Eine endliche Geschichte: Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen
 9783412213534, 9783412205881

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Eine endliche Geschichte

Visuelle Geschichtskultur He­raus­ge­ge­ben von Stefan Troebst In Verbindung mit Anders Åman, Steven A. Mansbach und László Kontler Band 5

Jutta Faehndrich

Eine endliche Geschichte Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

2011 BÖHL­AU VER­LAG KÖLN WEI­MAR WIEN

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Gedruckt mit Unterstützung des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas (GWZO) an der Universität Leipzig.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Collage von Katja Faehndrich

© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Druck und Bindung: Strauss GmbH, Mörlenbach Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-20588-1

Meinen drei Großmüttern

Inhalt

Danksagung............................................................................................................. XI 1.

Einleitung................................................................................................... Gewundene Wege zum Heimatbuch........................................................... Unter der kulturwissenschaftlichen Lupe...................................................

1 1 4

2.

Fragestellung, Forschungsstand, Methoden........................................... Das unbekannte Massenphänomen............................................................. Bibliographische Erfassung........................................................................ Leitfragen.................................................................................................... Erfassung der Inhalte.................................................................................. Verlusterfahrung und Erinnerung................................................................ Terminologie und Begrifflichkeiten............................................................ Forschungsstand..........................................................................................

6 6 7 10 10 13 17 20

3. 3.1 3.2 3.3 3.4

Theoretische Grundlagen......................................................................... Gedächtnis und Erinnerung......................................................................... Wissenschaftstrends und Gedächtnisboom................................................. Begriffsbestimmung.................................................................................... Die soziale Konstruktion von Erinnerung................................................... Gruppen als Träger kollektiver Erinnerung................................................ Heimat und ihr Verlust................................................................................ Heimatverlust und Zwangsmigration.......................................................... Gruppenbildung und Identität..................................................................... Die Vertriebenen als Erinnerungsgemeinschaft.......................................... Heimatbuch und kulturelles Gedächtnis..................................................... Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis............................................. Speicher- und Funktionsgedächtnis............................................................

25 25 25 26 28 30 32 35 37 39 41 41 42

4. 4.1 4.2 4.2.1

Das Heimatbuch: Entstehung und Aufstieg einer Schriftenklasse....... Geschichte und Tradition der Heimatkunde................................................ Entstehung der Heimatkunde im frühen 19. Jahrhundert........................... Heimatkunde im wilhelminischen Deutschland......................................... Die Hochphase der Heimatkunde in der Weimarer Republik..................... Geschichte und Typologie des Heimatbuchs.............................................. Die Entstehung des Heimatbuchs als Schriftenklasse................................. Regionale Schwerpunkte............................................................................. Heimatbuch und Bezirkskunde................................................................... Das Heimatbuch als Hausbuch................................................................... Leitfäden.....................................................................................................

44 44 45 48 50 53 53 54 55 56 57

VIII

Inhalt

4.2.2 4.2.3

Die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit................................................. Der Idealtypus Heimatbuch und seine Varianten........................................ Das Heimatbuch wird Mode: Die Brandstetter-Heimatbücher................... Heimatbücher nach 1945............................................................................ Heimatbücher in der Bundesrepublik......................................................... Heimatbücher in der DDR..........................................................................

59 60 62 64 64 65

5. 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5

Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen..................................... Neuanfang nach 1945.................................................................................. Referenzregionen und Herkunftsproporz.................................................... Konjunkturen und Charakteristika.............................................................. Neuausrichtung nach der Vertreibung......................................................... Funktionen der Heimatbücher im Erinnerungsprozeß................................ Der Erinnerungsrahmen der Bundesrepublik.............................................. Heimat im „erinnerungspolitischen Sog“................................................... Privatisierung der Erinnerung..................................................................... Erzählsperre zwischen den Generationen................................................... Ende der Blockkonfrontation...................................................................... Das Heimatbuch als Erinnerungsort und Erinnerungsanlaß....................... Das Heimatbuch als Mittel der Selbstdefinition und . Identitätssicherung...................................................................................... Erinnerung als kollektiver Prozeß............................................................... Speicherort des Gruppengedächtnisses....................................................... Das Gruppengedächtnis als Bindungsgedächtnis....................................... Vertriebenenidentität in der Bundesrepublik............................................... Das Heimatbuch als Medium der Tradierung............................................. Die Brücke über den „floating gap“............................................................ Wandel der Tradierungsfunktion................................................................. Tradierung von Vertriebenenidentität?........................................................ Kritische Betrachtung................................................................................. Rezeption in zweiter und dritter Generation?.............................................

69 69 69 72 77 79 80 81 84 85 86 87 89 90 91 95 96 98 98 100 103 110 111

6. 6.1 6.2

Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch............... Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung........................................ Schwankungs- und Konsolidierungsphasen................................................ Geschichte als Leitthema............................................................................ Heimat angesichts ihres Verlusts................................................................. Relevanzverlust nach der Vertreibung........................................................ Superkanon, Kanon, Semikanon: Was gehört ins Heimatbuch?................. Themenschwerpunkte nach Herkunftsregionen.......................................... Veränderungen im Verlauf der Nachkriegszeit........................................... Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich................................ Einführung: Geschichte und Geschichten . ................................................

116 116 116 118 119 120 122 123 125 128 128

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4

Inhalt

Charakteristika der Werke nach Herkunftsregionen................................... Ehemalige deutsche Ostgebiete.................................................................. Ostpreußen.................................................................................................. Ostpommern und Ostbrandenburg.............................................................. Schlesien..................................................................................................... Deutsche aus Polen..................................................................................... Sudetendeutsche.......................................................................................... Deutsche aus Südosteuropa......................................................................... Donauschwaben.......................................................................................... Siebenbürger Sachsen................................................................................. Bessarabiendeutsche................................................................................... Zweiter Weltkrieg und Vertreibung in südosteuropadeutschen . Werken........................................................................................................ Fundierende Mythen der Südosteuropadeutschen...................................... Regionale Mythen der Südosteuropadeutschen.......................................... Rückkehrhoffnung und Integration............................................................. Autostereotype im Vergleich....................................................................... Erinnerungsfiguren, Topoi und Diskurse: Tiefenbohrungen im . Heimatbuch................................................................................................. Geschichtsbilder.......................................................................................... Epochenkonjunkturen................................................................................. „Besiedlungsgeschichte“ als fundierender Mythos..................................... Ostkolonisation und „Kulturüberlegenheit“................................................ Zweiter Weltkrieg, Nationalsozialismus und Holocaust im . Heimatbuch................................................................................................. „Saubere Wehrmacht“ an der Front, die Heimat „wie im . tiefsten Frieden“: der Zweite Weltkrieg...................................................... „So wie überall“: Nationalsozialismus im Heimatbuch . ........................... „Ohne nennenswerte Schäden“: Judenverfolgung und . Holocaust.................................................................................................... Fortgesetzter „Ausschluß aus der Volksgemeinschaft“............................... Blick nach nebenan: NS-Geschichte im bundesdeutschen . Heimatbuch................................................................................................. Vergleiche, Superlative, Relativierungen: Positionierung im . Opferdiskurs................................................................................................ Die Vertreibung im Heimatbuch................................................................. Wie der Diskurs gehärtet wurde: Sudetendeutsches „historical . engineering“................................................................................................ Deutsch-böhmische und deutsch-mährische . Zwischenkriegswerke.................................................................................. Erste sudetendeutsche Nachkriegswerke.................................................... Diskursmuster: Von der Pluralität zum einheitlichen . Geschichtsbild.............................................................................................

IX

131 132 132 135 139 143 146 152 153 155 158 161 162 167 168 169 171 172 172 174 174 178 179 180 183 188 190 191 193 197 198 200 202

X

6.3.5 6.3.6 6.4 7.

Inhalt

Allmähliche Diskursverdichtung................................................................ Zeitgeschichtsbilder.................................................................................... Geschichtsfiktionen und Diskursverhärtung............................................... Zwischen fact und fiction............................................................................ Nach der Vertreibung.................................................................................. „Sonst ist alles wie früher, nur nicht so gepflegt“: . Wiedersehen mit der Heimat....................................................................... Heimatverlust als Modernisierungsschub und -schock............................... Ein neuer fundierender Mythos für die Bekenntnisgeneration?................. Bilderwelten im Heimatbuch...................................................................... Mental Maps............................................................................................... Fazit.............................................................................................................

204 206 208 210 211

Schlußbemerkungen................................................................................. Das Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch...................................... Gelungene Tradierung: Memorialbücher anderer Gemeinschaften............ Das Vertriebenenheimatbuch als Schriftenklasse....................................... Ausblick – Eine endliche Geschichte..........................................................

238 238 243 245 252

Verzeichnis der Heimatbücher................................................................................ Literaturverzeichnis................................................................................................ Abbildungsverzeichnis............................................................................................ Personenregister...................................................................................................... Ortsregister..............................................................................................................

254 277 293 295 300

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Danksagu ng

Ohne die Hilfe zahlreicher Menschen wäre diese Arbeit wohl nie geschrieben und vor allem nie beendet worden. An dieser Stelle gilt mein Dank all jenen, die mich immer wieder zum Weitermachen ermuntert haben ebenso wie Freunden und Kollegen, die für Fragen und Wünsche stets ein offenes Ohr hatten. Klaus Christian Köhnke verdanke ich nicht nur eine im besten Sinne des Wortes profunde akademische Ausbildung, sondern überhaupt den ersten Kontakt mit dem Thema. Es ist nicht eben selbstverständlich, daß er mich mit „seinen“ Heimatbüchern eigene Wege gehen und schließlich mit allen besten Wünschen nach Erfurt ziehen ließ. Wolfgang Kessler erfüllte mir nicht nur sämtliche Ausleihwünsche aus den Beständen der Martin-Opitz-Bibliothek, sondern stand auch mit großer Geduld und Sachkenntnis für nicht endenwollende Fragen zur Verfügung. Mathias Beer, dessen Tübinger Tagung dem ganzen Unternehmen neuen Schwung verlieh, gewährte mir unbürokratisch Einsicht in die Tagungsbeiträge und beantwortete ebenso zahlreiche Fragen. Claudia Kraft, die diese Arbeit von Anfang an mit Interesse und Anregungen begleitet hat, erklärte sich angesichts meines Wunsches, das Ganze an einer historischen Fakultät einzureichen, spontan und mit Freude und Engagement zur Betreuung bereit. Dafür gilt ihr, ebenso wie Alf Lüdtke, der sich kurzerhand als Zweitgutachter zur Verfügung stellte, mein besonderer Dank. Anregende Gespräche, gute Hinweise, Ermutigungen und vielerlei Denkanstöße verdanke ich auch Adrian von Arburg, Mathias Berek, Ellen Betram, Lisa Fendl, Ulrike Frede, Hans Henning Hahn, Henrike Hampe, Harald Homann, Anna Lipphardt, Jana Pospíšilová, Jörg Räuber, Jörg Schumacher, Hannes Siegrist, Henning Steinführer sowie den Teilnehmern der Tagungen zu schlesischen Erinnerungsorten in Jauernick bei Görlitz 2004 und zum Heimatbuch in Tübingen 2007. Renate und Georg Weber ebenso wie Johann Tittenhofer und Helmut Kelp habe ich für bereitwillige Auskünfte und Einblicke in Arbeitsweise und Motivation der Autoren von Heimatbüchern zu danken. Nicht zuletzt sei Stefan Troebst für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Visuelle Geschichtskultur“ sowie dem Böhlau Verlag und seinem Lektor Harald S. Liehr für die kompetente Betreuung des Buches herzlich gedankt. Gaby, Jürgen und Katja Faehndrich, Wolfgang Kessler, Ronnie Niedermeyer und Andreas R. Hofmann haben den Text ganz oder in Teilen gelesen, mit klugen Anmerkungen versehen und zahlreiche Fehler korrigiert. Für alle noch verbleibenden Fehler bin ich leider allein verantwortlich. Zuletzt meinen Eltern und Andreas Danke für Alles.

1.   Einleitung Gewundene Wege zum Heimatbuch Den Anstoß zu dieser Arbeit gab eine außerplanmäßige wissenschaftliche Abweichung, eine jener Schleifen im Denken, die vielleicht die Forschung gerade deswegen weiterbringen, weil sie nicht vorhersehbar sind. Innerhalb eines Sonderforschungsbereiches, der unter dem Titel „Regionenbezogene Identifikationsprozesse. Das Beispiel Sachsens“ als SFB 417 im Jahr 1999 an der Universität Leipzig aus der Taufe gehoben wurde, sollte ich mich als Doktorandin mit besagten regionenbezogenen Identifikationsprozessen am Beispiel der Schriftenklasse „Heimatbuch“ beschäftigen. Aus der bisherigen Forschung zum Thema hatte sich die Vermutung ergeben, daß die „Heimaten“, mit denen Menschen sich identifizieren, möglicherweise viel kleinräumiger sein könnten als eine Region wie Sachsen. Aus vielerlei Gründen war dem SFB nur eine kurze erste Projektphase von drei Jahren beschieden, die zweite Phase, in der mein Promotionsprojekt angegangen werden sollte, kam nicht mehr zustande. Kurzfristig sprang das Land Sachsen ein und bewilligte ein zweijähriges Promotionsstipendium, doch ohne den geplanten Forschungsverbund änderte sich notgedrungen die Perspektive. Meine Arbeit geriet in eine Art Schwebezustand. Gleichzeitig fing ich an, einfach das zu tun, was im Projektablauf vorgesehen war: mich mit Heimatbüchern zu beschäftigen. Dabei stellte sich heraus, daß ein erheblicher Anteil der Werke, die als Vorbereitung des Projektes in einer umfangreichen bibliographischen Datenbank gesammelt worden waren, sich mit einer Heimat beschäftigte, die den Autoren dieser Bücher nach 1945, meist unter dramatischen Umständen, abhanden gekommen war: Heimatbücher von Vertriebenen. Beim Versuch, Orte wie Sackelhausen, Kleinsanktpeter, Gnadental, Treuburg, Deutschbentschek oder Untertannowitz auf der Landkarte zu finden, merkte ich, daß all diese Orte – ob nun in Ostpreußen, Schlesien, Pommern oder in Südosteuropa von der Batschka bis Bessarabien – für mich im wahrsten Sinne des Wortes böhmische Dörfer waren. Ich hatte keine Ahnung, welche abgelegenen Winkel Europas Menschen deutscher Muttersprache zur Heimat gehabt hatten und nach 1945 verlassen mußten. So begann ich mich nicht nur durch die Heimatbücher, sondern auch durch ganz unterschiedliche historische Landschaften zwischen Pregel und Pruth zu lesen. Wobei der Leser seinen Vertrautheitsgrad mit diesen Regionen daran messen kann, ob er eben Pregel und Pruth auf Anhieb auf der Karte findet, oder ob diese beiden Flüsse, an denen nebenbei bemerkt Königsberg und Czernowitz liegen, für ihn ebenso wie wohl für die Mehrzahl selbst geographisch und kulturhistorisch interessierter Deutscher durch weitgehende Terra incognita fließen. Trotzdem oder vielleicht gerade weil ich mit diesen Regionen bisher wenig Berührung gehabt hatte, erschienen mir die Heimatbücher der Vertriebenen unendlich viel interessanter als schwäbische, rheinische oder sächsische, über die damit keineswegs ein abwertendes Urteil gefällt werden soll. Ich fand lediglich die Frage nach der Dar-

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Einleitung

stellung einer verlorenen Heimat im Heimatbuch um vieles spannender. So wurden die Heimatbücher von deutschen Vertriebenen als Ausdrucksmittel einer Kultur des Erinnerns an Verlorenes zum Thema meiner Arbeit. Daß viele der Themen, an deren Schnittstelle das Heimatbuch liegt, in den letzten Jahren geradezu in den Sog einer Modewelle geraten sind – ob Flucht und Vertreibung, Erinnerung und Gedächtnis, Trauma oder Tradierung – erschien mir zuweilen eher hinderlich, und diese Arbeit ist jedenfalls nicht das Ergebnis einer möglichst marktgerechten Themenwahl. Die weißen Flecken auf meiner ostmitteleuropäischen Landkarte füllten sich während der Beschäftigung mit den Heimatbüchern der Vertriebenen allmählich. Gelegentlich merke ich erstaunt, wieviel historische und geographische Kenntnisse mir im Laufe der Zeit aus dieser Arbeit quasi beiläufig zugewachsen sind. Heute verfüge ich über einen aktiven Wortschatz deutscher Toponyme in Ostmitteleuropa von A bis Z, und so sind Altvaterland, Baranja, Burzenland, Eulengebirge, Glatzer Bergland, Grulicher Ländchen, Hauerland, Heideboden, Kaschubische Schweiz, große und kleine Kokel, Neumark, Ofener Bergland, Samland, Schwäbische Türkei, Thayaboden, Zobten oder Zips für mich nicht mehr nur klingende, aber bedeutungslose Namen. Auch wenn ihre Nennung mir immer noch vor allem ästhetisches Vergnügen bereitet, wie man an dieser Zusammenstellung merken mag. Da man auf heutigen Landkarten die meisten dieser deutschen Bezeichnungen vergeblich sucht, lernte ich en passant auch ungarische, polnische, tschechische, slowakische, russische, serbische, kroatische, rumänische und ukrainische Toponyme und Landesgeschichte. Man erahnt das Faß ohne Boden. Mein größtes Vergnügen ist und bleibt jedoch, bei Begegnungen mit Menschen, deren deutsche Wurzeln irgendwo außerhalb des heutigen Staatsgebiets liegen, mein Gegenüber mit meinem Wissen über seine Heimat zu verblüffen. Das stets gleiche ungläubige Staunen über eine junge Frau, die tatsächlich mit dem entlegenen Geburtsort der Gegenseite etwas anfangen kann, spricht bereits Bände über den Stellenwert dieser Landschaften im deutschen kulturellen Gedächtnis der Nach-Jahrtausendwende – doch führt uns dies schon tiefer in die Materie, als an dieser Stelle nötig. Jedenfalls kann man nicht behaupten, ich hätte nichts gelernt von den Heimatbüchern. Diese Arbeit ist aber auch eine Geschichte der Auseinandersetzung mit dem Heimatbuch im ganz wörtlichen Sinne. Zwischen mir und meinem Forschungsgegenstand herrschte nicht immer ungetrübte Harmonie, im Gegenteil. Im Jahre 1967 war die Fachwelt perplex über das posthum veröffentlichte Tagebuch des berühmten Ethnologen Bronisław Malinowski. Er hatte es während seiner Feldforschung auf den Trobriand-Inseln geführt, über die er dann 1922 seinen Bestseller und Meilenstein der modernen Ethnologie schrieb, „Argonauten des westlichen Pazifiks“. Geschockt war man deswegen, weil Malinowski, der Begründer der teilnehmenden Beobachtung und Pionier der Feldforschung, in diesem Tagebuch aufs heftigste über seinen Forschungsgegenstand vom Leder zog. Er klagte, daß ihm die Eingeborenen fürchterlich auf die Nerven gingen und wie sehr er das Leben als teilnehmender Beobachter auf einer Südseeinsel leid sei. Insofern darf ich mich in bester Gesellschaft fühlen,



Einleitung

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Abb. 1  Verlorene Heimaten im Heimatbuch1

wenn ich zugebe, daß ich zeitweilig mit ähnlich negativen Gefühlen gegenüber meinem Forschungsgegenstand zu kämpfen hatte. Die Heimatbücher haben es mir nicht immer leicht gemacht, ja sich mitunter heftig widersetzt, oder vielleicht zutreffender formuliert, heftigen Widerstand in mir ausgelöst. Die Art dieses Widerstandes kann man vielleicht am besten an einem Beispiel erklären. Eines der ersten Vertriebenenheimatbücher, das ich am Anfang meiner Arbeit in der Deutschen Bücherei in Leipzig nach dem Zufallsprinzip bestellte, behandelte einen kleinen Ort unweit der mährischen Landeshauptstadt Brünn in Tschechien. Am Abend zuvor hatten wir eine tschechische Kollegin aus Brünn mit ihrem Mann zu. . 1 Kartengrundlage von Wikipedia, lizensiert unter Creative Commons (CC-BY-SA 3.0), , Urheber: San Jose.

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Einleitung

Gast gehabt. Ich saß also im Lesesaal mit einem Buch, das mich, je mehr ich las, immer heftiger mit den darin enthaltenen wüsten antitschechischen Schmähreden und der Verherrlichung der NS-Besatzer als „Befreier vom Tschechenjoch“ abstieß. Als ich von meiner Lektüre aufblickte, sah ich unsere Gäste vom Vorabend, die den historischen Lesesaal der Deutschen Bücherei besichtigen wollten und mich sogleich an meinem Platz entdeckten. Während sie interessiert meine Lektüre musterten und sich freuten, daß ich ein Buch über ihre Heimatgegend las, hoffte ich inständig, daß sie mich nicht nach dessen Inhalt fragen würden. Selten fand ich meinen Forschungsgegenstand unangenehmer als in diesem Moment. Doch nicht nur die „Rhetorik des Kalten Krieges“, wie ich es künftig eher neutral zu formulieren versuche, machte mir zu schaffen. Zu schaffen machte mir auch die lückenhafte bibliographische Erfassung und schlechte Verfügbarkeit der Werke in Bibliotheken, die leider nicht alle wie dieses mährische Werk in der Leipziger Dependance der heutigen Deutschen Nationalbibliothek zu haben waren. Den Einblick in geschätzt über 200 Heimatbücher im Verlauf dieser Arbeit habe ich daher auch der mehr als großzügigen Ausleihpolitik von Institutionen wie der MartinOpitz-Bibliothek in Herne zu verdanken, die mir die gewünschten Bücher gleich kistenweise schickte. Als großes Problem erwies sich aber auch die schon erwähnte rein deutschsprachige Benennung und Verortung der Heimatgegenden. Tage und Wochen verbrachte ich allein mit dem Versuch, die in den Werken beschriebenen, zum Teil winzigen Orte zu lokalisieren, was mir ohne die heute verfügbaren Internetportale wie. Wikipedia, GoogleMaps oder den Shtetlseeker von JewishGen, der Plattform. für jüdische Familienforschung, der in seiner Datenbank die Ortsnamen selbst kleinster Dörfer in den Sprachen aller ihrer Einwohnergruppen enthält, nie gelungen wäre. Später begriff ich die Ursachen dieser Widerstände als charakteristisch für das Vertriebenenheimatbuch, und so werden viele der hier nur angedeuteten Eigenarten dem Leser im Hauptteil der Arbeit wiederbegegnen. Vor allem aber lernte ich das Heimatbuch als ein extrem vielfältiges und vielgestaltiges, bisweilen auch anarchisches Phänomen kennen, das noch weit mannigfaltiger ist als die unterschiedlichen historischen Landschaften, die darin porträtiert werden. Meine Arbeit ist ein grundlegender Versuch, dieses komplexe Phänomen faßbar zu machen. Zwangsweise kann es dabei nicht ohne Verallgemeinerungen und Vergröberungen abgehen, was der Leser stets bedenken und nicht als Verzerrung wahrnehmen möge.

Unter der kulturwissenschaftlichen Lupe Das Vertriebenenheimatbuch ist gleichermaßen ein Schnittpunkt ganz unterschiedlicher thematischer Stränge, die als solche für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen von Interesse sind. Diese sollen hier gerade nicht streng getrennt werden, sondern das facettenreiche Phänomen „Heimatbuch“ so weit wie möglich als Ganzes behandelt werden.



Einleitung

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Da ist zum einen seine Form: das Heimatbuch als Medium, vielleicht sogar als Gattung oder als Schriftenklasse, wie im weiteren bevorzugt gesagt werden wird.2 Diese Schriftenklasse hat durchaus eine eigene Geschichte, die lange vor 1945 begann und für die Vertriebenen nicht ohne Bedeutung war. Ihre Inhalte wiederum kann man aus soziologischer, historischer, literaturwissenschaftlicher, kulturanthropologischer oder auch regionalkundlicher Perspektive betrachten – vermutlich noch aus einigen mehr. Als disziplinenübergreifende Zugangsweise, um das Heimatbuch in seiner ganzen Komplexität in den Blick zu nehmen, bietet sich hier die Kulturwissenschaft an, die Kultur nicht mehr nur als Hochkultur, sondern als „natura altera“ des Menschen, als Gesamtheit menschlicher Lebensäußerungen und symbolischer Sinnwelten versteht, und noch dazu methodisch flexibler als die Einzeldisziplinen ist. So können die Heimatbücher zum Beispiel darüber Auskunft geben, wie die Erfahrung des erzwungenen Heimatverlusts in ihnen be- und verarbeitet wird. Denn die in der Regel kollektive Autorschaft bringt es mit sich, daß das Sich-Erinnern im Heimatbuch auf sichtbare Weise gemeinsam abläuft. Dieser Aspekt reicht aus der Soziologie und Kulturanthropologie hinein in diejenigen Bereiche von Kulturtheorie, die sich mit der Funktion und Tradierung von Gedächtnis und Erinnerung beschäftigen. Auf soziologischer Ebene sind die Vertriebenen ein hochinteressantes Beispiel einer Gruppe mit gemeinsamer Herkunft und Erfahrung, über deren Identität und Integration in der Nachkriegsbundesrepublik die Heimatbücher uns einiges sagen können. Genauso können sie aus zeitgeschichtlicher Sicht zum Verständnis der Vertriebenen in der Bundesrepublik beitragen, vielleicht sogar die Frage klären helfen, was vom Kulturerbe des ehemaligen deutschen Ostens nach der Vertreibung überhaupt übriggeblieben ist. Nicht zuletzt geht es in den Büchern vor allem um Heimat – diese so deutsche und irgendwie schwer faßbare Gemengelage von Herkunft, emotionaler Identifikation und geographischem Raum. Zuguterletzt sei noch hinzugefügt, was diese Arbeit nicht ist: sie ist weder ein Beitrag zur „historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete“, auch wenn ich nach Kräften versucht habe, diese wo möglich miteinzubeziehen, noch ist sie eine Heimatbuch-Bibliographie, selbst wenn der bibliographische Anhang durchaus ansehnlich daherkommt. Für diese Zwecke sei auf die Arbeit von Wolfgang Kessler verwiesen, die zwar schon fast dreißig Jahre alt ist, aber auch hier immer wieder als Standardwerk hinzugezogen werden wird. Ebensowenig ist dies eine zeitgeschichtliche oder gar literaturwissenschaftliche und auch keine ostmitteleuropahistorische Arbeit – sondern eine kulturwissenschaftliche.

2 Der Begriff ist bibliographischen Ursprungs, vgl. Helmut Allischewski: Retrieval nach Preußischen Instruktionen. Darstellung der Recherche-Probleme in ‚preußisch‘ geführten Katalogen anhand einer Systematik der Schriftenklassen, Wiesbaden: Reichert 1982, S. 22: „Schriftenklassen fassen Druckschriften nach gemeinsamen charakteristischen Merkmalen zusammen; die Schriftenklassen selbst bilden größere Gruppen nach bestimmten Kriterien, z.B. nach der Verfasserschaft, der Erscheinungsweise, der Gestaltung des Buchblocks, dem Inhalt und den korporativen Trägern.“

2 .   F r agestellung, Forschungsstand, Methoden Das unbekannte Massenphänomen Das Heimatbuch ist ein Massenphänomen der Heimat- und Regionalliteratur des deutschen Sprachraums, das bisher kaum erforscht worden ist. Wer „Heimatbuch“ im Online-Katalog der Deutschen Nationalbibliothek eingibt, sieht sich mit über 2.500 Treffern konfrontiert. Das Zentrale Verzeichnis antiquarischer Bücher (ZVAB), größte deutschsprachige Antiquariatsplattform im Internet, spuckt bei der Suche nach „Heimatbuch“ gar mehr als 10.000 Einträge aus. Auch wenn von diesen natürlich viele mehrfach angeboten werden, so wird doch unmittelbar klar, daß das Heimatbuch keine publizistische Randerscheinung ist. Sucht man dagegen nach wissenschaftlicher Literatur zur Erklärung dieser Massenerscheinung, fällt das Ergebnis mehr als mager aus. Ein Blick auf die Trefferlisten der Heimatbuch-Suche bringt schon auf den ersten Seiten zahlreiche Werke zum Vorschein, die von Heimat nur in der Vergangenheitsform und in der Erinnerung sprechen – von „unvergessener Heimat“, „Aufstieg und Niedergang“, „Werden und Vergehen“. Ein großer Teil der mehreren tausend Heimatbuchtitel, so stellt sich heraus, handelt über verlorene Heimaten, geschrieben nach 1945 von deutschen Vertriebenen, die ihre Heimat in der Folge des Zweiten Weltkriegs verlassen mußten. Wie jene ganz regulären Bücher über Orte und Gegenden, die für ihre Autoren unbestrittene Heimat sind und waren, sind die Vertriebenenheimatbücher zwar ebenfalls ein Massenphänomen, jedoch eines ohne zugehörige regionale Öffentlichkeiten und fern der beschriebenen Heimat. Um diese Bücher der verlorenen Heimaten soll es im Folgenden gehen. Was aber ist eigentlich ein Heimatbuch? Ein Heimatbuch ist zunächst bei der Verschlagwortung in deutschen Bibliotheken definiert als „umfassende Darstellung von Land und Leuten einer Region bzw. eines Ortes mit chronikalischen und volkskundlichen Schwerpunkten“,1 landläufig wird darunter von Heimatforschern und Antiquaren mitunter auch jegliches Regionalschrifttum mit „Heimat“-Zusatz verstanden. Ein wesentliches Ziel dieser Arbeit ist es, hier begriffliche Klarheit zu schaffen und in diesem Zuge zu klären, ob das Heimatbuch tatsächlich, wie Klaus Christian Köhnke meinte, der sich im Rahmen der Frage nach regionaler Identifikation mit dem Heimatbuch beschäftigt hat, eine konzeptionell ganz eigenständige Schriftenklasse ist. Ausgehend von der eingangs schon beschriebenen Massenhaftigkeit des Phänomens weist Köhnke nach, daß das Heimatbuch innerhalb des gesamten „Heimat“Schrifttums – neben den für den Schulgebrauch bestimmten Heimatkunden – die mit 1 Schlagwortnormdatei (SWD) zur Sacherschließung in deutschsprachigen Bibliotheken, verwaltet von der Deutschen Nationalbibliothek, , Schlagwort 4258786-4 (10.08.2008).



Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

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Abstand umfangreichste Schriftenklasse darstellt. Zudem kann er anhand der Druckorte zeigen, daß Heimatbücher, anders als regionale Bildbände und Reiseführer, zu einem sehr hohen Grad in der Region selbst produziert und wohl auch rezipiert werden.2 Im Unterschied zu Bildbänden, die als repräsentative Geschenkliteratur häufig regionale Selbstdarstellung nach außen transportieren,3 und Reiseführern, die sich als touristisches Medium an Ortsunkundige richten, haben wir es beim Heimatbuch mit von Einheimischen für Einheimische gemachten Werken zu tun und weniger mit dem Produkt verlegerischen Gespürs für Tourismuswerbung und regionales Marketing. Das Heimatbuch scheint somit innerhalb der Regionalliteratur ein zentrales Medium regionenbezogener Identifikation zu sein. Die Heimaten, die in den Werken dem Leser nahegebracht werden, sind dabei bemerkenswert kleinräumlich. Nicht das Vaterland, die Provinz oder heute das Bundesland wird in der Regel als Heimat angeboten, sondern die Werke beziehen sich in überwiegender Mehrheit und seit 1950 fast ausschließlich auf einzelne Ortschaften oder kleine Landstriche, jedenfalls auf Referenzregionen weit unterhalb der Ebene von Staaten und Bundesländern.4 Diese „kleine Heimat“ entspricht dem Aktionsradius des täglichen Lebens zwischen Schule, Arbeit und Freizeit, ein Nahraum, den das Heimatbuch erschließen und nahebringen soll.5

Bibliographische Erfassung Um Heimatbücher vor aller wissenschaftlichen Darstellung zunächst bibliographisch erfassen zu können, konzentriert sich diese Arbeit auf Monographien, die „Heimatbuch“ als Wort im Titel oder Untertitel führen. Dies mag auf den ersten Blick als Einschränkung erscheinen, ist aber angesichts der Masse an Publikationen eine arbeitsökonomische Notwendigkeit und dient vor allem der Homogenisierung der Grundgesamtheit. Was ein Heimatbuch ist, kann letztlich nur am Heimatbuch selbst festgestellt werden. Wollte man Werke einbeziehen, die ohne den Begriff auskommen, so wäre eine vorab vorzunehmende Definition vonnöten, die jedoch wiederum nur aus dem Gegenstand selbst gewonnen und zudem per Autopsie am einzelnen Werk geprüft werden müßte. Hier wären die Grenzen der Heuristik und auch der Machbarkeit schnell erreicht. 2 Klaus Christian Köhnke: Zur Semantik des Heimatbegriffs, in: ders. u.a.: Prägnanzbildung und Ästhetisierung in Bildangeboten und Bildwahrnehmungen, Leipzig: Universitätsverlag 2001 (Leipziger Studien zur Erforschung von regionenbezogenen Identifikationsprozessen; 6), S. 114–148, hier S. 129–134. 3 Zu Bildbänden als repräsentativer Geschenkliteratur ebd. S. 129f. Köhnke weist hier nach, daß der Anteil an auf ihre Geschenkfunktion verweisenden Widmungsexemplaren bei Bildbänden auf dem antiquarischen Buchmarkt bei 19 Prozent und damit „rund 16 mal so hoch wie bei Büchern überhaupt“ liegt. 4 Ebd., S. 137. 5 Ebd., S. 147f.

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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

Mit dieser Prämisse ist aber auch die Annahme verbunden, daß die Beschränkung auf so benannte Heimatbücher den Kern der zu bestimmenden Schriftenklasse liefert und sich weiterhin die Autoren und Herausgeber durch Verwendung des Begriffs „Heimatbuch“ in eine bestimmte, noch näher zu untersuchende Tradition stellen. Auf Basis dieser Eingrenzung wurden alle relevanten digitalen und zahlreiche analoge Buchhandels- und Bibliothekskataloge sowie Bibliographien zu einer Vollerhebung herangezogen, die im weiteren in Form einer bibliographischen Datenbank Ausgangspunkt der quantitativen Darstellung der Schriftenklasse Heimatbuch ist.6 Diese bibliographische Datenbank hat ihren Ursprung im Heimatbuchprojekt des SFB 417 und wurde von Klaus Christian Köhnke angelegt. Um aus der Masse der Publikationen mit dem Titel „Heimatbuch“ überhaupt diejenigen der verlorenen Heimaten herausfiltern zu können, mußten sämtliche in deutschsprachigen Bibliotheken nachgewiesene „Heimatbücher“ bibliographiert und sodann ihre Referenzräume verortet werden, denn von einem Werk, das nur „Heimatbuch Hausen“ heißt, kann zunächst nicht gesagt werden, ob darin eine gegenwärtige oder eine verlorene Heimat dargestellt wird. Daher enthält die bibliographische Datenbank in ihrer Vollversion ebenso Heimatbücher bundesdeutscher, österreichischer, schweizerischer oder auch ehemaliger DDR-Heimaten. Da sich im Laufe der Arbeit zeigte, daß zahlreiche abseits des Buchmarktes als Privatdruck publizierte Heimatbücher erst Jahre nach Erscheinen – wenn überhaupt – in Bibliotheken und Antiquariaten nachweisbar sind, endet die bibliographische Erfassung mit dem Druckjahr 2000. In dieser Datenbank wurden neben möglichst vollständigen bibliographischen Informationen die heutige staatliche Zugehörigkeit des Referenzraums – des im Buch dargestellten Ortes, Kreises, Landstrichs etc. –, der heutige Ortsname und bei Ein6 Ausgewertet wurden der Verbundkatalog östliches Europa (http://vhaus.homeip.net/voe/), die Deutsche Nationalbibliografie online (http://dnb.d-nb.de), die Online-Kataloge aller deutschen Verbundbibliotheken, der Deutschen Nationalbibliothek, der Staatsbibliothek Berlin, der Schweizer und der Österreichischen Bibliotheksverbünde, der Polnischen Nationalbibliothek (Biblioteka Narodowa) sowie der Library of Congress; darüber hinaus das Verzeichnis Lieferbarer Bücher (VLB), die Internet-Antiquariatsplattform ZVAB (Zentrales Verzeichnis Antiquarischer Bücher; www.zvab.com) und der OPAC des Haus der Heimat Nürnberg (http://www.hausderheimat-nuernberg.de/bibliothek.html). Für die Übermittlung der Heimatbuchbestände im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm habe ich Henrike Hampe herzlich zu danken. An gedruckten Katalogen und Bibliographien wurden ausgewertet: Anton Tafferner: Donauschwäbische Heimatbücher und Ortsgeschichten in chronologischer Reihenfolge 1777–1972, in: Josef Volkmar Senz (Hg.): Donauschwäbische Lehrer- und Forschungsarbeit, 25 Jahre ADL: 1947–1972. Hg. im Auftr. der Arbeitsgemeinschaft Donauschwäb. Lehrer im Südostdt. Kulturwerk, München: AG Donauschwäbischer Lehrer 1973, S. 301–326; Wolfgang Kessler, Stiftung Ostdeutscher Kulturrat OKR: Ost- und südostdeutsche Heimatbücher und Ortsmonographien nach 1945: eine Bibliographie zur historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete, München, New York: Saur 1979; ders. (Bearb.): Martin-Opitz-Bibliothek Herne, Bestandskatalog. Bd. 1–6, Herne 1982–1993 (bis Bd. 4 u.d.T.: Bücherei des Deutschen Ostens, Bestandskatalog); Rudolf Hemmerle, Sudetendeutsches Archiv (Hg.): Heimat im Buch: sudetendeutsche Heimatbücher, Ortsmonographien, Karten, Heimatzeitungen, Heimatzeitschriften, Jahrbücher und Kalender nach 1945. Eine Bibliographie, 2., überarb. und erw. Aufl., München: Sudetendeutsches Archiv 1996 (zuerst ebd. 1970).



Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

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zelorten als Referenzraum zudem deren geographische Koordinaten erfaßt. Dieser regionale Bezug der Werke wird in Form einer Kodierung auch bei Zitaten und Verweisen auf die Vertriebenenheimatbücher angegeben, um die regionalen Besonderheiten der Werke und der verschiedenen Vertriebenengruppen sichtbar zu machen. Der Eintrag in der bibliographischen Datenbank wird durch Standortnachweis mindestens einer besitzenden Bibliothek sowie, wenn vorhanden, Informationen zum Autor nebst einem Freifeld für sonstige Bemerkungen komplettiert.7 Schnell erwies sich als für alle Heimatbücher charakteristisch, daß selten biographische Informationen zu Autoren, Redakteuren und Herausgebern ermittelbar sind. Bei den Vertriebenenwerken konnten beispielsweise nur für knapp zwanzig Prozent der verantwortlich Zeichnenden wenigstens Lebensdaten erschlossen werden, meist aus im Buch selbst enthaltenen Angaben.8 Wie das Ergebnis der Erhebung zeigt, erschienen bis zum Jahr 2000 im deutschsprachigen Raum über 3500 solcher „Heimatbuch“-Titel,9 darunter mehr als 2300 Werke über insgesamt ca. 1200 Orte, Kreise und Landstriche in der heutigen Bundesrepublik Deutschland sowie mehr als 700 Titel für die ehemaligen deutschen Ostund Siedlungsgebiete, 580 davon nach 1945 als Vertriebenenheimatbücher entstanden. Damit handelt ein Sechstel aller deutschsprachigen Heimatbücher von verlorener Heimat. Zeitlich ist das Heimatbuch ein Kind des 20. Jahrhunderts: Das erste so benannte Werk tauchte kurz nach der Jahrhundertwende auf, seine größte Blütezeit waren die Weimarer Republik der 1920er und die Bundesrepublik der 1980er Jahre, während es in der DDR nur bis Ende der 1950er Jahre nachweisbar ist. Daß das Heimatbuch im gesamten deutschen Sprachraum verbreitet ist, belegen zahlreiche schweizer und österreichische Heimatbücher und ebensolche zu Eupen-Malmedy, Elsaß-Lothringen und Südtirol, daneben wurden aber auch Liechtenstein, Luxemburg und deutschen Kolonien in Chile Heimatbücher gewidmet. Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen, die hier im Mittelpunkt des Interesses stehen, sind ein Bestandteil und wiederum auch nicht Teil dieser gesamten deutschsprachigen Heimatbuchproduktion des 20. Jahrhunderts. Sie sind ohne die Vorgeschichte und Eigenart der Schriftenklasse nicht denkbar und wohl auch nicht verstehbar und stehen doch unter der eigentümlichen Bedingung des Verlusts der in ihnen dargestellten Heimaten. Wie sein bundesdeutsches Pendant als Medium regionenbezogener Identifikation, so kann mutmaßlich das Vertriebenenheimatbuch als Ausdruck einer verlustbezogenen Identifikation gelten. Auch dieser Frage wird, neben anderen, nachzugehen sein. 7 Siehe das Verzeichnis der Heimatbücher im Anhang. Dort findet sich auch eine Übersicht über die den Kurztiteln nachgestellten regionalen Kodierungen. 8 Bibliographisch erfaßte Autoren, Herausgeber und Redakteure wurden an der weltweit größten biographischen Datenbank geprüft: World Biographical Information System (WBIS Online), München: Saur 2004ff. . 9 Gezählt in bibliographischen Einheiten, das heißt bei mehrbändigen Werken wird jeder Einzelband gezählt, ebenso Nachauflagen und Nachdrucke.

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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

Leitfragen Was also ist ein Heimatbuch? Dies ist eine der ersten und grundlegenden Fragen, die im Rahmen dieser Arbeit beantwortet werden sollen. Denn die Heimatbücher der Vertriebenen entstanden nicht aus dem Nichts und nicht ohne Vorgeschichte und Vorbilder. Zuerst muß daher historisch die Entstehung der Schriftenklasse aufgearbeitet werden, die bisher ein Desiderat der Forschung geblieben ist. Darüber hinaus gilt es, die Schriftenklasse Heimatbuch in der Zeit ihrer Hochkonjunktur als eigenständige zu profilieren und zu beschreiben (Kapitel 4). Dabei geht es nicht darum, der großen Vielfalt in ganzer Breite gerecht zu werden, sondern im Gegenteil die Gemeinsamkeiten und damit gleichsam ortsunabhängigen Ingredienzen des Heimatbuchs dingfest zu machen. Wie sieht ein typisches Heimatbuch der Weimarer Zeit aus? Gab es Modelle und Musterkonzeptionen, nach denen die Werke geschrieben wurden? Welche Funktionen sollte das Heimatbuch erfüllen und an welches Publikum richtete es sich? Wer waren seine Autoren und welche Intentionen verfolgten sie mit der Publikation eines solchen Werkes? Und nicht zuletzt: was war Heimat im Heimatbuch? Läßt sich ein fester Kanon der abgehandelten Heimatthemen ermitteln, gewissermaßen die unabdingbaren Bestandteile von Heimat im Buch? In einem nächsten Schritt kann vor diesem Hintergrund die eigentliche Profilierung des Vertriebenenheimatbuchs anhand des bereits am Vorkriegsheimatbuch erprobten Fragenkatalogs folgen. Hierbei ist wiederum angesichts der Diversität das Ziel, vor allem grundlegende Strukturen und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, also beispielsweise nach Konjunkturen, möglichen regionalen Heimatbuchtypen und nach der Existenz eines thematischen Kanons zu fragen, aber auch nach Veränderungen im Laufe der Jahrzehnte seit 1945.

Erfassung der Inhalte Um der Frage nach den Heimatthemen des Massenphänomens Heimatbuch nachzugehen, wurden in einer zweiten Datenbank die in den Werken enthaltenen Inhalte rein quantitativ erfaßt, also die Zahl der Seiten notiert, die ein Thema im Verhältnis zum Gesamtumfang des Buches beansprucht. Auf diese Weise wurden 150 Heimatbücher aus knapp einhundert Jahren quantitativ ausgewertet, deren Referenzräume in den ehemaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten – also den späteren Vertreibungsgebieten – liegen, darunter das älteste ein Egerländer Heimatbuch von 1907, das jüngste ein Werk über einen heute rumänischen Ort in der Bukowina aus dem Jahre 2005.10 110 davon sind nach 1945 erschienen und stellen Orte dar, die ihre Bewohner in der 10 Die inhaltliche Erfassung enthält anders als die bibliographische Datenbank auch Werke, die nach dem Jahr 2000 erschienen, da es hier nicht um Vollständigkeit, sondern lediglich um ein repräsentatives Sample geht. Zudem ist die Frage, welche Veränderungen in den letzten Jahren im Heimatbuch vorgehen, zu wichtig, um sie statistischen Begrenzungen zu opfern.



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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

Folge des Zweiten Weltkriegs verlassen mußten, fallen damit also in die Kategorie Vertriebenenheimatbuch. Diese Beschränkung auf die späteren Vertreibungsgebiete soll die Vergleichbarkeit der Werke vor und nach 1945 sichern und eine Verzerrung durch eventuelle Besonderheiten anderer Regionen verhindern. Es wurde eine Quotenstichprobe vorgenommen, um eine möglichst breite Repräsentanz aller landsmannschaftlichen Gruppen und Erscheinungsjahrzehnte zu erreichen. Im Schnitt wurden pro Herkunftsregion dreißig Prozent jedes Erscheinungsjahrzehnts ausgewertet, bei sehr publikationsstarken Dekaden wurde eine Quote von mindestens zehn Prozent angestrebt. Die erhobenen Daten können damit als durchaus repräsentativ für die Gesamtheit der Vertriebenenheimatbücher gelten. Details der Verteilung lassen sich Abb. 2 entnehmen. Erscheinungs- Gesamt pro Ostbranden- Ostpommern Ostpreußen Schlesien Baltikum jahrzehnt Jahrzehnt burg

1900 1910 1920 1930 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Summe

66.7%

Polen*

Südosteuropa

50%

2

100%

1

25%

33.3%

6

50%

2

1

Böhmen, Mähren, mähr. Schlesien 1

28.6%

33.3%

2*

1

28.8%

75%

20%

20%

28.6%

25%

100%

23.1%

19

3

2

2

6

1*

2

3

31.0%

100%

33.3%

37.5%

14.3%

33.3%

25%

13

2

2

3

1

2

3

26.9%

40%

50%

50%

20%

28.6%

23.5%

100%

14

2

1

1

3

1

2

4

25.9%

40%

33.3%

28.6%

33.3%

37.5%

21.1%

16.7%

21

2

1

4

3

3

4

4

16.8%

50%

14.3%

30%

75%

22.2%

11.4%

11.8%

20

1

1

3

3

2

4

6

14.4%

33.3%

18.2%

25%

23.1%

16.7%

11.5%

13.2%

23

1

2

1

3

2

9

5

14.6%

0%

16.7%

9.1%

23.1%

12.5%

12.9%

16.7%

23

2

1

3

1

30%

100%

9

42.9%

1

3

9

7

12.5%

75%

2

3

20.4%

50%

22.2%

24.3%

27.8%

28.6%

23.5%

14.6%

18%

150

11

12

17

25

2

12

34

37

Der untere Teil des Feldes enthält die Zahl der ausgewerteten Werke, die Prozentzahl im oberen Teil gibt an, welchem Anteil aller im betreffenden Jahrzehnt in dieser Gruppe erschienenen Heimatbücher dies entspricht. In den 1940er Jahren erschienen kriegsbedingt kaum Heimatbücher. * Nach dem Gebietsstand vom 31.12.1937 werden Westpreußen, Posen und Ost-Oberschlesien zu Polen gezählt.

Abb. 2  Verteilung und Prozentsatz ausgewerteter Heimatbücher

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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

Der Themenkatalog, nach dem die Inhalte der Werke in der Datenbank klassifiziert wurden, ist aus dem Gegenstand selbst generiert. Dazu wurde anhand einer Reihe von Heimatbüchern ein Verzeichnis abgehandelter Themen erstellt, das dann, verfeinert und komplettiert, zur Anlage der Datenbank diente. Die Bündelung zu Oberthemen entspricht dabei im großen und ganzen der Zusammenstellung in solchen Werken, die überhaupt Oberthemen oder Kategorien bilden. Die diesbezügliche Schwankungsbreite ist recht groß, aufgrund des Datenbankcharakters bestand aber schlicht die Notwendigkeit, eine thematische Gliederungsstruktur zu schaffen. Die Benennung der

Abb. 3  Eingabemaske der Datenbank zur Erfassung der Heimatbuchinhalte



Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

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Oberthemen ist dabei meine eigene. Abb. 3 zeigt die Eingabemaske zur Erfassung eines Titels in der Datenbank. Während der Datenerhebung erwies sich die gewählte Gliederung im Wesentlichen als schlüssig und zur Erfassung der Themen und Inhalte gut geeignet.

Verlusterfahrung und Erinnerung Man kann das Heimatbuch als regionale Literaturform aus buchwissenschaftlicher respektive regionalkundlicher Perspektive erfassen und beschreiben sowie überdies die Vertriebenenheimatbücher als Teil der Vertriebenenpublizistik ausloten. Man kann die Vertriebenenheimatbücher aber auch als spezifisches Ausdrucksmedium auffassen, in dem exemplarisch Verlusterfahrung und Erinnerung an verlorene Heimat be- und verarbeitet wird. Die Heimatbücher, so die These, sind ein Zugang zum Verständnis der Vertriebenen, der an Unmittelbarkeit und Authentizität nur vom lebensgeschichtlichen Erzählen und dem Oral-History-Interview übertroffen wird. Ein Charakteristikum des Heimatbuchs, ob nun über verlorene oder gegenwärtige Heimaten, ist nämlich seine Laienautorschaft. Anders als beispielsweise bei einem großen Teil der Vertriebenenpublizistik schrieben meist nicht Funktionäre oder gar Wissenschaftler, sondern schlicht interessierte ehemalige Einwohner eines Ortes oder Landstrichs gemeinsam ihr Heimatbuch. Wenn man etwas über die Erinnerungen, Erfahrungen, Haltungen, Selbst- und Fremdbilder der „ganz normalen“ Vertriebenen lernen, wenn man die Vertriebenen und das, was sie zur Gesamtgesellschaft der Bundesrepublik beizutragen haben, verstehen möchte, sollte man sich ihre Heimatbücher anschauen. Im Heimatbuch fließen dabei mehrere unterschiedliche Stränge zusammen, die innerhalb der Geistes- und Sozialwissenschaften verschiedene Disziplinen beschäftigen und die anhand der Heimatbücher der Vertriebenen exemplarisch untersucht werden können: der Zusammenhang von Erfahrung und Erinnerung (individuell und kollektiv), der Prozeß des gemeinsamen Herstellens von Erinnerung, erlebte Geschichte und die Sicht auf sie – und deren Wandlungsprozesse im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte –, politische Interessen und Geschichtspolitik (von Parteien, Regierungen, Verbänden) samt Auswirkungen auf den Einzelnen sowie die Soziologie einer Gruppe mit spezifischen Verlusterfahrungen. All dies läßt sich anhand der Heimatbücher studieren. Nicht zuletzt bieten die Heimatbücher eine gute Grundlage zur Beantwortung der Frage nach dem kulturellen Gedächtnis11 der Vertriebenen. Die Geistes- und Kulturwissenschaften haben dieses in den letzten Jahren so virulente Thema des kulturellen Gedächtnisses zu Flucht und Vertreibung auf nationaler Ebene z.B. vermittels seiner Repräsentation in verschiedenen Medien (Presse, Literatur, Buchmarkt, TV-Produktionen) oder Ritualen (Gedenkfeiern, Denkmäler) unter11 Zu Terminologie und Theorie des kollektiven, kommunikativen und kulturellen Gedächtnisses Kapitel 3.

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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

sucht, auf Akteursebene durch die Analyse von Handlungen organisierter nichtstaatlicher (z.B. der Vertriebenenverbände) oder staatlicher Akteure (legislative Akte wie das Bundesvertriebenengesetz, geldwerte Leistungen wie der Lastenausgleich, symbolische Akte wie Feierstunden im Bundestag). Diese Perspektive kann jedoch nur Aufschlüsse darüber vermitteln, wie gesellschaftlich relevante Akteure oder auch eine politisch ausgerichtete Interessenvertretung das kulturelle Gedächtnis beeinflussen und formen. Durch solche Zugangsweisen ergeben sich Erkenntnisse über bereits erfolgreich im kulturellen Gedächtnis verankerte Inhalte oder auch das Fehlen und die Umdeutung bestimmter Themen darin. Wie jedoch gelangen diese Inhalte überhaupt zuerst ins kulturelle Gedächtnis? Welche Rolle spielen das kommunikative Gedächtnis, die Erfahrungen, Erinnerungen und Sichtweisen der Zeitzeugengeneration dabei? Und was kommt umgekehrt vom gesamtgesellschaftlichen kulturellen Gedächtnis auf der Ebene der ganz normalen Leute an? Haben sie an diesem Teil oder schaffen sie sich ihr eigenes Gedächtnis? Gibt es zwischen dem offiziellen Gedächtnis und dem Gedächtnis beispielsweise einer Gruppe von Vertriebenen aus einem Ort Spannungsverhältnisse, Brüche und Diskrepanzen? Nicht zuletzt wird auch die Frage nach der diffusen Übergangszone vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis vergleichsweise selten bearbeitet, weil an sie nur sehr schwierig heranzukommen ist. Die Vertriebenen, die gemeinsam ein Heimatbuch schreiben, bezwecken damit eben genau den Übergang ihrer Erinnerung vom kommunikativen ins kulturelle Gedächtnis,12 so daß man anhand der Werke gewissermaßen zuschauen kann, wie kulturelles Gedächtnis entsteht. Die Forschung zu den Vertriebenen in Bundesrepublik und DDR und heute im wiedervereinten Deutschland hat im wesentlichen drei Schwerpunkte ausgebildet. Mit soziologischem Blick fragte man lange Zeit besonders nach der Integration in die Aufnahmegesellschaften, in jüngster Zeit gilt das Augenmerk auch den Verwerfungen in diesem im Westen vermeintlich so reibungslosen Prozeß.13 Einen zweiten Schwerpunkt, der verstärkt seit den 1980er Jahren bearbeitet wird, bildet die zeithistorische Beschäftigung mit den politischen Akteuren, den Verbänden und Landsmannschaften, beispielsweise deren Rolle in der Innen- und Außenpolitik der Bundesrepublik.14 Zuletzt wurden seit den 1990er Jahren vermehrt Zugänge zur Ebene individueller Er12 Dazu mehr in Kapitel 5.2. 13 Das opulente Standardwerk der 1950er Jahre: Eugen Lemberg und Friedrich Edding (Hg.): Die Vertriebenen in Westdeutschland. Ihre Eingliederung und ihr Einfluß auf Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und Geistesleben. 3 Bde., Kiel: Ferdinand Hirt 1959; aus jüngerer Sicht: Klaus J. Bade (Hg.): Neue Heimat im Westen: Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler, Münster: Westfälischer Heimatbund 1990; Ost und West einbeziehend: Michael Schwartz: Vertriebene und „Umsiedlerpolitik“. Integrationskonflikte in den deutschen Nachkriegs-Gesellschaften und die Assimilationsstrategien in der SBZ/DDR 1945–1961, München: Oldenbourg 2004 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte; 61). Zuletzt für ein breiteres Publikum aufbereitet bei: Andreas Kossert: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945, München: Siedler 2008. 14 Grundlegend: Matthias Stickler: „Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch“. Organisation, Selbstverständnis und heimatpolitische Zielsetzungen der deutschen Vertriebenenverbände 1949–1972, Düsseldorf: Droste 2004 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte; 46).



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fahrung und Erinnerung sowie zum Familiengedächtnis an Flucht und Vertreibung gesucht, vermittels der Oral History oder mit Methoden der Volkskunde respektive der europäischen Ethnologie.15 Diese Arbeit versucht nun mit Hilfe der Heimatbücher an eine Mittelebene zwischen Individuum und Vertriebenenverbänden, zwischen Familiengedächtnis und kulturellem Gedächtnis der Gesamtgesellschaft heranzukommen: an das Gruppengedächtnis der Vertriebenen als Erinnerungsgemeinschaft.16 Schon Maurice Halbwachs stellte fest, daß bei der Beschäftigung mit dem kollektiven Gedächtnis die Nation eine viel zu große Einheit ist und wir eigentlich von einem solchen nur auf der Ebene konkreter Gruppen sprechen können.17 Selbst auf der Ebene der Gruppe ist davon auszugehen, daß es nicht das Gedächtnis der Vertriebenen gibt, sondern sich dieses in einzelnen Gruppen – mit vermutlich einigen Gemeinsamkeiten – unterschiedlich manifestiert. Diese Hypothese wird es ebenfalls anhand der Werke zu prüfen gelten. Mit dieser Zielsetzung wurden die 150 Heimatbücher der Quotenstichprobe (s.o.) –. 40 davon vor 1945, 110 nach 1945 erschienen – einer eingehenden qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen (Kap. 6.2 und 6.3), anhand mehrerer Leitfragen und unterteilt in zwei große Fragekomplexe. Zunächst erscheint es vielversprechend zu fragen, welche Themen in den Werken immer wieder vorkommen, welche historischen Epochen beispielsweise in der Geschichtsdarstellung ausführlich behandelt werden, wiederum ausgehend von der These, daß mit quantitativem Umfang auch ein qualitatives Gewicht verbunden ist. Lassen sich hierbei regionale Muster feststellen, die Rückschlüsse auf das Gruppengedächtnis zulassen? Vermutlich genauso vielsagend, aber weniger leicht zu diagnostizieren, sind die in den Werken stillschweigend übergangenen Themen. Diese Leerstellen können nur auf der Folie von Vorwissen und eigener Erwartungshaltung des Rezipienten identifiziert werden, was es einigermaßen unmöglich macht, ein vollständiges Inventar des Ungesagten zu ermitteln. Von einigen Themen wird als Hypothese angenommen, daß sie für die Vertriebenen zentral, vielleicht auch eher problematisch sind: interethnische Beziehungen, der Zweite Weltkrieg, die Vertreibung, der Holocaust, die Nachkriegszeit in der neuen und der alten Heimat, der öffentliche Umgang mit Vertreibung und die Ost- und Deutschlandpolitik der Bundesrepublik. Im Unterschied zur quantitativen Inhaltsanalyse gilt das Interesse in einem zweiten Fragekomplex den Bedeutungen, mit denen diese Inhalte und Themen in den Heimatbüchern versehen werden, also der semantischen Ebene der Heimatbuchinhalte. Auch hier soll festgestellt werden, ob es wiederkehrende Aussagen sowie semantische Strukturen und Muster in den Kausalerklärungen, Interpretamenten und Sinnzuschrei15 Exemplarisch: Albrecht Lehmann: Im Fremden ungewollt zuhaus. Flüchtlinge und Vertriebene in Westdeutschland 1945–1990, München: Beck 1993; Alexander von Plato und Wolfgang Meinicke: Alte Heimat – neue Zeit. Umgesiedelte, Vertriebene und Flüchtlinge in der SBZ/DDR, Berlin: Union 1991. 16 Zum Konzept der Erinnerungsgemeinschaft detailliert in Kapitel 3.1. 17 Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis. Mit einem Geleitwort von H[einz] Maus, Stuttgart: Ferdinand Enke 1967, S. 65. Mehr dazu in Kapitel 3.

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bungen gibt und ob diese womöglich Unterschiede je nach Herkunftsgruppe oder auch nach Entstehungszeit der Werke aufweisen. Harald Welzer hat für die Untersuchung des intergenerationellen Familiengedächtnisses die Begriffe Topoi18 und Bedeutungsmuster19 entwickelt, die für unsere Zwecke sehr brauchbar erscheinen. Der ToposBegriff, den Welzer seinerseits bei Hans-Joachim Schröder entlehnt hat,20 bezeichnet einfache, immer wiederkehrende Aussagen, während mit Bedeutungsmuster – ein Begriff, der bis auf Alfred Schütz zurückgeht21 – komplexere Argumentationsmuster gemeint sind. Beide dienen dazu, die Erfahrung von Wirklichkeit in Sinnzusammenhänge einzuordnen, ihnen im Wortsinne einen Sinn zu geben – eine Funktion, die angesichts der Erfahrung der Vertriebenen besonders zentral erscheint. Bezogen beispielsweise auf die Vertreibung wäre ein Topos ein Satz wie „Wir wurden unschuldig vertrieben“, ein Bedeutungsmuster dagegen die Erzählung vom wichtigen Anteil der Vertriebenen am bundesdeutschen Wirtschaftswunder der 1950er Jahre. Die Grenze zwischen beiden ist fließend, ebenso wie beides vor allem als Hilfsmittel zu verstehen ist, um semantische Strukturen in den Heimatbüchern zu identifizieren und zu erklären. Auch Jan Assmanns Konzept des Mythos und der fundierenden Geschichte22 sowie der weniger erläuterungsbedürftige Begriff der Geschichtsbilder kommen, wo es sinnvoll erscheint, zum Einsatz. Das Augenmerk gilt dabei besonders der Eigenart des Gruppengedächtnisses, gemäß der Hypothese der Vertriebenen als Erinnerungsgemeinschaft und ihrer Heimatbücher als Mittel der gemeinschaftlichen Konstruktion von Erinnerung. Welche Inhalte, Deutungsmuster, Topoi und Mythen werden durch Fixierung im Heimatbuch als Teil des Gruppengedächtnisses festgeschrieben? Macht diese Festschreibung im Laufe der Zeit Wandlungen durch? In diachroner Betrachtung der Heimatbücher soll die Inhaltsanalyse auch klären, wie die Inhalte sich nach der Vertreibung verändert 18 Harald Welzer, Sabine Moller und Karoline Tschugnall: „Opa war kein Nazi“. Nationalsozialismus und Holocaust im Familiengedächtnis, Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 2002, S. 136, sowie S. 229, Anm. 276. 19 Ebd., S. 137. Das Konzept der Bedeutungsmuster wird dort von der sozialwissenschaftlichen Bedeutungsmusteranalyse abgegrenzt, ebd. S. 229, Anm. 277. 20 Hans-Joachim Schröder: Die gestohlenen Jahre. Erzählgeschichten und Geschichtserzählungen im Interview: Der Zweite Weltkrieg aus der Sicht ehemaliger Mannschaftssoldaten, Tübingen: Niemeyer 1992 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur; 37), S. 227–233. 21 Alfred Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1991 (zuerst Wien 1932), S. 112: „Wir können den Prozeß der Einordnung eines Erlebnisses unter die Schemata der Erfahrung durch synthetische Rekognition auch als Deutung dieses Erlebnisses bezeichnen [...]. Deutung ist dann nichts anderes als Rückführung von Unbekanntem auf Bekanntes, von in Zuwendungen Erfaßtem auf Schemata der Erfahrung. Diesen kommt also beim Prozeß des Deutens der eigenen Erlebnisse eine besondere Funktion zu. Sie sind die fertigen in der Weise des Wissens (Vorwissens) jeweils vorrätigen Sinnzusammenhänge zwischen kategorial vorgeformtem Material, auf welches das zu deutende Erlebnis in einem neuen synthetischen Akt rückgeführt wird. Insoferne sind die Schemata der Erfahrung Deutungsschemata [...].“ Hervorhebungen im Original. 22 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München: Beck 1999 (zuerst ebd. 1997), S. 76f. Dazu ausführlich Kapitel 6.2.



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haben, welche semantischen Zuschreibungen neu hinzugekommen und welche vielleicht bruchlos aus der Vorkriegszeit übernommen wurden. Hinsichtlich des Gruppencharakters und -zusammenhalts ist zudem interessant, an welchem Erinnerungsrahmen sich die Heimatbücher orientieren. Übernehmen sie Diskurse der Gesamtgesellschaft, der Vertriebenenverbände oder ihrer Herkunftsländer? Ist ihr Gedächtnis womöglich ein ganz eigenes und von dem der Gesamtgesellschaft abgekoppelt? Das heißt letztlich: wie geschlossen ist ihre Gemeinschaft? Gibt es auch hierbei Unterschiede zwischen den einzelnen Vertriebenengruppen? Und wenn ja, wie lassen sich diese erklären? Anhand der Heimatbücher läßt sich so vielleicht ein sehr viel komplexeres Bild der deutschen Vertriebenen zeichnen, als es medial durch den Bund der Vertriebenen (BdV) und seine streitbare Vorsitzende Erika Steinbach vermittelt wird, die sich fälschlicherweise immer noch als Vertreter aller Vertriebenen ausgeben, aber auch ein sehr viel facettenreicheres als das eindimensionale Opferschema historischer TV-Produktionen aus der Fließbandproduktion eines Guido Knopp.

Terminologie und Begrifflichkeiten Ein Ausweis noch nicht abgeschlossener historischer Deutungsprozesse ist das Ringen um Begrifflichkeiten. In der Tat haben wir es bei der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte um Flucht und Vertreibung, aber auch um die historischen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete immer wieder und immer noch mit terminologischen Stellvertreterdiskussionen zu tun, in denen Wortfelder schnell zu Minenfeldern werden. Das fängt schon beim Wort Vertreibung an, das einige wissenschaftliche Autoren nur in Anführungszeichen verwenden,23 während andere seine Verwendung vehement einfordern und alternative Bezeichnungen ablehnen,24 und setzt sich bei Verrenkungen um Orts- und Regionenbezeichnungen fort – ob nun die taz aus falsch verstandener politischer Korrektheit auf Verwendung des polnischen Ortsnamens für Lodz besteht, aber leider nicht in der Lage ist, diesen korrekt zu schreiben,25 oder Politiker nach der Wiedervereinigung im „Beitrittsgebiet“ Verwirrung stifteten, als sie „Ostdeutschland“ sagten und damit nicht Regionen östlich der Elbe, sondern östlich von Oder und Neiße meinten. 23 Samuel Salzborn: Grenzenlose Heimat. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Vertriebenenverbände, Berlin: Elefanten Press 2000, z.B. S. 20 mit Anführungszeichen, 40f. zum Begriff. 24 Hans Lemberg: Geschichten und Geschichte. Das Gedächtnis der Vertriebenen in Deutschland nach 1945, in: Archiv für Sozialgeschichte 44 (2004), S. 509–523, hier durchgängig zitiert nach der Onlineversion, (26.09.2008). 25 Gabriele Lesser: Lódz entdeckt das Ghetto, in: die tageszeitung vom 30.08.2004. In der Archivsuche von taz.de taucht der Artikel unter dem Titel „ód entdeckt das Ghetto“ auf – die Datenverarbeitung der taz kommt offenbar mit polnischen Diakritika auch nicht zurecht. Gabriele Lesser, der dies sichtlich peinlich war, entschuldigte sich sogar auf der deutsch-polnischen Mailingliste polhist für den Fauxpas der taz-Redaktion.

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Fragestellung, Forschungsstand, Methoden

Selbst die Gruppennamen sind nicht unumstritten: Darf man „Sudetendeutsche“ sagen, obwohl dies ein Konstrukt der 1920er und 1930er Jahre ist,26 und soll man nun die Vertriebenen aus den ehemaligen preußischen Ostprovinzen „Ostdeutsche“ nennen, obwohl die Verwechslungsgefahr mit den Einwohnern der ehemaligen DDR groß ist? Hans Lembergs Empfehlung, diesen „terminologischen Klimmzügen“ solle man „emotionslos zusehen“,27 kann man sich nur anschließen. Vor allem aber ist es im Rahmen dieser Arbeit unentbehrlich, den Dingen, Orten und Menschen Namen zu geben. Zur Vermeidung irgendwie strittiger Bezeichnungen könnte man auch von „A“, „B“ und „C“ sprechen – was dem Leser jedoch erspart bleiben soll. Der Leitgedanke bei der Lösung der komplexen und leidigen Bezeichnungsfrage ist dabei immer und zuerst ein rein pragmatisches Vorgehen.28 Mit „Vertriebenen“ – was seit 1953 nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zunächst eine Legaldefinition war und sich darüber erst im allgemeinen Sprachgebrauch etablierte29 – sind hier und im Folgenden alle diejenigen gemeint, die infolge des Zweiten Weltkriegs gemäß dem Potsdamer Abkommen ihre Heimat zwangsweise verlassen mußten. Im Einklang mit §1 BVFG werden hier zudem auch diejenigen so bezeichnet, die bereits vor 1945 nach dem Hitler-Stalin-Pakt zwangsumgesiedelt wurden, wie die Bessarabiendeutschen, sowie die „Aussiedler“ der Nachkriegsjahre.30 In Einzelfällen werden selbst solche Herkunftsgruppen in ihrer Gesamtheit als „Vertriebene“ bezeichnet, die nach 1992 in die Bundesrepublik gekommene „Spätaussiedler“ einschließen, wie die Siebenbürger Sachsen. Analog sind mit „Vertreibung“ alle jene Zwangsmigrationen infolge des Zweiten Weltkriegs gemeint, die unter das Potsdamer Abkommen fallen. Der Begriff „Vertreibung“ hat sich darüber hinaus im öffentlichen Sprachgebrauch unabhängig von der Differenziertheit der historischen Phänomene wie Evakuierung, Flucht, Zwangsabschiebung, wilde und organisierte Vertreibungen etc., als Metabegriff für diese Zwangsmigrationen eingebürgert und wird hier entsprechend als Sammelbegriff ver-

26 Tobias Weger: „Volkstumskampf“ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen, 1945–1955, Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang 2008 (Die Deutschen und das östliche Europa, Studien und Quellen; 2), S. 30–51. 27 Lemberg: Geschichte und Geschichten, schildert Anm. 49 weitere, schon tragikomische Fälle politischer Überkorrektheit in der Ortsnamensfrage. 28 So finden sich die heutigen Namen der Orte, auf die sich die in dieser Arbeit analysierten und zitierten Heimatbücher beziehen, schon allein aus Platzgründen allein im Verzeichnis der Heimatbücher im Anhang. 29 Lemberg: Geschichte und Geschichten. 30 Bundesvertriebenengesetz: Reichssiedlungsgesetz, Umsiedlungsgesetz, Notaufnahmegesetz, Flüchtlingsnotleistungsgesetz mit Durchführungsbestimmungen. Textausgabe mit Verweisungen und Sachverzeichnis [Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG –) vom 19. Mai 1953], München, Berlin: Beck 1953, S. 5, §  1 Definition von „Vertriebener“, § 1 Abs. 2 Satz 2 Definition „Umsiedler“, § 1 Abs. 2 Satz 3 Definition „Aussiedler“.



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wendet.31 „Flucht“, „Abschiebung“ und „Vertreibung“ werden aus denselben Gründen in dieser Arbeit synonym gebraucht. Zur notwendigen Differenzierung zwischen den einzelnen Herkunftsregionen finden als Gruppenbezeichnungen die Selbstbezeichnungen der jeweiligen Gruppen Verwendung, die auch im großen und ganzen der Benennung der nach der Vertreibung im Westen gegründeten landsmannschaftlichen Organisationen entsprechen. Dies zunächst aus pragmatischen Überlegungen, aber auch, ungeachtet der berechtigten Frage nach dem Konstruktionscharakter von Neologismen wie „Sudetendeutsche“, weil man respektieren sollte, daß die Betreffenden für sich diese Termini als Selbstbezeichnung angenommen haben. Im Laufe der Arbeit erwies es sich zusätzlich als erforderlich, begrifflich zwischen solchen Vertriebenen zu unterscheiden, die vor 1937 die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, und solchen, die als deutsche Minderheiten Bürger anderer Staaten waren, vor allem in Polen und Südosteuropa. Bereits in der Weimarer Republik kamen im Kontext der Volkstumsforschung die Termini „Reichsdeutsche“ und „Volksdeutsche“ zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Kategorien auf. So fragwürdig die Weiterverwendung dieser Begriffe angesichts ihrer Herkunft und Verwendung zunächst scheint, so unentbehrlich ist im Vetriebenenkontext die Unterscheidung zwischen den damit gemeinten Gruppen. Daher werden beide Begriffe, wenn dies sinnvoll erscheint, auch in dieser Arbeit verwendet, mit Bedacht und mit Anführungszeichen versehen. Übrigens nutzen wegen besagter signifikanter Unterschiede selbst renommierte Migrationsforscher die Termini auch ohne Anführungszeichen, und ihre Erläuterung zur Begriffsverwendung ist ganz im Sinne dieser Arbeit.32 Die Hilfskonstruktion „reichsdeutsche Vertriebene“ löst obendrein die Frage, wie die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten mit einem prägnanten Begriff zu titulieren seien. Die historisch gebräuchliche Bezeichnung „ostdeutsche Vertriebene“ erscheint nach 1990, zumal wenn man im heutigen Ostdeutschland lebt, allein wegen ihrer Doppeldeutigkeit nicht mehr sinnvoll. Ebensowenig wird also von „Ostdeutschland“ die Rede sein, wenn Regionen östlich von Oder und Neiße gemeint 31 Dazu auch die Vorbemerkung der Herausgeber in: Włodzimierz Borodziej und Hans Lemberg (Hg.): „Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden...“. Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–1950. Dokumente aus polnischen Archiven. Bd. 1: Zentrale Behörden, Wojewodschaft Allenstein. Auswahl, Einleitung und Bearbeitung der Dokumente Włodzimierz Borodziej und Claudia Kraft, Marburg: Herder-Institut 2000 (Quellen zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas; 4/I), S. 1–23, hier S. 8f. 32 Rainer Münz und Rainer Ohliger: Deutsche Minderheiten in Ostmittel- und Osteuropa, Aussiedler in Deutschland. Eine Analyse ethnisch privilegierter Migration. 3., akt. u. erw. Aufl., Berlin: HumboldtUniversität 1998 (Demographie aktuell; 9), S. 40, Anm. 5: „Im weiteren verwenden wir den Begriff ‚Volksdeutsche‘ bzw. ‚volksdeutsch‘ klassifikatorisch im Sinne ‚ethnischer Deutscher‘ (im Gegensatz zu deutschen Staatsbürgern), um die Bevölkerung außerhalb des deutschen Staatsgebietes zu kennzeichnen, die nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt (oder verfügte), sich aber über Sprache, Kultur oder Abstammung zur deutschen Nation zählt (oder zählte). Seit den 20er Jahren erfuhr der Begriff ‚Volksdeutscher‘ eine ideologische Aufladung, die wir bei der Verwendung des Wortes aber ausdrücklich nicht implizieren möchten.“

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sind. Am wenigsten problematisch waren die Bezeichnungen historischer Landschaften, die viele Vertriebene selbst zur Kennzeichnung ihrer Herkunft verwenden, wie die Batschka oder das Banat. Zuletzt sei noch gesagt, daß mit „Landsmannschaften“ im Sinne der älteren Bedeutung des Begriffs33 die Gemeinschaft der Landsleute aus einer Gegend und nicht, falls dies nicht anders vermerkt ist, die landsmannschaftlichen Organisationen in der Bundesrepublik gemeint sind. Denn nichts wäre fataler, als die Gesamtheit der Vertriebenen mit diesen politischen Organisationen ohne weiteres gleichzusetzen.

Forschungsstand Auf wissenschaftlichem Gebiet ist bisher nur wenig zum Heimatbuch an sich und ebenso wenig zum Vertriebenenheimatbuch publiziert worden. Wolfgang Kesslers Bibliographie der Vertriebenenheimatbücher von 1979,34 die in einer ausführlichen Einleitung wichtige erste Erkenntnisse zum Gegenstand lieferte, blieb bedauerlicherweise in Hinsicht auf das Heimatbuch als Forschungsgegenstand weitgehend folgenlos. Erst in den letzten Jahren entdeckten einzelne Autoren aus Literaturwissenschaft, Volkskunde, Geschichtswissenschaft und historischer Landeskunde das Vertriebenenheimatbuch als Forschungsthema. Der Historiker Alexander Usler war wohl der erste, der Heimatbücher als Quelle zur Erforschung von Geschichtsbildern unterhalb der Ebene offizieller Geschichtsschreibung der organisierten Landsmannschaften systematisch nutzte.35 Schon zuvor hatten Georg und Renate Weber im Zuge ihrer Beschäftigung mit „Zugängen zur Gemeinde“ siebenbürgisch-sächsische Heimatbücher und Ortsmonographien u.a. auf ihre Funktion für die in den Westen ausgereisten Siebenbürger Sachsen hin untersucht.36 Mit der Dissertation der Münsteraner Volkskundlerin Ulrike Frede liegt seit 2004 eine eingehende Beschäftigung mit den Heimatbüchern einer schlesischen Region vor, der Grafschaft Glatz und den ehemaligen Kreisen Fran-

33 Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bde. [in 32 Teilbden.], Leipzig: Hirzel 1854– 1960, Bd. 12, Sp. 141, hier und im Folgenden nach der Online-Ausgabe: Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm auf CD-ROM und im Internet, (02.10.2008): „LANDSMANNSCHAFT, f. 1) das landsmannsein, die art eines landsmannes [...]; 2) enge vereinigung, genossenschaft von landsleuten.“ 34 Kessler: Heimatbücher. Die Einführung des Bearbeiters in Hemmerle: Heimat im Buch, S. 15–20, ist eher an der Perspektive der Verbände orientiert. 35 Alexander Usler: Das Geschichtsbild in sudetendeutschen Heimatbüchern nach 1948, in: Peter Heumos (Hg.): Heimat und Exil. Emigration und Rückwanderung, Vertreibung und Integration in der Geschichte der Tschechoslowakei, München: Oldenbourg 2001 (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum; 21), S. 23–35. 36 Georg und Renate Weber: Einleitung, in: dies. (Hg.): Zugänge zur Gemeinde: soziologische, historische und sprachwissenschaftliche Beiträge, Köln u.a.: Böhlau 1990 (Studia Transylvanica; 24), S. 1–10.



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kenstein und Waldenburg.37 Eine Tagung des Tübinger Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde (IDGL) unternahm auf Initiative von Mathias Beer im Oktober 2007 einen vielversprechenden gemeinsamen Blick auf das Heimatbuch als solches und das Vertriebenenheimatbuch im besonderen.38 Anfang 2008 schließlich verteidigte die Germanistin Katalin Orosz-Takács an der Loránd-Eötvös-Universität Budapest ihre Dissertation zu ungarndeutschen Heimatbüchern.39 Eine vergleichende Darstellung von Heimatbüchern verschiedener Herkunftsgruppen fehlt allerdings bis heute. Schon eine Ankündigung der im Entstehen begriffenen Kessler-Bibliographie betonte die Notwendigkeit einer Definition dessen, was unter Heimatbuch eigentlich zu verstehen sei.40 Die schließlich von Kessler vorgenommene Bestimmung des Heimatbuchs – im weiteren Sinne dort als „jede selbständige Veröffentlichung über den als Heimat begriffenen und angenommenen Raum“ verstanden – besteht vor allem in einem Katalog idealerweise darin abzuhandelnder Themen. Das Heimatbuch im engeren Sinne sei demnach „als Dokumentation angelegt, als Versuch, das, was war, zu erfassen, ,wie es war‘. Eine solche Orts-, Kreis- oder Landschaftsdokumentation sollte im Idealfall folgende Themenbereiche berücksichtigen: Geographie und Naturkunde; Geschichte; Verwaltung; Kirchen- und Schulwesen; Land- und Forstwirtschaft; Handel, Handwerk, Gewerbe und Industrie; Kunst- und Kulturgeschichte, Bau- und Kunstdenkmäler, Musik, Theater, Mundart, Brauchtum und volkstümliche Überlieferungen; den Ersten und den Zweiten Weltkrieg mit ihren Folgen; das Gemeindeleben; dazu ein Quellen- und Literaturverzeichnis und ein die Auswertung erleichterndes Register.“41

Die Frage „Was ist ein Heimatbuch?“ scheint bei der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema die wahre Gretchenfrage, der sich, soweit ich sehen kann, nach Kessler kein zweiter Autor mehr gestellt hat. Mit einer handhabbaren Definition steht und fällt jedoch nicht nur angesichts der Massenhaftigkeit des Phänomens wesentlich der Erfolg des Unternehmens. So gelangte Ulrike Frede, die in vielverspre37 Ulrike Frede: „Unvergessene Heimat“ Schlesien. Eine exemplarische Untersuchung des ostdeutschen Heimatbuches als Medium und Quelle spezifischer Erinnerungskultur, Marburg: Elwert 2004 (Schriftenreihe der Kommission für Deutsche und Osteuropäische Volkskunde in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde e.V.; 88). 38 Mathias Beer (Hg.): Das Heimatbuch. Geschichte – Methodik – Wirkung, Göttingen: V&R unipress 2010. 39 Katalin Orosz-Takács: Die zur Erinnerung gewordene Heimat. Heimatbücher der vertriebenen Ungarndeutschen. Univ.-Diss., Budapest 2007. Leider konnte ich diesen Titel erst kurz vor Drucklegung meiner Arbeit einsehen und daher nicht im verdienten Umfang berücksichtigen. Einen ersten Ausblick bietet dies.: „Fremde Heimat – Heimat in der Fremde“. Das Eigene und das Fremde in den ungarndeutschen Heimatbüchern, in: András F. Balogh und Erhard Schütz (Hg.): Regionalität und Fremde. Literarische Konstellationen, Visionen und Konzepte im deutschsprachigen Mitteleuropa, Berlin: Weidler 2007, S. 151–159. Katalin Orosz-Takács danke ich herzlich für die Überlassung eines Exemplars ihrer Dissertation, die mittlerweile auch online verfügbar ist, (14.08.2010). 40 Wilhelm Kampf: Ostdeutsche Heimatbücher – mehr als bloße Erinnerung, in: Der gemeinsame Weg 3 (1977), S. 20–23, hier S. 20. 41 Kessler: Heimatbücher, S. 17.

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chenden Ansätzen mit hohem Aufwand und großer Akribie Autorenbiographien und Entstehungszusammenhänge der von ihr untersuchten Werke rekonstruierte, jedoch Kesslers Definition zugunsten eines „offenen Quellenrahmens“ ad acta legte und als „Heimatbücher“ ganz unterschiedliche Publikationen von Loseblattsammlungen über Bildbände, Dokumentensammlungen und Pfarrchroniken bis hin zu persönlichen Erinnerungsschriften untersuchte, letztlich zur Erkenntnis, daß die Werke extrem heterogen und ihre Autoren, Entstehungsbedingungen und Inhalte nur schwer miteinander vergleichbar seien. Gleichzeitig stellte sie Kesslers These der Heimatbücher als „kollektive Gedächtnisse der Erlebnisgeneration“ in Frage – zu unterschiedlich und individuell geprägt erschienen die Werke, von Kollektivität könne kaum die Rede sein.42 Trotz der problematischen Quellenauswahl hat Frede anhand dieses Heimatschrifttums vieles herausgearbeitet, das für diese Arbeit von Belang ist, beispielsweise die klare Generationszugehörigkeit und das hohe Durchschnittsalter der Autoren bei Veröffentlichung. Die Hälfte gehört den Jahrgängen 1910 bis 1933 an, erlebte also die Vertreibung als Jugendliche oder Erwachsene, ein weiteres Drittel war bei Kriegsende zwischen 35 und 65 Jahren alt, nur zwei Prozent der Autoren sind nach 1940 geboren.43 Drei Viertel waren bei Veröffentlichung der Werke älter als 60 Jahre. Hier wird sichtbar, daß der „Blick zurück“, die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte überwiegend dem späteren Lebensalter eigen ist und daß bereits die zweite Generation kaum Interesse an einer Beschäftigung mit der Heimat ihrer Eltern und Großeltern hatte. Die Darstellung der Inhalte bringt einen klaren Motivkanon zu Tage, der von der Betonung der „historischen Leistung“ der eigenen Vorfahren und des „schon immer deutschen“ Schlesien bis hin zur Erzählung von der erfolgreichen Integration der Vertriebenen reicht. Ebenso deutlich wird der Wandel in den Einstellungen und Äußerungen, zunächst nach den Ostverträgen der Regierung Willy Brandt und dann mit der Wiedervereinigung 1990. Georg und Renate Weber, die ebenso ohne eine Definition auskommen und „Heimatbuch“ synonym mit „Ortsmonographie“ verwenden, geben wertvolle Hinweise auf die Funktion des Heimatbuchs in der Übergangs- und Bruchsituation, in der sich die Autoren der von ihnen untersuchten siebenbürgisch-sächsischen Werke nach dem Verlassen ihrer alten Heimat und der Ankunft im Westen befanden. Die Heimatbücher, so Weber und Weber, seien keineswegs nur als Ausdruck einer Verlusterfahrung zu sehen, sondern bedeuteten auch eine Brücke in die Gegenwart und Zukunft der Gruppe – ein Befund, der sich in meiner Arbeit vielfach bestätigt hat.44

42 Frede: „Unvergessene Heimat“, S. 367. Ausführlich: Jutta Faehndrich [Rezension]: Frede, Ulrike: „Unvergessene Heimat“ Schlesien. Eine exemplarische Untersuchung des ostdeutschen Heimatbuches als Medium und Quelle spezifischer Erinnerungskultur, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 54 (2005), S. 277–279; zugleich in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], (03.10.2008). 43 Frede: „Unvergessene Heimat“, S. 65. 44 Weber und Weber: Einleitung, S. 6.



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Katalin Orosz-Takács’ Arbeit, die ich erst nach Abgabe meiner Dissertation einsehen konnte, stützt sich auf die oben zitierte Kessler’sche Definition des Heimatbuchs im engeren Sinne. Sie ergänzt diese noch um einen „Idealtypus“, der weniger im Weber’schen Sinne denn als anzustrebendes Ideal eines Heimatbuchs zu verstehen ist. Demzufolge ist ein Heimatbuch eine Monographie, die „subjektive Heimaterlebnisse (Erinnerungen) mit objektiven Ansätzen (Dokumentation)“ zu einer organischen Einheit verbindet, die möglichst alle thematischen Aspekte des von Kessler aufgestellten Themenkanons berücksichtigt.45 Orosz-Takács’ Ansätze und Ergebnisse sind auf vielerlei Weise denen dieser Arbeit überraschend ähnlich. Sie arbeitet beispielsweise mit dem gleichen theoretischen Fundament und nutzt eine ähnliche Methodik.46 Diese erstaunliche Koinzidenz ohne persönliche Bekanntschaft geht auf ihre Rezeption eines Aufsatzes zurück, der eine erste Essenz meiner Beschäftigung mit Heimatbüchern darstellte,47 und der – neben anderem – als eine Grundlage ihrer Analyse ungarndeutscher Heimatbücher dient, respektive dessen Ergebnisse sie an den von ihr zugrundegelegten 19 Werken prüft.48 Es ist durchaus schmeichelhaft, wenn die eigene Arbeit von anderen weiterentwickelt wird, bevor man selbst zu einem abschließenden Ergebnis gelangt ist. Tatsächlich ist aber auch beruhigend zu sehen, daß man an einem ähnlichen Forschungsgegenstand mit ähnlichen Methoden zu ähnlichen Ergebnissen gelangt. Auf diese Ergebnisse werde ich daher besonders bei der Analyse der südosteuropadeutschen Werke im Text immer wieder verweisen. Ihre Arbeit zeichnet sich auch durch die historische Einbettung der ungarndeutschen Werke in die Geschichte des Heimatbuchs sowie den Vergleich mit ungarischsprachigen Ortsmonographien derselben Gemeinden aus. Die Konzentration auf Werke einer einzelnen Vertriebenengruppe erlaubt überdies eine sehr viel eingehendere Beschäftigung mit diesen, als es hier möglich ist. Beispielsweise kann sie bei ungarndeutschen Heimatbüchern drei Generationentypen nachweisen, was sich nach meinen Erkenntnissen bei anderen Herkunftsgruppen nicht bestätigen läßt.49 Ähnlich wie diese Arbeit konstatiert sie bei der Untersuchung der Rezeption von Heimatbüchern schier unüberwindbare methodische Zugangsschwierigkeiten.50

45 Orosz-Takács: Erinnerung, S. 14. 46 So zieht sie als theoretisches Fundament Jan Assmanns Theorie des kommunikativen und kulturellen Gedächtnisses und insbesondere der Übergangsschwelle zwischen beiden, seine Theorie des Generationengedächtnisses sowie den von Assmann bei Pierre Nora entlehnten Begriff der „Gedächtnisgemeinschaft“ hinzu; Orosz-Takács: Erinnerung, S. 34, 46f., 128f. u.ö., sowie Maurice Halbwachs’ Gedächtnistheorie; ebd., S. 128f. Methodisch arbeitet sie mit einer Kombination von qualitativer und quantitativer Textanalyse (passim). 47 Jutta Faehndrich: Erinnerungskultur und Umgang mit Vertreibung in Heimatbüchern deutschsprachiger Vertriebener, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 52 (2003), S. 191–229. 48 Orosz-Takács: Erinnerung, S. 15, S. 17. 49 Ebd., S. 176f. 50 Ebd., S. 54.

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Die von Orosz-Takács vertretene These der Identitätsbildung der Gruppe vermittels Darstellung von Eigenem und Fremden im Heimatbuch, beispielsweise in Form von Auto- und Heterostereotypen oder der Beziehung zu anderen ethnischen Gruppen, wird uns hier ausführlich und anhand der Heimatbücher aller Vertriebenengruppen beschäftigen. Auch ihrer Annahme, die Fremderfahrung nach der Ankunft im Westen nach 1945 sei das auslösende Moment zum Schreiben von Heimatbüchern,51 wird diese Arbeit nachgehen. Die Tübinger Tagung zum Heimatbuch, der ich viele Anregungen und inspirierende Gespräche verdanke und auf deren Beiträge ich in der ganzen Arbeit immer wieder eingehe, die aber aus diesem Grund hier nicht im Detail beleuchtet werden, brachte zum ersten Mal die Sicht auf Heimatbücher der gegenwärtigen und der verlorenen Heimaten zusammen. Sie brachte aber vor allem auch Laien und Autoren von Heimatbüchern und die zum Thema Forschenden zum fruchtbaren Austausch an einen Tisch. Dieser beförderte die wesentliche Erkenntnis, daß sich die Wissenschaft nicht aufschwingen sollte, eine Laienhistoriographie und -forschung, wie sie beispielhaft in Heimatbüchern publiziert wird, als mindere Form ihrer eigenen Arbeit zu deklassieren. Der entstandene Tagungsband bietet mit dem Grundlagenbeitrag des Herausgebers eine prägnante Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes zu Heimatbüchern sowohl existenter als auch verlorener Heimaten. Der enge wissenschaftliche Austausch im Zuge der Tagung ermöglichte zudem, daß vorab zahlreiche Ergebnisse meiner Arbeit in den Beitrag von Mathias Beer einfließen konnten. Insbesondere für das Heimatbuch westdeutscher Regionen bietet Beer jedoch einen weit breiteren Überblick als hier möglich, so daß explizit darauf verwiesen sei.52 Die Tagung verdeutlichte schließlich auch, daß alle Heimatbücher für eine klar definierte Gemeinschaft als Zielgruppe geschrieben sind, deren Geschichte und Geschichten sie zwecks Förderung von Identifikation und Zusammenhalt dieser Gruppe auf ganz spezifische Weise darstellen. Geschichte und Geschichten, Zugehörigkeit und Identität, Heimat und Verlust kristallisierten sich so als die Konstanten des Heimatbuchs, egal welcher Heimaten, heraus.

51 Orosz-Takács: „Fremde Heimat“, S. 158. 52 Mathias Beer: Das Heimatbuch als Schriftenklasse. Forschungsstand, historischer Kontext, Merkmale und Funktionen, in: ders. (Hg.): Das Heimatbuch, S. 9–39.

3.  Theoretische Grundlagen 3.1  Gedächtnis und Erinnerung Wissenschaftstrends und Gedächtnisboom Die Beschäftigung mit Erinnerung und Gedächtnis hat in den letzten Jahrzehnten in den Geistes- und Kulturwissenschaften einen bemerkenswerten Aufschwung erfahren, bis hin zu einem gewissen Überdruß.1 Kollektives Gedächtnis, kommunikatives und kulturelles Gedächtnis, Erinnerungskulturen, Erinnerungsorte oder lieux de mémoire sind nur einige der Catchwords des wissenschaftlichen Gedächtnisbooms. Dieser Trend geht v.a. in den Geschichtswissenschaften einher mit einer seit Ende des Zweiten Weltkriegs in kaum einem geisteswissenschaftlichen Bereich so umfassend erfolgten Um- und Neubestimmung von Kernaufgaben und Selbstverständnis des Faches. Die Veränderungen betreffen zum einen den Gegenstandsbereich, zum anderen die Zugangsweise, mithin das Betrachtungsparadigma und die Methodik, die zur Erforschung des Gegenstandes herangezogen wird. Im Gefolge der 68er-Bewegung interessierte vor allem eine Erweiterung des Gegenstandsbereiches: Weg von der politischen und Ereignisgeschichte, wie sie in der Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts exemplarisch betrieben wurde, und zunächst hin zur Sozialgeschichte, später auch zu einer Alltags- und Mikrogeschichte, die ihren Blick auf die „kleinen Leute“ lenkte, die bis dato wenig im Fokus der Geschichtswissenschaft gestanden hatten. Auch auf methodischer Ebene bewies sich die Aufweichung der Grenzen zwischen Geschichte und Soziologie, aber auch der Ethnologie oder Kulturanthropologie, als fruchtbar. Ebenso wurde die Grenze zur Literaturwissenschaft durchlässiger und bereicherte die Historiographie, die sich zunehmend in Richtung auf plurale „Geschichtswissenschaften“ bewegte, durch Ansätze wie die Diskursanalyse oder den Strukturalismus. Nicht zuletzt der sogenannte „linguistic turn“ in den nun im Plural auftretenden Geschichtswissenschaften verdankte sich dem Blick über den Tellerrand. Nach dem linguistic turn folgte mit dem cultural turn eine neuerliche Perspektivenerweiterung in den Geschichtswissenschaften, die übrigens ebenso benachbarte Disziplinen ergriff – was verdeutlicht, daß die überkommenen Fachgrenzen weniger klar definiert sind als je zuvor. Nach der Erweiterung des Gegenstandsbereichs – zur Alltagsgeschichte, Mikrohistorie, Geschlechter- oder Minoritätengeschichte – und neuen methodischen Ansätzen – ob aus Sozialwissenschaften oder Anthropologie, als 1 Mathias Berek: Kollektives Gedächtnis und die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Erinnerungskulturen, Wiesbaden: Harrassowitz 2009 (Kultur- und sozialwissenschaftliche Studien; 2), S. 9, im Rückgriff auf Wulf Kansteiner: Of Kitsch, Enlightenment, and Gender Anxiety: Exploring the Cultural Memories of Collective Memory Studies [Rezension von Peter Seixas (Hg.): Theorizing Historical Consciousness, Toronto: University of Toronto Press 2004], in: History and Theory 46 (2007), S. 82–91, hier S. 82.

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Theoretische Grundlagen

Strukturalismus, Oral History oder Diskursanalyse – wandte sich das Augenmerk der der Geschichte zugeschriebenen Bedeutung zu. Statt frei nach Ranke zu zeigen, „wie es eigentlich gewesen“2, wurde nun nach dem intendierten Sinn, den Akteuren, Intentionen und Machtstrukturen von Geschichtsschreibung und -konstruktion gefragt. Zur Frage nach der Semantik von Geschichte gehört zweifelsohne der Boom der Forschung zu Erinnerung und Gedächtnis als Untersuchungsfelder wie als Paradigma der Forschung seit den späten 1980er Jahren. Die Virulenz des Themas wird in der Literatur meist zurückgeführt auf verstärkt auftretende Phänomene der Erinnerung, so eine intensivierte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus als Leitkatastrophe des 20. Jahrhunderts, die Flut der Memoirenliteratur und populären Geschichtsdarstellung in den immer stärker präsenten Massenmedien oder das Lebensende der Zeitzeugengeneration von Shoah und Zweitem Weltkrieg. Ob damit Wissenschaft auf ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Erinnerung reagierte oder vielmehr innerwissenschaftliche Entwicklungen den Weg zur Gedächtniswelle wiesen, gleicht der Frage nach Henne oder Ei. Im historiographischen Feld selbst kann man diesen Trend jedenfalls als Konsequenz postmoderner Geschichtstheorien verstehen, die den Narrationsund Konstruktionscharakter aller Geschichtsschreibung betonen und so den Fokus von der faktischen auf die semantische Ebene lenken.3 An dieser Stelle soll keine Darstellung des Forschungsstandes zum Thema Gedächtnis und Erinnerung stattfinden; dies haben andere ausführlich und besser getan.4 Für unsere Zwecke interessiert vor allem, was von den vielen Regalmetern an theoretischer Literatur für das Verständnis der Heimatbücher weiterhilft. Dazu werden im Folgenden zunächst zentrale Begriffe geklärt und in Bezug zum Gegenstand gesetzt sowie die theoretischen Grundlagen der Beschäftigung mit den Heimatbüchern der deutschen Vertriebenen abgesteckt. Mit welcher Art von Erinnerung haben wir es in den Heimatbüchern zu tun? Wer sind ihre Träger und in welchen sozialen Zusammenhängen stehen sie? Welche Rolle spielt die Verschriftlichung von Erinnerung in den Heimatbüchern für sie? Und in welcher Beziehung steht das alles zum Hauptschlagwort des kulturwissenschaftlichen Gedächtnisbooms, dem kulturellen Gedächtnis?

Begriffsbestimmung Auf den ersten Blick scheinen Gedächtnis und Erinnerung weitgehend gleichbedeutende Begriffe, das Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache weist sie gar als 2 Leopold von Ranke: Vorrede zu Geschichten der romanischen und germanischen Völker (1824), in: ders.: Sämmtliche Werke, Bd. 33: Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514, Leipzig: Duncker & Humblot 1874, S. VII. 3 Astrid Erll: Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart: Metzler 2005, S. 2–4, nennt eine lange Liste möglicher Begründungen für den Gedächtnisboom. 4 Ebd.



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Synonyme aus.5 Allein um begriffliche Klarheit zu gewinnen, ist es jedoch sinnvoll, zwischen beiden zu unterscheiden. Wilhelm von Humboldt hat in seiner Sprachphilosophie eine Bestimmung von Sprache vorgenommen, die beispielsweise den Philosophen Ernst Cassirer so nachhaltig beeindruckte, daß er sie wie ein Leitmotiv durch sein gesamtes Werk hindurch immer wieder zitierte. Sprache, so Humboldt, „ist kein Werk (Ergon), sondern eine Thätigkeit (Energeia). [...] Sie ist nemlich die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes, den articulirten Laut zum Ausdruck des Gedanken fähig zu machen.“6 Was Cassirer an dieser heute so einleuchtend klingenden Feststellung faszinierte, war die Einsicht in den prozessualen Charakter von Sprache, die damit vom starren, scheinbar fixen System zum lebendigen, ständig im Fluß befindlichen Organismus wurde. Humboldt machte den Blick frei auf die Sprechenden, auf die Rede, auf die Strukturen von Sprache und die menschliche Leistung bei ihrer Hervorbringung. Humboldt kann uns auch im Hinblick auf Gedächtnis und Erinnerung weiterhelfen. Denn zum einen müssen wir uns darüber klarwerden, daß Erinnerungen kein abgeschlossen-fertiges, quasi unveränderliches Werk sind, und zum anderen können wir Erinnerung nicht verstehen ohne diejenigen, die sie hervorbringen. Das menschliche Erinnern ist, frei nach Humboldt, „die sich ewig wiederholende Arbeit des Geistes“, sich auf Vergangenes zu beziehen und es in kommunikabler Form zu entäußern – in jedweder Form menschlicher Ausdrucksfähigkeit. Erinnerung soll also hier als Energeia, als die Tätigkeit des Rückbezugs auf Vergangenes und dessen Kommunikation verstanden werden. Erinnerungen sind demzufolge das kommunizierte, mitgeteilte Ergebnis dieser Tätigkeit des menschlichen Geistes. Wobei es sich auch hier mitnichten um ein statisches, in einem Zustand fixiertes Produkt handelt, sondern um ein work in progress. Gedächtnis dagegen soll als die grundlegende menschliche Fähigkeit zum Rückbezug auf Vergangenes angesehen werden, das Vermögen des Erinnerns,7 das als anthropologische Konstante in einem Wort Czesław Miłosz’ zum Ausdruck kommt: „Ein Mensch ohne Gedächtnis ist kaum ein Mensch zu nennen.“8 5 Ruth Klappenbach, Wolfgang Steinitz, Akademie der Wissenschaften der DDR, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft (Hg.): Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 6 Bde., Berlin: Akademie-Verlag 1964–1977. Hier und im Folgenden nach der aktualisierten digitalen Ausgabe: Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache des 20. Jahrhunderts, (08.08.2008). 6 Wilhelm von Humboldt: Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluß auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts [Berlin 1836–1838]; in: Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften, hg. von der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften. Bd. VII, 1. Hälfte, Berlin: Behr 1907, S. 1–344, hier S. 45f. Cassirer nannte übrigens zeitlebens fälschlich S. 46f. als Quelle dieses Zitats. 7 Eine ähnliche, aber zu knappe Unterscheidung bei Erll: Kollektives Gedächtnis, S. 7. Dort wird Erinnern als Prozeß, Erinnerung als dessen Ergebnis sowie Gedächtnis als Struktur oder Fähigkeit definiert. 8 Czesław Miłosz: Lob des Exils, in: Lettre International 20 (1993), S. 44–46, hier 45f. Zitiert nach Alfrun Kliems: Heimatkonzepte in der Literatur des Exils. Zwischen Erinnerung und Konstruktion, in: Eva Behring u.a. (Hg.): Grundbegriffe und Autoren ostmitteleuropäischer Exilliteraturen 1945–1989.

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Theoretische Grundlagen

Die soziale Konstruktion von Erinnerung Wesentliche Voraussetzung der Erinnerungsforschung ist die Erkenntnis, daß alle Erinnerung einem sozialen Konstruktionsprozeß unterliegt. Schon Maurice Halbwachs verstörte seine Leser mit der Aussage, es sei keine Erinnerung denkbar, die nicht sozial geprägt sei.9 Damit schien er die Individualität selbst unserer ganz privaten Erinnerungen in Frage zu stellen. Doch Halbwachs wollte keineswegs suggerieren, unsere Erinnerungen seien uns von anderen eingeflüstert, sondern zog lediglich die Konsequenz aus der anthropologischen Grundtatsache des Menschen als sozialem Wesen. Wiewohl rein theoretisch eine menschliche Existenz abgeschnitten von der Welt und ohne soziale Kontakte denkbar ist, so wäre doch fraglich, ob dieses isolierte Wesen ohne ein Gegenüber Symbolsysteme wie Sprache oder eben Erinnerung ausprägen würde. Abseits solcher Spekulationen wird jeder Mensch qua Geburt Teil verschiedenster sozialer Zusammenhänge, Gruppen und Kreise und alsbald vermittels Sozialisation ganz selbstverständlich in sie hineinwachsen und an ihnen teilhaben. Da der Mensch nicht nur ein soziales, sondern auch ein symbolverwendendes und -produzierendes Wesen ist, sind unsere Erinnerungen zugleich Teil der vom Menschen geschaffenen Symbol- oder Sinnsysteme, aus denen sich unsere Realität zusammensetzt. Ob man dies nun mit Ernst Cassirer symbolische Formen oder mit Peter L. Berger und Thomas Luckmann die soziale Konstruktion der Wirklichkeit10 nennt, ist lediglich eine Frage der präferierten Begrifflichkeiten. Dahinter steht immer die Tatsache, daß wir es, wie Cassirer auf den Punkt bringt, niemals mit den Dingen – hier klingt das Kant’sche Ding an sich durch und damit die Einsicht in die Unmöglichkeit, es als solches zu erkennen –, sondern immer schon mit uns selbst zu tun haben, mit unseren eigenen Symbolisierungen und vom Menschen geschaffenen Sinnwelten.11 Auch wenn die Einsicht zunächst desillusionierend, vielleicht sogar deprimierend erscheint, daß wir eine „Realität an sich“ nicht erkennen können und es damit auch sinnlos ist, über deren Beschaffenheit zu spekulieren, so gewinnt man mit diesem vermeintlichen Verlust doch auch an Freiheit. Statt unsere Energie auf die Suche nach dem „wie es eigentlich gewesen“ zu verwenden, wird der Blick frei auf die Strukturen und Bedingungen, die Akteure und Gesetzmäßigkeiten der menschlichen Konstruktionsprozesse und symbolischen Sinnwelten. Wir haben es also beispielsweise bei den Heimatbüchern mit dem Ergebnis solcher Konstruktionsprozesse zu tun. In Bezug auf Gedächtnis und Erinnerung befreit uns diese Einsicht auch von der quälenden Frage nach „wahren“ und „falschen“ Erinnerungen. Wenn Erinnerung stets Ergebnis Ein Beitrag zur Systematisierung und Typologisierung, Stuttgart: Steiner 2004 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa; 20), S. 395–438, hier S. 428. 9 Maurice Halbwachs: Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen, Berlin, Neuwied: Luchterhand 1966 (zuerst Paris 1925), S. 361–369. 10 Peter L. Berger und Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 1980 (zuerst Garden City 1966). 11 Ernst Cassirer: Versuch über den Menschen. Einführung in eine Philosophie der Kultur, Hamburg: Meiner 1996 (zuerst New Haven 1944), S. 50.



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eines sozial geprägten Konstruktionsprozesses ist, so können wir lediglich danach fragen, wie dieser Prozeß abläuft, welchen Faktoren er unterliegt, welche Strukturen ihn kennzeichnen, welche Akteure und sozialen Entitäten daran beteiligt sind. Die Frage nach „wahren“ oder „falschen“ Erinnerungen erweist sich jedoch als gleichsam ungültige Kategorie.12 Auch die Neuropsychologie hat sich längst von der Vorstellung verabschiedet, daß Erinnerung einen im Gedächtnis aufbewahrten Eindruck lediglich wieder hervorholt. Stattdessen geht man heute von einem aktiven Konstruktionsprozeß aus, der nicht Gespeichertes wieder abruft, sondern erst etwas ganz Neues herstellt.13 Maurice Halbwachs, der auf diesem Wege posthum von der heutigen Neuropsychologie bestätigt wird, hatte schon 1925 mit Bezug auf das kollektive Gedächtnis ganz Ähnliches festgestellt: „[Das kollektive Gedächtnis] bewahrt nicht die Vergangenheit auf, sondern es rekonstruiert sie mit Hilfe materieller Spuren, Riten, Texte und Traditionen, die sie hinterlassen hat, aber auch mit Hilfe von neuerlichen psychologischen Gegebenheiten, d.h. mit der Gegenwart.“14

Zur Erläuterung soll kurz präzisiert werden, wie Halbwachs den Begriff des kollektiven Gedächtnisses versteht, auch weil seine Ausführungen zum Thema einiges zum Verständnis der Heimatbücher beitragen können. Wenn er vom kollektiven Gedächtnis spricht, so ist damit nicht gemeint, daß ein Kollektiv, also eine soziale Gruppe ein Gedächtnis hätte, das womöglich eigenständig und unabhängig von den Individuen existierte.15 Der Begriff des Kollektiven, der zur Abfassungszeit von Halbwachs’ erster Beschäftigung mit dem Thema in den 1920er Jahren in den Sozialwissenschaften kursierte und erst später durch die sozialistische Kollektivwirtschaft u.ä. vereinnahmt 12 Dennoch ist es möglich und notwendig, zwischen authentisch-biographischen und Scheinerinnerungen zu unterscheiden. Der Neuropsychologe Daniel Schacter, der sich ausführlich mit dieser Frage beschäftigt hat, kommt zu dem Schluß, daß es allein die Quelle der Erinnerung ist, die nicht authentisch ist, sondern vom Subjekt nur als biographisch angenommen wird. Zu diesem Phänomen zählen übereifrige Therapeuten, die vermeintliche Mißbrauchserlebnisse in der Kindheit „aufdecken“, ebenso wie Fälle, in denen Individuen Geschichten, die sie von Dritten oder aus Medien kennen, im Laufe der Zeit für eigene Erfahrungen halten und als eigene Erinnerung deklarieren. Hier liegt jedoch keine falsche Erinnerung, sondern ein Verlust der Quellenerinnerung vor, bei dem dem Erinnernden die Quelle seines Wissens nicht bewußt oder entfallen ist und biographisches mit Wissen aus zweiter Hand verwechselt wird, Daniel L. Schacter: Wir sind Erinnerung. Gedächtnis und Persönlichkeit, Reinbek: Rowohlt 1999 (zuerst New York 1996), S. 163–219 u.ö. 13 Schacter: Erinnerung, S. 118: „Entsprechend sind für die Erinnerer das Engramm (die eingespeicherten Fragmente einer Episode) und die Erinnerung (das subjektive Erlebnis der Vergegenwärtigung eines vergangenen Ereignisses) nicht dasselbe. Die gespeicherten Fragmente tragen zur bewußten Erfahrung des Erinnerns bei, aber sie sind nur ein Teil dieser Erfahrung. Ein anderer wichtiger Bestandteil ist der Abrufreiz [das, was uns erinnert hat und die Erinnerung auslöst] selbst. Obwohl häufig angenommen wird, daß ein Abrufreiz eine Erinnerung nur auslöst oder aktiviert, die in den Tiefen des Gehirns schlummert, habe ich bereits eine Alternative skizziert: Der Hinweisreiz verbindet sich mit dem Engramm zu einem neu entstehenden Ganzen – dem Erinnerungserlebnis des Erinnerers –, das sich von seinen beiden Bestandteilen unterscheidet.“ 14 Halbwachs: Gedächtnis, S. 296. 15 Dies wird auch klar so formuliert: Halbwachs: Kollektives Gedächtnis, S. 45.

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und für die heutige Wissenschaft wenig brauchbar wurde, meint bei ihm genau das, was oben schon als grundlegende soziale Bedingtheit des Gedächtnisses festgestellt wurde. Statt kollektiv könnte man diesen Aspekt des menschlichen Gedächtnisses ebensogut sozial, sozial geprägt oder sozial konstruiert nennen, was letztlich eine Frage begrifflicher Vorlieben ist. Ein weiterer guter Grund, warum Halbwachs den Begriff des Kollektiven verwendet und weshalb er auch hier zur Anwendung kommen soll, ist gleichwohl die unbedingte Bindung des kollektiven Gedächtnisses an Gruppen, eben an Kollektive, die im weiteren näher beleuchtet werden soll.

Gruppen als Träger kollektiver Erinnerung Erinnerung ist immer an eine bestimmte Trägergruppe gebunden. Dieses einleuchtende und für die klassischen Theoretiker selbstverständliche Faktum16 wird in der florierenden Debatte um Erinnerung, Gedächtnis und Erinnerungskultur(en) nicht immer ausreichend berücksichtigt. Wenn sich der Blick zum Beispiel auf „deutsche Erinnerungsorte“ ausweitet,17 wird die Frage, welche Deutschen denn diese für sich als solche begreifen, gerne außer acht gelassen. Die Frage nach Funktionsweise, Konstruktion und Inhalten von Erinnerung macht den schwierigen Blick auf diejenigen, die diese Erinnerungen produzieren, rezipieren, reproduzieren und mit Bedeutung versehen, unerläßlich. Die theoretischen Überlegungen Halbwachs’ und Assmanns sind jedoch dann besonders plausibel und gewinnbringend anwendbar, wenn es um relativ klar definierte, möglichst geschlossene Gruppen geht. Je nach Intensität von Gruppenzusammenhalt und Größe der Gruppe wird die Erinnerung für das einzelne Mitglied unterschiedlich verbindlich ausfallen, und, so die These, relativ kleine und engmaschig geknüpfte Gruppen werden eine verbindlichere Erinnerung pflegen als weiträumige soziale Gebilde, wie es die von Halbwachs eben nicht als Träger des kollektiven Gedächtnisses angesehene Nation ist: „Aber gewöhnlich“, so Halbwachs, „ist die Nation zu weit vom Individuum entfernt, als daß es die Geschichte seines Landes als etwas anderes als einen sehr ausgedehnten Raum betrachtet, mit dem seine eigene Geschichte nur sehr wenige Berührungspunkte hat.“18 Er folgert daraus, daß die mannigfaltigen sozialen Gruppen, die innerhalb der Gesellschaft und unterhalb der Ebene der Nation existieren, die wirklichen Träger kollektiver Gedächtnisse sind.19 16 Assmann: Gedächtnis, S. 39: „Das Kollektivgedächtnis haftet an seinen Trägern und ist nicht beliebig übertragbar. Wer an ihm teilhat, bezeugt damit seine Gruppenzugehörigkeit. Es ist deshalb nicht nur raum- und zeit-, sondern auch, wie wir sagen würden: identitätskonkret. Das bedeutet, daß es ausschließlich auf den Standpunkt einer wirklichen und lebendigen Gruppe bezogen ist.“ Halbwachs: Kollektives Gedächtnis, S. 7: die Voraussetzung für ein kollektives oder soziales Gedächtnis ist die Existenz einer „dauerhafte[n] Gruppe“: „Die Dauer eines solchen Erinnerns [ist] also zwangsläufig auf die Existenzdauer der Gruppe beschränkt.“ 17 Etienne François und Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. 3 Bde., München: Beck 2000f. 18 Halbwachs: Kollektives Gedächtnis, S. 64. 19 Ebd., S. 65f.



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Auch wenn mit Sicherheit auch auf nationaler Ebene soziale Konstruktionen von Gedächtnis stattfinden, z.B. über eine gezielte staatlich gelenkte Geschichtspolitik, so scheint es doch gewinnbringender, die kollektive Erinnerung solch kleinerer Gruppen zu untersuchen wie zum Beispiel die deutschen Vertriebenen und deren Zusammenschlüsse, die in der Regel die Publikation von Heimatbüchern verantworteten, als ein schwer faßbares „nationales Gedächtnis“. Zugleich muß man bedenken, daß das Individuum, mit Georg Simmel als „Schnittpunkt sozialer Kreise“20 verstanden, selbstverständlich zur gleichen Zeit und im Laufe seines Lebens Teil vieler Kreise und sozialer Gruppen ist und derart teilhat an verschiedenen, oft sicher auch divergenten kollektiven Gedächtnissen.21 Welche Elemente dieser divergierenden Gedächtnisse sich langfristig durchsetzen oder zu einem konkreten Zeitpunkt für das Individuum verbindlich werden, ist wiederum durch den Charakter der Gesellschaft als Vielzahl verschiedener Gruppen bestimmt. Denn, und auch das ist eine wesentliche Erkenntnis, die wir Halbwachs verdanken, nicht nur das Erinnern, sondern auch das Vergessen, ebenso wie die Auswahl, Bedeutungszuschreibung, Zusammenstellung und Bewertung der Gedächtnisinhalte hängt von der Gegenwart der Trägergruppen ab: „Man kann sich nur unter der Bedingung erinnern, daß man den Platz der uns interessierenden vergangenen Ereignisse in den Bezugsrahmen des Kollektivgedächtnisses findet. Eine Erinnerung ist um so reicher, je größer die Anzahl jener Rahmen ist, in deren Schnittpunkt sie auftaucht, und die sich in der Tat kreuzen und teilweise gegenseitig decken. Das Vergessen erklärt sich aus dem Verschwinden dieser Rahmen oder eines Teiles derselben [...]. Das Vergessen oder die Deformierung bestimmter Erinnerungen erklärt sich aber auch aus der Tatsache, daß diese Rahmen von einem Zeitabschnitt zum anderen wechseln. Die Gesellschaft stellt sich die Vergangenheit je nach den Umständen und je nach der Zeit in verschiedener Weise vor: sie modifiziert ihre Konventionen.“22

Die individuelle Erinnerung befände sich dann synchron betrachtet im Schnittpunkt der kollektiven Gedächtnisse der Kreise und Gruppen, denen das Individuum angehört, ebenso wie just das Individuum – die Person – sich dadurch auszeichnete, Schnittpunkt sozialer Kreise zu sein. Auf die Dauer betrachtet wären hingegen vor allem solche Erinnerungen im weitesten Sinne mehrheitsfähig, die von möglichst vielen Gruppen der Gesellschaft geteilt werden. Übrigens ähnelt die Theorie Halbwachs’ auch hier den gegenwärtigen Erkenntnissen der Neuropsychologie, die besagen, daß eine Erinnerung besonders leicht abrufbar ist und lebhaft ausfällt, wenn die angebotenen Erinnerungsanlässe (Hinweisreize) zahlreich und vielfältig sind. Gibt es wenig 20 Georg Simmel: Das Individuum als Schnittpunkt sozialer Kreise, in: ders.: Einleitung in die Moralwissenschaft. Eine Kritik der ethischen Grundbegriffe, Bd. 2 (zuerst Berlin 1892/93). Hg. von Klaus Christian Köhnke, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1991 (Georg Simmel Gesamtausgabe; 4), S. 353–355 und 355–358; dazu ausführlich Klaus Christian Köhnke: Der junge Simmel – in Theoriebeziehungen und sozialen Bewegungen, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1996, S. 321–333. 21 Halbwachs: Gedächtnis, S. 324f., hier am Beispiel von Funktionärskörperschaften. 22 Ebd., S. 368f. Die Verwendung der Schnittpunktmetapher legt nahe, daß Halbwachs die entsprechenden Passagen bei Simmel gekannt haben mag.

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oder keine Hinweisreize, steigt die Wahrscheinlichkeit, daß die neuronalen Spuren eines Ereignisses im individuellen Gedächtnis dem Vergessen anheimfallen. Einfacher gesagt, wenn niemand in meiner Umgebung etwas über meine Erfahrungen wissen will, wenn niemand von dem spricht, was für mich ein prägendes Ereignis war und mir damit Hinweisreize gibt, die zur Erinnerungsrekonstruktion Anlaß geben, werde ich dazu neigen, mich mit der Zeit weniger klar daran zu erinnern, vielleicht es sogar zu vergessen, weil ich keine Gelegenheit habe, die Erinnerung daran zu pflegen.23 Im Gegenzug wird eine Erinnerung erst durch mehrfachen Abruf aus dem Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen und wird also umso klarer werden, je häufiger ich Gelegenheit habe, über das zugrundeliegende Ereignis zu sprechen.24 An diesem Punkt gelangen wir zu einer Eigenart der Vertriebenen als Trägergruppe eines kollektiven Gedächtnisses, nämlich ihrem expliziten Ziel, eine Erinnerung festzuhalten, die ohne diesen Akt vergessen würde: an die Heimat, die sie verloren haben, und an die Art und Weise dieses Verlusts. Inwiefern unterscheidet sich diese Verlusterfahrung von der anderer Gruppen, die ihre Heimat hinter sich ließen, wie Exilanten und Auswanderer? Und was können wir aus theoretischer Sicht überhaupt über den reichlich diffusen „Heimat“-Begriff sagen?

3.2  Heimat und ihr Verlust An der Frage, was Heimatgefühle oder, wie es der Sonderforschungsbereich 417 der Universität Leipzig wissenschaftlich-emotionslos zu formulieren versuchte, „regionenbezogene Identifikationsprozesse“ eigentlich sind, haben sich Theoretiker zahlloser Disziplinen versucht. Arbeiten zum Thema füllen ganze Bibliotheken, doch wenig davon scheint bei näherer Betrachtung für unsere konkrete Fragestellung nutzbar. Vor allem in den 1980er Jahren, als die Bundesrepublik einen wahren Heimatboom erlebte, machten sich Sozialwissenschaftler und Philosophen an eine Erkundung dieses scheinbar so deutschen Phänomens. Die Volkskundlerin Ina-Maria Greverus stellte die These auf, der Mensch sei ein „territoriales“ Wesen, das nicht anders als das Tier aufgrund seiner Biologie ein spezifisches Territorium habe, zu dem er eine emotionale Bindung entwickle, das für seine Identität prägend sei und das er durch „territoriumssichernde Verhaltensweisen“ verteidige.25 Greverus verkannte allerdings die Spe23 Schacter: Erinnerung, S. 108: „Da unser Selbstverständnis so sehr von dem abhängt, was wir von unserer Vergangenheit wissen, ist es bedauerlich, daß erfolgreiches Erinnern ganz wesentlich auf die Verfügbarkeit passender Abrufreize angewiesen ist. Wir können davon ausgehen, daß Teile unserer Vergangenheit einfach deshalb verlorengehen, weil wir nicht den Hinweisreizen begegnen, die passive Erinnerung aktivieren.“ 24 Ebd., S. 146. 25 Ina-Maria Greverus: Auf der Suche nach Heimat, München: Beck 1979, S. 60: „Heimat ist nichts anderes als Territorium oder Revier!“ S. 210: „Wenn wir von menschlicher Territorialität sprechen, dann bedeutet dies [...], daß wir die Hypothese eines angeborenen, aber prägungsoffenen Verhaltensschemas zugrunde legen, das territoriales Verhalten bedingt und auf Auslösereize reagiert.“ Siehe



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zifik des Menschen als kulturelles, symbolverwendendes Wesen. Nicht die Biologie, sondern die besondere Fähigkeit des Menschen als „zoon symbolikon“, sich mittels Symbolisierungen seine eigenen Sinnwelten zu schaffen, ist für die Bindung an einen bestimmten Raum oder eine „Heimat“ verantwortlich. Die symbolische Verortung des Menschen im Raum ist ihm nicht angeboren, sondern Ausdruck seiner Kultur und wird dem Individuum im Sozialisationsprozeß vermittelt. Für unsere Zwecke hilfreicher ist eine wenig beachtete, aber umso brauchbarere Arbeit des Soziologen Heiner Treinen zur, wie er es ebenso nüchtern wie prägnant nannte, „symbolischen Ortsbezogenheit“ der Einwohner eines bayrischen Ortes.26 Treinens Stärke liegt in der sorgfältigen und plausiblen theoretischen Begründung seines Ansatzes, in der völlig ideologiefreien Methode und der praktischen Stringenz seiner Umfragen unter den Bewohnern des (anonymisierten) Ortes „Hausen“. Er trennt zunächst die landläufig als „Heimatgefühl“ subsumierte emotionale Identifikation in zwei verschiedene Phänomene: das Gefühl der Geborgenheit und Zugehörigkeit zu einem bestimmten sozialen Kreis, das er als at-home-feeling bezeichnet und das nicht notwendigerweise einen Raumbezug haben muß, sondern auch auf ortsunabhängige Sozialgebilde wie beispielsweise auf Familie und weit verstreute Freunde rekurrieren kann. Das zweite Phänomen ist sein eigentlicher Untersuchungsgegenstand, die „symbolische Ortsbezogenheit“, die auf symbolische Repräsentationen eines Ortes verweist.27 Grundsätzliches theoretisches Fundament seiner Arbeit bildet die Erkenntnis, daß die Identifikation mit einem bestimmten Raum sich nicht auf den Raum als solchen, sondern stets auf Symbolisierungen bezieht. Hier stützt er sich u.a. auf Cassirers Feststellung, daß wir nicht mit den Dingen, sondern immer schon mit unseren eigenen Symbolisierungen umgehen,28 und auf Vilfredo Paretos Erkenntnis, daß es nicht der physische Raum ist, der eine Gruppe eint und Identifikations- und Zugehörigkeitsgefühle auslöst, sondern der Ortsname, also eine Symbolisierung.29 Diese Symbolisierungen repräsentieren jedoch wiederum nicht den Raum selbst, sondern Sozialgebilde, deren Bezugspunkt eine bestimmte räumliche Ordnung ist, beispielsweise ein Ort.30 Bei symbolischer Ortsbezogenheit handelt es sich dementspre-

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auch dies.: Der territoriale Mensch. Ein literaturanthropologischer Versuch zum Heimatphänomen, Frankfurt/M.: Athenäum 1972. Heiner Treinen: Symbolische Ortsbezogenheit. Eine soziologische Untersuchung zum Heimatproblem, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 17 (1965), S. 73–95, S. 254–297; im Folgenden zitiert nach dem Dissertationsdruck der Ludwig-Maximilians-Universität München, Staatswirtschaftliche Fakultät, Diss. vom 13. April 1966, München 1966. Ebd., S. 69. Cassirer: Versuch über den Menschen, S. 50. Vilfredo Pareto: Traité de Sociologie Générale. Bd. 1, Lausanne: Payot 1917, S. 555, §§ 1041, 1042. Treinen: Symbolische Ortsbezogenheit, S. 9. Georg Simmel meinte etwas ganz Ähnliches mit seiner Charakterisierung der Grenze: „Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.“ Georg Simmel: Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung (zuerst Leipzig 1908). Hg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992 (Georg Simmel Gesamtausgabe; 11), S. 697.

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chend um die „Verknüpfung sozialer und räumlicher Phänomene auf Grund von Symbolisierungsprozessen“31. Woran macht sich nun nach seiner Studie die Identifikation mit räumlichen Symbolisierungen fest? Treinen konnte feststellen, daß die Identifikation mit dem Ort umso stärker war, je größer der örtliche Verkehrskreis des betreffenden Einwohners war, inbesondere die Teilhabe an sozialen Kreisen, die auf Symbolisierungen des Ortes rekurrierten: „Voraussetzung für die emotionale Besetzung eines Ortssymbols ist offenbar die Interaktion mit Menschen in einem bestimmten Situationszusammenhang, der den Ort betrifft. Dieser Situationszusammenhang liegt dann vor, wenn auf irgendeine Weise in den Interaktionen von Personen das Ortssymbol aktiviert wird. Das heißt nicht, daß in jedem Fall der Name des Ortes fallen muß. Entscheidend ist jeweils, daß Phänomene vorhanden sind, die sich auf das Sozialsystem der jeweiligen Gemeinde – und auf keine andere sonst – beziehen. [...] Wenn eine Person einen örtlichen Verkehrskreis besitzt, dessen Mitglieder sämtlich oder doch zum großen Teil die Merkmale zur örtlichen Klassifikation aufweisen [‚Ich bin ein Hausener‘], dann wird diese Person – wie auch die übrigen Mitglieder – diesen Verkehrskreis als Teil einer größeren Kategorie von Menschen ansehen, auf die alle die gleichen Merkmale zutreffen; es wird daraus das Bewußtsein folgen, im gleichen Situationszusammenhang zu stehen – und eine starke emotionale Ortsbezogenheit wird die Folge sein.“32

Treinen konnte auch feststellen, daß die Wohndauer sowie Haus- und Grundbesitz am Ort den Grad der Identifikation intensivierten. Dagegen spielte keine Rolle, ob die betreffende Person im Ort geboren wurde – bereits eine längere, jenseits der Adoleszenz am Ort verbrachte Zeitspanne reichte für eine Identifikation aus.33 Ebensowenig erwies sich als wichtig, ob Herkunftsfamilie oder weitere Verwandtschaft aus dem Ort stammten.34 Die Befunde seiner Studie zeigen also, daß auch der Zugezogene und der Migrant sich im selben Maße wie gebürtige Einwohner im Ort beheimatet fühlen können. Für unseren Gegenstand sagt seine Untersuchung aber vor allem, daß der Bezugspunkt von Heimatgefühlen offenbar in erster Linie eben diese Verkehrskreise, die mit dem Ortssymbol assoziierten Sozialgebilde sind. Heimat, so könnte man Treinens Ergebnisse auf den Punkt bringen, ist vor allem ein sozialer Raum, oder präziser gesagt: die räumliche Symbolisierung sozialer Zusammenhänge. Diese These wird an den Heimatbüchern zu prüfen sein. Wie wirkt sich ein Verlust von Heimat, der Verlust dieser sozialen Zusammenhänge aus? Und unterscheidet sich erzwungener Heimatverlust von den Erfahrungen anderer Migranten, die ihre Heimat aus anderen Gründen hinter sich ließen?

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Treinen: Symbolische Ortsbezogenheit, S. 12. Ebd., S. 67–69. Ebd., S. 66f. Ebd., S. 69.



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Heimatverlust und Zwangsmigration Der Verlust der Heimat,35 wie ihn die Vertriebenen erlebten, brachte zunächst einen Verlust des sozialen Raums der erwähnten Verkehrskreise und meist auch des Raums der Primärsozialisation, des Geborgenheits- und Vertrautheitsraums von Kindheit und Jugend mit sich. Gezwungen zum Neubeginn an einem anderen Ort, mußte jeder Einzelne sich die Nahraumerfahrung, die der Alteingesessene von Kindesbeinen an beherrscht, neu aneignen und eine ganze Zeit lang ohne diese Sicherheit des SichAuskennens zurechtkommen. Als Fremde mußten die Flüchtlinge sich in ein bestehendes Sozialgefüge einordnen, oft unterordnen. Unsicherheit, fehlende Sozialkontakte und das Gefühl des Nicht-Dazugehörens prägten die erste Zeit des Ankommens in der neuen Heimat. Aber auch wenn die Integration irgendwann als gelungen bezeichnet werden konnte, wurde die Erinnerung an die alte Heimat in der Aufnahmegesellschaft selbst heimatlos – der Funktionskontext der sozialen Kreise, in den sie eingebunden war, existierte nicht mehr. In dieser Hinsicht ging es den Flüchtlingen der Nachkriegszeit wenig anders als Migranten zu allen Zeiten. Massenhafte Zwangsmigrationen unterscheiden sich jedoch in ihrer Spezifik von anderen Arten des Heimatverlustes wie Auswanderung oder Exil. Im Falle einer (mehr oder weniger) freiwilligen Auswanderung liegen die Beweggründe in den aus unterschiedlichsten Gründen untragbaren Lebensbedingungen in der alten und der Hoffnung auf ein besseres Leben in der neuen Heimat. Der Neuanfang an anderem Ort ist gleichbedeutend mit dem Beginn eines neuen, besseren Lebens. Auch deutsche Auswanderer hatten Heimweh und gründeten deutsche Vereine in Amerika – doch sie pflegten ihr Heimweh anders als beispielsweise die Vertriebenenverbände, weil die Erfahrung ihrer Migration retrospektiv positiv besetzt war: vom schlechten ins bessere Leben. Sie wollten wohl kaum zurückkehren, und wenn sie es gewollt hätten, wäre es ihnen mindestens in der Theorie auch möglich gewesen. Dieser Heimatverlust war also (bedingt) freiwillig und – zumindest theoretisch – auch revidierbar. Anders liegen die Verhältnisse beim Exil – hier ist die Möglichkeit der Rückkehr an Faktoren gebunden, die das Individuum schwerlich beeinflussen kann. Dennoch ist die Entscheidung, ins Exil zu gehen, immer eine individuelle, die zwar durch den Druck politischer, ethnischer oder religiöser Verfolgung ausgelöst wird, jedoch – wie die Tragik der deutschen Juden zeigt, die sich für den Verbleib in Nazi-Deutschland entschieden – keine unausweichliche Notwendigkeit darstellt. Zwangsmigration oder Vertreibung stellt dahingegen die Betroffenen als passiv Erleidende in einen Erfahrungskontext, auf dessen Geschehen sie keinen oder nur wenig Einfluß haben. 35 Eine theoretische Fundierung des „Heimat“-Begriffs im Kontext von Vertreibungserfahrungen bei Joachim Stark: Einige grundsätzliche Überlegungen zum Heimatbegriff, in: Peter Heumos (Hg.): Heimat und Exil. Emigration und Rückwanderung, Vertreibung und Integration in der Geschichte der Tschechoslowakei, München: Oldenbourg 2001 (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum; 21), S. 1–13.

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Ein wesentliches Merkmal, das Flucht und Vertreibung der Deutschen von anderen möglichen Arten des Heimatverlustes unterscheidet, ist demnach die Kollektivität der Erfahrung – sowohl des Verlustes als auch des Ankommens in der Aufnahmegesellschaft. Die Betroffenen durchlebten dieses einschneidende Erlebnis genauso wie ihr ursprüngliches soziales Umfeld, ihre Nachbarn, Freunde und Verwandten, ebenso wie sie gemeinsam im Nachkriegsdeutschland ankamen und dann schnellstmöglich – obwohl die alliierte Verwaltung bemüht war, die Neuankömmlinge verstreut anzusiedeln – den Zusammenschluß in heimatlichen Sozialgemeinschaften suchten. Das macht für eine Analyse der Erfahrungsmuster der Vertriebenen das methodische Instrumentarium zur Erforschung des kollektiven Gedächtnisses zu einem höchst geeigneten Werkzeug. Ein zweites wesentliches Merkmal ist die Besonderheit der Situation in der Aufnahmegesellschaft bei den Vertriebenen in der Bundesrepublik, die bei der behandelten Schriftenklasse der Heimatbücher allein Gegenstand der Untersuchung sein können.36 Im Gegensatz zur Situation der polnischen Vertriebenen oder auch der Vertriebenen in SBZ und DDR erlaubte und förderte die Aufnahmegesellschaft Bundesrepublik – nach anfänglichem Verbot durch die Alliierten – den Zusammenschluß zu Erfahrungs-, Interessen-, Leidens- und Sozialgemeinschaften in Form der Vertriebenenverbände.37 Auch in der Frage der Revidierbarkeit des Heimatverlustes unterschieden sich die Vertreibungen in der Folge des Zweiten Weltkrieges wesentlich von Auswanderung und Exil: So sehr auch die Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik die Hoffnung der Vertriebenen auf eine mögliche Rückkehr nährte, so sehr war doch schon den Alliierten bei der Potsdamer Konferenz klar, daß die festgelegten Bevölkerungsverschiebungen und die Westgrenze Polens nicht mehr revidierbar sein würden und eine Rückkehr damit ausgeschlossen war.38 36 In der DDR war angesichts der vom Staat für „gelöst“ erklärten „Flüchtlingsfrage“ an die Produktion von Heimatbüchern nicht zu denken. Zu den Vertriebenen in SBZ und DDR Philipp Ther: Deutsche und polnische Vertriebene. Gesellschaft und Vertriebenenpolitik in der SBZ/DDR und in Polen 1945– 1956, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; 127). In der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig sind so die vor 1990 in der BRD erschienenen Vertriebenenheimatbücher durchgängig mit „Sekret“-Kennzeichnung versehen. Nach wenig nachvollziehbaren Kriterien sind sie entweder als „geheim“ eingestuft, mit Zusatz „politische Schriften“ (∆, 3), oder mit einem doppelten roten Dreieck (∆∆) als „bedingt verleihbar“ ausgewiesen. „Geheime“ Werke wurden nur Benutzern ausgehändigt, die schriftlich ein „berechtigtes wissenschaftliches Interesse“ nachweisen konnten, bei „bedingt verleihbaren“ Titeln wurde im Einzelfall Rücksprache mit dem Benutzer genommen. Ich danke Ellen Bertram, Leiterin des Referats Informationsdienste, sowie Jörg Räuber, Leiter der Abteilung Benutzung und Archivierung der Deutschen Nationalbibliothek Leipzig, für ausführliche Informationen zur Sekretierung in der Deutschen Bücherei. 37 In Polen konnten sich Erinnerungsgemeinschaften polnischer Ostvertriebener erst nach der politischen Wende formieren; zu diesen Gesellschaften der alten Lemberger o.ä. zum Beispiel Thomas Urban: Deutsche in Polen. Geschichte und Gegenwart einer Minderheit, München: Beck 1993, S. 136f. 38 Zur Diskrepanz zwischen Eingliederung und wachgehaltenem Rückkehrwillen im Kontext des Kalten Krieges u.a. Jörg Hackmann: Vergangenheitspolitik in der Bundesrepublik Deutschland und das Verhältnis zu Polen, in: Włodzimierz Borodziej und Klaus Ziemer (Hg.): Deutsch-polnische Beziehungen



Gruppenbildung und Identität

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3.3  Gruppenbildung und Identität Nach 1945 verband die Flüchtlinge und Vertriebenen in der Bundesrepublik also zunächst die gemeinsame Erfahrung des erzwungenen Heimatverlusts und ähnlich gelagerte Erfahrungen bei der Ankunft im Westen. Allerdings muß man bereits hier differenzieren: Beispielsweise hatten die meisten Männer bis zu einem Alter von ca. 55 Jahren die Vertreibung nicht am eigenen Leib erfahren, sondern das Kriegsende bei der Wehrmacht oder ähnlichen Formationen erlebt. Harte Besatzungs- und Fluchterfahrungen machten überwiegend Frauen, alte Menschen und Kinder, was sich später auch in den Heimatbüchern niederschlagen sollte. Es spielte ebenso eine Rolle, wo jemand vor der Vertreibung gelebt hatte, ob in der Stadt oder auf dem Land, welcher sozialen Schicht er oder sie angehört, wie alt derjenige bei der Vertreibung gewesen war u.v.a.m.39 Doch reichten die Gemeinsamkeiten offenbar aus, um sich als Gruppe zusammenzuschließen, wie die Nachkriegsgeschichte der Bundesrepublik zeigt. Unmittelbar nach Kriegsende gab es bereits erste organisierte Zusammenschlüsse in Form meist kirchlicher Hilfskomitees, und nach Gründung der Bundesrepublik, die diese Organisationen finanziell und ideell förderte, nahm der Aufbau einer Selbsthilfe und Selbstvertretung der Vertriebenen schnell Struktur an.40 Neben materiellen und sozialen Problemen, die mit ihrer Hilfe gelindert werden sollten, sowie der Interessenvertretung auf politischer Ebene boten die Verbände und Landsmannschaften die Möglichkeit, unter Seinesgleichen, unter Menschen mit ähnlichen Erfahrungen und in ähnlicher Situation zu sein, die – anders als die umgebende bundesdeutsche Gesellschaft – die eigene persönliche Lage und Befindlichkeit verstanden und so gewissen sozialen Halt boten.41 Wer sich einer Landsmannschaft oder sonstigen Gemeinschaft unter dem Dach der Verbände anschloß, bekundete damit zugleich seine eigene Identität als „Vertriebener“.42 Auch wenn nach Bundesvertriebenengesetz (BVFG) alle Deutschen, die am 1. Dezember 1937 ihren ständigen Wohnsitz in den ehemaligen deutschen Ostgebieten hatten, sowie ihre direkten Nachkommen als Heimatvertrie-

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1939 – 1945 – 1949. Eine Einführung, Osnabrück: fibre 2000 (Einzelveröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts Warschau; 5), S. 297–327, hier S. 310f. Zu den großen Unterschieden in Erinnerung und Verarbeitung von Vertreibungserfahrung je nach Alter, Generation, sozialer und geographischer Herkunft bei Lehmann: Im Fremden. Weger: „Volkstumskampf“, passim, zeigt für die Sudetendeutschen exemplarisch, daß diese ersten Zusammenschlüsse weder zufällig noch demokratisch waren, sondern der Reetablierung und Perpetuierung von Machtstrukturen der Vorkriegszeit dienten. Die Nöte der „ganz normalen“ Vertriebenen standen schon damals, zumindest bei den Sudetendeutschen, in Relation zu den politischen Zielen klar hintenan. Dazu zuletzt Kossert: Kalte Heimat. Assmann: Gedächtnis, S. 132: „Unter einer kollektiven oder Wir-Identität verstehen wir das Bild, das eine Gruppe von sich aufbaut und mit dem sich deren Mitglieder identifizieren. Kollektive Identität ist eine Frage der Identifikation seitens der beteiligten Individuen. Es gibt sie nicht ‚an sich‘, sondern immer nur in dem Maße, wie sich bestimmte Individuen zu ihr bekennen. Sie ist so stark oder schwach, wie sie im Bewußtsein der Gruppenmitglieder lebendig ist und deren Denken und Handeln zu motivieren vermag.“

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bene galten und gelten,43 gab es viele, die sich keiner solchen Gemeinschaft anschlossen oder zugehörig fühlten. Der Akt des Anschlusses an eine Gruppierung war daher gleichbedeutend mit der Annahme einer Identität als Vertriebener – obwohl eine solche natürlich auch haben und annehmen konnte, wer nicht organisiert war. Mit der nach 1945 rasch stattfindenden Gruppenbildung unter den Vertriebenen war ein erster Schritt zur Institutionalisierung auch der Erinnerung bereits getan. Neben der auf die Gegenwart und ihre sozialen Nöte und politischen Ziele ausgerichteten Arbeit boten die Verbände auch den geeigneten Rahmen zur Bearbeitung des Gründungsthemas der Gruppe, der Erfahrung des erzwungenen Heimatverlustes und der Erinnerung an diese verlorene Heimat. Damit waren zwei wichtige Bedingungen erfüllt, um den aus der sozialen Not der unmittelbaren Nachkriegszeit geborenen Zusammenschluß zu einer dauerhaften Gruppe umzugestalten. In diesem Zusammenhang kommt den Heimatbüchern eine wichtige Funktion für die Identitätsbildung der Gruppe zu. Doch konnte es überhaupt so etwas wie eine spezifische Identität der Vertriebenen geben, und wenn ja, wie hat man sich diese vorzustellen? Eine kulturelle Identität44 der Vertriebenen nach 1945, so die These, konstituierte sich erst durch das Erlebnis der Vertreibung. Diese Einsicht mag für den Einzelnen schmerzlich sein und wird wohl auch im Kontext der Vertriebenenverbände niemals so ausgesprochen werden, doch man muß sich darüber im klaren sein, daß die Identität als Schlesier, Ostpreußen, Sudetendeutsche etc., die die Vertriebenen in der Bundesrepublik nach ihrer Vertreibung als die schlesische, ostpreußische etc. Identität kultivierten, bereits Bestandteil der Erinnerungs- und Verarbeitungskultur war und durch das Ereignis Vertreibung entstand. Karl Mannheims Generationentheorie geht davon aus, daß eine Geburtskohorte oder Generationslagerung erst durch ein allen gemeinsames einschneidendes Erlebnis, das in seiner Intensität jedes Individuum zu einer eindeutigen biographischen Reaktion zwingt, zu einer Generationseinheit, zu einer tatsächlichen Generation wird.45 Mannheims Ansatz scheint mir nicht nur für die Prägung von Generationen sinnvoll, sondern läßt sich als Theorie der Gemeinschaftsbildung unabhängig von Geburts43 In seiner aktuell gültigen Fassung: Bundesvertriebenengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), geändert durch Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840). Neugefaßt durch Bek. v. 10.8.2007 I 1902; geändert durch Art. 19 Abs. 1 G v. 12.12.2007 I 2840, (31.07.2008). §§ 1 und 2 regeln die Definition von Vertriebenen, § 2 enthält heute noch die Bestimmung, daß auch „Abkömmlinge“, bei denen mindestens ein Elternteil die Kriterien erfüllt, als Vertriebene gelten. 44 Lutz Niethammer beklagt mit guten Gründen die „unheimliche Konjunktur“ des Begriffs: Lutz Niethammer: Kollektive Identität. Heimliche Quellen einer unheimlichen Konjunktur, Reinbek: Rowohlt 2000. Hier soll jedoch Identität eben nicht als „Behauptung von der Qualität A = A“ (ebd., S. 44) verstanden werden, sondern vielmehr im Sinne beispielsweise des Weberschen Idealtypus als heuristische Denkfigur zur Analyse komplexer historischer Prozesse. Zudem, so wird im weiteren hoffentlich deutlich, wird Identität nicht gleichbedeutend mit der Person und ihrer komplexen Identität, sondern stets nur als eine Facette derselben verstanden. 45 Karl Mannheim: Das Problem der Generationen, in: Kölner Vierteljahrshefte für Soziologie 7 (1928), 2, S. 157–185, 3, S. 309–330; wieder in: ders.: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk, hg. von Kurt H. Wolff, Berlin, Neuwied: Luchterhand 1964, S. 509–565.



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jahrgängen mit Gewinn auf die Situation der Vertriebenen übertragen: Erst durch das ihr Leben dramatisch verändernde Erlebnis der Flucht und Vertreibung wurden Menschen, die vorher meist nicht viel miteinander gemeinsam hatten, zur Gemeinschaft der Vertriebenen. Die jeweilige landsmannschaftliche kulturelle Identität, wie sie nach der Vertreibung – privat, im kleinen Kreis, auf Verbandsebene – konstituiert und konstruiert wurde, ist ohne das Erlebnis der Vertreibung in dieser Form nicht denkbar. Im Übrigen vertreten die Erkenntnis, daß das Bild der Heimat durch die Vertreibung wesentlich geprägt ist, auch die Heimatbücher selbst. Aussagen wie „Was uns die Heimat bedeutet, ist uns erst klargeworden, nachdem wir sie verloren hatten“ finden sich in vielen Werken.46 Daher war aber auch diese post factum entstandene Gruppenidentität für den Bewältigungsprozeß so eminent wichtig: Sie bildete sozusagen eine positive neue Konstanz im Leben der Vertriebenen, die einerseits vorgab, genau das Alte und Eigentliche zu sein, andererseits durch ihre ex-post-Konstruktion auf unlösbare Weise mit der Situation des Heimat-Verlorenhabens verbunden war und zu deren Bewältigung beitrug.

Die Vertriebenen als Erinnerungsgemeinschaft An dieser Stelle verlassen wir die ausgetretenen Pfade der Klassiker der Gedächtnistheorie und bewegen uns auf eigenen Wegen. Zwar führt Assmann den von Pierre Nora entlehnten Begriff Gedächtnisgemeinschaft als Trägergruppe von Erinnerungskulturen in die Debatte ein, doch fällt die Definition dieser Gemeinschaften bei ihm sehr breit aus, und auch bei Nora sucht man eine präzise Bestimmung vergeblich.47 46 Z.B. Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 217; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 299; Landeshut 1954 [S-N/S], S. 141. Alle Heimatbücher werden hier, der besseren Übersicht halber, nur mit Kurztitel (Ort und Jahr) angegeben; ein vollständiges Verzeichnis der zitierten Heimatbücher findet sich im Anhang. Die Vertriebenenheimatbücher sind zudem mit einer geographischen Kodierung der Zugehörigkeit des dargestellten Bezugsraums versehen, die dem Kurztitel in eckigen Klammern nachgestellt ist. Diese Kodierung entfällt bei zum Vergleich oder zur historischen Einordnung herangezogenen Heimatbüchern anderer Regionen oder der Vorkriegszeit. Zitate aus den Heimatbüchern werden mit allen orthographischen, lexikalischen und grammatischen Eigenheiten des Originals wiedergegeben, nur ausnahmsweise werden diese durch Markierungen wie [sic] als fehlerhaft gekennzeichnet. 47 Assmann: Gedächtnis, S. 30: „Bei der Erinnerungskultur [...] handelt es sich um die Einhaltung einer sozialen Verpflichtung. Sie ist auf die Gruppe bezogen. Hier geht es um die Frage: ‚Was dürfen wir nicht vergessen?‘ Zu jeder Gruppe gehört [...] eine solche Frage. Dort, wo sie zentral ist und Identität und Selbstverständnis der Gruppe bestimmt, dürfen wir von ‚Gedächtnisgemeinschaften‘ (P. Nora) sprechen. Erinnerungskultur hat es mit ‚Gedächtnis, das Gemeinschaft stiftet‘ zu tun.“ Der Begriff wird von Assmann jedoch so weit abgesteckt, daß jede Gruppe darunterfällt, ebd.: „Es läßt sich schlechterdings keine soziale Gruppierung denken, in der sich nicht [...] Formen von Erinnerungskultur nachweisen ließen.“ Bei Pierre Nora: Zwischen Geschichte und Gedächtnis, Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 1998 (zuerst Berlin 1990) (dt. Übersetzung der Einleitungstexte aus: ders. [Hg.]: Les lieux de mémoire. 7 Bde., Paris: Gallimard 1984–1993), findet sich S. 11 zwar die Nennung, jedoch keine Definition des Begriffs „Gedächtnisgemeinschaft“.

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Theoretische Grundlagen

Dies soll hier nachgeholt und ausgebaut werden, am Beispiel der Vertriebenen aus einem Ort, die sich zum Verfassen eines Heimatbuchs zusammenfanden. Zur Absetzung von den Altmeistern und aufgrund der besseren Eignung des Begriffs Erinnerung zur Beschreibung des prozessualen Charakters dieser Konstruktionsakte möchten wir lieber von Erinnerungsgemeinschaften sprechen. Eine Erinnerungsgemeinschaft soll hier definiert sein als eine Gruppe, die sich über eine zentrale, von allen geteilte Erfahrung als Gruppe zusammengefunden hat48 und für die die Erinnerung an diese Erfahrung, wie bei den Vertriebenen an den Heimatverlust und das Leben in der alten Heimat, als Gründungsmythos fungiert. Zu den Aufgaben dieser Gruppe gehört die permanente Bearbeitung und Erinnerung an diesen Gründungsmythos. Damit sind zwei Funktionen verbunden: einmal den Gruppenzusammenhalt zu stärken, indem immer wieder das verbindende Moment, also die Gründungserfahrung, bearbeitet wird; zum anderen die Erinnerung an den Gründungsmythos zu pflegen und wachzuhalten, wenn möglich weiterzugeben an nachfolgende Generationen, vielleicht sogar an die Gesamtgesellschaft oder zunächst nur an weitere Kreise, die nicht zur Gruppe gehören. Oft ist ein zweites Moment für den Zusammenschluß und weiteren Zusammenhalt der Gruppe das Empfinden, die eigene Erfahrung und Erinnerung sei gesamtgesellschaftlich nicht ausreichend repräsentiert, was sich in Formulierungen ausdrückt wie „Es interessiert sich ja doch niemand für das, was wir erlebt haben.“ Dieses zweite Moment verstärkt das erste und entstammt dem strukturellen Verhältnis der Gruppe zur sie umgebenden Gesamtgesellschaft. Gleichermaßen die kleinste soziale Einheit oder Organisationsform innerhalb der verbandsmäßig und landsmannschaftlich organisierten Vertriebenen sind die Heimatorts- oder Kreisgemeinschaften (HOG/HKG). Auf der Ebene der HOG fanden sich all jene Interessierten zusammen, deren Verbundenheitsgefühl in einem gemeinsamen Herkunftsort begründet lag, der ihnen mit der Vertreibung verlorenging. Im Vordergrund stand dabei der Zusammenschluß mit Menschen aus demselben Ort, weniger die politische Betätigung im Sinne der Verbände. Die HOG waren mithin ein möglicher Rahmen, um die öffentlich nicht verstandene Erinnerung oder auch nur Nostalgie zu artikulieren,49 wenn auch unter dem großen Dach der Vertriebenenverbände. Gleichzeitig bildeten die HOG eine soziale Gemeinschaft von Menschen mit ähnlicher Herkunft und gemeinsamer Erinnerung, was auf den ersten Blick banal erscheint, aber für das Verständnis der Heimatbücher und die Art, wie Erinnerung in ihnen dargestellt und aufbereitet wird, wesentlich ist. Daß auch die Verbände, die im Gegensatz zu den HOG in erster Linie politische Ziele vertraten, sich der Bedeutung dieser kleinsten sozialen Ebene für die Erinnerungsarbeit bewußt waren, zeigen ihre Versuche, Einfluß auf deren Erinnerungskonstruktion zu nehmen und sie in ihrem (politischen) Interesse zu formen.50 48 Im Sinne der erwähnten Gruppenbildungstheorie im Anschluß an Karl Mannheim, s.o. 49 Dazu Kapitel 5.2.1. 50 Dazu u.a. Kapitel 6.3.4.



Heimatbuch und kulturelles Gedächtnis

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3.4  Heimatbuch und kulturelles Gedächtnis Eine der zahlreichen Funktionen, die die HOG erfüllten, war das Verfassen von Heimatbüchern. Nicht jede HOG gab ein solches Buch heraus und nicht jedes Heimatbuch wurde von einer HOG erstellt, doch erlaubt die große Zahl von Werken, die in eben diesem Kontext entstand, von der HOG als regelmäßigem sozialen Rahmen für die Erstellung der Werke zu sprechen. In den Heimatbüchern sollten explizit die zunächst mündlich und nur innerhalb der Gruppe oder im kleinsten Kreis wie der Familie, Schulfreunden, Vereinskameraden kommunizierte Erinnerung schriftlich fixiert werden. Und immerhin war die Geschichte der meisten Orte, über die Heimatbücher verfaßt wurden, bisher tatsächlich nirgendwo ausführlich geschrieben worden, vor allem nicht die der letzten Jahre und des finalen Akts der Vertreibung, mit dem für viele Heimatbuchautoren die Geschichte ihres Heimatortes subjektiv gesehen endete. Zudem wollten viele Autoren die spezifische biographische Erfahrung der Zeitzeugen, die sie als direkt mit der Geschichte dieser Orte verbunden ansahen, für nachfolgende Generationen festhalten. Es handelt sich dementsprechend um zwei verschiedene Wissensarten, die im Heimatbuch niedergeschrieben werden sollten, nämlich zum einen biographisches Zeitzeugenwissen, zum anderen die weiter zurückliegende Historie der Heimatorte. In der von Jan Assmann etablierten Begrifflichkeit gehört ersteres zum kommunikativen Gedächtnis, zweiteres bereits zum kulturellen Gedächtnis, sowohl der Gruppe selbst als auch der Gesamtgesellschaft, wenn es auch nach Ansicht der Heimatbuchschreiber in letzterem schlecht repräsentiert war bzw. erst plaziert werden sollte. Beide Begriffe sollen im Folgenden näher erläutert werden, da sie einen wichtigen theoretischen Baustein zum Verständnis der Heimatbücher liefern.

Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis Das kommunikative Gedächtnis ist nach Jan Assmann das Gedächtnis einer Generation, das sich, einer menschlichen Lebensspanne gleich, auf einen Zeitraum von ca. 80 Jahren erstreckt und kontinuierlich mit dem Zeithorizont der Gegenwart mitwandert. Kommunikatives Gedächtnis ist das, was wir alltäglich über Geschichte erfahren, von Eltern und Großeltern erzählt bekommen, was noch von der Lebenszeit der mitlebenden Zeitgenossen getragen wird. So ist z.B. gerade der Erste Weltkrieg aus dem Bereich des kommunikativen Gedächtnisses herausgerückt, zur medialen Erinnerung an den 90. Jahrestag seines Ausbruchs war man 2004 erstaunt, noch letzte hundertjährige Zeitzeugen im TV zu sehen. Zum 100. Jubiläum werden sie nur noch auf Film konserviert sein, und der Erste Weltkrieg wird endgültig nur noch im kulturellen Gedächtnis vorhanden sein. Das kulturelle Gedächtnis wiederum ist das, was aus dem Fundus des kommunikativen Gedächtnisses unter Mitwirkung von Fachexperten und Interessengruppen für eine längere Dauer des Erinnerns ausgesucht und aufbereitet wird, um es in diversen Speichermedien auch künftigen Generationen erhalten zu können. Es überträgt sozusagen Elemente des temporären Speichers, der immer

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Theoretische Grundlagen

wieder neu mit nachwachsenden Inhalten gefüllt wird, in einen Langzeitspeicher. Jahrestage, Festrituale, Standbilder, Monumente, Museen, Schulbücher, historische Standardwerke, Archive und Bibliotheken sind Speicher- und Wiedergabeorte der Inhalte des kulturellen Gedächtnisses. Aber auch der Langzeitspeicher des kulturellen Gedächtnisses ist nicht für die Ewigkeit festgelegt, sondern wird laufend auf seine Haltbarkeit geprüft, revidiert und aktualisiert. So sehen wir heute den Ersten Weltkrieg anders als vor fünfzig Jahren oder hat sich die deutsch-französische Erbfeindschaft, vor hundert Jahren scheinbar unüberwindbarer Bestandteil des deutschen Gedächtnisses, zur Freundschaft gewandelt. Der Übergang vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis ist ein wichtiger Moment: Was von den Inhalten, Erfahrungen und Deutungen, die unsere heutige Sicht auf ein zeitgenössisches Thema bestimmen, wird die Jahre überdauern und Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses werden? Bei Themen, die so zentral sind, daß es um sie heftige Debatten gibt, kann man oft einen regelrechten Kampf ums Gedächtnis beobachten. Denn mit dem nahen Lebensende der Erlebnisgeneration wird es notwendig, deren Erfahrungen und Sichtweisen über ihre eigene Lebenszeit hinaus haltbar zu machen, wenn sie nicht mit dem Tod der Überlieferungsträger für immer verschwinden sollen. Gerade durch die Beteiligung von Zeitzeugen werden solche Debatten so kontrovers: Die Erinnerung ist noch lebendig, und diejenigen, die sie als Teil ihres Lebens begreifen, wollen ihre Sichtweise angemessen im kulturellen Gedächtnis repräsentiert wissen. Genau das wollten auch die Vertriebenen, die sich anschickten, gemeinsam ein Buch über ihre verlorene Heimat zu schreiben. Analog zu Halbwachs’ auf das kollektive Gedächtnis gemünzten Feststellung muß man auch für das kulturelle Gedächtnis immer seine Bezogenheit auf eine Gruppe mitdenken. Dabei sind größere Gruppen im Vorteil, weil sie über geeignete Ressourcen verfügen, um ein kulturelles Gedächtnis mit den entsprechenden Medien zu konstruieren und zu reproduzieren. Die Vertriebenen aus einem Ort oder Kreis, die mit Hilfe des Heimatbuchs das kommunikative Gedächtnis ihrer – relativ kleinen – Gruppe ins kulturelle Gedächtnis der Gesamtgesellschaft überführen wollten, hatten also zunächst aufgrund ihrer geringen Zahl und mageren Ressourcen schlechtere Chancen. Doch brachten sie mit dem Heimatbuch mindestens für die eigene Gruppe ihre Erinnerung in eine verbindliche, gemeinsam erarbeitete Form, kanonisierten sie also regelrecht für das kulturelle Gedächtnis der eigenen Gruppe.

Speicher- und Funktionsgedächtnis Aleida Assmann hat für das kulturelle Gedächtnis zusätzlich die wichtige Trennung in Speicher- und Funktionsgedächtnis vorgenommen.51 Das Speichergedächtnis ist 51 Aleida Assmann: Vier Formen des Gedächtnisses, in: Erwägen Wissen Ethik 13 (2002), S. 183–190, hier 189f.



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gleichsam das Archiv des gesamten in verschiedenen Speichermedien aufbewahrten Wissens vergangener Epochen. Das Funktionsgedächtnis hingegen ist das, was sich eine Gesellschaft gegenwärtig aus dem Rohstoff des Speichergedächtnisses als bedeutsam auswählt und aufbereitet. So gibt es zahllose Erinnerungsberichte, die geschrieben, aber nie gelesen wurden und an deren Verfasser sich niemand mehr erinnert, oder eben solche, die von Zehntausenden rezipiert, zu Theaterstücken verarbeitet und zum Schulstoff wurden. Die Heimatbücher speisten die Erinnerung der Vertriebenen also zunächst durch ihre Niederschrift und Publikation lediglich ins Speichergedächtnis der Gesamtgesellschaft ein. Dies bedeutete einstweilen ihre Rettung vor dem Vergessen und war zudem die unabdingbare Voraussetzung für eine mögliche Übernahme ins Funktionsgedächtnis. Ob etwas von diesen Erinnerungen der Gesamtgesellschaft bewahrenswert genug schien, um auch ins (aktive) Funktionsgedächtnis übernommen zu werden, ist eine Frage, der im Verlauf dieser Arbeit weiter nachgegangen werden soll. Daß die im Heimatbuch fixierten Erinnerungen dagegen ein zentraler Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses der eigenen Gruppe der Vertriebenen aus einem Ort oder Kreis wurden, ist eine grundlegende These dieser Arbeit.

4 .   D as Heimatbuch: Entstehung und Aufstieg einer Schriftenklasse Das Heimatbuch war keine spontane Erfindung der deutschen Vertriebenen nach 1945. Heimatbücher, die auch mit diesem Begriff bezeichnet wurden, existierten im deutschen Sprachgebiet seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert. Ihre Geschichte hat bis heute von wissenschaftlicher Seite wenig Beachtung gefunden. Viele spätere Autoren von Vertriebenenheimatbüchern hingegen waren sich dieser langen Tradition durchaus bewußt und nutzten sie für ihre Werke. Vor allem aber besaß das Heimatbuch Merkmale, die es nach der Vertreibung als geeignetes Medium erscheinen ließen, um das Verlorene schriftlich festzuhalten. Ihre Blütezeit hatten Heimatbücher nach dem Ersten Weltkrieg, die Vorgeschichte ihrer Entstehung reicht jedoch noch um einiges weiter zurück und verdient es nicht nur wegen ihrer Bedeutung für die späteren Vertriebenenwerke, hier eingehender dargestellt zu werden.

4.1  Geschichte und Tradition der Heimatkunde Entscheidend für die Entstehung des Heimatbuchs war die Heimatkunde, deren Geschichte zugleich gut erforscht und wenig bekannt ist.1 Ähnlich wie die Ur- und Frühgeschichte, die sich im Unterschied zur klassischen Archäologie für heimische Bodenfunde interessierte,2 entstand Heimatkunde abseits akademischer Curricula. Im Gegensatz zur Ur- und Frühgeschichte hat sie sich trotz einiger Versuche nicht als akademische Disziplin etablieren können. Einziger Vertreter regionaler Historiographie an den Universitäten ist heute die Landesgeschichte,3 andere Themen der Heimatkunde behandelt auf akademischer Ebene die Volkskunde. Heimatkunde selbst ist eine nicht-professionelle, mehrheitlich von Laien betriebene Forschung geblieben, weshalb ihr bis heute die Anerkennung von wissenschaftlicher Seite oft versagt bleibt.

1 Das Standardwerk ist eine im Wortsinne erschöpfende Arbeit von über 1700 Seiten ohne Register, Hartmut Mitzlaff: Heimatkunde und Sachunterricht. Historische und systematische Studien zur Entwicklung des Sachunterrichts, zugleich eine kritische Entwicklungsgeschichte des Heimatideals im deutschen Sprachraum. 3 Bde. Univ.-Diss., Dortmund 1985. Dazu auch: Astrid Kaiser und Detlef Pech (Hg.): Geschichte und historische Konzeptionen des Sachunterrichts, Hohengehren: Schneider 2004 (Basiswissen Sachunterricht; 1). 2 Zur Entstehung der Ur- und Frühgeschichte und dem bis heute latenten Spannungsverhältnis zur Archäologie Stefan Winghart: Feuerwehr oder Fachbehörde? Oder: Wie messe ich den Abstand zwischen den Hörnern eines Dilemmas?, in: Archäologische Informationen 23 (2000), S. 25–34. Dort findet sich der bezeichnende Satz Theodor Mommsens, Ur- und Frühgeschichte sei „eine harmlose Beschäftigung für Kreisphysici, Landpastoren und pensionierte Offiziere“, ebd. 25. 3 Carl-Hans Hauptmeyer (Hg.): Landesgeschichte heute, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1987; Werner Buchholz (Hg.): Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme – Analyse – Perspektiven, Paderborn u.a.: Schöningh 1998.



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Entstehung der Heimatkunde im frühen 19. Jahrhundert Die Entstehung der Heimatkunde ging nicht von Historikern oder Geographen aus, sondern von Pädagogen. Sie war angelehnt an die Entwicklung des Realunterrichtes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die ihrerseits mit den preußischen Bildungsreformen verbunden war und den beschränkten Kanon der Volksschulen um realistische Inhalte erweitern wollte. Man sah bei der Konzeption der Heimatkunde die Aneignung des Nahraumes als didaktische Chance: Anhand der eigenen unmittelbaren Umwelt sollten sich Volksschüler und Schüler aus unteren Schichten Wissensbereiche wie Geologie, Naturkunde, aber auch politische Gliederung und lokale Geschichte aneignen können. Dieser Wissenszugang über die Nahraumerfahrung geht zurück auf Johann Heinrich Pestalozzis Konzept des Lernens vermittels Anschauung.4 Sein Prinzip „vom Nahen zum Entfernten“ war ein erkenntnistheoretisches Modell, das Verständnis und Lernen durch aus dem Alltag bekannte, „psychisch nahe“ Gegenstände anstrebte. Die Theoretiker der schulischen Heimatkunde interpretierten dies eher geographisch: Das Modell des Welterfassens vom Kleinen zum Großen setzte bei Elternhaus und Wohnort an, behandelte die regionale Landschaft, die Kreisstadt und zuletzt die Heimatprovinz. Die erste „Heimathskunde“, die diesen Begriff prägte und etablierte, verfaßte der Theologe, Volksschulpädagoge und -theoretiker Christian Wilhelm Harnisch (1787– 1864). Harnisch war ein Kenner Pestalozzis, Turner, in der Gustav-Adolf-Gesellschaft aktiv und lehrte ab 1812 am Lehrerseminar in Breslau, später in Weißenfels in der preußischen Provinz Sachsen.5 Seine 1816 in einer Fachzeitschrift publizierte „Anleitung zur Weltkunde“ trug in den ersten beiden Teilen den Untertitel „Kunde der Heimath“ und richtete sich an Pädagogen, Lehrer und Studenten an Lehrerseminaren. Sie sollte sowohl ein grundlegendes Unterrichtsprinzip etablieren als auch konkretes Lehrmaterial liefern.6 Harnischs Programmschrift war so erfolgreich, daß bereits 1817 ein Sonderdruck und in den folgenden Jahren mehrere, zum Teil veränderte Neuauflagen erschienen.7 Genese und Konzeption der Harnisch’schen Heimatkunde verdienen 4 Hierzu und zum Folgenden Mitzlaff: Heimatkunde, S. 146–162. 5 Neue deutsche Biographie, hg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 7: Grassauer – Hartmann, Berlin: Duncker & Humblot 1966, S. 693; Allgemeine deutsche Biographie, hg. von der Historischen Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften. Bd. 10: Guber – Hassencamp, Leipzig: Duncker & Humblot 1879, S. 614–616. 6 Chr[istian] Wilhelm Harnisch: Leitfaden beim Unterricht in der Weltkunde, in: Der Schulrath an der Oder, Achte Lieferung 1816, S. 27–63, darin „Kunde der Heimath“, S. 38–63. 7 Ders.: Die Weltkunde. Ein Leitfaden bei dem Unterricht in der Erd-, Miner-[sic], Stoff-, Pflanzen-, Thier-, Menschen-, Völker-, Staaten- und Geschichtskunde. [2. Aufl.,] Breslau: Max 1817; dass. 3., ganz umgearb. Aufl., Breslau: Grass, Barth u. Komp. 1820. In 4. Aufl. erschien Bd. 1 in zwei Regionalbänden: dass. Bd. 1: Das Preußische Sachsenland. Dem Lehrer zum Lehren, dem Schüler zum Einüben und dem Bewohner zum Ueberblicken, Weißenfels: Selbstverl. 1827; dass. Bd. 1: Schlesien. Dem Lehrer zum Lehren, dem Schüler zum Einüben und dem Bewohner zum Ueberblicken geschrieben. Überarb. u. verm. von A. Kelch, Breslau: Graß, Barth u. Komp. 1827; Bd. 2: Deutschland. Dem Lehrer zum Lehren, dem Schüler zum Einüben und dem Bewohner zum Ueberblicken geschrieben,

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es aufgrund ihrer Bedeutung für die Entstehung der späteren Heimatbücher, kurz skizziert und kontextualisiert zu werden. Das frühe 19. Jahrhundert war für die Pädagogik eine fruchtbare, experimentierfreudige Zeit. Im Anschluß an Pestalozzi wandte man sich erstmals dem frühkindlichen Lernen zu, es entstanden die ersten Kindergärten und überhaupt Pädagogik als wissenschaftliche Disziplin. Die sich entwickelnde moderne Pädagogik war eine Volksschulpädagogik, in höheren Klassen hielt man Pädagogik nicht vonnöten. Die zeitgenössische Volksschule war geprägt von der Abwesenheit dessen, was man heute als Didaktik versteht: Die Lehrmethoden bestanden aus Frontalunterricht und Auswendiglernen, über Lesen, Schreiben und Rechnen hinausgehende Kenntnisse spielten keine Rolle, die Lehrer waren schlecht ausgebildet und schlecht bezahlt.8 Die frühen Pädagogen wollten dem sowohl inhaltlich als auch methodisch Abhilfe schaffen. Harnischs Heimatkundekonzeption war unter anderem deshalb so erfolgreich, weil sie auf der Höhe der zeitgenössischen Wissenschaftsdebatte stand. Zur gleichen Zeit wie Harnisch arbeitete der Pestalozzi-Schüler Carl Ritter an der Begründung einer wissenschaftlichen Geographie, die Ritter ähnlich wie Harnisch die Heimatkunde als integrative Gesamtwissenschaft vom Menschen und seiner Umwelt verstand. Auch die zeitgenössische Philosophie war für Harnisch von großer Bedeutung. Er rezipierte die Naturphilosophie des jungen F.W.J. Schelling, hörte in Berlin Friedrich Schleiermacher und verarbeitete zentrale Ideen Johann Gottfried Herders. Daneben beeinflußten nicht zuletzt Johann Gottlieb Fichtes „Reden an die deutsche Nation“ (1806) Harnisch nachhaltig, der in den Befreiungskriegen aktiv das Lützow’sche Freikorps unterstützt hatte.9 Die frühe Heimatkunde verfolgte grundsätzlich eine aufklärerische, emanzipatorische Intention. Sie sollte ein erster Schritt und integraler Bestandteil einer „Weltkunde“ sein, die den Schüler zur Kenntnis seiner eigenen Lebenswelt und darüber vermittelt schließlich zu einem „kosmopolitischen“10 (!) Weltwissen führen sollte. Ihr Autor legte Wert darauf, daß die Schüler Zusammenhänge erfaßten und lernten, sich Wissen eigenständig zu erarbeiten: „[...] ich will nämlich die Kentniss der Welt, also die Kentniss der Schöpfung (Natur) und des Menschenlebens zu einer lebendigen, in sich selbst und in dem Schüler immer weiter sich entwikkelnden Kentniss umschaffen; so dass der Schüler zu einem bestimten, zusammenhängenden

ebd. 1827; Bd. 3: Die ganze Erde. Dem Lehrer zum Lehren, dem Schüler zum Einüben und dem Bewohner zum Ueberblicken geschrieben, ebd. 1827. 8 Christa Berg u.a. (Hg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. 6 Bde., München: Beck 1987–1998. Bd. 3, 1800–1870: von der Neuordnung Deutschlands bis zur Gründung des Deutschen Reiches, hg. von Karl-Ernst Jeismann und Peter Lundgreen, ebd. 1987, darin Karl-Ernst Jeismann: Schulpolitik, Schulverwaltung, Schulgesetzgebung, S. 105–122, sowie Gerd Friederich: Das niedere Schulwesen, S. 123–152. 9 Detailliert zu den Einflüssen auf Harnischs Heimatkundekonzept Mitzlaff: Heimatkunde, S. 200–228. 10 Harnisch: Leitfaden, S. 33.



Geschichte und Tradition der Heimatkunde

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Wissen gelangt und zu einem solchen, das sich immer weiter hernach, auch ohne Zuthun des Lehrers, aber nach dem einmal inwohnenden Gesetze, ausbildet.“11

In seinem ganzheitlichen, auf kindgerechte Weise zu selbständigem Lernen ermutigenden Ansatz erscheint Harnischs Heimatkundemodell heute noch bemerkenswert. Ebenso erstaunt angesichts späterer ideologischer Aufladungen seine gänzlich unchauvinistische Haltung. Die erste Ausgabe setzte nach der Erkundung der lokalen Umwelt und vor die Beschäftigung mit der Nation, die es zeitgenössisch im deutschen Sprachraum erst zu begründen galt, die Erfahrung der Welt. Denn, so Harnisch, „der Anfangspunkt der Menschenbildung scheint mir die Individualitaet, der Durchgangspunkt die Humanitaet, der Zielpunkt die Nazionalitaet zu seyn. [...] So suche ich den Partikularismus und den Provinzialismus wohl zu erhalten, aber ich erweitere ihn zum Nazionalismus; aber zu einem solchen, der sich mit der ganzen Menschheit verträgt.“12

Auch der Heimatbegriff hatte für Harnisch ganz unchauvinistische und konkrete Inhalte: „Heimath und Vaterland ist hier scharf unterschieden: Heimath ist die Geburtsgegend, als Geburtsort, Geburtskreis, Geburtsprovinz; das Vaterland geht so weit, als gemeinschaftliches Denken in gemeinschaftlicher Sprache reicht. Der Schlesier, der Märker, der Würtemberger, der Westfale haben verschiedene Heimathen, aber nur ein Vaterland, nämlich Deutschland.“13

Harnisch brachte auf bemerkenswerte Weise eine Fülle zeitgenössischer Ideen und Konzepte auf einen Nenner, und entsprechend breit wurde die „Heimathskunde“ rezipiert. In ihrem Gefolge erschienen zahlreiche heimatkundliche Schriften, die sich „Vaterlandsbücher“ oder „Heimathskunden“, in den böhmischen Ländern „Bezirkskunden“ nannten, hauptsächlich an ein lokales und regionales Bürger- und Kleinbürgertum gewandt waren und teilweise beachtliches Niveau erreichten.14 Harnischs inhaltliche Konzeption und Gliederung von 1816 war so prägend, daß sich die Heimatkunde in der Schule und in der Laienforschung im Grunde bis heute an diesem Raster orientiert. Die „Heimathskunde“ von 1816 sah folgende acht Abschnitte vor: 1. Der Wohnort und seine Umgebung; 2. Lage der Heimat nebst Gebirgen und Flüssen; 3. Bürgerliche Einteilung der Heimat, also politisch-administrative Gliederung der „Heimatprovinz“; 4. Erdoberfläche der Heimat; 5. Pflanzen der Heimat; 6. Tiere der Heimat; 7. Das Leben der Landsleute; darunter fiel Statistik, Wirtschaft, Handel, Verkehr, Berufe, Verwaltung, Kirchen, Konfessionen, Unterrichtswesen; die Punkte 1 bis 6 bezogen sich auf die preußische Provinz Schlesien, in der Harnisch zu der Zeit unterrichtete; 8. Kurzer Abriß der heimischen Geschichte.15 Dieser Themenkanon findet sich später ganz ähnlich in den Heimatbüchern wieder, man könnte ihn also mit

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Ebd., S. 28f. Schreibweisen durchweg so im Original. Ebd., S. 33. Ebd., S. 31f. Mitzlaff: Heimatkunde, S. 253, 645f. Harnisch: Leitfaden, S. 38–63; vgl. auch Mitzlaff: Heimatkunde, S. 238, Abb. 23.

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Das Heimatbuch: Entstehung und Aufstieg einer Schriftenklasse

gutem Recht als Protokanon des Heimatbuchs bezeichnen.16 Angesichts dessen stellt sich die berechtigte Frage, wieso erst nach 1900 die ersten Heimatbücher erschienen. Die Gründe hierfür sind vor allem politischer Natur. Die Verfasser prototypischer Heimatkunden waren vielfach Anhänger des Vormärz und der 1848er Revolution, die sich nichts weniger als eine Erneuerung Deutschlands im demokratischen Geist erhofften. Das neuhumanistische Bildungsideal Wilhelm von Humboldts, das den Menschen als allseitig gebildeten „Bürger“ zur Wahrnehmung aller seiner Kräfte und Möglichkeiten „bilden“ wollte, aber auch die nationalerzieherischen Ideen Fichtes kennzeichneten die kurze Phase, in der politisches Reformprogramm und pädagogische Ideen in eins gingen. Doch schnell gerieten die Reformer „unter Revolutionsverdacht“.17 Ihre emanzipatorischen Konzepte blieben in der nach 1848 massiv einsetzenden Restauration chancenlos, auch persönlich mußten viele Pädagogen berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Die „Preußischen Regulative“ von 185418 zementierten die Rückkehr zur bibelzentrierten Lese-Schreib-Rechenschule, die Obrigkeit wünschte für Volksschüler gar keine darüber hinausgehende Bildung. Wilhelm Harnisch selbst quittierte nach der drastischen Einschränkung des Realunterrichts in Preußen den Seminardienst und nahm eine Pfarrstelle in der Provinz an.19

Heimatkunde im wilhelminischen Deutschland Auch nach der Reichseinigung 1871 fürchtete man mit „Afterbildung“ „verdorbene“20 Unterschichten, die sich womöglich mit Ideen der Sozialdemokratie bekannt machen könnten. Im 19. Jahrhundert konnte sich daher die Heimatkunde im Sinne Harnischs nicht durchsetzen. Die Unterrichtsversuche und Konzepte sowie die Publikation regionaler Heimatkunden führten aber doch zur Etablierung eines heimatkundlichen Themenkanons, auf den bei der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzenden 16 Aufgewertet wurde später in den Heimatbüchern vor allem die Geschichte, die nach ihrem Aufstieg zur Leitwissenschaft im 19. Jahrhundert meist an erster oder zweiter Stelle verhandelt wurde. Der Themenkomplex der Volkskunde, die 1816 noch nicht existierte, sich aber seit dem späten 19. Jahrhundert großer Popularität erfreute, ergänzte Harnischs Schema, und der Bereich lokalen Soziallebens, bei Harnisch „Das Leben der Landsleute“ überschrieben, wurde noch ausgeweitet, beispielsweise in Hinblick auf das Vereinsleben. 17 Berg: Handbuch Bildungsgeschichte, Bd. 3, S. 109. 18 Karl-Ernst Jeismann: Die Stielschen Regulative, in: Ulrich Herrmann (Hg.): Schule und Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichte der Schule im Übergang zur Industriegesellschaft, Weinheim, Basel: Beltz 1977, S. 137–161. 19 So wurde u.a. Adolph Diesterweg als Leiter des progressiven Berliner Lehrerseminars entlassen. Zu Harnischs Rückzug aus der Pädagogik Hartmut Mitzlaff: Die erste „Heimathskunde“ von Chr. Wilhelm Harnisch (1787–1864) aus dem Jahre 1816, in: Kaiser/ Pech: Geschichte, S. 73–80, hier S. 74. 20 Ansprache Friedrich Wilhelms IV. an die Seminarlehrer (1849), in: Berthold Michael und Heinz-Hermann Schepp (Hg.): Die Schule in Staat und Gesellschaft. Dokumente zur deutschen Schulgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Göttingen: Muster-Schmidt 1993 (Quellensammlung zur Schulgeschichte; 22), S. 167f.



Geschichte und Tradition der Heimatkunde

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Konjunktur des „Heimat“-Begriffes zurückgegriffen wurde. Zugleich wurde mindestens in Preußen trotz Restauration die Volksschule bis 1870 von der Verwahranstalt, in der pensionierte Unteroffiziere als Lehrer agierten, zur strukturierten Institution mit ausgebildeten Lehrern umgestaltet. Die Schulpflicht wurde weitgehend durchgesetzt, das Interesse der Obrigkeit an den Lehrplaninhalten wuchs. Die „Allgemeinen Bestimmungen“ von 1872, die bis 1918 die preußische Volksschule prägen sollten,21 sorgten für einheitliche Strukturen und Lehrpläne. Dies waren wichtige Voraussetzungen für die spätere Etablierung des Heimatkundeunterrichts nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Im Rahmen der Zulassung eines gewissen Maßes an Realien – Geographie, Geschichte, Naturbeschreibung – war als Geographiepropädeutik und „Gesinnungs- und Gemütsbildung“ auch Heimatkunde vorgesehen.22 Was jedoch darunter verstanden wurde, war weit von den Ideen ihrer Begründer entfernt. Der Heimatbegriff hatte in der Zwischenzeit einen massiven Wandel durchlaufen, analog zu anderen Ideen und Bewegungen des frühen 19. Jahrhunderts, die in der Folge so uminterpretiert wurden, daß – wie im Falle der Turnbewegung, der Burschenschaften oder eben der frühen Heimatkunde – ihr Ursprungsgedanke geradezu in sein Gegenteil verkehrt wurde. War noch für Harnisch und andere frühe Pädagogen die Heimatkunde eine wirkliche Erkundung und Aneignung der Umwelt und Lebenswelt, so wurde nun „Heimat“ als restauratives, romantisierendes Schlagwort etabliert, das vor allem die Auswirkungen der industriellen Revolution abmildern sollte. Der Heimatbegriff, der im 18. Jahrhundert noch klare Inhalte hatte,23 wurde zum Projektionsbegriff für diverse, politischen und gesellschaftlichen Bedürfnissen angepaßte Inhalte, oft auch irrationale Sehnsüchte. Die Zeit nach 1871 war eine erste Blütezeit der Heimatforschung. Hierbei spielte die nationale Besinnung des neuentstandenen Deutschen Reiches eine Rolle, das mit seiner sich im Historismus artikulierenden Geschichtsversessenheit neben Religion Geschichte zum wichtigsten Unterrichtsfach machte.24 Daneben betonten die im Deutschen Reich vereinten Länder als Gegenbewegung zur preußisch dominierten Nation nun eine eigene regionale Identität.25 In Böhmen und Mähren kam der nach 1848 einsetzende Nationalitätenkampf hinzu. Gleichzeitig begann die Ausbildung der Volkskunde als eigenständiges Fach, auch dies auf seine Weise eine Reaktion auf die Auswirkungen der industriellen Moderne. Besonders zwischen 1890 und 1900 ent21 Mitzlaff: Heimatkunde, S. 783–789. 22 Ebd., S. 787, 792. 23 Grimm: Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 2., Sp. 864–866, hier Sp. 864: „heimat ist seit dem 15. jahrh. aus verschiedenen gegenden nachweisbar“, Bedeutungen, Sp. 865: „1) heimat, das land oder auch nur der landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden aufenthalt hat“, „2) heimat, der geburtsort oder ständige wohnort“, „3) selbst das elterliche haus und besitzthum heiszt so, in Baiern [...] woraus der sinn haus und hof, besitzthum überhaupt sich ausbildet, auszer in Baiern namentlich auch in der Schweiz“. 24 Mitzlaff: Heimatkunde, S. 830f. 25 Celia Applegate: A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Berkeley: University of California Press 1990.

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Das Heimatbuch: Entstehung und Aufstieg einer Schriftenklasse

standen zahlreiche Vereine und Zeitschriften zur volkskundlichen Lokalforschung. Ihre enorme Popularität trug dazu bei, daß die Heimatkunde um volkskundliche Themen erweitert wurde. Angeregt von den um 1900 einsetzenden reformpädagogischen Strömungen und der Heimatschutzbewegung entstand so eine neue, fruchtbare Diskussion um Ziele, Methoden und Inhalte der Heimatkunde. In Preußen, Vorreiter in der Schulpolitik, wurde Heimatkunde 1908 als Unterrichtsfach auf allen Schulstufen eingeführt; Inhalte sollten unter anderem Geschichte, Sagen, Denkmäler, Bauten, lokale Geographie und Geologie sowie Flora und Fauna der Gegend sein.26 In dieser Zeit intensiver Debatte wurde in zahlreichen programmatischen Schriften der Grundstein zur späteren erfolgreichen Kanonisierung, aber auch zur Begründung einer wissenschaftlichen Heimatkunde gelegt. Man kann durchaus von „heimatpädagogische[m] Enthusiasmus“ sprechen,27 der zunächst noch durch das Korsett des wilhelminischen Schulsystems eingeengt wurde, nach dessen Ende jedoch beste Entfaltungsmöglichkeiten vorfand.

Die Hochphase der Heimatkunde in der Weimarer Republik Nach Gründung der Weimarer Republik wurde Heimatkunde 1921 als Unterrichtsfach reichseinheitlich in den Lehrplänen verankert, wieder unter Federführung der preußischen Schulpolitik.28 Im Geiste der Reformpädagogik und der Aufbruchsphase der frühen Weimarer Republik sprachen die „Richtlinien über Zielbestimmung und innere Gestaltung der Grundschule“29 von „heimatkundlichem Sachunterricht“ und verstanden Heimatkunde als ganzheitliches Prinzip grundlegender Allgemeinbildung und nicht, wie das wilhelminische Reich, als patriotische Gesinnungsbildung. Da die Ausgestaltung der Richtlinien Ländersache war, blieb durchaus Raum für „Heimatsund Vaterlandsliebe“ als Unterrichtsziel.30 Inhaltlich änderte sich am von Harnisch begründeten Themenkreis, bis auf die Ergänzung mit volkskundlichen Themen, wenig.31 Im Ergebnis setzte in der Weimarer Republik ein explosionsartiger Aufschwung der gesamten Heimatkunde ein. Die Konzepte und Methoden, die bereits in mannigfaltigen Debatten entwickelt worden waren, fanden nun geeignete Bedingungen vor, 26 Per Ministerialerlaß vom 31.01.1908; Weisungen betreffend die Schulrevisionen, in: Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 50 (1908), S. 378–384, darin S. 382f. Offizielle Erläuterungen und Ausführungshilfen dazu: Martin Ullmann und Emil Fischer: Methodische Winke zur unterrichtlichen Durchführung der allgemeinen Bestimmungen vom 15. Oktober 1872 und der Weisungen vom 31. Januar 1908, Breslau: Hirt 1917 (je separate Ausgaben für katholische und evangelische Lehrer). 27 Mitzlaff: Heimatkunde, S. 844. 28 Richtlinien des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung für die Lehrpläne der Volksschulen mit den erläuterten Bestimmungen der Art. 142–150 der Reichsverfassung und des Reichs-Grundschulgesetzes v. 28. April 1920, Breslau: Hirt 1923. 29 Mitzlaff: Heimatkunde, S. 848f. 30 Ebd., S. 789–796. 31 Ebd., S. 997.



Geschichte und Tradition der Heimatkunde

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um tatsächlich umgesetzt zu werden. Das Interesse an Heimatkunde als Bildungsmittel drang aus dem Kreis einiger pädagogisch und regionalhistorisch interessierter Spezialisten in die Mitte ebenso wie in die Breite der Gesellschaft vor. Schon seit der Jahrhundertwende war Heimatkunde schichtenübergreifend diskutiert worden, und so erfaßte die Heimatbewegung nun neben nationalpatriotisch oder republikfeindlich Gesinnten, Bildungsbürgertum und Arbeiterbildungsvereinen die ganze Bandbreite sowohl konservativer als auch reformorientierter Weimarer Kreise. Das Heimatbuch als ihr hervorragendstes Ausdrucksmittel spiegelte diese Breitenwirkung wider. Es gab romantisierend-konservative oder gegen den Versailler Vertrag wetternde Werke und schon vor 1918 betont urbane Großstadtheimatkunden und progressive Heimatbücher für Industrieregionen.32 Auch konfessionell waren der Heimatkunde keine Grenzen gesetzt, auch deutsche Juden verfaßten Heimatbücher.33 Um mit Michel Foucault zu sprechen, hatte sich der Diskurs zur Heimatkunde aus dem engen Kreis von pädagogischen Spezialisten hinausbewegt und war zu einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen geworden. Eduard Sprangers vielzitierter und -rezipierter Vortrag „Der Bildungswert der Heimatkunde“ (1923) verdeutlicht, was die Heimatkunde in der an Spannungen nicht eben armen Weimarer Republik klassen- und parteiübergreifend so konsensfähig machte. Spranger skizzierte eine wissenschaftliche Heimatkunde, deren „Bildungswert“ darin begründet liege, daß sie eine ganzheitliche „Zusammenschau“ ermögliche, die angesichts der „verlorene[n] Totalität des Wissenschaftssystems“ „sonst nicht mehr gelingen will“.34 Die Heimatkunde sollte nichts Geringeres sein als ein Gegenmittel gegen die Auswirkungen der Moderne, die mit der enormen Ausdifferenzierung des Wissens und der Wissensbereiche eine Gesamtschau unmöglich gemacht hatten. Vermutlich kannte Spranger Georg Simmels „Tragödie der Kultur“, die genau diese Unmöglichkeit thematisiert, die Gesamtheit des Wissens um die Welt, des „objektiven Geistes“35 noch zu überschauen und als Ein32 Max Jochen (Hg.): Theorie und Praxis der Heimatkunde. Hilfsbuch für den heimatkundlichen Unterricht auf allen Klassenstufen. Unter Mitwirkung der Sektion für Heimatkunde im Schulinspektionsbezirke Zwickau II, Leipzig: Wunderlich 1905, eine Heimatkunde des sächsischen Zwickau, zeigt schon auf dem Titelbild rauchende Fabrikschlote statt bukolischer Landschaften. Ein Bremer Schulreformer schrieb eine Großstadtheimatkunde, die statt bäuerlicher Idylle Technikeuphorie und soziologische Erkundungen der Großstadtumwelt propagierte: Fritz Gansberg: Streifzüge durch die Welt der Großstadtkinder. Lebensbilder und Gedankengänge für den Anschauungsunterricht in Stadtschulen, Leipzig, Berlin: Teubner 1905. Albrecht Brinkmann verfaßte eine Heimatkunde für die Arbeitsschule des Ruhrgebiets, Albrecht Brinkmann: Heimatkunde und Erdkunde auf werktätiger Grundlage. Ein Beitrag zur Praxis des erdkundlichen Arbeitsunterrichts, praktisch dargestellt an der Heimatkunde von Dortmund und einigen Beispielen aus der weiteren Erdkunde, Leipzig: Wunderlich 1913. 33 Zum Beispiel die Heimatbücher Harz 1920, Nassau 1927, Niederstetten 1930. 34 Eduard Spranger: Der Bildungswert der Heimatkunde [1923], in: ders.: Philosophische Pädagogik. Hg. von Otto Friedrich Bollnow und Gottfried Bräuer, Heidelberg: Quelle & Meyer 1973 (Gesammelte Schriften; 11), S. 294–319, hier S. 312. Weiter heißt es: „In ihnen [der Heimat- und Landeskunde] lebt wirklich noch das Ganze. Und darauf beruht ihre unvergleichlich bildende Kraft.“ Spranger kannte nachweislich Harnischs Heimatkundekonzeption, dazu Mitzlaff: Heimatkunde, S. 662. 35 Der Begriff findet sich in Sprangers Vortrag von 1923, ebd. S. 303, in dem von Simmel geprägten Sinne. Simmel wird von Spranger jedoch an keiner Stelle zitiert oder nur namentlich genannt.

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Das Heimatbuch: Entstehung und Aufstieg einer Schriftenklasse

zelner zu erfassen. Drei Jahre später sprach Spranger von einer „Krisis der Kultur“, „wenn ihr eigener Aufbau und Zusammenhang nicht mehr durch eine organisch zusammenhängende Wissenschaft [...] zusammengeschaut werden“ könne.36 Die Heimatkunde sollte als ganzheitliche Universalwissenschaft Heilmittel gegen diese „Krisis“ sein; hierin liegt ihre enorme klassen- und parteienübergreifende Popularität seit dem Ersten Weltkrieg begründet. Gleichzeitig erfuhr die Heimatkunde eine beachtliche Professionalisierung und schaffte den Sprung an die Universitäten, ihrer Entstehungsgeschichte gemäß innerhalb der akademischen Pädagogik. Vorreiter war Sachsen, wo 1926 am Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule Dresden ein „Seminar für wissenschaftliche Heimatkunde“ und am Lehrstuhl für Landesgeschichte der Universität Leipzig das erste Institut für Heimatforschung an einer deutschen Universität entstand. Beide sollten innerhalb der Lehrerbildung für die wissenschaftliche Fundierung der Heimatkunde sorgen. In Leipzig konnten Pädagogen und Volksschullehrer im Fach Heimatkunde promovieren.37 Mit der akademischen Etablierung, die bis zur Weltwirtschaftskrise in Ansätzen gelungen war, schien das Fach die größte Hürde hin zur vollständigen Professionalisierung genommen zu haben. Es fehlte nur ein eigener Lehrstuhl, wohl weil die Heimatkunde nach wie vor innerhalb der Pädagogik angesiedelt war und sich von der Aufgabe der Lehrerbildung nicht lösen konnte oder wollte. Rückblickend zeigt sich, daß die Phase einer professionellen, akademisch institutionalisierten Heimatkunde in den 1920er Jahren die kurze Blütezeit eines Faches war, das diesen Grad an Professionalisierung nach 1933 nie wieder erreichen sollte. Nach ihrer „völkischen“ Umwidmung im Nationalsozialismus nahm die schulische Heimatkunde in den 1950er Jahren noch einmal einen kleinen Aufschwung. Doch trotz einzelner Versuche einer wissenschaftlichen Heimatkunde an Hochschulen und Universitäten38 dominierte die Indienstnahme als Vermittler von regionaler Identifi36 Eduard Spranger: Die Kulturzyklentheorie und das Problem des Kulturverfalls, in: Forschungen und Fortschritte. Nachrichtenblatt der deutschen Wissenschaft und Technik 2 (1926) Nr. 4, S. 35. Auch hier wird die inhaltliche Nähe zu Simmels „Tragödie der Kultur“ deutlich, dieser jedoch nicht erwähnt. Vgl. Georg Simmel: Der Begriff und die Tragödie der Kultur, in: ders.: Philosophische Kultur, Leipzig: Klinkhardt 1911, S. 245–277. 37 Richard Augst: Zum Aufbau eines Seminars für wissenschaftliche Heimatkunde am Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule Dresden, in: Leipziger Lehrerzeitung 33 (1926), 19. Mai 1926; ders.: Der Heimatgedanke in der Lehrerbildung, in: Neue Pädagogische Studien 1 (1929), H. 3, S.  117f., sowie Wieland Held: Das Seminar für Landesgeschichte und Siedlungskunde an der Universität Leipzig. Der Weg dieser wissenschaftlichen Einrichtung seit der Gründung vor 90 Jahren, in: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 67 (1996), S. 201–233. 38 So an der Pädagogischen Akademie Dortmund, deren Institut für wissenschaftliche Heimatkunde der Oberschlesier Alfons Perlick leitete. Perlick war ein Schüler Sprangers und hatte als Dozent für Heimat- und Volkskunde an der Pädagogischen Akademie Beuthen in Oberschlesien gelehrt. Am Dortmunder Institut war ab 1951 auch die Ostdeutsche Forschungsstelle im Lande NRW angesiedelt. Mitzlaff: Heimatkunde, bilanziert dessen Arbeit S. 630: „Obwohl dem Institut weder eigene Räume noch die notwendigen Hilfskräfte zur Verfügung standen, wurde es zum Mittelpunkt beachtlicher landes- und lokalwissenschaftlicher Aktivitäten und zum Zentrum der Kommunikation mit umliegenden Museen und Archiven.“



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kation und restaurativer „heiler Welt“ nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs. Angesichts der hohen Bevölkerungsmobilität entschied man sich für eine volkstümliche Heimatkunde, die nicht auf Wissenschaftlichkeit der Inhalte zielte, sondern primär ein Bindungsgefühl des Einzelnen an seinen Herkunfts- oder Wohnort schaffen sollte. Schließlich kam es im Zuge der 68er-Bewegung zur grundlegenden Kritik an Heimatkunde, die bürgerlich-restaurativ erschien und in der Folge durch das begrifflich neutralere Konzept „Sachunterricht“ abgelöst wurde. Damit endet die Geschichte einer wissenschaftlichen Heimatkunde weitgehend. Einzelne Residuen finden sich heute bei der Landesgeschichte, die die wieder ganz überwiegend von Laien betriebene Heimatforschung gegebenenfalls als akademische Beratungsinstanz begleitet. In der großen „Heimatwelle“ der 1980er Jahre spielte zwar auch Heimatkunde eine gewisse Rolle, jedoch beschäftigte sich die Wissenschaft nun aus einer gänzlich anderen Perspektive mit dem Komplex „Heimat“.39 Das Heimatbuch als Schriftenklasse hat all diese Wandlungsprozesse in seiner Popularität und seinen Auflagenzahlen weitgehend unbeeinträchtigt überstanden.

4.2  Geschichte und Typologie des Heimatbuchs 4.2.1  Die Entstehung des Heimatbuchs als Schriftenklasse In die lebhafte Debatte über Heimatkunde ab der Wende zum 20. Jahrhundert fällt das Erscheinen von Werken, die erstmals den Titel „Heimatbuch“ tragen und als erste Vertreter der entstehenden Schriftenklasse gelten können. Das erste solche Werk erschien 1904, noch mit der grammatischen Variante „Heimatsbuch“.40 Der Begriff ist zuvor weder in Buchtiteln noch andernorts nachweisbar,41 machte jedoch schnell Furore: Ab 1906 erschienen und erscheinen bis heute, unterbrochen nur 1944/45 während des Zweiten Weltkriegs, jährlich neue „Heimatbücher“. Damit dürfte das Heimatbuch eine der vitalsten und langlebigsten Publikationssorten regionalkundlicher Literatur im deutschen Sprachraum sein. Bis 1910 erschienen zwölf Werke, die „Heimatbuch“ oder „Heimatsbuch“ im Titel tragen, danach setzte sich „Heimatbuch“ gegenüber der Zusammensetzung mit Genitiv-s. durch. Ab diesem Zeitpunkt kann man auch von einer beginnenden Etablierung der Schriftenklasse sprechen, mit der sich neben dem festen Begriff auch ein bestimmter Kanon der Inhalte und deren Gliederung sowie eine spezifische Herangehensweise und 39 Greverus: Auf der Suche nach Heimat; Hermann Bausinger: Heimat heute, Stuttgart: Kohlhammer 1984. 40 Hessen 1904. 41 Kessler: Heimatbücher, S. 13, verweist auf die Tradition lokaler Heimatkunden, Gemeinde- und Stadtchroniken, „die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu Darstellungen des gesamten engeren Lebensbereiches in Natur, Geschichte und Gesellschaft erweitern und für die sich bald der Terminus ‚Heimatbuch‘ durchsetzt, der sich dann in der Zwischenkriegszeit allgemein verbreitet.“ Von den vielen Werken dieser Art in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hieß jedoch keines „Heimatbuch“. Insofern kann diese Aussage hier präzisiert werden.

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Intention der Werke ausbildete. Durch die Zäsur des Ersten Weltkriegs blieb die Durchsetzung des Heimatbuchs auf breiter Basis der Weimarer Republik vorbehalten, die ihm aus den gleichen Gründen wie der Heimatkunde wesentlich bessere Entfaltungsmöglichkeiten bot.

Abb. 4 Die ersten Heimatbücher (bis 1910) im Kartenbild

Regionale Schwerpunkte Interessanterweise erschienen die ersten Heimatbücher in ganz bestimmten Regionen (Abb. 442). Ein Entstehungsgebiet des Heimatbuchs war die preußische Provinz Hessen-Nassau,43 ein anderes strittige deutsche oder „im Nationalitätenkampf stehende“

42 Die Numerierung der Marker entspricht der Erscheinungsfolge der Heimatbücher bis zum Jahre 1910; außerhalb des Kartenausschnitts und daher nicht lokalisiert sind Baltikum 1.1908 (9) und Reval 1910 (10). Die Kartengrundlage stammt von Wikipedia und ist lizensiert unter Creative Commons Lizenz (CC-BY-SA 3.0), , Urheber: kgberger. 43 Hessen 1904 (1), Homberg 1908 (5), Ziegenhain 1908 (6) bezogen sich sämtlich auf die preußische Provinz Hessen-Nassau, Waldeck 1906/07 (2) gehörte zum Fürstentum Waldeck-Pyrmont, seit 1868 von Preußen verwaltet. Angermünde 1908 (7) und Nordhausen 1908 (8) lagen ebenfalls in Preußen.



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Regionen, nämlich die nördlichen Randgebiete des Deutschen Reiches,44 Böhmen und das Baltikum45. Das Heimatbuch als Ausdrucksmittel spezifischer, womöglich prekärer oder Minderheitenidentitäten ist also keine nachträglich der Schriftenklasse oktroyierte Instrumentalisierung, sondern von Anfang an eine der Funktionen dieser Werke. Gerade im böhmischen und mährischen Raum gab es schon im 19. Jahrhundert eine starke Heimatkundetradition, aus der zahlreiche Bezirkskunden entstanden, zeitgleich zu den ersten Heimatbüchern erschienen einflußreiche Anleitungen zur Erstellung regionaler Heimatkunden.46 Für Hessen-Nassau kann man annehmen, daß die Publikation von der preußischen Schulverwaltung in Kassel befördert wurde.47 Alle bis 1910 auf Reichsgebiet erschienenen Heimatbücher sind im Bereich der preußischen Verwaltung entstanden, ein enger Zusammenhang mit der preußischen Schulpolitik ist, auch angesichts der Geschichte der Heimatkunde, anzunehmen.

Heimatbuch und Bezirkskunde Die im 19. Jahrhundert erschienenen lokalen Landes-, Heimat- oder Bezirkskunden48 waren in vielem Vorläufer der Heimatbücher. Ihre Adressaten waren die schulische Heimatkunde – soweit vorhanden – und eine lokale Heimat- und Regionalkunde, deren Träger die Lehrerschaft und ein Teil des Bildungsbürgertums war. Je nachdem für welche Rezipienten (Schule oder lokales Expertentum) die Werke konzipiert waren, hatte ihr Stil nüchtern, sachlich, wissenschaftlich zu sein, oder kindgerecht aufbereitet für die Volksschule. Die Entwicklung von der Heimat- und Bezirkskunde zum Heimatbuch ist eher als fließender Übergang denn als abrupter Bruch vorzustellen. Die Akteure der Heimatkunde, Lehrer und Volkskundler, waren in der Regel dieselben, die nach der Wende zum 20. Jahrhundert mit der Abfassung von Heimatbüchern begannen. Eine Reihe von Werken hieß in erster Auflage „Heimatkunde“, in zweiter „Heimatbuch“, die zeit-

44 Schleswig-Holstein 1907 (3), Schleswig-Holstein 1910, Hamburg 1910 (beide nicht auf der Karte). Schleswig-Holstein mit seiner dänischen Minderheit war nach dem deutsch-dänischen Krieg von 1864 und dem folgenden preußisch-österreichischen Krieg immer noch eine umstrittene Grenzregion. 45 Egerland 1907 (4), im Königreich Böhmen, zum Habsburgerreich gehörig; Baltikum 1.1908 (9), Reval 1910 (10), beides in den Ostseeprovinzen des Rußländischen Reiches gelegen. 46 Anton Vrbka: Schematische Anleitung zum Studium und zur Abfassung einer Orts- und Heimatskunde, Znaim: Fournier & Haberler 1893 (Kleine Lehrer-Bibliothek; 24); Josef Blau: Der Lehrer als Heimatforscher. Eine Anleitung zu heimatkundlicher Arbeit, Prag u.a.: Haase 1915 (Schriften zur Lehrerfortbildung; 6). 47 In deren Zuständigkeitsbereich fielen Hessen 1904, Waldeck 1906/07, Ziegenhain 1908, Homberg 1908. 48 Zu den Heimat(hs)kunden und den sogenannten „Vaterlandsbüchern“ des 19. Jahrhunderts Mitzlaff: Heimatkunde, S. 646. Die „Bezirkskunden“ hießen so nach der Verwaltungsgliederung des „politischen Bezirks“ in den cisleithanischen Ländern des Habsburgerreichs. Viele Bezirke Böhmens und Mährens hatten bereits im 19. Jahrhundert eigene Heimat- bzw. Bezirkskundewerke, teils mit über 600 Seiten und reich bebildert, siehe die Bibliographie bei Blau: Lehrer, S. 58f.

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liche Schwelle zum Heimatbuch liegt dabei spätestens mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.49 Die frühen Heimatbücher bis 1910 stammen fast alle aus dem schulischen Kontext,50 waren jedoch nicht mehr nur zur Verwendung im Unterricht gedacht. Vielmehr sollten sie Heimatkunde einem weiteren Publikum nahebringen, wie die Untertitel „für jung und alt“51 oder „für Schule und Haus“52 belegen. Sie wollten überhaupt erst mit der Heimat, als Nahraum verstanden, bekannt machen, da der Schulunterricht zu wenig Zeit darauf verwende – eine klare Forderung an die Schule zur Priorisierung der Heimatkunde.53 Grundlegende Heimatkenntnis sei Voraussetzung der „Heimatliebe“, die es zu wecken gelte, die sich jedoch nicht auf die Nation, sondern nur auf die örtliche Lebensumwelt beziehe. Die Liebe zur engeren Heimat wiederum sei Grundlage der Vaterlandsliebe, die zu vermitteln aber nicht Aufgabe des Heimatbuchs sei.54 Durch mehr Wissen über die lokale Umwelt sollte also eine spezifische, auch emotionale regionale bzw. lokale Identifikation erreicht werden.

Das Heimatbuch als Hausbuch Nach 1908 wurde mindestens in Preußen die Forderung nach mehr schulischer Heimatkunde obsolet. Das Heimatbuch wurde nun als „Hausbuch“ bezeichnet, das jede 49 Beispielsweise Felix Wilhelm: Unsere Heimat – die Lausitz. Heimatkundliches Lehr- und Lesebuch für Stadt und Land. Ausgabe für den Bezirk Bautzen, Leipzig: Strauch 1905; in zweiter Aufl. Lausitz 1925; Franz Müller: Heimatkunde der Stadt Magdeburg und ihrer Umgebung, Magdeburg: Creutz 1912; in zweiter Aufl. Magdeburg 1913; Julius Falter: Wanderzüge im Umkreise Münchens zu Fuß und mit dem Rad, München: Seybold 1910; in zweiter Aufl. München 1913; Richard Nordhausen (Hg.): Unsere märkische Heimat. Eine Anthologie für Berlin und Brandenburg, Leipzig: Brandstetter 1911; in zweiter Aufl. Brandenburg 1920. 50 Der ganz überwiegende Teil der Autoren der frühen Werke war Lehrer, ein kleiner Rest Heimatschriftsteller. Ziegenhain 1908 und Homberg 1908 entstanden auf Grundlage einer Landeskunde für die Schule: Hessische Landes- und Volkskunde. Das ehemalige Kurhessen und das Hinterland am Ausgange des 19. Jahrhunderts, in Verbindung mit dem Verein für Erdkunde und zahlreichen Mitarbeitern hg. von Carl Heßler. Bd. 1,2: Hessische Landeskunde, Marburg: Elwert 1907. Hessen 1904 wird bezeichnet als „Ergänzung zu ,Hessische Geschichte im Anschluß an die deutsche und preußische‘ und ,Landeskunde von Hessen-Nassau‘“ desselben Autors: A[ndreas] Gild: Hessische Geschichte im Anschluß an die deutsche und preußische, 2. Aufl. Kassel: Baier 1900; ders. (Hg.): Landeskunde der Provinz Hessen-Nassau. Zunächst zur Ergänzung der Ausgaben A und B der Schulgeographie von E. von Seydlitz, Breslau: Hirt 1891. 51 Hessen 1904, Waldeck 1906/07, Homberg 1908. 52 Ziegenhain 1908. 53 So explizit in Hessen 1904, S. V; Baltikum 1.1908, S. III. 54 Hieraus spricht das Konzept der Volksstämme, aus denen das deutsche Vaterland bestehe, ein Versuch, das wilhelminische Reich nach langer Kleinstaaterei zu einen, so Hessen 1904, S. III: „so gibt es auch keinen Deutschen an sich, er ist zunächst Hesse, Brandenburger, Pommer, Schlesier [...] und hat seine besonderen Eigentümlichkeiten in Sprache, Sitte, Volkstum.“ Diese „Volksstämme“ gelte es, „in ihrer Eigenart und Kraft“ zu erhalten, „damit unser deutsches Volk nicht eine Herde ohne Eigenart, Bodenständigkeit und Charaktertiefe werde.“ Ähnlich Nordhausen 1908, S. VI: „Die Erkenntnis, [...] daß es keine Vaterlandsliebe gibt, wenn nicht vorher das Feuer der Heimatsliebe in den Herzen entzündet ist.“



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örtliche Familie besitzen und regelmäßig lesen solle und dem ein hoher ideeller Stellenwert zukomme. Ein „Hausbuch“ ist laut Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG) ein „Buch, das in vielen Familien vorhanden ist und oft gelesen wird“, als Beispiel nennt das WDG „ein H. für jung und alt; der ‚Duden‘ ist ein deutsches H. geworden“.55 Das Duden-Wörterbuch erklärt das Hausbuch als „Buch zum häufigen häuslichen Gebrauch: die Bibel sollte das H. jeder christlichen Familie sein.“56 Der Beispielsatz des WDG enthält eben den schon zitierten Zusatz „für jung und alt“, offenbar eine geradezu standardisierte Kennzeichnung des Hausbuchs. Zudem sind beide Beispiele für ein Hausbuch solche, die auch in Haushalten mit niedrigem Bildungsstand vorhanden sind. Christel Köhle-Hezinger hat in ihrem Beitrag zur Tübinger Heimatbuch-Tagung 2007 einprägsame Beispiele solcher Hausbücher aus ihrer Familiengeschichte geschildert.57 In den Heimatbüchern selbst wird diese Hausbuchfunktion genauer erläutert: Das Heimatbuch „möchte ein Hausbuch sein, das zwar nicht der wissenschaftlichen Genauigkeit entbehrt, sich aber von allem gelehrten Beiwerk frei hält, und nur dazu beitragen will, in den weitesten Kreisen der Bevölkerung das Verständnis für die Eigenart unserer Heimat nach den verschiedensten Seiten hin zu fördern.“58

Seine Aufgabe sei es, „die gesicherten Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung den weitesten Kreisen in allgemeinverständlicher Sprache zu übermitteln.“59 Da das Heimatbuch, so die immer wiederkehrende Wendung, „weiteste Kreise“ der Bevölkerung erreichen sollte, mußte es für alle Bevölkerungsschichten rezipierbar sein. Allgemeinverständlichkeit, Anschaulichkeit und Lebendigkeit sollten jedoch unbedingt auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und bemerkenswerterweise nicht auf Volkstümlichkeit oder volkstümelndem Stil. Diese Erweiterung der Zielgruppe quasi auf die gesamte lokale Bevölkerung korreliert mit der beschriebenen Veränderung im Heimatkundediskurs nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Während die Heimatkunde sich anschickte, zum gesamtgesellschaftlichen Bildungsideal zu werden, entstand das Heimatbuch als Ausdruck und praktische Umsetzung dieser Diskursausweitung.

Leitfäden Eine in der Lehrerschaft der habsburgischen Länder einflußreiche Anleitung zur Erstellung von Bezirkskunden beschreibt schon 1893 deren Funktion sehr ähnlich den späteren Heimatbüchern. Dieser Text des mährischen Heimatforschers Anton Vrbka

55 S.v. „Hausbuch“, in: Klappenbach/Steinitz: Wörterbuch, S. 1744. 56 S.v. „Hausbuch“, in: Günther Drosdowski, Dudenredaktion (Hg.): Duden: das große Wörterbuch der deutschen Sprache in 6 Bdn., Bd. 3: G-Kal, Mannheim: Bibliographisches Institut 1977, S. 1161. 57 Christel Köhle-Hezinger: Das Heimatbuch. Passt Heimat in ein Buch?, in: Beer: Heimatbuch, S. 41– 53. 58 Nordhausen 1908, S. VI. 59 Siegerland 1914, S. III. Redaktionsschluß des Werkes war vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, ebd. S. VI.

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steht an der Schwelle zum Heimatbuch, denn was ihm vorschwebte, unterschied sich erheblich von den älteren Bezirkskunden: „Die Bezirkskunde [...] entspricht dem Grundsatze der Anschaulichkeit durch das Vorführen wirklicher, örtlicher Verhältnisse und bestimmter Personen. [...] Sie muß dem Landmanne das Leben seiner Voreltern im Bilde zeigen, ihm Verständnis für die modernen Verhältnisse erschließen. Dem Gewerbetreibenden, dem Industriellen, dem Kaufmann ist sie ein wertvolles Nachschlagebuch, dem Bürger ein lehrreicher, fesselnder Lesestoff, dem Priester, dem Arzte, dem Soldaten bietet sie manchen Fingerzeig, dem Lehrer ist sie ein Hilfsbuch, der Jugend ein Spiegelbild der Vergangenheit und ein getreues Abbild der Gegenwart, dem Gelehrten nicht nur ein Volksbuch, sondern ein Buch, das die gebührende Beachtung vor dem Richterstuhl der Wissenschaft und Kunst für sich selbst beansprucht.“60

Es drängt sich hier ein wenig die Vorstellung einer eierlegenden Wollmilchsau auf,. eines multifunktionalen Alleskönners für alle Bevölkerungsgruppen und alle Gelegenheiten. Diese Ansprüche konnte die Bezirkskunde des 19. Jahrhunderts nicht erfüllen, es mußte eine neue Gattung her, die ein böhmischer Heimatbuchautor wie folgt skizzierte: „Mit dem Heimatbuche hat mir eine neue Gattung vorgeschwebt. Etwas, das von den alten, dickleibigen Bezirkskunden ebenso absteht, wie von den dünnen, trockenen Leitfäden, Lernbüchlein und Eselbrücken und von den poetisch und romantisch gefärbten Reiseführern. Es soll ein Buch sein, das zugleich der Heimaterkenntnis und der Volkserziehung dient. Aus diesem Grunde wurde es vermieden, wortreich in die Breite zu gehen und zahlenbefrachtet in alles Einzelne. Es wurde anderseits getrachtet, die Darstellung lebendig und anschaulich zu halten [...]. Es sollte ein geschlossener Gesamteindruck, ein überschaubares, einprägsames Bild der Heimatentwicklung geboten werden.“61

Wenn die Heimatbücher auch diese vielfältigen Anforderungen sicher nicht immer erfüllen konnten, so vertraten doch viele zumindest einen bemerkenswerten Anspruch. Interessant ist auch die Formulierung des „geschlossenen Gesamteindrucks“, den das Heimatbuch vermitteln sollte. Dies ist in der Tat ein wesentliches Charakteristikum, auf das nach dem Zweiten Weltkrieg die Vertriebenen wieder zurückgriffen, als sie das Heimatbuch als Schriftenklasse zur Konservierung ihrer verlorenen Heimat wählten. Alles, was die Heimat ausmachte, sollte in kompakter, anschaulicher, nichtsdestotrotz wissenschaftlich einwandfreier Form zwischen zwei Buchdeckel gebracht werden. Sein Universal- und Ganzheitsanspruch machte das Heimatbuch nach der Vertreibung zum idealen Aufbewahrungsort für eine einstweilen unzugängliche, sich später zur „alten Heimat“ wandelnde Herkunftsheimat. In der Phase der Etablierung des Heimatbuchs um 1910 erschienen auch auf Reichsgebiet Wegweiser zur Abfassung lokaler Heimatkunden „für Schule und Haus“, für die sich ab 1904 sukzessive die Bezeichnung „Heimatbuch“ einbürger-

60 Vrbka: Anleitung, zitiert nach Blau: Lehrer, S. 62. 61 Landskron 1920.2, S. 3f.



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te.62 Keines dieser Werke wurde zu dem Leitfaden, doch bildete sich, aufbauend auf den Heimatkundekonzeptionen seit Wilhelm Harnisch, anhand dieser Werke und mit den bereits erschienenen Heimatbüchern als Vorbild, ein Grundkanon heraus, der in der Zwischenkriegszeit zur klaren Strukturierung und thematischen Verstetigung der Werke führte. Zu den wichtigsten Autoren solcher Leitfäden gehörten der böhmische Lehrer und Volkskundler Josef Blau und der bayerische Volksschullehrer Hans Stieglitz. Stieglitz’ Publikation wollte den Lehrern, den zentralen Akteuren der aufstrebenden Heimatkunde, das nötige Handwerkszeug an die Hand geben, um selbst ein Heimatbuch zu verfassen.63 Dieses weit verbreitete Werk64 enthält ein klar gegliedertes, detailliertes Schema eines Heimatbuchs. Bis auf einige Variationen in der Themenfolge entspricht es ziemlich genau dem heimatkundlichen Schema, das schon auf Wilhelm Harnisch zurückgeht.65 Bemerkenswert ist die vertretene Themenvielfalt, aber auch die Untergliederung in die Hauptbereiche Natur und Kultur im Sinne der Kultur als natura altera, bei Stieglitz „Menschenleben“ betitelt. Auch Josef Blaus Lehrerhandbuch enthält eine Modellgliederung, die jedoch weniger strukturiert ist als die Stieglitz’sche und beispielsweise keine Oberkapitel vorschlägt. In der Reihenfolge der Themen kommt sie den tatsächlich realisierten Gliederungen der Heimatbücher jedoch näher, indem sie direkt nach dem initialen Kapitel zu Natur und Landschaft die Behandlung der lokalen Geschichte vorsieht.66

4.2.2  Die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit Neben der Herausbildung einer klaren inhaltlichen Struktur und zunehmender Professionalisierung der Inhalte drückte sich der Aufstieg des Heimatbuchs in der Weimarer Republik vor allem in beeindruckenden Publikationszahlen aus (Abb. 567). Höhepunkt der Heimatbuchwelle war das Jahr 1925, in dem fast hundert Heimatbücher erschienen, mit der Weltwirtschaftskrise flaute die Publikation dann merklich ab. Auch die Heimatkundebewegung selbst wurde gegen Ende der 1920er Jahre deutlich schwächer und verlor in den krisengeschüttelten letzten Jahren der Weimarer Republik angesichts der massiven Brüche und Spannungen ihre Bedeutung.68 Im Natio62 Dabei wären unter anderem zu nennen: Jochen: Heimatkunde; Hans Stieglitz: Der Lehrer auf der Heimatscholle, München: Oldenbourg 1909, sowie Blau: Lehrer. 63 Blau: Lehrer, S. 8: „Jede Schule wird sich das Heimatbuch für ihre Bedürfnisse [...] selber schaffen müssen!“ 64 Stieglitz: Lehrer (zuerst München 1909), 2. Aufl. ebda. 1913 (laut Vorwort wurden in der zweiten Auflage nur Errata korrigiert), 3. unverä. Aufl. ebda. 1921. 65 Stieglitz: Lehrer 21913, S. 26–32. 66 Blau: Lehrer, S. 74; dazu auch Mitzlaff: Heimatkunde, S. 238, Abb. 23. 67 Erstellt auf der Grundlage der bibliographischen Datenbank, also der Erfassung möglichst aller Werke mit Titel oder Untertitel „Heimatbuch“, die im Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem „Dritten Reich“ erschienen, gezählt in bibliographischen Einheiten (BE). 68 Mitzlaff: Heimatkunde, S. 997.

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Abb. 5  Heimatbuch-Publikationszahlen bis 1945

nalsozialismus wurde dann zwar Heimatkunde bruchlos ins NS-Bildungsprogramm übernommen, doch Ziel war nun die Stärkung von Nationalstolz und „Volksgemeinschaft“ sowie ideologische Erziehung, nicht mehr die Aneignung eines und Identifikation mit einem begrenzten lokalen Raum, wie sie die Heimatbücher vermitteln wollten. Die große Heimatbuch-Publikationswelle, die vor Ort aus dem Antrieb zur Beförderung lokaler Identifikation heraus entstand, kam so in der NS-Zeit an ihr Ende, wenn auch die Publikation von Heimatbüchern bis heute niemals ganz aufhörte.

Der Idealtypus Heimatbuch und seine Varianten Analog zur Bandbreite der Heimatkundebewegung entstanden in der Weimarer Republik Industrieheimatbücher, Großstadtheimatbücher, literarische Heimatbücher; professionell-wissenschaftliche Bücher neben lyrisch-schwärmerischen Sammlungen von Sagen und Anekdoten, kulturkonservative neben progressiven und republikanische neben revisionistischen Werken. Auch bei den Autoren erweiterte sich die Bandbreite erheblich. Während diese bis 1910 fast ausnahmslos Pädagogen waren – später kamen Pfarrer hinzu –, sank nach 1914 der Anteil der Lehrer merklich, deutliches Zeichen für die wachsende Emanzipierung aus dem Kontext der schulischen Heimatkunde. Analog zur Heimatkunde als gesamtgesellschaftlichem Bildungsideal waren in der Zwischenkriegszeit mit Lehrern, Pfarrern, Juristen, Verwaltungsangehörigen, Archivaren, Museumsdirektoren, Historikern, Geographen, Ingenieuren, Ärzten, Kunsthistorikern, Musikern, Buchhändlern, Kaufleuten und Künstlern nahezu alle gebildeten Berufsgruppen unter den Heimatbuchautoren vertreten. Entsprechend der wachsenden Professionalisierung beteiligten sich auch vermehrt Autoren



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aus wissenschaftlichen Kontexten. Institutionell Verantwortliche waren die Stadt-, Gemeinde- oder Kreisverwaltungen, Wander-, Volksbildungs-, Fremdenverkehrs-, Heimatkunde-, Heimat- und Naturschutzvereine, am häufigsten jedoch immer noch Lehrervereinigungen. Auch wenn die Autorenschaft die gesamte Breite des Bürgertums, teilweise auch angrenzende soziale Gruppen umfaßte, lag die Führung des Unternehmens Heimatbuch meist bei der Pädagogenschaft, die für die Anbindung an die erreichten Standards der Heimatkunde sorgte. Trotz oder gerade wegen dieser Vielfalt der Erscheinungen soll hier versucht werden, einen Idealtypus des Heimatbuchs der Zwischenkriegszeit herauszuarbeiten, der sowohl die Varianz als auch die Typik abbildet (Abb. 6).

Abb. 6  Idealtypus Heimatbuch der Weimarer Republik

Das idealtypische Heimatbuch befindet sich im Zentrum des Schemas, die Peripherie zeigt den Varianzbereich. So ist beispielsweise der typische Bezugsraum eines Heimatbuchs ein Dorf, Ort, Bezirk oder Kreis; es gibt aber auch Werke über einzelne Kirchgemeinden. In der Regel wurden die Werke von lokalen Autorenkollektiven unter Beteiligung von Laien und Fachleuten geschrieben, jedoch findet man auch solche, die nur von Laien oder nur von einem einzelnen Autor verantwortet wurden. Denn, so die These, wenn auch nicht die eine Anleitung zum Heimatbuch existierte, so gab es doch einen unausgesprochenen Standard, der mindestens den Akteuren der Heimatkundebewegung, insbesondere den häufig federführenden Lehrern, gut bekannt war und in den Heimatbüchern umgesetzt wurde.

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So behandeln die Werke idealerweise, und dies könnte man als Kernkanon bezeichnen, die lokale Natur und Landschaft (Geologie und Geographie, Flora und Fauna, auch Umgang mit Natur in Form von Wanderrouten und Naturschutz), die lokale Geschichte, Namenkunde (Orts-, Flur- und Personennamen), Wirtschaft (Landwirtschaft, Forst- und Fischereiwesen, Handel und Geldwesen, Gewerbe und Handwerk, Industrie, Infrastruktur), das örtliche Gemeinwesen (Verwaltung, Justiz, Vereine, Genossenschaften, Feuerwehr, Sport, Lokalzeitungen, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen, Jugendpflege...), lokale Bauten (Burgen, Schlösser, Kirchen, Bürgerhäuser, Bauernhäuser...), Volkskunde (Mundart, Trachten, Sitten und Gebräuche, Feste, Speisen, Aberglauben, Sagen und lokale Überlieferungen...), Hochkultur (Musik, Kunst, Literatur...), Religion und Kirche (Gemeindeleben verschiedener Konfessionen). Enthalten ist regelmäßig auch ein Dokumentationsteil, in dem Quellen, Einwohnerlisten, Wappen und Siegel, Karten und Statistiken zum Abdruck kommen. Einige Werke umfassen zudem Kapitel über lokale Persönlichkeiten, darüber hinaus Anekdoten und persönliche Erinnerungen, Gedichte, Gedenken an die Toten von Kriegen und anderen großen Katastrophen. Erstaunlich viele Heimatbücher mit professionellem Anspruch handeln wenn nicht den gesamten, so doch einen großen Teil des beschriebenen Kernkanons ab. Im Sinne des Ganzheitlichkeitsgedankens der Heimatkundetradition kamen sie damit der möglichst umfassenden Darstellung lokalen Lebens so nahe wie wohl kaum eine andere Schriftenklasse, und innerhalb der Geschichte des Heimatbuchs kann man die Weimarer Jahre mit Recht als Höhepunkt der Heimatbuchproduktion bezeichnen. Natürlich gab es auch hier inhaltliche Fehlstellen, beispielsweise in Bezug auf die unteren Klassen der Gesellschaft, die in den Werken weder historisch noch zeitgenössisch adäquat repräsentiert waren. Doch angesichts der Spannungen, die die Weimarer Republik schon von Beginn an prägten und schließlich nicht unerheblich zu ihrem Ende beitrugen, bleibt das Phänomen der Heimatkunde und des aus ihr erwachsenen Heimatbuchs in seiner einigenden Funktion bemerkenswert.

Das Heimatbuch wird Mode: Die Brandstetter-Heimatbücher Die Heimatbuchkonjunktur der Zwischenkriegszeit war so mächtig, daß man damit auch gutes Geld verdienen konnte. Unter den Verlagen, die dies nutzten, steht der Leipziger Brandstetter Verlag mit seiner Reihe „Heimatbücher deutscher Landschaften“ an erster Stelle. Von der Anzahl der Nachauflagen und der Verbreitung der Werke auf dem antiquarischen Buchmarkt zu schätzen (zahlreiche Bände wurden zudem in den 1980er Jahren vom Frankfurter Weidlich-Verlag nachgedruckt), war die Reihe für den Verlag ein voller Erfolg. Bis 1930 erschienen 30 Bände, von denen allein neun Regionen behandeln, die nach dem Versailler Vertrag mindestens in Teilen außerhalb des deutschen Staatsgebietes lagen.69 Abgesehen von zwei Nachauflagen in den 1930er Jahren fielen die Brandstetter-Werke damit in die Hochphase der 69 Ostmark 1919, Österreich 1923, Böhmen 1923, Kärnten 1925, Oberschlesien 1926, Ostgebiete 1927, Posen-Westpreußen 1927, Elsaß-Lothringen 1928, Danzig 1929.



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Heimatwelle der Weimarer Republik. Anhand einer Werbebroschüre von 1926 läßt sich gut nachvollziehen, worin sich die Heimatbücher des Leipziger Verlags von in der Region produzierten Werken unterschieden. Zunächst behandelten sie größere Regionen und Landschaften als die lokalen Werke und wurden zentral beim Verlag konzipiert, wo ein Kreis von Stammautoren nach und nach fast alle deutschen und ehemals deutschen Regionen bearbeitete. Daneben ist der deutlichste Unterschied ihre Zielgruppe. Während die vor Ort entstandenen Heimatbücher von Einheimischen für Einheimische geschrieben wurden, schrieb Brandstetter für ein Publikum, das mit diesen Regionen erst vertraut gemacht werden sollte. Dazu wollte man dem Leser eine Art „Kulturkunde“ an die Hand geben, mit all dem, „wonach man bei der Benutzung des Reisehandbuches oder beim Studium geographischer und historischer Werke vergeblich ausschaute: In der Form eines nicht zu starken Bandes eine gefällige Auslese von allem, was man über ein Sondergebiet, einen in sich geschlossenen Teil des deutschen Landes, über seine Vergangenheit, den Aufbau seiner Wirtschaft und Kultur, seine Städte, seine Bewohner und ihre Eigenart, über ihre Gebräuche und über ihre volkstümlichen Überlieferungen wissen möchte.“70

Jedoch war das Ziel nicht eigentlich Stärkung des deutschen Binnentourismus, sondern die Förderung der Kenntnis deutscher Regionen angesichts von Demütigung und Gebietsverlust nach dem Ersten Weltkrieg, eine Art „nationale Regionalkunde“ mit „alldeutschem“ patriotischen Anspruch auf gehobenem bildungsbürgerlichen Niveau. Daher waren die nach Versailles verlorenen oder gefährdeten (Abstimmungs-)Gebiete innerhalb der Reihe überproportional vertreten.71 Den Heimatbuchautoren, die vor Ort für den begrenzten Markt lokaler Leser publizierten und nicht selten im Selbstverlag nur kleine Auflagen zustandebrachten, war diese rege Verlagstätigkeit durchaus ein Dorn im Auge. Auch die literarische und weniger wissenschaftliche Ausrichtung der Brandstetterwerke widersprach dem, was die nach Professionalität strebenden lokalen Heimatkundeakteure als Standard ansahen. Ein 1928 erschienener Leitfaden zu Heimatschutz und Heimatpflege, den Vorläufern von Naturschutz und Denkmalpflege, beklagt sich dann auch bitter über diese kommerziell orientierten Werke: „Es gibt bereits zahlreiche Bücher wissenschaftlicher Art, die die Heimat zum Gegenstande haben. [...] In den letzten Jahren hat sich auch das mehr volkstümliche Schrifttum über die Heimat

70 Ferdinand Grautoff: Deutsche Heimat in Wort und Bild, Leipzig: Brandstetter 1926 [Werbeschrift für Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften], ungez. S. 2. Ein Exemplar ist vorhanden in der Deutschen Nationalbibliothek, Standort Leipzig, Signatur 1926 A 7152. 71 Ebd., ungez. S. 6f.: „Bei dem tragischen Schicksal Schlesiens, durch den Willkürakt einer gewaltsamen Abstimmung in zwei Teile zerrissen zu werden, steht dieses Land unserem Herzen jetzt ganz besonders nahe. [...] Ein Verhängnis der deutschen Geschichte ist es gewesen, daß einst die Zahl der deutschen Siedler nicht ausgereicht hat, um die in deutsches Gebiet hineinragende ‚Böhmische Festung‘ [...] völlig zu besetzen. Um so notwendiger ist es, durch treue friedliche Kulturarbeit mitzuwirken, die deutsch-böhmischen Gebiete als Verbindung zur österreichischen Grenzmark deutsch zu erhalten. Was Deutsch-Österreich für uns bedeutet, seitdem es vom Übergewicht undeutscher Bestandteile entlastet ist [...], lassen die prächtigen Bände ‚Deutsch-Österreich‘ und ‚Kärnten‘ in Wort und Bild erkennen.“

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stark vermehrt. Darunter ist manches Buch, das wissenschaftlich nicht einwandfrei ist; denn Heimatbücher sind zur Zeit Mode geworden; manche Vielschreiber und ihre Verleger nützen die günstige Marktlage aus und sind frühzeitig am Platze.“72

Inhaltlich strebte man bei Brandstetter eine ähnlich breite thematische Abdeckung an wie die professionalisierten, vor Ort entstandenen Werke, doch zeigen sich im Vergleich klare Unterschiede. Zum einen bestanden die Brandstetterbücher großteils aus bereits andernorts Publiziertem, das in der Regel über die Hälfte des Buchs ausmachte. Sodann fehlten Themenbereiche, die lediglich für Einheimische von Interesse waren, wie der Bereich sozialen Lebens vor Ort, von Kirchen über Schulen bis zu Vereinen, sowie die lokale Wirtschaft und die in den lokal konzipierten Werken eher wissenschaftlich ausgerichteten Themen wie Ur- und Frühgeschichte, Geologie und Erdgeschichte, Ortsnamenkunde sowie Dokumentationsteil, Literatur- und Quellenverzeichnis. Geschichte hat in den Brandstetter-Werken einen deutlich geringeren Stellenwert und wird eher literarisch-sagenhaft oder anekdotisch abgehandelt. Letztlich liegt der wesentliche Unterschied zu den lokalen Heimatbüchern in der Funktion der Werke: Die Brandstetter-Heimatbücher sollten eben keine lokale oder regionale Identifikation schaffen, sondern eine nationale Identität stärken.

4.2.3  Heimatbücher nach 1945 Heimatbücher in der Bundesrepublik Heimatkunde wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik überwiegend von Laien weitergeführt, in der Schule dagegen als volkstümliche Bildung wieder aufgenommen. An ihren Stellenwert als ganzheitliches Bildungsideal konnte sie dabei ebensowenig wieder anschließen wie an ihren hohen Professionalisierungsgrad.73 Als Anlaß zur Veröffentlichung eines Heimatbuchs dienten nun sehr viel häufiger als vor 1945 Orts- und Gründungsjubiläen, zu denen Gemeinden oder Kreise ein Heimatbuch erstellen ließen und lassen. Demzufolge verlagerte sich die Funktion der Heimatbücher stärker hin zum „Ortslob“74, zum Repräsentations- und Prestigeobjekt.75 Während Heimatbücher in der Zwischenkriegszeit meist von der Lehrerschaft initiiert und koordiniert wurden, ging diese Funktion nach 1945 mehrheitlich auf die Kom72 Hermann Wille: Heimatschutz und Heimatpflege. Mit einem Geleitwort des „Deutschen Bundes Heimatschutz“, Berlin-Lichterfelde: Bermühler o.J. [1928], S. 105f. 73 Mitzlaff: Heimatkunde, Kap. 19.3.1, S. 1108–1117. 74 Mitzlaff ebd., S. 626, bemerkt schon bei der Modellheimatkunde von Stieglitz (Stieglitz: Lehrer) diese für das Heimatbuch typische Haltung des „Heimatlob[s] oder Ortspreis[es]“. 75 Gustav Schöck: Das Heimatbuch – Ortschronik und Integrationsmittel. Anmerkungen zum Geschichts- und Gesellschaftsbild der Heimatbücher, in: Irmgard Hampp und Peter Assion (Hg.): Forschungen und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg 1974–1977, Stuttgart: Müller und Gräff 1977, S. 87–94, sowie Wolfgang Pledl: Faltblatt oder Heimatbuch? Publikationen im Rahmen historischer Jubiläen, in: Forum Heimatforschung, Sonderheft (2000), S. 106–119.



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munen über. Dadurch haben die Werke den Status einer offiziellen Selbstdarstellung, mit Wappen auf dem Einband und Geleitworten von Landrat, Oberkreisdirektor, Bürgermeister oder Ortsvorsteher, nicht zuletzt auch entsprechender Finanzierung durch die öffentliche Hand. Damit rückte die Zielsetzung einer wissenschaftlich korrekten und zugleich anschaulichen Darstellung der Gesamtheit lokalen Lebens zugunsten der Selbstdarstellung in den Hintergrund. Auch die Anbindung an die schulische Heimatkunde entfiel größtenteils. Spätestens ab den 1980er Jahren wurden die Heimatbücher nicht selten gar von externen Fachleuten und wissenschaftlichen Dienstleistern im Auftrag der Kommune geschrieben. Letztlich steht die Qualität des Heimatbuchs auf diese Weise in Relation zur finanziellen Ausstattung der Kommunen und Kreise: Wer es sich leisten kann, ließ und läßt ein professionelles Heimatbuch vom Experten erstellen, wer dazu nicht in der Lage ist, kann nur auf lokale Laienforscher zurückgreifen. So sind Laien- und „Profi“-Heimatbücher zwei koexistierende Modelle, deren Stärken und Schwächen Wolfgang Sannwald prägnant herausgearbeitet hat.76 Vielleicht auch weil die externen Spezialisten vielfach aus dem Bereich der (geschichtswissenschaftlichen) Landeskunde kommen, verlagerte sich der inhaltliche Schwerpunkt deutlich zu historischen Themen hin und vom klassischen Themenkanon der Heimatkunde, wie Natur und Landschaft oder Volkskunde, weg. Wichtiger wurden dagegen der Selbstdarstellung dienende Themen wie die lokale Wirtschaft, wichtige Persönlichkeiten und das örtliche Gemeinwesen (Schulen, Sport, Vereine, Soziales etc.). Mit dem Heimatbuch vom externen Dienstleister veränderte sich jedoch der Charakter der Werke, die nun nicht mehr von lokalen Akteuren für ein lokales Publikum, sondern vom für diesen Zweck beauftragten Fachmann verfaßt wurden und werden.77

Heimatbücher in der DDR In der DDR begann die Publikation von Heimatbüchern bald nach der Republikgründung, im Unterschied zur Bundesrepublik ausschließlich getragen von offiziellen Institutionen. Herausgeber war der Rat des Kreises, Bezirks oder Ortes, inhaltlich Verantwortlicher meist der Kulturbund, der Dachverband des DDR-Vereinslebens außerhalb des Sports.78 Unter seiner Ägide sammelten sich als Natur- und Heimatfreunde Teile der Heimatkundebewegung der Zwischenkriegszeit.79 Der Rostocker Verlag Hinstorff setzte seine schon in der Kriegszeit begonnene Heimatbuchreihe

76 Wolfgang Sannwald: Erinnerungskultur vor Ort. Heimatbuch – Landesgeschichte – Wissenschaft, in: Beer: Heimatbuch, S. 233–253, sowie Köhle-Hezinger: Heimatbuch. 77 Andreas Schmauder: Ortsgeschichtliche Forschung in Südwestdeutschland. Das Beispiel „Gemeinde im Wandel“, in: Beer: Heimatbuch, S. 165–175. 78 Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, seit 1958 Deutscher Kulturbund, ab 1974 Kulturbund der DDR, Magdalena Heider und Kerstin Thöns (Hg.): SED und Intellektuelle in der DDR der fünfziger Jahre. Kulturbund-Protokolle, Köln: Wissenschaft und Politik (Edition Deutschland Archiv) 1990. 79 Ebd., S. 109, Hg.-Anm. 30.

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der Ostseeregion fort.80 Die Publikationszahlen der 1950er Jahre waren in der DDR schon fast wieder auf Vorkriegsniveau, mit professionell gestalteten, repräsentativen Werken, die sich im Vergleich mit bundesdeutschen Werken durchaus sehen lassen konnten. Durch die zumindest partielle Weiterführung der Heimatkundebewegung der Zwischenkriegszeit unter dem Dach des Kulturbundes blieb auch die Kontinuität zur wissenschaftlich orientierten Heimatkunde erhalten, was man an der hohen Qualität und dem – mit deutlichen Zugeständnissen an die kulturpolitische Linie – ganz klassischen inhaltlichen Aufbau der Werke ablesen kann. Um 1957/58 änderte sich jedoch die offizielle DDR-Kulturpolitik in Bezug auf Heimatkunde und HeimatBegriff grundlegend, mit der Folge, daß ab 1960 bis zum Ende der DDR kaum noch Werke mit dem Titel „Heimatbuch“ erschienen, ja der Begriff selbst offenbar als einer „reaktionär-bürgerlichen“ Heimatkundetradition zugehörig identifiziert und nicht mehr geduldet wurde. Dieser Wandel bezog sich zum einen auf das, was unter „Heimat“ zu verstehen sei: Heimat, so nun der offizielle und einzig tolerierte Standpunkt, sei die „sozialistische Heimat DDR“. Damit war ein engerer Heimatbegriff, der sich auf kleinere Räume bezog, problematisch geworden. Hinzu trat ein neues Ziel der 1955/56 eingeführten schulischen Heimatkunde, die nach der Gründung der NVA und des Warschauer Paktes nicht nur die Vermittlung von Heimatgefühlen für die DDR, sondern die Bereitschaft der Jugend fördern sollte, ihr Land mit der Waffe in der Hand zu verteidigen: „Diese Heimatkunde in der deutschen demokratischen Schule hat einen anderen, neuen Charakter im Vergleich zur Heimatkunde der alten kapitalistischen Schule. [...] Der Begriff ‚Heimat‘ hat in unserer Gesellschaft einen neuen Inhalt bekommen. Er ist gekennzeichnet durch die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse, durch die Herrschaft der Arbeiter und Bauern in unserem Staate [...]. Im Mittelpunkt steht der Mensch, [...] der durch seine Arbeit die Heimat, die in der Deutschen Demokratischen Republik zur wirklichen Heimat der Werktätigen geworden ist, ständig schöner gestaltet. Die Jugend wird zu wahrer Heimatliebe erzogen, die ihren höchsten Ausdruck in der Bereitschaft findet, die Deutsche Demokratische Republik zu verteidigen.“81

Zudem gerieten die Heimatfreunde unter massiven Ideologieverdacht, da man feststellte, daß sie durch hohe Mitgliederzahlen den Kulturbund dominierten, aber kaum SED-Mitglieder in ihren Reihen hatten und sich teils demonstrativ der Parteiarbeit entzogen. Das machte sie zum verdächtigen „reaktionär-kleinbürgerlichen“ Verein, Tendenzen also, denen die DDR-Kulturpolitik auf schärfste entgegentreten mußte. So wurde 1958 beschlossen, den Kulturbund stärker zu reglementieren und insbesondere 80 Fischland 1949, Hiddensee 1951, Rügen 1953, Usedom 1953, Darß 1956, Poel 1957 (zuerst Rostock ca. 1940), sowie diverse Auflagen der genannten Werke. Der heute noch bestehende Hinstorff-Verlag hat die meisten dieser Werke immer noch oder wieder, zum Teil in Neubearbeitungen, im Verlagsprogramm. 81 Aus der Anweisung zur Einführung des Faches Heimatkunde in der deutschen demokratischen Schule vom 30. Juni 1955, in: Hans J. Markowitsch: Die Heimat im Geschichtsunterricht: Materialien zur Verwirklichung des heimatkundlichen Prinzips im Geschichtsunterricht, Berlin: Volk und Wissen 1957, S. 136f., hier S. 137. Henning Steinführer habe ich herzlich für Literaturhinweise zur Heimatkunde in der DDR zu danken.



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die Natur- und Heimatfreunde durch vermehrte Einschleusung von Parteimitgliedern unter Kontrolle zu bringen.82 Damit scheint auch das Ende des Heimatbuchs in der DDR einhergegangen zu sein (Abb. 7).    

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Abb. 7  Heimatbücher für das Gebiet der DDR

Das politisch verordnete Ende des Heimatbuchs an konkreten Dokumenten nachzuweisen, liegt hier außerhalb des Möglichen. Es ist jedoch festzustellen, daß auch nach dem Mauerbau noch vereinzelt Werke erschienen, die in Aufbau und Intentionen dem idealtypischen Heimatbuch entsprachen, den Begriff aber nicht mehr im Titel führten.83 Der Hinstorff-Verlag ließ einige seiner populären Ostsee-Heimatbücher neu bearbeiten, tilgte jedoch den Begriff „Heimatbuch“.84 Solche „getarnten“ Heimatbücher blieben Ausnahmen, auf breiter Basis wäre diese Strategie kaum toleriert worden. Ende der 1970er Jahre wandte sich die DDR-Kulturpolitik unter Erich Honecker dann doch wieder den Regionen zu, die sie 1958 zugunsten der „Heimat DDR“ aus dem Programm gestrichen hatte. 1979 wurde im Kulturbund eine Gesellschaft für Heimatgeschichte gegründet,85 doch achtete die kulturpolitische Führung streng darauf, durch organisatorische Trennung von Geistes- und Naturwissenschaft eine Konzentration „bürgerlicher“ Kräfte zu verhindern.86 So wurde neben der Gesellschaft für Heimatgeschichte ein Jahr später die Gesellschaft für Natur und Umwelt gegründet, unter de82 Tagung der Parteigruppe [der SED] des Präsidialrates [des Kulturbundes der DDR] am 9. September 1957, Stenographisches Protokoll, in: SED und Intellektuelle, S. 67–111. Diese Tagung diente der Vorbereitung des V. Bundestages, hier wurden die Konzepte ausgearbeitet, die auf dem Bundestag beschlossen wurden. 83 So der Fall bei: Der Heimatraum von Bitterfeld. Ein Handbuch zum Kennenlernen und Erwandern dieses Gebietes für unsere Schulen und für interessierte Heimatfreunde. Eine Kollektivarbeit zahlreicher Lehrer unter Leitung von Reinhard Kohlmann, Bitterfeld: Pädagogisches Kreiskabinett 1964. 84 Zum Beispiel Käthe Miethe: Hiddensee. [Mit] Aufnahmen von Gerhard Vetter, Rostock: VEB Hinstorff 1962; Hermann Heinz Wille: Die Insel Usedom. Neubearb., Rostock: VEB Hinstorff 1962. 85 S.v. „Heimatgeschichte“, in: DDR-Handbuch, unter Leitung von Hartmut Zimmermann und Mitarbeit von Horst Ulrich und Michael Fehlauer hg. vom Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen. 2 Bde. 3., überarb. u. erw. Aufl. Bd. 1: A–L, Köln: Wissenschaft und Politik 1985, S. 598. 86 Helmut Meier und Herbert Mayer (Hg.): Forscher- und Diskussionskreis DDR-Geschichte: Der Kulturbund im politischen System der DDR in den siebziger Jahren, Berlin: Helle Panke 2000 (Hefte zur DDR-Geschichte; 62), S. 46.

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ren Dach sich so klassische Bereiche der alten Heimatkunde versammelten wie Landeskultur und Naturschutz, Ornithologie und Vogelschutz, nicht zuletzt das Wandern. Diese Trennung machte eine Wiederaufnahme des alten ganzheitlichen Paradigmas der Heimatkunde unmöglich. Erst nach dem Ende der DDR konnte die Publikation von regionalkundlichen Werken mit dem Titel „Heimatbuch“ in diesem Raum wieder einsetzen.

5 .   D i e H e imatbücher der deutschen Vertriebenen 5.1  Neuanfang nach 1945 Sobald die Bundesrepublik gegründet war, erschienen erste Werke über Orte, die ihre deutschen Bewohner in der Folge des Krieges verlassen mußten und die später als „alte“ Heimat bezeichnet werden sollten. Diese Bücher wurden, genau wie die zuvor entstandenen, „Heimatbücher“ genannt, und doch waren sie keine ganz normalen Heimatbücher mehr, sondern Vertriebenenheimatbücher.1 Ein Vertriebenenheimatbuch soll hier als Arbeitshypothese definiert werden als eine von ehemaligen Einwohnern eines Dorfes, Ortes oder Kreises meist als Gemeinschaftsarbeit verfaßte Monographie über die verlorene Heimat. Solche Heimatbücher schrieben sowohl die „Reichsdeutschen“ aus Schlesien, Ostpreußen, Ostbrandenburg und Ostpommern, die deutschsprachige Bevölkerung aus Danzig, dem historischen Westpreußen und dem Posener Land als auch die ehemaligen Auslandsdeutschen aus Südosteuropa und Polen sowie die Deutschen aus der Tschechoslowakei. Bis heute erschienen in der Bundesrepublik und Österreich über 500 solcher Publikationen mit dem Titel „Heimatbuch“, sie machen etwa ein Fünftel der deutschsprachigen Heimatbuchproduktion nach 1945 aus.2 Vor dem Zweiten Weltkrieg war das wesentliche Merkmal der Heimatbücher innerhalb der Heimatliteratur die Ganzheitlichkeit der Darstellung. In ihnen sollte quasi das gesamte Leben der porträtierten Gemeinde, Stadt oder Landschaft erfaßt werden. Bei den Vertriebenen erhielt dies angesichts des Verlusts der Heimat eine geradezu existentielle Bedeutung. Auch wenn nur wenige Werke sich explizit auf ihre Vorläufer aus der Zwischenkriegszeit bezogen, beispielsweise indem sie das Vertriebenenwerk als zweite oder dritte Auflage des Vorkriegswerkes bezeichneten, so ist doch schlechterdings undenkbar, daß ohne das bereits etablierte Heimatbuchschema so kurz nach der Vertreibung schon Begriff und Form für die Erinnerung an die verlorene Heimat im Buch gefunden worden wären.

Referenzregionen und Herkunftsproporz Die Vertriebenen gibt es nicht, auch wenn der 1958 gegründete Bund der Vertriebenen3 (BdV) als politische Dachorganisation eine gewisse Homogenität sugge-

1 Die ersten nachweisbaren Vertriebenenheimatbücher sind Schwerin/W. 1949 [OBR] und Iglau 1949 [SUD]. 2 Zur bibliographischen Erfassung Kapitel 2. 3 Vorläufer waren als Dachverband der Interessengemeinschaften der 1949 gegründete Zentralverband vertriebener Deutscher, ab 1954 Bund vertriebener Deutscher, als Dachverband der Landsmannschaften die 1949 gegründeten Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften, seit 1952 Verband der Landsmannschaften; Hermann Weiß: Die Organisation der Vertriebenen und ihre Presse, in: Wolfgang Benz

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Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

riert.4 Was seit 1953 durch das Bundesvertriebenengesetz rechtlich als „Vertriebene(r)“ definiert wird, umfaßt neben der zahlenmäßig größten Gruppe der „Reichsdeutschen“ aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße sowohl Nachkommen deutschsprachiger Kolonisten von der Batschka bis nach Bessarabien als auch Deutsche aus Polen, aber auch die sogenannten Sudetendeutschen aus Böhmen und Mähren – nach den Bestimmungen des Gesetzes sogar die im Westen geborenen Kinder all dieser Gruppen. Die Bandbreite der Erfahrungen umspannt ein extrem weites Spektrum von Umsiedlung „heim ins Reich“ als Folge des Hitler-Stalin-Pakts über Flucht vor der Roten Armee bei Kriegsende bis hin zum Leben im Internierungslager und kollektiver Abschiebung und Vertreibung nach Kriegsende, in einigen Regionen Polens und Rumäniens auch den Verbleib in der nach 1945 sozialistisch gewordenen Heimat und den nicht immer freiwilligen, aber wenigstens nicht gewaltsamen Heimatverlust erst als Spätaussiedler. Laut Statistiken stammten 1950 56,8 Prozent der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße („Reichsdeutsche“), davon mit über zwei Millionen die größte Gruppe aus Schlesien. Die Deutschen aus der Tschechoslowakei (Sudeten- und Karpatendeutsche) stellten mit 1,9 Millionen immerhin 24,6 Prozent der Vertriebenen, während die Deutschen aus Ungarn, Rumänien und Jugoslawien (Südosteuropadeutsche) mit 470.000 Personen lediglich 6,1 Prozent ausmachten.5 Ganz anders das Bild, wenn man sich die Referenzregionen aller nach 1945 erschienenen Heimatbücher von Vertriebenen anschaut: Hier stellen die Sudetendeutschen und die Deutschen aus Südosteuropa einen ganz überproportional großen Anteil (Abb. 8). Die Frage, wieso diese beiden Gruppen so überproportional stark vertreten sind, ist nicht leicht zu beantworten. Selbst wenn man berücksichtigt, daß ein großer Teil der Südosteuropadeutschen erst nach 1950 ihr Herkunftsland verlassen mußte oder konnte, reicht dies als Erklärungsansatz kaum. Eine mögliche Erklärung könnte die Siedlungsstruktur der Regionen sein. Ein Heimatbuch kann einen historischen Landstrich (geographische Einheit ohne Verwaltungsbedeutung), einen Land- oder Stadtkreis respektive Bezirk (Verwaltungseinheit) oder einen Ort zum Gegenstand haben. An diesen Referenzräumen der Heimatbücher ist ablesbar, welche räumlichen Einhei(Hg.): Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen, Frankfurt/M.: Fischer Taschenbuch 1985, S. 193–208. 4 Zu den massiven Schwierigkeiten, diese ganz unterschiedlichen Gruppen und Interessen unter einem Dach zu vereinen Stickler: „Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch“, Kap. I, S. 33–97. 5 Nach Gerhard Reichling: Die deutschen Vertriebenen in Zahlen. Teil 1: Umsiedler, Verschleppte, Vertriebene, Aussiedler 1940–1985, Bonn: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen 1986, Tabelle 11, S. 59 und Tabelle 12, S. 61. Das Verhältnis der Herkunftsregionen ändert sich auch bei den Daten für 1982 nicht wesentlich. Die von mir ebenfalls unter den Sammelbegriff „Südosteuropadeutsche“ gerechneten Bessarabiendeutschen sind in der Bundesrepublik zahlenmäßig schlecht erfaßbar, da sie zum einen mehrfach gezwungenermaßen den Wohnort wechselten (Umsiedlung als Bestandteil des Hitler-Stalin-Paktes, dann Ansiedlung im Reichsgebiet oder im besetzten polnischen Territorium, aus dem sie bei Einrücken der sowjetischen Truppen wiederum vertrieben wurden), zum anderen in der Nachkriegsstatistik als „Deutsche aus der Sowjetunion“ von den Rußlanddeutschen nicht unterschieden werden. Über ihren Anteil an den Vertriebenen in der Bundesrepublik können daher keine verläßlichen Angaben gemacht werden.



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Neuanfang nach 1945

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Abb. 8  Referenzregionen der Vertriebenenheimatbücher

ten einer Region als Identifikationsräume fungieren. Eine Region mit vielen Dörfern und Kleinstädten und wenigen oder gar keinen Großstädten wird also vermutlich bei vergleichbarer Bevölkerungsgröße mehr Heimatbücher hervorbringen als eine Region mit größeren Städten. In der Tat behandeln die sudetendeutschen Heimatbücher zu rund 72 Prozent, die der Südosteuropadeutschen sogar zu rund 91 Prozent einzelne Ortschaften, während dieser Anteil bei anderen Vertriebenengruppen von gar keinen (Ostpreußen, hier vor allem Kreis-Heimatbücher) bis zu knapp 45 Prozent Ortsheimatbüchern (Schlesien) rangiert – ein Befund, der den Erklärungsansatz der spezifischen Siedlungsstruktur stützt.6 Doch ist fraglich, ob dies allein die proportionale Ungleichverteilung der Referenzregionen erklären kann. Wieso gibt es Heimatbücher über kleinste deutschböhmische Dörfer, aber beispielsweise kein einziges über ostpreußische Dörfer vergleichbarer Größe? Wahrscheinlich ist, daß in den extrem stark vertretenen Regionen größere Verwaltungseinheiten offenbar kein Identifikationspotential boten – bei seit dem Ende des Habsburgerreiches immer wieder wechselnden Herrschafts- und Verwaltungsverhältnissen blieb in beiden überrepräsentierten Regionen allein der einzelne Ort die konstante Größe, die Bindungskraft entwickeln konnte. Hinzu kommt, daß in gemischtsprachigen Gebieten eine nationale Gruppe vor allem Bezug zu gleichnationalen Sied-

6 Zur Siedlungsstruktur deutsch-böhmischer und deutsch-mährischer Ortschaften Ferdinand Seibt: Deutschland und die Tschechen. Geschichte einer Nachbarschaft in der Mitte Europas, vollst. überarb. Neuausgabe, München: Piper 1993, S. 240–243.

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Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

lungen herstellen und sich mit diesen als Einheit betrachten wird.7 Dementsprechend wird, wenn die übergeordnete Gebietsgröße auch andersnationale Orte umfaßt, lediglich der Ort als Bezugseinheit fungieren, wie dies offenbar im deutschen Sprachgebiet in der Tschechoslowakei und in Südosteuropa der Fall gewesen ist.

Konjunkturen und Charakteristika Schon 1950 erschienen auf einen Schlag zehn Vertriebenen- und damit immerhin so viele Heimatbücher wie für diese Regionen zuletzt 1930, dem letzten großen Jahr der Heimatbuchwelle der Zwischenkriegszeit. Vermutlich waren die Vorbereitungen zur Publikation schon weit gediehen, und die Gründung der Bundesrepublik, die finanziell und ideell die Vertriebenen unterstützte, wirkte nur als Startschuß. Zumindest quantitativ schien der Anschluß an die durch Weltwirtschaftskrise, Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg unterbrochene Tradition damit gegeben. Mit dem Wirtschaftswunder konnten die einzelnen Werke auch quantitativ zur Vorkriegszeit aufschließen. In der frühen Bundesrepublik hatte kaum ein Werk mehr als 150 Seiten, den Zeitumständen entsprechend häufig in schlechter Papierqualität. Etwa ab Mitte der 1950er Jahre wurden die Werke umfangreicher, die Einbände hochwertiger und die Abbildungen zahlreicher; in den 1970er Jahren hatte schließlich ein Werk selten weniger als 150 Seiten.  

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Abb. 9  Heimatbücher Ost und West: alle Ausgaben

7 Ähnliches bringt das Sprachinselkonzept zum Ausdruck, das jedoch wegen seiner Herkunft aus der Siedlungsforschung heute kaum noch Verwendung findet; Walter Kuhn: Deutsche Sprachinsel-Forschung: Geschichte, Aufgaben, Verfahren, Plauen: Wolff 1934 (Ostdeutsche Forschungen; 2) und kritisch dazu Ingeborg Weber-Kellermann (Hg.): Zur Interethnik: Donauschwaben, Siebenbürger Sachsen und ihre Nachbarn, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1978.



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Abb. 9 zeigt die Publikationszahlen der Heimatbücher der deutschen Ost- und Siedlungsgebiete im Vergleich mit denen der späteren Bundesrepublik. Daran wird deutlich, daß das Heimatbuch der Vertriebenen nach 1945 ganz anderen Konjunkturen als sein bundesdeutsches Pendant unterlag. Seine Publikation setzte später ein, blieb von der Heimatwelle der 1980er Jahre unberührt und hatte ihren Höhepunkt nach Abschluß der Ostverträge, als gleichzeitig das bundesdeutsche Heimatbuch massiv einbrach. Dem letzten Hoch nach der Wiedervereinigung folgte ein bis heute anhaltender Abschwung. Während für das Bundesgebiet die Spitzenwerte aus der Zwischenkriegszeit nie wieder erreicht wurden, erschienen nach 1945 durchschnittlich mehr Vertriebenenheimatbücher, als zuvor reguläre Werke über diese Regionen geschrieben worden waren. Erst als verlorene Heimat, so könnte man sagen, fanden diese Landschaften wirklich ihren Weg ins Heimatbuch.  

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Abb. 10  Heimatbücher nach Referenzregionen

Aufgeschlüsselt nach Referenzregionen ergibt sich ein ebenso interessantes Bild (Abb. 10). Die Werke über Schlesien, Ostpommern, Ostbrandenburg und Ostpreußen ähneln in der Entwicklung ihrer Publikationszahlen eher denen des späteren Bundesgebiets. Dagegen nahmen sowohl Werke der späteren Sudetendeutschen als auch die über Landschaften in Südosteuropa ihren bemerkenswerten Aufschwung erst in den 1960er Jahren und überrundeten danach die „reichsdeutschen“ deutlich. Dies läßt sich teilweise durch die Hochkonjunktur der Heimatkunde der Weimarer Zeit erklären, die die auslandsdeutschen Regionen weniger stark erfaßte, wohingegen die Ostgebiete selbstverständlich an ihr teilhatten. Doch ebenso scheint die deutsche Siedlungsstruktur in diesen historischen Landschaften und bei den Deutschen aus Südosteuropa der Heimatverlust erst als Spätaussiedler eine Rolle zu spielen. Bereinigt um Nachdrucke

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Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

und Neuauflagen stellt sich das Bild noch etwas anders dar (Abb. 11). Deutlich sieht man, daß der scheinbare Aufwärtstrend nach der Wiedervereinigung mit Ausnahme der Deutschen aus Südosteuropa nicht mehr aus neu erstellten Werken, sondern nur aus Neuauflagen und Nachdrucken bestand. Der Zenit des Vertriebenenheimatbuchs lag also, zumindest für Regionen östlich von Oder und Neiße und die böhmischen Länder, spätestens in den 1970er Jahren.   

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Abb. 11  Heimatbücher nach Referenzregionen, nur Erstausgaben

Je nach Landsmannschaft bildeten sich durchaus verschiedene Formen der Bearbeitung der Erinnerung an die verlorene Heimat aus, und für Sudetendeutsche und Südosteuropadeutsche war das Heimatbuch dabei augenscheinlich ein zentrales Medium. Doch nicht für alle historischen Landschaften, die ihre deutschen Bewohner nach Kriegsende verlassen mußten, bürgerte sich das Heimatbuch als Publikationsform zur Erinnerung an die verlorene Heimat ein. Es gibt auch Vertriebenengruppen ohne Heimatbücher, zumindest ohne solche, die diesen Begriff im Titel tragen, so die Baltendeutschen, die nur vor dem Ersten Weltkrieg Heimatbücher schrieben,8 die Wolhyniendeutschen, die Gotscheer Deutschen oder die Rußlanddeutschen. Für diese Regionen existieren mit Sicherheit andere Formen der Erinnerungsliteratur, die aber nicht Gegenstand dieser Arbeit sind.9

8 Baltikum 1.1908.1, Baltikum 1.1909.2, Reval 1910, Baltikum 2.1912. Nachdrucke davon nach 1945 sind Baltikum ND 1.1972, Baltikum ND 2.1973, Reval ND 1968. 9 Hier kann neben Kessler: Heimatbücher nur auf die einschlägigen Regionalbibliographien verwiesen werden.



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Die Orte, über die Heimatbücher geschrieben wurden, könnten häufig kaum kleiner sein. Obwohl für die ehemaligen Ostgebiete vielfach die ehemaligen Kreise als Bezugsregion der Heimatbücher dienen, überwiegt insgesamt der einzelne Ort als Referenzraum, darunter etliche Gemeinden mit Vorkriegszahlen von unter 1000, gelegentlich sogar unter 500 Einwohnern. Heimatbücher über Großstädte wie beispielsweise Breslau gibt es dagegen nicht. Städte mit über 500.000 Einwohnern scheinen generell eine zu große Einheit, um eine relativ geschlossene Gemeinschaft zu binden, die ein solches Buch schreiben würde. Auch zu bundesdeutschen Großstädten gibt es in der Regel keine Heimatbücher, stattdessen solche zu einzelnen Stadtteilen, die bei Vertriebenenwerken eher selten sind.10 Als Gedächtnisliteratur für Großstädte fungierten mutmaßlich andere Schriftenklassen wie Chroniken, Bildbände oder Lexika, die jedoch meist nicht als Gemeinschaftsarbeiten ehemaliger Einwohner entstanden.11 Die Abfassung in Kollektivarbeit ist in der Tat ein wesentliches Merkmal der Vertriebenenheimatbücher. Wenn auch meist ein Bearbeiter oder Herausgeber namentlich hervorgehoben wurde, vielleicht nur bibliographischen Gepflogenheiten geschuldet, so war doch im Normalfall eine Gruppe von ehemaligen Einwohnern gemeinsam für das Buch verantwortlich. Heimatbücher von Einzelautoren sind zwar nachweisbar, stellen jedoch die Ausnahme dar. Der sich in der Regel über mehrere Jahre erstreckende Prozeß der gemeinsamen Erarbeitung wird in zahlreichen Werken beschrieben und verlief meist nach ähnlichem Muster. Die Genese des Heimatbuchs wird dabei oft als Hürdenlauf und Geschichte eines erst nach langen Mühen und harter Arbeit errungenen Erfolgs geschildert, auf jeden Fall nicht als Angelegenheit, die man nebenbei erledigen konnte, sondern eher als Lebensaufgabe.12 Am Anfang steht meist der gemeinschaftlich gefaßte Beschluß einer Heimatortsgemeinschaft, ein Heimatbuch zu schreiben. Vielfach geschieht dies auf Initiative von Einzelpersonen, die vielleicht schon seit Jahren hierfür Material gesammelt haben und im weiteren Verlauf als Spiritus rector wirken. In anderen Fällen beauftragt die Gruppe ein oder mehrere Mitglieder mit der Erstellung des Buches, oft wird sogar ein Ausschuß oder Arbeitskreis eingesetzt. In einschlägigen Presseorganen wie Heimatkreiszeitschriften wird zur Mitarbeit und Sammlung von Fakten, Fotografien und Erinnerungen aufgerufen sowie häufig Wissensträger aus dem Ort, manchmal auch Fachleute der historischen Landeskunde der Region gezielt angesprochen. Nicht selten klagen die verantwortlichen Herausgeber dabei übrigens über den schlechten Rücklauf von Seiten der Landsleute. Autoren und Herausgeber der Werke sind meist gebildete Laien wie Lehrer, Geistliche oder auch sonstige Studierte, beispielsweise Ingenieure oder Ärzte, sowie für bestimmte Herkunftsregionen zu einem erheblichen 10 Die wenigen Großstadtheimatbücher von Vertriebenen bestehen bezeichnenderweise fast nur aus Vorkriegstexten, wie Lodz 1967 [PL\Lodz] oder Posen 1977 [PL\Posen]. Stadtteilheimatbücher beziehen sich in der Regel auf eingemeindete Vororte, so Rosch 2001.5 [UA\Buk.], ein Vorort und heute Teil von Czernowitz, und Stettin-Stolzenhagen 1986 [OPOM], 1939 nach Stettin eingemeindet. 11 Beispiele solcher Literatur für die Großstadt Breslau bei Kessler: Heimatbücher, S. 106f. 12 So in Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 9f.: „Wie dieses Buch entstand“.

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Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

Teil ehemalige Verwaltungsangehörige. Beitragende werden aber oft auch einfach diejenigen, die zu einem bestimmten Thema etwas Wissenswertes beizusteuern hatten, denn mit fortschreitender Zeit schwand auch die Zahl der Überlieferungsträger. In zahlreichen Treffen legt die gegründete Arbeitsgruppe die Inhalte fest und kümmert sich um die Bearbeitung bisher nicht abgedeckter, jedoch für wichtig erachteter Themenbereiche, recherchiert in Archiven und Bibliotheken, stellt das vorhandene Material zusammen und bereitet es für das Heimatbuch nach eigenen Kriterien auf. Nicht zuletzt gilt es, die Finanzierung und technische Umsetzung (Layout, Drucklegung, Auflage, Aufbereitung der Abbildungen) des Werkes zu klären. Finanziert werden Heimatbücher meist durch Spenden und Vorbestellungen der Gemeinschaften, oft in Form von Pränumeration13: Die Interessenten bezahlen die Werke im voraus, von diesen Beträgen werden die Druck- und sonstigen Kosten bestritten. In vielen Werken sind namentliche Listen von Spendern enthalten. Finanzbeihilfen kommen zum Teil auch von Landsmannschaften oder westdeutschen Patengemeinden, letzteres aber kaum noch nach 1990. Das Layout der Werke reicht von einfacher Klebecollage und hektographierten Schreibmaschinenskripten bis zum professionellen Satz auf teurem Papier in hochwertiger Drucktechnik. Vor allem seit dem Einzug des PCs in den 1980er und 1990er Jahren übernehmen die Autoren und Herausgeber die Buchgestaltung von der ersten Idee bis zur Drucklegung vollständig selbst. 

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Abb. 12  Heimatbücher im Selbstverlag

Charakteristisch für Vertriebenenheimatbücher ist analog zur Eigengestaltung ihre Existenz abseits des regulären Buchmarkts. Viele Werke erschienen in kleinen Auflagen von wenigen hundert Stück nur im Selbstverlag, von 1945 bis heute mit steigender Tendenz insgesamt knapp die Hälfte, seit den 1970er Jahren sogar überwiegend (Abb. 12). Weil viele Werke als Graue Literatur oft nur an die Mitglieder der Heimatorts- oder Kreisgemeinschaft abgegeben wurden, sind sie in Bibliotheken schlecht

13 Dazu auch Kessler: Heimatbücher, S. 15.



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repräsentiert. Bis heute gibt es keine Institution, in der Heimatbücher aller Vertreibungsgebiete zentral gesammelt würden.14 Heimatbücher waren für die Heimatortsgemeinschaften, die Gruppe von Vertriebenen aus einem Ort, auch ein bedeutsames Prestigeobjekt. „Es sind in den letzten 15 Jahren zahlreiche Heimatbücher erschienen“, so ein donauschwäbisches Werk. „Jede deutsche Gemeinde [...], die etwas auf sich hielt, bemühte sich um eine solche Selbstdarstellung.“15 In die gleiche Richtung deutet das Phänomen, daß oft wenige Jahre nach Erscheinen eines Werkes die Nachbargemeinde ebenfalls ein Buch veröffentlichte.16 Der Ansporn, es dem Nachbarn gleichzutun, war so auch Motivation zum Abfassen eines Heimatbuchs. Auch Umfang und Ausstattung der Werke waren wichtige Prestigefragen. Man könnte sagen, je gediegener, je professioneller und dicker, d.h. je mehr Geld für das Heimatbuch aufgetrieben und Arbeit investiert werden konnte, desto höher der Status der betreffenden Gemeinde oder Kleinstadt im Kreis ihrer ehemaligen Nachbarn.

Neuausrichtung nach der Vertreibung Die Heimatbücher nach der Vertreibung konnten vor allem für Böhmen und Mähren und die ehemaligen Ostgebiete auf eine reiche Heimatkundetradition und zahlreiche gut ausgestattete und anspruchsvolle Werke der Zwischenkriegszeit aufbauen. Dennoch stand die Heimatpublizistik nach 1945 unter einem neuen Vorzeichen, eben dem Verlust der im Heimatbuch dargestellten Heimat. Dementsprechend wandelten sich Funktion und Bedeutung der Bücher grundlegend, wie in Kapitel 5.2 deutlich gemacht werden soll. Während noch in den 1920er und 1930er Jahren dieselben Regionen Heimatbücher als Ausdruck eines vitalen lokalen Lebens publizierten, wurden nach der Vertreibung die von den verstreuten ehemaligen Einwohnern oft unter großen Mühen erstellten Werke, abgeschnitten von Quellen und oft auch Literatur, zu Gedenkbüchern einer in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr existenten lokalen Gesellschaft. Die Heimatbücher der Vorkriegszeit waren, wenn man so sagen will, Festschriften zu Lebzeiten, während die Vertriebenenheimatbücher einem Nachruf gleichen. Dabei halfen die Bücher den Vertriebenen auch, nach dem Verlust der Heimat und ihrer sozialen Gefüge einen Zusammenhalt in der Fremde, in der sich erst anzueignenden neuen Heimat, herzustellen und aufrechtzuerhalten. Von den Autoren selbst werden die Werke als „Zeugnis“ und „Vermächtnis“ bezeichnet: Sie sollten sowohl über das vergangene Leben in der alten Heimat Auskunft geben und Rechenschaft ablegen 14  Zu dieser Problematik eingehender ebd., S. 14–16, Bibliotheken mit Heimatbuchbeständen ebd., S. 27f. 15 Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 9. 16 Jakobsfelde 1969 [S-O/S] und Waissak 1973 [S-O/S] sind direkte Nachbarn, ebenso Linde 1993 [SN/S] und Gerlachsheim 1994 [S-N/S] (beide vom selben Autor). Für die Region Südosteuropa ist dies noch sehr viel häufiger der Fall, die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

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als auch Wissen und Erfahrungen der Erlebnisgeneration für die Nachkommen und, idealerweise, für die gesamte bundesdeutsche Gesellschaft bewahren. Auch die Inhalte der Bücher wandelten sich, wie wir in Kapitel 6.1 sehen werden, im Vergleich zur Vorkriegszeit merklich. Nach dem Heimatverlust verschob sich sowohl ihre thematische Schwerpunktsetzung als auch die inhaltliche Ausrichtung. Andere Themen traten in den Vordergrund, neue Deutungen und Sichtweisen hielten Einzug, während manche schon vor 1945 virulenten Topoi aktualisiert oder wieder aufgenommen wurden. Mit der Vertreibung fiel der Bezug zu einer regionalwissenschaftlichen Heimatkunde vor Ort weg. Als Ersatz sollte die unter speziellen, vor allem politischen, Vorzeichen betriebene Ostkunde fungieren. Viel stärker als dies jemals zuvor beim Heimatbuch der Fall gewesen war, wirkte damit eine bestimmte politische Richtung, meist die deutschlandpolitische Linie der Vertriebenenverbände, in die Werke hinein. Die Ostkunde konnte aber allein deswegen keine Ersatzheimatkunde sein, weil sie ganze Großregionen und nicht die engere Heimat behandelte17 und zudem vor allem den unkundigen Westdeutschen aus politischen Überlegungen Grundlegendes über den „Deutschen Osten“ beibringen sollte.18 Die Ostforschung, die die Landeskunde der verlorenen Gebiete auf wissenschaftlicher Ebene als „historische Landeskunde der Vertreibungsgebiete“ weiterführte, unterlag einer ähnlichen politischen Instrumentalisierung.19 Zwischen den Akteuren der Ostforschung und den Heimatbuchautoren gab es nur sehr vereinzelte Berühungspunkte und kaum inhaltlichen Austausch. Den Autoren der Vertriebenenheimatbücher, die meist Laien waren, ging es in dieser Hinsicht nicht anders als ihren bundesdeutschen Kollegen nach 1945, die von der akademischen Landeskunde vielleicht gerade noch zur Kenntnis, aber meist wissenschaftlich nicht ernstgenommen wurden. Jedenfalls hat die Ostforschung und später auch die aus ihr hervorgehende Ostmitteleuropaforschung Heimatbücher und ihre Produzenten lange links liegen lassen. Nichtsdestotrotz sind die Werke ein Teil der Regionalliteratur der ehemaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete, wenn auch ein sehr spezifischer, der nur mit Bedacht als historiographische Literatur zu nutzen ist. So waren die Heimatort- und Heimatkreisgemeinschaften, in denen sich Einwohner eines Ortes oder Kreises zusammenfanden, bei der Erstellung von Monographien über ihre alte Heimat meist sich selbst überlassen. Entsprechend heterogen fallen die Werke aus: Damit, wieviel Know-how in der Gemeinschaft der Vertriebenen aus einem Ort oder Kreis vorhanden war, stand oder fiel die Qualität der Werke. Der Anschluß an die nach Professionalität strebende Heimatkundetradition der Zwischen17 Kessler: Heimatbücher, S. 12. 18 Rolf Meinhardt: „Deutsche Ostkunde“. Ein Beitrag zur Pädagogik des Kalten Krieges 1945–1968, Oldenburg: M-1-Verlag 1978. 19 Jan M. Piskorski, Jörg Hackmann und Rudolf Jaworski: Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Disziplinen im Vergleich, Osnabrück: fibre 2002; Eduard Mühle: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung, Düsseldorf: Droste 2005 (Schriften des Bundesarchivs; 65).



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kriegszeit ging bei den Vertriebenen meistenteils verloren, sofern keine personelle Kontinuität bestand.20 Je nach Herkunftsregion zeigen sich regionale Eigenarten sowie Unterschiede in Qualität und Machart der Werke, die in Kapitel 6.2 ausführlicher dargestellt werden. Und noch eine weitere wesentliche Veränderung stellte sich mit der Vertreibung ein: Der Schriftenklasse des Vertriebenenheimatbuchs war von Anfang an gewissermaßen ein Verfallsdatum in Form der Lebenszeit der Zeitzeugen eingebaut, denn die Heimatbücher der Vertriebenen sind, wie sich herausstellt, wesentlich an die Autorenschaft der Erlebnisgeneration gebunden. Seit ungefähr 1980 sinken die Publikationszahlen kontinuierlich, seit der Jahrtausendwende erscheinen kaum noch Werke. Auch wenn für einige südosteuropäische Herkunftsregionen, deren Erlebnisgenerationen jünger und noch stärker geschlossen sind, gegenwärtig noch Heimatbücher erscheinen, kann man diese Publikationsform doch im Großen und Ganzen für abgeschlossen erklären. Die Geschichte des Vertriebenenheimatbuchs ist ganz ohne Zweifel eine endliche Geschichte.

5.2  Funktionen der Heimatbücher im Erinnerungsprozeß Man kann die Heimatbücher als Zugang zum besseren Verständnis der Vertriebenen oder als regionalkundliche Literatur zur Geschichte der ehemaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebiete nutzen. Mann kann sie jedoch auch als Medium eines gruppenbezogenen Erinnerungsprozesses und als Mittel der Identitätsstiftung einer Erinnerungsgemeinschaft verstehen. Heimatbücher gehören in den Kontext der Erinnerungskonstruktion und, so die These, erfüllen dort eine ganz spezifische Funktion. „Die soziale Gruppe, die sich als Erinnerungsgemeinschaft konstituiert“, so Jan Assmann im Rückgriff auf Maurice Halbwachs, „bewahrt ihre Vergangenheit vor allem unter zwei Gesichtspunkten auf: der Eigenart und der Dauer.“21 Die Erinnerungsgemeinschaft der Vertriebenen bearbeitete in den Heimatbüchern ihr Gründungsthema: den Verlust und die Erinnerung an ihre alte Heimat, an das Leben vor der Vertreibung. Dabei stehen die zwei von Assmann als Kennzeichen der Erinnerung in der Gemeinschaft benannten Aspekte im Mittelpunkt: die Festschreibung der eigenen Identität, die wesentlich durch die Erfahrung des erzwungenen Heimatverlusts bestimmt wurde, der die Schlesier, die Deutschen in der Tschechoslowakei, die Siebenbürger Sachsen und andere „Landsleute“ erst zu „Vertriebenen“ und Angehörigen von Landsmannschaften machte. Zum anderen aber auch das Bestreben, die Erinnerungsgemeinschaft zu einer dauerhaften Gemeinschaft zu machen, denn deren Bindungskraft und Existenz als Gruppe war bald nach dem Neubeginn im Westen auf mannigfaltige Art gefährdet, ob durch die räumlich verstreuten Wohnorte, den zunehmenden Abstand von 20 Wie beispielsweise bei den Werken zum oberschlesischen Beuthen (Bytom), die der schon erwähnte Spranger-Schüler Alfons Perlick verantwortete: Beuthen 1962 [S-O/S] und Beuthen 1982.2 [S-O/S]. 21 Assmann: Gedächtnis, S. 40.

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den Ereignissen und der alten Heimat, die Heirat mit Einheimischen und die Sozialisation der Kinder in der neuen Heimat, durch soziale und wirtschaftliche Integration und damit Annahme einer Identität als normaler Bundesbürger und anderer Identifikationsangebote, die der Westen zahlreich zu bieten hatte. Obwohl die Bundesrepublik anders als die DDR den Zusammenschluß der Vertriebenen schließlich guthieß und förderte, war deren Erinnerungspflege in der alten BRD doch vor ganz spezifische Probleme gestellt.

5.2.1  Der Erinnerungsrahmen der Bundesrepublik Die Vertriebenen, die nach 1945 ihre Heimat verlassen und an anderer Stelle – im Falle der Heimatbuchschreiber zumeist in der späteren Bundesrepublik – einen Neuanfang wagen mußten, ließen ihre alte Heimat hinter dem sich herabsenkenden Eisernen Vorhang zurück. Im Unterschied zu ihren neuen Nachbarn im Westen war die gewohnte Umgebung, in der sie aufgewachsen waren und oft einen guten Teil ihres erwachsenen Lebens verbracht hatten, auf unabsehbare Zeit nicht mehr zugänglich. Angesichts der politischen Realitäten der Nachkriegszeit war frühzeitig klar, daß die nach der Potsdamer Konferenz festgelegten Westgrenzen Polens und der ČSR nicht mehr revidiert werden würden und eine Rückkehr in die Heimat weitgehend ausgeschlossen war. Mehr noch, die alte Lebensumgebung wurde im unmittelbar einsetzenden Kalten Krieg als Terrain hinter dem Eisernen Vorhang ein problematischer Raum mit starker politischer Aufladung. Wer von Schlesien, Ostpreußen oder gar dem Sudetenland sprach, beschwor damit einen ganzen Komplex von Konnotationen herauf, ungeachtet der Tatsache, daß es ihm oder ihr vielleicht nur um eine wehmütige Rückschau ging. Allein die Benennung dieser Regionen stellte schon eine politische Meinungsäußerung dar. So gab beispielsweise das bundesdeutsche Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen eigene „Karten- und Bezeichnungsrichtlinien“ heraus, die die Weiterverwendung deutscher Bezeichnungen und Sprachregelungen wie die gewundene Floskel der „gegenwärtig unter polnischer Verwaltung stehenden Gebiete“ festlegten.22 In der unmittelbaren Nachkriegszeit waren die Flüchtlingsmassen vor allem eine Belastung für die Aufnahmeregionen und wurden von den Alteingesessenen eher mißtrauisch betrachtet, oft sogar ablehnend behandelt, waren doch die „Rucksackdeutschen“ Konkurrenten um knappe Ressourcen wie Wohnraum, Lebensmittel und Arbeit. Die Frage der Integration der Vertriebenen in die neuentstehende Bundesrepublik wurde daher anfangs vor allem unter dem Aspekt des sozialen Friedens betrachtet. Man fürchtete, die mittellosen und sozial benachteiligten Ostflüchtlinge könnten zu

22 Christian Lotz: Die Deutung des Verlusts. Erinnerungspolitische Kontroversen im geteilten Deutschland um Flucht, Vertreibung und die Ostgebiete (1948–1972), Köln u.a.: Böhlau 2007 (Neue Forschungen zur schlesischen Geschichte; 15), S. 80.



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einem gefährlichen Unruheherd werden. Erst das beginnende Wirtschaftswunder und mit ihm der Lastenausgleich fingen diese Ängste auf. Von der Politik wurden die Vertriebenen im Kalten Krieg vor allem als politisches Argument ge- und mißbraucht, sowohl zur Minimierung deutscher Verantwortung am Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen als auch zur Maximierung deutscher Gebietsforderungen bei eventuellen Friedensverhandlungen, sowie nicht zuletzt als überzeugte Antikommunisten in der Auseinandersetzung mit Sowjetunion und Ostblock.23 Um sie als Wählergruppe zu hofieren, gaukelte man ihnen lange Zeit vor, die Ostgrenzen seien revidierbar, während die Außenpolitik längst schon mit anderen Realitäten arbeitete.24 Als „deutsche Opfer“ waren sie zur Entlastung der Identität der jungen bundesdeutschen Gesellschaft wichtig, für die individuellen Verlusterfahrungen der Betroffenen, die nostalgischen Geschichten von der alten Heimat und die Erzählungen vom Leben vor der Vertreibung interessierte sich die umgebende Gesellschaft indes wenig.25

Heimat im „erinnerungspolitischen Sog“ Christian Lotz hat in seiner Studie zur Deutungshoheit über die Vertreibung und die ehemaligen deutschen Ostgebiete am Beispiel der Landsmannschaft Schlesien die Wechselwirkungsprozesse zwischen nationaler und internationaler Politik, Vertriebenenverbänden und Gesamtgesellschaft schlüssig herausgearbeitet, die schließlich zu einer äußerst einseitigen Kodierung der Erinnerung an die Vertreibung und die alte Heimat führten. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wandelte sich allmählich die Haltung der bundesdeutschen Gesellschaft in Bezug auf die „Wiedergewinnung der Ostgebiete“ – bei Neubürgern und Alteingesessenen, deren Einstellungen sich immer stärker annäherten, gleichermaßen. Auf internationaler Ebene waren die Alliierten immer weniger bereit, deutsche Sonderforderungen zu tolerieren, die bei den Bemühungen um Entspannung im Kalten Krieg zum Hemmschuh geworden wa23 Auch die bis heute umfangreichste Sammlung von Zeitzeugenberichten sollte vor allem politischen Zwecken dienen: Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, in Verbindung mit Adolf Diestelkamp, Rudolf Laun, Peter Rassow und Hans Rothfels bearb. von Theodor Schieder, hg. vom Bundesministerium für Vertriebene, 5 Bde. in 8 Teilbänden, o.O. [Bonn]: Bundesministerium für Vertriebene 1954–1963. Außenpolitisch sollte sie zur Relativierung und Minimierung deutscher Schuld beitragen, innenpolitisch die Vertriebenen durch Würdigung ihres Opferstatus integrieren helfen: „Mit dieser Doppelfunktion ist die Dokumentation der Vertreibung Ausdruck jener die fünfziger Jahre bestimmenden gesellschaftlichen Integrationsideologie, die eine wesentliche Legitimation im ausgeprägten Antikommunismus hatte.“ Mathias Beer: Im Spannungsfeld von Politik und Zeitgeschichte. Das Großforschungsprojekt „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 46 (1998), S. 345–389, hier S. 387. 24 Pertti Tapio Ahonen: After the Expulsion. West Germany and Eastern Europe 1945–1990, Oxford: Oxford University Press 2003, S. 276–278 spricht in diesem Zusammenhang von „dishonesty and deceit at home“ der bundesdeutschen Politik gegenüber den Vertriebenen. 25 Lehmann: Im Fremden, S. 7; Constantin Goschler: „Versöhnung“ und „Viktimisierung“. Die Vertriebenen und der deutsche Opferdiskurs, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 873– 884, hier S. 877.

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ren. Innerdeutsch lenkten zahlreiche Prozesse gegen NS-Täter die Aufmerksamkeit auf die deutsche Verantwortung für die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und den Holocaust und stärkten diejenigen, die auf den Zusammenhang zwischen dem von Deutschen begonnenen Krieg und der Vertreibung hinwiesen. Die Deutung der Vertreibung als „Verbrechen“ und „Unrecht“ durch die Vertriebenenverbände verlor an Boden, und der Rückhalt der Verbände in der Bevölkerung schwand ebenso wie das Interesse der Deutschen an vertriebenenpolitischen Fragen.26 Die Verbände reagierten darauf mit einer verstärkten Politisierungsoffensive. Nach innen versuchte man erfolgreich, all die kleinen und weniger politischen Heimatgruppen, in denen auch die Heimatbücher entstanden, politisch „auf Linie“ zu bringen. Finanzielle Zuschüsse der Landsmannschaft Schlesien wurden beispielsweise ab 1957 an politische Inhalte gekoppelt und so bis zur Ebene der kleinen Ortsgruppen hinab „die Vielfalt von Erinnerungen [...] schrittweise eingeengt und die Intensität, mit welcher politische Forderungen vorgetragen wurden, erhöht.“27 Gesamtgesellschaftlich konnten die Verbände ihre Deutungshoheit über die Vertreibung nicht halten, dazu war die öffentliche Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit schon zu wirkungsmächtig. Die Deutungshoheit über den Raum der ehemaligen deutschen Ostgebiete und anderer Heimatregionen der Vertriebenen jedoch machte ihnen, wohl auch mangels Interesse, niemand streitig. So wurde der Diskurs über die alte Heimat von Seiten der Verbände stets mit politischen Forderungen verbunden, mit der Konsequenz, daß jegliche Rede über verlorene Heimat zwangsläufig mit bestimmten politischen Einstellungen assoziiert wurde. Die an und für sich unpolitische Erinnerung der einzelnen Vertriebenen geriet so in einen „erinnerungspolitischen Sog“ (Lotz), an dessen Entstehen die Verbände maßgeblich mitwirkten. Je stärker die Verbände an der Politisierungsschraube drehten, desto mehr wandten sich all jene, die ihre politische Linie nicht teilten, von der Beschäftigung mit den ehemaligen deutschen Ost- und Siedlungsgebieten ab.28 In den 1960er Jahren nahm die west-östliche Entspannungspolitik an Fahrt auf. Vor allem die 68er setzten sich intensiv mit der Verantwortung ihrer Elterngeneration für den Nationalsozialismus auseinander. Der Blick richtete sich verstärkt auf die Opfer des „Dritten Reichs“, auf den Holocaust und die Deutschen als Täter. Deutsche als Opfer waren in diese Konstellation nurmehr schwer einzupassen, und so wurden diejenigen, die als passiv Erleidende ja tatsächlich Opfer der Vertreibung geworden waren und auf ihren Erfahrungen bestanden, im Gefolge des beschriebenen „erinne26 Lotz: Deutung, S. 201–208. 27 Ebd., S. 149. Auch die kleinen Heimatkreiszeitungen, die bis dato weitgehend autark operiert hatten, wurden auf Linie gebracht, indem die Landsmannschaft Schlesien deren Verlage aufkaufte und den Blättern einen Mantelteil mit der eigenen politischen Ausrichtung verpaßte; ebd., S. 148–150. 28 Ebd., S. 207: „Da Erinnerung an deutsche Geschichte zu einem Argument gegen die Grenze wurde, nahmen im öffentlichen Raum all jene von solchen Erinnerungen Abstand, die sich mit der Grenze abgefunden hatten. Je mehr Desinteressierte es aber gab, desto mehr blieb das Feld jenen überlassen, die [...] die Erinnerung immer stärker politisierten. Dieses Wechselspiel zwischen wachsendem Desinteresse und zunehmender Politisierung kam ab etwa 1956 in Gang.“



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rungspolitischen Sogs“ zu Revanchisten und Ewiggestrigen gestempelt. Die Erinnerung der Vertriebenen war unerwünschter denn je. Mathias Beer konstatiert für den Zeitraum von den 1960ern bis in die 1990er Jahre ein fast gänzliches Verschwinden des Themas Zwangsmigration aus der historischen Forschung.29 Wenn zum Thema publiziert wurde, so passierte dies in den geschlossenen Kreisen spezialisierter Wissenschaftsinstitutionen respektive aus politischen Interessenlagen heraus, wie man am Beispiel der großen „Dokumentation der Vertreibung“ sehen kann.30 Innerhalb der Vertriebenenverbände und ihres Umfelds wurde das Thema nur stark interessengeleitet bearbeitet. Die in diesen Kontexten entstandene Literatur erreichte daher selten ein gesamtgesellschaftliches Publikum. Währenddessen hatten sich die Vertriebenenverbände fest auf ihre rhetorischen Kampfansagen eingespielt: Vorbehalt der Grenzrevision, Recht auf Heimat und die Forderung nach „Anerkennung von Verbrechen“ an den Vertriebenen waren nur die bekanntesten Schlagworte.31 Gleichzeitig aber schwiegen sie zum Holocaust und den historischen Ursachen der Gebietsverluste im Osten und hatten somit gewichtigen Anteil daran, daß die eingetretene Polarisierung lange nicht revidierbar war. Diese konfrontative Konstellation trug auch dazu bei, daß die Verbände im Laufe der Zeit ihren politischen Weg nach Rechts antraten und sich insbesondere in ihrer scharfen Ablehnung der Brandt’schen Ostpolitik so manches Mal tatsächlich als Revisionisten gebärdeten, als die sie von der Gegenseite beschimpft wurden. Der Bezugsrahmen, der die Art und Weise bestimmt, wie und ob ein Kollektivgedächtnis sich der Ereignisse der Vergangenheit erinnert, war in der Öffentlichkeit in den stark politisierten Diskurs des Kalten Krieges und später der innerdeutschen Auseinandersetzung um die eigene Vergangenheit eingespannt worden. Er war in den von Christian Lotz beschriebenen „erinnerungspolitischen Sog“ geraten, was in der Folge eine Verankerung der Erinnerung an das Verlorene im kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik blockierte. „Man kann sich nur unter der Bedingung erinnern, [...] daß man den Platz der uns interessierenden vergangenen Ereignisse in den Bezugsrahmen des Kollektivgedächtnisses findet. Eine Erinnerung ist um so reicher, je größer die Anzahl jener Rahmen ist, in deren Schnittpunkt sie auftaucht, und die sich in der Tat kreuzen und teilweise gegenseitig decken. Das Vergessen erklärt sich aus dem Verschwinden dieser Rahmen oder eines Teiles derselben [...]. Das Vergessen oder die Deformierung bestimmter Erinnerungen erklärt sich aber auch aus der Tatsache, daß diese Rahmen von einem Zeitabschnitt zum anderen wechseln. Die Gesellschaft stellt sich die Vergangenheit je nach den Umständen und je nach der Zeit in verschiedener Weise vor: sie modifiziert ihre Konventionen.“32

29 Mathias Beer: Umsiedlungen, Deportationen und Vertreibungen im Europa des 20. Jahrhunderts. Einzigartigkeit und Vergleichbarkeit, in: Dieter Bingen, Włodzimierz Borodziej und Stefan Troebst (Hg.): Vertreibungen europäisch erinnern? Historische Erfahrungen – Vergangenheitspolitik – Zukunftskonzeptionen, Wiesbaden: Harrassowitz 2003, S. 208–214, hier S. 210. 30 Beer: Im Spannungsfeld. 31 Dazu beispielsweise Stickler: „Ostdeutsch heißt gesamtdeutsch“. 32 Halbwachs: Gedächtnis, S. 368.

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Die Bezugsrahmen, die in der Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik für die Erinnerung an die verlorene Heimat, an Flucht und Vertreibung vorhanden waren, waren keineswegs vielfältig und zahlreich, sondern bestanden spätestens ab der zweiten Hälfte der 1950er Jahre aus einem eindimensionalen, politisch aufgeladenen Diskurs, dessen Grenzen durch die verhärteten Fronten kaum zu überwinden waren. Die Vertriebenen standen vor dem Problem, daß die Erinnerung an ihre alte Heimat fast ausschließlich im Bezugsrahmen politischer Auseinandersetzungen und Forderungen stattfand, so daß man öffentlich nicht ohne eindeutige politische Assoziationen vom verlorenen deutschen Kulturraum in Ostmitteleuropa sprechen konnte. Nahezu bis zur politischen Wende 1989/90 fehlte ein überpolitischer Erinnerungsrahmen, innerhalb dessen sich die Erinnerung an eine verlorene Heimat, an einen verlorenen Raum mit all seiner Geschichte, seinen Landschaften, sozialen Bindungen und seinem kulturellen Reichtum hätte entfalten können. Ohne Bezugsrahmen jedoch droht die Erinnerung ins Vergessen zu versinken, wenn – nach Maurice Halbwachs – kein gesellschaftlicher Bezugsrahmen mehr besteht, innerhalb dessen diese Erinnerung ihren Platz fände. Durch die Einengung auf einen einzigen, stark politisierten Erinnerungsrahmen kam es in der Folge zu einer Einengung auch der Erinnerung: auf einen bestimmten Adressatenkreis, auf eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung, auf eine bestimmte politische Aussage. Erinnert werden konnte nur das, was in diesen Erinnerungsrahmen paßte. Viele Spezifika der Darstellung beispielsweise der erlebten Geschichte in den Vertriebenenheimatbüchern lassen sich in der Tat so erklären und besser verstehen.

Privatisierung der Erinnerung Das Bedürfnis zur Artikulation, zur Re-Konstruktion der Erinnerung an die Lebensumwelt vor der Vertreibung war damit aber nicht abgestellt, sondern bestand ungebrochen weiter, wie man überhaupt von einem allgemeinmenschlichen Bedürfnis sprechen kann, sich seiner eigenen Identität mittels Rückbesinnung auf Herkunft und biographische Erfahrung zu versichern. Jedem Bundesbürger ohne Vertreibungserfahrung war es problemlos und in den verschiedensten Kontexten möglich, sich an die Orte seiner Kindheit und Jugend zu erinnern, ohne damit gleich eine politische Aussage zu verbinden. Wer als Vertriebener diese politische Aussage nicht teilen wollte, konnte seine Erinnerung nur privat und abseits der Verbände pflegen. So wurde die Erinnerung an Jugend und Kindheit, an das eigene Leben in einem nunmehr verlorenen sozialen und kulturellen Raum überwiegend innerhalb der eigenen Familie und im Freundeskreis erzählt, ritualisiert und weitergegeben.33

33 Zur Erinnerungsarbeit privat und in der Familie: Lehmann: Im Fremden, S. 55–186.



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Erzählsperre zwischen den Generationen Selbst die eigenen Kinder der Vertriebenen konnten und wollten die „alten Geschichten“ oft nicht mehr hören. Die zweite Generation nach der Vertreibung, die sich nicht mehr an ihre Geburtsheimat erinnern konnte oder schon im Westen geboren wurde, war meist gleichzeitig die 68er-Generation, die sich an der Rolle ihrer Eltern im Nationalsozialismus abarbeitete.34 Die Betonung der deutschen Opferrolle bei ausbleibender historischer Kontextualisierung der Vertreibung der Deutschen wurde von dieser jüngeren Generation nicht mehr akzeptiert, die öffentliche Meinung hatte sich merklich gewandelt. Auch der zur „Dokumentation der Vertreibung“ geplante wissenschaftliche Ergebnisband wurde Ende der 1960er Jahre aus einer ähnlichen Konstellation heraus endgültig zu den Akten gelegt. Den beteiligten Wissenschaftlern erschien eine Darstellung der Vertreibung der Deutschen ohne eine gleichzeitige Darstellung der Vorgeschichte, der Nationalitätenkonflikte, der deutschen Besatzung und des Holocausts mittlerweile undenkbar. Eine solche Kontextualisierung aber war politisch nicht gewollt, und so verzichtete man schließlich ganz auf die Publikation.35 Bei den 68ern war die Argumentation weit verbreitet, die Eltern seien am Verlust ihrer Heimat „selbst schuld“, denn schließlich sei dies die Kompensation oder sogar „Strafe“ für die Greuel des Nationalsozialismus, für deutsche Großmannssucht und ubiquitäres Mitläufertum gewesen. Helga Hirsch hat in ihrem Buch über Deutsche in polnischen Lagern nach 1945 diese Konstellation geschildert, die sie selbst, deren Eltern aus Breslau stammten, lange Zeit von der Beschäftigung mit diesem Teil der Familiengeschichte abhielt: „[L]eider war fast kein Thema [...] politisch so instrumentalisiert wie die Darstellung deutschen Leidens bei Kriegsende. Wer über die verlorene Heimat klagte, wollte bis in die sechziger Jahre hinein nur selten etwas über die Ursachen der deutschen Niederlage hören [...]. Statt über Mitverantwortung zu reflektieren und Schuld oder Mitschuld anzuerkennen, verbargen sich Täter und Mitläufer hinter Selbstmitleid und Schmerz. [...] In einem Kontext aber, der die ursächliche Schuld der Deutschen ausklammerte, konnte und wollte meine Generation kein Verständnis für Vertriebene [...] aufbringen. [...] Leider ist mit dem politischen und territorialen Verzicht auf die deutschen Ostgebiete [durch die Regierung Brandt] aber auch die Trauer um ihren Verlust und der Schmerz über das Unrecht gegenüber den vertriebenen Deutschen diskreditiert worden. Wer in die ostpreußische Heimat fuhr oder sentimentalen Kindheitserinnerungen nachhing, stand gleich im Verdacht des Revanchismus. Heimatliebe roch nach Nationalismus, Verständnis mit den Vertriebenen galt als Mitleid mit der falschen Seite.“36

Hier zeigt sich der „erinnerungspolitische Sog“ quasi von seiner linken Kehrseite, und das bis in die Familien hinein. Da auch die 68er nicht willens und in der Lage waren, 34 Lehmann spricht ebd. S. 82f. von „Erzählsperren zwischen den Generationen in den Familien“ und konstatiert ab spätestens 1970 einen „Bruch im historischen Bewußtsein der jungen Generation“, für die die zentralen Themen der Verbände – Recht auf Heimat, endgültige Grenzziehung, ob die Abtretung der Gebiete „zu Recht“ erfolgte usw., – „buchstäblich nicht mehr nachvollziehbar“ waren. 35 Beer: Im Spannungsfeld. 36 Helga Hirsch: Die Rache der Opfer. Deutsche in polnischen Lagern 1944–1950, Berlin: Rowohlt 1998, S. 7–9.

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die politische Verklammerung des Themas mit territorialen Forderungen und deutscher Schuldminimierung zu lösen, blieb die individuelle Erfahrung ihrer Eltern und Großeltern in der bundesdeutschen Öffentlichkeit ebenso wie in der eigenen Familie nach wie vor oft heimatlos.

Ende der Blockkonfrontation Schon mit dem Beginn von perestrojka und glasnost’ Mitte der 1980er und endgültig nach der politischen Wende 1989/90 hat sich diese Situation geändert. Die Erinnerungsrahmen, so würde Maurice Halbwachs sagen, haben sich nach Ende der Blockkonfrontation, aber auch nach wichtigen Stationen der innerdeutschen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit37 deutlich gewandelt. Die starre Polarisierung des Kalten Krieges ist weggefallen, auch wenn sich die Vertriebenenverbände zum Teil noch in der Tradition dieser politischen Aufladung bewegen, der spezifische Erinnerungsrahmen also eine gewisse Beharrlichkeit zeigt. Gesamtgesellschaftlich jedoch ergab und ergibt sich aus dem Wegfall der politischen Aufladung die Chance zu einer Neupositionierung des Themas im kollektiven Gedächtnis. Das starke Interesse und die vermehrte Bearbeitung von Flucht und Vertreibung in allen erdenklichen Medien, aber auch die Fülle der Reise- und Erlebnisberichte, Dokumentarfilme und Buchpublikationen verschiedenster Autoren über die ehemaligen deutschen Ostgebiete zeigen deutlich, daß nach Sprengung des politisierten Erinnerungsrahmens nun gewissermaßen ein jahrzehntelanger gesamtgesellschaftlicher Erinnerungsstau abgearbeitet wird. Auch das Heranwachsen der dritten oder schon vierten Generation nach der Vertreibung erklärt das wiedererwachte und gewandelte Interesse, denn die Enkelgeneration kann sich dem Thema ohne das Korsett des Kalten Krieges ganz anders nähern und steht zudem nicht unter dem Druck der direkten Auseinandersetzung mit der Elterngeneration. Es wäre völlig verfehlt, von einer gewesenen „Tabuisierung“ des Themas Vertreibung und der ehemaligen deutschen Ostgebiete zu sprechen, wie es viele anläßlich des als Durchbruch empfundenen Erscheinens von Günter Grass’ Roman „Im Krebsgang“ im Jahre 2002 taten.38 Auf wissenschaftlicher Ebene hatte die Beschäftigung mit dem Thema schon länger einen bemerkenswerten Stand erreicht, weitgehend unbemerkt von der Gesamtgesellschaft, von Medien und Verbänden.39 Grass’ Buch markierte nur den Punkt, an dem der Bann des erinnerungspolitischen Sogs endgültig gebrochen war. Die Debatte um sein Buch war der vielleicht erste Zeitpunkt, an dem der nach 1990 so veränderte Erinnerungsrahmen in der breiten Öffentlichkeit bewußt wahrgenommen wurde. 37 Edgar Wolfrum: Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948–1990, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999. 38 Dazu auch Lotz: Deutung, S. 208. 39 Beer: Umsiedlungen, S. 212f., datiert den Beginn dieser neuerlichen Beschäftigung auf die zweite Hälfte der 1980er Jahre.



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5.2.2  Das Heimatbuch als Erinnerungsort und Erinnerungsanlaß Angesichts des verengten, stark politisierten Erinnerungsrahmens der Nachkriegszeit empfanden die Vertriebenen die Notwendigkeit, einen eigenen Speicherort für ihre Erinnerungen zu schaffen, da nach ihrer Ansicht auf die Bewahrung ihrer Erinnerung und Identität durch die Gesamtgesellschaft kein Verlaß war. Dieser symbolisch aufgeladene Erinnerungsort sollte für die Bewahrung der Erinnerung und die Schaffung eines konkreten Erinnerungsraums sorgen, anhand dessen die eigene Rückbesinnung verortet werden konnte, für die im Alltag kein Platz war. Auf diese Weise bot das Heimatbuch einen außeralltäglichen Anlaß zur Rekonstruktion von Erinnerung und Identität und verankerte die Erinnerung in Raum und Zeit. Jede Erinnerung braucht nach Jan Assmann eine sowohl räumliche als auch zeitliche Verankerung, anhand derer sie rekonstruiert werden kann, um dauerhaft im Gedächtnis zu bleiben oder dort überhaupt erst anzugelangen: „Jede Gruppe, die sich als solche konsolidieren will, ist bestrebt, sich Orte zu schaffen und zu sichern, die nicht nur Schauplätze ihrer Interaktionsformen abgeben, sondern Symbole ihrer Identität und Anhaltspunkte ihrer Erinnerung. Das Gedächtnis braucht Orte, tendiert zur Verräumlichung.“40

Anläßlich bestimmter Daten im Jahreslauf kann sich so die Erinnerung „kristallisieren“, z.B. bei Heimattreffen, Jahrestagen oder Vertriebenenwallfahrten. Ebenso muß es räumliche Anknüpfungspunkte geben, die sowohl Anlaß zur Erinnerung sind als auch als Speicherort derselben fungieren, und die bei den Vertriebenen in spezifischen Erinnerungsgegenständen, einer „Heimatecke“ im Wohnzimmer oder einer landsmannschaftlichen Heimatstube, einem Wallfahrtsort oder einer Gedenkstätte bestehen konnten.41 Die Heimatbücher sind für die Existenz der Erinnerungsgemeinschaft der wohl prägnanteste Ort, da sie das vergangene Leben in der alten Heimat in seiner Totalität dokumentieren sollten, gleichzeitig aber nicht an eine geographische Lokalität gebunden waren. Das Heimatbuch als Schriftenklasse war für diesen Zweck aufgrund seiner traditionell angestrebten Ganzheitlichkeit der Darstellung, unter Einbeziehung möglichst aller lokalen Themenbereiche, auf ideale Weise geeignet. Man könnte diese Werke daher als eine „Heimat im Buch“42 oder „Buchheimat“ verstehen, ein transportabler Speicher- und Erinnerungsort, der nach dem erzwungenen Heimatverlust das Verlorene in seiner Gänze symbolisch reproduzieren und bewahren sollte:

40 Assmann: Gedächtnis, S. 39. 41 Lehmann: Im Fremden, S. 101–108 zu Erinnerungsgegenständen und deren symbolischer Aufladung. Brenda Dale Melendy: In Search of Heimat. Crafting Expellee Identity in the West German Context, 1949–1961, Ann Arbor, Michigan: UMI Dissertation Services 1998, Kap. 5 ausführlich zum Sudetendeutschen Tag, S. 91–95 zu Vertriebenenwallfahrten. 42 Hemmerle: Heimat im Buch.

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„Gruppe und Raum gehen eine symbolische Wesensgemeinschaft ein, an der die Gruppe auch festhält, wenn sie von ihrem Raum getrennt ist, indem sie [diesen Raum] symbolisch reproduziert.“43

Diese auf Diasporagruppen gemünzte Feststellung trifft ebenso auf die Situation der Vertriebenen und auf die Funktion ihrer Heimatbücher im Erinnerungsprozeß zu. Zahlreiche Autoren bezeichnen das Heimatbuch deswegen auch als „Denkmal“ für ihre verlorene Heimat.44 Der Begriff des Speicherortes ist dabei durchaus auch im wörtlichen Sinne zu verstehen. Viele Verfasser vor allem jüngerer Werke schrieben bereits unter dem Eindruck, daß mit fortschreitender Zeit und damit dem Altern und Sterben der Überlieferungsträger das Wissen über ihre Heimatorte akut vom Vergessen bedroht war. Je weiter das Publikationsdatum des Heimatbuchs vom Zeitpunkt der Vertreibung entfernt ist, desto stärker ist den Werken geradezu ein Drang anzumerken, das noch greifbare Wissen der Zeitzeugen zu sammeln, bevor es durch den Tod der letzten ehemaligen Bewohner endgültig verlorengehen würde.45 Gleichzeitig ist das Heimatbuch aber auch ein Anlaß zur Reaktivierung und Rekonstruktion von Erinnerung. Im Familien- oder Bekanntenkreis konnten die Werke beispielsweise ein sozialer Erzählanlaß sein, wie es Angela Keppler für das Familienritual der Diaschau beschrieben hat.46 Da im Alltag wenig oder gar kein Raum für die Erinnerung an die verlorene Heimat war, brauchten die Vertriebenen einen eigenen, außeralltäglichen Erinnerungsrahmen, der in Mußestunden einen Anlaß zur Rückschau und Verankerungspunkt der Beschäftigung mit der biographischen Vergangenheit darstellte. Dies wird auch von den Heimatbuchautoren selbst so beschrieben: „Mit seinem Erscheinen will dieses Buch den oft geäußerten Wunsch vieler [...] Landsleute erfüllen, ein Haus- und Heimatbuch zu besitzen, in dem ihnen ihr Heimatkreis so aufgezeigt ist, wie sie ihn in den letzten Jahrzehnten vor 1945 gesehen und erlebt haben – ein heimatliches Hausbuch für Stunden der Erinnerung an die Heimat.“ – „[Eine Vertriebene] wünschte sich eine Art Führer durch [den Heimatort] in Wort und Bild, um daran ihre allmählich verblassende Erinnerung immer wieder aufzufrischen.“ – „Beim Blättern in dieser Darstellung werden gewiß die älteren [Vertriebenen] wieder einmal in Gedanken daheim sein.“ – „Dieses Buch soll die

43 Assmann: Gedächtnis, S. 39. 44 So in Zwittau 1976.2 [SUD], S. 5; Hirschberg 1985.2 [S-N/S], S. 2; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\ Banat], S. 10; Obernigk 1996 [S-N/S], S. 7. 45 Altschallersdorf 1998 [SUD] meint S. 7, Aufgabe des Heimatbuches sei, alles Erreichbare zu sammeln und vor dem Vergessen zu bewahren; Ernsthausen 1983 [SRB\Banat] beklagt in Teil I, S. 16 [das Werk besteht aus drei Teilen mit jeweils separater Paginierung], daß schon viel Wissen verlorengegangen sei; Reichenau 1976 [SUD] bedauert S. 5, daß bereits viele Wissensträger verstorben seien. 46 Angela Keppler: Soziale Formen individuellen Erinnerns. Die kommunikative Tradierung von (Familien-)Geschichte, in: Harald Welzer (Hg.): Das soziale Gedächtnis. Geschichte, Erinnerung, Tradierung, Hamburg: Edition HIS 2001, S. 137–159. Dazu grundsätzlich dies.: Tischgespräche. Über Formen kommunikativer Vergemeinschaftung am Beispiel der Konversation in Familien, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1995.



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Endstation unserer Sehnsucht in seiner Mannigfaltigkeit vor uns entstehen lassen, Verschüttetes ins Bewußtsein rücken, Unbekanntes hervorholen [...].“47

In „feierlichen Stunden“ sollte man das Werk zur Hand nehmen, um mit ihm als Erinnerungsanlaß die alte Heimat in Gedanken wieder aufleben zu lassen. Hier deutet sich schon an, daß die spezifische Vertriebenenidentität in der Bundesrepublik keinen Platz mehr im normalen Leben, sondern nur noch in den eigenen sozialen Kreisen und in außeralltäglichen, besinnlichen Stunden hatte. Vor allem in den frühen Nachkriegsjahrzehnten sahen viele Werke ihren Zweck auch darin, der älteren Generation, die sich eben oft nicht nahtlos in den Wirtschaftswundererfolg einreihen konnte und im Westen beruflichen Abstieg und soziale Isolation erfuhr, in diesen außeralltäglichen Stunden ein „Trost“ zu sein in der Rückschau auf das, was ihr Leben vor der Vertreibung ausgemacht hatte.48 Diese kontrapräsentische Funktion49 der Heimatbücher angesichts einer eher trostlosen Gegenwart wurde nach 1970 nicht mehr in Anspruch genommen. Entweder war die ältere Erlebnisgeneration der vor 1900 Geborenen nun bereits nicht mehr am Leben, vielleicht auch zu alt, um diese Haltung noch zu äußern, oder der wirtschaftliche Aufstieg wenigstens der eigenen Kinder hatte dazu beigetragen, die Situation der Älteren so zu verbessern, daß diese Trostfunktion nicht mehr nötig war. Ein weiterer plausibler Erklärungsansatz ist die These Albrecht Lehmanns, daß sich im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte eine gesamtgesellschaftliche Erzählung vom „integrierten, erfolgreichen Flüchtling“ herausbildete, die alles andere überlagerte und immensen Druck auf den Einzelnen ausübte, ebenso erfolgreich zu sein. In den 1970er Jahren hatte sich der „Integrationsmythos“ so stark verfestigt, auch durch die Unterschichtung der Gastarbeiter als neuem Proletariat, die die Flüchtlinge sozusagen als unterste soziale Gruppe ablösten, daß keine dem widersprechende Erzählung mehr möglich war.50

5.2.3  Das Heimatbuch als Mittel der Selbstdefinition und Identitätssicherung Die Begriffe, die in den Werken selbst zur Beschreibung ihrer Funktion am häufigsten fallen, sind „Zeugnis“ und „Vermächtnis“. Diese beiden Schlagworte, so viel Pathos

47 In der Reihenfolge der Zitate: Freystadt 1969 [S-N/S], S. 5; Crossen 1962 [OBR], S. 5; Waissak 1973 [S-O/S], S. VIII; Kreibitztal 1985 [SUD], S. 5. 48 Buchau 1950 [SUD], S. 7; Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 9; Mödritz 1.1966 [SUD], S. 5; UnterTannowitz 1966.2 [SUD], S. 3. 49 Die kontrapräsentische Funktion der identitätssichernden Erinnerung „geht von Defizienz-Erfahrungen der Gegenwart aus und beschwört in der Erinnerung eine Vergangenheit, die meist die Züge eines Heroischen Zeitalters annimmt. Von diesen Erzählungen her fällt ein ganz anderes Licht auf die Gegenwart: Es hebt das Fehlende, Verschwundene, Verlorene, an den Rand Gedrängte hervor und macht den Bruch bewußt zwischen ‚einst‘ und ‚jetzt‘.“ Assmann: Gedächtnis, S. 79. 50 Lehmann: Im Fremden, S. 69.

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auch in ihnen mitschwingt, umreißen klar den Zweck, den die Autoren mit der Publikation verbanden. Der Begriff „Zeugnis“ meint eine umfassende Bilanz des Lebens im Heimatort als Mittel der Selbstdarstellung und Ausdruck der eigenen Geschichte und Identität. Man wollte „Zeugnis ablegen“ vom Leben in der alten Heimat, vom Charakter der Region und ihrer Menschen, von der eigenen Herkunft, vom eigenen Gewordensein, und dieses Zeugnis sollte möglichst alle Bereiche des Lebens in der alten Heimat abdecken. „[Im Heimatbuch] finden wir [...] alles das wieder, was früher unser gemeinschaftliches Leben ausmachte, die Schönheit der Wälder und Auen und der herrlichen Samlandküste, die Kraft des Volkes, das auf dieser Scholle ansässig war, die Leistungen ebenso einer hohen Kultur wie einer entwickelten Wirtschaft, die das Antlitz unserer Heimat prägten.“ – „Wen soll dieses Buch ansprechen? Die jetzt lebenden Landsleute, gleich welcher Generation sie angehören und unsere Nachkommen. Darüber hinaus soll es Zeugnis deutschen Schaffens sein. Unsere Kinder und Kindeskinder sollen wissen woher wir kommen, was unsere Vorfahren leisteten und wie wir mit den benachbarten Völkern in friedlicher Eintracht lebten und im Umgang mit ihnen uns bewährten.“ – „Diese Aufzeichnungen sollen der Nachwelt zeigen, wie unsere Vorfahren in friedlicher Besiedlung, in unendlich harter Arbeit, dieses rauhe, aber schöne Waldland zu ihrem Lebensraum gemacht hatten, wie sie dort gelebt und vertrieben wurden.“ – „[Das Heimatbuch soll] ein Zeugnis unserer Herkunft [sein], zum Andenken und zur Ehre unserer wagemutigen Vorfahren, die sich 1843/44 entschlossen hatten, für sich und ihre Nachkommen eine bessere Zukunft zu erstreben.“51

Die Verfasser sahen sich in einer bestimmten historischen Kontinuität – wie man an den zahlreichen Hinweisen auf die „Vorfahren“ sehen kann –, die das Heimatbuch in schriftlicher Form umfassend dokumentieren und würdigen sollte, und sie sahen das Heimatbuch als Mittel der Fortsetzung dieser Kontinuität. Alles das, „was früher unser gemeinschaftliches Leben ausmachte“, „woher wir kommen, was wir leisteten und wie wir lebten“, sollte im Heimatbuch festgehalten werden. Man erarbeitete eine Publikation, die für die Gesamtheit des vergangenen, nun verlorenen Lebens in der alten Heimat stehen, die die Essenz dieses Lebens und damit der Identität der Menschen aus diesem Ort, diesem Kreis, diesem Landstrich symbolisch reproduzieren sollte. Die verlorene Heimat wurde zur „Heimat im Buch“.

Erinnerung als kollektiver Prozeß Die Besonderheit der Rekonstruktion und Fixierung von Erinnerung im Heimatbuch liegt in ihrer Entstehung in einem kollektiven Prozeß. Im Unterschied zu individuell verfaßten Erinnerungen, etwa Memoiren, fand sich zur Abfassung eines Heimatbuchs in der Regel eine Gruppe zusammen. Oft entstanden die Werke zwar innerhalb der verbandsmäßigen Organisation, aber auf deren kleinster Ebene, den Heimatortsgemeinschaften. Häufigster Herausgeber oder institutionell Verantwortliche eines Heimatbuches sind solche Heimatorts- oder Kreisgemeinschaften. Die Heimatbücher 51 In der Reihenfolge der Zitate: Samland 1966 [OPR], S. 11; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 6; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 9; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 9.



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sind dementsprechend in einem hohen Maße Kollektivarbeiten, in denen eine Gruppe Vertriebener aus einem Ort oder einer Region ihre Erinnerungen gemeinschaftlich für die Nachwelt festhielt. Zu Recht hat Wolfgang Kessler die Heimatbücher daher als „kollektive Gedächtnisleistung der Erlebnisgeneration“ bezeichnet.52 Wenn auch die Verantwortung bei den Redakteuren oder Herausgebern lag, so konnte doch jeder Texte, Erinnerungen oder auch Fotografien zur Verfügung stellen. Letztlich war es eine Entscheidung der Gruppe und der von ihr ausgewählten Redakteure und Herausgeber, welche Texte in welcher Form in das Buch aufgenommen wurden. Die ausgewählten Inhalte, ihre Form und Formulierung sind Ergebnis eines Auswahlprozesses, der ein wichtiges Moment der Selbstdefinition der Gruppe bedeutete. Was ins Heimatbuch gehört, was die Gruppe nicht dem Vergessen anheim fallen lassen wollte, hatte für die Autoren und Leser eine zentrale identitätsstiftende Funktion. Insofern kann man von einem für die Gruppe verbindlichen Werk sprechen, einem kanonisierten und gemeinschaftlich sanktionierten Erinnerungstext.

Speicherort des Gruppengedächtnisses Als solchermaßen kanonischer Text ist der Stellenwert eines Heimatbuchs für die Vertriebenengruppen sehr hoch.53 Kaum eine Gruppe blieb ohne solche Werke, bei einigen Herkunftsregionen brachte fast jedes Dorf ein eigenes Buch heraus. Nicht selten sprechen die Autoren sogar von der „Pflicht“, ein Heimatbuch zu schreiben.54 Damit sind Heimatbücher auch ein Speicherort des Gruppengedächtnisses: alle Vertriebenen aus dem jeweiligen Ort, die die Werke lasen, konnten und sollten sich in ihnen wiedererkennen, ihre Erinnerungen teilen und sich so der Gruppe zugehörig fühlen, also über die fixierten Erinnerungen der Gruppe auch eine spezifische Identität bestätigt sehen. In einem Akt gemeinschaftlicher Rekonstruktion entstand ein verbindlicher Kanon an Erinnerung, der für die Gruppe zum formativen Text wurde: „Formative Texte antworten auf die Frage ‚Wer sind wir?‘ Sie dienen der Selbstdefinition und Identitätsvergewisserung. Sie vermitteln identitätssicherndes Wissen und motivieren gemeinschaftliches Handeln durch Erzählen gemeinsam bewohnter Geschichten.“55

Diese Antwort auf die Frage ‚Wer sind wir?‘ entspricht dem, was die Verfasser der Heimatbücher mit dem Begriff „Zeugnis ablegen“ zu beschreiben suchten. Beim Lesen eines Heimatbuchs konnte sich ein Vertriebener aus dem jeweiligen Ort seiner eigenen Herkunft und Identität und auch seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten 52 Kessler: Heimatbücher, S. 23. 53 Gnadental 1959 [Bess.], S. 6: „Das Buch ist das schönste Patengeschenk und sollte in keinem Gnadentaler Haushalt fehlen.“ Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 7: „Damit unser Heimatort nicht in Vergessenheit gerät, sollte dieses Buch jede Marienfelder Familie besitzen [...].“ 54 Gnadental 1959 [Bess.], S. 6; Rosenberg 1963 [OPR], S. 5; Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 257: „Wir könnten es vor Gott und der Menschheit, und vor allem vor unseren Nachkommen nicht verantworten, wenn all dieses Wissen mit uns für immer ins Grab sinken würde.“ Saatzig 1984 [OPOM], S. 8. 55 Assmann: Gedächtnis, S. 142. Hervorhebung im Original.

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Gruppe vergewissern, deren Kanon an Erinnerungen, an „gemeinsam bewohnten Geschichten“ das Heimatbuch transportierte. Diese identitätssichernde Funktion der Heimatbücher beschreibt auch das erste in der Bundesrepublik erschienene siebenbürgische Heimatbuch: „[Das Heimatbuch] soll ein Erinnerungsbuch für alle Mettersdorfer sein die in der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Kanada, den Vereinigten Staaten und anderen Ländern zerstreut leben: den älteren soll es in Erinnerung rufen, was sie selbst noch erlebt haben, den jüngeren zeigen und ins Herz schreiben, aus welcher Welt ihre Väter und Mütter kommen und wo die Kräfte der Lebensbewältigung ihrer Vorfahren wurzeln. D a s verstehen wir unter Heimatbuch. [...] Nicht alles, was sächsische ‚communis opinio‘ (allgemeine Meinung) war und ist, kann bestehen (von Glaubenssätzen wie ‚Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott‘ bis hin zu Werturteilen über Völker und historische Leistungen). Auch zu solcher Besinnung kann uns ein Buch wie dieses helfen, wenn wir daraus das auch heute Wertbeständige heraushören.“56

Zunächst sollte der Zusammenhalt der weit verstreut lebenden Landsleute wiederhergestellt werden. Das Mittel dazu sollte die gemeinsam rekonstruierte Erinnerung sein, deren wesentlicher Bestandteil die Lebenserfahrung der Erlebnisgeneration war, die auch generationenübergreifend für den Zusammenhalt der Gruppe sorgen sollte. Dabei kamen in der veränderten Situation nach der Vertreibung auch die identitätskonstitutiven überkommenen Sichtweisen und Deutungen der Gemeinschaft („wer wir sind, woher wir kommen, woran wir glauben“) auf den Prüfstand und wurden gegebenenfalls modifiziert.

Abb. 13  Das Heimatbuch spricht zu Dir!

Eine kleine Gebrauchsanweisung, die ein frühes Heimatbuch 1950 dem eigentlichen Werk voranstellte, verdeutlicht sowohl den Stellenwert als auch die intendierten Funktionen der Werke sehr anschaulich (Abb. 13).57 In diesem Fall sollte die Funktion für die Gruppe noch über das Beschriebene hinausgehen und die mit der Vertreibung verlorene lokale Gemeinschaft im Buch fortgeführt werden. Nachdem der Besitzer sich und seine Familie selbst ins Buch eingeschrieben hatte, sollte er auch zukünftig Leben und Sterben der Gruppe dort dokumentieren. Wie man am vorliegenden Exemplar 56 Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 5f. 57 Buchau 1950 [SUD], Vorsatzblatt.



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sehen kann, wurde dieses Angebot rege genutzt (Abb. 14), die Namen der nach 1945 Verstorbenen eingetragen sowie Fehler korrigiert.58 Solche Eintragungsmöglichkeiten enthalten viele Werke, meist separate Seiten, zu füllen mit Informationen über die eigene Familie, ihre Besitztümer, Geschichte, Erlebnisse und Toten. Auf diese Weise wurde das Heimatbuch auch zum Familien- oder sogar Stammbuch.59

Abb. 14  Einschreibung im Heimatbuch

Jedoch schlug eine wesentliche der angestrebten Funktionen des hier zitierten Werkes fehl: die Weitergabe über Generationen hinweg. Denn irgendwann veräußerten die Erben das Werk schnöde auf dem antiquarischen Buchmarkt. Betrachtet man das Lebensalter der Verfasser und Herausgeber, soweit feststellbar, so verband sich die Situation der Vertriebenen als Gruppe mit der biographischen Situation der Verfasser: Das durchschnittliche Alter der Mitarbeiter eines Heimatbuches lag bei ungefähr 66 Jahren,60 also nach Ende der Berufstätigkeit im Rentenalter. Die Funktion des Heimatbuchs als Zeugnis des vergangenen Lebens am Heimatort deckte 58 Ebd., S. 136f. 59 So in Falkenburg 1963 [OPOM], Modosch 1964 [SRB\Banat], Marienburg 1967 [OPR], Bodenstadt 1984 [SUD], Dittersdorf 1994 [SUD], Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], Niederschwedeldorf 2001 [SN/S]. 60 Berechnet anhand von 100 Werken, bei denen biographische Daten der Autoren ermittelbar waren, das entspricht knapp einem Fünftel der nach 1945 erschienenen Werke, ohne Nachdrucke und Neuauflagen. Das arithmetische Mittel liegt bei 63,9 Jahren, der Modalwert, d.h. das typische Autorenalter bei Erscheinen, ist 68 Jahre.

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sich somit oft mit dem Wunsch nach persönlicher Bilanz gegen Ende der aktiven Lebensphase. Dieser im Rentenalter einsetzende Erinnerungsschub, verbunden mit dem Wunsch nach Rückblick oder sogar Niederschrift biographischer Erfahrung, ist in der theoretischen Literatur vielfach beschrieben worden61 und stellte für die Autoren der Heimatbücher offenbar ein wichtiges Movens dar. Überdies waren die Autoren zumeist Laien, die oft erst nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit genug Zeit für die Arbeit an einem solch aufwendigen Projekt hatten. Die Zeugnislegung wurde von den Autoren zeitweilig aber auch als Mittel der Verteidigung gegen eine vermeintlich „feindliche Öffentlichkeit“62 gesehen, die den Vertriebenen verständnislos und ablehnend gegenüberstehe und ihr Schicksal nicht würdige. Hier spiegelt sich der erinnerungspolitische Sog (Lotz) der Bundesrepublik, der den Diskurs über die verlorene Heimat zwangsläufig in politische Spannungsfelder zwängte – was die Betroffenen mitunter als „feindliche“ Haltung interpretierten. In diesem Fall ist das Wort „Zeugnis“ fast schon im juristischen Sinne aufzufassen, gewissermaßen als Zeugenaussage im Prozeß der Bewertung von Zeitgeschichte.63 Die Gruppe der von traumatischen historischen Ereignissen Betroffenen möchte über die zeitgeschichtlichen Ereignisse, die sie selbst miterlebt hat, die Deutungshoheit ausüben bzw. zurückgewinnen. Was die Vertreibung, aber auch die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostgebiete bedeutete, so liest man, könnten nur die Vertriebenen selbst wirklich ermessen.64 Vielfach wird auch noch lange nach den Ostverträgen der Regierung Brandt Bezug auf die Geschichtspolitik der Ostblockstaaten genommen, wo beispielsweise in Polen die ehemals deutschen Regionen als „urpolnische wiedergewonnene Gebiete“ bezeichnet wurden – eine politisch motivierte Formel, die vor allem innerpolnischen Problemkonstellationen geschuldet war,65 die viele Vertriebene im Einklang mit der Haltung der Verbände aber als Kampfansage auffaßten, der sie ein „wahrheitsgemäßes Bild“ und die „Würdigung der historischen Leistungen“ der deutschen Bewohner entgegensetzen wollten.66 So wurden viele Heimatbuchautoren 61 Halbwachs: Gedächtnis, S. 149–152; Assmann: Gedächtnis, S. 50f. Aus Sicht der Neuropsychologie bei Schacter: Erinnerung, Kapitel 10, besonders S. 476–485, 491. 62 Zum Beispiel Bunzlau 1964.2 [S-N/S], S. 6: „Rundfunk und Presse werden nicht – und sollen nicht – Notiz von [dem Heimatbuch] nehmen. Es wäre vielen ‚real denkenden‘ Herren von Funk und Feder nur ein Beweis für uneinsichtiges Aufbegehren der ewig gestrigen Flüchtlinge.“ 63 Zeitzeugenerinnerungen als Zeugenaussagen im juristischen Sinne zu verwenden, war auch das Motiv für die Sammlung von Berichten, die später zur „Dokumentation der Vertreibung“ wurde. Anfangs wurden Erlebnisberichte notariell beglaubigt, um bei eventuellen Friedensverhandlungen oder vor einem internationalen Gerichtshof als Beweismaterial zu fungieren; Beer: Im Spannungsfeld, S. 255– 257. 64 Eine Aussage, die bei allen landsmannschaftlichen Gruppen, besonders häufig jedoch bei Sudetendeutschen zu finden ist, z.B. Buchwald 1986.2 [SUD], S. 80. 65 Gut zusammengefaßt bei Gregor Thum: Die fremde Stadt. Breslau 1945, Berlin: Siedler 2003, S. 271– 303. 66 Rosenberg 1963 [OPR], S. 5: das Heimatbuch solle „unumstößliche Zeitdokumente“ liefern, gegen die „Umdeutung“ der Geschichte „nach Gesichtspunkten politischer Nützlichkeit“; Lovrin 1979 [RO\ Banat], S. 7: Aufgabe des Heimatbuches sei, „neuerlichen Tendenzen einer chauvinistisch-rumänischen Geschichtsklitterung entgegen[zu]treten.“ Luditz 1971 [SUD], S. 150: Aufgabe des Heimat-



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zu Akteuren der Diskurse des Kalten Kriegs und sahen ihre Werke als Instrumente im „Kampf“ um das „Recht auf Heimat“, um die Aufrechterhaltung der „Ansprüche“ auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete oder als „Beweis“, daß ihre Heimat „schon immer deutsch“ gewesen sei.67 Dem polarisierten Erinnerungsrahmen der bundesdeutschen Nachkriegsgegenwart konnten sich die Verfasser der Heimatbücher nicht entziehen, wie man überhaupt an den Inhalten der Heimatbücher vielfach erkennen kann, daß der Fixpunkt der Rekonstruktion von Erinnerung und Identität stets die Gegenwart der Abfassungszeit war, daß hier die Erlebnisgeneration ihre Selbstdarstellung an den Rahmenbedingungen der zeitgenössischen Umgebungsgesellschaft ausrichtete.

Das Gruppengedächtnis als Bindungsgedächtnis Mit Jan Assmann kann man die spezifische Funktion von Erinnerung, eine Gruppe zu einen und ihren Zusammenhalt zu bewahren, auch als Bindungsgedächtnis bezeichnen. Auf der individuellen Seite bindet die Gemeinschaft ihr Mitglied durch eine spezifische Erinnerung an sich, die durch die kollektive Art ihrer Herstellung und Fixierung auch im Wortsinne verbindlich wird. Auf der überindividuellen Seite dient dieser kanonisierte Fundus der Gemeinschaft an kollektiver Erinnerung dazu, die Einheit der Gemeinschaft herzustellen, zu festigen und für die Zukunft sicherzustellen, bindet dementsprechend die Gemeinschaft zusammen. In der frühen Nachkriegszeit war diese Funktion der Heimatbücher durchaus sehr konkret. Es galt, den unmittelbaren Kontakt zwischen Menschen herzustellen, die ja meist weit verstreut wohnten, ihre Gemeinsamkeit aus der gemeinsamen Herkunft und Erfahrung sowie aus dem Interesse an der gemeinschaftlich gepflegten Erinnerung bezogen, sich aber als Gruppe zunächst einmal zusammenfinden mußten.68 Doch auch späterhin war das Heimatbuch eine Art papierener Erinnerungsort. Georg Simmel beschreibt in seiner Soziologie als wichtiges Bindemittel einer räumlich verstreuten Gruppe das Vorhandensein eines zentralen Ortes, in der Regel eines Versammlungshauses. Vielen kleinen Vertriebenengruppen fehlte eine solche „fixierte Örtlichkeit“, die „als Drehpunkt soziologischer Beziehung“ hätte wirken können.69 Das Heimatbuch sollte diese Leerstelle als virtueller Gedenkstein und Versammlungsort füllen helfen.

buches sei, „durch zweifelsfreie geschichtliche Dokumente zu beweisen, daß [die Vorfahren] keine Kolonisten waren, als welche sie selbst Masaryk eingestuft hat.“ U.v.a.m. 67 So in Unter-Tannowitz 1966.2 [SUD], S. 4; Luditz 1971 [SUD], S. 150; Lötzen 1961 [OPR], S. 10; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 8; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 9. 68 Buchau 1950 [SUD], S. 5: „ein Heimatbuch zu schaffen, das durch seinen Inhalt zum Bindeglied für all unsere Landsleute werden soll.“ Benkendorf 1964 [Bess.], S. 6: „daß dieses Heimatbuch den Weg zu unseren verstreuten Landsleuten findet, um trotz aller Trennung über Mauern und Länder hinweg die Verbindung aufrecht zu erhalten.“ Závod 1990 [H\Türkei], S. 13: „Da die [...] zerstreuten Závoder kaum mehr in der Lage sein werden sich noch einmal gemeinsam unter einem Dach wiederzufinden, so soll der Sinn dieses Büchleins sein, daß man sich beim Lesen desselben wenigstens in Gedanken einander nähert.“ 69 Simmel: Soziologie, S. 708.

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Vertriebenenidentität in der Bundesrepublik Diese Gruppenbildung und das mit ihr einhergehende Gefühl der Zusammengehörigkeit und Zugehörigkeit zu einer landsmannschaftlichen Gruppe von Vertriebenen oder zur Gemeinschaft von Vertriebenen aus einem Ort fand, wie bereits im Anschluß an Karl Mannheim aus soziologischer Warte dargestellt,70 erst nach dem Gründungserlebnis der Vertreibung statt. Dies kann angesichts von absurden Konstrukten wie „Die Vertriebenen vor der Vertreibung“71 nicht genug betont werden. Vor der Zwangsmigration im Gefolge des Zweiten Weltkriegs gab es zwar Schlesier, Siebenbürger Sachsen, Ostpreußen usw., qua Geburts- oder Wohnort oder auch qua Zugehörigkeitsgefühl zu einer bestimmten Region, jedoch war die nach 1945 entstehende Identität als Vertriebene fundamental anders als eine zuvor bestehende „normale“ regionale Identität. Schon bald nach dem Einsetzen des Kalten Krieges konnte es nicht mehr um ein Leben im Provisorium in Erwartung einer baldigen Rückkehr gehen, auch wenn Politik und Verbandsfunktionäre oft anders redeten, sondern um eine Neu- und Umdefinition der ehemaligen regionalen Identität zu einer Identität als Vertriebene. Schon die Bezeichnung „Vertriebene“ für die im Westen zu integrierenden Menschen – und nicht etwa „Ostdeutsche“ – zeigt, daß der radikale Bruch durch die Vertreibung das bestimmende Element jeglicher Identitätskonstruktion nach 1945 war und somit jede vorher bestehende regionale Identität zwar nicht annullierte, aber so wesentlich umprägte, daß eine nahtlose Kontinuität ausgeschlossen war.72 In erster Linie waren die Vertriebenen nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik also nicht mehr Schlesier, Sudetendeutsche, Siebenbürger Sachsen usw., sondern Bundesbürger, in bestimmten Kontexten auch „Flüchtlinge“ oder „Vertriebene“, beispielsweise wenn ihre Integration in Frage stand oder ihre Existenz politisch nutzbar gemacht werden sollte. Ihre personale Identität als Vertriebene war auf spezifische Kontexte beschränkt und mitnichten eine essentielle Gegebenheit qua Biographie, sondern das Ergebnis eines aktiven Konstruktionsaktes des Individuums in Wechselwirkung mit seiner sozialen Umwelt, ein Akt bewußter Assoziation mit einer Gruppe. Obwohl jeder einzelne Vertriebene der Erlebnisgeneration den Heimatverlust als biographische Tatsache erlebt hatte, war doch die Assoziation mit einer Gemeinschaft der Vertriebenen ein Vorgang, dem man sich unter- oder auch entziehen konnte. Viele Ver70 Dazu mehr im Kapitel 3.3. 71 So der paradoxe Titel einer jüngeren Publikation: Walter Ziegler (Hg.): Die Vertriebenen vor der Vertreibung. Die Heimatländer der deutschen Vertriebenen im 19. und 20. Jahrhundert. Strukturen, Entwicklungen, Erfahrung. 2 Tle., München: iudicium 1999. 72 Eugen Lemberg konstatierte bereits 1949 die Unmöglichkeit, bruchlos an die Zeit vor der Vertreibung anzuknüpfen: „[Die Vertriebenen] werden die Geschichte ihrer Heimat an der Stelle wieder aufnehmen wollen, an der sie sie seinerzeit verlassen haben. Sie werden sie nach einem Konzept aufbauen, über das die Geschichte längst hinweggegangen ist. Die Geschichte ist aber unerbittlich. Sie läßt nie eine Restauration wirklich gelingen.“ Eugen Lemberg: Die Ausweisung als Schicksal und Aufgabe. Zur Soziologie und Ideologie der Ostvertriebenen [1949], in: Wilfried Schlau (Hg.): Die Ostdeutschen. Eine dokumentarische Bilanz 1945–1995, München: Langen Müller 1996 (Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat; 12), S. 23–56, hier S. 49.



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triebene sind nie Mitglied eines Verbandes, einer Heimatortsgemeinschaft oder ähnlicher Bünde geworden, ob nun aus Desinteresse oder weil sie die politische Ausrichtung der verbandsmäßigen Organisation nicht teilten. Ihre Identität als Vertriebene/r blieb, wenn überhaupt, weitgehend eine individuelle, private, vielleicht am ehesten noch familiäre.73 Die Verbundenheit und Zugehörigkeit zur Gruppe der Vertriebenen – oder auch nur zu einer Gruppe von Vertriebenen aus einem bestimmten Ort – war Ausdruck einer spezifischen Facette der eigenen Identität,74 die genauso eine gewählte Identität darstellte wie die Zugehörigkeit zu einem Skatclub oder Schützenverein. Diese Identität als Vertriebene, als Teil dieser Gruppe, machte sich an ebensolchen Verortungen in Raum und Zeit fest wie sie Pfingsttreffen, Wiederbegegnungsreisen oder Heimatbücher darstellen. Brenda Dale Melendy hat die sich nach 1945 im Laufe der Zeit herausbildende Vertriebenenidentität sehr treffend als „Feiertagsidentität“ bezeichnet, die nur zu bestimmten Anlässen „herausgeholt“ wurde und neben der Identität als Bundesbürger problemlos koexistierte.75 Diese verschiedenen Aspekte von Identität scheinen auf den ersten Blick zu einem Spannungsverhältnis zu führen, waren aber tatsächlich relativ problemlos miteinander vereinbar. Man konnte gleichzeitig Funktionär in einem Vertriebenenverband und kommunalpolitisch aktiv in seiner „neuen“ Heimatgemeinde sein. Man konnte an einem Heimatbuch seiner alten Heimat mitarbeiten und gleichzeitig zum Heimatbuch der neuen Heimat einen Text zur Eingliederung der Vertriebenen am Ort beisteuern, ohne dabei unter Identitätskonflikten zu leiden. Dies entspricht auch der langjährigen Vertriebenenpolitik der Bundesregierungen mindestens bis zur Wiedervereinigung, einerseits die soziale und wirtschaftliche Integration nach Kräften zu betreiben und andererseits eine gesonderte kulturelle Identität der Vertriebenen zu fördern. Indem sie ihre Vertriebenenidentität auf spezifische außeralltägliche Kontexte beschränkten und ansonsten ihre erfolgreiche Eingliederung und ihren wirtschaftlichen Erfolg in der Bundesrepublik betonten, entsprachen die Vertriebenen auf gewisse Weise exakt den Erwartungshaltungen ihrer Umgebungsgesellschaft.76

73 Melendy: In Search of Heimat, S. 77. In der SBZ/DDR fand dies in noch erheblich stärkerem Maße statt, da es dort außerhalb des privaten und familiären Kreises kaum Möglichkeiten gab, die Erinnerung an die verlorene Heimat zu pflegen; Schwartz: Vertriebene. 74 George Herbert Mead hat den Begriff der „elementaren Identitäten“ geprägt, deren Gesamtheit erst die vollständige Identität eines Menschen bildet, George Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Aus dem Amerikanischen von Ulf Pacher und mit einer Einleitung hg. von Charles W. Morris, Frankfurt/M.: Suhrkamp 101995 (zuerst Chicago 1934), S. 177– 271, hier S. 184–186. 75 Melendy: In Search of Heimat, S. 105: „This ‚Sunday-best‘ Heimat was often just that – the day one got the traditional costume out of the mothballs to march in an annual parade or to celebrate holidays.“ 76 Albrecht Lehmann beobachtete im biographischen Erzählen von Vertriebenen die gleiche Reaktion auf diese Erwartungshaltung der bundesdeutschen Gesellschaft; Lehmann: Im Fremden, S. 69.

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5.2.4  Das Heimatbuch als Medium der Tradierung Der zweite zentrale, von Heimatbuchautoren vewendete Begriff – das Heimatbuch als „Vermächtnis“ – verweist auf eine diachrone, in die Zukunft weisende Funktion des Heimatbuchs, die auf die Dauerhaftigkeit der Gruppe ausgerichtet war. Denn die Vertriebenen hatten keineswegs vor, nahtlos in der sie umgebenden Bevölkerung aufzugehen und jede Spur ihrer Identität und spezifischen biographischen Erfahrung verschwinden zu lassen. Im Gegenteil war es ihnen ein wichtiges Anliegen, ihre Erinnerungen und Erfahrungen und damit ihre spezifische Identität an ihre Nachkommen weiterzugeben.

Die Brücke über den „floating gap“ Die Funktion, die in der Begrifflichkeit der Heimatbuchverfasser „Vermächtnis“ genannt wird, kann man mit der Theorie des kulturellen Gedächtnisses als Brücke über den floating gap beschreiben.77 Der floating gap, den man vielleicht in einer einigermaßen adäquaten Übersetzung als wandernden Erinnerungsgraben bezeichnen könnte, markiert die Stelle des Übergangs vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis. Ein Hobbyhistoriker sprach mir gegenüber einmal von der „Altpapierfalle“, die nach seinem Ableben sein mühsam gesammeltes historisches Material bedrohe, wenn seine Erben daran kein Interesse hätten. Der floating gap ist nichts anderes als eine metaphorische Altpapierfalle. Das kommunikative Gedächtnis, das von den Erinnerungen und dem Wissen der Erlebnisgeneration getragen und weitergetragen wird, gelangt mit dem Lebensende der Zeitzeugen an einen neuralgischen Punkt, an dem sich entscheidet, ob, wie und in welcher Form Elemente des kommunikativen (Alltags-)Gedächtnisses zu dauerhaften Bestandteilen des kulturellen Gedächtnisses transformiert werden. Die Aufnahme ins kulturelle Gedächtnis bedeutet immer eine Fixierung, Institutionalisierung, Musealisierung, Festschreibung von Inhalten, Ritualen und Deutungsweisen. Wenn keinerlei Zeitzeugen mehr vorhanden sind, die aus eigenem Erleben und biographischem Wissen Auskunft geben können, verändert sich zwangsläufig die Sicht der Gesellschaft auf ein historisches Ereignis: Es kann nur noch medial, in Schulbüchern, Museen, Feiern und Gedenkstätten Wissen darüber vermittelt werden. All dieses Wissen ist bereits in einer Art und Weise ausgewählt, gefiltert und aufbereitet worden, die es für die Aufbewahrung und Weitergabe mit den Mitteln des kulturellen Gedächtnisses geeignet erscheinen ließ. An der Schwelle vom kommunikativen zum kulturellen Gedächtnis findet dementsprechend ein Auswahl77 Assmann: Gedächtnis, S. 51: „Alle Untersuchungen der ‚Oral History‘ bestätigen, daß auch in literalen Gesellschaften die lebendige Erinnerung nicht weiter als 80 Jahre zurückreicht [...]. Hier folgen dann, durch ein ‚floating gap‘ getrennt, anstelle der Ursprungsmythen die Daten der Schulbücher und Monumente, d.h. die offizielle Überlieferung.“ Der Begriff, den Assmann beim Ethnologen Jan Vansina entlehnte, bezog sich ursprünglich auf rein mündliche Gesellschaften und beschrieb das Phänomen des Abreißens der Überlieferung mit dem Ende der Lebensspanne der Zeitzeugen; vgl. Jan Vansina: Oral Tradition as History, London: James Currey 1985, S. 23.



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prozeß statt, bei dem die Gegenwartsgemeinschaft all die Elemente ausscheidet, die ihr zur Langzeitspeicherung im kulturellen Gedächtnis nicht geeignet erscheinen und umgekehrt all jene Inhalte und Deutungen auswählt, die den Erinnerungsrahmen der Gegenwart, also den gegenwärtigen Bedürfnissen nach Erinnerung an ein nunmehr historisch gewordenes Ereignis entsprechen.78 Damit markiert dieser Übergangspunkt gleichzeitig die Schwelle zum Vergessen, denn was nicht ins kulturelle Gedächtnis aufgenommen wird – sei es ins Speicher-, also zunächst rein archivalische Gedächtnis, oder ins aktuelle Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft – fällt ungespeichert dem Vergessen anheim.79 Der floating gap ist also vor allem ein Abgrund, durch den gewissermaßen – um im Bild zu bleiben – ein Fluß des Vergessens fließt. Dieser Erinnerungsgraben tut sich mit dem Ableben der Erlebnisgeneration auf, und obwohl natürlich die Gedächtnistheorie nicht Standardwissen der Heimatbuchautoren ist, meint die Funktion des „Vermächtnisses“ genau die Überbrückung dieses Erinnerungsgrabens. Zunächst ist die Zielgruppe des Vermächtnisses an Erinnerungen die nächste und übernächste Generation innerhalb der eigenen Familie, denn es steht ja in Frage, ob diese für sich selbst überhaupt eine Identität als Vertriebene in Anspruch nehmen, sich einer Gruppe „der Vertriebenen“ zugehörig fühlen werden. Kinder und Enkelkinder sollen wissen, woher ihre Eltern und Vorfahren stammten, wodurch sie geprägt wurden und welches reiche kulturelle Erbe ihre verlorene Heimat darstellte. Das Wissen, das die Erlebnisgeneration selbst noch über ihre Herkunftsorte hat, soll im Heimatbuch festgehalten werden, um so auch späteren Generationen noch zugänglich zu sein: „Unserer Jugend, die die Heimat nicht mehr bewußt, teils gar nicht mehr erlebte, sollen die Aufsätze, Geschichten, Gedichte und Bilder zeigen, wo ihre Eltern und Voreltern groß geworden sind, was sie geliebt und verehrt haben.“ – „Mögen aber auch die Kinder und Enkel der aus der Heimat Vertriebenen das Buch als ein Dokument ihrer Heimat betrachten und seinen Inhalt weitergeben an die folgenden Generationen, damit die Verbundenheit mit der alten Heimat nicht verlorengeht, sondern auch in der fernen Zukunft erhalten bleibt!“ – „Unsere Generation [...] hat die große Verpflichtung, ihr Wissen und ihre Erfahrung den nachfolgenden Generationen greifbar zu hinterlassen. [...] Für die nachwachsenden Generationen sollte [das Heimatbuch] eine anschauliche Darstellung sein über das Leben und Schaffen ihrer Eltern und Voreltern.“ 80

Hier zeigt sich wiederum, daß aus Sicht der Erlebnisgeneration die Erinnerung an die verlorene Heimat in der Gesamtgesellschaft nicht adäquat repräsentiert, die Weitergabe des spezifischen Wissens, der Erfahrungen und Erinnerungen durch die Gesellschaft somit nicht sichergestellt war und ist. Mit dem Heimatbuch wird ein eigener Speicherort geschaffen, der dieses vom Vergessen bedrohte Wissen archiviert für kommende Generationen. Auch in dieser Hinsicht sind die Heimatbücher ein formativer Text (Assmann), der seine Funktion nicht nur in der Sicherung von Identität und 78 Halbwachs: Gedächtnis, S. 368. 79 Assmann: Gedächtnis, S. 96f. 80 In der Reihenfolge der Zitate: Freystadt 1969 [S-N/S], S. 6; Heiligenbeil 1975 [OPR], S. VI; Saatzig 1984 [OPOM], S. 8.

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Zusammenhalt der Gruppe in ihrer gegenwärtigen Situation sieht, sondern diese Identität in der Generationenfolge sicherstellen soll.81 Von der biographischen Erinnerung macht die Sammlung und Edierung der Erinnerungen, Erfahrungen und des lokalen Wissens der Erlebnisgeneration im Heimatbuch einen Prozeß der Fixierung und Kanonisierung durch, in dessen Verlauf sie vom „biographischen Gedächtnis“ der einzelnen Mitglieder der Gruppe zum „fundierenden Gedächtnis“ der Erinnerungsgemeinschaft wird oder werden soll.82 Die Essenz der Identität der Erlebnisgeneration wird in den Heimatbüchern verschriftlicht, damit Kinder und Enkelkinder sie sich aneignen können. Solcherart mit „Erlebnisgenerationswissen“ ausgestattet, stiegen die nachfolgenden Generationen, idealerweise und in der Denkart der Heimatbuchautoren, zum Status der Erlebnisgeneration auf, um so die Kontinuität der Erinnerungsgemeinschaft über die Erlebnisgeneration hinaus sicherzustellen. Der „Mythos“83 Vertreibung soll den Bruch zwischen Erlebnis- und Bekenntnisgeneration kitten. Das Heimatbuch würde so auch in der Zukunft als formativer Text fungieren und damit die Identität und Geschlossenheit der Gruppe aufrechterhalten. Nebenbei zeigt sich hier die enge Verbindung von Erinnerung und Gruppenidentität, denn die Gründungserinnerung, der formative Text der Vertriebenen muß wirksam an die nächste Generation weitergegeben werden, damit diese sich überhaupt selbst als Vertriebene oder auch nur als deren Nachfahren – statt als „ganz normale Deutsche“ – definiert.

Wandel der Tradierungsfunktion Einige in den ersten Nachkriegsjahrzehnten erschienene Heimatbücher verstanden die Tradierung von Erlebnisgenerationswissen tatsächlich als das, was Albrecht Lehmann anhand der Vertriebenenpublizistik der 1950er Jahre als „Heimweh zu einer Erbkrankheit werden lassen“ bezeichnet hat.84 Die Weitergabe der Erinnerung sollte Heimatliebe zu einem Ort bewirken, an den die Kinder sich nicht erinnern konnten oder den sie nie gesehen hatten, also eine artifizielle Sozialisation der nachfolgenden Generation bewirken, ganz als ob diese noch in der alten Heimat aufgewachsen sei. Diese auf Dauer sowohl unrealistische als auch grausame Vorstellung war der deutschlandpolitischen Linie der Verbände – „Recht auf Heimat“ verstanden als 81 Lehmann: Im Fremden, S. 79, beschreibt Ähnliches für das mündliche Erzählen in Familien, die durch die Vertreibung erhebliche Statusverluste erlitten hatten: „Das Erzählen über die verlorene Heimat in Flüchtlingsfamilien mit ehemals großem Besitz im Osten trägt oft dazu bei, die Familie als Gruppe über den Verlust an Besitz und Geltung hinweg stabil zu halten. Gemeinsames Erinnern kann ein solidarisierendes Bewußtsein von Geschichte bei den Nachkommen wecken [...].“ 82 Zu biographischem und fundierendem Gedächtnis Assmann: Gedächtnis, S. 51f. 83 Assmann: Gedächtnis, S. 78: „‚Heiße‘ Erinnerung, die nicht lediglich die Vergangenheit ausmißt als Instrument chronologischer Orientierung und Kontrolle, sondern die aus dem Bezug auf Vergangenes die Elemente eines Selbstbildes sowie Anhaltspunkte für Hoffnungen und Handlungsziele gewinnt, haben wir ‚Mythos‘ genannt. Mythos ist der (vorzugsweise narrative) Bezug auf die Vergangenheit, der von dort Licht auf die Gegenwart und Zukunft fallen läßt.“ 84 Lehmann: Im Fremden, S. 78f.



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Rückkehrrecht, kein Verzicht auf die Ostgebiete, keine Anerkennung des Status quo85 – bis in die 1990er Jahre hinein geschuldet und sollte im Grunde genommen eine politische Sozialisation der nächsten Generation sein. Über diese künstliche Heimatliebe sollten die nicht mehr selbst vertriebenen Nachkommen in die politischen Ziele der Vertriebenenverbände eingeübt werden, um später die Aufgaben der Erlebnisgeneration übernehmen zu können. Zum Teil verlieh man dieser Einübung schon quasireligiöse Züge: „Hast Du dieses Büchlein bis hierher gelesen und Deine Erinnerungen [...] aufgefrischt, so nimm Deine Nachkommen her, besonders die jüngsten, die das alles nicht mehr miterlebt haben, lies ihnen jene Abschnitte vor, die Dir besonders bemerkenswert erscheinen, und ergänze sie noch durch eigene Erlebnisse. Du aber, junger Leser, stelle immer wieder Fragen an Deine Eltern und Großeltern über jene Dinge und Begebenheiten, die Dir fremd und ungewohnt sind, daß auch Du einmal dieses Wissen um Deinen alten Heimatort an Deine Nachkommen weitergeben kannst. [...] Denn niemand nach uns wird unsere verlorene Heimat wieder in Besitz nehmen können, wenn wir versagen und nicht selbst hiezu [!] bereit sind und auch unseren Nachkommen diese Liebe zur alten Heimat ins Herz pflanzen.“86

Daß die Formel von der Heimatliebe in der zweiten Generation der politischen Rhetorik und Zielsetzung der Verbände entstammte, die zwar lange Zeit eine Revision der deutschen Nachkriegsgrenzen, aber niemals eine eventuelle Rückkehr der „Volksdeutschen“ aus Polen und Südosteuropa in ihre ehemaligen Siedlungsgebiete beinhaltete, sieht man deutlich an der Auffassung dieser Tradierungsfunktion in südosteuropadeutschen Werken. Dort wurde und wird die Weitergabe von Wissen und Erinnerung der Erlebnisgeneration an Kinder und Enkelkinder stets nur als Vermittlung einer historischen Kontinuität verstanden und nie, wie in „reichsdeutschen“ Heimatbüchern der gleichen Zeit, als Mittel zur Erzeugung von Heimatliebe zu einem unbekannten Land.87 Tatsächlich wandelten sich Hoffnungen und Wünsche, die die Heimatbuchautoren in Bezug auf die Rezeption in der nächsten Generation mit ihren Werken verbanden, im Laufe der Jahre hin zu realistischeren Zielen. Auch „reichsdeutsche“ Werke sprachen in den 1970ern nicht mehr davon, daß Kindern und Enkeln unbedingte Liebe zur fernen Heimat ihrer Eltern eingepflanzt werden müsse, damit sie eines Tages dorthin 85 Dazu z.B. Matthias Stickler: Die deutschen Vertriebenenverbände – Interessengruppen mit gesamtnationalem Anspruch, in: Flucht, Vertreibung, Integration. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Bonn [...], Bielefeld: Kerber 2006, S. 144–155, hier S. 147 u.ö. 86 Guldenfurth 1966 [SUD], S. 260. 87 Benkendorf 1964 [Bess.], S. 6: „Möge nun diese Schrift mithelfen, unsere Jugend mit der Vergangenheit ihrer Vorfahren vertraut zu machen.“ Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 5: „[Das Heimatbuch soll] den jüngeren zeigen und ins Herz schreiben, aus welcher Welt ihre Väter und Mütter kommen und wo die Kräfte der Lebensbewältigung ihrer Vorfahren wurzeln.“ Sarata 1979 [Bess.], S. 7: „Das Heimatbuch [...] möchte unserer Jugend, unseren Kindern und Kindeskindern, eine Brücke zur Heimat ihrer Eltern schlagen und das Interesse an der Heimatgeschichte wecken.“ Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 214: „[Das Heimatbuch wird] die Nachkommen [...] interessieren und ihnen ihre Herkunft zeigen, welche zu wissen zum Schlagen neuer Wurzeln wichtig ist!“

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zurückkehren könnten. An die Funktion der Tradierung von Wissen und Erinnerung wurden jedoch immer noch politische Forderungen geknüpft und den nachfolgenden Generationen aufgebürdet, wie zum Beispiel die beschriebene Kritik an der „öffentlichen Meinung“, der eine „wahrheitsgemäße“ Geschichte entgegengesetzt werden müsse, oder der „Kampf“ für ein „Recht auf Heimat“.88 An die Stelle der individuellen Sozialisation trat die politische Sozialisation, eine Einschwörung auf die politische Linie der Verbände. Doch auch diese Aufgabe scheint von den Nachfahren nicht im gewünschten Sinne wahrgenommen worden zu sein. Solche Formulierungen in den Heimatbüchern bleiben bloße Appelle und bringen mit fortschreitender Zeit eine gewisse Verzweiflung zum Ausdruck, die auf den ausbleibenden Erfolg hinweist.89 Selbst ganz grundlegendes Wissen über die Herkunftsorte der Eltern scheint bei den Kindern schon in den 1970er Jahren nur noch wenig vorhanden gewesen zu sein, denn auch diesbezüglich sprechen die Autoren immer wieder davon, daß dieses Wissen durch das Heimatbuch erst geschaffen werden solle.90 Die Bemühungen, in dieser Richtung etwas bei Kindern und Enkeln zu bewirken, scheinen von wenig Erfolg gekrönt gewesen zu sein. Man liest sogar, die Kinder wärfen eines Tages vielleicht auf den Müll, was ihren Vorfahren so wichtig war.91 Die Autoren ahnten, daß auch eine Verschriftlichung ihre Erinnerung nicht in jedem Fall vor der Altpapierfalle retten würde. So ist spätestens ab 1990 eine weitere Anpassung der mit dem Heimatbuch angestrebten Ziele an die Realität zu beobachten, die angesichts der politischen Wende im Ostblock, aber auch wegen des bei den eigenen Kindern offenbar weiterhin geringen Interesses überfällig schien. Ab diesem Zeitpunkt wird in den Werken der Gedanke einer den Nachkommen zu vermittelnden historischen Kontinuität immer stärker, wie ihn die „volksdeutschen“ Werke schon seit den 1950ern vertraten. Es geht nun nicht mehr darum, die Nachkommen auf politische Aufgaben einzuschwören, sondern ihnen allein ein wenig Wissen über die Wurzeln der eigenen Familie mitzugeben. Nur einige sudetendeutsche Werke knüpften noch immer die alten politischen Ziele an das Heimatbuch.92 88 Cammin 1970 [OPOM], S. IX: „Dies Buch ist daher auch ein Mittel, um ein Erbe weiterzureichen, das Gewalttat zu entreißen droht.“ Zwittau 1976.2 [SUD], S. 5: „Dieses Heimatbuch soll [...] nachkommenden Geschlechtern Denkmal einer vielhundertjährigen deutschen Kulturleistung sein, und damit gleichzeitig ein Mahnmal und eine immerwährende Aufforderung, das mit Gewalt und unter Mißachtung aller Menschenrechte geraubte Ahnenerbe zu erhalten.“ Klein Tajax 1999 [SUD], S. 8: „Möge allen Erwerbern dieses Buches dessen Weitergabe an Kinder und Enkel ein besonderes Anliegen sein, damit auch sie die Wahrheit über das Unrecht der Vertreibung kennen und verfechten, damit den Lügen, welche die begangenen Verbrechen vertuschen oder zu verharmlosen suchen, kein Raum und Gehör gegeben sei.“ 89 Kroitsch 1973 [S-N/S], S. 2: „[Die Jugend] soll erkennen, daß das in so langer Zeit Erworbene und in vielen Generationen Gewachsene nicht vergessen oder gar aufgegeben werden darf.“ 90 Christianstadt 1968 [OBR], S. 100; Benkendorf 1964 [Bess.], S. 6; Freystadt 1969 [S-N/S], S.  6; Waissak 1973 [S-O/S], S. VIII; Sarata 1979 [Bess.], S. 7; Saatzig 1984 [OPOM], S. 420; Kreibitztal 1985 [SUD], S. 5. 91 Karwen 1990 [OPOM], S. 7: „Den Nachkommen erscheint manches nicht so wichtig und verschwindet eines Tages auf dem Müll. Deshalb galt es das noch Vorhandene festzuhalten und zu bewahren.“ 92 Klein Tajax 1999 [SUD], S. 8.



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In den Werken der letzten zehn Jahre ist fast nur noch die Rede davon, überhaupt Informationen über die Herkunft der Eltern und Großeltern an die offenbar beharrlich unwissenden und desinteressierten Nachkommen weiterzugeben.93 Teilweise verschwindet die Familie auch als Ansprechpartner aus den Werken, und der Zweck des Heimatbuchs wird rein archivalisch gesehen, als Speicherort von Erinnerung mit unbestimmtem Adressaten. Auf Kinder und Enkel scheint den Autoren weiterhin nur wenig Verlaß gewesen zu sein, die Erzählsperre zwischen den Generationen erwies sich also als extrem langlebig. Interessant ist der gewählte Begriff „Vermächtnis“ als Funktionszuschreibung des Heimatbuchs auch, weil im Alltagssprachgebrauch ein Vermächtnis erst nach dem Tode des Betreffenden wirksam wird. Ohne daß dies in der Regel explizit formuliert würde, wurden die Heimatbücher als ideeller Nachlaß der Erlebnisgeneration konzipiert, als das, was von ihren Erinnerungen und Erfahrungen und der damit verbundenen spezifischen Identität und historischen Prägung nach dem Tod der Zeitzeugen erhalten bleiben sollte. Die Heimatbücher sind somit ein schriftlicher Versuch, die Erzählsperre zwischen den Generationen zu überwinden – wenn nötig zeitverzögert erst nach dem Verschwinden der Erlebnisgeneration. Wenn die Weitergabe zu Lebzeiten der Erlebnisgeneration nicht funktionierte, so sollte das Heimatbuch durch seine Speicherfunktion den Kindern und Enkeln doch die Möglichkeit geben, sich die Erinnerung ihrer Eltern und Großeltern auch nach deren Tod noch anzueignen. Aus den Werken auch der letzten Jahre spricht damit immer noch die vage Hoffnung, daß die zweite oder dritte Generation, vielleicht unter veränderten Bedingungen, sich selbst als Erbe dieses Vermächtnisses begreifen und eine Verankerung dieser spezifischen Erinnerung im kulturellen Gedächtnis der Gesamtgesellschaft bewirken möge. Die Heimatbücher würden damit zur Brücke über den floating gap. Angesichts der verzweifelten Appelle an die Nachkommenschaft, sich doch für die Geschichte der Heimat ihrer Vorfahren zu interessieren, erscheinen sie manchmal mehr als Flaschenpost, die mit unbekanntem Empfänger ins Meer geworfen wird.

Tradierung von Vertriebenenidentität? Hinsichtlich der angestrebten Weitergabe einer spezifischen Identität stellt sich natürlich die Frage, wie diese in der zweiten oder gar dritten Generation aussehen könnte. Die Tradierung, die sich die „reichsdeutschen“ Heimatbücher bis in die 1970er hinein vorstellten, eine Sozialisation, als seien auch die Kinder noch in der alten Heimat geboren und aufgewachsen, konnte in der Realität nur erfolglos bleiben. Auf der 93 Ebd.: „Eine besondere Genugtuung wäre es mir, wenn es mir gelungen sein sollte, auch den nachfolgenden Generationen ein positives Bild von der Heimat ihrer Vorfahren zu zeichnen [...].“ Die Vermittlung eines solchen „positiven Bildes“ an Kinder und Enkel schien wohl besonders schwierig. Obernigk 1996 [S-N/S], S. 296: „Allen, die Obernigk nicht kennen, vornehmlich den Kindern und Kindeskindern, der Vertriebenen, [sic] soll das Buch von der Geschichte berichten und die Schönheiten [des Ortes] zeigen [...].“ Kinder und Kindeskinder zählen hier zur Gruppe derjenigen, die den Ort nicht kennen.

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Ebene der Weitergabe einer Gruppenidentität als Vertriebene könnte man vielleicht das Phänomen der „Bekenntnisgeneration“ als erfolgreiche Tradierung bezeichnen. Dieser Begriff hat sich zur Bezeichnung jener Verbandsfunktionäre eingebürgert, die selbst nicht mehr in den betreffenden Regionen geboren wurden, sich aber der Arbeit der Verbände und den historischen Landschaften zugehörig fühlen und dort engagieren, also ungeachtet ihrer fehlenden biographischen Vertreibungserfahrung eine Identität als Vertriebene angenommen haben.94 Es ist jedoch fraglich, ob die Angehörigen der Bekenntnisgeneration tatsächlich eine Vertriebenenidentität annehmen oder nicht doch in erster Linie die politische Ausrichtung der Verbände teilen. Zahlenmäßig handelt es sich bei der Bekenntnisgeneration sicherlich um eine kleine Minderheit. Auf der Ebene individueller Identität könnte eine – wohl weitaus schwächere – Vertriebenenidentität in zweiter oder dritter Generation beispielsweise ein familiär begründetes Interesse für Herkunft und Erfahrungen der Eltern und Großeltern und für die Regionen bedeuten, aus denen die eigene Familie stammt. Unter all den Identifikationsangeboten, die die umgebende Gesellschaft und die eigene Familie bieten, würden die Kinder und Enkel in einem Prozeß aktiver Aneignung eine Facette der Familienbiographie auswählen, die einen Aspekt ihrer eigenen Identität mit der Erfahrung der Zwangsmigration und Herkunft aus einer heute nicht mehr deutschen Region verbindet. Möglicherweise bereisen sie dann die Orte, an denen ihre Familie gelebt hat, betreiben Familienforschung, pflegen Traditionen, die an die familiäre Herkunft erinnern, engagieren sich für einen interkulturellen Dialog mit den östlichen Nachbarländern oder sind allgemein sensibler für die Thematik des gewaltsamen Heimatverlusts. Im Idealfall, im Sinne der Intentionen der Heimatbuchautoren, läsen sie dabei die Heimatbücher, an denen ihre Eltern- und Großelterngeneration mitgewirkt hat, weil sie mehr über deren alte Heimat erfahren möchten. Die Tradierungsfunktion des Heimatbuches im Sinne einer Vermittlung historischer Kontinuität hätte auf diesem Wege ihr Ziel erreicht. Ganz grundsätzlich kann nicht genug betont werden, daß es eine tatsächliche Kontinuität der Gruppe der Vertriebenen per definitionem nicht geben kann. „Bekenntnisgeneration“ mag ein griffiges Schlagwort sein, jedoch werden die nicht mehr physisch vertriebenen Nachkommen sich nicht einmal in einem elementaren Bestandteil ihrer Identität95 als Vertriebene definieren.96 Im Grunde kann es nur darum gehen, das Gedächtnis und kulturelle Erbe der Vertriebenen und ihre Gruppenidentität in nachfolgenden Generationen zu etwas Neuem umzuformen – zu einem Interesse an Her94 Maruška Svašek: Gewähltes Trauma. Die Dynamik der erinnerten und (wieder-)erfahrenen Emotion; in: Elisabeth Fendl (Hg.): Zur Ikonographie des Heimwehs. Erinnerungskultur von Heimatvertriebenen, Freiburg: Johannes-Künzig-Institut für ostdeutsche Volkskunde 2002 (Schriftenreihe des Johannes-Künzig-Instituts; 6), S. 55–78. Svašek nutzt den von dem Psychologen Vamik Volkan geprägten Begriff des „gewählten Traumas“ zur Bezeichnung der Identitätsaneignung ohne eigene traumatische Erfahrung. 95 Mead: Geist, Identität und Gesellschaft, S. 184–186. 96 Auch wenn der Gesetzgeber diese Möglichkeit ausdrücklich vorgesehen hatte. Nach Streichung von § 7 gilt dies gemäß BVFG § 2 Absatz 2 heute nur noch für die erste Generation nach der Vertreibung.



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kommen und Familiengeschichte etwa oder einem Interesse für die betreffenden historischen Landschaften, möglicherweise sogar zu einem Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses der Gesamtgesellschaft. Ein tatsächliches Weiterbestehen der Gruppe ist jedoch über die Lebensspanne der Erlebnisgeneration hinaus nicht realistisch. Auch wenn die Vertriebenen in ihren Heimatbüchern dieses Ziel formulieren, muß man sich vergegenwärtigen, was eine solche Weiterexistenz der Gruppe in nachfolgenden Generationen bedeutet hätte: das Scheitern der Integrationsbemühungen, die intergenerationelle Vererbung traumatischer biographischer Erfahrungen einer nicht wirklich angekommenen und angenommenen Sondergruppe über die Lebenszeit der Betroffenen hinaus, also die Vererbung eines, wie Lehmann formuliert, „ungesunden“ Zustands der Deprivation. Studien über Vertriebenenintegration zeigen, daß bereits bei den unmittelbar Betroffenen der Integrationsgrad in der Gesellschaft der Bundesrepublik nach einigen Jahren ausreichend hoch war, um sich selbst in erster Linie als Mitglied der bundesdeutschen Gesellschaft zu verstehen.97 Nach ihrem sozialen Status und dem Grad der Zugehörigkeit zur Gesellschaft gibt es mindestens für die im Westen Geborenen kaum Gründe, eine Sonderidentität als Vertriebene von ihren Eltern zu übernehmen.98 Leider ist bis heute kaum erforscht, wie sich in der zweiten und dritten Generation ein solcher „Zwangsmigrationshintergrund“99 auswirkt, ob und wie Kinder und Enkel die Vertreibung in ihre eigene Identität integrieren. Beim Boom des Themas Vertreibung in Medien und Belletristik seit der Wiedervereinigung läßt sich besonders in den letzten fünf bis zehn Jahren beobachten, daß zahlreiche jüngere Autoren, die aus Vertriebenenfamilien stammen, sich in ihren Werken anhand ihrer Familiengeschichte intensiv mit dem Thema – ob autobiographisch oder fiktionalisiert – auseinandersetzen. Diese Autoren sind durchweg jünger als die 68er-Generation (Thomas Medicus, Olaf Müller, Petra Reski, Dagmar Leupold, Hans-Ulrich Treichel)100, schon der zweiten Generation nach der Vertreibung 97 Everhard Holtmann: Flüchtlinge in den 50er Jahren. Aspekte ihrer gesellschaftlichen und politischen Integration, in: Axel Schildt und Arnold Sywottek (Hg.): Modernisierung im Wiederaufbau. Die westdeutsche Gesellschaft der 50er Jahre. Ungekürzte, durchges. und aktualisierte Studienausgabe, Bonn: Dietz 1998, S. 349–361, hier 355–358; Melendy: In Search of Heimat, S. 116f. 98 1959 sprach Eugen Lemberg von der „sich [...] abzeichnende[n] Selbstauflösung der Vertriebenen als Sondergruppe oder eines Systems von landsmannschaftlichen Sondergruppen“, Eugen Lemberg: Völkerpsychologische und weltgeschichtliche Aspekte, in: Lemberg/Edding: Die Vertriebenen, Bd.  III, S. 578–595, hier S. 590. 99 Analog zum „Migrationshintergrund“, dem von Soziologen für die zweite und dritte Generation der Migrantenfamilien geprägten Begriff. 100 Hans-Ulrich Treichel: Der Verlorene, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998 thematisiert den Verlust des älteren Bruders auf der Flucht der Eltern aus Ostpreußen und die Folgen für das Familienleben. Treichel (Jg. 1952) verarbeitet hier autobiographische Erfahrungen. Petra Reski (Jg. 1958): Ein Land so weit, München: List 2000, schildert eine heiter-melancholische Entdeckungsreise nach Ostpreußen auf den Spuren der Familiengeschichte. Fiktionalisiert bearbeitete auch Olaf Müller (Jg. 1962) das Thema Spurensuche (Schlesisches Wetter, Berlin: Berlin Verlag 2003). Thomas Medicus’ dokumentarischer Roman (In den Augen meines Großvaters, München: DVA 2004) setzt sich mit der eigenen Familiengeschichte und, wie der Titel sagt, der Großelterngeneration auseinander. Dagmar Leupolds

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zugehörig (Tanja Dückers)101 oder in der DDR aufgewachsen, wo Vertreibung und die ehemaligen deutschen Ostgebiete tatsächlich ein Tabuthema waren (Christoph Hein, Reinhard Jirgl, der Dokumentarfilmer Volker Koepp)102. Sie entwickeln eine ganz andere Perspektive auf die Erlebnisse und Herkunftsheimat ihrer Familie als noch die 68er, für die die Rolle der Elterngeneration im Nationalsozialismus im Vordergrund stand. Ebenso ist ihr Zugang zum Thema gänzlich verschieden von dem der Erlebnisgeneration, für die diese Landschaften prägender Bestandteil der eigenen Biographie waren (Günter Grass, Arno Surminski, Siegfried Lenz). Die Autoren der zweiten oder dritten Generation entdecken für sich den Osten Europas, und nicht nur dessen ehemals deutsche Regionen, im Zuge der Beschäftigung mit der eigenen Familienbiographie. Häufig wird die literarische und künstlerische Auseinandersetzung entlang von Reisen an die historischen Schauplätze entwickelt. So gerät sie auch zur literarischen respektive filmischen Kartographie der Landschaften Osteuropas und zur Beschäftigung mit deren Sprache, Kultur, Geschichte und Gegenwart. Anders auch als die Konjunktur des Themas in den Medien, man denke nur an die Guido Knopp’schen Histotainment-Produktionen, interessiert sich diese jüngere Generation nicht nur für die Vertreibung als isoliertes traumatisches Ereignis, sondern für die komplexe Geschichte und Gegenwart der Regionen, aus denen Eltern und Großeltern stammen. Gleichzeitig ist bei diesen Entdeckungsreisen häufig die NS-Vergangenheit auch der eigenen Familie ein unlösbarer Teil der Familienbiographie.103 Es wird nicht, wie anläßlich der Debatte um das vom BdV geplante „Zentrum gegen Vertreibungen“ oft kritisiert, durch Ausblendung der historischen Kontexte versucht, die Deutschen endlich auch als „Teil der internationalen Opfergemeinschaft“ zu etablieren,104 sondern der Blick weitet sich auf die Kulturräume Ostmitteleuropas,

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(Jg. 1955) semi-dokumentarischer Roman (Nach den Kriegen. Roman eines Lebens, München: Beck 2004) versucht, das Leben des Vaters zu rekonstruieren. Tanja Dückers: Himmelskörper. Roman, Berlin: Aufbau 2003. Reinhard Jirgl: Die Unvollendeten. Roman, München, Wien: Hanser 2003; Christoph Hein: Landnahme. Roman, Frankfurt/M.: Suhrkamp 2004. Sowohl Hein (geb. 1944 in Heinzendorf/Schlesien [poln. Jasienica], aufgewachsen in Bad Düben) als auch Jirgl (geb. 1953 in Ostberlin) stammen aus Vertriebenenfamilien, hatten sich jedoch bis dato in keiner Weise mit dem Thema beschäftigt. Bezeichnenderweise handeln beide Werke von der Zeit nach 1945, dem Ankommen oder eben NichtAnkommen der Vertriebenen in ihrer „neuen Heimat“. Der 1944 in Stettin geborene und in der DDR aufgewachsene Dokumentarfilmer Volker Koepp bearbeitete nach einem frühen Ostpreußen-Film für die DEFA („Grüße aus Sarmatien für den Dichter Johannes Bobrowski“, DDR 1972/73) das kulturelle Erbe Ostmitteleuropas aus vielfältiger Perspektive: der jüdischen („Herr Zwilling und Frau Zuckermann“, D 1999; „Dieses Jahr in Czernowitz“, D 2004/05), der der alten deutschen und der heutigen Bevölkerung („Kalte Heimat – Leben im nördlichen Ostpreußen“, D 1995; „Kurische Nehrung“, D 2001; „Pommerland“, D 2004/05; „Schattenland – Reise nach Masuren“, D 2005; „Holunderblüte“, D 2007) sowie unterschiedlicher Generationen („Söhne“, D 2007). So bei Dückers: Himmelskörper; Medicus: Augen meines Großvaters; Leupold: Nach den Kriegen. Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld. Anmerkungen zu Funktion und Intention der neuen Debatte um Flucht und Vertreibung, in: Freitag Nr. 18 vom 26.04.2002, sowie ders.: Geschichtspolitik in den Medien: Die Kontroverse um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 51 (2003), S. 1120–1130, hier S. 1123–1125.



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die in der alten BRD und auch im wiedervereinigten Deutschland großenteils Terra incognita geblieben sind. Insofern findet hier genau das statt, was sich die Heimatbuchautoren als Wirkung ihrer Werke wünschten, eine Wiederaneignung der historischen Kulturlandschaften, die Eltern und Großeltern geprägt haben, durch die Kinder- und Enkelgeneration, und deren (Re-)Integration in deren eigene Identität. Diese Kinder und Enkel sind, wie es ein Heimatbuch formuliert, auf der Suche danach, „aus welcher Welt ihre Väter und Mütter kommen und wo die Kräfte der Lebensbewältigung ihrer Vorfahren wurzeln.“105 In anderen Worten wollen sie, wie der Autor Thomas Medicus das Movens seiner Familienrecherche faßt, sich „Aufklärung verschaffen [...], über meinen Großvater, meine Herkunft, über mich selbst.“106 Ausgangspunkt dieser Recherches du grand-père perdu ist oft das diffuse Wissen um eine Familiengeschichte von großer Bedeutung und Auswirkung, die den Kindern und Enkeln aber nur andeutungsweise bekannt ist und nicht als vollständige Erzählung an die nachfolgenden Generationen weitergegeben wurde. Das daraus resultierende Gefühl, daß ein auch für die eigene Persönlichkeit prägender Strang der Familiengeschichte einem selbst nur in rätselhaften Fragmenten bekannt ist, wird zum Antrieb der Recherchen und des Schreibens: „Die meiste Zeit meines Lebens hatte ich nichts davon geahnt, daß ostelbische Landschaften in mir abgelagert waren wie Flöze. Seit meiner Kindheit trug dieser Osten Namen. Kolberg, Rügenwalde, Stolp, Stolpmünde, Belgard. Für mich waren das nie Namen von Orten gewesen, die ich auf einer Karte hätte nachschlagen oder die ich sogar hätte aufsuchen können. Es waren immer nur Klänge gewesen, Klänge, von Kindheit an rätselhaft vertraut und geheimnisvoll. Ich besaß eine Erinnerung an den Osten, ohne daß ich ihn je besucht hätte. Ich erinnerte mich an ihn wie an etwas, von dem ich nicht verstand, daß es überhaupt existierte.“107

Schreibend wird so die durch die Erzählsperre zwischen den Generationen ausgeklammerte Herkunft und Erfahrung der Eltern und Großeltern in die eigene Biographie reintegriert, befördert durch einen allgemeinen Trend der literarischen Spurensuche der Enkel, der ganz unabhängig davon stattfindet, auf welcher „Seite“ die Großelterngeneration stand, Opfer, Täter, Mitläufer oder „ganz normale Deutsche“ war.108 Doch die Autoren der zweiten und dritten Generation gehen weit über die Vorstellung noch der Heimatbuchschreiber von intergenerationeller Vermittlung eines Kulturerbes hinaus, indem sie sich nicht nur mit der deutschen Vergangenheit, sondern ebenso und teils 105 106 107 108

Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 5. Medicus: Augen meines Großvaters, S. 144. Ebd., S. 13f. Hier wären beispielsweise Wibke Bruhns Beschäftigung mit ihrem Großvater, im Ersten Weltkrieg in der Verwaltung an der Ostfront eingesetzt, und ihrem Vater, einem hingerichteten Mitglied der Widerstandsgruppe des 20. Juli, zu nennen (Wibke Bruhns: Meines Vaters Land. Bilder einer deutschen Familie, München: Econ 2004) oder Monika Marons Rekonstruktion des Schicksals ihrer jüdischen Großeltern und den Ursachen des Beschweigens der in der Shoah gestorbenen Großeltern in ihrer in der DDR lebenden Familie (Monika Maron: Pawels Briefe. Eine Familiengeschichte, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1999). Allen diesen Werken ist gemeinsam, daß sie gleichsam die Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand der Biographie einer einzigen Familie auffächern.

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noch mehr mit der polnischen, tschechischen, rumänischen109 etc. Gegenwart dieser Regionen befassen. Statt des wehmütigen Blicks zurück in die Vergangenheit, wie er den Heimatbüchern eigen war, oder der unerbittlichen Vergangenheitsbewältigung der 68er, steht bei diesen Autoren die Gegenwart im Mittelpunkt, was einen kritischen Umgang mit der Vergangenheit jedoch keineswegs ausschließt. Gleichzeitig findet seit einigen Jahren interessanterweise auch in Polen und Tschechien ein Prozeß der Aneignung deutschen Kulturerbes in Ostmitteleuropa statt, der die Vertreibung der Deutschen nicht ausspart. Man könnte sagen, daß hier die deutsche Vergangenheit mindestens ins regionale Gedächtnis ehemals deutsch besiedelter Regionen zurückgeholt und das Gedächtnis und deutsche Kulturerbe der Region wieder dort verankert wird, wo es entstanden ist, ungeachtet nationaler Zugehörigkeiten.110 Die Akteure in diesem Prozeß beispielsweise in Polen sind in ähnlichem Alter wie ihre deutschen Kollegen auf der Suche nach der Familiengeschichte. Dazu gehören die Danziger Autoren Stefan Chwin (Jg. 1949) und Paweł Huelle (Jg. 1957), die das deutsche Danzig und das polnische Gdańsk zu einem literarischen Ganzen vereinen, ebenso wie die Schlesierin Olga Tokarczuk (Jg. 1962), die in ihren Texten Sudetenschlesien in eine schon mythische Landschaft verwandelt,111 aber auch der Breslauer Marek Krajewski (Jg. 1966), dessen Krimis im deutschen Breslau vor 1945 spielen und in Polen die Gattung des Stadtkrimis erst begründet haben, durch ihre historische Ortskenntnis bestechen und in Polen und in Deutschland gleichermaßen Bestseller sind.112 In Tschechien findet die Aneignung der deutschen Spuren im Land auch in der Literatur, vor allem aber im Medium Fotografie statt. Am bekanntesten sind die Projekte der Gruppe Antikomplex, deren Ausstellung Smizelé Sudety – Das verschwundene Sudetenland (zuerst 2002 in Prag) historische Fotografien mit aktuellen Aufnahmen derselben Orte kontrastierte. Die Ausstellung war so erfolgreich, daß sie in zahlreichen europäischen Städten gezeigt wurde, mehrere Folgeprojekte in ehemals deutsch (mit-) besiedelten Regionen Tschechiens inspirierte und das Begleitbuch mittlerweile in 109 Da bis in die 1990er Jahre Südosteuropadeutsche als Spätaussiedler ihre Heimat verließen, behandelt meist nur die Erlebnisgeneration das Thema. Hier sind rumäniendeutsche Autoren durch ihre Literaturtradition am stärksten vertreten, wie Oskar Pastior, Herta Müller, Richard Wagner, William Totok, Rolf Bossert, Eginald Schlattner, um nur einige zu nennen. 110 Exemplarisch zeigt diesen schwierigen Aneignungsprozeß für Breslau/Wrocław Thum: Die fremde Stadt. 111 Stefan Chwin: Hanemann, Gdánsk: Marabut 1995 [dt. Tod in Danzig. Roman, Berlin: Rowohlt Berlin 1997]; Paweł Huelle: Pierwsza miłość i inne opowiadania, London: Puls Publications 1996 [dt. Silberregen. Danziger Erzählungen, Berlin: Rowohlt Berlin 2000]; Olga Tokarczuk: Dom dzienny, dom nocny, Wałbrzych: Ruta 1999 [dt. Taghaus, Nachthaus, Stuttgart: DVA 2001] u.v.a.m. 112 Die Reihe um den Kriminalrat Eberhard Mock umfaßt mittlerweile fünf Bände: Marek Krajewski: Śmierć w Breslau, Wrocław: Wydawnictwo Dolnośląskie 1999 [dt.: Tod in Breslau, München: btb 2002]; Koniec świata w Breslau, Warszawa: W.A.B. 2003 [dt. Der Kalenderblattmörder, München: dtv 2006]; Widma w mieście Breslau, ebd. 2005 [dt. Gespenster in Breslau, München: dtv 2007]; Festung Breslau, ebd. 2006 [dt. Festung Breslau, München: dtv 2008]; Dżuma w Breslau, ebd. 2007 [dt. Pest in Breslau, München: dtv 2009].



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sechster, stets erweiterter Auflage vorliegt.113 Die beteiligten Fotografen und Mitglieder von Antikomplex gehören durchweg der – von der Erlebnisgeneration des Zweiten Weltkriegs aus gerechnet – Enkelgeneration an, sind also meist in den 1970er Jahren geboren. Ihre sensible Bestandsaufnahme der Veränderung von Orten und Landschaften in den Randgebieten Tschechiens hat im Land eine breite Diskussion über die Folgen der Vertreibung der Deutschen ausgelöst.114 So findet eine Wiederaneignung der deutschen Geschichte der entsprechenden Regionen zwar in einem bestimmten Rahmen statt, in Deutschland wie gezeigt in der Literatur durch jüngere Autoren mit familiärem „Zwangsmigrationshintergrund“, in ehemals deutschen Regionen Polens durch Autoren ähnlichen Alters, die meist schon in der „neuen Heimat“ geboren wurden, die regionale Geschichte nicht mehr nur national begreifen und die deutsche Vergangenheit ins regionale Gedächtnis reintegrieren wollen, in Tschechien vor allem durch junge Künstler und Fotografen. Damit kehrt gewissermaßen die deutsche Geschichte der Orte und Regionen an ihren Ursprungsort zurück, über nationale Grenzen hinweg. Für beide Prozesse der Wiederaneignung spielen jedoch die Heimatbücher der Vertriebenen keine nennenswerte Rolle. Teilweise werden Heimatbücher beispielsweise in Polen von Regional- und Lokalhistorikern rezipiert, jedoch geschieht dies aufgrund der Sprachbarriere nur in Spezialistenkreisen. Vereinzelt werden Heimatbücher auch in die Landessprachen

113 Petr Mikšíček u.a. (Bearb.), Gruppe Antikomplex: Zmizelé Sudety. Das verschwundene Sudetenland, Domažlice: Český Les 2003; 2. Aufl. ebd. 2003, 3. überarb. u. erw. Aufl. ebd. 2004, 4., erw. Aufl. ebd. 2006; Marie Slavíková: Rostěnice-Zvonovice: k slavnostnímu otevření [zur feierlichen Eröffnung]. Rosternitz und Swonowitz und ihre geschichtliche Veränderung, Rostěnice-Zvonovice: Obec Rostěnice-Zvonovice 2004; Petr Mikšíček u.a. (Bearb.): Znovuobjevené Krušnohoří: průvodce po živoucích i zaniklých místech Centrálního Krušnohoří [publikace k výstavě]. Das wiederentdeckte Erzgebirge: ein Führer durch die lebendigen und verschwundenen Orte des Zentralerzgebirges [Publikation zur Ausstellung], Boží Dar: Obec Boží Dar 2005; Matěj Spurný, Gruppe Antikomplex (Hg.): Sudetské osudy [Sudetenschicksale], Domažlice: Český Les 2006; Jaromir Bohác, Roman Salamanczuk (Hg.): Zmizelé Chebsko: znižené obce a osady okresu Cheb po roce 1945. Das verschwundene Egerland: die nach 1945 zerstörten Ortschaften des Landkreises Eger, Cheb: Krajské Muzeum Karlovarského Kraje 2007. Auch das Fotoprojekt Lipová-Spansdorf gehört zu dieser künstlerischen Wiederaneignung: Martina Novozámská u.a.: Lipová: 1915–2005. Obrázky z mé rodné vesnice [Bilder aus meinem Heimatdorf]. Spansdorf: 1915–2005. Fotografien: Martina Novozámská, Jan Vaca, Jaroslav Kraj; Text: Jan Šícha u.a., Lipová: Kant 2006. Den Grundstock dieses ungewöhnlichen Fotoprojekts bildet ein Fotoalbum von 1915, das der Fotograf Jan Vaca im Archiv von Ustí nad Labem/Aussig auffand. Gemeinsam mit zwei Kollegen publizierte er die darin enthaltenen Fotos einzelner Häuser samt ihrer Bewohner mit neu aufgenommenen Pendants aus dem Jahr 2005 zusammen; das Projekt samt Fotos findet sich im Internet, (13.06.2008). 114 Mein Dank gilt an dieser Stelle Lisa Fendl, Freiburg, deren inspirierender Vortrag mich mit der tschechischen Auseinandersetzung mit deutschen Spuren eingehender bekannt machte, Elisabeth Fendl: Das neue Heimatbuch. Neue Medien, neue Perspektiven; in: Beer: Das Heimatbuch, S. 257–278, sowie Jana Pospíšilová, Brünn, für zahlreiche Hinweise auf literarische Beschäftigungen mit dem Thema in Tschechien.

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übersetzt.115 Bei der deutschen Enkelgeneration, die sich auf der Suche nach der Familiengeschichte in diese Regionen begibt, ist dagegen keine Heimatbuchrezeption nachweisbar.

5.2.5  Kritische Betrachtung Nach der Analyse der intendierten Funktionen der Heimatbücher steht die Frage im Raum, inwieweit die von den Autoren beabsichtigten und angestrebten Ziele des Heimatbuchs erreicht wurden und werden. In Hinblick auf die Erlebnisgeneration und die Heimatortsgemeinschaften, die Gruppen der Vertriebenen aus einem Ort oder einer Region, kann man dies sicherlich bejahen. Der große Stellenwert für die betreffende Gruppe, der auch in den Werken immer wieder zum Ausdruck gebracht wird, zeigt sich schon am enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand, den selbst kleinste Dorfgemeinschaften für ihr Heimatbuch zu investieren bereit waren. Doch scheint das Heimatbuch als Schriftenklasse an die Erlebnisgeneration gebunden zu sein, was sich allein daran ablesen läßt, daß, mit Ausnahme südosteuropadeutscher Werke, nach einem letzten Höhepunkt nach der Wiedervereinigung die Publikationszahlen kontinuierlich rückläufig sind und die Werke der letzten Jahre sich inhaltlich merklich vom früheren Vertriebenenheimatbuch entfernt haben. Wenn man die Geburtsjahrgänge der Autoren aller Herkunftsregionen betrachtet, fällt auf, daß kaum nach 1945 Geborene beteiligt sind. So sind bei den in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren erschienenen Werken immer dieselben Jahrgänge vertreten und die in den letzten Jahren erschienenen Werke von immer älteren Autoren verantwortet worden (Abb. 15116). Noch bis in die 1980er Jahre war die Verteilung beteiligter Jahrgänge recht ausgewogen, ab ca. 1980 übernahmen diejenigen, die die Vertreibung als junge Erwachsene erlebt hatten (Jg. bis 1928), die Autorenschaft. Danach jedoch wuchs keine neue Generation mehr nach, die 1920er Jahrgänge sind heute die letzten, die überhaupt noch Heimatbücher schreiben, darunter ganz prominent die Flakhelferoder skeptische Generation (Jg. 1925–29). Jüngere Autoren gibt es kaum, wie auf dem Diagramm gut zu erkennen ist. Vereinzelt gibt es „Kinderheimatbücher“, deren Autoren die Vertreibung als kleine Kinder erlebt haben, also 1938 und später geboren sind, doch sind Angehörige der „weißen“ Jahrgänge (1930–1945) nur sehr spärlich vertreten. Die Weitergabe der Bindung an die Gruppe über die Erlebnisgeneration hinaus scheint mindestens im Hinblick auf die aktive Autorschaft erfolglos geblieben zu sein. 115 So Altheide 1991 [S-N/S], in polnischer Übersetzung: Polanica Zdrój wczoraj i dziś. T. 1 Księga pamiątkowa 1347–1946 [Bad Altheide gestern und heute. Bd. 1. Gedenkbuch 1347–1946], Polanica Zdrój: Towarzystwo Miłośników Polanicy 2006. 116 Erstellt auf Grundlage von 100 Werken, bei denen biographische Daten der Autoren ermittelbar waren, das entspricht knapp einem Fünftel der nach 1945 erschienenen Werke, ohne Nachdrucke und Neuauflagen.



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Abb. 15  Geburtsjahrgänge der Autoren

Rezeption in zweiter und dritter Generation? Die Heimatbücher funktionieren offensichtlich für die Erlebnisgeneration durchaus als Speicherort kanonisierter Erinnerung. Ob und wie jedoch die Werke in der nächsten Generation rezipiert werden, ist generell schwer feststellbar. Beispielsweise ist nicht nachweisbar, daß die Erben die Heimatbücher aus dem Besitz der Erlebnisgeneration vermehrt auf dem antiquarischen Buchmarkt anböten, weil sie kein Interesse an ihnen hätten; allerdings wird der antiquarische Buchmarkt hier vermutlich erst in zehn Jahren als Indikator gelten können. Um überhaupt etwas über die Rezeption in späteren Generationen aussagen zu können, möchte ich zu einem Exkurs einladen und meine subjektiven Erfahrungen beim Lesen von Heimatbüchern schildern. Denn als zweite Generation nach der Vertreibung gehöre ich zur Zielgruppe derjenigen, die die Erinnerung der Vertriebenen weitertragen sollen. Wenn ich das Heimatbuch der Stadt Hirschberg, in der mein Großvater 1922 geboren wurde, zur Hand nehme, begegne ich zuerst einem Vorwort einer mir unbekannten Hanna Reitsch. Ich schlage nach – Hanna Reitsch, geboren 1912 in Hirschberg, Segelflugpionierin, Testpilotin der NS-Luftwaffe, Ehrenbürgerin von Hirschberg, „politisch naive, glühende Hitler-Verehrerin, 1942 von Hitler als erste Frau mit dem E[isernen] K[reuz] I u[nd] II ausgezeichnet, gehörte Ende April 1945 zu den letzten Besuchern

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Hitlers im Berliner Bunker unter d[er] Reichskanzlei.“117 Offenbar erschien den Autoren Hanna Reitsch als repräsentative Persönlichkeit, um das Heimatbuch zu eröffnen. Ich dagegen finde Hanna Reitsch eher problematisch. Das Beispiel Hanna Reitsch ist symptomatisch für die Haltung dieses und vieler anderer Werke und steht gleichzeitig für die Probleme, die ein heutiger Leser mit ihnen hat. Hanna Reitsch, die weibliche Version der „tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“, ist 1954, zum Zeitpunkt des Erscheinens des Heimatbuches, für die Hirschberger Vertriebenen eine herausragende Identifikationsfigur.118 Ihre Rolle im Nationalsozialismus ist dabei unwichtig oder wird „vergessen“. In der zweiten und dritten Generation funktioniert dieses Identifikationsangebot nicht mehr – die bundesdeutsche Gegenwart ist eine andere geworden. Im Gegenteil wirkt (zumindest auf mich) das kritiklose Ausblenden ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit eher abschreckend. Denn genauso wie „unsere Hanna Reitsch“ ungebrochen die Heldin der Hirschberger Heimatbuchautoren ist, genauso findet keinerlei Reflexion über den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und die Ursachen der Vertreibung der Hirschberger aus ihrem Heimatort statt. Jüdisches Leben in Hirschberg oder gar der Holocaust bleiben eine Leerstelle.119 Ebensowenig kann ich mich als Leserin der dritten Generation mit der zeitgenössischen Polemik und dem Pathos der Vertriebenenverbände identifizieren, die sich, wenn auch weniger harsch als in anderen zeitgleich erschienenen Werken, auch im Hirschberger Heimatbuch finden.120 Die Crux liegt darin, daß die Werke lediglich die Vertriebenen der Gegenwart zum Zeitpunkt der Abfassung als Zielgruppe im Blick hatten. Obwohl man das Heimatbuch als Vermächtnis an die Zukunft bezeichnete, wurde es tatsächlich nur für die Gegenwart geschrieben. Das Dilemma, daß Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht zusammenpassen, daß die Bücher die Sichtweise der Vertriebenenverbände aus Zeiten des Kalten Krieges und deren spezifische Geschichtswahrnehmung transpor117 Hermann Weiß (Hg.): Biographisches Lexikon zum Dritten Reich. Überarb. Neuausg., Frankfurt/M.: Fischer 2002, S. 371. Zum Besuch im Führerbunker Joachim C. Fest: Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches. Eine historische Skizze, Reinbek: Rowohlt 2003 (zuerst ebd. 2002), S. 104f., 114f. General Robert Ritter von Greim, Reitschs damaliger Lebensgefährte, wurde von ihr ins eingeschlossene Berlin geflogen und dort von Hitler persönlich zum Nachfolger des in Ungnade gefallenen Göring ernannt. Die Episode kommt auch in Oliver Hirschbiegels Film „Der Untergang“ (2004) vor, mit Anna Thalbach als Hanna Reitsch. Hirschberg 1985.2 [S-N/S] widmet ihr ein ganzes Kapitel: „Unsere Hanna Reitsch“, S. 230–233. 118 1985 unverändert neu aufgelegt: Hirschberg 1985.2 [S-N/S]. 119 Die einzigen Erwähnungen von Juden sind, ohne nähere Erläuterung, in der Jahreschronik, ebd., S. 51: „1934 [...] Gründliche Renovierung und Umgestaltung des Rathauses. Vier jüdische Hirschberger Einwohner werden in der Nähe der Halben Meile ermordet.“ Ferner im Kapitel über Friedhöfe, S. 195–197, am Ende ein Satz zum Standort des „israelitischen“ Friedhofs. Schon die Formulierung – „Einwohner“ statt „Bürger“, das verwaltungsdeutsche „israelitisch“ – zeigt, wie schwierig offenbar der Umgang mit dem Thema war. 120 Ebd., S. 154 zum Ort „unter polnischer Verwaltung“: „Es war, als weinten Straßen und Häuser, Gärten und Bäume, Felder und Fluren über die Vergewaltigung, die auch ihnen widerfahren war.“



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tieren, macht sie heute für die jüngere Generation als Identifikationsangebot völlig untauglich. Zur problematischen Geschichtsdarstellung kommt eine weitere Hürde, die die Rezeption von Heimatbüchern erschwert. Lange war mir nicht klar, warum ich zu den Inhalten der Werke kaum Zugang fand, wieso die dargebotenen Informationen fremd und irgendwie uninteressant blieben. Erst spät ist mir aufgegangen, woran das liegt. Bei der Aufnahme von neuem Wissen spielt es eine große Rolle, ob dieses Wissen für den Leser anschlußfähig ist, ob er es in Bezug setzen kann zu dem Wissen, das schon vorhanden ist. Genau dies ist bei den Heimatbüchern nicht der Fall. Ebenso wie Sehenswürdigkeiten und lokale Erinnerungsorte keine große Rolle spielen, weil sie jedem Einheimischen sattsam bekannt sind, genauso wird die in den Heimatbüchern dargebotene Information nur für denjenigen relevant, der bereits ausreichend Vorwissen über die örtlichen Gegebenheiten hat. Diese Bücher sind genau genommen für Insider geschrieben worden, die sich in ihnen wiedererkennen sollen. Die dargebotenen Informationen sind so aufbereitet, daß sie für ein Mitglied der Erlebnisgeneration ohne weiteres verständlich, für Nichteingeweihte dagegen schwer erschließbar bis kryptisch sind. Selbstverständlich werden Orts- und Straßennamen nur auf Deutsch genannt, manchmal gibt es eine Ortsnamenskonkordanz im Anhang, aber wer mit einem Heimatbuch in der Hand einen Ort „auf Spurensuche“ erkunden will, ist ohne weitere Hilfsmittel verloren. An lokalen Ereignissen beteiligte Personen werden nicht selten mit Spitznamen bezeichnet, die nur der Eingeweihte kennt, und Örtlichkeiten werden ebenso oft durch Markierungen lokalisiert, die nur der Einheimische versteht („hinter Meyers Konditorei“).121 Anspielungen auf Personen und Ereignisse, die jedem Einwohner vor der Vertreibung selbstredend bekannt waren, sind jedoch 60 Jahre nach der Vertreibung u.U. gar nicht mehr rekonstruierbar. Somit ist das Wissen, das festgehalten und weitergegeben werden sollte, in vielen Fällen trotz seiner Fixierung im Heimatbuch für die Nachlebenden verloren. Die Autoren und Herausgeber, die sich doch eigentlich die Aufgabe gestellt hatten, ein „Vermächtnis für die Zukunft“ zu schaffen, dachten nicht daran, was passieren würde, wenn sie einmal nicht mehr da sind, um ihren Kindern und Enkeln dieses Wissen zu erläutern. Geschweige denn dachten sie an Leser, die keinen Bezug zu und kein Vorwissen über die entsprechenden Orte haben und für die eben das in den Heimatbüchern aufbereitete Wissen über den Ort rätselhaft und fremd bleibt. Die Möglichkeit, daß es keine lineare Kontinuität der Erinnerung zwischen den Generationen innerhalb der Vertriebenenfamilien geben könnte, wurde gar nicht erst in Betracht gezogen – der floating gap blieb unberück121 Ein Beispiel dafür, wie weit diese Unverständlichkeit gehen kann: „Alte Fasnachtsbräuche im Riesengebirge“, ebd., S. 268: „Auf der Baudendiele oder im Kretschamsaale stampfte man dann den ‚Bohnewitz‘, die Kreuzpolka und ‚Tanz ock mit der Muhme‘. Die Burschen tobten sich beim ‚Schäftekloppa‘ aus und beim ‚Zicheziehn‘, und die Mädel ‚kafferten‘ sich in langer Reihe zum ‚Huppdekrohe‘-Spiel.“ Das „Huppdekrohe“-Spiel wird anschließend erklärt, ansonsten bleibt mir fast jedes zweite Wort rätselhaft.

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Die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen

sichtigt und wird im Gegenteil zum tiefen intergenerationellen Graben, den die Erinnerung nicht überspringen kann. Es zeigt sich auch hier: Heimatbücher sind ganz vorrangig für die Gemeinschaft der Gegenwart der Abfassungszeit geschrieben. Die selbstgestellte Aufgabe der Heimatbücher, die Erinnerung der Vertriebenen in die Zukunft hinüberzuretten, ist so gesehen fehlgeschlagen, weil offenbar die Bedürfnislagen der Gegenwart der Verfasser viel stärker waren als der Gedanke an die Leser der Zukunft.122 Als Tradierung der Gruppe in die Zukunft funktionieren Heimatbücher offenbar kaum – was sagen uns diese Werke heute, haben sie überhaupt noch einen Nutzen oder sind sie brachliegendes Archiv? Als Teil der Regionalgeschichte, als die sie eigentlich prädestiniert wären, sind sie meist nur eingeschränkt zu gebrauchen, weil sie nicht nach wissenschaftlichen Standards verfaßt, ja oft genau das Gegenteil eines wissenschaftlichen Werkes sind. Sie sind eben weder neutral noch ausgewogen, noch beziehen sie ihre Informationen nur aus gesicherten Quellen. Manche haben nicht einmal ein Inhaltsverzeichnis. Das macht sie andererseits aus anthropologisch-kulturwissenschaftlicher Sicht so interessant, da es sich tatsächlich um gemeinschaftlich verfaßte Erinnerungen von Betroffenen ohne wissenschaftliche Glättung oder Filterung handelt. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus kann man sie ebenso als Quellen für Lokalhistoriographie, Volkskunde und andere auf Mikroebene wenig erschlossene Themenbereiche verwenden, dies jedoch mit Bedacht und mannigfaltigen Zugangsschwierigkeiten. Als landeskundliche Arbeiten – als die sie innerhalb der historischen Landeskunde der Vertreibungsgebiete angesehen werden – sind sie aber nur mit Vorsicht nutzbar, weil eben wiederum nicht die Nachvollziehbarkeit für künftige Leser, sondern die Gemeinschaftsbindung der Erlebnisgeneration im Vordergrund stand. Insgesamt spiegelt sich hierin auch das Problem wider, daß die Kulturarbeit der Vertriebenen lange Zeit kaum Gedanken an eine Wissenschaftlichkeit ihrer Arbeit verwendet hat.123 Diejenigen, die Heimatbücher heute am ehesten nutzen, sind die Familienforscher. Die Sammlung von bibliographischen Angaben zu Heimatbüchern und Aufbereitung

122 Dasselbe Problem konstatiert für die Heimatstuben Manuela Schütze: Zur musealen Aneignung verlorener Heimat in ostdeutschen Heimatstuben, in: Kurt Dröge (Hg.): Alltagskulturen zwischen Erinnerung und Geschichte. Beiträge zur Volkskunde der Deutschen im und aus dem östlichen Europa, München: Oldenbourg 1995 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte; 6), S. 95–112, hier 102: „Einen anderen Anspruch [als die Erlebnisgeneration] bringen nur die nächste Generation und die nichtvertriebenen Besucher mit, für die sich die Sammlungsbestände nicht mehr ohne weiteres erschließen. Sie benötigen einen anderen Zugang, der ihnen im Rahmen der jetzigen gängigen Ausstellungspraxis nicht ermöglicht wird.“ 123 Die Vertriebenenorganisationen, die Heimatbücher sammeln, arbeiten leider nicht alle nach wissenschaftlichen Standards, sofern ihre Sammlungen überhaupt zugänglich sind. So hat z.B. das Haus der Heimat Nürnberg, das keinem Bibliotheksverbund angeschlossen ist, eine ganze Reihe Heimatbücher, die in keiner anderen Bibliothek zu finden sind, in dessen Online-Katalog allerdings z.T. ohne Erscheinungsort und –jahr aufgeführt werden, (03.01.2007).



Funktionen der Heimatbücher im Erinnerungsprozeß

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der Inhalte über das Internet geht in der Regel124 nicht von den Vertriebenenverbänden aus, sondern von genealogisch Interessierten, die beispielsweise die in den Büchern enthaltenen Einwohner- oder Ansiedlerlisten auswerten.125 Hier liegt meines Erachtens der wohl einzig mögliche Weg, diese Werke in die Zukunft hinüberzuretten. Die Akteure begreifen sich dabei jedoch nicht mehr als Gemeinschaft der Vertriebenen, sondern begeben sich individuell auf die Suche nach den Wurzeln ihrer Familie.

124 Zumindest bei den Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten, anders ist dies bei Gemeinschaften, die durch den Zuzug von Spätaussiedlern noch geschlossener sind. 125 Beispiele für solche Bibliographien: o.A.: German Genealogy: Donauschwäbische Heimatbücher, (03.01.2007); Monika Ferrier: Heimatbücher, (etc.) [sic] Siebenbürgen. Books on communities in Transylvania [sic], (03.01.2007); o.A.: Genealogie Sudetenland: Index der Orte in [sic] Sudetenland / Index for Places, , mit bibliographischen Angaben zu Heimatbüchern bei den einzelnen Orten (03.01.2007).

6 .   D as kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen i m Heim atbuch 6.1  Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung Der quantitativen Analyse der Inhalte liegt die Annahme zugrunde, daß der – bewußte oder unbewußte – Stellenwert eines Themas für Herausgeber und Autoren sich im Heimatbuch auch mengenmäßig niederschlagen wird, daß also schlicht ein Indikator für die Bedeutung eines Themas der Raum ist, der ihm im Buch zugemessen wird. Dies stützt sich auf die Beobachtung, daß die meisten Werke ohne konkrete Vorbilder entstehen und daher weniger extern vorgegebene Themen abarbeiten, sondern der Inhalt vor allem durch die Zusammen- und Mitarbeit der Landsleute bestimmt und gemeinschaftlich festgelegt wird. Abb. 16 macht die Hauptthemen der Heimatbücher der Ost- und Siedlungsgebiete in ihrer anteiligen Bedeutung über den Verlauf des 20. Jahrhunderts sichtbar.1 Der senkrechte graue Balken markiert den Bruch durch Zweiten Weltkrieg und Vertreibung und steht zugleich für das Fehlen von Daten aus den 1940er Jahren, in denen so gut wie keine Heimatbücher erschienen. Der besseren Übersicht halber sind nur die neun häufigsten Themenbereiche erfaßt. Die vollständige Palette an Themen, die in Heimatbüchern zu finden sind und dementsprechend auch in der Datenbank erfaßt wurden, ist der in Kapitel 2 abgebildeten Eingabemaske zu entnehmen.2

Schwankungs- und Konsolidierungsphasen Es lassen sich zuallererst markante Schwankungs- und Konsolidierungsphasen in der Gewichtung der Themen ausmachen. In der Entstehungszeit des Heimatbuchs, den 1900er und 1910er Jahren, fluktuierten die Themenanteile stark, was zum einen daran liegt, daß die Schriftenklasse noch im Entstehen begriffen war und ihre inhaltliche Struktur erst finden mußte, zum anderen an der geringen Zahl der Werke in den 1900er Jahren. Von den 1910er bis zu den 1930er Jahren verstetigte sich das Themenspektrum, mit Ausnahme einiger weiterhin stark schwankender Bereiche wie Geschichte, Natur/Landschaft und Bauten.

1 Erstellt auf Grundlage der Quotenstichprobe von 150 Heimatbüchern aus knapp 100 Jahren, siehe Kapitel 2 und Abb. 2. Die Jahreszahlen im Diagramm stehen für das jeweilige Jahrzehnt, die Anzahl ausgewerteter Werke sowie der Prozentsatz in diesem Jahrzehnt erschienener Werke, dem dies entspricht, kann Abb. 2 entnommen werden. 2 Siehe Abb. 3, Eingabemaske der Datenbank zur Erfassung der Heimatbuchinhalte.



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Abb. 16 Anteile der Themen am Gesamten: Themengewichtung in hundert Jahren Heimatbuch

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Nach der Vertreibung erhielten viele Themen eine andere Gewichtung als in der Zwischenkriegszeit. Von den 1950er bis zu den 1970er Jahren konsolidieren sich die Themenanteile: Ein neuer Kanon für das Vertriebenenheimatbuch bildete sich heraus, wobei einzelne Veränderungen, vor allem des Bereichs Geschichte, auffällig bleiben. Weitere starke Bewegungen zeigen sich von den 1980er Jahren bis zur Gegenwart, was wesentlich auf den (anstehenden) Generationenwechsel zurückzuführen ist. Die massive Veränderung in den 2000er Jahren zugunsten von Themenbereichen, die nicht auf Beteiligung von Zeitzeugen angewiesen sind, wie Geschichte, Dokumentation und Bauten, zeigt klar, daß die Autoren kaum noch der Erlebnisgeneration angehören. Im Gegenzug geht der Anteil jener Themen zurück, die nur schwierig allein aus Quellen und Literatur zu erarbeiten sind, wie Anekdoten, lokale Wirtschaft, Kirche und Religion. Aber auch das Thema Natur und Landschaft ist in den Werken der 2000er Jahre bis zur Bedeutungslosigkeit geschwunden, ein Phänomen, das noch genauer unter die Lupe genommen werden soll. Man kann so grob mehrere Phasen in der Entwicklung des Heimatbuchs unterscheiden: seine Entstehungsphase in den 1900ern und 1910er Jahren sowie der anschließende Aufstieg des Heimatbuchs spätestens in den 1920er Jahren, der mit einer Verfestigung des Themenkanons einherging. Sodann ein Neuanfang in den 1950er Jahren nach der Vertreibung, gefolgt von einer bemerkenswerten Etablierung des Themenkanons im Vertriebenenheimatbuch, der mehrere Jahrzehnte lang stabil blieb. Schließlich die Phase des (Ver-)Schwindens der Erlebnisgeneration, die durch den Anstieg von dokumentarischen und nicht auf Zeitzeugenbeteiligung angewiesenen Themen (Quellenreproduktionen, Gebäudeinventare, Einwohnerlisten, Adreßbuchauszüge) gekennzeichnet ist, während gleichzeitig der Anteil der nur von der Erlebnisgeneration dokumentierbaren Themen, wie Anekdoten, stark zurückgeht.

Geschichte als Leitthema Vielleicht das markanteste Merkmal der Themengewichtung ist die dominante Position der Geschichte. Bis auf die Entstehungsphase der 1910er Jahre hält Geschichte im Heimatbuch auch bei starken Schwankungen immer den mit Abstand größten Anteil von allen Themen. Die Geschichte hat innerhalb der in den Werken behandelten Themen also einen herausragenden Stellenwert, der bei der qualitativen Auswertung entsprechend zu berücksichtigen sein wird. Auch hinsichtlich der Schwankungen ist der Geschichtsbereich am auffälligsten: Seit der Entstehung des Heimatbuchs ist ein stetig, zum Teil stark steigender Anteil feststellbar, bis hin zu einem Drittel des Gesamtinhaltes in den 1930er Jahren. Nach Kriegsende sank der Anteil bis in die 1970er Jahre deutlich, bis er sich schließlich im Vergleich zu den 1930ern halbiert hatte. Seitdem ist der Anteil von historischen Themen jedoch bis heute wieder auf über 20 Prozent angewachsen. Insgesamt gesehen verlor Historisches in den Werken nach 1945 deutlich an Bedeutung, was angesichts der selbstgestellten Aufgabe der Heimatbuchautoren, die Lokalhistorie festzuhalten – auch mangels anderer Literatur –, zumindest



Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung

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bemerkenswert ist. Offenbar schoben sich nach der Vertreibung noch andere wichtige Themenkomplexe in den Vordergrund und forderten entsprechenden Raum.

Heimat angesichts ihres Verlusts An den nach 1945 in den Werken stärker als zuvor vertretenen Bereichen kann man sehr gut ablesen, in welcher Hinsicht Vertriebenenheimatbücher sich von regulären Heimatbüchern noch existenter Gemeinden unterscheiden. Das, was nach dem Heimatverlust für die Gemeinschaften wichtig wurde, ist nach 1945 in den Werken in deutlich wachsenden Prozentsätzen vertreten. In diesem Punkt läßt sich tatsächlich auch quantitativ ausmachen, was Heimat im Angesicht ihres Verlusts für die Autoren der Heimatbücher bedeutete. Dieses Phänomen zeigt sich im wesentlichen in zwei großen Themenbereichen. Der eine betrifft Heimat als ein soziales Gefüge, das mit der Vertreibung aufhörte zu existieren und später höchstens in anderer, veränderter Form mit dem Zusammenschluß der Vertriebenen aus einem Ort neu geschaffen wurde. Dazu gehören die so nicht mehr existente lokale Gemeinschaft in Form von Vereinen über Feuerwehr und Schulen bis zum Genossenschaftswesen sowie die Kirchgemeinden vor Ort in all ihren Facetten, die letztlich ebenfalls aufgrund ihrer Funktion für die lokale Gemeinschaft – sowohl zeitgenössisch als auch nach der Vertreibung im Westen – wesentlich an Bedeutung gewannen. In diesen Bereichen lassen sich im Vergleich zu den Vorkriegsheimatbüchern Steigerungen von 80 bis zu 130 Prozent beobachten. Ebenso wird nach der Vertreibung die subjektive Erinnerung an den verlorenen sozialen Raum wichtiger. So wächst der Anteil von Anekdoten und persönlichen Erinnerungen in den Werken nach der Vertreibung auf über das Dreifache des Vorkriegsstands an.3 Die Frage nach den Gründen für diesen Anstieg ist auch in theoretischer Hinsicht interessant. Wenn wir die Raumwahrnehmung beispielsweise eines Reiseführers betrachten, so finden sich dort vor allem Angaben über wichtige Bauwerke wie Kirchen, Klöster, Burgen, Rathäuser, die dem Reisenden als Orientierung zur Erschließung des unbekannten Raumes an die Hand gegeben werden. Ganz anders in den Heimatbüchern, hier spielen diese Sehenswürdigkeiten höchstens am Rande eine Rolle. Jeder Einwohner kennt sie, sie müssen ihm nicht erst vorgestellt werden. Die Raumwahrnehmung des Ortsansässigen ist eine gänzlich andere als die des Fremden. Was dagegen wichtig ist, ist die soziale Gemeinschaft, die dieser Ort für seine Bewohner gewesen ist, der soziale Raum, ganz gemäß den Erkenntnissen Heiner Treinens zur „symbolischen Ortsbezogenheit“. Die Heimat, an die hier erinnert werden soll, ist weniger der gebaute, steinerne oder der natürliche, landschaftliche Raum, sondern der 3 Der Anteil von Gemeinwesen und sozialem Leben stieg nach 1945 um knapp 80 Prozent, von 5,8 auf 10,2 Prozent, der Themenbereich kirchliches Leben wuchs um 90 Prozent, von 2,15 auf 4 Prozent, und der Anteil von Anekdoten und persönlichen Erinnerungen verfünffachte sich von 0,6 auf 3,1 Prozent.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

soziale Raum, der durch die Vertreibung verlorengegangen ist und im Heimatbuch wieder auferstehen oder zumindest dauerhaft festgehalten werden soll. So läßt sich auch erklären, wieso die klassischen Erinnerungsorte4 einer Region in den Heimatbüchern kaum relevant sind. Sucht man beispielsweise im schon erwähnten Heimatbuch des schlesischen Hirschberg5 nach klassischen Erinnerungsorten der Region wie Gerhart Hauptmann, Rübezahl, Riesengebirge oder der Schneekoppe,6 ist der Befund verblüffend. Ein Kapitel zur Schneekoppe oder zum Sagenhelden Rübezahl7 sucht man vergeblich, selbst der Literaturnobelpreisträger und Hirschberger Ehrenbürger Hauptmann, der hier lebte und 1945 starb, wird nur marginal erwähnt. Zum Riesengebirge findet sich ein kleiner Beitrag von zwei Seiten. Daneben finden sich Texte über die „Riesengebirgswoche“ und den „Riesengebirgsverein“, die jedoch soziale Phänomene und nicht das Gebirge selbst meinen. Für die Heimatbuchautoren waren offenkundig andere Themen wichtig und erhielten entsprechendes Gewicht: Die Geschichte des Ortes beansprucht 81 Seiten, die kommunale Infrastruktur 33, das Schulwesen 15, Gesundheitswesen und Wirtschaft je zehn, die örtlichen Vereine neun Seiten. Der zweite nach 1945 an Relevanz zunehmende thematische Aspekt ist der Versuch des Dokumentierens und Bewahrens des Verlorenen. Dies macht sich in stark steigenden Anteilen jeglicher Art von Dokumentation bemerkbar, so dem Abdruck von Quellenmaterial oder von Namens- und Hauslisten. Seit den 1980er Jahren erhöhte sich dieser nach 1945 gestiegene Dokumentationsanteil nochmals, als die Erlebnisgeneration immer weniger zu den Werken beitragen konnte. Als Versuch des Dokumentierens sind auch die in fast jedem Werk vertretenen Totenlisten zu betrachten, die die Namen der Opfer beider Weltkriege sowie der Vertreibung festhalten und die Heimatbücher somit auch zu Gedenkbüchern werden lassen.8

Relevanzverlust nach der Vertreibung Im Gegenzug ist aufschlußreich, welche Themen nach der Vertreibung im Vergleich zu den Vorkriegsheimatbüchern an Wichtigkeit einbüßen. Am massivsten verliert dabei der gesamte Bereich „Natur/Landschaft“, zu dem sowohl geologische und geographische Beschreibungen als auch Aufstellungen von Naturdenkmalen, Beschreibungen von Wanderrouten und poetische Landschaftsschilderungen gehören. Gemeinhin assoziiert man mit Heimat gerade die naturräumlichen Gegebenheiten, die Schönheit 4 In Anlehnung an das Konzept von François/Schulze: Erinnerungsorte. 5 Hirschberg 1953 [S-N/S], unveränderte Neuauflage Hirschberg 1985.2 [S-N/S]. 6 Marek Czapliński, Hans-Joachim Hahn und Tobias Weger (Hg.): Schlesische Erinnerungsorte. Gedächtnis und Identität einer mitteleuropäischen Region, Görlitz: Neisse Verlag 2005. 7 Die zweite Rübezahllegende nach Musäus spielt in Hirschberg, Johann Karl August Musäus: Legenden von Rübezahl, München: Dietrich 1917, S. 23–37 (Kleinodien der Weltliteratur; 11). 8 Der Anteil der Dokumentation wuchs nach 1945 um mehr als das Doppelte, von vier auf knapp elf Prozent, der des Totengedenkens verachtfachte sich von 0,18 vor 1945 auf 1,5 Prozent in den Vertriebenenwerken.



Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung

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und Eigenart der Landschaft – man denke nur an die Heimatdichtung von Eichendorff bis Rosegger. Trotzdem verringert sich der Raum, den Natur und Landschaft im Heimatbuch einnehmen, nach der Vertreibung erheblich.9 Es gibt mehrere Faktoren, die zur Erklärung dieses Phänomens dienen können. Zum einen waren die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit, die über eine existente und lebendige Kommune oder Region verfaßt wurden, auch eine Literaturgattung, die zur Nahraumerfahrung und Aneignung des Raumes anregen sollte, beispielsweise beim Wandern. Gerade die in den 1920er Jahren zum Pflichtprogramm jedes Heimatbuchs gehörenden Beschreibungen von Wanderrouten fehlen meist in den Vertriebenenwerken.10 Die Heimatregion konnte man sich nach der Vertreibung eben nicht mehr aneignen, indem man sie erwanderte, bis zu den Ostverträgen 1970 war sie auch de facto meist unerreichbar. Von einem Handbuch zum täglichen Gebrauch wandelten sich die Werke nach der Vertreibung zu Erinnerungsbüchern für feierliche Stunden der Besinnung. Die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit waren zudem in der Regel eng an die Heimatkunde angebunden, für die die Darstellung der regionalen Landschaft, ihrer Entstehung und Eigenheiten ein unabdingbarer Bestandteil des Curriculums war. Daß die Vertriebenenheimatbücher in diesem Punkt so auffällig vom Kanon der Zwischenkriegszeit abweichen, ist ein deutlicher Beleg für ihre Entfernung von dieser Tradition. Doch auch wenn man die Wanderbeschreibungen abrechnet, liegt der Anteil, den Natur und Landschaft an den Vorkriegswerken haben, immer noch sehr viel höher als in den Vertriebenenbüchern. Es bleibt nur zu folgern, daß Natur und Landschaft eben nicht das waren, was Heimat im Angesicht ihres Verlustes ausmachte. In diesem Punkt muß auch Jan Assmann korrigiert werden, der den natürlichen und den gebauten Raum als zentralen Erinnerungsrahmen von lokalen Gemeinschaften beschreibt: „Was das Haus für die Familie ist, sind Dorf und Tal für die bäuerliche, die Landschaft für landsmannschaftliche Gemeinschaften: räumliche Erinnerungrahmen, die die Erinnerung auch noch und gerade in absentia als ‚Heimat‘ festhält.“11

Die schwindende Bedeutung von Natur und Landschaft in den Heimatbüchern belegt, daß diese in absentia der Heimat für die Heimatbuchautoren eben nicht der wichtigste Erinnerungsrahmen waren, vielmehr andere, vor allem soziale Rahmen eine wesentlich stärkere Funktion im Prozeß der Rekonstruktion von Erinnerung an eine verlorene Heimat hatten.

9 Der Anteil des Bereichs Natur und Landschaft sank von gut 14 Prozent vor 1945 auf knapp drei Prozent. 10 Ausnahmen sind Ohlau 1950 [S-N/S], 3 S., Freystadt 1969 [S-N/S], 1 S., Marienburg 1967 [OPR], 7  S., Kroitsch 1973 [S-N/S], 4 S., Meseritz 1.1973/ 2.1974 [OBR], zusammen 5 S. Danach verschwand, wohl im Zusammenhang mit den Ostverträgen, die Nahraumerfahrung vermittels Wanderungen völlig aus den Werken. Offensichtlich bestand spätestens ab diesem Zeitpunkt keine realistische Hoffnung mehr auf Rückkehr, und bei den nun einsetzenden Wiederbegegnungsreisen spielten Wanderungen keine Rolle. 11 Assmann: Gedächtnis, S. 38f.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Ebenfalls einen Bedeutungsverlust erfuhr das lokale Wirtschaftsleben, also Landund Forstwirtschaft, Industrie, Kreditwesen, Handwerk, Handel und Gewerbe, wenn auch weniger deutlich als Natur- und Landschaftsthemen.12 Die Wirtschaft vor Ort büßte offenbar nach der Vertreibung an Bindungskraft ein, selbst wenn an zahlreichen Werken deutlich wird, daß die Wirtschaftsleistung für die Autoren Teil der stolzen Bilanzierung des Lebens bis 1945 war. Jedoch erwies sie sich nach dem Heimatverlust nicht als tragende Identifikationsgröße. Andere Themenbereiche hatten auch nach 1945 einen den Vorkriegswerken in etwa vergleichbaren Umfang, so Volkskunde (Brauchtum im Jahreslauf, Feste und Jahrmärkte, Speisen, Sitten und Gebräuche, Lieder, Kinderreime, Sagen, Aberglauben, Mundart, Trachten, Spitznamen), Namenkunde (Orts-, Familien-, Flurnamen), Hochkultur (Literatur und Dichtung, bildende Kunst, Musik, Theater, Tanz, Museen, Wissenschaft) oder Bauten (Kirchen, Kapellen und Klöster, Schlösser und Burgen, Verwaltungsbauten, Bürgerhäuser, Baudenkmäler, typische Dorfformen oder Wohnbauten, Beschreibungen der Bauten im Ortsbild in Form eines imaginierten Ganges durch den Ort).13

Superkanon, Kanon, Semikanon: Was gehört ins Heimatbuch? Wie sie selbst in den Heimatbüchern sagen, hatten die Autoren nach 1945 kaum Vorbilder bei der Erstellung ihrer Werke. Umso erstaunlicher ist, daß sich auch ohne Leitfäden ein klarer Kanon an Heimatthemen in den Nachkriegsbüchern etablierte. Notiert man, wieviel Prozent der Werke ein bestimmtes Thema überhaupt abhandeln, schält sich ein eindeutiges Kernrepertoire von acht Themenbereichen heraus, das in über 80 Prozent der Werke enthalten ist und als Kanon des Vertriebenenheimatbuchs gelten kann: Geschichte, Gemeinwesen/Soziales Leben, Dokumentation, Wirtschaft, Kirchgemeinden, Volkskunde, Natur/Landschaft, Bauten (Abb. 17). Mit merklichem Abstand folgt ein Semikanon, der immerhin noch in der Hälfte bis zwei Dritteln aller Werke vertreten ist und zu dem u.a. die Vertreibung gehört, deren Schilderung also empirisch gesehen kein unabdingbarer Bestandteil eines Vertriebenenheimatbuchs war. Weitere Themen tauchen in weniger als der Hälfte der Bücher auf und stellen den Varianzbereich dar, der die Werke thematisch komplettierte und zu dem u.a. die beiden Weltkriege gehören, die also nur knapp jedes zweite Werk überhaupt berührte. Mithin kann man sagen, daß mindestens die Themen Geschichte, Gemeinwesen und soziales Leben vor Ort sowie ein Dokumentationsteil (Reproduktion von Dokumenten, Karten, Einwohnerlisten etc.) zum unverzichtbaren Bestandteil eines jeden Vertrie12 Der Anteil des Bereichs Wirtschaft sank von im Schnitt gut 10 Prozent vor 1945 auf gut 8 Prozent danach. 13 Volkskunde gleichbleibend ca. sieben Prozent, Namenkunde gleichbleibend ca. zwei Prozent, Hochkultur gleichbleibend ca. 1–1,5 Prozent, Bauten ca. sieben Prozent vor 1945 und 5,5 Prozent nach 1945.



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Abb. 17  Themenkanon der Vertriebenenheimatbücher (Prozentsatz der Werke, die diese Themen behandeln)



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benenheimatbuchs gehörten, daß sich aber daneben ein ebenso handfestes weiteres Themenspektrum nachweisen läßt, das die Existenz einer unausgesprochenen, jedoch empirisch belegbaren Themenkonvention im Vertriebenenheimatbuch zeigt.

Themenschwerpunkte nach Herkunftsregionen Ein Blick auf regionale Unterschiede in der thematischen Schwerpunktsetzung und die Veränderungen darin im Laufe der Nachkriegsjahrzehnte sagt einiges über die drei großen Vertriebenengruppen aus, die sich in ihren Heimatbüchern immer wieder als ähnlich herauskristallisieren: die „Reichsdeutschen“ aus den ehemaligen Ostgebieten, die Sudetendeutschen und die Deutschen aus Südosteuropa. Eine vierte Gruppe, die sich in ihrer Charakteristik keiner anderen zuordnen läßt, sind die Deutschen aus Polen. Abb. 18 zeigt die wichtigsten acht Themenbereiche nach 1945. Die „reichsdeutschen“ Werke enthalten den relativ gesehen größten Anteil an klassischen Themen der Heimatkunde der Zwischenkriegszeit: Geschichte, Natur und Landschaft, lokale Wirtschaft, Gemeinwesen. Vor allem die starke Position der Geschichte ist auffällig, ebenso der im Vergleich der vier Gruppen höchste Anteil an Wirtschaftsthemen. Vergleichsweise schwach vertreten sind dagegen die Volkskunde und der Bereich Dokumentation. So definierten sich die Vertriebenen aus den ehemaligen Ostgebieten offenkundig zu einem erheblichen Teil über die Wirtschaftsleistung und lange Geschichte ihrer Herkunftsregionen und weniger über volkskundlich-folkloristische Themen wie Trachten, Mundart, Sitten und Gebräuche. Ostpommern, Ostpreußen, Ostbrandenburg und Schlesien waren zwar sehr unterschiedlich industrialisiert und urbanisiert, doch war die Modernisierung in allen diesen Regionen mindestens so weit gediehen, daß ländliche Traditionen und Gebräuche im täglichen Leben keine zentrale Rolle mehr spielten. Der niedrige Dokumentationsanteil erklärt sich aus der im Vergleich mit insbesondere den „Volksdeutschen“ aus Polen und Südosteuropa recht guten Literaturlage, die den



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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Vertreibung „Reichsdeutsche“

Natur, Landschaft

Sudetendeutsche

Dokumentation

Südosteuropadeutsche

12%

8%

Geschichte

12%

Wirtschaft Gemeinwesen

7% 2%

3%

4%

4% 2%

Volkskunde Kirche Summen kleiner 100%, weil nur die acht stärksten Themenbereiche dargestellt sind.

1%

25%

4%

22% Deutsche aus Polen 15% 5%

2% 1% 9%

3%

11%

13% 6% 4%

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21%

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10%

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11%

Abb. 18  Themenverteilung nach Großgruppen

Abdruck möglichst vieler Quellen und Dokumente im Heimatbuch nicht vordringlich erscheinen ließ. Die südosteuropadeutschen Werke sind in dieser Hinsicht das genaue Gegenstück zu den „reichsdeutschen“. Hier sind Dokumentation und Volkskunde neben Geschichte und Gemeinwesen die relativ gesehen wichtigsten Bereiche, was sich im Gegenzug aus der schlechteren Literaturlage und größeren Eingebundenheit in volkskulturelle Gebräuche und Traditionen erklären läßt. Die Vertreibung nimmt in den südosteuropadeutschen Werken den im Vergleich mit allen anderen Gruppen größten Raum ein, weil in dieser Region die Ereignisse in der Folge des Zweiten Weltkriegs oft langwierige mehrfache Zwangsumsiedlungen (so bei den Bessarabiendeutschen) oder lange Lagerhaft und Verschleppung der Deutschen mit sich brachten, die entsprechend umfangreich dargestellt werden. Sudetendeutsche Bücher zeichnen sich bemerkenswerterweise kaum durch im Vergleich stark oder schwach repräsentierte Themen aus. Der Dokumentationsanteil ist ebenso hoch wie in südosteuropadeutschen Werken, volkskundliche Themen liegen im Mittelfeld. Die Summe der acht stärksten Themenbereiche beträgt 64 Prozent, der Anteil anderer als der dargestellten acht Themenbereiche ist also entsprechend höher, wie z.B. Bauten, lokale Persönlichkeiten, Anekdoten. Oder aber die Werke



Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung

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enthalten viele nicht kategorisierbare Texte. Bei den Heimatbüchern der Deutschen aus Polen ist dies in noch stärkerem Maße der Fall, die acht wichtigsten Themenbereiche machen zusammen nur 49 Prozent aus. Als zentral erweist sich das kirchliche Leben vor Ort, das wegen der fehlenden politischen Vertretung der deutschen Minderheit in Polen offenbar die Instanz mit der stärksten Bindungskraft war. Viele für die anderen drei großen Gruppen gewichtige Themen sind in den Heimatbüchern der Deutschen aus Polen eher schwach vertreten. So ist der Anteil von Geschichte, Gemeinwesen, Wirtschaft und Dokumentation der niedrigste unter allen Gruppen, während im Vergleich der Gruppen der Anteil anderer, nicht abgebildeter Themen maximal ist: Anekdoten (5 Prozent), lokale Persönlichkeiten (4 Prozent), Gedichte (1 Prozent). Bei den Deutschen aus Polen existierte keine übergeordnete Institution, die die Herausgabe von Heimatbüchern beförderte, die Werke wirken daher sehr heterogen und in der Themenwahl weitgehend auf sich selbst gestellt, mitunter sogar disparat. Man kann auch anhand der Werke feststellen, daß wohl kaum eine gemeinsame Identität existierte, die Autoren verstehen sich vielmehr als Deutsche aus dem Posener Gebiet, aus Lodz, aus Ostoberschlesien, vom Bug, aus dem Gnesener Land usw. Tatsächlich waren die deutschen Siedlungsgebiete in Polen durch historisch sehr unterschiedliche Bedingungen geprägt, was neben der fehlenden politischen Selbstvertretung wohl dazu führte, daß sich sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg als auch nach 1945 kein überregionales Gruppenbewußtsein der deutschen Minderheit ausprägte.

Veränderungen im Verlauf der Nachkriegszeit Auch die Verschiebungen der letzten zehn bis zwanzig Jahre zeigen markante Unterschiede zwischen den drei großen Herkunftsgruppen. Der Anteil des lokalen Gemeinwesens und sozialen Lebens, der für alle Herkunftsregionen nach der Vertreibung deutlich wuchs, sank in den letzten zehn Jahren in „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbüchern wieder, bei den Deutschen aus Polen schon seit den 1960er Jahren. Bei den Deutschen aus Südosteuropa stieg er hingegen nach 1990 sogar weiter an (Abb. 19). Während „reichs-“ und sudetendeutsche Werke seit 1980 massiv wachsende Anteile an Dokumentation aufweisen, verhält sich dies in den Werken der Deutschen aus Südosteuropa umgekehrt, hier verlor der Dokumentationsteil ab den 1960ern deutlich (Abb. 20). Die Vertreibung schließlich, die im Durchschnitt erstaunlich wenig Raum in den Werken einnimmt, wird in den letzten zehn bis zwanzig Jahren für „Reichs-“ und Sudetendeutsche sowie die Deutschen aus Polen immer wichtiger, in sudetendeutschen Werken explodiert ihr Anteil in den 2000er Jahren geradezu. In südosteuropadeutschen Heimatbüchern ist dagegen sogar ein leichtes Absinken auszumachen (Abb. 21).

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Abb. 19  Anteil Gemeinwesen und soziales Leben in Prozent

Der Schlüssel zum Verständnis dieser auseinanderdriftenden Entwicklung liegt zunächst im Zeitpunkt des endgültigen Verlassens der alten Heimat und in der daraus resultierenden Altersstruktur der Erlebnisgeneration. Bei „Reichs-“ und Sudetendeutschen, aber auch den Deutschen aus Polen, deren Heimatbuchproduktion durch den Generationenwechsel mittlerweile weitgehend zum Erliegen gekommen ist, sind die Werke der letzten ein bis zwei Jahrzehnte gekennzeichnet durch mühsame Versuche,   

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Abb. 20  Anteil Dokumentation in Prozent

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Heimat im Buch: Versuch einer Quantifizierung

12% 10%

Mittelwert Deutsche aus Polen Südosteuropadeutsche Sudetendeutsche "Reichsdeutsche"

8% 6% 4% 2% 0% 1950

1960

1970

1980

1990

2000

Abb. 21  Anteil Vertreibung in Prozent

noch Wissen und Erinnerungen der in der Heimat Aufgewachsenen zu sammeln und in den Werken festzuhalten. Oftmals bestehen sie mangels greifbaren Zeitzeugenwissens schon zu einem erheblichen Teil aus reproduzierten Quellen und Dokumenten und befinden sich gleichsam im Übergang zur Lokalgeschichtsschreibung von Hobbyhistorikern und Familienforschern. Doch was soll in den Werken festgehalten werden, wenn die Erinnerung mit ihren Trägern gestorben ist? Hier tritt in den jüngeren Werken – mit Ausnahme der Südosteuropadeutschen – die Vertreibung an die Stelle des Wissens der Erlebnisgeneration. Offenbar führt diese entstandene Fehlstelle zu einer Verschiebung der Gruppenidentität – weg von der Erinnerung an das lebendige soziale Leben in der alten Heimat und hin zum „Gründungsereignis“ Vertreibung. Aufgrund der Altersstruktur ist kaum anzunehmen, daß die Mehrheit der Heimatbuchautoren mindestens der letzten zehn Jahre die Vertreibung bewußt erlebt hat; viele dieser Werke enthalten nur noch Kindheitserinnerungen an die alte Heimat. Statt der Tradierung von Heimaterinnerung, wie sie noch die Erlebnisgeneration anstrebte, wird nun die – meist nicht mehr selbst erlebte – Vertreibung identitätsstiftendes Moment der Gruppe. Hierzu hat vermutlich auch die verstärkte mediale Bearbeitung des Themas seit der politischen Wende 1989/90 beigetragen. Besonders ausgeprägt ist dies bei den Sudetendeutschen, deren Diskurs sich in den Heimatbüchern als stark politisiert und hoch verdichtet erweist und die augenscheinlich in der Weitergabe ihrer politischen Haltung an die nächste Generation recht erfolgreich waren, wie die bis heute unvermindert scharfe Rhetorik in ihren Werken zeigt.14 Doch wird hier kein kulturelles Erbe oder Wissen um das 14 Dazu ausführlich Kapitel 6.2 und 6.3.4.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Herkommen der Eltern- und Großelterngeneration weitergegeben, sondern eine Einübung in politische Argumentations- und Interpretationsmuster, die mit der Lebenswelt der Deutschen in Böhmen und Mähren bis 1945 wenig gemein haben. Die Deutschen aus Südosteuropa hingegen, insbesondere die Rumäniendeutschen, die zum Teil erst in den 1990er Jahren ihre Heimat endgültig verließen, verfügen über eine heute noch relativ junge Erlebnisgeneration mit lebendigen Erinnerungen an das Leben in der alten Heimat. An den Südosteuropadeutschen kann man auch sehen, daß die erhöhte Aufmerksamkeit der Medien nicht unbedingt zu einer steigenden Bedeutung des Themas Vertreibung in den Heimatbüchern führen muß, sondern dessen wachsender Anteil in den Werken der anderen Gruppen wohl in erster Linie dem Wegfall authentischer Erinnerung und damit des eigentlichen Gründungsmoments der Erinnerungsgemeinschaft geschuldet ist. Die Rumäniendeutschen, also Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen, verfügen heute auch über eine relativ gute Organisationsstruktur, die die Herausgabe von Heimatbüchern auf eine möglichst professionelle Grundlage stellt und zugleich dafür sorgt, daß die Heimatortsgemeinschaften der Vertriebenen aus einem Ort organisatorisch geschlossen bleiben. Die Siebenbürger Sachsen haben es auch verstanden, das Medium Internet für die Erinnerung an ihre alte Heimat und den Zusammenhalt ihrer Gruppe bestmöglich zu nutzen und damit auch die junge Generation einzubinden.15 So ist zu erwarten, daß die endliche Geschichte noch einige Jahrzehnte, vielleicht sogar bis zum Lebensende der Erlebnisgeneration weitergeschrieben und deutschsprachige Heimatbücher über diese Weltgegend erscheinen werden.

6.2  Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich Einführung: Geschichte und Geschichten Wie sich gezeigt hat, ist eine zentrale Funktion der Heimatbücher die Archivierung des Wissens und der Erinnerung, die Verschriftlichung des kommunikativen Gedächtnisses der Zeitzeugengeneration als Voraussetzung für eine spätere mögliche Aufnahme ins kulturelle Gedächtnis.16 Diese Funktion der Heimatbücher hat verschiedene Adressaten. Ganz unmittelbar waren dies die Vertriebenen der Erlebnisgeneration selbst, die im Heimatbuch ihre Erinnerung gemeinschaftlich festschrieben und so kanonisierten. Als Gedächtnis der Gruppe konnte es für den Einzelnen Anlaß sein, eigene Erinnerung zu rekonstruieren oder eine persönliche Sicht auf biographische Vergangenheit überhaupt erst herzustellen: „In der Erinnerung [erst] wird Vergangenheit rekonstruiert“, mehr noch: „Die Vergangenheit [...] entsteht überhaupt erst dadurch, daß man sich auf sie bezieht.“17 Erlebte Geschichte, biographische Erfahrung und Faktenwis15 Fendl: Das neue Heimatbuch, S. 261f. 16 Kapitel 3.4 17 Assmann: Gedächtnis, S. 31.



Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich

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sen, aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen, wurden in den Werken vereint. Heimatbücher sind keine Geschichtsbücher – auch wenn sie mitunter diesen Anspruch erheben –, sondern Geschichten-, besser noch „Mythenbücher“. „Mythos“, so Jan Assmann, „ist eine Geschichte, die man sich erzählt, um sich über sich selbst und die Welt zu orientieren, eine Wahrheit höherer Ordnung, die [...] normative Ansprüche stellt und formative Kraft besitzt. [...] Mythos ist die zur fundierenden Geschichte verdichtete Vergangenheit.“18 So transportieren die Heimatbücher tatsächlich Mythen im Assmann’schen Sinne, denn die historische Darstellung, die sie enthalten, ist keine geschichtswissenschaftliche, sondern eben „fundierende Geschichte“. Die Heimatbücher sind weder objektiv noch wertungsfrei, tatsächlich würden Objektivität und Wertungsfreiheit auch ihrer Funktion widersprechen, solcherart fundierende Geschichte(n) zu transportieren. Denn wenn auch die Heimatbuchautoren betonten, wie wichtig die Faktographie im Fall der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete sei, da der Zugang zu den gängigen Quellen der Heimatforschung sich kompliziert gestaltete, so sehr kam es für die Erinnerungsarbeit der Vertriebenen darauf an, welche Deutungen mit historischen Fakten verbunden wurden, in welche Zusammenhänge Erfahrungen und Ereignisse gestellt wurden, welche Themen in den Vordergrund gerückt und welche, vielleicht unbewußt, ausgeblendet oder vergessen wurden. Ein kollektives Gedächtnis funktioniert nicht über die faktographische Ebene, sondern über die Hierarchisierungen, Kontextualisierungen und Bedeutungszuschreibungen historischer Fakten.19 Den Anfang der Beschäftigung mit den Inhalten der Vertriebenenheimatbücher bildet ein vergleichender Überblick über die Heimatbücher der verschiedenen regionalen Herkunftsgruppen, die sich im Westen zu Landsmannschaften zusammenschlossen. Dabei zeigen sich erstaunliche Unterschiede, vielfältige fundierende Geschichten und auf den ersten Blick nicht erwartete Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen Gruppen. Die negative Auslese, also solche Inhalte, die in den Werken nicht auftauchen, erweist sich dabei als genauso wichtig wie die positive Feststellung dessen, was in den Werken tatsächlich behandelt wird. Gerade die Absenz von Themen deutet auf die Auswahlprozesse hin, die von den Autoren im Verlauf der Einordnung und Bedeutungszuschreibung vorgenommen wurden. Jan Assmann hat für diesen Prozeß der Auswahl, des Weglassens, der Kontextualisierung, Bedeutungszuschreibung und narrativen (Re-)Konstruktion von Erinnerung das Konzept der „Erinnerungsfiguren“ entwickelt, das die Prägnanzbildung im Erinnerungsprozeß beschreibt: „Ideen müssen versinnbildlicht werden, bevor sie als Gegenstände ins Gedächtnis Einlaß finden können. Dabei kommt es zu einer unauflöslichen Verschmelzung von Begriff und Bild. ‚Eine Wahrheit muß sich, um sich in der Erinnerung der Gruppe festsetzen zu können, in der konkre-

18 Hier folge ich Jan Assmanns Mythosbegriff, ebd., S. 76 und 78. 19 Halbwachs: Gedächtnis, S. 389f.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

ten Form eines Ereignisses, einer Person, eines Ortes darstellen.‘20 Umgekehrt muß sich aber auch ein Ereignis, um im Gruppengedächtnis weiterzuleben, mit der Sinnfülle einer bedeutsamen Wahrheit anreichern. [...] Aus diesem Zusammenspiel von Begriffen und Erfahrungen entstehen, was wir Erinnerungsfiguren nennen wollen.“21

Im Gegensatz zu Halbwachs, auf dessen Arbeiten dieses Konzept aufbaut, sieht Assmann die Versinnbildlichung nicht nur in der Verbindung von Idee und Bild gegeben: „Halbwachs selbst spricht in diesem Zusammenhang von ‚Erinnerungsbildern‘ [...], unter ‚Erinnerungsfiguren‘ verstehen wir demgegenüber kulturell geformte, gesellschaftlich verbindliche ‚Erinnerungsbilder‘ und ziehen den Begriff der ‚Figur‘ dem des ‚Bildes‘ deshalb vor, weil er sich nicht nur auf ikonische, sondern z.B. auch auf narrative Formung bezieht.“22

Solche narrativen Formungen gilt es in den Heimatbüchern zu identifizieren, um die Erinnerungsfiguren herauszuarbeiten, die die kollektive Erinnerung der deutschen Vertriebenen ausmachen, die Gewichtung innerhalb der Themenfelder und nicht zuletzt auch die Lücken und Aussparungen darin. Ebenso wird nach der Herkunft dieser Erinnerungsfiguren, von Wertungen und Bedeutungszuschreibungen zu fragen sein, also beispielsweise geklärt werden müssen, inwiefern die politische Haltung der Vertriebenenverbände sich in den Heimatbüchern niederschlug oder ob sich einzelne Topoi schon in Werken der Zwischenkriegszeit finden, um so die Entstehung eines gruppenspezifischen Bestands an Erinnerungen und deren Deutung nachzuvollziehen. Anhand der Auswahl und Ausprägung der kanonischen Deutungen ist es auch möglich, das Verhältnis der Gruppenerinnerung der Vertriebenen zum Erinnerungsrahmen der Gesamtgesellschaft zu bestimmen: Inwieweit verließen sie den gesamtgesellschaftlichen Rahmen, inwieweit blieb dieser dominant, welche Rolle spielte die Haltung der Verbände dabei? Nach Halbwachs und Assmann wird nur dasjenige Aufnahme ins kollektive Gedächtnis finden, was dem oder den Erinnerungsrahmen der Gegenwart entspricht, sozusagen in diesen oder diese Rahmen paßt.23 Standen die Gruppen der Vertriebenen, die gemeinsam ein Heimatbuch schrieben, außerhalb dieses gesellschaftlichen Erinnerungsrahmens, verarbeiteten sie auch Themen, die dort nicht hineinpaßten, und stellte der Erinnerungsrahmen der Vertriebenengruppen womöglich einen eigenen Erinnerungsraum innerhalb des gesamtgesellschaftlichen dar? Dem schließt sich in Kapitel 6.3 eine vertiefende Analyse der Darstellung zentraler Erinnerungsfiguren, Erzählungen, Sichtweisen und Deutungen in den Heimatbüchern an. Wie die quantitative Auswertung gezeigt hat, ist der mit Abstand gewichtigste. 20 Hier bei Assmann Verweis auf Maurice Halbwachs: La Topographie légendaire des Évangiles en Terre Sainte. Étude de mémoire collective, Paris: Presses universitaires de France 1941, S. 157. Dt. Ausgabe: ders.: Stätten der Verkündigung im Heiligen Land. Eine Studie zum kollektiven Gedächtnis, Konstanz: UVK 2003 (Maurice Halbwachs in der édition discours; 6). 21 Assmann: Gedächtnis, S. 37f. 22 Ebd., S. 38, Anm. 19. 23 Halbwachs: Gedächtnis, S. 390.



Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich

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Themenbereich in den Heimatbüchern die Geschichte. In Kapitel 6.3.1 interessiert daher die Darstellung sowohl der erlebten als auch der nicht mehr in die Lebenszeit der Erlebnisgeneration fallenden Vergangenheit, die Gewichtung der historischen Epochen innerhalb der Werke und die Herstellung konnektiver Strukturen in den dargebotenen historischen Erzählungen. So soll zum einen die Relevanz von Geschichte für die Gruppe der Vertriebenen und ihre spezifische Identität und zum anderen die narrative Fassung des kommunikativen Gedächtnisses, die Darstellung der erlebten Geschichte, ermittelt werden. Angesichts der zu Tage tretenden Unterschiede muß dabei zwischen Haltungen einzelner Landsmannschaften und solchen, die alle Vertriebenengruppen teilen, differenziert werden. Drei weitere vertiefende Exkurse analysieren in Kapitel 6.3.2, 6.3.3 und 6.3.5 die Darstellung solcher Themen, von denen als Ausgangshypothese angenommen wird, daß sie für die Vertriebenen von zentraler Bedeutung sind: der Zweite Weltkrieg, die Vertreibung und der Blick zurück auf die Heimat. Sozusagen auf der Kehrseite dessen wird ebenso die Behandlung von Nationalsozialismus und Holocaust in den Werken eingehender betrachtet und in Relation zum gesamtgesellschaftlichen Umgang mit diesen Themen gesetzt. Die Darstellung dieser Themen wird daher im Überblick über die Heimatbücher der einzelnen Landsmannschaften (6.3.2) zunächst nur kursorisch für die jeweilige Gruppe abgehandelt. Wichtige Aufschlüsse über den Ursprung der beobachteten Diskrepanzen zwischen den landsmannschaftlichen Gruppen soll in Kapitel 6.3.4 eine eingehende Beschäftigung mit der allmählichen Etablierung bestimmter Diskurse in den Heimatbüchern der Sudetendeutschen liefern, die sich als diejenige Vertriebenengruppe mit dem stabilsten Kanon an gemeinschaftlichen Haltungen und Sichtweisen herausstellen. Wer waren die Akteure, die diese Diskurse prägten, und wie gelang es ihnen, sie in der gesamten Gruppe durchzusetzen? Weshalb kanonisierten ausgerechnet die Sudetendeutschen im Zuge dieser Diskursverdichtung beispielsweise bestimmte Geschichtsbilder in ihren Heimatbüchern so erfolgreich? Zuletzt verläßt die Analyse in Kapitel 6.3.6 die Textebene und bietet einen Blick auf die in den Heimatbüchern der Vertriebenen dargebotenen Bilderwelten.

Charakteristika der Werke nach Herkunftsregionen Obwohl die Heimatbücher aller Vertriebenengruppen grundlegende Gemeinsamkeiten haben, gibt es wichtige regionale Unterschiede, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Denn wie die Analyse zeigt, war trotz des nationalen Zusammenschlusses im BdV als politischer Interessenvertretung für die Heimatbücher die landsmannschaftliche Gliederung ausschlaggebend, ob in Form von Vereinigungen, die die Herausgabe der Werke begleiteten, oder nicht zuletzt hinsichtlich spezifischer landsmannschaftlicher Deutungen von Geschichte und Gegenwart. Solcherart regionale Mythen dienen der Festigung und Tradierung einer bestimmten regionalen Identität. In ihnen wird Vergangenes dargestellt, das auch für die Gegenwart und Zukunft

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

identitätsstiftende Funktion hat, beispielsweise indem das Verhalten der landsmannschaftlichen Gruppe in einer historischen Situation als für die Gruppe charakteristisch aufgezeigt wird. In den Heimatbüchern als formativen Texten und Speicherorten des Gruppengedächtnisses werden diese Mythen gemeinschaftlich und verbindlich niedergelegt, zum einen um so die Gruppenidentität aufrechtzuerhalten, zum anderen mit dem Ziel, diese Identität weiterzutradieren.24 Als regional kann man diese Mythen deswegen bezeichnen, weil sich die Vertriebenen in Kontinuität zu der ehemaligen Einwohnerschaft ihrer Herkunftsregionen definieren und überdies viele der landsmannschaftlich typischen Erzählungen direkt mit dieser regionalen Herkunft in Verbindung stehen.

Ehemalige deutsche Ostgebiete Ostpreußen Mit dem Göttinger Arbeitskreis, gegründet „am 1. November 1946 als eine Arbeitsgemeinschaft ostdeutscher Wissenschaftler, die überwiegend mit Königsberg und Ostpreußen verbunden waren“,25 existierte schon kurz nach der Vertreibung eine politisch eindeutig ausgerichtete wissenschaftliche Vereinigung ostpreußischer Vertriebener in der Tradition der völkischen Ostforschung, unter deren Ägide ungefähr ein Drittel der ostpreußischen Heimatbücher erschienen. In jeweils ähnlicher inhaltlicher Gliederung wird in diesen Werken eine breite Themenpalette analog zu den klassischen Heimatbüchern der Zwischenkriegszeit abgehandelt. Dadurch ergibt sich sowohl strukturell als auch inhaltlich ein im Vergleich mit anderen Herkunftsregionen relativ einheitliches Bild; bis in die 1970er Jahre vertreten die ostpreußischen Werke eine geschlossene erinnerungs- und ost- bzw. deutschlandpolitische Linie. Sofern nicht unter Göttinger Federführung entstanden und in der Reihe „Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis“ erschienen, wurden die Werke in aller Regel von Heimatkreisgemeinschaften oder Heimatbünden verantwortet und erschienen meist im Selbstverlag, einige in Kommission bei Rautenberg.26 Für Ostpreußen beziehen sich die Heimatbücher nur ausnahmsweise auf einzelne Orte,27 die Verwaltungsgliederung des ehemaligen Kreises oder Landkreises war der für die Region maßgebliche Referenzraum. Ebenso sind die Herausgeber und verantwortlichen Autoren bis in die 24 Dazu auch Kapitel 5.2. 25 Kai Arne Linnemann: Das Erbe der Ostforschung. Zur Rolle Göttingens in der Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit, Marburg: Tectum Der Wissenschaftsverlag 2002, zuletzt Samuel Salzborn: Göttinger Arbeitskreis, in: Ingo Haar und Michael Fahlbusch (Hg.): Handbuch der völkischen Wissenschaften. Personen, Institutionen, Forschungsprogramme, Stiftungen, München: Saur 2008, S. 198–203. 26 Rautenberg, gegründet 1825 in Mohrungen (Ostpreußen), war ein traditionsreiches Königsberger Druck- und Verlagshaus, nach 1945 im ostfriesischen Leer weitergeführt; vgl. die Selbstdarstellung o.A.: „Über 175 Jahre Rautenberg“, (28.11.2007). 27 Succase 1968 [OPR] und Lenzen 1970 [OPR], beide vom selben Autor, Georg Wichmann.



Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich

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1980er Jahre oft die ehemaligen Landräte, so daß die Werke den Charakter nachträglicher offiziöser Rechenschaftslegung28 über die Verwaltungstätigkeit annehmen.29 Daher spricht aus den Werken großer Stolz auf die Verwaltungsleistung, besonders hervorgehoben werden u.a. Verbesserungen der lokalen Infrastruktur und die Aufgaben der Verwaltung bei der Evakuierung der Bevölkerung Anfang 1945. Die Darstellung des Zweiten Weltkriegs ist stark militärisch, bis weit in die 1970er Jahre hinein wird der Kriegsverlauf aus Sicht und im zeitgenössischen Jargon der Wehrmacht oder des Volkssturms geschildert.30 Auch dies geht wohl auf die quasiamtliche Autorenschaft der ehemaligen Landräte zurück, die, wenn sie sich vielleicht auch nicht mehr nachträglich mit dem NS-Staat identifizierten, dessen Funktionseliten sie angehört hatten, so doch mit der Wehrmacht als dem vermeintlich „saubersten“ Teil des Regimes. Mehrfache Heimatbuchautoren sind für Ostpreußen eher selten. Der Historiker Rudolf Grenz verfaßte zwei Kreisheimatbücher,31 der Studienrat Max Meyhöfer drei.32 Prägender regionaler Mythos ist in den betroffenen Kreisen die Abstimmungszeit nach dem Ersten Weltkrieg, die den Status fundierender Geschichte erhält. So „standhaft und treu“ wie die Ostpreußen in der Abstimmungszeit zu Deutschland gewesen seien, so „treu“ zur Heimat seien sie auch nach 1945, was deutschlandpolitisch das Festhalten an mindestens den Grenzen von 1937 implizierte.33 Auch der Erste Weltkrieg war bei den Ostpreußen noch im kommunikativen Gedächtnis der Erlebnisgeneration präsent, wie sich an den Heimatbüchern ablesen läßt, einerseits wegen der Kampfhandlungen auf ostpreußischem Gebiet und andererseits wegen der Gebietsabtretungen nach 1920, von denen einige Kreise direkt betroffen waren34 und die durch 28 Analog zur „Zeugnis“-Funktion der Heimatbücher, in diesem Fall nachträglich von amtlicher Seite. 29 So Ortelsburg 1957 [OPR] vom eh. Landrat Victor von Poser, Goldap 1965 [OPR] vom eh. Kreisoberinspektor Johannes Mignat, Samland 1966 [OPR] vom eh. Landrat Paul Gusovius, Mohrungen 1967 [OPR] vom eh. Landrat Wolf Frhr. von Wrangel, Tilsit-Ragnit 1971 [OPR] vom eh. letzten Landrat Fritz [Friedrich] Brix, Lyck 1981 vom eh. Kreisdirektor Reinhold Weber. Übrigens gab es dies in Ostpreußen auch schon vor 1945, z.B. Goldap 1939, hg. vom damaligen Landrat des Kreises, Karl von Buchka. Dazu ausführlich Wolfgang Kessler: Von der Aneignung der Region als ,Heimat‘ zur Dokumentation des Verlorenen. Heimatbücher zum historischen Nordostdeutschland, in: Beer: Heimatbuch, S. 101–127, hier S. 117–120. 30 Ähnlich Lötzen 1961 [OPR], Samland 1966 [OPR], Heiligenbeil 1975 [OPR], Rößel 1977 [OPR], Treuburg 1971 [OPR], Preußisch Holland 1978 [OPR], Lyck 1981 [OPR]. 31 Treuburg 1971 [OPR], Labiau 1973 [OPR]. Zu Grenz Bernhart Jähnig: Rudolf Grenz. * Groß Bademeusel Kr. Sorau 12.6.1929, † Marburg 16.4.2000 [Nachruf], in: Preußenland 39 (2001), S. 19. 32 Lötzen 1961 [OPR], Neidenburg 1968 [OPR]. Meyhöfer, laut Titelseite von Lötzen 1961 „Oberstudienrat i.R.“, war neben dem ehemaligen Landrat von Poser auch beteiligt an Ortelsburg 1957 [OPR]. 33 Treuburg 1971 [OPR], S. 177: „Wir Treuburger und Masuren wollen uns in der Treue zu Deutschland von keinem Volksstamm übertreffen lassen, wie das Abstimmungsergebnis vom 11. Juli 1920 bewiesen hat. Wir wollen immer darauf hinweisen, daß wir Ostpreußen ein Glied Deutschlands sind und daß wir die Freiheit unserer Heimat wollen, damit Deutschland wieder ein Staat wird in ‚Einigkeit und Recht und Freiheit‘.“ Ähnlich Rößel 1977 [OPR], S. 187f.; Lyck 1981 [OPR], S. 217. 34 Der südliche Teil des Kreises Neidenburg, das sogenannte Soldauer Ländchen, kam an Polen. Die Kreise Rosenberg und Marienwerder, zuvor zu Westpreußen gehörig, wurden Ostpreußen angegliedert und werden hier dem Gebietsstand vom 31.12.1937 entsprechend bei Ostpreußen behandelt.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

den polnischen Korridor Ostpreußen vom Reichsgebiet abschnitten.35 Insbesondere diese Grenzziehung wird in den Werken als „Diktatfrieden von Versailles“ des öfteren auch für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht und damit indirekt kausal mit der Vertreibung verbunden.36 Nicht zuletzt durch den Einfluß des Göttinger Arbeitskreises sind die ostpreußischen Werke bezüglich der vertretenen deutschlandpolitischen Haltung und der Sichtweise auf Flucht und Vertreibung, besonders im Vergleich mit anderen Landsmannschaften, mindestens bis 1970 recht homogen. Erst Ende der 1970er Jahre finden sich vielfältigere Meinungsbilder, beispielsweise im Heimatbuch des Kreises Preußisch Holland von 1978, das die bis dato vorherrschende Darstellung nicht aufgibt, jedoch um neue Aspekte ergänzt. In diesem Werk finden sich die alten Stereotype von der „polnischen Wirtschaft“37 neben Schilderungen herzlicher Aufnahme durch Polen bei der nach den Ostverträgen möglich gewordenen Reise in die alte Heimat,38 völlige Ausblendung der NS-Zeit in der Geschichtsdarstellung neben mehrseitigen Erinnerungen ausgewanderter jüdischer Ostpreußen,39 Lobreden auf die „Tapferkeit“ des Volkssturms40 neben der Beschreibung eben dieses Volkssturms als sinnlos verheizte „Invaliden“.41 Auch die Zielsetzung des Werkes wird im Vorwort nicht mehr politischkämpferisch, sondern nur noch in der Bewahrung und Weitergabe spezifischer Erfahrungen und Identität an die nächste Generation gesehen.42 Doch noch eines der letzten erschienenen ostpreußischen Heimatbücher nennt 1981 als seine Motivation ausgerechnet, die „Ungereimtheiten“ und das „völlig verzeichnete Bild“ korrigieren zu wollen, das der im Kreis geborene Siegfried Lenz im Roman „Heimatmuseum“

35 Dazu auch Robert Traba: Zwischen „Bollwerk“ und „Heimatmuseum“. Zu ostpreußischen Erinnerungsorten, in: Matthias Weber (Hg.): Preußen in Ostmitteleuropa. Geschehensgeschichte und Verstehensgeschichte, München: Oldenbourg 2003 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa; 21), S. 283–297. Traba konstatiert, daß der in der Zwischenkriegszeit sehr vitale ostpreußische Mythos des Ersten Weltkriegs nach der Vertreibung keine Rolle mehr spielte und von der Vertreibungserfahrung komplett überlagert wurde (ebd., S. 291, 294). Dies ist in den Heimatbüchern tatsächlich anders. 36 Rosenberg 1963 [OPR], S. 275; Samland 1966 [OPR], S. 672; Treuburg 1971 [OPR], S. 114. 37 Preußisch Holland 1978 [OPR], S. 377f. 38 Ebd., S. 442f.: „Sie [die ortsansässigen Polen; JF] wollen ihr hart erworbenes Brot in Frieden essen, denn das polnische Volk und die einzelnen Familien haben in ihrer wechselvollen Geschichte Schweres erduldet und viele Opfer gebracht. Nachdem sie sich eine neue Heimat erarbeitet haben und glauben dürfen, daß sie ihnen nicht von den früheren Bewohnern wieder weggenommen werden wird, sind sie zu deutschen Besuchern sehr freundlich und bei offenbarer Armut sehr gastfrei. [...] Wohl müssen wir uns jetzt bescheiden, daß andere das Land bebauen, das Generationen von Deutschen mit deutschem Fleiß und mit deutscher Kultur erfüllt haben. Aber es wächst wieder Brot in dem Land, und gesunde Kinder wachsen heran unter dem alten Walmdach, das uns in guten und schweren Zeiten beschirmt hatte.“ 39 Ebd., S. 535–546. 40 Ebd., S. 381. 41 Ebd., S. 382; Autorin dieses Abschnitts ist Marion Gräfin Dönhoff, die aus dem Kreis stammt. 42 Ebd., Vorwort, S. 9f.



Heimat im Buch: Inhalte im Überblick und Vergleich

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von seiner Geburtsstadt Lyck gezeichnet habe.43 In den 1980er Jahren riß der Strom der (Kreis-)Heimatbücher zu Ostpreußen ab, es erschienen fast nur noch Neuauflagen und Nachdrucke. Die Erlebnisgeneration, zumal die alten Landräte, war vielfach nicht mehr am Leben, und die jüngere Generation, so sie Interesse an der Historiographie Ostpreußens hatte, wählte kaum noch die Form eines Heimatbuchs zu deren Darstellung oder mochte ihren Werken mindestens den Titel „Heimatbuch“ nicht mehr geben.44

Ostpommern und Ostbrandenburg Der Göttinger Arbeitskreis versah auch die Publikation dreier ostpommerscher Heimatbücher.45 Strukturell ähneln diese Werke daher den ostpreußischen, handeln eine breite Themenpalette ab und haben ebenfalls die ehemaligen Landkreise zum Bezugsraum. Sie transportieren ebenso, bei Beteiligung der alten Verwaltungseliten, Stolz und Leistungsnachweis der ehemaligen Verwaltung, vertreten die deutschlandpolitische Haltung der Vertriebenenverbände und stellen den Zweiten Weltkrieg aus ganz überwiegend militärischer (d.h. Wehrmachts-)Perspektive dar.46 Eine Reihe ostpommerscher Heimatbücher erschien in den 1980er und 1990er Jahren bei einem norddeutschen Regionaliaverlag,47 ansonsten überwog die Publikation im Selbstverlag. Aufgrund der fehlenden zentralen Organisationsform zur Heimatbuchpublikation war die Ausgestaltung der einzelnen Werke den jeweiligen Autoren und Heimatkreisgemeinschaften überlassen; folglich sind die Werke recht unterschiedlich. Eine gemeinsame Struktur ist kaum zu erkennen. Starke regionale Mythen sind bei den Ostpommern ebensowenig auszumachen. Durchweg wird der „rein deutsche“ Charakter der Region und die „Treue“ ihrer Bewohner zur Heimat betont,48 nicht anders als bei anderen „reichsdeutschen“ Landsmannschaften. Mehrfachautoren sind selten, nur Manfred Vollack, ehemaliger Redakteur der Pommerschen Zeitung, publizierte mehr als ein Werk zur Region.49 43 Lyck 1981 [OPR], S. 6, Vorwort des Herausgebers „Direktor a.D.“ Reinhold Weber. 44 Im Bestand der Martin-Opitz-Bibliothek finden sich einige nach dem Jahr 2000 erschienene Werke, die zwar „Heimatbuch“ heißen, jedoch fast ausschließlich aus Adressen, Einwohnerlisten und reproduzierten Dokumenten bestehen, so Großudertal 2002 [OPR]. Diese sind stark genealogisch orientiert und trotz des Titels kaum als Heimatbuch zu betrachten. 45 Stolp 1952 [OPOM], Cammin 1970 [OPOM], Neustettin 1972 [OPOM]. 46 So in Cammin 1970 [OPOM], hg. vom ehemaligen Landrat Hasso Graf von Flemming-Benz, S. 531–556. 47 Druck- und Verlagsgesellschaft Husum, heute Verlagsgruppe Husum, . Neben drei nach 1945 verfaßten Werken (Schlawe 1.1986/ 2.1989 [OPOM], Zanow 1.2.1990 [OPOM], mit Nachauflagen 1993 und 1994, sowie Kolberg 1999 [OPOM]) druckte der Verlag auch Vorkriegsheimatbücher nach, so Netzekreis ND 1983 [OPOM] und Wollin ND 1984 [OPOM]. 48 Stolp 1952 [OPOM], Vorwort; Saatzig 1984 [OPOM], S. 5, 9 u.ö.; Kolberg 1999 [OPOM], S.  6 „Treue“, 69 „rein deutsch“. 49 Schlawe 1.1986/ 2.1989 [OPOM], Kolberg 1999 [OPOM]. Zu Vollack, Publizist im Umfeld der Pommerschen Landsmannschaft: Rose-Maria von Randow: Manfred Vollack + [Nachruf], in: Die Pommersche Zeitung 49 (1999), S. 3.

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Die Region Ostbrandenburg ist im Vergleich zu anderen Regionen der ehemaligen deutschen Ostgebiete insgesamt mit eher wenigen Heimatbüchern vertreten. Die Gründe hierfür sind in der recht kleinen Fläche der durch die Oder-Neiße-Grenze geteilten historischen Region mit zudem geringer Siedlungsdichte vor 1945 zu suchen. Auffällig ist in ostbrandenburgischen Werken, aber auch einigen ostpommerschen, der selbst mehrere Jahrzehnte nach der Vertreibung noch sehr präsentische Charakter der Darstellung. Durchgängige Formulierungen im Präsens, ausschließliche Bebilderung mit historischen Fotos aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg und keinerlei über die Zeit nach 1945 hinausgehende Darstellung vermitteln den Eindruck andauernder Verhältnisse, die Tatsache der Vertreibung und damit der Zerstörung der lokalen Gemeinschaft wird solcherart ignoriert.50 Konsequenterweise findet sich meist nur wenig über die Vertreibung selbst, was jedoch wiederum bei anderen Landsmannschaften ganz ähnlich ist. Die scharfe Rhetorik der Verbände fehlt zumindest in den außerhalb des Göttinger Arbeitskreises erschienenen ostbrandenburgischen Werken, lediglich das „Recht auf Heimat“ wird immer wieder bekräftigt. Es überwiegt ein Gefühl von Trauer und Verlust, das stellenweise auch sehr pathetisch formuliert wird.51 Nur bis Anfang der 1960er Jahre finden sich Rückkehrhoffnungen.52 Insgesamt scheint die Landsmannschaft Ostbrandenburg oder besser die Autoren der Heimatbücher vergleichsweise mäßig durchpolitisiert im Sinne der deutschlandpolitischen Linie der Verbände. In einigen ostbrandenburgischen Werken nehmen Natur und Landschaft den Charakter regionaler Mythen an: Mensch und Landschaft seien eins gewesen, die Natur habe den friedliebenden Charakter der Bewohner geprägt.53 Wie viele Vertriebene führen auch die ostbrandenburger Autoren ihre rasche Eingliederung im Westen auf Charaktermerkmale zurück, die typisch für sie seien und die sie als Beitrag zum Wiederaufbau im Westen eingebracht hätten.54

50 Präsentische Formulierungen z.B. in Crossen 1962 [OBR] und Falkenburg 1963 [OPOM], Illustration mit fast ausschließlich historischem Bildmaterial in Sommerfeld 1956 [OBR] und Crossen 1962 [OBR]. Christianstadt 1968 [OBR] erklärt S. 5 explizit, die Zeit nach 1945 interessiere nicht, mit der Zerstörung der Stadt 1945 sei die Ortsgeschichte abgeschlossen. 51 Beispielsweise in Crossen 1962 [OBR] das Kapitel „Ich habe mein Crossen sterben sehen!“, S. 47–64. 52 Sommerfeld 1956 [OBR], S. 10 u.ö.; Falkenburg 1963 [OPOM], S. 20. 53 Crossen 1962 [OBR], S. 19: „Die Landschaft um Crossen ist keine wuchtig aufgebaute Ballade, kein breit hingelagertes Epos, sie ist ein liebliches Idyll, einfach, innig, voll künstlerischer Geschlossenheit.“ Christianstadt 1968 [OBR], S. 8: „Die Bewohner [...] waren ein friedfertiges, arbeitsames Völkchen, das vorwärtsstrebte. Landschaft, Natur und Mensch waren hier eins geworden und darin wurzelt eine geheimnisvolle Kraft zum Leben!“ 54 Crossen 1962 [OBR], S. 65–67: „Das Gros der Crossener setzte sich durch harte Arbeit auch in der neuen Umgebung durch, schuf sich mit unerhörtem Fleiß neue Existenzen, [...] ihre Charakterfestigkeit, ihr Fleiß und ihre Hingabe waren wertvollste Bausteine der Aufwärtsentwickung.“ Christianstadt 1968 [OBR], S. 100: „Die ärgsten Wunden sind heute [...] verheilt; [die Erlebnisgeneration] fühlt sich mit ihrer jetzigen Umgebung fast schon wieder verwurzelt.“ Meseritz 1.1973 [OBR], S. 342: „Fleiß, Zähigkeit, Ausdauer und fester Wille sind die Grundzüge des ostdeutschen Menschen, und ihnen verdanken wir unseren heutigen Wohlstand.“



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Sowohl bei Brandenburgern als auch bei Pommern läßt sich ein deutlicher Wandel mit Beginn der bundesdeutschen Entspannungspolitik und dann besonders mit den Ostverträgen der Regierung Brandt 1970 feststellen. Hier machten sich einerseits die erleichterten Reisemöglichkeiten und damit die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild zu machen und in direktem Kontakt mit den nun dort lebenden Menschen Vorurteile und politisch induzierte Sichtweisen zu korrigieren, andererseits aber auch die allgemein entspanntere Haltung im deutsch-polnischen Verhältnis bemerkbar. Exemplarisch dafür sind zwei Reiseberichte desselben Autors im Heimatbuch von Lauenburg von 1967, also noch vor Regierungsantritt Brandts. Bei der ersten Wiederbegegnung 1957 empfindet der Autor seine Heimatstadt als feindselig, fremd und verwahrlost, antislawische Stereotype scheinen auf: „Die Stadt hat sich völlig verändert. Sie hat einen ganz anderen, fremden Charakter bekommen. Verwahrlost, schmutzig, unordentlich, östlich.“55 Modernisierung, in diesem Fall die Entfernung alter Gaslaternen, die sicher in bundesdeutschen Städten ebenso stattfand, sieht er als Beseitigung deutscher Spuren. Die nun dort lebenden Polen, so schreibt der Autor, hätten ein „schlechtes Gewissen“, weil sie etwas „genommen“ hätten, „das [ihnen] nicht gehört“. Er führt seinen Eindruck von Trostlosigkeit auch darauf zurück, daß die Bewohner nicht sicher seien, ob ihre Situation von Dauer sei: „Niemand glaubt in Wirklichkeit daran, daß er für immer bleiben würde. Kann man sich eine trostlosere Situation für eine Bevölkerung vorstellen, die nicht zur Ruhe kommt, sondern auf Abruf lebt?“56 Bei einer zweiten Reise 1964 sind Haltung und Eindrücke ganz andere. Durch die erste Reise bestehende Kontakte werden nun vertieft, er wird von den neuen Bewohnern seines alten Hauses „mit einer Gastfreundschaft aufgenommen, die nicht herzlicher sein könnte. [...] Erstaunlich ist [...] die Harmonie, die sich bei den Gesprächen herausstellt. Auch diese polnische Familie hatte während des Krieges Schweres durchgemacht. Der Mann im Gefängnis, einer der Söhne in einem Konzentrationslager. Aber die Gegenwart ist stärker.“57 Und so klingt sein Fazit sehr viel positiver: „Die frühere deutsche Ordnung und Akkuratesse mögen fehlen. Aber man spürt das Bemühen, die Stadt freundlicher, wohnlicher zu gestalten.“58 Man kann sicherlich für die deutsch-polnische Verständigung auf dieser ganz individuellen Ebene, aber auch generell für die Sicht der Vertriebenen auf die Vertreibung und das deutsch-polnische Verhältnis, die Bedeutung der Neuen Ostpolitik kaum unterschätzen. Fast bei allen Regionen der ehemaligen deutschen Ostgebiete findet sich eine ähnliche entkrampfende und auf individueller Ebene auch befreiende Wirkung. Dabei waren Reiseabkommen und damit die Möglichkeit individueller Wiederbegegnung mit der alten Heimat und ihren neuen Bewohnern nur ein Teil dieses Effekts. Mindestens so wichtig war der Abschied der Politik vom rhetorischen Doppelspiel der möglichst vollständigen Integration der Vertriebenen bei vor allem in Sonntagsre55 56 57 58

Lauenburg 1967 [OPOM], S. 819. Ebd., S. 823. Ebd., S. 833. Ebd., S. 829.

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den immer wieder geschürten Rückkehrhoffnungen und Forderungen nach Grenzrevision.59 Ähnlich wie der zitierte Lauenburger Autor dies für die im polnischen Lębork lebenden Menschen formuliert, lebten auch viele Vertriebene „auf Abruf“, zumindest war dies die ihnen von vielen Politikern und Verbandsfunktionären zugedachte Rolle. Spätestens mit den Ostverträgen änderte sich dies auf beiden Seiten der Oder.60 So läßt sich nach 1970 auch ein zahlenmäßiger Anstieg der Heimatbuchproduktion feststellen. Ende der 1960er Jahre finden sich in den pommerschen und ostbrandenburgischen Heimatbüchern – so nicht vom Göttinger Arbeitskreis verantwortet – keine Forderungen nach Grenzrevision mehr, sondern nur noch der Wunsch, den Kindern ein wenig Wissen über die Herkunftsheimat ihrer Eltern zu vermitteln, keine Hoffnung mehr auf Rückkehr, sondern nur noch auf einen „Platz in der Geschichte“.61 Das Heimatbuch des ostbrandenburgischen Meseritz, erschienen nach den Ostverträgen, setzt diesen Wandel noch weiter fort.62 Auch hier stehen, ähnlich wie im selben Zeitraum im schon zitierten ostpreußischen Werk, verschiedene Standpunkte nebeneinander in einem Buch. Während der Nationalsozialismus in der historischen Chronologie weiterhin wie bei fast allen Werken ausgespart bleibt, bemühen sich mehrere Kapitel, die ehemalige jüdische Gemeinde im Kreis in die Darstellung einzubeziehen, auch ehemalige jüdische Nachbarn zu Wort kommen zu lassen, die selbst über ihr Schicksal berichten.63 Neben grausamen Darstellungen zum Einmarsch der Roten Armee finden sich versöhnliche Erinnerungen einer in ein sowjetisches Lager verschleppten Frau.64 Klagen darüber, daß das Schicksal der Vertriebenen nicht genug gewürdigt worden sei und die „Wahrheit nicht unterdrückt werden“ dürfe,65 stehen neben Wiederbegegnungsschilderungen, bei denen man als „beste Freunde“ von den neuen Besitzern des alten Hauses schied,66 und der Einsicht, „daß die alte Heimat, so schmerzlich es für jeden einzelnen auch sein mag, für uns wohl verloren ist.“67

59 Ahonen: After the Expulsion, S. 276–278. 60 Saatzig 1984 [OPOM], S. 414: „Mein Eindruck bei mehreren Besuchen war, daß vor 1972 viele Leute der heutigen Bevölkerung Pommern nicht als ihre endgültige Heimat betrachte[te]n. Nach den Ostverträgen hat sich das geändert.“ 61 Christianstadt 1968 [OBR], S. 8 und 13. 62 Meseritz mag sich insofern von anderen ostbrandenburgischen Kreisen unterscheiden, als es bis 1919 zur preußischen Provinz Posen, danach zur Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen gehört hatte. Erst am 1. Oktober 1938 kam der Kreis zu Brandenburg. 63 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 250–253 „Die jüdische Gemeinde“, Meseritz 2.1974, S. 262–267 „Eine jüdische Familie aus unserem Kreis“, S. 268f. „Jüdische Tragödie“ (über nach der „Polenaktion“ 1938 im Grenzgebiet abgestellte Züge mit polnischen Juden, die aus dem Reichsgebiet abgeschoben worden waren). 64 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 340: „Trotz allem Schrecklichen, was wir durch die Russen erfahren haben, habe ich in meiner Gefangenschaft gelernt, das russische Volk zu lieben.“ 65 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 330f. 66 Meseritz 2.1974 [OBR], S. 327. 67 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 125.



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Ähnlich wie bei den ostpreußischen Werken ging auch für Ostbrandenburg und Pommern mit dem Generationenwechsel das Ende der Heimatbuchproduktion einher. In den 1980er und 1990er Jahren erschienen kaum noch neue Werke, lediglich einige Neudrucke zeugen noch von Interesse für die älteren Heimatbücher. Daneben finden jedoch andere Publikationsformen die Unterstützung der Heimatkreisgemeinschaften.68

Schlesien Gliedert man die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit nach historischen Regionen, so sind die Schlesier diejenigen, die in der Hochzeit des Heimatbuchs und der Heimatkunde in den 1920er Jahren die professionellsten und in ihrer Qualität oft beeindruckenden Werke hervorgebracht haben. Insofern bestanden also für die vertriebenen Schlesier, die sich nach 1945 anschickten, ihre verlorene – alte – Heimat in einem Heimatbuch festzuhalten, aufgrund der guten Vorarbeiten aus der Weimarer Zeit im Vergleich mit anderen Regionen denkbar gute Bedingungen. Dennoch zeichnen sich schlesische Heimatbücher nach 1945 im Vergleich mit denen anderer Landsmannschaften weder durch Quantität69 noch Qualität besonders aus. Das in der Zwischenkriegszeit etablierte Niveau lokaler Heimatforschung hat offenbar nach der Vertreibung keine wirkliche Fortsetzung erfahren. Dazu mag auch beigetragen haben, daß es für Schlesien keine einheitlichen Heimatort- oder Heimatkreisorganisationen gab, wie dies bei anderen Landsmannschaften durchaus der Fall war.70 In Einzelfällen bestand sogar personelle Kontinuität zur Vorkriegszeit,71 jedoch konnte diese offenbar die frühere breite lokale Forschungslandschaft aus Laien und Fachleuten nicht ersetzen. Personelle Kontinuität war auch kein Garant für die Anknüpfung an die Qualität der Zwischenkriegswerke, wie sich im Falle der Heimatbücher des schlesischen Landeshut von 1929 und 1954 zeigen läßt. Während das Werk von 1929 ein Beispiel für die herausragende Qualität der Heimatbücher der Zwischenkriegszeit ist, steht beim Vertriebenenheimatbuch von 1954 die deutschlandpolitische

68 So das deutsch-polnisch angelegte Werk von Torsten Lorenz: Von Birnbaum nach Międzychód: Bürgergesellschaft und Nationalitätenkampf in Großpolen bis zum Zweiten Weltkrieg, Berlin: BWV 2005 (Frankfurter Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Ostmitteleuropas; 10), entstanden mit finanzieller Unterstützung der Heimatkreisgemeinschaften Meseritz und Birnbaum. 69 Hier wurden sie schon in den 1950er Jahren von den Sudetendeutschen, ab den 1960ern auch von den Südosteuropadeutschen weit überflügelt; dazu ausführlich Kapitel 6.1. 70 Wolfgang Kessler (Bearb.), Stiftung Ostdeutscher Kulturrat OKR: Ostdeutsches Kulturgut in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch der Sammlungen, Vereinigungen und Einrichtungen mit ihren Beständen, München u.a.: Saur 1989, S. 252–299, zeigt eine sehr heterogene Struktur der an den alten Verwaltungsgliederungen Schlesiens orientierten Vereinigungen. Allein deren Benennung rangiert zwischen Heimatverein, Heimatausschuß, Heimatbund, Heimatkreis oder Bundesheimatgruppe. 71 So in der Person Alfons Perlicks, der Beuthen 1962 [S-O/S] und Beuthen 1982.2 [S-O/S] herausgab, oder Landeshut 1929 und Landeshut 1954 [S-N/S], beide von Ernst Kunick. Zu letzterem auch Kapitel 6.3.2.

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Rhetorik der Verbände, mithin die Gegebenheiten der Nachkriegszeit, im Vordergrund des Buches, was sich nicht zuletzt zulasten der Qualität auswirkt.72 Eine übergeordnete Organisation zur Heimatbuchpublikation gab es auch bei den Schlesiern nicht. Die unter Federführung des Beuthener Heimat- und Volkskundlers Alfons Perlick herausgegebenen Werke erschienen im Verlag der von ihm geleiteten Ostdeutschen Forschungsstelle NRW, zwei andere bei der Grenzlanddruckerei Rock,73 ansonsten war der Selbstverlag die übliche Erscheinungsform. Die Hochzeit der schlesischen Vertriebenenheimatbücher waren die 1950er Jahre, in denen mehr Werke als in allen anderen Nachkriegsjahrzehnten erschienen. Ähnlich wie in Ostpreußen waren bis mindestens 1970 die Kreise die maßgeblichen Bezugsräume, und ebenso wie dort sind auch in Schlesien vielfach die ehemaligen Verwaltungsangehörigen an den Werken beteiligt und legen stolze Rechenschaftsberichte über ihre Arbeit ab.74 Ab den 1970er Jahren erschienen mehr und mehr Werke zu einzelnen Orten, bis sich in den 1980er Jahren das Verhältnis umkehrte und der einzelne Ort zum Referenzraum der Heimatbücher wurde – die ehemaligen Kreise hatten offenbar ihre Bindungskraft als symbolische Bezugsgröße verloren. Interessanterweise erschienen anders als bei anderen Herkunftsregionen in den 1970er Jahren nicht mehr, sondern weniger Werke als in anderen Jahrzehnten. Ein Perspektivwandel durch die Neue Ostpolitik ist bei den Schlesiern dann auch in dieser Form nicht zu erkennen. Auch für Schlesien ebbte mit dem Schwinden der Erlebnisgeneration seit spätestens den 1990ern der Strom der Werke ab. Die wenigen noch erscheinenden haben einen zunehmend ungeordneten, manchmal wirren Charakter, bestehen oft zum großen Teil aus abgedruckten Quellen und zeugen von mühsamer Suche nach letzten Überlieferungen und von Ratlosigkeit angesichts verlorenen Wissens.75 Die in ihnen festgehaltene Retrospektive ist deutlich nur noch Kindheitserinnerung der jüngsten Jahrgänge der Erlebnisgeneration, die die letzten Kriegsjahre aus Kindersicht schildern. So stehen nicht mehr Atrozitäten beim Einmarsch der Roten Armee 1945 im Vordergrund, sondern das Erlebnis von Krieg und Besatzung als Abenteuer, statt von Vergewaltigungen wird von kinderlieben russischen Soldaten erzählt.76 Zudem finden sich mehr und mehr

72 Jutta Faehndrich: Papierene Erinnerungsorte: die Heimatbücher schlesischer Vertriebener, in: Czapliński: Schlesische Erinnerungsorte, S. 323–342, hier S. 337f., sowie Kapitel 6.3.2. 73 Landeshut 1954 [S-N/S], Hirschberg 1953 [S-N/S]. 74 So in Hirschberg 1953 [S-N/S], S. 54f., der Autor Alfred Höhne ist ein ehemaliger Stadtoberinspektor; Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 200, auf die unmittelbare Nachkriegszeit bezogen, als noch ein deutscher Verwalter eingesetzt war; aber auch noch in Ratibor 1.1980 [S-O/S], S. 200–219, verfaßt vom letzten Landrat des Kreises Ratibor, Ferdinand Hütteroth. 75 So in Obernigk 1996 [S-N/S], S. 149, das Kapitel „Tennis-Club Obernigk“, das aus der Beschreibung des vergeblichen Versuches besteht, Informationen über diesen Verein zu finden, oder den unreflektiert als Fakten wiedergegebenen wilden Gerüchten, auf dem Treck über Böhmen hätten „Frauen und Mädchen an die Bordells in Pilsen und anderswo zur Lustbefriedigung der sowjetrussischen Besatzungstruppen durch die Tschechen ausgeliefert werden“ sollen (S. 216). 76 Niederschwedeldorf 2001 [S-N/S], S. 370–388; Altgersdorf 2003 [S-N/S], S. 281f.



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Publikationen, die sich bewußt von der „traditionellen“ Perspektive im Umfeld der Vertriebenenverbände absetzen und auch nicht mehr „Heimatbuch“ heißen.77 Weit stärker als ostbrandenburgische und pommersche Heimatbücher transportieren die schlesischen Werke prägnante regionale Mythen. Diese beziehen sich zum größten Teil auf den nationalen bzw. ethnischen Charakter der Region und in direkter Beziehung dazu auf die behauptete historische Entstehung dieses ethnischen Charakters. Schlesien, so vor allem die niederschlesischen Heimatbuchautoren, sei „rein deutsch“78, der Ursprung seines ethnisch homogenen Charakters liege in der Aufbauund Kulturleistung der deutschen Siedler, die Schlesien erst zur blühenden Agrar- und Kulturlandschaft gemacht hätten.79 Die Slawen, die vor der Ankunft der Deutschen „vereinzelt“ ansässig gewesen seien, seien im Gegensatz zu den Deutschen dazu nicht in der Lage gewesen.80 Im Extremfall wird dieses historische Argument der deutschen Kulturüberlegenheit und im Gegenzug der vermeintlichen slawischen Unterlegenheit auf die jüngere Vergangenheit und Gegenwart oder generell auf einen postulierten slawischen Volkscharakter übertragen. Das in den Heimatbüchern öfter anzutreffende Stereotyp der „polnischen Wirtschaft“ gehört ebenfalls in dieses semantische Feld.81 Nach der Vertreibung bekam der Mythos von der „Kulturüberlegenheit“ der deutschen Siedler noch eine neue Richtung: Nach 1945 verfalle Schlesien wieder, da die nun

77 Fritz Moses: Strehlen. Erinnerungen an eine schlesische Kleinstadt und ihre jüdischen Bürger, Bremen: Ed. Temmen 1995. Der Autor stammt aus Strehlen, jedoch nicht aus einer jüdischen Familie. Wegen des vermeintlich „jüdischen Namens“ war die Familie während der NS-Zeit Anfeindungen ausgesetzt, die ihn nach eigener Aussage für das Thema sensibilisierten und als Gegenentwurf zur gängigen Vertriebenenpublizistik eine Ortsmonographie mit Hauptaugenmerk auf der jüdischen Bevölkerung schreiben ließen (ebd., S. 9–15). 78 Waissak 1973 [S-O/S], S. 32: „Es wurden im Leobschützer Land rein deutsche Dörfer gegründet [...], weil dieser Raum fast menschenleer war.“ 79 So der Titel, den Ulrike Frede für ihre Analyse der Geschichtsdarstellung schlesischer Heimatliteratur wählte: Ulrike Frede: „Unsere Heimat war deutsch!“ Überlegungen zum Umgang mit Geschichte und Geschichtsbildern in ostdeutschen Heimatbüchern, in: Beer: Heimatbuch, S. 179–202. 80 Leobschütz 1950 [S-O/S], S. 12: „Wir stellen also fest, daß die deutschen Siedler ins Land gerufen wurden, daß sie ohne Gewaltanwendung sich in den Gebieten niederließen, die unbewohnt und unbebaut waren; daß keinem slawischen Einwohner ein Leid oder Unrecht zugefügt wurde, daß im Gegenteil ihre Kulturstufe durch die Deutschen merklich gehoben wurde.“ Landeshut 1954 [S-N/S], S. 139: „Unsere [...] Heimat [...] war bis etwa um das Jahr 1000 wildes, unbewohntes Urwaldgebiet. Dann siedelten sich Polen hier an, die aber bei ihrer geringen Zahl und vor allem wegen ihrer Wesensart den Urwald nicht bewältigen konnten. [...] Bald erkannten die Polen die überlegene Wirtschafts- und Geisteskraft der Deutschen.“ Ähnlich Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 115–120; Bunzlau 1964.2 [S-N/S], S.  5; Jakobsfelde 1969 [S-O/S], S. 11; Kroitsch 1973 [S-N/S], S. 14–21; Waissak 1973 [S-O/S], S. 31–33; Obernigk 1996 [S-N/S], S. 28. 81 Guhrau 1973 [S-N/S], S. 212f.: „Mein Heimatdorf [...] war ehemals rein deutsch. Eine vom polnischen Klerus betriebene Politik siedelte bewußt Polen an, wenn eine ohne Erben gebliebene Wirtschaft verkauft werden mußte. [...] Man erkannte sofort die Wirtschaften, die in polnischem Besitz waren. Die Felder waren liederlich bestellt und brachten daher viel weniger Erträge als die der deutschen Bauern. Den Polen wurde jegliche Freiheit zuteil, wie uns Deutschen, obgleich sie in der Minderheit waren. Trotzdem leisteten sie in unserm Dorf und Umgebung ständig Wühlarbeit.“

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dort wohnenden Polen nicht zur Kultivierung des Landes in der Lage seien.82 Auch dieser regionale Mythos diente, wie bei anderen Landsmannschaften, nicht zuletzt der Bewältigung der Gegenwart: Ihr „ererbter Siedlergeist“ habe die Schlesier in der Bundesrepublik befähigt, sich rasch zu integrieren und ihren Teil zum Wirtschaftswunder beizutragen.83 Für oberschlesische Werke waren, wie in Ostpreußen, die Abstimmungszeit 1921, aber auch die schlesischen Aufstände und generell die Nationalitätenverhältnisse ein wichtiger regionaler Mythos.84 Ähnlich wie in Ostpreußen wird anläßlich des Plebiszits betont, wie „vaterlandsliebend“ die („deutschgesinnten“) Oberschlesier seien,85 aber auch stolz erzählt, wie man möglichst viele ehemalige Einwohner aus dem Reich zur Abstimmung holte und damit den Alliierten ein Schnippchen schlug.86 Von „Autochthonen“ ist die Rede, die „niemals Polen“ gewesen seien,87 vom Schmuggel an der Grenze im Gebirge88 und im Industriegebiet auch von Segen und Schönheit der Bergwerke und Hochöfen.89 Im Verlauf der Jahrzehnte lassen sich auch an den schlesischen Heimatbüchern Wandlungsprozesse feststellen. In der ersten Nachkriegszeit waren die Jahre des Zweiten Weltkriegs und die Besatzungszeit unmittelbar nach dessen Ende noch sehr präsent. Während dieses Thema später meist nur am Rande bedacht wurde, finden sich noch Anfang der 1950er Jahre ausführliche Schilderungen.90 Offenbar hat sich die spätere Randposition des Themas in den Heimatbüchern erst nach und nach entwickelt. Andere Themen erhalten erst mit der Zeit eine besondere Bedeutung: Das Internierungslager Lamsdorf (Łambinowice) in Oberschlesien, das nicht nur den Vertriebenenverbänden heute gleichsam als Ikone des Leidens der Vertriebenen gilt und immer wieder für Opfervergleiche herhalten muß,91 wird 1971 im Heimatbuch des 82 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 136: „Der Welt wird immer deutlicher klar, daß keine Notwendigkeit vorlag, den Polen die hochkultivierten deutschen Ostgebiete zu überlassen. Sie können sie in keiner Weise auswerten.“ 83 Waissak 1973 [S-O/S], S. VIII; Ratibor 1.1980 [S-O/S], S. 219. 84 Zum Plebiszit Jakobsfelde 1969 [S-O/S], S. 29f.; Waissak 1973 [S-O/S], S. 80; zu Plebiszit und schlesischen Aufständen Kreuzburg 1990 [S-O/S], S. 51–56. 85 Ratibor 1.1980 [S-O/S] bemerkt S. 204, „daß die Oberschlesier entschiedene Bekenner des Deutschtums sind und waren, auch soweit es sich um ‚zweisprachige‘ Menschen des Grenzlandes handelt.“ 86 Jakobsfelde 1969 [S-O/S], S. 30: „Den deutschen Abstimmungssieg verbürgten Heimat- und Vaterlandsliebe“, die Abstimmung als Volksfest für auswärtige „Abstimmungsgäste“ in Waissak 1973 [S-O/S], S. 80. 87 Ratibor 1.1980 [S-O/S], S. 201: „Im Kreis Ratibor wurde die polnische Volksgruppe immer kleiner. Die Kulturarbeit des Kreises trug reiche Früchte. [....] ‚Autochtone‘ [...] sind keine Polen.“ 88 Waissak 1973 [S-O/S], S. 81. 89 Kattowitz 1964 [PL\OS] enthält, wo andere Heimatbücher Landschaftsaufnahmen zeigen, Tiefdruckseiten mit Fotos von Hochöfen, daneben Kapitel wie „Hüttenrauch und Waldesgrün in Oberschlesien“, S. 90–92. 90 So in Leobschütz 1950 [S-O/S], Ohlau 1950 [S-N/S], Hirschberg 1953 [S-N/S]. 91 Heinz Esser (Hg.): Die Hölle von Lamsdorf. Dokumentation über ein polnisches Vernichtungslager, Bonn: Landsmannschaft der Oberschlesier, Bundesverband 1969, mehrfach wiederaufgelegt. Die kürzere Erstfassung erschien 1949 weitgehend unbeachtet: ders. (Hg.): Die ostdeutsche Tragödie –



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Kreises, auf dessen Gebiet das Lager lag, erstaunlich knapp und sachlich behandelt und noch keineswegs als „Vernichtungslager“ bezeichnet.92 Hier zeigt sich, daß häufig nur solche Themen, die von den relevanten Bezugsgruppen wie den Vertriebenenverbänden, aber auch der Gesamtgesellschaft, schon im Diskurs positioniert worden waren, in den Heimatbüchern entsprechend aufbereitet wurden. Insgesamt sind viele vor allem ältere Werke geprägt von manchmal scharfer Polemik, gegen die sogenannten „Vertreiberstaaten“, gegen die neuen Bewohner der alten Heimat, gegen die Siegermächte und gegen die „öffentliche Meinung“, die das „Leiden“ der Vertriebenen nicht wahrnehme. Dieses Phänomen ist nicht auf schlesische Heimatbücher beschränkt, sondern bei allen Landsmannschaften mehr oder weniger ausgeprägt, bei den Schlesiern jedoch recht markant. In jüngeren Werken wird das Thema Versöhnung mit den Menschen, die jetzt dort beheimatet sind, durchaus angesprochen, aber oft mit der Bemerkung versehen, man könne sich erst versöhnen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt seien: „Wir stehen zu der Charta der Vertriebenen und sind zur Versöhnung mit den jetzigen Bewohnern bereit. Es wird aber nicht gelingen, wenn die Bemühungen darum hauptsächlich von unserer Seite ausgehen. Es ist auch nur schwer verständlich, wenn diese Versöhnungsbereitschaft in erster Linie von dem Partner erwartet wird, dem man entschädigungslos alles weggenommen hat.“93

Auch hier formte die Gegenwart, in der die Werke verfaßt wurden, zu einem erheblichen Teil die enthaltenen Aussagen über die Vertreibung, die neuen Bewohner der alten Heimat und ihre Staaten. Kalter Krieg und die scharfe Rhetorik der Vertriebenenverbände bestimmten die Erinnerung bis in die Heimatbücher hinein. Etwas später als die umgebende Gesamtgesellschaft öffneten sich auch die schlesischen Heimatbuchautoren der gegenseitigen Annäherung zwischen Deutschen und Polen und einer kritischen Darstellung der Vergangenheit, allerdings vorsichtig und oft mit einem „aber“ versehen.

Deutsche aus Polen In historisch sehr unterschiedlich geprägten Regionen lebten in der Zwischenkriegszeit deutsche Minderheiten auf polnischem Staatsgebiet. Sie lebten im ehemals habseine Frage an das Weltgewissen. Folge 3. Die Hölle von Lamsdorf und andere Vernichtungslager, Braunschweig: Selbstverlag 1949. Der in der Geschichtswissenschaft klar definierte Fachterminus „Vernichtungslager“ bezeichnet selbst unter NS-Konzentrationslagern nur solche, in denen nicht mehr selektiert, sondern nur noch vergast wurde; Eberhard Jäckel u.a. (Hg.): Enzyklopädie des Holocaust, Berlin: Piper 1993, Bd. III Q–Z, S. 1494–1497. Zur Bedeutung von Lamsdorf Rex Rexheuser: Das Bild des Nachkriegslagers in Lamsdorf im kollektiven Gedächtnis der Deutschen, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), S. 48–72. 92 Falkenberg 1971 [S-O/S], S. 335. Die Verwendung von Termini aus der NS-Forschung zur Darstellung der Vertreibung wird detailliert in Kapitel 6.3.2 analysiert. 93 Obernigk 1996 [S-N/S], S. 7 (Vorwort). Ganz ähnlich Altgersdorf 2003 [S-N/S], S. 300f.

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burgischen Galizien und Wolhynien, im mittelpolnischen Lodzer Industriegebiet, in Kolonien am Bug, im nach dem Ersten Weltkrieg an Polen abgetretenen Westpreußen und Posener Gebiet sowie im Ostteil Oberschlesiens, der nach einer Volksabstimmung und heftigen Auseinandersetzungen an Polen ging.94 Die Erfahrungen dieser Deutschen in Polen rangierten von der staatlichen Zugehörigkeit zum Deutschen Reich bis 1919/20 bis zu jahrzehnte- oder sogar jahrhundertelanger Erfahrung als Minderheit. Nach 1945 organisierten die Vertriebenen aus diesen Regionen sich in der Landsmannschaft der Oberschlesier, der Landsmannschaft Weichsel-Warthe und der Landsmannschaft Westpreußen. Trotz heterogener historischer Prägung haben all diese Gruppen, so der aus ihren Heimatbüchern gewonnene Befund, sehr viel mehr gemeinsam, als sie trennt. Es ist daher sinnvoll, sie nach dem Gebietsstand von 1937 als eine Gruppe zusammenzufassen, die hier – als reine Hilfskonstruktion – als „Deutsche in Polen“ bezeichnet wird. Einzige Ausnahme bilden die östlichen, ab 1919 zu Polen gehörigen Oberschlesier, deren Deutungen und Haltungen sich von denen anderer deutscher Minderheiten in Polen so deutlich unterscheiden, daß eine Zuordnung zu den schlesischen Heimatbüchern plausibler erscheint.95 In vielem ähneln die Sichtweisen auf Geschichte und Erfahrungen, die Auto- und Heterostereotype, die Einschätzung der Vertreibung und des Verhältnisses zu ehemaligen andersnationalen Nachbarn in den Heimatbüchern der Deutschen aus Polen denjenigen der Südosteuropadeutschen, mit denen sie die Erfahrung der Minderheitenexistenz, aber auch die Randständigkeit ihrer Selbstorganisationen innerhalb der Vertriebenenverbände der Bundesrepublik teilen. So ist ein wesentlicher fundierender Mythos ihr gutes Zusammenleben mit ihren nichtdeutschen Nachbarn, das erst der Zweite Weltkrieg zerstört habe.96 Manche schildern, daß es selbst diese Katastrophe der deutsch-polnischen Beziehungen überdauert habe.97 Ehemalige deutsche Kolonisten am Bug betonen ihre Loyalität zum polnischen Staat, ganz ähnlich wie die Südosteuropadeutschen das Verhältnis zu ihren Herkunftsländern beschreiben.98 Antislawische Stereotype oder die scharfe Rhetorik der Vertriebenenverbände aus den Zeiten des Kalten Krieges, wie sie dem Leser in „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbü-. . 94 Der Vollständigkeit halber seien noch der Südteil des ehemaligen ostpreußischen Kreises Neidenburg, das sogenannte Soldauer Ländchen, und das sogenannte Reichthaler Ländchen, der nordöstliche Teil des ehemaligen schlesischen Kreises Namslau genannt, die beide nach 1919 polnisch wurden. 95 Kattowitz 1964 [PL\OS]. 96 Galizien 1.1965 [PL\Gal.], S. 253–260 Kapitel „Das Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen in Galizien“, in dem sämtliche Nationalitäten (Polen, Ukrainer, Juden) ausführlich dargestellt werden; Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 11, 36, 118, 134, 164; Posen 1978.2 [PL\Posen], S. 7; Karthaus 1978 [PL\WPR], S. 95; Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 121, 139f.; Sadoles 1999 [PL], S. 99. 97 Galizien 1.1965 [PL\Gal.], S. 260; Wirsitz 1973 [PL\Posen] wünscht sich S. 11 das Wiedererstehen dieser deutsch-polnischen Freundschaft; Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen] sieht S. 8 die Aufgabe des Heimatbuchs „in einer ehrlichen Mitarbeit an der Entzerrung des deutsch-polnischen Verhältnisses“. 98 Sadoles 1999 [PL], S. 99.



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chern begegnen, sind in den Werken der Deutschen aus Polen selten zu finden; jedoch spielt das Empfinden einer „deutschen Sendung“ und „Kulturleistung“ in Ostmitteleuropa durchaus eine Rolle.99 Ebenso ähnlich wie die Südosteuropadeutschen stellen die Deutschen in Polen die Rolle des Nationalsozialismus bei der Zerstörung dieser „friedlichen Nachbarschaft“ deutlich heraus und bezeichnen sie, wenn sie sich auch selbst nicht zu den Tätern zählen, auch als deutsche „Schuld“.100 Die Instrumentalisierung des „Bromberger Blutsonntags“ durch die NS-Propaganda101 oder die Zwangsumsiedlung von Polen im Rahmen des „Generalplan Ost“ werden deutlich dargestellt.102 Ein Werk setzt sich kritisch mit der Kollaboration einheimischer Deutscher mit dem NS-Besatzungsapparat auseinander.103 Der Nationalsozialismus in seiner Gesamtheit wird allerdings, ebenso wie der Zweite Weltkrieg und die NS-Greueltaten in der Region, fast immer ausgespart. Viel eher wird die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen vor allem als Eskalation gedeutet, die ihren Anfang mit dem „Bromberger Blutsonntag“ am 3.  September 1939 und der deutschen Reaktion darauf genommen habe – nicht bereits mit dem deutschen Überfall auf Polen –, was eine Spirale von Fanatismus und Vergeltung in Gang gesetzt habe, die schließlich das bis dahin gutnachbarliche Verhältnis zerstörte.104 Der Holocaust bleibt – trotz oder wegen des zum Teil erheblichen jüdischen Bevölkerungsanteils in den Regionen – eine völlige Leerstelle. Mehrfach

99 Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 36: „Der polnische Arbeiter war stets arbeitswillig. Er leistete, wenn er entsprechend bezahlt wurde – und dies war in der deutschen Landwirtschaft immer der Fall –, gute Arbeit.“ Posen 1978.2 [PL\Posen], S. 27: „Unsere Vorfahren waren Kulturträger und Anreger für die Slawen des Ostens im wahrsten Sinne des Wortes!“ S. 21: „Die Deutschen in Polen sind keine Eindringlinge und Eroberer gewesen. [...] Man rief sie, weil man ihre Tüchtigkeit, ihren Fleiß und ihre Zuverlässigkeit kannte. Und sie haben die auf sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Wo früher Sumpf und Heide war, sah man bald Rinderherden und Kornfelder. Die Städte Polens sind mit wenigen Ausnahmen deutsche Gründungen, und die deutschen Holländereien und Kolonistendörfer waren die Blüte Polens.“ 100 Karthaus 1978 [PL\WPR], S. 95: „Leider lösten die Geschehnisse [des „Bromberger Blutsonntags“] nun eine Lawine von Rache und Vergeltung aus, bei der auch Deutsche in höchstem Maße schuldig wurden. Diese bedauerlichen Geschehnisse verdüsterten das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen, die jahrhundertelang in friedlicher Nachbarschaft miteinander gelebt hatten. Wer an den Leichen der im September ermordeten Deutschen gestanden hat [...] und wer später auch die Massengräber der von Deutschen ermordeten Polen besucht hat, dem treibt es die Schamröte ins Gesicht, daß so etwas zwischen Völkern möglich war, die doch beide Anteil hatten an den Segnungen einer christlichen Kultur.“ Ahnlich Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 118; Wongrowitz 1.1967 [PL\ Posen], S. 60f. 101 Jürgen Runzheimer: Bromberger Blutsonntag, in: Wolfgang Benz (Hg.): Legenden, Lügen, Vorurteile. Ein Lexikon zur Zeitgeschichte, München: Moos 1990, S. 47–49. 102 Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 60f. Bromberger Blutsonntag, Zwangsumsiedlungen; Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 188 Zwangsumsiedlungen. 103 Galizien 1.1965 [PL\Gal.], S. 303–309 Kapitel „Die Volksgruppe und der Nationalsozialismus“. 104 Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 60f.; Karthaus 1978 [PL\WPR], S. 95; Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 36.

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werden jüdische Gemeinden und Nachbarn vor Ort erwähnt oder porträtiert, ohne deren Schicksal nach 1939 auch nur anzudeuten.105 Unter allen untersuchten Vertriebenengruppen ist bei den Deutschen aus Polen das Wort der polnischen Bischöfe von 1965, man wolle „vergeben und um Vergebung bitten“,106 am stärksten aufgenommen worden und als Angebot zur Versöhnung ohne Wenn und Aber in den Heimatbüchern präsent: „Wir haben inzwischen Abstand von den Ereignissen des Jahres 1945 bekommen. [...] [So] wird uns der Auftrag zuteil, Brückenbauer auch zu sein zu einer neuen Zeit der Begegnung miteinander im Geist der Versöhnung und der Gerechtigkeit.“ – „In einer großen europäischen Gemeinschaft müssen Deutsche und Polen sich verstehen und vertragen, zusammenleben und so ganz Europa bauen und tragen helfen.“ – „Darum sehen wir nur einen neuen Anfang auf der Basis einer echten Vergebung [...]. In diesem Sinne erinnern wir an das bekannte Wort des polnischen Primas Wyszynski: ,Wir vergeben, aber wir bitten auch um Vergebung.‘ [...] [So kann jeder Einzelne] Brücken der Versöhnung, der Freundschaft und der Liebe zu einzelnen Menschen hüben und drüben bauen.“107

Auch die Heimatbücher der Deutschen aus Polen erscheinen im Grunde nur bis Anfang der 1990er Jahre, danach folgen lediglich Nachdrucke und vereinzelte Versuche, letzte Erinnerungen der Erlebnisgeneration festzuhalten.108

Sudetendeutsche Nach dem Ersten Weltkrieg fanden sich die deutschen Einwohner des vorher zum Habsburgerreich gehörigen Böhmen, Mähren und Mährisch-Schlesien als Minderheit im neuen tschechoslowakischen Staat wieder. Nicht alle „Altösterreicher“, wie die späteren Sudetendeutschen auch genannt wurden, waren mit dieser politischen Lösung einverstanden. Die Haltung der deutschen Bevölkerung der Ersten ČSR bewegte sich daher von 1918 bis 1938 zwischen aktiver politischer Mitgestaltung und gänzlicher Ablehnung des Staates, in dem sich einige, trotz dessen demokratischer Verfaßtheit, nicht adäquat repräsentiert fühlten. Nach 1933 schlossen sich große Teile der deutschen Bevölkerung der Sudetendeutschen Partei von Konrad Henlein an. In den 1930er Jahren wurde auch die Bezeichnung „Sudetendeutsche“ als gemeinsame. . 105 Galizien 1.1965 [PL\Gal.], S. 18f. Juden in Galizien; Wongrowitz 1967 [PL\Posen], S. 123 Erinnerungen an einen jüdischen Mitschüler; Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 72 jüdische Gemeinde, 447–449 Porträt einer jüdischen Getreidehändlerdynastie im Kapitel „Bekannte Persönlichkeiten“. 106 Der Brief der polnischen Bischöfe vom 18. November 1965 an ihre deutschen Kollegen mit dem Kernsatz „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ gilt als „Markstein im deutsch-polnischen Dialog“, Urban: Deutsche in Polen, S. 179–184. 107 In der Reihenfolge der Zitate: Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 94; Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 11; Karthaus 1978 [PL\WPR], S. 96. Die Formulierung „Schuldvergebung zu erbitten und zu erteilen“ auch in Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. I, S. 28. 108 So Sadoles 1999 [PL] und Łączka-Lontschka 1999 [PL], beide von derselben Autorin.



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Bezeichnung für die deutsche Bevölkerung in der Ersten ČSR gebräuchlich. Henlein ließ sich bald von der NSDAP im benachbarten Deutschen Reich vereinnahmen, das schließlich im Oktober 1938 nach dem Münchner Abkommen die Grenzgebiete der ČSR annektierte und im März 1939 auch die restliche ČSR besetzte, die zum „Reichs-. protektorat“ wurde. Nach 1945 wurde die deutsche Bevölkerung – mit Ausnahme von ein paar verdienten Antifaschisten – fast gänzlich vertrieben. Die Sudetendeutschen sind unter allen heimatbuchschreibenden Landsmannschaften im Hinblick auf die in den Werken vertretenen Haltungen, Erzählungen, Stereotype, regionalen Mythen und Topoi die mit Abstand homogenste und in sich geschlossenste Gruppe. Dies mag zum einen daran liegen, daß viele Deutsche aus Böhmen und Mähren schon in den 1920er und 1930er Jahren ein Gruppenbewußtsein als „Sudetendeutsche“ mit dem dazugehörigen Repertoire eines gruppenspezifischen kollektiven Gedächtnisses entwickelt haben.109 Doch wie anhand ihrer Heimatbücher gezeigt werden kann, haben die Sudetendeutschen ihre „typischen“ Einschätzungen, Urteile und Geschichtsbilder nicht notwendigerweise als „unsichtbares Fluchtgepäck“ aus der Zwischenkriegszeit mit in den Westen gebracht. Auch wenn vieles davon seinen Ursprung in der Zeit vor 1945 hat, ist es doch in den Heimatbüchern erst viel später nachweisbar, so daß man mindestens für die Heimatbücher eben nicht von einer ungebrochenen Kontinuität zwischen Vor- und Nachkriegszeit sprechen kann. Erst ab Mitte der 1950er Jahre fanden diese sudetendeutschen Mythen, vor allem jene zur deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte, überhaupt Eingang in die Heimatbücher. Zurückzuführen ist dies auf die allmähliche Etablierung eines bestimmten Diskurses, der maßgeblich von der Führungsebene der sudetendeutschen Landsmannschaft, insbesondere vom Witiko-Bund, gesteuert wurde.110 Als dieser Diskurs auf breiter Front durchgesetzt war, erwies er sich als so beständig, daß die Sudetendeutschen auch unter allen Vertriebenengruppen am wenigsten Veränderungen und Abweichungen in dem zeigen, was ihre Heimatbücher transportieren. Die sudetendeutschen Heimatbuchautoren konnten auf eine lange regionale Geschichts- und Heimatforschungstradition zurückgreifen. Tatsächlich ist jedoch nach 1945 ähnlich wie bei den Schlesiern recht wenig von dieser Tradition in den Heimatbüchern zu spüren. Offenkundig überlagerte auch hier die inhaltliche Ausrichtung auf die politische Linie der Landsmannschaft die eher wissenschaftlich orientierte regionale Forschungstradition, waren die Gegebenheiten der Gegenwart prägender als die Qualitätsstandards der Vergangenheit. Eine an der Heimatkundetradition der Zwischenkriegszeit orientierte Anleitung zum Abfassen von Heimatbüchern, 1974 unter

109 Exemplarisch Karl Braun: Der 4. März 1919. Zur Herausbildung sudetendeutscher Identität, in: Bohemia 37 (1996), S. 353–380. 110 Zur Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit durch die Witikonen Volker Zimmermann: Geschichtsbilder sudetendeutscher Vertriebenenorganisationen und „Gesinnungsgemeinschaften“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 912–924, hier S. 918–920.

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der Ägide des Südmährischen Landschaftsrates publiziert, blieb ohne merkliche Wirkung auf die Heimatbücher.111 Trotz ihrer inhaltlichen Homogenität seit den späten 1950er Jahren gab es auch bei den Sudetendeutschen keine übergeordnete Organisation zur Publikation von Heimatbüchern. Die Verantwortlichen waren in der Regel die Vereine und Heimatortsgemeinschaften (HOG), zu denen sich interessierte ehemalige Einwohner eines Ortes zusammenschlossen. Publiziert wurde im Selbstverlag, nur sehr wenige Werke erschienen bei Buchhandelsverlagen, so einige Böhmerwaldgemeinden bei einem im Bayerischen Wald ansässigen Regionaliaverlag, Werke zu Jägerndorf im BurgbergVerlag, dem Verlag des „Jägerndorfer Heimatbriefs“, Landskroner Heimatbücher im Bietigheimer Verlag Zluhan.112 Mehrfachautoren traten für Böhmen und Mähren bemerkenswerterweise vor 1945 stärker in Erscheinung, zum Teil betätigten sich diese jedoch auch nach der Vertreibung weiter als Heimatbuchverfasser.113 Finanzielle Förderung kam zum Teil von der Sudetendeutschen Stiftung, die 1970 vom Freistaat Bayern und der Sudetendeutschen Landsmannschaft gegründet wurde und ihr Kapital vom Freistaat und aus Mitteln der Westvermögen-Zuführungsverordnung bezog.114 Maßgeblicher Referenzraum ist aufgrund der Siedlungsstruktur, aber auch der historischen Nationalitätenkonstellation der Region der einzelne Ort. Kreisoder Bezirksheimatbücher sind die Ausnahme, im Gegenteil ist ein Charakteristikum sudetendeutscher Heimatbücher die Existenz von Werken über kleinste Gemeinden mit kaum 500 Einwohnern vor 1945.115

111 Felix Bornemann: Ratschläge zur Abfassung von Ortsgeschichten und Heimatbüchern. Sonderdruck aus: Informationsbrief für Sudetendeutsche Heimatarchive und Heimatmuseen, 7./8. Folge, München 1974, Geislingen/Steige: Südmährischer Landschaftsrat 1975. 112 Gründe für das Erscheinen von Landskron 1978 [SUD] (weitere Aufl. 1985, 1994) in diesem Verlag sind nicht rekonstruierbar. Verlagsgründer Friedrich Zluhan (1922–2007) war Anhänger des Mystikers Jakob Lorber (1800–1864) und Verleger der Lorber-Bewegung, (05.05.2008). Der Verlag firmiert heute als Turm-Verlag und publiziert Esoterik, Astrologie und Naturheilkunde. 113 Anton Altrichter: Iglau 1921, Südmähren 1923; Mirek Nemec: Emil Lehmann und Anton Altrichter – Zwei deutsche Erzieher aus der Tschechoslowakei, in: Stefan Albrecht, Jiří Malíř und Ralph Melville (Hg.): Die „sudetendeutsche Geschichtsschreibung“ 1918–1960. Zur Vorgeschichte und Gründung der Historischen Kommission der Sudetenländer, München: Oldenbourg 2008 (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum; 114), S. 152–166; Otto A. Opitz: Kaaden 1933, Brüx 1933, BodenbachTetschen 1933; Rudolf Doyscher: Königsberg/Eger 1.1975/ 2.1982 [SUD], Krummau/Moldau 1996 [SUD]; Josef Freising: Muschau 1934, Treskowitz 1937, Unter-Tannowitz 1953 [SUD], Klentnitz 1956 [SUD]. Freising war „Professor, Heimatforscher und Begründer des Turngaues Südmähren“, o.A.: Dolni Dujanovice – Unter-Tannowitz, (29.07.2008). 114 Zur Westvermögen-Zuführungsverordnung (WestVermZuführV) Manfred Kittel: Vertreibung der Vertriebenen? Der historische deutsche Osten in der Erinnerungskultur der Bundesrepublik (1961– 1982), München: Oldenbourg 2007 (Schriftenreihe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; Sondernummer), S. 116f. 115 Beispielsweise Niedergrund 1997 [SUD] mit ca. 500 Einwohnern (ebd., S. 9) oder Altschallersdorf 1998 [SUD] mit 892 Einwohnern (ebd. S. 11). Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.



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Wie die meisten anderen Landsmannschaften führen auch die Sudetendeutschen ihre „rasche Eingliederung“ im Westen und ihren Anteil am Wirtschaftswunder auf „typisch sudetendeutsche“ Charaktereigenschaften zurück, vor allem den „ererbten Siedlergeist“ ihrer Vorfahren.116 Doch der bei weitem prägnanteste Mythos in den sudetendeutschen Heimatbüchern ist die deutsch-tschechische Beziehungsgeschichte, angefangen bei der Niederlassung der ersten deutschen Siedler bis zum Moment der Vertreibung. Insbesondere die Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik fehlt in keinem sudetendeutschen Heimatbuch. Da sich an der Entwicklung, Wandlung und Verstetigung dieses Themenkomplexes in den sudetendeutschen Werken sehr gut zeigen läßt, wie sich Diskurse in den Heimatbüchern etablierten und durchsetzten, soll dies an anderer Stelle eingehender geschehen117 und hier nur wesentliche Züge herausgearbeitet werden. Ganz ähnlich wie bei den „reichsdeutschen“ Landsmannschaften beginnen die Stereotypen in der Beziehungsgeschichte mit der vermeintlichen kulturellen Überlegenheit der mittelalterlichen deutschen Siedler, die die Region erst urbar gemacht hätten, gegenüber den ansässigen Slawen. Aus dieser „Überlegenheit“ leiten die Autoren verschiedene in den Heimatbüchern eingeforderte Rechte her: Ein Recht auf das kultivierte Land, das Heimatrecht der Sudetendeutschen als der Nachfahren der Siedler und die Anerkennung ihrer Position als „überlegene Kulturbringer“ von tschechischer Seite. Hier erhält der Topos vom „Recht“ auf das Land, das die Vorfahren „kultivierten“, noch eine andere Note als bei den „Reichsdeutschen“. Denn die Tschechen, so die Argumentation vieler Werke, hätten von der „deutschen Kulturleistung“ profitiert, es jedoch an Dankbarkeit fehlen lassen.118 Der Mythos von der „Kulturüberlegenheit“ der Deutschen in Böhmen und Mähren wurde ab Mitte der 1960er Jahre weiterentwickelt zur Aussage, die Tschechen hätten sich mit der Vertreibung der Deutschen selbst um ihr wirtschaftliches Gedeihen gebracht, denn ohne die Sudetendeutschen könne kein tschechischer Staat prosperieren. Ab Mitte der 1960er Jahre formte sich auch die Interpretation der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte zur Erzählung einer Verfallsgeschichte mit der Vertreibung der Deutschen als absehbarem Kulminationspunkt um, während diese noch in 116 Zwittau 1976.2 [SUD], S. 154; Schluckenau 1977 [SUD], S. 13. Bodenstadt 1984 [SUD], S. 7: „Der Pioniergeist den unsere Vorfahren bei der Kultivierung und Besiedlung vor 700 Jahren bewiesen haben, wurde nach 1946 wieder lebendig.“ 117 Kapitel 6.3.4. 118 Luditz 1971 [SUD], S. 157: „Kein geringerer als der tschechische Historiker Pekař hat den Sinn der tschechischen Geschichte darin gesehen, daß der deutsche Einfluß europäische Maßstäbe und Gedankengänge eingeführt hat, der [sic] Großes und Segensreiches geschaffen hat!“ Bodenstadt 1984 [SUD], S. 20: „Nach über 700 Jahren Kultivierungsarbeit, die den Tschechen als Nachbarn ebenso zugute gekommen war, wurden die Sudetendeutschen aus ihrer Heimat vertrieben [...].“ Buchwald 1986.2 [SUD], S. 78f.: „haben die Tschechen der Habsburgerherrschaft und den Deutschen überhaupt viel Fortschrittliches für ihre soziale und kulturelle Entwicklung zu verdanken.“ Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 441: „Unsere Ahnen waren es, die [...] das Land wirtschaftlich und kulturell zur ‚blühenden Landschaft‘ [...] emporbrachten. – Und so wurde es ihnen [...] von den Tschechen ‚gedankt‘!“ Ähnlich Meinetschlag 2002 [SUD], S. 21.

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den 1950ern als beispiellose Eskalation in der Beziehungsgeschichte beider interpretiert worden war. Nicht zuletzt ist auch der wichtigste historische Mythos der Sudetendeutschen außerhalb der Zeitgeschichte eng mit der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte verbunden. Die Hussitenkriege (1419–1436) werden innerhalb der historischen Darstellung in vielen Heimatbüchern ausführlich abgehandelt, fungieren aber vor allem als Folie zur Interpretation der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte. So wie die Hussiten, auf die sich Teile der tschechischen Nationalbewegung später beriefen,119 schon historisch gegen Deutsche gewütet hätten, so hätten die Tschechen 1945 in „hussitischem Haß“ die Deutschen vertrieben.120 Als die bundesdeutsche Gesellschaft sich in den 1960er Jahren immer stärker mit dem Nationalsozialismus auseinanderzusetzen begann und dieser in der Folge allmählich zur historischen Leitkatastrophe des 20. Jahrhunderts aufstieg, reagierten die Sudetendeutschen und die Heimatbuchautoren darauf auf ihre Weise. Sie entschieden sich – bewußt oder unbewußt – gegen eine Reflexion über den Nationalsozialismus und die Rolle der Sudetendeutschen bei der Zerschlagung der Ersten ČSR, die Greueltaten des NS-Regimes wurden also weiterhin ausgespart121 oder minimiert122. Doch stilisierten sie nun sich selbst ebenfalls als Opfer des Nationalsozialismus, der sie, die von den Vorgängen im „Reich“ bis 1938 gar nichts hätten wissen können, verführt habe, indem er die „Befreiung von den Tschechen“123 versprach. Die fehlende Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus führt bei den Sudetendeutschen teilweise auch zu fehlender Distanzierung; die naive Darstellung reicht bis hin zu (gedankenlosem) Gebrauch von nationalsozialistischem Vokabular oder gar lapidarer Übernahme von entsprechendem Gedankengut einer zeitgenössischen Ortschronik.124 119 Sabine Fuchs: Die tschechisch-nationale Mythisierung der Hussitenkriege in der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, in: Nikolaus Buschmann und Dieter Langewiesche (Hg.): Der Krieg in den Gründungsmythen europäischer Nationen und der USA, Frankfurt/M.: Campus 2003, S. 213– 232. 120 Zwittau 1976.2 [SUD], S. 7: „Was aber der Haß der Hussiten nicht erzwingen konnte [...], das erzwang 1945/46 die nüchterne Kalkulation militärischer Sieger.“ Kreibitztal 1985 [SUD], S. 391: „Schließlich brach [...] ein ausgeplünderter Menschenzug ins Ungewisse auf, wie ihn unsere Heimat weder im ersten Hussitensturm des 15. Jahrhunderts noch im Dreißigjährigen Krieg gekannt hat.“ Dittersdorf 1994 [SUD], S. 364: die „hussitische Wut“ der Tschechen nach Kriegsende; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 331: „Der Jahrhunderte alte ‚Haß der Hussiten‘ brach wieder hervor [...].“ 121 Es mag dem Zufall geschuldet sein, aber tatsächlich ist das einzige Vorkommen von „Holocaust“, das ich in allen untersuchten Heimatbüchern gefunden habe, die Rede vom „sudetendeutschen Holocaust“. 122 So wird der Charakter der NS-Besatzung kleingeredet, Buchwald 1986.2 [SUD], S. 96: „In der Propaganda allerdings wird es heute noch so dargestellt, als ob es den Tschechen während der deutschen Besetzung besonders schlecht ergangen wäre.“ Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 400: „Während die sudetendeutsche Bevölkerung sich [...] erheblich einschränken mußte, lebten die Tschechen im Protektorat [...] wie ‚Maden im Speck‘.“ 123 Ab Mitte der 1950er Jahre wird die Annexion der Sudetengebiete nach dem Münchner Abkommen als „Befreiung“ bezeichnet und der „Jubel“ der Bevölkerung beim Einmarsch der Wehrmacht geschildert. 124 Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 361f.



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Überdies übernahm spätestens seit den 1970er Jahren die Darstellung der eigenen Leidensgeschichte auf verschiedenen Ebenen Elemente des in der Zwischenzeit in der Bundesrepublik als Opfererzählung etablierten Diskurses zum totalitären System des Nationalsozialismus. Die Erste ČSR wurde zum „Unrechtstaat“, dessen „Opfer“ die Sudetendeutschen waren, ihr Präsident Edvard Beneš zum „Diktator“, der nur mit „Lügen“ nach dem Ersten Weltkrieg bei den Alliierten die Republikgründung erreicht habe und die Deutschen durch „Gewaltpolitik“ „unterdrückte“.125 Diese Darstellung der Ersten ČSR als Diktatur radikalisierte sich im Verlauf der 1980er und 1990er Jahre noch, und das im Grunde bis heute. Regionale Unterschiede, etwa zwischen Böhmen und Mähren, sind dabei nicht auszumachen. In Bezug auf die Vertreibung wurden nun Maßnahmen nach 1945 gegen die Deutschen mit solchen der Nationalsozialisten gegen die tschechische Bevölkerung verglichen, ab den 1980er Jahren auch direkt mit dem Holocaust.126 Noch weit häufiger und schon ab Mitte der 1960er hoben die Autoren die Singularität und das Superlativische des erfahrenen Unrechts hervor, wobei der Holocaust und die Frage deutscher „Schuld“ – quasi in impliziter Übertragungsfunktion – immer als Hintergrund mitschwangen. Derartige Aussagen finden sich bis in die 1970er Jahre ebenso in älteren schlesischen und ostpreußischen Heimatbüchern, bei sudetendeutschen aber vermehrt in den letzten zwanzig Jahren.127 Die Oral-History-Forschung hat das Phänomen des „Holocaust framing“ von Vertreibungserfahrungen und -erzählungen schon beschrieben; es ist keineswegs auf Heimatbücher beschränkt.128 In den Heimatbüchern ist es jedoch bei den einzelnen Landsmannschaften sehr unterschiedlich ausgeprägt: Die Hälfte aller sudetendeutschen Werke wartet mit Vergleichen und/oder Superlativen auf, bei den „Reichsdeutschen“ knapp ein Drittel, bei den Südosteuropadeutschen lediglich 13 Prozent. Die Sudetendeutschen stehen unter den drei großen Gruppen auch deshalb recht einzig da, weil mit den Jahren nach der Vertreibung die Schärfe nicht nachläßt, sondern im Gegenteil noch in den 1990er Jahren weiter zunimmt, vor allem aber fast ausnahmslos in allen untersuchten Werken zu finden ist. Ein sudetendeutsches Heimatbuch differenziert im Hinblick auf die tschechischen Nachbarn, daß

125 Schluckenau 1977 [SUD], S. 55 „tschechische Machthaber“; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 214 „Terrormaßnahmen“ in der Ersten Republik; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 80: „Wenn sich die Tschechoslowakei damals als parlamentarische demokratische Republik bezeichnete, dann war dies einfach ein Hohn.“ Klein Tajax 1999.2 [SUD], S. 71 „Unrecht-Staat“, S. 86 Beneš als „Diktator“, S.  187 Gründung der Ersten Republik als „Machtübernahme“. 126 Zum Teil resultiert der Vergleich aus einer tatsächlichen Parallelität der Maßnahmen wie die Zwangskennzeichnung (Davidstern vs. Armbinde mit N) oder geringere Lebensmittelrationen vor 1945 für Juden und nach 1945 für Deutsche. Es ist jedoch bemerkenswert, daß der Vergleich (so Kreibitztal 1985 [SUD], S. 387) stets die einzige Stelle im Werk ist, an der solche Maßnahmen gegen Juden thematisiert werden. 127 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 131; Treuburg 1971 [OPR], S. 177; Heiligenbeil 1975 [OPR], S. 667; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 4. 128 Welzer u.a.: „Opa war kein Nazi“, S. 88–97, dort „Wechselrahmung“ genannt.

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diese nicht identisch mit den Tätern seien.129 Ein vorbehaltloses Angebot zur Versöhnung enthält kein Werk.130 Wie später noch genauer gezeigt werden wird, ist die Schärfe und der hohe Durchsetzungsgrad des Diskurses der Sudetendeutschen, der sich spätestens ab Mitte der 1960er Jahre wie ein roter Faden durch alle Heimatbücher zieht, wohl in erheblichem Maße auf die politische Linie der Verbandsspitze der Landsmannschaft zurückzuführen, die sowohl für dessen Homogenisierung als auch für seine weitreichende Durchsetzung bis hinab auf die Ebene der Heimatbuchautoren sorgte. Kaum eine andere Landsmannschaft erweist sich als so straff von ihrer Führungsebene durchpolitisiert. Kennzeichnend für die Heimatbücher der letzten zwanzig Jahre, verfaßt von der jüngsten noch lebenden Erlebnisgeneration, ist somit eine Mischung aus immer aggressiverem Diskurs zur Vertreibung und deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte bei zunehmend wirrer werdendem Inhalt und Aufbau der Werke.131 Unstreitig enthalten auch sudetendeutsche Werke regionale Mythen, die auf die Eigenart der Landschaft, auf die Sitten und Gebräuche, auf Mundart und Trachten rekurrieren. Doch sind diese Mythen nicht gesamt-sudetendeutsch, sondern auf einzelne Landschaften und Regionen beschränkt, werden also als typisch egerländisch, böhmerwäldlerisch, südmährisch usw. bezeichnet. Hieran zeigt sich die hohe Künstlichkeit der Konstruktion einer „Volksgruppe“ und „Schicksalsgemeinschaft“ der Sudetendeutschen, die bei näherem Hinsehen höchstens politisch einig schienen. Letztlich ist das, was die Sudetendeutschen als landsmannschaftliche Gruppe einte, ganz überwiegend in ihrer Rolle in der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte zu suchen.

Deutsche aus Südosteuropa Die Deutschen aus Südosteuropa, Nachkommen deutschsprachiger Einwanderer und Kolonisten von der Batschka bis nach Bessarabien, die in ihren Heimatländern als Minderheit unter oft mehreren anderen Ethnien lebten, gliedern sich in zahlreiche Landsmannschaften mit ganz unterschiedlicher Geschichte und je eigener kulturel129 Kreibitztal 1985 [SUD], S. 386. 130 Klein Tajax 1999 [SUD], S. 298, knüpft Aussöhnung an Bedingungen: „Wichtige aber offenbar nicht ausreichende Schritte zur Versöhnung wurden [...] von beiden Seiten getan, die brutale Vertreibung der Deutschen aber mit dem zahmeren Wort ‚Ausweisung‘ umschrieben, und an Stelle von begangenen Verbrechen bis zum tausendfachen Mord wollen die Tschechen die Worte ‚unmoralische Tat‘ und ‚schweres Unrecht‘ stehen haben. Ach hätten sie doch den Mut und die Größe, das Geschehene beim wahren Namen zu nennen!“ 131 Beispielsweise Oberaltstadt 1997 [SUD], das ohne erkennbare Gliederung, aber mit umso mehr Ausrufezeichen eine antitschechische Polemik an die andere reiht (passim), die NS-Ortschronik ohne Zitatkennzeichnung unkommentiert abdruckt (z.B. S. 361f.) und sich bis zum offenen Antisemitismus steigert (S. 405, 411). Geischowitz 2004 [SUD] enthält zum Zweiten Weltkrieg nur noch vage Kindheitserinnerungen, Anekdoten und unreflektierte Stereotype (ebd., S. 22–24), druckt ersatzweise seitenlang Dokumente ab (S. 35–80) und spricht S. 21 von „Freude“, „Feier“ und „Tanz“ beim Einmarsch der Wehrmacht 1938.



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ler Identität.132 Manche waren seit Jahrhunderten in der Region ansässig, andere, wie die Bessarabiendeutschen, erst seit 125 Jahren. Ihre Erfahrungen in der Folge des Zweiten Weltkriegs umspannen ein ebenso weites Spektrum. Es reicht von der Umsiedlung „heim ins Reich“ als Folge des Hitler-Stalin-Pakts bei den Bessarabien- und Bukowinadeutschen über Flucht vor der Roten Armee bei Kriegsende oder späterer erzwungener kollektiver Abschiebung und Vertreibung nach Kriegsende in Teilen Ungarns, Rumäniens und Jugoslawiens bis hin zu Internierung in Lagern, vor allem im Jugoslawien Titos, der Verschleppung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion oder abgelegene Landesteile beispielsweise aus dem rumänischen Banat sowie der Rückkehr in eine nun sozialistische Heimat und erst viel später Ausreise in die Bundesrepublik bei großen Teilen der Rumäniendeutschen. Der zunächst verblüffende Befund der Heimatbücher zeigt jedoch, daß sich in den Werken der deutschen Gruppen aus Südosteuropa sehr viel mehr Gemeinsames als Trennendes finden läßt. Daher scheint es durchaus sinnvoll, wesentliche Aspekte unter dem gemeinsamen Nenner „Südosteuropadeutsche“ zu vereinen133 und nur das je Spezifische nach landsmannschaftlichen Gruppen respektive Herkunftsstaaten getrennt darzustellen. Damit soll keineswegs eine Identität grundverschiedener Gruppen und historischer Erfahrungen behauptet, sondern zunächst rein phänomenologisch die Heimatbücher dieser Region in Hinblick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten betrachtet werden.

Donauschwaben Die katholischen Donauschwaben, im 18. Jahrhundert nach den Türkenkriegen zur Peuplierung des südlichen Donauraums auf dem späteren Staatsgebiet Ungarns, Rumäniens und Jugoslawiens planmäßig von den Habsburgern angesiedelt, wurden erst in den 1920er Jahren mit diesem Sammelbegriff bedacht. Zuvor nannten sie sich selbst schlicht „Schwaben“, eine Bezeichnung, die auch ihre nichtdeutsche Umwelt 132 Nach ihrer verbandsmäßigen Organisation: Landsmannschaft der Banater Schwaben, Bessarabiendeutscher Verein (führt seit der Fusion mit anderen Verbänden 2005 nicht mehr ‚Landsmannschaft‘ in Namen), Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen (Bukowina), Landsmannschaft der Dobrudscha- und Bulgariendeutschen, Landsmannschaft der Donauschwaben, Karpatendeutsche Landsmannschaft, Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben, Verband der Siebenbürger Sachsen (führt seit November 2007 nicht mehr ‚Landsmannschaft‘ im Namen), Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn. Da nicht alle dieser Gruppen Heimatbücher verfaßten, können hier nur die größeren Gruppen der Siebenbürger Sachsen, der Donauschwaben und Bessarabiendeutschen Berücksichtigung finden, die eine ausreichende Zahl Heimatbücher zu Orten und Landstrichen hervorbrachten, um daraus verallgemeinernde Schlüsse ziehen zu können. Es fehlen hier entsprechende Werke der Gottscheer, der Karpaten- und Dobrudschadeutschen mangels Masse in der Analyse oder werden, wie die Heimatbücher der Bukowinadeutschen, nur vereinzelt vergleichend herangezogen. 133 Die Bezeichnung „Südosteuropadeutsche“ ist bewußt als Kunstbegriff gewählt, unter anderem, da sie auch die Bessarabiendeutschen einschließt. Die aus dem Ostforschungskontext der Zwischenkriegszeit stammende Bezeichnung „Südostdeutsche“ scheint mir dagegen von den „Landsleuten“ kaum verwendet zu werden und nur noch in Institutionsbezeichnungen wie der Südostdeutschen Historischen Kommission überlebt zu haben.

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verwendete. Nach dem Ende des Habsburgerreiches fanden sie sich in verschiedenen neugegründeten Staaten wieder. Die nach dem Ersten Weltkrieg in Trianon neugezogenen Grenzen zerschnitten die „schwäbischen“ Siedlungsgebiete, so die historischen Landschaften der Batschka und des Banats, und teilten sie zwischen den Territorien Ungarns, Jugoslawiens und Rumäniens auf. Diese neue staatliche Zugehörigkeit bestimmte ihr weiteres Schicksal in der Zwischenkriegszeit, im Zweiten Weltkrieg und danach. Aus Ungarn wurde die Hälfte der „Volksdeutschen“ nach Kriegsende vertrieben und der Großteil ihres Besitzes beschlagnahmt. Diejenigen, die bleiben durften oder mußten, waren bis 1950 ohne staatsbürgerliche Rechte.134 In Rumänien blieb nach Kriegsende der größte Teil der Banater Schwaben (ebenso wie die Siebenbürger Sachsen) vor Ort, wurde jedoch enteignet, entrechtet und vielfach zur Zwangsarbeit deportiert. In beiden Ländern besserte sich ihre Lage erst nach dem Tod Stalins, Enteignungen wurden teilweise rückgängig gemacht und die Deutschen schrittweise rehabilitiert. Zumal in Rumänien, das die größte deutsche Minderheit in Südosteuropa aufwies, konnte dies jedoch die seit den 1960er Jahren steigende Zahl Ausreisewilliger nicht stoppen, bis schließlich in den 1990er Jahren fast alle Deutschstämmigen Rumänien den Rücken gekehrt hatten. Besonders hart sprang nach 1945 das Jugoslawien Titos mit seinen „Volksdeutschen“ um, nach langer Inhaftierung in Lagern mit hoher Sterblichkeit wurden die Überlebenden in der Regel in die DDR oder die Bundesrepublik abgeschoben.135 Dieses je nach Staatsgebiet ganz unterschiedliche Nachkriegsschicksal bestimmte auch den Publikationsverlauf der donauschwäbischen Heimatbücher. Erste ungarnund jugoslawiendeutsche Werke erschienen bereits in den 1950ern,136 rumäniendeutsche der Banater Schwaben dagegen erst seit Ende der 1970er Jahre.137 Die Rumäniendeutschen aus dem Banat sind heute neben den Siebenbürger Sachsen die einzige Vertriebenengruppe, die noch aktiv Heimatbücher schreibt. Bei den Donauschwaben ist keine zentrale Organisation zur Heimatbuchpublikation auszumachen; die Werke erschienen fast ausschließlich im Selbstverlag, vier in 134 Ágnes Tóth: Migrationen in Ungarn 1945–1948. Vertreibung der Ungarndeutschen, Binnenwanderungen und slowakisch-ungarischer Bevölkerungsaustausch, München: Oldenbourg 2001 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte; 12). 135 Hans-Ulrich Wehler: Nationalitätenpolitik in Jugoslawien. Die deutsche Minderheit 1918–1978, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1980; Wolfgang Kessler: Die Deutschen in Jugoslawien: Ansiedlung – Identität und Gruppenbildung – Umsiedlung und Vertreibung, in: Alexander Ritter (Red.): Kolloquium über Politik, Kultur und Identität in Geschichte und Gegenwart bei den Deutschen Bevölkerungsgruppen im Ausland, Flensburg: Institut für Regionale Forschung und Information 1991, S. 125–133. 136 Budaörs 1951 [H], bezeichnenderweise der erste Ort, aus dem Ungarn nach dem Potsdamer Abkommen in organisierten Transporten „Volksdeutsche“ abschob, sowie Kudritz 1956 [SRB\Banat] und Neu-Pasua 1956 [SRB\Syrmien]. 137 Deutschbentschek 1979 [RO\Banat], Lovrin 1979 [RO\Banat], Sackelhausen 1970 [RO\Banat]. Ortsheimatbücher der Sathmarschwaben fehlen, an deren Stelle gibt es ein die gesamte Region darstellendes Werk (Sathmar 1952 [RO\Sathmar], 1984 neu aufgelegt).



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der Reihe „Donauschwäbische Beiträge“.138 Regional finden sich Herausgeber oder Redakteure, die mehrere Bücher verantworteten und bei anderen beratend wirkten, also aufgrund persönlicher Erfahrung und Wissen Hilfestellung bei der Heimatbuchpublikation gaben und zumindest durch ihre Person die Funktion einer „Beratungs-. instanz“ erfüllten, so für das rumänische Banat, speziell die Banater Heide, der Banater Historiker, Volkskundler und Pädagoge Anton Peter Petri139 und für donauschwäbische Orte in Ungarn und Serbien der ungarndeutsche Gymnasiallehrer, Historiker und Volkskundler Anton Tafferner.140

Siebenbürger Sachsen Die seit dem Mittelalter im südlichen Karpatenraum ansässigen Siebenbürger Sachsen verfügten jahrhundertelang über zahlreiche Rechte und Privilegien, eine eigene ständisch-politische Vertretung und ein eigenes Bildungssystem. Traditionell gingen Pfarrer- und später auch Lehrerkandidaten zum Studium an protestantische deutsche Universitäten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Siebenbürger Sachsen, ebenso wie die im Ostteil des Banats lebenden Donauschwaben, die Deutschen in der Bukowina, Bessarabien und der Dobrudscha zur deutschen Minderheit in Rumänien. Die deutschen Minderheiten Südosteuropas konnten grundsätzlich kaum auf vergleichbar ausgeprägte Traditionen der Lokalhistoriographie und Heimatforschung zurückgreifen wie beispielsweise die Schlesier oder Sudetendeutschen, wenngleich Gruppen wie die Siebenbürger Sachsen über eine selbstbewußte Bildungsschicht verfügten, die sich in der Zwischenkriegszeit ebenso wie ihre Kollegen in „reichsdeutschen“ Regionen der Lokalhistoriographie und Heimatkunde widmete.141 Die deutschen Heimatbücher Südosteuropas aus den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg sind dennoch wenig zahlreich.142 138 Schriftenreihe des Donauschwäbischen Kulturzentrums/ Haus der Donauschwaben Salzburg, die Werke erschienen jedoch im Selbstverlag: Apatin 1966 [SRB\Batschka], Bukin 1974 [SRB\ Batschka], Tomaschanzi-Gorjani 1974 [HR\Slaw.], Laschkafeld 1986 [HR\Türkei], Groß-Scham 1987 [RO\Banat]. 139 1923–1995, verantwortlich für Lovrin 1979 [RO\Banat], Gottlob 1980 [RO\Banat], Sanktandres 1981 [RO\Banat], Sanktmartin 1.1981 [RO\Banat], Grabatz 1982 [RO\Banat], Triebswetter 1983 [RO\Banat], Neuarad 1985 [RO\Banat], Moritzfelde 1986 [RO\Banat], Marienfeld 1986 [RO\Banat], Groß-Scham 1987 [RO\Banat], Traunau 1989 [RO\Banat], Hatzfeld 1991 [RO\Banat], Bogarosch 1993 [RO\Banat], beratend bei Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat]. 140 1910–2007, verantwortlich für Nordschomodei 1973 [H\Türkei], Pusztavam 1978 [H], Batschsentiwan 1980 [SRB\Batschka]. Vgl. Tafferner: Donauschwäbische Heimatbücher sowie den Nachruf von Klaus Loderer: Anton Tafferner †. Der Grand-Seigneur der donauschwäbischen Geschichtsschreibung ist tot, in: Unsere Post Nr. 1 vom Januar 2008, S. 1f. Zu Tafferner auch Orosz-Takács: Erinnerung, S. 49. 141 Zur donauschwäbischen Heimatkundetradition Josef Wolf: Donauschwäbische Heimatbücher. Entwicklungsphasen und Ausprägungen; in: Beer: Heimatbuch, S. 129–163. 142 Fast alle entstanden in den 1930er Jahren, als die Heimatkundewelle der Weimarer Republik längst abgeflaut war, aber die deutsche völkische Wissenschaft sich für die Auslandsdeutschen zu interessieren begann: Sveti-Hubert 1927 (Banat), Odzaci 1929 (Batschka), Rosenau 1930 (Siebenbürgen),

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Die im Vergleich mit dem deutschen Staatsgebiet schwächere Heimatkundetradition war vielen Autoren bewußt. So betonten die Verfasser der ersten siebenbürgischsächsischen Heimatbücher nach der Vertreibung, daß sie nur „einfache Bauern“ mit wenig Schulbildung seien, sich aber kein Gebildeter finden ließ, der ein Heimatbuch schreiben wollte.143 Hier mag die lange Bildungstradition der Siebenbürger Sachsen hineinspielen, deren Anspruch die Autoren sich nicht ganz gewachsen fühlten. Jedoch konstatiert auch Orosz-Takács, daß nicht nur die Beiträger, sondern auch verantwortliche Redakteure und Herausgeber – neben der bei allen Herkunftsgruppen feststellbaren Beteiligung der klassischen „Dorfintelligenz“ von Lehrern und Pfarrern – bei jedem dritten von ihr untersuchten Werk Bauern oder Handwerker waren.144 Nichtsdestotrotz entwickelten sich nach 1945 nicht nur die Siebenbürger Sachsen, sondern die Südosteuropadeutschen insgesamt unter den drei großen Gruppen nach und nach zu den produktivsten, mitunter sogar zu den mit Abstand professionellsten Heimatbuchverfassern aller Landsmannschaften. Ein erheblicher Teil der Rumäniendeutschen, also Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, kam erst als Spätaussiedler in die Bundesrepublik. Aus diesem Grund ist hier die Erlebnisgeneration – bezogen nicht auf das Erlebnis der Vertreibung, sondern auf die Sozialisation in der später verlassenen „alten Heimat“ – erheblich jünger als bei den „Reichsdeutschen“. Die letzte große Welle verließ in den 1990er Jahren ihre Heimat. Eine sehr kleine Minderheit, vor allem Alte und Alleinstehende, lebt noch heute dort.145 Dementsprechend setzte die Publikation von Heimatbüchern bei diesen Gruppen später ein – das erste siebenbürgische Heimatbuch erschien 1965146 – und hält unvermindert an, speziell bei den Rumäniendeutschen sogar mit steigender Professionalität. Eine Dachorganisation, die die Herausgabe von Heimatbüchern betreute und förderte, findet sich unter allen Landsmannschaften der Region nur bei den Siebenbürger Sachsen, hier jedoch in sehr profilierter Form. Diese Tatsache findet ihren Niederschlag in der Anzahl der Werke, der flächendeckenden Bearbeitung der gesamten Region, der Strukturierung und inhaltlichen Qualität, aber auch dem Reflexionsgrad siebenbürgisch-sächsischer Heimatbücher insbesondere seit den 1990er Jahren. Am

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Krčedin 1930 (Syrmien), Ungarn 1930, Srpski-Miletitsch 1936 (Batschka), Celje 1937 (Slowenien), Banat 1938, Apatin 1940 (Batschka). Zu ungarndeutschen Heimatbüchern der Zwischenkriegszeit Orosz-Takács: Erinnerung, S. 24–26. Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 5 u.ö.; ganz ähnlich Maniersch 1973 [Siebb.], S. 6. Orosz-Takács: Erinnerung, S. 48. 1993 wurde der Spätaussiedlerzuzug begrenzt, 1999 die Zuzugskriterien § 6 BVFG verschärft, u.a. durch Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse. Die deutschstämmige Zuwanderung aus Südosteuropa ist seitdem stark rückläufig und heute fast nicht mehr existent: Migrationsbericht. Bericht des Sachverständigenrates für Zuwanderung und Integration im Auftrag der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem europäischen forum für migrationsstudien (efms) an der Universität Bamberg, Berlin: BMI 2004, S. 26 (14.03.2008). Mettersdorf 1965 [Siebb].



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Beispiel der Siebenbürger Sachsen läßt sich ermessen, wie hilfreich die Existenz einer zentralen „Beratungsstelle“ für Heimatbuchautoren war und ist, die ja meist wissenschaftliche Laien mit wenig Erfahrung bei der Erstellung einer ganzen Monographie waren und sind. Schon die ersten Vertriebenenheimatbücher der Region in den 1960er und 1970er Jahren wurden mit Unterstützung des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen publiziert. Ab 1991 bot die Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung eine Plattform für die Werke, die zuvor meist im Selbstverlag erschienen waren, finanzielle Zuschüsse kamen vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat.147 Die 1997 gegründete Dachorganisation der Heimatortsgemeinschaften (HOG)148 baute diese Unterstützung noch sehr viel weiter aus. Dieser HOG-Dachverband schrieb sich unter anderem die Förderung von Heimatbüchern auf die Fahnen, was er finanziell mit Mitteln der Stiftung, praktisch durch die Gründung eines Verlages149 und ideell durch Beratung, Anleitung und Diskussionsangebote für (potentielle) Heimatbuchautoren umsetzte. Ein Leitfaden zur Heimatbucherstellung von 1994 erläutert wissenschaftliche Mindeststandards und zentrale Themenkomplexe, nebst Empfehlung, auch „schmerzhafte Ereignisse des 20. Jahrhunderts“ „realistisch und nicht idealisiert“ darzustellen.150 Die Fördermodalitäten der Stiftung werden dargelegt und nicht zuletzt konkrete Hinweise zu Manuskripterstellung, Fotoreproduktion, Papiersorten, Druckverträgen etc. gegeben. 151 Die fortlaufende Debatte auf den Dachverbandstagungen zeigt, wie sehr man sich der Notwendigkeit dieser Hilfestellung auch angesichts der älterwerdenden Er-

147 Balduin Herter: Heimatkundearbeit auf Ortsebene, f) Ortsmonographien, in: Horst Göbbel (Red.): Siebenbürgisch-sächsische Heimatortsgemeinschaften aktuell: Vortragstexte, Berichte, Nachlese. 10.  Tagung der Vertreter Siebenbürgisch-Sächsischer Heimatortsgemeinschaften und Nachbarschaften, Gundelsheim: Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften 2000, S. 40f., hier S. 40: „Die ersten 11 Heimatbücher verdanken wir [dem Vorsitzenden des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen] Hans Philippi, die er im Hilfskomitee herausgegeben hat [...]. Alle erschienen vor unserer HOG-Tätigkeit und ohne zusätzliche Zuschüsse. Ihnen folgten die weiteren Heimatbücher, in der Regel im Selbstverlag herausgegeben und vom Kulturrat und auch von der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung gefördert. Seit 1991 sind 41 Bände in der Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung erschienen [...]. Pro Band wurde ein Zuschuss von 2–3000 DM gewährt.“ 148 Dessen Satzung in: Horst Göbbel (Red.): Siebenbürgisch-sächsische Heimatortsgemeinschaften aktuell: Vortragstexte, Berichte, Nachlese. 9. Tagung der Vertreter Siebenbürgisch-Sächsischer Heimatortsgemeinschaften und Nachbarschaften, Gundelsheim: Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften 1999, S. 166–173. 149 Wort und Welt Verlag, Thaur bei Innsbruck (Österreich), heute mit Verlagssitz München. Mittlerweile hat die Stiftung einen eigenen Verlag gegründet; o.A.: Publikationen: Aktivitäten und Projekte: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, (18.03.2008). 150 Michael Kroner: Warum darf die Zeitgeschichte in Heimatbüchern nicht fehlen?, in: Martin Guist (Red.): Vortragstexte und Berichte. 7. Tagung der Vertreter Siebenbürgisch-Sächsischer Heimatortsgemeinschaften und Nachbarschaften, Heidelberg: Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde 1994, S. 59–61. 151 Siegbert Bruss u.a.: Infoblatt zur Erstellung von Heimatbüchern, in: Guist: Vortragstexte und Berichte, S. 71–75.

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lebnisgeneration bewußt ist. Sichtbar wird auch das Bestreben, die Region möglichst vollständig in Heimatbüchern zu dokumentieren.152 Eine Reihe von Autoren versah vor allem für Nordsiebenbürgen die Publikation gleich mehrerer Heimatbücher, so der Bistritzer Gymnasialprofessor Kurt Csallner,153 der ebenfalls Bistritzer Lehrer, Historiker und Heimatforscher Hanspeter Zehner154 sowie der im österreichischen Wels lebende Mediziner und Heimatforscher Jost Linkner.155 Letztlich war und ist bei den Siebenbürger Sachsen die Heimatortsgemeinschaft für das Heimatbuch essentiell. Schon Mitte der 1980er Jahre waren viele der Herausgeber oder Bearbeiter auch Vorsitzende der HOG-Regionalgruppen,156 und in aller Regel übernahm der oder die HOG-Vorsitzende die Herausgeberfunktion der in den nachfolgenden Jahren erscheinenden Werke.

Bessarabiendeutsche Bei Gruppen aus Südosteuropa, die ihre Heimat in Folge des Zweiten Weltkriegs relativ geschlossen verließen, erschienen die ersten Werke in den frühen 1950er Jahren, und ähnlich wie bei den Deutschen aus den Oder-Neiße-Gebieten endete mit dem Generationenwechsel die Publikation von Heimatbüchern in den 1990ern. Heimatbücher, die die verlorene Heimat nur noch aus Kinderperspektive schildern können, da ihre Autoren eigentlich nicht mehr zur Erlebnisgeneration zählen, und die verzweifelt versuchen, die wenigen verbliebenen Zeitzeugen zum Erzählen zu bringen oder ersatzweise Dokumente abdrucken, gibt es bei keiner südosteuropadeutschen Landsmannschaft, obwohl bei vielen Gruppen die jüngste Erlebnisgeneration mittlerweile 152 Für Nordsiebenbürgen Jost Linkner: Nordsiebenbürgische Heimatbücher. Bericht des Fachreferenten für Heimatbücher bei der Bundesausschußsitzung am 27.11.1999 in Wels, in: Horst Göbbel (Red.): Siebenbürgisch-sächsische Heimatortsgemeinschaften aktuell: Vortragstexte, Berichte, Nachlese. 10.  Tagung der Vertreter Siebenbürgisch-Sächsischer Heimatortsgemeinschaften und Nachbarschaften, Gundelsheim: Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften 2000, S. 110–113. 153 Geb. 1906 in Bistritz, gest. 1993 in Bad Kissingen; Lehrer, Historiker und Heimatforscher. 1944 aus Rumänien geflohen, 1946 bis zur Pensionierung 1970 Lehrer in Bad Kissingen; SchriftstellerLexikon der Siebenbürger Deutschen: bio-bibliographisches Handbuch für Wissenschaft, Dichtung und Publizistik. Begr. von Joseph Trausch. Fortgef. von Friedrich Schuller und Hermann A. Hienz, Köln u.a.: Böhlau 1976–2001, Bd. 5: A–C, ebd. 1995, S. 449–459. Csallner war verantwortlich für oder beteiligt an Mettersdorf 1965 [Siebb.], Heidendorf 1969 [Siebb.], Bistritz 1973 [Siebb.], AuenKuschma 1994 [Siebb.]. 154 Geb. 1925 in Bistritz; Lehrer, Historiker, Heimatforscher. Biographische Informationen in: Hanspeter Zehner: Mord oder Selbstmord? Neue Erkenntnisse zum gewaltsamen Tod des Generals der Infanterie Wilhelm Zehner (1938), in: Truppendienst 271 (2003) (21.06.2006). Zehner war verantwortlich für Schönbirk 1981 [Siebb.], Sächsisch-Sanktgeorgen 1987 [Siebb.], Minarken 1989 [Siebb.], Burghalle 1990 [Siebb.]. 155 Geb. 1926, verantwortlich für Pintak 1988 [Siebb.], Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], Ungersdorf 1995 [Siebb.], Ludwigsdorf 1997 [Siebb.], Moritzdorf 1998 [Siebb.], Ober-Eidisch 1999 [Siebb.], Niederwallendorf 2000 [Siebb.], Paßbusch 2001 [Siebb.]. 156 Vgl. Kessler: Ostdeutsches Kulturgut, S. 504–506.



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mindestens im Rentenalter sein dürfte. Dem entspricht auch der Publikationsverlauf bei den Bessarabiendeutschen, deren erstes Heimatbuch 1959, das letzte im Jahr 1991 erschien, und die – bis auf Überblickswerke unter Regie des Hilfskomitees der Evangelisch-Lutherischen Kirche aus Bessarabien und der Landsmannschaft – sämtlich im Selbstverlag publiziert wurden. Die 1814 von Kaiser Alexander I. als Siedler ins Land geholten Deutschen mußten, ebenso wie die Bukowinadeutschen, schon 1940 als Konsequenz des Hitler-Stalin-Pakts ihre in der Zwischenkriegszeit zu Rumänien gehörende Heimat Bessarabien verlassen, die nun an die Sowjetunion fiel. Im Zuge des nationalsozialistischen „Generalplans Ost“ zur gewaltsamen „Germanisierung“ des eroberten Osteuropas sollten sie im besetzten Ostpolen seßhaft gemacht werden, exemplarisch umgesetzt in der berüchtigten „Aktion Zamość“.157 Nach jahrelangem Aufenthalt in Übergangslagern kam es jedoch oft nicht mehr zur Umsetzung, weil die Ostfront den projektierten Kolonien schon zu nahe war. Wer tatsächlich angesiedelt worden war, mußte wenig später vor der heranrückenden Roten Armee fliehen, so daß viele Bessarabiendeutsche mehrfache Zwangsmigrationen erlebten. Historisch unterscheidet sich diese Gruppe also von Donauschwaben und Siebenbürger Sachsen vor allem durch ihre kürzere Anwesenheit in der Region und den (ersten) organisierten Heimatverlust unter Regie der nationalsozialistischen „Volksdeutschen Mittelstelle“ schon zu Beginn des Krieges. In ihren Heimatbüchern zeigen sich dennoch zahlreiche Gemeinsamkeiten mit anderen deutschen Minderheiten Südosteuropas, so in der Betonung ihrer Loyalität zum Staat – ob zum Zarenreich oder zum Rumänien der Zwischenkriegszeit – und ihrem guten Verhältnis zu ihren andersnationalen Nachbarn. Anders als in vielen donauschwäbischen oder siebenbürgischen Werken wird jedoch der Zweite Weltkrieg nur marginal erwähnt, denn der entscheidende Wendepunkt der eigenen Geschichte – der Weggang aus der Heimat – lag im subjektiven Empfinden der Heimatbuchschreiber vor dem Zweiten Weltkrieg oder überschattete ihn. Während die Heimatbücher den Sinn der Umsiedlung nicht in Frage stellen – denn in der Sowjetunion, so die Aussage, hätten sie nicht bleiben wollen und können –, werden die Volksdeutsche Mittelstelle, die langen Lageraufenthalte und vor allem die Ansiedlung im besetzten Polen schon in den 1950er Jahren durchaus kritisch betrachtet: „Man brachte uns auf enteignete Polenhöfe, und nicht selten war der ehemalige Besitzer Knecht des neuen Siedlers. Dieses Unrecht konnte man seelisch nicht überwinden. Bei vertraulichen Gesprächen konnte man immer wieder die Besorgnis hören: Unrecht Gut gedeiht nicht.“158 157 Mechthild Rössler und Sabine Schleiermacher (Hg.): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin: Akademie-Verlag 1993; zur „Aktion Zamość“ darin: Bruno Wasser: Die „Germanisierung“ im Distrikt Lublin als Generalprobe und erste Realisierungsphase des „Generalplans Ost“, S. 271–293. 158 Gnadental 1959 [Bess.], S. 174. Neu-Elft 1975 [Bess.] beklagt dagegen S. 150f. lediglich in bekannten antislawischen Klischees („verdreckt“, „voller Ungeziefer“) den „beklagenswerten Zustand“ der „Höfe, die von den Polen während des Polenfeldzugs verlassen bzw. vom Ansiedlungsstab geräumt worden sind.“

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Insgesamt findet in bessarabiendeutschen Werken im Vergleich zu Donauschwaben oder Siebenbürger Sachsen jedoch wenig Reflexion über den Nationalsozialismus statt. Als Initiator der Umsiedlung wird stets nur „Deutschland“ genannt, das sie vor dem Sowjetschicksal gerettet habe, und kaum je wird erwähnt, daß es die rassistische Ost- und Siedlungspolitik des „Dritten Reiches“ war, die sie als „volksdeutsche Kolonisten“ instrumentalisierte. Dem in geordneter Form ablaufenden Auszug der Bessarabiendeutschen aus ihrer Heimat verdanken sich aber auch einige der eindringlichsten Schilderungen von Abschiedsritualen in Vertriebenenheimatbüchern überhaupt, bei denen übrigens auch die meist russischen Nachbarn gewürdigt werden, denen man ebenso Lebewohl sagen mußte: „Im Oktober 1940 folgten wir zum letztenmal, stumm vor Schmerz, dem Geläute unserer Kirchenglocken zu einer Abschiedsfeier auf unserem festlich geschmückten Friedhofe. [...] Es herrschte eine wehmütige Stille. Zum erstenmal zeigte sich hier die grenzenlose Tragik unserer Umsiedlung. Unvergessen soll bleiben, daß auch gute Bekannte aus den umliegenden Russendörfern an dieser zu Herzen gehenden Feier teilnahmen und unser großes Leid mit uns teilten. Für ihre zahlreichen Händedrücke persönlicher Verabschiedung wollen wir ihnen nochmals danken. Unter Tränen gingen wir für immer auseinander.“159 „Viele Fremdstämmige, hauptsächlich aus der Russengemeinde Pawlowka, hatten sich zum Abschied eingefunden. Auch sie winkten der Kolonne nach. Jetzt erst konnten sie das für sie Unfaßbare glauben, daß die Deutschen tatsächlich wegziehen. [...] In Pawlowka, dem Russendorf, stand alles auf der Straße. Viele hatten eine Flasche Wein und ein Glas bei sich. Sie stiegen zu ihren alten Freunden auf den Wagen, um ein letztes Glas mit ihnen zu leeren. Als es außerhalb des Dorfes den Berg hochging, schaute jeder noch einmal nach seiner Heimat [...] zurück. Auch Pawlowka war bald den Blicken entschwunden. Es gehörte doch auch zu unserer Heimat. [...] Es waren doch brave Kerle. Lebet wohl!“160

Sowenig die Bessarabiendeutschen in ihren Heimatbüchern ihre Umsiedlung revidieren wollten, sowenig sahen sie einen Weg zurück. Ihre Geschichte in der Region bezeichnen sie als beendet, Rückkehrhoffnungen als „unrealistisch, ja geradezu töricht und falsch“.161 Wiederbegegnungsschilderungen, wie sie für eigentlich alle Vertriebenenwerke mindestens nach Abschluß der Ostverträge typisch sind, gibt es in bessarabiendeutschen Werken kaum,162 mutmaßlich weil Reisen in die Region auch bis 1990 noch schwierig waren, danach jedoch keine Heimatbücher der Region mehr geschrieben wurden. 159 160 161 162

Benkendorf 1964 [Bess.], S. 104. Gnadental 1959 [Bess.], S. 173. Neu-Elft 1975 [Bess.], S. 8 beendete Geschichte; Benkendorf 1964 [Bess.], S. 155f. keine Rückkehr. Borodino 1982 [Bess.], enthält S. 336–339 die Schilderung eines nur wenige Stunden dauernden Aufenthalts im Ort 1978, unter Aufsicht zweier „offizieller Begleiter“ und ohne Kontaktmöglichkeit mit den Einheimischen. Das Fazit des Autors, S. 339: „Die Empfindungen nach dem Wiedersehen mit Borodino lassen sich kaum ausdrücken. Eine große Niedergeschlagenheit macht sich breit, eine Fremdheit schleicht sich ein. Nichts, aber auch gar nichts Vertrautes ist zu finden! Nun fällt die Tür zur Vergangenheit endgültig zu.“



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Zweiter Weltkrieg und Vertreibung in südosteuropadeutschen Werken Der wohl größte inhaltliche Unterschied zu den Heimatbüchern der „Reichsdeutschen“ und Sudetendeutschen liegt in der Darstellung des Zweiten Weltkriegs. Weder wird der Krieg aus überwiegend militärischer Sicht dargestellt (wie bei Ostpreußen und Schlesiern), noch eigentlich nur sein Ende erwähnt. Der Zweite Weltkrieg spielt in seiner Gesamtheit in Heimatbüchern der Deutschen aus Südosteuropa eine größere Rolle als bei „Reichsdeutschen“ und Sudetendeutschen, weil die deutschsprachige Bevölkerung von der Entfesselung des Krieges durch Hitlerdeutschland in jedem Fall betroffen war. Der Balkan wurde Kriegsschauplatz, die Waffen-SS zog „Volksdeutsche“ in ihre Reihen ein, Truppen zogen durch und das Verhältnis zu andersnationalen Nachbarn wurde einer harten Belastungsprobe ausgesetzt. Mehrere donauschwäbische Werke sprechen schon in den 1970er Jahren im Kontext der Darstellung des Zweiten Weltkriegs die Rolle der nationalsozialistisch vereinnahmten volksdeutschen Erneuerungsbewegung als „Totengräber“ der deutschen Minderheit kritisch an und thematisieren dabei durchaus Fehler der eigenen Gruppe.163 „Naiv“ sei man der NS-Propaganda gefolgt und „willig“ in die Waffen-SS eingetreten, so ist in Werken von Donauschwaben aus Ungarn, Jugoslawien und Rumänien gleichermaßen zu lesen. Jedoch, so wird vielfach betont, hätten sie in ihrer zeitgenössischen Situation den wahren Charakter des Nationalsozialismus kaum überblicken können.164 Die vom Reich aus gesteuerte „Selbstverwaltung“ der deutschen Minderheit wird auch für die Vertreibung mitverantwortlich gemacht, da sie sich zum Werkzeug der Nationalsozialisten machte und die traditionell starke Kirche entmachtete, was zur Spaltung der Gemeinden führte, sowie zum Teil die deutsche Bevölkerung trotz näherrückender Front zum Bleiben aufforderte, was vor allem jugoslawiendeutsche Heimatbücher ihr angesichts der folgenden Leiden als Schuld anlasten.165 163 Bukin 1974 [SRB\Batschka], Lovrin 1979 [RO\Banat], Sanktmartin 1.1981 [RO\Banat], Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], Giseladorf 1990 [RO\Banat]. 164 Neuhatzfeld 1972 [SRB\Banat], S. 150: „Es muß hier offen zugegeben werden, daß [...] fast alle Deutschen aus dem serbischen Banat [...] dem Einberufungsbefehl [zur Waffen-SS] zwar nicht freiwillig, aber immerhin willig gefolgt sind.“ Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 77: „Man [...] hatte keine Möglichkeit, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu überblicken, zu denen u.U. auch die zur Waffen-SS eingezogenen Auslandsdeutschen gepreßt wurden.“ Sanktmartin 1.1981 [RO\Banat], S. 147f.: „Wir ließen uns willig führen, wir erkannten und sahen das Böse nicht, bemerkten nicht, daß unser Idealismus mißbraucht wurde. Das war wohl unsere einzige Schuld, daß wir Hitler und Deutschland gleichsetzten und glaubten, mit dem im Krieg befindlichen ‚Reich‘ solidarisch sein zu müssen.“ Letztere Passage findet sich in mehreren von Anton Peter Petri verantworteten Werken. Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. I, S. 97: „So nahm denn auch die politische Selbstbesinnung der in ihrer überwiegenden Mehrheit gutgläubigen, politisch wenig informierten, echter Orientierungsmöglichkeit baren, massiver Propaganda allzuleicht aufsitzenden Volksdeutschen eine Entwicklung, die nahezu zwangsläufig in den Nationalsozialismus mündete.“ 165 Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 213; Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 207–217; Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. I, S. 97, T. III, S. 44.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Ebenso wie die Donauschwaben sparen die Siebenbürger Sachsen in ihren Heimatbüchern weder den Zweiten Weltkrieg166 noch die Spaltung der eigenen Gruppe durch die vom „Reich“ instrumentalisierte „Volksgruppenführung“167 aus. Diese Bindung der volksdeutschen Erneuerungsbewegungen an den Nationalsozialismus und die Verantwortung der eigenen Führungsebene war zeitgenössisch und ist noch heute ein Streitpunkt selbst zwischen Menschen aus dem selben Ort. Die Heimatbücher der Deutschen aus Südosteuropa – nicht alle, aber weit über die Hälfte – übergehen diese Konflikte keineswegs.168 Eben da sie ihr Fortbestehen auf Solidarität und inneren Zusammenhalt gründeten, war die Spaltung, die sich oft mitten durch das eigene Dorf und durch die Familien zog, eine immense Bedrohung der Gruppenstabilität. Daher kommt ihr auch rückblickend große Bedeutung in der Erinnerung der betroffenen deutschsprachigen Gruppen zu.169

Fundierende Mythen der Südosteuropadeutschen Die Mythen der verschiedenen Landsmannschaften weisen zwar eine Reihe regional spezifischer Eigenheiten auf, sind jedoch in ihrem Kernbestand für die meisten der südosteuropadeutschen Gruppen erstaunlich ähnlich. Viele dieser Haltungen und Deutungen stützen sich auf die Erfahrung einer langen Tradition des Lebens als Minderheit oft unter mehreren anderen Minderheiten und der daraus entstandenen notwendigen Rücksichtnahme und Toleranz, die – als fundierender Mythos – für das Leben und Überleben der eigenen Gruppe als prägend gesehen werden. Vor allem haben die Deutschen aus Südosteuropa in der nachträglichen Bewertung ihrer Geschichte ihre traditionellen Wertvorstellungen und Haltungen, auch über die einschneidenden Ereignisse in Folge des Zweiten Weltkriegs hinaus, aufrechterhalten und in ihre Nachkriegserfahrung integrieren können. Der wohl markanteste fundierende Mythos der Region in den Heimatbüchern betrifft die eigene Minderheitenexistenz, sowohl im Zusammenleben mit anderen Eth166 Nur das erste siebenbürgische Heimatbuch nach 1945 übergeht den Krieg ganz: Mettersdorf 1965 [Siebb.]. 167 Allerdings etwas später als in donauschwäbischen Werken: Großkopisch 1983 [Siebb.], S. 97–99; Halvelagen 1998 [Siebb.], S. 26; Marpod 1999 [Siebb.], S. 113; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 43. 168 In knapp zwei Dritteln aller untersuchten südosteuropadeutschen Werke, ohne Bessarabiendeutsche, bei denen eine Instrumentalisierung in diesem Sinne nicht stattfand. Übrigens auch in dem einzigen untersuchten Bukowina-Heimatbuch: Fratautz 2005 [RO\Buk.], S. 382–388 (Konflikte innerhalb der Gruppe durch NS-Einflüsse in den 1930er Jahren) und S. 106–110 (kritische Schilderung der Umsiedlung in Folge des Hitler-Stalin-Paktes). Wenn sich die Verfasser nicht auf eine Position einigen konnten, wurden durchaus beide Sichtweisen dargestellt; so bei Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], das aus drei Teilen verschiedener Autoren besteht, die je unterschiedliche Meinungen vertreten. 169 Zur Bedeutung dieser Bedrohung der Gruppenstabilität bei den Siebenbürger Sachsen Marilyn McArthur: Zum Identitätswandel der Siebenbürger Sachsen. Eine kulturanthropologische Studie, hg. und eingeleitet von Georg Weber. Mit einem soziologischen Beitrag ‚Identität, Ethnizität und Gesellschaft‘ von Armin Nassehi und Georg Weber, Köln u.a.: Böhlau 1990 (Studia Transylvanica; 16), S. 124.



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nien als auch im Verhältnis zum umgebenden Staat. Ihr Zusammenleben mit nichtdeutschen Minderheiten betrachten Autoren aller Landsmannschaften der Region als wichtigen positiven Erfahrungsschatz, den sie immer wieder hervorheben, genauso wie ihre Loyalität zum Staat, dessen Bürger sie waren.170 Tatsächlich ist der Topos vom „guten Zusammenleben“ mit den Nachbarvölkern, der sich durch die Werke der Region wie ein roter Faden zieht, ein zentraler Punkt der Identitätskonstruktion aller deutschstämmigen Gruppen Südosteuropas.171 Dieser Topos findet sich bei allen untersuchten Gruppen, besonders ausgeprägt bei Donauschwaben und Siebenbürger Sachsen, bei letzteren vor allem seit den 1990er Jahren.172 Ein donauschwäbisches Werk bringt diesen fundierenden Mythos folgendermaßen auf den Punkt: „In jahrelanger Erfahrung haben die Banater Schwaben gelernt, daß ein Gedeih auf dem Boden des Banats, auf dem neben Schwaben auch Rumänen, Madjaren, Serben, Slowaken und andere Nationalitäten eng beieinander gelebt haben, nur mit diesen und nicht gegen diese möglich ist. Sie haben gelernt, ihre eigene Sprache, ihre kulturellen, nationalen, geistigen und schwäbischen Gepflogenheiten, Sitten und Bräuche zu pflegen und zu fördern. Dies bei voller Achtung und vollem Respekt für alle anderen Nationalitäten.“173

Für die Heimatbuchschreiber waren daher ihre andersnationalen Nachbarn auch nicht identisch mit den „Tätern“, die nach 1945 für Deportation, Enteignung, Lagerhaft und Vertreibung verantwortlich waren – und dies unabhängig davon, welchem Staat ihre Heimat nach 1920 angehört hatte, wie die folgenden Zitate aus jugoslawien-, ungarnund rumäniendeutschen Werken verschiedenster Jahrzehnte zeigen: „Es wäre ungerecht, wenn man alle Serben für diese Verbrechen [Internierungslager für „Volksdeutsche“ unter verheerenden Bedingungen ab November 1944; JF] beschuldigen würde, denn die Mehrheit der Serben – auch solche, die unter deutscher Besatzung in der Familie Verluste zu beklagen hatten, haben sich an der Vergeltung gegen die Deutschen nicht beteiligt.“ „Während des nahezu 200jährigen Zusammenlebens gab es zwischen Madjaren und Deutschen kaum Zwistigkeiten. Selbst bei der Ausweisung der Deutschen nach Kriegsende verhielten sich die meisten Ungarn neutral.“ 170 Loyalität zum Staat z.B. in Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 192, 203; Mettersdorf 1965 [Siebb.], S.  36; Tschaba-Piliscsaba 1988 [H], S. 8; Závod 1990 [H\Türkei], S. 242; Marpod 1999 [Siebb.], S. 9. 171 So in Gnadental 1959 [Bess.], S. 173; Benkendorf 1964 [Bess.], S. 104, 107; Sarata 1979 [Bess.], S. 532; Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 192, 202f., 210; Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 108, 144; Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 228f.; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 6; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 71; Giseladorf 1990 [RO\Banat], S. 234, 267, 280; Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 1, S. 96 ist die Rede von der „multikulturellen Gesellschaft Siebenbürgens“[!]; Kikinda 1996 [SRB\Banat], S.  136; Ungersdorf 1995 [Siebb.], S. 94; Marpod 1999 [Siebb.], S. 42; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 43. Ebenso in Fratautz 2005 [RO\Buk.], S. 91. 172 Zu den fundierenden Mythen des „guten Zusammenlebens“ mit anderen Nationalitäten und der „Loyalität gegenüber dem Staat“ bei den Siebenbürger Sachsen McArthur: Identitätswandel, passim, zur Betonung der „Loyalität zum Staat“ in ungarndeutschen Heimatbüchern Orosz-Takács: Erinnerung, S. 62. 173 Giseladorf 1990 [RO\Banat], S. 280.

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„Nationalistische Differenzen mit der rumänischen Mehrheitsbevölkerung gab es so gut wie keine. Im Gegenteil, als im Herbst 1944 der Befehl zur Evakuierung kam, blieben die meisten Sachsen auf Zureden ihrer andersvölkischen Nachbarn daheim [...].“174

Auch nach ihrer Vertreibung oder (Spät-)Aussiedlung konnten sich die Deutschen aus Südosteuropa diese positive Sichtweise erhalten: In ihren Heimatbüchern gibt es so gut wie keine Polemik gegenüber den ehemaligen Nachbarn und den Vertreiberstaaten. Nationale Konflikte werden durchweg auch konfliktreich dargestellt – so schildern bessarabiendeutsche Heimatbücher antideutsche Propaganda nach dem Ersten Weltkrieg, beklagen zahlreiche donauschwäbische Werke den „Madjarisierungsdruck“ schon seit dem späten 19. Jahrhundert, rumäniendeutsche die „Romanisierung“ der Zwischenkriegszeit oder die schwierige sozialistische Nachkriegszeit. Jedoch bringt dies den fundierenden Mythos der „guten Nachbarschaft“ niemals ernsthaft ins Wanken. Schilderungen von Wiederbegegnungen mit der alten Heimat oder Darstellungen der Nachkriegszeit enthalten oft sogar Lob für die Bewirtschaftung des Landes, und zwar sowohl bei Gruppen, die zum Teil nach 1945 vor Ort geblieben und also selbst an dieser Nachkriegsgeschichte beteiligt waren, als auch bei gänzlich ausgesiedelten, und gleichermaßen bei Ungarn-, Jugoslawien- und Rumäniendeutschen. Solcherart Ortslob der (sozialistischen) Nachkriegszeit kommt bei Sudeten- und „Reichsdeutschen“ nicht vor.175 Ansätze zu einer Verschärfung des Tons zeigen sich in den 1980er Jahren in einem jugoslawiendeutschen Werk, das – ähnlich wie „Reichs-“ und Sudetendeutsche – die Darstellung von Verbrechen an Deutschen nach 1945 an den bundesdeutschen Diskurs zu NS-Verbrechen anlehnt. Internierungslager werden als „Konzentrationslager“, ja „Vernichtungslager“ bezeichnet, es ist von der geplanten „Ausrottung“ der deutschen Minderheit als „Endlösung“ die Rede, die „von den heutigen Geschichtswissenschaftlern und Politikern vor der Weltöffentlichkeit verschwiegen“ werde.176 Der in den ost- und sudetendeutschen Landsmannschaften geprägte Diskurs zur Vertreibung beeinflußte nun offenbar auch die Jugoslawiendeutschen. Doch verfestigte er sich zumindest in deren Heimatbüchern nicht zum kanonischen Geschichtsbild und blieb selbst innerhalb des erwähnten Werkes eine von mehreren Sichtweisen. Bemerkenswerterweise betonen gerade die Jugoslawiendeutschen schon in den 1960er Jahren ihre Tradition des „guten Zusammenlebens“ mit anderen Nationalitäten und gehören zu den frühesten Vertriebenengruppen überhaupt, die im Heimatbuch ihrer 174 In der Reihenfolge der Zitate: Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 144; Csavoly 1980 [H\Batschka], S.  230; Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 1. Ähnlich Maniersch 1973 [Siebb.], S. 82; Ungersdorf 1995 [Siebb.], S. 67. 175 Lob bei Wiederbegegnungsschilderungen in Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 268; Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 240; Maniersch 1973 [Siebb.], S. 92; Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 214; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 280; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 321–323 u.ö. Bei „reichsdeutschen“ Werken nur in Meseritz 1.1973 [OBR], S. 125, dagegen in keinem untersuchten sudetendeutschen Werk. 176 Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. II, S. 232, T. III, S. 47 („Konzentrationslager“).



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ermordeten jüdischen Nachbarn gedenken. In der landsmannschaftlichen Publizistik setzte sich dieser Diskurs hingegen durch und führte zur Etablierung einer spezifisch jugoslawiendeutschen Martyrologieerzählung in den 1990er Jahren.177 Die Jugoslawiendeutschen stellen damit ein Beispiel für Diskurse der landsmannschaftlichen Führungsebene und Publizistik dar, die sich auf Ebene der Heimatbücher nicht als verbindlich durchsetzten. Die einzige Minderheit, der viele Werke keine freundlichen Zeilen widmeten, sind die „Zigeuner“. Vorurteile, negative Klischees und despektierliche Beschreibungen der Roma, die überall in Südosteuropa präsent waren und sind, finden sich in zahlreichen Heimatbüchern. Einige schildern sie aber auch als bunten Farbtupfer im Alltag.178 Marilyn McArthur bemerkt in ihrer Studie zum Wandel siebenbürgisch-sächsischer Identität, daß manche Siebenbürger Sachsen im sozialistischen Rumänien nach 1945 die verordnete Gleichheit aller Bürger als Deklassierung empfanden, weil sie gegenüber den Rumänen immer eine privilegierte Stellung hatten, ja glaubten, „besser zu sein“ als diese.179 In den Heimatbüchern scheint dieses Empfinden bei allen Landsmannschaften aus Südosteuropa nur selten auf, das retrospektiv betonte „gute Zusammenleben“ mit anderen Nationalitäten war offenbar stärker wirksam. Eine kulturelle „Überlegenheit“, wie sie „Reichs-“ und Sudetendeutsche gerne herausstreichen, wird in südosteuropadeutschen Heimatbüchern nur selten behauptet und noch viel seltener zum Anlaß genommen, andere Ethnien abzuwerten.180

177 Zu den Schwächen der Publikationsoffensiven dieser Art Wolfgang Kessler: Leitfaden zur Dokumentationsreihe Verbrechen an den Deutschen in Jugoslawien 1944–1948. Genocide of the Ethnic Germans in Yugoslavia 1944–1948 [Rezension], in: Südost-Forschungen 65–66 (2006–07) [erschienen 2008], S. 561–564. 178 Lovrin 1979 [RO\Banat], S. 205: den „Zigeunern“ sei Stehlen angeboren; positiver Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 230: „Was wäre aber das Leben ohne die hin und wieder auftauchenden Zigeuner gewesen!“ Závod 1990 [H\Türkei], S. 82–85 negative Stereotype passim; Giseladorf 1990 [RO\ Banat], S. 713 freundlich: „Obwohl sie ein sehr dürftiges Leben führten, nahmen die Zigeuner jede Gelegenheit wahr, um zu feiern und sich am Leben zu freuen.“ Halvelagen 1998 [Siebb.], S. 98 Abdruck eines Artikels von 1991 – „Die Zigeuner nehmen überhand“. 179 McArthur: Identitätswandel, S. 157–159. 180 Ansätze in: Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 36: „[Die Siebenbürger Sachsen] hatten [...] den rumänischen und ungarischen Bewohnern gegenüber in jeder Beziehung einen merklichen Vorsprung.“ Sarata 1979 [Bess.], S. 532: „Wir aber sahen in den Fremden, die kulturell und wirtschaftlich oft weit unter uns standen, doch immer den Menschen und hatten Verständnis für ihre Eigenart und ihr Wesen.“ Großkopisch 1983 [Siebb.], S. 104: „Die Sachsen hatten nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf geistig-kulturellen Gebiet viel zur nationalen und kulturellen Entwicklung des rumänischen Volkes in Siebenbürgen beigetragen.“ Die deutsche Minderheit als „Kulturbringer“, dem die Nachbarvölker dies mit „Undank“ quittierten, nur in Neuhatzfeld 1972 [SRB\Banat], S. 155: „Wir lehrten sie pflügen, die Madjaren, die Rumänen und die Serben, wir lehrten sie eggen, säen und ernten; [...] wir machten ihnen ein ganzes, großes Land, als ihre Ahnen noch in Erdlöchern hausten und das Böse umging, zur sprießenden Heimat; ja, man hatte uns gerufen, damit wir dies alles schufen; aber sie, die Nutznießer unserer Fruchtbarkeit, standen auf, als ihnen die Stunde geeignet und dunkel genug erschien, und sie verfielen den Dämonen wieder, die wir in Weizenmeeren begraben hatten.

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Zum fundierenden Mythos der Deutschen aus Südosteuropa vom „guten Zusammenleben“ mit anderen Minderheiten gehören in den Heimatbüchern neben Ungarn und Serben, Rumänen, Russen und Bulgaren – und manchmal auch Roma – in aller Regel auch die Juden vor Ort. Während in den meisten „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbüchern jüdische Einwohner schlicht nicht vorkommen und der Holocaust (fast) immer eine auffällige Leerstelle bleibt, wird in einem deutlich größeren Anteil südosteuropadeutscher Werke die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs mindestens erwähnt und verurteilt oder auch betont, daß die einheimischen Deutschen nicht daran beteiligt gewesen seien.181 Ein jugoslawiendeutsches Heimatbuch ist schon in den 1960er Jahren in der Lage, der Ermordung jüdischer Nachbarn – wenn auch gekoppelt mit einem Vergleich zum eigenen Schicksal – zu gedenken und ihnen auch Namen zu geben: „Große Enttäuschung stellte sich ein, als [...] die Juden auch in unserer Gemeinde festgenommen, enteignet und nach kurzer Zeit weggeführt wurden. [...] Soviel wir in Erfahrung bringen konnten, hat von diesen armen Menschen nur Frau Ickovic diese Schreckenszeit überlebt. Wenn wir heute so oft und soviel über unser hartes Schicksal der Entrechtung, Enteignung, Vertreibung und teilweisen Ausrottung mit Wehmut nachdenken, so dürfen wir auch unsere jüdischen Mitbürger nicht vergessen. Sie mußten unseren bitteren Schicksalsweg, sogar bis zur totalen Ausrottung, schon einige Jahre vor uns gehen, und waren eigentlich die ersten Opfer des schrecklichen Krieges in unserer Gemeinde. Wenn in jener Zeit unsere Einstellung zu den Juden durch den nationalsozialistischen Zeitgeist [!] etwas getrübt war, so lebten wir wie mit allen anderen Mitbürgern auch mit ihnen immer in Frieden und Eintracht, und es geziemt sich, daß wir auch ihrer Opfer gedenken!“182

Auch mehrere andere Werke der Region widmeten einige Seiten dem Schicksal und Andenken namentlich genannter jüdischer Nachbarn.183 Im Unterschied zur überwälSie standen auf im August 1944 und bezeugten ihren Dank mit Messern und Enteignung, Verschleppung und Vertreibung.“ Dazu auch Orosz-Takács: Erinnerung, S. 66f. 181 Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 209; Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 73; Csavoly 1980 [H\ Batschka], S. 82; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 71; Giseladorf 1990 [RO\Banat], S. 286; Závod 1990 [H\Türkei], S. 150f.; Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 66; Ungersdorf 1995 [Siebb.], S. 59, 94; Kikinda 1996 [SRB\Banat], S. 135. 182 Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 209. 183 Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. III, S. 38f., „Erinnerung an Dr. Neumann“: „Alle, die diesen großherzigen Arzt und edlen Menschen kannten, bedauerten zutiefst, daß auch er im Zuge der Judenverfolgung im Banat dem schrecklichen Schicksal seines Volkes nicht entgehen konnte.“ Závod 1990 [H\Türkei], S. 150f., jedoch gefolgt von einem eigenartigen Nachsatz, S. 151: „Die bis dahin fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Juden und unseren Angehörigen, die unsererseits gesehen, nie zu Dissonanzen geführt hatte, war somit zu einem abrupten Ende gekommen. Nach dem Motto: ‚leben und auch leben lassen‘ war man zum Kulturträger und Wohlstandsbringer des Kreises geworden, und möge man zu den Juden und ihren Eigenarten stehen, wie man will: wegen ein paar ‚Schwarzen Schafen‘ ein Volk ausrotten zu wollen, das ist mehr als ein Verbrechen. Doch wir fühlen uns frei von Schuld.“ Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 66: „Im Frühsommer 1944 wurden in einer Nacht- und Nebelaktion alle Juden [...] in Sammellager geführt. Es waren 13 Personen, jung und alt. Keiner blieb zurück, ein einziger, Klein Zelicko, kam nach Kriegsende in das Dorf zurück, er wanderte bald nach Kanada aus. Niemand von den Kuschmaner Rumänen und Sachsen hatte sich mit dieser Aktion solidarisiert, alle verurteilten sie!“



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tigenden Mehrheit „reichs-“ und sudetendeutscher Werke gaben sie ihnen so ein individuelles Gesicht und überdeckten die Shoah nicht mit vagen oder gar euphemistischen Floskeln.184 Die Darstellung des Zweiten Weltkriegs ist gewissermaßen der Kristallisationspunkt für eine ganze Reihe charakteristischer Unterschiede der südosteuropadeutschen Heimatbücher zu denjenigen der „Reichs-“ und Sudetendeutschen. Wie sich im Vergleich der drei großen Vertriebenengruppen („Reichsdeutsche“, Sudetendeutsche und Südosteuropadeutsche) zeigt, existierten offenbar diskursive Cluster, deren Elemente einander bedingten oder diskursiv erst ermöglichten. Im Sinne von: ‚Wer A sagt, kann auch von B reden und muß von C nicht schweigen‘ zeigen sie das geflechtartige Gefüge diskursiver Muster. Die umfassendere Darstellung des Zweiten Weltkriegs geht in südosteuropadeutschen Werken oft einher mit einer Reflexion der eigenen Rolle im historischen Geschehen, die auch das Eingeständnis von Fehlern nicht ausschließt. Sofern sich die Heimatbuchautoren von der NS-gesteuerten „volksdeutschen Erneuerungsbewegung“ distanzierten, ermöglichte ihnen dies, sich selbst nicht zum „Täterkreis“ zu zählen und den Nationalsozialismus klarer zu charakterisieren, somit auch den Holocaust in die Darstellung miteinzubeziehen. Bei aller kritischen Auseinandersetzung mit NSAnhängern in den eigenen Reihen bewirkte es jedoch auch, daß die eigene Gruppe sich nunmehr grundsätzlich auf der Seite der Opfer des „Dritten Reiches“ befand und in der Logik der Argumentation als Täter gar nicht mehr in Betracht kam. Angehörige der eigenen Minderheit als Erfüllungsgehilfen der Judenvernichtung werden so beispielsweise in keinem einzigen Werk thematisiert.

Regionale Mythen der Südosteuropadeutschen Je nach regionaler Herkunft sind die Landschaften Südosteuropas mehr oder weniger stark in den Werken präsent. Immer aber ist die Landwirtschaft in der Darstellung des Lebens vor 1945 in den Heimatbüchern ganz zentral. Das erste siebenbürgische Heimatbuch schildert das Bitterste an der befohlenen Flucht vor der Roten Armee: „Man wollte und konnte es nicht glauben. Wie sollte es möglich sein, alles preiszugeben und zu verlassen, Häuser, das Vieh, den schon eingefahrenen und zum Teil gedroschenen Weizen und Hafer, den in Reife stehenden Kukuruz [d.i. Mais], die Fülle des edlen Obstes, die bis zum letzten Augenblick so streng bewachten und behüteten Weinhalden!“185

Bessarabiendeutsche Werke sprechen von der landschaftlichen Idylle und dem fruchtbaren Paradies, das sie verlassen mußten,186 für Donauschwaben und die Siebenbürger

184 Zur Darstellung der Shoah in „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbüchern Kapitel 6.3.2. 185 Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 100f. 186 Zum Beispiel Gnadental 1959 [Bess.], S. 187f., 201.

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Sachsen sind je nach Heimatgegend bestimmte Landschaften mehr oder weniger prägend, wie die pannonische Tiefebene, der Karpatenurwald187 oder die Donau. Für den westlichen Leser bemerkenswert ist die in den südosteuropadeutschen Heimatbüchern konservierte vorindustrielle Welt, mit einer starken, in sich geschlossenen dörflichen Gemeinde, die wesentlich von ihren Traditionen und dem Gemeindeleben bestimmt war. Kaum ein Foto, auf dem Frauen nicht Tracht tragen, auf den oft einzig erhaltenen Hochzeitsfotos tragen die Brautleute noch im sozialistischen Rumänien eine aufwendige, uns sehr exotisch-fremd anmutende Hochzeitstracht.188 Kapitel über die Spinnstube, Bruder- und Schwesternschaften, Körperpflege189 und Begräbnisvereine190, die sehr präsente Mundart oder die namentliche Erwähnung aller Absolventen höherer Schulen inklusive späterem Werdegang zeugen von einer Lebenswelt, die uns mindestens dem 19., wenn nicht dem 18. Jahrhundert anzugehören scheint. Die Bedeutung dieser vormodernen Lebenswelt scheint angesichts des Bruchs mit der Vertreibung, aber auch für die Dagebliebenen, die erst als Spätaussiedler in die Bundesrepublik kommen sollten, mit dem abrupten Übergang zur „sozialistischen Gesellschaft“ retrospektiv umso größer.

Rückkehrhoffnung und Integration In keinem südosteuropadeutschen Heimatbuch taucht der Gedanke an eine Rückkehr in die Heimat auf. Anders als „reichsdeutsche“ Werke vertreten hier viele Autoren die Ansicht, daß ihre alte Heimat unwiederbringlich verloren sei. Für sie ist das Kapitel deutschsprachiger Siedlungen in der Region „abgeschlossen“, so meinen besonders jüngere Werke, die auch den Weggang der letzten Spätaussiedler beschreiben.191 Komplementär dazu betonen viele Autoren oft sogar ihre „restlose“ Integration in der neuen Heimat, was ihnen über den Verlust der alten hinweghelfe: „[Es] war erfreulicherweise immer wieder zu erkennen, daß sich unsere Landsleute, so sehr sie auch zerstreut sind, in ihrer neuen Heimat doch so zurecht gefunden haben, daß sie sich wieder dort zu Hause fühlen. Und das ist gut so, denn das hilft unseren Menschen leichter über alles Bittere und Schreckliche der Vertreibung hinwegzukommen. Ja, die Bindung an ihre neue Heimat ist bei den meisten so fest, daß man sie selbst dann zu einer Umsiedlung nicht bewegen

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Auen-Kuschma 1994 [Siebb.] passim. Zu diesen Hochzeitsfotos auch Kapitel 6.3.6. Beschka 1971 [SRB\Syrmien]. Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 239–241; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 233–235; Kalatscha 1999 [RO\Banat], S. 111f. beschreiben die Institution eines „Leichen-“ oder „Bestattungsvereins“ zur gegenseitigen Bestattungsvorsorge. 191 Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26; Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 214; Halvelagen 1998 [Siebb.], S. 178; aber auch in älteren Werken, so Mettersdorf 1965 [Siebb.], S. 9; Neu-Elft 1975 [Bess.], S. 8.



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könnte, wenn etwa die Möglichkeit bestünde, mit vielen anderen Landsleuten an einem Ort angesiedelt werden zu können.“192

Tatsächlich ist hier ein weiterer fundierender Mythos am Werk: Ganz so wie ihre Vorfahren sich einst als mittellos ins Land gekommene Ansiedler eine geachtete Existenz aufbauten, so hätten ihre vertriebenen Nachfahren sich mit „ererbtem Siedlergeist“ eine neue Existenz in der Bundesrepublik aufgebaut.193 Letztere Aussage findet sich nur bei den Siebenbürger Sachsen nicht, die sich nach ihrer über siebenhundertjährigen Anwesenheit in Siebenbürgen selbst kaum mehr als „Kolonisten“ sahen. Möglicherweise konnten die Südosteuropadeutschen sich auch mental besser in ihrer neuen Heimat einleben und wirklich Abschied von der alten nehmen, weil ihnen kein Politiker und keine Selbstvertretung aus taktischem Kalkül eine mögliche Rückkehr in ihre verlorene Heimat suggerierte.

Autostereotype im Vergleich Durchweg alle Vertriebenengruppen erklären ihre Integrations- und Aufbauleistung nach 1945 durch landsmannschaftlich „typische“ Eigenschaften. Frappant ist dabei, daß das Repertoire der Autostereotype von der regionalen Herkunft fast unabhängig scheint. Neben dem Fleiß, quasi der deutschen Kardinaltugend, reklamieren zum Beispiel Sudetendeutsche für sich Ausdauer, Gottvertrauen, Lebensmut, Pioniergeist, Sparsamkeit, Tüchtigkeit, Treue. Die Schlesier beanspruchen Anpassungsfähigkeit, Pflichterfüllung, Pioniergeist, Tüchtigkeit, Sparsamkeit, Zähigkeit, Zuverlässigkeit, die Brandenburger und Pommern Ausdauer, Beharrlichkeit, Charakterfestigkeit, Zähigkeit, die Südosteuropadeutschen Anständigkeit, Sparsamkeit, Zähigkeit, Zielstrebigkeit. Die solcherart konstruierte Identität diente zum einen der Rechtfertigung gegenüber den alteingesessenen Bundesbürgern, indem sie die Bereicherung der Aufnahmegesellschaft durch die Vertriebenen herausstrich und die Leistung, durch die diese sich gewissermaßen ihre Daseinsberechtigung in der Bundesrepublik verdient hatten, kausal mit ihrem „Charakter“ verband. Zum anderen zeigt sich hier auch, daß die Identitätskonstruktion mit der Situation nach der Vertreibung unauflöslich verbunden war: Die Charakteristika, die die Autoren zur Selbstdarstellung wählten, entstammten einem gemeinsamen Fundus „deutscher“ Tugenden, den die bundesrepublikanische Nachkriegsgesellschaft von ihnen im Prozeß der Eingliederung erwartete.194 Daß 192 Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 256f.; Neu-Elft 1975 [Bess.], S. 56: „Fast alle haben wieder ein Häuschen, manche sogar zwei.“ Ebd., S. 57: „Die Jugend [...] ist gegenüber den Älteren im Vorteil. Sie gilt in der Bundesrepublik in jeder Hinsicht als eingegliedert.“ Csavoly 1980 [H\Batschka] bemerkt S. 86, „daß die Csavolyer in der Bundesrepublik zur frühesten Gruppe jener Heimatvertriebenen gehören, denen es gelungen ist, sich im Lande ihrer Ahnen restlos zu integrieren.“ 193 Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 343f.; Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. II, S. 53; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 311. 194 Ganz ähnlich der Befund von Alexander von Plato: Fremde Heimat. Zur Integration von Flüchtlingen und Einheimischen in die Neue Zeit, in: Lutz Niethammer und ders. (Hg.): „Wir kriegen jetzt

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dieser Fundus so homogen ist, zeigt wiederum, daß die Vertriebenen als Deutsche und nicht als Schlesier, Sudetendeutsche, Ostpreußen, Donauschwaben usw. in die Gesellschaft integriert werden sollten. In der Deutung ihrer Nachkriegsintegration unterscheiden sich die Südosteuropadeutschen allerdings von den „Reichs-“ und Sudetendeutschen: Während diese ihre wirtschaftliche Leistung betonten, liegt bei den Nachfahren der Südosteuropa-Kolonisten der Schwerpunkt auf ihrer Anpassungs- und Integrationsleistung, eben ihren „ererbten“ „Kolonisten“-Eigenschaften. Bei Autostereotypen, die sich nicht auf Aufbauleistungen nach dem Krieg beziehen, unterscheiden sich die Südosteuropadeutschen noch in einem weiteren Punkt merklich von Sudeten- und „Reichsdeutschen“. Sie schreiben sich selbst Eigenschaften zu, die bei anderen Gruppen nicht zu finden sind und die eher dem südosteuropäischen Kulturkreis oder ihrem Leben als Minderheit, die immer zusammenhalten mußte, entstammen. Ein starker Gemeinsinn und enges Zusammengehörigkeitsgefühl195 gehören in letztere Kategorie und sind ein Bestandteil fast aller südosteuropadeutschen Heimatbücher. Aber auch Anpassungsfähigkeit, Duldsamkeit, Hartnäckigkeit und das Verkraften von Schicksalsschlägen sind Eigenschaften, die in der Minderheitenerfahrung der Gruppen gründen und in ihren Augen überlebensnotwendig waren.196 Nicht gerade als typisch deutsch geltende Eigenschaften wie Gastfreundschaft, Lebensfreude, Humor, Toleranz und Aufgeschlossenheit für Fortschritt, die vor allem die Donauschwaben für sich reklamieren, gehören eher dem südosteuropäischen Kulturkreis an.197 Das einzige untersuchte Heimatbuch von Deutschen aus der Slowakei gehört nicht nur in dieser Hinsicht übrigens deutlich in den südosteuropäischen Kontext.198 Auch negativ Kon-

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andere Zeiten“. Auf der Suche nach der Erfahrung des Volkes in nachfaschistischen Ländern, Berlin, Bonn: Dietz 1985 (Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930 bis 1960; 3), S. 172–213, hier S. 187. Gnadental 1959 [Bess.], S. 141: „eng verbundene Gemeinschaft“; Sarata 1979 [Bess.], S. 7: „lebhafter Zusammenhalt“; Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 228: „starker Gemeinsinn“; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 311: „Gemeinschaftssinn“; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26: „das soziale Miteinander und Füreinander“; Deutsch-Zepling 1975 [Siebb.], S. 152: „Zusammengehörigkeitsgefühl“; Marpod 1999 [Siebb.], S. 9: „eine verschworene, verläßliche Gemeinschaft“; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 39: „Zusammengehörigkeitsgefühl“. Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 228: „Geduldiges Ertragen des Schicksals“; Lovrin 1979 [RO\Banat], S. 7 „Ausdauer“; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 383: „verkrafteten Rückschläge“; Kikinda 1996 [SRB\Banat], S. 178: „Anpassungsfähigkeit“, „Genügsamkeit“; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 39: „Ausdauer“, „Charakter des Durchhaltens“. Gastfreundschaft: Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 228; Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 215; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 383; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26. Lebensfreude, Lebensbejahung: Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26; Marpod 1999 [Siebb.], S. 10. Humor: Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 215; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 383; Tschawa-Piliscsaba 1988 [H], S. 70. Tolerant und friedliebend: Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 198; Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 108; Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 215; Kikinda 1996 [SRB\Banat], S. 136. Aufgeschlossen für Fortschritt: Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 383; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26; Kikinda 1996 [SRB\Banat], S. 178. Drexlerhau 1980 [SK], S. 18: „arbeitssam, sparsam, aber trotzdem gastfreundlich, genügsam und anspruchslos“, „feierten und unterhielten sich gern“; S. 21: „Sie waren einem guten Tropfen, der oft heimlich gebrannt wurde, nicht abgeneigt.“



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notiertes wird in südosteuropadeutschen Werken als typisch genannt, wie Sparsamkeit bis zum Geiz.199 Mitunter behaupten Autoren sogar von den Landsleuten aus ihrem Heimatort, feierfreudig und leichtlebig oder stur und hitzköpfig zu sein, ja „zu Gewalt“ zu neigen.200 Dabei handelt es sich allerdings um ortsspezifische Autostereotype, wie überhaupt viele der in den Werken zu findenden Selbstcharakterisierungen sich vor allem auf den eigenen Herkunftsort beziehen.

6.3  Erinnerungsfiguren, Topoi und Diskurse: Tiefenbohrungen im Heimatbuch In der Überblicksdarstellung der Heimatbücher der einzelnen Vertriebenengruppen haben sich grundlegende Gemeinsamkeiten und auch deutliche Unterschiede, vor allem aber wichtige neuralgische Punkte der Erinnerungskonstruktion dieser Gruppen herausgeschält. Einige davon sollen im Folgenden genauer unter die Lupe genommen werden. Dazu gehören die Geschichtsbilder der Heimatbücher (Kapitel 6.3.1), die Darstellung von Zweitem Weltkrieg, Nationalsozialismus und Judenverfolgung (6.3.2) sowie nicht zuletzt der Vertreibung (6.3.3) und ihrer Deutung in der Nachkriegszeit (6.3.5). Die Darstellung von Nationalsozialismus, Holocaust, Zweitem Weltkrieg und Vertreibung befindet sich am Schnittpunkt von individueller Geschichtserfahrung und offizieller Geschichtsdarstellung. Zugleich fällt sie in den Bereich dessen, was noch vom kommunikativen Gedächtnis abgedeckt wird, was also Eltern und Großeltern, die der Zeitzeugengeneration angehören, an ihre Kinder und Enkel weitergeben über eine Zeit, die diese selbst nicht erlebt haben und nur aus Schulbüchern und TVDokumentationen kennen. Die Autoren der Erlebnisgeneration stehen somit vor der Aufgabe, in den Heimatbüchern auch Rechenschaft über ihre eigene Biographie und die ihrer Generation abzulegen, sowohl für ihre eigenen Nachkommen als auch gegenüber der Gesamtgesellschaft. Wie positionieren sie sich zum gesamtgesellschaftlichen Diskurs? Porträtieren sie sich als Täter oder Opfer des Geschehens, als Mitläufer oder Gegner des NS-Regimes? Was heben sie hervor, was lassen sie weg? In welchem Verhältnis steht ihre Darstellung zur Sichtweise der Gesamtgesellschaft? Gibt es nach einzelnen Landsmannschaften unterscheidbare Geschichtsbilder über die Zeit von 1933 bis 1945? Und wie wird schließlich die Vertreibung, die für die Identität der Vertriebenen als Gruppe konstituierend war, in den Heimatbüchern dargestellt, wenn 199 Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 228: „Sparsamkeit grenzte manchmal an Geiz“; Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. III, S. 53 „Sparsamkeit“; Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26 „Sparsamkeit“; Marpod 1999 [Siebb.], S. 10 „sparsam“; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 162 „Geiz“. 200 Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 383: „leichtlebig, fast verschwenderisch im Geldausgeben [...] unternehmungslustig und risikofreudig“; Marpod 1999 [Siebb.], S. 33: „Hitzköpfigkeit“, „rauher Menschenschlag, energiegeladen, stur und auch zu Gewalt [neigend]“; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 162: „[Das] Gemütsleben kam nur karg und hart zum Ausdruck [...]. Kräftiger und unbeherrscht fand nur die Gemütsregung des Zorns ihren [...] Wortausdruck [...].“

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nicht als Konsequenz des von NS-Deutschland begonnenen Zweiten Weltkriegs? Dabei konzentriert sich hier die Analyse der Darstellung von Zweitem Weltkrieg und Holocaust auf „reichs-“ und sudetendeutsche Heimatbücher, diejenigen der Südosteuropadeutschen und der Deutschen aus Polen wurden an anderer Stelle betrachtet.201

6.3.1  Geschichtsbilder Geschichte war in allen Jahrzehnten, in denen Heimatbücher geschrieben wurden, immer mit Abstand der umfangreichste Themenbereich. Im quantitativen Vergleich der Inhalte von 1910 bis zu den 2000er Jahren zeigt sich jedoch, daß nach der Vertreibung der Anteil historischer Themen merklich geringer wurde und im Schnitt von knapp 29 Prozent vor 1945 auf 22 Prozent nach 1945 sank.202 Nach dem Verlust der Heimat verlor so die Geschichte zwar nicht gänzlich an Bedeutung, aber das Gewicht verschob sich doch hin zu anderen, nun wichtiger werdenden Themenbereichen. Denn im Heimatbuch sollte die alte Heimat in ihrer Gesamtheit erfaßt werden, was die Historie miteinschloß, jedoch den Stellenwert anderer Themen stärkte.

Epochenkonjunkturen Im quantitativen Vergleich läßt sich auch feststellen, daß offenbar das kommunikative Gedächtnis für die Geschichtsdarstellung eine wichtige Rolle spielt. Überdies umfaßt es tatsächlich nur einen Zeitraum von 60 bis 80 Jahren, ganz wie die theoretische Literatur es beschreibt.203 Während die Heimatbücher der Zwischenkriegszeit und noch der 1950er Jahre das 19. Jahrhundert ausführlich abhandeln, sinkt dieser Anteil nach 1960, nach dem Verschwinden der Zeitzeugengeneration, signifikant. Ebenso interessant sind die Befunde zur Darstellung des Ersten Weltkriegs. Direkt nach Ende des Krieges und in den 1920ern ist er im Heimatbuch ein Nischenthema. Angeheizt durch die zeitgenössische Anti-Versailles-Propaganda steigt der Anteil in den 1930er Jahren deutlich, verliert aber nach 1945 vollkommen an Bedeutung. Nur ostpreußische Werke gehen noch näher auf den Ersten Weltkrieg ein, der sich in den Heimatbüchern als spezifischer Mythos der Region herausgestellt hat. Offenbar überlagerte die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs die Erinnerung an den Ersten so gründlich, daß dieser nach 1945, obwohl noch durch das kommunikative Gedächtnis der Erlebnisgeneration mitgetragen, die sich zudem im memoirenträchtigen Rentenalter befand,204 201 202 203 204

Kapitel 6.2. Berechnet anhand der Mittelwerte der Oberthemen in allen Werken der Quotenstichprobe. Assmann: Gedächtnis, S. 50f. Ebd., S. 51: „Die Hälfte des Grenzwertes [des kommunikativen Gedächtnisses] von 80 Jahren, nämlich 40 Jahre scheint eine kritische Schwelle zu bilden. [...] Nach 40 Jahren treten die Zeitzeugen, die ein bedeutsames Ereignis als Erwachsene erlebt haben, aus dem eher zukunftsbezogenen Berufsleben heraus und in das Alter ein, in dem die Erinnerung wächst und mit ihr der Wunsch nach Fixierung und Weitergabe.“



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in der Bedeutungslosigkeit versank. Auch bei der Darstellung weit zurückliegender Zeiten zeigt sich, daß das Interesse für historische Epochen deutlichen Schwankungen und Moden unterliegt. So wird der Frühen Neuzeit in den 1920er und 1930er Jahren in der Geschichtsdarstellung ein großer Stellenwert eingeräumt, den sie nach 1945 gänzlich einbüßt. Erst in den 1980ern steigt ihr Anteil im Zuge allgemein wachsenden Geschichtsinteresses wieder leicht. Ganz ähnlich ergeht es dem Mittelalter und der Ur- und Frühgeschichte, letztere in der Zwischenkriegszeit ein wichtiger Bestandteil der klassischen Heimatkunde. Nach 1945 entwickelt sich innerhalb der Geschichtsdarstellung vor allem die deutsche Besiedlung der Region zum nunmehr wichtigsten Thema der Heimatbücher aller Herkunftsregionen, das den Stellenwert eines Gründungs- oder fundierenden Mythos einnimmt. In den 1980er Jahren wird diese Gründungserzählung bei einigen Gruppen abgelöst durch die Darstellung der Vertreibung, die bis heute einen rasanten Aufstieg von einem Themenbereich unter vielen zum zentralen historischen Moment erfährt. Die Vertreibung, so die These, ersetzt ab diesem Zeitpunkt die „Besiedlungsgeschichte“ als fundierender Mythos dieser Vertriebenengemeinschaften. Die Anteile einzelner Epochen im Zeitverlauf sind an Abb. 22 ablesbar.205 

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Abb. 22  Geschichtsepochen im Heimatbuch

205 Auf der Grundlage der Quotenstichprobe (Kap. 2) der Heimatbücher aller Herkunftsgruppen. Der senkrechte weiße Balken steht für das Fehlen von Daten aus den 1940er Jahren, in denen (so gut wie) keine Heimatbücher erschienen. Die Anzahl ausgewerteter Werke sowie der Prozentsatz in diesem Jahrzehnt erschienener Werke, dem dies entspricht, ist Abb. 2 zu entnehmen. Der jeweilige Wert ist das arithmetische Mittel aller ausgewerteten Werke eines Jahrzehnts.

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„Besiedlungsgeschichte“ als fundierender Mythos Als fundierender Mythos, besonders nach 1945, erweist sich die Darstellung der „Besiedlungsgeschichte“ im Heimatbuch. In den frühesten Werken vor dem Ersten Weltkrieg ist sie zunächst noch fast irrelevant, wird danach jedoch rasch zum Standardrepertoire. Überproportional wichtig ist das Thema für Südosteuropadeutsche und Ostpreußen. Dabei identifizieren sich Autoren aller Herkunftsregionen mit den Siedlungspionieren, die sie nicht nur als ihre direkten Vorfahren, sondern auch als mentalitätsgeschichtlich prägend für die eigene Identität ansehen, da deren „ererbte“ Eigenschaften ihnen nach der Vertreibung bei der Lebensbewältigung halfen: „Der Pioniergeist den unsere Vorfahren bei der Kultivierung und Besiedlung vor 700 Jahren bewiesen haben, wurde nach 1946 wieder lebendig.“206

Auch in der Zwischenkriegszeit wurden die Siedler schon als Identifikationsangebot für die eigene zeitgenössische Situation genutzt, allerdings sind die positiv hervorgehobenen Eigenschaften, in diesem Fall in einem böhmischen Heimatbuch von 1918, etwas andere: „so ergibt sich uns aus den Umständen der Erstbesiedlung, [...] aus dem harten Druck einer schweren Vergangenheit und zumal aus dem langjährigen Gewissensdruck [...] immer wieder dasselbe Grundwesen [...]. Es sind Naturen, die festhalten, was sie haben, was ihnen zukommt, allen Widersachern zum Trotz, sollten sie sich auch noch mehr auf sich selbst zurückziehen müssen und auf ihr Haus, das ihnen eine letzte feste Burg ist. In kernhafter männlicher Art haben sie ihr Deutschtum durch die ärgsten Jahrhunderte hindurch gebracht und werden es auch weiter behaupten.“207

Während der Schwerpunkt hier zeitgemäß auf der beharrlichen „Verteidigung des Deutschtums“ lag, waren nach der Vertreibung vor allem Pioniergeist und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit die gefragten Eigenschaften, die man den Vorfahren und damit sich selbst zuschrieb.

Ostkolonisation und „Kulturüberlegenheit“ Es ist aufschlußreich, die Wandlung, aber auch Kontinuität der Darstellung des Themas über mehrere Generationen Heimatbücher hinweg, von vor dem Ersten Weltkrieg bis nach der Vertreibung, zu verfolgen. Schon in einem ostpreußischen Heimatbuch von 1912 finden sich Deutungen zur Geschichte der Ostkolonisation, die später nach der Vertreibung in den Heimatbüchern als Topoi wiederkehren. Andere Elemente unterscheiden sich hingegen wesentlich von dem, was später in Vertriebenenheimatbüchern Standarddeutung wurde: „In dem dreiundfünfzigjährigen Eroberungs- und Vernichtungskampfe [1230–1283] ist von der [slawischen und prußischen] Urbevölkerung nicht viel übrig geblieben. [...] Die Männer waren 206 Bodenstadt 1984 [SUD], S. 7. 207 Landskron 1918, S. 117f.



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im grausigen Kampfe gefallen, Weiber und Kinder in die Knechtschaft geführt. Wo noch vor kurzem ein harmloses Volk sich der friedlichen Beschäftigung des Ackerbaues hingab und zahlreiche Dörfer sowie stattliche Edelsitze von dem Wohlstand des Landes zeugten, da erwuchs ein wilder, wüster Wald, die sogenannte Wildnis. Das lag in der Absicht des [Deutschen] Ordens. Der Wald sollte eine natürliche Verteidigungsmauer gegen die sich mehrenden Einfälle der im Osten wohnenden Litauer bilden.“208

Die dargelegte Gewaltsamkeit der Ostkolonisation verkehrt sich nach 1945 in den Vertriebenenwerken geradezu in ihr Gegenteil: „Von den zwölf deutschen Gütern [auf Kreisgebiet] sind vier, von den 14 deutschen Dörfern 14 auf oder neben ehemals prussischen Siedlungen entstanden. Diese Tatsache könnte zu dem Schluß führen, daß der Deutsche Orden und die von ihm angesetzten deutschen Siedler die Prussen verdrängt, vertrieben oder gar ‚ausgerottet‘ hätten. Diese Behauptung spielt heute immer noch in der polnischen Propaganda eine große Rolle. Tatsächlich verhielt es sich aber ganz anders. Die Erschließung des Landes erforderte den Einsatz deutscher Bauern, denn nur diese waren in der Lage, Wälder zu roden, Sümpfe trockenzulegen und Ödland zu kultivieren. Dadurch, daß deutsche Bauern oft in größerer Zahl neben den meist sehr kleinen Dörfern angesiedelt wurden, erhielten diese allmählich ein deutsches Gepräge.“209

Aus grausamer Unterwerfung, wie sie die Autoren des Heimatbuchs von 1912 skizzieren, wird nach 1945 eine „sanfte“ und allmähliche Assimilierung. Hier hat eine wesentliche Modifikation eines für die Identität zentralen Teils der Geschichtsdarstellung stattgefunden. Die Bewertung der gewaltsamen Unterwerfung anderer Völker hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der umgebenden Gesamtgesellschaft der Bundesrepublik radikal geändert. Bemerkenswert ist auch, daß die Argumentation im Vertriebenenheimatbuch ausdrücklich eine Reaktion auf polnische Stimmen ist, daß also zu den Bezugsrahmen der eigenen Sicht auf Geschichte auch die polnische Seite gehörte. Die volkspolnische Geschichtsschreibung stellte unter dem Schlagwort „Drang nach Osten“ häufig den Deutschen Orden in eine Kontinuität mit den Deutschen der Kriegs- und Nachkriegsjahre, ebenso wie sich ihrerseits die Vertriebenen mit den Ordensrittern und den vom Orden ins Land geholten Siedlern identifizierten. Im Ergebnis waren „Eroberungs- und Vernichtungskriege“210 nach dem Zweiten Weltkrieg, der zum Inbegriff des Eroberungs- und Vernichtungskrieges wurde, zur Selbstidentifikation der Vertriebenen nicht mehr tauglich. Über die Jahrzehnte konstant und bis heute in den Heimatbüchern unverändert vertreten ist ein anderes Motiv, das im zitierten Textausschnitt des Vertriebenenheimatbuchs ebenfalls anklingt: die zunächst agrartechnische Überlegenheit der deutschen Siedler, die jedoch im Verein mit einer vermeintlichen kulturellen Überlegenheit ge-

208 Gumbinnen 1912, S. 139. 209 Rosenberg 1963 [OPR], S. 27f. 210 Der Begriff ist heute vor allem durch die Wehrmachtsausstellung weithin mit den Wehrmachtsverbrechen im Zweiten Weltkrieg verbunden, siehe den Katalog der ersten Ausstellung: Hannes Heer und Klaus Naumann (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944, Hamburg: Hamburger Edition 1995.

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sehen wird. Das genannte Heimatbuch der 1960er Jahre kommentiert heidnische Gebräuche der Prußen wie folgt: „Das alles [...] sind Unsitten, die als Ausfluß der primitiven Kulturstufe zu gelten haben, auf der das altpreußische Volk damals stand. Dem hat erst die Christianisierung ein Ende gemacht, die im Mittelalter [...] ein Erfordernis des kulturellen und zivilisatorischen Fortschritts war. Die Aufgabe aber, das Volk der Prussen in die abendländische Kulturgemeinschaft einzuordnen, fiel den Deutschen zu.“211

Ähnlich findet sich schon 1912 die Behauptung deutscher „Kulturüberlegenheit“ über die slawischen, litauischen und prußischen Ureinwohner, welche die Deutschen in einer Weise zur Entwicklung des Landes befähigt habe, zu der seine bisherigen Bewohner aufgrund ihrer Kultur und Mentalität nicht in der Lage gewesen seien: „Jedes Übel hat etwas Gutes in seinem Gefolge, und so sind die genannten Ereignisse [der Tatareneinfall 1656 und die Pestjahre 1709–1711], die besonders in Litauen das Land zur Einöde machten, schließlich zum Segen für unsere Heimat geworden. Sie rissen gewaltige Lücken in die geschlossene litauische Bevölkerung, die sich selbst überlebt hatte und nicht imstande war, eine höhere geistige Kultur mit ihrem Wesen und ihrer Eigenart zu verschmelzen. [...] Das große Sterben schuf Raum für Einwanderer, die besser als die Litauer geeignet waren, das Land auf eine höhere Kulturstufe emporzuheben.“212

Wiederum ist die positive Bewertung der Dezimierung der einheimischen Bevölkerung, sei es durch Kriege oder Seuchen, die das Heimatbuch von 1912 mit unverhohlen rassistischer Note vornimmt, nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr möglich. Auch in der Zwischenkriegszeit findet sich der Topos von der „deutschen Kulturüberlegenheit“, ja der deutschen „Kulturmission“ in Ostmitteleuropa in zahlreichen Werken,213 in den gegen den Versailler Vertrag agitierenden Brandstetter-Heimatbüchern sogar in einer Schärfe, deren völkische Agitation ein direkter Vorläufer der härtesten politischen Rhetorik der Vertriebenenverbände nach 1945 zu sein scheint.214 211 Rosenberg 1963 [OPR], S. 20. 212 Gumbinnen 1912, S. 139f. 213 Zum Beispiel Löwenberg 1925, S. 198f.: „Jahrhunderte kamen und gingen in slavischer Zeit, ohne dem Schlesierlande einen merklichen Kulturfortschritt zu bringen. [...] Der polnische Bauer fand keine Freude an einer Verbesserung des Ackerbaues; denn schwer lastete die Hand des Grundherren auf ihm, dem er leibeigen war. Was zum Leben notwendig war und was der gestrenge Grundherr von ihm forderte, das rang er dem Boden ab. Wozu sich aber unnötig plagen? – So blieb Schlesien ein armes Land. [...] Im Jahre 1202 kam Heinrich I., der Bärtige, zur Regierung. Obwohl Piastenblut in seinen Adern floß, kannte und schätzte er [...] deutsche Sitte und deutsches Wesen. Er sagte sich: Freie deutsche Bürger und Bauern sind viel wertvollere Untertanen als polnische Leibeigene und Hörige. [...] [Vierzig Jahre später waren] [d]as ehemalige Waldland und die sumpfigen Niederungen [...] durch deutschen Fleiß zu gesegneten Ackerfluren geworden.“ 214 Ostgebiete 1927, Vorwort, ungez. S. V: „Nur der Deutsche hat seine grenzenlose Liebe als nie ermüdende Arbeit in die Furchen der Ostlande gesenkt, daß überreiche Frucht daraus entsprang. Und jetzt – entrissen! [...] Entrissen und nun absinkend in die Kulturlosigkeit eines Volkstums, das weder säen noch wahrhaft ernten, sondern nur Raubbau treiben will. Es hat die große Liebe nicht wie wir. Aber [...] die Stunde kommt, da wieder deutsch wird, was deutsch war – und heute in Versklavung und Verslawung noch deutsch ist.“



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Nach der Vertreibung blieb die Erzählung von der „deutschen Kulturüberlegenheit“ und korrespondierend der „minderwertigen“ Kultur der Slawen unverändert Bestandteil des Themenkanons und begegnet dem Leser insbesondere in schlesischen Heimatbüchern: „Unsere [...] Heimat [...] war bis etwa um das Jahr 1000 wildes, unbewohntes Urwaldgebiet. Dann siedelten sich Polen hier an, die aber bei ihrer geringen Zahl und vor allem wegen ihrer Wesensart den Urwald nicht bewältigen konnten. [...] Bald erkannten die Polen die überlegene Wirtschafts- und Geisteskraft der Deutschen.“215 „Die Slawen stellten keine großen Ansprüche an das Leben und deshalb waren ihre Bedürfnisse nur gering.“ – „Die Piastenherzöge liebten den deutschen Fleiß und die deutsche Tüchtigkeit, und sie hatten den Wunsch, deutsche Bauern und Handwerker auch in ihrem Land anzusiedeln und aus ihnen Nutzen zu ziehen [...].“ – „Mit der Zeit gingen Deutsche und Slawen ineinander auf. Die slawische Sprache ging infolge der geringeren Zahl der Slawen und wohl auch infolge der überlegenen Kultur der Deutschen vollkommen verloren [...].“216

Es handelt sich hier ganz offensichtlich um eine enorm konstante, verschiedenste Zeitläufte überdauernde Formel, die ihren Ursprung in den nationalitätenpolitischen Diskursen des 19. Jahrhunderts hat.217 Auf ihre besondere Ausprägung bei den Sudetendeutschen wird später gesondert eingegangen.218 Auch der Ausgang des Zweiten Weltkriegs, dessen Eroberungs- und Vernichtungsfeldzüge im Namen der nämlichen „deutschen Überlegenheit“ geführt wurden, konnte an der hartnäckigen Weiterverwendung dieser Formel nichts ändern – anders als dies bei der Einschätzung der deutschen Ostkolonisation der Fall war. Während gewaltsame Eroberungskriege nach 1945 nicht mehr diskurstauglich waren, blieben deutsche „Kulturüberlegenheit“ und im Gegenzug slawische „Unterlegenheit“ salonfähig. In der Schilderung des sowjetischen Einmarschs 1945 schlug dies mitunter in blanken Rassismus um.219 Nach 1945 wurde dieser Topos im Gegenteil noch weiterentwickelt und nun auch auf die Vertreibung gemünzt: Das Land werde nach der Vertreibung der Deutschen wieder der „Urwald“, der es vor ihrer Ankunft gewesen sei.220 Wirtschaftliche Pro215 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 139. 216 Kroitsch 1973 [S-N/S], S. 14, S. 17, S. 21. 217 Jiří Kořalka: Der Mythos vom deutschen Feind, in: Walter Koschmal, Marek Nekula und Joachim Rogall (Hg.): Deutsche und Tschechen. Geschichte – Kultur – Politik. Mit einem Geleitwort von Václav Havel, München: Beck 2001, S. 506–511, hier S. 508f.: „[So w]ar im 19. Jahrhundert ein verbreitetes deutsches Stereotyp in Bezug auf andere, vor allem slawische Völker die Überzeugung von der Überlegenheit deutscher Kultur und Bildung. In den publizistischen Diskussionen nach 1830 wurde unter den deutschen Liberalen und Demokraten Slawentum oft mit Barbarentum gleichgesetzt [...]. Jeglicher wirtschaftliche und kulturelle Fortschritt in Böhmen und Mähren seit dem Mittelalter war angeblich ein rein deutsches Verdienst.“ 218 Kapitel 6.3.4. 219 Unter-Wisternitz 1967 [SUD], S. 93–96, Kapitel „Die russisch-asiatische Flut“, passim. 220 Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 82; Saatzig 1984 [OPOM], S. 11: „während gegenwärtig deutsches Land im Osten unter polnischer Verwaltung an mittelalterliche Zustände erinnert und mehr und mehr verfällt.“ Ähnlich Landeshut 1954 [S-N/S], S. 136. Klage über Land, das „verfallen gelassen“ wird, auch in Leitmeritz 1970 [SUD], S. 261; Luditz 1971 [SUD], S. 448; Reichenau 1976 [SUD], S. 197;

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bleme, die u.a. aus sozialistischer Planwirtschaft und der Kollektivierung der Landwirtschaft herrührten, wurden so, wie schon seit Generationen, auf einen vermeintlichen „slawischen Charakter“ zurückgeführt. Diese völkische Argumentation ist umso bemerkenswerter, als die Vertriebenen im Kalten Krieg fester Bestandteil der antikommunistischen Phalanx in der Bundesrepublik waren.221 Offenbar war das alte Stereotyp slawischer „Kultur- und Wirtschaftsunterlegenheit“ weit stärker und zugkräftiger als der vergleichsweise junge Antikommunismus. Die plausibelste Erklärung scheint jedoch, daß für die Zwecke der antikommunistischen Agitation, die nach 1945 zur Forderung des Tages wurde, die alten antislawischen Stereotypen auf hervorragende Weise geeignet schienen und nahtlos weiterverwendet werden konnten. Anders ist die Sicht auf die Besiedlungsgeschichte bei den Deutschen aus Polen und insbesondere bei den Südosteuropadeutschen. Sie sind zwar auch stolz auf ihre und ihrer Vorfahren Leistung bei der Kultivierung des Landes, und einige Autoren meinen auch, den Deutschen komme „mehr Kultur“ zu als anderen Ethnien, doch leiten sie daraus in ihren Heimatbüchern keinen Anspruch auf mehr oder ältere Rechte, auf Höher- und Minderwertigkeiten der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ab.222 Dagegen erhält die Ansiedlungsgeschichte bei den Südosteuropadeutschen noch stärker den Stellenwert einer Gründungserzählung der Gemeinschaft, den sie bei den „Reichs-“ und Sudetendeutschen nicht in diesem Maße hat, indem sie nach dem Muster „früher Siedler – heute Siedler“ den Neubeginn im Westen als „zweiten“ Neubeginn erleichtern hilft. Antislawische Stereotype sind in den untersuchten Heimatbüchern weder in südosteuropadeutschen noch in denen von Deutschen aus Polen zu finden. Der zentrale Topos von der „guten Nachbarschaft“ mit anderen Bevölkerungsgruppen scheint der Übernahme dieser in der Vertriebenenpublizistik der Bundesrepublik offensichtlich weitverbreiteten Stereotype entgegengewirkt zu haben.

6.3.2  Zweiter Weltkrieg, Nationalsozialismus und Holocaust im Heimatbuch Aus der Perspektive der Geschichtswissenschaft sind Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg für die Identität der Vertriebenen unter anderem deswegen zentral, weil sie die Ursache der zur Gruppenbildung führenden Erfahrung von Flucht und Vertreibung waren. Dies ist für die Verfasser der Vertriebenenheimatbücher jedoch keine selbstverständliche Erkenntnis.

Schluckenau 1977 [SUD], S. 61; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 385; Kreibitztal 1985 [SUD], S. 406f.; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 10; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 4; Niedergrund 1997 [SUD], S.  5; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 490f.; Altschallersdorf 1998 [SUD], S. 11. 221 Lotz: Deutung, S. 138, zum Geschichtsbild der Landsmannschaft Schlesien Anfang der 1960er Jahre: Nicht der Zweite Weltkrieg, sondern „kommunistischer Imperialismus“ sei schuld an der Vertreibung. 222 Dazu Kapitel 6.2.



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„Saubere Wehrmacht“ an der Front, die Heimat „wie im tiefsten Frieden“: der Zweite Weltkrieg Der Zweite Weltkrieg nimmt im weitaus größten Teil der „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbücher nur wenig Raum ein. Viele sparen ihn ganz aus oder flechten nur am Rande anderer Kapitel ein paar Sätze zu Kriegsereignissen im Ort ein. Oft klafft in der Chronologie der Geschichtserzählung eine auffällige Lücke zwischen dem Ende der 1920er Jahre und 1945. Sofern der Zweite Weltkrieg thematisiert wird, beginnt die Darstellung je nach Lage des Ortes fast immer erst Ende 1944/ Anfang 1945 mit dem Näherrücken der Front, als der Krieg von niemandem mehr ignoriert werden konnte. Gerade östlich von Oder und Neiße scheint er rückblickend erst gegen Ende ins Bewußtsein der Bevölkerung gerückt zu sein. Vor allem schlesische und ostpreußische Heimatbücher betonen, daß sie bis 1944/45 als „Luftschutzkeller Deutschlands“ „wie im tiefsten Frieden“223 gelebt hätten. Dabei sind die Autoren und Herausgeber bis auf seltene Ausnahmen durchweg Männer, die als Soldaten nicht umhin konnten, Kriegserfahrungen zu machen. Diese männliche Perspektive findet sich dann in der Darstellung des Kriegsendes, die von militärischem Jargon dominiert, oft aus Sicht der deutschen Wehrmacht oder des Volkssturms geschrieben und zum Teil mit Versatzstücken offizieller Wehrmachtsverlautbarungen garniert ist. So schildert ein ostpreußisches Heimatbuch: „Trotz heldenmütiger Verteidigung mußten unsere tapfer kämpfenden Truppen immer mehr heimatlichen Boden preisgeben“, gilt es doch, „de[n] Russe[n]“ aufzuhalten. Im Norden Ostpreußens „stand die Division Großdeutschland in hartem Kampfe“; es meldeten sich noch Freiwillige zum Gegenangriff „– ein hervorragender Beweis für die ungebrochene Kampfkraft und Kampfmoral jener braven Männer, die bis zum letzten Augenblick auch innerlich Soldaten geblieben waren.“224 Vom „heroische[n] Widerstand“225 spricht ein anderes Werk, und ein sudetendeutsches Heimatbuch druckt am Schluß der Schilderung des Kriegsendes den letzten Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) ab – ohne Anführungszeichen, ohne weitere Kommentierung: „Der deutsche Soldat hat, getreu seinem Eid, im besten Einsatz für sein Volk für immer Unvergeßliches geleistet. [...] Die Wehrmacht gedenkt in dieser schweren Stunde ihrer vor dem Feind gebliebenen Kameraden. Die Toten verpflichten zu bedingungsloser Treue, zu Gehorsam und Disziplin gegenüber dem aus zahllosen Wunden blutenden Vaterland.“226

223 Z.B. Treuburg 1971 [OPR], S. 140; Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 184; Linde 1993 [S-N/S], S. 157, 159. 224 Heiligenbeil 1975 [OPR], S. 646. 225 Klein Tajax 1999 [SUD], S. 78. 226 Mödritz 1.1966 [SUD], S. 454; vgl. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht: 1940–1945, geführt von Helmuth Greiner und Percy Ernst Schramm, im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung hg. von Percy Ernst Schramm, Sonderausgabe der Studienausgabe, Bonn o.J. (ca. 1990), Bd. 4, zweiter Halbbd., (Bd. 8 der Studienausg.): 1. Januar 1944 – 22. Mai 1945, zusgest. und erl. von P. E. Schramm, S. 1282.

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Tatsächlich scheint die Wehrmacht derjenige Teil des NS-Staates zu sein, auf den man am ehesten auch Jahrzehnte nach Kriegsende noch stolz sein konnte, dank der bundesdeutschen Legende von der „sauberen Wehrmacht“ und in voller Übereinstimmung mit der Gesamtgesellschaft.227 Gerade dieser letzte Bericht des OKW wird von Historikern heute als „Beginn der Legendenbildung“ um die „saubere Wehrmacht“ identifiziert.228 Die Dominanz militärischer Schilderungen läßt sich klar darauf zurückführen, daß kaum ein Heimatbuch unter Federführung weiblicher Autoren geschrieben wurde und hier eben das Erlebnis des Kriegsendes aus männlicher, d.h. Soldaten-Perspektive, dargestellt wird. Dabei dient dies auch als Exkulpationsstrategie, denn in Wirklichkeit waren es in den deutschen Ostgebieten vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen, die die harte Flucht im Winter auf sich nehmen mußten oder den Einmarsch der Roten Armee mit all seinen Schrecknissen erlebten. Wenn nun Männer die Geschichte von Flucht und Vertreibung schreiben, soll diese positive Darstellung des „Abwehrkampfes“ von Wehrmacht und Volkssturm rechtfertigen, was eigentlich die Männer taten, während ihre Familien so viel zu erleiden hatten. Denn, wie es Heinz Bude treffend formuliert hat, die Niederlage des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg war auch und vor allem eine „Entehrung und Entwertung des deutschen Mannes“.229

„So wie überall“: Nationalsozialismus im Heimatbuch Stärker noch als die Reduzierung des Zweiten Weltkrieges auf sein Ende fällt die in vielen Fällen völlige Ausblendung des Nationalsozialismus auf. Wird dieser innerhalb der lokalen Geschichte erwähnt, geschieht das häufig nach dem lakonischen Muster „nahm die NSDAP die politischen Geschicke der Gemeinde wie überall in die Hand“230 und im Folgenden zum Beispiel lediglich die Gleichschaltung und damit faktische Auflösung der Vereine beklagt.231 Wenige Heimatbücher äußern sich

227 Zur Legende von der „sauberen Wehrmacht“ Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt/M.: Fischer 2002, Teil V: Die Legende von der „sauberen“ Wehrmacht, S. 197–244, sowie ders., Detlef Bald und Johannes Klotz (Hg.): Mythos Wehrmacht. Nachkriegsdebatten und Traditionspflege, Berlin: Aufbau 2001. 228 Wette: Wehrmacht, S. 204f.: „Beginn der Legendenbildung: Dönitz’ letzter Wehrmachtsbericht“. Das „aus zahllosen Wunden blutende Vaterland“ scheint sich nach 1945 auch im deutschlandpolitischen Kontext einiger Beliebtheit erfreut zu haben. So begegnet es dem Leser im Vorwort von Schluckenau 1977 [SUD], S. 11: „wir Sudetendeutschen haben mit 1945 beginnend unsere Heimat verloren und doch das aus zahllosen tiefen Wunden blutende Vaterland gewonnen und mitgeholfen, es wieder aufzubauen und zu gestalten.“ 229 Heinz Bude: Bilanz der Nachfolge. Die Bundesrepublik und der Nationalsozialismus, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992, S. 67. 230 Waissak 1973 [S-O/S], 84f., der Satz geht weiter: „obwohl Waissak fast nur Zentrum wählte.“ Ganz ähnlich Falkenberg 1971 [S-O/S], S. 328: „Die folgenden Jahre [nach 1933] verliefen nicht anders als überall in Deutschland.“ 231 Z.B. Schluckenau 1977 [SUD], S. 56 oder Treuburg 1971 [OPR], S. 185.



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kritisch zum Nationalsozialismus, darunter überwiegend südosteuropadeutsche.232 Vorherrschend dagegen ist eine kommentarlos-naive Darstellung, die zum Beispiel litaneiartig alle NS-Organisationen im Ort und ihre Leiter aufzählt,233 freudig über die Erfolge der örtlichen „Hitlerjungen, BDM Mädchen und [...] Jungvolk“ beim HJ-Kreissportfest berichtet234 oder die HJ auf „Geländespiele“ in der „landschaftlich schönen Umgebung“ reduziert.235 Der Nationalsozialismus kommt von außen, als ein Ereignis, an dem man selbst nicht aktiv beteiligt war: Man sei „den Lockungen eines Rattenfängers erlegen“,236 eine „kleine Clique“ trage die Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen,237 oder nicht Hitler, sondern der Versailler Vertrag habe letztlich den Zweiten Weltkrieg bewirkt.238 Nicht selten bezeichnen die Heimatbuchautoren als eigentlichen „Fehler“ der Hitler’schen Kriegspolitik allein den Einmarsch in die Sowjetunion.239 Zumal sudetendeutsche Werke übernehmen gerne kritiklos nationalsozialistisches Vokabular und geben unkommentiert Teile aus zeitgenössischen NS-Ortschroniken wieder.240 So werden in „reichs-“ und sudetendeutschen Werken als „Zwangsarbeiter“ durchweg nur deutsche Zwangsarbeiter nach Kriegsende bezeichnet, NS-Zwangsarbeiter dagegen mit zeitgenössischen Euphemismen tituliert.241 Stets wird betont, wie gut es diesen „durch die Arbeitsämter angeworben[en]“ „Ostarbeiter[n]“242 im Ort 232 Der Nationalsozialismus fehlt in über 90 Prozent der analysierten „reichsdeutschen“ Heimatbücher völlig oder wird nur ganz beiläufig erwähnt. Auch die untersuchten Werke von Deutschen aus Polen enthalten wenig zum Thema, äußern sich jedoch häufiger NS-kritisch. Bei den Sudetendeutschen liegt der Fall etwas anders, weil die fast immer dargestellte Annexion der Sudetengebiete 1938 zumindest eine Bemerkung zum Nationalsozialismus nötig macht. Dennoch geht nur ein Werk (Kreibitztal 1985 [SUD], S. 127) explizit darauf ein, in den anderen werden ein oder zwei knappe Sätze dazu geäußert, ohne Reflexion. 233 Treuburg 1971 [OPR], S. 127–133. 234 Niedergrund 1997 [SUD], S. 82. 235 Reichenau 1976 [SUD], S. 179; Linde 1993 [S-N/S], S. 156: „die schönen Gemeinschaftsspiele [...] und dazu die vielen Lieder. Drum auch freuen wir uns auf unseren ‚Dienst‘.“ Ahnlich Altgersdorf 2003 [S-N/S], S. 247. 236 Bunzlau 1964.2 [S-N/S], S. 7. 237 Küstrin 1952/55 [OPOM], S. 105; Karwen 1990 [OPOM], S. 381: „Nur die Hoffnung auf Arbeit und Brot und der Wunsch nach Ruhe und Ordnung hatte die Nationalsozialisten an die Macht gebracht. Das Dritte Reich begann mit der Herrschaft eines Einzelnen.“ Sadoles 1999 [PL], H. V, S. 18: „Der ganze Krieg mit seiner mörderischen Begleiterscheinung geht auf das Konto des Verbrechers Adolf Hitler [...].“ 238 Rosenberg 1963 [OPR], S. 5; Landeshut 1954 [S-N/S], S. 111; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 264. 239 Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 52; Unter-Tannowitz 1966.2 [SUD], S. 58; Kroitsch 1973 [S-N/S], S. 70f.; Dittersdorf 1994 [SUD], S. 359, hier mit Bezug auf die Kriegserklärung an die USA. 240 Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 361f.: „Die ganze sudetendeutsche Heimat steht in diesen Tagen [1938] unter dem gewaltigen Eindrucke des Zusammenschlusses aller deutschen Volkskräfte. Sie hat sich in [sic] der Führung Konrad Henleins in allen Belangen vorbehaltslos unterstellt. Diesen Zusammenschluß haben die Sudetendeutschen den fünfjährigen Bemühungen des Führers [d.i. Hitler] zu verdanken.“ Ähnlich Altgersdorf 2003 [S-N/S], S. 169, 235. 241 Luditz 1971 [SUD], S. 158; Schluckenau 1977 [SUD], S. 57; Treuburg 1971 [OPR], S. 139. 242 Bodenstadt 1984 [SUD], S. 96.

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ergangen sei. KZ-Insassen werden „KZler“ genannt und nur erwähnt, weil sie, auf Todesmärschen ins Altreich kurz vor Kriegsende oder später von der Roten Armee befreit, in den Orten sichtbar wurden.243 Bei den Sudetendeutschen entwickelt sich die Darstellung des NS-Regimes noch spezifischer. Nach einer gewissen Karenzzeit tauchen dort Deutungen und Sichtweisen der Zwischenkriegs- und NS-Zeit auf, die bis dato in den Werken der Deutschen aus dieser Region nicht auszumachen waren.244 So bezeichnen die untersuchten sudetendeutschen Heimatbücher ab Mitte der 1950er Jahre die Annexion der Sudetengebiete 1938 als „Befreiung“ und schildern den „Jubel“ der Bevölkerung beim Einmarsch der Wehrmacht. Kein Werk stellt einen Bezug zwischen diesem Ereignis und der Zerschlagung der Tschechoslowakischen Republik her, geschweige denn zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Das Gefühl der „Befreiung“, die sie dem „Reich“ zu verdanken meinten, scheint den eigentlichen Charakter des Nationalsozialismus zu überdecken: „Beim Anschluß des Sudetenlandes an das Reich 1938 wanderten [...] die meisten Tschechen und die wenigen Juden ab. Auch Sozialdemokraten und Kommunisten gingen zum Teil über Prag ins Exil.“

So beginnt ein Werk die Schilderung der Zeit nach dem Münchner Abkommen und geht sogleich kommentarlos zu den „Erfolgen“ über: „Nach dem Anschluß [...] setzte [...] eine rege Bautätigkeit ein, die Arbeitslosigkeit wurde beseitigt. Die Verkehrsdichte nahm zu, Industrie, Handel und Gewerbe blühten auf.“245

Dabei ist einigen Autoren durchaus bewußt, daß diese positive Einschätzung des Münchner Abkommens, die die Sudetendeutschen – ab Mitte der 1950er Jahre und bis heute – in ihren Heimatbüchern vertreten, von der Gesellschaft der Bundesrepublik gemeinhin nicht geteilt wurde und wird, ja daß die Erinnerung daran, wie man den einmarschierenden Nationalsozialisten zugejubelt hat, problematisch sein könnte. Daher finden sich in den Werken Argumentationsstrategien, die die Sudetendeutschen von einer Assoziation mit dem Nationalsozialismus oder gar der Verantwortung für die Zerschlagung der Ersten ČSR loslösen sollen. So wird argumentiert, man habe kaum etwas über den Charakter des Nationalsozialismus wissen können, da man die Vorgänge im Reich nicht kannte,246 daß man für jede deutsche Regierung gestimmt 243 Luditz 1971 [SUD], S. 225f.: „Beim Durchzug von zwei Zügen Gefangener aus Konzentrationslagern wurden 38 Tote im Gemeindegebiet zurückgelassen. [...] Die ersten sowjetischen Soldaten [...] bewaffneten die Ostarbeiter und KZler.“ Landeshut 1954 [S-N/S], S. 129: „Die ausgehungerten KZ-ler drangen in die benachbarten Straßen ein, um erst einmal ihren Hunger zu stillen und um ihre gestreifte Lagerkleidung loszuwerden.“ 244 Dazu ausführlicher Kapitel 6.3.4. 245 Schluckenau 1977 [SUD], S. 55. 246 Troppau 1950 [SUD], S. 12; Guldenfurth 1966 [SUD], S. 112; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 94; paradigmatisch Altschallersdorf 1998 [SUD], S. 86: „Den Nationalsozialismus als Ideologie mit seinem Totalitätsanspruch bzw. mit seinen Auswüchsen kannte niemand von uns; dies wurde für uns erst viel später offenbar.“



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hätte, die die Deutschen aus dem Bund mit Tschechen und Slowaken „befreite“,247 oder daß der politische und wirtschaftliche Druck auf die Deutschen in der Ersten ČSR so stark gewesen sei, daß es keine Alternative gegeben habe – wie der Aufschwung nach 1938 auch bewiesen habe.248

Abb. 23  Einmarsch der Wehrmacht in Braunau

Man möchte ein aus Sicht der eigenen Gruppe retrospektiv positiv besetztes Ereignis – die Annexion der Sudetengebiete – im Kanon der Erinnerung verankern, muß es zu diesem Zweck aber von seiner eindeutigen Verbindung mit dem gesamtgesellschaftlich als singuläre Katastrophe europäischer Geschichte kodierten Nationalsozialismus separieren. Bildlich läßt sich dieses Verfahren an einem Foto illustrieren, das den feierlichen Einmarsch der Wehrmacht in der böhmischen Kleinstadt Braunau 1938 zeigt (Abb. 23249). Darauf fallen zunächst große weiße Kreise auf den die Häuser schmückenden Fahnen auf. Schließlich erkennt der Betrachter, daß auf dem Foto schlicht die Hakenkreuze auf den Fahnen herausretuschiert wurden – zurück blieb der sprichwörtliche weiße Fleck im Gedächtnis. Die selektive Konstruktion der Erinnerung nimmt hier tatsächlich den Charakter einer aktiven Retusche an.

247 Guldenfurth 1966 [SUD], S. 97, 112. 248 Unter-Tannowitz 1966.2 [SUD], S. 58. 249 Braunauer Land 1984.3 [SUD], S. 199.

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„Ohne nennenswerte Schäden“: Judenverfolgung und Holocaust Angesichts der zeitgenössisch nur abstrakten, entpersonalisierten öffentlichen Thematisierung von Judenverfolgung und Holocaust250 ist in den frühen Nachkriegswerken die weitgehende Absenz dieser Themen nicht verwunderlich. Bemerkenswert ist jedoch, daß die Shoah trotzdem schon in den ersten Heimatbüchern nach 1945 als Subtext präsent ist. So berichtet die Ortschronik im Heimatbuch des böhmischen Buchau (1950): „1939 Haben die Geschwister Paul und Martha Kohn ihr Haus Nr. 9 für 19 200 Mark an die Stadt verkauft. Hat die Stadtgemeinde das Haus Nr. 48 vom Viehhändler Bernhart auf Grund freiwilliger Vereinbarung für 7560 Mark zur vorgesehenen Vergrößerung der Bürgerschule gekauft.“251

Die genannten Hausverkäufer fehlen in der Einwohnerliste mit Stand vom Mai 1945. Der Zeitpunkt und der jüdische Name verweisen auf den eigentlichen Hintergrund der so banal anmutenden Immobilientransaktionen. Tatsächlich starben sowohl die Buchauer Geschwister Kohn als auch der Viehhändler Willy Bernard [sic] in Auschwitz.252 Ob dies den Heimatbuchautoren bekannt war, mag bezweifelt werden, aber die Erwähnung der betont „freiwilligen“ Arisierung zeigt, daß man sich der Hintergründe sehr wohl bewußt war. Jedoch wird die Information so verschlüsselt, daß sie nur der Einheimische – im Städtchen Buchau wußte vermutlich jeder der 1.700 Einwohner, daß dies Juden waren und weshalb sie ihre prominent am Marktplatz gelegenen Häuser verkaufen mußten – oder ein Historiker mit Mitteln historischer Recherche dechiffrieren kann. Schon bald nach Kriegsende begegnet dem Leser auch der Vergleich von Maßnahmen gegen Deutsche nach 1945 mit antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes. In diesem Fall sollte man nicht unterschätzen, daß die teils gewollte Parallelität der Maßnahmen diese Assoziation oft mit sich brachte. Sie findet sich daher auch überwiegend in sudetendeutschen Werken: 250 Robert G. Moeller: War Stories. The Search for a Usable Past in the Federal Republic of Germany, Berkeley: University of California Press 2001, S. 34, zur Atmosphäre der frühen 1950er und der Debatte um Entschädigungen für Israel 1953: „the victims of National Socialism remained ghosts lacking faces, families, names, identities, or a powerful political presence. Represented by others, they spoke for themselves only seldom. German victims, in contrast, lived, breathed, organized, demanded recognition, and delivered speeches from the floor of parliament. What Germany had inflicted on others remained abstract and remote; what Germans had suffered was described in vivid detail and granted a place of prominence in the public sphere.“ 251 Buchau 1950 [SUD], S. 128. 252 Yad Vashem: Central Database of Shoah Victims’ Names, . Gedenkblatt für Willy Bernard, , für Marta Kohn, , für Paul Kohn, (15.06.2007).



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„Auch in Troppau galten für die Behandlung der Deutschen außerhalb der Lager folgende Grundsätze [...]: [...] an Lebensmitteln nur ‚Judenrationen‘, Tragen des ‚NS‘ mit einem Durchmesser von 15cm, Verbot des Betretens der Bürgersteige [...].“253

„Judenrationen“, „Judensterne“ und „Judenlager“ nach 1945 für Deutsche erwähnen auch spätere Werke,254 ohne daß die Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus anderswo im Werk angesprochen würde. Ein oberschlesisches Heimatbuch zitiert Gerüchte direkt nach Kriegsende: „Einige Wochen vor der Ausweisung wurden große Plakate [...] auf die Tore geklebt. Darauf stand, daß die Deutschen sich auf die Ausweisung vorbereiten sollen. Man war sehr bestürzt. Wilde Gerüchte gingen hin und her, u.a., daß man eventuell in die Gaskammern nach Auschwitz kommen werde. Es würde den Aussiedlern so ergehen wie den Juden.“255

Im ganzen Werk ist sonst mit keinem Wort die Rede von Juden, geschweige denn deren Schicksal im „Dritten Reich“. Nichtsdestotrotz reichte offenbar schon kurz nach Kriegsende die Chiffre „Auschwitz“, damit jeder ohne nähere Erläuterung wußte, was gemeint war. Diese unterschwellige Präsenz der Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden setzt sich in späteren Heimatbüchern fort, so in einem sudetendeutschen Werk von 1967: „Gleich Ahasverus, dem Ewigen Juden, sollten wir nach dem Willen unserer Austreiber qualvoll und unstet durch ferne Lande ziehend, elend zugrunde gehen [...].“256

Der Holocaust nimmt dabei mehr und mehr die Funktion einer Schablone an, in die allein die eigenen Leiden erzählend eingepaßt werden. Das Phänomen, daß die Vertriebenen den Holocaust, den sie unerwähnt lassen, als Referenzrahmen der Beschreibung des eigenen Schicksals nutzen, hat Robert G. Moeller in den Zeitzeugenberichten der „Dokumentation der Vertreibung“ ebenso und in ganz ähnlichen Wendungen beobachtet.257 Juden, so Moeller, und gleiches läßt sich für die Heimatbücher sagen, kommen in den Zeitzeugenberichten in der Regel nur als Offiziere der Roten Armee, als befreite plündernde Lagerinsassen oder als Schwarzmarkthändler nach Kriegsende

253 Troppau 1950 [SUD], S. 29. Zur intendierten Parallelität der Maßnahmen Moeller: War Stories, S. 78f. 254 Bei sudetendeutschen Werken in Kreibitztal 1985 [SUD], S. 387 und Altschallersdorf 1998 [SUD], S. 91. Kreibitztal 1985 [SUD] spricht auch von „Pogromstimmung gegen die Deutschen“ (S. 386) und „tschechische[n] KZ“ (S. 388). Ein Erlebnisbericht in Oberaltstadt 1997 [SUD] schildert S. 443, daß die ortsansässigen Deutschen im Juli 1945 „in das Judenlager“ gebracht worden seien. Bezeichnenderweise betont der Herausgeber im Folgenden (ebd., S. 444), dies sei „ein Konzentrations- und Vernichtungslager“ gewesen, meint jedoch ausdrücklich nur die dortige Internierung von Deutschen nach Kriegsende. 255 Waissak 1973 [S-O/S], S. 90. 256 Unter-Wisternitz 1967 [SUD], S. 192. Zu diesem Erzählstoff Otto Schnitzler: Ewiger Jude, in: Rolf W. Brednich und Hermann Bausinger (Hg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Geschichtsforschung, begr. von Kurt Ranke. Bd. 4, Göttingen: de Gruyter 1994, Sp. 577–588. 257 Moeller: War Stories, Kapitel „Just as you have treated the Jews”, S. 74–82.

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vor.258 Und doch ist der Holocaust im Hintergrund immer anwesend, denn er dient der Einordnung der Erzählungen vom Schicksal und Leiden der Vertriebenen in den etablierten Opferdiskurs der Bundesrepublik: „Yet even when not explicitly mentioned in German testimonies, Jews were an absent presence, providing the language with which Germans could describe their own experiences. If the campaigns of the Red Army and western Allies to ,reeducate‘ Germany by confronting them with graphic evidence of the crimes of National Socialism did not convince expellees of their ,collective guilt‘, they did provide them with a set of categories for evaluating and measuring their own collective experience as innocent victims.“259

Auf der eigentlichen Darstellungsebene ist und bleibt der Holocaust in fast allen Heimatbüchern bis heute eine bemerkenswerte Leerstelle. Selbst wenn Verfolgungsmaßnahmen gegen Juden erwähnt werden, bleiben sie so seltsam unkonkret, als sei die explizite Behandlung der Shoah im Heimatbuch ein Tabu. Es ist zum Beispiel die Rede davon, daß Juden „den gelben Stern tragen“ mußten, „in Lagern interniert“ wurden und „weiteren Verfolgungen ausgeliefert“ waren – doch die Art der Verfolgungen bleibt ungenannt.260 Das Heimatbuch, auf dessen Gebiet Theresienstadt liegt, bemüht sich um eine positive Darstellung des „Sammellager[s]“. Der knappe Bericht über das spätere Schicksal der Insassen spricht zwar von „Vernichtungslager“ und „Gaskammern“; es interessiert aber vor allem die dortige Internierung von Deutschen nach 1945. Einzige Erwähnung der Befreiung von Theresienstadt ist eine antisemitisch gefärbte Bemerkung, daß die Insassen sich sogleich als Plünderer betätigt hätten.261 Gerade in sudetendeutschen Werken wird dabei die Verfolgung der Juden im „Reichsgau Sudetenland“ oft mit derselben Lakonie geschildert wie die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten: „Nach Eingliederung der deutschen Gemeinden [ins ‚Reich‘ 1938] [...] war Luditz ein wichtiger Grenzbezirk geworden. An der Grenze waren Zollbeamte stationiert. Die Mitglieder der Sudetendeutschen Partei wurden automatisch in die NSDAP übernommen. Luditz wurde Sitz sämtlicher Organisationen der Partei, die meist in den von den Juden verlassenen Häusern untergebracht wurden.“ – „Am 9.11.[1938] wurde das Inventar des Lubenzer Judentempels verbrannt. Das Gebäude erwarb die Gemeinde von der Treuhandstelle zu Wohnzwecken.“262 258 Ebd., S. 76. Zum Beispiel Saatzig 1984 [OPOM], S. 407: „Der Kommissar war ein Jude und er benahm sich sehr anständig, aber ich war deutscher Offizier gewesen und ein ‚großer Hitler‘.“ Preußisch Holland 1978 [OPR], S. 419: „Den nächsten Tag wurden wir [...] von einer vorbeiziehenden Horde, einem jüdischen Major und einigen Russen, heimgesucht.“ Ähnlich Rößel 1991.3 [OPR], S. 448. 259 Moeller: War Stories, S. 80. 260 Luditz 1971 [SUD], S. 77. 261 Leitmeritz 1970 [SUD], S. 78; 280f.: „Den Touristen [...] wird der ‚Nationalfriedhof‘ gezeigt, auf dem Personen ruhen, die ‚im Kampf gegen den Faschismus...‘ den Tod gefunden haben. Aber niemand sagt ihnen, was für scheußliche Grausamkeiten nach dem Kriege in Theresienstadt durch die Tschechen an Deutschen begangen wurden. [...] [Nach Kriegsende] wurde das Getto [sic] in Theresienstadt [...] geöffnet und alle Insassen freigelassen. Sie strömten zu Hunderten in die Stadt, und viele beteiligten sich, gemeinsam mit Russen und Tschechen, an Plünderungen und Gewalttaten gegen Deutsche. Unter ihnen waren auch Frauen, die den Männern an Rohheit und Gemeinheit nicht nachstanden, aber doch mehr darauf ausgingen, alles mitzunehmen, was ihnen gefiel.“ 262 Luditz 1971 [SUD], S. 446, ohne weitere Kommentierung, und S. 565 zum Ort Lubenz.



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Ab den späten 1960er Jahren merkt man einigen Werken an, daß sie sich angesichts des veränderten Stellenwerts des Holocausts in der öffentlichen Wahrnehmung bemühten, dem Thema Rechnung zu tragen. Jedoch sorgt die gemiedene und ungeklärte Frage eigener Verantwortlichkeit dafür, daß dabei Exkulpationsstrategien stets dominieren. So liest man in „reichsdeutschen“ Heimatbüchern, die Pogromnacht 1938 sei vor Ort „ohne nennenswerte Schäden“263 verlaufen oder Synagogen „nachweislich von Auswärtigen in Brand gesetzt“264 worden. Da die ortsansässigen Juden rechtzeitig hätten „abwandern“ können, seien „kaum Verluste zu beklagen“265, respektive sei es „mangels amtlichen statistischen Materials“ „leider nicht möglich“266, etwas über ihr weiteres Schicksal zu sagen. „Die Propaganda der Partei arbeitete so geschickt“, so ein pommersches Werk 1967, daß niemand gegen die Verfolgung der Juden protestiert habe, und im Griff von „Hitlers Gewaltnetz“ habe „kein Deutscher etwas zu ändern“ vermocht.267 Bei den Sudetendeutschen erhält dies wiederum eine besondere Wendung. Sofern jüngere Werke die Geschichte der Juden vor Ort gesondert darstellen, kommen dabei die auch in „reichsdeutschen“ Werken beobachteten Phänomene zum Tragen: Der Antisemitismus sei „von außen“ gekommen, Einheimische hätten sich nicht beteiligt, es „konnte niemand ahnen“, was den Juden bevorstand. Doch noch stärker wird hier offenbar, daß man im Grunde das Schicksal der Juden nur als Folie für das eigene Leiden nutzte, während eine Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Geschehen des Holocaust ausblieb. Passend zu unreflektiert wiedergegebenen NS-Ortschroniken finden sich dann auch ähnlich unreflektierte antisemitische Stereotype: „Die beinahe erreichten Monopolstellungen der Juden im Hopfenhandel, Häute- und Lederhandel, in der Lederfabrikation, im Schuhhandel, vielfach auch im Bekleidungsgewerbe und die große finanzielle Leistungsfähigkeit der Juden erregten immer wieder den Neid der Umwelt. Dazu kam die nach der Gleichstellung auch bei bestem Willen zur Angleichung immer noch spürbare Absonderung und eine latent bleibende Fremdheit in der Umgebung. [...] Bis etwa 1936/37 hatten die Juden in der Leitmeritzer Landschaft nicht über eine Benachteiligung wegen ihrer Religion oder Rasse zu klagen. [...] Erst als der politische Einfluß von jenseits der Grenzen stärker wurde, fanden allmählich antisemitische Parolen Gehör, ohne zu überzeugen. Aber es kam auf seiten [sic] der einheimischen Bevölkerung doch nie zu Exzessen gegen ihre jüdischen Mitbürger.“268

263 264 265 266 267 268

Rößel 1991.3 [OPR] [unverä. Neuaufl.; zuerst 1977], S. 211f. Lyck 1981 [OPR], S. 437. Beides Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 72. Beides Lyck 1981 [OPR], S. 437. Beides Lauenburg 1967 [OPOM], S. 150f. Leitmeritz 1970 [SUD], S. 77f. Ähnlich argumentiert Wolframitz 1982 [SUD], S. 288 im Kapitel „Die Juden“, diese „beherrschten in hohem Maße das übergeordnete Geschäftsleben [...]. Die Juden waren immer äußerst tüchtige Geschäftsleute und Händler. Sie übertrafen in dieser Eigenschaft alle Nichtjuden.“ Es folgen antisemitische Schilderungen eines ‚schachernden‘ Getreidehändlers. Das spätere Schicksal der Juden wird wiederum mit keiner Silbe erwähnt. Doch dem Autor war offenbar bewußt, daß die gesamtgesellschaftliche Haltung schon eine andere war, ebd.: „Niemand der diese Zeit nicht selbst erlebt hat, kann sich heute darüber ein Urteil bilden.“ Übrigens nennt das Werk in den langen Listen von Handel- und Gewerbetreibenden keinen einzigen dieser angeblich so marktbeherrschenden Juden (z.B. 225f.).

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„Nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland begann die Auswanderungswelle unserer jüdischen Mitbürger [...]. [Im Oktober 1938] wurden von den 1.500 Juden in den Bezirken Auspitz und Nikolsburg über 30 Personen [...] inhaftiert und nach Znaim gebracht. Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, welch entsetzlichem Schicksal diese Bedauernswerten entgegengehen, obwohl diese Aktion nicht von Nikolsburgern ausging, geschweige denn durchgeführt wurde. [...] Als einige Nikolsburger Juden nach dem Krieg wieder nach Nikolsburg kamen [...] wurden sie von den Tschechen als Deutsche und somit rechtlos behandelt [...]. Sie teilen also auch in dieser Beziehung unser Schicksal und haben, genauso wie wir, ihre Heimat verloren.“269

Die Sudetendeutschen, deren Heimatbücher zeitgenössisch noch bis weit nach der Machtübernahme im „Reich“ ganz selbstverständlich Kapitel über lokale jüdische Gemeinden enthielten,270 haben sich auf diese Weise erfolgreich der Erinnerung an ihre jüdischen Nachbarn entledigt und nutzen den Holocaust allein zur eigenen Positionierung im bundesdeutschen Opferdiskurs. Bei der rückblickenden Rekonstruktion ihrer Gruppengeschichte machte die Kontinuität völkischer Traditionen auf der Führungsebene der sudetendeutschen Organisationen und damit auch die Entscheidung für eine positive Deutung des Münchner Abkommens 1938 ganz offenbar eine adäquate Darstellbarkeit der Verbrechen und Würdigung der Opfer der NS-Herrschaft unmöglich.271 Man perpetuierte so gleichermaßen den „Ausschluß aus der Volksgemeinschaft“, den die Nationalsozialisten geschaffen hatten.

Fortgesetzter „Ausschluß aus der Volksgemeinschaft“ Der Ausschluß aus der Gemeinschaft, die noch in der Zwischenkriegszeit Bestand hatte, fand auf verschiedenen Ebenen statt. So betraf er auch jüdische Autoren, die in der Zwischenkriegszeit als Teil des lokalen Bildungsbürgertums an der Erstellung von Heimatbüchern mitgewirkt hatten. Viktor Hamburger, der nach seiner Emigration

269 Nikolsburg 1987 [SUD], S. 94. Das Werk enthält ein Kapitel „Geschichte der Juden“ von Ignaz Grünn, S. 88–93, dazu S. 93–95 einen Nachtrag des Buchherausgebers Reiner Elsinger, dem die zitierte Passage entstammt. Die Nikolsburger Gemeinde, die bereits im Spätmittelalter nachweisbar ist, über zwölf Synagogen verfügte und berühmte Rabbiner hervorbrachte, war das Zentrum jüdischen Lebens in Mähren, vgl. zeitgenössisch Bruno Maurice Trapp: Geschichte der Juden in Nikolsburg, in: Hugo Gold (Hg.): Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Sammelwerk, Brünn: Jüdischer Buch- und Kunstverlag 1929, S. 417–443; Alfred. Engel (Hg.): ‫ ספר זכרון לפתיחת המוזיאון היהודי בק"ק נ"ש‬Památník židovského ústředního musea pro. Moravsko-Slezsko. Gedenkbuch [(zur Eröffnung) des jüdischen Zentralmuseums für Mähren-Schlesien] im Auftrage des Kuratoriums, Mikulov-Nikolsburg: Nikolsburger Judengemeinde 1936; Zur Gründung des „Jüdischen Zentralmuseums für Mähren-Schlesien“ in Nikolsburg Jan Björn Potthast: Das jüdische Zentralmuseum der SS in Prag. Gegnerforschung und Völkermord im Nationalsozialismus, Frankfurt/M.: Campus 2002, S. 216–237. Zur Geschichte der Nikolsburger Gemeinde Dana Veselská und Stanislava Vrbková: Židé v Mikulově [Die Juden in Nikolsburg], Mikulov: Regionální muzeum v Mikulově 2004. 270 Kapitel 6.3.4. 271 Zur Kontinuität völkischer Traditionen bei sudetendeutschen Organisationen Weger: „Volkstumskampf“.



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als Neurobiologe in den USA Karriere machte,272 steuerte 1929 zum Heimatbuch des schlesischen Landeshut einen umfangreichen Beitrag zur Geologie und Erdgeschichte bei. Dieser ist im Vertriebenenheimatbuch von Landeshut 1954 erneut abgedruckt, aber jeglicher Hinweis auf das Schicksal des Autors, der 1929 auch die Einleitung verfaßt hatte, fehlt. Der jüdische Autor wurde aus der Gemeinschaft und ihrer Erinnerung getilgt, obwohl 1929 wie 1954 derselbe Herausgeber verantwortlich zeichnete. Der Beitrag von Hamburgers Freund Walther Arndt, Kustos am Zoologischen Institut der Berliner Universität und 1944 von den Nationalsozialisten wegen antinazistischer Äußerungen hingerichtet,273 wurde 1954 erst gar nicht mehr ins Heimatbuch aufgenommen. An diesem Beispiel zeigt sich erneut, wie stark die Heimatbücher die Gemeinschaft der Gegenwart der Abfassungszeit und ihre Bedürfnisse widerspiegeln: 1929 waren Hamburger und Arndt angesehene Beiträger zum Heimatbuch ihrer Vaterstadt, und der Herausgeber dankte ihnen überschwenglich für ihren Einsatz.274 Dann mußte Hamburger nach 1933 Deutschland verlassen, verschwand aus dem Blickfeld und gehörte damit, ebenso wie später der hingerichtete NS-Gegner Arndt, nicht mehr zur Gemeinschaft. Daran hat sich bis 1954 nichts geändert. Die Mechanismen von Inklusion und Exklusion greifen ganz analog zur allgemeinen bundesdeutschen Wirklichkeit der 1950er Jahre, in der Emigranten und Widerstandskämpfer eben nicht mehr Teil der deutschen Gesamtgesellschaft waren. Insofern bewegt sich das Heimatbuch der Stadt Landeshut 1954 vollkommen im Diskurs der Zeit, in dem Juden, Nationalsozialismus und Holocaust nur als abstrakte, schemenhafte Größe vorkamen. Allerdings ist angesichts der persönlichen Bekanntschaft des Herausgebers schon bemerkenswert, wie gründlich die ehemaligen Koautoren vergessen wurden. 1954 stand vor allem in Texten eben dieses Herausgebers die harte ideologische Linie der Vertriebenenverbände im Mittelpunkt.275 So ist das Werk ein Musterbeispiel für zahlreiche der bereits beschriebenen Topoi, ob nun von „minderwertigen Slawen“ die Rede ist, die das Land nicht wert seien,276 Volkstumskampf-Parolen und Revisionismus im Gewand

272 Die Washington University St. Louis, Missouri, an der Hamburger seit 1935 lehrte, hat eine Ausstellung zu Leben und Werk eingerichtet, online verfügbar: Washington University Biology Library: Viktor Hamburger Virtual Exhibit, (30.11.2007). Dort ist u.a. das Heimatbuch von 1929 zu sehen. Hamburger, ein Pionier der Neuroembryologie, starb am 12. Juni 2001 im Alter von 100 Jahren in St. Louis, MO. Auch zwei kurze Beiträge von Max Hamburger, Viktors Vater, in den 1920er Jahren Stadtrat in Landeshut, sind im Heimatbuch von 1954 wiederabgedruckt (Landeshut 1954 [S-N/S], S. 70–72 über Peter Hasenclever, S. 99–100 über die Industrie). Zu ihm sind keine biographischen Daten ermittelbar. Viktors Ehefrau Martha zeichnete die geologische Karte, die dem Heimatbuch 1929 beilag. Der Fall des vergessenen jüdischen Autors zeigt, wie schwierig es ist, herauszufinden, was in Heimatbüchern nicht gesagt wird. 273 Neue Deutsche Biographie, Bd. 1: Aachen – Behaim, S. 362f., hier fälschlich Walter (!) Arndt. 274 Landeshut 1929, S. III. 275 Herausgeber Ernst Kunick war Gründer und 1932–1945 Leiter des Regionalmuseums Landeshut, Jan Lubieniecki: Zarys dziejów miasta od XIII wieku do 1946 roku [Abriß der Stadtgeschichte vom 13. Jahrhundert bis 1946], (16.02.2008). Weitere Daten zu Kunick waren leider nicht ermittelbar. 276 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 136, 139f.

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von NS-Lebensraum-Theoremen propagiert werden,277 die Polen für die Vertreibung verantwortlich gemacht werden,278 der Aufstieg Hitlers dem Versailler Vertrag angelastet wird279 oder die Shoah lediglich als Vergleichsbasis für eigenes Leid vorkommt280. Und wenn man mit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in solchem Ausmaß in der Geschichte der Menschheit nie vorgekommen sind“281 argumentiert, und damit das Vertreibungsgeschehen und nicht den Holocaust meint, ist wohl in der Tat das Andenken an von Hitlerdeutschland Verfolgte und Ermordete ausgeschlossen.

Blick nach nebenan: NS-Geschichte im bundesdeutschen Heimatbuch Studien zur Darstellung von Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg in „regulären“ bundesdeutschen Heimatbüchern nach 1945 haben ganz ähnliche Ausblendungsstrategien festgestellt, Gustav Schöck an württembergischen, Wilfried Setzler an schwäbischen und Peter Bierl bei Heimatbüchern des bayerischen Landkreises Fürstenfeldbruck.282 Vor allem der zum Teil fast gleiche Wortlaut zeigt, daß es sich hier um klare zeitgenössische Topoi des Sprechens oder eben beredten Verschweigens der NS-Zeit in der Bundesrepublik handelt. Der Zweite Weltkrieg wird auch in den bundesdeutschen Heimatbüchern erst Ende 1944 relevant, in der Ortschronologie „klafft eine Lücke ab 1933“, oder die NS-Zeit wird lapidar in ein bis zwei Sätzen abgehandelt: „Von der Partei und ihren Aktivitäten spürte man nur wenig.“ Der Nationalsozialismus sei von außerhalb gekommen, im Ort selbst habe es gar keine „richtigen“ NS-Anhänger gegeben, und wenn, seien „Zugezogene“ für Untaten verantwortlich. Dafür loben die Autoren gern und häufig den Autobahnbau, den Wirtschaftsaufschwung und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, und schuld am Zweiten Weltkrieg sei in Wahrheit das „Versailler Diktat“. Juden vor. . 277 Ebd., S. 138: „Der Wall im Osten ist gebrochen. Weites deutsches Land ist von den Völkern des Ostens überflutet worden.“ S. 192: „Unser heutiger Lebensraum, die Bundesrepublik, ist mit Menschen weit überlastet. Jede politische und wirtschaftliche Erschütterung [...] kann unser ganzes Volk auslöschen. Klagen wir nicht; versuchen wir, unsere Brüder hier zu überzeugen, daß es auf die Dauer nur eine Rettung gibt, die Rückgewinnung des deutschen Ostens [...].“ 278 Ebd., S. 140: „Polnische Maßlosigkeit führte nun 1945 dazu, daß die Polen [...] gegen Recht und Gerechtigkeit Schlesien und damit auch unsere engere Heimat an sich rissen.“ 279 Ebd., S. 111. 280 Ebd., S. 163–170 sind unter „Berühmte Zeitgenossen“ auch jüdische Fabrikanten verzeichnet. Die Arisierung ihrer Betriebe wird verurteilt, zu ihrem späteren Schicksal jedoch nur bemerkt, daß die Nationalsozialisten sie vertrieben aus „ihrer Heimat hinaus in Not und Elend. Ein Jahrzehnt später aber traf uns alle [...] das gleiche Schicksal.“ 281 Ebd., S. 131. 282 Schöck: Heimatbuch; Wilfried Setzler: Die NS-Zeit im Heimatbuch – ein weißer Fleck?; in: Beer: Heimatbuch, S. 203–220; Peter Bierl: Die NS-Zeit im Heimatbuch. Die (Nicht-)Aufarbeitung der NS-Zeit in der Lokalhistorie am Beispiel des Landkreises Fürstenfeldbruck, in: Amperland 42 (2006), S. 257–261.



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Ort habe es selbst vor 1933 kaum gegeben: „Das Judenproblem stellte sich in Bruck nicht.“ NS-Opfer bleiben namenlos, ihr Schicksal undeutlich und nur nach Hörensagen berichtet. Juden, Zwangsarbeiter und Verfolgte werden eigentlich nur als unerträgliche „plündernde“ „Ostarbeiter“ und „KZler“ bei Kriegsende erwähnt.283 In Bezug auf diese Themen sind die Heimatbücher der Vertriebenen insofern ganz deutlich Teil eines gesamtgesellschaftlichen Diskurses in der Bundesrepublik, wie er sich auch in Geschichtsdarstellungen lokaler bundesdeutscher Laienhistoriographie spiegelt. In den südwestdeutschen Heimatbüchern, die Setzlers Studie zugrundeliegen, zeigt sich erst in den 1990er Jahren ein Wandel hin zu einer detaillierteren Darstellung und kritischen Betrachtung der lokalen Verhältnisse im „Dritten Reich“, so wie auch zur Würdigung der Opfer. Ganz ähnlich findet Peter Bierl Beispiele für differenziertere Darstellungen der NS-Zeit ausschließlich in den 1990er Jahren. Eine ähnliche Aussage läßt sich für die Heimatbücher der Vertriebenen jedoch nicht treffen: Ein Wandel der Geschichtsdarstellung in Bezug auf den Nationalsozialismus findet dort zu keinem Zeitpunkt statt. Während die Auseinandersetzung mit dem „Dritten Reich“ im Vergleich zur gesamtgesellschaftlichen Debatte erst zeitverzögert in den von Setzler und Bierl untersuchten bundesdeutschen Werken anlangt, ignorieren die Vertriebenenheimatbücher – mit Ausnahme von Ansätzen in südosteuropadeutschen Werken – diese Debatte gänzlich und bis heute.

Vergleiche, Superlative, Relativierungen: Positionierung im Opferdiskurs Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden fungierte auf die dargestellte Weise in den meisten Heimatbüchern lediglich als Referenzrahmen zur Etablierung der Vertriebenen im Reigen der Opfer des 20. Jahrhunderts. Die Anlehnung an die diskursive Darstellung des Holocausts sollte die Vertriebenen in einer imaginären Opferhierarchie gewissermaßen mit den ermordeten Juden auf eine Stufe heben. Daneben nahm die Einschreibung in den Opferdiskurs auch Formen an, die die Vertreibung im Vergleich mit anderen Verbrechen im Kontext des Zweiten Weltkriegs als das alles überragende historische Ereignis positionieren und somit faktisch die Vertriebenen in der Opferhierarchie noch über den Juden plazieren sollte. Zu diesem Zweck wird in den Heimatbüchern die Vertreibung als singulär grausames, alle historischen Atrozitäten übertreffendes superlativisches Ereignis bezeichnet. Solche Aussagen finden sich in älteren schlesischen und ostpreußischen Heimatbüchern ab 1950 und bis in die 1970er Jahre: „Dieses himmelschreiende Unrecht ist einmalig in der Weltgeschichte [...].“– „Es geschahen nun in Schlesien Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie sie in solchem Ausmaß in der Geschichte der Menschheit nie vorgekommen sind.“ – „Es ist einmalig in der Weltgeschichte, daß man Menschen aus ihrer Heimat vertrieb, in der sie jahrhundertelang gewirkt und geschafft ha-

283 Alle Zitate des Absatzes aus: Bierl: Die NS-Zeit, S. 258f.

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ben.“ – „Was sich hier abgespielt hat, ist auch ‚einmalig‘ und bisher durch nichts übertroffen worden.“284

Der ähnliche Wortlaut – „himmelschreiendes Unrecht“, „einmalig in der Weltgeschichte“ – läßt auf eine gemeinsame Quelle wohl in der Vertriebenenpublizistik schließen. Zudem weist die paradoxe Wendung „auch ‚einmalig‘“ (Hervorhebung meine) in aller Deutlichkeit auf den Vergleichsgegenstand hin, dessen Singularität so in Frage gestellt werden sollte. Als „himmelschreiendes Unrecht“ wurde die Vertreibung der Deutschen schon 1946 öffentlich gebrandmarkt,285 das „unerhörteste und grausamste Verbrechen in der Weltgeschichte“ nannten sie die Redner bei der ersten Delegiertenkonferenz der Landsmannschaft Schlesien 1952.286 Als „einmalig in der Weltgeschichte“ wird die Vertreibung der Deutschen auch heute noch sowohl von bayerischen Ministern als auch vom rechtsradikalen Spektrum bezeichnet.287 In sudetendeutschen Heimatbüchern finden sich solche Formeln in zunehmender Dichte in den letzten zwanzig Jahren. Dies gipfelt darin, daß das einzig feststellbare Vorkommen des Begriffs in sämtlichen untersuchten Heimatbüchern die Titulierung der Vertreibung der Sudetendeutschen als „Holocaust“ ist.288 Als direktere Variante der Singularitätsbeschwörung finden sich explizite Aufrechnungen zwischen den Verbrechen der Deutschen und der „Vertreiberstaaten“, mit dem erklärten Ziel, deutsche Kriegsverbrechen zu relativieren: „Wer von Verbrechen an der Menschheit redet, soll nicht an dem Tun der Polen achtlos vorbeisehen.“ – „Jenseits der Oder geschah Furchtbareres, als es uns vorgeworfen wird.“ – „Was mögen sonst noch für schreckliche Geschichten über angebliche deutsche Untaten verbreitet worden seien, um die nach dem Kriege an zehntausenden unschuldigen Deutschen begangenen Grausamkeiten zu entschuldigen oder davon abzulenken.“ – „Während im Zuge einer einseitigen Umerziehung nach dem Kriege jedes Verbrechen, das Deutsche begingen, immer wieder und oft

284 In der Reihenfolge der Zitate: Leobschütz 1950 [S-O/S], S. 12; Landeshut 1954 [S-N/S], S. 131; Treuburg 1971 [OPR], S. 177; Heiligenbeil 1975 [OPR], S. 667. 285 So zitierte Alfred Seidl, Verteidiger von Rudolf Hess und Hans Frank, im Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß eine Stellungnahme der Bischöfe der Kölner und Paderborner Kirchenprovinz vom März 1946 zu den „himmelschreienden Vorgängen“ der Vertreibung der Deutschen, o.A.: Einhundertsechsundsiebzigster Tag. Donnerstag, 11. Juli 1946, in: Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, Nürnberg: Internationaler Militärgerichtshof 1947, S. 23117. 286 Lotz: Deutung, S. 62. 287 So die bayerische Sozialministerin 2006 beim „Tag der Heimat“ in Regensburg: „Sozialministerin Stewens: Vertreibung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ächten – Für Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin“, (30.04.2008); ebenso Rolf-Josef Eibicht, Witikone und Publizist des rechtsextremen Spektrums; ders.: Ostdeutschland und Sudetenland: Schicksal und Leistung der deutschen Heimatvertriebenen von 1945 bis 2000, (30.04.2008). 288 Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 547: „Wir [...] Sudetendeutschen haben 1945/46 einen höllischen ‚Holocaust‘ erlebt und durchleben müssen ...!“



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in übertriebener Form in der ganzen Welt bekannt gemacht wurde, nimmt die gleiche Weltöffentlichkeit diese tschechischen Greuel kaum zur Kenntnis.“289

Während die geschilderten Vergleiche, Relativierungen und Superlative nach Ende der 1970er Jahre aus schlesischen und ostpreußischen Heimatbüchern weitgehend verschwanden – und in Werken anderer Landsmannschaften generell selten vorkommen –, intensivierte sich die Anlehnung an den Referenzrahmen der Shoah bei den Sudetendeutschen nach 1985 massiv. Dies geschah zeitgleich mit der andernorts genauer analysierten Verschärfung der Sicht auf die deutsch-tschechischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit290 und ebenso zeitgleich mit einer Neuorientierung bundesdeutscher Erinnerungs- und Geschichtspolitik. Nach der vielbeachteten Rede Richard von Weizsäckers zum 40. Jahrestag des Kriegsendes im Mai 1985, die Aleida Assmann als Beginn einer neuen Phase deutscher Erinnerungskultur verortet,291 und dem Historikerstreit 1986/87 hatte die Bundesrepublik den Holocaust in immer stärkerer Form als elementaren Bestandteil des eigenen kulturellen Gedächtnisses akzeptiert und mit entsprechenden offiziellen Ritualen institutionalisiert. Der Geschichtspolitik am rechten Rand der Vertriebenenverbände, die ihre Klientel weiterhin auf der Opferseite unterbringen wollten, und insbesondere jener der Sudetendeutschen Landsmannschaft mußte diese Neujustierung der bundesdeutschen Erinnerungskultur diametral entgegenlaufen. Die Verstärkung und Frequenzsteigerung der rhetorischen Versuche, die Vertriebenen fest im Opferdiskurs zu etablieren, sind als Reaktion auf diese Entwicklung zu verstehen.

6.3.3  Die Vertreibung im Heimatbuch Die Schilderung der eigentlichen Vertreibung fällt interessanterweise in fast allen Heimatbüchern recht knapp aus – daß in einem Buch von 800 Seiten dem Zweiten Weltkrieg, der Besetzung durch die Rote Armee und der Vertreibung acht Seiten eingeräumt werden, ist durchweg repräsentativ. Zum einen wurden Augenzeugen- bzw. Erlebnisberichte zur Vertreibung in eigenen Publikationen wie der großen „Dokumentation der Vertreibung“ sowie in unzähligen Einzelpublikationen als eigenem Genre der Vertriebenenliteratur gewürdigt. Zum anderen ist offensichtlich, daß zwar die Vertreibung als Faktum sich als Subtext durch alle Heimatbücher zieht und zum Beispiel der Begriff durchgängig auftaucht, jedoch der Zweck der Werke, nämlich das Leben vor der Vertreibung in seiner ganzen Bandbreite zu dokumentieren und damit auch zu rechtfertigen, nicht von dessen Ende her überlagert und somit entwertet werden soll. 289 In der Reihenfolge der Zitate: Landeshut 1954 [S-N/S], S. 134; Heiligenbeil 1975 [OPR], S. 667; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 93 (der Autor bezweifelt die Aussage, in seinem Heimatort habe es Konzentrationslager und dort Hinrichtungen gegeben) und S. 97. 290 Dazu Kapitel 6.3.4. 291 Aleida Assmann und Ute Frevert: Geschichtsvergessenheit Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart: DVA 1999, S. 144–147.

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Das Erlebnis der Vertreibung war etwas, das den Betroffenen ohne eigene Einflußmöglichkeit widerfuhr. In Darstellung und Reflexion entsteht – so die Hypothese – aus der Passivität heraus das Bedürfnis, dieses Ereignis in ein stringentes Geschichtsbild einzuordnen. Wie wird Vertreibung innerhalb der Heimatbücher erklärt? Gibt es Akteure der Geschichte, die man als Urheber für das Ereignis verantwortlich machen kann, das man selbst als passiv Erleidender erfahren mußte? Der Konnex zwischen Zweitem Weltkrieg und Vertreibung wird – bei „Reichs-“ und Sudetendeutschen – in den wenigsten Heimatbüchern hergestellt. Tatsächlich wird die Vertreibung meist, vor allem in „reichsdeutschen“ Heimatbüchern, in den Bereich des Schicksalhaften oder auch einer Naturkatastrophe gerückt. Für Kriegsende und Vertreibung beherrschen Begriffe wie „Schicksal“, „Unheil“, „Katastrophe“ das Bild, daneben findet sich auch religiöse Metaphorik wie „Apokalypse“, „Passion“ oder „Kreuzweg“, vor allem in ostpreußischen Werken.292 Verantwortung wird, wenn überhaupt, in „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbüchern den „Mächtigen“ zugeschrieben, was meist die Alliierten meint: „Was uns Oberschlesiern [...], durch Beschlüsse der Mächtigen, widerfahren ist [...].“ – „Wofür [...] Generation um Generation gelitten und geblutet hatte, das wurde innerhalb weniger Jahre um fragwürdiger Ideen willen von einigen wenigen aberwitzigen Männern vertan, denen sich bald die ‚Großen Vier‘, die sich in maßloser Überheblichkeit die ‚Weisen der Welt‘ nannten, zugesellten.“293

Einige Heimatbücher, die sich auch sonst durch eher scharfe Rhetorik auszeichnen, machen die Staaten, zu deren Territorium ihre Heimat nach dem Krieg wurde, ohne Hinweis auf den vorangegangenen Zweiten Weltkrieg für die Vertreibung ursächlich verantwortlich.294 Diese Argumentationsstrategie ist ganz offenbar Teil eines ganzen Komplexes rhetorischer Topoi des Kalten Krieges und schwindet nach Ende desselben auch in den Heimatbüchern merklich. Allein bei den Sudetendeutschen wird sie auch darüber hinaus aufrechterhalten und ab Mitte der 1960er Jahre die Vertreibung generell als Endpunkt einer negativen deutsch-tschechischen Entwicklung angesehen,

292 Treuburg 1971 [OPR], S. 422 „Apokalypse“; Bunzlau 1964.2 [S-N/S], S. 7 und Heiligenbeil 1975 [OPR], S. 650 „Schicksal“; Rosenberg 1963 [OPR], S. 5 „Katastrophe“, S. 129 „Kreuzweg“ und „Passion“; Landeshut 1954 [S-N/S], S. 128 „Katastrophenjahre 1945/46“; Leitmeritz 1970 [SUD], S. 279 und Sanktmartin 1981 [RO\Banat], S. 243 jeweils „Schicksalsjahr“ 1944/45; Falkenburg 1963 [OPOM], S. 48 „Schicksalsschlag“; Meseritz 2.1974 [OBR], S. 41 „Unheil“. Zur religiösen Metaphorik auch Melendy: In Search of Heimat, S. 129–131. Lehmann: Im Fremden, S. 188: „Vielen der Erklärungsversuche der ersten Nachkriegszeit war gemeinsam, daß das Geschehene gerade nicht als Folge menschlichen Versagens, sondern als ‚Schicksal‘ gedeutet wurde. Von höheren Mächten bewirkt.“ 293 In der Reihenfolge der Zitate: Ratibor 1.1980 [S-O/S], S. 7; Rosenberg 1963 [OPR], S. 129 – im zweiten Zitat ist wohl Frankreich als der Vierte im Bunde gemeint, die Allierten des Potsdamer Abkommens werden gemeinhin die „Großen Drei“ genannt (USA, Großbritannien, Sowjetunion). Die einzige derartige Äußerung in einem südosteuropadeutschen Werk in Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], T. III, S. 47: „Die Hauptschuldigen waren eine kleine Clique westlicher Politiker.“ 294 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 140.



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für deren fatales Ende allein „die Tschechen“ verantwortlich seien.295 So kommt es bei den Sudetendeutschen zu dem denkwürdigen Phänomen, daß quasi in Umkehrung heutiger Begrifflichkeit der Einmarsch der Wehrmacht in den Sudetengebieten 1938 als „Befreiung“ und das Kriegsende 1945 als „Zusammenbruch“ oder „Umsturz“ bezeichnet werden.296 Die einzige kausale Verbindung der Vertreibung mit dem Handeln des NS-Regimes ist in „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbüchern die schon zitierte Ansicht, Hitler habe seine Gebietsansprüche mit dem Angriff auf die Sowjetunion zu weit getrieben, was im Grunde genommen eine nachträgliche Zustimmung zu den Großmachtplänen des Nationalsozialismus ist: „Obwohl Hitler einst geschrieben hatte, daß ein Zweifrontenkrieg tödlich sei, so führte er ihn doch. [...] Sein hemmungsloses Machtbewußtsein führte zum Verlust des Krieges und der Zerreißung Deutschlands, und damit auch zum Verluste unserer schlesischen Heimat.“297

Die Verantwortung für die Vertreibung wird also in der Regel entpersonalisiert den „Zeitumständen“ oder dem „Schicksal“ und ähnlichen unbeeinflußbaren Mächten gegeben, ganz so wie schon die „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ (1950) nur vom „Leid, welches im besonderen das letzte Jahrzehnt über die Menschheit gebracht hat“, sprach, so als ob der Kalender allein Verantwortung trage.298 Sofern Verantwortung personalisiert wird, verweisen die Autoren pauschal auf die „anderen“ Kriegsparteien, also die Alliierten, die in den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz die Vertreibung festlegten. Eine Auseinandersetzung mit der deutschen Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen, zu denen die Vertreibung der Deutschen zählt, findet einzig in Heimatbüchern von Deutschen aus Südosteuropa und aus Polen statt. Bei den Südosteuropadeutschen wird vor allem die Kollaboration der eigenen Führungsschicht mit dem Nationalsozialismus für den Bruch der jahrhundertealten Koexistenz mit andersnationalen Nachbarn verantwortlich gemacht.299 Dabei werden auch Ansichten der eigenen Gruppe einer kritischen Revision unterzogen – eine bemerkenswerte Fähigkeit zur Selbstkritik, die man in „reichs-“ und sudetendeutschen Werken vergebens sucht:

295 Mödritz 1.1966 [SUD], S. 456: „Es war dies keine plötzliche Reaktion auf vorher geschehenes [sic], keine Explosion aufgespeicherter Volkswut [...]; was zu unserer rechtswidrigen Vertreibung führte, war die kaltblütige und systematisch geplante Erfüllung eines jahrzehntelang vorbereiteten Planes, bei der ersten Gelegenheit, die sich dazu bot.“ Leitmeritz 1970 [SUD], S. 31: „Eine deutsche Besiedlungsleistung [...] fand nun mit einem Schlage ein Ende, als 1945 [...] fanatische Deutschenhasser die Macht an sich rissen und die deutsche Bevölkerung aus Hab und Gut vertrieben.“ Ähnlich Dittersdorf 1994 [SUD], S. 364; Luditz 1971 [SUD], S. 157; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 3, 261 u.ö. 296 Luditz 1971 [SUD], S. 888 „Umsturz“; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 216 „Zusammenbruch“, S. 168 „Befreiung“; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 84 „Befreiung“, S. 97 „Zusammenbruch“; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 397 „Befreiung“, S. 405 „Umsturz“. 297 Kroitsch 1973 [S-N/S], S. 71. 298 Melendy: In Search of Heimat, S. 127f., vgl. Charta der deutschen Heimatvertriebenen, Bonn: Bundesministerium für Vertriebene 1950. 299 Kapitel 6.2.

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„Die allermeisten Heimatbücher [...] haben dieses Thema entweder garnicht [sic] oder zumeist lückenhaft und einseitig behandelt. Man hat sich z.B. bemüht, über Prinz Eugen zu schreiben. Prinz Eugen aber steht in keinem Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und dessen entscheidenden Auswirkungen auf unseren Zusammenbruch als Volksgruppe im Südosten Europas. Wohl aber hat der Nationalsozialismus seinen Beitrag zum geschichtlichen Niedergang unserer Existenz geleistet. Das ist eine unbestreitbare Tatsache, die kein Historiker zu widerlegen vermag. Wer sich mit Geschichte befaßt, muß auch den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen, die seiner Überzeugung nicht entsprechen. Überzeugung und objektiver Tatbestand sind eben zweierlei Begriffe.“300

Die Deutschen aus Polen führen ihre Vertreibung auf die Gewaltexzesse des NS-Besatzungsregimes in Polen zurück, die zu Racheaktionen und Fanatismus auf polnischer Seite geführt hätten.301 Das Heimatbuch des großpolnischen Wongrowitz weist auf die NS-Zwangsumsiedlungen im besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs als Vorläufer der späteren Vertreibung der Deutschen hin: „Die ‚Umsiedlung‘ eines Teils der polnischen Bevölkerung aus unserem Kreis, ihrer angestammten Heimat, nach Kongreßpolen, die der Menschlichkeit wie dem Recht Hohn sprachen, hat später zusammen mit den anderen bekannten Vorgängen aus der Kriegszeit dann der Gegenseite die Begründung für die Vertreibung aller Deutschen aus dem Osten geliefert.“302

Wie in vielen anderen Aspekten und den in den Heimatbüchern vertretenen Topoi und Geschichtsbildern zeigt sich auch hier ein wesentlicher Unterschied zwischen „reichs-“ und sudetendeutschen Werken auf der einen Seite und denen „volksdeutscher“ Landsmannschaften auf der anderen, wobei sich in letzteren die Verdrängungsund Entschuldungsstrategien der Vertriebenenverbände in weiten Teilen eben nicht oder nur ansatzweise niederschlugen. Wie man an ihren Heimatbüchern sehen kann, waren und sind die Südosteuropadeutschen und die Deutschen aus Polen insgesamt in weit geringerem Maße Teil des politisierten Verbandsdiskurses oder haben innerhalb dessen einen eigenen Diskurs entwickelt, der in großen Teilen frei von der politischen Rhetorik der Vertriebenenverbände und den von ihnen propagierten Geschichtsbildern ist. Wie jedoch die Etablierung, Verdichtung und lückenlose Durchsetzung von Verbandsdiskursen funktionierte, wie Diskurse von den Verbänden „gemacht“ und bei ihren Mitgliedern fest verankert wurden, läßt sich auf sehr eindrückliche Weise am Beispiel der sudetendeutschen Heimatbücher zeigen. 300 Bukin 1974 [SRB\Batschka], S. 207. Die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“, verantwortlich für viele Kriegsverbrechen im Partisanenkrieg in Jugoslawien, hatte zahlreiche Südosteuropadeutsche in ihren Reihen, teils freiwillig, teils zwangsverpflichtet. Mit ihrem Namensgeber Eugen Franz von Savoyen-Carignan (1663–1736) hatte sie herzlich wenig zu tun. Dazu Thomas Casagrande: Die volksdeutsche SS-Division „Prinz Eugen“. Die Banater Schwaben und die nationalsozialistischen Kriegsverbrechen, Frankfurt/M.: Campus 2003, sowie Paul Milata: Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu. Rumäniendeutsche in der Waffen-SS, Köln u.a.: Böhlau 2007 (Studia Transylvanica; 34). 301 Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 118; Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 61. 302 Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen], S. 61.



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6.3.4  Wie der Diskurs gehärtet wurde: Sudetendeutsches „historical engineering“ Kein Thema ist neben der Vertreibung für die Sudetendeutschen so zentral wie die Nationalitätenbeziehungen in der Ersten ČSR. Und an keinem anderen Thema lassen sich in der Haltung ihrer Heimatbücher so deutliche Wandlungsprozesse und Kanonisierungen feststellen. In klar unterscheidbaren Phasen gibt es jeweils einen Konsens der Werke zu den Beziehungen zwischen Deutschen und Tschechen in der Ersten ČSR und der Haltung dieses Staates gegenüber seinen deutschen Bürgern. Hieran zeigt sich, daß die betreffenden Gruppen geschlossen genug waren, um einen bestimmten Diskurs bei ihren Mitgliedern durchzusetzen, aber auch, wie sich kanonische Positionen veränderten. Dies gilt für die Zwischenkriegszeit selbst, in der die Einschätzung der deutsch-tschechischen Beziehungen in den Heimatbüchern eine völlig andere war als später in der Bundesrepublik, aber auch für die ersten Nachkriegsjahre, in denen interessanterweise vieles von dem, was später in sudetendeutschen Heimatbüchern kanonisch wurde, noch nicht nachweisbar ist. Zentrale Elemente des sudetendeutschen Geschichtsbildes haben sich erst nach 1950 bis auf die Ebene der Heimatbücher durchsetzen können, dann allerdings so nachhaltig, daß sie bis heute kaum abgeschwächt und im Laufe der Jahrzehnte nur stetig radikalisiert wurden. Volker Zimmermann weist darauf hin, daß in Bezug auf sudetendeutsche Geschichtsbilder Positionen aus der Zwischenkriegszeit nach 1945 weitergeführt oder wieder aufgegriffen worden seien, zum Teil in personeller Kontinuität der politischen Akteure innerhalb der Sudetendeutschen Bewegung respektive späteren Sudetendeutschen Landsmannschaft.303 Tobias Weger hat in seiner Studie zu sudetendeutschen Organisationen des ersten Nachkriegsjahrzehnts weiterhin festgestellt, daß sich der völkische Diskurs, der im deutschen Spektrum der ČSR der Zwischenkriegszeit nur eine Facette unter vielen war, nach 1945 innerhalb der landsmannschaftlichen Organisationen auf breiter Front durchsetzte.304 Zumindest für die Heimatbücher muß man jedoch festhalten, daß die von beiden Autoren zitierten Elemente des sudetendeutschen Geschichtsbildes in den Heimatbüchern überhaupt erst nach 1955 in den in der Bundesrepublik erschienenen Vertriebenenwerken auftauchen, man also keinesfalls von einer bruchlosen Kontinuität sprechen kann. In der Zwischenkriegszeit waren diese Sichtweisen offenbar noch kein Konsens der Deutschen in der Ersten ČSR, sie 303 Zimmermann: Geschichtsbilder, S. 918: „Einige Elemente dieses Geschichtsbildes stützen sich auf bereits vor 1945 entwickelte Sichtweisen, so die Klage über eine vermeintliche systematische Unterdrückung der Deutschen in der Tschechoslowakei, die Bewertung des Münchener Abkommens und eine angebliche Überschwemmung insbesondere des Reichsgaus Sudetenland mit Funktionsträgern aus anderen Reichsgebieten.“ Und ebd., S. 920: „Für das Verhältnis zwischen Geschichtsbildern und Erfahrung bzw. Erinnerung bedeutet dies, dass es sich nicht allein um nach dem Krieg neu konstruierte Bilder handelte, sondern sich dieses Selbstverständnis in mehreren Bereichen auf bereits vorhandene und von politischen Repräsentanten des ‚Sudetendeutschtums‘ seit den 1920er-Jahren sorgsam gepflegte und wiederholte Motive stützt.“ 304 Weger: „Volkstumskampf“.

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wurden erst durch eine erfolgreiche Diskursverdichtung der sudetendeutschen Organisationen in der Bundesrepublik zu einem solchen gemacht.

Deutsch-böhmische und deutsch-mährische Zwischenkriegswerke Die böhmischen Länder gehörten zu den ersten Regionen, in denen Heimatbücher erschienen. Sie besaßen eine reiche heimatkundliche Forschungslandschaft, betrieben von Fachleuten und Laien, später befördert durch das tschechoslowakische Gesetz zur Führung von Ortschroniken, den „Gemeindegedenkbüchern“.305 So gab es in der Ersten Tschechoslowakischen Republik zahlreiche, wenn auch überwiegend deutschsprachige Heimatbücher auf hohem professionellen Niveau.306 Diese Werke aus der Zwischenkriegszeit, aber auch die vor der Gründung der Ersten ČSR entstandenen, stehen in ihrer Darstellung des Verhältnisses zwischen Tschechen und Deutschen spürbar im Zeichen des Nationalitätenkonflikts, jedoch ist ihre Haltung lediglich prodeutsch und keineswegs im gleichen Atemzug antitschechisch.307 Nach dem Ersten Weltkrieg erscheint zum ersten Mal das Schlagwort vom „Heimatrecht“308, das die deutschen Bewohner sich durch die Leistungen ihrer Vorfahren erworben hätten: „Diese Besiedlung [des Böhmerwaldes] erfolgte durch Deutsche. Deutscher Fleiß, deutsche Arbeit haben den von den Tschechen gemiedenen Urwald bezwungen und wohnbar gemacht. Auf der Rodungs- und Kulturarbeit unserer Vorfahren in diesem bis dahin unbesiedelten Waldgebiet beruht unser unverlierbares deutsches Heimatsrecht.“309

Der Nebensatz zum „von den Tschechen gemiedenen Urwald“ deutet den älteren Topos von der vermeintlichen slawischen „kulturellen Unterlegenheit“ an, ohne daß dieser explizit ausgesprochen würde. Das Heimatbuch der Stadt Budweis, in der die deutschsprachige Bevölkerung eine Minderheit darstellte,310 bemühte sich 1930 sichtlich um einen Ausgleich nationaler 305 Gesetz über die Gemeindegedenkbücher (vom 30. Jänner 1920, Nr. 80 der Sammlung der Gesetze und Verordnungen) nebst Verordnung zu dessen Ausführung vom 21. Juni 1921 (Nr. 211 der Sammlung der Gesetze und Verordnungen). Abdruck von Gesetzestext samt Durchführungsverordnung z.B. in Josef Blau: Unsere Gemeinde-Gedenkbücher [eine Anleitung zu ihrer Anlegung und Führung], Prag, Reichenberg: Deutscher Verein zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse und Sudetendeutscher Verlag F. Kraus o.J. [1922] (Sammlung gemeinnütziger Vorträge; 517), S. 27–30. 306 Bei Zählung aller Einzelbände und Nachauflagen 29 bibliographische Einheiten. 307 Beispielsweise Landskron 1918, S. 117. 308 „Heimatrecht“ ist im Grimm’schen Wörterbuch nicht als Lemma aufgeführt. Im Textkorpus des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache, , findet sich der Begriff ab ca. 1930 mit einer „völkerrechtlichen“ – und nicht mehr nur individualrechtlichen – Bedeutung als Niederlassungsrecht; frühestes Beispiel für eine Verwendung im völkerrechtliche Sinne ist ein Zeitungsartikel: P.A.: Die Heimdeutschen, in: Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt (Morgenausgabe) vom 03.01.1930, S. 2: „Sie stehen auf dem geschichtlich durchaus berechtigten Standpunkte, daß in Nordschleswig das Deutschtum ebensoviel Heimatrecht hat, wie das Dänentum [...].“ 309 Landskron 1920.2, S. 21. 310 Zahlen nach Jeremy King: Budweisers into Czechs and Germans. A Local History of Bohemian Politics, 1848–1948, Princeton: Princeton University Press 2002, S. 161–168. Die Volkszählung 1921



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Sichtweisen. Die Geschichte der Nationalitätenbewegungen in der Region wirkt so ausgewogen, als sei sie von deutschen und tschechischen Budweisern gemeinsam ausgehandelt worden. Das Fazit der historischen Darstellung, die das erste Jahrzehnt der ČSR einschließt, erscheint im Licht der nachfolgenden Ereignisse fast utopisch: „Die nationalen Verhältnisse in Budweis sind im Laufe der Jahre sehr ruhige geworden. [...] Unter der Bevölkerung selbst herrscht Verträglichkeit und die Zeit der nationalen Gehässigkeiten zwischen Angehörigen der beiden Nationen ist, von geringen Ausnahmen abgesehen, so gut wie vorüber. [...] Wenn auch der Budweiser Pakt nicht mehr Wirklichkeit geworden ist, wenn auch der Ausgleich zwischen den Deutschen und Tschechen in Budweis nicht durch ein Staatsgesetz bekräftigt und sanktioniert wurde, so kann man dennoch die erfreuliche Feststellung machen, daß sich die beiden Nationen in der Stadt aus sich selbst heraus verständigt haben, daß gewissermaßen ein Ausgleich von Volksseele zu Volksseele zustande kam, der der friedlichen Entwicklung der südböhmischen Metropole nur ersprießlich und förderlich ist. Wollen wir hoffen, daß das friedliche Einvernehmen zwischen den Angehörigen der beiden Völker ein ungetrübtes bleibt, zum Wohle, zum Aufblühen und zum Gedeihen der Stadt Budweis!“311

Im Heimatbuch des mährischen Liebau ist 1935 im Gegensatz zum Budweiser Buch wenig überhaupt von Tschechen zu lesen; es findet sich lediglich ein Kapitel über die tschechische Minderheitenschule, verfaßt von deren Leiter.312 Wie auch im Landskroner Buch sind zwar deutschnationale Töne zu vernehmen, führen aber nie zu antitschechischen Äußerungen. Ähnlich 1936 im Heimatbuch von Böhmisch-Leipa: Durchweg wird die Stadt als „rein deutsch“ bezeichnet, auf nationale Auseinandersetzungen angespielt und die Bürger zur „Behauptung“ ihres „Deutschtums“ aufgefordert, doch ohne antitschechische Untertöne.313 Im Laipaer Buch, das den Ort als Sommerfrische pries, also gleichzeitig Heimatkunde und Tourismuswerbung sein sollte, findet sich bei den Touristenattraktionen neben dem „in Nordböhmen einzig dastehende[n] idyllenreiche[n] Stadtpark“ sowie den „reichhaltigen Sammlungen des [...] Heimatmuseums“ auch „der alte Judenfriedhof, dessen ältestes Grabmal aus dem Ende des 16. Jahrhunderts stammt“.314 Die ortsansässige jüdische Gemeinde, die im Buch in einem eigenen Kapitel ihre Geschichte und Gegenwart selbst darstellt,315 war hier noch ein integraler Bestandteil des lokalen Lebens, während im benachbarten Reich bereits die Diskriminierung und Verfolgung von Juden in vollem Gange war.316

311 312 313 314 315 316

registrierte 35.800 Tschechen bzw. Tschechoslowaken, 7.415 Deutsche und 212 Juden (ebd., S. 165), das Verhältnis Tschechen/Tschechoslowaken – Deutsche war demnach 81:17; bei der Volkszählung 1930 sank die Zahl der als deutsch registrierten Einwohner auf 15,5 Prozent (ebd., S. 167). Böhmisch-Budweis 1930, S. 510. Franz Pluskal: České státní školy obecné [Tschechische staatliche Gemeindeschulen], in: DeutschLiebau 1935, S. 287f. Böhmisch-Leipa 1936, S. 4. Ebd., S. 2f. Isidor Gans: Geschichte der Leipaer israelitischen Kultusgemeinde, ebd., S. 6. Auch im Budweiser Buch gibt es ein Kapitel „Die Judenverfolgungen in den Jahren 1505 und 1506“, Böhmisch-Budweis 1930, S. 134–140, darin werden Pogrome der Frühen Neuzeit dargestellt, es enthält jedoch keine Angaben zur jüdischen Bevölkerung der Abfassungszeit.

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Polemik oder Abwertung anderer Nationalitäten sind in den deutsch-böhmischen und deutsch-mährischen Heimatbüchern vor 1945 nicht zu finden, im Gegenteil zeichnen sie sich durch wissenschaftlich fundierte Sachlichkeit und zum Teil explizit national ausgewogene Darstellungen aus. Ihr gesamtgesellschaftlicher Referenzrahmen war ganz offensichtlich die Gesellschaft der Tschechoslowakischen Republik, daher ist die an den Tag gelegte Haltung „aktivistisch“, dem Sprachgebrauch nach 1933 entsprechend. Positionen der 1933 gegründeten Sudetendeutschen Heimatfront und späteren Sudetendeutschen Partei finden sich trotz der ab Mitte der 1930er Jahre sprunghaft gestiegenen Zahl von Henlein-Anhängern nicht; nach 1938 erschien nur noch ein einziges Heimatbuch auf dem Gebiet des nunmehrigen „Reichsgau Sudetenland“.317 Beachtenswert ist, daß die lokalen Geschichtskommissionen, die die Führung der „Gemeindegedenkbücher“ organisierten, mit Vertretern aller Nationalitäten besetzt sein mußten, die mindestens 20 Prozent der örtlichen Bevölkerung stellten.318 Auch wenn die Heimatbücher unter deutscher Federführung geschrieben wurden und daher eine Art Gegenentwurf zur zwischen den Nationalitäten ausgehandelten Darstellung der Gemeindebücher gewesen sein mögen, waren vermutlich die Geschichtskommissionen und die vom Ortschronisten unter deren wachsamen Augen geschriebenen Gedenkbücher eine wichtige Grundlage für die Darstellung vor allem der jüngeren Zeit. Vielfach mag, wie offenbar in Budweis, die binationale Arbeit der Geschichtskommissionen Anregung und Vorbild für die Verfasser der Heimatbücher gewesen sein. Festzuhalten bleibt, daß sich weder in den Werken der Zeit vor der Republikgründung noch in denen aus der Tschechoslowakischen Republik „negativistische“, also den Staat grundsätzlich ablehnende, der Sudetendeutschen Bewegung nahestehende oder auch nur antitschechische Haltungen finden lassen. Dies blieb späteren Jahren vorbehalten.

Erste sudetendeutsche Nachkriegswerke Die drei ersten sudetendeutschen Vertriebenenheimatbücher, die 1950 in der Bundesrepublik erschienen,319 stellten die Geschichte der Zwischenkriegszeit nun, wie kaum anders zu erwarten, retrospektiv deutlich konfliktreicher dar: „Die neue tschechoslowakische Republik war ein Nationalitätenstaat, in dem aber die tschechische Regierung (sie war tschechisch und nicht tschechoslowakisch) trotz aller andersnationalen Anhängsel mit allen ihr gebotenen Mitteln auf eine sich fortschreitend verstärkende tschechische Hegemonie hinarbeitete. Allerdings wäre damals eine derartig barbarische, satanische Entrechtung von ganzen Volksteilen, wie sie nach dem Zusammenbruch 1945 an den [...] Deutschen begangen wurde, höchstens im Kopfe eines besoffenen Chasaren für möglich gehalten worden.“320 317 Iglau 1940. 318 § 7 der Verordnung zum Gesetz über die Gemeindegedenkbücher, Blau: Gemeinde-Gedenkbücher, S. 29. 319 Untersucht wurden für den folgenden Abschnitt Buchau 1950 [SUD] (Böhmen, eh. Bez. Luditz, heute Žlutice, Okres Karlovy Vary); Grafendorf 1950 [SUD] (Mähren, heute Hrabětice, 3 km von der Grenze zu Österreich entfernt); Troppau 1950 [SUD] (Mährisch-Schlesien, heute Opava). 320 Troppau 1950 [SUD], S. 41f.



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Die Kritik an der Regierung ist massiv und grundsätzlich, aber es wird weder ihr noch der Republik an sich die demokratische Verfaßtheit oder Rechtsstaatlichkeit abgesprochen. Positionen der Henlein-Partei finden sich nicht. Die Exzesse nach Kriegsende werden als exzeptionelle Ereignisse aufgefaßt und nicht, wie in der Folge in sudetendeutschen Werken häufig, als Fortsetzung der Politik seit 1920 mit anderen Mitteln. Ganz wie in der Zwischenkriegszeit legt ein Werk noch 1955 den Schwerpunkt eher auf das Miteinander: „Gablonz hatte im Jahre 1945 36 000 Einwohner, darunter nie mehr als 15–18 Prozent Tschechen. Durch den raschen Aufschwung der Industrie herrschte immer Arbeitermangel. Aus allen Gegenden kamen Leute nach Gablonz. [...] Für das Baugewerbe und das Handwerk [...] kamen Tschechen, die mit Vorliebe in deutschen Städten das Handwerk und die deutsche Sprache erlernen wollten. Aus den Lehrlingen wurden Gehilfen und Meister, die zum großen Teil in deutschem Gebiete verblieben. Sie wurden auch Hausbesitzer und Bürger der Stadt, verkehrten in deutscher Gesellschaft und zwischen Tschechen und Deutschen war ein gutes Einvernehmen. Die Kinder gingen in die deutsche Schule und vermischten sich immer mehr mit der deutschen Bevölkerung. Wie überall gab es unter der jungen tschechischen Generation nationale Heißsporne, die die Stadt tschechisieren wollten. Es wurde eine tschechische Schule eröffnet und die Tschechen wurden gezwungen, ihre Kinder in diese zu schicken. Auch von der tschechischen Landesregierung wurde die Tschechisierung gefördert, indem die staatlichen Ämter vorwiegend mit Tschechen besetzt wurden. Mit Absicht wurden in Gablonz große tschechische Feste mit Umzügen durch die Stadt gefeiert. Durch diese tschechischen Provokationen kam es in den letzten Jahren oft zu Plänkeleien.“321

Schuldzuweisungen fehlen, jedoch wird die gedachte Rollenverteilung der Folgezeit deutlich: „So sehr der Anschluß des Sudetenlandes an das Deutsche Reich im Jahre 1938 uns erfreute, so groß war das Opfer, welches wir später bringen mußten. Nach dem tragischen Ende des zweiten Weltkrieges setzten die Tschechen, in ihrem übergroßen Haß gegen alles Deutsche, mit Unterstützung der Alliierten, die Vertreibung der Sudetendeutschen aus ihrer angestammten Heimat durch. Die Sudetendeutschen, die den Tschechen nie ein Leid zugefügt haben, kamen ganz unschuldig zu dieser großen Strafe.“322

Schuld an der Vertreibung ist aus dieser Sicht der Nationalsozialismus, der von außerhalb, aus dem „Reich“ gekommen sei, und so hätten „die ‚Reichsdeutschen‘ auch schwere psychologische Fehler in der Behandlung der Tschechen begangen, die später die Sudetendeutschen auszubaden hatten.“323 Nachfolgend wird in sudetendeutschen Werken kein Kausalzusammenhang zwischen dem Nationalsozialismus und der Vertreibung mehr hergestellt. Eine im Vergleich mit späteren Werken ebenso erstaunliche Einschätzung der Ursachen der Vertreibung äußert auch ein ebenfalls 1955 erschienenes nordmährisches Werk:

321 Gablonz 1955 [SUD], S. 54. 322 Ebd. 323 Ebd., S. 41.

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„Die unglückliche Tatsache, daß damals dem eindeutigen Willen der Bevölkerung nicht Rechnung getragen wurde, führte in zwangsläufiger Folge zu einer bedauerlichen, stets zunehmenden Feindseligkeit zwischen den deutschen und den tschechischen Bevölkerungsteilen der Sudetenländer, die schließlich durch die Vertreibung der Deutschen nach 1945 zu der heil- und ausweglosen Lage von heute führten [...].“324

Die Geschichte der Nationalitätenbeziehungen von der Gründung der Ersten ČSR bis zur Vertreibung der Deutschen nach Kriegsende deuteten die Werke der frühen 1950er Jahre noch auf ganz unterschiedliche Weise, wobei man weder Deutschen noch Tschechen eindeutig die Verantwortung für die „bedauerliche“ Eskalation 1945 zuschrieb, die als präzedenzloser Ausbruch der Gewalt eingeschätzt wurde. Diese Pluralität der Sichtweisen sollte bald darauf einem homogenen und sehr anders gearteten Diskurs weichen.

Diskursmuster: Von der Pluralität zum einheitlichen Geschichtsbild Interessant ist im Zusammenhang der zu beobachtenden Verfestigung des Diskurses die Frage nach den Medien seiner Durchsetzung. Eine der am weitesten verbreiteten Publikationen der sudetendeutschen Verbände war das sogenannte Weißbuch, die „Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen“, 1951 von der „Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen“ herausgegeben, dem Vorläufer des „Sudetendeutschen Rates“.325 Das Werk wurde in rascher Folge neu aufgelegt, in mehrere Sprachen übersetzt und gezielt an ausländische Politiker, darunter die UNVollversammlung, verschickt.326 Die Einleitung, gezeichnet von Wilhelm Turnwald, stellt eine Keimzelle vieler später im Diskurs verankerten und nach und nach auch in den Heimatbüchern vertretenen Geschichtsbilder und historischen Stereotype dar. Sie ist sozusagen ein Musterbuch sudetendeutschen historical engineerings. Die dort vertretenen Standpunkte sind keineswegs neu und stehen in vielen Aspekten in direkter Kontinuität zur völkischen Tradition der sudetendeutschen Bewegung der Zwischenkriegszeit, doch bedeutete ihre prägnante Formulierung an so zentralem Ort eine für die Nachkriegszeit kaum zu unterschätzende Kanonisierung. So finden sich die Elemente des Geschichtsbildes aus dem Weißbuch, zum Teil in wörtlicher Übernahme, ab Mitte der 1950er Jahre sukzessive in den sudetendeutschen Heimatbüchern wieder. Die angestrebte Zementierung eines bestimmten Geschichtsbildes verlief somit im Sinne ihrer Urheber höchst erfolgreich, wie sich an den Werken ablesen läßt.

324 Frankstadt 1955 [SUD], S. 34. Diese Formulierung findet sich wortgleich in Hermesdorf 1975 [SUD], S. 8, was auf eine gemeinsame, bisher nicht identifizierte Quelle schließen läßt. 325 Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen. Einleitung und Bearbeitung von Wilhelm Turnwald, München: Selbstverl. der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung Sudetendeutscher Interessen 1951. Zur Gründung und Geschichte der „Arbeitsgemeinschaft“ Weger: „Volkstumskampf“, S. 87–100. 326 Ebd., S. 95.



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Ein zentrales Thema wurden nach 1945 mehr oder weniger politische Aussagen zum Heimatverlust und dessen möglicher Revision. Schon die ersten Nachkriegswerke betonen, man werde auf die Heimat „nie verzichten“,327 äußern Rückkehrhoffnungen328 und fordern die Landsleute auf, bei ihren Kindern unbedingte Liebe zur Heimat zu wecken, damit diese sie als eigene Heimat sähen.329 In konkreten Beschreibungen von Vertreibung und Kriegsende, so überhaupt in den frühen Nachkriegsbüchern enthalten, ist jedoch bemerkenswert wenig von Ausschreitungen gegen Deutsche zu lesen. Ein Werk berichtet von der „guten Behandlung“ zwangsverpflichteter Deutscher durch Tschechen nach Kriegsende;330 eine Aussage, die später undenkbar wurde. Ein Zeitzeugenbericht über das Internierungslager Olmütz-Hodolein von 1955 schildert zwar zahllose Atrozitäten,331 enthält aber noch keinerlei Elemente des sich später etablierenden Diskurses der Sudetendeutschen. So wird das Lager nicht, wie ab Ende der 1950er Jahre kaum anders möglich, als „KZ“ bezeichnet. Schon Anfang der 1950er Jahre begegnet dem Leser stellenweise ein Topos, der später zum sudetendeutschen Standardrepertoire wurde: Es sei den Tschechen, so die Heimatbuchautoren, während der NS-Besatzungszeit nicht schlecht ergangen, sie hätten es sogar besser als die Deutschen gehabt.332 Diese Behauptung findet sich schon im Weißbuch,333 trat in den Heimatbüchern der ersten Nachkriegsjahre jedoch als ein Element innerhalb einer Vielfalt von Stimmen auf. Auf der anderen Seite des Spektrums bedachten die frühen Werke nämlich durchaus auch den tschechischen Widerstand gegen das NS-Besatzungsregime,334 der später nie wieder in einem der untersuchten Werke erwähnt und bereits 1951 in der Weißbuch-Einleitung vehement kleingeredet wurde.335 Anfang der 1950er Jahre war ganz offenkundig der Diskurs noch nicht konsolidiert, den die politische Führungsebene der Sudetendeutschen beispielsweise mit dem Weißbuch gerade zu formen begann. Die auf Verbandsebene kanonisierten Sichtweisen und Geschichtsbilder fanden erst allmählich Eingang in die Heimatbücher. Publi327 Buchau 1950 [SUD], Geleitwort, S. 5: „Keine Gewalt ist imstande, uns zu einem Verzicht zu bewegen.“ 328 Troppau 1950 [SUD], S. 69. 329 Buchau 1950 [SUD], Gedicht „Das 11. Gebot“, S. 153: „1. Sudetendeutscher, vergiß es nie,/ daß du bei all deiner Last/ in der Fremde ein elftes Gebot/ noch zu erfüllen hast. –/ 2. Von der Heimat täglich reden,/ täglich laß sie aufersteh’n,/ daß die Herzen deiner Kinder/ darin ihren Wunschtraum seh’n./ 3. In dem Hause deiner Väter,/ in dem Wald, am Wiesenrain,/ auf der alten Burg am Berge/ müssen sie zu Hause sein.“ 330 Grafendorf 1950 [SUD], S. 13f. 331 Frankstadt 1955 [SUD], S. 48–57. 332 Troppau 1950 [SUD], S. 12; Gablonz 1955 [SUD], S. 41. 333 Dokumente zur Austreibung, S. XIX. 334 Frankstadt 1955 [SUD], S. 42. 335 Dokumente zur Austreibung, S. XIX: „Während des Krieges hat die tschechische Bevölkerung weder einen nennenswerten Widerstand geleistet noch eine wirksame Sabotage gegen die deutsche Kriegswirtschaft verübt.“

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ziert wurden sie von der Verbandsebene bereits ab 1950, ihre vollständige Durchsetzung innerhalb der Gruppe muß jedoch auf einen späteren Zeitpunkt datiert werden. Im Laufe der 1950er Jahre festigten sich bei den sudetendeutschen Organisationen in der Bundesrepublik Strukturen und Machtverhältnisse. Die drei „Gesinnungsgemeinschaften“, die sich nach 1945 im Westen zusammengefunden hatten, der nationalkonservative Witikobund, die christlich-soziale katholische Ackermann-Gemeinde und die sozialdemokratisch geprägte Seliger-Gemeinde, repräsentierten trotz der Bandbreite der in ihnen organisierten Sudetendeutschen keineswegs das volle Spektrum der Deutschen in der Ersten ČSR, sondern nur jene Gruppierungen, die sich der Ausrichtung der Landsmannschaft anzuschließen bereit waren.336 Nachdem mit dem Lastenausgleichsgesetz 1952 die soziale Stoßrichtung quasi weggefallen war, richteten die Vertriebenenverbände ihr Augenmerk stärker auf politische Ziele. Sowohl Tobias Weger als auch Ingeborg Zeiträg beobachten in den Jahren 1950–1955 eine Politisierung der Landsmannschaften.337 Bei den Sudetendeutschen wuchs zudem ab 1950 der Einfluß des völkisch-rechtskonservativen Witikobundes auf die Landsmannschaft.338 Volker Zimmermann konnte feststellen, daß in deren Öffentlichkeitsarbeit ein vom Witikobund geprägtes „geschlossenes exkulpierendes Geschichtsbild“ vertreten wurde, das noch in den 1980er Jahren als offiziöse Geschichtsdarstellung fungierte. Zimmermann datiert die Dominanz des Witikobundes innerhalb der sudetendeutschen Organisationen auf Ende der 1960er bis in die 1980er Jahre.339 Angesichts der an den Heimatbüchern nachvollziehbaren Homogenisierung und Dauerhaftigkeit des Diskurses muß man diesen Zeitraum vermutlich noch weiter fassen. Letztlich ist weniger bedeutsam, ob die Durchsetzung eines einheitlichen Geschichtsbildes sowie der zugehörigen Stereotype in jedem Aspekt auf Witikonen zurückging, sondern vor allem, daß diesem historical engineering enormer Erfolg und Reichweite beschieden war, bis zur Ebene der Heimatbuchschreiber kleinster böhmischer Dörfer.

Allmähliche Diskursverdichtung Ab Mitte der 1950er Jahre tauchen viele Elemente, die nachfolgend zum Standarddiskurs der sudetendeutschen Heimatbücher wurden, zum ersten Mal in den Werken auf. Zunächst läßt sich das an veränderten Begrifflichkeiten feststellen. Während die Annexion der Sudetengebiete nach dem Münchner Abkommen 1938 zuvor

336 Weger: „Volkstumskampf“, S. 151. Zu den Gemeinschaften im Einzelnen ebd. S. 151–221. 337 Ebd., S. 144, dort Verweis auf Ingeborg Zeiträg: Die Selbstdarstellung der deutschen Vertriebenenverbände als Reflex ihrer gesellschaftlichen Situation. Univ.-Diss., Hamburg 1970, S. 34. Eine ähnliche Politisierung und Homogenisierung von Erinnerungen und Geschichtsbild beobachtet übrigens Christian Lotz für die Landsmannschaft Schlesien ab Mitte der 1950er Jahre, Lotz: Deutung, S. 146– 151. 338 Weger: „Volkstumskampf“, S. 151. 339 Zimmermann: Geschichtsbilder, S. 918.



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als „Einverleibung“, „Eingliederung“ oder „Anschluß“ bezeichnet worden war,340 sprachen die Werke ab 1955 erstmals vom „Jubel“ der Bevölkerung angesichts ihrer „Befreiung“.341 Andere Elemente, die schon in der Zwischenkriegszeit in den Heimatbüchern präsent waren, wurden nach einer Phase völliger Absenz ab 1955 wieder aufgegriffen und sind seitdem fester Bestandteil sudetendeutscher Heimatbücher, wie die schon aus dem 19. Jahrhundert stammende Betonung einer vermeintlichen „deutschen Kulturüberlegenheit“ in der Besiedlungsgeschichte.342 Dabei, so die Werke, hätten die Deutschen den Tschechen den abendländischen Kulturkreis erst eröffnet343 – ein Topos, der auch von völkischen Autoren der Zwischenkriegszeit formuliert wurde und den nationalen Diskursen des 19. Jahrhunderts entstammt. Im Weißbuch wurde er 1951 erneut formuliert.344 Dieser ältere Topos wurde noch etwas später in die Interpretation der jüngsten Vergangenheit integriert: Durch den „Rauswurf“ der Deutschen, so die Heimatbuchautoren ab Mitte der 1960er, hätten sich die Tschechen um ihren wirtschaftlichen Motor gebracht, ohne die Deutschen könne ein tschechischer oder tschechoslowakischer Staat nicht „gedeihen“.345 „Undank“, so heißt es dann ab den 1980er Jahren, sei der Lohn für diese deutsche „Kulturleistung“ gewesen, doch habe den Tschechen dies kein Glück gebracht.346 Es gibt jedoch auch Elemente, die sich innerhalb des sich homogenisierenden Diskurses nicht durchsetzen konnten und nach einiger Zeit wieder verschwanden. Ab Mitte der 1960er Jahre begegnet dem Leser ein völkischer Jargon in den Heimatbüchern, der schon aus der Zwischenkriegszeit und mehr noch aus der NS-Zeit bekannt war. In einem im Vergleich zu Werken noch aus der Mitte der 1950er Jahre bemerkenswerten Wortschatzwandel ist nun die Rede von „Blut und Boden“, „Schweiß und Tränen“, der „Treue“ zum „Deutschtum“ und zur „Scholle“, auf die man ein „ewiges Recht“ habe, sowie vom „heldenmütigen“ Einsatz, den man für sein „Deutschtum“ zu 340 Buchau 1950 [SUD], S. 132 „Eingliederung“; Troppau 1950 [SUD], S. 133 „Einverleibung“; Gablonz 1955 [SUD], S. 38 „Anschluß“. 341 Rudolf Lodgman von Auen, damaliger Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, erklärte in eben diesem Jahr 1955 auf dem Sudetendeutschen Tag in Nürnberg, die Mehrheit der Deutschen in der Tschechoslowakischen Republik habe die Annexion der Sudetengebiete 1938 als „Befreiung“ empfunden und es gäbe keinen Grund, sich nachträglich dafür zu schämen, Weger: „Volkstumskampf“, S. 504. 342 Frankstadt 1955 [SUD], S. 10; Mödritz 1.1966 [SUD], S. 454. 343 Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 409; Mödritz 1.1966 [SUD], S. 454; Leitmeritz 1970 [SUD], S. 1, 31f.; Luditz 1971 [SUD], S. 139; Schluckenau 1977 [SUD], S. 56; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 20; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 79; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 505; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 257, S. 441; Meinetschlag 2002 [SUD], S. 21. 344 Weger: „Volkstumskampf“, S. 333–338. Vgl. Dokumente zur Austreibung, S. VIIIf. 345 Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 409; Luditz 1971 [SUD], S. 139; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 510; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 257, 441, 491; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 12, 66. Diese Argumentation, die in den 1960er Jahren erstmals zu finden ist, fehlt folgerichtig im Weißbuch von 1951. 346 Wolframitz 1982 [SUD], S. 265; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 16, 19f.; Buchwald 1986.2 [SUD], S.  79; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 505; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 257, 441; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 66.

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geben bereit sei, respektive geben solle.347 Dieser völkische „Blut, Ehre und Treue“Jargon verschwand ab den 1970er Jahren wieder aus den Werken.348 Wenn auch die völkischen Konzeptionen der Zwischenkriegszeit innerhalb der Landsmannschaft der Sudetendeutschen, wie Tobias Weger überzeugend nachgewiesen hat, ungebrochen zum Mainstream gehörten, so war mindestens in den Heimatbüchern der pathostriefende völkische NS-Jargon nicht lange en vogue.

Zeitgeschichtsbilder Im Bereich der Zeitgeschichte wurden gegen Ende der 1950er Jahre zwei wesentliche Deutungskomplexe zum historiographischen Kanon sudetendeutscher Heimatbücher. Zunächst ist dies die Darstellung der Behandlung der Deutschen nach Kriegsende, die sich immer stärker an den Referenzrahmen der Darstellung von Verbrechen des Nationalsozialismus anlehnte. Ende der 1950er Jahre taucht der Begriff „tschechische KZ“, den schon 1951 das Weißbuch verwendete, das erste Mal in einem Heimatbuch zur Bezeichnung von Internierungs- und Arbeitslagern für Deutsche auf und wird bis heute durchgängig in den Heimatbüchern für solche Lager benutzt.349 Auch andere Begrifflichkeiten, die die NS-Forschung nach 1945 in den Sprachgebrauch eingebracht hatte, wurden nun sowohl für die Darstellung der Zwischenkriegszeit als auch für die Zeit nach Kriegsende benutzt, wie „Vernichtungsfeldzug“350 und „Völkermord“.351 Ab Mitte der 1960er Jahre wurde dann, offenbar in Reaktion auf sich wandelnde bundesdeutsche Geschichtsdiskurse, auch direkt zwischen Nationalsozialismus und 347 Saaz-Podersam 1959 [SUD], S. 231: „Unschuldig durchschritten [die Deutschen nach Kriegsende] die verfinsterte Erde voll Blut und Tränen, an deren Ende der Tod durch Mörderhand stand. [...] Die Opferschalen mögen zu ihrem Andenken nie verlöschen! Ehre ihrem Heldentum!“ Mödritz 1.1966 [SUD], S. 5: „Den Männern und Frauen [...], deren Lebensaufgabe es ist, in vorderster Front unermüdlich zu kämpfen für das Recht auf unsere angestammte Heimat, [...] möge dieses Heimatbuch Stütze und Rückhalt sein [...] in der Auseinandersetzung mit den ewigen Feinden der Wahrheit. [...] Ewig lebt Mödritz in uns! Mit Treuegrüßen, [Unterschrift]“; Guldenfurth 1966 [SUD], S. 4: „unserer unmenschlichen Vertreibung aus der geliebten Heimat, die viele Generationen unseres Volkes mit ihrem Fleiß, Schweiß und Blut aus ödem, wüsten Land [...] zu jenem paradiesischen Flecken Erde machten, an dem unsere Generation mit ganzem Herzen hing, der unsere wahre Heimat war.“ UnterTannowitz 1966.2 [SUD], S. 3: „unversiegbarer Born deutscher Heimatliebe und deutscher Heimattreue“; S. 60: „[Wir] gedenken in stiller Ehrfurcht der Heldensöhne von Tannowitz, die opferbereit und heldenmütig für Deutschland starben und fern der Heimat in fremder Erde ruhen. Ihr Herzblut sei die neue Saat für eine glücklichere Zukunft des deutschen Volkes und unserer geliebten Heimat.“ S. 92: „Die Erde daheim ist vom Schweiß und Blut unserer Väter getränkt.“ S. 93: „in unseren Herzen flammt unverbrüchlich die Treue zur Heimat und der Glaube an ein ewiges Recht“. 348 Spätestes Vorkommen solcherart Blut-und-Boden-Vokabulars in Zwittau 1976.2 [SUD], S. 7: „Blut“, „Schweiß“, „die uralten Quellen unseres Ahnenerbes“. 349 Zuerst in Saaz-Podersam 1959 [SUD], S. 230. Vgl. Dokumente zur Austreibung, S. XXIIf. 350 Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 51, auf die Politik der Ersten ČSR gegenüber den Deutschen gemünzt. 351 Mödritz 1.1966 [SUD], S. 456, bezogen auf die Vertreibung der Deutschen. Schon das Weißbuch bezeichnet die Vertreibung der Deutschen als „Völkermord“ und „Genozid“, Dokumente zur Austreibung, S. XXV, XXVII.



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der Behandlung der Deutschen in der ČSR nach 1945, zum Teil sogar in der Ersten ČSR, verglichen. Dies entweder, indem man das Leiden der Sudetendeutschen als singulär („einmalig in der Weltgeschichte“) oder superlativisch darstellte352 und so implizierte, daß kein anderes historisches Geschehen des 20. Jahrhunderts an die Aktionen gegen die Sudetendeutschen heranreiche, oder in Form von Opfer- und Tätervergleichen: „Damals [1945] wurden im Sudetenland viele Lidices geschaffen“.353 Schon das Weißbuch hatte Internierungslager für Deutsche nach Kriegsende und NSKonzentrationslager miteinander verglichen – und festgestellt, daß die tschechischen Lager die schlimmeren gewesen seien.354 Direkte Opfervergleiche etablierten sich in den Heimatbüchern erst zu Beginn der 1970er Jahre, nahmen dann jedoch mit der Zeit an Schärfe noch zu, bis hin zum Schlagwort vom Vertreibungs-„Holocaust“, das sich bis heute am rechten Rand des sudetendeutschen Spektrums einiger Beliebtheit erfreut.355 Der zweite historische Komplex, bei dem die Etablierung eines festen Diskurses in den Heimatbüchern ab Ende der 1950er Jahre zu beobachten ist, ist die Darstellung der Zwischenkriegszeit. Die Geschichte der Nationalitätenbeziehungen und des Verhältnisses zwischen der Tschechoslowakischen Republik und ihren deutschsprachigen Bürgern wurde nun nicht mehr nur spannungs- und konfliktgeladen dargestellt, sondern der Staat und sein Handeln in zunehmendem Maße als undemokratisch, gewaltsam, die Menschenrechte mißachtend und auf systematische Unterdrückung der Deutschen gerichtet charakterisiert. Schon bei den Verhandlungen der Pariser Vorortverträge, so ist zu lesen, habe die spätere Regierung die Republikgründung nur mit „Lügen“356 erreicht. Sie habe die deutschsprachige Bevölkerung im neuen Staat

352 Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 53: „Was sich in den Jahren 1945 und 1946 [...] an blutiger Grausamkeit abspielte [...], gehört zu den düstersten Kapiteln der Weltgeschichte überhaupt.“ 353 Luditz 1971 [SUD], S. 157. Bezugspunkt der Opfervergleiche ist in den 1970er Jahren meist die Behandlung der Tschechen durch die Nationalsozialisten respektive die Behandlung der Sudetendeutschen nach 1945 durch Tschechen, ab den 1980ern dann eher die Judenverfolgung und der Holocaust. 354 Dokumente zur Austreibung, S. XXIIf.: „Eine der ersten Verfügungen des tschechischen Innenministeriums war die Einrichtung von Konzentrationslagern für Deutsche. Sie wurden vielfach nach dem Muster der deutschen Konzentrationslager angelegt und die in ihnen verübten Grausamkeiten stehen [...] den Grausamkeiten der deutschen KZs nicht nach. In vielen Fällen waren die Lebensverhältnisse in diesen [...] tschechischen Konzentrationslagern noch bedeutend schlechter, als in Dachau oder Buchenwald.“ 355 Rolf-Josef Eibicht: Der Vertreibungs-Holocaust. Politik zur Wiedergutmachung eines Jahrtausendverbrechens, Riesa: DS-Verlag 2000. Eibicht, 1951 in Düsseldorf geboren, war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Sudetendeutschen Rat und ist Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft; vgl. Samuel Salzborn: Patrioten unter sich: Rolf-Josef Eibicht schreibt für Nazi-Postillen ebenso wie für die Bundeszentrale für politische Bildung, in: Jungle World Nr. 42 vom 16.10.1997, (28.08.2007). 356 Mödritz 1.1966 [SUD], S. 112 „Verfälschung von Tatsachen“; Unter-Wisternitz 1967 [SUD], S. 192 „durch Lug und Trug“; Luditz 1971 [SUD], S. 156 „mit verlogenen Argumenten“; Wolframitz 1982 [SUD], S. 65 „Beneschs Betrug bei den Friedensverhandlungen“; Buchwald 1986.2 [SUD], S.  77 „Lügen“; Dittersdorf 1994 [SUD], S. 350 „Vorspiegelung falscher Tatsachen“; Klein Tajax 1999

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„planmäßig unterdrückt“,357 „systematisch“ ihrer Rechte beraubt und die „Tschechisierung“ deutscher Gebiete „mit allen Mitteln“358 betrieben, während sie dem Ausland „vorspielte“, sie respektiere die Minderheitenrechte.359 Die Erzählung von der „Täuschung“ der Alliierten in St. Germain geht auf zeitgenössische Äußerungen zurück und wurde in der Zwischenkriegszeit besonders von völkischen Autoren formuliert.360 Das Weißbuch griff sie 1951 pointiert wieder auf.361

Geschichtsfiktionen und Diskursverhärtung Ab Mitte der 1960er Jahre häufen sich Bemerkungen, die Erste ČSR sei nur scheinbar eine Demokratie gewesen,362 „die tschechischen Machthaber“363 hätten „Schikanen“364 und „Terror“365 gegen die Sudetendeutschen initiiert, die auf die „Vernichtung des Sudetendeutschtums“366 zielten. In den 1980er und 1990er Jahren steigert sich dies zur Behauptung, Präsident Edvard Beneš habe „die Machtfülle eines Diktators“ besessen und die ČSR sei ein „Unrecht-Staat“367 ohne Meinungsfreiheit368 gewesen. Augenscheinlich ging die Anlehnung an den Diskurs zu NS-Verbrechen und totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts nun so weit, daß nicht nur die „Opferseite“, in dieser

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[SUD], S. 63f. „unwahren Behauptungen“; Meinetschlag 2002 [SUD], S. 25 „mit gefälschten Landkarten und falschen Zahlen“. Guldenfurth 1966 [SUD], S. 96; Unter-Tannowitz 1966.2 [SUD], S. 56; Luditz 1971 [SUD], S. 156; Schluckenau 1977 [SUD], S. 54; Wolframitz 1982 [SUD], S. 68; Buchwald 1986.2 [SUD], S. 78f.; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 509; Dittersdorf 1994 [SUD], S. 355; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 331 u.v.a.m. Luditz 1971 [SUD], S. 156. Mödritz 1.1966 [SUD], S. 112; Leitmeritz 1970 [SUD], S. 43. Weger: „Volkstumskampf“, S. 352. Dokumente zur Austreibung, S. XII: „Das Memorandum Nr. 3 diente nur zur Täuschung der Friedenskonferenz von St. Germain.“ Leitmeritz 1970 [SUD], S. 43. Wischau 1964 [SUD], S. 65; Schluckenau 1977 [SUD], S. 55. Wischau 1964 [SUD], S. 65; Guldenfurth 1966 [SUD], S. 111. Unter-Wisternitz 1967 [SUD], S. 89; Bodenstadt 1984 [SUD], S. 214. Kaaden-Duppau 1965 [SUD], S. 51: „der systematische Vernichtungsfeldzug gegen das Sudetendeutschtum“; Mödritz 1.1966 [SUD], S. 132: „Das tschechische Fernziel, schrittweise Vernichtung des Sudetendeutschtums und aller nationalen Minderheiten im Staate [...].“ Nikolsburg 1987 [SUD], S. 505: die Politik sei auf „systematische Ausschaltung des Deutschtums in Böhmen, Mähren und Schlesien ausgerichtet“ gewesen; Dittersdorf 1994 [SUD], S. 355: Ziel sei „die völlige wirtschaftliche, kulturelle und seelische und damit naturgemäß die biologische Unterdrückung des Sudetendeutschtums“ gewesen. Klein Tajax 1999 [SUD], S. 68 Beneš als „Diktator“, S. 71 „Unrecht-Staat“. Zur Dämonisierung Edvard Beneš’ Weger: „Volkstumskampf“, S. 352-356, hier 354. Weger weist die Titulierung Beneš’ als „Diktator“ erstmals für 1957 nach. Meinetschlag 2002 [SUD], S. 26: „Das ‚Gesetz zum Schutz der Republik‘ aus dem Jahre 1923 machte jedes oppositionelle Wort unmöglich. Die laufende Beschlagnahme deutscher Zeitungen verhinderte jede freie Meinungsbildung. Dabei wurden gegen politische Gegner des herrschenden Systems Hochverratsprozesse der schlimmsten Art geführt.“



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Logik die Sudetendeutschen, mit den NS-Opfern gleichgesetzt, sondern auch die „Täterseite“, das heißt die Erste ČSR, immerhin eine der wenigen funktionierenden Demokratien im östlichen Europa der Zwischenkriegszeit, geradewegs in Umkehrung historischer Realitäten als Diktatur gebrandmarkt wurde. So reihten sich die Sudetendeutschen mit ihrer Selbststilisierung als vermeintliche Opfer einer Diktatur nahtlos in die Ränge der Opfer der Diktaturen des 20. Jahrhunderts ein. Auch die Vertreibung der Deutschen erhielt innerhalb der Geschichte der deutschtschechischen Nationalitätenbeziehungen ab Mitte der 1960er Jahre eine neue Semantik. Anders als noch in den 1950er Jahren, als sie als präzedenzlose, nicht vorhersehbare Eskalation interpretiert wurde, verbreitete sich Mitte der 1960er Jahre die These, die Vertreibung der Deutschen sei von der Regierung und späteren Exilregierung unter Beneš von langer Hand und „jahrzehntelang“,369 ja seit der Gründung der Tschechoslowakischen Republik geplant gewesen.370 Mithin wird sie zum negativen Endpunkt der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte, auf den diese – in der Interpretation der sudetendeutschen Autoren – mindestens seit Ende des Ersten Weltkriegs hingesteuert habe. Ihre historische Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg und dessen Folgen wird hingegen im gleichen Zuge gelöst. Diese Argumentation findet sich bereits im Weißbuch, das wesentlich zur Dämonisierung der Person Beneš’ als angeblichem „Initiator des Austreibungsgedankens“ beitrug.371 Sie brauchte aber im Vergleich zu anderen Produkten des sudetendeutschen historical engineering vergleichsweise lange, um sich auf breiter Front in den Heimatbüchern durchzusetzen. Seit Mitte der 1960er Jahre kursiert als Beleg für diese These in den Werken ein angebliches Zitat aus einer Rede Beneš’ im Juni 1945 in Tábor, bei dem es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine sudetendeutsche Geschichtsfiktion handelt: „Was wir im Jahre 1918 schon durchführen wollten, erledigen wir jetzt. [...] Wir wollten das auf eine etwas feinere Weise zur Durchführung bringen, aber da kam uns das Jahr 1938 dazwischen.“

Diese Rede ist nicht belegbar, am angegebenen Tag war Beneš auch gar nicht in Tábor. Es handelt sich offenbar um eine geschickte Lancierung passender „Beweise“

369 Mödritz 1.1966 [SUD], S. 456: die Vertreibung als „kaltblütige und systematisch geplante Erfüllung eines jahrzehntelang vorbereiteten Planes“; Guldenfurth 1966 [SUD], S. 116: „Erfüllung ihrer [Beneš und der Exilregierung] lang gehegten unmenschlichen Pläne“. 370 Ebd., S. 115: „Der Leidensweg der sudetendeutschen Volksgruppe [...] hatte [nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik] begonnen. In der Tat hat um diese Zeit die Vertreibung der Sudetendeutschen Ihren [sic] Anfang genommen.“ 371 Dokumente zur Austreibung, S. XVI: „Die Austreibung der Sudetendeutschen ist nicht etwa eine spontane Reaktion des tschechischen Volkes auf die deutsche Besetzung [...] gewesen. Der Plan zur Austreibung wurde vielmehr von den tschechischen Exilpolitikern von langer Hand vorbereitet. [...] Da jedoch Dr. Beneš die Grundfragen der tschechischen Exilpolitik ausschließlich nach seinem Konzept gestaltete, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der entscheidende Initiator des Austreibungsgedankens Dr. Beneš selbst gewesen ist.“

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für die eigene Geschichtsinterpretation.372 Von Seiten der Landsmannschaft und ihrer Organe war die Konstruktion einer ganz bestimmten historischen Interpretation weiterhin in vollem Gange, und die Heimatbuchautoren nahmen die Produkte dieser interessegeleiteten Geschichtskonstruktion bereitwillig auf. In den 1980er und 1990er Jahren steigert sich dies in den Werken zu der Behauptung, Beneš sei überhaupt erst der „Erfinder“ des Konzepts der ethnischen Säuberung gewesen.373

Zwischen fact und fiction Die Abstrusität dieser Argumentation spiegelt sich auch in anderen Geschichtsbildern und Darstellungen der sudetendeutschen Heimatbücher dieser letzten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Denn anders als Volker Zimmermann für historische Darstellungen aus dem sudetendeutschen publizistischen Spektrum ausgemacht hat,374 kann man bei den Heimatbüchern keinerlei Differenzierung des Geschichtsbildes in den 1990er Jahren feststellen, sondern im Gegenteil eine Art katatonische Steigerung diagnostizieren, die sich bis ins Schriftbild hinein – Häufung von Ausrufezeichen, durchgehende Schreibung in Großbuchstaben, Fettdruck und andere Textauszeichnung – fortsetzt. Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre verstärkt sich der Eindruck, daß die Autoren dieser späten sudetendeutschen Heimatbücher teils nicht mehr zwischen Legenden und historischen Fakten, zwischen wichtig und unwichtig, zwischen fact und fiction unterscheiden können. Wilde Gerüchte und hanebüchene Erzählungen werden als „reine Wahrheit“ ausgewiesen: Die Tschechen hätten 1913 die Verleihung des Nobelpreises an Peter Rosegger vereitelt, in Kapellen im Böhmerwald seien nach 1945 wüste Orgien gefeiert worden, und das von den Tschechen 1938 beschlagnahmte

372 Die angebliche Redepassage in variierendem Wortlaut z.B. in Mödritz 1.1966 [SUD], S. 140; Wolframitz 1982 [SUD], S. 71; Meltsch 1996 [SUD], S. 160. In den 1980ern wurde sie weit verbreitet durch Rudolf Hemmerle: Sudetenland-Lexikon. Für alle, die das Sudetenland lieben, Mannheim: Kraft 1984 (Deutsche Landschaften im Lexikon; 4), S. 25f., ohne Quellenangabe. Beneš’ Rede vom 17. Juni 1945 in Tábor – nicht vom 3. Juni, wie in den Werken übereinstimmend angegeben – enthielt mindestens in ihrer publizierten Form nachweislich diese Passage nicht: Projev presidenta dr Beneše v Táboře [Ansprache des Präsidenten Dr. Beneš in Tábor], in: Mladá fronta Nr. 36 vom 17.06.1945, S. 2; auch in: Svobodné slovo vom 17.06.1945, S. 1f. Das durchweg falsche Datum weist auf eine gemeinsame Quelle dieser Geschichtsfiktion hin, die jedoch bisher nicht identifiziert werden konnte. Ich danke Adrian von Arburg, Brünn, für seine hilfreichen Hinweise und die Überlassung des Redetextes sowie Andreas R. Hofmann für die Übersetzung der Rede ins Deutsche. 373 Nikolsburg 1987 [SUD], S. 509f.: „Das gesamte Vertreibungskonzept stammt weder von den Ostnoch von den Westalliierten, sondern ist der Plan eines einzigen Mannes, des tschechischen Nationalsozialisten Benesch. Er hat nicht nur 241.000 ermorderte [sic] Sudetendeutsche, sondern auch die 3 Mill. [sic] Vertreibungstoten aus dem deutschen Osten auf dem Gewissen, weil Stalin erst aufgrund seiner Vorschläge den gleichen Plan für die anderen deutschen Ostgebiete faßte.“ Auch dies hat übrigens seinen Ursprung im Weißbuch von 1951, Dokumente zur Austreibung, S. XVIII: „wird deutlich, daß Dr. Beneš auch im Hintergrunde als einer der Initiatoren der auf die Austreibung der Ostdeutschen bezüglichen Beschlüsse von Yalta und Potsdam steht.“ 374 Zimmermann: Geschichtsbilder, S. 919.



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Pferd Fanny kam 1941 mit „beschädigtem Fuß“ zu seinen Besitzern zurück.375 Ein stellenweise schon wirrer Duktus zeichnet viele dieser späten, vielleicht zu späten Heimatbücher aus, nicht selten mit überbordenden Haßtiraden auf die „gerissenen, verlogenen und hinterhältigen“, die „hassenden und gewissenlosen“, die „feigen“ und „dreisten“ Tschechen376 gespickt. Seit Mitte der 1980er Jahre ist immer häufiger zu lesen, die „Öffentlichkeit verschweige“ die „Wahrheit“ über die Vertreibung der Sudetendeutschen, und nur die sudetendeutsche Publizistik, darunter die Heimatbücher, informiere „wahrheitsgemäß“.377 Die sudetendeutschen Heimatbuchautoren der letzten Jahre, dieser Eindruck drängt sich beim Lesen geradezu auf, haben unter dem jahrzehntelangen Einfluß des historical engineering ihrer organisierten Vertreter die Fähigkeit zum eigenständigen Differenzieren eingebüßt und pflegen stattdessen ihre spezifischen sudetendeutschen Verschwörungstheorien, in denen sie zu Opfern und die Tschechen zu uneinsichtigen Tätern werden, die sich vehement weigern, sich ihrer Vergangenheit zu stellen: „Ob die Tschechen jemals ihre Vergangenheit aufarbeiten, Schuld eingestehen, Unrecht gutmachen, widerrechtlich Angeeignetes zurückgeben werden? Gelten Menschenrechte und ihre Einhaltung auch für Tschechen und andere Völker, denen Tschechen als Vorbild dienen?“378

Ob solche extremen Verhärtungen im sudetendeutschen Diskurs eines Tages zugunsten einer sudetendeutsch-tschechischen Verständigung entschärft werden können, bleibt fraglich.

6.3.5  Nach der Vertreibung Einer der für die Gruppenidentität wichtigsten Mythen ist die Erzählung von der schnellen Integration und der Aufbauleistung der Vertriebenen in der Bundesrepublik, die die Heimatbücher aller Landsmannschaften auf „typische“ Charaktereigenschaften ihrer eigenen Gruppe zurückführen. Die Vertriebenen haben sich auf diese Weise 375 Dittersdorf 1994 [SUD], S. 346: „Die Tschechen hatten immer schon einen so großen Einfluß und verhinderten [1913] die Verleihung des Nobelpreises an Rosegger.“ Niedergrund 1997 [SUD], S. 99f.: „1973 [...] wird von den Tschechen der Wallfahrtsort Maria Hilf gesprengt und dem Erdboden gleichgemacht. Bis zu diesem Tag werden seit Jahren im inneren [sic] der Kirche wilde Orgien jeder Art von Jugendlichen gefeiert, welche überwiegend aus der inneren Tschechei kommen. Diese Bande nennt sich ‚Micky-Maus‘. Als Eintrittsbeweis muß ein Heiligenbild oder ein Symbol aus alten Zeiten von dem Gnadenort gezeigt werden.“ Geischowitz 2004 [SUD], S. 21: „Bei der Mobilmachung [vor dem Münchner Abkommen] wurde in Geischowitz ein Pferd (Fanny) der Familie Daniel eingezogen. Um 1941–42 bekam es die Familie vom deutschen Militär mit beschädigtem Fuß zurück.“ Dies ist fast alles, was das Werk zum Zweiten Weltkrieg zu sagen hat. 376 In der Reihenfolge der Zitate: Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 547; Niedergrund 1997 [SUD], S. 5, 90; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 299. 377 Buchwald 1986.2 [SUD], S. 80; Nikolsburg 1987 [SUD], S. 505: die zeitgeschichtliche Forschung sei „politisches Instrument der Siegermächte“; Oberaltstadt 1997 [SUD], S. 546; Klein Tajax 1999 [SUD], S. 8; Meinetschlag 2002 [SUD], S. 4. 378 Meinetschlag 2002 [SUD], S. 223.

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die Erwartungshaltung der Aufnahmegesellschaft zu eigen gemacht, die noch in den 1950er Jahren einen unintegrierbaren Vertriebenenblock mit sozialem Sprengpotential fürchtete,379 und in eine identitätsstiftende Erzählung umgemünzt. Dieser Mythos glättete dabei rückblickend zwangsläufig die individuellen Erfahrungen der oft harten Anfangsjahre in der Bundesrepublik, die Erinnerung an Armut und feindselige Aufnahme durch die Einheimischen, die noch in den 1950er Jahren in den Heimatbüchern deutlich formuliert wurden.380 Ab den 1960er Jahren verdrängte in den Heimatbüchern die Erfolgsstory der Eingliederung und wirtschaftlichen Leistung der Vertriebenen diese Negativerfahrungen, die höchstens noch zur Kontrastierung im Rahmen nachfolgender Erfolgsgeschichten fungierten.381 Albrecht Lehmann hat auch im biographischen Erzählen von Vertriebenen diese teleologische „Erzählung vom Ende her“ beobachtet: „Ein Begriff wie ‚Integration‘ harmonisiert die historischen Tatsachen auch in der Erinnerung. Was in diesem Erinnerungsmuster im Gedächtnis bleibt, muß beinahe zwangsläufig auf ein glückliches Ende hinauslaufen. Die eigene Lebensgeschichte wird [...] nach dem allgemein verbindlichen sozialen Muster auf eine reine Erfolgsstory reduziert. Durch diese gesellschaftlich formulierte Vorstellung wird die Wahrnehmung der eigenen Geschichte geprägt. Bis heute läuft das Erinnern und Erzählen derer, die als Kinder und Jugendliche aus dem Osten gekommen waren, auf der ‚Integrationsschiene‘. [...] Ein chronologisches, teleologisch angelegtes Erzählen führt über Hindernisse und Erfolge in die Gegenwart.“382

Auch auf wissenschaftlicher Ebene gilt die „rasche Eingliederung“ heute als bundesdeutscher Mythos, der integrieren und soziale Verwerfungen überdecken sollte, der Realität aber kaum entsprach.383 Dieser Mythos wurde in den 1960er Jahren in den Diskurs eingeführt, als fast ein Jahrzehnt nach dem Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes die Flüchtlingsintegration in der Bundesrepublik als „erreicht“ galt.384 Auch in die Heimatbücher findet die Erfolgsstory der Vertriebenenintegration zu genau diesem Zeitpunkt Eingang. Doch neben ihrer sozialen Integration manövrierten die bundesdeutsche Politik und Öffentlichkeit die Vertriebenen zwischen den Anforderungen von Innen- und Außenpolitik in eine paradoxe Situation. Innenpolitisch wurde ihre rasche Eingliederung betrieben, auf der Ebene politischer Rhetorik jedoch eine gesonderte kulturelle Ver379 380 381 382 383

Lehmann: Im Fremden, S. 68f. Buchau 1950 [SUD], S. 7; Ohlau 1950 [S-N/S], S. 72. So z.B. Waissak 1973 [S-O/S], S. 91; Gotschdorf 1990 [S-N/S], S. 95f. Lehmann: Im Fremden, S. 69. Paul Lüttinger: Der Mythos von der schnellen Integration. Eine empirische Untersuchung zur Integration der Vertriebenen und Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland bis 1971, in: Zeitschrift für Soziologie 15 (1986), S. 20–36; Michael Schwartz: Zwangsheimat Deutschland, in: Klaus Naumann (Hg.): Nachkrieg in Deutschland, Hamburg: Hamburger Edition HIS 2001, S. 114–148. Schwartz spricht in dieser Hinsicht sogar von „beschönigende[n] erinnerungspolitische[n] Gedenkreden“ (S. 117). Zuletzt dazu Kossert: Kalte Heimat. 384 Lehmann: Im Fremden, S. 69. Er konstatiert ebd., daß dies an jeden Einzelnen die Erwartungshaltung herantrug, „integriert“ zu sein, und daher biographische Schwierigkeiten möglichst nicht mehr zu betonen.



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triebenenidentität gefördert und immer wieder die Hoffnung auf eine mögliche Rückkehr genährt, ja diese sogar gefordert. Während Adenauer schon 1950 klar war, daß die Oder-Neiße-Grenze wohl nicht mehr revidierbar sein würde,385 wurde jegliche öffentliche Anerkennung der Nachkriegsgrenzen im Osten bis zum Warschauer Vertrag vehement vermieden. Die Vertriebenen, so die Politik, sollten sich bereithalten, für ihre Rückkehr kämpfen, um den „deutschen Osten“ wieder auf- und als „Bollwerk gegen den Kommunismus“ auszubauen. Durch diese Aufrechterhaltung des Rückkehrwillens benutzte man die Vertriebenen als außenpolitisches Faustpfand im Kalten Krieg. Innenpolitisch sollte sie den Verbänden signalisieren, daß man die Interessen ihrer Klientel ernstnehme.386 Die Heimatbücher zeigen jedoch, daß die Vertriebenen den Charakter dieser schizophrenen Situation durchaus – bewußt oder unbewußt – erfaßt hatten. So sprechen zwar viele Werke noch bis Ende der 1970er Jahre von der Hoffnung auf Rückkehr, doch ist dies spätestens ab den 1960ern nur noch ein floskelhaftes Bekenntnis ohne reale Verwirklichungschance. Man könne nur dafür „beten“ und die „Hoffnung nicht aufgeben“, so liest man, aber die Chancen stünden schlecht.387 In keinem südosteuropadeutschen und in nur zwei frühen sudetendeutschen Werken388 taucht überhaupt der Gedanke an Rückkehr auf. Die Rückkehr dieser Gruppen war nie Bestandteil der Forderungen von Politik und Verbänden und somit auch nicht Teil des Diskurses, der sich von der politisierten Verbandsebene bis hinunter in die Heimatbücher durchsetzte. Obwohl sie offenbar den Sonntagsredencharakter der Rückkehrforderungen durchschauten, vertreten doch nur wenige Heimatbücher ausdrücklich die Ansicht, daß die alte Heimat unwiederbringlich verloren sei. Lediglich südosteuropadeutsche Werke sehen oftmals mit ihrem Weggang die deutsche Geschichte der betreffenden Region als beendet, insbesondere nach Ausreise der letzten Spätaussiedler in die Bundesrepublik.389 Unter „reichs-“ und sudetendeutschen Werken sagt nur ein ostbrandenburgisches Heimatbuch, daß die alte Heimat wohl für immer verloren sei.390 Lange Zeit wird in den Heimatbüchern die geforderte Integration nicht in Frage gestellt – die Vertriebenen nahmen die Rolle, die ihnen die Aufnahmegesellschaft zugewiesen hatte, ohne Murren an. Erst die Siebenbürger Sachsen wagen es in den 1990er Jahren, diese Rollenzuschreibung kritisch zu hinterfragen. Sie diskutieren, warum im Integrationsprozeß nur von den Vertriebenen erwartet wurde, sich anzupas385 Josef Foschepoth: Westintegration statt Wiedervereinigung. Adenauers Deutschlandpolitik 1949– 1955, in: ders.: Adenauer und die deutsche Frage, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1988, S. 29– 60, hier S. 43. 386 Ahonen: After the Expulsion, S. 276–278. 387 Landeshut 1954 [S-N/S], S. 140; Löwenberg 1959 [S-N/S], S. 218, 221; Rosenberg 1963 [OPR], S. 129; Preußisch Holland 1978 [OPR], S. 379. 388 Buchau 1950 [SUD], S. 7; Unter-Tannowitz 1966.2 [SUD], S. 93. Ebenso in Wirsitz 1973 [PL\Posen], S. 96, jedoch sehr vage gehalten. 389 Z.B. Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat], S. 26; Halvelagen 1998 [Siebb.], S. 178. 390 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 125.

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sen, und wie ihre Identität im Zwiespalt zwischen geförderter kultureller Eigenart und restloser sozialer Integration denn eigentlich aussehen solle, oder sie setzen den von der Aufnahmegesellschaft propagierten Werten eigene entgegen: „Nun geht es uns gut – wieso weinen wir? Das verstehen nur Landsleute. [...] Und irgendwie will man nun nicht ganz integriert werden. Man will behalten, was man gut findet, besser als hier. Ein Fünkchen von Selbstwertgefühl flackert wieder auf. [...] Und wirklich integriert ist man erst dann, wenn diese [siebenbürgisch-sächsische] Eigenart als Bestandteil der Persönlichkeit selbst akzeptiert ist.“ „Wir müssen unsere durchökonomisierte Gesellschaft überwinden, indem wir den menschlichen Zusammenhalt fördern. Wenn wir uns ernst nehmen – und das tun wir – sind wir auch zukunftsträchtig. Wir haben Visionen und Chancen, wir haben Fähigkeiten und Ressourcen, wir haben eine breite Basis und Mut. Mut zum Träumen, Mut zum Bewegen, Mut zum Tun. Und sei es nur ein Heimatbuch herauszugeben [...].“391

Mit diesen konstruktiven Überlegungen der jüngsten Werke zum eigenen Identitätsproblem sind die Siebenbürger Sachsen jedoch eine singuläre Erscheinung unter den Heimatbuchschreibern.

„Sonst ist alles wie früher, nur nicht so gepflegt“: Wiedersehen mit der Heimat Schon bald nach Kriegsende enthalten die Heimatbücher Texte unterschiedlicher Provenienz über den derzeitigen Zustand der Heimatorte. Diese Blicke hinter den Eisernen Vorhang in der Hochphase des Kalten Krieges wirken wie Reisebeschreibungen vom Mond, die in einer Mischung aus Überheblichkeit, wohligem Schaudern und ethnographischem Interesse die absurdesten Zustände schildern. Ob real oder nur auf Hörensagen beruhend, spielte dabei keine große Rolle – gedruckt wurde offenbar, was greifbar war.392 Die ersten Wiederbegegnungen nach Lockerung der Reisebeschränkungen waren Busreisen mit „Fensterblick“ auf die alte Heimat, ohne Kontakt zur Ortsbevölkerung. Die Berichte von diesen Reisen geraten daher meist zu einer Art Inventarisierung des Ortes nach den Kriterien „erhalten/verfallen“ und „sauber/ungepflegt“; aufgrund dieser Kriterien erfolgt dann auch oft eine Bewertung der Neuansiedler und ihres Staates.393 Doris Stennert hat in ihrer volkskundlichen Analyse der „Heimwehreisen“ von Vertriebenen ganz Ähnliches festgestellt. Ihrer Beobachtung nach war eine organisierte Busreise meist die erste Form des Wiedersehens, noch im. . . 391 In der Reihenfolge der Zitate: Halvelagen 1998 [Siebb.], S. 181; Schönberg 2002 [Siebb.], S. 222. 392 Sommerfeld 1956 [OBR], S. 39–42, Bericht eines Reporters mit Hörensagenformulierungen passim („es sollen“); Ortelsburg 1957 [OPR], S. 351–358, z.B. 355: „Durch unregelmäßige Abfuhr verbreitet sich in den Höfen unerträglicher Geruch.“ 393 Treuburg 1971 [OPR], S. 435–437; Saatzig 1984 [OPOM], S. 410f.; Crossen 1962 [OBR], S. 97–99.



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„‚Schutzraum‘, den der Reisebus bietet“, bei der „schockartig“ Erinnerungen evoziert wurden, oft begleitet von negativen Wertungen.394 Zweite und weitere Reisen wurden dann individuell organisiert und boten die Chance zur Revidierung der ersten Eindrücke, vor allem im persönlichen Kontakt mit den nun Ortsansässigen. In den Heimatbüchern wird deutlich, daß vor allem solche Individualreisen in die alte Heimat dazu angeregt zu haben scheinen, sich mit der Situation der neuen Bewohner auseinanderzusetzen und zu akzeptieren, daß diese die eigene alte Heimat nun auch als ihre Heimat betrachteten. Kaum eine Schilderung einer solchen Reise in die Vergangenheit, die nicht von überwältigender Gastfreundschaft berichtete; einmal beim Wodka mit den neuen Bewohnern des eigenen Hauses, sind Vorurteile und Polemik bald revidiert.395 Der Schilderung der ersten Individualreise eines ostpommerschen Autors in die alte Heimat merkt man diesen langsamen Sinneswandel deutlich an: „Im Jahr 1974 nach fast 30 Jahren haben wir einen ersten Besuch in Freienwalde unter polnischer Verwaltung gemacht. [...] Vorher sind wir aber an meinem Elternhaus [...] vorbeigefahren. Welch ein Unterschied! Es war ein trauriger Anblick. [...] Wir wohnten bei einer polnischen Familie. [...] Die Leute hatten nur eine geringe Rente, waren selbst von den Russen verschleppt und ihrer Heimat beraubt worden. Wir waren mit der Gastfreundschaft mehr als zufrieden. [...] Die Seepromenade [...] ist nicht mehr sehr gepflegt. [...] Als wir uns dann endlich entschlossen, unser Haus zu besuchen, waren wir sehr überrascht, wie schön sauber es in der Wohnung war. Wir hatten uns nach dem äußeren Anblick des Hauses beinahe nicht reingewagt. [Von den Bewohnern] wurden wir gebeten, sofort in das Elternhaus umzuziehen. Es käme nicht in Frage, daß wir woanders wohnten. [...] Als wir wieder reinkamen, war der Tisch mit allem, was zu greifen war, gedeckt. [...] Mein Eindruck bei mehreren Besuchen war, daß vor 1972 viele Leute der heutigen Bevölkerung Pommern nicht als ihre endgültige Heimat betrachte[te]n. Nach den Ostverträgen hat sich das geändert.“396

Zunächst dominiert noch die Erfassung der Gegend nach den Kriterien „gepflegt/ungepflegt“, auch das Elternhaus wird auf den ersten Blick zur ungepflegten Seite geschlagen, und die alte Heimat wird politisch eindeutig ausgerichtet als „unter polnischer Verwaltung“ stehend bezeichnet. Doch nach Überwindung der mitgebrachten Vorurteile entpuppt die Realität sich als anders als gedacht, und mit der gastfreundlichen Aufnahme kommt die Auseinandersetzung mit der Situation der Menschen vor Ort, die nach mehreren nachfolgenden Besuchen in einem versöhnlichen Fazit endet.

394 Doris Stennert: „Reisen zum Wiedersehen und Neuerleben“. Aspekte des „Heimwehtourismus“ dargestellt am Beispiel der Grafschaft Glatz, in: Dröge: Alltagskulturen, S. 83–94, hier S. 87, 91. 395 Meseritz 1.1973 [OBR], S. 125: „Bei objektiver Betrachtung der Entwicklung muß man zu der Überzeugung kommen, daß es dort aufwärts geht, daß die neue Bevölkerung sich eingelebt hat und bodenständig geworden ist, und daß die alte Heimat, so schmerzlich es für jeden einzelnen auch sein mag, für uns wohl verloren ist.“ Ähnlich, aber ohne Hinweis auf endgültigen Verlust, Preußisch Holland 1978 [OPR], S. 442 und Saatzig 1984 [OPOM], S. 414. 396 Saatzig 1984 [OPOM], S. 412–414.

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Vereinzelt erkennen, wie in der oben zitierten Passage angedeutet, „reichsdeutsche“ Heimwehreisende in den Biographien der nun in ihren alten Heimatorten ansässigen Polen ihr eigenes Schicksal wieder.397 In anderen Werken jedoch wird die Abtretung polnischen Territoriums an die Sowjetunion nach 1945, darunter für das polnische Nationalbewußtsein so eminent wichtige Erinnerungsorte wie Ostgalizien mit der Metropole Lemberg, lakonisch und historisch unzutreffend als „Rückgabe an Rußland“ bezeichnet.398 Eine ähnliche Einschätzung der Abtrennung der Oder-NeißeGebiete hätte bei denselben Autoren vermutlich Stürme der Entrüstung ausgelöst. Doch haben sich offenbar die wenigsten deutschen Heimatbuchautoren mit den Erfahrungen polnischer Vertriebener, die in erheblichen Teilen in den alten Heimatregionen der Deutschen angesiedelt wurden, identifizieren können. Diese Brücke zur Verständigung blieb mindestens in den Heimatbüchern weitgehend unbeschritten. Während die „reichs-“ und sudetendeutschen Heimatbuchautoren bis zur individuellen Wiederbegegnung die Verhältnisse in ihrer nun nicht mehr deutschen Heimat überwiegend mit dem Vokabular der politischen Verbandsrhetorik kommentierten, stellt sich bei den Südosteuropadeutschen die Situation komplexer dar. Zum einen hatten letztere durch die schwächere Durchpolitisierung mehr Diskursspielraum in der Bewertung des Vorgefundenen, so daß in den Heimatbüchern auch positive Einschätzungen der Entwicklung nach 1945 möglich waren, meist wenn ein Teil der Gruppe noch lange nach 1945 im Lande verblieben war und somit die Geschichte der Heimatregion nach dem Zweiten Weltkrieg teils auch die „eigene“ Geschichte der Gruppe war.399 Zum anderen schlagen sich in den Reiseberichten aus der alten Heimat andere Motive als bei „Reichs-“ und Sudetendeutschen nieder, wie Wehmut und Verlustgefühle, aber auch regionenspezifische Stereotype: „Unsere ehemalige Heimat ist zur Fremde geworden. Fremd ist alles: Die Menschen, das Dorf und die Landschaft. Enttäuschung und Herzeleid bei den Alten, mitleidsvolles Lächeln bei den Kindern und Enkelkindern, die die Heimat zum erstenmal sehen, in Anbetracht solcher Verwahrlosung und Balkanisierung.“400

Bei mehr oder weniger allen Vertriebenengruppen ersetzen Wiederbegegnungsschilderungen auf ihre Weise die meist fehlende Fortschreibung der lokalen Geschichte 397 Falkenberg 1971 [S-O/S], S. 335 und Meseritz 2.1974 [OBR], S. 328. 398 Ortelsburg 1957 [OPR], S. 356f.: „Leerstehende Höfe sind teilweise durch polnische Bauern besiedelt. Sie stammten aus den früher zu Polen gehörenden, an Rußland abgetretenen Dörfern am Bug. Mann nennt sie Sabuga-Polen. Die ‚Sabuga‘ sind verträglicher, primitiver und fleißiger als die Westpolen. Sie unterstreichen ihre Unzufriedenheit über ihre Ansiedlung und wollen in ihre alte Heimat zurück. Sie haben das Gefühl, daß das Land nicht ihnen gehört. Das Klima vertragen sie schlecht und sind ungewohnt, ostpreußische Böden zu bearbeiten.“ Obernigk 1996 [S-N/S], S. 279: „Menschen aus Ostpolen, dem Land, das wieder zu Rußland zurückkehrte, also Lemberg.“ 399 Zum Beispiel in Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 268; Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 240; Csavoly 1980 [H\Batschka], S. 214; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 280; Maniersch 1973 [Siebb.], S. 92. 400 Neuhatzfeld 1972 [SRB\Banat], S. 257. Erhellendes zum Begriff „Balkanisierung“ bietet ein Essay der kroatischen Schriftstellerin Slavenka Drakulić: Das Wort Balkanisierung. Wie der Teufel eine Heimat erhielt, in: Süddeutsche Zeitung vom 05.05.2008, (14.05.2008).



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über 1945 hinaus. Obwohl nur wenige Werke explizit sagen, daß die Geschichte ihres Heimatortes für sie mit ihrem Weggang nach 1945 beendet sei, so läßt sich doch aus der fehlenden Fortführung der Ortsgeschichte schließen, daß mit dem Ende der funktionierenden lokalen deutschen Gemeinschaft die weitere Geschichte des Ortes kaum mehr relevant für die Gruppe war.401 Heimat wäre in dieser Hinsicht für die Vertriebenen als sozialer Raum zu verstehen, der mit der Vertreibung auseinanderbrach und zu existieren aufhörte. Dementsprechend wird, der Chronologie folgend, in den Heimatbüchern fast nur über die Zeit nach 1945 im Westen berichtet, über Ankunftsschwierigkeiten, verbandsmäßige Organisierung, Lastenausgleich und Eingliederungserfolge. Die Schilderung einer Heimwehreise ist daher in den Werken auch niemals Teil der Ortsgeschichte, sondern lediglich ein punktueller Blick in eine fremde Welt.

Heimatverlust als Modernisierungsschub und -schock Helmut Schelsky hat bereits in einer berühmten Untersuchung von 1951 die Vertriebenen in der Bundesrepublik als wichtigen sozialen und mentalitätsgeschichtlichen Modernisierungsfaktor identifiziert.402 Besitzlos, mobil, ungebunden und zur Annahme berufsfremder Tätigkeiten bereit, waren sie der ideale Träger des Umbaus der Nachkriegsbundesrepublik zur urbanisierten modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft. Nicht nur ihre Mobilität, sondern auch ihre sich unter dem Druck der Umstände wandelnden Wertvorstellungen führten dazu, daß die Flüchtlinge zu Pionieren im Modernisierungsprozeß wurden. Auf traditionelle Ressourcen wie Sozialprestige, Besitzstände oder soziale Netzwerke konnten sie nicht mehr zurückgreifen. Das einzige Sozialsystem, das ihnen geblieben war, bestand in der (Kern-)Familie, und so investierten sie ihre Energie in Bildungs- und Aufstiegsstreben, vor allem der Kinder.403 Brenda Dale Melendy sieht auch im veränderten Umgang mit dem Heimatbegriff eine zentrale Modernisierungsfunktion der Vertriebenen. Das Nebeneinander von Wahlheimat, die meist dorthin verlegt wurde, wo sich berufliche Chancen boten, und einer emotional besetzten „alten“ Sozialisationsheimat war zur Bewältigung der Mobilitätsanforderungen des 20. Jahrhunderts nach 1945 auf geradezu ideale Weise geeignet und wurde zum Modell für die Gesamtgesellschaft.404 Die Vertriebenen, die oft aus agrarisch geprägten und im Vergleich zum Westen infrastrukturell und technologisch rückständigen Regionen kamen, mußten in wenigen Monaten einen sozialen und beruflichen Umbruch bewältigen, der im Westen über Generationen stattgefunden

401 Zu diesem Phänomen in ungarndeutschen Heimatbüchern auch Orosz-Takács: Erinnerung, S. 86. 402 Helmut Schelsky: Die Flüchtlingsfamilie, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 3 (1951), S. 159–178. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Lehmann: Im Fremden, S. 94. 403 Bei Lehmann: Im Fremden, S. 100, der Ratschlag einer Vertriebenen an ihre im Westen geborenen Kinder: „Hängt Euch nicht an irdische Dinge! – Lernt was. Das ist heute die Hauptsache. Was ihr im Kopf habt, das kann euch keiner nehmen!“ 404 Melendy: In Search of Heimat, S. 15f.

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hatte.405 Sie waren auf diese Weise zugleich Objekt und Motor des Modernisierungsschubs nach 1945.406 In ihren Heimatbüchern schlägt sich das nur vereinzelt nieder – offenbar war die Erkenntnis, wie zentral die „Habenichtse“ für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Bundesrepublik waren, auf die Sozialwissenschaften beschränkt und wurde kein wirksamer Mythos wie die Erzählung von der erfolgreichen Integration und Aufbauleistung. Wenn die Werke davon sprechen, wird weniger die Leistung des schnellen sozialen Wandels als der Verlust des Althergebrachten hervorgehoben. Das Fazit klingt oft sehr gespalten: „Aus selbständigen Bauern sind Industrie- und Landarbeiter geworden. Diese berufliche Umschichtung war wahrlich nicht leicht! Noch heute befinden sich viele dieser entwurzelten Menschen in keiner besonders rosigen Lage, andere haben es wieder zu einem Eigentum, einem Haus mit einem Garten gebracht.“ – „Die Jugend, die inzwischen herangewachsen ist, hat sich der Zeit angepaßt und zum größten Teil technische Berufe erlernt, und man kann sagen, daß gerade unsere Eichenbrücker es in ihrem Beruf zu etwas gebracht haben, aber der Landwirtschaft wohl für alle Zeiten verloren sind.“ – „Die meisten von uns haben sich hier [im Westen] eine sichere Existenzgrundlage geschaffen, aber kann ein Bauer [...] als Industriearbeiter im Rheinland die verlorene Scholle vergessen?“407

Der Modernisierungsschub und -schock, den sie in der neuen Heimat erfuhren, wurde den Vertriebenen in einer Art Übertragungsprozeß in einigen Fällen auch erst bei der Reise in die „alte“ Heimat bewußt. Denn während im Westen Industrialisierung und Urbanisierung selbstverständlich waren und als Teil des „Fortschritts“ begrüßt wurden, erwarteten die Vertriebenen (unbewußt) von der verlorenen Heimat eine zeitlose, ewige Beständigkeit. So bezeichnen Heimatbuchautoren, mit der politischen Rhetorik der Verbände garniert, die Überbauung ländlicher Vororte als „Vernichtung“ des Charakters der alten Heimat.408 Manch Heimatbuchschreiber findet aber auch bei der Wiederbegegnung eine Idylle vor, die er durch die Industrialisierung schon gänzlich verloren und vergessen glaubte.409 Erst im Moment des Wiedersehens mit der alten Heimat, deren Bild retrospektiv vollkommen statisch gedacht wurde – was in den 405 Dazu schon die frühe Studie von Elisabeth Pfeil: Der Flüchtling. Gestalt einer Zeitenwende, Hamburg: von Hugo 1948 (Europäische Stimmen); sowie Hiddo M. Jolles: Zur Soziologie der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Köln: Kiepenheuer und Witsch 1965. 406 In der DDR waren die „Umsiedler“ nach 1950 in dem selben, wenn nicht noch stärkerem Maße Träger der Modernisierung. Die neu geschaffenen Industriegebiete wie der Uranbergbau der Wismut, die Eisenerzbearbeitung in Stalinstadt/Eisenhüttenstadt, der Braunkohletagebau etc. boten ihnen gute Verdienstmöglichkeiten und den Neuanfang an einem Ort, an dem sich die gesamte lokale Gesellschaft gerade erst neu konstituierte; Ther: Deutsche und polnische Vertriebene, S. 270, 336 u.ö. 407 In der Reihenfolge der Zitate: Benkendorf 1964 [Bess.], S. 155; Wongrowitz 1967 [PL\Posen], S. 78; Saatzig 1984 [OPOM], S. 11. 408 Altschallersdorf 1998 [SUD], S. 11. 409 Meseritz 2.1974 [OBR], S. 319f. „Ein Wiedersehen mit der verlorenen Heimat“. Die Autorin dieses Berichts einer Reise im Jahre 1973 schildert, daß ihr erst in Polen aufgegangen sei, daß es manche Landschaftstypen „in unserer Bundesrepublik“ gar nicht mehr gebe. Dann erst habe sie gemerkt, wie sehr sie diese verschwundenen Landschaften, wie baumbestandene Alleen, vermißt habe.



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Heimatbüchern beispielsweise mit ausschließlich historischen Fotos auch visuell unterstrichen wird –, wurden die Heimwehreisenden der Veränderung in Raum und Zeit gewahr, die stattgefunden hatte, seit sie diesen Ort verlassen mußten. Während jedoch im Westen die Industrialisierung bis zur Umweltbewegung der 1970er und 80er Jahre positiv besetzt war, wurde sie der alten Heimat in gewisser Weise nicht zugestanden. Andererseits finden sich in einigen südosteuropadeutschen Werken durchaus Fortführungen der Lokalgeschichte über 1945 hinaus, die der alten Heimat eine positive Modernisierungsbilanz in einer sich wandelnden Welt bescheinigen.410 In letzterem Fall war die alte Heimat noch über das Kriegsende hinaus Teil der Gruppengeschichte, weil ein Teil der Landsleute dort verblieben war, so daß die Region über 1945 hinaus in der Vorstellung der Gruppe weiterexistierte und auch „in die neue Zeit“ überführt werden konnte. Wenn die Gruppe komplett ausgesiedelt worden war, hörte in der Vorstellung der Heimatbuchautoren auch die Heimat auf, sich weiterzuentwickeln. In der Erinnerung war ihre alte Heimat mit der Vertreibung aus dem Raum-Zeit-Kontinuum herausgefallen oder gewissermaßen darin eingefroren worden. Auch hieran zeigt sich, daß die Heimatregion in ihrer Bedeutung für die Vertriebenen unlösbar mit der Existenz der Gruppe als lokaler Gemeinschaft vor Ort verbunden ist: Mit dem Ende dieser lokal verankerten Gemeinschaft endete auch der Einfluß von Raum und Zeit auf die Heimat.

Ein neuer fundierender Mythos für die Bekenntnisgeneration? Wie bereits gesehen, widmen die allermeisten Heimatbücher der Vertreibung selbst erstaunlich wenig Raum. Viel wichtiger war das Leben davor, das nicht von seinem Ende überschattet werden sollte. Mindestens genauso bemerkenswert ist jedoch, daß sich diese Gewichtung bei den späten Heimatbüchern, meist geschrieben von der Generation, die die Vertreibung als Kinder erlebte oder schon im Westen geboren wurde und als „Bekenntnisgeneration“ firmiert, erheblich zugunsten der Vertreibung verschiebt. Ab den 1990er Jahren wächst deren Anteil in den Heimatbüchern stark an und beträgt in den allerletzten Werken der 2000er Jahre im Schnitt das Vierfache des Wertes noch der 1980er Jahre (Abb. 21). Offenbar nimmt für diese Generation, die zu einem erheblichen Teil nicht mehr in der alten Heimat aufgewachsen ist, die Vertreibung nun den Stellenwert eines fundierenden Mythos an. Während für die Erlebnisgeneration das Leben vor der Vertreibung klar im Mittelpunkt stand, konnte die „Bekenntnisgeneration“ auf diesen Erfahrungsschatz nicht mehr wirklich zurückgreifen und setzte die – auch politische – Identifikation mit dem Vertreibungsschicksal an dessen Stelle. Differenziert man dabei nach Herkunftsregionen, so zeigt sich, daß dieser starke Anstieg in den 2000er Jahren allerdings fast allein auf sudetendeutsche Werke zurückführbar ist. Bis in die 1990er Jahre widmete kaum ein sudetendeutsches 410 Modosch 1964 [SRB\Banat], S. 268; Beschka 1971 [SRB\Syrmien], S. 240; Csavoly 1980 [H\ Batschka], S. 214; Marienfeld 1986 [RO\Banat], S. 280; Maniersch 1973 [Siebb.], S. 92; Meseritz 1.1973 [OBR], S. 125.

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Heimatbuch mehr als ein Prozent des Textes der Vertreibung, in den 2000er Jahren dagegen kletterte der Wert auf 12,5 Prozent.411 Im Vergleich mit anderen Landsmannschaften, sofern sie überhaupt noch Heimatbücher schrieben, ist dieser Anstieg völlig singulär. Insofern könnte man trotz der relativ dünnen Datenlage die These wagen, daß allein bei den Sudetendeutschen die Sozialisation einer „Bekenntnisgeneration“ im Sinne der Verbände erfolgreich war. Die starke Durchpolitisierung und die Durchsetzung eines homogenen, von der Verbandsebene gesteuerten Diskurses in sudetendeutschen Heimatbüchern ebenso wie die stetige Radikalisierung der in den Werken vertretenen Positionen, vor allem in den letzten zwanzig Jahren, stützen diese These. Vermutlich gibt es auch bei anderen Landsmannschaften eine „Bekenntnisgeneration“, die sich auf ihre Weise mit der alten Heimat ihrer Eltern identifiziert, jedoch scheint dabei nicht das Vertreibungsschicksal im Vordergrund zu stehen, respektive geht die zweite und dritte Generation nach der Vertreibung vielleicht ganz andere Wege bei der Auseinandersetzung mit ihrer familiären Herkunft.

6.3.6  Bilderwelten im Heimatbuch Heimatbücher bieten nicht nur Text, sondern auch Abbildungen verschiedenster Art, von handgezeichneten Karten über historische Ortsansichten bis zu Familienfotos. Dabei war der wohl wesentlichste Faktor für die Menge an Bildmaterial, die ein Heimatbuch enthält, nicht die Verfügbarkeit von Bildern, sondern das Geld, das für die Drucklegung zur Verfügung stand. Abbildungen, insbesondere wenn sie auf hochwertigem, speziell für Fotoreproduktion geeignetem Papier gedruckt werden sollten, waren ein erheblicher Kostenfaktor bei der Herstellung. Vielfach entschuldigen sich Herausgeber für den Mangel an Abbildungen, der allein der schwachen Finanzlage geschuldet sei.412 Im Gegenzug präsentieren sich Werke, die finanziell besonders gut ausgestattet waren, stolz mit großen Abbildungsteilen auf teurem Hochglanzpapier.413 Qualität und Menge der Abbildungen im Heimatbuch waren so ein großer Prestigefaktor und Ausweis der Prosperität der jeweiligen Heimatortsgruppe. Aus der ganz unterschiedlichen Finanzkraft resultiert daher auch eine sehr heterogene Bebilderung, so daß sich wenige allgemeingültige Aussagen über die Bilderwelten der Heimatbücher treffen lassen. Auch die Bildtheorien der Kulturwissenschaften helfen zum Verständnis wenig, da eben die Auswahl weniger dem Stellenwert des Dargestellten als vielmehr externen Faktoren unterlag. Neben den Grenzen der Finanzierbarkeit bestimmte so auch die eingeschränkte Verfügbarkeit die Bebilderung. Vielfach waren die Flüchtlinge und Vertriebenen mit wenig mehr als den Kleidern 411 Kapitel 6.1. 412 So beispielsweise in Karthaus 1978 [PL\WPR], S. 4. 413 So enthält Leitmeritz 1970 [SUD], wie im Werk S. II explizit vermerkt, 105 Zeichnungen im Text, acht Kunstbeilagen, drei historische Karten, 20 Stadt- und Ortspläne, 196 Bilder in einem eigenen Abbildungsteil sowie eine mehrfarbige Kreiskarte.



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am Leib im Westen angekommen, der Zugang zu Archiven in der alten Heimat war lange versperrt. So wurde in den Heimatbüchern oft das wenige abgedruckt, über das man selbst verfügte.

Abb. 24  Familie mit Hund, Katze und Schwein

Insbesondere Werke über kleine Orte, zu denen es kaum publiziertes Material gab, hatten ersichtlich mit dem Bildermangel zu kämpfen. Stattdessen behalf man sich mit Familienfotos und Schnappschüssen aller Art. Natürlich hatten diese auch ihren Wert und eine spezifische Funktion für die Gruppe, sonst hätten sie kaum Eingang in die Werke gefunden. Auf Klassenfotos konnte der Leser sich selbst, Freunde und Familie wiedererkennen, Familienfotos zeigten typische Dorffamilien (Abb. 24414). Hochzeitsfotos demonstrierten vor allem bei den Südosteuropadeutschen die pittoresken historischen Trachten, bei den nach 1945 im Land verbliebenen Deutschen eine auch im kommunistischen System aufrechterhaltene Tradition, wie zwei Bilder aus dem frühen 20. Jahrhundert und von 1959 zeigen (Abb. 25415). Zwar sind die reichverzierten Überjacken, der sogenannte Kirchenpelz, und auch die Gebetbücher verschwunden, der Bräutigam trägt Anzug und das Brautpaar lächelt nun zeitgemäß, aber Brautkleid und Kopfbedeckung sind auch im Sozialismus noch dieselben wie im 19. Jahrhundert. Dennoch zeugen vor allem solche Schnappschüsse in schwankender Qualität wie das unscharfe Familienfoto mit Hausschwein davon, daß man im Heimatbuch oft druckte, was man eben hatte, weil anderes nicht zur Verfügung stand. Mit abnehmender Professionalität der Werke steigt in der Regel auch der Anteil von Fotos

414 Seifrodau 2001 [S-N/S], S. 147. 415 Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 131 (linke Abb., Anfang des 20. Jahrhunderts), S. 128 (rechte Abb., 1959).

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aus dem privaten Album, jedoch lassen zahlreiche Abbildungen aus Privatbesitz keineswegs umgekehrt auf ein weniger professionelles Werk schließen.

Abb. 25  Hochzeitsfotos vor und nach 1945

Ganz ähnlich wie bei den Texten kann es allerdings bei solchen Bildern zu Verständnisschwierigkeiten beim nicht zur Gruppe gehörenden Leser kommen, die unter Umständen das Abgebildete rätselhaft bleiben lassen, wie bei dem Foto aus einem Werk von 1950 (Abb. 26).416 Was die „Parkindianer“ darstellten, als die sich die Kinder 1935 verkleideten, wird wohl nie mehr rekonstruiert werden können, zumal im Buch Erklärungen dazu fehlen. Hier verwandelt sich wiederum die Überlieferung, die im Heimatbuch eigentlich für nachfolgende Generationen gespeichert werden sollte, in blindes, nicht mehr aufschließbares Wissen, das höchstens den Beteiligten zugänglich war und letztlich reiner Selbstzweck bleibt. In den Bilderwelten der Heimatbücher lassen sich sehr wohl auch landsmannschaftliche Unterschiede ausmachen. Vor allem bei „Reichsdeutschen“ findet sich mehr offiziöses Bildmaterial, vermutlich wegen der höheren Anzahl von Publikationen, die als Fundus für Abbildungen zur Verfügung standen, aber auch wenn die Beteiligten alte Verwaltungsangehörige waren. Wichtigstes Insignium der häufig als Rechenschaftsberichte der ehemaligen Verwaltungen fungierenden Werke sind Stadt- und Kreiswappen, die in kaum einem Buch fehlen und prominent auf Einband oder Vorsatzblatt prangen. Doch auch bei anderen Landsmannschaften sind Ortswappen wichtiges Bildelement, ebenso wie die Karten, die den Ort geographisch verorten. Der Anteil an offiziellem oder bereits publiziertem Bildmaterial ist

416 Troppau 1950 [SUD], S. 215.



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Abb. 26  Rätselhafte Parkindianer

Abb. 27  Sprachgrenzenkarte der Region Leitmeritz

jedoch bei „reichsdeutschen“ Heimatbüchern deutlich höher. Bei „Reichs-“ und Sudetendeutschen prägen Karten vom Frontverlauf kurz vor Kriegsende, Treckwege sowie Sprachgrenzenkarten in gemischtsprachigen Gebieten das Bild, vor allem bei den Sudetendeutschen (Abb. 27417). Darüber hinaus finden sich Archivdokumente und -fotos, Stadtansichten oder Postkarten. In „volksdeutschen“ Werken dominieren dagegen Fotos aus Familienbesitz, sowohl von Gebäuden als auch von Personen, handgezeichnete Ortspläne oder die erwähnten Schnappschüsse. Für alle Landsmannschaften gleich bedeutsam sind Gruppenbilder, die dem Leser der Erlebnisgeneration ein hohes Identifikationspotential boten, weil wohl ein jeder im Laufe des Lebens vor Ort einer dieser Gruppen angehört hatte: Kindergartenkinder, Schulklassen, Konfirmandengruppen, Jugendbünde, freiwillige Feuerwehr, Militärjahrgänge, Lehrerkollegien, Damenkränzchen, Vereine aller Art sowie nicht zuletzt Fotos von Treffen ehemaliger Einwohner im Westen. Ebenso von offiziell-repräsentativem Charakter sind die in zahlreichen „reichs-“ und sudetendeutschen Werken reproduzierten Patenschaftsurkunden samt Fotos von

417 Leitmeritz 1970 [SUD], S. 37. Sprachgrenzenkarten sind bei den Sudetendeutschen immer zugleich politisches Instrument. Beispielsweise verzeichnet diese Karte, von der hier nur ein Ausschnitt abgebildet ist, „geschlossene deutsche Besiedlung in vorhussit[ischer] Zeit“ und stützt sich damit auf Ernst Schwarz (Hg.): Sudetendeutscher Wortatlas. Hg. im Auftr. des Adalbert Stifter Vereines e.V., München. 3 Bde., München: Lerche 1954–1958. Die Pfeile unten links suggerieren zudem, analog zu Truppenbewegungen auf militärischen Karten, ein tschechisches „Eindringen“ in „rein deutsche“ Gebiete.

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der feierlichen Übernahme der Patenschaft durch bundesdeutsche Kommunen, nicht selten samt einer kurzen Darstellungen des Patenorts.

Abb. 28  Blick auf Crossen 1959

Im Verlauf der Nachkriegszeit veränderte sich das Bildangebot. Je besser die materielle Situation der Vertriebenen, aber auch ihre institutionelle Förderung, desto größer wurde der Bildanteil. Nach den Ostverträgen konnten auch Archive vor Ort konsultiert und aus deren Beständen Abbildungen genutzt werden. Hier und da fanden aktuelle Fotografien des Ortes Eingang in die Werke, jedoch lange Zeit lediglich zur Illustration des beklagten Verfalls nach 1945 (Abb. 28418). Erst ab ungefähr 1990 tauchen vermehrt Farbaufnahmen in den Werken auf. Zuvor waren nicht nur aus Kostengründen Schwarzweißfotos die Regel, die häufig historische Ortsansichten in unversehrtem Vorkriegszustand zeigten und damit das Bild einer von den Zeitläuften unberührten Heimat vermittelten. Vor allem bei den Südosteuropadeutschen, namentlich den Siebenbürger Sachsen, belegen jedoch in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten aktuelle Farbfotos einen regen Kontakt mit der alten Heimat, der in den Werken auch eine über das Jahr 1945 hinausgehende eigenständige Geschichte zugestanden wird. Auch der Einzug des Computerzeitalters erleichterte Bildverarbeitung und -reproduktion und führte zu einem höheren Anteil an Abbildungen in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren. 418 Crossen 1963 [OBR], S. 98.



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Was an Ortsansichten und Gebäuden in den Werken bildlich repräsentiert ist, hing wie schon erwähnt davon ab, welches Bildmaterial überhaupt verfügbar war. Der am häufigsten abgebildete Gebäudetyp sind Kirchen, vor allem bei den Südosteuropadeutschen, doch läßt sich auch hier keine klare Dominanz festmachen. Dennoch kann man davon ausgehen, daß diese Überrepräsentanz mit der Bedeutung der Kirchgemeinden für das soziale Leben der Gemeinschaften zusammenhängt, in Siebenbürgen verstärkt durch die kulturgeschichtliche Bedeutung der mittelalterlichen Kirchenburgen. Häufig ist bei jüngeren Büchern ein aktuelles Farbfoto der – womöglich frisch renovierten – Kirche zugleich das Titelbild.419 Dagegen sind Landschaftsaufnahmen eher selten, ein Befund, der sich auch auf der Textebene widerspiegelt.420 Singulär bleibt das Heimatbuch des oberschlesischen Kattowitz, das seine teuren Tiefdruckseiten mit Fotos von Hochöfen, Gruben und Industrieanlagen füllt.421 Bei solchen von Außenstehenden zunächst als Kuriosa wahrgenommenen Bilderwelten handelt es sich bei näherer Betrachtung um genau das, was den Ort oder Landstrich auszeichnete und von anderen abhob. So wie der Wald und die Bären für das siebenbürgische Kuschma, in dessen Forsten Nicolae Ceauşescu zu jagen pflegte, nur nach gut präparierter Beute, wie das Heimatbuch augenzwinkernd bemerkt und mit Fotos vom Diktator mit Jagdgesellschaft und nicht weniger als vier erlegten Bären illustriert (Abb. 29).422 Doch bei weitem nicht jedes Heimatbuch vermittelt dem Leser einen solch prägnanten Eindruck vom Eigentümlichen des Ortes.

Abb. 29  Nicolae Ceaușescu mit Jagdstrecke

419 So z.B. bei Lenauheim 1982 [RO\Banat], Kleinschenk 1997 [Siebb.], Altgersdorf 2003 [S-N/S], Fratautz 2005 [RO\Buk.]. 420 Kapitel 6.1. 421 Kattowitz 1964 [PL\OS], beispielsweise vier ungez. S. s/w-Abbildungen zwischen S. 64 und 65. 422 Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 201, „Nicolae Ceausescu [sic] als Bärenjäger in Kuschma“, S. 198–202.

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Das kulturelle Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch

Fotos von Einzelpersonen im Heimatbuch, so sie nicht dem Bestand zufällig vorhandener Schnappschüsse entstammten, zeigen bekannte oder verdiente Persönlichkeiten des Ortes, nicht selten auch die Autoren des Buches, die sich auf diese Weise verewigten und ein wenig für ihre Mühen bei der Bucherstellung belohnten.

Mental Maps Ein anderer zentraler und für den Leser durchaus faszinierender Typ von Abbildungen in Heimatbüchern sind handgezeichnete Ortspläne, die sich in zahlreichen Werken finden. Oft sind diese dem Buch sogar als großformatiger Faltplan beigegeben, der herausgenommen werden und so beim Besuch des Ortes idealerweise als Orientierungshilfe fungieren kann. Diese Ortspläne sind häufig kleine detailfreudige Meisterwerke der Zeichen-, ja der naiven Kunst (Abb. 30, 31).423 Sie unterscheiden sich

Abb. 30  St. Florian und Wasserpumpe

Abb. 31  Die Kirche im Dorf

grundlegend von gängigen Stadtplänen und amtlichem Kartenmaterial – ein Ortsfremder hätte Mühe, eine aktuelle Karte des Ortes mit diesen mental maps424 in Übereinstimmung zu bekommen. Doch sagen sie sehr viel aus über die subjektive Bedeutung und symbolische Aufladung des Raumes für die Gruppe seiner ehemaligen deutschen Bewohner. Nicht nur Straßen, Häuser und Verwaltungsgebäude, sondern auch für die Gemeinschaft wichtige Einrichtungen wie die Praxis des Dorfarztes, Kirchen und Schulen, sehr häufig Dorfbrunnen, Druschanlagen, Weinkeltereien, Spritzenhäuser der Feuerwehr, manchmal auch Trafostationen, regelmäßig Wegkreuze, Denkmale, Fluren, Viehweideflächen sowie nicht zuletzt Parks, Flüsse, Seen und Berge sind dar423 Abb. 30: Guldenfurth 1966 [SUD], Kartenbeilage, Ausschnitt mit Heiligensäule des Sankt Florian, dem Schutzpatron der Feuerwehr, und einem Pumpbrunnen. Abb. 31: Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], Kartenbeilage, Ausschnitt mit Kirche und numerierten, namentlich gekennzeichneten Häusern. 424 Christoph Conrad (Hg.): Mental maps, Geschichte und Gesellschaft [Themenheft] 28 (2002), Nr. 3.



Erinnerungsfiguren, Topoi und Diskurse: Tiefenbohrungen im Heimatbuch

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auf verzeichnet. Häufig ist das, was besonders wichtig für die Gruppe war, auf den Karten eben auch besonders hervorgehoben, wie in der Abb. 31 links die Kirche als sichtbarer Mittelpunkt des Ortes und der Gemeinschaft. Eine der bemerkenswertesten Karten ist die des mährischen Guldenfurth. Darauf sind unter Verzicht auf Zentralperspektive und Proportionalität besonders wichtige Elemente übergroß und die für den Zeichner offenbar sehr bedeutsamen Kirchen, Denkmale und Heiligensäulen sowie Bäume, Grünanlagen und Brunnen zudem auch plastisch dargestellt. Nach 1945 zerstörte Häuser sind mit einem Kreuz markiert. Auf einen Blick kann man an der Fülle von Details die zentralen Plätze des Dorfes identifizieren, an denen sich rund um Schule, Kirche, Rathaus, Gerätehaus der Feuerwehr, Tanzplatz und Festplatz das soziale Leben abspielte. Sichtlich der Mittelpunkt der Karte und des Ortes ist das auf dem Festplatz plazierte Kriegerdenkmal, dem die gleiche Größe und symbolische Bedeutung wie der Kirche beigemessen wird (Abb. 32).425

Abb. 32  Tanzplatz, Festplatz, Feuerwehr

In der Regel sind diese Ortspläne nicht genordet, wie sonst auf Karten üblich, sondern so ausgerichtet, wie es der Erinnerung des Zeichners entsprach. Zwar positioniert meist eine Windrose den Ort im geographischen Raum, viel wichtiger ist aber die Relation zur Umgebung, angezeigt durch Wegweiser an den Ausfallstraßen („Straße nach/ von ...“). In kleinen Orten sind diese Pläne zugleich eine Art kartiertes Einwohnerverzeichnis, in dem man anhand der numerierten Häuser die Wohnung jeder (deutschen) Familie nachvollziehen kann: Wer wohnte in einem großen Haus am Markt, wer nur in einem kleinen am Ortsrand? Ganze Nachbarschaften und vielleicht der Grund für manche Eheschließung lassen sich so rekonstruieren. An den Ortsplänen 425 Guldenfurth 1966 [SUD], Kartenbeilage (Ausschnitt).

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zeigt sich jedoch auch, genau wie schon in den Texten, daß die Gemeinschaft der Vertriebenen aus einem Ort, die Zielgruppe der Heimatbücher, stets nur die deutschsprachigen – und christlichen – Einwohner meinte. Auch bei Gegenden, in denen in der Zwischenkriegszeit auch Einwohner anderer ethnischer oder religiöser Herkunft zur örtlichen Gemeinschaft dazugehört oder mindestens Zugang zu ihr hatten, und dies verhielt sich in den Herkunftsregionen der Vertriebenen durchaus unterschiedlich, fand nach der Vertreibung in der Bundesrepublik eine Reduzierung allein auf die (christlichen) deutschen Bewohner statt.

Abb. 33  Haussymbole

Selbst wenn die Autoren, wie vielfach bei südosteuropadeutschen Werken der Fall, sich bemühten, andersnationale Nachbarn im Heimatbuch zu berücksichtigen, sieht man doch an den Ortsplänen, daß diese „Anderen“ zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung für die Gruppe nicht relevant waren, weil sie nicht (mehr) dazugehörten. Dahinter stand nicht notwendigerweise ein bewußter Ausschluß aus der Gemeinschaft, wie man am Ortsplan einer Gemeinde aus der Bukowina sehen kann. Das Heimatbuch des Ortes widmet der rumänischen Bevölkerung des Ortes ein Kapitel, verzeichnet aber auf dem Ortsplan nur deutsche Einwohner namentlich – jüdische und rumänische Nachbarn bleiben Leerstellen, deren Häuser verwaist wirken. Die rumänischen Anwesen sind überdies bemerkenswerterweise kleiner gezeichnet als deutsche und jüdische (Abb. 33). Als an einer Stelle im laufenden Text die Lage eines Cholerafriedhofs im Dorf im 19. Jahrhundert kartiert wird, tauchen zwei der auf dem großen Ortsplan anonymisierten jüdischen Nachbarn namentlich als „Katz“ und „Lewi“ auf (Abb. 34).426

Abb. 34  Anonyme Nachbarn

426 Fratautz 2005 [RO\Buk.], Abb. 33: Kartenbeilage, Legende zum Ortsplan; Abb. 34, linke Bildhälfte: Kartierung Cholerafriedhof, ebd. S. 51, rechte Bildhälfte: Kartenbeilage, Ausschnitt. Auf der rechten Abbildung aus dem Ortsplan ist in der oberen rechten Ecke klein ein „jüdisches Bethaus“ als „N“ eingezeichnet.



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Die Autoren wußten also durchaus noch, wie ihre jüdischen Nachbarn hießen, doch hatten deren Namen nach der Vertreibung im Westen keinerlei Relevanz mehr für die Mitglieder der Heimatortsgemeinschaft. Denn schließlich zählten die ehemaligen jüdischen Nachbarn, falls sie überhaupt noch am Leben waren, nicht zum Zielpublikum eines Vertriebenenheimatbuchs, ebenso wie sie nicht mehr zur Gemeinschaft zählten.

Abb. 35  „Judentempel“

Daß die jüdische Bevölkerung in den Heimatbüchern kartographisch ausgeblendet wird, hat seinen Grund auch darin, daß die Mehrheit der Ortspläne den letzten Stand vor der Vertreibung der Deutschen wiedergibt, als keine Juden mehr im Ort lebten, die auf diese Weise aus der Erinnerung im Kartenbild herausfallen. Manch ein Ortsplan zeugt auch nur unfreiwillig vom Verschwinden der Juden aus der Gemeinschaft, wie der eines böhmischen Straßendorfes, auf dem neben einem Haus die Bezeichnung „Judentempel“ auftaucht. Im Text findet sich weder eine Erklärung noch etwas über Juden am Ort, doch auch in der Liste der Häuser sind Nr. 75–78 (Abb. 35)427 mit dem Hausnamen „vulgo Judentempel“ beschrieben. Ob es sich hier um eine Arisierung im Jahre 1938 oder eine weiter zurückliegende Umnutzung handelt, ist nicht mehr feststellbar, doch der Hausname hat sich im Volksmund erhalten. An der Karte mit dem „Judentempel“ zeigt sich auch ein anderes Phänomen, das bereits anhand der Heimatbuchtexte als charakteristisch für die Werke festgestellt wurde: die Verständnisbarriere für nichteingeweihte Leser. So wenig rekonstruierbar ist, wann der „Judentempel“ zum regulären Wohnhaus und die Juden aus dem Ort vertrieben wurden, so wenig kann der Leser mit den Spitznamen anfangen, die zur Bezeichnung der Häuser und ihrer ehemaligen Bewohner verwendet werden (Abb. 35). Auch beim abgebildeten kunstvollen Ortsplan von Guldenfurth steht der Leser, der nicht aus dem Ort stammt, ratlos vor den verzeichneten Details namens „Wad Teil“, „Schul Lüß“, „Heana-Hüwel“ und „Kreiz-Braten“.428 Die handgezeichneten Ortspläne sind also ebenso oft wie die Texte nur für die Erlebnisgeneration konzipiert und berücksichtigen nicht den floating gap, den Verständnisgraben, den spätere Generationen bei der Erschließung des überlieferten Wissens zu überwinden haben. Ein letzter wichtiger Abbildungstyp, bei dem es sich jedoch streng genommen nicht um Bilder im engeren Sinne handelt, sind reproduzierte Dokumente. Aufgrund der oft mageren Quellenlage, der schlechten Zugänglichkeit von Archiven und der Überliefe427 Meinetschlag 2002 [SUD], S. 168, die Karte zeigt das Dorf Ziernetschlag (tschechisch Bělá). 428 Alles Kartenbeilage zu Guldenfurth 1966 [SUD].

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rungslage für kleine Ortschaften geschuldet, haben Dokumente und Archivalien jeglicher Art einen hohen Stellenwert für die Heimatbuchautoren. Bei der Auswahl der in den Werken reproduzierten Dokumente gibt es zwei epochale Schwerpunkte: Die Ansiedlungszeit, sofern für die Region relevant, und die Vertreibung. Ansiedlungspatente, Ansiedlerlisten und Urbare haben großen Wert für die Darstellung des fundierenden Mythos der „Besiedlungsgeschichte“, überdies sind sie eine wichtige Quelle genealogischer Forschung. Die Dokumente zur Vertreibung der deutschen Einwohner stammen vielfach aus persönlichem Besitz: Umsiedlerausweise, aufbewahrte Transportaufforderungen, aber auch Dokumente aus Archiven und Literatur werden reproduziert, nicht immer mit klarer Herkunftsangabe. Im jeweils letzten Jahrzehnt noch von der Erlebnisgeneration getragener Heimatbuchpublikation treten in „reichs-“ und sudetendeutschen Werken diese Reproduktionen fast an die Stelle eigenständiger Texte, weil die mündliche Überlieferung durch den Generationenwechsel schon annähernd weggebrochen ist. Diese „zu spät gekommenen“ Werke drucken, teils seitenweise, teils wahllos, Archivalia aus mittlerweile leicht zugänglichen Archiven ab und wandeln sich damit vom Erinnerungsbuch zur wilden Quellenedition, bei massiv steigendem Anteil an Dokumentation in den letzten beiden Publikationsjahrzehnten. Die Bilderwelten der Heimatbücher sind vielgestaltig, aber sie lassen nur in wenigen Fällen generalisierende Rückschlüsse auf die von den Autoren vertretenen Sichtweisen oder allgemein auf die Erinnerungsarbeit der Vertriebenen zu. Weil zahlreiche externe Faktoren die Anzahl und Auswahl der Abbildungen bestimmten, taugen die Bilder nur in beschränktem Maße als Quelle. Trotzdem lassen sich viele an den Texten der Werke gewonnenen Befunde anhand der Abbildungen bestätigen und konkretisieren. Dazu zählt die Beschränkung der Werke auf die ehemaligen deutschen, nichtjüdischen Einwohner des Ortes als Zielpublikum ebenso wie die Darreichung des in den Werken gespeicherten Wissens als für den Nichteingeweihten schwer erschließbares Insiderwissen. Doch selbst rein impressionistisch vermitteln viele Werke trotz der ganz unterschiedlichen Bebilderung einen lebhaften Eindruck von regionalen Besonderheiten der alten Heimat, und sei es mit Hilfe von Familienfotos und Schnappschüssen. Nicht zuletzt die handgezeichneten mental maps erzählen auch dem Nichtmitglied der Gruppe viel über die symbolische Topographie der verlorenen Heimaten.

6.4  Fazit Die untersuchten Heimatbücher spiegeln deutlich den Geist der Zeit wider, in der sie entstanden sind. Viele der immer wiederkehrenden Topoi sind integrale Bestandteile der Vertriebenenpublizistik und -rhetorik, zu der die Vertriebenenheimatbücher gehören.429 Mithin finden sich die schärfsten Töne oft in den Vorworten, die meist Funktio429 Zwei Autoren, die aus jeweils spezifischer Außenperspektive und in unterschiedlichen Zeiträumen die Vertriebenenpresse untersuchen, finden dort die gleichen Topoi wie in den Heimatbüchern. Die Amerikanerin Brenda Dale Melendy konstatiert in ihrer Studie zu den Sudetendeutschen (In Search



Fazit

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näre der Verbandsebene beisteuerten. Auch daß die Formulierungen sich vielfach so sehr gleichen, weist darauf hin, daß es einen Gesamtdiskurs gibt, aus dessen Repertoire diese Aussagen sich speisen – und daß der Diskurs auf Verbandsebene sehr viel stärker politisiert war und noch ist als das an sich unpolitische Heimweh. Gerade daher stellt sich die Frage, wieso die Befunde bei den Vertriebenengruppen so unterschiedlich sind, wieso – um die beiden Extreme zu nennen – die Südosteuropadeutschen ihren ehemaligen andersnationalen Nachbarn die Hand zur Versöhnung reichen, während die Sudetendeutschen sich bis heute in eine sich stetig verschärfende Sicht auf die deutsch-tschechischen Beziehungen steigern. Man könnte einwenden, daß eben die Geschichten der einzelnen Vertriebenengruppen sehr unterschiedlich sind und offenbar zum Beispiel die Sudetendeutschen bei und auch schon vor der Vertreibung so problematische Erfahrungen mit ihren tschechischen Nachbarn gemacht haben, daß der Schritt zum Dialog bis heute zu groß erscheint. Ich denke jedoch, daß die Erklärung anderswo zu finden ist. Auch ohne direkte Vergleiche anzustellen, kann man sagen, daß beispielsweise die Deutschen aus Jugoslawien traumatische Erfahrungen mit und vor ihrer Vertreibung gemacht haben;430 dies hindert jedoch keines der untersuchten jugoslawiendeutschen Heimatbücher daran, zwischen Tätern und Nachbarn zu unterscheiden und den Dialog anzustreben. Entscheidend scheinen mir nicht die tatsächlichen Vertreibungserfahrungen in einer pseudoobjektiven Meßbarkeit (zwischen „schlimm“ und „weniger schlimm“), sondern der Umgang damit im gemeinschaftlichen, Erinnerung konstituierenden und festschreibenden Diskurs. In den landsmannschaftlichen Gruppendiskursen, die sich in den Heimatbüchern manifestieren, sind dabei deutliche diskursive Cluster auszumachen. So geht in den Werken die Reflexion der eigenen Rolle in der Geschichte mit einer dialogischen und unpolemischen Haltung einher, in der Rückschau auf das Leben vor Ort ebenso mit einer gesteigerten Wahrnehmung anderer ethnischer Gruppen, mithin auch dem Schicksal der verfolgten jüdischen Nachbarn. Daneben führt die persönliche Begegnung mit den neuen Bewohnern der alten Heimat in den Heimatbüchern häufig zu einer Revision festgefügter Stereotype, während umgekehrt die unkritische Übernahme von Positionen, Topoi und Denkmustern aus dem Repertoire des politisch aufgeheizten Verbandsdiskurses dem Dialog entgegenzustehen scheint. Insbesondere bei den Sudetendeutschen kann man beobachten, daß die ausgebliebene of Heimat) u.a. Ausblendung des Holocausts (S. 45), Opfervergleiche (S. 46), Betonung der deutschen Leistung bei der Kolonisation (S. 76), superlativische Darstellung des eigenen Leids (S. 127), Behauptung einer deutschen kulturellen Überlegenheit (S. 132) sowie die Rede von der Vertreibung als Holocaust (S. 141–144). Bernhard Fisch, ehemaliger DDR-Bürger und selbst Vertriebener, engagierte sich nach der Wende im BdV und schildert seine Probleme mit dessen Positionen, wobei er vorwiegend die ostpreußische Vertriebenenpresse zugrundelegt, Bernhard Fisch: „Wir brauchen einen langen Atem.“ Die deutschen Vertriebenen 1990–1999. Eine Innenansicht, Jena u.a.: Neue Literatur 2001. Er bemerkt u.a. Ausblendung des Nationalsozialismus (S. 33f.), Glorifizierung der Wehrmacht (S. 109) und die Behauptung deutscher Kulturleistung sowie im Gegenzug vermeintlicher slawischer Minderwertigkeit (S. 110f.). 430 Wehler: Nationalitätenpolitik.

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Aufarbeitung der eigenen Verantwortlichkeit im Nationalsozialismus weitere Blockaden und Verdrängungsprozesse zeitigt, die sich in den Werken in Form von ungeprüft übernommenem NS-Vokabular und entsprechendem Gedankengut oder dem Beschweigen bzw. der nur verklausulierten Darstellung des Holocaust äußern. Weiterhin ist bemerkenswert, daß vor allem solche Vertriebenengruppen, deren Position innerhalb der Verbände im weitesten Sinne „randständig“ ist, in ihren Heimatbüchern am ehesten differenziert und am wenigsten polemisch sind: Deutsche aus Polen, die Südosteuropadeutschen oder ein ostbrandenburgischer Grenzkreis zu Polen. Die Rückkehr polnischer „Volksdeutscher“, von Donauschwaben oder Siebenbürger Sachsen in ihre alte Heimat konnte keine Forderung der Vertriebenenverbände sein, deren Revisionismus öffentlich nur selten hinter das Potsdamer Abkommen zurückreichte.431 Die Heimat und Vertreibung der „Volksdeutschen“ wurde daher auch nie zum rhetorischen Hauptkampfplatz der Verbände. Auch weil sie in der Gesamtheit der deutschsprachigen Vertriebenen eine zahlenmäßig kleine Gruppe waren, blieben sie innerhalb der Verbände immer gleichsam am Rande.432 Wie man an ihren Heimatbüchern sehen kann, waren und sind zum Beispiel die Südosteuropadeutschen insgesamt in weit geringerem Maße Teil des politisierten Verbandsdiskurses oder haben innerhalb dessen einen eigenen Diskurs entwickelt, der viel weniger von scharfer politischer Rhetorik geprägt ist. Die These, daß sich die Identität der Vertriebenen wesentlich durch das Erlebnis der Vertreibung konstituiert, impliziert keineswegs eine Entkopplung ihrer Identitätskonstruktion nach 1945 von jeglicher historischer Erfahrung vor 1945. Doch der Vergleich des Umgangs mit Vertreibungserfahrung zeigt, daß es nach der Vertreibung verschiedene Optionen für eine Bewertung der Vergangenheit gab: Bei den Südosteuropadeutschen überwog rückblickend ihr historisch positiver Erfahrungsschatz mit andersnationalen Nachbarn das Leid der Vertreibung und ließ sie dieses als historisch präzedenzloses Negativereignis ansehen, während sich die Sudetendeutschen – wenigstens in ihren Heimatbüchern – für eine insgesamt negative Bewertung der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte mit der Vertreibung als Kulminationspunkt entschieden. Im Prozeß der Erinnerungsarbeit gehen historische Erfahrung und gegenwärtige Bedingungen eine komplexe Symbiose ein, bei der jedoch der Bezugsrahmen der Ge431 Vereinzelt stellten die Sudetendeutsche und die Landsmannschaft Oberschlesien auch Forderungen, die über die Revision der in Potsdam festgelegten Nachkriegsgrenzen hinausgingen, Lotz: Deutung, S. 153. 432 Dieser These entspricht die 2007 erfolgte Umbenennung der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in „Verband der Siebenbürger Sachsen“: Siebenbürger Sachsen beschließen grundlegende Neuerungen, in: Siebenbürgische Zeitung vom 05.11.2007, (11.08.2008). Bei ihrer Gründung am 26. Juni 1946, damals noch gemeinsam mit den Banater Schwaben, hieß die Selbstvertretung schon einmal „Verband der Siebenbürger Sachsen“, wurde jedoch 1950 in Anlehnung an die „ostdeutschen“ Landsmannschaften umbenannt.



Fazit

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genwart bestimmt, was und in welcher Weise erinnert und als Erinnerung dargestellt wird. „Nur bedeutsame Vergangenheit wird erinnert; nur erinnerte Vergangenheit wird bedeutsam“, so Jan Assmann. Was an der Vergangenheit jedoch bedeutsam und damit erinnernswert ist, wird in der sie rekonstruierenden Gegenwart entschieden: „Die Vergangenheit [...] entsteht überhaupt erst dadurch, daß man sich auf sie bezieht.“433 Nach Maßgabe dieser Gegenwart „vergessen“ die Sudetendeutschen die positiven Momente der deutsch-tschechischen Beziehungsgeschichte und heben die Südosteuropadeutschen die guten Erfahrungen mit ihren andersnationalen Nachbarn hervor, blenden „Reichs-“ und Sudetendeutsche den Nationalsozialismus aus, „übersehen“ die Juden in ihrem Heimatort und erinnern sich an den Krieg eigentlich erst seit Ende 1944. Es wäre wenig konstruktiv, dieses Vergessen, Weglassen und Nichtreflektieren als bewußten Akt des Verschweigens zu bezeichnen. Es ist schlicht der Prozeß, der Erinnerung konstituiert und aus ihr Vergangenheit macht: „Wenn ein Mensch – und eine Gesellschaft – nur das zu erinnern imstande ist, was als Vergangenheit innerhalb der Bezugsrahmen einer jeweiligen Gegenwart rekonstruierbar ist, dann wird genau das vergessen, was in einer solchen Gegenwart keinen Bezugsrahmen mehr hat.“434 Setzt man statt „Gesellschaft“ die Gruppe der Vertriebenen ein, paßt dies exakt auf die Erinnerungs- und Identitätskonstruktion der Vertriebenen im Heimatbuch. Wobei sich jedoch zeigt, daß der jeweilige Bezugsrahmen keine starre, unverrückbare Institution einer höheren Ordnung ist, sondern von der Gruppe selbst gesetzt wird. Jedoch waren die Heimatbuchautoren und -rezipienten beileibe nicht die einzigen Akteure in diesem komplexen Prozeß der Konstruktion von Erinnerung. Da sich die meisten Vertriebenen hinsichtlich ihrer spezifischen Erfahrungen von der Gesamtgesellschaft nicht adäquat vertreten fühlten, orientierten sich zumindest die organisierten unter ihnen, und dazu gehörten die meisten Heimatbuchautoren, an ihrer eigenen Gruppe und deren politischer Vertretung. Ihr Referenzrahmen war daher nur in weiteren Kontexten derjenige der Gesamtgesellschaft. Die Vertriebenenverbände orientierten sich wiederum am Referenzrahmen der bundesrepublikanischen Gesellschaft und Öffentlichkeit, was man beispielsweise an ihrer Reaktion auf die veränderten Schwerpunktsetzungen zum NS-Opferdiskurs ablesen kann. Die im Heimatbuch verbindlich niedergeschriebenen Erinnerungen richteten sich also größtenteils an den Diskursen der Verbände aus. Daß die Verbände sehr genau um ihre wichtige Rolle innerhalb dieses Konstruktionsprozesses wußten und sie auch gezielt gestalteten, belegen zahlreiche Maßnahmen zur Kanonisierung der Individual- und Gruppenerinnerungen. Volker Zimmermann beschreibt die aktive Geschichtspolitik in der Öffentlichkeitsarbeit der Sudetendeutschen Landsmannschaft,435 die bis hin zum historical engineering in Form geschickt lancierter historischer Fälschungen reichte und zu einem geschlossenen Geschichtsbild der organisierten Sudetendeutschen führte. Christian Lotz belegt für die Landsmannschaft Schlesien, daß diese ihre finanzielle Förderung kleiner Hei433 Assmann: Gedächtnis, S. 77, 31. Hervorhebungen im Original unterstrichen. 434 Ebd., S. 36, in Anlehnung an Maurice Halbwachs sowie Erving Goffmans Begriff der „frames“. 435 Zimmermann: Geschichtsbilder.

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matortsgruppen an politische Inhalte und der Verbandslinie gemäße Geschichtsbilder koppelte und damit für eine Vereinheitlichung der Erinnerung sorgte.436 Auch wenn solches Gebaren für andere Landsmannschaften (noch) nicht nachgewiesen ist, kann man davon ausgehen, daß mehr oder weniger bei jeder Vertriebenenvereinigung eine ähnliche interessengeleitete Steuerung der Erinnerungen, Geschichtsbilder und Deutungen stattfand. Nicht nur auf der direkten Ebene von gezielter Öffentlichkeitsarbeit und Zuwendungen, sondern auch indirekt durch in den Medien der Landsmannschaften verbreitete Darstellungen und Deutungen formten die verbandsmäßigen Organisationen das Bild, das sich ihre einzelnen Mitglieder von ihrer eigenen Geschichte machten, und die Art, wie sie Erinnerungen rückblickend herstellten. In der Summe schufen die Landsmannschaften, der BdV und sonstige Vereinigungen einen bestimmten Diskurs über Vertreibung, Heimatverlust und die Räume der alten Heimat, der das prägte, was auf der Ebene kleiner und kleinster Heimatgruppen Eingang in die Heimatbücher fand. Das Ausmaß und die Durchsetzungsfähigkeit dieses Diskurses war jedoch je nach Landsmannschaft sehr unterschiedlich, wie man an den Heimatbüchern sehen kann. Einzelne Landsmannschaften, wie die Schlesier und Sudetendeutschen, arbeiteten sehr intensiv an der Vereinheitlichung der Erinnerung, der Verdichtung des Diskurses zu einem Kanon, von dem es kaum ein Abweichen geben sollte. Bei anderen wiederum, wie den Südosteuropadeutschen und den Deutschen aus Polen, gab es offenbar auf Verbandsebene keinen so scharf durchpolitisierten Diskurs respektive diesem und der Landsmannschaft selbst fehlte die zwingende Durchsetzungskraft. Es gibt wenig Grund zur Annahme, daß die Südosteuropadeutschen oder die in der Landsmannschaft Weichsel-Warthe organisierten Deutschen aus Polen ihren Verbänden weniger nahegestanden und weniger von den dort offerierten Geschichtsbildern und Deutungsmustern übernommen hätten. Doch verfügten deren Organisationen offenbar über einen schlechteren diskursiven Wirkungsgrad bei ihren Mitgliedern. Wie sich am Beispiel der Jugoslawiendeutschen zeigt, gab es durchaus Versuche, auch bei „volksdeutschen“ Landsmannschaften die Darstellung der Vertreibung als eine an die Vernichtung der europäischen Judenheit angelehnte Erzählung zu etablieren – unter Verwendung der Begriffe „Vernichtungslager“, „Endlösung“ und „Holocaust“. An den jugoslawiendeutschen Heimatbüchern läßt sich jedoch feststellen, daß dies sich nicht bis auf die Ebene der Heimatbuchautoren durchsetzen ließ. Vermutlich liegt der Schlüssel zum Verständnis der großen landsmannschaftlichen Unterschiede in den Heimatbüchern vor allem in der Position der Gruppierungen im Verbund des BdV. Je zahlenmäßig größer, aber auch für die politische Argumentation wichtiger die Gruppe war, desto mehr ruhte die Aufmerksamkeit der BdV-Politiker auf ihr. Daß ausgerechnet Schlesier und Sudetendeutsche, die beiden größten Gruppen unter den Vertriebenen in der Bundesrepublik, nachweislich von ihren Landsmannschaften besonders erfolgreich auf Linie gebracht wurden, erscheint hierbei nur folgerichtig.

436 Lotz: Deutung, S. 140–150.



Fazit

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Auf den ersten Blick wirkt die Erkenntnis ernüchternd, wie wenig individuell und wie stark von der Ausrichtung der jeweiligen Gruppe die Inhalte der Heimatbücher geprägt erscheinen. Letztlich belegt dies jedoch überzeugend, daß die Konstruktion von Erinnerung ein gemeinschaftlicher Prozeß ist, der sich am für die Gruppe maßgeblichen Referenzrahmen ausrichtet. Inwieweit eine Gruppe innerhalb dieses Konstruktionsprozesses in der Lage war, die Politisierung und Kanonisierung ihrer Erinnerung durch die eigene Selbstvertretung zu verweigern oder wenigstens aufzuweichen, ist eine berechtigte Frage. Die Antwort muß notgedrungen spekulativ ausfallen. Vergleichbare Studien wie die zu den Landsmannschaften der Schlesier und Sudetendeutschen fehlen bisher für andere Gruppen. Eine mögliche Korrelation der ganz unterschiedlichen Haltungen der Heimatbücher mit einer entsprechenden Steuerung der Erinnerungskonstruktion auf Ebene der Verbände ist daher nicht für alle Landsmannschaften nachprüfbar. An den Heimatbüchern läßt sich aber zumindest feststellen, daß mit dem schleichenden öffentlichen Bedeutungsverlust der Vertriebenenverbände die in den Werken vertretenen Haltungen und Geschichtsbilder – mit Ausnahme der Sudetendeutschen – deutlich vielstimmiger werden. Insofern spricht vieles für die These, daß Bindungskraft, Organisationsgrad und der Wille zur Durchsetzung bestimmter Sichtweisen bei den Verbänden unmittelbare Auswirkungen auf die Heimatbücher hatten. Ihre Politisierung und Vereinheitlichung war jedoch auch eine Instrumentalisierung der Erinnerung und Erfahrung jedes Einzelnen. Die Vertriebenen waren in dieser Hinsicht nicht viel mehr als ein Spielball der Politik ihrer Verbände, deren Linie sie mit ihrer erfolgreich konstruierten gemeinsamen Haltung stützen sollten. Schon zeitgenössisch führte dies, wie Christian Lotz überzeugend zeigt, in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre zu steigendem Desinteresse der bundesdeutschen Bevölkerung an vertriebenenpolitischen Themen und am deutschen Kulturerbe in Ostmitteleuropa insgesamt – letzteres Feld überließ man den Verbänden völlig kampflos zur genehmen Inanspruchnahme für eigene Zwecke.437 Das Desinteresse steigerte sich so ab Mitte der 1960er Jahre gar zu einer breiten „Front der Ablehnung“ gegen die Verbände.438 Auf der Ebene der Heimatbücher manifestiert sich die Instrumentalisierung der Erinnerung in einer für den unbeteiligten Leser völlig ungenießbaren Kontaminierung vieler Heimatbücher „reichs-“ und sudetendeutscher Provenienz mit zeitgenössischer Verbandsrhetorik. Ob Anklänge an Blut-und-Boden-Mystik, Beschwörung von Kampfgeist und Volksgemeinschaft, Schmähungen gegen Nachbarvölker oder das allfällige Totschweigen von Nationalsozialismus und Judenvernichtung – all dies vergällt im wahrsten Sinne des Wortes heute die Lektüre zahlreicher Werke und macht eine wie auch immer geartete Identifikation mit der Traditionslinie, die diese Werke eigentlich weitergeben wollten, so gut wie unmöglich. Die Tradierung von Wissen und Identität im Medium Heimatbuch wird so in letzter Konsequenz durch die eigenen Gruppenorganisationen vereitelt, die bis heute Bundesmittel beispielsweise für 437 Lotz: Deutung, S. 201–208. 438 Ebd., S. 213.

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die „Pflege des Kulturgutes der Vertriebenen“ erhalten.439 Diese Paradoxie hat wiederum letztlich ihren Ursprung in der politischen Inanspruchnahme der Verbände selbst durch die bundesdeutsche Politik bis mindestens zu den Ostverträgen 1970 und erneut unter der Regierung Kohl bis zur Wiedervereinigung. Die Integration der Vertriebenen war eine soziale und wirtschaftliche Notwendigkeit, aber die Politik wollte die Vertriebenen auch als Wählergruppe hofieren und als Faustpfand im Kalten Krieg bereithalten.440 Daher waren die Regierungen vor Willy Brandt stets bemüht, die „Wunde offenzuhalten“, die Hoffnungen der Vertriebenen auf Rückkehr und Grenzrevision am Leben zu erhalten. Außenpolitisch bedeutete dies die Verschleppung einer möglichen Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn, innenpolitisch führte es schließlich dazu, daß die Vertriebenenverbände sich politisch immer weiter nach rechts bewegten. „Dishonesty“ nennt Pertti Ahonen diese Haltung, und es geht wohl nicht zu weit, dies mit Unehrlichkeit oder gar Verlogenheit zu übersetzen.441 Denn auf diese Weise entstand in der Bundesrepublik eine finanzielle und politische Förderung der Vertriebenenverbände, die unter dem Etikett „Identität und Kulturerbe bewahren“ dieselben zum politischen Werkzeug machte. Bis heute akzeptiert die Politik gegen alle Faktizität die Verbände als Vertretung aller Vertriebenen, nicht zuletzt weil sie selbst an der Marginalisierung dieser Organisationen am rechten Rand des politischen Spektrums nicht unbeteiligt war. Das Kulturerbe der verlorenen Heimatregionen für kommende Generationen zu bewahren und ins gesamtdeutsche Gedächtnis zu überführen, sollte das Ziel der Förderung der Vertriebenenverbände sein. Das Ergebnis war jedoch die Verdrängung dieses Kulturerbes in die hinterste Ecke des kulturellen Gedächtnisses der Bundesrepublik, aus der es heute nur mühsam und unter großen diskursiven Anstrengungen442 wieder hervorgeholt werden kann. Auch die Heimatbücher erweisen sich dabei nicht als geeignetes Tradierungsmedium für das kulturelle Gedächtnis der Gruppe und ihrer verlorenen Heimat, als das ihre Autoren sie konzipiert hatten, eben weil die Erinnerungsrekonstruktion in ihnen nur von der Gegenwart her stattfinden konnte. 439 § 96 BVFG. Während der Titel des Paragraphen, in der Erstfassung von 1953 ebenso wie in der aktuellen „Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 2007 (BGBl. I S. 1902), geändert durch Artikel 19 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840)“, (21.11.2008) von „Pflege des Kulturguts der Vertriebenen“ spricht, ist in dessen Text vom „Kulturgut der Vertreibungsgebiete“ die Rede, so daß im Zweifelsfall beides geltend gemacht werden kann. Überdies erhielten und erhalten die landsmannschaftlichen und politischen Vertriebenenvereinigungen Mittel aus zahlreichen anderen Quellen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sowie aus verschiedenen Vertriebenen- und Kulturstiftungen, die hier aufzuführen zu weit gehen würde. 440 Verbitterung darüber aus der Perspektive eines Vertriebenenpolitikers: Herbert Czaja: Unterwegs zum kleinsten Deutschland? Mangel an Solidarität mit den Vertriebenen. Marginalien zu 50 Jahren Ostpolitik, Frankfurt/M.: Knecht 1996. 441 Ahonen: After the Expulsion, S. 276–278. 442 Dazu zählt die ausufernde, mittlerweile etwas abgekühlte Diskussion um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“, aber auch die andauernden deutsch-polnischen Spannungen und Mißverständnisse als Ganzes ebenso wie die Debatten um die sogenannten Beneš-Dekrete, die das deutsch-tschechische Verhältnis belasten.



Fazit

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Die Politik der „offengehaltenen Wunde“ erschwerte nicht nur auf politischer und gesellschaftlicher, sondern auch auf ganz individueller Ebene eine Trauerarbeit über den erlittenen Verlust, ein ehrliches Abschiednehmen vom Verlorenen und damit eine allmähliche Verarbeitung des Traumas des Heimatverlusts. An den Südosteuropadeutschen, die schon bald nach der Vertreibung ihre alte Heimat als „unwiederbringlich verloren“ bezeichnen konnten, weil ihnen niemand das Gegenteil suggerierte, kann man den positiven Effekt der Einsicht in die Realitäten deutlich wahrnehmen. Aber auch solchen „reichsdeutschen“ Werken, deren Autoren bei der Begegnung mit den jetzigen Einwohnern ihrer alten Heimat ihre mitgebrachten Vorurteile revidierten, merkt man die heilsame Wirkung der Einsicht in die Unumkehrbarkeit von Geschichte an.

7.   Schlußbemerkungen Das Gedächtnis der Vertriebenen im Heimatbuch In den Heimatbüchern der Vertriebenen geht es, und dies ist vielleicht mit das überraschendste Ergebnis, sehr viel weniger als man annehmen könnte um die Vertreibung selbst. Es geht viel mehr und vor allem um das Leben davor, und um dieses Leben in allen seinen Facetten, sowohl historisch als auch im Erinnern der Zeitgenossen. Innerhalb dieser Gesamtheit des Lebens in der alten Heimat stehen soziale Formen der Vergemeinschaftung an oberster Stelle: Schule, Vereine, freiwillige Feuerwehr, Sport, Genossenschaften, Gesundheitswesen, aber auch das kirchliche Gemeindeleben. Diese im Vergleich mit Heimatbüchern vor der Vertreibung überproportional stark vertretenen Themen deuten auf das hin, was Heimat im Angesicht ihres Verlusts vor allem andern ausmachte: ein stabiles soziales Gefüge, das für Identifikation und Geborgenheit stand und mit der Vertreibung aufhörte zu existieren. Heimat, so kann man angesichts der Heimatbücher der Vertriebenen und in Übereinstimmung mit Heiner Treinens Studie zur symbolischen Ortsbezogenheit konstatieren, ist in erster Linie der soziale Raum.1 Daß es den Heimatbüchern nur marginal um das Erlebnis der Vertreibung und die Erinnerung daran geht, ist angesichts des gegenwärtigen Bildes der Vertriebenen keine unwichtige Erkenntnis. Heute werden in den Medien, aber auch von den Vertriebenenverbänden die Vertriebenen meist auf das Erlebnis der Vertreibung als konstitutivem Faktor ihrer Identität reduziert. Ihre Lebensleistung allein auf eine Opferrolle zurechtzustutzen, bedeutet jedoch ihre erneute politische Instrumentalisierung – denn nur mit der Opferkarte, so scheint es, lassen sich heute noch innen- und außenpolitische Forderungen stellen. Erst in den 1980er Jahren fand in den Heimatbüchern einiger Vertriebenengruppen dann doch eine Verschiebung hin zur Vertreibung als neuem Gründungsmythos statt, die offenkundig zugleich Adaption an das mediale Image und Auflösungserscheinung der Gruppe ist, denn sie geht einher mit der Erosion der Form der Werke und auch der Erinnerung selbst, noch bevor sie im Buch festgehalten werden konnte. Die Gesamtschau auf die Heimatbücher aller Vertriebenengruppen liefert einen weiteren wichtigen Befund: Die Vertriebenen gibt es nicht und hat es nie gegeben. Hier von einer einheitlichen Gruppe zu sprechen, erweist sich als ein lediglich nützliches, aber wenig substantielles Konstrukt von Medien, Politik und Interessenverbänden. Ebensowenig kann man von der Erinnerungskultur der Vertriebenen sprechen. Es gibt lediglich einzelne landsmannschaftliche Gruppen mit an den Heimatbüchern 1 Treinen: Symbolische Ortsbezogenheit. Lehmann: Im Fremden, S. 96, gewann in lebensgeschichtlichen Interviews mit Vertriebenen und deren Familien eine ganz ähnliche Erkenntnis: „Wichtig sind die Erinnerungen an die Verwandtschaft und Bekanntschaft. Heimat wird ganz deutlich als Geflecht von Beziehungen zu vertrauten Menschen erinnert.“



Schlußbemerkungen

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handfest nachvollziehbaren, je eigenen und gut voneinander unterscheidbaren Gruppengedächtnissen, fundierenden und regionalen Mythen, Selbst- und Fremdbildern. So lassen sich die Heimatbücher grob in drei unterschiedliche Arten des Umgangs mit der Vertreibung und dem Leben davor unterteilen. Dabei zeigen sich auch Gemeinsamkeiten zwischen Gruppen, die man vielleicht in dieser Form nicht unbedingt erwartet hätte, etwa zwischen den ehemaligen deutschen Minderheiten in Polen und in Südosteuropa, die alle die Tradition des guten Zusammenlebens mit ihren andersnationalen Nachbarn betonen, die erst der Zweite Weltkrieg zerstört habe. Die Sudetendeutschen und die Landsmannschaften aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sind die beiden anderen, in ihren Heimatbüchern je eigenen Gruppen, die sich bezeichnenderweise in bestimmten Aspekten der Erinnerungskonstruktion stärker als die ehemaligen „Volksdeutschen“ an bundesdeutsche Diskurse anlehnen, zum Beispiel in der Darstellung von Nationalsozialismus, Zweitem Weltkrieg und Holocaust. Daß diese teils gravierenden Unterschiede der Herkunftsgruppen öffentlich kaum wahrgenommen werden, zeigt auch, wie wenig wir eigentlich über die Vertriebenen wissen. Eine der wohl spannendsten und komplexesten Forschungsfragen ist die Genese dieser gruppenspezifischen Diskurse. Wie läßt sich erklären, warum sudetendeutsche Heimatbücher so ganz andere Deutungsmuster transportieren als etwa donauschwäbische? Es liegt zunächst nahe, hier auf unterschiedliche Erfahrungen und Traditionen vor der Vertreibung zu verweisen und diese als konstitutiv für die Erinnerungsrekonstruktion der Nachkriegszeit anzunehmen. Jedoch zeigt sich gerade an den sudetendeutschen Heimatbüchern, daß man keineswegs von einer Kontinuität von Vor- und Nachkriegszeit sprechen kann, daß im Gegenteil die „typisch sudetendeutschen“ Elemente erst in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre im Heimatbuch manifest wurden, während die Werke zuvor, ähnlich denen der Deutschen aus Südosteuropa oder Polen, das Gewicht eher auf ein Miteinander der Nationalitäten legten. Zumindest was die Sudetendeutschen anbetrifft, kann man also mit Fug und Recht sagen, daß der bestimmende Faktor der gruppenspezifischen Diskurse in der Nachkriegszeit liegt, und es gibt gute Gründe, dies auch für die Erinnerungskonstruktion der Vertriebenen insgesamt anzunehmen. So läßt sich beobachten, daß die Diskussion im Dachverband der siebenbürgisch-sächsischen Heimatortsgemeinschaften Anfang der 1990er Jahre, mitsamt der Empfehlung, auch schwierige Phasen der Geschichte, zumal die NS-gesteuerte „Volksgruppenführung“ während des Zweiten Weltkriegs, nicht auszusparen, sich umgehend in den Heimatbüchern niederschlug, die ab diesem Zeitpunkt das Thema durchweg differenziert und ausführlich aufgriffen. Man kann daher davon ausgehen, daß die Inhalte und Deutungen der Heimatbücher von Gruppendiskursen der Nachkriegszeit bestimmt wurden, die jedoch ganz unterschiedlich stark verdichtet und innerhalb der Gruppe in sehr verschiedenen Graden der Verbindlichkeit durchgesetzt waren und sind. Abhängig davon, wie stark die landsmannschaftlichen Organisationen „ihre“ Landsleute auf bestimmte Geschichtsbilder und Interpretamente einschwören konnten, zeigt sich ein mehr oder weniger geschlossener Kanon, den bei besonders erfolgreicher Diskursverdichtung jedes Heimatbuch

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als Standardrepertoire enthält und der gewissermaßen ihr Paßwort und Mitgliedsausweis ist. Wer zu „uns“ gehört, erzählt die „richtigen“ Geschichten,2 so könnte man sagen, und die Heimatbücher sind ein Ort, an dem diese fundierenden Mythen ausgebreitet, wiederholt und verfestigt werden. Bei den Sudetendeutschen – dem diskursiven Extremfall unter den Vertriebenen – sind diese Geschichten bis heute normativ und dulden weder Varianten noch Ergänzungen, während sich bei den „reichsdeutschen“ Landsmannschaften der Griff der normativen Deutungshoheit seit den 1970er Jahren sukzessive lockerte und bei den „Volksdeutschen“ ganz andere Erzählungen den Ton bestimmen. Diese Gruppendiskurse setzen sich oft vom gesamtgesellschaftlichen Diskurs der Bundesrepublik ab oder sind insofern gruppenspezifisch, als es zu bestimmten Themen, auch in Folge des von Christian Lotz beschriebenen erinnerungspolitischen Sogs, gar keinen bundesdeutschen Diskurs gab. Warum Elemente des Diskurses der Umgebungsgesellschaft entweder übernommen oder durch eigene Erzählungen ersetzt wurden, war unter anderem wiederum vom Organisations- und Wirkungsgrad der Verbandslinie abhängig. Die Spannweite der Abweichung vom gesamtgesellschaftlichen Diskurs läßt sich am Beispiel des Umgangs mit dem Holocaust im Vertriebenen- wie im westdeutschen Heimatbuch ermessen. Schon 1964, Jahrzehnte vor der bundesdeutschen Lokalgeschichtsschreibung, gedachten die Autoren eines jugoslawiendeutschen Heimatbuchs ihrer ermordeten jüdischen Nachbarn, namentlich und als Individuen. Als auch bundesdeutsche Heimatbücher in den 1990er Jahren vermehrt jüdische Anteile in ihre Ortsgeschichte einbezogen und Nationalsozialismus und Shoah reflektierten, führte dies jedoch nicht durchweg zu Vergleichbarem im Vertriebenenheimatbuch. Im Gegenteil: Als die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bis auf die Ebene der Lokalgeschichte etwa im schwäbischen oder bayerischen Heimatbuch vorgedrungen war, bemühten sich viele „reichs-“ und sudetendeutsche Heimatbuchautoren erst recht verstärkt um ihre Selbststilisierung als Opfer des Zweiten Weltkriegs. So lassen sich die Ergebnisse der Arbeit auch als Beitrag zur Quellenkunde nutzen, die das Heimatbuch als Quelle für eine ganze Palette möglicher weiterer Forschungen erschließt. Mit den herausgearbeiteten gruppenspezifischen und gruppenübergreifend für die Vertriebenenheimatbücher typischen Eigenarten formaler und inhaltlicher Natur lassen sich Heimatbücher aller Herkunftsregionen leichter verstehen und einschätzen. Wer ein Heimatbuch zur Hand nimmt, kann die darin enthaltenen Topoi und 2 Lemberg: Geschichten und Geschichte: „Ja, man muss unter Betroffenen das richtige Wort gebrauchen, und man muss auch die richtigen Geschichten erzählen. Wer z.B. vor einem sudetendeutschen Publikum das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit zu deuten unternimmt, und sei es auch noch so verallgemeinernd, und erwähnt dabei nicht expressis verbis das Datum des 4. März 1919 (also jene verhängnisvollen Schießereien mit mehr als 50 Todesopfern), dem wird recht verlässlich aus dem Publikum die Frage gestellt, warum man dieses Datum nicht erwähnt bzw. es ‚verschwiegen‘ habe. Das sind die Geschichten, die man kennt, und die will man immer wieder hören, und zwar ausdrücklich.“



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regionalen Mythen nun als solche identifizieren und abschätzen, inwieweit sich das Gesagte im Rahmen des Gruppenkonsenses bewegt. Auch die Aufmerksamkeit für die spezifischen Blind- und Schwachstellen der Heimatbücher wird zugunsten einer funktionierenden Quellenkritik geschärft. Vielleicht wird so einem künftigen Leser sudetendeutscher Heimatbücher die Abstoßungsreaktion angesichts der darin verwendeten Rhetorik erspart bleiben, wenn er von vornherein weiß, daß kein Heimatbuch der Region ohne ein festes Set solcher Topoi auskommt, dessen immer gleiche Wiederholung quasi unabdingbarer Ausweis der Zugehörigkeit zur Gruppe war, ganz im Sinne eines „Erinnern, um dazuzugehören“3. In umgekehrter Hinsicht wüßte man, daß man ein außergewöhnliches Phänomen vor sich hätte, wenn sich ein Heimatbuch derselben Region fände, das ausführlich von der Verfolgung jüdischer Nachbarn im Nationalsozialismus berichtete. Die Rahmen, aber auch die Grenzen des innerhalb einer Gruppe Sagbaren sind auf diese Weise sichtbar gemacht worden. Diese an den Heimatbüchern erarbeiteten gruppenspezifischen Topoi und Mythen an anderen Erinnerungsformen der Vertriebenen zu prüfen, ob an Gedenkfeiern, Heimatstuben, Memoiren oder Literatur, wäre ebenso ein vielversprechender Forschungsansatz. Einige Fragen haben sich anhand der Heimatbücher nicht beantworten lassen. Dazu zählt an erster Stelle die wohl kaum abschließend zu klärende Rezeptionsfrage: Wer liest zu welchem Nutzen, mit welchen Intentionen und Ergebnissen Heimatbücher? Werden sie nur in der Erlebnisgeneration oder auch von deren Kindern und Enkeln gelesen? Anhaltspunkte hierzu bietet ein antiquarisch erworbenes Exemplar, dessen Inhalte vom Vorbesitzer minutiös weitergeschrieben wurden, der damit nachweislich das Angebot zur Bewahrung des Gruppengedächtnisses im Heimatbuch aktiv nutzte. Ebenso nachweislich versagte in diesem Fall aber die beabsichtigte Weitergabe an nachfolgende Generationen, sonst hätte das Buch später kaum den Weg ins Antiquariat gefunden. Jedoch zeichnet sich bisher nicht ab, daß die ererbten Heimatbücher verlorener Heimaten in größerem Maße als solche der gegenwärtigen Heimat von den Nachkommen mangels Interesse am Thema umgehend veräußert würden. Doch wird der Antiquariatstest vielleicht erst in zehn bis zwanzig Jahren aussagekräftig sein, wenn auch für die jüngste Erlebnisgeneration der Erbfall eingetreten ist. Auch weitgehend unsichtbar bleiben die kollektiven Auswahl- und Aushandlungsprozesse, die vor aller Niederschrift des Gruppengedächtnisses im Heimatbuch stehen. Christel Köhle-Hezinger hat Vergleichbares für südwestdeutsche Heimatbücher geschildert, an deren Erarbeitung sie beteiligt war: Die Gemeinde, die sich ihrer Industrie- und Arbeitervergangenheit schämte und schließlich doch, nach „heftigsten Streitereien“, aus dieser Geschichte eine neue, „eigenkulturelle Identität“ bezog, oder der kleine Ort mit wenig Geld, der in einem gemeinsamen Kraftakt vor allem symbo3 Jan Assmann: Erinnern, um dazuzugehören. Kulturelles Gedächtnis, Zugehörigkeitsstruktur und normative Vergangenheit, in: Kristin Platt und Mihran Dabag (Hg.): Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen: Leske & Budrich 1995, S. 51–75.

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lisches Kapital in der Arbeit am Heimatbuch gewann, in gemeinsamer aktiver „Teilhabe im Erinnern“.4 Auch wenn dies zunächst so scheinen mag, gibt es in den Vertriebenenheimatbüchern keine grundsätzliche Tendenz zum Harmonisieren. Nur solange kontroverse Themen innerhalb der Gruppe unaufgearbeitet blieben, waren sie in der Regel in den Heimatbüchern auch nicht sagbar. Es mußte also im Heimatbuch nicht immer harmonisch zugehen, die Darstellung mußte nur innerhalb der Gruppe weitgehend Konsens sein, wie man am Beispiel der Reflexion über die Spaltung der Dorfgemeinschaften durch den Nationalsozialismus in siebenbürgisch-sächsischen und donauschwäbischen Heimatbüchern sehen kann. In den Heimatbüchern sind daher Spuren der Aushandlung von Erinnerung mitunter noch sichtbar, so wenn ein Buch einander widersprechende Standpunkte enthält oder betont wird, daß Autoren für namentlich gekennzeichnete Beiträge die alleinige Verantwortung trügen. Denn bei aller Kollektivität der Verfahrensweise darf man sich ein Gruppengedächtnis beileibe nicht als homogene Masse vorstellen, die nur noch in schriftliche Form gegossen werden muß – was wir im Heimatbuch zu lesen bekommen, ist nur das Endergebnis von zähen Konsensverhandlungen und sicher auch das Abbild von Machtverhältnissen, nicht zuletzt finanziellen. Wer zahlt, bestimmt die Musik – nach diesem Muster brachte beispielsweise die Landsmannschaft Schlesien seit Ende der 1950er Jahre nicht nur die Heimatbücher auf Linie.5 Etwas einfacher zu beantworten ist die Frage, wie und ob die Tradierung von Erinnerung im Sinne der Heimatbuchautoren überhaupt gelingen kann. Für eine erfolgreiche Tradierung ist wesentlich, daß auch ein späterer Leser sich die dargebotenen Inhalte erschließen und in ihnen Ansatzpunkte für eine eigene Identifikation finden kann. Dies ist bei den Heimatbüchern, wie sich gezeigt hat, durchaus problematisch. Zu sehr sind mindestens die „reichs-“ und sudetendeutschen Werke mit der Ideologie der Verbände aufgeladen, zu groß wird bei einem durchschnittlichen Leser die Distanz zu ihren Deutungs- und Darstellungsmustern sein, und das nicht erst seit gestern. Die Haltung der Verbände und die der Masse der Bundesbürger, sowohl der vertriebenen als auch der nichtvertriebenen, hat sich bereits seit den 1950er Jahren schrittweise auseinanderentwickelt. Im Wechselwirkungsprozeß von Innen- und Außenpolitik, Verbänden und öffentlicher Meinung reagierten vor allem der BdV und die meinungsführenden Landsmannschaften der Schlesier und Sudetendeutschen auf veränderte politische Realitäten, wachsendes Desinteresse der Bevölkerung und ihren schwindenden Einfluß mit verschärfter Politisierung der Erinnerung.6 Je nach Landsmannschaft und Durchsetzungsgrad der Verbandspositionen bei den Mitgliedern fand die politische Aufladung der Erinnerung auch im Heimatbuch statt und stellt für heutige Leser einen erheblichen Rezeptionswiderstand dar.

4 Köhle-Hezinger: Heimatbuch, S. 48. 5 Lotz: Deutung, S. 148–150. 6 Ebd., S. 212, 221.



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Das zweite wesentliche Hemmnis einer gelingenden Tradierung von Erinnerung im Heimatbuch betrifft alle Vertriebenengruppen gleichermaßen, liegt jedoch weniger offen zu Tage: die Ausrichtung rein auf die Perspektive der Erlebnisgeneration, die beim nicht der Gruppe angehörenden Leser teilweise zu massiven Verständnisschwierigkeiten führt. Die diesem Phänomen zugrundeliegende Konstellation ist jedoch dem Heimatbuch als Gedächtnis der Erinnerungsgemeinschaft immanent und kaum vermeidbar. Im Heimatbuch Dinge zu erklären, die für Mitglieder der Gruppe Selbstverständlichkeiten darstellten, oder abweichend vom Gruppenkonsens heikle Themen zu diskutieren, hätte bedeutet, sich außerhalb des Gruppendiskurses und damit der Gruppe selbst zu stellen. Das „Erinnern, um dazuzugehören“ meint gerade das Erzählen von Geschichten, die jeder Eingeweihte schon kennt. Eine Anspielung reicht, um beim Leser den Wiedererkennungseffekt auszulösen, der ihn seiner Zugehörigkeit zur Gruppe versichert. Die Heimatbücher konnten im Grunde allein für die Erlebnisgeneration geschrieben werden, andernfalls hätten sie ihrer Funktion als Gruppengedächtnis zuwidergehandelt. Für viele Autoren vor allem der ersten Nachkriegsjahrzente scheint auch gar nicht vorstellbar gewesen zu sein, daß ihre Nachkommen ohne Wissen über ihre Herkunftsheimat aufwachsen würden. So ist der Verständnisgraben dem Heimatbuch gewissermaßen von Anfang an eingebaut und wird immer ein Rezeptionshindernis bleiben, selbst wenn eines Tages ein Leser sich das kulturelle Erbe seiner Großeltern mittels der Heimatbücher aktiv aneignen wollte. Wie groß wird dieser Widerstand dann noch sein, könnte die Motivation einer Urenkelgeneration ausreichen, um ihn zu überbrücken? Daß und wie Tradierung im Heimatbuch gelingen kann, deutet sich erst im Vergleich mit anderen Erinnerungsgemeinschaften an, die ihre verlorenen Heimaten ebenfalls in Büchern festhalten.

Gelungene Tradierung: Memorialbücher anderer Gemeinschaften Denn es ließe sich durchaus fragen, ob andere Erinnerungsgemeinschaften, die sich über eine spezifische Verlusterfahrung definieren, nicht strukturell und funktional ähnliche Erinnerungsbücher hervorgebracht haben, respektive ausloten, worin die Unterschiede und Gemeinsamkeiten dieser Memorialbücher verschiedener Gruppen liegen. Als ich zur Lokalisierung der in den Büchern konservierten Heimaten den Shtetlseeker der Internetplattform JewishGen nutzte,7 wurde ich auf das bei JewishGen angesiedelte Projekt der Übersetzung und Digitalisierung sogenannter Yizkor Books (jidd. yizker bikher) aufmerksam,8 Memorialbücher in der Shoah ausgelöschter jüdischer Gemeinden Ostmittel- und Osteuropas. Beim Blick in die Literatur zu diesen Erinnerungsbüchern (hebr.: rwkzy Yizkor, Erinnern, zugleich Gebet zum Andenken an

7 JewishGen Shtetlseeker, (15.08.2010). 8 JewishGen Yizkor Book Project, (15.10.2008).

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Verstorbene), die übrigens fast so spärlich ist wie die zu Heimatbüchern,9 war ich überrascht, wie viele strukturelle Charakteristika beider – Heimatbücher und YizkorBücher – sich gleichen: Die (oft geringe) Größe der behandelten Gemeinden, die kollektive Autorschaft durch Gruppen ehemaliger Einwohner der Orte (landsmanshaftn), ihre Publikation als Graue Literatur, die Prozesse der Aushandlung von Erinnerung innerhalb der Gruppe, die Konkurrenz mit Nachbargemeinden um das repräsentativste Buch, das Wiederaufgreifen einer älteren Buchtradition zur Erinnerung an Verlorenes, die im Buch festgehaltene möglichst breite Themenpalette des Lebens vor Ort10 oder spezifische Probleme der Laienhistoriographie.11 Dies geht bis hin zu auch in den Yizkor-Büchern enthaltenen handgezeichneten Ortsplänen, die gleichsam komplementär zu den mental maps der Heimatbücher das in den Mittelpunkt rücken, was letztere marginalisieren. Überhaupt überschneiden sich in vielen Regionen, in denen vor dem Zweiten Weltkrieg Juden und Deutsche lebten, Yizkor-Bücher und Heimatbücher, etwa in Böhmen und Mähren, in Südosteuropa oder in Polen. Zweifelsohne gibt es aber ganz klare und nicht zu übersehende Unterschiede zwischen beiden Schriftenklassen, und so sollten nicht Äpfel mit Birnen verglichen, sondern entlang der strukturellen Ähnlichkeiten mutmaßlich ähnliche zugrundeliegende Funktionen und Muster herausgearbeitet werden, die auch für andere vergleichbare Gemeinschaften zutreffen könnten. Was Yizkor-Bücher wesentlich von Heimatbüchern unterscheidet, ist die völlige Auslöschung der Gemeinden und der Mehrzahl ihrer Einwohner und die ganz eigene jüdische Tradition der Schriftlichkeit und des Gedenkens. Es ist aber auch die gelungene Tradierung durch dieses Medium. Die Enkel- und Urenkelgeneration der Shoah-Überlebenden hat dabei große Rezeptionshürden zu meistern und kann allein die Werke gar nicht lesen, weil sie ihre Sprache(n) nicht mehr beherrscht. Das Übersetzungsprojekt bei JewishGen bietet heute hunderte solcher Bücher in englischer Übersetzung, und der Aneignungsprozeß, der im ortsungebundenen Medium Inter 9 Grundlegend: Jack Kugelmass und Jonathan Boyarin: Introduction, in: dies. (Hg.): From a Ruined Garden. The Memorial Books of Polish Jewry. Geographical Index and Bibliography by Zachary M. Baker. 2nd, exp. ed., Bloomington u.a.: Indiana University Press 1998 (zuerst New York 1983), S.  1–48. Ein sehr instruktiver Blick in Wilnaer Yizkor-Bücher sowie eine präzise Darstellung und Abgrenzung von yizker bukh und zamlbukh bei Anna Lipphardt: „Vilne, Vilne unzer heymshtot...“: Imagining Jewish Vilna in New York. The Zamlbukh Project of Vilner Branch 367 Arbeter Ring/ Workmen’s Circle, in: Marina Dmitrieva und Heidemarie Petersen (Hg.): Jüdische Kultur(en) im Neuen Europa. Wilna 1918–1939, Wiesbaden: Harrassowitz 2004, S. 85–97. Anna Lipphardt habe ich herzlich zu danken für den anregenden Austausch zu Erinnerungsgemeinschaften und die Überlassung ihrer sehr inspirierenden Dissertation, dies.: Vilne, yidishlekh fartrakht... Kulturelle Erinnerung, Trauma, Migration. Die Vilne-Diaspora in New York, Israel und Vilnius nach dem Holocaust. Univ.Diss., Potsdam 2006. 10 Kugelmass/Boyarin: Introduction, passim. Hier sind auch mehrere handgezeichnete Ortspläne abgebildet, die – bis auf die jiddische Beschriftung – denjenigen der Heimatbücher auf verblüffende Weise ähneln. 11 Dies.: Yizker Bikher and the Problem of Historical Veracity. An Anthropological Approach, in: Israel Gutman u.a. (Hg.): The Jews of Poland Between Two World Wars, London: Brandeis University Press 1989, S. 519–536.



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net stattfindet, ist wiederum ein kollektiver. JewishGen stellt lediglich Speicherplatz und Plattform, die Umsetzung der Werke ins Internet läuft ehrenamtlich in kleinen Gruppen von Familienforschern und Interessierten (sog. Special Interest Groups), die Übersetzungen werden, ähnlich wie schon die Bucherstellung, durch Spenden der Gruppenmitglieder finanziert. Warum funktioniert die Tradierung und Wiederaneignung von Gedächtnis hier, wieso funktioniert sie bei den Vertriebenen bisher nicht oder kaum? Dazu können hier nur erste Überlegungen angestellt werden. Die jüdischen Überlebenden waren einer Bedrohung ihrer gesamten Existenz ausgesetzt gewesen, einer unvergleichlich schwereren und länger nachwirkenden Traumatisierung als dem Heimatverlust der Vertriebenen. Sie fanden keine vergleichbare Aufnahme in einem Land, das ihre Eingliederung und Gruppenbildung unterstützt hätte in einer Weise, die derjenigen der deutschen Vertriebenen in der Bundesrepublik gleichkäme. Doch mit dem Aufstieg des Holocaust zur gesamtgesellschaftlich identitätsstiftenden Leitkatastrophe sowohl in den USA als auch in Israel12 wandelte sich die Haltung der Hauptaufnahmegesellschaften, die heute eine Identifikation der Enkelgeneration mit der Erfahrung ihrer Großeltern ermöglicht. Die Yizkor-Bücher werden so, trotz massiver Rezeptionsbarrieren, nach einer langen Periode des Desinteresses und Schweigens seit einigen Jahren als Quelle der Suche nach den eigenen Wurzeln wiederentdeckt – und haben damit den Erinnerungsgraben übersprungen. Von einem ähnlich günstigen Klima für eine Wiederaneignung des kulturellen Erbes der Vertriebenen über das Heimatbuch konnte in der Bundesrepublik nie die Rede sein. Für die Zukunft ist dies nicht völlig ausgeschlossen, hängt jedoch wesentlich vom Vorhandensein entsprechender Diskurse in der Gesamtgesellschaft ab. Doch kann und darf es dabei nicht um die Installierung der Vertreibung als Leitkatastrophe mit ähnlichem Stellenwert wie dem Holocaust gehen, sondern gerade um die Befreiung der Erinnerung an verlorene Heimat- und Kulturräume von den ideologischen Verkrustungen und Opferkonkurrenzen der Vergangenheit.

Das Vertriebenenheimatbuch als Schriftenklasse Die ersten Heimatbücher nach 1945 entstanden unaufgefordert und aus einem authentischen Verlustgefühl heraus. Die Vertriebenen orientierten sich für ihre zu schreibenden Heimatbücher weder an konkreten Leitbildern noch an Institutionen, die dies organisierten oder Vorgaben machten, sondern folgten in erster Linie einem persönlichen Bedürfnis, gemeinsam ihre Erfahrung und bereits verblassende Erinnerung schriftlich festzuhalten. Viele Werke der frühen 1950er Jahre beschreiben diese 12 Gut herausgearbeitet für die USA von Peter Novick: Nach dem Holocaust. Der Umgang mit dem Massenmord, Stuttgart: DVA 2001 (zuerst Boston 1999); für Israel ebenso überzeugend in: Tom Segev: Die siebte Million. Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbek: Rowohlt 1995 (zuerst Jerusalem 1991).

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aide-mémoire-Funktion als ihren ersten Beweggrund. Doch erschienen die Werke nicht aus dem Nichts, nicht ohne Vorbilder und Vorläufer. Die Heimatbuchform der Zwischenkriegszeit war zumindest im Hintergrund präsent, sonst hätte sich nicht kurz nach der Vertreibung das Heimatbuch so schnell, flächendeckend und zahlreich als Form der Erinnerung an das Verlorene herausbilden können. Unter den bestehenden Angeboten regionaler Literatur – Chroniken, Kalendern, Bildbänden, Dokumentationen, Festschriften, Geschichtsdarstellungen, Erinnerungen, Lesebüchern etc. – zeichnete sich das Heimatbuch schon vor 1945 durch seinen ganzheitlichen Ansatz mit möglichst umfassender Darstellung aller Lebens- und Themenbereiche im Längs- wie im Querschnitt aus. Daneben hatte es schon in den 1920er Jahren eine Integrationsfähigkeit und Beweglichkeit bewiesen, die es nach der Vertreibung den Autoren ermöglichten, die Schwerpunkte dort zu setzen, wo sie es für richtig hielten und die zugleich verschiedene Interessen und Bildungsniveaus an einen Tisch bringen und integrieren konnten. Daß eben das Heimatbuch keine starre Gattung und nicht letztgültig definiert war, bedeutete für die Gemeinschaften ehemaliger Einwohner größtmögliche Freiheit und Flexibilität. Selbst wenn sie wenig Material und Mittel hatten, konnten sie dennoch ein eigenes Heimatbuch zuwege bringen. Letztlich ließ diese vergleichsweise offene Form auch Raum für mehr Subjektivität, für Ungefiltertes und Improvisiertes, wie eben unscharfe Schnappschüsse und handgezeichnete Ortspläne, was in wissenschaftlich orientierten Heimatbüchern, etwa denen des Göttinger Arbeitskreises, wohl nicht toleriert worden wäre, viele Vertriebenenheimatbücher aber gerade authentisch, farbig und für die Kulturanthropologen durchaus faszinierend macht. Trotzdem wurde das Heimatbuch nach 1945 nicht zum beliebigen Sammelsurium und reinen Etikett für wahllos zusammengestellte Inhalte, wie die Herausbildung eines klaren, von den Vorkriegsbüchern unterscheidbaren thematischen Kanons in den 1950er Jahren zeigt, der bis in die 1980er weitgehend stabil blieb und erst mit dem Generationenwechsel erodierte respektive durch andere Schwerpunkte abgelöst wurde. Vereinzelt traten Heimatkundeakteure der Zwischenkriegszeit nach 1945 als Heimatbuchautoren wieder in Erscheinung und brachten ihr Wissen um die Schriftenklasse Heimatbuch ein. Mehr noch als bei den Zwischenkriegswerken waren die Autoren ganz überwiegend Lehrer, doch vor allem der Anteil der Laien- und Hobbyautoren verstärkte sich nach 1945 massiv. Weder im bundesdeutschen Kontext und noch viel weniger bei den Vertriebenen fand die alte ganzheitliche Heimatkunde der Weimarer Jahre eine Fortsetzung, so daß der Anschluß an ihre Ziele und Intentionen – bis auf Einzelfälle personeller Kontinuität zur Vorkriegszeit – weitgehend verlorenging. Die entstandene Leerstelle wurde durch eine gemeinschaftliche Aushandlung von Erinnerung und – je nach Landsmannschaft in unterschiedlichen Graden – durch die ideologische Haltung der Verbände ausgefüllt. Bei den wenigsten Landsmannschaften fanden (nachweisbare) Debatten um das Heimatbuch statt oder wurden Leitfäden zum Heimatbuch erarbeitet. Eine Handreichung des südmährischen Landschaftsrates aus den 1970er Jahren, die sich eng am klassischen Themenkanon der Zwischenkriegszeit orientierte, blieb weitgehend fol-



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genlos.13 Die Auseinandersetzung mit dem Thema im Dachverband siebenbürgischsächsischer Heimatortsgemeinschaften dagegen führte Anfang der 1990er Jahre zu einem klaren und nach Möglichkeit an wissenschaftlichen Gepflogenheiten orientierten Standard – mutmaßlich deswegen erfolgreich, weil sie den Gruppenkonsens abbildete und gemeinschaftlich erarbeitet worden, damit kein von Dritten oder „von oben“ kommendes Modell war.

Abb. 36  Idealtypus Vertriebenenheimatbuch

So gibt es für das Vertriebenenheimatbuch wie schon für das der Zwischenkriegszeit kein starres Schema, sondern eher einen Idealtypus mit unscharf abgegrenzten Randbereichen. Interessanterweise fällt dieser Randbereich im Vergleich mit dem Heimatbuch der Weimarer Republik sogar enger aus. Abb. 36 zeigt das Idealtypus-Schema des Vertriebenenheimatbuchs, das auch Veränderungen zum Heimatbuch der Zwischenkriegszeit visualisiert, gestrichen bei nun fehlenden, eingeklammert bei deutlich seltener vorhandenen, unterstrichen bei stärker präsenten Merkmalen. Weggefallen sind die – so benannten – literarischen und geschichtlichen Heimatbücher, deren Intention in Chroniken und Ortsgeschichten besser verwirklicht schien. Entfallen ist auch in der Regel die Beteiligung von Fachleuten in einem ansonsten von Laien getragenen Projekt und damit auch der explizite Anspruch, für ein wissenschaftliches und ein Laienpublikum gleichermaßen ansprechende Werke zu produzieren. 13 Bornemann: Ratschläge.

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Vor einer endgültigen Definition werfen wir zunächst einen Blick auf die Nachbarn des Vertriebenenheimatbuchs, um es von anderen regionalen Schriftenklassen und Heimatliteraturformen abzugrenzen und zugleich die Randbereiche des Idealtypus näher zu bestimmen. Anhand der einschlägigen Bibliographien lassen sich leicht andere Schriftenklassen identifizieren, die zur Beschreibung der Vertreibungsgebiete regelmäßig zum Einsatz kamen: Ortschroniken, Festschriften, Orts- und Kreisgeschichten, Bildbände, Dokumentationen, Erinnerungen und Lesebücher sind die nach dem Heimatbuch am häufigsten anzutreffenden Formen. Bei Bildbänden, Erinnerungen und Dokumentationen ist der Unterschied zum Heimatbuch evident, bei anderen Formen bedarf es näherer Erläuterung. Chroniken legen den Schwerpunkt eben auf Chronikalisches, also ausschließlich Historisches in chronologischer Ordnung. In ihnen manifestiert sich stärker als in den Heimatbüchern der Gestus offiziöser Geschichtsschreibung, noch heute werden Ortschroniken nicht selten zu großen Anlässen wie Stadtjubiläen in Auftrag gegeben und sind im wesentlichen Repräsentationsobjekte. Die dem verwandten Fest- und Jubiläumsschriften zielen stärker als das Heimatbuch auf repräsentative Außenwirkung und sollen die Gruppe – meist anläßlich von Ortsjubiläen der alten Heimat oder Jahrestagen der Patenschaftsübernahme westdeutscher Kommunen – nach außen hin im besten Licht zeigen. Daher ist nicht nur die Gruppe selbst Adressat, sondern auch besagte Patengemeinden und bundesdeutsche Nachbarn. Mit dem Heimatbuch teilen die Festschriften jedoch ihre wichtige Funktion für Identifikation und Zusammenhalt der Gruppe sowie den hohen symbolischen Wert als Form der Selbstdarstellung. Ortsmonographien, deren Titel vom reinen Ortsnamen bis zu näheren Bestimmungen der gewählten Schwerpunkte reichen, rekrutieren ihre Autoren aus Hobby- und Laienhistoriographie und zunehmend auch aus Fachleuten der historischen Wissenschaften, sind daher nicht unbedingt von Gruppenmitgliedern, sprich ehemaligen Ortsbewohnern, verfaßt. Obwohl sie zahlreiche Überschneidungen zum Heimatbuch aufweisen, wie z.B. die Bandbreite abgehandelter Themen, haben sie doch einen weiteren Adressatenkreis, eine weniger gruppenbezogene Funktion und einen stärker wissenschaftlich und weniger emotional ausgerichteten Duktus. Wie letztlich schon am Titel sichtbar wird, sind es Darstellungen eines Ortes, Kreises oder Landstrichs, der für Autoren und Zielpublikum nicht unbedingt die komplexen Konnotationen von „Heimat“ haben muß. Ortsgeschichten schließlich konzentrieren sich wie die Ortschroniken auf historische Ereignisse, bieten jedoch im Vergleich mit diesen mehr Raum für lokale Alltags-, Schul- und Vereinsgeschichte(n), die für die Erlebnisgeneration von eminenter Bedeutung sind. Die Lesebücher bieten zuletzt vor allem literarische, mithin Leseund Vorlesetexte. Die für die Erinnerungsgemeinschaften der Vertriebenen zentralen Formen der Vergemeinschaftung, die Erinnerung an Heimat als sozialen Raum, sind in den meisten dieser Schriftenklassen nur schwer unterzubringen. Ebenso ließe die Konzentration auf historische Themen in Ortsgeschichten und Chroniken neben Geschichtsdarstellungen vom Mittelalter bis zur Vertreibung die Darbietung so disparater Themen wie Gesangsvereine, Schulgeschichten, Spitznamen, Häuserlisten, persönlichen Erin-



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nerungen und Anekdoten in einem Buch nicht zu. Dies war tatsächlich nur innerhalb des ganzheitlichen Rahmens des Heimatbuchs möglich. Es gibt, wie wir gesehen haben, einen klaren thematischen Kanon, einen Idealtypus mit noch engeren Grenzbereichen als beim Heimatbuch der Zwischenkriegszeit und überdies signifikante Unterschiede zu anderen Formen regionaler und Erinnerungsliteratur der Vertreibungsgebiete. Auch die Titel und Untertitel der Werke – mindestens derer, die den Begriff „Heimatbuch“ enthalten – bieten ein erstaunlich einheitliches Bild mit nur wenigen Variationsformen. All diese Fakten sprechen dafür, mit gutem Gewissen vom Heimatbuch als einer eigenen und ganz eigenständigen Schriftenklasse zu sprechen. Wie geht man nun mit der Frage um, was all die andern, nicht „Heimatbuch“ im Titel führenden Werke über die verlorene Heimat sind? Autoren von Heimatbüchern reagierten auf meine Einschränkung, nur direkt so benannte Heimatbücher zu untersuchen, oft mit Unverständnis, weil sie nach ihrer Ansicht ein Heimatbuch geschrieben hatten, das den Begriff jedoch nicht im Titel führte. Das Unbehagen der Autoren hat vor allem mit dem Status des Heimatbuchs zu tun – haben sie nun kein „echtes“ Heimatbuch verfaßt, weil es nicht so heißt? Wie hoffentlich deutlich wurde, ist meine Beschränkung eine rein arbeitstechnische, die Verwendung des Begriffs im Titel ist keineswegs ein Kriterium des Heimatbuchs. Wolfgang Kessler hat in der Einleitung zu seiner Bibliographie einen engeren und weiteren Heimatbuchbegriff formuliert. Das Heimatbuch im weiteren Sinne ist danach jede selbständige Veröffentlichung über den heimatlichen Raum.14 Wegen der oft mangelhaften Literaturlage wurden in Kesslers Bibliographie auch zahlreiche Titel aufgenommen, die eigentlich keine Heimatbücher im Sinne seiner eigenen Definition sind, was jedoch schon aufgrund der Zielsetzung einer Bibliographie über eben spärlich bearbeitete Regionen evident ist. Daß dieser weitere Heimatbuchbegriff jedoch für eine wissenschaftliche Analyse der Schriftenklasse nicht trägt, ist bei Ulrike Frede deutlich geworden.15 Christel Köhle-Hezinger hat von offener und geschlossener Form des Heimatbuchs gesprochen,16 eine wie ich finde durchaus sinnvolle, jedoch je nach Forschungsinteresse im Grunde nicht notwendige Unterteilung. Die Offenheit der Form scheint mir für das Heimatbuch grundsätzlich charakteristisch, genau das machte es für die Vertriebenen zur gemeinsamen Rekonstruktion der Erinnerung an die verlorene Heimat so geeignet. Innerhalb dessen könnte man je nach Orientierung am heimatkundlichen 14 Kessler: Heimatbücher, S. 16. 15 Faehndrich: [Rez.] Frede. 16 Köhle-Hezinger: Heimatbuch, S. 49, im Anschluß an Volker Klotz’ offene und geschlossene Form des Dramas. „Offen“ meint hier anschlußfähiger, weniger normiert, offener für Deutungen; „geschlossen“ dagegen hermetisch, traditionell, strengen Regeln folgend: Volker Klotz: Geschlossene und offene Form im Drama, München: Hanser 1960. Klotz’ Unterscheidung war inspiriert von Wölfflins Gegensatzpaaren der Kunst in Renaissance und Barock, Heinrich Wölfflin: Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. Das Problem der Stilentwicklung in der neueren Kunst, München: Bruckmann 1915, 2. Aufl. ebd. 1917, S. 133–166.

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Themenkanon und Wissenschaftlichkeitsanspruch zwischen geschlossener, d.h. traditionell heimatkundlicher, möglichst fundierter und sachlicher, und offener, also stärker subjektiver, improvisierter, ungefilterter Form des Heimatbuchs unterscheiden. Die Grenzen dazwischen sind freilich fließend, und keines von beiden ist ein wesentliches Merkmal eines Vertriebenenheimatbuchs. Aus den Ergebnissen der Analyse und kontrastierend zu sonstigen Formen regionaler Literatur der Vertreibungsgebiete schälen sich andere, für das Heimatbuch wesentliche Merkmale heraus. Dies ist zuallererst die kollektive Autorschaft der Erlebnisgeneration. Ehemalige Einwohner eines Ortes, Kreises, Dorfes etc. erstellen in weitgehender Eigeninitiative und -regie ihr Heimatbuch, gelegentlich von wissenschaftlichen oder Verbandsinstitutionen beraten, aber nicht von diesen angeleitet oder gar kontrolliert. Bei Werken eines einzelnen Autors hatte sich vermutlich noch keine Gruppe ehemaliger Einwohner zusammengefunden, die diese Aufgabe übernehmen konnte. Nicht selten erscheint nach erfolgtem Zusammenschluß quasi nachholend Jahre später ein zweites, nun gemeinschaftlich erarbeitetes Buch. An einigen „(zu) späten“ Heimatbüchern der letzten Jahre zeigt sich, daß ein Heimatbuch, dessen Urheber nicht mehr der Erlebnisgeneration angehören, wichtige Funktionen nicht mehr übernehmen kann: Erinnerung aus zweiter Hand, verlorenes Wissen und ersatzweiser Dokumentenabdruck kennzeichnen diese Werke, die strenggenommen „nur“ Ortsmonographien sind. Die Autorschaft der Erlebnisgeneration stellt sich daher als notwendige Bedingung für das Heimatbuch heraus. Nur wer die porträtierten Orte wirklich als Heimat begriff, konnte über sie ein echtes Heimatbuch schreiben. Das zweite zentrale Merkmal ist die möglichst breite Themenpalette, analog zum Ganzheitlichkeitsgedanken schon der Zwischenkriegswerke – bei den Vertriebenen jedoch abhängig von in der Erinnerungsgemeinschaft vorhandenen Kompetenzen und darstellbaren Themen. Was ins Heimatbuch gehörte, bestimmte allein die Gruppe, die darin jedoch all das unterbringen konnte, was ihr wichtig war, vom kleinsten bis zum größten Thema. Die Flexibilität des Heimatbuchs ermöglichte es auch, verschiedene Interessen und gegensätzliche Sichtweisen in einem Buch zu vereinen, auch wenn zugunsten des Gruppenkonsenses letzteres nicht der Regelfall ist. Charakteristisch ist die Mischung von Erlebnis- und Erinnerungsberichten mit aus Literatur und Quellen erarbeiteten Inhalten. Die eigene Geschichte mußte sich die Erinnerungsgemeinschaft vielfach mühsam zusammentragen, somit Erinnerung in einem gemeinsamen Aushandlungsprozeß erst herstellen. Ebenso charakteristisch ist der Gemeinschaftsbezug der Buchinhalte, der die Zielgruppe des Heimatbuchs, die Gemeinschaft der ehemaligen Einwohner des dargestellten Raumes anspricht und sich sowohl in identitätsrelevanter Selbst- und Geschichtsdarstellung als auch in manchmal nur dem Eingeweihten zugänglichen Inhalten manifestiert. Drittes Merkmal des Heimatbuchs ist seine Monographieform, die auch physisch Dauer- und Werthaftigkeit symbolisiert. Stellenwert und Bedeutsamkeit des darin schriftlich Festgehaltenen spiegelten sich wider in der äußeren Gestaltung der Bücher. Aufgrund dieser singulären Bedeutung konnte ein Heimatbuch keine Reihe und keine Zeitschrift sein. Nach Möglichkeit wurde das Buch fest gebunden und mit weiteren



Schlußbemerkungen

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Insignien von Permanenz und Wertigkeit ausgestattet: Titelprägung, Goldschnitt, Leinen- oder Ledereinband, Kartenbeilagen und zahlreiche Abbildungen in guter Qualität. Dieser Anspruch war, abhängig von Geldmitteln und Know-how, nicht immer einlösbar. Die Qualität der Ausstattung ist somit kein Kriterium für das Heimatbuch. Als das eine Buch wurden und werden auch weniger gediegene Heimatbücher an prominenter Stelle im häuslichen Umfeld aufbewahrt und präsentiert: im Wohnzimmerregal, auf der Anrichte, in der Vitrine.17 Die Heimatbücher werden so zu zentralen Erinnerungsgegenständen der Vertriebenen, die hohen symbolischen Wert und eine wichtige intergenerationelle Funktion als Erzählanlaß haben: „Wo immer solche ‚Erinnerungsgegenstände‘ zur Habe der Familie gehören, da sind im allgemeinen die Erinnerungen zweiter Hand, die Erinnerungen der als Nachkommen von Flüchtlingen im Westen geborenen Leute farbiger, detailreicher, persönlicher als sonst. [...] [Erinnerungsgegenstände] schaffen Erzählanlässe, begründen und erhalten Traditionen und können auf diesem Wege zu wichtigen identitätsstiftenden Erfahrungen in den Familien beitragen.“18

Mit dem Heimatbuch konnten auch Vertriebene, die keine der von Albrecht Lehmann beschriebenen symbolischen Erinnerungsgegenstände wie Hausschlüssel oder Fotos des Elternhauses aus der Heimat gerettet hatten, die vielleicht nicht die Möglichkeit oder den Mut hatten, die alte Heimat wiederzusehen, um von dort Erde, Blumensamen oder ähnliches mitzubringen,19 einen solchen Erinnerungsgegenstand erwerben, ja vielleicht sogar selbst herstellen, indem sie sich tatkräftig am Heimatbuch beteiligten. Somit läßt sich das Vertriebenenheimatbuch definieren als eine von ehemaligen Einwohnern des Ortes idealerweise kollektiv verfaßte Monographie über ihre verlorene Heimat, in der eine breitestmögliche Themenpalette abgehandelt wird. Heimatbücher enthalten in einer charakteristischen Mischung aus subjektiver und faktenorientierter Darstellung über die reine Geschichtsdarstellung hinausgehende Abschnitte, so zum sozialen Leben vor Ort, meist auch zur lokalen Wirtschaft, Natur und Landschaft, Volkskunde, kirchlichem Leben, örtlichen Bauten, lokalen Persönlichkeiten, Anekdoten und Namenkunde sowie nicht zuletzt zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Standardmäßig reproduzieren die Werke Dokumentationsmaterial, enthalten Einwohner- und Häuserlisten sowie Orts- und Regionalkarten. Ergänzt wird dies nicht selten durch Beschreibungen der Nachkriegsgeschichte des Ortes und seiner vertriebenen Bewohner in der Bundesrepublik, wünschenswert aus Lesersicht, jedoch nicht der Regelfall, sind überdies ein Register und eine Literaturliste.

17 Köhle-Hezinger: Heimatbuch, S. 44f. 18 Lehmann: Im Fremden, S. 102. 19 Ebd., S. 101–108.

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Schlußbemerkungen

Ausblick – Eine endliche Geschichte „Eine endliche Geschichte“ – ein Titel, den ich mir von Ferdinand Seibts wunderbarem Mittelalterbuch20 geborgt habe – heißt diese Arbeit aus zweierlei Gründen. Die Geschichte des Vertriebenenheimatbuchs hat sich als endlich, als nicht über die Lebenszeit der Erlebnisgeneration hinaus fortführbar erwiesen. Nur diejenigen, die diese Orte selbst noch als Heimat erlebt und begriffen haben, konnten „echte“ Heimatbücher über sie schreiben. Diese Endlichkeit manifestiert sich auch ganz deutlich in den (zu) späten Versuchen, über Orte, die bis dato nicht monographisch bearbeitet worden waren, noch nach dem Generationenwechsel ein Heimatbuch zu schreiben. In dieser Hinsicht war dem Vertriebenenheimatbuch also eine dem kommunikativen Gedächtnis vergleichbare begrenzte Dauer beschieden, und das im Grunde genommen von seinem Anfang, dem Verlust der Heimat, an. Noch gibt es Vertriebenengruppen wie die Rumäniendeutschen, die erst als Spätaussiedler ihr Land verließen, die heute und wohl noch ein paar Jahre lang Heimatbücher über ihre alte Heimat schreiben werden. Doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Heimatbuch eben eine endliche Geschichte hat. Eine endliche Geschichte ist jedoch auch das, was die Autoren – mindestens aus ihrer eigenen Sicht – in den Werken aufzeichnen. Die Geschichte ihrer Heimat war für sie zu dem Zeitpunkt beendet, als sie dieselbe verlassen mußten. Was danach kam, interessierte höchstens unter dem Aspekt einer im Kalten Krieg zur Abschreckung präsentierten Verfallsgeschichte und war selbst bei den später entspannteren Wiederbegegnungsreisen für die Heimatbuchautoren in keinem Fall mehr „ihre“, nicht mehr die eigene Geschichte. Und dies auch deswegen, weil das, was Heimat für die Vertriebenen im Kern ausmachte, nämlich der lebendige soziale Raum der ehemaligen Einwohner, tatsächlich mit der Vertreibung aufgehört hatte zu existieren. Was aber folgt auf das Ende der Geschichte? Mit Sicherheit immer ein neuer Anfang, aber vielleicht auch mehr Kontinuität, als die Heimatbuchverfasser sich jemals vorstellen konnten. Längst ist die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostgebiete ebenso wie die von Böhmen, Mähren und mährisch Schlesien wieder genau dort angekommen, wo sie einmal herkam und wo sie hingehört: an ihrem Ursprungsort. Das kulturelle Gedächtnis einer Region bleibt, wenn alles gutgeht, in dieser Region, wenn es womöglich auch einiger Zeit bedarf, bis es vom Speichergedächtnis wieder im Funktionsgedächtnis – nun einer neuen, anderen Gesellschaft – dieser Regionen landet. Vielleicht werden die Heimatbücher der deutschen Vertriebenen eines Tages in diesen Regionen von denjenigen wiederentdeckt, die dort heute ihre Heimat haben, und vielleicht werden sie sie dann sogar als eigene Heimatbücher fortschreiben. Über die Jahre haben sich auch bei mir eine ganze Reihe Heimatbücher angesammelt, zusammengetragen auf ausgedehnten Streifzügen durch die Antiquariatskataloge. Bücher über kleine Ortschaften zwischen Pregel und Pruth, deren Namen 20 Ferdinand Seibt: Glanz und Elend des Mittelalters. Eine endliche Geschichte, Berlin: Siedler 1987.



Schlußbemerkungen

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heute niemand mehr kennt und keiner mehr nennt, irgendwann nach 1950 einmal in höchstens 200 Exemplaren als Graue Literatur gedruckt und in kaum einer deutschen Bibliothek vorhanden, also mit Fug und Recht als Rara zu bezeichnen. Wenn auch das Schicksal dieser Bücher nicht der Altpapiercontainer sein wird, so bin ich doch nicht der Leser, den die Autoren sich seinerzeit für ihre Heimatbücher wünschten. Bei mir haben sie keinen Ehrenplatz, der ihrer Seltenheit und ihrem symbolischen Wert gerecht würde, sie türmen sich im Gegenteil zu unordentlichen Stapeln und drohen, bald in die zweite Reihe verbannt zu werden. Damit sie sicher über den Altpapiergraben kommen, werde ich sie dorthin bringen, wo sie hingehören, nämlich ins Archiv, in die Bibliothek. Was sie dort erwartet, wer sie dort lesen wird, ob mit Interesse oder mit Widerwillen – wir wissen es nicht. Papier ist geduldig.

Verzeichnis der Heimatbücher Legende zum Heimatbuchverzeichnis Die in der Arbeit benutzten Kurztitel der Heimatbücher setzen sich zusammen aus „Ortsname Bandnr.Erscheinungsjahr.Auflage“. Beispiel: „Musterdorf 1.1981.2“ wäre das Heimatbuch von Musterdorf, Bd. 1, zweite Auflage 1981. Das Kürzel ND steht für unveränderten Nachdruck. Die Einträge im Heimatbuchverzeichnis sind nach folgendem Muster aufgebaut: Kurztitel [Regiocode] heutige Staatszugehörigkeit, heutiger Ortsname in Landessprache Grad nördlicher Breite (N) und östlicher Länge (E) im Dezimalformat nach WGS84 Sigle einer deutschen Bibliothek, in der das Werk vorhanden ist Vollständige Titelangaben Aus Platzgründen kommen die gängigen bibliographischen Abkürzungen zum Einsatz. In Titeln oder Untertiteln der Werke tatsächlich verwendete Abkürzungen werden dagegen nach Möglichkeit belassen. Mit Kartographiewerkzeugen wie GoogleMaps, , können die betreffenden Orte direkt durch die Eingabe dieser Koordinaten lokalisiert werden. Bei größeren Regionen sind die Koordinaten des Druckortes, sofern im Beschreibungsgebiet gelegen, bei Kreisen des dem Kreis den Namen gebenden Ortes oder auch der Kreisstadt angegeben. Bei großen Beschreibungsgebieten ist die Koordinatenangabe wenig sinnvoll und entfällt. Der in eckigen Klammern dem Kurztitel der Vertriebenenheimatbücher nachgestellte Regiocode wird in der umstehenden Liste aufgelöst. Die heutige Staatszugehörigkeit des Ortes wird dabei, wie bei allen Orten, per internationalem Autokennzeichen angegeben. Eine Eingemeindung in einen anderen Ort und heutige Zugehörigkeit zu diesem wird dargestellt als „Ortsname1 (Ortsname2-)“, d.h. Ortsname1 gehört heute administrativ zu Ortsname2. Es wird jeweils die Bibliothekssigle im Leihverkehr (ISIL, International Standard Identifier for Libraries and Related Organizations) mindestens einer Bibliothek angegeben, in der das Werk nachgewiesen ist. Aus Platzgründen geschieht dies ohne Landeskennzeichnung (DE-). Ein ISILund Sigelverzeichnis mit Suchmöglichkeit bietet . Der Bestandsnachweis „Kessler“ bedeutet, daß das Werk nur nachgewiesen ist in Kessler: Heimatbücher; „ZVAB“, daß es nur antiquarisch nachgewiesen ist im Onlinekatalog von . Am jeweiligen Titel ist auch ablesbar, ob dieser in die quantitative und qualitative Auswertung der Heimatbücher einbezogen wurde oder nur anderweitig angeführt wird: * Heimatbuch quantitativ ausgewertet ** Heimatbuch quantitativ und qualitativ ausgewertet # Heimatbuch nur qualitativ ausgewertet NB: Nicht alle in die Auswertung einbezogenen Werke werden auch im Text zitiert!



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Regionale Kodierungen der Kurztitel Ehemalige deutsche Ostgebiete • OPR Ostpreußen • OBR Ostbrandenburg • OPOM Ostpommern • S-N/S Niederschlesien • S-O/S Oberschlesien Deutsche aus Polen • PL\Posen • PL\Lodz • PL\Gal. • PL\WPR • PL\OS • PL

Posener Land Lodz Galizien eh. Westpreußen Ostoberschlesien (nach dem Ersten Weltkrieg polnischer Teil) sonstiges Polen

Südosteuropadeutsche Donauschwaben • HR\Slaw. Slawonien (zu Kroatien) • SRB\Syrmien Syrmien (zu Serbien und Kroatien; in der Analyse sind keine Heimatbücher enthalten, deren Beschreibungsgebiet im heute kroatischen. Teil Syrmiens liegt) • RO\Banat rumänisches Banat serbisches Banat • SRB\Banat • RO\Batschka rumänische Batschka • SRB\Batschka serbische Batschka ungarische Batschka • H\Batschka • H\Türkei schwäbische Türkei (Südungarn, teils auch zu Kroatien) • RO\Sathmar Sathmargebiet (zu Rumänien) Ungarndeutsche außerhalb von Batschka und Schwäbischer Türkei Ofner Bergland, Westungarn • H Andere Südosteuropadeutsche • Siebb. Siebenbürgen (zu Rumänien), Siebenbürger Sachsen • Bess.

Bessarabien (zur Ukraine), Bessarabiendeutsche (in der Analyse sind keine bessarabiendeutschen Heimatbücher enthalten,. deren Beschreibungsgebiet heute in Moldawien liegt)

• UA\Buk. • RO\Buk. • SK

ukrainische Bukowina rumänische Bukowina Slowakei, Slowakeideutsche

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Verzeichnis der Heimatbücher

Allenstein 1968 [OPR]** PL, Olsztyn 53.7N 20.48E 101a Kreisgemeinschaft Allenstein Land (Hg.): Allenstein. Heimatbuch des Landkreises Allenstein, Langenhagen: Selbstverl. Kreisgemeinschaft Allenstein-Land 1969 Altdamm 1990 [OPOM]** PL, Dąbie (Szczecin-) 52.08N 18.8E 101b, 364 Höft, Manfred: Zwischen Wald und See. Die Chronik Altdamms im Kreis Randow, 1939 eingemeindet nach Stettin. Ein pommersches Heimatbuch, Bremen: Selbstverl. M. Höft 1990 Altgersdorf 2003 [S-N/S]** PL, Stary Gierałtów 50.3N 16.93E 364 Gröger, Günther (Zst.): Heimatbuch der Ortschaften Altgersdorf und Neugersdorf im Bieletal am Schneegebirge in der Grafschaft Glatz, Niederschlesien. Geschichte und Geschichten, Wenden: Selbstverl. G. Gröger 2003 Altheide 1991 [S-N/S] PL, Polanica Zdrój 50.4N 16.53E 101b, 364 Wenzel, Georg: Heimatbuch Altheide Bad, Kreis Glatz, Schlesien, Lingen (Ems): Selbstverl. G. Wenzel 1991 dass. in polnischer Übersetzung: Polanica Zdrój → Literaturverzeichnis CZ, Staré Sedlo 49.67N 12.87E 101a Altsattel 2002 [SUD]** Riederle, Stefan: Heimatbuch Altsattel: 1115–1946. Eine Landgemeinde im ehemaligen Kreis Tachau/Egerland. Ortsgeschichte. Mit Beitr. von Wolf-Dieter Hamperl u.a., München: Selbstverl. S. Riederle 2000 Altschallersdorf 1998 [SUD]** CZ, Starý Šaldorf u Znojma 48.85N 16.1E 101a Lang, Johann (Hg.): Heimatbuch Altschallersdorf. 640 Jahre Schicksale einer südmährischen Gemeinde des Znaimer Thayabodens 1307–1945/47. Mit Beitr. von Josef Rotter u.a., Maissau: Selbstverl. J. Lang 1998 Angermünde 1908 D 53.029N 13.99E 4 Herrgott, Fr. (Bearb.; Hg.): Heimatsbuch für den Kreis Angermünde; nebst einem Anhang wichtiger Gesetze und Kreisverordnungen. Ein Nachschlagebuch für jeden Kreisbewohner, Schwedt: Freyhoff o.J. [ca. 1908] Apatin 1940 SRB, Apatin 45.67N 18.98E 101a, 1/1a Jurg, Hans: Apatin. Heimatbuch der größten donaudeutschen Gemeinde, Apatin: Selbstverl. 1940 45.67N 18.98E 101a/b, 364 Apatin 1966 [SRB\Batschka] SRB, Apatin Senz, Josef Volkmar (Hg.): Apatiner Heimatbuch. Aufstieg, Leistung und Untergang der donauschwäbischen Großgemeinde Abthausen/Apatin, Straubing: Selbstverl. 1966 (Donauschwäbische Beiträge; 55) 47.13N 24.7E M497 Auen-Kuschma 1994 [Siebb.]** RO, Cuşma Linkner, Jost (Hg.): Heimatbuch Auen–Kuschma. Das Bärendorf am siebenbürgischen Karpatenurwald. Mit Beitr. von Michael Bachner u.a., Wels: Bürotique 1999 Baltikum 1.1908** LV/LT/EST/RUS 56.95N 24.1E 212 Goertz, Leon; Brosse, A. (Hg.): Heimatbuch für die baltische Jugend. Erster Teil, Riga: Löffler 1908 Baltikum 1.1909.2 LV/LT/EST/RUS 56.95N 24.1E 1/1a, 212 Goertz, Leon; Brosse, A. (Hg.): Heimatbuch für die baltische Jugend. Erster Teil. 2. Aufl., Riga: Löffler 1909 Baltikum 2.1912 LV/LT/EST/RUS 56.95N 24.1E 364 Goertz, L.; Brosse, A. (Hg.): Heimatbuch für die baltische Jugend. Bd. 2, Riga: Löffler 1912 Baltikum ND 1.1972 LV/LT/EST/RUS 56.95N 24.1E 364 Goertz, L.; Brosse, A. (Hg.): Heimatbuch für die baltische Jugend. Bd. 1. Nachdruck der Ausg. Riga 1908, Hannover: von Hirschheydt 1972



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Baltikum ND 2.1973 LV/LT/EST/RUS 56.95N 24.1E 364 Goertz, L. (Hg.): Heimatbuch für die baltische Jugend. 2. Teil. Nachdruck der Ausg. von 1912, Hannover: von Hirschheydt 1973 Banat 1938 RO/H/SRB 45.75N 21.23E 1/1a, 101a Schmidt, Josef: Die Deutschböhmen im Banate. Ein Heimatbuch zur Jahrhundertwende, Timisoara: Deutsche Buchhandlung 1938 45.68N 19.08E 24, 364 Batschsentiwan 1980 [SRB\Batschka] SRB, Prigrevica Tafferner, Anton (Red.): Heimatbuch Batschsentiwan. Geschichte einer donauschwäbischen Großgemeinde in der Batschka zwischen Donau und Theiß. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Batschsentiwan, Heidelberg: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Batschsentiwan 1980 UA, Zareč’e 46.0N 30.06E 101a/b, 364 Benkendorf 1964 [Bess.]** Sigmund, Josef: Heimatbuch der Gemeinde Benkendorf, Kreis Akkerman, Bessarabien. Festschrift zur Hundertjahrfeier 1863–1963. NT: Benkendorf, eine ehemalige bessarabien-deutsche Kolonie im Wandel eines Jahrhunderts, Oppenweiler: Selbstverl. 1964 Beschka 1971 [SRB\Syrmien]** SRB, Beška 45.12N 20.06E 101a/b, 364 Lang, Peter: Beschka. Heimatbuch. Ortsmonographie der Gemeinde Beschka in Jugoslawien aus der Sicht der ehemaligen Donauschwaben 1860–1944, Erzhausen: Leuchter-Verlag 1971 Beuthen 1962 [S-O/S] PL, Bytom 50.35N 18.97E 101b, 364 Perlick, Alfons (Hg.): Ein Heimatbuch des Beuthener Landes. Mit Beitr. von Heinrich Brathe u. Friedrich Böhmer. Hg. von der Stadt und dem Landkreis Recklinghausen, Dortmund: Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen 1962 (Mitteilungen des Beuthener Geschichtsund Museumsvereins; 24) Beuthen 1982.2 [S-O/S]** PL, Bytom 50.35N 18.97E 101a Perlick, Alfons: Beuthen (Oberschlesien). Ein Heimatbuch des Beuthener Landes. 2., neu bearb. u. erw. Aufl., München: Laumann 1982 Bistritz 1973 [Siebb.] RO, Bistriţa 47.13N 24.48E 364 Csallner, Kurt (Hg.): Wie’s daheim war. Ernste und heitere Bilder und Erinnerungen an Bistritz und den Nösnergau. NT: Nösner Heimatbuch, Bad Kissingen: Selbstverl. 1973 Bodenbach-Tetschen 1933 CZ, Děčín 50.77N 14.19E 101a Opitz, Otto: Heimat-Buch: Bodenbach-Tetschen, Rosendorf, Schneeberg, Eulau, Riegersdorf, Eiland, Peterswald, Tyssa, Aussig, Schreckenstein, Großpriesen, Graupen, Mariaschein, Kulm, Karbitz, Teplitz-Schönau, Eichwald, Eger: Köhler 1934 Bodenstadt 1984 [SUD]** CZ, Potštát 49.63N 17.64E 101a/b, 364 Jordan, Hans (Hg.): Heimatbuch Bodenstadt. Zsgest. u. bearb. von Josef Bannert. NT: Heimatbuch Bodenstadt und das Bodenstädter Ländchen, o.O. [Petersberg]: Selbstverl. J. Bannert 1984 Bogarosch 1993 [RO\Banat] RO, Bulgăruş 45.9N 20.82E 24 Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Heidegemeinde Bogarosch im Banat. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Bogarosch, Marquartstein: Manstedt Druck 1993 CZ 50.76N 15.04E 364 Böhmen 1923 Kauschka, Rudolf: Wandern und Klettern. Ein Heimatbuch für Bergfreunde, Reichenberg: Sollor 1923 Böhmisch-Budweis 1930* CZ, České Budějovice 48.97N 14.47E 101a Kratochwil, Karl; Meerwald, Alois (Bearb.): Heimatbuch der Berg- und Kreisstadt BöhmischBudweis mit einer Sammlung von alten und neueren Sagen, Böhmisch-Budweis: Karl Kratochwil & Co, Verl. des „Sonntagsboten“ 1930 Böhmisch-Leipa 1936 CZ, Česká Lípa 50.68N 14.53E 101a Unsere Heimat. Heimatbuch Böhm.-Leipa, Böhm.-Kamnitz, Sandau, Steinschönau, Haida, Bürgstein, Arnsdorf, Zwickau, Niemes, Wernstadt, Graber, Bodenbach: Bretschneider 1936

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Borodino 1982 [Bess.]** UA, Borodino 46.3N 29.25E 101a Höger, Ernst; Heer, Erwin (Hg.): Heimatbuch Borodino und Friedrichsfeld, München: Selbstverl. E. Höger 1982 Brätz 1928* PL, Brójce 52.313N 15.672E 101a, 364 Hämpel, Walther: Heimatbuch von Brätz 1428–1928. Zur Jubelfeier des 500jährigen Bestehens des Orts. Im Auftr. der Stadt, Brätz: Verl. [Magistrat] der Stadt Brätz 1928 Brandenburg 1920 D 101a Nordhausen, Richard (Hg.): Unsere märkische Heimat. Streifzüge durch Berlin und Brandenburg. Ein Heimatbuch. Mit vielen Abb. zur Landeskunde, Leipzig: Brandstetter 1920 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 2) Braunauer Land 1984.3 [SUD]**CZ, Broumov 50.58N 16.33E 101a/b Hermann, Hugo (Red.): Das Braunauer Land. Ein Heimatbuch des Braunauer Ländchens, des Adersbach-Wekelsdorfer und Starkstädter Gebietes. Hg. vom Heimatkreis Braunau, Forchheim: Selbstverl. Heimatkreis Braunau 1971 Brüx 1933 CZ, Most 50.5N 13.6E 101a Opitz, Otto: Heimatbuch Brüx, Görkau, Komotau, Oberleutersdorf, Obergeorgenthal, Niedergeorgenthal, Katharinaberg, Brandau, Gebirgsneudorf, Olbernhau, Eger: Köhler 1933 CZ, Bochov 50.15N 13.04E 364 Buchau 1950 [SUD]** Heinz, Anton: Heimatbuch der Stadt Buchau. Ein Geschichts- und Nachschlagewerk für alle Buchauer Heimatkinder und deren Nachkommen, Lauf/Pegnitz: Bachmann 1950 Buchwald 1986.2 [SUD]# CZ, Bučina 48.97N 13.59E M457 Fastner, Herbert: Erinnerungen an Buchwald. Ein Heimatbuch der höchstgelegenen Böhmerwaldgemeinde. 2. überarb. Aufl., Grafenau: Morsak 1986 (zuerst ebd. 1985) H, Budaörs (Budapest-) 47.45E 18.9N 101a, 364 Budaörs 1952 [H]** Riedl, Franz (Zst., Hg.): Budaörser Heimatbuch, Stuttgart: Unsere Post 1952 Bukin 1974 [SRB\Batschka]** SRB, Mladenovo, Bukin 45.3N 19.26E 101a, 364 Helmlinger, Benedikt (Hg.): Bukiner Heimatbuch. Werdegang, Aufstieg und Untergang der deutschen Gemeinde Bukin in der Batschka/Jugoslawien, München: Selbstverl. B. Helmlinger 1974 (Donauschwäbische Beiträge; 64) PL, Bolesławiec 51.26N 15.5E 101a/b, 364 Bunzlau 1964.2 [S-N/S]** Springer, Karl (Bearb.): Der Bunzlauer Kreis an Bober und Queis. Ein Heimatbuch. Bearb. nach der Vorarb. v. Arthur Zobel. 2., völlig neu bearb. Aufl., Siegburg: Selbstverl. Bundesheimatgruppe Bunzlau 1964 RO, Orheiu Bistriţei 47.1N 24.58E 24, 364 Burghalle 1990 [Siebb.] Zehner, Hanspeter (Hg.): Heimatbuch Burghalle. Die Geschichte einer deutschen Gemeinde im Budaktal in Nordsiebenbürgen. Unter Mitarb. von Georg Poschner u.a. Gefördert vom Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat aus Mitteln der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, Wiehl: Selbstverl. G. Poschner 1990 PL, Kamień Pomorski 53.96N 14.76E 101a Cammin 1970 [OPOM]** Flemming-Benz, Hasso Graf von: Der Kreis Cammin. Ein pommersches Heimatbuch, Würzburg: Holzner 1970 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 47) Celje 1937 SLO, Celje 46.23N 15.26E 101a Zangger, Fritz: Das ewige Feuer im fernen Land. Ein deutsches Heimatbuch aus dem Südosten, Celje/Jugoslawien: Selbstverl. F. Zangger 1937 Christianstadt 1968 [OBR]** PL, Krzystkowice (Nowogród Bobrz.-) 51.8N 15.2E 101a, 364 Dahnert, Otto; Kluge, Otto u.a.: Heimatbuch Christianstadt, Gelsenkirchen: [Druck] Lashöfer 1968



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Crossen 1927* PL, Krosno Odrzańskie 52.03N 15.1E 101a, 364 Metzdorf, Karl: Heimatbuch des Kreises Crossen (Oder), Crossen a.d.O.: Zeidler 1927 Crossen 1962 [OBR]** PL, Krosno Odrzańskie 52.03N 15.1E 101a, 364 Wein, Karl (Bearb., Hg.): Wo die Zeit mündet in die Ewigkeit. Ein Heimatbuch der Stadt Crossen/Oder, Kiel: Märkische Verl.- u. Vertriebsges. 1962 Csavoly 1980 [H\Batschka]** H, Csávoly 46.18N 19.15E 101a, 364 Ginder, Paul; Rukatukl, August u.a: Csavoly: 1780–1980. Heimatbuch einer ungarndeutschen Gemeinde aus der Batschka. Hg.: Patenstadt Waiblingen. Beitr. von Jakob Bayer u.a. Red. Wilfried Korby, Waiblingen: [Stadtarchiv] 1980 PL, Gdańsk 54.35N 18.67E 101a Danzig 1929 Braun, Fritz; Lange, Carl: Die Freie Stadt Danzig. Natur, Kultur und Geschichte des Freistaates, Leipzig: Brandstetter 1929 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 29) Darß 1956 D 54.35N 12.46E 364 Anders, Gerta: Die Halbinsel Darß und Zingst. Ein Heimatbuch. Hg. von Käthe Miethe. Ill. von H. Holtz-Sommer. Neu bearb. u. erw. Aufl., Rostock: Hinstorff 1956 Deutsch-Liebau 1935* CZ, Libina 49.8N 17.08E 101a, 364 Leiter, Hermann (Bearb.): Deutsch-Liebau. Heimatbuch, Deutsch Liebau: Marktgemeinde 1935 Deutsch-Zepling 1975 [Siebb.]** RO, Dedrad 46.8N 24.6E 101a/b, 364 Kenst, Michael (Hg.): Heimatbuch Deutsch-Zepling. Unter Mitarb. von Helmut Czoppelt u.a., Wiesbaden: Selbstverl. M. Kenst 1975 Deutschbentschek 1979 [RO\Banat] RO, Bencecu de Sus 45.88N 21.4E 101a/b, 364 Weresch, Hans (Hg.): Deutschbentschek. Ein Dorf im rumänischen Banat. Heimatbuch, Freiburg/Br.: Selbstverl. H. Weresch 1979 Dittersdorf 1994 [SUD]** CZ, Dětřichov u Mor. Třebové 49.79N 16.71E 101a Liepold, Edmund: Heimatbuch Gemeinde Dittersdorf im Kirchspiel Altstadt, Kreis Mährisch Trübau, Schönhengstgau. Hg.: Heimatgemeinschaft Dittersdorf, München: Selbstverl. Heimatgemeinschaft Dittersdorf 1994 CZ, Cheb [Eger] 50.08N 12.37E 15, 1/1a Egerland 1907* John, Alois: Egerländer Heimatsbuch. Gesammelte Aufsätze. Bd. 1 [mehr nicht ersch.], Eger: Selbstverl. 1907 Elbing 1924* PL, Elbląg 54.09N 19.4E 101a, 1/1a Grundmann, Fritz: Elbinger Heimatbuch. Für Schule und Haus bearb., Breslau: Hirt 1924 Elsaß-Lothringen 1928 F 101a Bouchholtz, Fritz: Elsaß-Lothringen. Ein Heimatbuch. Hg. im Auftr. des Wiss. Instituts der Elsaß-Lothringer im Reich an der Univ. Frankfurt a.M. Mit Buchschmuck vorwieg. von Wilhelm Biel, Leipzig: Brandstetter 1928 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 28) Ernsthausen 1983 [SRB\Banat]# SRB, Banatski Despotovac 45.365N 20.664E 101a/b, 364 Flassak, Lisa (Zst., Hg.): Ernsthausen. Das Schicksal eines deutschen Dorfes im Banat. Ein Heimatbuch. NT: Heimatbuch Ernsthausen. Enth.: Buch 1: Aufzeichnungen zur Geschichte der Gemeinde Ernesztháza 1822–1922, von Stefan Czappan. Buch 2: Unser Ernsthausen, von Lisa Flassak. Buch 3: Beitrag zum Heimatbuch Ernsthausen, von Georg Mayer, Rastatt: Selbstverl. L. Flassak 1983 Falkenberg 1971 [S-O/S]** PL, Niemodlin 50.65N 17.6E 364 Schelenz, Walter: Heimatbuch des Kreises Falkenberg in Oberschlesien, Scheinfeld: Goldammer 1971 Falkenburg 1963 [OPOM]** PL, Złocieniec 53.53N 16E 101a/b, 364 Engmann, Rudolf (Hg.): Stadt Falkenburg. Ein Heimatbuch, Lübeck: Selbstverl. (Pommersche Landsmannschaft) Heimatgruppe Falkenburg 1963

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Fischhausen 1.2.1919* RUS, Primorsk 54.73N 20E 101a, 364 Schlicht, Oscar; Haberland, Konrad (Bearb.): Das westl.[!] Samland. Ein Heimatbuch des Kreises Fischhausen. Pillau vom Jahre 1725 bis zur Gegenwart. Bd. 1.: H. 1: Fischhausen, Sankt Adalbert, Lochstaedt; H. 2: Neuhäuser, Pillau, Die Frische Nehrung; H. 3: Das Frische Haff, Wälder und Ortschaften am Frischen Haff. Die Samländische Landschaft. Der Bernstein; Bd. 2.: H. 4: Land und Leute der Bernsteinküste. Die Steilküste. Die Landschaft westlich der Alk; H. 5: Das Kirchspiel Medenau. Die Landschaft östlich der Alk. Cranz, Dresden: Kolbe & Schlicht 1919 D 54.35N 12.4E 101a Fischland 1949 Miethe, Käthe: Das Fischland. Ein Heimatbuch. Zeichn. von Fritz Koch-Gotha, Rostock: Hinstorff 1949 Flatau 1926* PL, Złotów 53.36N 17.03E 101a, 364 Brandt, Carl Friedrich: Flatau. Ein Heimatbuch für Schule und Haus, Flatow: Die Grenzmark 1926 Frankstadt 1955 [SUD]** CZ, Nový Malín 49.94N 17.03E 101a/b Hasler, Richard (Hg.): Frankstadt. Ein Heimatbuch, Donauwörth: Selbstverl. 1955 Fratautz 2005 [RO\Buk.]** RO, Frătăuţii Vechi (Nemţ) 47.933N 25.85E M497 Rein, Kurt; Rademacher, Walter (Hg.): Fratautzer Heimatbuch. NT: Heimatbuch Fratautz/Bukowina [enthält u.a. ND von: Massier, Erwin (Hg.): Fratautz und die Fratautzer. Vom Werden und Vergehen einer deutschen Dorfgemeinschaft in der Bukowina, Pleutersbach: Selbstverl. 1957], Augsburg: Landsmannschaft der Buchenlanddeutschen 2005 Freystadt 1925.2* PL, Kożuchów 51.75N 15.6E 101a, 364 Schiller, Adolf (Hg.): Heimatbuch des Kreises Freystadt Niederschlesien. Traute Heimat meiner Lieben. Hg. im Auftr. des Kreislehrerrates u. des Kreisschulamtes. 2. Aufl., Beuthen, Bez. Liegnitz: Kern 1925 [Erstauflage nicht ermittelbar] PL, Kożuchów 51.75E 15.6N 101a/b Freystadt 1969 [S-N/S]** Rutkowski, Hildegard; Thiel, Otto Hermann (Gest.): Der Kreis Freystadt. Ein niederschlesisches Heimatbuch. Unter Mitarb. zahlr. Heimatfreunde hg. von dem Heimatbund Kreis Freystadt, Niederschlesien, Weilburg: Selbstverl. Heimatbund Kreis Freystadt Niederschlesien 1969 Friedersdorf 1995 [SUD]** CZ, Čaková 50.05N 17.54E 101a/b, 24 Matzner, Thorismund (Zst.) u.a.: Friedersdorf (Jägerndorf). Heimatbuch der Gemeinde Friedersdorf. Zsgest. in den Jahren 1944–45 von Hubert Ermer nach Unterlagen der Heimatforscher Karl Riedel, Lobnig[,] und Heinrich Schulig, Jägerndorf. Zsgest. von Thorismund Matzner 1994/95, München: Selbstverl. Th. Matzner 1995 Gablonz 1955 [SUD]# CZ, Jablonec nad Nisou 50.72N 15.18E 101a, 364 Markovsky, Rudolf: Heimatbuch. Gründung und Entwicklung der Stadt Gablonz a. d. Neiße und der Gablonzer Industrie. NT: Heimatbuch Gablonz, Kaufbeuren: Isergebirgs-Verl. 1955 Galizien 1.1965 [PL\Gal.]** PL/UKR 101a Krämer, Rudolf (Zst.): Heimat Galizien. Ein Gedenkbuch. Unter Mitwirkung von Katharine Bechtloff u.a. Hg. vom Hilfskomitee der Galiziendeutschen, Stuttgart-Bad Cannstadt: Hilfskomitee der Galiziendeutschen 1965 (Heimatbuch der Galiziendeutschen; 1) Geischowitz 2004 [SUD]** CZ, Kejšovice 49.95N 13.05E 101a/b Schiller, Josef: Heimatbuch der Gemeinde Geischowitz im Sudetenland mit den Ortsteilen Otschihora und Kühlerl. Ortschronik und Berichte von der Vertreibung 1946, Röttingen: Selbstverl. J. Schiller 2004 Gerlachsheim 1994 [S-N/S] PL, Grabiszyce 51.02N 15.2E 101a/b Brux, Siegfried: Gerlachsheim. Geschichte, Berichte. Ein Heimatbuch der Gemeinden NiederGerlachsheim, Mittel-Gerlachsheim, Ober-Gerlachsheim, Kreis Lauban, Niederschlesien, Wiesbaden: Selbstverl. S. Brux 1994



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Giseladorf 1990 [RO\Banat]** RO, Ghizela 45.816N 21.75E 101a, 364 Egler, Mathias u.a. (Hg.): Heimatbuch Giseladorf und Panjowa. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Giseladorf/Panjowa, München: Selbstverl. M. Egler 1990 Gnadental 1959 [Bess.]** UA, Dolynivka 45.98N 29.53E 101a/b Rüb, Friedrich: Heimatbuch der Gemeinde Gnadental, Bessarabien. Neuaufl. der „Geschichte der Gemeinde Gnadental 1830–1930“ von Friedrich Rüb. Nebst einem Anhang über das weitere Schicksal dieser Gemeinde und einer Fortführung der Sippentafel bis zur Gegenwart, Kirchheim-Teck: Selbstverl. Heimatausschuß der Heimatvertriebenen-Gemeinde Gnadental/Bessarabien 1959 Gnesen 1982 [PL\Posen]* PL, Gniezno 52.55N 17.2E 101b, 364 Gerke, Wilfried (Zst.): Deutsche im Gnesener Land (ehemalige Kreise Gnesen und Witkowo). Heimatbuch für den Kreis Gnesen-Witkowo. Hg.: Heimatkreisgemeinschaft Gnesen e.V. in der Landsmannschaft Weichsel-Warthe. Unter Mithilfe von Elfriede Henke im Auftr. der Heimatkreisgemeinschaft Gnesen e.V., Hannover: Selbstverl. Geschäftsstelle der Eichenbrücker Vereinigung 1982 Goldap 1939* PL/RUS, Gołdap 54.3N 22.3E 101a, 1/1a Buchka, Karl von; Lemke, Willi (Hg.): Heimatbuch des Kreises Goldap. NT: Heimatbuch Goldap, Insterburg: Sturmverl. 1939 PL/RUS, Gołdap 54.3N 22.3E 101a/b, 364 Goldap 1965 [OPR] Mignat, Johannes (Zst.): Der Kreis Goldap. Ein ostpreußisches Heimatbuch, Würzburg: Holzner 1965 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 36) PL, Goduszyn (Jelenia Góra-) 50.9N 15.7E 101a/b, 364 Gotschdorf 1990 [S-N/S]# Hainke, Willi: Heimatbuch der Gemeinde Gotschdorf im Landkreis Hirschberg im Riesengebirge, Schlesien, Krefeld-Oppum: Selbstverl. W. Hainke 1990 Gottlob 1980 [RO\Banat] RO, Kišes 45.93N 20.71E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Heidegemeinde Gottlob im Banat. In Zusammenarbeit mit Franz Fritz u. Jakob Wilhelm. Hg. von der Gottlober Heimatortsgemeinschaft, o.O. [Altötting]: Selbstverl. Gottlober Heimatortsgemeinschaft 1980 Grabatz 1982 [RO\Banat] RO, Grabaţ, Grabaţi 45.87N 20.74E 364 Petri, Anton Peter (Hg.): Heimatbuch der Gemeinde Grabatz im Banat, o.O.: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft 1982 CZ, Hrabětice 48.79N 16.04E 101a, 364 Grafendorf 1950 [SUD]** Scholler, Johann (Verf., Zst.): Heimatbuch der Gemeinde Grafendorf (Bezirk Znaim, Mähren). Unter Mitw. von Ottokar Tomascheck u.a., Volkach vor Würzburg: Selbstverl. 1950 Greifenhagen 1925* PL, Gryfino [Kreisgebiet auch westl. d. Oder] 1/1a, 101a Kohlhoff, Karl Friedrich; Kohlhoff, Friedrich (Bearb., Hg.): Heimatbuch des Kreises Greifenhagen. Auf geologischer Grundlage monographisch bearb. u. hg., Greifenhagen: Kundler und Sohn 1925 Groß-Scham 1987 [RO\Banat] RO, Jamu Mare 45.25N 21.41E 364 Petri, Anton Peter; Schmidt, Hans: Heimatbuch der deutschen Gemeinde Groß-Scham im Banat, Salzburg: Selbstverl. der Groß-Schamer HOG 1987 (Donauschwäbische Beiträge; 81) Großkopisch 1983 [Siebb.]** RO, Copşa Mare 46.13N 24.55E 101a, 364 Türk, Andreas: 700 Jahre Heimat Großkopisch in Siebenbürgen. Heimatbuch, München: Selbstverl. A. Türk 1983 Großudertal 2002 [OPR] RUS, Demidovo 54.73N 21E 364 Heimatbuch Großudertal, Kreis Wehlau, Ostpreußen. Kreisgemeinschaft Wehlau. [Erarb. von: Hans Schlender ...], Tauberbischofsheim: Selbstverl. 2002 Guhrau 1973 [S-N/S] PL, Góra 51.6N 16.53E 101a/b, 364 Heinze, Fritz: Heimatbuch des Kreises Guhrau/Schlesien, Scheinfeld: Goldammer 1973

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Guldenfurth 1966 [SUD]** CZ, Brod na Dyjí 48.86N 16.5E 364 Herbst, Julius (Hg., Zst.): Guldenfurth. Ein Heimatbuch. Hg. vom Arbeitskreis Guldenfurth, Heidelberg: Selbstverl. Arbeitskreis Guldenfurth 1966 Gumbinnen 1912* RUS, Gusev 54.58N 22.18E 364, 1/1a Obgartel, Wilhelm: Der Regierungsbezirk Gumbinnen. Ein Heimatbuch. Auf Anregung der Kgl. Regierung zu Gumbinnen, Insterburg: Selbstverl. 1912 RO, Hoghilag 46.23N 24.61E 101a Halvelagen 1998 [Siebb.] Dengel, Anna; Schinker, Ulrike (Hg.): Halvelagen, wo ich zu Hause war. Heimatbuch einer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinde. Hg. im Auftr. der Heimatortsgemeinschaft Halvelagen, München: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung 1998 (Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung; 32) Hamburg 1910 D 53.55N 10E B478, 20 Bröcker, Paul: Mein Heimatbuch. Was die hamburgischen Bauten der Jugend und dem Volke von unserer Stammesart erzählen. Mit 59 Federzeichn. von Ferdinand Sckopp, Hamburg: Boysen & Maasch 1910 Hamruden 1.1997/ 2.1998 [Siebb.]** RO, Homorod 46.05N 25.26E 101a/b, 364 Lienert, Harald (Hg.): Hamruden. Heimatbuch einer siebenbürgischen Gemeinde. Hg. im Auftr. der Heimatortsgemeinschaft Hamruden. Teil 1: „...was wir lieben ist geblieben...“. Mit Beitr. von Andreas Benning u.a., Caputh: ELK-Public Relations u. Verl. 1997 (Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung; 26) ders.: Heimatbuch Hamruden. Teil 2: Stammbuch. Ahnen, Nachkommen und Angehörige einer siebenbürgischen Gemeinde im Zeitraum des 18.–20. Jahrhunderts, Gundelsheim: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Hamruden 1998 (Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung; 31) Harz 1920 D 101a, 1/1a Wasserzieher, Ernst: Der Harzgau in sprachgeschichtlicher Beleuchtung. Ein Heimatbuch, Osterwieck-Harz: Ziekfeldt 1920 D 15 Harz 1926* Brather, Fritz; Lütge, Karl: Harz und Kyffhäuser. Ein Heimatbuch. Buchschmuck u. Kunstbeilagen von Walter Frahm, Oswald Pohl u. Oskar Schwindrazheim, Leipzig: Brandstetter 1926 (Brandstetters Kleine Heimatbücher; 4) Hatzfeld 1991 [RO\Banat] RO, Jimbolia 45.79N 20.71E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter (Red.): Heimatbuch des Heidestädtchens Hatzfeld im Banat. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Hatzfeld. Autoren: Julius Anton u.a., o.O. [Spaichingen]: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Hatzfeld 1991 (Hatzfeld; [1]) Heidendorf 1969 [Siebb.] RO, Viişoara 47.1N 24.45E 101a/b, 364 Csallner, Kurt (Bearb.): Heidendorfer Heimatbuch. Hg. vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, München: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen 1969 RUS, Mamonovo 54.46N 19.93E 101a Heiligenbeil 1975 [OPR]** Guttzeit, Emil Johannes (Zst., Bearb.): Der Kreis Heiligenbeil. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Hg. von der Kreisgemeinschaft Heiligenbeil, Leer: Rautenberg 1975 Hermesdorf 1965 [SUD]** CZ, Temenice (Šumperk-) 49.98N 16.95E 364 Heimatbuch. Hermesdorf – Großen-Linden. 1951–1975. Hg. vom Ortsgemeinderat Großen-Linden [anläßlich des Jubiläums der Patenschaftsübernahme], o.O. [Großen-Linden]: Fitz 1975 Hessen 1904* D 51.31N 09.5E 1/1a Gild, A[ndreas]: Hessisches Heimatsbuch. Ein Lesebuch für jung und alt. Zugleich eine Ergänzung zu „Hessische Geschichte im Anschluß an die deutsche und preußische“ und „Landeskunde von Hessen=Nassau“, Kassel: Ernst Hühn 1904



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Heuraffl 1996 [SUD]** CZ, Přední Výton 48.64N 14.102E 101a Sonnberger, Oswald; Miesbauer, Edwin: Heuraffl im Böhmerwald: verloren aber unvergessen. Heimatbuch über die Gemeinde Heuraffl im Böhmerwald, München: Selbstverl. O. Sonnberger 1996 D 54.54N 13.09E 33 Hiddensee 1951 Gustavs, Arnold: Die Insel Hiddensee. Ein Heimatbuch, Rostock: Hinstorff 1951 50.9N 15.73E 101a/b Hirschberg 1953/1985.2** [S-N/S] PL, Jelenia Góra Höhne, Alfred (Hg.): Hirschberg im Riesengebirge. Ein Heimatbuch, Gross-Denkte, Wolfenbüttel: Grenzland-Druckerei 1953; 2. Aufl. Nürnberg: Preussler 1985 101a/b Homberg 1908 D 51.032N 09.41E 101b [ND] Vesper, Wilhelm: Der Kreis Homberg. Heimatbuch für jung und alt, Marburg: Elwert 1908 Iglau 1921* CZ, Jihlava 49.39N 15.58E 101a, 364 Altrichter, Anton: Heimatbuch der Iglauer Sprachinsel. Geschichte des Bodens und der Bevölkerung. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde der Iglauer Sprachinsel, Iglau: Rippl 1921 Iglau 1940 CZ, Jihlava 49.39N 15.58E 101a, Mb50 Altrichter, Anton: Heimatbuch der Iglauer Volksinsel. Ein Stück deutscher Erde und seine Geschicke, Iglau: Selbstverl. 1940 (Deutsches Volksbildungswerk Iglau, Arbeitskreis für Volkskunde, Buchreihe Nr. 2) CZ, Jihlava 49.39N 15.58E Frei131 Iglau 1949 [SUD] Politzer, Franz (Hg.): Glocken der Heimat. Ein Heimatbuch für die Landsleute der Iglauer Sprachinsel, Stuttgart: Frommans 1949 Insterburg 1931* RUS, Černjachovsk 54.63N 21.8E 101a, 364 Obgartel, Wilhelm: Die Kreise Insterburg Stadt und Land, besonders nach ihrer Landschaftsgliederung und ihrer Geschichte. Ein Heimatbuch mit Bildern, Insterburg: Selbstverl. 1931 CZ, Krnov 50.09N 17.69E 101a, 364 Jägerndorf 1923* Schulig, Heinrich: Ein Heimatbuch für die Bezirke Jägerndorf und Olbersdorf. Hg. vom Jägerndorfer Bezirkslehrerverein, Troppau: Drechsler 1923 Jakobsfelde 1969 [S-O/S]** PL, Jakubowice 50.02N 17.85E 101a/b Freiherr, Theodor: Unser Heimatdorf Jakobsfelde (Jakubowitz), Kreis Leobschütz, Oberschlesien. Ein Heimatbuch. Unter Mitarb. von Jakob Gawellek, Dortmund: Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen 1969 (Veröff. der Ostdt. Forschungsstelle im Lande NordrheinWestfalen: Reihe B; 10) CZ, Kadaň 50.38N 13.27E 101a, 364 Kaaden 1933 Opitz, Otto: Heimatbuch: Kaaden, Klösterle, Kupferberg, Pürstein, Pressnitz, Schmiedeberg, Weipert, Bärenstein i. Sa., Eger: Köhler 1933 50.38N 13.27E 101a/b, 364 Kaaden-Duppau 1965 [SUD]** CZ, Kadaň Karell, Viktor: Kaaden-Duppau. Ein Heimatbuch der Erinnerung und Geschichte des Landkreises. Hg. vom Kreisrat Kaaden-Duppau, Frankfurt/M.: Verl. Das Viergespann 1965 (Bibliotheca Boihaemia) Kalatscha 1999 [RO\Banat]** RO, Calacea 45.95N 21.15E 101a Jakob, Johann: Heimatbuch der deutschen Dorfgemeinschaft aus Kalatscha im Banat. Hg. von der Kalatschaer Heimatortsgemeinschaft, München: Selbstverl. J. Jakob 1999 Kärnten 1925 AT 101a Perkonig, Josef Friedrich: Kärnten. Ein Heimatbuch, Leipzig: Brandstetter 1925 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 18)

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Karthaus 1978 [PL\WPR]** PL, Kartuzy 54.33N 18.2E 101a/b Brauer, Wilhelm u.a. (Hg.): Der Kreis Karthaus. Ein westpreußisches Heimatbuch. Landschaft, Geschichte, Erinnerungen, Bilder, Gedichte, Erlebnisse, Lebensbilder, München: Selbstverl. W. Brauer 1978 Karwen 1990 [OPOM]** PL, Karwno 54.395N 17.525E 364 Neß, Kurt: Heimatbuch der Gemeinde Karwen (Kreis Stolp), Hameln: Selbstverl. 1990 Kattowitz 1964 [PL\OS]** PL, Katowice 50.27N 19.017E 364, 1/1a Majowski, W[lady] (Hg.): Kreis Kattowitz. Deutscher Lebens- und Wirtschaftsraum in Oberschlesien. Ein Heimatbuch und Gedenkbuch, Salzgitter-Bad: Oberschlesischer Kurier 1964 RO, Cîlnic 45.883N 23.67E 212, 364 Kelling 1983 [Siebb.]** Acker, Hans: Heimatbuch Kelling. Geschichte einer sächsischen Gemeinde im siebenbürgischen Unterwald, Wolfhagen: Selbstverl. H. Acker 1983 45.827N 20.465E 101a/b, 364 Kikinda 1996 [SRB\Banat]** SRB, Kikinda Schwarz, Peter: Kikinda – eine Stadt im Banat. Ein Heimatbuch der Deutschen aus Großkikinda und Umgebung, Sersheim: Hartmann 1996 (Donauschwäbische Kunst- und Geschichtsreihe; 3) Kleinjetscha 1997 [RO\Banat] RO, Iecea Mică 45.822N 20.55E 364, Tue126 Schmidt, Georg (Red.); Bartolf, Anneliese (Mitarb.) u.a.: Heimatbuch der Gemeinde Kleinjetscha im Banat. Hg. im Auftr. der Heimatortsgemeinschaft, Ratingen: Schöttler 1997 Klein Tajax 1999 [SUD]** CZ, Dyjákovičky 48.76N 16.3E 101a Brunner, Hans: Heimatbuch Klein Tajax, München: Selbstverl. H. Brunner 1999 Kleinsanktpeter-Totina 1992 [RO\Banat]** RO, Sînpetru Mic 46.03N 21.03E 101a/b Heinz, Stefan (Red.): Kleinsanktpeter-Totina: 1843–1993. Ein Heimatbuch zum Lesen, Schauen und Erinnern. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Kleinsanktpeter-Totina. Mitarb. Hans Willwerth u.a., Bielefeld: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Kleinsanktpeter-Totina 1992 Kleinschenk 1997 [Siebb.]** RO, Cincşor 45.83N 24.083E 101a Binder, Gerhardt: Kleinschenk in Siebenbürgen. Ein Heimatbuch, München: SiebenbürgischSächsische Stiftung 1997 (Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung; 29) Klentnitz 1956 [SUD] CZ, Klentnice 48.84N 16.64E 212 Seidel, Franz (Hg.); Freising, Josef (Zst.): Heimatbuch der Gemeinde Klentnitz (Kreis Nikolsburg, Südmähren). NT: Heimatbuch Klentnitz, o.O. [Neu-Ulm]: Selbstverl. 1956 Kolberg 1999 [OPOM]# PL, Kołobrzeg 54.16N 15.56E 101a Vollack, Manfred: Das Kolberger Land: seine Städte und Dörfer. Ein pommersches Heimatbuch. Bearb. und hg. im Auftr. des Heimatkreises Kolberg-Körlin, Husum: Husum 1999 101a/b Königsberg/Eger 1.1975/2.1982 [SUD] CZ, Kynšperk nad Ohří 50.12N 12.53E Doyscher, Rudolf: Rudolf Doyscher’s... Heimatbuch. Hg. und verl. vom Heimatbund Königsberg a.d. Eger. Bd. 1: Königsberg a.d. Eger: Geschichte, Menschen und Schicksale dieser deutschen Stadt und der umliegenden Orte im Sudetenland, München: Selbstverl. Heimatbund Königsberg a.d. Eger 1975 Bd.  2: 750 Jahre deutsche Stadt Königsberg im Egerland. Gedenkbuch zum 750jährigen Bestehen unserer sudetenländischen Heimatstadt. 37 Jahre nach dem Beginn der Vertreibung der rechtmäßigen deutschen Bürger Königsbergs. NT: Siebenhundertfünfzig Jahre Königsberg im Egerland, ebd. 1982 Krčedin 1930 SRB, Krčedin 45.142N 20.132E 1/1a, 364 Renz, Friedrich: Heimatbuch der Krčediner Deutschen, Krčedin: Selbstverl. 1930 Kreibitztal 1985 [SUD] CZ, Chřibská, Rybništé 50.867N 14.5E 101a/b, 364 Gampe, Adolf: Heimatbuch Kreibitztal und Teichstatt. Hg. vom Bund der Niederländer e.V. Sitz Böblingen, Backnang: Niederland-Verl. 1985



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Kreuzburg 1954 [S-O/S]** PL, Kluczbork 50.98N 18.216E 101b Menz, Heinrich (Hg.); Gawel, Heinrich (Mitw.): Gemeinde- und Heimatbuch des Kreises Kreuzburg O/S, Düsseldorf: Verl. der Gemeinschaft evangelischer Schlesier 1954 Kreuzburg 1990 [S-O/S]** PL, Kluczbork 50.98N 18.216E 101a/b Kreuzburg: Stadt und Kreis in Oberschlesien. Geschichte und Erinnerung. Ein Heimatbuch. Hg. vom Heimatkreis-Verband Kreuzburg O/S e.V., Duderstadt: Mecke 1990 PL, Krotoszyce 51.15N 16.05E 101a, 1/1a Kroitsch 1973 [S-N/S]** Maier, Franz: Heimatbuch der Gemeinde Kroitsch im Kreise Liegnitz (Schlesien), Dortmund: Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen 1973 (Veröff. der Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen: Reihe B; 25) 48.817N 14.317E 101a/b Krummau/Moldau 1996 [SUD] CZ, Český Krumlov Doyscher, Rudolf: Krummau. Sonne und Sturm im Jugendparadies. Die letzten Jahre der jüngsten deutschen Erlebnisgeneration in Krummau an der Moldau, im Kaiser– und im Böhmerwald, München: Selbstverl. R. Doyscher 1996 (Rudolf Doyscher’s... Heimatbuch; 3) Kudritz 1956 [SRB\Banat] SRB, Gudurica 45.167N 21.45E 4 Ehm, Balthasar: Heimatbuch der Gemeinde Kudritz, Asperg/Württ.: Altvater 1956 Küstrin 1.2.1952/55 [OPOM]** PL, Kostrzyń 52.588N 14.81E 364 Fitzky, Wilhelm; Wolf, Paul: Küstrin und Umgebung. Ein Heimatbuch. Bd. 1, Wolfsburg: Selbstverl. Fitzky 1952; Bd. 2, Braunschweig: Selbstverl. 1955 Labiau 1973 [OPR] RUS, Polessk 54.866N 21.1E 364 Grenz, Rudolf (Zst.): Der Kreis Labiau. Ein ostpreußisches Heimatbuch, Marburg/Lahn: Selbstverl. Kreisgemeinschaft Labiau 1973 Łączka-Lontschka 1999 [PL] PL, Łączka 52.75N 21.95E 364 Mainka, Ruth (Zst.): Heimatbuch der evangelischen Deutschen des Dorfes Laczka, Lontschka, Kreis Siedlce, einer ehemals deutschen Kolonie in Polen, die von der Evangelisch-Augsburgischen Kirchengemeinde in Wengrow betreut wurde. Eine Zusammenfassung der in den Jahren 1986, 1987, 1989 erschienenen Heimathefte mit Erinnerungen der ehemaligen Einwohner; eine Sammlung, Lübeck: Selbstverl. Mainka 1999 Landeshut 1929* PL, Kamienna Góra 50.783N 16.03E 101a Kunick, Ernst (Hg.): Heimatbuch des Kreises Landeshut in Schlesien. 2 Bde., Landeshut: A. Werner 1929 Landeshut 1954 [S-N/S]** PL, Kamienna Góra 50.783N 16.03E 101a/b Kunick, Ernst (Hg.): Heimatbuch des Kreises Landeshut, Gross-Denkte, Wolfenbüttel: Verl. Grenzland-Dr. Rock 1954 Landskron 1918* CZ, Lanškroun 49.917N 16.617E 364 Lehmann, Emil: Landskroner Heimatbuch, Landskron: Czerny 1918 (Landskroner Heimatbücherei; 1) CZ, Lanškroun 49.917N 16.617E 101a, 1/1a Landskron 1920.2* Lehmann, Emil: Landskroner Heimatbuch. 2., verm. u. verb. Aufl., Landskron: Czerny 1920 (Landskroner Heimatbücherei; 1) Landskron 1978 [SUD] CZ, Lanškroun 49.917N 16.617E 7, 12 Gauglitz, Franz J. C.: Heimat Kreis Landskron. Heimatbuch für Stadt und Kreis Landskron, Bietigheim: Zluhan 1978; 2. Aufl., ebd. 1985; 3. Aufl., ebd. 1994 Laschkafeld 1986 [HR\Türkei] HR, Čeminac 45.683N 18.683E 1/1a Roth, Franz (Hg.): Heimatbuch Laschkafeld 1720–1945. Deutsches Dorf in der schwäbischen Türkei. Arbeitskreis für Heimatforschung Laschkafeld, Griesheim: Selbstverl. Arbeitskreis für Heimatforschung Laschkafeld 1986 (Donauschwäbische Beiträge; 87)

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Lauban 1928* PL, Lubań 51.118N 15.284E 101a Bertram, Fritz (Hg.): Das Heimatbuch des Kreises Lauban. Hg. im Auftrag des Kreisausschusses, Marklissa: Paul Menzel 1928 Lauenburg 1967 [OPOM]# P, Lębork 54.55N 17.75E 101a, 364 Koops, Heinrich: Heimatbuch Lauenburg/Pommern. Hg. vom Heimatkreis Lauenburg/Pom. mit Unterstützung des Oberbergischen Kreises, der Stadt Gummersbach und des Landschaftsverbandes Rheinland, Gummersbach: Selbstverl. Heimatkreis Lauenburg/Pom. 1967 Lausitz 1925 D 51.18N 14.43E 101a Wilhelm, Felix: Unsere Heimat – die Lausitz. Ein Heimatbuch. Neu ausgestattet mit 60 Zeichngn. von Kunstmaler Heinicke, 9 Lichtbildtaf. u. 3 Pl. 2. verm. u. verb. Aufl., Bautzen: Weller 1925;. 1. Aufl.: ders.: Unsere Heimat → Literaturverzeichnis Lechnitz 1968 [Siebb.]** RO, Braşov 45.63N 25.583E 101a/b, 364 Felker, Georg (Zst.): Lechnitzer Heimatbuch. Hg. vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, München: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen 1968 Leitmeritz 1970 [SUD]** CZ, Litoměřice 50.53N 14.13E 101a/b, 364 Brosche, Wilfried (Bearb.): Leitmeritz und das böhmische Mittelgebirge. Ein Heimatbuch über den Kreis Leitmeritz in Böhmen, umfassend die Gerichtsbezirke Leitmeritz, Lobositz, Auscha und Wegstädtl. Bearb. mit Beteiligung anderer Mitarb. (Red.: Kurt Ehrlich u.a.). Hg. vom Heimatkreis Leitmeritz, Fulda: Selbstverl. Sudetendt. Landsmannschaft Heimatkreis Leitmeritz 1970 45.87N 20.79E 364 Lenauheim 1982 [RO\Banat] RO, Cetad Bräuner, Hans: Lenauheim – (Tschatad). Ein Heimatbuch, o.O.: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Lenauheim 1982 Lenzen 1970 [OPR] PL, Łęcze 54.283N 19.467E 364 Wichmann, Georg: Heimatbuch der Dorfgemeinde Lenzen Landkreis Elbing, Uelzen-Oeldenstadt: Elbinger Nachrichten 1970 Leobschütz 1950 [S-O/S]# PL, Głubczyce 50.2N 17.81E 364 Beigel, Eduard; Klink, Josef (Bearb.): Leobschützer Heimatbuch. Hg. von der Sammelstelle der Heimatvertriebenen von Stadt und Kreis Leobschütz, München: Selbstverl. Klink 1950 Liegnitz 1927* PL, Legnica 51.2N 16.2E 101a Heimatbuch der beiden Liegnitzer Kreise. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Heimatpflege in Stadt- und Landkreis Liegnitz mit Unterstützung der Kommunalbehörden, Liegnitz: Krumbhaar 1927 Linde 1993 [S-N/S]** PL, Zalipie 51.05N 15.167E 101a Brux, Siegfried: Linde im Rückblick. Ein Heimatbuch der Gemeinden Nieder Linde und Ober Linde (Kreis Lauban, Niederschlesien), München: Selbstverl. S. Brux 1993 Loben 1958 [PL\OS]** PL, Lubliniec 50.667N 18.683E 364 Stojek, Roland: Heimatbuch für den Kreis Loben [Lublinitz] [masch.schr.], Ludwigshafen/ Rhein: Selbstverl. 1958 Lodz 1967 [PL\Lodz] PL, Łódź 51.75N 19.467E 101a/b Kossmann, Oskar: Ein Lodzer Heimatbuch. Geschichte und Geschichten aus Stadt und Land, Hannover: Hilfskomitee der Ev.-Luth. Deutschen aus Polen 1967 Lötzen 1961 [OPR]** PL, Giżycko 54.04N 21.75E 101a/b Meyhöfer, Max (Erarb., Gest.): Der Kreis Lötzen. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Im Zusammenwirken mit vielen Sachkennern, Würzburg: Holzner 1961 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 20) Lovrin 1979 [RO\Banat]# RO, Lovrin 45.96N 20.77E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Heidegemeinde Lovrin im Banat. Hg. im Auftr. der Heimatortsgemeinschaft. Mitarb.: Käthe Aumüller u.a. Photogr.: Rudolf Schauss. Zeichn.: Werner Brandstetter, o.O.: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Lovrin 1979



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Löwenberg 1925.2* PL, Lwówek Sląski 51.118N 15.584E 101a, 1/1a Groß, August (Hg.): Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien. 2., verm. u. verb. Aufl., Friedeberg/Queis: Iserverl. in Komm. 1925 (zuerst ebd. 1922) Löwenberg 1959 [S-N/S]# PL, Lwówek Sląski 51.118N 15.584E 101a/b, 364 Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien. Hg. vom Landkreis Hannover unter Mitw. des Ausschusses für das Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien. 3. neu bearb. u. erw. Aufl., Bückeburg: Grimmesche Hofbuchdr. 1959 Luditz 1971 [SUD]** CZ, Žlutice 50.089N 13.16E 101a, 364 Heimatbuch des Kreises Luditz. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft Heimatbuch Kreis Luditz unter Mitw. des Heimatkreises Orts- u. Kreisbetreuung, München: Selbstverl. Arbeitsgemeinschaft Heimatbuch Kreis Luditz 1971 Lüttmannshagen 2005 [OPOM]** PL, Budzieszewice (Dzisna-) 53.695N 14.85E 364 Eichelbaum, Walter: Unvergessene Heimat – Lüttmannshagen – Gemeinde Dischenhagen. Die Geschichte eines pommerschen Dorfes jenseits von Oder und Haff. Ein Heimatbuch, Holtsee: Selbstverl. W. Eichelbaum 2005 Ludwigsdorf 1997 [Siebb.] RO, Logig 46.883N 24.567E 101a/b Linkner, Jost (Bearb., Hg.): Heimatbuch Ludwigsdorf in Nordsiebenbürgen. Unter Mitw. von Maria Hartig u.a., Wels: Bürotique 1997 Lyck 1981 [OPR]** PL, Ełk 53.816N 22.35E 101a/b Weber, Reinhold (Zst., Erarb.): Der Kreis Lyck. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Zsgest. und erarb. im Auftr. der Kreisgemeinschaft Lyck. Unter Mitw. von Herbert Beckherrn u.a. Hg. von der Kreisgemeinschaft Lyck, Leer: Rautenberg in Komm. 1981 (Sudauen; 8) Magdeburg 1913 D 52.13N 11.62E 4 Müller, Franz: Heimatbuch der Stadt Magdeburg und ihrer Umgebung. 2., wesentl. veränd. Aufl., Magdeburg: Creutz 1913; 1. Aufl.: ders.: Heimatkunde → Literaturverzeichnis Maniersch 1973 [Siebb.]# RO, Măgheruş 46.317N 24.683E 101a/b, 364 Mann, Johann: Wie es einst war... Manierscher Heimatbuch. Bearb. von Richard Alberti. Hg.: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, München: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen 1973 PL, Malbork 54.033N 19.04E 101a, 1/1a Marienburg 1926* Pawelcik, Bernhard; Schmid, Bernhard; Ratzow, Oskar u.a.: Marienburger Heimatbuch. Umfassend das große und kleine Werder mit angrenzendem Höhenrand. Hg. von der heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft Marienburger Lehrer und Lehrerinnen, Marienwerder/Marienburg: Wendt Groll 1926 Marienburg 1967 [OPR]** PL, Malbork 54.033N 19.04E 101a/b, 364 Zacharias, Rainer (Hg.): Neues Marienburger Heimatbuch. Hg. im Auftr. des Heimatkreises Marienburg/Westpreußen. In Zusammenarbeit mit Artur Renk u.a., Herford: Wendt Groll 1967 Marienfeld 1986 [RO\Banat]** RO, Teremia Mare 45.935N 20.52E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Heidegemeinde Marienfeld im Banat. Mitarb.: Friedrich Reinlein, Franz Wolz. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Marienfeld, o.O. [Heilbronn]: Selbstverl. HOG Marienfeld 1986 Marpod 1999 [Siebb.]** RO, Marpod 45.867N 24.5E 101a Schuster, Georg E.: Marpod. Ein Dorf in Siebenbürgen. Marpoder Heimatbuch, München: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung 1999 (Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung; 39) 48.683N 14.583E 364 Meinetschlag 2002 [SUD]** CZ, Malonty Spörker, Johannes (Verantw.): Heimatbuch der Pfarre Meinetschlag, Bezirk Kaplitz im Böhmerwald. Vertreibungsdokumentation. Ein Gedenkbuch. Hg.: Pfarrkomitee der Pfarre Meinetschlag, Steyregg: Selbstverl. 2002

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Meltsch 1996 [SUD]** CZ, Melč 49.843N 17.75E 101a Schromm, Karl-Josef (Bearb.): Heimatbuch der Gemeinde Meltsch. Hg. von der Dorfgemeinschaft Meltsch bei Troppau, München: Selbstverl. Dorfgemeinschaft Meltsch 1996 Meseritz 1.2.1973/74 [OBR]** PL, Międzyrzecz 52.43N 15.58E 101a Hoffmann, Ernst (Zst.): Stadt und Kreis Meseritz. Ein Heimatbuch. Hg. vom Heimatkreis Meseritz, München: Selbstverl. d. Hg. 1973; Bd. 2, ebd.: Wolf 1974 Mettersdorf 1965 [Siebb.]** RO, Dumitra (Mare) 47.22N 24.47E 101a/b, 364 Raiger, Michael; Schmedt, Johann; Gaßner, J. M.: Mettersdorfer Heimatbuch. Bearb. von Kurt Csallner. Hg.: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen, München: Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen 1965 Milbes 1982 [SUD]** CZ, Milovany [aufgelassen] 49.667N 17.6E 101a Olbort, Bruno: Heimatbuch Milbes, München: Selbstverl. B. Olbort 1982 Minarken 1989 [Siebb.] RO, Monari 47.067N 24.467E 101a/b, 364 Zehner, Hanspeter (Hg.): Heimatbuch Minarken. Die Geschichte einer sächsischen Gemeinde in Nordsiebenbürgen. Unter Mitarb. von Hedwig Berendt-Nader u. Maria Müller, geb. Hanek[,] sowie der Heimatortsgemeinschaft Minarken, Karlsfeld: Selbstverl. M. Müller 1989 Modosch 1964 [SRB\Banat]** SRB, Jaša Tomič 45.447N 20.85E 101a/b, 364 Burger, Josef: Heimatbuch der Gemeinde Modosch im Banat und Ortschronik der Gemeinde Kaptalan, Bermatingen/Bodensee: Selbstverl. 1964 CZ, Modřice 49.127N 16.61E 101a/b Mödritz 1.1966 [SUD]# Tomschick, Erich (Bearb., Gest.): Mödritz. Im Auftr. des Heimatbuchausschusses der Ortsgemeinschaft Mödritz. NT: Mödritzer Heimatbuch 1945 bis 1970. Bd. 1: Werden, Wirken und Vermächtnis einer deutschen Marktgemeinde in Mähren, Erbach/Württ.: Selbstverl. Ortsgemeinschaft Mödritz 1966 Bd. 2: Chronik der Vertriebenen und der Verbliebenen für die Jahre 1945 bis 1970, ebd. 1971 Mohrungen 1967 [OPR] PL, Morąg 53.916N 19.93E 101a/b, 364 Wrangel, Wolf Frhr. von (Zst.): Der Kreis Mohrungen. Ein ostpreußisches Heimatbuch, Würzburg: Holzner 1967 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 10) RO, Moruţ 46.967N 24.267E Gun1, 12 Moritzdorf 1998 [Siebb.] Linkner, Jost (Bearb., Hg.): Heimatbuch Moritzdorf in Nordsiebenbürgen, Wels: Selbstverl. J. Linkner 1998 Moritzfelde 1983 [OPOM]** PL, Morzyczyn 53.353N 14.92E 101a/b Waldmann, Franz (Zst., Hg.): Moritzfelde. Gestern und heute. Ein Heimatbuch über Moritzfelde, Kreis Greifenhagen in Pommern, München: Selbstverl. F. Waldmann 1983 München 1913 D 48.13N 11.57E ZVAB Falter, Julius: Wanderzüge im Umkreis Münchens zu Fuß und mit dem Rad. 27 Wanderungen mit 35 Abbildungen. Heimatbuch, Zweiter Teil, München: Seyboldt 1913; Erster Teil: ders.: Wanderzüge → Literaturverzeichnis Münsterberg 1930* PL, Ziębice 50.6N 17.03E 101a, 1/1a Kretschmer, Alfred (Hg.): Münsterberger Land. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Hg. unter Mitw. von Freunden der Heimat, Münsterberg: Selbstverl. A. Kretschmer 1930 Muschau 1934* CZ, Mušov [aufgelassen] 60.25N 17.589E 101a, 364 Freising, Josef: Ortsgeschichte von Muschau. Ein Heimatbuch, Muschau: Selbstverl. der Gemeinde 1934



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Nassau 1927 D 101a Sternberg, Leo: Land Nassau. Ein Heimatbuch. Mit 88 Abb. im Text u. 23 Kunstdrucktaf. nach Werken hervorragender Meister, Leipzig: Brandstetter 1927 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 26) PL, Nidzica 53.358N 20.425E 101a/b Neidenburg 1968 [OPR] Meyhöfer, Max (Erarb., Gest.) u.a.: Der Kreis Neidenburg. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Hg. von der Kreisgemeinschaft Neidenburg, Landshut: Selbstverl. Gemeinschaft Kreis Neidenburg e.V. Patenkreis der Stadt Bochum 1968 Netzekreis ND 1983 [OPOM]* PL, Trzcianka [Schönlanke] 53.03N 16.47E 101a/b, 364 Cornberg, Horst von; Köhler, Werner (Hg.): Netzekreis. Ein ostdeutsches Heimatbuch. Im Auftr. des Kreisausschusses. ND der Ausg. von 1932, Husum: Husum 1983 Neu-Elft 1975 [Bess.]** UA, Novoselivka, Fere-Champenoise II 45.95N 29.233E 101a/b, 364 Zaiser, August A.: Heimatbuch der Gemeinde Neu-Elft, Bessarabien, Stuttgart: Selbstverl. A. A. Zaiser 1975 44.93N 20.23E 212, 364 Neu-Pasua 1956 [SRB\Syrmien]# SRB, Nova Pazova Hudjetz-Loeber, Irmgard: Heimatbuch Neu-Pasua. Die Geschichte eines donauschwäbischen Dorfes. Im Auftr. des Heimatausschusses von Neu-Pasua, Stuttgart: Belser 1956 Neuarad 1985 [RO\Banat] RO, Aradu Nou (Arad-) 46.15N 21.317 101a/b Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Marktgemeinde Neuarad im Banat. Zeichn. Horst u. Katharina Valentin. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Neuarad, Marquartstein: Breit 1985 Neuhatzfeld 1972 [SRB\Banat]# SRB, Čestereg 45.563N 20.531E 101a/b Bach, Johann: Neuhatzfeld. Tschestelek, Cestereg. 1828–1944. Geschichte einer Banater Heidegemeinde. Ein Heimatbuch, Buchenhain b. München u.a.: Verl. Christ Unterwegs 1972 Neustettin 1972 [OPOM] PL, Szczecinek 53.716N 16.683E 101a/b, 364 Stelter, Franz (Erarb., Zst.): Der Kreis Neustettin. Ein pommersches Heimatbuch. Nach Vorarb. von Heinrich Rogge, Würzburg: Holzner 1972 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 52) Neuteich 1929* PL, Nowy Staw 54.13N 19.017E 101a, 364 Lettau, Heinrich: Neuteich. Heimatbuch, Neuteich: R. Pech & W. Richert 1929 Niedergrund 1997 [SUD]** CZ, Dolní Žleb 50.833N 14.216E 101a/b Nickmann, Gerhard: Unsere Gemeinde Niedergrund im Altvatergebirge. Heimatbuch, Steinbach/Taunus: Selbstverl. G. Nickmann 1997 Niederschwedeldorf 2001 [S-N/S]** PL, Szalejów Dolny 50.417N 16.6E 101a Brinkmann, Josef; Patzelt, Waltraud (Hg.): Heimatbuch der Gemeinde Niederschwedeldorf in der Grafschaft Glatz, Schlesien, Georgsmarienhütte-Oldenburg: Selbstverl. J. Brinkmann, 2001 Niederstetten 1930 D 49.4N 09.919E 101a Stern, Max (Bearb.): Heimatbuch der Stadtgemeinde Niederstetten mit den Teilgemeinden Ermershausen und Sichertshausen. Bearb. im Auftr. des Gemeinderats. Hg. vom Gemeinderat, Niederstetten: Richard Knenlein 1930 Niederwallendorf 2000 [Siebb.] RO, Tîrgu Rosu (Bistriţa-) 47.13N 24.483E Tue126 Linkner, Jost (Bearb., Hg.): Heimatbuch Niederwallendorf: Untere Vorstadt von Bistritz in Nordsiebenbürgen. Gefördert von der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen in Österreich, Wels: Denkmayr 2000 Nikolsburg 1987 [SUD]** CZ, Mikulov 48.8N 16.635E 101a/b, 364 Elsinger, Reiner (Hg.): Heimatbuch Nikolsburg. Geschichte und Schicksal einer deutschen Stadt von den Anfängen bis zum Jahre 1946. Kulturverein Nikolsburg in Wien, Wien: Selbstverl. Kulturverein Nikolsburg 1987

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Nordhausen 1908 D 51.51N 10.79E 101a Heine, Heinrich: Heimatbuch für Nordhausen und die Grafschaft Hohenstein. Hg. unter Mitw. heimatlicher Schriftsteller, Nordhausen a.H.: Wimmer 1908 101a/b, 364 Nordschomodei 1973 [H\Türkei] H, Somogy Tafferner, Anton (Red.): Heimatbuch der Nordschomodei. Geschichte einer deutschen Sprachinsel der Schwäbischen Türkei in Ungarn. Hg. vom Heimatausschuß, München: Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn 1973 Ober-Eidisch 1999 [Siebb.] RO, Ideciu de Sus 46.867N 24.783E Gun1 Linkner, Jost (Bearb., Hg.): Heimatbuch Ober-Eidisch in Nordsiebenbürgen, Rohr im Kremstal: Mittermüller 1999 CZ, Horní Staré Město 50.58N 15.883E 101a/b Oberaltstadt 1997 [SUD]# Hofmann, Oswald (Bearb., Zst.): Die alte Heimat Oberaltstadt im Riesengebirge. Eine Chronik und ein Ortsbuch der Marktgemeinde Oberaltstadt. Ein Heimatbuch mit vielen Einzelbeiträgen ehemaliger Oberaltstädter, o.O.: Selbstverl. O. Hofmann 1997 Obernigk 1996 [S-N/S]** PL, Oborniki Śląskie 51.302N 16.917E 101a/b Seidel, Hellmut; Loch, Ekkehard: Obernigk bei Breslau. Ein schlesisches Heimatbuch. Hg. von Wolfgang Sanft, Weiden: Selbstverl. W. Sanft 1996 Oberschlesien 1920* PL 101a, 1/1a Führer durch Oberschlesien. Ein kurzes Hand- und Heimatbuch. Hg. vom „Oberschlesier“, der unparteiischen oberschlesischen Wochenzeitung, Oppeln: „Der Oberschlesier“ 1920 Oberschlesien 1926 PL 50.67N 17.93E 101a Hein, Alfred; Müller-Rüdersdorf, Wilhelm (Hg.): Oberschlesien. Heimatbuch. Textbeitr. u. Kunstbeil. [Taf.] von Bruno Zwiener u. a. oberschlesischen Künstlern, 1 Kt. von Oberschlesien, Leipzig: Brandstetter 1926 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 22) SRB, Odžaci 45.5067N 19.261E 101a, 364 Odzaci 1929* Lotz, Friedrich: Aus der Vergangenheit der Gemeinde Odzaci. Historisches Heimatbuch mit besonderer Berücksichtigung der Ansiedlungsgeschichte, Odzaci: Selbstverl. 1929 (Batschkaer Heimatbücher; 1) Ohlau 1950 [S-N/S]** PL, Oława 50.93N 17.3E 101a Buschbeck, Karl (Hg.): Ohlauer Heimatbuch, Goslar: Unser Weg 1950 PL, Szczytno 53.562N 20.98E 101a/b Ortelsburg 1957 [OPR]** Poser, Victor von; Meyhöfer, Max: Der Kreis Ortelsburg. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Ausgehend von einem Entwurf von Victor von Poser. Zsgetr., erarb. u. gest. von Max Meyhöfer. Würzburg: Holzner 1957 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 4) Österreich 1923 AT 101a Asanger, Florian; d’Ester, Karl; Rosegger, H. L. (Hg.): Deutsch-Österreich. Ein Heimatbuch. Buchschmuck von R. Schober, Leipzig: Brandstetter 1923 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 15) Ostgebiete 1927 PL [Abtretungsgebiete nach 1920] 101a Braun, Fritz; Lüdtke, Franz; Müller-Rüdersdorf, Wilhelm: Entrissene Ostlande. Ein Heimatbuch. Mit Buchschmuck u. Kunstbeilagen von Wilhelm Korella, Max Odooy, Ragimund Reimesch u. Curt Ziesmer, Leipzig: Brandstetter 1927 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 24) Ostmark 1919 PL/LV/LT/EST/RUS 364 Braun, Fritz (Hg.): Die Ostmark. Ein Heimatbuch, Leipzig: Brandstetter 1919 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 7)



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Ostrowo 1983 [PL\Posen]** PL, Ostrów Wielkopolski 51.65N 17.817E 364 Käding, Otto; Pommerenke, Arno (Zst.): Heimatbuch für den Kreis Ostrowo/Provinz Posen mit angrenzenden Kreisen Kalisch und Kempen. Hg. von der Heimatkreisgemeinschaft Ostrowo, Kirchlengern: Selbstverl. Heimatkreis Ostrowo 1983 Paßbusch 2001 [Siebb.] RO, Posmuş, Posnaş 46.983N 24.583E 101a/b Linkner, Jost: Paßbusch in Nordsiebenbürgen. Heimatbuch, Wels: Steurer Medienhaus 2001 Pintak 1988 [Siebb.] RO, Slătiniţa 47.217N 24.55E 101a/b Linkner, Jost (Bearb., Hg.); Sitz, Andreas (Verf.): Heimatbuch der Gemeinde Pintak bei Bistritz in Siebenbürgen. Mit Beitr. von Sylvia Kreutzer u.a., o.O. [Wels]: Selbstverl. J. Linkner 1988 D 101a Poel 1957 Meyer-Scharffenberg, Fritz: Die Insel Poel und der Klützer Winkel. Ein Heimatbuch. Unter Mitarb. von Hertha Schlesinger. Mit Zeichn. von Georg Hülsse, Rostock: Hinstorff 1957 PL, Poznań 52.417N 16.97E 364, 1/1a Posen 1914* Rauer, Paul: Heimatbuch. Bilder aus der Vergangenheit und Gegenwart der Stadt Posen, Posen: Philipp 1914 Posen 1977/1978.2 [PL\Posen] PL, Poznań 52.417N 16.97E L327 Spuren, die der Wind nicht verweht. Ein Posener Heimatbuch. Gemeinschaft Evangelischer Posener e.V. (Lüneburg), Lüneburg: Posener Stimmen 1977 *dass. 2. Aufl., ebd. 1978 101a/b PL 101a Posen-Westpreußen 1927 Lüdtke, Franz: Grenzmark Posen-Westpreußen. Ein Heimatbuch. Mit 73 Textabb. u. 9 z.T. farb. Kunstbeil. v. Arthur Berger u.a. Mit 1 Kt., Leipzig: Brandstetter 1927 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; 25) 53.133N 14.883E 101a Preußisch Holland 1978 [OPR]** PL, Pasłęk Büttner, Martin (Zst., Bearb.) u.a.: Kreisbuch Preußisch-Holland. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Nach Quellen und Einzelberichten. Hg. von der Kreisgemeinschaft Pr. Holland, München: Selbstverl. der Kreisgemeinschaft Pr. Holland 1978 Pusztavam 1978 [H] H, Pusztavám 47.4328N 18.233E 101a/b Tafferner, Anton; Schell, Franz (Red.): Heimatbuch von Pusztavam und Umgebung. Werden und Vergehen einer deutschen Siedlung in Ungarn, Geretsried: Selbstverl. Heimatausschuß 1978 Pyritz 1932* PL, Pyrzyce 53.133N 14.883E 101a Neumann, Otto; Franke, Georg (Hg.): Heimatbuch des Kreises Pyritz. Unter Mitw. von Heimatforschern und Heimatfreunden, Pyritz: Bake 1932 PL, Racibórz 50.083N 18.2E 101a Ratibor 1.1980 [S-O/S]** Kosler, Alois M. (Hg.): Ratibor, Stadt und Land an der oberen Oder. Ein Heimatbuch. Hg. unter Mitw. zahlr. Landsleute. Bd. 1, München: Jerratsch 1980 Bd. 2. Hg. von Bund Ratibor Stadt und Land, Bonn: Selbstverl. 1994 364 Reichenau 1976 [SUD]** CZ, Rychnov na Moravě 49.827N 16.64E 101a/b, 364 Hawlitschek, Kurt (Zst.): Heimatbuch der Gemeinde Reichenau im Schönhengstgau, Ulm: Selbstverl. K. Hawlitschek 1976 CZ, Liberec 50.76N 15.04E 101a/b, 364 Reichenberg 1974 [SUD]** Gränzer, Randolf (Bearb.): Reichenberg. Stadt und Land im Neißetal. Ein Heimatbuch. Bearb. unter Mitw. vieler Heimatfreunde. Hrsg. vom Heimatkreis Reichenberg, Augsburg: Selbstverl. Heimatkreis Reichenberg 1974 Reval 1910*/ ND 1968 EST, Tallinn 59.439N 24.728E Luen5 Dehio, Sophie: Reval einst und jetzt. Ein Heimatbuch, Reval: Kluge 1910 ND, Hannover: von Hirschheydt 1968 101a/b

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Rosch 2001.5 [UA\Buk.] UA, Roša (Černivci-) 48.283N 25.9E 12, 384 Weiser, Reinhold (Bearb., Einl.): Roscher Heimatbuch [Enth.: Teil 1: (Chronik). Teil 2: Roscher Sippen], Ulm: Selbstverl. Weiser 2001 Rosenau 1930 [Siebb.]* RO, Rîşnov 45.583N 25.45E 101a, 364 Lander, Gustav: Rosenau. Ein Heimatbuch. Hg. von der Burzenländer Bürger- u. Bauernbank A.G., Rosenau: Burzenländer Bauern- u. Bürgerbank 1930 Rosenberg 1963 [OPR]** PL, Susz 53.717N 19.35E 101a/b Müsse, Alfred (Zst.): Der Kreis Rosenberg. Ein westpreußisches Heimatbuch. Im Auftr. des Heimatkreises Rosenberg u. Patenkreises Halle (Westf.). In enger Zusammenarb. geschaffen u. gestaltet von Curt Bürger u.a., Detmold: Bösmann 1963 Rößel 1977/1991.3 [OPR]** PL, Reszel 54.05N 21.14E 101a/b Poschmann, Erwin (Hg.): Der Kreis Rößel. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Hg.: Heimatbund des Kreises Rößel, Kaltenkirchen/Holstein: Selbstverl. Heimatbund des Kreises Rößel 1977 3. Aufl., München: Selbstverl. des Heimatbund des Kreises Rößel 1991 101a Rügen 1953 D 101a Rudolph, Wolfgang: Die Insel Rügen. Ein Heimatbuch. Hg. von Käthe Miethe. Ill. von Georg Hülsse, Rostock: Hinstorff 1953 Saatzig 1984 [OPOM]** PL, Stargard Szczeciński 53.3N 15.03E 101a/b, 364 Schulz, Paul (Hg.): Der Kreis Saatzig und die kreisfreie Stadt Stargard. Ein pommersches Heimatbuch, Leer: Rautenberg 1984 Saaz-Podersam 1959 [SUD] CZ, Žatec, Podbořany 50.327N 13.545E 101a/b Zumpf, Hugo; Schuldes, Josef (Hg.): Saazerland, Hopfenland. Ein Buch treuen Gedenkens. Heimatbuch für die Kreise Saaz und Podersam. Bearb. von Franz J. Schreil, Schwabach: Selbstverl. H. Zumpf 1959 Sächsisch-Sanktgeorgen 1987 [Siebb.] RO, Sîngeorgiu Nou 46.967N 24.37E 101a/b, 364 Zehner, Hanspeter (Hg.): Heimatbuch Sächsisch-Sanktgeorgen. Die Geschichte einer sächsischen Gemeinde im Nösnergau in Siebenbürgen. Unter Mitarb. von Hans Stürzer, Lieselotte Stürzer u. der Heimatortsgemeinschaft Sächs.-Sanktgeorgen, Emmendingen: Kesselring 1987 Sackelhausen 1970 [RO\Banat] RO, Săcălaz 45.76N 21.113E 364 Fett, Reinhold (Hg.): Sackelhausen. Heimatbuch. Mitarb.: Josef Komanschek u.a., Limburg/ Lahn: Limburger Vereinsdr. 1979 Sadoles 1999 [PL]** PL, Sadoles, Płatkownica 52.65N 21.85E 364 Mainka, Ruth (Zst.): Heimatbuch der Deutschen aus der ehem. Ev.-Augsb. Gemeinde SadolesPlatkownica am Bug. 110 Jahre, 1829–1939 deutsche Kolonisten in der Region Sadowe in Polen. Zusammenfassung der in den Jahren 1986, 1988, 1989, 1990, 1995, 1999 unter dem Titel „Lang, lang’ ist’s her“ erstmals erschienenen Heimathefte mit Erinnerungen der ehem. Einwohner. Eine Sammlung von Ruth Mainka. NT: Lang, lang’ ist’s her, Lübeck: Selbstverl. R. Mainka 1999 Samland 1966 [OPR]** RUS 54.83N 20.26E 101a/b Gusovius, Paul (Zst.): Der Landkreis Samland. Ein Heimatbuch der ehemaligen Landkreise Königsberg und Fischhausen, Würzburg: Holzner 1966 (Ostdt. Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis; 38) Sanktandres 1981 [RO\Banat] RO, Sînandrei, Sănandrei 45.856N 21.168E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter; Weber, Matthias: Heimatbuch Sanktandres im Banat. Hg. von der Heimatortsgemeinschaft Sanktandres, o.O.: Selbstverl. Heimatortsgemeinschaft Sanktandres 1981



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Sanktmartin 1.1981 [RO\Banat]** RO, Sînmărtin, Sânmărtin 46.417N 21.35E 101a, 364 Karl, Anton; Petri, Anton Peter: Heimatbuch der Gemeinde Sanktmartin im Arader Komitat. Hg. im Auftr. der Heimatortsgemeinschaft. Mitarb.: Elisabetha Albert u.a. Zeichn.: Josef Fackelmann. Bd. 1 (von 2), München: Selbstverl. A. Karl 1981 Bd. 2., ebd. 1983 UA, Sarata 46.016N 29.66E 101a/b, 364 Sarata 1979 [Bess.]# Fiess, Christian (Hg.): Heimatbuch Sarata 1822–1940, Mühlacker: Selbstverl. C. Fiess 1979 (Schriftenreihe des Heimatmuseums der Deutschen aus Bessarabien) Sathmar 1952 [RO\Sathmar] RO, Satu Mare 50.67N 16.5E 364 Schmied, Stefan (Hg.): Heimatbuch der Sathmarer Schwaben. Hg. im Auftrag des Arbeitsausschusses, Wangen im Allgäu: Würzer 1952 Schlawe 1.1986/2.1989 [OPOM] PL, Sławno 54.35N 16.67E 101a/b, 364 Vollack, Manfred (Hg.): Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch. Bd. 1: Der Kreis als Ganzes. Hg. im Auftr. des Heimatkreises Schlawe. Unter Mitarb. von Ernst H. v. Michaelis u. vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum: Husum 1986 Bd. 2: Die Städte und Landgemeinden, ebd. 1989 Schleswig-Holstein 1907 D 15 Dohse, Richard (Hg.): Meerumschlungen. Ein literarisches Heimatbuch für Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck, Hamburg: Alfred Janssen 1907 D 1/1a Schleswig-Holstein 1910 Schmarje, Johannes: Die Nordmark. Ein Heimatbuch für Schleswig-Holstein, Hamburg und Lübeck. Buchschmuck von C. Schröder, Leipzig: Brandstetter 1910 3. Aufl. ebd. 1919 (Brandstetters Heimatbücher deutscher Landschaften; [1]) Schluckenau 1977 [SUD]** CZ, Šluknov 51N 14.453E 101a/b, 364 Pfeifer, Wilhelm: Der Heimatkreis Schluckenau im nordböhmischen Niederland. Ein sudetendeutsches Heimatbuch. Biograph. Teil: Erhard Marschner. Hg. vom Heimatkreis Schluckenau in der Sudetendt. Landsmannschaft, München: Selbstverl. Heimatkreis Schluckenau 1977 RO, Dealu Frumos 45.983N 24.7E 101a/b Schönberg 2002 [Siebb.]** Schnabel, Martin (Hg.); Reiner, Martin: Schönberg in Siebenbürgen. Ein Heimatbuch über diese Gemeinde, Sachsenheim: Selbstverl. M. Schnabel 2002 RO, Sigmir (Bistriţa-) 47.13N 24.4167E 101a/b, 364 Schönbirk 1981 [Siebb.]** Zehner, Hanspeter (Hg.): Schönbirker Heimatbuch. Ein Gang durch die Geschichte eines kleinen sächsischen Dorfes im Nösnergau in Siebenbürgen. Hg. unter Mitarb. der Nachbarschaft Schönbirk, München: Selbstverl. Nachbarschaft Schönbirk 1981 Schwerin/W. 1949 [OBR] PL, Skwierzyna 52.6N 15.5E 101b, 364 Klemt, Erich (Hg., Bearb.): Mein Schwerin, Warthe. Ein Heimatbuch des Kreises Schwerin. Heft 1 (von 2), Brilon/W.: Selbstverl. Klemt 1949 H. 2, ebd. 1951 Seifrodau 2001 [S-N/S]** PL, Rudawa 51.46N 16.73E 364 Gottzmann, Roswitha; Schwarz, Ruth (Red.): Heimatbuch Seifrodau. Erinnerungen an Schlesien und an das Leben einer Dorfgemeinde. NT: Seifrodau – ein Dorf bei Winzig a. d. H., Meschede: Patenschaftsbeirat Meschede-Winzig 2001 (Heimatklänge; Sonderausgabe) Siegerland 1914 D 101a Mollat, Georg (Hg.): Siegerländer Heimatbuch. Im Auftr. des Volksbildungsvereins zu Siegen und unter Mitw. zahlr. Freunde des Siegerlandes, Siegen: Selbstverl. des Volksbildungsvereins 1914

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Soldin 1927* PL, Myślibórz 52.93N 14.867E 101a, 364 Ripka, Gustav (Hg.): Soldiner Heimatbuch, zugleich ein Führer durch Soldin und seine Umgebung, Soldin/Nm.: Madrasch 1927 Sommerfeld 1956 [OBR]** PL, Lubsko 51.783N 14.967E 101a Schulz, Gerhard (Zst., Bearb.): 850 Jahre Sommerfeld: 1106–1956. Ein Heimatbuch in Wort und Bild. Hg.: Ortsbetreuung Sommerfeld in der Landsmannschaft Ostbrandenburg Neumark, Berlin-Charlottenburg: Selbstverl. 1956 Srpski-Miletitsch 1936* SRB, Srpski Miletić 45.559N 19.2E 101a Wüscht, Johann: Über Vergangenheit und Gegenwart der Gemeinde Srpski-Miletitsch. Ein Heimatbuch als Festgabe zur 150-Jahrfeier, Srpski Miletić: Selbstverl. J. Wüscht 1936 53.49N 14.593E Luen5 Stettin-Stolzenhagen 1986 [POM] PL, Szczecin Stołczyn Dummann, Kurt (Hg.): Stettin-Stolzenhagen, Kratzwieck und Gotzlow. Ein Heimat– und Lesebuch, Krempel: Olde 1986 Sternberger Land 1988 [OBR]** PL, Torzym [Sternberg/Nm.] 52.3N 15.083E 101b, 364 Linke, Heinz; Paschke, Heinz: Das Sternberger Land im Wandel der Zeiten. Ostbrandenburger Heimatbuch, Teil I. [Mehr offenbar nicht ersch.] Hg.: Heimatkreisbetreuung West-Sternberg e.V., Iserlohn: Selbstverl. 1988 Stolp 1952 [OPOM]** PL, Słupsk 54.467N 17.03E 101a, 364 Hartkopf, Hans: Geschichtliche Marksteine der deutschen Stadt Stolp in Pommern. Ein dokumentares [!] Heimatbuch des Stolper Stadt– und Landkreises, Kitzingen/Main: Holzner 1952 (Der Göttinger Arbeitskreis; Veröff. 55) Succase 1968 [OPR] PL, Suchacz 54.28N 19.44E 364 Wichmann, Georg: Heimatbuch der Dorfgemeinde Succase, Landkreis Elbing, Hildesheim: Selbstverl. 1968 Südmähren 1923 CZ 48.805N 16.635E 101a, 364 Altrichter, Anton; Netouschek, Ferdinand; Vrbka, Anton (Hg.): Südmährisches Heimatbuch für Volk und Schule. Von den Quellen der Igla und Thaya bis zu den Pollauer Bergen. Mit zahlr. Abb., Nikolsburg u.a.: A. Bartosch 1923 Sveti-Hubert 1927* SRB, Banatsko Veliko Selo 45.827N 20.59E 101a Heß, Nikolaus: Heimatbuch der drei Schwestergemeinden Sveti-Hubert, Charlevil und Soltur im Banat, Sveti-Hubert: Selbstverl. N. Heß 1927 Tilsit-Ragnit 1932* RUS, Sovetsk 55.083N 21.88E 101a, 1/1a Kuhnke, Erich; Michalik, Helmut: Heimatbuch des Kreises Tilsit-Ragnit. Verf. im Auftr. der Kreisverwaltung nebst 2 Kt. u. einigen Skizzen. Buchschm. u. Abb. von F. Waldow. Anh.: Kriegsgeschichtliche Ereignisse in und um Tilsit. Von [Helmut] Michalik, Ragnit: Kreide 1932 Tomaschanzi-Gorjani 1974 [HR\Slaw.] HR, Tomašanci 45.4N 18.38E 101a/b, 364 Werni, Josef; Reiber, Konrad; Eder, Josef: Heimatbuch Tomaschanzi-Gorjani. Zur Erinnerung an unsere einstige Heimat in Slawonien, Maichingen: Selbstverl. J. Eder 1974 (Donauschwäbische Beiträge; 63) Tracht 1930* CZ, Strachotín 48.904N 16.66E 101a, 364 Riess, Anton: Der Markt Tracht in Vergangenheit und Gegenwart. Ein Heimatbuch, Brünn: Selbstverl. 1930 Traunau 1989 [RO\Banat] RO, Alunis 46.09N 21.5E 24, 364 Petri, Anton Peter: Heimatbuch der deutschen Gemeinde Traunau im Banat. Hg. von der Traunauer Heimatortsgemeinschaft, o.O. [Wernau]: Selbstverl. Traunauer HOG 1989 Treskowitz 1937 CZ, Troskotovice 48.92N 16.44E 101a, 364 Flassak, Franz; Freising, Josef: Treskowitz (politischer Bezirk Nikolsburg), im 30jährigen Kriege und in der Gegenwart. Ein Heimatbuch, Brünn: Stil-Verl. 1937



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Treuburg 1971 [OPR]** PL, Olecko 54.033N 22.5E 101a/b Grenz, Rudolf (Zst.): Der Kreis Treuburg. Ein ostpreußisches Heimatbuch. Zsgst. im Auftr. der Kreisgemeinschaft Treuburg. Hg. von der Kreisgemeinschaft Treuburg, Lübeck: Czygan 1971 Triebswetter 1983 [RO\Banat] RO, Tomnatic 45.987N 20.657E 101a/b, 364 Petri, Anton Peter; Wolf, Josef: Triebswetter. Heimatbuch der Heidegemeinde im Banat. Hg. von der Triebswetterer Heimatortsgemeinschaft, Spaichingen: Selbstverl. J. Thoma 1983 Troppau 1950 [SUD]** CZ, Opava 49.938N 17.904E 364 Mader, Rudolf (Hg.): Unser Troppau. Ein Heimatbuch. Bd. 1 [mehr nicht erschienen], Bamberg: Selbstverl. 1950 Tschawa-Piliscsaba 1988 [H]** H, Piliscsaba 47.617N 18.83E 24, 364 Hauck, Johann: Tschawa-Piliscsaba. Heimatbuch zur Geschichte des Dorfes Piliscsaba und seiner Bewohner, den Tschamern. Hg. vom Heimatverein Piliscsaba, Ettlingen: GELKA Druck 1988 Ungarn 1930 H 101a, 364 Göttling, Hans (Hg.): Aus Vergangenheit und Gegenwart des deutschungarischen Volkes. Heimatbuch, Budapest: Ungarländisch Deutscher Volksbildungsverein 1930 (Volksschriften des Ungarländisch Deutschen Volksbildungsvereins; 8) Ungersdorf 1995 [Siebb.]** RO, Şieu-Măgheruş 47.083N 24.383E 101a/b, 364 Linkner, Jost (Bearb., Hg.): Heimatbuch Ungersdorf in Nordsiebenbürgen. Gefördert von der Kulturabteilung des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung sowie vom Magistrat der Patenstadt der Heimatvertriebenen. Unter Mitw. von Johann Gross u.a., Wels: Bürotique 1995 Unter-Tannowitz 1953/ 1966.2 [SUD]# CZ, Dolní Dunajovice 48.85N 16.59E 364 Freising, Josef: Heimatbuch der Gemeinde Unter-Tannowitz, Eßlingen/N.: Selbstverl. 1953 2. Aufl. ebd. 1966 101a Unter-Wisternitz 1967 [SUD]** CZ, Dolní Věstonice 48.887N 16.649E 364 Oberleitner, Adalbert: Heimatbuch von Unter-Wisternitz. NT: 1891-1985: Unter-Wisternitz im Wandel der Zeiten, Wien, Geislingen/Steige: Selbstverl. Heimatausschuß Unter-Wisternitz 1967 D 54.076N 13.9E 101a Usedom 1953 Wille, Hermann Heinz (Hg.): Die Insel Usedom. Ein Heimatbuch. Mit Zeichngn. von Otto Manigk, Rostock: Hinstorff 1953 Waissak 1973 [S-O/S]** PL, Wysoka 50.023N 17.82E 101a/b Müller, Josef: Unser Heimatdorf Waissak (Lindau OS), Kreis Leobschütz. Ein Heimatbuch mit Bildanhang, Dortmund: Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen 1973 (Veröff. der Ostdt. Forschungsstelle im Lande Nordrhein-Westfalen: Reihe B; 21) Waldeck 1906/07 D 51.116N 09.116E 60, B478 Fleischhauer, Christian (Hg.): Schwarz-Rot-Gold. Waldeckisches Heimatsbuch. Ein Lesebuch für jung und alt. I. Teil: Geschichte, Bad Wildungen: Conrad Hundt 1906 II. Teil: Heimatkunde, ebd.: Ernst Funk 1907 PL 1/1a, Luen5 Westpreußen 1.2.1912* Gehrke, Paul (Hg.): Die Provinz Westpreußen in Wort und Bild. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. 2 Teile in 1 Bd., Danzig: Kafemann 1912 Wirsitz 1973 [PL\Posen]** PL, Wyrzysk 53.167N 17.283E 101a/b Papstein, Herbert (Hg.): Der Kreis Wirsitz. Ein westpreußisches Heimatbuch. Hg. im Auftr. des Heimatkreises Wirsitz. [Hauptbd.], Bad Zwischenahn: Selbstverl. Heimatkreis Wirsitz Westpreußen 1973

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Wischau 1964 [SUD]** CZ, Vyškov 49.278N 16.99E 364 Heimatbuch über die Wischauer Sprachinsel in Mähren, Aalen/Württ.: Selbstverl. 1964 CZ, Olbramovice 48.99N 16.39E 101a/b, 364 Wolframitz 1982 [SUD]** Lustig, Oswald: Die Marktgemeinde Wolframitz mit den Gemeinden Babitz, Gubschitz, Kl[ein] Seelowitz, Lidmeritz. Das Schicksal deutscher Dorfgemeinschaften an der Sprachgrenze. Ein Heimatbuch. Hg.: Arbeitsausschuß Heimatbuch Waldürn-Hardheim, Wolfenbüttel: Selbstverl. Arbeitsausschuß Heimatbuch Waldürn-Hardheim 1982 Wollin ND 1984 [OPOM] PL, Wolin 53.915N 14.568E 101a/b Rolfs, August: Die Insel Wollin. Ein Heimatbuch und Reiseführer. Angebunden: ders.: Die Insel Usedom. Ein Heimatbuch und Reiseführer. ND der Ausgn. von 1933, Husum: Husum 1984 Wongrowitz 1.1967 [PL\Posen]# PL, Wągrowiec 52.8N 17.2E 101a/b Wittek, Erhard (Zst., Bearb.): Heimatbuch für den Kreis Eichenbrück-Wongrowitz. Geschichte, Sachberichte, Erzähltes, Bilder. Hg.: Eichenbrücker Vereinigung, Heimatkreisvereinigung Eichenbrück (Wongrowitz) in der Landsmannschaft Weichsel-Warthe [Bd. 1], Wendisch Evern: Selbstverl. Geschäftsstelle der Eichenbrücker Vereinigung 1967 Zanow 1.2.1990 [OPOM] PL, Sianów 54.216N 16.3E 101a/b, 364 Zielke, Herbert: Dicht hinterm Gollen. Die Stadt Zanow und die Nachbargemeinden. Ostpommersches Heimatbuch. 2 Bde., Husum: Husum 1990 Závod 1990 [H\Türkei]** H, Závod 46.4N 18.4167E 101a/b, 24 Mayer, Anton (Hg.): Závod in der Tolnau. Heimatbuch zur Geschichte des Dorfes Závod und dessen Bewohnern, Ettlingen: GELKA Druck u. Verl. 1990 Ziegenhain 1908 D 50.9128N 09.24E 1/1a Schwalm, Johann Heinrich: Der Kreis Ziegenhain. Ein Heimatsbuch für Schule und Haus, Marburg i.H.: Elwert 1908 Zwittau 1976.2 [SUD]# CZ, Svitavy 49.75N 16.471E 364 Heimatbuch Zwittau. Hg. vom Heimatkreis Zwittau im Schönhengster Heimatbund e.V., Göppingen: Selbstverl. Heimatkreis Zwittau im Schönhengster Heimatbund 1974

Literaturverzeichnis

o.A.: Dolni Dujanovice – Unter-Tannowitz, o.A.: Genealogie Sudetenland: Index der Orte in [sic] Sudetenland / Index for Places, o.A.: German Genealogy: Donauschwäbische Heimatbücher, o.A.: Publikationen: Aktivitäten und Projekte: Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, o.A.: Sozialministerin Stewens: Vertreibung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ächten – Für Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin, o.A.: Über 175 Jahre Rautenberg, o.A.: World Biographical Information System (WBIS Online), München: Saur 2004ff. Ahonen, Pertti Tapio: After the Expulsion. West Germany and Eastern Europe 1945–1990, Oxford: Oxford University Press 2003 Allgemeine deutsche Biographie, hg. von der Historischen Commission bei der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Leipzig: Duncker & Humblot 1879–1912 Allischewski, Helmut: Retrieval nach Preußischen Instruktionen. Darstellung der Recherche-Probleme in ‚preußisch‘ geführten Katalogen anhand einer Systematik der Schriftenklassen, Wiesbaden: Reichert 1982 Aus der Anweisung zur Einführung des Faches Heimatkunde in der deutschen demokratischen Schule vom 30. Juni 1955, in: Markowitsch, Hans J.: Die Heimat im Geschichtsunterricht. Materialien zur Verwirklichung des heimatkundlichen Prinzips im Geschichtsunterricht, Berlin: Volk und Wissen 1957, S. 136f. Applegate, Celia: A Nation of Provincials. The German Idea of Heimat, Berkeley: University of California Press 1990 Assmann, Aleida und Ute Frevert: Geschichtsvergessenheit Geschichtsversessenheit. Vom Umgang mit deutschen Vergangenheiten nach 1945, Stuttgart: DVA 1999 Assmann, Aleida: Vier Formen des Gedächtnisses, in: Erwägen Wissen Ethik 13 (2002), S. 183–190 Assmann, Jan: Erinnern, um dazuzugehören. Kulturelles Gedächtnis, Zugehörigkeitsstruktur und normative Vergangenheit, in: Platt, Kristin und Dabag, Mihran (Hg.): Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen: Leske & Budrich 1995, S. 51–75 – Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München: Beck 1999 (zuerst ebd. 1997) Augst, Richard: Zum Aufbau eines Seminars für wissenschaftliche Heimatkunde am Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule Dresden, in: Leipziger Lehrerzeitung 33 (1926), 19. Mai 1926 – Der Heimatgedanke in der Lehrerbildung, in: Neue Pädagogische Studien  1 (1929), H.  3, S. 117f. Bade, Klaus J. (Hg.): Neue Heimat im Westen. Vertriebene, Flüchtlinge, Aussiedler, Münster: Westfälischer Heimatbund 1990 Bausinger, Hermann: Heimat heute, Stuttgart: Kohlhammer 1984

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Zeiträg, Ingeborg: Die Selbstdarstellung der deutschen Vertriebenenverbände als Reflex ihrer gesellschaftlichen Situation. Univ.-Diss., Hamburg 1970 Ziegler, Walter (Hg.): Die Vertriebenen vor der Vertreibung. Die Heimatländer der deutschen Vertriebenen im 19. und 20. Jahrhundert: Strukturen, Entwicklungen, Erfahrung. 2 Teile, München: iudicium 1999 Zimmermann, Volker: Geschichtsbilder sudetendeutscher Vertriebenenorganisationen und „Gesinnungsgemeinschaften“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53 (2005), S. 912–924

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34: Abb. 35: Abb. 36:

Verlorene Heimaten im Heimatbuch...................................................................... Verteilung und Prozentsatz ausgewerteter Heimatbücher...................................... Eingabemaske der Datenbank zur Erfassung der Heimatbuchinhalte.................... Die ersten Heimatbücher (bis 1910) im Kartenbild................................................ Heimatbuch-Publikationszahlen bis 1945.............................................................. Idealtypus Heimatbuch der Weimarer Republik..................................................... Heimatbücher für das Gebiet der DDR.................................................................. Referenzregionen der Vertriebenenheimatbücher................................................... Heimatbücher Ost und West: alle Ausgaben........................................................... Heimatbücher nach Referenzregionen.................................................................... Heimatbücher nach Referenzregionen, nur Erstausgaben...................................... Heimatbücher im Selbstverlag................................................................................ Das Heimatbuch spricht zu Dir! aus: Buchau 1950 [SUD], Vorsatzblatt............... Einschreibung im Heimatbuch, aus: ebd., S. 136................................................... Geburtsjahrgänge der Autoren................................................................................ Themengewichtung in hundert Jahren Heimatbuch............................................... Themenkanon der Vertriebenenheimatbücher........................................................ Themenverteilung nach Großgruppen.................................................................... Anteil Gemeinwesen und soziales Leben in Prozent.............................................. Anteil Dokumentation in Prozent........................................................................... Anteil Vertreibung in Prozent................................................................................. Geschichtsepochen im Heimatbuch........................................................................ Einmarsch der Wehrmacht in Braunau, aus: Braunauer Land 1984.3 [SUD], . S. 199...................................................................................................................... Familie mit Hund, Katze und Schwein, aus: Seifrodau 2001 [S-N/S], S. 147....... Hochzeitsfotos vor und nach 1945, aus: Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], . S. 131, 128.............................................................................................................. Rätselhafte Parkindianer, aus: Troppau 1950 [SUD], S. 215................................. Sprachgrenzenkarte der Region Leitmeritz, aus Leitmeritz 1970 [SUD], S. 37.... Blick auf Crossen 1959, aus: Crossen 1962 [OBR], S. 98..................................... Nicolae Ceauşescu mit Jagdstrecke, aus: Auen-Kuschma 1994 [Siebb.], S. 201... St. Florian und Wasserpumpe, aus: Guldenfurth 1966 [SUD], Kartenbeilage....... Die Kirche im Dorf, aus: Ernsthausen 1983 [SRB\Banat], Kartenbeilage............. Tanzplatz, Festplatz, Feuerwehr, aus: Guldenfurth 1966 [SUD], Kartenbeilage..... Haussymbole, aus: Fratautz 2005 [RO\Buk.], Kartenbeilage................................. Anonyme Nachbarn, aus: ebd., S. 51 und Kartenbeilage....................................... „Judentempel“, aus: Meinetschlag 2002 [SUD], S. 168......................................... Idealtypus Vertriebenenheimatbuch........................................................................

3 11 12 54 60 61 67 71 72 73 74 76 92 93 111 117 123 124 126 126 127 173 183 221 222 223 223 224 225 226 226 227 228 228 229 247

Abbildungsnachweis Titelcollage Links oben Sprachgrenzenkarte der Region Leitmeritz, aus: Leitmeritz 1970 [SUD], S. 37; rechts oben Erinnerungsfoto an den Ersten Weltkrieg, aus: Kleinjetscha 1997 [RO\Banat], S. 115; Mitte Ortsausgangsschild, aus: ebd., S. 236; links unten Scherenschnitt „Heimat, haben wir Dich auch verloren / vergessen können wir Dich nie!“, aus: Klein Tajax 1999 [SUD], S. 86; rechts unten Blick auf Crossen 1959, aus: Crossen 1962 [OBR], S. 98. Collage und Kolorierung: Katja Faehndrich.

Personenregister Adenauer, Konrad 213 Ahonen, Pertti Tapio 81, 138, 213, 236 Albrecht, Stefan 148 Alexander I. von Rußland 159 Allischewski, Helmut 5 Altrichter, Anton 148 Antonescu, Ion 196 Applegate, Celia 49 Arburg, Adrian von 210 Arndt, Walther 189 Assion, Peter 64 Assmann, Aleida 42, 193 Assmann, Jan 16, 23, 30, 37–41, 79, 87–100, 121, 128–130, 172, 233, 241 Augst, Richard 52 Bade, Klaus J. 14 Baker, Zachary M. 244 Bald, Detlef 180 Balogh, András F. 21 Bausinger, Hermann 53, 185 Beer, Mathias 21, 24, 57, 65, 81, 83, 85f., 94, 109, 133, 141, 155, 190 Behring, Eva 27 Beneš, Edvard 151, 207–210, 236 Benz, Wolfgang 69, 145 Berek, Mathias 25 Berg, Christa 46, 48 Berger, Peter L. 28 Bernard, Willy 184 Bierl, Peter 190f. Blau, Josef 55, 58f., 198, 200 Bobrowski, Johannes 106 Bohác, Jaromir 109 Bollnow, Otto Friedrich 51 Bornemann, Felix 148, 247 Borodziej, Włodzimierz 19, 36, 83 Bossert, Rolf 108 Boyarin, Jonathan 244 Brandt, Willy 22, 83, 85, 94, 137, 236 Bräuer, Gottfried 51 Braun, Karl 147 Brednich, Rolf W. 185 Brinkmann, Albrecht 51

Brix, Fritz 133 Bruhns, Wibke 107 Bruss, Siegbert 157 Buchholz, Werner 44 Buchka, Karl von 133 Bude, Heinz 180 Buschmann, Nikolaus 150 Casagrande, Thomas 196 Cassirer, Ernst 27f., 33 Ceauşescu, Nicolae 225 Chwin, Stefan 108 Conrad, Christoph 226 Csallner, Kurt 158 Czaja, Herbert 236 Czapliński, Marek 120, 140 Dabag, Mihran 241 Diestelkamp, Adolf 81 Diesterweg, Adolph 48 Dmitrieva, Marina 244 Dönhoff, Marion Gräfin 134 Doyscher, Rudolf 148 Drakulić, Slavenka 216 Dröge, Kurt 114, 215 Drosdowski, Günther 57 Dückers, Tanja 105f. Edding, Friedrich 14, 105 Eibicht, Rolf-Josef 192, 207 Eichendorff, Joseph von 121 Elsinger, Reiner 188 Engel, Alfred 188 Erll, Astrid 26f. Esser, Heinz 142f. Eugen Franz von Savoyen-Carignan 196 Faehndrich, Jutta 22f., 140, 249 Fahlbusch, Michael 132 Falter, Julius 56 Fehlauer, Michael 67 Fendl, Elisabeth 104, 109, 128 Ferrier, Monika 115 Fest, Joachim C. 112

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Personenregister

Fichte, Johann Gottlieb 46 Fisch, Bernhard 231 Fischer, Emil 50 Flemming-Benz, Hasso Graf von 135 Foschepoth, Josef 213 Foucault, Michel 51 François, Etienne 30, 120 Frank, Hans 192 Frede, Ulrike 20–22, 141, 249 Freising, Josef 148 Frevert, Ute 194 Friederich, Gerd 46 Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 48 Fuchs, Sabine 150 Gans, Isidor 199 Gansberg, Fritz 51 Gild, Andreas 56 Göbbel, Horst 157f. Goffmann, Erving 233 Gold, Hugo 188 Goschler, Constantin 81 Grass, Günter 86, 106 Grautoff, Ferdinand 63 Greim, Robert Ritter von 112 Greiner, Helmuth 179 Grenz, Rudolf 133 Greverus, Ina-Maria 32f., 53 Grimm, Jacob und Wilhelm 20 Grünn, Ignaz 188 Guist, Martin 157 Gusovius, Paul 133 Gutman, Israel 244 Haar, Ingo 132 Hackmann, Jörg 78 Hahn, Hans-Joachim 120 Halbwachs, Maurice 15, 23, 28–31, 42, 79, 83f., 86, 94, 99, 129f., 233 Hamburger, Martha 189 Hamburger, Max 189 Hamburger, Viktor 188f. Hampe, Henrike 8 Hampp, Irmgard 64, 190 Harnisch, Chr. Wilhelm 45–51, 59 Hasenclever, Peter 189 Hauptmann, Gerhart 120 Hauptmeyer, Carl-Hans 44

Havel, Václav 177 Heer, Hannes 175 Heider, Magdalena 65 Hein, Christoph 106 Heinrich I. von Schlesien 176 Held, Wieland 52 Hemmerle, Rudolf 8, 20, 87, 210 Henlein, Konrad 146f., 181, 200f. Herder, Johann Gottfried 46 Herrmann, Ulrich 48 Herter, Balduin 157 Hess, Rudolf 192 Heßler, Carl 56 Heumos, Peter 20, 35 Hienz, Hermann A. 158 Hirsch, Helga 85 Hirschbiegel, Oliver 112 Hitler, Adolf 111f., 161, 181, 186–188, 190, 195f. Hofmann, Andreas R. 210 Höhne, Alfred 140 Holtmann, Everhard 105 Huelle, Paweł 108 Humboldt, Wilhelm von 27, 48 Hütteroth, Ferdinand 140 Jäckel, Eberhard 143 Jähnig, Bernhart 133 Jaworski, Rudolf 78 Jeismann, Karl-Ernst 48 Jirgl, Reinhard 106 Jochen, Max 51, 59 Jolles, Hiddo M. 218 Kaiser, Astrid 44, 48 Kampf, Wilhelm 21 Kansteiner, Wulf 25 Kant, Immanuel 28 Keppler, Angela 88 Kessler, Wolfgang 5, 8, 20–23, 53, 74–76, 78, 91, 133, 139, 154, 158, 165, 249 King, Jeremy 198 Kittel, Manfred 148 Klappenbach, Ruth 27 Kliems, Alfrun 27 Klotz, Johannes 180 Klotz, Volker 249 Knopp, Guido 17, 106



Personenregister

Koepp, Volker 106 Kohl, Helmut 236 Köhle-Hezinger, Christel 57, 65, 241f., 249, 251 Kohlmann, Reinhard 67 Kohn, Martha und Paul 184 Köhnke, Klaus Christian 6–8, 31 Kořalka, Jiří 177 Koschmal, Walter 177 Kossert, Andreas 14, 37, 212 Kraft, Claudia 19 Kraj, Jaroslav 109 Krajewski, Marek 108 Kroner, Michael 157 Kugelmass, Jack 244 Kuhn, Walter 72 Kunick, Ernst 139, 189 Langewiesche, Dieter 150 Laun, Rudolf 81 Lehmann, Albrecht 15, 37, 81, 84f., 87, 89, 97, 100, 105, 194, 212, 217, 238, 251 Lehmann, Emil 148 Lemberg, Eugen 14, 96, 105 Lemberg, Hans 17–19, 240 Lenz, Siegfried 106, 134f. Lesser, Gabriele 17 Leupold, Dagmar 105f. Linkner, Jost 158 Linnemann, Kai Arne 132 Lipphardt, Anna 244 Loderer, Klaus 155 Lodgman von Auen, Rudolf 205 Lorber, Jakob 148 Lorenz, Torsten 139 Lotz, Christian 80–83, 86, 94, 178, 192, 204, 232–235, 240, 242 Lubieniecki, Jan 189 Luckmann, Thomas 28 Lüttinger, Paul 212 Malinowski, Bronisław 2 Malíř, Jiří 148 Mannheim, Karl 38, 40, 96 Markowitsch, Hans J. 66 Maron, Monika 107 Masaryk, Tomáš Garrigue 95 Maus, Heinz 15

297

Mayer, Herbert 67 McArthur, Marilyn 162f., 165 Mead, George Herbert 97, 104 Medicus, Thomas 105–107 Meier, Helmut 67 Meinhardt, Rolf 78 Meinicke, Wolfgang 15 Melendy, Brenda Dale 87, 97, 105, 194f., 217, 230f. Melville, Ralph 148 Meyhöfer, Max 133 Michael, Berthold 48 Miethe, Käthe 67 Mignat, Johannes 133 Mikšíček, Petr 109 Milata, Paul 196 Miłosz, Czesław 27 Mitzlaff, Hartmut 44–54, 59, 64 Moeller, Robert G. 184–186 Moller, Sabine 16 Mommsen, Theodor 44 Morris, Charles W. 97 Moses, Fritz 141 Mühle, Eduard 78 Müller, Franz 56 Müller, Herta 108 Müller, Olaf 105 Münz, Rainer 19 Musäus, Johann Karl August 120 Nassehi, Armin 162 Naumann, Klaus 175, 212 Nekula, Marek 177 Nemec, Mirek 148 Niethammer, Lutz 38, 169 Nora, Pierre 23, 39f. Nordhausen, Richard 56 Novick, Peter 245 Novozámská, Martina 109 Ohliger, Rainer 19 Opitz, Otto A. 148 Orosz-Takács, Katalin 21, 23f., 155f., 163, 166, 217 Pacher, Ulf 97 Pareto, Vilfredo 33 Pastior, Oskar 108

298 Pech, Detlef 44, 48 Pekař, Josef 149 Perlick, Alfons 52, 79, 139f. Pestalozzi, Johann Heinrich 45f. Petersen, Heidemarie 244 Petri, Anton Peter 155, 161 Pfeil, Elisabeth 218 Piskorski, Jan M. 78 Plato, Alexander von 15, 169 Platt, Kristin 241 Pledl, Wolfgang 64 Pluskal, Franz 199 Poser, Victor von 133 Potthast, Jan Björn 188 Rammstedt, Otthein 33 Randow, Rose-Maria von 135 Ranke, Kurt 185 Ranke, Leopold von 26 Rassow, Peter 81 Reichling, Gerhard 70 Reitsch, Hanna 111f. Reski, Petra 105 Rexheuser, Rex 143 Ritter, Alexander 154 Ritter, Carl 46 Rogall, Joachim 177 Rosegger, Peter 121, 210f. Rössler, Mechthild 159 Rothfels, Hans 81 Runzheimer, Jürgen 145 Salamanczuk, Roman 109 Salzborn, Samuel 17, 106, 132, 207 Sannwald, Wolfgang 65 Schacter, Daniel L. 29, 31, 94 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 46 Schelsky, Helmut 217 Schepp, Heinz-Hermann 48 Schieder, Theodor 81 Schildt, Axel 105 Schlattner, Eginald 108 Schlau, Wilfried 96 Schleiermacher, Friedrich 46 Schleiermacher, Sabine 159 Schmauder, Andreas 65 Schnitzler, Otto 185 Schöck, Gustav 64, 190

Personenregister

Schramm, Percy Ernst 179 Schröder, Hans-Joachim 16 Schuller, Friedrich 158 Schulze, Hagen 30, 120 Schütz, Alfred 16 Schütz, Erhard 21 Schütze, Manuela 114 Schwartz, Michael 14, 97, 212 Schwarz, Ernst 223 Segev, Tom 245 Seibt, Ferdinand 71, 252 Seidl, Alfred 192 Seixas, Peter 25 Senz, Josef Volkmar 8 Setzler, Wilfried 190f. Šícha, Jan 109 Simmel, Georg 31, 33, 51f., 95 Slavíková, Marie 109 Spranger, Eduard 51f., 79 Spurný, Matěj 109 Stalin, Iosif 196, 210 Stark, Joachim 35 Steinbach, Erika 17 Steinführer, Henning 66 Steinitz, Wolfgang 27 Stennert, Doris 215 Stewens, Christa 192 Stickler, Matthias 14, 70, 83, 101 Stieglitz, Hans 59, 64 Surminski, Arno 106 Svašek, Maruška 104 Sywottek, Arnold 105 Tafferner, Anton 8, 155 Thalbach, Anna 112 Ther, Philipp 36, 218 Thöns, Kerstin 65 Thum, Gregor 108 Tokarczuk, Olga 108 Tóth, Ágnes 154 Totok, William 108 Traba, Robert 134 Trapp, Bruno Maurice 188 Trausch, Joseph 158 Treichel, Hans-Ulrich 105 Treinen, Heiner 33f., 119, 238 Tschugnall, Karoline 16 Turnwald, Wilhelm 202



Personenregister

Ullmann, Martin 50 Ulrich, Horst 67 Urban, Thomas 36, 146 Usler, Alexander 20 Vaca, Jan 109 Vansina, Jan 98 Veselská, Dana 188 Vetter, Gerhard 67 Volkan, Vamik 104 Vollack, Manfred 135 Vrbka, Anton 55, 57f. Vrbková, Stanislava 188 Wagner, Richard 108 Wasser, Bruno 159 Weber-Kellermann, Ingeborg 72 Weber, Georg 20, 162 Weber, Matthias 134 Weber, Reinhold 133, 135 Weber, Renate 20 Weger, Tobias 18, 37, 120, 188, 197, 202, 204–206, 208 Wehler, Hans-Ulrich 154

299

Weiß, Hermann 112 Weizsäcker, Richard von 193 Welzer, Harald 16, 88, 151 Wette, Wolfram 180 Wichmann, Georg 132 Wilhelm, Felix 56 Wille, Hermann 64 Wille, Hermann Heinz 67 Winghart, Stefan 44 Wolf, Josef 155 Wolff, Kurt H. 38 Wölfflin, Heinrich 249 Wolfrum, Edgar 86 Wrangel, Wolf Frhr. von 133 Zehner, Hanspeter 158 Zehner, Wilhelm 158 Zeiträg, Ingeborg 204 Ziegler, Walter 96 Ziemer, Klaus 36f. Zimmermann, Hartmut 67 Zimmermann, Volker 147, 197, 204, 210, 233 Zluhan, Friedrich 148

Ortsregister Die Mehrheit der Einträge im Ortsregister verweist auf Heimatbücher zu den betreffenden Orten. Davon werden sonstige im Text genannte Orte durch Kursivschrift abgesetzt. Wird ein Ort sowohl als Referenzraum eines Heimatbuchs als auch als Ort an sich erwähnt, verweist eine kursive Seitenzahl auf die Nennung des Ortes unabhängig vom Heimatbuch. Landschaften, Kreise oder Regionen werden nur aufgeführt, wenn ein Heimatbuch diese zum Gegenstand hat. Ortsnamen werden allein in der im Text vorkommenden Namensform aufgeführt. Heutige Ortsnamen in der Landessprache können dem Verzeichnis der Heimatbücher entnommen werden. Allenstein 19 Altgersdorf 140, 143, 181, 225 Altheide 110 Altschallersdorf 88, 148, 178, 182, 185, 218 Angermünde 54 Apatin 155f. Auen-Kuschma 93, 101, 158, 163f., 166, 168, 221f., 225 Auschwitz 184f. Auspitz 188 Aussig 109 Bad Kissingen 158 Baltikum 54–56, 74 Bamberg 155 Banat 156 Batschsentiwan 155 Belgard 107 Benkendorf 95, 101f., 160, 163, 218 Berlin 8, 27, 46, 48, 56, 106, 112, 189, 192 Beschka 163f., 168, 170, 216, 219 Beuthen 52, 79, 139f. Bietigheim 148 Birnbaum 139 Bistritz 158 Bitterfeld 67 Bodenbach 148 Bodenstadt 93, 149, 151, 174, 178, 181, 195, 205, 208 Bogarosch 155 Böhmisch-Budweis 198f. Böhmisch-Leipa 199 Bonn 101 Borodino 160 Brandenburg 56 Braunau in Böhmen 183

Bremen 51 Breslau 45, 75, 85, 94, 108 Bromberg 145 Bruck 191 Brünn 3, 109, 210 Brüx 148 Buchau 89, 92f., 95, 184, 201, 203, 205, 212f. Buchenwald 207 Buchwald 94f., 149–151, 178, 193, 195, 205, 207f., 211 Budaörs 154 Budapest 21 Bukin 155 Bunzlau 94, 141, 181, 194 Burghalle 158 Cammin 102, 135 Celje 156 Christianstadt 102, 136, 138 Crossen 89, 136, 214, 224 Csavoly 161, 163–166, 169–171, 216, 219 Czernowitz 1, 75, 106 Dachau 207 Danzig 62, 69, 108 Darß 66 Deutsch-Liebau 199 Deutsch-Zepling 170 Deutschbentschek 1, 154 Dittersdorf 93, 150, 181, 207f., 211 Dortmund 51f. Dresden 52 Duppau 181, 205–208 Düsseldorf 207



Ortsregister

Egerland 55 Eisenhüttenstadt 216 Elsaß 9, 62 Ernsthausen 88, 146, 161f., 164, 166, 169, 171, 194, 226 Falkenberg 143, 180, 216 Falkenburg 93, 136, 194 Fischland 66 Frankstadt 202, 205 Fratautz 162f., 225, 228 Freiburg 109 Freienwalde 215 Freystadt 89, 99, 102, 121 Gablonz 201, 203 Galizien 144–146 Geischowitz 152, 211 Gerlachsheim 77 Giseladorf 161, 163, 165f. Gnadental 1, 91, 159, 160, 163, 167, 170 Gnesen 125 Goldap 133 Gorjani 155 Gotschdorf 212 Göttingen 132–135, 138 Gottlob 155 Grabatz 155 Grafendorf 200, 203 Groß-Scham 155 Großkopisch 162, 165 Großudertal 135 Guhrau 141 Guldenfurth 101, 182f., 206, 208f., 226f., 229 Gumbinnen 175f. Halvelagen 213f., 162, 165, 168 Hamburg 55 Harz 51 Hatzfeld 155 Heidendorf 158 Heiligenbeil 99, 133, 151, 179, 192–194 Heinzendorf/Schlesien 106 Hermesdorf 202 Herne 4, 8 Hessen 53–56 Hiddensee 66 Hirschberg 88, 111f., 120, 140, 142

301

Homberg 54–56 Hrabětice 200 Iglau 69, 148, 200 Jägerndorf 148 Jakobsfelde 77, 141f. Jasienica 106 Kaaden 148, 181, 205–208 Kalatscha 168 Kärnten 62f. Karthaus 144–146, 220 Karwen 102, 181 Kassel 55 Kattowitz 142, 144, 225 Kikinda 163, 166, 170 Klein Tajax 39, 95, 102, 151f., 178f., 181, 205, 207f., 211 Kleinsanktpeter-Totina 1, 75, 77, 88, 90, 155, 161, 168, 170f., 213 Kleinschenk 225 Klentnitz 148 Kolberg 107, 135 Königsberg/Eger 148 Königsberg/Ostpreußen 1, 132 Krčedin 156 Kreibitztal 89, 102, 150–152, 178, 185 Kreuzburg 142 Kroitsch 102, 121, 141, 177, 181, 195 Krummau/Moldau 148 Kudritz 154 Küstrin 181 Labiau 133 Łączka-Lontschka 146 Łambinowice 142f. Lamsdorf 142f. Landeshut 39, 139–142, 151, 177, 181f., 189, 192–194, 213 Landskron 58, 148, 174, 198f. Laschkafeld 155 Lauenburg 137f., 187 Lausitz 56 Leer 132 Leipzig 1, 3, 4, 32, 36, 52, 62f. Leitmeritz 177, 186f., 194f., 205, 208, 220, 223

302

Ortsregister

Lemberg 36, 216 Lębork 138 Lenauheim 225 Lenzen 132 Leobschütz 141f., 192 Lidice 207 Linde 77 Lipová 109 Lodz 17, 75, 125, 144 Lothringen 9, 62 Lötzen 95, 133 Lovrin 155 Löwenberg 39, 140f., 176f., 179, 213 Lubenz 186 Luditz 94f., 149, 177, 181f., 186, 195, 200, 205, 207f. Ludwigsdorf 158 Lyck 133, 135, 187 Magdeburg 56 Maniersch 156, 164, 216, 219 Maria Hilf 211 Marienburg 93, 121 Marienfeld 90f., 155, 163f., 170f., 216, 219 Marpod 162f., 170f. Meinetschlag 149, 205, 208, 211, 229 Meltsch 210 Meseritz 121, 136, 138f., 164, 194, 213, 215f., 218f. Mettersdorf 92, 101, 107, 156, 158, 162f., 165, 167f. Międzychód 139 Minarken 158 Modosch 89, 91, 93, 161, 163f., 166, 169f., 216, 219 Mödritz 89, 179, 195, 205–210 Mohrungen 132, 133 Moritzdorf 158 Moritzfelde 155 München 33, 56, 157, 223 Münster 20 Muschau 148 Nassau 51 Neidenburg 133 Netzekreis 135 Neu-Elft 159, 168f. Neu-Pasua 154

Neuarad 155 Neuhatzfeld 161, 165, 216 Neustettin 135 New York 244 Niedergrund 148, 178, 181, 211 Niederschwedeldorf 93, 140 Niederstetten 51 Niederwallendorf 158 Nikolsburg 182, 188, 205, 208, 210f. Nordhausen 54, 56f. Nordschomodei 155 Nürnberg 8, 114, 192, 205 Ober-Eidisch 158 Oberaltstadt 149–152, 178, 181, 185, 192, 195, 205, 208, 211 Obernigk 88, 103, 140f., 143, 216 Oberschlesien 62 Odzaci 155 Ohlau 121, 142, 212 Olmütz-Hodolein 203 Opava 200 Ortelsburg 133, 214, 216 Österreich 62f. Ostgebiete 62 Ostmark 62 Paris 207 Paßbusch 158 Pawlowka 160 Piliscsaba 163f., 166, 168–170 Pilsen 140 Pintak 158 Podersam 206 Poel 66 Polanica Zdrój 110 Posen 62, 75, 144f. Potsdam 36, 80, 210, 232 Prag 108, 182, 188 Preußisch Holland 133f., 213 Pusztavam 155 Ragnit 133 Ratibor 140, 142, 194 Regensburg 192 Reichenau 88, 177, 181 Reval 54f., 74 Rosch 75



Ortsregister

Rosenau 155 Rosenberg 91, 94, 134, 175f., 181, 194, 213 Rößel 133, 186f. Rosternitz 109 Rostock 65f. Rügen 66 Rügenwalde 107 Saatzig 91, 99, 102, 135, 138, 177, 186, 214f., 218 Saaz 206 Sächsisch-Sanktgeorgen 158 Sackelhausen 1, 154 Sadoles 144, 146, 181 Salzburg 155 Samland 90, 133f. Sanktandres 155 Sanktmartin 155, 161, 194 Sarata 101f., 163, 165, 170 Sathmar 154 Schlawe 135 Schleswig-Holstein 55 Schluckenau 149, 151, 178, 180–182, 205, 208 Schönberg 162f., 170f., 214 Schönbirk 158 Schwerin/Warthe 69 Seifrodau 221 Siegerland 57 Sommerfeld 136, 214 Spansdorf 109 Srpski-Miletitsch 156 St. Germain 208 St. Louis, Missouri 189 Stalinstadt 216 Stettin 75, 106 Stettin-Stolzenhagen 75 Stolp 107, 135 Stolpmünde 107 Strehlen 141 Succase 132 Südmähren 148 Sveti-Hubert 155 Swonowitz 109 Tábor 209f. Tetschen 148 Thaur bei Innsbruck 157

303

Theresienstadt 186 Tilsit 133 Tomaschanzi 155 Traunau 155 Treskowitz 148 Treuburg 1, 133f., 151, 179–181, 192, 194, 214 Trianon 154 Triebswetter 155 Troppau 182, 185, 200, 203, 205, 222f. Tschawa 163f., 166, 168–170 Tübingen 21, 24, 57 Ulm 8 Ungarn 156 Ungersdorf 158 Unter-Tannowitz 1, 89, 95, 148, 181, 183, 206, 208, 213 Unter-Wisternitz 177, 185, 207f. Usedom 66 Ustí nad Labem 109 Versailles 63, 134 Vilne 244 Vilnius 244 Waissak 77, 89, 102, 141f., 180, 185, 212 Waldeck 54–56 Weißenfels 45 Wels 158 Westpreußen 62 Wilna 244 Wirsitz 144–146, 187, 196, 213 Wischau 208 Wolframitz 187, 205f., 208 Wollin 135 Wongrowitz 144–146, 196, 218 Yalta 210 Zamość 159 Zanow 135 Závod 95, 163, 165f. Ziegenhain 54–56 Žlutice 200 Zwickau 51 Zwittau 88, 102, 149f., 206