflußreichsten gelehrten Räte noch des frühen 15. Jahrhunderts, der Zeit Ruprechts und Siegmunds, sind Kanonisten, aber schon eine Generation später ziehen Legisten wie Mar¬ tin Mair oder Gregor Heimburg im Hintergrund die Fäden. Daß die Verflechtung von Kirche und Welt zugleich über die spätmittel¬ alterliche Erosion kirchlicher Macht hinwegtäuschte, zeigt sich am deutlich¬ sten in der Geschichte der kirchlichen Strafmittel. Bann und Interdikt, im hohen Mittelalter noch gefürchtete Waffen der Ku¬ rie, waren durch häufigen Gebrauch im Spätmittelalter stumpf geworden. Für den einzelnen mochte es belastend sein, wenn er wegen einer Schulden¬ frage mit der Exkommunikation bedroht wurde - eine Praxis, die 1451 in Hil¬ desheim Nikolaus von Kues als Ärgernis verbot -, aber die ursprüngliche Wucht des Anathems wurde nicht mehr empfunden; nur wenige ängstigten sich noch vor dieser Strafe, die „man in Dutscher sprach Judas flüch nennet“. Um 1400 konnte ein Würzburger Bürger sagen: „ob nimmer Messe gesungen würde, das wer mir eine kleine Bürde.“ Wenn 1474 Papst Sixtus IV. im Reichs¬ krieg gegen Burgund Karl den Kühnen und seinen Verbündeten, den Erzbi¬ schof von Köln, exkommuniziert, so ist das nur eine Episode dieses Krieges.

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Kirche und Frömmigkeit

Von dem einstmals selbst von Fürsten gefürchteten Strafmittel ist nicht viel mehr als eine politische Demonstration geblieben, die allenfalls zeigte, auf wessen Seite die Kirche stand. Waren in der Gerichtsbarkeit die Tendenzen einer Trennung von klerikalen und säkularen Bereichen unübersehbar, so verklammerte in der gleichen Zeit des ausgehenden Mittelalters der genossenschaftliche Gedanke als laikale Frömmigkeitsform aufs engste Kirche und Welt: Bruderschaften stifteten Altäre, teilweise sogar Kapellen, und selbst die Ärmsten unter ihnen stellten noch eine große Kerze vor den Marienaltar, um in ihrer Kirche präsent zu sein. Die gemeinsame Fürbitte und das Lesen einer Messe für den verstorbe¬ nen Mitbruder gehörte zu den grundlegenden Pflichten. Solche laikalen Frömmigkeitsgenossenschaften finden sich in allen Ständen, bei den Goslarer Eseltreibern und den armen Gärtnern der Frankfurter Neustadt ebenso wie als „Fürspänger“ bei fränkischen Adeligen. Sie sind oft nicht ständisch ein¬ geengt, sondern einer gemeinsamen integrierenden Frömmigkeitsmode ver¬ pflichtet wie die im 14. Jahrhundert sich verbreitenden Fronleichnamsbruder¬ schaften und die Ende des 15. Jahrhunderts überall gestifteten Rosenkranz¬ bruderschaften. Die Verschränkung von Kirche und Welt zeigt sich bei den Bruderschaften darin, daß unter kirchlichem Mantel weltliche Zwecke verfolgt werden. Die Kölner St. Jakobsbruderschaft der Waidhändler hatte bis zur Umwälzung von 1396 das Monopol für den Verkauf des wichtigsten Färbemittels in der Stadt. Am bekanntesten ist, daß die Gesellenbruderschaften auch gemeinsame so¬ ziale Interessen gegen ihre Meister durchsetzen wollten. Die Meister selbst aber hatten ebenfalls fromme Genossenschaften gegründet, um wirtschaft¬ liche Vorteile zu erlangen. Deshalb verbietet der Frankfurter Rat 1443 den Bäckern von Bonames und 1447 den Gewandunterkäufern die Stiftung einer Bruderschaft. Wurde in der Oberschicht eine solche fromme Genossenschaft gegründet, so wurde der Rat hellwach. Er kassierte dann, wie in Ulm 1515 geschehen, den Bruderschaftsbrief der Kaufleute, weil darin vielfach „einem ersamen rat sein oberkeit eingezogen“ sei. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren die meisten Bruder¬ schaftsstiftungen erfolgt. Um die Jahrhundertwende gab es in großen Städten wie Lübeck mehr als 70 solcher Genossenschaften, in Hamburg gar derer 99. Zu beobachten ist, daß die jüngeren Stiftungen nicht mehr so reich dotiert sind. Das liegt daran, daß sich das soziale Spektrum in die Mittel-, ja in die Unterschichten hinein verbreitert. Es ist zu bezweifeln, ob in dieser Stiftungs¬ welle, die um 1500 ihren Höhepunkt erreicht, ein Indikator für gesteigerte Frömmigkeit zu sehen ist. Zu sehr verschränken sich religiöse Form und welt¬ licher Zweck. Eines ist sicher: Die Bruderschaften stellen einen wirtschaft¬ lichen Faktor von Bedeutung dar, denn bevorzugt werden die Stiftungsgelder auf dem städtischen Rentenmarkt angelegt.

Reichtum und Adel

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Bei allen Konflikten zwischen Klerikern und Laien, bei allen sozialen Ge¬ gensätzen, über die im folgenden so häufig zu berichten sein wird, sei der All¬ tag einer Welt nicht vergessen, die nach Heiligentagen zu datieren pflegte. Hier war die Kirche nicht nur als Spenderin von Gnadenmitteln präsent. Kir¬ chenglocken ordneten als akustische Signale den Tagesablauf von Arm und Reich. Das Ave-Maria-Geläute war am Morgen oder am Abend nicht nur Ge¬ betsmahnung, sondern auch Zeitbestimmung. Das Aufkommen von städti¬ schen, am Rathaus angebrachten Uhren ist nicht nur ein neues Moment der Zeitmessung, sondern auch Ausdruck laikalen Selbstbewußtseins in der neu¬ tralen Zeitbestimmung als Alternative zur liturgisch fixierten kirchlichen Zeitordnung. Glockenklang und Uhrzeiger deuten die Entwicklung zur Sä¬ kularisierung von Zeit an. Kirche und Welt waren im Alltag miteinander verschränkt. Frömmigkeit erscheint nicht nur als individuelle Versenkung eines einzelnen, sondern auch als Gemeinschaftsübung, ist oft genug Teil spätmittelalterlicher Geselligkeit. Asketen mochten es kritisieren, die meisten aber nahmen als selbstverständ¬ lich hin, was ein Sprichwort formulierte: „wo unser herr Gott ein kirchen hyn bawet, da bawet der Teuffel auch ein wirtshauß.“ Die Verschränkung von Kirche und Welt ist in ihrer lebensprägenden All¬ täglichkeit und auf verschiedenen sozialen Ebenen dargestellt worden. Diese Verschränkung aber prägte auch die Reichsverfassung. Kirche ist zwar im Mittelalter nicht primär als Reichskirche verstanden worden - zu weit war der reiche Prälat und der kirchliche Reichsfürst von den Menschen entfernt aber daß das Reich auch auf die Kirchenverfassung gegründet war, wurde als ein vom Herkommen geheiligtes Grundgesetz akzeptiert.

2. Reichtum und Adel: Die Reichskirche Arme und reiche Hochstifte - die Bischofswahl als Ausdruck der Adelskirche - Fiskalisierung statt Reform: Die Infragestellung der Adelskirche durch das avignonesische Papsttum - Fürst statt Oberhirte: Der Verlust des geistlichen Auftrags.

In der Reichskirche, in der Herrschaft mächtiger Bischöfe und Prälaten, findet die mittelalterliche Kirche in Deutschland ihre politisch einflußreichste und institutionell repräsentativste Gestalt. In der Hauptsache haben bereits frühmittelalterliche Stiftungen über das künftige Geschick der Bistümer ent¬ schieden. Das Hochstift, die weltliche Gestalt des geistlichen Bistums, die fürstliche Herrschaft des geistlichen Oberhirten, wurde, abhängig vom ge¬ schenkten Besitz, zum entscheidenden Faktor. Nicht nur von der naturbegünstigteren Lage, sondern auch von der Ausstattung her wird Würzburg stets ein reiches Hochstift im Vergleich zum armen Nachbarbistum, dem spät (1007) gestifteten Bamberg bleiben. Die Dotierung des dritten fränkischen

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Kirche und Frömmigkeit

Bistums, Eichstätt, war so karg bemessen, daß es politisch stets nur eine untergeordnete Rolle spielte. Damit deutet sich an: Unter dem Begriff Reichs¬ kirche verbergen sich verschiedenartige Fürstentümer mit einer im Spätmit¬ telalter deutlich erkennbaren Individualität. Selbst die geistlichen Kurfürsten¬ tümer, hierarchische Spitze der Reichskirche, weisen nicht nur in ihrer politi¬ schen Ausrichtung große Unterschiede auf: Das arme Trier zählt, wenn es nicht von einem überragenden Kirchenfürsten beherrscht wird, weniger als Mainz und Köln. Die norddeutschen Bistümer spielen nicht nur, weil sie in einem königsfernen Gebiet liegen, sondern auch wegen ihrer geringeren ma¬ teriellen Ausstattung nur eine Nebenrolle in der Geschichte der Reichskir¬ che. Die Bistümer auf Kolonisationsboden schließlich zählen mit Ausnahme Magdeburgs wenig. Gering an Ausstattung unterliegen sie im späten Mittelal¬ ter - ohne rechtlich landsässig zu werden - der Überherrschaftung durch die Fürsten. Das Wort des zollerschen Markgrafen etwa gilt in Halberstadt, gilt in Lebus, das Wort des Wettiners in Meißen. Vertrauenspersonen der Fürsten werden im 15. Jahrhundert hier Bischöfe. Im wesentlichen also ist die Reichs¬ kirche in den Altsiedellandschaften des deutschen Südwestens, in den „Pfaf¬ fengassen“, am Main, am Mittel- und Oberrhein präsent. Es sind dies nicht von ungefähr königsnahe Landschaften. Letztlich wirkt immer noch das karolingisch-ottonische Erbe der engen Beziehung von Königtum und Kirche nach. Weiterhin prägt eine historische Folge des Investiturstreits die Reichs¬ kirche. Als Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum um das Bischofswahlrecht hatte sich schließlich das Domkapitel als Gremium herausgebildet, das den Bischof zu wählen hatte. Die anfäng¬ liche Gemeinschaft der Dombrüder wandelte sich zu einer eher losen Korporation von Stiftsherren, denen gemeinsames Chorgebet, gemeinsames Mahl und damit gemeinsamer Besitz im späten Mittelalter nur ferne histo¬ rische Erinnerung war. Auf dieses Gremium hatte sich schon im 13. Jahr¬ hundert das ursprünglich in unklarer Begrifflichkeit Klerus und Volk, ge¬ nauer: hoher Geistlichkeit und Adel, zustehende Recht der Bischofswahl reduziert. Die Domherren entstammten dem Adel, und zwar - was noch schwerer wog als dieser soziale Tatbestand - fast durchwegs dem Adel der Region. Der Adel eines Landes sah in der Besetzung von Domherrnstellen nicht nur eine Versorgung von Söhnen, sondern vor allem ein wichtiges Mittel der Familienpolitik. Das Domkapitel wählte den Bischof und kontrollierte seine Regierung. Die seit dem 14. Jahrhundert in der Reichskirche üblich werden¬ den Wahlkapitulationen, die den Neuzuwählenden immer detailliertere Vor¬ schriften machten, sind Ausdruck einer schon vorher angelegten Tendenz der Mitsprache und Kontrolle. Die Besetzung der reichen Domherrnpfründen durch den Adel des Umlandes ist, im hohen Mittelalter vorbereitet, Ausdruck

Reichtum und Adel

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dessen, was als „Überweltigung“ der Kirche bezeichnet wurde. Weltliches Interesse und nicht Frömmigkeit machte den Domherren. Das avignonesische Papsttum stellte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhun¬ derts das Bischofswahlrecht der Domkapitel in Frage. An der Kurie wurden, versehen mit päpstlicher Provision, viele Bischöfe eingesetzt. Unvermeidlich stieß diese Praxis auf Widerstand. Die Reichskirche wurde durch Kämpfe zerrissen zwischen einem von den Domherren gewählten und einem von der Kurie eingesetzten Bischof. Es war ein politischer Kampf, der fromme und kirchentreue Menschen nicht zur Parteinahme herausforderte; denn die kuriale Provisionspraxis diente keineswegs dazu, die Gebrechen der adelskirch¬ lichen Struktur, die Einbindung des Bischofsamtes über die Domherrnwahl in regionale Adelsinteressen, zu beseitigen. Mit diesen Interessen konkur¬ rierte lediglich der päpstliche Fiskalismus. Nicht ihrer Eignung, sondern ihrem Geld verdankten Nichtadelige wie Ulrich Pfefferhart oder Heinrich Bockholt ihr Bischofsamt in Konstanz bzw. Lübeck durch avignonesische Provision. Pfründenschacher wurde zu Recht der Kurie immer wieder vorge¬ worfen. Daß aber die Kurie zur Pfründenbörse wurde, trifft nur einen Teil des Problems. Die Welt wählte ebenfalls die reichen Pfründe als Gegenstand von Familienpolitik. Das zeigte sich, als die avignonesische Provisionspraxis, die schon unter Karl IV. stark zurückgenommen wurde, mit dem Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas 1378 nicht mehr durchsetzbar war. Das nunmehr triumphierende freie Wahlrecht der Domkapitel hat keineswegs frömmere Bischöfe hervorgebracht, hat die fürstliche, die herrschaftliche Natur des Bischofs, der zugleich Diözesan- und Landesherr war, eher noch verstärkt. Die Folgen für die institutionelle Verfassung einer Diözese waren vorhersehbar. Die Starrheit der Adelskirche, ihre mangelnde Flexibilität und auch ihre weitgehende Ablehnung einer Reform zeigt sich an der Seltenheit von Provin¬ zial- und Diözesansynoden. Obwohl diese vom IV. Laterankonzil vorgeschrieben, von Urban V. 1364 und entsprechenden Dekreten des Basler Kon¬ zils eingeschärft worden waren, wurden sie so selten gehalten, daß die Zeit¬ genossen darüber Klage führten. Selten genug hatten fromme Bischöfe wie in Freising solche Synoden abgehalten. Die Reichskirche war eine Institution der Herrschaft, nicht eine der Seelsorge, ihr Reichtum kam der Welt, nicht ihrem geistlichen Auftrag zugute. Den gemeinen Mann erreichte diese Kirche der Adelssöhne nicht. Um 1400 hieß kein Würzburger Bürger nach dem Stiftspatron Kilian.

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3. Pfarrei und Gemeinde auf dem Land und in der Stadt „Die Kirche im Dorf lassen“: Hintergrund eines Sprichworts - Pfarrer und Pfarrei in der dörflichen Gemeinde - der Kirchenraum als weltlicher Treffpunkt - die Reak¬ tion der Kirche auf die Urbanität: die Bettelorden - die Krise der Mendikantenbewe¬ gung - die städtische Pfarrei - der Rat, die Bürgerpflichten und die geistlichen Freihei¬ ten - Pfarrei, städtische Oberschicht und Rat - städtischer und ländlicher Sakralraum - korporative Religiosität in der Stadt.

Die Frage nach der Volksfrömmigkeit wurde, obwohl häufig gestellt, fast nur von der städtischen, selten von der bäuerlichen Situation her zu beant¬ worten versucht; denn die Quellen lassen uns im Stich. Der Bauer interes¬ sierte in der adelskirchlichen Welt nur als Ablieferer von Grundrenten, allen¬ falls noch als Repräsentant der Arbeit im Ständeschema. In der städtischen und in der adligen Welt war er der tumbe Dörper. Als Mensch erscheint er nicht in den Quellen des Spätmittelalters. Bestenfalls indirekt lassen sich Rah¬ menbedingungen seines Denkens und Fühlens feststellen. Das über ganz Deutschland verbreitete Sprichwort, man solle die Kirche im Dorf lassen, weist auf eine Grundbedingung bäuerlicher Frömmigkeit hin; denn dieses Sprichwort reagiert auf den Prozeß, in dem das aufkom¬ mende Städtewesen die Filiationsverhältnisse umkehrt, die Pfarrechte aus den älteren Dorfkirchen hinter die Stadtmauer zieht. Neben der Aristokratisierung der Kirche (die populären Bettelorden gehören zur Stadt, nicht zum Land) ist das Land auch von der Urbanisierung der Kirche im Spätmittelalter betroffen: Es werden nicht nur oft die Pfarrechte auf städtische Kirchen über¬ tragen, sondern auch reiche Pfarrpfründen entweder Stiften und Klöstern in¬ korporiert oder aber, Pfründenhäufung, einem Prälaten zugewiesen. In sol¬ chen Fällen versieht ein gering besoldeter Vikar die Aufgaben der Seelsorge. Häufiger Pfarrerwechsel ist die Folge; denn diese Vikare gehören meist dem Klerikerproletariat, manchmal sogar dem fahrenden Volke an. Von dem ge¬ ringen Bildungsstand des niederen Klerus einmal abgesehen, lag die Seelsorge auf dem Lande vielerorts durch diese Gebrechen im Argen. Eine Beschwerde der Bauern von Kirchen (bei Lörrach) zeigt das erschreckende Bild der von einem reichen Basler Stift inkorporierten Pfarrei mit ihren schlecht besolde¬ ten Vikaren, dem deshalb häufigen Pfarrerwechsel - oft hält es ein Seelsorger nur ein Jahr im Dorf aus - und nachlässiger, uninteressierter Wahrnehmung seelsorgerlicher Pflichten. Schon die Beichtpraxis schafft Ärger; es erzürnt die Bauern, daß ihren Frauen als Buße Garnspinnen auferlegt wird, was der >Jun§frau

des Vikars zugute komme, sie klagen, daß sie die zurückgelasse¬

nen Kinder eines davongezogenen Pfarrers auf Gemeindekosten versorgen müssen. Versuchen wir, neben den Zuständen einer inkorporierten Pfarre, das Bild einer „normalen

Landpfarrei zu skizzieren, so bieten die ^Veistümer eine

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verläßliche Quelle. Der Pfarrer ist keine Autoritätsperson, sondern der Nach¬ bar. „In der Ernte ist zwischen Bauer und Pfarrherr kein Unterschied“, be¬ hauptet ein Sprichwort. Weistümer und Dorfordnungen legen fest, „wie sich ein Pfarrer haben soll gen dem Nachpawern“. Pfarrers Vieh und Pfarrers Akker sind dem Gemeinderecht, dem Nachbarschaftsrecht unterworfen. Gewiß hat der Pfarrer eine disziplinierende Gewalt, verhängt er doch die Kirchenbu¬ ßen, erteilt er doch die Absolution; aber er lebt in der Gemeinde unter Bau¬ ern, die ihm Stolgebühren zahlen, die seine Nutzungsrechte in der Flur als Gemeindegenossen anerkennen und begrenzen. Von daher ist es nichts Au¬ ßergewöhnliches, daß sich das Verhältnis von Pfarrer und Gemeinde in welt¬ lichen Fragen oft kritisch zuspitzte. Wie konnte man an die Fehrautorität dessen glauben, dem man als „Nachbar“ verfeindet war oder Mißtrauen ent¬ gegenbrachte? Der Pfarrer war mehr Gemeindegenosse als Autoritätsperson. Die Kirche aber hat eine feste Funktion im Dorf, als Asylort, als Zentrum eines Kirch¬ spiels. Sie ist nicht nur für den religiösen, sondern auch für den politischen Gemeindeverband ein zentraler Ort. Hier wird Öffentlichkeit in den Kanzel¬ abkündigungen hergestellt. Die Kirche im Dorf konnte eine Wehrkirche sein, die in Kriegszeiten ein Zufluchts-, im Frieden ein Versammlungsort war. Der Dach- und Turmboden diente oft der Fagerung von Getreide. Wenn 1495 die Reichssteuer des Gemeinen Pfennigs über die Pfarreien erhoben werden soll, so entspricht dies der doppelten Funktion der Pfarreien, ihrer kirchlichen und weltlichen Bedeutung für den Gemeindeverband. Pfarrei und Gemeinde: In der Mark Brandenburg, in Norddeutschland, im Südwesten (verdichtet in der Eidgenossenschaft) haben zahlreiche bäuerliche Gemeinden das Recht, ihren Pfarrer zu wählen. Diese Sonderform der Pfar¬ rerwahl, die dem adligen Patronatsrecht im bäuerlichen Bereich entspricht, weist letztlich auf die bedeutende Rolle der Gemeinde in der Kirchenorgani¬ sation hin. Bei ausgebildeter Gemeindeverfassung sind es meist zwei angese¬ hene Mitglieder des Dorfes, die als Kirchenpfleger zunächst nur über das „Fa¬ brikgut“ der Pfarrei wachen. Von der Rechnungsprüfung ausgehend kann dieses Amt, dessen älteste Erwähnungen in das 13. Jahrhundert zurückrei¬ chen, bis zur Aufsicht über den Pfarrer ausgedehnt werden. Zu den neun Plagegeistern, die ein Fandpfarrer in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts aufzählt, gehören natürlich diese Kirchenpfleger. In anderer Gestalt als auf dem Fand war die Stadtkirche der Gemeinde ver¬ bunden. Aber in Stadt und Fand gilt: Der Kirchenraum bildet noch nicht die sakrale Alternative zur Geschäftigkeit der Welt. Die zwischen den Altären springenden Hunde, die auf frühneuzeithchen Architekturgemälden zu se¬ hen sind, gab es auch im Spätmittelalter. Hermann Bote erwähnt beiläufig: „Eyn hunt, wan de unstur in der kercken det so slept me one ut der kercken myt knuppelen unde myt swoppen.“ Durch Wachhunde im Kirchenraum

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suchte man vielerorts die zahlreichen nächtlichen Kirchendiebstähle zu verhindern. Die Kirche war ein Versammlungs- und Begegnungsort, hier konnten Lärm und Streit ausbrechen, entweiht war der Raum erst, wenn Blut floß. Die Macht der Gemeinde endete in Stadt und Land an der Kirchentür, aber sie erstreckte sich noch auf den zur Kirche gehörenden Friedhof. Stadträte und Bauermeister kümmerten sich um dessen Würde, sorgten (auch in der Stadt) dafür, daß keine Schweine, keine Hühner hier herumliefen, daß nie¬ mand „unfledicheit“ einfach auf dem Friedhof ausgoß und daß Gärtner und Kleinkrämer ihre Waren nicht auf dem geweihten Platz feilhielten. Die Begegnung von Kirche und Gemeinde ist in der Stadt facettenreicher als auf dem Land. Die Entwicklung zur Urbanität war für die Kirche die eigentliche (letztlich nicht bestandene) Herausforderung. (Schließlich war die Reformation primär eine städtische Erscheinung.) Kirchspiel und Pfarrei warfen für die bäuerliche Gemeinde weniger Fragen auf. Die adlige Struktur der Kirche wurde in den ländlichen Herrschaftswelten nicht in gleichem Maße als Problem gesehen wie in der Stadt. Diese forderte von der Kirche die Einstellung auf neue rechtliche und soziale Faktoren, forderte damit zwar nicht Anpassungsfähigkeit, aber Flexibilität. Mit der Ausbreitung der Bettelorden war diese Flexibilität zunächst bewie¬ sen worden. Der monastische Gedanke wanderte aus ländlicher Einsamkeit in die belebte Stadt, veränderte sich in seiner Verwirklichung. Nicht die „stabilitas loci“, sondern die der Urbanität wesenseigene Mobilität wurde vom Bettelmönch gefordert. Nicht den Reichen wendeten sich die neuen Orden zu, sondern den Armen. In deren Wohngebieten, am Stadtrand, lagen die meisten Mendikantenklöster. Nachdem sich innerhalb weniger Generationen die Bettelorden ausgebreitet hatten und in Deutschland die meisten Grün¬ dungen bis zum Jahre D00 bereits vollzogen waren, erwies sich auch bei ihnen ein Grundsatz aller neugegründeten Orden: Sie entfalteten ihre größte Wirksamkeit, sie erlangten ihre größte Bedeutung in der Aufbauphase. Die Stagnation, das Entstehen innerer Probleme, wie es für die Konsolidierungs¬ phase von monastischen Gemeinschaften charakteristisch ist, machte auch vor den Bettelorden nicht Halt. Im Franziskanerorden war der Streit um die rechte Armut nie zur Ruhe ge¬ kommen. Vergeblich hatte 1296 die päpstliche Bulle >Exiit qui seminat< Frie¬ den stiften wollen, vergeblich selbst das Konzil von Vienne den Armutsstreit zu schlichten versucht. Zu Zeiten eines Johannes XXII. und Ludwigs des Bayern hatte der Streit den Orden gespalten, seine intellektuelle Elite Zu¬ flucht am Hofe des Vüttelsbachers suchen lassen, und im 15. Jahrhundert schließlich versuchte die Observantenbewegung, das Armutsideal in seiner Strenge wieder im Orden durchzusetzen. Diese Stichworte aus der inneren Ordensgeschichte mögen genügen, um den Hintergrund für die Frage auszu-

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leuchten, welche wirtschaftlichen und sozialen Probleme der Welt hier in den Orden hineingetragen wurden. Die Mendikanten mußten schon wegen des Bedürfnisses der Laien zur Übernahme des liturgischen Gedächtnisses bereit sein. Deswegen hob seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts eine Welle entsprechender Stiftungen an, und vor allem im 15. Jahrhundert erregte es bei strengen Gemütern An¬ stoß, daß die Franziskaner für liturgische Verpflichtungen feste Einkünfte erzielen. Grund und Boden, die von frommen Laien gestiftet worden waren, liehen die Bettelmönche gegen Zins aus. Weiterhin gingen sie dazu über, Kredite be¬ reitzustellen, die, wie für Basel gezeigt werden konnte, vor allem von der Mittelschicht aufgenommen wurden. Etwa mit der Mitte des 14. Jahrhun¬ derts wird dabei auch der Schaffner, der als Mittelsmann den Widerspruch zwischen monastischem Auftrag und weltlichen Interessen ausgleichen sollte, entbehrlich; die Franziskaner nehmen direkt die Güter- und Wirtschaftsverwaltung wahr. Im Vertrauen auf Spenden- und Seelsorgeeinnahmen nehmen sie ihrerseits den städtischen Kreditmarkt in Anspruch. Zugleich wandelten sich die Franziskanerkonvente in ihrer inneren Struk¬ tur; sie werden regionalisiert, verstädtern, was die Herkunft der Mönche an¬ geht. Um 1300 konnte ein süddeutscher Franziskaner dem Erfurter Konvent angehören und nach einiger Zeit in Paris lehren. Adelige und Angehörige des Patriziats hatten sich keineswegs selten dem Orden angeschlossen. 100 Jahre später aber entstammen die Mönche eines typischen Franziskanerklosters der oberen städtischen Mittelschicht. Die Spannweite der sozialen Herkunft ist verkürzt, und zugleich ging auch die große Mobilität, der personelle Aus¬ tausch zwischen den Konventen über große Entfernungen hinweg, verloren. Es könnte sein, daß hinter diesen Wandlungen Folgen der Pest stehen, denn die Franziskaner hatten sich opferbereit der Erkrankten angenommen und waren in überproportionalem Maße selbst Opfer der Seuche geworden. Krisen und - noch schlimmer - Erstarrungen der Mendikanten waren weit mehr als ein monastisches Problem, von denen es so viele gab. Daß die Kar¬ täuser als einziger Orden über die Zeiten hinweg keiner Reform bedurften, ist ein bewundernswertes und nicht zuletzt für die Frage menschlicher Ge¬ meinschaftsbildung lehrreiches Faktum — für den Ablauf der Geschichte be¬ deutet es wenig. Der Verlust an Ansehen in der Welt bei den durch innere Pro¬ bleme belasteten Mendikanten aber war folgenreich: Die Antwort der Kirche auf die Stadt, die in so starkem Maße die Zukunft gestalten sollte, war weni¬ ger überzeugend. Stadt und Kirche: Das Pfarreinetz war bis zum Hochmittelalter geknüpft worden; es folgte einer weitgehend agrarisch geprägten Siedlungsstruktur, trug noch nicht der sich entwickelnden Urbanität Rechnung. Bereits um 1300 jedoch lag dann die städtische Pfarreiorganisation fest - zeitlich auffallend

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mit der Ausbildung der Ratsverfassung korrespondierend; sie wird sich mit dem Wachsen der Städte nicht mehr verändern. Der Pfarrer war nicht in erster Linie Seelsorger, sondern „rector ecclesiae“, eine Bezeichnung, die im städtischen Raum das hergebrachte „plebanus“ ver¬ drängte. Ein solcher Geistlicher war ein „kerkhere“, angesehen und einflu߬ reich, nicht zuletzt auch vermögend, weil eine städtische Pfarrkirche eine stiftungsreiche Pfründe war. Hier stand er gewissermaßen als Chef einem größeren Betriebe vor, hatte die Kapläne, Vikare und Kommendisten, die Schar aller Geistlichen zu beaufsichtigen, die an den verschiedenen Altären ihren Dienst taten. Etwa 100 solcher niederen Geistlichen amtierten in St. Johannis zu Lüneburg; insgesamt wurden in der reichen Salinenstadt 376 Vikariate, versehen von 232 Klerikern, im Jahre 1534 gezählt. Reichtum der Kirche zeigte sich nicht allein im unmittelbaren Grundbe¬ sitz, in den Gebäuden städtischer Konvente, in den Klosterhöfen auswärtiger Abteien, die über diese Höfe Ein- und Verkauf abwickelten, in den Stiftsher¬ renkurien usw.; Reichtum der Kirche zeigte sich auch in städtischen Hypo¬ thekenbüchern. Fast ein Viertel aller Häuser in Hannover war zugunsten kirchlicher Institutionen hypothekarisch belastet. Daß Geistliche sich auf dem städtischen Kapitalmarkt engagierten, nimmt nicht wunder - waren sie doch fast die einzigen - neben den „Müßiggän¬ gern“, den Rentenbeziehern der Oberschicht -, die ein nahezu regelmäßiges Einkommen hatten. Das warf keine Probleme auf. Kirchliche Institutionen wurden als Darlehensgeber gesucht. Probleme zuhauf hingegen schuf der große städtische Grundbesitz der Kirche. Eine durchgängige Linie spätmit¬ telalterlicher Ratspolitik lag in dem Versuch, einen weiteren Besitzerwerb durch die „tote Hand“ zu unterbinden. Der reiche und der arme Laie waren sich in dieser Politik einig. Wenn auch aus verschiedenen Gründen bedeutete für sie die Freiheit des Kirchengutes eine Belastung. Die Geistlichen genossen den Schutz der Stadt, genossen die urbane Rechtssicherheit, aber sie bezahl¬ ten von ihren Gütern keine Steuern und teilten nicht die zeitaufwendigen und teilweise anstrengenden Bürgerpflichten des Wachdienstes und des Gemein¬ werkes (wofür sie wie die Patrizier auch Stellvertreter hätten dingen können). Hoch und Niedrig wollten, daß die Geistlichen „mitleiden“, das Leid der Bürgerpflichten mittragen. „De papen sollen schoten“, sollten die Steuer, den Schoß zahlen, hieß es nicht nur in Hildesheim. Der Kampf um die Steuerpflicht geistlichen Besitzes gehörte zum prinzi¬ piellen Konflikt zwischen einer Bürgergemeinde mit ihrem Gleichheitsan¬ spruch von Rechten und Pflichten und einer Kirche mit ihren Privilegien und geistlichen Freiheiten. Das bedeutete Rechtskonkurrenz, indem fast 10% der Bevölkerung der Gerichtsbarkeit des Rates entzogen und den städtischen Sta¬ tuten nicht unterworfen waren, das bedeutete wirtschaftliche Konkurrenz. Selbst die kleine Gemeinschaft im Hildesheimer Lüchtenhofe, die, geprägt

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von der devotio moderna, dem gemeinen Mann viel näher stand als der reich bepfründete Geistliche, konnte trotz ihrer schlichten Lebensform nicht die Sympathie der kleinen Leute gewinnen. Sogar die Schuhe, die diese geistliche Gemeinschaft herstellte, erregten Konkurrenzangst und Gewalttätigkeit der Laien. Im Bemühen, die kirchlichen Freiheiten einzuschränken, argumentierten die Stadträte mit Urkunden, mit Besitzverzeichnissen, wie etwa 1412 in Braunschweig mit einem „goddeshuseregister“. Die Kirche hat ihr Schriftmo¬ nopol verloren. Das Prinzip, das sie in einer analphabetischen Gesellschaft oft genug als Waffe hatte benutzen können, richtete sich nun gegen sie. Die¬ ser Gedanke zwingt aber zur Vorsicht bei der Quellenauswertung. Überliefe¬ rungsträchtig, Archivalien zeugend, war die Auseinandersetzung um Art und Begrenzung kirchlicher Freiheiten geführt worden. Dieser Aspekt der Begeg¬ nung von Laien und Geistlichen ist deshalb in den kommunalen Archiven überrepräsentiert. Der Historiker sollte von der Überlieferungsmasse allein nicht auf historische Proportionen schließen. Am Vorabend der Reformation war weitgehend ein modus vivendi zwischen Ratsherrschaft und kirchlicher Freiheit gefunden worden. Konsens oder Kompromiß hatten den prinzipiel¬ len Widerspruch gekittet. Eine Ursache für die Verbreitung der Reformation in den Städten ist in diesen Streitigkeiten nicht zu suchen. Zu häufig standen die Stadträte, die diesen Kampf geführt hatten, der Reformation fremd gegen¬ über, waren einer Bewegung feindlich gesonnen, welche die frommen Stiftun¬ gen ihrer Vorfahren ablehnte. Trotz einiger Übereinstimmungen zwischen ländlicher und städtischer Gemeindebildung im Verhältnis zur Pfarrkirche, überwiegen doch die Unter¬ schiede. Die Urbanität veränderte die Begegnung von Pfaffen und Laien. Über die institutioneilen Gegensätze hinweg war die Kirche personell mit der städtischen Oberschicht auf das engste verflochten. Auch wo der Rat nicht über das Patronatsrecht den Pfarrer einsetzen konnte, bildete doch die Schar der Altaristen, der Frühmesser, der Benefiziaten einen Teil der Klientel führender Geschlechter, wenn sie nicht unmittelbar in Diensten des Rates standen. Die Klöster, vor allem die Frauenklöster, waren vielfach Versor¬ gungsanstalten für Angehörige des Patriziats. Einer solchen Verflechtung verweigerten sich nur jene alten Stifte innerhalb der Stadtmauern, die ihre adelskirchliche Struktur bewahrten und mit ummauerten Immunitäten auch topographisch einen Fremdkörper in der Kommune bildeten. An diesen adelskirchlichen Fremdkörpern lag es vor allem, daß die Kirche in der Stadt, die ein Ballungsraum sozialer Konflikte war, keinen Frieden stif¬ ten konnte, vielmehr ihre eigenen Interessen konfliktvermehrend einbrachte. Der Braunschweiger „Papenkrich“ (1413-1420), der Lüneburger Prälaten¬ krieg (1454-1456), die Rostocker Domfehde (1487-1491) sind nur einige Fälle aus einer Fülle von Beispielen. Die Geschichte der Bischofsstadt Würzburg

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durchzieht seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts bis zur Niederlage der Stadt im Jahre 1400 (endgültig erst nach dem Bauernkrieg besiegelt) eine Kette von Aufständen, von gewalttätigen sozialen Konflikten, von Plünde¬ rungen der Dom- und Stiftsherrenhöfe. Die Pfarrei in der spätmittelalterlichen Stadt integrierte nicht. Die Ober¬ schicht war ihr durch Eigeninteresse, durch Stiftungen von Altar- und Me߬ pfründen besonders verbunden, deren Patronat bei den Stiften und ihren Nachkommen verblieb. Die mit kleinen Pfründen bewidmeten Geistlichen waren meist der Stifter¬ familie stärker verpflichtet als ihrem Pfarrer. Ebenso wird der Rat städtischen Schreibern und Notaren jene Pfründen, über die er das Patronat wahrnimmt, als Teil der Besoldung, Pfarrkirche und städtische Verwaltung verklammernd, verleihen. Ein Stadtbewohner, der die Messe hört, konnte wissen, woher die Gebühren für den singenden Kleriker stammten, welches Haus dafür hypo¬ thekarisch belastet war, welches Grundstück zu dieser Meßpfründe gehörte; die Vielzahl der Altäre wies über deren Dotierung in die Welt, insbesondere in die Stadt hinaus. Selbst der Kirchenraum schafft keine Gleichheit der hier Versammelten. Wie sich in den Altären das Repräsentationsbedürfnis der Welt fortsetzt, so auch im Kirchengestühl. Nur die Vornehmen sitzen. Sie haben eigene Kir¬ chenstühle, die oft kunstvoll geschnitzt sind. Das Volk steht hinter einem Ge¬ länder, auch hier Rangordnung beachtend. In der hintersten Ecke verfolgen der Frauenwirt und seine Dirnen die Messe. Der Pfarrer im Dorfe konnte über die bäuerlichen Kirchenpfleger ebenso Klage führen wie sein Amtsbruder in der Stadt. Hier war der mächtigen Oberschicht Respekt zu zollen. Die Kehrseite reicher Dotierung: Die städti¬ sche Pfarrei war weniger Instanz der Seelsorge als „Kirchenfabrik“, ein mit Privilegien gesicherter Wirtschaftskörper. Aus der politischen Führungs¬ schicht kamen die Kirchenpfleger, die „Oldermänner“, wie sie in Nord¬ deutschland hießen, die „provisores“ der lateinischen Quellen. Sie kontrol¬ lierten die Verwaltung des Kirchenguts und legten dem Rat Rechenschaft ab, sie nahmen das Patronatsrecht über Meßpfründen wahr und sorgten - eine wichtige, nur von angesehenen Männern durchzusetzende Funktion - für die Vergabe der Kirchenstühle nach Rang und Namen. Das alles geschah unter Verantwortung des Rates. Dieser galt deswegen in norddeutschen Städten als „oberster Oldermann“, er hatte faktisch, ohne ein direktes Kirchenregiment zu beanspruchen, erheblichen Einfluß auf die Pfarrkirche. Ein Bürger wurde selbst in der Kirche mit der Gegenwart des Rates kon¬ frontiert. Er sah in Hildesheim mitten in der Pfarrkirche eine 65 Pfd. schwere Kerze und vor dem „hilgen sacramente“ eine weitere, noch wuchtigere, 91 Pfd. schwer, beide vom Rat gestiftet. Der gemeine Mann suchte nicht nur in der liturgisch von der Oberschicht

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so stark geprägten Pfarrkirche, sondern auch auf Prozessionen und Wallfahr¬ ten das Heil. Dahinter verbirgt sich beginnende Eigenständigkeit, Wahl der Gnadenmittel nach eigener Einschätzung. Es war keine „grex audiens et oboediens“ mehr, die der Messe beiwohnte. In der spätmittelalterlichen Epo¬ che verlor die Kirche auch die Autorität über einen Bereich, der ursprünglich als Ausdruck christlicher Caritas zu ihren ureigensten Aufgaben gehört hatte: Die Fürsorge für die Armen. Mitte des 15. Jahrhunderts strömten in Göttingen über 1500 arme Leute zusammen, um in der Johanniskirche zu Laetare das Almosen zu empfangen: eine fromme Stiftung, die von der Kirche verwaltet wurde. Das entsprach alter Tradition. Die Kirche galt noch im hohen Mittelalter als die einzige In¬ stitution, welche die ewige Dauer einer Stiftung gewährleisten konnte. Doch im Spätmittelalter mehren sich die Fälle, daß nicht mehr einer Kirche, son¬ dern dem Rat ein Vermächtnis gemacht wird, von dessen Zinsen oder Erträgen das Almosen gespendet werden sollte. Inhaltlich veränderten sich solche Stif¬ tungen nicht. Ihr Zweck war das Seelenheil des Stifters und nur das Mittel dazu die soziale Not des armen Menschen, dem geholfen werden sollte. Auch die Stadträte haben die frommen Werke nicht so rationalisiert, daß sie eine Antwort auf soziale Not wurden; das sollte erst in der Reformationszeit mit den Gemeinen Kästen (letztlich ergebnislos) versucht werden. Entscheidend aber ist, daß nicht mehr die Kirche, sondern der Rat als Garant von überzeit¬ lichen frommen Werken erschien; das lag nicht zuletzt daran, daß zu Recht beklagt werden konnte, unter kirchlicher Verwaltung seien so viele Memorien und Stiftungen „verwüstet“. Der Einfluß des Rates auf ursprünglich kirchliche Belange wird am deut¬ lichsten in der Entwicklung zum Heilig-Geist-Spital. Das „kommunalisierte Spital“ (Reicke) war in deutschen Mittel- und Großstädten der Regelfall. Die Frage, ob es eine spezifisch „städtische Religiosität“ gibt, ist unbeant¬ wortbar, soweit sie auf die tiefsten Schichten individuellen Bewußtseins zielt, und unbeantwortbar selbst in der darüberliegenden Schicht menschlichen Verhaltens etwa in der schlichten Form, ob den Stadtbewohnern die Glau¬ benswahrheiten anders als den Bauern bewußt geworden sind. (Behauptun¬ gen, eine „bürgerliche“ Frömmigkeit mit einem angeblich rechenhaften Sinn für die Jenseitsfürsorge habe existiert, sind Assoziationen zu vorgefaßten Meinungen, die unabhängig von der historischen Forschung gefunden wur¬ den.) Allein von den außerindividuellen Ordnungen in Kirche und Welt her kann gewissermaßen der „Frömmigkeitsrahmen“ dieser Religiosität be¬ stimmt werden. Die Besonderheit der Stadt, die räumliche Konzentration von Kräften, zeigt sich auch in dieser Frage. Größer und vielfältiger als auf dem Land ist das religiöse Angebot, angefangen von dem Reliquienschatz in mehreren Kirchen und Kapellen und endend bei einer Vielzahl von Messen. Zugleich strahlt dieses religiöse Angebot wie auch das der Waren und Pro-

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dukte auf das Land aus. Z. B. sind die Bettelorden die kommunale Variante des monastischen Gedankens, aber der terminierende, der bettelnde Mendi¬ kant ist ebenso auf dem Lande eine vertraute Erscheinung. Die Vielgestaltigkeit der städtischen Sakralkultur ist nicht nur quantitativ vom Land unterschieden, sondern auch qualitativ in der Zuordnung zum Ge¬ meindeverband. Das religiöse Leben ist in der Stadt nicht sozial integrativ für den gesamten Bürgerverband geworden wie in der dörflichen Gemeinde mit ihrer Pfarrkirche. Ganz abgesehen davon, daß die städtischen Pfarrechte stär¬ ker durchbrochen waren als gemeinhin die dörflichen, so war die Frömmig¬ keitsübung in den Städten viel stärker korporativ gebunden als auf dem Lande mit seiner geringeren sozialen Differenzierung. Deshalb werden an den Prozessionen die Menschen nicht als gleichberechtigte Bürger, sondern als Mitglieder ihrer Gilden und Ämter in hierarchischer Staffelung teilnehmen. Die korporative Religiosität in der Stadt zeigt sich am frühesten bei der Oberschicht; eigene Ratskapellen begegnen schon seit Ende des 13. Jahrhun¬ derts, ausgestattet mit einem kostbaren Schatz an Altardecken, Kirchenge¬ wändern und Gemälden. Soviel Geld haben die Bruderschaften, die Zünfte und Gilden im allgemeinen nicht, aber sie kennen ebenfalls bestimmte Kapellen und Altäre, wo sie zu gemeinsamer Andacht Zusammenkommen. Auch kleine Leute haben ein Bedürfnis nach korporativer Religiosität, entsprechend gering im materiellen Umfang ist deren kirchliche Gestalt. Die Bruderschaft Braunschweiger Gärtner erlangt 1440 gegen die alljährliche Abgabe einiger Scheffel Rüben die Fürbitte der Minoriten. In Goslar hatte die Bruderschaft der Eseltreiber 1516 zwei wöchentliche Messen im Franziskanerkloster gestiftet. Die korporative Religiosität scheint Jacob Burckhardts langwirkenden Irr¬ tum zu bestätigen, der Mensch des Mittelalters hätte sich nicht als Indivi¬ duum, sondern nur als Mitglied von Gemeinschaften, wie z. B. den Zünften, erkannt. (Nebenbei: Wer sich auch ökonomisch im Mittelalter Individualis¬ mus leisten kann, stiftet bisweilen Altäre für recht ausgefallene Heilige.) Nicht im Sinne Burckhardts wurde der Begriff korporative Religiosität ge¬ wählt (denn der Frömmigkeitsrahmen sagt nichts über individuelles Empfin¬ den aus), sondern im Sinne des Genossenschaftsgedankens, der religiöse und weltliche Mitverantwortung füreinander nicht trennen kann.

4. Die Laien und die Kirche: Die Frage nach Lehrautorität und Gnadenschatz Pfarrerbildung - Armenbibeln - Pfaffenfeindschaft - Ketzerei - Kirchen- und Rom¬ kritik - die Bibel in Laienhand.

Seit der Aufklärung hält sich hartnäckig die Ansicht, daß die mittelalter¬ liche Kirche die Gedanken der Menschen unterdrückt habe. Das Bild des eifernden Hauptpastors oder das einer überwachenden kirchlichen Sitten-

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behörde ihrer Zeit glaubten Aufklärer im Mittelalter wiederzufinden, wo die Lehrautorität der Kirche nicht in Zweifel gezogen wurde. Jedoch, um diese Autorität in einem Maße zu verwirklichen, das dem seit der Aufklärung ge¬ fällten Verdikt entsprach, fehlte der Kirche all das, was erst in der frühen Neuzeit selbstverständlich wurde: vertikale, hierarchisierte Kommunikation, kluge und nicht nur vornehme Bischöfe, Bücher zur Verbreitung und Bewah¬ rung der festgelegten Dogmen. Vor allem: Noch der spätmittelalterliche Pfar¬ rer war zu ungebildet, um das Denken der Menschen - selbst wenn diese es zugelassen hätten - zu beherrschen. Während die kanonischen Vorschriften über Verwaltung und Nutzung von Kirchengut bis ins Detail gingen, fehlte jede verbindliche Regelung über die Ausbildung eines Geistlichen. Entscheidend war die Weihe. Das sollte sich erst mit dem konfessionellen Zeitalter als Folge des reformatorischen Auf¬ bruchs ändern. Verblüffende Zeugnisse über mangelnde Bildung von Geistlichen, die kaum lesen und schreiben konnten, die gerade eben in der Lage waren, eine Messe zu feiern, gibt es für das ganze Mittelalter. Sie liegen in solcher Zahl vor, daß sie eher auf die Regel als auf die Ausnahme weisen. Laikaler Spott über das ungebildete Pfäfflein bildet ein beliebtes Schwankmotiv. Die Laien wußten aber auch, daß Bildung teuer war. Der ungebildete Pfaffe ist ein armer Kleriker. Bücher konnte er sich nicht leisten. Es scheint so, als hätte sich der Bildungsstand des Klerus im 15. Jahrhun¬ dert gehoben. Dies bedeutete aber keine theologische Ausbildung, sondern: etwas Philosophie in Gestalt der mittelalterlichen Scholastik, etwas klassi¬ sche Literatur, gründliche Kenntnis des universalkirchlichen Esperanto, des Lateinischen, kurz das Lehrprogramm, das die Lateinschule in den Städten, die artistischen, die unteren Fakultäten an den Universitäten boten. Im 15. Jahrhundert gewinnt eine Literaturgattung an weiter Verbreitung, die auf das Problem des armen und deswegen ungebildeten Pfäffleins zurück¬ weist: In der Technik des seit dem 15. Jahrhundert bezeugten Blockbuches wird die >Biblia pauperum< hergestellt, in der die Heilsgeschichte verkürzt, auf Holzschnitte konzentriert, mit mechanischer Methode vervielfältigt, dar¬ gestellt wird. Diese „Armenbibeln“ sind nicht für die sozial Schwachen, son¬ dern für die armen Kleriker bestimmt. Sie waren neben einem Meßbuch der einzige Autoritätsnachweis eines dürftig ausgebildeten Dorfpfarrers, den an¬ sonsten die Autorität der Kirche nicht deckte und schützte - der Bischof war allzu weit weg vom dörflichen Alltag. Kleriker und Laien: Das ist nicht auf starre Formeln zu bringen; die vielfäl¬ tigen Erscheinungsformen von Kirche stehen dem ebenso entgegen wie un¬ terschiedlich ausgeprägte Kulturlandschaften und nicht zuletzt MentalitätsWandlungen über die Zeiten hinweg. Es ist ein weiter Weg vom „Geistlichen Baumgarten“ des Franziskaners David von Augsburg (t 1271), der am An-

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fang einer durch die Minoriten intensiv geförderten volkssprachlichen Unter¬ weisung der Laien steht, bis zum Meistersinger Linhart Nunnenbeck, der um 1500 in der Lage ist, so schwierige Themen wie Trinität und Eucharistie dog¬ matisch exakt in Liedern zu gestalten. Kirche und Laien: Statt (vordergründig) einfacher Entwicklungslinien geht es vielmehr um die Vielfalt geistiger Profile. Die Geistesgeschichte des Spät¬ mittelalters ist nicht mehr ausschließlich von einer sich verändernden Kirche bestimmt, aber sie ist ohne „ecclesia“ nicht denkbar. Selbst der wütendste Pfaffenfeind denkt doch immer noch Kirche mit. Kirche und Laien: Wenn das Thema aus dem langen Schatten der Reformation herausgenommen wird, eröffnet es einen entscheidenden Zugang zu den geistigen Voraussetzungen des deutschen Spätmittelalters. Schon erste Andeutungen lassen daran zweifeln, ob, wie häufig behauptet oder stillschweigend unterstellt, eine Emanzipation der Laien aus kirchlicher Gebundenheit im Spätmittelalter stattgefunden hat. Diese Zweifel seien an Erscheinungen überprüft, die häufig als Beleg für die Laisierung der Welt her¬ angezogen wurden, an der verbreiteten Pfaffenfeindschaft und der seit dem Hochmittelalter fast schon topisch gewordenen Romkritik. Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert wird in Deutschland von der Wie¬ derkehr Friedrichs II. geraunt: Der wiedererstandene Weltkaiser wird Kirche und Welt umfassend reformieren; und dann, so sagt es die Weissagung für das Jahr 1401, „wirt aufhören die eytel ere der pfaffen“. Von Johann von Winter¬ thur über die Reformatio Sigismundi, die 1476 gedruckt wurde, bis hin zur >Prognosticatio< des Johannes Lichtenberger wurde die Furcht der Geistlichen ausgemalt, wenn dieser erhoffte Kaiser seine Herrschaft begänne. Die Mön¬ che würden ihre Tonsur mit Kuhmist Zudecken, um nicht erkannt zu werden; „etliche Priester werden nicht sehen lassen ihre Platten“. Luther hatte in sei¬ ner Vorrede zu Lichtenbergers Weissagungen angemerkt, sie hätten „eine fast gemeine rede“ hervorgebracht, „es würde einmal über die Pfaffen gehen und darnach widder gut werden“. In den Städten mit ihrer größeren Öffentlichkeit ist die Kritik am Lebens¬ wandel der Geistlichen fast allgemein, und das Land ist nicht kirchenfröm¬ mer. Deswegen zieht der Zürcher Kanoniker Felix Hemmerhn über die Bau¬ ern her, die „nach ihrer gewohnten Tollheit“ in den Wirtshäusern die Geist¬ lichen wegen ihrer Unkeuschheit schmähen; und etwa zur gleichen Zeit, zur Mitte des 15. Jahrhunderts, weiß die sogenannte Klingenberger Chronik von dem alten Haß, den Bauern und Pfaffen gegeneinander hegten. Der Geist¬ liche erschien als Obrigkeit, so daß eine Predigtparodie schimpfen sollte, die Bauern hätten den gleichen großen Haß gegen den Priester wie gegen ihren adligen Herrn. Schimpfen, leidenschaftliche Kritik und spannungslösender, gleichwohl gepfefferter Scherz liegen im Mittelalter nah beisammen. Zur Kirchenkritik

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gehört auch der keineswegs im Sinne humongen Gemüts weit verbreitete Schwank, der, vielleicht durch einen fahrenden Geistlichen lanciert, von einem schlichten Bauern berichtet, wie er einem in prächtiger Herrschafts¬ kleidung einherreitenden Bischof begegnet. Auf die Erklärung des Bischofs, der Bauer möge verstehen, daß er nur als Fürst, nicht aber als Seelenhirte so prächtig ausstaffiert sei, antwortete der einfache Mensch, ob dann im Jüng¬ sten Gericht der Fürst in die Hölle, der Bischof in den Himmel fahren könne. Hier ist die Doppelnatur des Bischofsamtes, wie es die Reichskirche in der Trennung von Hochstift und Diözese hervorgebracht hat, angesprochen. Zu¬ gleich aber hören die Menschen vereinfacht das, was Wiclif gelehrt hatte, aus der einleitenden Frage des Bauern heraus. Die wahre Kirche ist nicht die sichtbare, in Reichtum prangende Institution, sondern die unsichtbare Ge¬ meinschaft der Gläubigen. Der Kritik und der Pfaffenfeindschaft konnte die Kirche nicht mit ihrer Amtsautorität begegnen; denn diese war, anders als in der Neuzeit nicht in¬ strumental, institutionell abgesichert. Zwischen Gedankenlosigkeit und grobschlächtiger Vereinfachung schwankt die Ansicht vom Druckmittel des Ketzerprozesses. Eine kritische Einstellung zur Kirche macht noch keinen Ketzer und ebensowenig die immer wieder geraunten Sagen von einer gewalt¬ tätigen Reformation des Klerus durch den Weltendkaiser. Der Ketzerprozeß war vor allem ein Berufsrisiko des Theologen, war gehässigstes Mittel in wis¬ senschaftlicher Diskussion. Selten nur wurde ein solch aufwendiges Verfah¬ ren gegen einfache Menschen angewandt. Daß Deutschland kein Land der Ketzer war, lag einmal an dem vergleichsweise geringen Bildungsstand - denn ein Mindestmaß von Intellektualität und Bildung war, wie man im Mittelalter durchaus wußte, Voraussetzung, um überhaupt Ketzer werden zu können -, lag zum anderen daran, daß die Instrumentarien eines Ketzerprozesses viel zu schwerfällig und die Gelehrten, die dieses Instrumentarium beherrschten, viel zu selten waren, um die Masse des Volkes einschüchtern zu können. Geistliche aller Ränge wettern gegen die deutschen Lollarden, die Begharden, stellen sie als getarnte Ketzer hin, nähren schlimme Verdächtigungen und er¬ reichen doch nichts. Die Polemik gegen die „Waldbrüder“ bleibt im 15. Jahr¬ hundert ebenso erfolglos wie im 14. Jahrhundert das Verbot der Beginen durch das Konzil von Vienne. Mit der ansteigenden Bildung im 15. Jahrhundert, mit intensivierter Kom¬ munikation und nicht zuletzt mit dem Aufkommen neuer Vervielfältigungs¬ möglichkeiten, Holzschnitt und Buchdruck, wurde das Problem der Häresie für die Kirche aber auch in Deutschland gefährlicher. Die Weissagung begann sich jetzt mit der Astrologie zu verbünden und erhielt dadurch „zu ihrem religiösen Nimbus noch den Schein der Wissenschaftlichkeit (von Bezold). Die alte Prophetie von der Züchtigung des entarteten Klerus wurde jetzt als Folge der Konjunktion von Gestirnen in naher Zukunft vorhergesagt. In

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Amberg konnte 1439 gepredigt werden, unter der bevorstehenden Herrschaft des Planeten Luna hebe ein Zeitalter großer Veränderungen und des „furcht¬ baren“ pfaffenfeindlichen Kaisers an. Mit der Wendung des Buchdrucks von der gelehrten zur volkstümlichen Information etwa um 1500 wurden die wich¬ tigsten Prophezeiungen, in astrologisches Gewand gekleidet, veröffentlicht. In volkstümlicher Sprache und für die Analphabeten mit derben Illustrationen versehen, erscheinen diese Schriften. Im >Spiegel< des Joseph Grünbeck (1508) ist die Verfolgung und Tötung des Klerus dargestellt; ein anderes Bild zeigt sogar einen Bauern, der die Messe zelebriert, während Pfarrer und Mönch sich am Pflug abmühen. Das sind die unmittelbaren Folgen der Ver¬ bindung von Astrologie und Prophetie, die es einen Joseph Grünbeck für gewiß halten lassen, daß die Zeit kommen werde, in der einfachste Menschen ohne Scheu ihre Schuhe an der höchsten Zier der geistlichen und weltlichen Gewalten putzen. Jedoch: Das sind keine Zeugnisse einer „Subkultur“, son¬ dern Teil einer von aufgeschlossenen Geistlichen mitgetragenen Reformdis¬ kussion. Kein laikales Selbstbewußtsein prägt solche Visionen, sondern ein leidenschaftliches, oft genug verzweifeltes Bedürfnis nach Besserung der kirchlichen Zustände. Niemand wollte ohne die Kirche der Väter leben, er wollte keine andere, er wollte nur eine besser ihrer Verantwortung lebende Kirche. Alle Zeugnisse der Pfaffenfeindschaft, der Kritik am unwürdigen Geist¬ lichen können leicht mißverstanden werden; denn die Kirche hat sich seit der Reformation, unabhängig von der Konfession, stark gewandelt. Als eine mo¬ ralische Anstalt galt sie dem Spätmittelalter noch nicht. Die Laienkritik am unwürdigen Priester will nie die Kirche treffen; hinter ihr steht, vom Sozialneid abgesehen, Angst, ob die vom unwürdigen Priester gespendeten Sakramente auch gültig seien. Das hatte die Kirche zwar bejaht; keine Ketzerei erschien ihr gefährlicher als diese, die dem sittenlosen Kleriker die Berechtigung zur Sakramentenspende absprach, aber auch keine Ketzerei trat häufiger auf. Noch um 1500 macht sich der sogenannte Revolutionär vom Oberrhein zum Sprecher all derer, die von der Verunreinigung der Sakramente durch den sittenlosen Priester mit starken Worten reden. Mochte die Kirche auch den Geweihten decken, dem Laien mit seiner tiefen Sakramentsfrömmigkeit erschien als Widerspruch, zumindest als ängstigendes Ärgernis, das Aller¬ heiligste in den Händen eines Unwürdigen zu sehen. Unsere Ansicht, daß die Kritik am unwürdigen Geistlichen nicht in einem Verständnis von Kirche als moralischer Anstalt, sondern in der Angst um das Sakrament gründet, läßt sich nur durch ein argumentum e silentio stützen. Im Mittelpunkt populärer Pfaffenfeindschaft steht immer der Priester, der Seelsorger, der Bettelmönch. Was hingegen die adligen Domherren, was die Kapitulare auf ihren reichen Pfründen, was die adligen Ritter des Deutschen Ordens prassen, wird, wenn überhaupt, eher beiläufig notiert, wird hinge-

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nommen. Und gerade in den Städten hat man vom Lebenswandel dieser Her¬ ren genaue Kenntnis. Aber der Lebenswandel dieser Herren im geistlichen Gewand, die zumeist nur im Besitz der niederen Weihe waren, interessierte nicht; sie spendeten keine Sakramente. An geistlicher Zucht hatten die Laien ein großes Interesse, so sehr auch der sittenlose Geistliche eine vertraute Erscheinung war. Ein „reformiertes“ Klo¬ ster wird alsbald wieder mit Schenkungen bedacht, wie sich bei den Klaris¬ senklöstern, dem weiblichen Zweig der Franziskaner, nachweisen läßt, wäh¬ rend die nichtobservanten Konvente von den Laien keine Schenkungen und Stiftungen mehr erhalten. Die Laien sahen ihre Jahrzeiten und Memorien institutionell besser bei frommen Mönchen aufgehoben, und sie waren der Überzeugung, daß deren Fürbitte wirksamer sei. Das erklärt, warum bei allen Ordensreformen des 15. Jahrhunderts die Wiederkehr monastischer Disziplin eine Gesundung wirtschaftlicher Verhältnisse zur Folge hatte. Kirchenkritik und Pfaffenhaß sind Begleiterscheinungen einer aktiven, bis¬ weilen aufgeregten Volksfrömmigkeit, einer Passionsmystik, einer Zeit aber auch voller Reformhoffnungen. Das Gebet der Laien überschritt die Grenze zur Meditation, konnte individualisiert werden und kannte daneben ebenso auch die Formalisierung im Ave Maria, im Salve Regina und im Rosenkranz. Teil einer lebendigen Volksfrömmigkeit sind die zitierten Ketzereien. Sie füh¬ ren nicht in gerader Linie zur Reformation. Um 1500 wird die Institution Kir¬ che vielfach angezweifelt, werden Pfaffen gehaßt und verspottet, aber daran, daß die Kirche den Heilschatz wahrt, zweifelt niemand. Unserem Ergebnis, einer kritischen, aber keineswegs prinzipiell kir¬ chenfeindlichen Stimmung, scheinen die fast unübersehbaren zeitgenössi¬ schen Zeugnisse der Kritik am Papsttum zu widersprechen. Denn die Rom¬ kritik gehört zum Mittelalter. Aber wenn im späten Mittelalter Raffgier und Habsucht der Kurie in stärksten Ausdrücken gegeißelt werden, so sind das alte Topoi, denen eine ebenso ungewandelte Realität entspricht. Das alles berührt die Kirche weniger als gemeinhin angenommen wird. Die Autoritäts¬ frage ist eine andere als die ekklesiologische Frage. Wirklich gefährlich wurde für das Papsttum auch nicht die von den Fratizellen in Italien mit geringer Ausstrahlung nach Deutschland gehegte Erwartung eines Engelpapstes. In einer Welt, in der die Fabel von der Päpstin Johanna immer wieder, von städ¬ tischen Chronisten noch liebevoll ausgemalt, erzählt wird, sah man in der menschlichen Fehlbarkeit eines Papstes keinen Einwand gegen sein Amt. Im 15. Jahrhundert jedoch mischen sich neue Töne in die traditionelle Romkri¬ tik, zunächst von den gebildeten Geistlichen, sodann auch von den Laien ge¬ tragen. Und dieser Kritik, die sich an der Verweigerung des Papstes, Konzile einzuberufen, entzündet, lag tatsächlich ein großer Ansehensverlust zu¬ grunde. Mochten auch zu den Gnadenjahren in immer größerer Zahl Pilger nach Rom wallfahrten, so galt dieses fromme Werk den Gräbern der Apostel,

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nicht dem Nachfolger Petri. Das Papsttum erschien vor allem nach dem Ver¬ bot Pius II., an ein Konzil zu appellieren, nicht nur frommen Gelehrten wie Thomas Ebendorfer als reformunwillige Instanz. Sogar der gemeine Mann wußte um die Notwendigkeit der Kirchenreform. Ihn ängstigten die Weissa¬ gungen, er sah im Konzil und nicht im Papst die Hoffnung. Diesen Autori¬ tätsverlust des Papsttums hatte Ende des 15. Jahrhunderts Sebastian Brant in seinem Narrenschiff beklagt: „Sankt Peters Schifflein ist im Schwank / Ich sorg gar sehr den Untergang.“ Immerhin ist die Romkritik, ist die Kritik am Nachfolger Petri ein Indika¬ tor dafür, daß die Laien sich der Lehrautorität der Kirche entziehen, daß sie keine „grex audiens et oboediens“, keine gemeinsame Herde mehr sind. Zu vielgestaltig jedoch ist „Kirche“, als daß aus diesem Vorgang ein eigenständig laikales, ja sogar antikirchliches Bewußtsein gefolgert werden könnte. Jedoch - genau gilt es zu nuancieren - ist die allmähliche Ablösung von der kirch¬ lichen Lehrautorität mit der Aneignung kirchlicher Texte zu parallelisieren. Um 1400 ist der Besitz kirchlicher Erbauungsliteratur in Nürnberger Patri¬ zierkreisen keine Seltenheit mehr. Hundert Jahre später bezeugt der Meister¬ sang die religiöse Thematisierung laikaler Geistigkeit auch in der Mittel¬ schicht. (Weltliche Themen spielen vor Luther bei den Meistersingern eine untergeordnete Rolle.) Scholastische Sentenzensammlungen liefern den Meistern das theologische Rüstzeug. Lienhart Nunnenbek hat z. B. das „Defensorium“ des Franz von Retz in seinen Liedern über die unbefleckte Emp¬ fängnis Mariens benutzt. Der Meistersang aber ist nur das literarisch bedeut¬ samste Beispiel für die meist in schlichteren Formen verlaufende Aneignung geistlicher Texte in der (mit dem 15. Jahrhundert) langsam schriftgewohnten Mittelschicht: In Schlettstadt schreibt 1430 der Schuhmacher Jakob Leisten¬ macher den Traktat >Die minnende Seele< des Otto von Passau ab. Volkssprachliche religiöse Literatur bildet ein Hauptgeschäft des frühen Buchdrucks. Gedruckt wurden zumeist alte Texte, aber für die Laien, die sie lasen, waren sie neu. Die seit ca. 1480 aufgebaute Bibliothek der Basler Kar¬ tause zur Unterrichtung der Laien bestand aus solcher deutschsprachiger Li¬ teratur, in der sich die religiösen Interessen der Welt spiegeln. „Leben und Leiden Jesu und seiner Mutter sind das wichtigste heilsgeschichtliche Thema der in der Laienbibliothek versammelten Literatur“ (Honemann), das oft in Form von Gebet und Meditation behandelt wird. Dem entspricht, daß Bru¬ der Philips >Marienleben< mit etwa 100 Handschriften der am häufigsten überlieferte Verstext des deutschen Mittelalters überhaupt ist. Das große Be¬ dürfnis der Laien nach der Messe spiegelt sich in der Laienbibliothek darin wider, daß Bücher die damit zusammenhängenden sakramentalen und eucharistischen Geheimnisse den „Ungelehrten“ erschließen. Unsere Überlegungen haben von der schematisch isolierten Frage der Lai¬ sierung kirchlicher Lehraufgaben zu der übergeordneten Frage nach dem

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Zusammenhang von Laienbildung und Laienfrömmigkeit geführt. Dieser Zusammenhang läßt sich in seiner Verselbständigung gegenüber der Kirche am einfachsten an der Geschichte der spätmittelalterlichen Bibelübersetzung ablesen. Von einem Ketzer, von Wiclif, war der entscheidende Impuls ausge¬ gangen, die Heilige Schrift, die das Fundament jeder religiösen Meinung sei, auch den Laien zugänglich zu machen. Darauf insistierte Johannes Hus vor den Konstanzer Konzilsvätern. Die Kirche zögerte, aber sie konnte nicht ver¬ hindern, daß die Bibel in Laienhände geriet. Im 14. Jahrhundert begannen an die Stelle der älteren Bibeldichtungen Übersetzungen zu treten, wobei zunächst Plenarien angelegt wurden, Ver¬ deutschungen der Evangelien und Sonntagsepisteln. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wird dann die gewerbsmäßige Anfertigung von ver¬ deutschten Bibelhandschriften faßbar. Aus der Produktion der Schreiber¬ werkstatt des Diebold Lauber (f 1468) haben über 800 vollständige Bibel¬ handschriften die Zeit überdauert. Geistliche beklagten, daß mit der Verdeut¬ schung „das Kleinod der Geistlichkeit zum Spielzeug der Laien verkehrt“ würde. Doch es waren nur Wohlhabende, die sich Bibelübersetzungen leisten konnten. Selbst die Massenprodukte aus der Schreiberwerkstatt des Diebold Lauber mit ihrer kostbaren Gestaltung durch spezialisierte Rubrikatoren und Miniatoren waren auf vermögende Käufer berechnet. In großer Zahl besaß die Laienbibliothek der Basler Kartause deutsche Bibeln und selbstverständlich auch die gebräuchlichste spätmittelalterliche Bibelfassung, das Plenarium, das in den Perikopen fast den vollständigen Text der Evangelien bot. Diese Überlieferung spiegelt die stete Arbeit an der Ver¬ besserung des deutschen Textes und seiner Erschließung für die Laien (wofür nicht zuletzt auch Illustrationen dienen) wider. Der Tradition mittelalterlicher Bibelvorreden und -kommentare folgte noch Luther. Der Buchdruck setzte fort, was sich in der handschriftlichen Überlieferung abzeichnete. In keinem anderen Land sind so viele Bibeln in der Landesspra¬ che gedruckt worden wie in Deutschland, insgesamt 22 Gesamtausgaben zwischen 1466 und 1522. Dazu kommen noch mit viel weiterer Verbreitung die praktikableren und billigeren Teildrucke. Von den Plenarien sind 131 Aus¬ gaben bekannt, vom Psalter, den man den Frauen als Bibellektüre zuwies, 62 Gesamt- oder Teileditionen. (Die größere Verbreitung der Bibel in Deutsch¬ land erklärt sich daraus, daß in romanischen Ländern die Umgangssprache die Herkunft vom Latein nicht verleugnen konnte und hier die Forderung nach einer Übersetzung der Heiligen Schrift nie so laut erhoben worden war.) Den ersten deutschen Bibeldruck hatte 1466 der bischöfliche Notar Johann Mentelin in Straßburg herausgebracht, eine gewerbsmäßige Spekulation auf das Interesse vermögender Laien. Mentelins Ausgabe lag eine sklavisch am Latein klebende ältere Vorlage zugrunde. Erst spätere Übersetzungen öffne¬ ten sich stärker in Wortwahl und Syntax der Volkssprache. Führend bleibt bis

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zur Reformation Oberdeutschland mit 14 Bibeldrucken, denen nur 4 nieder¬ deutsche gegenüberstehen. Auch wenn die Auflagen kaum über jeweils 250 Stück hinausgingen, so veränderten sie doch das Frömmigkeitsprofil, stellten das Monopol der Geistlichkeit in Frage. Sebastian Brant seufzte: „All landt syndt yetz voll heyliger geschrifft.“ Es war seit dem ausgehenden 15. Jahr¬ hundert vorbereitet, daß in der Reformationszeit Johannes Eck einräumen mußte, nur mit Berufung auf Bibelstellen sei Luther zu überwinden, denn die ganze Welt habe das Bedürfnis, die Heilige Schrift zu hören. Übersetzung - das war Bild und Text. Auch das hatten die Handschriften bereits vorgegeben. Am berühmtesten sind die Bibelillustrationen von Anton Kobergers deutscher Bibelübersetzung von 1483 mit ihren 100 neuen, aus nie¬ derdeutschen Drucken übernommenen Holzschnitten. Die Verbindung von Text und Illustration weist einmal auf die Multiplikatorfunktion einer Bibel¬ übersetzung in der noch wenig schriftgewohnten Gesellschaft und läßt zum zweiten erkennen, was Übersetzung der Bibel eigentlich bedeutet. Es geht nicht nur um eine sprachliche Transferierung, sondern im ursprünglichen Sinne um eine Über-Setzung aus geistlichem Besitz in Laienhand.

5. Selbstbewußter Glauben: Spätmittelalterliche Volksfrömmigkeit Die Volksreligiosität in der Kirche - Passionsfrömmigkeit als Versicherung der Gnade Gottes - die Marienverehrung - Innerlichkeit und Berechnung: der Rosen¬ kranz - Individualität und Frömmigkeit: die Mystik - die Predigt, kirchliche Aufgabe zur Unterrichtung des Volkes - Homiletik als Bemühung um Volksnähe - das wichtig¬ ste Interesse der Laien: die Messe - Sakramentsfrömmigkeit - Buße und Ablaß - Wall¬ fahrten und Prozessionen.

Die Frage nach der Haltung zur Kirche ist nur unvollkommen mit der For¬ mel beantwortet, daß die Kirche in ihrer Lehrautorität angezweifelt, aber daß ihrem Heilsschatz noch unbedingtes Vertrauen entgegengebracht wurde. Kir¬ che und Laien sind ohne Volksfrömmigkeit nicht zu denken, ohne die „krea¬ tive und normative Bedeutung der Volksreligion in der Kirche“, die Karl Rahner im Spätmittelalter ausgemacht hat. Religiosität steht hier gegen diszi¬ plinierte Frömmigkeit. „Frumkait“ kennzeichnet im Mittelalter pflichtge¬ mäße Gesinnung, wäre etwa mit „tüchtig“ und „gut“ sein zu übersetzen. Der Inhaltswandel von Frömmigkeit deutet an, daß religiöse Normen zum Inhalt der Lebensführung werden - aber dieser Begriffswandel ist im Spätmittelalter noch nicht vollzogen. Die Kirche herrscht nicht über gegängelte Gemeinden, sondern sie steht einer selbstbewußten Laienwelt gegenüber, die eigenständig zu fragen und in ihrem Gnadenverlangen auch eigene Wege zu gehen beginnt. So trug man seit dem 14. Jahrhundert die Monstranz durch die Fluren, um die Kraft ihres Segens auf die Felder zu leiten. Gegen die Häufigkeit solcher

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Prozessionen schritt die Kirche ein, um - wie Nikolaus von Kues 1451 formu¬ lierte - das Volk nicht durch zu häufigen Anblick der Eucharistie abzustumpfen. Wie die Wallfahrt so hatte das Spätmittelalter auch den Gottesdienst der Prozession verändert, intensiviert und formalisiert. Die Zeit findet großen Gefallen an den Prozessionen, die nicht nur in Notzeiten angesetzt werden, sondern für die sich auch feste Termine im Jahreslauf herausgebildet haben. Allein im vorreformatorischen Basel gab es 35 solcher terminierter Prozessio¬ nen, deren Öffentlichkeitscharakter durch Fahnen unterstrichen wurde. Die soziale Ordnung der Welt gestaltete auch diese Frömmigkeitsübung. Geord¬ net nach ihrem ständischen Rang folgten die Menschen dem Allerheiligsten. Sie sahen hier, wer das entscheidende Wort sprach: nicht der Pfarrer, sondern der Rat. Er beschloß die Termine, er ordnete die ständische Reihenfolge, er bestimmte den Weg. Dazu kam noch, daß mit den häufigen Prozessionen auch das Allerheiligste immer häufiger den Sakralraum verließ. Wer an einer Prozession teilnahm, für den waren Kirche und Welt keine trennbaren Be¬ griffe. Es waren letztlich die Bedürfnisse der Laien, die den spätmittelalterlichen Wandel von der Mysterienliturgie zur Sakramentsmystik (Anton L. Mayer) erzwangen, ein Wandel, wie er am spektakulärsten in den Massenwallfahrten zu Ffostienwunderstätten sichtbar wird. (Sämtliche heute noch bestehenden Heilig-Blut-Wallfahrtsorte sind mittelalterlichen Ursprungs.) In dem „Laufen“ zu Stätten von Blutwundern versicherte sich der gemeine Mann eines Glaubensproblems: In immer stärkerem Maße hatte sich die theologische Gelehrsamkeit auf die Lehre von der Transsubstantiation kon¬ zentriert, war sie Wilhelm von Ockham gefolgt: Christi Leib und Blut ist wahrhaft und wirklich unter der Gestalt des Brotes enthalten. Diese Lehre von der Realpräsenz hatte Wiclif angegriffen, dessen Thesen in feierlicher Sit¬ zung auf dem Konstanzer Konzil verurteilt worden waren. Die Volksfrömmigkeit nimmt auf ihre Weise Stellung zu dem Problem, bejaht das Dogma, aber versichert sich in dem Blutwunder seiner Richtigkeit. Auch hinter der Standardisierung der Heiligenverehrung und ihrer Redu¬ zierung auf relativ wenige Heilige ist die prägende Kraft der Volksrehgiosität zu erkennen. Der Heihgenhimmel, den im Hochmittelalter der Adel be¬ herrschte, wird „verbürgerlicht“ (der Bauer hingegen bleibt auch im Himmel der Heiligen unterrepräsentiert): Im Christopheruskult, überhaupt in der Verehrung der vierzehn Nothelfer, in der Verehrung schließlich der Heiligen Anna und des Heiligen Joachim, der Eltern Mariens, betete der gemeine Mann zu Heiligen, mit denen er sich identifizieren konnte. Ein anthropozentrisches Gottesbild ist vielfach auszumachen. Nicht Gott, „sondern der Mensch mit seinen Anliegen für das Leben in dieser Welt und für das jenseitige Heil“ (Matuszak) definiert das Gottesverhältnis. Die Ver¬ gegenwärtigung des Hellsgeschehens als Teil der eigenen Welt hängt damit

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zusammen. Deshalb können die Menschen auf Kreuzigungsbildern spätmit¬ telalterliche Kleidung tragen, deswegen finden die wundersamsten Reliquien bis hin zum Stroh aus der Krippe von Bethlehem noch ehrfürchtigen Glau¬ ben. Die Gottesnähe läßt nicht zu, daß sich das biblische Geschehen in ein historisierend distanzierendes Gestern verflüchtigt, sondern es ist ein Heute, ist Teil der Gegenwart. Die spätmittelalterliche Antwort auf die lutherische Grundfrage nach dem gnädigen Gott wird in dem Begriff der „virkumenden genatt“, der „gratia praeveniens“ gefunden, in der vorgegebenen himmlischen Gnadenbereit¬ schaft, derer sich die Menschen im Spätmittelalter immer wieder von neuem versicherten. Die noch im Hochmittelalter angstvoll gestellte Frage, ob der Heilsschatz der Kirche überhaupt ausreiche, um die vielen Sünden der Welt vergeben zu können, beantwortete das Spätmittelalter in steter Berufung auf die Leiden Christi positiv. Christus erscheint unter dem Eindruck franziska¬ nischer Frömmigkeit nicht mehr wie im Hochmittelalter als Weltenrichter, sondern als Schmerzensmann. Das Drei-Nägel-Kruzifix kommt auf, Symbol der Trinität und ebenso mahnende Erinnerung an die vom Erlöser erlittene Qual. Die Astkreuze (deren ältestes bekanntes Beispiel aus St. Maria im Ka¬ pitol zu Köln von 1304 stammt) stellen die Verwüstungen der Kreuzigung am Körper Jesu aufgrund von Studien an Körpern hingerichteter Verbrecher rea¬ listisch und erschreckend dar. Der Sinn ist aber nicht im sogenannten Realis¬ mus des Spätmittelalters zu suchen, sondern in dem Buß- und Gnadengedan¬ ken: Je stärker das Leiden Christi betont wird, um so sicherer ist der Mensch, daß der Kirche durch dieses Leiden ein unermeßlicher Heilsschatz zuteil ge¬ worden ist. (Mit der Bulle >Unigenitus Dei< war 1343 diese Ansicht zur Lehre der Kirche erklärt worden.) Diesem Gedanken ist auch die Passionsfrömmig¬ keit des Spätmittelalters zuzuordnen, in der das Leiden Christi, z. B. im Lübecker Jerusalemberg, der Nachbildung Golgathas (1482-1493), vergegen¬ wärtigt ist. Zur Massensuggestion ist die allgemeine Passionsmeditation und Passionsmystik in den Kreuzwundern vergröbert, in Himmelserscheinungen, die zunächst 1501 im Bistum Lüttich und in den folgenden beiden Jahren im ganzen Reich gesehen wurden. Wie in der Welt suchte man auch im Himmel Helfer bei dem großen Herrn, Fürsprecher für denjenigen, dem nur die demütige Unterwerfung zustand. Heilige, Namens- und Berufspatrone konnten Helfer sein, vor allem aber vertrauten die Menschen der Mutter: Maria. Die Marienverehrung gehört allgemein zum Mittelalter. Im späten Mittelalter jedoch ergreift und prägt sie den Alltag. Als Gebet gewinnt erst mit dem 13. Jahrhundert der Englische Gruß Bedeutung, wird rasch so beliebt, daß er in die Nähe des Vaterunser rückt. Als Thema wird er in Literatur und bilden¬ der Kunst häufig behandelt, wobei eine große Treue zum Lukas-Evangelium bewahrt wird. Zahlreiche Bruderschaften widmen sich speziell der Marien-

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Verehrung, und - Beispiel für die alltagsprägende Kraft dieses Kultes - Ende des 15. Jahrhunderts kommen in Nord- und Westdeutschland besondere An¬ dachten, „Marientiden“, auf, die musikalisch reich ausgestaltet werden. Es gab keine Kirche, in der nicht einer der Altäre Maria geweiht war. In der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts werden die Vornamen Anna und Joachim überaus beliebt. Wenn Fürsten- und Bauernkinder nach den Eltern Mariens benannt werden, so weist das auf eine tiefe Ergriffenheit der laikalen Welt, weist - wie Namengebung allgemein - auf Mentalitäten. Tatsächlich handelt es sich hier um den laikalen Reflex einer unter Klerikern erbittert dis¬ kutierten Streitfrage um die unbefleckte Empfängnis Mariens, ihre Freiheit von der Erbsünde. Die Franziskaner waren die engagiertesten Verteidiger der „immaculata conceptio“. Der ehemalige Franziskaner-General Sixtus IV. führte 1476 das Fest der Unbefleckten Empfängnis ein. Für die Dominikaner hingegen war Thomas von Aquin die richtungsweisende Autorität in der Ab¬ lehnung einer „sanctificatio in utero“. Christus habe alle Menschen und da¬ mit auch Maria erlöst. In verschiedener Weise reagieren gebildete Kleriker und schlichte Laien in der Marienverehrung auf die Würdigung der Frau, wie sie ein mittelalterliches Sprichwort andeutet: „Gott gab Maria den Frauen zur Steuer“ (Steuer als Hilfe und Trost gemeint). Der Streit um die Unbefleckte Empfängnis wurde im 15. Jahrhundert über die Diskussion der Theologen hinaus auch ein Meinungsstreit der Laien; denn es ging letztlich um die Frage nach der Erbsünde, was den Menschen existentiell interessierte, und damit auch um die Frage, welche Gnadenfülle Maria zukomme. (Zu einer trivialen Psychologisierung, die sich um das Pro¬ blem der Muttergottheiten dreht, eignet sich das ganze Problem nicht. Die in populärer Literatur in den verschiedensten Varianten begegnende These, daß hinter der Marienverehrung ein Weiterleben matriarchaler Gedanken stecke, ist trotz vieler Psychologismen ein ausgesprochen grobschlächtiger Umgang mit den Lebenseinstellungen verstorbener Menschen und wurzelt in jenem dunstigen Mythologisieren, wie es etwa früher in dem vermuteten Weiter¬ leben germanischer Göttergestalten in christlichen Heiligen Mode war.) Ihre größte Verbreitung erreichte ausgangs des 15. Jahrhunderts die Ma¬ rienverehrung in der Gebetsübung des Rosenkranzes. Die Rose war seit dem Hochmittelalter beliebtestes Symbol der Gottesmutter, Ausdruck der Ma¬ rienminne. Der Kranz, eine ursprüngliche Kopfzier, begegnet nach archäolo¬ gischen Funden mit kleinen Bein- und Glasringen gestaltet erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die Anfänge dieses Gebetsbrauches scheinen in der Trierer Kartause zu liegen. Erst als 1474 die erste Rosenkranzbruderschaft durch den als Hexenverfolger berüchtigt gewordenen Jakob Sprenger gestif¬ tet worden war, stieg die Verbreitung dieser Kultform sprunghaft an. Die an¬ fangs 5000 Mitglieder zählende Bruderschaft soll bereits bis 1481 auf über 100000 Mitglieder gewachsen sein. Dabei sind die vielen selbständigen lokalen

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Rosenkranzbruderschaften noch nicht mitgezählt. Das Wichtigste hierbei sind gar nicht so sehr die Zahlen, sondern die Ansätze zu sozialer Integration im gemeinsamen Gebet. Diese Bruderschaft, die den Kaiser an ihrer Spitze sah, verstand sich nicht als ständisch exklusiv wie die meisten anderen Bru¬ derschaften. Der Rosenkranz ist in seiner Verbindung von Meditation und meßbarer Gebetsleistung ein Ausdruck für die Spannweite spätmittelalterlicher Fröm¬ migkeit, die scheinbar Unvereinbares, Innerlichkeit und Berechnung, ver¬ einen kann, eine Frömmigkeit, die sich eindeutiger Festlegungen und etiket¬ tierender Definitionen entzieht. Zeugnissen der Ergriffenheit, des verinnerlichten Glaubens an die Offen¬ barung stehen ebensoviele Zeugnisse der „Mechanisierung und damit Profa¬ nierung“ des Glaubens gegenüber (A. L. Mayer). Die Kirche selbst hatte dem Vorschub geleistet. Stolgebühren und Fiskalisierung der Gnadenmittel mach¬ ten den Glauben teuer. Johannes Hus kritisierte, was allgemein üblich war: „Man zahlt für die Beichte, für die Messe, für die Sakramente, für den Ablaß, für die Einsegnung der Leichen. Auch der allerletzte Heller, den sich ein Großmütterchen in einem Tüchlein versteckt hat, damit ihn kein Dieb, kein Räuber nehme, bleibt ihr nicht. Es nimmt ihn der diebische Pfarrer.“ Mit den Methoden der Mentalitätsgeschichte sind verallgemeinernde Aus¬ sagen über die spätmittelalterliche Frömmigkeit zwischen angeblicher Äußer¬ lichkeit und (seltener in der Forschung behaupteter) Tiefe gar nicht möglich; denn Frömmigkeit ist letztlich Individualisierung, ist immer nur Erfahrung des einzelnen. Es kann also nur um die Bestimmung des dem einzelnen unter den Bedingungen seiner Zeit Möglichen gehen. Das ergreifendste Beispiel für individualisierte Frömmigkeit als Glaubens¬ erfahrung bietet die Mystik. Sie hat die deutsche Sprache tief gestaltet, sie hat ihr vor allem die Abstrakta in Anlehnung an lateinische Begriffe mit den En¬ dungen ,,-tudo“ und ,,-tas“ gelehrt; die deutschen Begriffe mit den Endungen „-heit“ und ,,-keit“ gehen auf Mystiker und ihre Sprachgewalt zurück. Die sprachgestaltende Kraft der deutschen Mystik konnte nur durch Verbreitung ihrer Gotteserfahrung, ihres Glaubensanliegens möglich sein. In der Verbrei¬ tung der Schriften wird sichtbar, daß Tauler das ganze Spätmittelalter hin¬ durch wesentlich häufiger rezipiert worden ist als Meister Eckart. Mystik setzt individuelle Disposition, Aufnahmebereitschaft für die verin¬ nerlichte Gotteserfahrung voraus. Der Straßburger Rulman Merswin hatte schon, bevor er Tauler zum Beichtvater gewählt hatte, sein Konversionserleb¬ nis: Eine Lichterscheinung, die er in seinem Garten - nicht in einer Kirche erlebte, als ihn Reue und Büßfertigkeit überkamen. Das Licht und die Worte, die er während dieser Erscheinung hörte, konnte er nicht fassen, sie waren - Grunderlebnis aller Mystik - „ueber alle mine sinneliche virnumft“. Rulman Merswins Erbauungsbücher, von individueller Erfahrung ausge-

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hende, verschleierte autobiographische Seelenbeschreibungen, berichten von den verschiedenen Wegen, von der Askese bis zur Geißelbuße, auf der Suche nach Gotteserfahrung: eine spezifisch spätmittelalterliche fromme Versen¬ kung, nicht nur formal unterschieden von entsprechenden Erscheinungsfor¬ men anderer Zeiten wie z. B. der des Pietismus. 1350 wollte Rulman nach Rom pilgern, um den Ablaß des Jubeljahres zu erfahren. Krankheit hinderte ihn daran ebenso wie an der Teilnahme an einer Geißlerfahrt. Er kennt die Anfechtungen der „helleschen bekorungen“ und findet „frede in dem heilligen geiste“. Nur: wo bleibt bei dieser vielfältigen Frömmigkeitsübung, bei dieser tiefen Glaubenserfahrung die Kirche. Allenfalls als Besitzerin des Heilsschatzes könnte man sie bei dem Vorhaben ausmachen, nach Rom, zu den Gräbern der Apostel anläßlich des Jubeljahres zu pilgern. Die sichtbare Kirche, im großen Straßburg mit seiner Vielzahl von Klerikern, mit seiner Vielzahl von Kirchen, von Altären gegenwärtig, kommt in Rulmans Werk nicht vor. Weil sie auch in ihrer Pastoralaufgabe nicht vorhanden ist, mußte er sein „buchelin“ Won den vier anfangenden Jahren< schreiben, um seinen Mitmenschen zu helfen („mime ebben menschen zu helfe“). Rulman Merswin, dem scheinbar schlichte Glaubenserfahrung die Lösung psychischer Spannungen gewährt, ist der Gründer des Hauses zum Grünen Worth in Straßburg, wo sich eine Gemeinschaft religiös lebender Laien zu¬ sammenfindet. Damit repräsentiert er eine spezifisch mittelalterliche Erschei¬ nung. Die Grenzen zwischen geistlicher und laikaler Existenz werden durch¬ lässig: Dritte Orden, Beginen und Begarden stehen zwischen Kirche und Welt - und sie stehen immer im Verdacht der Ketzerei. Denn ihre, wie schon bei Rulman zu erkennen, Distanz zur institutioneilen Kirche nährt diese meist grundlosen und auch selten verfolgten Verdächtigungen. Viele Men¬ schen, die sich nicht auf dem Weg zur Innerlichkeit von der sichtbaren Kirche gelöst haben wie der bürgerliche Mystiker, stehen doch mehr neben als in dieser Kirche. Die Frage, wie die Kirche auf die Bedürfnisse der Laien reagieren konnte, hat die Tradition, die Autoritätsgrundlage zu berücksichtigen und auf die Wandlungen zu achten, um zu beantworten, ob aus Tradition Erstarrung wird. Nach altem Gebrauch standen im Mittelpunkt des Gottesdienstes Messe und Liturgie, nicht aber Predigten. Selbst bei Trauungen und Begräb¬ nissen sorgt die Kirche nur für die Zeremonie, die Reden gebühren den Welt¬ lichen. Dies bedeutet: die Lehrautorität der Kirche erreichte den Alltag nicht. Predigt ist Unterrichtung. Dieser Aufgabe hat sich die Kirche nicht durch¬ gehend gestellt, sie hat sie aber auch nicht negiert. Diözesansynoden fordern bisweilen die Predigt in der Volkssprache. Im Bistum Meißen wurde den Pfarrern zur Pflicht gemacht, einen Hilfspriester zu halten, der „Wendisch“ konnte, um den Slawen predigen zu können. Das sind jedoch eher die Ausnahmen. Die zahlreichen ausgangs des 15. Jahrhunderts gestifteten Predigtpfründen,

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die sich nicht nur in den großen Städten, sondern auch im kleinen Hammel¬ burg oder gar Heidingsfeld finden, zeigen einerseits das gewachsene Bedürf¬ nis der Laien nach Unterrichtung und andererseits, daß die Kirche ihren Pfründenreichtum nicht für diesen Zweck nutzbar machen wollte. Mit dem ausgehenden 15. Jahrhundert mehrten sich die Stimmen, die in der Unterrichtung der Laien eine zentrale kirchliche Aufgabe sahen. Die Rea¬ lität hieß aber: schlecht ausgebildete, häufig ungelehrte Pfarrer. Das neue Medium des Buchdrucks wurde zu Hilfe genommen, um das Problem zu lin¬ dern. Zahlreiche Predigtsammlungen und Predigthilfen wie Vokabularien und Exempelbücher versuchten den armen Pfarrer zu unterrichten, damit er unterrichten könne. Einundvierzig Ausgaben erschienen bis 1500 von den Predigten des Johannes Herolt. Das bedeutendste dieser Handbücher ist das >Manuale Sacerdotum (Curatorum)< des Ulrich Surgant (Basel 1503). Hier ist auch eine Technik überliefert, die in der „ars praedicandi“ seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert bekannt, im 15. Jahrhundert immer größere Be¬ liebtheit gewann: „arborisare“ wird die Technik benannt, ein Bibelwort zur Wurzel eines Themas zu wählen, das dann wie ein Baum durch weitere Bibel¬ stellen, Autoritäten, sprachliche Bilder und Vergleiche wächst. Dadurch er¬ reicht der Predigttext bei vertretbarer Kürze auch einen Reichtum gemäß dem vierfachen Schriftsinn, der dem Mittelalter so teuer war, einen Reichtum an literaler Unterweisung, allegorischer Glaubensbereicherung, moralischer Er¬ bauung und mystischer Anagogie. Ulrich Surgant bietet seinen Lesern auch „regulae vulgarisandi“, mit denen sie lateinische Texte dem Volke verständ¬ lich machen sollen. Die Brücke zum Laien hatte ebenfalls das >Speculum exemplorum< von 1481 zu schlagen versucht, ein Beispiel für die übliche Praxis, in Predigten weltliche und geistliche Exempel, ja sogar Schwänke und soge¬ nannte Predigtmärlein einzuflechten. Diese auf Kürze stilisierten Exempei waren kein unterhaltender Selbstzweck, sondern dienten als Beispiel, Beweis, Warnung und Vorbild. (An der Entwicklung der abendländischen Novellistik und an der Vertrautheit des Mittelalters mit dem antiken Fabelschatz hat diese Predigtpraxis großen Anteil.) Dennoch glaubte 1486 Johannes Trithemius, den Prediger mahnen zu müssen: Ahme nicht diejenigen nach, die das Volk mit den Fabeln des Äsop unterhalten. Mangelnde Seelsorge als Gebrechen der Kirche: Gebildete Kleriker be¬ mühten sich um die religiöse Unterweisung der Laien, forderten verstärkt im ausgehenden 15. Jahrhundert die Predigt und mühten sich um deren volks¬ tümliche Gestaltung. Die Predigtmärlein, in denen nicht von ungefähr so viele Wanderschwänke konserviert sind, zeigen nicht nur Volksnähe, sondern auch Auflösungserscheinungen der alten Predigtgattungen Sermo und Homilie. Am Programm der Inkunabeldrucke wurde zu Recht der konservative Grundzug der durch den Druck verbreiteten Theologie hervorgehoben. Was

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hier gedruckt wurde, war aber für die Laien neu. Und neu, keineswegs tradi¬ tionell, war auch die stärkere Hinwendung zum Laien in der Predigt des aus¬ gehenden 15. Jahrhunderts. Der Alltag wird in die Unterweisung einbezogen. Geiler von Kaysersberg nimmt eine Straßburger Sensation, einen auf dem Marktplatz gezeigten Löwen zum „Aufhänger“. Die Predigt beginnt mit der Allegorese des Alltags zu spielen, um den Laien in das Mysterium des Glaubens einzuführen. So versinnbildlichte Jo¬ hannes Kreutzer die Passion Christi mit einer detailgenauen Beschreibung der Weinlese und der Kelterung. War das noch durch die Symbolik von Chri¬ stus in der Kelter traditionell gedeckt, so ist bei Geiler von Kaysersberg das theologische Problem mit einem verselbständigten Alltag allegorisiert. In sei¬ ner >Passion des Lebkuchens< treibt er die Allegorie artistisch auf die Spitze, so daß sich in dieser uns merkwürdig anmutenden Versinnbildlichung der Passionsfrömmigkeit die damalige Herstellung eines Lebkuchens rekonstru¬ ieren läßt. In dieser Predigttechnik zeigt sich auch, daß alle Laien erreicht werden sollen. So wünscht sich Adam Petri, Verfasser eines Predigthandbuches, als Hörer „einen jeden, iung und alt, gelert und ungelert“. Die Laien jedoch legen mehr Wert auf die Liturgie, auf Messe und Euchari¬ stie als auf die Predigt, sie verlangen nach Gnadenversicherung und weniger nach religiöser Unterweisung. Nicht die Predigt, sondern die Messe steht im Mittelpunkt der Volksfrömmigkeit. In der Elevation der Hostie sehen die meisten Gläubigen den Kern des Gottesdienstes. Diese Sakramentsfrömmig¬ keit fördert die Kirche. Monstranzen dienen dazu, die geweihte Hostie an¬ schauend zu verehren. Als wichtiges Mittel in geistigen und leiblichen Nöten wird die Messe in Predigten gepriesen, in denen immer wieder das Thema der Meßfrüchte angeschlagen wird. Deutsche Lehrgedichte erläutern das Ge¬ heimnis der Messe. Der seit den Kirchenvätern geläufige Gedanke, daß sie Repräsentation des Opfertodes Christi sei, wird in spezifisch spätmittelalter¬ licher Form vergegenwärtigt: Die Meßkleidung des Priesters wird als Lei¬ densgewand des Herrn gedeutet, alle Akte der Messe stellen Leiden und Mar¬ ter Christi dar; sie erinnert damit an den der Kirche erworbenen Heilsschatz. Auch wenn gelehrte Theologen widersprachen, so drückte eine Grazer Pre¬ digtsammlung doch als weitverbreitete Meinung aus, daß die Sünden des Menschen in dem Maße gemindert würden, in dem er die Messe höre. Die Messe stillte nicht nur religiöse Bedürfnisse, sie ordnete auch den All¬ tag - es war immer ein Problem des Verhältnisses von Herr und Gesinde, wann letzteres arbeitszeitverkürzend die Messe hören durfte - und prägte den jährlichen Festrhythmus. Wenn z. B. die Lüneburger Sülfmeister ihr Genos¬ senschaftsmahl veranstalten, wird durch den Reichtum an Speisen und durch eine „herrliche“ Messe am Anfang des Festes die gesellschaftliche Repräsenta¬ tion gewährleistet. Eine „kopmisse“ geht in dieser Stadt der zeremoniellen

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Festsetzung des Salzpreises voraus. Alle größeren weltlichen Rechtshandlun¬ gen von der Ratswahl bis zur Huldigung der Bürgerschaft werden von einer Messe eingeleitet, in größeren Städten beginnt keine Ratssitzung, bevor nicht in der Ratskapelle die Messe gesungen worden war. Zahlreiche Meßstiftungen, die seit der Mitte des 15. Jahrhunderts an¬ schwellen (und nach 1519 fast schlagartig zurückgehen), kennzeichnen die zentrale Bedeutung dieser liturgischen Handlung für das religiöse Leben. Auch wenn allen Indizien zufolge der gemeine Mann nur einmal im Jahr das Abendmahl nahm, lag hierin für ihn in seinem Sündenbewußtsein doch eine trostreiche Versicherung. In dieser Welt mit ihrer Sakramentsfrömmigkeit mußte die Frage, ob auch den Laien der Abendmahlskelch zu reichen sei, den Ketzer vom Gläubigen, den Hussiten vom Christen trennen. Hus hatte zu¬ nächst nur vorsichtig die Kelchfrage behandelt und erst in Konstanz gefor¬ dert: Man solle Christi Beispiel, der den Kelch austeilte, folgen und nicht einer „ex negligentia“ eingeschlichenen Gewohnheit. Kein kirchliches Gesetz, wohl aber ein zweihundert Jahre geübter Brauch stand gegen die von Hus sehr zögernd auf dem Konstanzer Konzil erhobene Forderung. Erst dieses Konzil verbot kirchenrechtlich verbindlich den Laienkelch, den die Anhän¬ ger des tschechischen Reformators zu ihrem Programm erhoben. Es ging diesen wie auch Hus um die Rückkehr zur Ursprünglichkeit der Kirche, um „reformatio“ im mittelalterlichen Verständnis. Sie konnten sich auf die Kir¬ chenväter berufen, die nur ein Abendmahl unter beiderlei Gestalt gekannt hatten. Denn der Laienkelch war im frühen und hohen Mittelalter durchaus üblich gewesen; daß später den Laien nur die Hostie gereicht wurde, war Er¬ gebnis eines als „Ewiggültigkeit“ ausgegebenen Prozesses. Probleme hatte es zuvor allein um die „communio intincta“ gegeben, um die päpstlichen Gebo¬ ten zum Trotz regional verbreitete Übung, die Hostie in den konsekrierten Wein zu tauchen. Aus der Furcht der Laien, das Blut Christi durch Ungeschick vergießen zu können, entwickelte sich erst die Übung, welche die spätmittel¬ alterliche Kirche in so große Schwierigkeiten brachte. Neben der Eucharistie war die Buße das wichtigste Sakrament im Volks¬ glauben. Damit stellt sich die Frage nach dem Ablaß. Dieser, aus der ältesten Bußtheorie entwickelt, ist zugleich Merkmal für den Übergang von öffent¬ licher Buße zur „privaten“ Redemption. Er erfuhr im Spätmittelalter eine Formalisierung und Ausweitung, die auf eine Fiskalisierung und auch Ratio¬ nalisierung der Werkfrömmigkeit hinauslief. Ablässe wurden nicht nur für Kirchenbauten wie etwa 1514 für den Konstanzer Münsterturm, sondern auch für den Bau von Brücken usw. ausgeschrieben. Doch wir wagen nicht die Unterstellung, die Menschen hätten ihr Sündenbewußtsein nur abkaufen wollen. Zudem: Für viele Ablaßzwecke gilt, daß sie eine Verbindung von Buße und Barmherzigkeit hersteilen. Ein Beispiel: Als Westfriesland zwischen 1475 und 1515 von sechs schweren Sturmfluten heimgesucht worden war,

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bewilligte Leo X. einen dreijährigen Ablaß zur Wiederherstellung der zer¬ störten Deiche. Längst vor Luther war von Gelehrten erkannt worden, daß das dem Ablaß zugrundeliegende Buß-Äquivalent fiskalisch deformiert worden war, daß die formalisierte Bußpraxis große seelsorgerliche Gefahren in sich barg. Doch griffiger als diese Kritik war die an der Verwendung der über diese Bußpraxis eingenommenen Gelder. Matthias Döring erklärte aus den Erfahrungen des Jubeljahres 1450, der Ablaß diene vielfach nur zum Betrug des kleinen Mannes. Die Ablässe, die beim Münchener Gnadenjahr verkauft wurden, kritisierte Burkhard Zink gallig: „Die Bußprediger legten viele und große Geldstrafen auf, je nachdem der Mann arm oder reich war.“ Eine grundsätz¬ liche Kritik am Ablaß wesen oder gar seine theologische Widerlegung ist aber nicht auszumachen. Trotz aller Kritik an der Verwendung der Ablaßgelder blieb dieser doch ungemein populär. Burkhard Zink berichtet auch, daß 40 000 Menschen den Ablaß des Münchner Gnadenjahres gesucht hatten. Die Kritik am Ablaß darf also nicht überschätzt werden; ihr stehen in über¬ wältigender Fülle die Zeugnisse von einer ungebrochenen Hochschätzung des Ablasses gegenüber, zu dem sich die Laien immer wieder drängten. Der Erwerb von Ablässen war, wie Messe hören - oft in regelhafter Zahlen¬ symbolik -, ein Handel mit Gott. Das sei nicht abschätzig verstanden. Die Gleichgewichtigkeit von Gabe und Gegengabe suchen nicht nur archaische Kulturen. Sie wirkt, anders umkleidet, bis in die Neuzeit in den zwischen¬ menschlichen Beziehungen als Säkularisierung einer alten Gottesnähe, die als personale Beziehung verstanden wurde. Spezifisch mittelalterlich kann allen¬ falls die unverschlüsselte Direktheit angesehen werden, mit der man dieses personale Verhältnis - durchaus im devoten Bewußtsein - sucht. Der Ablaß mußte erkauft werden - und das war für die Armen oft genug ein Opfer gewesen. Viel stärker erlitten war eine andere, ebenso populäre Form der Buße und individuellen Gnadenverlangens: die Wallfahrt. War beim Ablaß Geld der Umtauschfaktor, so stand dafür der Mensch bei einer Wall¬ fahrt mit all ihren Schwierigkeiten und Gefahren persönlich ein. Die Wallfahrt gehörte zu den auffälligsten Erscheinungen spätmittelalter¬ licher Religiosität. Diese hergebrachte Frömmigkeitsübung verleiht bis zur Re¬ formation Menschen aller Stände Zuversicht. Der altersschwache Kaiser Fried¬ rich III. nimmt ein Jahr vor seinem Tod die Pilgerfahrt nach Altötting auf sich, und Joß Fritz wallfahrtet nach der Niederschlagung des Lehener Aufstandes nach Einsiedeln, um die Bundschuhfahne der Gottesmutter zu weihen. Das Charakteristische des Spätmittelalters, Steigerung und Intensivierung des Überkommenen, zeigt sich auch im Wallfahrtswesen. Dieses erfährt eine solche Ausweitung, daß besorgte Kleriker immer wieder über die „libido currendi“ der Zeitgenossen klagen. Das Neue läßt sich in drei Stichworten andeuten: Intensivierung, Formalisierung und Emotionalisierung.

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Die Intensivierung des Wallfahrtswesens zeigt sich sowohl in dem größeren Besucherstrom der Fernwallfahrten nach San Jago, nach Rom und ins Heilige Land als auch in dem Aufkommen zahlreicher lokaler Wallfahrtsstätten. Ob Süden oder Norden, ob Walldürn oder Rulle, überall bringt schon das 14. Jahrhundert neue Gnadenstätten hervor - oft kleine Orte, an denen sich Blutwunder ereignet haben sollen. Zur Intensivierung des Wallfahrtsgedankens gehört unvermeidlich eine Formalisierung. Das Einspielen von Wallfahrtswegen und -Zeiten ist oft mit Ansätzen einer Pilgerorganisation verbunden. In nordwestdeutschen Städten erleichtern’ „Gasthäuser“, fromme Stiftungen, die Wanderschaft der Aachen¬ pilger. Am Beispiel der Reiseorganisation der Wallfahrt ins Heilige Land ist diese Formalisierung am deutlichsten quellenmäßig faßbar. Die Finanzierung der Pilgerfahrt eines Vermögenden geschah über Wechsel venezianischer Ban¬ ken. Eigene deutsche Herbergen gab es in der Lagunenstadt, ausgerichtet nach den verschiedenen Vermögensverhältnissen der Pilger, wo zumeist auch der Kontrakt mit einem Reeder abgeschlossen wurde. Dieser Kontrakt mußte zum Schutz gegen die Ausbeutung in der Dogenkanzlei ratifiziert werden. Sechs bis acht Wochen dauerte die Überfahrt, vor der die Pilger zitterten; denn Seeräuberei und Sklaverei wurden vielen Pilgern zum Schicksal. 600 fl. kostete 1437 den Basler Handelsherrn Henman Offenburg die Pilgerfahrt ins Heilige Land - ein Vermögen. Die Schilderungen eines Arnold von Harff, eines Bernhard von Breydenbach von ihrer Pilgerschaft nach Jerusalem bele¬ gen, daß am Ausgang des Mittelalters ein geographisches und ethnologisches Interesse die religiösen Motive zu überlagern beginnt. Trotz aller Formalisierung blieben die Fernwallfahrten ein gefährliches Unternehmen. (Auch Henman Offenburg erlitt im Mittelmeer Schiffbruch.) Testamente, vor Beginn einer solchen Reise ausgefertigt, lassen sowohl den Bußgedanken als auch die Risikobereitschaft der Menschen erkennen, die eine solche Reise auf sich nahmen. Emotionalisierung als ein beschreibendes Stichwort der spätmittelalterli¬ chen Volksfrömmigkeit kennzeichnet auch die Entwicklung der Wallfahrt. Dies sei an einer an sich unbedeutenden Episode illustriert: Im Nürnberger Umland erhob sich das Gerücht, in der St. Lorenzkirche läge ein Heiliger na¬ mens Oker begraben, der seinen Arm aus der Wand recke. Der Zulauf zu die¬ sem Wunderzeichen wuchs von Tag zu Tag. Es bedurfte erst der Drohung mit dem Kirchenbann, um dieses „Laufen“ abzustellen. An diesem Beispiel ist zu erkennen, was sich hinter dem vordergründig mit Emotionalisierung charak¬ terisierten Wallfahrtswesen des Spätmittelalters verbirgt. Einmal eine Sponta¬ neität, die immer wieder von den Chronisten notiert und beklagt wird, wenn die Nachricht Aufsehen erregender Wunderzeichen einen Ort zur Wallfahrts¬ stätte macht. Sofort brechen Menschen auf, lassen ihre Arbeitsgeräte liegen und eilen zu der neuen Gnadenstätte. Das Sprichwort: „Es kommt dich an

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wie das Laufen nach Grimmenthal“ spielt auf eine bald nach 1500 einsetzende Massenwallfahrt an. Jedermann war damals der Sinn dieses Wortes klar: Plötzliches, unzähmbares Verlangen wurde in ein verständliches Beispiel ge¬ faßt. Wenn der Territorialherr von Grimmenthal, der Graf von Henneberg, ein Leihhaus in der Wallfahrtskirche einrichtet, so zieht er Nutzen daraus, daß viele den spontanen Entschluß zur Pilgerschaft faßten, ohne an das Le¬ bensnotwendigste zu denken. Ein Zweites charakterisiert solche Wallfahrten: ein laikales Selbstbewußtsein, das sich aus eigenem Antrieb Gnadenstätten schafft, denen die Kirche teils abwartend, teils ablehnend gegenüberstand. „Die weitreichende Bedeutung der spätmittelalterlichen Wallfahrtskirche . . . wirkte geradezu umstürzlerisch“ (Schreiber); neben der hergebrachten Pfarr¬ kirchenorganisation entstand eine „Volkskirche“, in der das Mysterium stär¬ ker empfunden wurde. (Luther hätte sich in seiner Invektive gegen das Wall¬ fahrtswesen allgemein und insbesondere gegen das Laufen nach Wilsnack auf namhafte spätmittelalterliche Theologen berufen können.) Wallfahrten, wie die zum Heiligen Blut nach Wilsnack, nach Grimmenthal und schließlich zur Schönen Madonna nach Regensburg waren Massenereig¬ nisse, entstanden aus spontaner Emotionalisierung. Wie unabhängig solche Ereignisse von der Kirche sein konnten, zeigt die Niklashauser Fahrt 1476. Die Predigt eines Hirtenknaben, die Verheißung, im Taubertal vollkomme¬ nen Ablaß erlangen zu können, ließ hier binnen weniger Wochen eine Mas¬ senwallfahrt entstehen, die nur durch die Hinrichtung des jungen Predigers Hans Behem und durch harte kirchliche Sanktionen unterbunden werden konnte. Bereits in den Geißlerfahrten hatten sich Emotionalisierung und Laisie¬ rung gezeigt. Wo die Askese zur Selbsterlösung gesteigert werden sollte, wo der Grundgedanke die Teilnahme am Leiden Christi war (weswegen solche Fahrten auch entsprechend dem Lebensalter Christi 331/2 Tage währen soll¬ ten), war die Praxis der Geißelbuße gemeinschaftsbildend. Das kirchliche Bußsakrament wurde in eine Laienkompetenz umgewandelt. So enthielt der Flagellantismus des Jahres 1349 als Massenerscheinung, der sich anders als seine Vorläufer mit Pogromen verband, auch eine Opposition gegen die Kir¬ che; wie weit diese reichte, zeigt die Verbreitung des Liedgutes der Geißler, das von zahlreichen Prozessionen und Wallfahrten übernommen wurde.

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6. Die Kirche, die neuen Bildungsformen und die Laien Schriftlichkeit der Laien und „städtische“ Schulen - das Aufsichtsinteresse der Stadt¬ räte und das Bildungsprogramm der „Lateinschulen“ - Verhältnis zu den Universitäten - Studium und Standesdenken — Steigen der Studentenzahlen im 15. Jahrhundert institutioneile Konturen der Universität und ihre fehlende Distanz zur Kirche.

Die Entwicklung zur Urbanität hatte als Spätfolge die Schriftlichkeit auch von Laien hervorgebracht. Der Fernhandelskaufmann ist der erste, der Lesen und Schreiben lernt; erst ausgangs des 15. Jahrhunderts folgen kleine Leute, die den Werbungen privater Schreibmeister Glauben schenken, in wenigen Wochen zumindest lesen lernen zu können. Jedoch noch um 1500 war nur eine Minderheit der städtischen Bevölkerung, wohl kaum mehr als ein Fünftel selbst in den Großstädten, schriftgewohnt. Das Bildungswesen war kirchlich gebunden. Langsam nur entwickelten sich „städtische“ Schulen. Das Vorbild der flandrischen Städtelandschaft, wo Schulen bereits im ausgehenden 12. Jahrhundert bezeugt sind, wird in deut¬ schen Landen erst langsam während des 14. Jahrhunderts übernommen; ab¬ hängig von der wirtschaftlichen Bedeutung der Stadt, erscheint es z. B. im reichen Erfurt früher als in ärmeren Kommunen. (Die Masse der Ackerbür¬ gerstädte bewahrt den agrarischen Zustand einer Kultur vor der Schrift.) Nur in größeren Städten gewinnen Schulen um 1400 institutioneile Konti¬ nuität; ansonsten ist noch viel von Zufällen, von der Persönlichkeit eines Lehres etwa, abhängig. Noch anfangs des 15. Jahrhunderts wüßte niemand von den Schulen in schwäbischen Mittelstädten, Biberach, Ehningen und Balingen, wenn sie nicht Burkhard Zink in seiner Autobiographie erwähnt hätte. Räumlich und institutionell lehnen sich die frühen Schulen an die Pfarrkir¬ che an. Ein spezifisch urbanes Unterrichtssystem ist gar nicht auszumachen. Unverkennbar ist dann aber seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert das Bestre¬ ben von Stadpräten in größeren Kommunen - ob Lüneburg, ob Ulm - dem Pfarrer das Aufsichtsrecht zu entwinden und eine „Ratsschule“ zu begrün¬ den. Das darf nicht als Angriff auf das Bildungsmonopol der Kirche verstan¬ den und überschätzt werden. An die Pfarrkirchen bleiben diese Schulen selbst dort angelehnt, wo es dem Rat gelungen war, das Patronatsrecht der Stadtpfarrkirche zu gewinnen. Wichtigste Aufgabe der Schüler bleibt die Mit¬ wirkung bei der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste. Ein laikal auto¬ nomes Unterrichtswesen entsteht nicht, kein Schulwesen, in dem „praxis¬ orientiert

gelehrt wird. Das Rechnen hat selbst in Fernhandelsstädten eine

nur untergeordnete Stellung im Lehrplan (wird bei einem „Rechenmeister“ im Privatunterricht gelernt), das Latem dominiert, so daß diese Schulen auch mit Recht als Lateinschulen bezeichnet werden. Den Lehrplan bestimmt im¬ mer noch die Tradition der Sieben Freien Künste. Die Schüler wurden nach ihrem Kenntnisstand (nicht nach ihrem Alter) in mehrere, meistens drei Klas-

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sen eingeteilt, wurden nicht nur vom Ludimagister dirigiert, sondern auch von dessen Hilfskräften unterrichtet. Die Rute in der Hand des Lehrers ge¬ hört ebenso zum Bild des Schulzimmers wie Katheder und Wandtafel. Das Lateinische blieb die Unterrichtssprache und das eigentliche Lernziel. Im 14. Jahrhundert ist eine eigenständige Laienbildung allenfalls in Ansätzen erkennbar, erst im 15. Jahrhundert wird sie deutlicher: Die Laien werden schriftgewohnt, Voraussetzung für das Entstehen einer bürgerlichen Chronistik, welche die eigene Stadt, die selbst erfahrene Umwelt in den Mittelpunkt stellte. Am Beispiel des Meistersangs, der mit Fug und Recht als Ausdruck laikalen Bildungsbewußtseins betrachtet werden kann, ist zu erkennen, daß keine Abgrenzung zur Kirche vollzogen wird. Im Gegenteil. Die frühesten Meisterlieder sind Marienlieder — ein Thema, das auch späterhin den Meister¬ sang stark beschäftigte. Über welche theologische Bildung verfügte nicht ein Linhard Nunnenbeck! Immer noch interessiert den Laien die Theologie brennend. Ein Gegensatz von Laien-Kleriker-Bildung bleibt formal, wenn man nicht auf die Inhalte sieht; diese weisen auf eine erweiterte Kirchlichkeit. Die deutschen Übersetzungen der Schriften Jean Gersons (deren Rezeption mit der Reformation abbricht) dienen fast ausschließlich der Unterrichtung religiöser Laiengemeinschaften. Die Lateinschulen bildeten nicht etwa den Unterbau der mittelalterlichen Universität, sondern bestanden als eigene Gattung neben ihr. Ihre Aufgaben, ihre Lehrinhalte überschnitten sich mit denen der „artistischen Fakultät“. An dieser, bezeichnenderweise auch die „untere“ genannten Fakultät der Philo¬ sophen studierten die meisten Studenten, allerdings ohne die Absicht, ein kostspieliges weiteres Studium in einer der spezifisch universitären oberen Fa¬ kultäten bei den Doktoren der Medizin, Jurisprudenz und - am höchsten geachtet, am wenigsten besucht - der Theologie aufzunehmen. Universitäts¬ besuch verschaffte der Masse der Scholaren durchaus keine höhere Bildung als der Besuch einer gut geführten Lateinschule; weiterhin: Kaum eine artisti¬ sche Fakultät konnte sich im Deutschland der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun¬ derts an wissenschaftlicher Bedeutung, Ausstrahlung und Schülerzahl mit der Lateinschule von Schlettstadt messen. Allenfalls den Vorteil einer akademi¬ schen Graduierung, den Erwerb des baccalaureus oder sogar des magister artium konnte eine Universität der Mehrzahl der Studenten bieten. Es war auch nicht nur das Interesse an Verbreitung von Bildung, sondern auch das Interesse an den Professoren, das deutsche Fürsten zu Universitäts¬ gründungen veranlaßte; denn diese Professoren waren zugleich geschätzte Ratgeber des Landesherrn, Helfer bei der Landesverwaltung. (Diese Seite des Wirkens Martin Luthers für den sächsischen Kurstaat entspricht durchaus dem im Spätmittelalter Üblichen.) Relativ spät erst, parallel mit dem Ausbau fürstlicher Herrschaft, gewinnt die europäische Universität, das Studium gene¬ rale, in Deutschland Heimrecht. Nachdem die Universität Prag von Karl IV.

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erklärtermaßen als Zierde des Königreichs Böhmen gegründet worden war, erscheint Heidelberg 1386 als die erste deutsche Universität, der dann in den folgenden Generationen, nicht zuletzt angeregt durch die beiden großen Konzilien, zahlreiche weitere Gründungen folgten - auch solche durch städti¬ sche Obrigkeiten wie in Köln und vor allem - die bedeutendste deutsche Uni¬ versität des Spätmittelalters hervorbringend - in Erfurt. Die zahlreichen Universitätsgründungen des 15. Jahrhunderts weisen auf eine Verbreitung von gelehrter Bildung. Ausgangs dieser Epoche kritisiert Ulrich von Hutten seine Standesgenossen, daß sie die Studien verschmähten und diese den Kindern von Handwerkern überließen. Von dieser polemisch gemeinten Aussage her ergibt sich die Gefahr, über die Universitätsgründun¬ gen und den Ausbau von Lateinschulen das Etikett „bürgerlich“ zu legen. Dafür scheint zunächst auch einiges zu sprechen. Sieben Mitglieder der Ulmer Patrizierfamilie Neithart erwerben im 15. Jahrhundert den damals noch seltenen Doktortitel: die Familie mit den meisten akademisch Promovierten im spätmittelalterlichen Deutschland. Aber das ist nicht Ausdruck laikaler Bildung - die Neithart finden wir nicht nur in städtischen Kanzleien, sondern vor allem in einträglichsten Diensten der Kirche, an den bischöflichen Ku¬ rien, im Besitz reicher Pfründen. Es zeigt sich hier ein Standesdenken, das Bildung als Mittel erkennt, auf dem Umweg über einträgliche Kirchenpfründes die gehobene Familienposition zu behaupten. Akademische Bildung gewann zunächst weniger wegen ihrer Inhalte als ihrer sozialen Chancen wegen im kirchlichen Dienst an Geltung. Das greift auf den weltlichen Bereich über. Im 15. Jahrhundert läßt sich in großen Städten beobachten, daß in einem immer stärkeren Ausmaß Bildung zu Führungspositionen in der Stadt qualifiziert. Die Ratsherren haben meist nur eine Lateinschule besucht; aber sie legen doch Wert darauf, daß ihre Stadtschreiber und möglichst die Notare (natürlich auch der Stadtarzt) studiert haben. Daß die Universität, daß Bildung im 15. Jahrhundert immer mehr an Gel¬ tung gewann, zeigt das Ansteigen der Studentenzahlen. Um 1400 gab es un¬ gefähr 2000 Studenten in Deutschland, eine Zahl, die sich 100 Jahre später verzehnfacht hatte. Aus der gehobenen städtischen Mittelschicht stammt die Mehrzahl der Studenten. Vkählen wir das Beispiel Ulms. Hier hatten im ersten Dezennium des 15. Jahrhunderts 5 Bürgerkinder studiert, zwischen 1460 und 1469 sind es bereits 53, eine Zahl, die sich im folgenden Jahrzehnt mit 113 Studenten mehr als verdoppelt, und zwischen 1510 und 1519 studieren 226 Ulmer. Was hinter den zitierten, nüchternen Zahlen steht, konkretisiert die zahl¬ reichen Stipendienstiftungen: Nicht ein besonders begabter Student soll ge¬ fördert werden - zu fern ist noch der neuzeitliche Bildungsbegriff -, sondern ein Schüler aus der eigenen Heimatstadt oder noch konkreter: aus der eigenen

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generationentief gedachten Verwandtschaft. Ziel eines solcherart geförderten Studiums ist die kirchliche Laufbahn - nicht im Sinne einer Bedingung, son¬ dern einer, beste Sozialchancen eröffnenden Selbstverständlichkeit. Wer mit Berufung auf originelle Philosophen und auf Theologen, die als Ketzer verdächtigt wurden, in der spätmittelalterlichen Universität eine Di¬ stanz zur Amtskirche sieht, irrt. Erstere gehörten auch damals zu den Aus¬ nahmen, und das Berufsrisiko des nachdenklichen Theologen war der durch Kollegenneid lancierte Ketzereivorwurf. Auch der Hinweis auf die Brotstu¬ dien der Juristen und Mediziner hilft nur bedingt: Die glänzendsten Aussich¬ ten eröffneten sich dem Juristen nicht im weltlichen, sondern im kirchlichen Dienst. Das am meisten erstrebte Ziel war für alle erfolgreichen Studenten und Professoren die kirchliche Pfründe. Die Selbstvergessenheit und die allein der Wissenschaft lebende Askese oder zumindest die ökonomische Be¬ scheidenheit als Kompensation der Begehrlichkeit nach Wissen war auch im Mittelalter die Ausnahme. Die Kirche hatte gar nicht einen großen Magen, sie hatte einen reich gedeckten Tisch, zu dem sich viele drängten; am erfolgreich¬ sten Adelige (das war die Tradition) und danach Studierte (das war das Neue). Die Universität ist ein Beispiel dafür, wie flexibel das Mittelalter Institutio¬ nen behandeln konnte. Ein Studium generale hatte eine eigene Rechtsgestalt, hatte seine individuellen Privilegien, die wirtschaftliche Ausstattung ebenso wie die innere Verfassung begründeten. Aber über diese „Freiheiten“ hinaus gab es kaum institutionelle Konturen. Die Universität hat das ganze Mittelalter hindurch keinen eigenen Bautyp hervorgebracht; und das weist auf die Realisierung ihrer inneren Verfassung; denn nur als Rechtskörper führte das Studium ein Eigenleben, in der Realität war es der Herrschaftswelt eng ver¬ flochten. Die Lehrer, gerade der oberen drei Fakultäten, der Theologie, Jurisprudenz und Medizin, waren keine Universitätsprofessoren in einem späteren Verständnis, als sich der anstaltliche Charakter der Hohen Schulen durchgesetzt hatte. Sie waren zumeist Inhaber kirchlicher Pfründen, die den Großteil ihres Einkommens ausmachten. Mag es auch ein Extremfall sein, daß ein solcher Kanoniker mit professoralem Auftrag einen Vikar für seine Vorlesungen besoldet, wie es ein reich bepfründeter Domherr mit den Seelsorgverpflichtungen bei seinen Pfarreien zu tun pflegte, so war doch die Karriere eines Gelehrten eben dieser drei oberen Fakultäten weit weniger mit der Universität verknüpft als in späteren Zeiten. Die Universität war eine Stiftung, aber teilweise beherbergte sie unter die¬ sem juristischen Dach andere Stiftungen mit eigener Rechtspersönlichkeit, von der Professorenpfründe angefangen bis hinunter zum Altardienst in der Universitätskapelle, sodann waren ihr andere Stiftungen sachlich, aber kei¬ neswegs rechtlich zugeordnet: Bursen z. B., wo die Masse der Studenten wohnte, Kollegien usw. Deswegen konnte es noch keine eigene Universitäts¬ bibliothek geben; Bursen und Kollegien verfügten über ihre eigenen Bücher-

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bestände, Ausdruck dafür, daß ein Studium generale aus einer Agglomeration von Stiftungen bestand. Ihre institutionellen Konturen hatte auch eine spät¬ mittelalterliche Hochschule allein über ihre Privilegien bewiesen, die sich auf die Personen verbände von Professoren und Studenten bezogen. Die Mi¬ schung von Institutionen und als Ständen privilegierten Personenverbänden charakterisierte Staatlichkeit und Universität gleichermaßen. Um 1500 war unübersehbar, daß Deutschland im Verlauf des Spätmittelal¬ ters „gebildeter“ geworden war. Es gab wesentlich mehr höhere Schulen als 100 Jahre zuvor; Stadt- und Landesherren hatten zudem mit der Gründung von Universitäten gewetteifert (manch eine Fehlplanung bzw. -gründung war darunter), der Bildungsstand der Pfarrer war deutlich höher geworden, mehr einfache Leute als in den Generationen zuvor konnten zumindest lesen. Der Humanismus, lange nur eine Spezialität gelehrter Einzelgänger, war um 1500 auch nördlich der Alpen heimisch geworden. Hinter all dem steht weder eine Laisierung, geschweige denn eine Säkularisierung von ursprünglich kirchlich gebundenen Bildungsinhalten (der deutsche Humanismus lehnt einen von der Antike gedeckten Paganismus ab). Dahinter steht die Frömmigkeit, vor allem die Frömmigkeit der Laien. Ob die armen Kinder im Nürnberger Findelhaus lesen und schreiben und zugleich auch die Zehn Gebote lernen müssen, wie der Rat 1485 bestimmt, oder ob das anspruchsvolle Unterrichts¬ programm der Brüder vom Gemeinsamen Leben dem höheren Schulwesen entscheidende, ausgangs des 15. Jahrhunderts schon frühhumanistische Im¬ pulse gibt - Erziehungsziel ist letztlich der zu einem frommen Leben befä¬ higte Mensch.

AUSWAHL AUS DER NEUEREN FORSCHUNGSLITERATUR

Nachdem nicht nur Dahlmann-Waitz: Quellenkunde zur deutschen Geschichte, 10. Aufl. eine grundlegende Bibliographie zur Geschichte des Spätmittelalters (Liefe¬ rungen 36 bis 41/42, 51, 54 und 58, 1980-1987) bietet, sondern auch bei Moraw (s. un¬ ten) und Isenmann (s. unten) reichhaltige Literaturangaben zu den einzelnen Themen der spätmittelalterlichen Geschichte verarbeitet sind, beschränkt sich das folgende Li¬ teraturverzeichnis auf die seit etwa 1970 erschienenen Forschungen, berücksichtigt nur im Ausnahmefall ältere Arbeiten. Das bedingt zwar oft den schmerzlichen Verzicht auf Standardwerke älteren Datums, aber diese sind ohnehin bibliographisch leicht zu er¬ fassen und finden sich darüber hinaus auch in der unten aufgeführten Spezialliteratur. Die Abkürzungen der Zeitschriften- und Reihentitel folgen dem inzwischen ein¬ geführten System des Dahlmann-Waitz.

Allgemeine Literatur Andreas, Willi: Deutschland vor der Reformation, 71972. Angermeier, Heinz: Königtum und Landfrieden im deutschen Spätmittelalter, 1966. Autonomie, Wirtschaft und Kultur der Hansestädte (HansischeStud 6), 1984. Aubin, Hermann/Wolfgang Zorn: Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozial¬ geschichte, Bd. 1, 1971. Baethgen, Friedrich: Deutschland und Europa im Spätmittelalter, 21978. Blickle, Peter, und Johannes Kunisch (Hrsg.): Kommunalisierung und Christianisie¬ rung. Voraussetzungen und Folgen der Reformation 1400-1600, (ZHF Beiheft 9) 1989. Boockmann, Hartmut/Bernd Moeller/Karl Stackmann (Hrsg): Lebenslehren und Wel¬ tenkirche im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (AbhhAkadWissGöttingen. Phil.-Hist. Kl. 3. Folge 179) 1989. Boockmann, Hartmut, Stauferzeit und spätes Mittelalter. Deutschland 1125-1517, 1987. Bruckmüller, Ernst: Sozialgeschichte Österreichs, 1985. Ebel, Wilhelm: Probleme der deutschen Rechtsgeschichte, (Göttinger-RechtswissStud 100) 1978. Ehlers, Joachim (Hrsg.): Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, (Nationes 8) 1989. Engel, Josef (Hrsg.): Großer Historischer Weltatlas. II. Teil. Mittelalter, 21979. Friedland, Klaus/Rolf Sprandel (Hrsg.): Lübeck, Hanse, Nordeuropa. Gedächtnis¬ schrift für Ahasver von Brandt, 1979. Heimpel, Hermann: Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447, 3 Bde. (VeröffMPIG 52), 1982.

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Literatur

Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter. 1250—1500, 1988. Jedin, Hubert (Hrsg.): Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 3/2: Vom kirchlichen Hochmittelalter bis zum Vorabend der Reformation, 1968. Jeserich, Kurt G. A./Hans Pohl/Georg Christoph von Unruh: Deutsche Verwaltungs¬ geschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, 1983. Kirchgässner, Bernhard: Einführung in die Wirtschaftsgeschichte, 1979. Kottje, Raimund/Bernd Moeller (Hrsg.): Ökumenische Kirchengeschichte, Bd. 2: Mittelalter, 31983. Kroeschell, Karl: Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2: 1250-1650, 1973. Kühnei, Harry (Hrsg.): Alltag und Fortschritt im Mittelalter, (SbbÖsterAkadWiss, phil. hist. Kl. 470) Wien 1986. Leuschner, Joachim: Deutschland im späten Mittelalter, 1975. Leuschner, Joachim/Hartmut Boockmann: Europa im Hoch- und Spätmittelalter, (Studienbuch Geschichte 4) 1982. Lhotsky, Alphons: Geschichte Österreichs seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. 1281 bis 1358, Wien 1967. Maschke, Erich: Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirt¬ schaft und Gesellschaft, (VSWG Beiheft 68) 1980. Meuthen, Erich: Das 15. Jahrhundert, (Grundriß der Geschichte 9) 21984. Moraw, Peter: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490, (Propyläen Geschichte Deutschlands 3) 1985. -: Über Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im deutschen und europäischen Mittelalter. Ein Versuch, in: Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innova¬ tionen. Festschrift für Wolfgang von Stromer, Bd. 2, 1987, 583 ff. Patze, Hans (Hrsg.): Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, 2 Bde. (VortrrForsch 13/14) 1970/71. - (Hrsg.): Kaiser Karl IV. 1316-1378, 1978. - (Hrsg.): Die Grundherrschaft im späten Mittelalter. 2 Bde. (VortrrForsch 27), 1983. - (Hrsg.): Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, (VortrrForsch 31) 1987. Pitz, Ernst: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands im Mittelalter, (WissPaperbacks45) 1979. Quarthai, Franz/Wilfried Setzier (Hrsg.): Stadtverfassung — Verfassungsstaat — Presse¬ politik. Festschrift Eberhard Naujoks, 1980. Rosenfeld, Hans-Friedrich/Helmut Rosenfeld: Deutsche Kultur des Spätmittelalters, 1978. Schulze, Hans K.: Grundstrukturen der Verfassung im Mittelalter, 2 Bd., 1985/86. Seibt, Ferdinand (Hrsg.): Kaiser Karl IV., Staatsmann und Mäzen, 1978. -: Karl IV. Ein Kaiser in Europa, 1978. - (Hrsg.): Europa im Hoch- und Spätmittelalter, (Handbuch der europäischen Ge¬ schichte 2) 1987. Seibt, Ferdinand/Winfried Eberhard (Hrsg.): Europa 1400. Die Krise des Spätmittel¬ alters, 1984. -(Hrsg.): Europa 1500, 1987. Speväcek, Jiri: Karl IV., sein Leben und seine staatsmännische Leistung, 1978. Sprandel, Rolf: Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter, 1975.

Literatur

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Stromer, Wolfgang von: Oberdeutsche Hochfinanz 1350-1450, 3 Bde., (VSWG Beih. 55-57) 1970. Thomas, Heinz: Deutsche Geschichte des Spätmittelalters. 1250-1500, 1983. Voigt, Klaus: Italienische Berichte aus dem spätmittelalterlichen Deutschland (KielHistStud 17), 1973. Zeeden, Ernst Walter (Hrsg.): Großer Historischer Weltatlas. Teil 2. Mittelalter. Er¬ läuterungen, 1983.

1/1 Epochendefinition: Stephan Skaiweit, Der Beginn der Neuzeit, (Erträge der For¬ schung 178) 1982; Joachim Heinzle, Wann beginnt das Spätmittelalter?, ZfdtA 112 (1983) 207—223; Frantisek Graus, Epochenbewußtsein im Spätmittelalter und Pro¬ bleme der Periodisierung, in: Reinhart Herzog/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Epochen¬ schwelle und Epochenbewußtsein (Poetik und Hermeneutik 12), 1987, 153ff.; Klaus Schreiner, „Diversitas temporum“ - Zeiterfahrung und Epochengliederung im späten Mittelalter, in: Ebd., 381 ff.; Erich Meuthen, Gab es ein spätes Mittelalter?, in: Johan¬ nes Kunisch (Hrsg.), Spätzeit. Studien zu den Problemen eines historischen Epochen¬ begriffs, (HistForsch 42) 1990, 91 ff. Krisenbegriff: Randolph Starn, Historians and “Crisis”, Past and Present 52 (1971), 3 ff.; Frantisek Graus, Vom „Schwarzen Tod“ zur Reformation. Der krisenhafte Cha¬ rakter des europäischen Spätmittelalters, in: Peter Blickle (Hrsg.), Revolte und Revo¬ lution in Europa, (HZ Beiheft NF 4) 1975, 10ff.; Ferdinand Seibt, Zu einem neuen Begriff von der Krise des Spätmittelalters, in: Seibt - Eberhard (Hrsg.) (1984), 7ff. Agrarkrise: Wilhelm Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, 1966; Ders., Kon¬ junkturen und Krisen im Spätmittelalter, in: Festschrift Hermann Kellenbenz 1 (1978), 469ff.; Ders., Strukturen und Krisen der spätmittelalterlichen Wirtschaft, (QForschAgrarG 32) 1980. - Ernst Pitz, Die Wirtschaftskrise des Mittelalters, VSWG 52 (1965) 347ff.; Hartmut Hoffmann, Das Braunschweiger Umland in der Agrarkrise des 14. Jahrhunderts, DA 37 (1981), 162ff.; Otto Sigg, Spätmittelalterliche „Agrarkrise“. Aspekte der Zürcher Geschichte im Spannungsfeld von Sempacher Krieg und altem Zürichkrieg, SchweizZG 31 (1981) 121 ff. - (Lohn-Preis-Schere:) Leopold Genicot, La Crise Agricole du Bas Moyen Age dans le Namurois (Universite de Louvain. Recueil de Travaux d’Histoire et de Philologie, 4. Serie, Fase. 44) 1970; Ursula Hauschild, Studien zu Löhnen und Preisen in Rostock im Spätmittelalter, (QDarstHansG NF 11) 1973; Marie-Jeanne Tits-Dieuaide, La formation des prix cerealiers en Bra¬ bant et en Flandre au XV6 siede, Brüssel 1975; Ulf Dirlmeier, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oderdeutschen Städten des Spätmittelalters, (AbhhAkadWissHeidelberg, phil.-hist. Kl. 1978/1) 1978 (grundle¬ gend). Pest: Neithard Bulst, Der Schwarze Tod. Demographische, wirtschafts- und kultur¬ geschichtliche Aspekte der Pestkatastrophe von 1347-1352. Bilanz der neueren For¬ schung, Saeculum 30 (1979), 45 ff.; Berndl. Zaddach, Die Folgen des Schwarzen

292

Literatur

Todes (1347-51) für den Klerus Mitteleuropas, (FortschSozWirtschaftsG 17) 1971; Silvio Bücher, Die Pest in der Ostschweiz, 113. Neujahrsblatt, hrsg. von HistVerStGallen, St. Gallen 1979; Othmar Pickl, Die Auswirkungen des großen Sterbens auf die Sied¬ lungsstrukturen der Steiermark, in: Wirtschafts- und sozialhistorische Beiträge. Fest¬ schrift A. Hoffmann, Wien 1979; Otto Sigg, Spätmittelalterliche Agrarkrise. Aspekte der Zürcher Geschichte im Spannungsfeld von Sempacher Krieg und Altem Zürich¬ krieg, SchweizZsG31 (1981), 121 ff.; Hans-Peter Becht, Medizinische Implikationen der historischen Pestforschung am Beispiel des „Schwarzen Todes“ von 1347/51, in: Bernhard Kirchgässner/Jürgen Sydow (Hrsg.), Stadt und Gesundheitspflege, 1982, 78ff.; Amalie Fößel, Der Schwarze Tod in Franken 1348-1350, MittVerGStadtNürnberg 74 (1987), 1 ff. Gemeiner Mann-. Robert Hermann Lutz, Wer war der gemeine Mann? Der dritte Stand in der Krise des Spätmittelalters, 1979; Klaus Arnold, Freiheit im Mittelalter, Histjb 104 (1984), 1 ff. 1/2 Nationalgefühl-. Dietrich Kurze, Nationale Regungen in der spätmittelalterlichen Prohpetie, HZ 202 (1966), 1 ff.; Rainer Christoph Schwinges, „Primäre“ und „sekun¬ däre“ Nation. Nationalbewußtsein und sozialer Wandel im mittelalterlichen Böhmen, in: Europa Slavica - Europa Orientalis. Festschrift Herbert Ludat (Osteuropastu¬ dien 100) 1980, 490ff.; Frantisek Graus, Die Nationenbildung der Westslawen im Mittelalter, (Nationes 3) 1980; Paul Johansen - Heinz von zur Mühlen, Deutsch und undeutsch im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reval, Köln-Wien 1973; Heinz Thomas, Die Deutsche Nation und Martin Luther, in: HJb 105 (1985) 426ff.; Peter Moraw, Bestehende, fehlende und heranwachsende Voraussetzungen des deutschen Nationalbewußtseins im späten Mittelalter, in: Ehlers (Hrsg.) (1989), 99ff.; Eberhard Isenmann, Kaiser, Reich und deutsche Nation am Ausgang des 15. Jahrhunderts, in: Ehlers (Hrsg.), 146ff. Deutsche Nation: Alfred Schröcker, Die deutsche Nation. Beobachtungen zur poli¬ tischen Propaganda des ausgehenden 15. Jahrhunderts, (HistStud 426) 1974; Ulrich Nonn, Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation. Zum Nationen-Begriff im 15. Jahrhundert, ZHF 9 (1982), 129ff.; Ahasver von Brandt, Der Anteil des Nordens an der deutschen Geschichte im Spätmittelalter, in: Friedland/Sprandel, 36ff.; vgl. En¬ gel (Hrsg.), Großer Historischer Weltatlas Karte 41a/b mit Zeeden (Hrsg.), Erl. 175 ff. (Peter Hilsch, mit weiterer Lit.) zur Verbreitung deutscher Stadtrechte im Osten und Karte 42 mit Erl. 177ff. (Ludwig Erich Schmitt): Sprache in Europa um 1500. Sprache: Werner Besch, Sprachlandschaften und Sprachausgleich im 15. Jahrhun¬ dert, (Bibliotheca Germanica 11) 1967; Gerhard Pfeiffer, Beobachtungen zum Gebrauch der deutschen und lateinischen Sprache in der Nürnberger Ratskorrespondenz des 15. Jahrhunderts, in. Formen mittelalterlicher Literatur. Siegfried Beyschlag zu seinem 65. Geburtstag, (GöppingerArbbGermanistik25) 1970, 215ff.; Erich Straßner, Nürn¬ bergs Beitrag zur Entstehung der neuhochdeutschen Schriftsprache. Festschrift Ger-

Literatur

293

hard Pfeiffer, (JbFränkLdForsch 34/35) 1975, 234ff. (mit Forschungsreferat); Walter Hoffmann, Deutsch und Latein im spätmittelalterlichen Köln. Zur äußeren Sprach¬ geschichte des Kölner Geschäftsschrifttums im 14. Jahrhundert, RheinVjbll44 (1980) 117ff.; Willy Sanders, Sachsensprache, Hansensprache, Plattdeutsch, 1982; Früh¬ neuhochdeutsch. Zum Stand der sprachwissenschaftlichen Forschung, ZDtPhilol 106, Sonderband. „Deutsche lande“: Josef Köhler, Studien zum Problem des Regionalismus im späten Mittelalter (2 Teile), Diss. Würzburg 1971; Wilfried Ehbrecht, Stadtrechte und Ge¬ schichtslandschaft in Westfalen, in: Der Raum Westfalen6/2 (1987), 27ff.; Werner Paravicini (Hrsg.), Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, (KielHistStud 34) 1990. Grenze: Grenzbddende Faktoren in der Geschichte, (Historische Raumforschung 7 = VeröffAkadRaumforschLandesplanung Sbb 48) 1969.

(Raum und Grenzen

„Deutschlands“:) Engel (Hrsg.), Großer Historischer Weltatlas, Karte 114a: Deutsch¬ land zur Zeit Karls IV. mit dem Kommentar, in: Zeeden (Hrsg.), Erläuterungen, 288 ff. (Andreas Birken) sowie zur Veranschaulichung von „Grenze“ als breiterem Ubergangsraum ebd.: Karte 117b: Deutsch-französischer Grenzraum 1407; Wilhelm Haitisch, „Als weit das Römische reiche in allen den egenanten Tewtschen landen be¬ griffen ist“, ZRG GA 101 (1984), 47ff. Deutscher Orden: Hartmut Boockmann, Der Deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, 31989; Michael Burleigh, Prussian Society and the German Order. An Aristocratic Corporation in Crisis c. 1410-1466, Cambridge 1984. Eidgenossenschaft:

Richard

Feller/Edgar

Bonjour,

Geschichtsschreibung

der

Schweiz, 2Bde., Basel 1962; Hans Conrad Peyer, Die Entstehung der Eidgenossen¬ schaft, in: Handbuch der Schweizer Geschichte, 2Bde., Zürich 21980, Bd. 1, 163ff.; Hans Conrad Peyer, Verfassungsgeschichte der alten Schweiz, Zürich 1978; Jean Fran¬ cois Bergier, Die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz von den Anfängen bis zur Gegen¬ wart, Zürich 1983; Peter Moraw, Reich, König und Eidgenossen im späten Mittelalter, JbHistGesLuzern 4 (1986), 17ff. Niederlande: Algemene Geschiedenis der Nederlanden, Bd. IV, Haarlem 1980; Wim P. Blockmans, Stadt, Region und Staat: ein Dreiecksverhältnis - Der Kasus der Niederlande im 15. Jahrhundert, in: Seibt-Eberhard (1987), 211 ff. Geschichtsschreibung: Karin Runge, Die fränkisch-karolingische Tradition in der Geschichtsschreibung des späteren Mittelalters, Diss. Hamburg 1965; Alphons Lhotsky, Quellenkunde zur mittelalterlichen Geschichte Österreichs (MIÖG Erg.Bd. 19), 1963; Helmut Bräder, Stadtchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts als Be¬ standteil sich entfaltender bürgerlicher Ideologie, in: Autonomie . . . der Hansestädte, 205ff.; Ursula Moraw, Die Gegenwartschronistik in Deutschland im 15. und 16. Jahr¬ hundert, Diss. Heidelberg 1966; Erich Kleinschmidt, Die Colmarer DominikanerGeschichtsschreibung im 13. und 14. Jahrhundert, DA 28 (1972), 371 ff.; Jean-Pierre

Literatur

294

Bodmer, Chroniken und Chronisten im Spätmittelalter, (Monographien zur Schweizer Geschichte) Bern 1976; Andreas Kusternig, Erzählende Quellen des Mittelalters, 1982; Dieter Weber, Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor Mülich und die reichsstädtische Chronistik des Spätmittelalters, (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg, Bd. 30) 1984; Hans Patze (Hrsg.), Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, (VortrrForsch 31) 1987); Kurt Andermann (Hrsg.), Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der frühen Neu¬ zeit, 1988. II Kulturlandschaft: Wilhelm Müller-Wille, Die spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Kulturlandschaft und ihre Wandlung [Tagungsbericht], in: WissAbhhDtGeorgraphentag Würzburg 1957, Wiesbaden 1958; Hans Mortensen, Die mittelalterliche deutsche Kulturlandschaft und ihr Verhältnis zur Gegenwart, in: Ebd.; Helmut Jäger, in: Studi medievali 3a, 4 (1968), 1-54; ders., in: GeogrZs 1963, 90-142; ders.. Historische Geographie, 1969; Anneliese Krenzlin, Die Kulturlandschaft des hannoverschen Wendlands (ForschdtLdkde 28,4) 21969; Martin Born, Die Entwicklung der deutschen Agrarlandschaft, (Erträge der Forschung 29) 1974; Friedrich-Wilhelm Henning, Pha¬ sen der landwirtschaftlichen Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Ertragsverhältnisse, ZAgrarGAgrarSoz 30 (1982) 2ff.; Ulf Dirlmeier, Historische Umweltforschung aus der Sicht der mittelalterlichen Geschichte. Siedlungsforschung 6 (1988), 97ff. Intensivkulturen: Wim Blockmans, Verwirklichungen und neue Orientierungen in der Sozialgeschichte der Niederlande im Spätmittelalter, in: Wilfried Ehbrecht und Heinz Schilling (Hrsg.), Niederlande und Nordwestdeutschland, (Städteforschung A 15) 1983, 41 ff. Klima: Joachim Blüthgen, Allgemeine Klima-Geographie, 1964; Martin Parry, Climatic Change, Agriculture and Settlement, Hamden/Conneticut 1978. J

Bevölkerungsentwicklung: Bernd Herrmann/Rolf Sprandel (Hrsg.), Determinan¬ ten der Bevölkerungsentwicklung im Mittelalter, 1987. (Familienumschichtung:) Fritz Langenbeck, in: Namenforschung. Festschrift für Adolf Bach, 1965, 367ff. Siedlungen: Karl Heinz Schröder/Gabriele Schwarz, Die ländlichen Siedlungsfor¬ men in Mitteleuropa, (ForschdtLdkde 175) 21978; Eine stark generalisierte Typenkarte des bäuerlichen Anwesens in Mitteleuropa: Geographische Zeitschrift 62 (1974), 241 ff. Danach in: Gerhard Henkel (Hrsg.), Die ländliche Siedlung als Forschungsgegenstand der Geographie, (Wege der Forschung 616) 1983, 108ff., 122; GroßerHistWeltatlas Karten 96/97 a-m und Erklärungen, 166ff. mit weiterer Literatur (Karl Heinz Schröder). Wüstungen: Wilhelm Abel, Die Wüstungen des ausgehenden Mittelalters, 31976; Martin Born, Wüstungen und Sozialbrache, in: Erdkunde 22 (1968), 145ff.; Erich Neuss, Wüstungskunde des Mansfelder Kreises, 2 Bde., 1971; Martin Born, Siedlungs-

Literatur

295

gang und Siedlungsformen in Hessen, HessJbLdG22 (1972), 1 ff., bes. 27ff.; Rein¬ hold E. Lob, Wüstungsforschung in der CSSR und BRD. Ein Vergleich der For¬ schungsrichtungen, Methoden und Ergebnisse, Casopis Moravskeho Musea 61 (1976), 65— 77; Karl-Heinz Blaschke, Die Ursachen des spätmittelalterlichen Wüstungsvor¬ gangs - Beobachtungen aus Sachsen. Festschrift Wilhelm Abel, Bd. 1, 1974, 55ff. (Wüstungen als überzeitliche Erscheinung:) Walter Janssen, Studien zur Wüstungs¬ frage im fränkischen Altsiedelland zwischen Rhein, Mosel und Eifelnordrand, 2 Bde., 1975; Helmut Jäger/Walter Scherzer, Territorienbildung, Forsthoheit und Wüstungs¬ bewegung im Waldgebiet westlich von Würzburg, (MainfrStud 29) 1984; (Luizhausen:) Hermann Grees (Bearb.), in: Erich Otremba (Hrsg.), Atlas der deutschen Agrarland¬ schaft, Lfg. 2 Bl. IX. Verkehr: Hermann Kellenbenz, Die Wirtschaft in Deutschland, Italien und Frank¬ reich im 14. Jahrhundert, insbesondere ihre verkehrswirtschaftlichen Verflechtungen, in: Patze (Hrsg.), Bd. 1 (1970), 19ff.; Uta Lindgren (Hrsg.), Alpenübergänge vor 1850, Landkarten - Straßen - Verkehr, (VSWG Beiheft 83) 1987. - Friedrich Merz¬ bacher, Das Passauer Stapelrecht. Festschrift Heinrich Demelius, Wien 1973, 181 ff.; Erich Maschke, Die Brücke im Mittelalter, HZ 224 (1977), 265ff.; D. Ellmers, Schiffe der Hanse, in: Ausstellungskatalog Hanse in Europa; Brücke zwischen den Märkten. 12.—17. Jahrhundert, Köln 1973. (Botenwesen:) Lore Shorhan-Krempel, Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700, 1968. - (Schiffahrt:) Thomas Wolf, Tragfähigkeiten, Ladungen und Maße im Schiffsverkehr der Hanse vornehmlich im Spiegel Revaler Quellen, (QDarsthansG NF 31) 1986; Helge Bei der Wieden (Hrsg.), Schiffe und Seefahrt in der südlichen Ostsee, (MitteldtForsch 91) 1986; Heinz Stoob (Hrsg.), See- und Flußhafen vom Hochmittelalter bis zur Industrialisierung, (Städte¬ forsch A 24) 1986; Paul Heinsius, Das Schiff in der hansischen Frühzeit, (QDarstHansG NF 12) 21986. III Allgemein: Werner Rösener, Bauern im Mittelalter, 1985. - Karl Sigfried Bader, Stu¬ dien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes, 3 Bde., 1957-1973; Friedrich Lütge, Geschichte der deutschen Agrarverfassung vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, (Deutsche Agrargeschichte 3) 21967; Hans Jänichen, Wirtschafts¬ geschichte des schwäbischen Dorfes, 1970; Hugo Ott, Studien zur spätmittelalterlichen Agrarverfassung, (QuForschAgrarG 23) 1970; Wilhelm Abel, Landwirtschaft 1350 bis 1500, in: Aubin/Zorn (1971), 300ff.; Karl-S. Kramer, Grundriß einer rechtlichen Volkskunde, 1974; Siegfried Epperlein, Der Bauer im Bild des Mittelalters, 1975; Günther Franz, Geschichte des deutschen Bauernstandes vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, (Deutsche Agrargeschichte 4) 21976; ders. (Hrsg.), Deutsches Bauerntum im Mittelalter, (Wege der Forschung 416) 1976; Georges Duby, Die Land¬ wirtschaft des Mitteleuropas 700-1500, in: Carlo M. Cipolla (Hrsg.), Europäische Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter, 1978, 111 ff.; Wilhelm Abel, Geschichte der deutschen Landwirtschaft vom frühen Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, (Deutsche Agrargeschichte 2) 31978; Georg Droege, Gemeindliche Selbstverwaltung und Grund¬ herrschaft, in: Jeserich u. a. (Hrsg.), 193ff.; Hans Patze (Hrsg.), Die Grundherrschaft

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Literatur

im späten Mittelalter, 2Bde., (VortrrForscH 27) 1983; Roger Sablonier, Das Dorf im Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter. Untersuchungen zum Wandel ländlicher Gemeinschaftsformen im ostschweizerischen Raum. Festschrift Josef Fleckenstein, 1984, 727ff.; Bäuerliche Sachkultur des Spätmittelalters, (SbbÖsterrAkadWiss phil.hist. Kl. 439) Wien 1984; Wilhelm Janssen, Die Landwirtschaft in Kurköln im Spätmit¬ telalter, in: Kur-Köln. Land unter dem Krummstab, 1985, 24ff.; Hartmut Harnisch/ Gerhard Heitz, Deutsche Agrargeschichte des Spätfeudalismus, (Studienbibliothek DDR - GWiss 6) 1986. Bauernfurcht: Friedrich von Bezold, Die „armen Leute“ und die deutsche Literatur des späten Mittelalters, in: Ders., Aus Mittelalter und Renaissance, 1918, 56ff.; Volker Henn, Der Bauernspiegel des Werner Rolevinck „de regimine rusticorum“ und die so¬ ziale Lage westfähscher Bauern im späten Mittelalter, WestfälischeZ 128 (1978) 289ff. Gutsherrschaft: Hartmut Harnisch, Rechtsqualität des Bauernlandes und Grund¬ herrschaft, JbGFeudalismus 3 (1979) 331 ff. Leihe- und Besitzformen: Josef Hopfenzitz, Hubgericht — Hofgericht - Hubrecht. Eine Untersuchung zum mittelalterlichen bäuerlichen Besitzrecht in Oberdeutsch¬ land, ZAgrarGAgrarSoz 24 (1976), 8ff.; Walter Achilles, Die Entstehung des nieder¬ sächsischen Meierrechts nach Werner Wittich, ZAgrarGAgrarSoz 25 (1977), 145ff.; Manfred Balzer, Untersuchungen zur Geschichte des Grundbesitzes in der Paderborner Feldmark, (Munstersche Mittelalter-Schriften 29) 1977 (methodisch vorbildlich); Karl-Heinz Spieß, Teilpacht und Teilbauverträge in Deutschland vom frühen Mittelalter bis zur Neuzeit, ZAgrarGAgrarSoz 36 (1988) 228 ff. Grundrenten: Günter Zimmermann, Die Antwort der Reformatoren auf die Zehn¬ tenfrage, (Europ. Hochschulschr. Reihe 3, 164) 1982; Michael B. W. Geyer, Sozialund Besitzverhältnisse unter geistlicher und weltlicher Grundherrschaft, dargestellt an Besitzungen des Stifts Backnang und an drei Strohgaudörfern unter württembergischer Herrschaft im Zeitraum von 1350-1545, Diss. Stuttgart 1979; Walter Achilles, Überlegungen' zum Einkommen der Bauern im späten Mittelalter. ZAgrarGAgrarSoz 31 (1983), 5ff.; Werner Rösener, Der Strukturwandel der St. Galler Grundherrschaft vom 12. bis 14. Jahrhundert, ZGO 137 (1989), 91 ff. Leibeigenschaft: Le Servage, (Recueils de la Societe Jean Bodin2) Bruxelles 21959; Walter Müller, Entwicklung und Spätform der Leibeigenschaft am Beispiel der Hei¬ ratsbeschränkungen, (VortrForsch Sonderbd. 14) 1974; ders., Freie Gotteshausleute. Zur Problematik ständischer Benennungen in Quellen des 14.-17. Jahrhunderts, ZRG 92 (Germ.) 1975, 89ff.; Peter Blickle, Leibherrschaft als Instrument der Territo¬ rialpolitik im Allgäu. Grundlagen der Landeshoheit der Klöster Kempten und Ottobeuren, in: Wege und Forschungen der Agrargeschichte. Festschrift Günter Franz, 1967, 51 ff.; Gerhard Heitz, Zum Charakter der „zweiten Leibeigenschaft“, ZfG20 (1972) 24ff.; Helga Schultz, Bäuerlicher Klassenkampf und „Zweite Leibeigenschaft“, in: Der Bauer im Klassenkampf, 1975, 391 ff.; Karl S. Kramer, St. Blasius zu leibeigen, in: BayerJbVolkskde 1954, 141 ff.

Literatur

297

Klein- und unterbäuerliche Schichten: Hermann Grees, Unterschichten im Grund¬ besitz in ländlichen Siedlungen Mitteleuropas, in: Gerhard Henkel (Hrsg.), Die länd¬ liche Siedlung als Forschungsgegenstand der Geographie, (Wege der Forschung 616) 1983, 193 ff. Weistümer: Dieter Werkmüller, Über Aufkommen und Verbreitung der Weistümer, 1973; Peter Blickle (Hrsg.), Deutsche ländliche Rechtsquellen. Probleme und Wege der Weistumsforschung, 1977; Irmtraud Eder, Die saarländischen Weistümer. Doku¬ mente der Territorialpolitik, 1978; Pankraz Fried (Hrsg.), Ehaften des 16. Jahrhun¬ derts aus dem Herzogtum Pfalz-Neuburg, 1980; Dietmar Willoweit, Gebot und Ver¬ bot im Spätmittelalter, JbHessLdG 30 (1980) 94ff.; Reinhold Reis, Deutsches Privat¬ recht in den Weistümern der Zenten Schriesheim und Kirchheim, (Rechtshistorische Reihe 56) 1987. Gemeinde: Wilhelm Störmer, Ansatzpunkte politischer Willensbildung der Bauern¬ schaft im spätmittelalterlichen Schwaben, Franken und Bayern, in: ZsAgrarGAgrarSoz23 (1975), 165 ff.; Heide Wunder, Die bäuerliche Gemeinde in Deutsch¬ land, (Kl. Vandenhoeck-R 1483) 1986. - (Gemeinwerk, Nachbarschaft:) Arnold Nie¬ derer, Gemeinwerk im Wallis, Basel 1956; K. Baumgarten, Nachbarschaftshilfe beim ländlichen Hausbau in Mecklenburg, DtJbVdkde 13 (1967), 16ff. Bauernunruhen: Peter Blickle, Bäuerliche Erhebungen im spätmittelalterlichen Deutschen Reich, ZAgrarSoz27 (1979), 208ff.; ders. (Hrsg.), Aufruhr und Empö¬ rung? Studien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, 1980; Claudia Ulbrich, Agrarverfassung und bäuerlicher Widerstand im Oberrheingebiet, ebd. 30 (1982), 149ff.; Rolf Köhn, Der Bauernaufstand von 922 bzw. 992 in Thomas Lirers Schwäbi¬ scher Chronik: Fiktion, Realität und Projektion in einem Historienbuch des 15. Jahr¬ hunderts, ZGO 132 (1984), 57ff.; Peter-Johannes Schüler, Ungehorsam - Widerstand - Revolte. Neuere Forschungen zu bäuerlichen Unruhen am Ende des Spätmittelalters und in der Frühneuzeit, ZGO 132 (1984), 412ff.; Christian Dietrich, Die Stadt Zürich und ihre Landgemeinden während der Bauernunruhen von 1489 bis 1525, 1985.

IV Allgemein: Bibliographie zur Städtegeschichte Deutschlands, hrsg. von Erich Keyser, 1969; Wilhelm Rausch (Hrsg.), Bibliographie zur Geschichte der Städte Österreichs, Linz 1984; Brigitte Schröder/Heinz Stoob (Bearb.), Bibliographie zur deutschen historischen Städteforschung, Bd. 1, (Städteforsch Reihe B, 1) 1986. - Deut¬ scher Städteatlas, hrsg. von Heinz Stoob, 1973ff. - Wilhelm Rausch (Hrsg.), Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, Linz 1974; Joachim Kuropka/Helmut Lahrkamp (Hrsg.), Das Leben in der Stadt des Spätmittelakers, (SbbÖsterrAkadWiss hist.-phil. Kl. 325) Wien 1977; Wilhelm Rausch (Hrsg.), Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert, Linz 1972; ders. (Hrsg.), Die Stadt an der Schwelle der Neuzeit, Linz 1980; Carl Haase (Hrsg.), Die Stadt des Mittelalters; 3Bde., 1976-1984; Erich Maschke, Städte und Menschen. Beiträge zur Geschichte der Stadt, der Wirtschaft und der Gesellschaft

298

Literatur

1959-1977, (VSWG Beiheft 68) 1980; Werner Mägdefrau (Hrsg.), Europäische Stadt¬ geschichte im Mittelalter und früher Neuzeit, 1979; Josef Fleckenstein und Karl Stack¬ mann (Hrsg.), Über Bürger, Stadt und städtische Literatur im Spätmittelalter, (AbhhAkadWissGöttingen phil.-hist. Kl. 3, Folge 121), 1980; Gerd Wunder, Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216-1806, (ForschWürttFranken 16) 1980; Michael Mitterauer, Markt und Stadt im Mittelalter. Beitrag zur historischen Zentralitätsforschung, (MonogrGMal 21) 1980; Hartmut Boockmann, Spätmittelalter¬ liche deutsche Stadt-Tyrannen, BlldtLdG 119 (1983), 73 ff.; Bernhard Diestelkamp (Hrsg.), Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewesen, (Stadtforschung Reihe A 12) 1982; Gisela Möncke (Hrsg.), Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte mittelund oberdeutscher Städte im Spätmittelalter, (AusgewQu 37) 1982; Bernhard Diestel¬ kamp (Hrsg.), Beiträge zum spätmittelalterlichen Städtewesen, (Städteforsch Reihe A, Bd. 12) 1982; Michael Matheus, Trier am Ende des Mittelalters (TrierHistForsch 9) 1984; Alfred Haverkamp (Hrsg.), Haus und Familie in der spätmittelalterlichen Stadt, (Städteforschung Reihe A, 18) 1984; Eva-Maria Felschow, Wetzlar in der Krise des Spätmittelalters (QuForschhessG 63) 1985; Stadt im Wandel, 3 Bde., 1985; Erich Zöll¬ ner (Hrsg.), Österreichische Städte und Märkte in der Geschichte, Wien 1985; Hart¬ mut Boockmann, Die Stadt im späten Mittelalter, 1986; Bernhard Kirchgässner/Günter Scholz (Hrsg.), Stadt und Krieg, (Stadt in der Geschichte 15) 1989. - (Grundle¬ gende Gesamtdarstellung:) Eberhard Isenmann, Die deutsche Stadt im Spätmittelalter, 1988. Stadt und Stadtherr: Robert Jütte, Territorialstaat und Hansestadt im 14. Jahrhun¬ dert. Genese und Verlauf der Konflikte zwischen Landesherrn und Hansestadt am Bei¬ spiel der Städte Dortmund und Lüneburg nach dem Stralsunder Frieden von 1370, BeitrrGDortmundGrafschaftMark 73 (1981), 169ff.; Alfred Haverkamp, „Zweyunge, Zwist und Missehel“ zwischen Erzbischof und Stadtgemeinde in Trier im Jahre 1377, Kurtrierjb 21 (1981), 22ff.; Jürgen Sydow, Landesherrliche Städte des deutschen Süd¬ westens in nachständischer Zeit, in: Diestelkamp (1982), 18ff. Sozialtopographie-. Dietrich Deneke, Sozialtopographie und sozialräumliche Glie¬ derung der spätmittelalterlichen Stadt, in: Fleckenstein u. a. (Hrsg.): (wie IV.l), 1980, 161 ff.; Jürgen Ellermeyer, „Schichtung“ und „Sozialstruktur“ in spätmittelalterlichen Städten. Zur Verwendbarkeit sozialwissenschaftlicher Kategorien in der historischen Forschung, Geschichte und Gesellschaft 6 (1980), 125ff.; Ernst Piper, Der Stadtplan als Grundriß der Gesellschaft. Topographie und Sozialstruktur in Augsburg und Flo¬ renz um 1500, 1982; Johannes Cramer, Zur Frage der Gewerbegassen in der Stadt am Ausgang des Mittelalters, Die alte Stadt 11 (1984), 81 ff. Entwicklung der Ratsherrschaft: Knut Schulz, Die Ministerialität als Problem der Stadtgeschichte. Einige allgemeine Bemerkungen, erläutert am Beispiel der Stadt Worms, RhVjbll 32 (1968), 184ff.; Thomas Zotz, Bischöfliche Herrschaft, Adel, Mini¬ sterialität und Bürgertum in Stadt und Bistum Worms. 11.-14. Jahrhundert, in: Josef Fleckenstein (Hrsg.), Herrschaft und Stand, (VeröffMPIG 51) 1977, 92ff.; Josef Flekkenstein, Ministerialität und Stadtherrschaft. Ein Beitrag zu ihrem Verhältnis am Bei¬ spiel von Hildesheim und Braunschweig. Festschrift Helmut Beumann, 1977, 349ff.;

Literatur

299

Klaus Militzer/Peter Przybilla, Stadtentstehung, Bürgertum und Rat. Halberstadt und Quedlinburg bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, (VeröffMPIG 67) 1980; Horst Rabe, Frühe Stadien der Ratsverfassung in den Reichslandstädten bzw. Reichsstädten Ober¬ deutschlands, in: Diestelkamp (1982), lff. Stadt — Umland: Jürgen Köppke, Hildesheim, Einbeck, Göttingen und ihre Stadt¬ mark im Mittelalter. Untersuchungen zum Problem von Stadt und Umland, 1967; Eli¬ sabeth Raiser, Städtische Territorialpolitik im Mittelalter. Eine vergleichende Unter¬ suchung der verschiedenen Formen am Beispiel Lübecks und Zürichs, (Hist. Stud. 406) 1969; Erich Maschke/Jürgen Sydow (Hrsg.), Stadt und Umland, (VeröffKommGLdkde Baden-Württemberg 82) 1974; Hans Joachim Behr, Die Landgebiets¬ politik nordwestdeutscher Hansestädte, HansGBll94 (1976), 17ff.; Wilhelm Abel, Einige Bemerkungen zum Land-Stadt-Problem im Spätmittelalter, NachrrAkadWissGöttingen, phil.-hist. Kl. 1976 Nr. 1, 25ff.; Konrad Fritze, Bürger und Bauern zur Hansezeit. Studien zu den Stadt-Land-Beziehungen an der südwestlichen Ostseeküste vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, (AbhHandelsSozG 16) 1976; Rolf Kießling, StadtLand-Beziehungen im Spätmittelalter, ZBayerLG 40 (1977), 829ff. (Forschungs¬ bericht); Rautgundis Machalka-Felser, Stadt und Umland im Herrschafts- und Wirt¬ schaftsgefüge des Spätmittelalters, in: Die alte Stadt 6 (1979), 329ff.; Gerd Wunder, Reichsstädte als Landesherrn, in: Emil Meynen (Hrsg.), Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, (Städteforschung A 8) 1979, 79ff.; Wie¬ land Held, Das Volumen des Land- und Grundrentenbesitzes einiger bedeutender geistlicher Stiftungen und Klöster Erfurts bis 1440, JbRegionalG 8 (1981), 175 ff.; Ga¬ ston Gaudard/Carl Pf aff/Roland Ruffieux (Hrsg.), Fribourg: Ville etTerritoire depuis le Bas Moyen Age, Fribourg/Suisse 1981; Bernd Schneidmüller, Städtische Territorial¬ politik und spätmittelalterliche Feudalgesellschaft am Beispiel von Frankfurt am Main, BlldtLdG 118 (1982), 115ff.; Hartmut Kugler, Stadt und Land im humanistischen Den¬ ken, in: Heinrich Lutz (Hrsg.), Humanismus und Ökonomie, 1983, 159ff.; Neithard Bulst/Jochen Hoock/Franz Irsigler (Hrsg.), Bevölkerung, Wirtschaft und Gesell¬ schaft. Stadt-Land-Beziehung in Deutschland und Frankreich. 14. bis 19. Jahrhun¬ dert, 1983; Juliane Kümmell, Bäuerliche Gesellschaft und städtische Herrschaft im Spätmittelalter. Zum Verhältnis von Stadt und Land im Fall Basel/Waldenburg 1300 bis 1535, 21984; Hans K. Schulze (Hrsg.), Städtisches Um- und Hinterland in vorindu¬ strieller Zeit, (Städteforsch Reihe A, Bd. 22) 1985. - (Einwanderung in die Städte:) Adolf Bach, Deutsche Herkunftsnamen in sachlicher Auswertung, in: ders., Germa¬ nistisch-historische Studien, 1964, 375ff.; Karl-Heinz Spiess, Zur Landflucht im Mit¬ telalter, in: H. Patze (Hrsg.), Grundherrschaft, Bd. 1, 157ff. Zünfte: Rudolf Luther, Gab es eine Zunftdemokratie?, (Kölner Schriften zur Politi¬ schen Wissenschaft NF 2) 1968; Sigrid Fröhlich, Die soziale Sicherung bei Zünften und Gesellenverbänden, 1976; Michael Toch, Die Nürnberger Mittelschichten im 15. Jahrhundert, (Nürnberger Werkstücke 26) 1978; Friedrich Horsch, Die Konstanzer Zünfte in der Zeit der Zunftbewegung bis 1430, (KonstanzerGRechtsQu 23) 1979; Otto Gerhard Oexle, Die mittelalterlichen Gilden: ihre Selbstdeutung und ihr Beitrag zur Formung sozialer Strukturen, in: MiscMed 12/1 (1979), 203-226; Klaus D. Bechtold, Zunftbürgerschaft und Patriziat. Studien zur Sozialgeschichte der Stadt Kon-

300

Literatur

stanz um 14. und 15. Jahrhundert, (KonstanzerGRechtsQu 24) 1981; Rainer S. Elkar (Hrsg.), Deutsches Handwerk im Spätmittelalter und Früher Neuzeit, 1983; Berent Schwineköper (Hrsg.), Gilden und Zünfte im frühen und hohen Mittelalter, (VortrrForsch 29) 1985. - (Kleinstädte:) Harald Uhl, Handwerk und Zünfte in Eferding. Materialien zum grundherrschaftlichen Zunfttypus, (FontRerAustr III. Reihe Fontes Iuris 3) 1973; Karl Otto Bull, Zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte der württembergischen Amtsstadt Vaihingen an der Enz bis zum dreißigjährigen Krieg, ZWürttLdG 38 (1979), 97ff.; Wolfgang Herborn, Zunftwesen und Handwerk im Schatten einer Großstadt. Das Beispiel Deutz, RheinVjbll 45 (1981), 135ff. Gesellen: Wilfried Reinighaus, Die Entstehung der Gesellengilden im Spätmittel¬ alter, (VSWG Beiheft 71) 1981; ders. (Hrsg.), Quellen zur Geschichte der Handwerks¬ gesellen im spätmittelalterlichen Basel, (QuForschBaslerG 10) Basel 1982; Kurt Wesoly, Lehrlinge und Handwerksgesellen am Mittelrhein, ihre soziale Lage und ihre Organi¬ sation vom 14. bis ins 17. Jahrhundert, (StudFrankfurtG 18) 1985; Knut Schulz, Hand¬ werksgesellen und Lohnarbeiter. Untersuchungen zur oberrheinischen und oberdeut¬ schen Stadtgeschichte des 14.-17. Jahrhunderts, 1985. Die Frau in der städtischen Wirtschaft: Kurt Wesoly, Der weibliche Bevölkerungsan¬ teil in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Städten und die Betätigung von Frauen im zünftigen Handwerk (insbesondere Mittel- und Oberrhein), ZGO 128 (1980), 69ff.; Barbara Händler-Lachmann, Die Berufstätigkeit der Frau in den deut¬ schen Städten des Spätmittelalters und der beginnenden Neuzeit, HessJbLdG 30 (1980), 131 ff.; Stuart Jenks, Frauensiegel in Würzburger Urkunden des 14. Jahrhun¬ derts, ZbayerLdG45 (1982), 541 ff.; Margret Wensky, Die Stellung der Frau in der stadtkölnischen Wirtschaft im Spätmittelalter, (QuDarstHansG NF 26) 1980. Obrigkeit: Eberhard Naujoks, Obrigkeitsgedanke, Zunftverfassung und Reforma¬ tion. Studien zur Verfassungsgeschichte von Ulm, Esslingen und Schwäbisch Gmünd, 1958; Liselotte Constanze Eisenbart, Kleiderordnung der deutschen Städte zwischen 1350 und 1700, (Göttinger Bausteine 32) 1962; Friedrich Lütge, Die Preispolitik Mün¬ chens im hohen Mittelalter, in: ders., Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Gesammelte Abhandlungen, (ForschSozWirtschaftsG 5) 1963, 223ff.; Erich Maschke, „Obrigkeit“ im spätmittelalterlichen Speyer und in anderen Städten, ArchRefG 57 (1966), 7ff.; Hugo Wermelinger, Lebensmittelteuerungen, ihre Bekämpfung und ihre politischen Rückwirkungen in Bern, ArchHistVerKanton Bern 55 (1971); Eberhard Naujoks, Obrigkeit und Zunftverfassung in den südwestdeutschen Reichsstädten, ZWürttLdG 23 (1976), 53ff.; Ulf Dirlmeier, Obrigkeit und Untertan in den oberdeut¬ schen Städten des Spätmittelalters, in: Werner Paravicini/Karl-Ferdinand Werner (Hrsg.), Histoire comparee de l’administration, (Beiheft der Francia9) 1980, 437ff.; Bernhard Kirchgässner und Jürgen Sydow (Hrsg.), Stadt und Gesundheitspflege, (Stadt in der Geschichte 9) 1982. - (Verwaltung:) Georg von Below, Die städtische Verwaltung des Mittelalters als Vorbild der späteren Territorialverfassung, in: HZ 75 (1895), 457ff.; Klaus Wriedt, Das gelehrte Personal in der Verwaltung und Diplomatie der Hansestädte, HansGBll 96 (1978), 15ff.; Josef Rosen, Verwaltung und Ungeld in Basel 1360-1535, (VSWG Beiheft 77) 1986. - (Gemeiner Nutz:) Winfried Eberhard,

Literatur

301

Kommunalismus und Gemeinnutz im 13. Jahrhundert, in: Ferdinand Seiht (Hrsg.), Gesellschaftsgeschichte. Festschrift für Karl Bosl, Bd. 1, 1988, 271 ff.; Gerhard Dilcher, „Hell, verständig, für die Zukunft sorgend, die Zukunft bedenkend“. Zur Stellung und Rolle der mittelalterlichen deutschen Stadtrechte in einer europäischen Rechtsgeschichte, ZRG GA 106 (1989), 12 ff. Wirtschaft: Gerhard Nagel, Das mittelalterliche Kaufhaus und seine Stellung in der Stadt, südwestdeutsche Beispiele, 1971; Hektor Ammann, Die wirtschaftliche Stellung der Reichsstadt Nürnberg im Spätmittelalter, (NbgerForsch 13) 1970; Franz Irsigler, Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert, 1979; Wolf¬ gang Herborn/Klaus Militzer, Der Kölner Weinhandel. Seine sozialen und politischen Auswirkungen im ausgehenden 14. Jahrhundert, (VortrForsch Sonderband 25) 1980; Michael Toch, Die Nürnberger Mittelschichten im 15. Jahrhundert, (Nürnberger Werkstücke 26) 1978; Hildegard Weiss, Lebenshaltung und Vermögensbildung des „mittleren“ Bürgertums. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Reichs¬ stadt Nürnberg zwischen 1400-1600, (ZBayerLdG Beiheft 14) 1980. Klein- und Minderstädte: Rudolf Feld, Das Städtewesen des Hunsrück-Nahe-Raumes im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit. Untersuchungen zu einer Städteland¬ schaft, 1972; Wilhelm Krimpenfort, Der Grundbesitz der Landstädte in den Grenzen des späteren Herzogtums Preußen, 13.-17. Jahrhundert, (Marburger Ostforschun¬ gen 35) 1979. Kaufmann/Schrift: Ahasver von Brandt, Ein Stück kaufmännischer Buchführung aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts. Aufzeichnungen aus dem Detailgeschäft eines Lübecker Gewandschneiders, in: Friedland-Sprandel [IV.l], 308ff. Reichsstadt: Götz Landwehr, Die Verpfändung der deutschen Reichsstädte im Mit¬ telalter, 1967; Gerhard Pfeiffer, Die Entwicklung der Selbständigkeit der Reichsstadt Rothenburg bis zum Eintritt Heinrich Toppiers in die Politik, JbVerAlt-Rothenburg 1974/75, 5ff.; Eberhard Isenmann, Reichsstadt und Reich an der Wende vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, in: Josef Engel (Hrsg.), Mittel und Wege früher Verfas¬ sungspolitik, 1979, S. 9-223 (!); Peter Moraw, Reichsstadt, Reich und Königtum im späten Mittelalter, ZHF 6 (1979), 385 ff.; Ernst Voltmer, Reichsstadt und Herrschaft, (TrierHistForsch 1) 1981; Friedrich Bernhard Fahlbusch, Städte und Königtum im frühen 15. Jahrhundert, (Städteforschung Reihe A 17) 1983; Paul-Joachim Heinig, Reichsstädte, Freie Städte und Königtum 1389-1450, (VeröfflnstEuropG Abt. Universalg 108) 1983; Peter Moraw, Zur Verfassungsposition der Freien Städte zwischen König und Reich, besonders im 15. Jahrhundert, in: Res publica. Bürgerschaften in Stadt und Staat, (Der Staat, Beiheft 8) 1988, 11 ff. Stadtunruhen: Ernst Engelmann (Hrsg.), Städtische Volksbewegungen im 14. Jahr¬ hundert, 1960; Karl Czok, Die Bürgerkämpfe in Süd- und Westdeutschland im 14. Jahrhundert, JbGoberdtReichsstädte 12/13 (1966/67), 40ff.; Reinhard Barth, Ar¬ gumentation und Selbstverständnis in städtischen Auseinandersetzungen des Spät¬ mittelalters, 1974; Wilfried Ehbrecht, Form und Bedeutung innerstädtischer Kämpfe

302

Literatur

am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit: Minden 1405-1585, in: ders. [wie—» Patri¬ ziat], 1980, 115ff.; Ahasver von Brandt, Die Lübecker Knochenhaueraufstände von 1380/84 und ihre Voraussetzungen, in: Friedland-Sprandel (Hrsg.), 129ff.; Hartmut Boockmann, Eine Krise im Zusammenleben einer Bürgerschaft und ein „politologisches“ Modell aus dem 15. Jahrhundert, GWU 40 (1989), 732ff. Patriziat: Ingrid Bätory, Das Patriziat der deutschen Stadt. Zu den Forschungs¬ ergebnissen über das Patriziat besonders der süddeutschen Städte, in: Die alte Stadt, ZsStadtGStadtsoz 2 (1975), 1 ff.; Wolfgang Herborn, Die politische Führungsschicht der Stadt Köln im Spätmittelalter, (RheinArchiv 100) 1977; Carl-Hans Hauptmeyer, Vor- und Frühformen des Patriziats mitteleuropäischer Städte, in: Ebd. 6 (1979), 1 ff.; Wilfried Ehbrecht (Hrsg.), Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der wer¬ denden Neuzeit, 1980; Michel Guisolan, Aspekte des Aussterbens in politischen Füh¬ rungsschichten im 14. bis 18. Jahrhundert, Diss. Zürich 1981; Francois de Capitani, Adel, Bürger und Zünfte im Bern des 15. Jahrhunderts, Bern 1982; Bernhard Kirchgässner, Commercium et Connubium. Zur Frage der sozialen und geographischen Mobilität in der badischen Markgrafschaft des späten Mittelalters, in: Hans-Peter Becht (Hrsg.), Pforzheim im Mittelalter, (Pforzheimer GB11 6) 1983, 63ff.; Ulf Dirlmeier, Merkmale des sozialen Aufstiegs und der Zuordnung zur Führungsschicht in süddeutschen Städten des Spätmittelalters, in: Ebd., 77ff.; Heinz Schilling/Hermann Diederiks (Hrsg.), Bürgerliche Eliten in den Niederlanden und in Nordwestdeutsch¬ land. Studien zur Sozialgeschichte des europäischen Bürgertums im Mittelalter und in der Neuzeit, (Städteforsch A 23) 1985. - Oskar Pusch, Die Breslauer Rats- und Stadt¬ geschlechter in der Zeit von 1241 bis 1741, Bd. 1, 1986. — (Überlokale Heiratskreise:) Heinrich Reineke, Verwandtschaftliche Verflechtungen der führenden Geschlechter Hamburgs und Lüneburgs, ZNdsächsFamilienkde 30 (1955), 1 ff. - (Beispiele vertika¬ ler Mobilität:) Rautgundis Felser, Herkunft und soziale Schichtung der Bürgerschaft obersteirischer Städte und Märkte während des Mittelalters unter besondererBerücksichtigung der Bürger der Stadt Judenburg, (DissUnivGraz 38) 1977. Städtebünde: Jörg Füchtner, Die Bündnisse der Bodenseestädte bis zum Jahre 1390. Ein Beitrag zür Geschichte des Einungswesens, der Landfriedenswahrung und der Rechtsstellung der Reichsstädte, (VeröffMPIG 8) 1970; Werner Mägdefrau, Der Thü¬ ringer Städtebund im Mittelalter, Weimar 1972; Johannes Schildhauer, Der schwäbi¬ sche Städtebund — Ausdruck der Kraftentfaltung des deutschen Städtebürgertums in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, JbGFeudelismus 1 (1977) 187ff.; Konrad Ruser (Bearb.), Die Urkunden und Akten der oberdeutschen Städtebünde vom 13. Jahr¬ hundert bis 1549, 1979; Brigitte Bertold, Überregionale Städteprojekte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: JbGFeudalismus 3 (1979) 141 ff.; Helmut Maurer (Hrsg.), Kommunale Bündnisse Oberitaliens und Oberdeutschlands im Vergleich, (VortrrForsch 33) 1987; Konrad Ruser (Bearb.), Die Urkunden und Akten der ober¬ deutschen Städtebünde. 2 Bde. 1979-1988.

Literatur

303

V Allgemein: Rolf Sprandel, Gewerbe und Handel 1350-1500, in: Aubin/Zorn, 334ff.; Wolfgang Habermann, Der Getreidehandei in Deutschland im 14. und 15. Jahrhundert. Ein Literaturbericht, Scripta Mercaturae 11 (1977) und 12 (1978); Adolf Laube, Die Herausbildung von Elementen einer Handels- und Manufaktur¬ bourgeoisie und deren Rolle in der deutschen frühbürgerlichen Revolution, in: JbGFeudahsmus 1 (1977) 273ff.; Ekkehard Westermann (Hrsg.), Internationaler Och¬ senhandel. 1350—1750, (BeitrWirtschaftsG 9) 1979; Franz Irsigler, Die wirtschaftliche Stellung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrhundert, (VSWG Beih. 65) 1979; Wolfgang von Stromer, Gewerbereviere und Protoindustrien in Spätmittelalter und Frühneuzeit, in: Hans Pohl (Hrsg.), Gewerbe- und Industrielandschaften vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert, (VSWG Beih. 78) 1986, 39ff.; Rolf Sprandel, Das Eisengewerbe im Mittelalter, 1968; Rainer Stahlschmidt, Die Geschichte des eisenverarbeitenden Gewerbes in Nürnberg bis 1630, (Nürnberger Werkstücke 4) 1970. Wirtschaftsethik: Clemens Bauer, Diskussionen um die Zins- und Wucherfrage auf dem Konstanzer Konzil, in: Das Konzil von Konstanz, 1964, 174ff.; Peter Landau, Die Bedeutung des kanonischen Rechts in der Geschichte der Geldschuld, in: Gerhard Dilcher/Norberg Horn (Hrsg.), Sozialwissenschaft im Studium des Rechts, Bd. 4: Rechtsgeschichte, 1978, 165ff.; Theodor Mayer-Maly, Der gerechte Preis, in: Fest¬ schrift Heinrich Demelius, Wien 1973, 139ff.; Clemens Bauer, Kirche und Staat als treibende Kräfte im Abbau der mittelalterlichen Wirtschaftsethik, in: Ders., Gesam¬ melte Aufsätze, 1965, 233ff. Kredit: W. Taeuber, Geld und Kredit im Mittelalter, 1933 (Neudruck 1968); Werner Schultheiß, Beiträge zu den Finanzgeschäften Nürnberger Bürger vom 13. bis 17. Jahr¬ hundert, in: Archive und Geschichtsforschung. Festschrift Fridolin Solleder, 1966, 50ff.; Franz Irsigler, Juden und Lombarden am Niederrhein im 14. Jahrhundert, in: Alfred Haverkamp (Hrsg.), Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mit¬ telalters und der frühen Neuzeit, 1981, 122ff.; Arwed Biomeyer, Aus der Consilien¬ praxis zum kanonischen Zinsverbot, ZRG KA 97 (1980), 317ff. Könige, Fürsten und Kaufleute: Eva-Maria Engel, Finanzielle Beziehungen zwi¬ schen deutschen Königen und Stadtbürgern von 1250 bzw. 1314, JbWirtschaftsG 1975/ IV, 95 ff.; Wolfgang von Stromer, Bernardus Teotonicus und die Geschäftsbeziehun¬ gen zwischen den deutschen Ostalpen und Venedig vor Gründung des Fondaco dei Tedeschi, (Grazer ForschWirtschaftsSozialG 3) 1978, lff. Handelsformen: Walter Stark, Über Platz- und Kommissionshändlergewinne im Handel des 15. Jahrhunderts, in: Autonomie der Hansestädte (1984), 130ff.; Walter Stark, Untersuchungen zum Profit beim hansischen Handelskapital in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, (AbhhHandelsverkehrsG 24) 1985; Klaus Militzer, Wirt¬ schaftsleben am Niederrhein im Spätmittelalter, in: RheinVjbll49 (1985), 62ff.; Ludwig Schnurrer, Rothenburger Kaufleute als Wollieferanten nach Nürnberg, MittVerGStadtNürnberg 76 (1989), 35ff. - (Tonnenmaße:) Harald Witthöft, Umrisse einer

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Literatur

historischen Metrologie zum Nutzen der wirtschafts- und sozialgeschichtlichen For¬ schung, 2 Bde., (VeröffMPIG 60) 1979. Handelsgesellschaften: Aloys Schulte, Die Geschichte der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft 1380-1530, 1923; J. Strieder, Studien zur Geschichte kapitalisti¬ scher Organisationsformen, 21925; Wolfgang von Stromer, Die Nürnberger Handels¬ gesellschaft Gruber-Podmer-Stromer im 15. Jahrhundert, 1963; Hermann Kellenbenz, Art. >Handelsgesellschaft