Ein Labor der Sozialgeschichte: Die Entwicklung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte seit 1956 [1 ed.] 9783412515935, 9783412515911

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Ein Labor der Sozialgeschichte: Die Entwicklung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte seit 1956 [1 ed.]
 9783412515935, 9783412515911

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Ein Labor der Sozialgeschichte Die Entwicklung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte seit 1956

Ulrich Engelhardt

Industrielle Welt Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Herausgegeben von Ulrike von Hirschhausen und Sebastian Conrad Band 100

Ulrich Engelhardt Ein Labor der Sozialgeschichte

Ulrich Engelhardt

Ein Labor der Sozialgeschichte Die Entwicklung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte seit 1956

BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Korrektorat: Sara Horn, Düsseldorf Satz und Layout: büro mn, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-51593-5

Inhalt

Danksagung  . . ............................................................................................................... 

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Statt einer Einleitung  .. ..............................................................................................  11 1. Entstehung und Frühzeit (1956 – 1962)  .........................................................  13 1.1 Vorbereitung, Gründung und Startkonzept (1956/57)  ..........................  13

1.2 Staat und Gesellschaft im Vormärz – Sozioökonomische Ausgangsthematik und organisatorische Grundlegung (1957/58)  .......  36 1.3 Weltwirtschaftliche Konjunkturwende und neue Wirtschaftsund Machtgruppen seit dem späten 19. Jahrhundert – Thematische Erweiterung und erste Bemühungen um methodologischkonzeptionelle Standortbestimmung (1959 – 61)  .....................................  70 1.4 Organisatorische Festigung nach anfänglichen Krisenerscheinungen (1959 – 1962)  .....................................................................................................  84

2. Etablierung und Verjüngung (1962 – 1969/73)  .. ..........................................  96

2.1 Staats- und Wirtschaftskrise in Deutschland 1930/32 – Thematische Konzentration und erneutes Bemühen um Präzisierung von Sozialgeschichte (1962 – 1965)  ..............................................................  2.2 Verschärfung der internen Probleme und Bewältigungsversuch durch Verjüngung (1962 – 1969)  ..................................................................  2.3 Entstehung der industriellen/modernen Welt – Ausweitung des Perspektivrahmens und Infragestellung durch wissenschaftspolitische Verhältnisse (1966 – 1969)  .. .........................................................  2.4 Konstanz der Perspektive und vorläufige Behebung der personellen Schwierigkeiten (1970 – 1973)  ......................................... 

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3. Konsolidierung und verstärkte Beachtung von geschichtlichem Neuland (1973 – 1993)  ................................................  154

3.1 Sozialgeschichte der Familie – Inaugurierung eines sozialhistorischen Basisthemas (1973 – 1975/77)  .......................................  155 3.2 Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland – Hinwendung zu einem zeitgeschichtlich aktuellen Untersuchungsobjekt bei fortgesetzter Reflexion über Sozialgeschichte (1975 – 1980)  . 161 3.3 Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert – Innovative Erschließung eines weiteren sozialhistorischen Kernthemas (1981 – 1987)  ..................  188

6

Inhalt

3.4 Soziale Vorbedingungen und Folgen wirtschaftlicher Wechsellagen oder Der große Boom der 1950er/60er Jahre – Reakzentuierung ökonomischer Dimensionen (1987/88)  . . ...................................................  3.5 Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950 – Neubestimmung eines scheinbar konventionellen Gegenstands (1988/89)  ......................  3.6 Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert – Zur Integration sozialgeschichtlicher Religionsforschung (1990)  . . ...................................  3.7 Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität im Europa des 20. Jahrhunderts – Verstärkte Berücksichtigung gegenwartspolitischer Aktualität und transnationaler Aspekte (1991)  .........................................  3.8 Sozialgeschichte der DDR – Nachholende Rückbesinnung auf ein schon anvisiertes Forschungsfeld (1992/93)  . . .............................. 

198 204 208

211 214

4. Konzeptionelle Selbstvergewisserung mit Überwindung einer tiefgreifenden Existenzkrise (1993 – 2002 ff.)  ..................................  218

4.1 Militär und bürgerliche Gesellschaft – Aufnahme einer lange zurückgestellten Forschungsfrage (1993 – 1994/95)  . . ................................  4.2 Problemlagen der Sozialgeschichte – Reaktivierung und Intensivierung einer immanenten Dauerdebatte (1994/95)  .. ................  4.3 Ergebnisse und Defizite der Konstruktion und Analyse politisch-sozialer Begriffe – Überprüfung des bislang aufwendigsten Arbeitskreisprojekts (1995)  ...........................................................................  4.4 Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (I) – Entwurf und Start eines vordringlichen „Mammutprogramms“ (1996 – 1999)  . . .................  4.5 Die Anfänge des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte – Interimistische Selbstthematisierung und Rekapitulation in schwieriger Lage (1999)  ...........................................................................  4.6 Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (II) – Wandel und Abschluss des Projekts bei Neubestimmung von Sozialgeschichte (2000 ff.)  ..........................................................................................................  4.7 Neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit – Globalisierung der Thematik mit Bewältigung einer fundamentalen Existenzkrise und zweifachem „Abschied von Heidelberg“ (2002/08 ff.)  .................. 

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Inhalt

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Nachwort Der Arbeitskreis seit den 2000er Jahren (Andreas Eckert und Ulrike Hirschhausen)   .......................................................  292 Anhang 1  .......................................................................................................................  301 Mitglieder 1957 – 2019  ...........................................................................................  301 Vorstände 1957 – 2019  ............................................................................................  306 Geschäftsführer 1957 – 2005  .................................................................................  307 Anhang 2  . . .....................................................................................................................  308 Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)  . . .............................................................................  308 Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)  .....................................................  396 Öffentliche Abendvorträge (2002 – 2019)  .........................................................  408 Anhang 3: Haushaltsentwicklung (1957 – 2005)  . . .............................................  412 Anhang 4: Industrielle Welt 1 – 98 (1962 – 2020) Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte ...............  417 Abkürzungen  ...............................................................................................................  433 Quellen und Literaturverzeichnis  .........................................................................  436 Personenregister  ........................................................................................................  439 Stichwortregister  .......................................................................................................  444

Danksagung

Seit Lucan ist ja bekannt, dass habent fata sua libelli. Nicht zum wenigsten daher sollten stets auch Danksagungen nicht fehlen. So gilt denn mein Dank der Arbeitskreis-­Vorsitzenden und Reihenherausgeberin Ulrike von Hirschhausen (Rostock) für ihren Einsatz bei der Veröffentlichung sowie für den aktualisierenden Nachwort-­Ausblick gemeinsam mit ihrem Amtsvorgänger Andreas Eckert (Berlin); Andreas Eckert außerdem – wie auch Friedrich ­Lenger (Gießen) – für die Vermittlung der notwendigen Druckkostenzuschüsse und Joachim Rückert (Frankfurt a. M.) für mancherlei immaterielle Unterstützung. Des Weiteren und insbesondere danke ich Christof Dipper (Darmstadt), der zuvorkommend übernahm, was mir krankheitsbedingt nicht möglich war: nach Textdurchsicht vor allem aufwändige und mühevolle Registeranfertigung. Nachdrücklich bedanken möchte ich mich schließlich, doch eigentlich z­ uvörderst bei meiner Frau Veronika für ihre ebenso unermüdliche wie entsagungsvolle Begleitung meiner Tätigkeit. Heidelberg, im Frühjahr 2019

Ulrich Engelhardt

Statt einer Einleitung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann bekanntlich auch auf dem Feld der deutschen Geschichtswissenschaft eine Phase der Reorganisation und Neuorientierung. Damit eröffneten sich Chancen für Terraingewinn, ja breite Durchsetzung bisher ausgeblendeter oder zu kurz gekommener Sichtweisen und Methoden. Zugute kam das nicht zum wenigsten der Sozialhistorie. Trotz anhaltender Hemmnisse und Widerstände nahm sie bald einen relativ zügigen Aufschwung, der dann zu jener Hochkonjunktur führte, wie Eric Hobsbawm sie schon um 1970 mit unnachahmlichem Humor beschrieb: „It is a good moment to be a social historian. Even those of us who never set out to call ourselves by this name will not want to disclaim it today.“ 1 Zu den effektivsten Triebkräften wie Ausdrucksformen dieser Entwicklung gehörte seit seiner Gründung 1956/57 der Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte, den der Gründungsmentor Paul Egon Hübinger 1959 geradezu als „eine Art Baumschule“ auf d ­ iesem Feld beschrieb.2 Aber wie die Sozialgeschichte selber sah sich auch der Arbeitskreis in den 1990er Jahren neuen Herausforderungen ausgesetzt, die ihn zum Überdenken seiner thematischen Ausrichtung, ja seiner Existenz nötigten. Es war im Frühjahr 2002 Friedrich Wilhelm Graf, damals 2. Vorsitzender, der den Mitgliedern mahnend in Erinnerung rief: „‚Alles Ding hat seine Zeit‘, heißt es in der hebräischen Bibel, und das gilt auch für wissenschaftliche Organisationen und Institutionen.“ Er sei bereit, die Beerdigung vorzunehmen. Doch es kam anders. Entgegen dem ersten Anschein fühlte sich der Arbeitskreis auf diese Weise dazu aufgerufen, seine Existenzkrise zu überwinden und seine insgesamt so erfolgreiche Tätigkeit fortzusetzen. Immerhin hatte er bis dahin schon eine fast fünfzigjährige Geschichte aufzuweisen, die im Folgenden nachgezeichnet werden soll. Spruchreif wurde der Gedanke daran bereits in der Mitgliederversammlung vom April 2003, als erhebliche und nie völlig geschwundene Bedenken des Verfassers gegen eine Art Eigendarstellung aus dem Kreis selbst wenigstens soweit relativiert wurden 3, dass dem Versuch grundsätzlich nichts mehr im Wege stand.

1 Zit. n. Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 3. 2 Brief an Conze, 17. 12. 1959 (KP 23a, lf. S. 325); zu Hübinger bes. Kap. 1.4. – Anschließende Graf-­Äußerungen: Rundschreiben an die Mitglieder, 3. 4. 2002 (PR 22, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2002). 3 Zum Vorlauf der folgenden Darstellung speziell das gen. Graf-­Rundschreiben (S. 5, Punkt 10, s. a. Punkt 3) sowie PMV 26. 4. 2002 (PR 22), TOP 4 (dort auch das Kocka-­Zitat) u. PMV 25. 4. 2003 (PR 23), TOP 5.

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Statt einer Einleitung

In vollem Bewusstsein stets zu erwartender Verdikte wie ‚Haushistoriografie‘, wenn nicht ‚Hofberichterstattung‘ u. Ä. m. geht es denn im Folgenden um eine Verbindung von – möglichst auch selbstkritischer – Chronik und Entwicklungsgeschichte des Arbeitskreises: nicht allein für wissenschaftshistorisch Interessierte, sondern ebenso als ein Stück rückblickender „Aufklärung und Selbstdarstellung“ (Kocka) für gegenwärtige und künftige Mitglieder. Die Vorgehensweise ist dabei insofern konventionell historisch-­chronologisch, als Gestaltung und Profilbildung des Kreises in erster Linie entlang seiner signifikanten Schwerpunktthemen verfolgt werden. Dadurch sollen wissenschaftliche Inhalte, Präferenzen und Zielsetzungen kontinuierlich hervortreten. Erweitert wird diese Primärperspektive um – zuweilen gewissermaßen im Zeitrafferverfahren integrierte – Aspekte wie Mitgliederrekrutierung, Nachwuchsförderung, Publikationstätigkeit und dergleichen; soweit greifbar, unter Berücksichtigung auch informeller, punktuell gar atmosphärischer Elemente bei Diskussionsverläufen bzw. Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. All das erfordert eine durchgängig informative Quellenbasis, wie sie fast von Anfang an zumal mit den meist eingehend dokumentierenden Tagungs- und Sitzungsprotokollen des Kreises beinahe lückenlos entstand 4, ergänzt durch Korrespon­ denzen und diverses Aktenmaterial (nunmehr ausnahmslos zugänglich im Universitätsarchiv Heidelberg). In der Regel erlaubt sie gut belegbare, somit überprüfbare Sachverhaltsangaben und -interpretationen (nach Kräften freigehalten von persönlichen Wahrnehmungen des Verfassers in seiner früheren Funktion vor allem als Geschäftsführer des Arbeitskreises i. d. J. 1978 – 2005). Nach Ergiebigkeit und Tragfähigkeit der Unterlagen bemisst sich zudem nicht nur die Betrachtungsspanne von der Gründungsversammlung 1957 bis zum Auslaufen der detaillierten Protokolle mit der 84.Tagung im April 2003. Vielmehr bestimmen sich danach sogar Art und Intensität der Darstellung: Soweit erforderlich, gestatten die Quellen nämlich eine verhältnismäßig dichte Wiedergabe der jeweiligen Gedankenführung/en, Auseinandersetzung/en und Positionierung/en samt deren personaler Zuordnung (wie besonders etwa in Kap. 4.2). Damit lässt sich auch einer zentralen Eigenart aller Wissenschaftsgeschichte Rechnung tragen: Wie schon in einem ersten Aufriss 2007 betont, sind gerade auf ­diesem Gebiet die beteiligten Akteure, speziell die treibenden Kräfte oft nicht wegzudenken, Namen also nicht selten „keineswegs bloß Schall und Rauch, auch wenn manche inzwischen nicht mehr genannt werden oder nur noch undifferenziert vorkommen“.5

4 Dazu bes. die in Kap. 4.2 angeführten Lepsius-­Bemerkungen. 5 Engelhardt, Konzepte, S. 7.

1. Entstehung und Frühzeit (1956 – 1962) Was keineswegs von vornherein den Namen Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte erhielt, war nicht nur ein genuines Werk von Werner Conze, sondern wurde in den ersten drei Jahrzehnten von ihm auch mit „großem Geschick und anerkannter Autorität, meist zurückhaltend und tolerant geleitet“ (Kocka). In Abwandlung eines berühmten Einleitungssatzes von Thomas Nipperdey könnte man deshalb mit Fug und Recht sagen: Am Anfang war Conze. Noch späterhin spiegelte sich dieser Sachverhalt in der schlichten Formalie, dass in den Tagungskalendern der Werner-­ Reimers-­Stiftung stets nur das lapidare Kennwort Conze-­Kreis stand.6 Doch auch wenn dessen Einrichtung aus Conzes „bundesrepublikanischer Erfolgsgeschichte“ (Dunkhase) nicht wegzudenken ist, war sie zunächst durchaus nicht unmittelbar intendiert. Vielmehr ergab sie sich aus Bestrebungen, die ursprünglich eine andere Zielrichtung hatten.

1.1 Vorbereitung, Gründung und Startkonzept (1956/57) Will man organisationshistorisch mit Conze selbst von einer „Vorgeschichte“ des AKMS sprechen, so lässt sie sich in der Tat ab 1954 datieren und mit dem Conze-­ Biografen Dunkhase im „Planungsfeld“ einer damals gerade gewichtiger werdenden außeruniversitären Wissenschaftsförderung durch den Bund lokalisieren. Veranlasst durch seine Eindrücke bei einer internationalen Tagung in Paris, wo er Ende 1953 6 „Conze-­Arbeitskreis“ hieß es beispielsweise auch noch bei Zorn, Brief an Köllmann, 24. 3. 1983 (KP 7, lf. S. 279), ebenso in einem Schreiben des baden-­württembergischen Wissenschaftsministeriums, 18. 4. 1985 (KP 24, .lf. S. 18 f.). – Zu Person u. Werk grundlegend: Dunkhase, Conze (Zitat: S. 7), mit umfassender Bibliografie; auch für fast alles Folgende als Folie so ergiebig, dass je einzelne Bezugnahmen/Hinweise sich im Regelfall erübrigen; speziell zum freilich bewusst nicht eingehend behandelten AKMS: S. 143 ff. u. ö. (S. 143 auch das folgende Zitat). Gründungsdarstellung hier nach AAKMS u. Conze, Gründung; außerdem Schulze, Geschichtswissenschaft, bes. Kap. 14 d; s. a. W. Schieder, Lebenswerk, S. 256 ff. u. Kocka, Conze, S. 601 (dort auch die zit. Würdigung), ferner Etzemüller, Neuorientierung, S. 157 ff. – Bes. wichtig Conzes sechsseitiger maschinen-­schriftl. Text Zur Frage eines Instituts zur Geschichte der sozialen Bewegung oder zur Geschichte der industriellen Gesellschaft in Deutschland einschließl. Bemerkungen zu Forschungsaufgaben im Rahmen der Strukturgeschichte der industriellen Gesellschaft (Durchschlag mit Conzes handschriftlicher Vermerk „Erster Entwurf, November 1954“ in KP 23a, S. 526 ff.); dort auch zu der Pariser Tagung der Internat. Kommission zur Geschichte der sozialen Bewegungen (s. weiter unten).

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Entstehung und Frühzeit (1956 – 1962)

den Deutschen Historikerverband vertreten hatte, warf Conze im Spätherbst 1954 zunächst sozusagen noch hinter den Kulissen erst einmal die Frage eines Instituts zur Geschichte der sozialen Bewegungen oder zur Strukturgeschichte der industriellen Gesellschaft in Deutschland auf.7 Primäre Begründung: Seit dem 18. Jahrhundert befinde sich „unser geschichtliches Leben“ in einer so „tiefgreifenden Strukturwandlung“, dass „wir es mit durchaus neuartigen Fragestellungen und Methoden zu tun haben müssen, wenn wir einigermaßen dem großen Problem der Geschichte unserer Zeit seit den großen Revolutionen (industriell-­technisch und politisch) gerecht werden wollen“. Was Hauptmotiv und -stoßrichtung seiner B ­ estrebungen ausmachte, war damit implizit schon angegeben, ehe es dann auch expressis verbis benannt wurde: die „überlieferten Fragen und Methoden der neuzeitlichen Geschichtswissenschaft“ umfassend zu revidieren, dabei jede Entkoppelung zumal von Sozial- und Politikgeschichte zu überwinden, mithin Sozialgeschichte im bisherigen „engeren Sinne“ hinter sich zu lassen zugunsten von „historischer Soziologie, Sozialökonomik, Staatslehre und Politik mit dem Versuch ihrer engen Verflechtung im historischen Bereich der Geschichte seit den Revolutionen“. Es kam ihm also darauf an, die Sozialhistorie zu einer übergreifenden Integrationswissenschaft mit Aufschlussgehalt für die jeweilige Gegenwart auszubauen. So sollte das gedachte Forschungsinstitut im Unterschied zu bestimmten ausländischen Einrichtungen denn auch „nicht das Spezial- und der ‚politischen Geschichte‘ abgewandte Fach ‚Sozial- und Wirtschaftsgeschichte‘ bedienen“, sondern nicht weniger als „gleichsam historische Grundlagenforschung für das technisch-­industrielle Zeitalter als Aufgabe zugewiesen erhalten“. Davon versprach er sich für die (west)deutsche Geschichtswissenschaft weit mehr als Anschluss an die ausländische Historie, erst recht mehr als Überrundung der DDR auf dem „Sondergebiet“ Geschichte der Arbeiterbewegung: Vielmehr könne sie geradezu „richtungweisend“ werden. Und „politisch“ werde ein derart konzipiertes Institut „dann von Vorteil sein, wenn es interessenunabhängig sein könnte: Es würde für wesentliche Fragen unseres gegenwärtigen politischen Lebens durch historische Vertiefung Antworten geben können und zum nüchternen Selbstverständnis beitragen können.“ Adressat dieser programmatischen Andeutungen war nicht zufällig Paul Egon Hübinger (1911 – 87), von Hause Mediävist und einer von Conzes Münsteraner Professorenkollegen. Er nämlich hatte inzwischen als Ministerialdirektor die Leitung der sog. Kulturabteilung im Bundesinnenministerium übernommen, wurde somit schon von daher 7 So Ende 1954 gegenüber Hübinger in einem längeren „Privatbrief“ (Conze: „[…] eigenhändig, unmittelbar, daher nicht stilistisch ausgefeilt, in die Maschine geschrieben“), ausführlich schon zit. in Conze, Gründung, S. 24 f., daraus auch nachfolgende Äußerungen (ebenfalls aus d ­ iesem Schreiben), sowie Hübingers Antwortbrief an Conze, 22. 12. 1954 (KP 23a, lf .S. 511). – Schulze-­Zitat: Geschichtswissenschaft, S. 256.

Vorbereitung, Gründung und Startkonzept (1956/57)

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der „ideale Ansprechpartner für einen um staatliche Unterstützung bemühten Universitätsprofessor“ (Schulze). Freilich wollte Hübinger bei aller Aufgeschlossenheit erst noch abwarten, „ob und wie die im Grundsatz beschlossene Wiedererrichtung des Max-­Planck-­Instituts für Geschichte eine Möglichkeit zur Förderung sozialgeschichtlicher Forschungen bietet“. Insofern also blieb Conzes Anregung vorerst ohne Erfolg, bis sich zwei Jahre ­später eine neue Ansatzchance ergab, wobei er im Wortsinne einen Kommunikationsweg beschritt, den er auch in der Folgezeit immer wieder mal nutzte. Noch in Münster traf er sich nämlich Ende Oktober 1956 mit Hübinger zu einem „langen Sonntagsspaziergang“, um seine Vorstellungen erneut darzulegen.8 Hübinger, der neuerdings über außerordentliche Geldmittel für Forschungsförderung auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften verfügte und auf dem Ulmer Histo­rikertag 1956 die beträchtliche Unterstützung der historischen Wissenschaften durch den Bund herausstellte, hatte mittlerweile frühere Gedanken an eine Art Dachunternehmen in Nachfolge der 1934 aufgelösten Historischen Reichskommission aufgegriffen: Es ging um eine [Bundes-]Kommission für Geschichtsforschung mit womöglich „mehreren selbständigen Abteilungen, darunter der Emser Kreis“.9 Dieses Projekt, das Conze neben Max Braubach (Bonn), Fritz Hartung (Berlin) und Peter Rassow (Köln) mitgestalten sollte, verlief als solches trotz grundsätz­licher Zustimmung von Bundesinnenminister Gerhard Schröder Ende 1958 zwar mehr oder weniger im Sande. Doch was Hübinger so oder so vorschwebte und was für Conze attraktiv sein musste, war nicht zuletzt eine großzügige Förderung eines 8 Dazu ebenfalls Conze, Gründung, S. 25 (mit dem Zusatz, das Ergebnis des Gesprächs sei „ermutigend“ gewesen). 9 Zitat: so Conze an Jantke, 20. 5. 1958 (KP 2, lf. S. 374). – Auf ­dieses „parallele Projekt“ (Schulze), bei dem zunächst auch Hans Rothfels (Tübingen), Karl Dietrich Erdmann (Kiel), Hans Herzfeld (Berlin) u. Richard Nürnberger (Göttingen) im Spiel waren, braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden, auch wenn sich in den AAKMS bemerkenswertes Material findet (bes. Besprechungsprot. des BMI von 1956/57, zudem Memoranden sowie Korrespondenzen von 1957/58 ­zwischen Conze u. Hübinger bzw. Conze u. Jantke bzw. Conze u. Rassow) u. Jantke schon bald vorübergehend sogar befürchtete, dass „unser Emser Kreis in seiner bisherigen Gestalt nicht mehr vorhanden“ sei (Brief an Conze, 1. 10. 1958, vgl. aber Jantke an Conze, 3. 10. 1958 u. Conze an Jantke, 7. 10. 1958, KP 2, lf. S. 376 ff.). Näheres zu dem Kommissionsprojekt schon bei Conze, Gründung, S. 29 ff., dann vor allem bei Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 254 ff. (S. 257 auch zu Art u. Umfang der Sondermittel Hübingers u. zu dessen Ulmer Rede). Zum unten angeführten Heidelberger Institutsprojekt: Conze am 31. 10. 1956 an Jantke in einer brieflichen Information über das Münsteraner Gespräch (KP 2, lf. S. 344 ff., angeführt auch in: Gründung, S. 26 f.); folgende Zitate, soweit nicht anders angegeben, ebenfalls aus ­diesem Brief, in dem Conze sich auch auf seinen Düsseldorfer Vortrag über Die Strukturgeschichte des technisch-­industriellen Zeitalters als Aufgabe für Forschung und Unterricht bezog.

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Entstehung und Frühzeit (1956 – 1962)

sozialgeschichtlichen Schwerpunkts. Mehr noch: Zu d ­ iesem Zweck fasste Hübinger schon bei dem Münsteraner Gespräch, wie Conze seinerzeit formulierte, „das Embryo meiner sozialgeschichtlichen Forschungsstelle“ in Heidelberg ins Auge, also das Conze im Zuge der anhängigen Berufung auf ein Heidelberger Ordinariat für Neuere Geschichte vom Stuttgarter Kultusministerium zugesagte Institut für moderne Sozialgeschichte. Obwohl es noch gar nicht existierte, wollte Hübinger es sogar zur „Zentralstelle einer Kommission für ­dieses Aufgabengebiet“ machen und dafür von Conze möglichst schnell eine spezifizierende Mitteilung über Obliegenheiten, Organisation und Finanzbedarf bekommen. Eine so unverhoffte und derart konkrete Förderungsaussicht hatte freilich auch ihre schwierige Seite. Natürlich fand Conze die Sache an sich „mehr als erfreulich“, denn zusätzlich zu dem ohnehin schon so „schönen Heidelberger Angebot“ eröffnete sich nach seinem Dafürhalten „endlich eine fast etwas schwindelerregende Aussicht, die über alle gelegentlichen Träume hinausgeht“. Doch gerade wegen der Wichtigkeit musste „gut überlegt und nicht übereilt“ vorgegangen werden. So versuchte er, den fast über Nacht entstandenen Handlungsdruck durch zweierlei aufzufangen: Nicht nur wünschte er sich noch einige Tage Zeit für einen handfesten Planungsentwurf. Vielmehr schickte er Hübinger erst einmal die Korrekturfahnen seines Düsseldorfer Vortrags über die Strukturgeschichte des technisch-­industriellen Zeitalters, „damit Sie sich mit dem Prinzipiellen noch einmal befassen können“. Dabei stellte er ausdrücklich zur Diskussion, ob man „nur mit ‚Sozialgeschichte‘ firmieren oder einen umfassenderen Begriff brauchen sollte“.10 Und zugleich wandte er sich mit der Bitte um Verschwiegenheit ratsuchend an Carl Jantke, seinerzeit kurz vor der Annahme eines Lehrstuhls für Soziologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Hamburg – „sachlich für uns nichts Neues, aber institutionell ein Novum“.11 Mit seiner Ansicht über eine „Verbindung von Soziologie bzw. Sozialökonomik mit der Geschichte“ erschien er Conze geradezu als „vorbildhaft“ und als „eine der wenigen mitfühlenden Seelen in der [methodologischen] Einöde“ der damaligen Geschichtswissenschaft. Sollte die erhoffte Verbindung doch nicht bloß okkasionell vorkommen und sporadisch bleiben, sondern mit der prospektiven Kommission als einem „wissenschaftlichen Diskussionskreis“ möglichst in Permanenz überführt, d. h. institutionalisiert werden. Dazu musste die Besetzung vor allem zu Beginn eher klein und „bei aller selbstverständlich erwünschten Vielfalt doch wenigstens so homogen sein, dass dort nicht eine Summe von Koryphäen, sondern 10 Angaben u. Zitate aus Conze-­Brief an Hübinger, 31. 10. 1956 (KP 23a, lf. S. 510). 11 So Jantke an Conze, 21. 4. 1957 (KP 2, lf. S. 353); vgl. schon Conze an Jantke, 26. 3. 1957 (lf. S. 354). – Im Folgenden mit Verwendung von Conzes späterer Darstellung in: Gründung, S. 25 (z. T. mit wörtlicher Übernahme von Formulierungen aus seinem Brief an Jantke vom 31. 10. 1956).

Vorbereitung, Gründung und Startkonzept (1956/57)

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ein ‚Team‘ entstehen könnte“. Zwangsläufig erhob sich daher sogleich auch die Personenfrage. Ja, sie gewann eine geradezu konstitutive Bedeutung, wo die Aufgabenstellung mit Conze generell auf Strukturgeschichte des technisch-­industriellen Zeitalters ausgerichtet und dabei angenommen wurde, „historische Strukturanalysen“ ­seien „mehr als nur Sozialgeschichte, besonders wenn diese […] allzu sektorenhaft und unpolitisch aufgefasst wird“. Ein derart ambitioniertes Vorhaben erschien Conze vielversprechend genug, um anzunehmen, dass sich in einiger Zeit vielleicht ein deutscher Beitrag zu d ­ iesem „vordringlichen Thema“ ergeben werde, der „aus dem deutschen Zurückbleiben ein Voraneilen machen könnte“. Dies erforderte in der Tat bereits in statu nascendi einen „engen Kontakt mit den systematischen Sozial-, Staats- und Wirtschaftswissenschaften“. Deren Vertreter konnte Conze sich freilich nur dann als „fruchtbare“ Kommissionsmitglieder vorstellen, wenn sie, so seine zeitdiagnostisch hergeleitete Richtungsvorgabe, einen „historischen Sinn haben und nicht der verwünschten Enthistorisierung verfallen sind, die heute so üblich ist“. Und was die eigene Zunft betraf, wollte er keinesfalls eine größere Zahl „irgendwie von fern her Befasster“ haben, um das Projekt vor der „Gefahr des Verwaschenwerdens“ zu bewahren. Für „wohl kaum geeignet“ hielt er zumal die „älteren ‚politischen‘ Historiker“, aber auch die Sozial- und Wirtschaftshistoriker fand er insofern fragwürdig, als dort „leider zumeist der notwendige Schuss politischer Soziologie“ fehle. Es müsse möglich sein, in dem anvisierten Kreis „Methodenfragen unbefangen, gewissermaßen ab ovo, zu entwickeln“, um von daher dann an verschiedenen Orten „historisch-­empirische Kleinarbeit“ anzusetzen, und zwar so, dass sie sich „methodisch sehen lassen“ könne und nicht bloß „soziologisch unzulängliche Materialzusammenstellung“ sein würde. Insofern müsse also auch betont werden, dass es um „Anwendung der historischen Methode“ gehe und dass „uns mit geistreichen Soziologismen oberhalb des Erdbodens nicht gedient ist“. Diese Sicht deckte sich ganz mit der von Jantke: Wohl empfahl er Conze wenig ­später, die Einbeziehung einer „historisch orientierten“ Soziologie zwar prinzipiell für „unerlässlich“ zu erklären, aber Soziologen „im Übrigen ruhig als Akzidentien“ aufzuführen, damit die „eigentlichen Historiker nicht ungehalten werden“.12 Doch 12 Brief an Conze, 4. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 350, mit bemerkenswerten Anhaltspunkten für seinen umfassenden Begriff von Soziologie u. historisch-­soziologischen Untersuchungsgegenständen). Im Folgenden: Brief an Conze, 10. 11. 1956 (KP 2, lf. S. 348, zit. auch in Conze, Gründung, S. 17). Ausdrücklich bezog Jantke sich auf seinen Vortrag über Industrie­gesellschaft und Tradition mit seinem „sehr scharfen Angriff auf unser konventionelles soziologisches Begriffssystem“, was von Brunner und „einer Reihe anderer, besonders jüngerer Leute […] offenbar recht gut verstanden“ worden sei (Vortrag abgedr. in: Verhandlungen des 13. Deutschen Soziologentages in Bad Meinberg, Köln u. Opladen 1957, S. 31 ff.). – Betr. Born-­ Zitat: so in dessen Brief an Conze, 24. 3. 1958 (KP 2, lf. S. 55, Dank für die Einladung zur Frühjahrstagung 1958).

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Entstehung und Frühzeit (1956 – 1962)

diese taktische Konzession stand in keinerlei Widerspruch zu seiner festen Überzeugung, dass sich die „gegenständliche sozialgeschichtliche Forschung mit der zweifellos in Gang kommenden begriffsanalytischen und -kritischen Arbeit einer geschichtlich orientierten Soziologie auf das allerengste verbinden muss“. Mit dieser Stoßrichtung, die sich bald darauf in Karl Erich Borns fast freudianisch anmutender Bezeichnung Arbeitskreis für Sozialgeschichte und historische Soziologie wiederfand, schätzte Jantke das Vorhaben als so wesentlich ein, dass er Conze angelegentlich versicherte, er würde sich „am liebsten über alle Hürden hinweg mit Ihnen assoziieren“. Aus solcher Affinität folgte denn auch prompt eine weitere personelle Weichenstellung, denn mit Conzes Zustimmung weihte Jantke nun erst einmal den zwei Jahre zuvor nach Hamburg berufenen Mittelalter- und Neuzeithistoriker Otto Brunner ein, den er für „entscheidend wichtig“ hielt.13 Zudem entsprach er Conzes Bitte um Teilnahme an einer neuerlichen Unterredung mit Hübinger am 12. Dezember im Bundesinnenministerium. Dort erhielt Conze den Auftrag, eine gemeinsam mit 13 Auch dazu Jantkes Brief an Conze, 10. 11. 1956, wo er von den Soziologen auch ­Weippert empfahl („wegen der außerordentlichen wissenschaftstheoretischen Zugewandtheit zu unseren Vorstellungen“), außerdem die Stadtsoziologin Elisabeth Pfeil sowie von der Kultur­ anthropologie „evtl. den ausgezeichneten [Wilhelm Emil] Mühlmann-­Mainz“, von den Jüngeren evtl. Hans Linde, Wolfram Fischer u. den Mackenroth-­Schüler Karl Martin Bolte, „auf alle Fälle“ auch Köllmann u. evtl. noch Buchholz, während ihm bei Beutin u. Treue „im Augenblick nicht ganz wohl“ war, u. hinsichtl. Politikwissenschaftlern Bergstraesser [wohl sein Lehrer, der 1935 aus seiner Heidelberger Professur entlassene, 1937 in die USA emigrierte u. 1954 endgültig nach Deutschland zurückgekehrte Arnold Bergstraesser, Prof. für Politikwissenschaften u. Soziologie in Freiburg] als „völlig unzuverlässig“ [in welchem Sinne?] u. Theodor Eschenburg als ein „zwar kenntnisreicher und phantasievoller, aber unsystematischer Kopf“ erschienen. – Conze selbst zog ferner Hans Raupach, Bruno Seidel [Rektor der Wilhelmshavener Hochschule für Sozialwissenschaften, mit dem er lt. Brief an ihn vom 19. 4. 1958 per Du war] u. Max Graf zu Solms in Betracht (Brief an Jantke, 20. 11. 1956, KP 2, lf. S. 76 f.); zu Brunner auch dessen Brief an Conze, 5. 1. 1956 [sollte 1957 heißen], in dem Brunner eine „Verknüpfung der Sozialgeschichte mit der Verfassungsund der politischen Geschichte“ als „dringend nötig“ bezeichnete (KP 2, lf. S. 76). – Hans Linde (Karlsruhe) wurde 1974/75 zu Arbeitskreistagungen zur Familiensozialgeschichte hinzugezogen (im April 1975 Referat über Familie und Haushalt als Gegenstand sozialgeschichtlicher Forschung. Erörterung eines problembezogenen und materialorientierten Bezugsrahmens). Dass es „schön“ wäre, wenn sich die dadurch „wieder aufgefrischte Beziehung lebendig halten“ ließe, versicherte ihm Conze mit Brief vom 27. 10. 1975, wobei er meinte: „Sie wissen, wie dankbar ich ihnen dafür war und wie großen Wert ich darauf legte, dass Sie in Bad Homburg gesprochen und durch Ihr Referat ein breites theoretisches Fundament geliefert und dabei einen Eindruck von einer Kontinuität vermittelt haben, die der jüngeren Generation und auch Ausländern [etwa den ebenfalls beteiligten Vertretern der Cambridge Group for the History of Population and Social Structure] so gut wie unbekannt ist“ (KP 5a, lf. S. 379).

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Jantke auszusuchende Runde von Professoren zu einem Gespräch über sozialgeschichtliche Forschung, speziell über eine mögliche Kommissionsgründung einzuberufen. Die Auswahl bestimmte sich nicht allein nach fachlich-­methodologischen Konvergenzen. Offensichtlich war sie auch von Königsberger Kontakten bzw. mehr oder minder ausgeprägten politisch-­weltanschaulichen Gemeinsamkeiten in der NS-Zeit beeinflusst.14 Ja, äußerlich erscheint die Gründung des Arbeitskreises in der Tat wie „die Rekonstitution der [intellektuellen] Zelle Königsberg“, hatte also die Reaktivierung dieser „alten Kameradschaft“ gewiss „etwas Sonderliches“, wie Rainer Lepsius Jahrzehnte ­später sagte, freilich mit einem bedenkenswerten Zusatz: Das dürfe keineswegs einfach verlacht werden, denn obwohl von Beteiligten selbst in persönlichen Gesprächen nicht akzeptiert, lasse sich jene Zelle begreifen als ein „in der Zeit sich selbst [entsprechend] verstehendes Innovationspotential von hoher interdisziplinärer Vertretung“ und versehen mit dem „Sonderbewusstsein Königsberg“; dies wiederum, so Lepsius, stelle sich ihm dar als eine „singuläre Sonder­wahrnehmung aus der [damaligen] Insellage“ des von sog. slavischen Völkern umgebenen Ostpreußen, mithin aus der dort gedachten „Reichsvision“ – so dass sich insofern trotz personaler Anfangskontinuität sachlich keine Verbindungslinie zum Arbeitskreis ziehen lasse. Außerdem ist nicht zu übersehen, dass auch der Rekrutierungsvorgriff vom Frühjahr 1957 augenscheinlich nicht hermetisch gemeint war. Vielmehr sollte die Besetzung sehr wohl offenbleiben (nach Möglichkeit etwa für Friedrich Lütge, in Conzes Augen „ja Nationalökonom und Historiker zugleich“, bald einer der Rezensenten von Conzes Strukturgeschichtsaufsatz). Jedenfalls betonte Conze gegenüber Hübinger wiederholt, dass es sich „noch nicht um einen festgelegten Kreis für das Weitere handeln muss“.15 Gleichwohl zeichnete 14 ‚Königsberger Jahre‘ hatten bei den Erstmitgliedern bekanntlich Brunner, Conze, Ipsen, Jantke, Th. Schieder u. Weippert, von den 1958 Zugewählten außerdem Maschke. Fast alle waren vor 1945 auch mit mehr oder weniger fragwürdigen, wenn nicht geradezu NS-kontaminierten Schriften hervorgetreten. Zu alldem kann hier außer auf Dunkhase, Conze, besonders Kap. II u. III, nur pauschal auf die mittlerweile ständig angewachsene, aber nach wie vor durchaus kontroverse Spezialliteratur zum vieldimensionalen und entsprechend schwierigen Problem der Geschichts- u. Sozialwissenschaften in der NS-Zeit verwiesen werden. – Die Einschätzung durch Lepsius (mit Bezug auf Gespräche z. B. mit Jantke und Hilger) in der MV vom 23. 10. 1998; vgl. unten, Kap. 1.2 u. bes. Kap. 4.5. 15 So in seinem Brief vom 21. 2. 1957 (KP 23a, lf. S. 493). Demnach wollte er „vielleicht“ auch Lütge noch einladen, der anscheinend nach Vorbereitung durch Wolfram Fischer und auf Betreiben von Beutin Anfang Februar Kontakt zu Conze aufgenommen hatte, um sein Forschungsprojekt zur „Vor- und Frühgeschichte des Industrialismus“ mit Conze abzustimmen (seitdem Briefkontakt, vgl. auch seine Rezension zu Conze, Strukturgeschichte, in HZ 185, 1958, S. 242 f.). Für das Emser Treffen kam er dann aber doch nicht infrage, weil er Ende Februar eine Gastprofessur in Istanbul antrat. Erst im August fand schließlich

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sich im Wesentlichen schon die Anfangsbesetzung des kommenden Arbeitskreises ab: außer Conze selbst eben auch Jantke und Brunner sowie die Neuhistoriker Richard Nürnberger (Göttingen) und Theodor Schieder (Köln), die Wirtschaftshistoriker Ludwig Beutin (Köln) und Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), die Sozialwissenschaftler Gunther Ipsen (Dortmund) und Georg Weippert (Erlangen). Es war diese achtköpfige Gruppe aus Hochschullehrern und Repräsentanten von fachlich und wissenschaftsstrategisch so wichtigen Einrichtungen wie dem Göttinger Max-­Planck-­Institut für Geschichte und der Dortmunder Sozialforschungsstelle an der Universität Münster 16, die Conze im Januar 1957 brieflich über die ­Bonner Dezember­besprechung informierte und für Ende April zu einem „1 ½Tages-­ Gespräch“ bat, das voraussichtlich in Bad Ems stattfinden solle.17 Wie zuvor schon bezeichnete er in dem ausführlichen Schreiben den Entwicklungsstand der Sozialhistorie der „modernen Welt seit den Emanzipationen und [seit] der Revolution“ ein Treffen in Heidelberg statt. Zu alldem u. a. folgende Briefe: KP 2, lf. S. 177 (Fischer an Conze, 26. 7. 1956), KP 1, lf. S. 16 (Beutin an Conze, 22. 1. 1957), lf. S. 352 (Conze an Jantke, 7. 2. 1957), lf. S. 17 (Conze an Beutin, 18. 2. 1957), lf. S. 231 ff. (Conze an Lütge, 21. 2. 1957, Lütge an Conze, 25. 2. 1957; Conze an Lütge, 26. 7. 1957), lf. S. 300 (Conze an Ipsen, 26. 7. 1957, scheinbar ein gewisser Vorbehalt gegen Lütge), lf. S. 227 ff. (Lütge an Conze, 20. 8. 1957, Conze an Lütge, 21. 8. 1957 und 23. 1. 1958) sowie lf. S. 263 f. (Conze an M. M. Postan, 4. 11. 1958 [dort die zit. Charakterisierung Lütges]). – Von der „Fühlungnahme“ mit Lütge u. von dessen Plänen wie von denen der Gesellschaft für Wirtschaftswissen­ schaften (früher Verein für Sozialpolitik) berichtete Conze auch bei der Gründungstagung (TP, S. 9), das Heidelberger Treffen erwähnte er bei der Herbsttagung 1957 (TP Okt. 1957, S. 2). In Betracht gezogen hatte er außerdem Walther G. Hoffmann u. Wilhelm Brepohl, im Übrigen auch den Geografen Wilhelm Müller-­Wille/Münster (KP 2, lf. S. 344, Brief an Jantke, 31. 10. 1956). 16 Vertreten durch Ipsen (Sozialforschungsstelle) bzw. Nürnberger (MPIG). – Dem MPIG war Conze durch seine Mitgliedschaft im wissenschaftlichen Beirat verbunden, der Sozialforschungsstelle schon seit seiner Münsteraner Zeit, in der die Dortmunder Einrichtung sogar um eine sozialgeschichtliche Abteilung unter Conzes Leitung hatte erweitert werden sollen, um ihn in Münster zu halten. – Zu der 1946 von Otto Neuloh gegründeten und bis 1960 von Walter G. Hoffmann geleiteten Sozialforschungsstelle, der viele empirische Sozialwissenschaftler aus der NS-Zeit angehörten (u. a. Brepohl, Ipsen, Linde, Elisabeth Pfeil, Jantke und Schelsky), vgl. Otto Neuloh, Die Aufbauzeit des Instituts, in: Sozialforschungsstelle an der Univ. Münster, Dortmund, 1946 – 1956, S. 14 – 22; im Übrigen u. a. Klingemann, Engagement, bes. S. 423 und 425; s. a. Dietz/Reulecke/Stohlmann, S. II ff. („eins der wichtigsten Auffangbecken“ für NS -belastete u. durch die Entnazifizierung amtsenthobene Wissenschaftler). 17 Schreiben vom 18. 1. 1957 (hier nach Durchschlag in KP 23a, lf. S. 502 f., ausführlich zitiert in Conze, Gründung, S. 28 f.), das mit einem k­ urzen Begleitbrief vom selben Tag (Durchschlag ebd.) auch an Hübinger ging. – In dem Schreiben nannte er außer MPIG u. Sozialforschungsstelle pauschal auch Hamburg, Köln, Hannover und Heidelberg.

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als ­„unbefriedigend“, denn weder sei sie hinreichend in Forschung und Lehre vertreten noch genieße sie besondere Unterstützung. Wieder auch wandte er sich gegen ein allzu enges Verständnis von Sozialgeschichte und gab deshalb unter erneuter Berufung auf seinen Düsseldorfer Vortrag zu erwägen, „ob nicht der Begriff zur besseren Verdeutlichung dessen, worum es geht, durch ‚Strukturgeschichte‘ ersetzt werden sollte“. So oder so müsse es darum zu tun sein, die einschlägige Forschung und deren Förderung künftig stärker zu entwickeln: „[…] nicht um eine spezialisierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichte neben die üblicherweise hiervon entlastete politische und Geistes­geschichte zu stellen“, sondern um die Geschichtswissenschaft insgesamt zu „beleben“. Nachdem von philosophischer und soziologischer Seite schon viel über – so in Anspielung auf Hans Freyer – „Theorie und Bewegungsrichtung“ des gegenwärtigen Zeitalters gesagt worden sei, müsse es nun „durch empirisch-­historische Forschung in seinen geschichtlichen Stufen, Schichten und Strukturzusammenhängen“ erfasst werden. Damit lasse sich die noch immer ausgedehnte Kluft ­zwischen einer Geschichtswissenschaft „in der Nachfolge ­Rankes und Meineckes“ einerseits und einer Soziologie „ohne geschichtliche Tiefe“ andererseits überwinden. Dies erfordere nach Auffassung von Jantke eine ganz enge Verbindung der „gegenständlichen sozialgeschichtlichen Forschung mit der zweifellos in Gang kommenden begriffsanalytischen und -kritischen Arbeit einer geschichtlich orientierten Soziologie“ (so die wörtliche Wiedergabe der Jantke-­ Äußerung). Und was die praktische Seite angehe, habe Hübinger denn auch zu bedenken gegeben, ob dem seit kurzem zumal bei Nachwuchshistorikern stark zunehmenden Bedürfnis nach einschlägiger Forschung nicht in bestimmter Weise Rechnung getragen werden sollte: nämlich durch Bildung einer wissenschaftlichen Kommission vorwiegend aus Historikern, aber mit Anreicherung um „historisch arbeitende“ Soziologen und „vielleicht auch einige Vertreter einiger anderer benachbarter Fächer“ (so Conzes Wiedergabe). Ob selbständig oder als Spezialabteilung einer historischen Bundeskommission, eine ­solche Kommission, so Conze weiter mit bewusst flexibler Beschreibung des Tätigkeitsfeldes, „könnte ein Arbeitskreis zur fortlaufenden Aussprache über Grundlagen und Methoden sowie zum Austausch von Forschungsergebnissen werden; sie sollte aber auch mit Mitteln versehen sein, um anzuregen, zu planen, Aufträge zu erteilen und den Druck wertvoller Arbeiten zu ermöglichen, vielleicht auch gemäß der Tradition historischer Kommissionen größere Editionsvorhaben in Angriff zu nehmen.“ Doch auch wenn man eine derartige Einrichtung für zweckmäßig und den Kontakt z­ wischen neuerdings entstehenden Forschungszentren wie dem Max-­Planck-­Institut für Geschichte u. a. m. für wünschenswert halte, s­ eien die aufgeworfenen Fragen „sowohl in ihren Grundlagen wie in ihren praktischen Auswirkungen […] so vielschichtig“, dass sie eben erst einmal der Behandlung in einer kleinen Runde kompetenter Historiker und Soziologen bedürften.

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Um Meinungsäußerung auch schon vor dem Emser Treffen ersucht, reagierten die Angeschriebenen mit grundsätzlicher Zustimmung.18 Beutin allerdings bezweifelte „ganz im Vertrauen“, dass Conze mit Ipsen eine „gute Wahl unter den Soziologen“ getroffen habe, denn Leute mit häufigen Streitigkeiten mit den Fachkollegen ­seien „immer schwierig in einem solchen Gremium“.19 Mag der insofern infrage gestellte, von Conze aber umgehend in Schutz genommene Ipsen nach Kosellecks späterer Einschätzung auch nur „so als graue Eminenz“ ohne besondere Argumentationspflichtigkeit dabei gewesen sein, jedenfalls begrüßte er Conzes Initiative nicht minder. Teilte er doch „die Meinung, dass es sich um ein wichtiges Anliegen handelt, [dazu] bestimmt, die Geschichtsforschung in Deutschland im Ganzen von einem blinden Fleck zu reinigen und, wenn die Sache gelingt, geeignet, allgemein befruchtend zu wirken“. Als mögliches Vorbild für eine „institutionelle Festigung des tragenden Kreises und seine Ausstattung mit Arbeitsmitteln“ empfahl er schon jetzt wie dann auch in Bad Ems die von der DFG geförderte Arbeitsgruppe Sprache und Gemeinschaft (Weisgerber): In regelmäßigen Abständen halte sie ein- bis mehrtägige Zusammenkünfte ab, um in fortlaufendem wissenschaftlichen Austausch zu bleiben und daraus Forschungen bzw. Forschungsaufträge hervorgehen zu lassen und bei Bedarf auch Hilfskräfte bzw. wissenschaftlichen Nachwuchs zu finanzieren.20 Dieses Modell hat dann in der Tat bei der Emser Gründung „Pate gestanden“, wie der von Ipsen gleichsam zur technischen Federführung ­aufgeforderte 18 Conze, Gründung, S. 29: „Die Eingeladenen antworteten [offenbar ausnahmslos] zustimmend“); Conze an Beutin, 26. 3. 1957 (KP 2, lf. S. 21): inzwischen Zusage von „allen Herren“. – Antwortschreiben, z. T. mit Anschlusskorrespondenz, in KP 2 – 4 (dort allerdings keine schriftliche Reaktion von Theodor Schieder). 19 So (mit dem Zusatz, für ­solche Überlegungen sei es zu spät) brieflich an Conze, 22. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 21), wobei er auch ein „terminologisches Bedenken“ gegen Ersetzung von Sozialgeschichte durch Strukturgeschichte geltend machte. In seiner Antwort vom 18. 2. 1957 (lf. S. 17) begründete Conze seine Wahl damit, dass Ipsen (a) die „in unserem Zusammenhang so wichtige“ Dortmunder Sozialforschungsstelle vertrete und dort als einziger wirklich etwas von der „historischen Tiefe der Soziologie“ verstehe, (b) zu den zur Zeit überhaupt nur wenigen Soziologen gehöre, die „historisch-­strukturell zu denken verstehen und darum für uns Historiker fruchtbar sind“. Im Übrigen, so Conze weiter, kümmere er sich grundsätzlich nicht um persönlichen Streit z­ wischen Kollegen eines anderen Faches. – Betr. Kosellecks Einschätzung der Ipsen-­Rolle im frühen AKMS als marginal: TP Okt. 1999 (PR 19), S. 13, ähnlich S. 5 Fischer. 20 Brief von Ipsen an Conze, 21. 1. 1957, dazu auch schon Brief vom 20.2. und Conzes Antwort, 21. 2. 1957 (KP 2, lf. S. 291 ff.); vgl. Conze, Gründung, S. 29 (daraus auch das Zitat „Pate“ usw.); s. a. TP Apr. 1957 (PR 1), S. 6 u. 11, ferner schon Conzes oben genannten Entwurf Zur Frage eines Instituts[…] sowie die handschriftlichen Conze-­Notizen „Modell: DFG Schwerpunkt ‚Sprache und Gemeinschaft‘“ (Leo Weisgerber) auf einem undatierten Briefbogen des Histor. Seminars Münster (in AAKMS).

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Initiator Conze s­ päter schrieb, womit das „Continuum wissenschaftlicher Aussprache“ zu einem maßgeblichen Merkmal der neuen Einrichtung werden und deren Tätigkeit von der Arbeitsweise „üblicher historischer Kommissionen ausdrücklich unterscheiden“ sollte. Als Ende Februar schließlich die endgültige Einladung verschickt wurde, hatte Conze praktisch längst eine ministerielle Finanzierungzusage für die „Durchführung einer wissenschaftlichen Tagung (moderne Sozialgeschichte)“.21 Und obwohl hinter den Kulissen fast zu einem Tandem mit Jantke verbunden (wie der gesamte Briefwechsel dieser Zeit erkennen lässt), war Conze auch formell insofern gewissermaßen Herr des Verfahrens, als die Einladung allein von ihm ausging. Das entsprach sowohl seiner Vorreiterrolle als auch dem offenbar für angebracht gehaltenen Wunsch Hübingers, das im Januarschreiben noch genannte BMI nun bei der Einladung nicht zu erwähnen, damit „von vornherein jeder Eindruck amtlicher Lenkung vermieden wird“ 22 (was die Hinzuziehung Hübingers nicht ausschloss). Nicht einmal bei der definitiven Wahl des Tagungsorts sollte Conze sich irgendwie gebunden fühlen, doch blieb er wegen der relativ zentralen Lage „zwischen Nord und Süd“ bei Bad Ems, wo das Hotel Staatliches Kurhaus mit einem kleinen Sitzungssaal eine „gute Möglichkeit zur ungestörten Unterhaltung“ biete.23 Dazu erschienen denn auch fünf der neben Hübinger acht 21 So schließlich die Zweckbestimmung im offiziellen Bewilligungsbescheid vom 25. 3. 1957 über 1.700 DM (KP 23a, lf. S. 491); im betreffenden Antrag vom 21. 2. 1957 (lf. S. 495) mit Finanzierungsplan hieß es: „[…] für die Vorbereitung und Durchführung einer Tagung (Forschungsplanung zur Strukturgeschichte der industriellen Gesellschaft) …“; die ministerielle Aufforderung vom 23. 1. 1957 zur Vorlage eines „Formantrags“ lief noch unter dem generellen Betreff „Bundeszuschuss […] zur Förderung der Forschung der Geschichte der Sozialbewegung und der Strukturgeschichte des industriellen Zeitalters bzw. der industriellen Gesellschaft“; dazu Brief von Hübinger vom 1. 2. 1957 (lf. S. 498) mit der Aufforderung, nicht nur den ursprünglich gedachten „kleinen Betrag für Schreibarbeiten, Portoauslagen usw.“ zu beantragen, sondern gleich die Gesamtmittel für die Emser Tagung „und für beabsichtigte weitere Maßnahmen in Ansatz [zu] bringen“. 22 So in dem bereits zitierten Brief von Hübinger an Conze, 1. 2. 1957; dazu Conzes Antwort, 21. 2. 1975 (KP 23a, lf. S. 493), und Conze an Jantke, 7. 2. 1957 (KP 2, lf. S. 352). – Als Conze im April 1961 im Entwurf seines Vorworts zu Bd. 1 der Schriftenreihe Hübingers Hilfestellung erneut hervorhob, fand Jantke dies übertrieben und ohnehin wohl nicht nötig; außerdem klinge der Hinweis „doch etwas zu sehr nach einer ministeriell sanktionierten Institution“ (lf. S. 394 f., Brief an Conze, 10. 5. 1961). 23 So in seinem Anschreiben an Hübinger zu dem formellen Finanzierungsantrag vom 2. 1. 1957, nachdem ihm Hübinger auch in dieser Hinsicht freie Hand gegeben hatte (Brief an Conze vom 1. 2. 1957); sämtliche Unterlagen zur technisch-­organisator. Vorbereitung u. Abwicklung der Tagung seit 11. 2. 1957 einschließlich Prospekten von Bad Ems, Zimmerreservierungen usw. in AAKMS, ebenso die betreffenden Unterlagen für die nächsten, auch in Bad Ems abgehaltenen Tagungen.

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eingeladenen Professoren (Brunner, Ipsen, Jantke, Nürnberger, Treue). Die drei übrigen (Beutin, Th. Schieder, Weippert) hatten „wegen Krankheit oder anderweitiger Behinderung“ abgesagt, wobei Beutin sich aber durch seinen Assistenten Dr. Friedrich Seidel vertreten ließ. Hübinger konnte aus dienstlichen Gründen nicht von Anfang bis Ende teilnehmen, was nach eigenem Bekunden „ohne jeden Zweifel für mein seelisches und intellektuelles Befinden ersprießlicher gewesen“ wäre.24 Er kam erst hinzu, als man bereits zu vergleichsweise konkreten Dingen wie Forschungsstand und -projekte überging. Eine formelle Tagesordnung gab es zwar noch nicht, doch war der erste Teil einer generellen Lage- und Zielbestimmung vorbehalten. Das begann mit Conze-­ Bemerkungen über die Aufgabe der Geschichtswissenschaft in der modernen Welt, die er unter abermaligem Bezug auf seinen programmatischen Vortrag von Düsseldorf umriss: Es komme darauf an, so etwas wie Freyers Th ­ eorie des gegenwärtigen Zeitalters historisch-­kritisch zu fundieren oder zu überprüfen, d. h., die Struktur der modernen Welt seit der Emanzipations- und Revolutionsepoche freizulegen und dabei das „spezifisch Neue“ ebenso zu ermitteln wie die „Kontinuität weiterwirkender, vorrevolutionärer Tradition“. Da diese Aufgabe sich terminologisch nicht unter den zu engen Begriff Sozialgeschichte subsumieren lasse, wie es in Hinblick auf das noch vorherrschende sektorale Verständnis hieß, sei (Struktur-) Geschichte der modernen Welt oder eine ähnliche Benennung vorzuziehen. Und da die tradierte historische Methode die Problematik der modernen Welt nicht zu bewältigen vermöge, müsse sie dieser Problematik angepasst werden. Dazu gehöre ein enger, zwar oft geforderter, aber nur selten praktizierter Kontakt zu den syste­ matischen Nachbardisziplinen. Freilich sei etwa Reinhard Wittrams Memento gegen ein antithetisches Verständnis von dramatis personae und Strukturen resp. Kräften durchaus zu beherzigen und als Warnung vor einer Trennung von „Sozialoder Strukturgeschichte von der ‚allgemeinen‘ oder ‚eigentlichen‘, ‚politischen‘ Geschichte“ zu verstehen. Damit war abgesteckt, worauf es dem Treffen nach Conzes Auffassung ankommen musste: nämlich nicht primär auf eine zuvor in Betracht gezogene Kommission für moderne Sozialgeschichte, sondern erst einmal auf grundsätzliche Klärung der Voraussetzungen für gemeinsames Arbeiten samt Folgerungen für entsprechende 24 Brief an Conze, 27. 4. 1957 (KP 230, lf. S. 488), dazu bereits Conze an Hübinger, 21.2., sowie Hübinger an Conze, 19.3. u. 4. 4. 1957 (lf. S. 489 bzw. 492); zur Emser Teilnehmerschaft: TP Apr. 1957 (PR 1), S. 1. – Folgende Informationen, soweit nichts anderes vermerkt, nach dem mit 12 Seiten laut Conze „ausführlichen und doch die Vielfalt unserer Aussprachen […] nur andeutend wiedergebenden Protokoll“ (so am 8. 5. 1957 im Begleitschreiben zum Versand); Zitate entstammen den PFen, falls nicht als wörtliche Äußerungen eigens kenntlich gemacht; Conzes Einleitungsbemerkungen: S. 1 f.

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Forschungsplanung. Von daher kreiste die Aussprache 25 denn auch gleich um die Kernfrage, welches Geschichts- und Selbstverständnis den gemeinsamen Bestrebungen zugrunde liegen sollte. Im Ansatz ging es dabei fast zwangsläufig um die Allerweltsbegriffe Struktur- bzw. Sozialgeschichte.26 Als Nürnberger wissen wollte, was genau mit Strukturgeschichte gemeint sei, verwies Conze quasi als Übersetzung auf den geläufigen Terminus Verfassungsgeschichte, den er an sich gerne gewählt hätte, aber wegen der gängigen Einengung auf die Geschichte von Staatsverfassung und Staatsrecht dann doch vermieden habe. Da auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nicht in Betracht komme, weil bei dem weithin üblichen Verständnis die Gefahr einer Ausklammerung des Politischen bestehe, bleibe eben Strukturgeschichte – wenn auch als „eine (vielleicht kaum vermeidbare) Verlegenheitslösung“.27 Während Treue hingegen für Sozialverfassungsgeschichte plädierte und damit die im weiteren Sinne politische Seite verfehlte, schlug Nürnberger wenigstens für den internen Gebrauch Verfassungsgeschichte vor, was Jantke bei hinreichend weiter Fassung des Gegenstandsbereichs sogar generell bevorzugte. Nur Brunner fand trotz aller Bedenken Strukturgeschichte besser, denn dabei werde die „politisch zu verstehende Gesamtordnung“ thematisiert, der Akzent also letztlich auf das Politische gelegt. Auszuschließen ­seien jedenfalls „ideologisch stark belastete“ Bezeichnungen wie inneres Gefüge (wovon er früher ja selbst gesprochen hatte). Nach dieser – offenbar einzigen – Anspielung auf den sachlichen wie terminologischen ‚Vorlauf‘ solcher Überlegungen bezeichnete Jantke auch das Periodisierungswie Qualifizierungsetikett technisch-­industrielles Zeitalter als eine „Hilfskonstruktion“ zur Andeutung von etwas Neuem. Habe Conze mit seinem Vortrag gerade „das Wesentliche z­ wischen und unter fragwürdigen Begriffen“ verdeutlicht, gehe es nun 25 S. 2 – 6; dazu, insbesondere zur Position von Jantke, auch Klingemann, Verschmelzung, S. 54 ff., s. auch Etzemüller in TP Okt. 1999 (PR 19), S. 37 f. 26 In einem Brief an Conze vom 22. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 16) hatte der kranke Beutin schon vorher ein gewisses „terminologisches Bedenken“ erhoben: „Man ist gewöhnt, Struktur und Dynamik (oder auch: Geschichte) als ein logisches Kontrastpaar zu verstehen. Dabei ist dann die Struktur das Feststehende, das in einem Querschnitt Erfassbare und Darzustellende; das zwar Gewordene und wieder sich Verändernde, aber doch das Bild, der Zustand einer Zeitschicht. Die Zeiten haben jeweils ihre eigene Struktur. Ich weiß, es gibt das bekannte Harms’sche Werk aus den 20er Jahren: Strukturwandlungen der deutschen Wirtschaft. Es ist eigentlich ein Vergleich der Struktur vor dem Kriege und der[jenigen] nachher. […].“ 27 Bei seiner Warnung vor Ausklammerung des Politischen dachte er wohl nicht zuletzt an Trevelyans Negativdefinition von social history als history […] with the politics left out; dazu Engelhardt, Artikel Sozialgeschichte, Sp. 1147, vgl. Kocka, Sozialgeschichte nach 1945, S. 33. – Auf die Unschärfe ­dieses Strukturbegriffs ist immer wieder hingewiesen worden, in der jüngeren Literatur etwa von Welskopp, Strukturgeschichte, S. 271.

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um Zusammenarbeit von Geschichtswissenschaft und Soziologie. Dass die dazu fällige Annäherungsleistung freilich von soziologischer Seite erbracht werden müsse, betonte auch Brunner mit seiner „sehr scharfen“ Absage an eine „geschichtsfremde“ Soziologie, wie sie weithin dominant gewesen sei. Diese Einschätzung führte zu einer lebhaften, bis in die Antike zurückgreifenden Debatte über die Eigenarten soziologischer Verfahrensweisen, mithin auch über die Spezifika der historischen Methode und über Möglichkeiten wie Grenzen einer Kooperation von Soziologen und Historikern. Für Jantke etwa war es dabei ausgemacht, dass die Soziologie nur bedingt übernommen werden könne, wenn sie wie die amerikanische als „Weltsoziologie“ auftrete. Sei sie doch von ihrem „geschichtlich-­räumlichen Standort nicht ablösbar und deshalb nur relativ zu generalisieren“. Diesem Vorbehalt einschließlich der Charakterisierung „standortgebundener“ Soziologie als „materiale Sozialgeschichte mit allgemeinen Ausblicken“ stimmte Ipsen zwar grundsätzlich zu, bestand aber darauf, dass Allgemeinbegriffe und „Mut zum abstrakten Denken“ für die Soziologie unverzichtbar ­seien. Insofern gebe es einen klaren Unterschied zur Geschichtswissenschaft, die „notwendiger- und positiverweise“ davon lebe, „‚gedankenlos‘ (im Sinne abstrakt-­allgemeiner, systematischer Begriffsbildung)“ zu sein, denn sie habe „zu erzählen, ‚wie es wirklich gewesen ist‘“. Vereinfachend und abkürzend lasse sich dieser distinktive, wenn auch nicht absolute Unterschied ­zwischen den beiden Disziplinen somit als „Unterschied z­ wischen Begrifflichkeit und Erzählen“ bezeichnen. Dass dementsprechend dann auch Conze auf die aktuelle Vordringlichkeit dieser Frage abhob, „ob erzählt oder systematisiert und analysiert werden sollte“, spiegelt erst recht die damals vorherrschende Differenzbestimmung ­zwischen Soziologie und Geschichtswissenschaft: Die eine, so Conze „in abgekürzter Redeweise“, rücke eben „das ‚Begriffliche‘ und die andere das ‚Erzählen‘ in den Vordergrund“, wobei der Historiker allerdings „nicht mehr (wie noch um 1900) ‚naiv‘ erzählen“ könne. Das potenziell Verbindende sah Conze in der nach seiner Ansicht gemeinsamen Notwendigkeit einer Historisierung der Begriffe und in der daraus folgenden Verpflichtung zu beiderseitiger Offenheit für die Überlegung, w ­ elche Begriffe anwendbar sind und ­welche man „fallenlassen“ müsse.28 Die damit umschriebene Überzeugung unbedingter Überprüfungsbedürftigkeit von „Schablo­nenbegriffen“ wurde von den anderen Diskutanten geteilt. Ja, der dezidiert historisch ausgerichtete Empiriker Jantke radikalisierte sie sogar in der Weise, dass er sich nicht scheute, „in aller Schärfe“ vom „Unheil“ zu sprechen, das unreflektierter Gebrauch z. B. von Max Webers Demokratiebegriff angerichtet habe: Wenn Studenten gleich Publizisten an die konkreten Verhältnisse der modernen Welt pauschal mit Begriffen wie 28 So begrüßte Conze wenig ­später denn auch die „glücklicher Weise beginnende Bemühung der Historiker […], viel gebrauchten und auch missbrauchten Begriffen oder Schlagworten historisch zu Leibe zu gehen“ (KP 2, lf. S. 30, Brief an Beutin, 25. 6. 1957).

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Bürokratie, Masse usw. herangingen, sei schon dies so „verhängnisvoll“, dass er sich genötigt gesehen habe, seinen Studenten die Verwendung solcher, „die Wirklichkeit ent- und verstellender Begriffe zu untersagen“ – was erst recht gelte, wenn derartige Begriffe von Historikern einfach übernommen würden. Diese, für die erkenntnistheoretischen wie wissenschaftspolitischen Vorstellungen der Teilnehmer so aufschlussreiche Mahnung wiederholte sich im Grunde auch bei Ipsens Betrachtungen über die „Bewusstseinslage und -haltung gegenüber den Realitäten der Zeit“. Die sicherlich verbreitete Auffassung, dass „aus der Sache gebildete Begriffe nicht zur Schablone führten“, berührte sich eng mit seiner anschließenden Warnung vor Ideengeschichte und mit seinem zweifellos von früherer NS-Nähe mitbestimmten Plädoyer für „Enthaltsamkeit allem Ideologischen gegenüber“ als einer zwingenden Notwendigkeit für Selbstverständnis und Tätigkeit des Wissenschaftlers. Solche Abstinenz wollte Jantke hingegen nicht zu weit getrieben sehen, d. h., auf „Kritik des falschen Bewusstseins“ wie auf „Sozialkritik“ schon deshalb nicht verzichten, weil durch eine, wie er meinte, „allgemein zu beobachtende Sprachregelung fruchtbare und notwendige soziale Differenzen verwischt würden“.29 Dass er dies verhindern wollte und dass Nürnberger jedes „­ Herauswerfen der politischen Kritik aus der Historie“ gar als verhängnisvoll ablehnte, schloss aber keineswegs aus, dass Ipsens – wie auch immer konnotierte – Forderung nach Aussparung von rein Ideologischem offensichtlich communis opinio war. Das gilt auch für das Spektrum von Untersuchungsobjekten, die sich im Lauf der laut Protokoll „absichtlich unsystematisch und abgekürzt“ geführten Diskussion 30 als wünschenswerte Schwerpunkte künftiger Beschäftigung vor allem mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dem „Umbruch in den [18]50er Jahren“ herausschälten: der Zusammenhang von sozialer Emanzipation und ­Bevölkerungsbewegung 29 Zwar ist aus dem Quellentext nicht unmittelbar abzuleiten, aber wohl zutreffend, was Klingemann daraus folgert: „Wohlverstandene Sozialkritik im Sinne Jantkes sollte einem – sicherlich zum Teil verkürzt-­instrumentalisierten – Marxismus Paroli bieten können, dessen Unwesen in der zeitgenössischen Soziologie Jantke beobachten zu können glaubte“ (Verschmelzung, S. 54). Für diese Interpretation spricht u. a. auch die Protokollmitteilung, bei den Diskussionshinweisen auf Forschungsdesiderata habe „Ipsen (zugleich in einer Kritik an Marx) an[gedeutet], dass es sich bei dem Träger der Pariser Aufstände [von 1830 u. 1848], dem Proletariat, um abgesunkenes Bürgertum gehandelt hätte, nämlich um verheiratete Handwerksgesellen, die jeder Krise ausgeliefert gewesen wären, weil sie nicht die Möglichkeit der Abwanderung besessen hätten“. 30 In seinem Begleitbrief vom 8. 5. 1957 (bei den Tagungsunterlagen in PR 1) zum Protokollversand meinte Conze, der „völlig ungeplante“ Verlauf wie der „daraus folgende unsystematische, häufig ein wenig sprunghafte Charakter unserer Gespräche“ möchten Nichtteilnehmern als ein „gewisser Mangel“ erscheinen, während die Teilnehmer dies „übereinstimmend entgegengesetzt empfunden“ hätten.

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im ländlichen wie städtischen Raum; das Verhältnis von Staat und Gesellschaft; die Unterschiedlichkeit der europäischen Agrarverfassungen, insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für soziale Emanzipationsvorgänge wie die Bauernbefreiung und für die materielle Basis der Führungsschichten; zudem die Herkunft und Lage des Proletariats und seine ausdrücklich daraus zu ergründende Rolle im Revolutionsgeschehen der 30er und 40er Jahre; im Übrigen die Entwicklung des Verhältnisses von Stand und Klasse, die Geschichte des Kleingewerbes und des sog. Mittelstands, des Stadtwandels, der sozialen Aufwertung bestimmter Berufe und der Veränderung von Berufsbild wie Berufslehre in der modernen Arbeitswelt, überhaupt der Beziehung von Schule und Gesellschaft; last not least Firmen-, Betriebs- und Assoziationsgeschichte. Als bedeutenden Bestandteil der Sozialhistorie würdigte man gerade auch eine weit konzipierte Technik- und Unternehmensgeschichte (und schon bei der nächsten Tagung forderte Jantke „grundlegende Arbeiten zur Geschichte der Technik im soziologischen Sinne“). Von deren Marginalisierung kann zumindest von daher keine Rede sein, geschweige denn davon, dass der „erzliberale“ Treue, Herausgeber der Fachzeitschrift Tradition, durch „national-­ konservative“ Kollegen um Conze behindert oder gar als Persona non grata ins Abseits gestellt worden wäre.31 Wenngleich Conze den Blick auch in Bad Ems über den deutschen Zaun hinaus­ lenkte und eine Zusammenarbeit speziell mit der perspektivisch wie methodisch differenzierteren französischen Sozialhistorie als unerlässlich bezeichnete, richtete sich die weitere Aufmerksamkeit erst einmal auf Arbeitsschwerpunkte und 31 So, reichlich spekulativ und mit unterschwelligem, nur scheinbar relativierten Hinweis auf die „NS-Vergangenheit“: Teuteberg, Treue, S. 139 f., vgl. S. 129, 131 und 136. – Nicht nur das TP Apr. 1957 spricht jedenfalls dagegen (besonders S. 8 f.), zumal bereits für die nächste Tagung auch ein Referat von Treue „über die Geschichte der technischen Ausbildung und die Verknüpfung der Soziologie mit der Kulturpolitik“ vorgesehen (S. 11) und Treue gebeten wurde, in Verbindung mit d ­ iesem Referat einen Forschungsplan zu entwerfen, der als Grundlage für die Vergabe von Einzelaufträgen dienen könne (S. 12). Überdies war Treue frühzeitig informiert und schrieb schon mit Brief vom 20. 1. 1957 an Conze: „[…] Ganz besonders aber beglückwünsche ich Sie zu der Entwicklung Ihrer Pläne, über die wir im April in Bad Ems sprechen wollen. […]“ (KP 3, S. 118). – Eine Marginalisierung Treues lassen auch die ihm gewährten Hilfskraftmittel des AKMS ebensowenig erkennen wie die weiteren Protokolle (Jantke-­Zitat: TP Okt. 1957, S. 9): vgl. u. a. TP Okt. 1962 (PR 1), S. 3 (Treues Bericht über den „Stand der Technikgeschichte [im Sinne einer Geschichte des Verhältnisses von Mensch und Technik“], besonders über den Plan zu einem vierbändigen Lexikon und zu dem Vorhaben einer Zeitschrift für Technikgeschichte); im Übrigen auch PMV 23. 10. 1992 (PR 13), S. 2: zu Beginn der MV Gedenken nicht nur an N ­ ipperdey, sondern auch an das ebenfalls kürzlich verstorbene Gründungsmitglied Treue. – Zu dessen Bedeutung für die frühe bundesrepublikanische Sozialhistorie vgl. auch Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 14 f.

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­eventuelle Kooperationschancen bei bestehenden oder möglichen Forschungszentren im eigenen Land.32 Schon bei dieser Rundschau ergaben sich nachhaltige Präjudizien für Profil und künftige Verfahrensweisen. So war man sich einig über das Gebot einer tendenziell weitgehenden Interdisziplinarität (vorerst besonders im Hinblick etwa auf Agrarwissenschaftler und Sozialgeografen einerseits sowie Literarhistoriker andererseits). Man dachte also „schon interdisziplinär […], als es noch nicht Mode war“ (wie Conze 1984 dann mit Genugtuung anmerkte). Ja, von vornherein schrieb der Kreis auf seine Fahne, was 1993 schließlich sogar als sein „Grundziel“ bezeichnet (Kaelble/Winkler) und erst ein halbes Jahrhundert nach seiner Entstehung als „eines der gegenwärtigen [2008!] akademischen Zauberwörter“ registriert wurde (Edgar Wolfrum). Auch fand bereits allgemeine Zustimmung, was Hübinger eindringlich hervorhob: dass es nicht um Förderung und damit „Summierung“ noch so wichtiger Einzelforschungen gehen könne, es sei denn im Rahmen „wirklicher Gemeinschaftsarbeit“. Diese nämlich müsse „konstitutiv“ für den Kreis sein, nicht zuletzt hinsichtlich Forschungsrückständen gegenüber dem Ausland; andernfalls verliere der Kreis „zu einem nicht geringen Teil seine Existenzberechtigung“. Außerdem teilte man unisono die Ansicht, dass die Bereitschaft nicht allein zu regelmäßiger Teilnahme, sondern überdies auch zur „aktiven Mitarbeit, die von jedem persönliche Entscheidung verlangt, die Grund­voraussetzung zum Gelingen der Tagungen und zur Verwirklichung der Ziele“ bilde. Im Übrigen bestand Übereinstimmung über eine Tagungsfrequenz von zweimal jährlich, ohne häufigere Zusammenkünfte auszuschließen. Und von vornherein sollte der Arbeitsbereich eher weitgespannt sein, die Planung also nicht von mehr oder minder eng 32 Dazu im Einzelnen TP Apr. 1957, S. 7 ff., wonach vor allem über Folgendes berichtet wurde: Brunner u. Jantke über die Hamburger Verhältnisse (insbesondere über die beim Jantke-­Lehrstuhl „bisher einzig dastehende“ Verbindung von Soziologie mit Sozial- und Wirtschaftsgeschichte); Ipsen über die Dortmunder Sozialforschungsstelle mit ihrer Ausrichtung auf die Soziologie der industriellen Gesellschaft); Nürnberger und Treue über Pläne beim Göttinger MPIG bzw. dadurch verbleibende Desiderata , Treue zudem über die unternehmens- und technikgeschichtliche Zeitschrift Tradition (die auch Conze als außerordentlich wichtig einstufte); Conze über die Aufbruchschancen in Heidelberg mit seinem neuen Institut für Sozialgeschichte der Gegenwart, zudem über seine Beteiligung an der Economic History Review in Cambridge; Seidel schließlich über die „didaktische Seite“ der Tätigkeit des Kölner Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts mit seinem Bemühen um „Versöhnung von Modell [abstrakter ­Theorie] und Empirie“. – Nachfolgende Zitate: Conze bei Eröffnung der Frühjahrstagung 1984 (PR 10, TP März 1984, S. 2); Kaelble/Winkler in ihrem Tagungsband Nation […] (1993), S. 6, Danksagung, s. a. schon Kaelble an Engelhardt, 7. 11. 1991 (KP 12, S. 554); Wolfrum, Rezension Die Ordnung der Bilder. Gerhard Pauls einzigartiges Geschichtsbuch des 20. Jahrhunderts, in: Zeit Literatur Nr. 49, Nov. 2008, S. 73.

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gefassten Einzelthemen, sondern jeweils von einem General- oder Rahmenthema her erfolgen, um von dort aus Untersuchungen „in verschiedenen Richtungen und unter Beteiligung aller interessierten Disziplinen“ ansetzen zu können. Als dafür thematisch besonders geeigneter Bereich wurde zuerst Staat und Gesellschaft im Vormärz ins Auge gefasst und mit recht genauen Einstiegsvorgaben versehen.33 Dass diese Option nicht zum wenigsten auch von zeithistorisch-­politischen Erwägungen beeinflusst war, erhellt wohl am deutlichsten aus Ipsens Bemerkung, heutzutage, wenn nicht schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ­seien Staat und Gesellschaft nicht mehr zu scheiden, ein „Denken aus der Diremption“ somit „schon deshalb falsch“. Indessen wollte man weder inhaltlich noch zeitlich bei der Fokussierung auf einen Teilbereich bleiben, sondern nach und nach in jeder Hinsicht viel weiter ausgreifen. Entschied man sich am Schluss doch dafür, die Tätigkeit des Kreises unter dem sehr dehnbaren „Oberbegriff der Sozialgeschichte (Verfassungsgeschichte) der modernen Welt“ 34 laufen zu lassen. Auch wenn man es „selbstverständlich“ naheliegend fand, zunächst von Deutschland und seiner „mitteleuropäischen Umwelt“ auszugehen, sollte späterhin erheblich mehr in den Blick genommen werden, „und wenn auch nur vergleichend“. An ­welchen Horizont dabei zumindest gedacht war, ergibt sich aus dem Protokollvermerk, dass auch die Frage des Strukturwandels der sog. unterentwickelten Länder „wenigstens kurz zur Sprache gebracht“ worden sei. Als konkretes Fernziel hatte man freilich im Auge, dass „das Ergebnis gemeinsamer Bemühungen eine deutsche (vergleichend europäische) Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts sein könnte“.35 Wie aus alldem hervorgeht, war es also zutreffend, wenn der Arbeitskreis sich gut zehn Jahre s­ päter in einer ersten Rückschau als Reaktion auf ein gravierendes 33 Dazu S. 10 f. – In der Zusammenfassung (ebd.) lautete das Thema dann: Staat und Gesellschaft in der Bewegung der Zeit ­zwischen dem vorrevolutionären Fürstenstaat und der voll einsetzenden Industrialisierung, in einem k­ urzen Tagungsbericht vom 8. 5. 1957 fürs BMI: Staat und Gesellschaft in Deutschland in der Zeit z­ wischen dem vorrevolutionären Fürstenstaat und der voll einsetzenden Industrialisierung. – Zur Bedeutung des Themas schon Conzes Entwurf Zur Frage eines Instituts […] (s. o.); vgl. auch seine spätere Begründung im Vorwort zu dem betreffenden Tagungsband von 1962. – Folgende Ipsen-­Bemerkung: so in der Formulierung des Prot. (S. 6). 34 So die Protokollversion (S. 11), während Conze am 8. 5. 1957 in seinem Begleitbrief zum Protokollversand nur „Verfassungsgeschichte der modernen Welt“ sagte und am selben Tag in dem ­kurzen Tagungsbericht fürs BMI von „Sozialgeschichte (besser Struktur- oder Verfassungsgeschichte) der modernen Welt“ sprach (KP 23a, S. 484 f.). 35 So in dem Begleitbrief vom 8. 5. 1957 zum Protokollversand; in seinem Memorandum Quellen und Darstellungen zur Sozialgeschichte der modernen Welt sogar Blickausdehnung „besonders […] auch auf außereuropäische Gebiete […], sofern die Kräfte dafür ausreichen“ (Durchschlag mit Conzes handschriftlicher Vermerk „Juli 1957 an Rassow“ in AAKMS).

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Defizit der herkömmlichen Historie beschrieb: Den Ausschlag für die Gründung habe die Auffassung gegeben, dass die „Sozialgeschichte der modernen Welt seit den Revolutionen des 18. Jahrhunderts in Deutschland allgemein unzureichend in Forschung und Lehre vertreten sei und die Geschichtswissenschaft als ­solche es bisher weitgehend versäumt habe, ihre traditionelle Arbeitsweise unter den Bedingungen der modernen ‚Formverwandlung der Geschichte‘ [Huizinga] kritisch zu überprüfen und die methodologischen Probleme zu erörtern, die mit der historischen Erforschung der modernen Welt gestellt sind“.36 Ebenso deutlich zeigte die Rückschau freilich auch, wie sehr man selbst das Methodologisch-­Konzeptionelle im Grunde in der Schwebe ließ, wenn festgehalten wurde: Übereinstimmend sei man sich der Notwendigkeit bewusst gewesen, die „falsche Unterscheidung ­zwischen Sozialgeschichte und politischer Geschichte sowie die herkömmliche Entgegensetzung von politischer Geschichte und Geistesgeschichte auf der einen, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte auf der anderen Seite aufzuheben und sowohl die Kluft ­zwischen historischen und systematischen Sozialwissenschaften als auch die angebliche Unvereinbarkeit von individualisierender und typologisierender oder generalisierender Methode zu überwinden, ohne deswegen einem Methodensynkretismus das Wort zu reden“. Mithin konnte zwar von einem ausformulierten, gar theoretisch fundierten Programm gewiss nicht die Rede sein, und speziell die ­später bis in die eigenen Reihen ja hochkontrovers diskutierte Frage nach einer genuinen Verbindung der bundesrepublikanischen Sozialhistorie zur NS-imprägnierten Volksgeschichte blieb noch außen vor. Doch stellte sich die Gründungsveranstaltung durchaus als vielversprechender, wenn nicht mitreißender Aufbruch zu Neuem dar.37 Treue etwa sprach von einem „vollen Erfolg“ und konnte sich zudem „nicht erinnern, an einem anderen Treffen mit Kollegen teilgenommen zu haben, das von Anfang bis zum Ende so harmonisch und geradezu freundschaftlich verlaufen ist“. Und Weippert, dem die von Conze zusammengerufene Runde „in menschlicher Hinsicht ganz besonders sympathisch“ war, fühlte sich „sehr“ zur 36 Hier und im Folgenden: Überblick 1957 – 1969, S. 1. 37 Dazu auch Klingemann, Verschmelzung, S. 56; zur Kontinuitätsfrage (Volks-/Sozialgeschichte) unten, Kap. 4.5. – Folgende Zitate: Treue an Conze, 16. 5. 1957 (KP 3, lf. S. 120); Weippert an Conze, 5. 6. 1957 (KP 3, lf. S. 246), mit Bezug auf das Tagungsprotokoll und mit der Bemerkung, „ähnlich Ipsen“ sei er der Überzeugung, dass die Soziologie „umfassende Kategorien zu erarbeiten“, aber „sich dabei jeweils der Geschichtlichkeit der sozialen Welt bewusst zu sein“ habe; indessen meine er „etwas abweichend“ von Ipsen, den er freilich „vielleicht […] hier nicht richtig verstanden [habe], dass die Einsichten, die die ‚reine‘ Soziologie in der Zeit nach dem ­Ersten Weltkrieg gewonnen hat, doch höher zu bewerten sind, als das Ipsen tut“ – eine Auffassung, die „aber gerade kein Bekenntnis zu einer bloß formalen Soziologie dar[stellt]!“ (vgl. seinen Brief vom 21. 4. 1958 an Conze, KP 3, S. 251).

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Mitarbeit animiert, bei der er eine „spezifisch soziologische Position“ einzunehmen gedachte, die „bei aller auf relativ hohe Abstraktionen gerichteten Absicht betont für das Historische geöffnet sein will“. Theodor Schieder schließlich zeigte sich regelrecht „glücklich darüber, dass endlich einmal wirklich das Notwendige und Entscheidende angerührt“ worden sei.38 Ihm schien es sogar so, dass die frisch aus der Taufe gehobene Vereinigung „in der Tat der Ansatzpunkt für ein wirkliches Neudenken in unserer Wissenschaft werden könnte“. Deshalb bot er Conze brieflich an, die ja erst anlaufende Tätigkeit des Kreises durch Veröffentlichung eines ­kurzen Protokollresümees in der HZ publik zu machen, was Conze spontan jedoch mit der abwägenden Randbemerkung quittierte: „Noch nicht, aber bald, denn vorzeitig ist ebenso vom Übel wie langes Geheimtun.“ Einen analogen Vorschlag von Beutin, die VSWG „zu so etwas wie unserem Publikationsorgan zu machen“ und dazu erst einmal „über den Emser Kreis und seine Pläne – ohne Vorschusslorbeer – etwas in die [Rubrik] ‚Notizen‘ zu bringen“, beschied Conze einige Monate ­später mit Bezug auf Schieders Anregung gleichermaßen.39 Gewiss mögen die so erst noch nicht hinausposaunten Erörterungen und Absichten von Bad Ems nach späteren Maßstäben als zuweilen eher assoziativ und daher manchmal vage anmuten. Doch beim damaligen Diskussionsstand war manches nicht nur bemerkenswert reflektiert, mithin entwicklungsfähig, sondern der Zeit auch schon weit voraus: so vor allem die Thematisierung der Frage von Erzählung und Analyse, die in der Tat „verblüffen“ muss (Schulze).40 Und dass schon für den 38 Hier und im Folgenden: Brief an Conze, 23. 5. 1957 (KP 2, lf. S. 632 ff.), sinngemäß gleich, aber zum vollen Satz ausformuliert dann auch in Conzes Antwortbrief an Schieder, 29. 5. 1957 (lf. S. 635). – Warum Schulze diese vorläufige Ablehnung damit begründet, dass Conze die „inhaltliche Arbeit“ des Kreises zunächst noch viele Sorgen bereitet habe (Geschichtswissenschaft, S. 261), ist unerfindlich. 39 Beutin an Conze, 29. 11. 1957 (KP 2, lf. S. 33): Aubins VSWG zwar von einigen Leuten als „veraltet und zu wenig lebendig“ bezeichnet, wäre aber „dazu bestens geeignet und würde vielleicht gewinnen, wenn die Aktualität des Forschens in ihr noch mehr zum Ausdruck käme“; Aubin würde, „dessen glaube ich sicher sein zu dürfen, sehr erfreut sein“; dazu Conze-­Antwort an Beutin, 13. 12. 1957 (lf. S. 34): „[…] auf jeden Fall“ Bericht für die VSWG, vielleicht auch für die HZ, aber noch abwarten bis zur nächsten Tagung. 40 Geschichtswissenschaft, S. 262. – Zur nachfolgend angeführten Selbstbezeichnung Emser Kreis: so mehrmals im Protokoll der Gründungstagung, dann immer wieder auch in den Folgeprotokollen (mal mit, mal ohne Anführungszeichen); im Kurzbericht fürs BMI (KP 23a, lf. S. 486 f.) war am 8. 5. 1957 die Rede von dem „in Bad Ems konstituierten Kreis“, in einem Brief Conzes an Hübinger vom 26. 7. 1957 (lf. S. 478) wiederholt vom Emser Kreis, entsprechend auch in einer Antwort von Min.rat PD Dr. Kipp vom 2. 8. 1957 (lf. S. 477) und in weiteren Schreiben, während Conze am 21. 8. 1957 in einem Brief an Kipp (lf. S. 472) sogar vom „‚Emser Kreis‘ für moderne Sozialgeschichte“ sprach; Emser Kreis sagte er auch in anderen Briefen, z. B. am 21. 8. 1957 an Brunner (KP 2, lf. S. 80) und sogar

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Herbst eine Anschlusstagung beschlossen und in Umrissen auch inhaltlich festgelegt wurde, machte deutlich, dass die Würfel gefallen waren. Auch wenn Conze zu Beginn noch so angelegentlich versichert hatte, der – so die Protokollwiedergabe – „Sinn der Tagung sei alles andere als Organisations- und Gründungseifer“, lief doch alles auf Formalisierung und Institutionalisierung hinaus. Was intern, aber auch in manchen Korrespondenzen mit dem BMI noch für längere Zeit nur erst unter der habituellen Geburtsortbezeichnung Emser Kreis firmierte, erhielt von Hübinger denn auch bereits in statu nascendi eine zunächst inoffizielle Gewähr für materielle Förderung jedenfalls des „notwendigen Mindestmaßes an Organisation“.41 Dass diese, wie im Protokoll eigens vermerkt, von Heidelberg aus erfolgen sollte, wohin Conze zum 1. April 1957 übergesiedelt war, präjudizierte auch gleich zweierlei: den künftigen Sitz des vorläufig noch ganz improvisierten Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 42 (bzw. Arbeitskreises für die Sozialgeschichte der modernen Welt) samt jahrzehntelanger kostenloser Unterbringung der Geschäftsführung in dem von Conze im April 1957 gegründeten und als „ein Sammelpunkt für die moderne Sozialgeschichtsforschung in Deutschland“ gedachten Instituts für Sozialgeschichte der Gegenwart an der Universität Heidelberg (ab November 1958, seit Einbeziehung des Lehrstuhls Maschke: Institut für Sozial- und ­Wirtschaftsgeschichte).43 Das noch am 2. 11. 1965 an Predöhl (KP 4, lf. S. 383); ebenso die Redeweise weiterer Beteiligter, z. B. Ipsen an Conze, 31. 5. 1957 (lf. S. 299, s. a. lf. S. 297, 8. 7. 1957: „‚Emser Kränzchen‘“!), und Jantke an Conze, 19. 10. 1965 (lf. S. 409), aber auch Außenstehender bzw. Tagungsgäste, z. B. Adelheid Gräfin zu Castell Rüdenhausen (später v. Nell) noch am 29. 1. 1967 an Conze (KP 5a, lf. S. 102). 41 Lt. TP, S. 11 gab Hübinger diese Zusage zwar nur in „Andeutungen“, sah aber schon für die zweite Maihälfte genauere Verhandlungen z­ wischen Conze u. dem BMI vor; demgemäß am 8. 5. 1957 auch Conzes Mittelantrag in seinem Kurzbericht fürs BMI, der seinerseits zurückging auf ein Schreiben Hübingers vom 27.4. mit der Aufforderung an Conze, er möge „mir ein amtliches Schreiben über das Ergebnis der Emser Besprechungen ­schicken, das in einem Antrag auf Bereitstellung von Mitteln für die Durchführung der dort beschlossenen Pläne gipfelt“. – Betr. Conzes Übersiedelung nach Heidelberg: u. a. Conze an Hübinger, 10. 11. 1956 u. 4. 4. 1957 (KP 23a, lf. S. 489 bzw. 508), sowie an Jantke, 26. 3. 1957 (KP2, lf. S. 354). 42 Diese Bezeichnung, soweit aus den Akten ersichtlich, offenbar erstmals in Conzes Anschreiben zum Förderungsantrag vom 31. 5. 1957 an Min.rat PD Dr. Kipp/BMI; seit Okt. 1957 regelmäßig auch bei den Tagungsprotokollen. – In Klammern angegebene Bezeichnung: so Conze zuvor, am 8. 5. 1957, noch in seinem Kurzbericht und Mittelantrag ans BMI. 43 Anfänglich in der Unteren Neckarstr. 17 (am Platz der früheren Synagoge), ab Okt. 1959 in Universitätsräumen in der Bergheimer Str. 104 – 106 (Nähe Hauptbahnhof ) bzw. in der Grabengasse 14 bzw. 3 – 5 (am Universitätsplatz) bzw. in der Hauptstr. 113 (am Theaterplatz). – Zur Entstehung und Anfangstätigkeit des Conze-­Instituts vgl. den wohl von Stuke verfassten Bericht über das Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität

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hinderte Conze jedoch nicht an einer Überlegung, wie er sie im Herbst streng vertraulich an Hübinger herantrug: Ob es sich zwecks „Rationalisierung und Kostenersparnis“ nicht empfehle, für den Arbeitskreis und seines Erachtens auch für Max Braubachs Vereinigung für Neuere Geschichte e. V. als noch „nichtetatisierte Arbeitsgemeinschaften“ einerseits und die bereits etatisierte Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien andererseits ein gemeinsames Büro zu schaffen, wobei man diese Lösung ja zunächst als einjähriges Provisorium testen könne. Ausdrücklich versprach er sich davon eine beträchtliche Entlastung des Arbeitskreisaufwands in Heidelberg. Dahinter aber stand möglicherweise auch die Spekulation, durch ein fait accompli wie die besagte Bürogemeinschaft das noch denkbare Risiko einer Nichtetatisierung zumindest zu verringern. Wie auch immer, die Überlegung hielt Hübinger zwar für erwägenswert, sie scheint indessen nicht weiter verfolgt worden zu sein.44 Zu den vordringlichsten Organisationsmaßnahmen gehörte notwendigerweise die Herstellung einer hinreichend breiten und möglichst stabilen Finanzbasis, nachdem die Auslagen für die Gründungstagung aus einer begrenzten Ad-­ hoc-­Zuwendung des BMI gedeckt worden waren.45 Immerhin hatte Conze das Eisen in brieflichen und mündlichen Kontakten mit Hübinger und dessen leitenden Beamten bereits so weit vorgeschmiedet, dass er eine erneute Erörterung der „technisch-­finanziellen Fragen“ mit dem zuständigen Referat des BMI sogar für verzichtbar hielt.46 Doch ­welche Priorität der finanziellen Seite gerade in ­diesem Stadium unbedingt beizumessen war, zeigt sich schlaglichtartig auch an einem Memento von Ipsen: Solle „es hinsichtlich der Effizienz unseres Kreises zu dem von Herrn Hübinger gedachten Erfolg kommen“, halte er auch eine direkte Kooperation mit der DFG und dazu „irgendeine Rahmenabsprache“ für unentbehrlich. Darauf ging Conze zwar nicht ein, doch dem BMI sandte er Ende Mai 1957 einen Heidelberg (1957 – 1963) sowie Anschlussberichte für 1964 und 1965, sämtlich in KP 5, lf. S. 133 ff. bzw. 157 ff. bzw. 163 ff.; Zitat: so S. 2 bzw. lf. S. 137 (dort auch zu den nationalen u. internationalen Verbindungen des Instituts); s. a. S. 6 bzw. lf. S. 138 und betr. Zusammenhang mit dem AKMS. 44 Zu ­diesem Vorgang KP 23a, lf. S. 466 ff.: Conze an Hübinger, 9. 9. 1957 (daraus die Zitate) u. 21. 9. 1957, Hübinger an Conze, 27.9. u. 2. 10. 1957 sowie Conze an Hübinger, 6. 10. 1957. 45 Die Bewilligung von 1.700 DM ging ad personam Conze/Münster und wurde noch über dessen Postscheckkonto Dortmund abgewickelt; vom Bewilligungsbetrag laut VWN vom 9. 5. 1957 nur 1.084,02 DM benötigt, Rest von 615,98 DM zurückgezahlt. 46 Zitat: so Min.rat PD Dr. Kipp in seinem Schreiben vom 15. 5. 1957, in dem er Conze einen Besprechungstermin im BMI am 5.6., ersatzweise am 12.6. anbot; dazu Conzes Antwort vom 31.5. mit Förderungsantrag (KP 23a, lf. S. 480 u. 481); zu den günstigen Finanzaussichten auch Conzes Brief an Th. Schieder, 29. 5. 1957(KP 2, lf. S. 635). – Ipsen-­Memento: Brief an Conze, 31. 5. 1957 (lf. S. 296).

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­ örderungsantrag mit vorläufigem Finanzierungsplan über 18.100 DM, wobei die F betreffende Bewilligung nunmehr wie alles Künftige auf Wunsch des Ministeriums über die Universitätskasse Heidelberg abgewickelt wurde (ohne die finanzielle Autonomie des Arbeitskreises dadurch einzuschränken).47 Schon im August folgte ein Antrag auch auf Gelder zur Fertigstellung einer als Dissertation begonnenen Einzelstudie (Köllmann). Geschickt nahm Conze dabei eine durchaus zuvorkommende Formulierung des BMI auf, dass das Emser Unternehmen „vom Studienkreis zum Forschungskreis ausgebaut werden sollte“ und auch bei der Mittelbewirtschaftung „frei sein muss“.48 Demnach sah das Ministerium, wie Conze im selben Monat mit Blick auf ein weiteres Einzelprojekt (Fischer) festhalten konnte, bereits „umfangreichere Forschungsmittel“ für den Arbeitskreis vor, noch ehe dessen genauer Bedarf überhaupt veranschlagt und angemeldet wurde.49 Dies nämlich war erst für die Zeit nach der nächsten Tagung geplant. Vorweg nämlich musste der Anlauf vom 47 Antrag vom 31. 5. 1957 z. Hd. Min.rat PD Dr. Kipp (lf. S. 480; folgende Informationen der Kürze halber ohne Fundortangaben); Bewilligungsbescheid vom 19. 6. 1957 an Conze/ Heidelberg (Zweckangabe im Entwurf des VWN, 31. 5. 1958: „Förderung der Arbeiten des Arbeitskreises […]. Die Zuwendung war wesentlich für die Geschäftsführung des Arbeitskreises und für die Vorbereitung und Durchführung von wiss. Tagungen bestimmt“); vgl. auch unten betr. Herbsttagung 1957. – Zur unentgeltlichen, für den AKMS also sehr kostensparenden Abwicklung über die Universitätskasse (erleichtert durch die rein verwaltungstechnische Verbindung mit dem ISWG) u. a. die lobende Erwähnung im Fragebogen für den Wissenschaftsrat vom 16. 2. 1962, Erläuterungen S. 2 (bei IV. 3) sowie bes. das Stuke-­ Schreiben vom 18. 1. 1963 an das Rektorat betr. die Regelung vom 27. 3. 1958 ­zwischen dem Kassenleiter u. dem Geschäftsführer des AKMS; s. a. Stuke-­Briefe vom 9. 6. 1964 u. 8. 1. 1965 ans BMF, BMF-Schreiben vom 15. 1. 1965. – Entsprechend dieser Regelung von Zeit zu Zeit Verwendungsprüfung durch den Landesrechnungshof in Karlsruhe, für die Dauer der Bundeszuständigkeit zugleich stellvertretend auch für den Bundesrechnungshof in Frankfurt a. M. (soweit ersichtlich, zuerst 1963/64 für die Rechnungsjahre 1960 – 62). 48 So Min.rat PD Dr. Kipp i. A. von Hübinger an Conze, 2. 8. 1957 (lf. S. 477), wobei Kipp seine Bereitschaft erklärte, aus den „vorgesehenen Mitteln für den Emser Kreis“ schon vor der genauen Bedarfsfeststellung erst einmal 6.000 DM zur Verfügung zu stellen; dazu Conzes Antwort vom 12. 8. 1957 (lf. S. 474) mit dem „besonders eiligen“ Vorwegantrag auf DM 4.800 zur Fertigstellung von Köllmanns Sozialgeschichte der Stadt Barmen im 19. Jahrhundert (dazu weiter unten). 49 Dazu Conze-­Schreiben an Kipp vom 21. 8. 1957 (lf. S. 472), in dem Conze vorfühlte, ob der Arbeitskreis demnächst wohl die Möglichkeit zur Finanzierung einer umfassend und auf drei Jahre angelegten Untersuchung von Dr. Dr. Wolfram Fischer (Dortmund) über die Entstehung der Großindustrie im Ruhrgebiet bekommen werde (Finanzbedarf in den ersten beiden Jahren gut 60.000 DM); Antwort von Min.rat Hagelberg, 2. 10. 1957 (lf. S. 467), mit positivem Bescheid zunächst für ein Jahr und Aussicht auf Weiterfinanzierung; s. auch Conze-­Brief an Treue, 21. 9. 1957: „[…] wir wahrscheinlich vom Innenministerium sehr viel höhere Mittel zu erwarten haben, als zunächst vorgesehen war, so dass wir bestimmte

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April noch eine präzisere wie längerfristige Richtung erhalten und so zu einem der eindrücklichsten Beispiele für Conzes Fähigkeit werden, mit „nie erlahmender Energie […] Wissenschaftspostulate in Organisation umzusetzen“ (Koselleck).

1.2 Staat und Gesellschaft im Vormärz – Sozioökonomische Ausgangsthematik und organisatorische Grundlegung (1957/58) Dass die Ausgangslage sich durchaus sehr günstig gestaltete, bestätigte auch die Anschlusstagung am 23./24. Oktober 1957, die ebenfalls in Bad Ems stattfand und nun sämtliche Gründungsmitglieder aufwies.50 Was Conze zu Beginn als das „wesentliche Merkmal“ der Entwicklung seit April bezeichnete, nämlich die schnelle, ja schon einmal angesprochene Erweiterung „vom Studien- zum Forschungskreis“, kam offenbar wider Erwarten: Jedenfalls war sie so unerwartet, dass man die damit eröffnete Möglichkeit zu unmittelbarem Bezug von BMI-Geldern auch für Forschungszwecke anfänglich gar nicht im Blick gehabt hatte, sondern nur den eventuellen Weg über die DFG. Folglich war noch Ende Mai bei dem ersten größeren Antrag auf BMI-Mittel lediglich an die beiden nächsten Tagungen, zudem an persönliche Hilfs- und Vorarbeiten sowie Archiv- oder Bibliotheksreisen und Sachausgaben in Verbindung mit den Tagungsthemen gedacht worden. Diese Selbstbeschränkung konnte nun insofern entfallen, als das BMI, so Conzes Erläuterung für die versammelten Kollegen, seit August zusätzlich „größere Sondermittel“ zur Verfügung oder in Aussicht gestellt habe.51 Dadurch sehe sich der Kreis ­„bedeutend früher“ Forschungspläne vorlegen können“ (KP 3, S. 121). – Nachfolgendes Zitat: so Koselleck, Conze, S. 540. 50 Also diesmal auch Beutin u. Th. Schieder; im Übrigen Ob.reg.rat Dr. Petersen als Vertreter Hübingers, der laut Brief an Conze vom 27. 9. 1957 (KP 23a, lf. S. 468) wegen der DFG-Jahresversammlung verhindert war. – Alles Folgende, soweit keine anderen Belege, nach TP Okt. 1957 (PR 1); Zitate in der Regel aus den PFen, Conze-­Äußerungen: S. 1 f. – Tagungsverlauf lt. Conze-­Anschreiben vom 21. 11. 1957 zum Protokollversand „in mehreren Briefen […] übereinstimmend“ als „erfreulich“ bewertet (KP 19, lf. S. 94). 51 Dies hatte Brunner schon Mitte August 1957 zu der Anfrage veranlasst, ob er Dr. Albrecht Timm, den „ehemaligen a. o. Professor an der Humboldt [sic]-Universität“ und derzeitigen Hamburger Lehrbeauftragten für Wirtschaftsgeschichte, nach Ablauf des DFG-Stipendiums (30.11.) für einige Monate „im Rahmen des ‚Bad Emser Arbeitsprogramms‘ beschäftigen“ könne (KP 2, lf. S. 79, Brief an Conze, 14. 8. 1957); dazu Conzes zwar bejahende, faktisch aber dilatorische Antwort vom 21. 8. 1957 und Brunners Replik vom 16.9.57 (lf. S. 80 bzw. 81): Angelegenheit nicht dringlich, könne bei der Herbsttagung noch besprochen werden (B. scheint aber auf seine Antragsankündigung nicht zurückgekommen zu

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als ursprünglich anzunehmen vor der Aufgabe, Forschungsarbeiten „unmittelbar und selbständig auf den Weg zu bringen“, ohne zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf Verbindung zur DFG angewiesen zu sein. Diese Chance mache zwar eine eingehende Aussprache über Planung, Organisation und Finanzierung solcher Arbeiten erforderlich, doch dürfe die neue Entwicklung samt der erfreulichen materiellen Lage keinesfalls darauf hinauslaufen, dass sich der Kreis nach Art einer Historischen Kommission im Wesentlichen mit Forschungsorganisation begnügte. Letztere könne sich stets nur ergeben aus der primären Absicht, „in gemeinsamer Diskussion von Tagung zu Tagung in der Klärung der großen Thematik fortzuschreiten“, durch die der Kreis zusammengeführt worden sei. Erneut also betonte Conze den Vorrang gemeinsamer und übergreifender wissen­ schaftlicher Fragestellungen, ohne die Förderung mehr oder minder breiter Spezialstudien auszuschließen oder externe Beziehungen zu vernachlässigen. So berichtete er nicht nur über die Unterstützung für laufende bzw. grundsätzlich schon bewilligte Untersuchungen wie die von Köllmann bzw. Fischer,52 sondern auch über Querverbindungen zu benachbarten Einrichtungen wie Rassows und Braubachs Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte. Längst vor Eintritt in Lütges erst 1961 gegründete Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte redete er in Bad Ems ausdrücklich auch über Lütges wirtschaftshistorischen Fachausschuss der Gesellschaft für Wirtschaftswissenschaft (früher Verein für Socialpolitik); dabei hielt er fest, dass Lütge wohl an Information und gelegentlichen Einladungen, aber nicht an regelmäßiger Tagungsteilnahme interessiert sei und dass es keine Überschneidung, ja kaum eine chronologische Berührung seiner Forschungspläne mit denen des Arbeitskreises gebe.53 Was Letztere betrifft, erhielt das von Conze gezeichnete rosige Bild durch den BMI-Vertreter Dr. Petersen freilich eine gewisse Eintrübung. sein); s. auch Jantke-­Brief an Conze vom 1. 12. 1958 (lf. S. 379) mit „einigen Unterlagen [Schriftenverzeichnis, Vorlesungsübersicht und biographische Angaben] über den aus der [damals noch sog. Ost-]Zone geflüchteten Professor Albrecht Timm“ (seit 1956 Lehrauftrag in Hamburg, solle dort jetzt eine Diätendozentur erhalten, sei nach Auskunft u. a. von Brunner „wissenschaftlich tüchtig und hat auch gute Lehrerfolge aufzuweisen“, vielleicht könne Conze „gelegentlich etwas für ihn tun“). 52 Dazu TP, S. 1, im Übrigen bereits Kap. 1.1. 53 Beutin allerdings stellte laut Protokoll „ergänzend die unmittelbare Nachbarschaft der Forschungsgebiete heraus“ u. gab einen Überblick über die Vorhaben des wirtschaftshisto­ rischen Fachausschusses. – Zu Lütge ebenfalls schon Kap. 1.1; wie die Korrespondenzen im AAKMS (KP 1 u. 2) zeigen, blieben die Kontakte in der Tat bestehen, teils via Conze selbst, teils via Beutin bzw. Fischer und Zorn. Zur Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte unter Federführung von Lütge, Abel, Kellenbenz und Hassinger, entstanden als nationale Vereinigung der internationalen Gesellschaft für Wirtschaftsgeschichte, vgl. Jörg Rode, Die Gesellschaft für Sozial- und

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Bei aller Bekräftigung der positiven Finanzaussichten auch für 1958 ließ er nämlich keinen Zweifel an der Unklarheit über die Höhe des BMI-Haushalts 1959. Deshalb auch sei die von Hübinger angestrebte und noch im Mai als „so gut wie gesichert“ eingestufte „Etatisierung der Mittel für den Emser Arbeitskreis“ 54 noch völlig ungewiss und vorerst eine Beschränkung auf vorwiegend kleinere, also bald abschließbare Forschungsvorhaben anzuraten. Diese Empfehlung, wenn nicht Warnung scheint die nachfolgenden Überlegungen jedoch nur wenig beeinflusst zu haben. Wohl einigte man sich nach „­ lebhaften Erörterungen“ darauf, Dissertationen unbeschadet einer gewissen Verfahrenselastizität grundsätzlich von der Finanzierung auszunehmen und Doktoranden bloß als wissenschaftliche Hilfskräfte mit begrenztem Auftrag einzusetzen. Auch wurde – laut Protokollvermerk zu nachträglichem Bedauern – bei der Aussprache über ­Conzes Beitrag über Pauperismus und Proletariat im Spannungsverhältnis von Staat und Gesellschaft im Vormärz 55 sogar völlig auf eine Debatte über Inhalt und Thesen des ­Referats verzichtet, um möglichst schnell zu realisierbaren, aus dem Thema resultierenden Arbeitsvorschlägen zu gelangen. Nur blieb Petersens Vorbehalt dabei ohne ersichtliche Wirkung auf die Erörterungen. So sehr Beutin am nächsten Morgen nach Treues Referat über Geschichte der technischen Ausbildung und die Verknüpfung der Soziologie und Technologie mit der Kulturpolitik 56 betonte, eine auch nur annähernde Verarbeitung der tangierten Stoff- und Problemfülle in zwei Stunden sei jetzt genauso unmöglich wie nach Conzes Ausführungen – die Palette der empfohlenen oder erwogenen Teil- bzw. Unterthemen war beträchtlich. Vor allem zeichneten sich dabei schon s­olche Untersuchungen ab, wie sie für die Frühzeit des Arbeitskreises charakteristisch wurden: so speziell zu Staat und Gesellschaft in Preußen seit den Hardenberg’schen Reformen; zur sozialgeschichtlichen Problematik der Nationalstaatsbewegung einschließlich der Beteiligung der gewerblich-­industriellen ­Arbeiterschaft; insbesondere über die auch von daher zu beleuchtenden Arbeiterbildungsvereine wie überhaupt über die Entstehung und Ausdifferenzierung der deutschen Handwerker- und Arbeiterbewegung. Was die von Anfang an für unerlässlich erachtete Ausrichtung auf umfassendere Rahmenthemen anlangt, sollte es an erster Stelle bei dem Schwerpunkt Staat und Gesellschaft bleiben (mit perspektivischer Ausweitung auf außerpreußische Wirtschaftsgeschichte (1961 – 1998), Stuttgart 1989; zu Conzes Mitgliedschaft seinen Briefwechsel mit Lütge, Juni 1961 (KP 1, lf. S. 196 ff.). 54 So Hübinger m. d. W. von Conze noch bei einem Besuch in Heidelberg im Mai 1958 (dazu KP 2, lf. S. 374, Conze an Jantke, 20. 5. 1958). 55 So laut Wiedergabe in der Protokollanlage 1. 56 Die betr. Protokollanlage 2 (mit dem handschriftlichen Vermerk „wird nachgereicht“) ist im AAKMS nicht enthalten, deshalb hier die Formulierung schon im TP Apr. 1957.

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Fallbeispiele wie Österreich, Baden und möglichst auch Sachsen). Sachlich im Grunde schon vorgesehen, aber nunmehr explizit kam überdies zweierlei auf die Agenda der nächsten Zusammenkünfte: eine „Verbindung von empirisch-­ wirtschaftsgeschichtlichen Methodenfragen (Preise, Löhne, Lebenshaltung) mit Diskussion über entsprechende soziologische Kategorien“ sowie – noch sozusagen als Blackbox – ein „Treffen mit englischen (später auch französischen) Kollegen nach gemeinsamer Vorbesprechung über das Programm zwecks vergleichender Betrachtung“. Beabsichtigt war ferner eine Hinzuziehung der beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Köllmann und Fischer, externer Fachleute wie Friedrich Seidel und Wolfgang Zorn, zudem zweier wissenschaftlicher Hilfskräfte. Erwogen wurden auch Einladungen u. a. an Thomas Nipperdey, ein Schüler von Theodor Schieder, und gelegentlich an den Verfassungshistoriker Ernst Rudolf Huber (bekanntlich ein Schüler von Carl Schmitt).57 Hingegen sollte die aus „verschiedenen Gründen“ an sich erwünschte personelle Erweiterung vorerst unterbleiben, weil das „ungezwungene ‚Tischgespräch‘ als besonders ergiebig empfunden“ wurde. Entsprechend locker ging es dann auch wieder zu, als man im April 1958 in Bad Ems zur Fortsetzung des Rahmenthemas Staat und Gesellschaft im Vormärz erneut zusammenkam. Auch wenn dieser Turnus sich sofort einpendelte, war er noch keine beschlossene Sache. Im Gegenteil: Aus der Festlegung auf jeweils nur ein größeres Thema und dessen gründliche Behandlung hatte Ipsen im Dezember noch gefolgert, dass zwei Tagungen pro Jahr nicht ausreichen würden, denn bei dermaßen „langen“ Intervallen hielten „Gesprächsbereitschaft und Bewusstseinspräsenz“ der Mitglieder nicht vor und laufe man Gefahr, „bei Einzelvorstößen zu bleiben“.58 Diese Überlegung hatte Conze bis in die Formulierung übernommen, als er Mitte März bei seinem Antrag auf einen Bundeszuschuss für 1958 sogar schrieb, inzwischen habe sich eine Verdoppelung der Tagungsfrequenz auf jährlich vier als „wünschenswert“ erwiesen, „um die Gemeinschaftsarbeit des Kreises zu intensivieren 57 Dass Huber in Betracht gezogen wurde, ging in der Sache wohl auf Ipsen zurück, der Conze am 28. 9. 1957 brieflich ankündigte, er wolle in Bad Ems „auch die Frage aufwerfen, ob wir uns nicht nach einem Verfassungsjuristen umsehen sollten, damit auch diese Kontaktstelle durch eine Person fest besetzt wäre. Vielleicht lassen Sie sich diese Frage sowohl allgemein als auch ad personam einmal durch den Kopf gehen“ (KP 2, lf. S. 302). Conze hielt das ebenfalls für „sehr wichtig“ und hoffte, sich vor Tagungsbeginn mit Ipsen „darüber noch kurz unterhalten“ zu können (lf. S. 303, Antwortbrief vom 11. 10. 1957). 58 Brief an Conze, 4. 12. 1957(lf. S. 304). – Im Folgenden: Conze-­Anschreiben vom 14. 3. 1958 an Ob.reg.rat Dr. Petersen zum Antrag auf Bundesmittel für Tagungen und für die Geschäftsführung (KP 23a, lf. S. 442). Gedacht war also an zwei zusätzliche Tagungen im September bzw. März, die „auch im Hinblick auf die hierfür vorgesehene verstärkte Beteiligung des wissenschaftlichen Nachwuchses den Charakter einer Vor- und reinen Arbeitstagung erhalten“ sollten (ebd.).

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und die Kontinuität und Bewusstseinspräsenz der Aussprachen aufrechtzuerhalten“. Doch übernahm man diese Einschätzung nicht, sondern blieb bei jährlich zweimal. Allerdings wurde Conze expressis verbis „ermächtigt“, bei Bedarf, d. h. bei „bestimmten Arbeitsproblemen“, zusätzlich einen „kleinen Kreis“ von „in der Regel“ Angehörigen des wissenschaftlichen Nachwuchses zu sog. Sondertagungen oder Besprechungen einzuladen – ein Verfahren, das verschiedentlich und noch Jahrzehnte ­später mit beachtlichem Erfolg praktiziert wurde.59 Nicht zuletzt von daher hielt man sich fast schon im ersten Anlauf auch die Möglichkeit zu personeller Selbsterneuerung offen – was eine habituelle, wenn nicht ritualisierte Abfolge von Diskussionsmeldungen (zuerst der Vorsitzende, jedenfalls die älteren Mitglieder, erst danach die jüngeren bzw. die Gäste) bei freilich voller inhaltlicher Freiheit lange nicht ausschloss. Dass aber grundsätzlich nicht nur „ausgewachsene Professoren“, sondern auch jüngere Leute als Mitglieder erwünscht sein würden, wenngleich nur unter der Voraussetzung der Habilitation, hatte Conze in Briefen an Jantke Ende 1956, also bereits im Vorhinein betont.60 Und als Gäste bekamen promovierte Nachwuchskräfte (Privatdozenten, Assistenten, „Forschungsstipendiaten“ des Arbeitskreises) ohnehin sofort nach der Gründung Zutritt zu den 59 Dazu unten Näheres. – Zitat: TP Apr. 1958, S. 17. 60 Briefe vom 31.10. und 20. 11. 1956 (lf. S. 344 u. 349). – Bezüglich Tagungszutritt für Nachwuchskräfte: u. a. TP Apr. 1958, S. 18 (betr. Beschluss) sowie die frühen VWNe. So wurde z. B. bei einem Ipsen-­Besuch bei Conze in Heidelberg u. a. besprochen, w ­ elche „jüngeren Kollegen“ zur Herbsttagung 1958 eingeladen werden sollten („Fest stehen: Fischer, Zorn, Angermann“). Ipsen dachte auch an – so Conze – „Dr. (ob Professor, weiß ich nicht) ­Gustav Otruba aus Wien“, doch wollte Conze erst Brunners Meinung einholen; dazu KP 2, lf. S. 85 und 86: Brief an Brunner, 26. 8. 1958, und Brunners Zustimmung, 28. 8. 1957 (einverstanden, Otruba seines Wissens „an einem Gymnasium tätig“), sowie lf. S. 608: Otruba an Conze, 9. 10. 1958 (wegen schwerer Erkrankung „bitterer Verzicht“ auf Tagungsteilnahme unumgänglich, aber Bitte, „mir auch in Zukunft Anteilnahme an den Forschungsaufgaben des Arbeitskreises wie Ihres Instituts für Sozialgeschichte der Gegenwart zu gewähren“, denn in Wien stehe er „recht einsam auf der weiten Flur solcher Forschungsziele, methodisch auf mich allein angewiesen – und ohne ermunterndes Echo seitens der Universität“). – Beispiele für externe Tagungsteilnehmer zum damaligen Zeitpunkt: Dr. Erich Angermann (München), PD Dr. Karl Erich Born (Köln), Dr. Dr. Wolfram Fischer (Dortmund), Dr. Wolfgang Köllmann (Wuppertal), Dr. Reinhart Koselleck (Heidelberg), Dr. Friedrich ­Seidel (Köln) sowie Dr. Wolfgang Zorn (München), der z. B. mit Brief vom 31. 3. 1958 „aufrichtig“ für die „ehrenvolle Einladung zur Beteiligung an Ihrem Arbeitskreis“ dankte (KP 3, lf. S. 277). – Dass ein Auftritt im AKMS „sehr verlockend“ sei, „zumal es bei jüngeren Wissenschaftlern als eine große Ehre gilt, vor ­diesem Kreis sprechen zu dürfen“, bestätigte bei seinem Dank für die Einladung zu einem Referat auf der Herbsttagung 1972 z. B. auch Teuteberg (damals noch Wissenschaftlicher Oberrat am Seminar für Sozialwissenschaften, Universität Hamburg): Brief an Conze, 26. 10. 1971 (KP 4, S. 468).

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Tagungen, so zunächst beispielsweise nicht bloß künftige Mitglieder wie Fischer, Köllmann, Koselleck und Zorn. Dass dadurch auch wissenschaftliche Beziehungen ­zwischen ihnen gestiftet werden konnten, hielt etwa Köllmann nach der Frühjahrstagung 1958 dankbar fest; und dass die Präsenz solcher Teilnehmer „vielfach fruchtbar“ gewesen sei, gehörte zu den Eindrücken, die wohl nicht allein Ipsen von derselben Tagung mitnahm.61 Das Fruchtbarste dieser dritten Zusammenkunft bestand freilich in dem Initial­ beschluss für ein Forschungsunternehmen, das ganz gegen den ursprünglichen Zeitplan letztendlich Jahrzehnte erforderte und sich nach der sukzessiven Originalveröffentlichung dann auch in einer kompletten Sonderausgabe niederschlug: das schließlich achtbändige Lexikon mit dem selbst zum Begriff gewordenen Titel Geschichtliche Grundbegriffe. Mag die Begriffsgeschichte ihre Akzeptanz im Arbeitskreis zunächst primär wegen ihrer „sozialgeschichtlichen Hilfestellung“ gefunden haben (Koselleck) – das „fundamentale [Lexikon-]Werk“ (Bracher), eine „fast säkulare Leistung“ (Frühwald), wurde für lange jedenfalls so sehr „sozusagen die ratio des Arbeitskreises“, dass Knut Borchardt zum definitiven Abschluss 1997 meinte, eigentlich müsse man nun aufstehen und auf d ­ ieses Ereignis anstoßen.62 61 Brief von Ipsen an Conze, 24. 4. 1958 (KP 2, lf. S. 305), bzw. Köllmann an Stuke, 26. 5. 1958 (lf. S. 492): „Besonders wertvoll war mir die in Bad Ems zustande gekommene Verbindung mit den Herren Born und Seidel.“ 62 Zitate: Koselleck (1998) in Dipper/Koselleck, Begriffsgeschichte, S. 189 bzw. Karl Dietrich Bracher an Conze, 25. 4. 1978 bzw. Wolfgang Frühwald an Conze, 28. 3. 1983 (KP 6, S. 124 bzw. S. 286) bzw. Knut Borchardt (PMV 24. 10. 1997 [PR 17], S. 4 anlässlich der Fertigstellung auch der Registerbände). – 7 Bde. + Register = Bd. 8 in 2 Teilbdn., Erstauflage der Originalausgabe Stuttgart 1972 – 1997, schließlich auch Sonderausgabe Stuttgart 2004 (zu deren Vorgeschichte u. a. PMV 23. 4. 2004 [PR 23], S. 7 ff.). Folgende Zitate: Gustav Seibt in FAZ, 30. 3. 1993 (hier nach Dunkhase, Conze, S. 153) bzw. Überblick 1957 – 1969, S. 5. – Das ursprünglich bloß einbändig gedachte und auf eine Laufzeit von nur drei Jahren veranschlagte Projekt, das Ipsen gelegentlich reduktionistisch als „Wörterbuch ‚Die politische Welt‘“ bezeichnete (Brief an Conze, 19. 1. 1959, KP 2, lf. S. 314), erhielt seinen „Anstoß“ durch den AKMS, wie Conzes untertreibend im Brief vom 29. 5. 1980 an Oexle formulierte (KP 7, lf. S. 626 f.). Noch in der ersten DFG-­Bewilligung vom Sept. 1960 lief es unter dem Kennwort Deutsches Wörterbuch der politisch-­sozialen Welt im Wandel vom 18. zum 19. Jahrhundert. Schon beim ersten Entwurf waren zwar Sprachwissenschaftler wesentlich mitbeteiligt, doch blieben Konzeptualisierung, Regie und Verantwortung durchgängig beim AKMS. Das entsprach der mehrfachen Empfehlung des Philologen Werner Betz, dass der Kreis die „Leitung des Vorhabens übernehmen und die Sprachwissenschaftler lediglich ‚Hilfsdienste‘ leisten sollten“ (so die Wiedergabe im Protokoll der ersten Planungstagung am 9./10. 4. 1959 in Bad Ems = TP Apr. 1959 [PR 1], S. 32). Natürlich hat das Unternehmen auch einen umfangreichen archivalischen Niederschlag gefunden (außer im AAKMS bzw. Universitätsarchiv Heidelberg auch im Marbacher

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In D ­ imension und genereller Relevanz in der Tat „weitaus an der Spitze“ aller Arbeitskreisprojekte, trug es wohl am meisten zu seinem internationalen Renommee bei und war es „wahrscheinlich das Beste und Originellste“, was die deutsche Geschichtswissenschaft nach dem Krieg hervorgebracht hat (Seibt). Denn praktisch bedeutete es die wesentlich von Conze inspirierte Grundlegung einer neuen Wissen­schaftsmethode durch Reinhart Koselleck und sollte nicht weniger erkennbar machen als die „Auflösung der alten und die Entstehung der modernen Welt […] in der Geschichte ihrer begrifflichen Erfassung“. War diese Tiefendimension ja von Anfang an im Blick gewesen, wies Conze jetzt gezielt hin auf den „immer wieder festzustellenden Bedeutungswandel, die Sinnverschiebung und den Traditionsverlust vorrevolutionärer Begriffe sowie das Aufkommen neuer Begriffe in der modernen Welt seit dem 18. Jahrhundert“.63 Entsprechend schlug er vor, möglichst bald mit begriffs- und wortgeschichtlichen Forschungen zu beginnen. Aus der längeren, aber leider nicht im Detail überlieferten Debatte ergab sich das nicht zuletzt von dem Heidelberger Hermeneutiker Hans-­Georg Gadamer begrüßte und gelegentlich auch dem Münsteraner Philosophen Joachim Ritter mitgeteilte Vorhaben eines – so der erste Arbeitstitel – Historischen Wörterbuchs der sozialen Welt für die Zeitspanne von rd. 1750 bis 1848/50, wozu nach diversen Vorbereitungsgesprächen Koselleck-­NL und anderswo). Nicht bloß deshalb bedürfte es einer gesonderten Darstellung, kann also hier und im Folgenden nur insoweit berücksichtigt werden, als es für das Gesamtbild des AKMS unerlässlich ist. Speziell zur grundlegenden Rolle von Koselleck einschließlich Konzeption wie internationale Resonanz des Unternehmens knapp und treffend Steinmetz, besonders S. 422 ff.; vgl. W. Schieder, Lebenswerk, S. 257 ff., zudem Dipper; Geschichtliche Grundbegriffe (2000) und Dipper/Koselleck (1998); zu K ­ oselleck insgesamt der Aufriss von Ute Daniel, Reinhart Koselleck (1923 – 2006), in: Lutz Raphael (Hg.), Klassiker der Geschichtswissenschaft, Bd. II, München 2006, S. 166 – 194; zu C ­ onzes Auffassung von Begriffsgeschichte u. a. seine fast propädeutischen Ausführungen im Brief an v. Aretin, 7. 7. 1982 (KP 6, lf. S. 6 ff.), zu seiner mehr als sekundären Rolle D ­ unkhase, Conze, bes. Kap. V.3; s. a. unten, Kap. 4.3. – Zum frühen wissenschaftshistorischen Hinter­ grund jetzt Margarita Kranz, Begriffsgeschichte institutionell. Die Senatskommission für Begriffsgeschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1956 – 1966), in: Archiv f. Begriffsgeschichte 53, 2011, S. 153 – 226. 63 So mit den Worten des TP Apr. 1958 (PR 1), S. 16 f. – Zur weiteren Beschlussfassung: TP Okt. 1958 (ebd.), S. 1 ff. – Bei einer mündlichen Unterrichtung durch Conze sei Gadamer von dem Plan „recht angetan“ gewesen. Interesse habe er auch in seiner Funktion als Leiter einer (wiederum in einem „Arbeitszusammenhang“ mit Erich Rothacker stehenden) DFG-„Kommission für Begriffsgeschichte“, wobei er einen Finanzierungsantrag an die DFG gerne unterstützen und sich, soweit möglich, an Sitzungen einer Lexikon-­Arbeitsgruppe in Heidelberg beteiligen wolle (Conze an Ipsen, 4. 11. 1958 u. an Werner Betz,13. 11. 1958). – Betr. Joachim Ritter vgl. u. a. Conzes Brief vom 17. 12. 1963 (Lexikon-­Akten im Heidelberger Universitätsarchiv).

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fürs nächste Mal die Vorlage eines definitiven Plans beabsichtigt war. Auch dann freilich bedurfte es noch einer gesonderten Planungszusammenkunft, so dass bei der vierten Emser Tagung am 22./23. Oktober 1958, der letzten zum Thema Staat und Gesellschaft, der Grundsatzbeschluss vom April nur erst bekräftigt und etwas näher spezifiziert werden konnte. Eine Entscheidung brachte diese Herbsttagung im Übrigen auch hinsichtlich der Festlegung von Rahmenthemen, nachdem schon im April der Wunsch nach baldigem Abschluss der Beschäftigung mit dem Vormärz geäußert worden war, um das Verhältnis von Staat und Gesellschaft auch für das spätere 19. Jahrhundert mit den „sich neu formierenden Wirtschafts- und Machtgruppen“ zu untersuchen.64 An dem von Beutin angeregten Beschluss, zu d ­ iesem Zweck als nächsten Schwerpunkt die 1880er/1890er Jahre speziell „unter dem Stichwort ‚Imperialismus‘“ ins Auge zu fassen, hielt man im Oktober zwar fest. Dies geschah aber mit der Modifikation, die ebenfalls in Aussicht genommene Befassung mit der Epoche der Weltwirtschaftskrise um 1930 noch zu verschieben und sich erst einmal mit der politisch-­sozialen Bedeutung der weltwirtschaftlichen Konjunkturwende seit Mitte der 1890er Jahre zu beschäftigen und im Anschluss daran sogleich der ­Theorie des Imperialismus zuzuwenden.65 Diese Agenda und vor allem die Beendigung des ersten Rahmenthemas ließen denn auch die gerade in den „sozialgeschichtlich noch dürftigen 50er und frühen 60er Jahren“ (Kocka) anstehende Publikationsfrage akut werden, die einen bemerkenswerten Vorlauf hatte. Bereits im Frühsommer 1957 kam der Stuttgarter Verleger Ernst Klett nach Heidelberg, um sich bei der beabsichtigten Öffnung seines bislang auf Schulbücher beschränkten Verlagsprogramms für die moderne sozialhistorische Forschung von Conze beraten zu lassen.66 Da Klett einer sozialgeschichtlichen Publikationsreihe „keineswegs abgeneigt“ war, obwohl er in erster Linie Bücher für eine größere Leserschaft intendierte, zeichnete sich eine eigene Schriftenreihe des Arbeitskreises schon ab, bevor man selbst eine ­solche Eventualität überhaupt besprochen hatte. Mehr noch: Klett wollte sogar auf Druckkosten­zuschüsse verzichten bzw. sich selbst darum kümmern. Entsprechend „erfreut über diese neue Bekanntschaft“, informierte Conze zunächst Jantke und bei der Herbsttagung 1957 dann auch die anderen Mitglieder. Noch ehe die Angelegenheit spruchreif 64 Lt. TP Apr. 1958 (ebd.), S. 13 f. bzw. 17 f. 65 TP Okt. 1958 (ebd.), lf. S. 56 f. (ohne nähere Angaben über die „sehr eingehenden Erörterungen“). – Nachfolgendes Zitat: so Kocka, Conze, S. 602. 66 Dazu und zum Folgenden: Conzes Briefbericht an Jantke, 15. 7. 1957 (KP 2, lf. S. 356 f.), wonach Klett übrigens einen „vorzüglichen und erfreulicherweise sogar gebildeten Eindruck“ machte; Jantkes prinzipiell befürwortende Antwort an Conze, 24. 7. 1957 (lf. S. 358 f.) sowie TP Okt. 1957, S. 3 (nur erst kurze Mitteilung, noch keine Erörterung).

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­ erden konnte, kam ein Vorstoß von Joachim Ritter hinzu. Er nämlich unterw breitete Conze Anfang Dezember 1957 seinen Plan einer fächerübergreifenden Publikationsreihe, in der generell „Untersuchungen zum Problem der modernen Gesellschaft der Öffentlichkeit vorgelegt werden könnten, die sich d­ iesem Pro­blem mit dem Anspruch zuwenden, es in seinen geschichtlichen Zusammenhängen aufzufassen und darzustellen“. In Deutschland, so Ritter, fehle dergleichen, mithin auch die Möglichkeit, die „geschichtlichen, geistesgeschichtlichen und philosophischen Aspekte des gesellschaftlichen Problems gegenüber der Fülle von Veröffentlichungen in der Methode der formalen und systematischen Soziologie wirksam geltend zu machen“.67 Conze, den Ritter deshalb neben sich im Leitungsduo einer solchen Reihe wünschte, antwortete grundsätzlich zwar zustimmend, faktisch aber zumindest hinhaltend, wobei er angab, „an zwei Stellen bereits in ähnlicher Richtung gebunden“ zu sein, nämlich bei einer Reihe des Freiburger Alber-­Verlags und beim Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte.68 Einerseits „nicht erpicht“ auf eine neue Reihe, wollte er andererseits schon im Hinblick auf die anstehende Veröffentlichung von Köllmanns Barmen-­Studie die Option für eine eigene Reihe des Arbeitskreises offenbar nicht verschenken.69 Freilich ließ Ritter sich dadurch nicht entmutigen, sondern fragte vielmehr „in aller Unmittelbarkeit“ nach, ob Conze eine Möglichkeit sehe, bei Zustandekommen der prospektiven Arbeitskreis-­Reihe „gewissermaßen in einer 2. Abteilung“ Raum für philosophische Untersuchungen zu schaffen. Spiele doch die Geschichte der philosophischen Auseinandersetzungen auf internationaler Ebene eine bedeutende Rolle, so dass es „schön [wäre], wenn wir hier in Deutschland Versäumtes nachholen könnten in der Verbindung von Philosophie und Geschichte, die seit Herder und Hegel für die Philosophie in Deutschland so wesentlich gewesen ist“. Als Conze nach einem Treffen mit Ritter Ende März schließlich bei der Frühjahrstagung 1958 Bericht erstattete, stieß der Gedanke auf deutliche Zurückhaltung: In der Diskussion wurde mehrheitlich der 67 Dazu der betr. Briefwechsel zw. Ritter und Conze von Dez. 1957 bis Mai 1958 (lf. S. 623 ff.), hier: Ritter an Conze, 6. 12. 1957 (mit Bezug auf „Arbeiten meiner Schüler, die alle das Problem der modernen Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar zum Gegenstand haben“; darunter Horst Stukes Dissertation über Philosophie der Tat, 1963 dann als Bd. 3 der IW erschienen). 68 So, mit teilweise wörtlicher Wiedergabe der Ritter-­Anfrage, Conze an Jantke, 7. 1. 1958 (lf. S. 368). – Mit der Alber-­Reihe meinte er: Orbis academicus. Geschichte der politischen Ideen in Dokumenten und Darstellungen, hg. von Fritz Wagner im Verein mit Werner Conze und Joseph Höffner; dort erschien dann auch: Carl Jantke und Dietrich Hilger, Die Eigentumslosen. Der deutsche Pauperismus u. die Emanzipationskrise in Darstellungen und Deutungen der zeitgenössischen Literatur (1965). 69 Brief an Jantke, 23. 1. 1958 (lf. S. 320). – Betr. Ritters Nachhaken: Brief an Conze vom 24. 1. 1958 (lf. S. 624).

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Wunsch geäußert, von einer eigenen oder in Verbindung mit anderen herausgegebenen Publikationsreihe abzusehen: zumindest solange, wie seitens der Mitglieder selber keine „für das Anliegen des ‚Emser Kreises‘ repräsentativen Schwerpunktarbeiten“ vorlägen.70 Eine Grundsatzentscheidung wurde freilich vertagt, insofern also tatsächlich noch „nichts entschieden und beschlossen“, wie Conze mit Bedauern an Ritter schrieb, wobei er hinzufügte, dass sich seines Erachtens in absehbarer, aber nicht genau bestimmbarer Zeit „doch etwas Derartiges ergeben“ könne.71 Allerdings verstand man sich trotz des zunehmenden Publikationsdrucks auch im Oktober 1958 nur zu einer weiteren Vertagung. Selbst die Frühjahrstagung 1959 offenbarte noch „starke Vorbehalte vor allem gegen die Publikation von Dissertationen und überhaupt gegen eine [eigene] Reihe“, nun indessen eher pragmatisch „wegen des damit verbundenen Zwangs der Nummernfolge“ und auf Vorschlag von Ipsen immerhin mit dem Auftrag an Conze, in Sachen Arbeitskreisschriften Verhandlungen mit einem Verlag aufzunehmen („evtl. [!] mit dem Klett-­Verlag“). Zog sich dieser Teil der Etablierung also etwas länger hin, fand die Gründungsphase i. e. S. mit der Herbsttagung 1858 insofern ihren Abschluss, als nun die erste und vorläufig einzige Erweiterung des Mitgliederbestands vorgenommen wurde. Im Spiel war dabei nicht zuletzt die Aussicht auf einen festen Etat, woraus sich nach Conzes Auffassung „dann selbstverständlich auch ein Mindestmaß an notwendiger ‚Verfassung‘ ergeben“ müsse, so dass „es gut [wäre], wenn der Kreis unserer Mitglieder [zuvor] festgelegt wäre“.72 Hinzu kamen jetzt also die „der historischen Sicht nahestehenden“ Nationalökonomen Andreas Predöhl (Münster) und Harald Jürgensen (Münster bzw. Saarbrücken), obwohl Predöhl nach eigener Einschätzung „in keiner Weise Historiker“ war und Jürgensen der „eigentlichen Geschichtswissenschaft […] noch ferner als ich“ stand; zudem Hans Raupach (Wilhelmshaven) „als Nationalökonom in Verbindung mit Soziologie und Geschichte mit besonders 70 TP Apr. 1958 (PR 1), S. 17, mit dem Zusatz, dass stattdessen fallweise Druckkostenzuschüsse gegeben werden sollten, und zwar mit der Auflage, jeweils im Impressum deutlich auf die „Hilfe des Arbeitskreises“ hinzuweisen; im Protokoll als zur Zeit vorliegend genannt: außer Köllmanns Barmen-­TPS auch Teutebergs Mitbestimmungsstudie. – Das Gespräch ­zwischen Conze und Ritter „über die Herausgabe einer Schriftenreihe zur ­Theorie und Geschichte der modernen Gesellschaft“ fand am 27. 3. 1958 in Münster statt (laut Conzes Vorausanweisung an die Universitätskasse Heidelberg vom 22.3. 1958; dazu auch seine Reise­kostenabrechnung vom 8. 4. 1958 u. den AKMS-VWN zum Bundeszuschuss 1957/58). 71 Brief an Ritter, 20. 5. 1958, mit dem Wunsch., in dieser Sache in Verbindung zu bleiben (lf. S. 625). – Zur weiteren Vertagung den lapidaren Vermerk im TP Okt. 1958, S. 56; betr. Auftrag an Conze im Frühjahr 1959: TP Apr. 1959, S. 29. – Der Verlag war bei der Tagung durch einen Herrn Thiele vertreten; dazu Conzes Einladung an Thiele, 14. 10. 1958, Thieles Dank an Conze, 15. 10. 1958. 72 So Conze in seiner Zuwahlmitteilung an Krüger, 2. 1. 1959 (KP 2, lf. S. 537).

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guter Kenntnis der russischen Fragen“; überdies der Historiker Erich Maschke (Heidelberg), der „aufbauend auf seinen Arbeiten über das mittelalterliche Europa zunehmend intensiv an sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragen des 19. Jahrhunderts arbeitet“; ferner der durch Brunner schon vorinformierte Herbert Krüger (Hamburg) als „für den Arbeitskreiskreis unentbehrlicher“ Staatsrechtler.73 Damit war die Gründergarnitur komplettiert, wobei sie mehrheitlich auch „ähnlichen oder vergleichbaren anderen Institutionen“ angehörte.74 Abgesehen von Predöhl als Ältestem (geb. 1893) und Jürgensen als Jüngstem (geb. 1924) lagen die Geburtsjahrgänge der 14 Mitglieder ­zwischen 1898 (Brunner) und 1912 (Nürnberger), betrug das Durchschnittsalter also 53 Jahre. Ganz überwiegend hatten sie ihre wissenschaftliche Laufbahn bereits vor 1945 begonnen und unbeschadet aller Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen im Wesentlichen eins gemeinsam: eine starke Prägung durch die Zeit ­zwischen den beiden Weltkriegen. In ­diesem Sinne also waren sie, wie Conze ­später selbst festgestellt hat, „Angehörige einer Zwischengeneration“, also fachlich-­methodologisch in seinen Augen einerseits „Aufnehmende gegenüber neuen internationalen Forschungstendenzen“, andererseits „Erben einer nur schwach weiterentwickelten Tradition historisch gerichteter Sozialwissenschaften oder soziologisch angereicherten Geschichtswissenschaft in Deutschland“.75 Jedenfalls waren einige von ihnen gleichermaßen in historischer Soziologie wie in empirischer Sozialforschung versiert. Diese „Doppelqualifikation“ war für die Programmentwicklung des Arbeitskreises in der Tat wohl ebenso entscheidend wie der Umstand, dass sie sich eben schon aus ‚Königsberger Zeiten‘ kannten und unter dem NS-Regime – gewollt oder bloß im Effekt – als „wissenschaftliche Politikberater die Brisanz der politischen Relevanz und Anwendbarkeit historisch-­empirisch fundierten sozialwissenschaftlichen Expertenwissens erfahren hatten“ (Klingemann). 73 TP Okt. 1958, S. 57 (zit. Begründungen in den PFen), danach auch die folgenden Angaben u. Formulierungen, soweit nichts anderes angegeben; dazu u. a. Predöhl an Conze, 18. 2. 1959 (KP 3, lf. S. 38 f.) u. 9. 2. 1965 (KP 4, lf. S. 384 f.), Brunner an Conze, 13. 11. 1958 (KP 2, lf. S. 88), Conze an Krüger, 2. 1. 1959 (lf. S. 537), Ipsen an Jürgensen, 23. 2. 1959 (lf. S. 436). 74 So (mit Blick vor allem auf die Dortmunder Sozialforschungsstelle und auf die 1961 gegründete Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und dem Verein für Socialpolitik) schließlich der explizite Hinweis bei der Mitgliederliste im Vorläufigen Wirtschaftsplan 1962, 8. 4. 1961, S. 11 (lf. S. 255, Jantke dort als Soziologe und Historiker aufgeführt, Raupach und Weippert jeweils als Soziologe und Nationalökonom); s. auch Finanzierungsantrag ans BMI für 1963, 1. 2. 1963, S. 2 (lf. S. 179, dort explizit auch genannt: Historische Kommission beim Friedrich-­Meinecke-­Institut der FU Berlin, Sozialgeschichtliche Abteilung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften). 75 Gründung, S. 23 (dort speziell mit Bezug auf Jantke und sich selbst) bzw. 32; dazu Etzemüller, Etablierung, S. 13 und 35 sowie Raphael, Einleitung, S. 8. – Nachfolgendes Klingemann-­ Zitat: Verschmelzung, S. 53.

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Nur zum Teil jedoch dürfte sich von daher erklären, warum ­diesem betont interdisziplinären Zusammenschluss aus anfangs sieben Historikern, zumal Sozial- und Wirtschaftshistorikern, drei Sozialwissenschaftlern/Soziologen, drei Nationalökonomen und einem Juristen keineswegs alle Spezialisten der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte angehörten. Dass etwa Wilhelm Abel, Hermann Aubin, Clemens Bauer, Heinrich Bechtel, Günther Franz, Hermann Kellenbenz, Friedrich Lütge u. a. m. nicht dabei waren,76 lag zumindest auch an dem Bestreben, den Kreis arbeitsfähig zu halten und deshalb quantitativ zu begrenzen. Dies betraf jüngere Wissenschaftler wie den zu dieser Zeit erst aufsteigenden Herzfeld-­Schüler Gerhard A. Ritter, dessen Bedeutung auch als Ziehvater nachmals herausragender Nachwuchskräfte wie Kocka und Tenfelde noch nicht im Blick sein konnte. Zudem gab es trivial-­ praktische Gründe. Beispielsweise sah man von dem „selbstverständlich“ auch im Oktober 1958 wieder in Betracht gezogenen Wirtschaftshistoriker Friedrich Lütge trotz des erklärtermaßen „engen“ Kontakts erneut ab, weil er offenkundig zu wenig Zeit für regelmäßige Mitarbeit zu erübrigen vermochte. Zur Geltung kam damit ein transpersonales Auswahlkriterium, das seitdem immer wieder angewendet, wenn auch nicht immer gleichermaßen in Rechnung gestellt wurde: Bereitschaft eben zu „wirklich aktiver Teilnahme“. Schon weil die Erweiterung expressis verbis an diese Voraussetzung gebunden wurde, ohne alle Anwärter bereits darauf geprüft zu haben, konnte die Kooptation logischerweise nur erst per „Wunsch“ von Erstmitgliedern erfolgen. Erst recht gab es noch kein formalisiertes Abstimmungsverfahren und schon gar keine separaten Mitgliederversammlungen,77 so dass diesmal und vorläufig noch als neues Mitglied figurierte, wer konsensual „vorgeschlagen“ und entsprechend im Tagungsprotokoll aufgeführt war.78 Prozedural gesehen, wurden die so Hinzukommenden also post hoc gebeten, „sich dem 76 Festgehalten hat dies schon Rainer Lepsius in seiner internen, Fragment gebliebenen Übersicht über Die Mitglieder des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, hier Abschn. 1: Die Gründungsmitglieder von 1957 und die Kooptation von 1958 (AAKMS). – In Betracht gekommen wären möglicherweise z. B. Rudolf Stadelmann und Hans Proesler, die aber schon 1949 bzw. 1956 verstorben waren. Und spontan gedacht werden könnte etwa auch an den stark von Rosenberg beeinflussten Gerhard A. Ritter (1929 – 2015. Zu seiner Bedeutung für die bundesrepublikanische Sozialhistorie u. a. Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 13 – 15, dort auch zu Abel, Lütge und Stadelmann), der mit seiner Dissertation über die Arbeiterbewegung im Wilhelminischen Reich (1952) aber erst 1958 an die wiss. Öffentlichkeit trat, sich 1961 habilitierte und 1962 eine Professur für Politikwissenschaft an der FU Berlin erhielt, 1965 bzw. 1974 ff. für Neue/Neueste Geschichte in Münster bzw. München. 77 So dienten z. B. bei der 2. Tagung im Okt. 1957 die Vormittagssitzung am 23.10. und ein Teil der Nachmittagssitzung am 24.10. als informelle MV. 78 So im TP Okt. 1958, lf. S. 57. Die derart Bezeichneten begrüßte Conze zu Beginn der nächsten Tagung denn auch als „neue Mitglieder“ (TP Apr. 1959, S. 1).

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Arbeitskreis anzuschließen und an unseren Aussprachen teilzunehmen“.79 Mithin mussten sie zumindest teilweise überhaupt erst noch befragt bzw. gewonnen werden, beispielsweise Predöhl und Jürgensen vom Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster. Wie stegreifartig und andererseits doch auch bedacht dabei vorgegangen werden konnte, zeigt sich jedenfalls am Fall Predöhl: Ihn wie auch Jürgensen wollte Conze auf der Durchreise in Münster aufsuchen. Als er Jürgensen aber nicht im Telefonbuch fand und Predöhl nicht antraf, bat er Ipsen zunächst um ein Gespräch mit Predöhl, „weil sich mündlich das alles leichter klären lässt und auch eine Absage schwerer fällt“.80 Diese Rechnung ging auf, denn wenig ­später konnte Ipsen nicht nur Predöhls Zusage melden, sondern auch bestätigen, die Unterredung selbst habe bewiesen, dass ein bloß schriftlicher Vorstoß „schief gegangen wäre“. Überdies ließ Ipsen wissen, er habe Predöhl durch Verdeutlichung des engen und vielfältigen Zusammenhangs z­ wischen seinen eigenen wissenschaftlichen Präferenzen und denen des Arbeitskreises gewinnen können. Auch wenn er sich damit z­ wischen den Zeilen selbst ein Geschicklichkeitszeugnis ausstellte, benannte er doch zugleich ein permanentes Grunderfordernis nicht allein für die Akquisition neuer Mitglieder, sondern generell für eine erfolgversprechende Tätigkeit des Arbeitskreises: weitgehende Kongruenz von Gruppen- und Individualinteresse samt konkreter Erweiterung des je persönlichen Spielraums für wissenschaftliche Betätigung, wenn nicht Karriere. Solche Vorteile vermochte der Arbeitskreis, dessen Tätigkeit sich nach Mitteilung von Conze an Hübinger „gut“ entwickelte,81 selbst in ­diesem Frühstadium bis zu einem gewissen Grade schon zu bieten. Von Anfang an und in einigen Fällen über längere Zeit wurden die vom BMI gewährten Mittel größtenteils für Projektförderung verwendet. Maßgebender Grundsatz: stets „nicht ‚Zufälliges‘ [zu] unterstützen“, sondern dass „möglichst weitgehend die geförderten Arbeiten unmittelbar von uns oder aus unseren Diskussionen stammen sollten, auf jeden Fall in einem möglichst engen Zusammenhang mit den uns primär wichtig erscheinenden Fragen stehen sollten“ (so Conze explizit 1961).82 Gedacht war dabei sowohl an B ­ eiträge 79 So Conze in der bereits angeführten Zuwahlmitteilung an Krüger, 2. 1. 1959; vgl. Krügers Dankschreiben, 6. 1. 1959 (bei einem zufälligen Zusammentreffen im Zug schon im Oktober 1958 „von Herrn Brunner gründlich über Ihren Arbeitskreis unterrichtet“). 80 Brief an Ipsen, 4. 11. 1958 (KP 2, lf. S. 311 f.). – Ipsens Antwort, 19. 1. 1959 (lf. S. 314), wobei er konkret an die Beziehung z­ wischen dem neuen Arbeitskreisthema Imperialismus u. Predöhls „Anliegen der Neubearbeitung seiner Außen-­Wirtschaft“ dachte u. im Übrigen hinzufügte, er schreibe mit gleicher Post an Jürgensen, sei „aber nunmehr ziemlich sicher, dass auch er annehmen wird“ (was dann auch geschah). 81 Brief vom 23. 1. 1958 (lf. S. 452). 82 Anschreiben vom 14. 9. 1961 zu Einladung/Programm der Herbsttagung 1961 (PR 1, bei den Tagungsunterlagen) bzw. Brief an Raupach, 16. 10. 1961 (KP 1, lf. S. 76). – Im F ­ olgenden nur

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von Mitgliedern zu Schwerpunktthemen des Kreises als auch an mehr oder minder selbständige Unternehmungen in seinem unmittelbaren Interessenbereich. Das galt für [1] Forschungsaufträge auf Stipendienbasis bzw. [2] anlaufende oder bereits im Gange befindliche Dissertationen bis Habilitationen von Schüler/inne/n und [3] Zuarbeiten wissenschaftlicher Hilfskräfte, d. h. nicht nur fortgeschrittener Studenten, sondern teilweise auch schon promovierten Nachwuchspersonals. Zu dieser dritten Art gehörten Quellen- wie Literaturrecherchen und -auswertungen zu bestimmten, „im Rahmen des Arbeitskreises“ untersuchten Themenkomplexen, in den Anfangsjahren etwa zu Treues Forschungen über Beziehungen der Technischen Hochschulen zu den Universitäten im 19. Jahrhundert.83 Zu nennen ist auch die von Beutin in Gang gesetzte Bestandsaufnahme von Zeitschriftenmaterial zur Einstellung der Öffentlichkeit zu Wirtschaft, Unternehmertum und sozialer Frage in Deutschland im Spiegel der Pressestimmen [1790 – 1848].84 Die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme sollten in dem geplanten Sammelwerk über das vormärzliche Verhältnis von Staat und Gesellschaft „eingehende Berücksichtigung finden“, und zwar explizit in Verbindung mit den von Conze zu d ­ iesem Themenspektrum in Auftrag gegebenen Ermittlungen zum Pauperismus-­Problem und zur Verfassungsfrage im Vormärz.85 Dem Arbeitsgebiet Staat und Gesellschaft im Vormärz verpflichtet war auch die Tätigkeit der Conze-­Hilfskraft Dr. Annette Kuhn (Heidelberg), der die Erfassung, bibliografische Zusammenstellung und schlagwortartige Erschließung von Quellenmaterial zur „Wandlung des romantisch-­konservativen Denkens in Bezug auf Staat, Politik, Gesellschaft und Sozialfragen im Vormärz“ oblag.86 Der Bezugsperspektive Staat und Gesellschaft galt last, not least auch die

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einige Beispiele für bereits Ende der 50er Jahre durchgeführte oder begonnene Arbeiten; betreffende Angaben u. Zitate hier ohne Einzelnachweise, aber nach den z. T. detaillierten Unterlagen (Anträgen, Bewilligungsbescheiden, Verwendungsnachweisen u. Wirtschaftsplänen sowie Korrespondenzen u. Tagungsprot.); vgl. auch Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 260 f. Finanzierung einer wiss. Hilfskraft (Frau Dr. Horn, Hannover) in den Rechnungsjahren 1957/58. Finanzierung einer wiss. Hilfskraft (Dipl.-Volkswirt Hans-­Joachim Hamann, Köln) in den Rechnungsjahren 1958 u. 1959; lt. VWN 1959 vom 26. 6. 1960 nicht nur Anfertigung einer Zeitschriftenbibliografie 1750 – 1850 („über 500 Titel“), sondern auch einer „Bibliographie der Enzyklopädien, Lexika und Wörterbücher (ebenfalls über 500 Titel)“. So Conze im VWN zur Bewilligung Hamann vom 22. 8. 1958; gemeint waren „bibliographische Hilfsarbeiten“ von Dr. Frolinde Balser (Pauperismus-­Problem) bzw. cand. phil. Wolfgang Schieder (Verfassungsfrage im Vormärz); dazu auch seine Mitteilung bei der Frühjahrstagung 1959 (TP Apr. 1959, S. 28, lf. Nr. 1d). VWN vom 26. 5. 1960: Kuhn vom 15. 9. 1959 bis 31. 3. 1960 mit diesen Hilfsarbeiten „in Ergänzung zu den bisherigen Untersuchungen des Arbeitskreises über das Verhältnis von

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Tätigkeit von Hilfskräften für Theodor Schieders Beitrag zum Vormärz-­Band, fokussiert auf die „Spannung z­ wischen dem einzelstaatlichen und dem gesamtdeutschen Nationalbewusstsein“.87 Die zweite Förderungsart kam besonders drei Unternehmungen zugute: zum ­Ersten der Arbeit des Jantke-­Doktoranden Hans-­Georg Meyer (Hamburg) über die Stellungnahme der Freien Gewerkschaften zum Gesamtbereich der unternehmerischen Arbeits- und Sozialpolitik für die Zeit von 1919 bis 1939, also einer Studie ausdrücklich jenseits der „im Augenblick vorgenommenen Thematik“ Staat und Gesellschaft im Vormärz;88 zum Zweiten und durchaus innerhalb dieser Thematik: der Untersuchung des Beutin-­Assistenten Friedrich Seidel (Köln) über Ursprung und Elemente der sozialen Frage im technisch-­industriellen Zeitalter;89 zum Dritten der Vorbereitung einer Dissertation der Conze-­Hilfskraft Wolfgang Schieder (Heidelberg) zum Forschungsthema ‚Geschichte des deutschen Frühsozialismus‘, d. h. zunächst insbesondere zur Bedeutung der deutschen Handwerkerassoziationen in Frankreich im Vormärz für die Vermittlung französischen frühsozialistischen Gedankenguts nach Deutschland.90

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Bei der erstgenannten Förderungsart schließlich, also bei den „Forschungs­ stipendien“ des Arbeitskreises ging es vorwiegend um direkte Qualifikationsarbeiten für eine Universitätslaufbahn. Das galt anfänglich vor allem für mittlere bis größere Forschungsprojekte der späteren Mitglieder Wolfgang Köllmann, ­Wolfram Fischer und Reinhart Koselleck, die bereits promoviert und nun auf dem Weg zur Habilitation waren.91 So erhielt Köllmann (Wuppertal) auf Betreiben seines „alten Lehrers“ Conze ­zwischen einem von der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien finanzierten Dreijahresstipendium zur Abfassung einer Harkort-­Biografie und in Betracht gezogener „Luftveränderung“ durch Wechsel zu Jantke erst einmal ein sechsmonatiges Stipendium des Arbeitskreises. Es ermöglichte die Überarbeitung seiner noch unveröffentlichten Sozialgeschichte der Stadt Barmen im 19. Jahrhundert, deren Dissertationsfassung schon 1950 in Göttingen entstanden war. Erweitert und für den Druck ausgefertigt, sollte sie über den unmittelbaren Gegenstand hinaus „ein Beitrag zur allgemeinen deutschen Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts“ sein und dabei „in methodischer Hinsicht Modellcharakter haben“.92 Mindestens ebenso ambitioniert war ein auf jedenfalls drei Jahre berechnetes Forschungsvorhaben, das ein mehrköpfiges Team unter der Leitung von Wolfram Fischer (Dortmund) im Rahmen und fast ganz auf Kosten des Arbeitskreises ab April 1958 bei Ipsen in der Dortmunder Sozialforschungsstelle durchführen sollte: Die Entstehung der Großindustrie im Ruhrgebiet [in den 1840er–1870er Jahren]. Nach 91 Auf der Herbsttagung 1961 war man sich dann zwar einig über die Notwendigkeit der Habilitandenförderung, aber zugleich der Auffassung, dass der AKMS dabei „prinzipiell nur ­solche Arbeiten [finanziell] unterstützen sollte, die unmittelbar von ihm angeregt oder unter seiner verantwortlichen Leitung durchgeführt würden“ (TP Okt. 1961, S. 45). 92 So Conze in seinem Förderungsantrag ans BMI, 12. 8. 1957 (KP 2, lf. S. 474); dazu zahlreiche Unterlagen in KP 2, so u. a. Conze an Jantke, 26. 3. 1957 (wo Conze sich selbst als Köllmanns „alten Lehrer“ bezeichnete u. „Luftveränderung“ für Köllmann durch eine von Jantke erwogene Übernahme an den neuen Lehrstuhl in Hamburg für gut hielt); Conze an Ob.reg.rat Dr. Petersen, 9. 9. 1957, mit Dank für die Bewilligung vom 29. 8. 1957: f. d. Z. 1.10.57 – 31.3.58 Mittel für „Forschungsstipendium“ und für „Nebenkosten (Archivreisen und Schreibarbeiten“); Conze an Ipsen, 21.9.57: Stipendium inzwischen bewilligt, so dass „wir im nächsten Frühjahr sowohl mit dem Harkort [d. h. mit der als Habil.schr. gedachten Harkort-­Biografie] wie mit dem Barmenbuch rechnen“ könnten); Conzes Mitteilungen bei der Herbsttagung 1957 (TP, S. 1 f.), Frühjahrstagung 1958 (TP, S. 15) u. Frühjahrstagung 1960 (TP, S. 65: soeben erschienen, Freiexemplare an alle Mitglieder). – Zu Köllmanns Leben und Wirken die Würdigung von Dietz/Reulecke/Stohlmann, bes. S. VI f. zu seinem Barmen-­Buch (zunächst unter dem Titel Entwicklung der Stadt Barmen von 1808 – 1870, als phil. Diss. bei Conze noch in Göttingen, Druckfassung [mit Conze-­Vorwort] 1960 bei Mohr/Siebeck in Tübingen 1960 in der von der Dortmunder Sozialforschungsstelle, d. h. von Ipsen herausgegebenen Reihe Soziale Forschung und Praxis, Bd. 21).

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Einschätzung der Mentoren Conze, Ipsen und Jantke war dies ein „zentral wichtiges Thema aus dem Aufgabenbereich des ‚Emser Kreises‘“, zu behandeln „sowohl wirtschaftsgeschichtlich wie sozialgeschichtlich (Unternehmerherkunft, Arbeiterschaft) wie unter dem Aspekt der politischen Geschichte (preußischer Staat) wie unter der Fragestellung der Verfassungsänderung des Bergbaus (vom Direktionsprinzip zur Liberalisierung)“; kurzum, „genau das, was unser Arbeitskreis sich vorgenommen hat“, zumal es nicht ein separater Forschungsauftrag, sondern von ständigen Erörterungen im Arbeitskreis begleitet sein sollte.93 Dass ausgerechnet ein so erwartungsbefrachtetes Projekt nach zwei mühsamen Jahren aufgegeben werden musste, lag keineswegs etwa an Geldmangel. Vielmehr ließ sich trotz vielfacher Bemühungen die erforderliche Anzahl qualifizierter Mitarbeiter schlechterdings nicht auftreiben (für Hübinger übrigens „sehr bedenklich nach der grundsätzlichen Seite hin“).94 So blieb es denn bei einschlägigen Spezialstudien von Fischer, darunter ein 1961 veröffentlichtes Typoskript über Wirtschafts- und sozialpolitische Auffassungen in der preußischen Berggesetzgebung 1851 – 65. Auch dieser Text war freilich nicht bloß als Teiluntersuchung gedacht, sondern als sehr viel mehr: 93 So Conze schon am 21. 8. 1957 in einer Art Sondierungsantrag ans BMI (KP 2, lf. S. 472) auf Finanzierung des geplanten Unternehmens mit Dr. Dr. Wolfram Fischer (bisher Karlsruhe), zwei „Forschungsassistenten“, einer Schreibkraft u. einem „befristet vorübergehend beschäftigten Rechner und Zeichner“ (veranschlagter Bedarf im ersten Jahr: DM 30.680 inkl. Sachmitteln); dazu u. a. die Mitteilung von Min.rat Hagelberg/BMI vom 2. 10. 1957 (lf. S. 467), die gewünschte Finanzierung könne aus haushaltsrechtlichen Gründen zunächst nur bis Ende des Rechnungsjahrs 1957 [31. 3. 1958] zugesagt werden, sei aber für 1958 [1. 4. 1957 – 31. 8. 1958] praktisch „gesichert“, während sich hinsichtlich der Abschlussarbeiten im Rechnungsjahr 1959 [1. 4. 1959 – 31. 3. 1960] „im jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen“ lasse; s. auch Conzes Informationen bei der Herbsttagung 1957 (TP Okt. 1957, S. 2) und bei der Frühjahrstagung 1958 (TP Apr. 1958, S. 15, lf. Nr. 1); im Übrigen die einschlägigen Unterlagen in den Fischer-­Akten (Berlin). 94 Deshalb beliefen sich die Kosten für den AKMS (abgesehen von geringen Eigenaufwendungen der Sozialforschungsstelle) im Rechnungsjahr 1958 auf nicht einmal ein Drittel des Soll-­Betrags, ebenso 1959 (und dies sogar inkl. Zuschuss zu Teutebergs Mitbestimmungsstudie); dazu u. a. VWN vom 26. 6. 1960, S. 8 f., Punkt 7a (mit Detailangaben auch zu Fischers „Teilgebiet“ und zu seiner Zusammenstellung von Material, das „für eine eventuelle Wiederaufnahme des Gesamtvorhabens von grundsätzlicher Wichtigkeit“ sei; „begründete Aussicht“ auf Fortsetzung „höchstwahrscheinlich schon 1961“); zum Abbruch des Projekts auch die betreffenden Überlegungen bzw. Entschlüsse bei der Herbsttagung 1959 (TP Okt. 1959, S. 50 f.), Conzes Mitteilung an Fischer, 8. 11. 1959 (Fischer-­Akten Berlin, wonach Ipsen „neben Herrn Prof. Jantke seit Jahren der eigentliche Anreger der Thematik“ war) sowie Hübinger an Conze, 17. 12. 1959 (Abbruchgründe gewiss „zwingend, legen aber die verfängliche Frage nahe, ob wir bereits so weit sind, dass zwar Mittel, jedoch keine qualifizierten Bearbeiter für derartige [sozialhistorische] Themata zur Verfügung stehen […]“).

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als exemplarische I­ nformation über das „für die Herausbildung der industriellen Gesellschaft konstitutiv“ gewordene „Phänomen des wirtschaftlichen und sozialen Wandels“ und zugleich als ein Beitrag zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Ruhrgebiets mit „Hinweisen für eine Soziologie und Ökonomie der industriellen Gesellschaft“.95 Indirekt firmierte die Arbeit also gewissermaßen als pars pro toto des Gesamtunternehmens, dessen Verlauf streckenweise allerdings noch durch etwas anderes beeinträchtigt war: Wurde Projektleiter Fischer zwischendurch doch für sechs Monate freigestellt, um auf der Basis eines Arbeitskreisstipendiums eine frühere, zur Habilitation in Heidelberg bestimmte Abhandlung über Die Anfänge der Industrie in Baden von 1800 bis 1850 vollenden zu können.96 Thematisch völlig anders ausgerichtet, aber nicht minder anspruchsvoll war schließlich das ebenfalls auf Habilitation angelegte Forschungsprogramm von Reinhart Koselleck (Heidelberg) unter dem eher tiefstapelnden Arbeitstitel Die preußische Verwaltung im Vormärz.97 Die anfängliche Unterstützung durch sog. Beihilfen zu 95 So im VWN 1959, S. 8; vgl. u. a. Überblick 1957 – 1969, S. 4 f. 96 Dazu u. a. Ipsen an Conze, 18. 7. 1958 (KP 2, lf. S. 306 f.: Verlauf des Großprojekts Ruhrindustrie „stockender als erwünscht“; dafür zwar mehrere Gründe, aber seines Erachtens sogar „eigentliches Hemmnis“: Fischers noch ca. sechsmonatiges Arbeitspensum zur Fertig­ stellung seiner Habil.schr.); Conze-­Antrag vom 13. 8. 1958 an Min.rat Geeb/BMI auf eine „Zuwendung“ zwecks Abschluss dieser – noch während Fischers Assistentenzeit an der TH Karlsruhe begonnenen – Untersuchung, die eigentlich bis zum Beginn der Ruhrprojekts habe beendet sein sollen, wegen nachträglich aufgefundener Quellen aber doch noch nicht fertig sei; Bewilligungsbescheid des BMI, 26. 8. 1957: vom 1. 10. 1958 bis 31. 3. 1959 „Forschungsstipendium und Sachbeihilfe für Dr. Dr. Fischer; im Rahmen des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte“; Conze-­Mitteilungen bei Herbsttagung 1958 (TP Okt. 1958, S. 54, lf. Nr. 2) und Frühjahrstagung 1959 (TP Apr. 1959, S. 28, lf. Nr. 1b); VWN vom Mai 1959 (mit Tätigkeitsbericht): die als druckfertiges TPS am 7. 4. 1959 „ordnungsgemäß“ abgelieferte Arbeit werde „in Kürze“ als Habil.schr. vorgelegt. – Zur Druckfassung unter dem Titel Der Staat und die Anfänge der Industrialisierung in Baden 1800 bis 1850, Bd. 1: Die Staatliche Gewerbepolitik, Berlin 1962, vgl. Wolfram Fischer, Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Göttingen 1972, Einleitung; dort S. 139 ff., 148 ff. u. 161 ff. auch seine Aufsätze/Vorträge zur Bergrechtsreform. 97 So die wiederholte Themaangabe zu den „1957/58 begonnenen [Koselleck-]Untersuchungen“; dazu schon Conzes Anschreiben zum Protokollversand, 21. 11. 1957: „[…] Ich habe Herrn Dr. Koselleck (Heidelberg) für die vorbereitende Archivarbeit zum Thema ‚Preußen 1815 – 1848‘ gewonnen. Er wird auf der Apriltagung [1958] darüber berichten“ (KP 19, S. 94); außerdem u. a. die betreffenden Informationen in: TP Okt. 1958, S. 54, VWN zum Bundeszuschuss vom 21. 5. 1958; TP Apr. 1959, S. 28, TP Apr. 1960, S. 66 (im WPl. 1960 angesetzt: ab 1. 10. 1960 „Forschungsauftrag: ‚Untersuchung der preußischen Verwaltung des Vormärz im Spannungsfeld z­ wischen Staat und Gesellschaft‘“), TP Okt. 1960, S. 27 („wird Mitte 1962 vorliegen“) und 29, TP Apr. 1961, S. 25 (Koselleck werde die Untersuchung Ende Juli 1962 beenden), TP Okt. 1961, S. 47 (Forschungsauftrag noch bis Ende

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Archivreisen in Deutschland und nach Polen 1958 – 60 diente zunächst der Vorlage eines Teil­ergebnisses in Form von Kosellecks Beitrag zum Vormärz-­Band des Arbeitskreises. Ab Herbst 1960 erweiterte sie sich dann aber zu einem übergreifenden Forschungsauftrag auf der Grundlage eines entsprechenden Stipendiums, wobei die davon erwartete Studie bereits fest für die kommende Schriftenreihe vorgesehen wurde. Eine gewisse Sonderstellung schon unter den ersten Projekten im Rahmen des Arbeitskreises nahmen die von Conze initiierten und dirigierten Untersuchungen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung ein.98 Dieses Forschungsfeld, das Conze dann verschiedentlich auch selbst bestückte, brachte ihn übrigens 1961 erneut in Kontakt zu Georg Eckert mit seinem soeben beginnenden Archiv für Sozialgeschichte.99 Und als die Historische Kommission beim Friedrich-­ Meinecke-­Institut der Freien Universität Berlin Ende 1960 dem BMI einen Plan zur Gründung einer Abteilung für Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung unterbreitete, erwartete das Ministerium erhebliche Überschneidungen mit der Tätigkeit des Arbeitskreises, bat Conze also um eine Stellungnahme.100 Immerhin Juli 1962) und S. 48 (für das von Brunner und Conze geleitete „Forschungsvorhaben ‚Vorbereitung eines Deutschen Wörterbuches der politisch-­sozialen Welt im Wandel vom 18. zum 19. Jahrhundert (1750 – 1859)‘“: Koselelck ab 1. 8. 1962 „auch als hauptamtlicher Mitarbeiter bzw. Redaktor zur Verfügung“ und im WPl. 1962 vorgesehen); überdies die VWNe 21. 5. 1958, 26. 5. 1960 (Koselleck werde ein Teilergebnis seiner Archivstudien im Vormärz-­ Band vorlegen), 24. 2. 1961 (Archivarbeiten „im Wesentlichen abgeschlossen“, ab 1. 10. 1960 „Aufarbeitung des gesammelten Materials“, im Berichtszeitraum außerdem Ausarbeitung seines Beitrags zu dem im Sommer 1961 erscheinenden Vormärz-­Band, Abschluss seiner Arbeiten im Sommer 1962, dann Vorlage eines druckfertigen TPS), 27. 2. 1962 („Voruntersuchungen im Wesentlichen“ abgeschlossen, Ausarbeitung des MS begonnen“). 98 Zu Conzes eigenen Beiträgen das Schriftenverzeichnis in Engelhardt/Koselleck/Schieder, hier: S. 492 ff. (unter 1961, 1963, 1965 u. 1968). 99 Dazu der Briefwechsel ­zwischen Conze und Eckert, April/Mai 1961 (KP 1, lf. S. 120 ff.); laut Kassenanweisung vom 20. 11. 1961 und VWN 1961 vom 27. 2. 1962 (S. 6) war Conze auf der Rückreise von einer „Universitäts-­Vortragsreihe“ in Finnland und Schweden (17. – 19. 10. 1961) und nach Sichtung von Quellenmaterial im Stockholmer Arbetarrörelsens Arkiv (29. – 31. 10. 1961) auch bei Eckert (6. – 8. 11. 1961) zur Einsichtnahme in die noch unveröffentlichte Korrespondenz von Wilhelm Liebknecht. – Zur Bedeutung Eckerts u. seines Braunschweiger Instituts (1951 ff.) bzw. zum Archiv für Sozialgeschichte (1961 ff.) zuletzt Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 10 ff. Das erfolgreich tätige, schließlich direkt nach Eckert benannte Institut wurde Jahrzehnte s­päter zeitweilig von dem Arbeitskreismitglied Wolfgang Höpken geleitet; dazu u. a. die zeit Nr. 16, 7. 4. 2004, S. 38, Artikel Der falsche Erfolg von Susanne Gaschke. 100 Schreiben von Ob.reg.rat Dr. Petersen, 6. 12. 1960, wonach die geplante Gründung bezweckte, den „tendenziösen Publikationen der östlichen Seite entgegen zu wirken“ (KP 23a, lf. S. 277). – Was Conze dazu sagte, muss leider offenbleiben, weil er die Anfrage laut eigenhändigem Vermerk telefonisch beantwortete („Gespräch Heidelberg – Bonn am 12.12.

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hatte er den Komplex Arbeiterbewegung mit am frühesten als ungemein wichtig eingestuft, und dies ausdrücklich „nicht in bloßer Antwort und Kritisieren der tendenziösen Forschung von drüben [d. h. in der Sowjetzone]“, sondern durchaus als sachlich einschlägig für die angestrebte „Intensivierung der in der Tat bei uns [in Westdeutschland] zu kurz gekommenen Forschungsprobleme der modernen Sozialgeschichte“.101 Von daher ist es, milde gesagt, erstaunlich, dass Conze ausgerechnet in Gerald D. F ­ eldmans Jubiläumsvortrag über Sozialgeschichte und Geschichte der Arbeiterbewegung (1985) mit keinem Wort vorkam, obwohl er etwa für Klaus ­Tenfelde der „gewiss bedeutendste Anreger“ jener Arbeiterhistorie war, die der „neueren westdeutschen Sozialgeschichtsschreibung unstreitig zu neuer argumentativer Tiefe und Fülle verholfen“ habe. So gab es parallel zu den bereits erwähnten Vorarbeiten zu Wolfgang Schieders Dissertation über die sog. Auslandsvereine zuerst zwei Hauptobjekte: die Arbeiterorganisationen während und nach der 48er Revolution einerseits und in der Weimarer Republik andererseits. Beide Fokussierungen hatten eins gemeinsam. So interessierten die bis dahin noch nicht nachmittags, 6 Minuten“); vgl. aber lf. S. 306 ff.: Conze an Petersen, 4. 1. 1961 (Frage nach Verlauf einer Unterredung mit den Vertretern der Historischen Kommission, da „sehr dringend“ daran interessiert, „weil ich gern mit den Berlinern Verbindung aufnehmen und unnötige Überschneidungen vermeiden möchte“), Petersen an Conze, 10. 1. 1961 (Verhandlungen mit Dr. Otto Büsch und Dr. Henryk Skrzypczak „dilatorisch geführt“, „Abklärung“ ­zwischen AKMS und Historischer Kommission wäre „sehr nützlich“); Conze an Petersen, 2. 2. 1961 (nach Gespräch mit Hans Herzfeld jetzt genau informiert: „[…] größere Pläne in Berlin noch nicht realisierbar“, aber sobald akut, wolle Herzfeld Bescheid geben, „und wir wollen beiderseits uns helfen und koordiniert arbeiten“); zu den entsprechenden Kontakten auch in der Folgezeit u. a. der Briefwechsel zw. Herzfeld/Skrzypczak und Conze 1962 ff. (KP 4). 101 So bereits in seinem Entwurf vom Nov. 1954 Zur Frage eines Instituts […] (s. o.). – Nachfolgende Hinweise auf Feldman (1985) bzw. Tenfelde (1987) nach Dunkhase, Conze, S. 292, Anm. 84 u. 86 (s. a. S. 128); dort, Kap. V u. VII, überhaupt zu breiterer und differenzierender Einordnung ­dieses Komplexes – freilich mit Vorbehalt gegen Dunkhases Einschätzung, es sei dem „sozialgeschichtlichen Unternehmen Conzes und seines Heidelberger Umfelds“ dabei um eine „Art historiographischer Wiedergutmachung an den Arbeitern“ gegangen, aber „insbesondere [!] Conze selbst […] nicht um eine grundsätzliche historische Gesellschaftskritik, sondern […] um die rückwirkende Heimholung in die deutsche Nation‘ (S. 245 f., vgl. schon die missverständliche Formulierung S. 126).Die geraffte und stark anlassbezogene Darstellung von Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, sieht zwar mit Recht in der Arbeiterbewegungshistorie eine der Wurzeln der modernen deutschen Sozialgeschichte (S. 9 ff. u. ö.), lässt aber den zweifellos unbeabsichtigten Eindruck zu, als ob die Urheberschaft für die Arbeiterbewegungs- wie die Arbeiterlagegeschichte in Deutschland in erster Linie, wenn nicht ausschließlich anderen Forschern als Conze bzw. anderen Einrichtungen als dem AKMS zukomme.

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oder doch nicht eingehend untersuchten Arbeitervereine Süddeutschlands von der Revolutions- bis zur Reaktionszeit (1849 – 1854), insbesondere die sog. Arbeiterverbrüderung, nicht allein wegen ihrer „zentralen Bedeutung für die Entwicklung der Gewerkschaftsbewegung und das Aufkommen der Arbeiterparteien in Deutschland“; vielmehr versprach Conze sich von d ­ iesem Forschungsauftrag an seine Mitarbeiterin Dr. Frolinde Balser (Heidelberg) speziell einen „wichtigen Beitrag zur Klärung des Einflusses der ­Theorie von Karl Marx auf die deutsche Arbeiterschaft dieser Zeit“, wobei er zumal mit „Abweisung der marxistischen Legende über den Vormärz und vor allem über 1848“ rechnete.102 Ersichtlich ging es hier also um Sozialgeschichte mit bewusster Berücksichtigung gerade unmittelbar gesellschaftspolitischer Dimensionen, wenn nicht gegenwartsrelevanter Aspekte. Dies mag eine unverkennbare Übereinstimmung mit einer damals allgemeinwestlichen Frontstellung gegenüber dem Marxismus-­Leninismus aufweisen. Schwerlich aber lässt sich etwa sprechen von einem erheblichen Maß an „unsachlicher Politisierung“ (was Conze beispielsweise am 11. Internationalen Historikerkongress in Stockholm 1960 kritisierte) oder gar von simplem Antikommunismus (wie der Vorwurf in der vexierbildartigen Darstellung von DDR-Autoren lautete).103 Solche Kennzeichnung träfe sogar weder Theodor Schieders scheinbar 102 So lt. TP Apr. 1961 (PR 1), S. 3 bzw. schon in seinem Begleitbrief vom 28. 2. 1958 (KP 23a, lf. S. 447) zum Antrag auf BMI-Mittel für ein Forschungsstipendium an Balser (zuvor wiss. Hilfskraft) ab 1. 4. 1958; dazu u. a. Conze-­Mitteilungen bei der Frühjahrstagung 1958 (TP Apr. 1958, S. 16), Frühjahrstagung 1959 (TP Apr. 1959, S. 28), Herbsttagung 1959 (TP Okt. 1959, S. 48 und 50: dreimonatige Verlängerung des Stipendiums zwecks Fertigstellung), Frühjahrstagung 1960 (TP Apr. 1960, S. 65 und 66: TPS Ende Juni 1960 druckfertig), Herbsttagung 1960 (PT Okt. 1960, S. 27: für künftige Schriftenreihe gegenwärtig fünf Arbeiten vorgesehen, darunter Balsers schon vorliegende Arbeiterverbrüderung); zudem die betreffenden Bewilligungsbescheide und VWNe, besonders die Nachweise vom 26. 5. 1960 (ursprünglich bis 31.12.59 befristetes Stipendium zwecks Erweiterung u. Überarbeitung um drei Monate verlängert) und vom 24. 2. 1961 (überarbeitetes und erweitertes TPS, d. h. Textund Quellenteil bis 31. 8. 1960 druckfertig vorgelegt, erscheine 1961 als Bd. 2 der geplanten Schriftenreihe des AMKS [vgl. Anhang: IW 2]). 103 Conze-­Zitat: Brief an Fauvel-­Rouif, 27. 9. 1960 (KP 1, lf. S. 96); vgl. vor allem Conze an Postan, 1. 8. 1961 (lf. S. 251 f.), über den bedauerlichen Niederschlag der „politisch-­ ideologischen Spaltung der Welt“ speziell in Auffassungen und Verhalten von „besonders scharfgemachten sowjetdeutschen Historikern“ (Ausnahme: Jürgen Kuczynski, „im Niveau über dem Durchschnitt der übrigen sowjetdeutschen Historiker“), auch schon seinen Brief an Lütge, 13. 7. 1961, in derselben Sache (lf. S. 251 f. bzw. 204 f.). – Für die DDR-offiziöse Polemik gegen Conze und den AKMS als herausragende Exponenten der „bürgerlich-­imperialistischen Historiographie der BRD“ (so schon im Untertitel), zumal der „imperialistischen Umfälschung“ der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (S. II, vgl. u. a. S. 4, 25 f., 44 ff., Kap. II sowie S. 142 u. 187 f.) zwar nicht erst, aber besonders

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ebenso einschlägige wie frappierende Frage von 1961, ob nicht selbst bei Conze der Begriff Arbeiterbewegung „etwas zu marxistisch (Bewegung = Klassenbewusstsein) gefasst“ sei, noch träfe sie Conzes Erwiderung: Er definiere die Arbeiterbewegung durchaus „nicht auf marxistische Weise vom Klassenbewusstsein her“, sondern beachte ihre Diversität – doch liege ihr vormärzlicher Ursprung „eindeutig bei den Bewegungsparteien, die ‚Bewegung‘ (=Fortschritt) […] dem Prinzip nach revolutionär verstanden“ hätten.104 Diese Sicht bestimmte auch das zweite Forschungsprojekt zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Begonnen auf Anregung der 1953 ins Leben gerufenen Commission Internationale d’Histoire des Mouvements Sociaux et des Structures Sociales (CIHMSS),105 wurde es jedoch in jeder Hinsicht sehr viel breiter ­aufgezogen. exemplarisch die sehr eingehende, beim DDR-Institut für Gesellschaftswissenschaften entstandene Diss. von Brade (dazu auch Dunkhase, Conze, S. 205). Mit Bezug sogar auf ein vermeintliches Ende der AKMS-Schriftenreihe („seit 1968 eingestellt“!) kam sie zum dem Ergebnis: Der AKMS müsse „als zeitweiliges, kaum ein Jahrzehnt existierendes Zentrum zur Herausbildung einer Generation jüngerer bürgerlicher Historiker angesehen werden, die durch das Studium bzw. die Mitarbeit bei Conze in Heidelberg wesentliche Elemente einer flexibleren, den jeweiligen politisch-­ideologischen Bedürfnissen der herrschenden Kräfte der westdeutschen Monopolbourgeoisie entsprechenden Geschichtsschreibung vermittelt bekamen“ (S. 61). Kockas spätere Redeweise vom „frühen Arbeitskreis mit seiner antikommunistischen Strömung“ (Sozialgeschichte seit 1945, S. 16) ist gewiss nicht völlig unbegründet, aber zu plakativ, zumal die Formulierung nicht z­ wischen weltanschaulich und wissenschaftsbegrifflich begründetem Antikommunismus unterscheidet und genaugenommen auch nicht klar erkennen lässt, ob sie eine Mehrheits- oder Minderheitstendenz des AKMS bezeichnen soll. Hingegen trifft gerade im Hinblick auf die Arbeiter(bewegungs)forschung uneingeschränkt zu, dass die „DDR-marxistische“ Geschichtswissenschaft, „damals im Westen teils wenig beachtet, teils aber als anstachelnde Konkurrenz wahrgenommen [wurde], die insofern indirekt zur Förderung und zum Aufstieg der westdeutschen Sozialgeschichte beitrug“ (ebd., s. a. S. 34). 104 So lt. TP Apr. 1961 (PR 1) in der „locker geführten“ Diskussion (S. 4 – 6) u. a. über die oben genannte Schieder-­Frage, ferner über Treues Favorisierung einer Sichtweise „von ‚unten‘ aus“ und seinen Eindruck, dass Conze „sich wohl mehr auf die ‚oberen Stockwerke‘ der Arbeiterbewegung konzentriere“). – Soweit nichts anderes genannt, folgende Angaben und Zitate aus Conzes Erläuterungsschreiben vom 10. 3. 1958 zum betreffenden Förderungsantrag an Min.rat Dr. Kipp/BMI. 105 Dazu auch TP Apr. 1958, S. 16; ferner VWN 1967 vom 29. 2. 1968, S. 3 f.: CIHMSS-Generalsekretärin Fauvel-­Rouif am 23. 3. 1967 in Heidelberg, um sich mit Conze als AKMS-Vorsitzenden „über die künftige Zusammenarbeit ­zwischen der Commission internationale und dem Arbeitskreis zu besprechen und gemeinsame Forschungsvorhaben auf dem Gebiete der Geschichte der Arbeiterbewegung abzustimmen“. – Zur CIHMSS, die entsprechende Untersuchungen auch in den anderen Mitgliedsländern veranlasste, vgl. weiter unten.

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So angelegentlich Gesamtleiter Conze dabei versicherte, der Gegenstand werde „nicht ideologisch verstanden“, so wenig war das Unternehmen exklusiv auf diesen Gegenstand zugeschnitten, auch wenn es im ursprünglichen Plan entsprechend der CIHMSS-Vorgabe nur lautete: Die deutsche Arbeiterbewegung von der Weltwirtschaftskrise bis zum 2. Weltkrieg (1929 – 1939). Gerade bei der dafür vorgesehenen Schwerpunktsetzung 1929 – 1933 zielte es ausdrücklich auf mehr, denn angestrebt war ein „gewichtiger Beitrag“ zur Geschichtsschreibung über die Endphase von Weimar überhaupt. Dabei wiederum sollten die „soziale, wirtschaftliche und politische Struktur und Entwicklung Deutschlands im Allgemeinen, der Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Krise auf die Arbeiterbewegung […] und deren Antwort im Besonderen eingehend analysiert werden“. Da sich dies mit der anfänglich beabsichtigten Begrenzung der Untersuchungsspanne kaum bewerkstelligen ließ, wurde das Blickfeld schnell auf den gesamten Zeitraum der Weimarer Republik erweitert und perspektivisch auf das große Leitthema Staat und Gesellschaft bezogen.106 Ging Conze doch erklärtermaßen „in der Problemstellung [aus] von der Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung im Rahmen der Wandlungen des Verhältnisses und der Struktur von Staat und Gesellschaft in Deutschland seit den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts“. Folglich stieg die veranschlagte Projektlaufzeit von zuerst bloß 1 ½ auf 4 Jahre, und die eingesetzte Arbeitsgruppe unter „direkter Leitung“ von Conze bei nominell zunächst „verantwortlicher und meist selbständiger Oberleitung“ durch die Gewerkschaftsspezialistin Dr. Ursula Hüllbüsch umfasste außer einer Halbtagsschreibkraft und einer wissenschaftlichen Hilfskraft vier promovierte Conze-­Schüler, nämlich Hüllbüsch selbst und bald auch Dieter Groh als hauptamtliches wissenschaftliches Personal sowie Siegfried Bahne und Horst Stuke als freie Mitarbeiter.107 Wegen der für Conze „einfach unerlässlichen 106 Dazu bes. die Angaben im VWN zum Bewilligungsbescheid vom 27. 5. 1958; außerdem u. a. Stuke an Dr. Petersen/BMI, 5. 2. 1959 (KP 23a, lf. S. 393): angeblich „verantwortliche und meist selbständige Oberleitung“ durch Hüllbüsch; VWN 1959 vom 26. 5. 1960, S. 4 ff.: Untersuchung „nun endgültig auf die Zeit von 1914 – 1933 ausgedehnt“, „direkte Leitung“ durch Conze. 107 Stud.ref. Claus Schreitter (1.6. – 30. 9. 1958) bzw. Dr. Elisabeth Friedenthal (ab 1. 10. 1958) als wissenschaftliche Hilfskraft; Hüllbüsch (voll erst ab 1. 1. 1959) und Groh (ab 1. 7. 1959, zuvor Hilfskraft) als wissenschaftlicher Mitarbeiter; Friedenthal ­später (vom 1. 1. 1960 bis zum Ausscheiden „auf eigenen Wunsch“ am 15. 1. 1961) dann ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin, zudem Frolinde Balser (ab 1. 10. 1960); Groh ab Mitte Juli 1961 wegen Übernahme einer Assistentenstelle am Heidelberger ISWG nur noch als „freier Mitarbeiter“. – Aufgabenverteilung laut VWN 1960: Hüllbüsch (1958 in Heidelberg promoviert mit einer unveröffentlichten Dissertation über Gewerkschaften und Staat. Ein Beitrag zur Geschichte der Gewerkschaften zu Anfang und Ende der Weimarer Republik) „bisher und auch weiterhin“ zuständig für Geschichte der Freien wie der Christlichen Gewerkschaften, übernahm

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­ erücksichtigung“ von Spezialanforderungen wie der „nationalökonomischen AnaB lyse und Beurteilung der Wirtschaftskrise, der Lohntheorie, Deflationspolitik usw.“ wurde auch eine zeitweilige Beteiligung des Privatdozenten Dr. Gottfried Eisermann auf Honorarbasis ins Auge gefasst.108 Was somit nach Conzes Vorstellung „überwiegend in Form einer Gemeinschaftsarbeit“ vor sich gehen und bis voraussichtlich 1962 eine „umfassende“ Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung „im Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft“ 1914 – 1933, ja sogar „ihrer Voraussetzungen im 19. Jahrhundert“ erbringen sollte, blieb allerdings buchstäblich Stückwerk. Zwar ging das Unternehmen einher mit weiteren Aktivitäten, darunter Vorträge von Eberhard Kolb über die Arbeiterräte 109 und Hans Mommsen über Victor Adler 110, ­später dann von Jiři Kořalka über das deutsch-­tschechische Nationalitätenproblem in der Arbeiterbewegung der böhmischen Länder 111 und von Arnošt Klíma über zusätzlich die Untersuchung der Genossenschaftsbewegung und befasste sich auch mit der Arbeitersängerbewegung; Friedenthal zuständig für Geschichte u. Vorgeschichte der KPD, Groh für Geschichte der sozialistischen Parteien, insbes. der SPD; Balser sollte „in Anschluss an ihre eigene, neue Aspekte liefernde Untersuchung“ über die Arbeiterverbrüderung nun „die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung von 1863 bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts“ bearbeiten. 108 Ob es dazu kam, war nicht feststellbar. Vgl. u. a. Briefe von Fauvel-­Rouif an Conze vom 23. 11. 1959 („Travaille-­t-­il avec nous?“) und 23. 5. 1960 (KP 1, lf. S. 101 bzw. 98). – Von Eisermann, s­päter Pareto-­Spezialist, stammte u. a. eine Studie über Die Grundlagen des Historismus in der deutschen Nationalökonomie (1956); s. a. Die Lehre von der Gesellschaft. Ein Lehrbuch der Soziologie, hg. v. Gottfried Eisermann (1958 u. ö.). – Folgende Conze-­ Angaben zur Art und Zweck des Unternehmens: so in dem oben genannten Erläuterungsschreiben vom 10. 3. 1958 bzw. VWN 1959, 26. 5. 1960 bzw. im VWN 1960, 24. 2. 1961. 109 Lt. VWN 1960, S. 2 f. (Reisekosten) am 6. 7. 1960 „im Rahmen einer Arbeitssitzung“ der Mitarbeiter des Projekts Arbeiterbewegung Vortrag von Dr. Eberhard Kolb (damals Göttingen) über Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918/19 (dazu sein späteres Buch Die Arbeiterräte in der deutschen Innenpolitik 1918 bis 1919, Düsseldorf 1962, 21978); u. a. auch erwähnt (S. 13 f.) „im Rahmen des Problemkreises der Arbeiterbewegung als Emanzipations- und Kulturbewegung“ bibliografische Erfassung und Auswertung von Quellen zur Freidenkerbewegung in Deutschland 1890 – 1914 durch Dr. Manfred Riedel/Heidelberg als wissenschaftliche Hilfskraft (1.8. – 30. 9. 1960). 110 Zu ­diesem Vortrag des Rothfels-­Schülers Dr. Hans Mommsen (damals Institut f. Zeitgeschichte, München) am 17. 7. 1961 im gleichen Rahmen wie bei Kolb u. a. Stuke an Mommsen, 5. 7. 1961 (KP 2, lf. S. 593) u. VWN 1961, S. 6. – Von München aus war Mommsen früh auch am begriffsgeschichtlichen Lexikon beteiligt, so u. a. am 12./13. 7. 1962 an zwei Arbeitssitzungen der „Heidelberger Forschungsgruppe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte zur Vorbereitung eines Deutschen Wörterbuches der politisch-­sozialen Welt“ (Reisekostenabrechnung); kurz danach dann Conze-­Assistent in Heidelberg. 111 Lt. VWN 1964 (S. 3) vom 14. bis 17. 1. 1964 Teilnahme von Dr. Jiři Kořalka (Historisches Insti­ tut der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, Prag) an drei ­Arbeitssitzungen

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die deutsch-­tschechische Frage in der 48er Revolution und über die Anfänge der Arbeiterbewegung in Böhmen, schließlich Dieter Grohs Bemühungen um Austausch mit dem Archiv des Instituts für Marxismus-­Leninismus beim ZK der SED in Ostberlin.112 Auch war die „quellenfundierte neue Forschung“ der Heidelberger Gruppe angeblich schon weit gediehen, als Conze Ende 1960 dann auch den nicht abgeneigten Schieder-­Schüler Dr. Hans-­Ulrich Wehler (Köln) dafür zu gewinnen versuchte (der 1966 dann ja den genaugenommen ersten Reader zur Sozialhistorie herausgab).113 Doch selbst aus Conzes Absicht zu einem „größeren“ Eigenbeitrag wurde kaum mehr als sein einschlägiges Referat auf der CIHMSS-Konferenz 1960 in Stockholm 114 und sein Aufriss über den Beginn der deutschen Arbeiterbewegung für die Rothfels-­Festschrift 1963.115 Die für „unerlässlich“ gehaltene „breite Einführung (nicht knappe Einleitung!)“ aus seiner Feder erübrigte sich in dem

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der Mitarbeiter des Projekts Arbeiterbewegung, nachdem er auf Einladung der Universität Heidelberg und des AKMS einen Vortrag gehalten hatte über Das deutsch-­tschechische Nationalitätenproblem in der Arbeiterbewegung der böhmischen Länder in der Zeit bis zum Hainfelder Parteitag (1888/89). Zu den Groh-­Bemühungen im Okt. 1965: VWN 1965 vom 21. 2. 1966, S. 10 f.; zu den beiden Heidelberger Vorträgen von Prof. Dr. Arnošt Klíma (Univ. Prag) „auf Einladung des Arbeitskreises“ am 21./22. 11. 1966 VWN 1966 vom 24. 2. 1967, S. 7. Zitat: Conze an Wehler, 10. 12. 1960 (KP 2, lf. S. 658) mit dem offenbar von Th. Schieder unterstützten Angebot zum Eintritt in die „Arbeitsgemeinschaft“ durch Übernahme einer freien „Stipendiatenstelle (rechtlich im Angestelltenverhältnis)“ ab 1. 1. 1961, vor allem zwecks „Bearbeitung des linksrevolutionären Sozialismus, speziell dann der KPD“; dazu Wehler an Conze, 3. 1. 1961 und Conze an Wehler, 12. 1. 1961 (lf. S. 659 ff.). – Laut Wehler an Engelhardt, 17. 6. 2003, kannte Conze ihn aus seiner halbjährigen Tätigkeit (1960) für die Kommission zur Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa und durch Th. Schieder wusste er wohl auch vom Inhalt der Wehler-­Dissertation über die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im Kaiserreich – „ein Thema, das auch Conze interessierte“. Abgesagt (nach seiner Erinnerung mündlich) habe er Conze damals nur deshalb, weil er seine Habil.schr. über den „amerikanischen Imperialismus ­zwischen 1865 und 1900“ schreiben wollte und deshalb eine von Schieder vermittelte Assistentenstelle im Kölner Historischen Seminar/Abteilung für Amerikanische Geschichte bevorzugte. „Wäre die Kölner Stelle nicht aufgetaucht, wäre ich natürlich nach Heidelberg gegangen, da mir Conzes Interessen durchaus zusagten.“ Vgl. auch Wehler, Kampfsituation, S. 63 f. 17. – 19. 8. 1960; Teilnahme laut Kassenanweisung vom 21. 7. 1960 (AAKMS) „als Vertreter des Arbeitskreises“, Conzes Thema: Die Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung von 1928/29 bis 1933 (franz. Vortragsfassung durch Dipl.-Übersetzerin Christa Brammertz); dazu VWN 1960, S. 13 f., s. a. S. 2 f. Waldemar Besson u. Friedrich Frhr. Hiller v. Gaertringen (Hg.), Geschichte und Gegenwartsbewusstsein. Festschrift für Hans Rothfels zum 70. Geb.tag, Göttingen 1963, S. 323 ff.; in gekürzter Fassung wieder abgedruckt in: Gerhard A. Ritter (Hg.), Die Deutschen Parteien vor 1918, Köln 1973, S. 331 ff.

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Maße, wie sich das anspruchsvolle Projekt an handfesten Realisierungsproblemen wie Personalschwund, Krankheit, wohl auch Mangel an Kooperation u. Ä. m. festlief.116 Gewiss hielt Conze den Anlauf noch 1961 für so „gut vorangekommen“, dass er glaubte, das auf drei Bände berechnete opus magnum unter dem ausgreifenden Arbeitstitel Die deutsche Arbeiterbewegung im Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft vom Ursprung im Vormärz bis 1933 lasse sich voraussichtlich 1963 einer „Gesamtredaktion“ unterziehen und druckfertig machen.117 Mehr noch: Erhoffte Conze sich schon von dem Rückgriff jedenfalls bis ins frühe 19. Jahrhundert die Chance, dass „das Wesentliche an der vielfach geschichtlich verdunkelten oder entstellten Erscheinung der Arbeiterbewegung in Deutschland neu gefasst und [dass] ihre Geschichte von den Hauptfragen her interpretiert werden“ könne; ging er zumal davon aus, dass gerade ihre markanten Richtungsentscheidungen von 1914, 1919 und 1932 nur aus ihren „weit zurückliegenden und nie bewältigten Antinomien und Spannungen“ zu erklären ­seien, so erwog er nunmehr einen vierten Band für die Zeit von 1933 bis zur Gegenwart, denn der „abrupte“ Abschluss mit 1933 könne nicht befriedigen. Seine Begründung: Trotz der jähen Zwangsunterbrechung von 1933 sei die Arbeiterbewegung „wenigstens ihrem Anspruch nach“ durchaus nicht zu Ende gegangen, die generelle Leitfrage nach der „Arbeiterbewegung ­zwischen Staat und Gesellschaft“ also ebenso wenig obsolet geworden wie speziell Skepsis gegenüber „fortgeschleppten Legenden“ wie der Vorstellung von sozialer und ideologischer Einheitlichkeit der Arbeiterbewegung wie auch gegenüber der „neuerdings in den Vordergrund gerückten These vom Anfang (Vormärz) und Ende (Gegenwart) des Proletariats“. Doch bei aller Betonung dieser Gesichtspunkte blieb eben nicht allein der vierte Band unausgeführt, sondern kam die ab Mai 1964 vom Arbeitskreis finanziell dann „nur noch durch Sachbeihilfen“ 118 geförderte Gesamtdarstellung überhaupt nicht als s­ olche zustande. Denn von Conze nach und nach ebenfalls veranlasste Dissertationen wie die von Hugo Eckert über die Frühgeschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung (1968) und von Ulrich ­Engelhardt über die Anfänge der deutschen Gewerkschaftsbewegung (2 Bde., 1977) waren keine Bestandteile des Projekts, können ihm also allenfalls mittelbar zugerechnet werden;119 erst recht eine 1961 begonnene, bald thematisch stark erweiterte, aufgrund widriger Umstände jedoch nicht fertig gewordene Untersuchung 116 Vgl. Conzes Rückblick Der Weg zur Sozialgeschichte nach 1945 (1983). 117 Dazu und zum Folgenden (einschließlich Zitaten) Conzes aufschlussreiche Berichterstattung über Plan und Fortgang des Projekts auf der Frühjahrstagung 1961, referiert im TP Apr. 1961, S. 1 ff. 118 So im VWN 1965 vom 11. 2. 1966, S. 6. 119 Vgl. aber Überblick 1957 – 1969, S. 4; s. auch schon die Übersicht im Bericht über das Insti­ tut […], Abschn. III. – Zu Conzes Verdiensten in dieser Hinsicht: Klaus Tenfelde und

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von Horst Stuke zur Geschichte der österreichischen Arbeiterschaft 1848 ff.,120 aber auch die extern publizierten Arbeiten von Wolfgang Schmierer über die Anfänge der württembergischen Arbeiterbewegung (1970), von Jörg Schadt über die badische Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert (1971) und von Willi Breunig über soziale Verhältnisse und sozialistische Arbeiterbewegung in Ludwigshafen a. Rh. (1976) sowie die ungedruckte Dissertation von Hartmut Soell über die sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Elsass-­Lothringen (1963). Abgesehen von der in früheren Fassungen schon bei den CIHMSS-Tagungen 1964 in Tunis und 1965 in Wien vorgelegten Gemeinschaftsarbeit von Conze und Groh über Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung (1966),121 die überwiegend von Dieter Groh verfasst wurde, abgesehen auch von Conzes Lexikon-­Artikeln Arbeit bzw. Arbeiter 122 und von Stukes Bakunin-­Edition Staatlichkeit und Anarchie (1972),123 kam letztlich und erst sehr viel ­später also lediglich eine gesonderte Studie heraus: Grohs voluminöse Habilitationsschrift über die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des ­Ersten Weltkrieges, betitelt mit den thesenartigen Kennworten negative Integration und revolutionärer Attentismus (1. Auflage von 1973). Die Konzentration darauf zeichnete sich von vornherein ab und wurde in einem der ersten Gerhard A. Ritter (Hg.), Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung 1983 – 1914, Bonn 1981, S. 101 f.; s. auch Kocka, Conze, S. 598 f. 120 Dazu u. a. TP Okt. 1961, S. 45 (Conze-­Mitteilung, er werde für eine von Stuke begonnene „große Arbeit“ darüber ein AKMS -Stipendium ab 1963 beantragen); VWN 1963 vom 8. 2. 1964 (für 1. 7. 1963 vorgesehener Beginn der Tätigkeit im Rahmen des Forschungsauftrags verschoben bis 1. 5. 1964, Thema bisher: Untersuchung der österreichischen Arbeiter­ schaft im Spannungsfeld von Staat und Gesellschaft ­zwischen 1848 und 1889, jetzt: Die Stellung des Staates zur sozialen und gewerblichen Entwicklung in Österreich nach 1848 unter besonderer Berücksichtigung der Verfassungsproblematik); VWN 1965 vom 21. 2. 1966, S. 22 ff. (Arbeit seit 1. 5. 1964 als wissenschaftlicher Mitarbeiter „systematisch“ fortgesetzt). 121 Zur Entstehungsgeschichte vgl. KP 1: bes. die Korrespondenz zw. Conze bzw. Groh mit Denise Fauvel-­Rouif 1963 ff. bezüglich der Vorbereitungen für Tunis und Wien sowie der Schriftwechsel von Groh mit der DFG vom Febr. bis April 1964 (einschließlich Grohs Tunis-­Bericht vom 9. 4. 1964 an die DFG und maschinenschriftl. Conze/Groh-­Text über Die demokratische und Arbeiterbewegung in ihrem Verhältnis zur nationalen Bewegung in Deutschland von 1930 bis 1871).– Bei der Einordnung dieser Studie in das Gesamtprojekt schrieb Conze im Vorwort vom März 1966 geschickt überspielend, die Arbeiten hätten „sich zwar nicht völlig der ursprünglichen Absicht gemäß, aber im ganzen doch lebhaft fortschreitend entwickelt“. 122 Lt. VWN 1967 vom 29. 2. 1968, S. 16 fertiggestellt 1967, erschienen 1972 in GG, Bd. 1. 123 Staatlichkeit und Anarchie und andere Schriften, hg. und eingeleitet von Horst Stuke, Berlin 1972; laut AKMS-VWN 1972 vom 27. 3. 1973, S. 23: Edition „im Zusammenhang mit den verschiedenen vom Arbeitskreis angeregten, geförderten oder durchgeführten Arbeiten zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung“.

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Verwendungsnachweise mit einem Argument für „gerechtfertigt“ erklärt, das die durchgängige Arbeitshypothese und damit die wohl nicht nur unterschwellig-­ beiläufige Stoßrichtung des gesamten Projekts am prägnantesten benannte: Unter dem Eindruck des Kriegsausbruchs 1914 habe die Mehrheit der SPD Entscheidungen getroffen, die „entweder schon längst fällig waren oder aber einen Prozess beschleunigten, den man als Integration der Arbeiterbewegung in den bestehenden Staat und die ihm historisch zugeordnete Gesellschaft oder als Emanzipation der Arbeiterbewegung von der Ideologie des Klassenkampfes bezeichnen kann“.124 Offenkundig wurden hier durchaus auch wieder aktuelle politisch-­soziale Bezüge angenommen – wie auf andere Weise und nach anderer Seite etwa schon von Carl Jantke: Er nämlich hatte 1958 die bereits erwähnte Meyer-­Dissertation in der Erwartung fördern lassen, dass „sich dabei einige interessante und aufschlussreiche Resultate ergeben werden, so z. B. im Hinblick auf die soziale Problematik der mit den [industriewirtschaftlichen] Rationalisierungsprozessen einhergehenden Anpassungs- und physischen Disziplinierungsvorgängen“.125 Gesellschaftswissenschaftliche einschließlich sozialhistorischer Forschung sollte eben auch dazu beitragen, vor allem sozialpolitische Fragen vom „Tagesstreit“ zu lösen und in den größeren Kontext „historischer Einsichten und Überlegungen“ zu rücken, wie der Soziologe Otto Neuloh unter Berufung auf Conze 1961 dann in seinem Geleitwort zu Teutebergs Mitbestimmungsbuch empfahl.126 So relativ begrenzt ­solche Projektförderungen und damit zusammenhängende Unternehmungen wie der Aufbau eines eigenen Kopien- und Mikrofilmarchivs 127 in den ersten Jahren meist noch waren, sie wurden immerhin möglich. Außer den nötigen Geldern erforderte das nicht zum wenigsten ein Mindestmaß an Verwaltungs- und Steuerungskapazität. So war es unterdessen wenigstens auch zu 124 VWN 1960, S. 12; vgl. auch dazu Conzes Ausführungen auf der Frühjahrstagung 1961. 125 So in der Begründung für seinen Antrag vom 15. 12. 1957 an Conze auf Mittel für Archivreisen von Meyer (vgl. KP 2, lf. S. 363 ff.). 126 Hans Jürgen Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung, Tübingen 1962, S. VI; zur schon erwähnten Förderung durch den AKMS vgl. Teutebergs Vorwort. 127 Mit der Beschaffung und Aufbewahrung von Quellenmaterial zu diversen Schwerpunktthemen und zu einigen Forschungsaufträgen des AKMS wurde bereits 1958 begonnen, wobei ­dieses Archiv in den Räumen der Heidelberger Geschäftsführung „zu gegebener Zeit allgemein zugänglich gemacht“ werden sollte (VWN vom 21. 5. 1958 zum Bundeszuschuss vom 23. 3. 1957) und durch Erfassung im Zentralkatalog der UB Heidelberg seit Ende 1973 in der Tat voll zugänglich wurde. – Dass sich schon ein „sehr erhebliches Material in [Form von] Mikrofilmen“ angesammelt habe, erwähnte Conze u. a. auch in seinem ‚Werbebrief‘ vom 12. 1. 1961 an Wehler (vgl. oben); s. auch TP Apr. 1961, S. 2 und VWN 1961 vom 27. 2. 1962, S. 8 f., überhaupt die jährlichen VWNe seit 1961. – Seit Auflösung der Heidelberger Geschäftsstelle befinden sich die Materialien im Bochumer Institut für soziale Bewegungen.

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einer ganz bescheidenen Grundausstattung für die Heidelberger Geschäftsführung gekommen: Neben einem Minimum an technischen Hilfsmitteln, d. h. einer vom Münchner Institut für Zeitgeschichte übernommenen Kofferschreibmaschine, schließlich auch einem eigenen Tonbandgerät 128 und einer elektrischen Rechenmaschine 129 sowie einem Mikrofilmaufnahmegerät, das vom Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (ISWG) unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde,130 gab es seit Mitte August 1958 in wechselnder Besetzung jene ständige Halbtagsschreibkraft, die Conze bereits im Herbst 1957 als „unerlässlich“ für die Geschäftsführung bezeichnet hatte.131 Zudem konsolidierte sich die Stellung von Horst Stuke,132 Assistent am Heidelberger ISWG, der im Frühjahr 1958 von Joachim Ritter und Conze promoviert worden war: Faktisch auch bisher schon zuständig für Verwaltungsdinge und für die bald erheblich anschwellenden, wiederholt als hervorragend anerkannten Protokolle,133 übernahm er ab Oktober 1958 in aller Form auch die Geschäftsführung (die bis auf Weiteres die Barauszahlung der Reisekostenerstattungen samt Tage- und Übernachtungsgeldern jeweils am Tagungsort einschloss).134 Insoweit 128 Die zwecks Kostenersparnis erfolgte Übernahme der gebrauchten, aus Bundesmitteln finanzierten Schreibmaschine im Jan. 1958 wie die Anschaffung des Tonbandgeräts einschließlich Mikrofon im Nov. 1958 illustrieren schlaglichtartig die Bescheidenheit dieser Anfänge und ließen sich durch die betreffenden Korrespondenzen, Anschaffungs- bzw. Inventarverzeichnisse u. VWNe im AAKMS detailliert belegen. 129 Im Juni 1959 (lt. VWN 1959, S. 1 bzw. Zahlenmäßiger Nachweis, lf. Nr. 16 bzw. Inventarliste, 11.6. 1959). 130 Ab Jan. 1959 (lt. VWN zum Bundeszuschuss vom 27. 5. 1958 zum Forschungsprojekt Untersuchung der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik). 131 Conze ans MBI, 30. 10. 1957 (beim Abruf der 2. Rate aus der Bewilligung vom 19. 6. 1957); erste Schreibkraft: Ursula Stuke (15. 8. 1957 – 31. 3. 1958, Vergütung nach TOA VIII). 132 Zu Stuke (1928 – 1976), 1956 wissenschaftliche Hilfskraft von Conze am Historischen Seminar in Münster, dort promoviert im Mai 1958, aber schon 1957 mit Conze nach Heidelberg übergesiedelt und bis April 1964 Wiss. Assistent von Conze, seit Herbst 1972 Inhaber des neu gegründeten Lehrstuhls für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Univ. Frankfurt a. M., vgl. die Gedenkreden von Conze und Peter Wende, abgedruckt in: Stuke, S. 9 – 14 bzw. 15 – 17; zu seiner Dissertation vgl. die Übersicht im Anhang, lf. Nr. 3; zum Verhältnis Conze-­Stuke auch Dunkhase, Conze, S. 82. 133 Explizit als „Protokollführer“ trat er in den Prot. freilich erst ab Herbst 1963 in Erscheinung (TP Okt. 1963, S. 1). – Zur Würdigung der mehr und mehr wortgenauen, bald auf Tonbandaufzeichnungen beruhenden Protokolle z. B. Raupach an Conze, 14. 2. 1966 (PK 4, S. 406); andererseits aber z. B. TP Apr. 1969, S. 1 die Vorbemerkung des Protokollführers (Stukes Entgegnung auf Fischers Kritik an dem 119seitigen Protokoll der Herbsttagung 1968). 134 Immerhin durfte damals noch die 1. Klasse benutzt werden. – Finanzdaten usw. im Folgenden jeweils ohne Einzelbelege nach den frühen Bewilligungsbescheiden und Verwendungsnachweisen.

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endete damit die noch gänzlich informelle Vorbereitungsphase von 1957/58, in der Conze bis hin zur Verbuchung von Porto- und Telefonauslagen in einem Vokabelheft manches sogar handschriftlich erledigt, das nötige Schreibmaterial teilweise eigenhändig beschafft und nominell als „Geschäftsführer“ fungiert hatte.135 Freilich war die Arbeitslast zu einem guten Teil ja schon während des Übergangs zu einer regelrechten Geschäftsführung von Stuke aufgefangen worden und seit Mitte August 1958 dann insoweit bei ihm konzentriert.136 Dass er dennoch nicht etwa als hauptamtlicher Geschäftsführer eingestellt wurde und nur ein recht bescheidenes, auch s­päter kaum dynamisiertes Honorar erhielt, begründete man wenig ­später mit dem „energischen“ Bemühen, die Arbeitskreismittel „fast ausschließlich für die Forschung zu verwenden und die Ausgaben für Verwaltung u. ä. so niedrig wie möglich zu halten“.137 So klein und informell diese Konstruktion für die laufenden Geschäfte war, dank Stukes gewissenhaftem und peniblem Einsatz funktionierte sie offenbar reibungslos. Conzes Dreifachposition als Heidelberger Ordinarius, Direktor des ISWG und Vorsitzender des Arbeitskreises erlaubte von Anfang an eine rege Außentätigkeit. Sie beschränkte sich nicht auf die ja schon im Vorfeld hergestellten Verbindungen zu Institutionen wie dem noch Jahrzehnte s­päter bei Existenzbedrohung auch vom Arbeitskreis verteidigten Max-­Planck-­Institut für Geschichte (von dem es 1958 allerdings mal hieß, dort scheine das „Forschungsproblem der Industrialisierung noch nicht akut zu sein“ 138). Hinzu kamen nun Drähte zu weiteren fachlich und 135 In den betr. Unterlagen findet sich für die allererste Zeit lediglich ein einziger Hinweis auf eine gewisse Entlastung: eine postalische Überweisungsquittung vom 3. 5. 1957 über 30 DM an eine Herta Backenecker/Münster mit Conzes handschriftlichem Vermerk „für Schreib- und Hilfsarbeiten zur Tagungsvorbereitung“. 136 Kennzeichnend für die sukzessive Formalisierung der Zuständigkeiten: Conze-­Anschreiben zum Protokollversand, 21. 11. 1957: Stuke werde „bis auf weiteres die Geschäftsführung hier in Heidelberg übernehmen“ (KP 19, S. 94); Stuke-­Brief vom 27. 6. 1958 an Ob.reg.rat Dr. Petersen (BMI) mit der Bitte, „sämtliche den Arbeitskreis betreffenden Schreiben an die Anschrift der Geschäftsführung in Heidelberg […] und nicht an die Privatanschrift von Herrn Prof. Dr. Conze in Ziegelhausen richten zu lassen“, um „unnötige Verzögerungen bei der Bearbeitung“ zu vermeiden (KP 23a, lf. S. 428); vgl. auch Stuke an Petersen vom 19. 8. 1958 betr. Abwicklung von Förderungsanträgen der Mitglieder über die Heidelberger Geschäftsstelle (lf. S. 419). – Zu den Aufgaben des Geschäftsführers gehörte schon damals auch die immer arbeitsintensivere Anfertigung von Wirtschaftsplänen und Jahresverwendungsnachweisen einschließlich sog. Zahlenmäßigen Nachweise. 137 So in dem ans BMI gerichteten Tätigkeitsbericht [des AKMS] für das Rechnungsjahr 1960 mit Vorschau auf das Rechnungsjahr 1961 vom 4. 11. 1960. – Honorare (brutto) 1958 – 1961: DM 150 monatlich, also jährlich 1.800 DM; 1962 ff.: 200 bzw. 2.400 DM. 138 So im Bericht über die Baden-­Badener Sitzung des wirtschaftshistorischen Ausschusses der Gesellschaft für Wirtschafts- u. Sozialwissenschaften am 11. 10. 1958 (dazu weiter unten),

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wissenschaftspolitisch einschlägigen Organisationen im In- und Ausland. Dass die 1957 immerhin erwogene Finanzhilfe für das Internationaal Institut voor Sociale Geschiedenis/Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam dann doch unterblieb,139 schloss enge Beziehungen dorthin ebenso wenig aus wie andere Auslandsverbindungen. Teilweise waren sie seit den frühen 50er Jahren schon vorbereitet und Konsequenz eines geradezu komplementären Ineinandergreifens der programmatischen Vorstellungen Conzes von konzeptionell-­methodischen Erfordernissen der Geschichtswissenschaft und seiner eigenen akademischen Karrierebelange. Fast ab ovo und damit lange vor dem Übergang zu ständigen Beitragszahlungen beteiligte man sich beispielsweise an der bereits gestreiften CIHMSS mit ihrem Generalsekretariat in Paris, der Conze sogar als einer ihrer Pioniere galt und als einziges deutsches membre à titre individuel angehörte (bis er Jürgen Kocka 1985 als Nachfolger empfahl).140 Wie nah man sich auch terminologisch stand, hatte Beutin schon Anfang 1957 durch einen demonstrativen Klammerzusatz hinter hier: S. 3 im Anschluss an einen Hinweis von Wolfram Fischer auf die Arbeit des Berliner Friedrich-­Meinecke-­Instituts unter Hans Herzfeld (KP 2, lf. S. 214). – Zur Intervention des AKMS bei Hubert Markl (Präsident der Max-­Planck-­Gesellschaft) zugunsten des bestandsgefährdeten Göttinger MPI für Geschichte: PMV 25.10. 1996 (PR 16a), S. 11. 139 Dazu u. a. TP Okt. 1957, S. 5 (Frage von Nürnberger, ob Mittel zur Sichtung und Auswertung der „außerordentlich umfangreichen und wichtigen“ Institutsbestände bereitgestellt werden könnten; einhellige Meinung, dass wegen der erheblichen Finanzprobleme des Instituts die „Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung, eventuell über Stipendien, ernsthaft geprüft werden sollte“. Conze stand dazu bereits in Kontakt mit Institutsdirektor Prof. Dr. A. J. C. Rüter. – Auf die seit den 60er Jahren dann sehr engen Beziehungen von Conze bzw. Conze-­Schülern zu Amsterdam kann hier nicht eingegangen werden. 140 So („l’un des pionniers“) jedenfalls in einem Brief der Generalsekretärin an Conze, 23. 11. 1959 (KP 1, lf. S. 101). – Neben solchen membres à titre individuel hatte die 1953 durch die „Assemblée constitutive“ in Paris entstandene und 1955 in Rom aufgestockte Commission auch institutionelle Mitglieder, darunter das Internationale Institut für Sozialgeschichte in Amsterdam, das Mailänder Feltrinelli-­Institut u. das Moskauer Institut für Marxismus-­Leninismus; damaliger Kommissionsvorstand (1957/58): Präsident Georges Bourgin, Vizepräsidenten Domenico Demarco und Georges Duveau (Letzterer im Sommer 1958), Generalsekretärin Denise Fauvel-­Rouif (s. lf. S. 104 ff.: ihren Brief an Conze, 6. 8. 1958). – Zu dem hier nur zu streifenden Komplex AKMS/CIHMSS zahlreiche Korrespondenzen im AAKMS, so u. a. in KP 1 sowie KP 6 (lf. S. 245 f., Conze an Fauvel-­Rouif, 24. 4. 1985 betr. Ausscheiden aus dem Präsidium, Vorschlag: Kocka als Nachfolger) u. KP 12 (besonders die Korrespondenz mit Kocka; zur späteren Entwicklung bzw. Nichtentwicklung der CIHMSS: KP 15, lf. S. 430a u. 430b: Tenfelde an Engelhardt, 19. 9. 2002, mit Nachträgen vom 14. u. 20. 1. 2005); vgl. u. a. auch schon Conzes Entwurf Zur Frage eines Instituts […], Nov. 1954 (s. o.) und ­Beutin an Conze, 22. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 14); noch am 3. 12. 1965 bemerkte Conze in einem Brief an Dr. Heinrich Muth, er sei das „einzige deutsche Mitglied“ der CIHMSS (KP 1, lf. S. 36). – Zum Hintergrund auch Dunkhase, Conze, Kap. V.2, bes. S. 139 f.

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dem Namen dieser Einrichtung unterstrichen: „[…] Commission internationale d’histoire des mouve­ments sociaux et des structures sociales (Struktur ..!) […].“ 141 Damals primär in der Vorbereitung auf den Internationalen Historikerkongress in Stockholm (1960) begriffen, veranstaltete die Kommission im März 1958 in Straßburg ein international besetztes Kolloquium über Le Mouvement Ouvrier de 1929 à 1939, de la Grande Dépression à la Guerre Mondiale. Gestützt auf seine Heidelberger Projektgruppe, lieferte Conze einen schriftlichen Beitrag über Le Mouvement Ouvrier en Allemagne de 1929 à 1939, wozu es im Kolloquiumsbericht hieß: „Pour l’Allemagne […] la thèse fut soutenue, thèse qui donna lieu à de vives controverses, que […] la venue de Hitler au pouvoir n’avait été possible que parce que les organisations ouvrières allemandes d’obédience communiste ne s’y étaient pas suffisamment opposées.“ 142 Eine direkte Beziehung unterhielt Conze als Arbeitskreisvorsitzender und Heidel­berger Institutsdirektor auch zu der im Juni 1958 in Paris im Rahmen des Internationalen Historikerverbands konstituierten Kommission für Wirtschaftsgeschichte, worunter die Sozialgeschichte angeblich „unausgesprochen mitverstanden“ wurde.143 Bereits seit dem Vorjahr bei der renommierten Economic History Review (EcHR) als Review Correspondent for Germany zuständig,144 war er von deren Mitherausgeber M. M. Postan (Cambridge) schon im Januar 1958 im Namen einer Gruppe englischer Wirtschaftshistoriker mit „an important but yet confidential matter“ befasst und um deren Vermittlung an deutsche Wirtschaftshistoriker wie Kellenbenz, Aubin, Lütge u. a. m. gebeten worden. Gemeint war der Plan zu einer

141 Brief an Conze, 22. 1. 1957, in dem er u. a. darauf hinwies, dass der Mainzer Kollege ­Martin Göhring in Zusammenarbeit mit der in Rom gegründeten CIHMSS eine deutsch-­ französische Bürgertumstagung plane (dazu unten). 142 So in der noch maschinenschriftlichen Fassung des Berichts (S. 7) von Fauvel-­Rouif, an Conze übersandt mit Brief vom 23. 11. 1959. – Deutscher Teilnehmer außer Conze: Wilmont Haacke (Univ. Münster) und Bruno Seidel (Wilhelmshavener Hochschule für Sozialwissen­ schaft), daneben für die Schweiz Conzes damals Heidelberger Historikerkollege Rudolf v. Albertini (auf Kosten des AKMS). 143 So Conze am 1. 7. 1958 in einem Briefbericht an Lütge, der offenbar wegen eines banalen Missverständnisses beim zuständigen Fernand Braudel keine Einladung erhalten hatte (KP 2, lf. S. 222); Kommissionsbeschluss zu einer Sondertagung vor dem Stockholmer Historikerkongress 1960, Thema u. a. „Die Industrialisierung als Problem der Sozialverfassung und des ökonomischen Wachstums“ (Conze für „einleitendes Hauptreferat“ vorgesehen). 144 EcHR, zuerst (vol. 1 – 18) 1927 – 1948 in London; ebenso die Second Series 1948 ff. (danach Utrecht 1958 ff.). – Conze erstmals bei den Review Correspondents aufgeführt in Sec. Ser., vol. X, No. 1, August 1957; dazu am 18. 1. 1958 seine Mitteilung an Aubin, er habe „neuerdings die deutschen Rezensionen für die EcHR als ‚Editor‘ übernommen“ (KP 1, lf. S. 12); vgl. u. a. auch Conze an Otruba, 14. 10. 1958 (KP 2, lf. S. 610).

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informellen Konferenz bei Gelegenheit des Stockholmer Historikerkongresses 1960. Unter organisatorischer Federführung schwedischer Kollegen um E. Söderlund sollte sie nicht nur fachhistorische ­Themen erörtern, sondern auch die seit 1949 wiederholt ventilierte Frage einer internationalen Assoziation der „economic historians“ oder, wie Conze übersetzte, der Sozial- und Wirtschaftshistoriker (dazu wiederum im Juni 1958 eine von Braudel organisierte Vorkonferenz in Paris, aus der besagte Kommission für Wirtschaftsgeschichte hervorging).145 1962 dann nahm Conze ausdrücklich „im Auftrage des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (in Verbindung mit dessen wort- und begriffsgeschichtlichen Forschungsvorhaben)“ an der Second International Economic History Conference in Aix-­en-­Provence teil, wobei er deren wort- und begriffshistorische Sektion leitete.146 Dass Conze die Kumulation seiner Funktionen schon zu dieser frühen Zeit selbst problematisierte,147 lag jedoch nicht allein daran, dass er so viel wie möglich an außerdeutschen Unternehmungen wie etwa der „neuen internationalen Aktivität“ von Postan und Braudel teilhatte 148 (wobei er übrigens Braudels Angebot zu einem Paris-­Stipendium für einen fortgeschrittenen deutschen Studenten als einen „erfreulichen Beginn näherer Kontakte“ wertete und Braudel im Sommer 1959 zu Vorträgen nach Heidelberg holte 149). Mehr noch erklärt sich seine zwiespältige Einstellung zu seiner Multifunktionalität aus seinen vielfältigen binnendeutschen Engagements. Zu denken ist u. a. an den Ausschuss für Wirtschaftsgeschichte in der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Verein für Socialpolitik).150 145 Auf all dies kann hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. Briefwechsel Postan/Conze in KP 1 (Zitate: Postan an Conze, Jan. 1958, bzw. Conze an Postan, 10. 2. 1958) sowie Conze/Söderlund (der damals nebenbei für die EcHR als Review Correspondent for Scandinavia fungierte). 146 Zitat in der betr. Reisekostenabrechnung vom 12. 9. 1962; vgl. VN 1962 vom 20. 2. 1963, S. 4. – Auf den Kongress (29.8.– 4. 9. 1962) kann hier ebenfalls nicht eingegangen werden. 147 Für die Kommissionsarbeit wünschte er sich eine Beteiligung „vor allem“ von Lütge und Beutin – mit dem Zusatz, er selbst habe „keineswegs die Absicht gehabt, Mitglied noch einer Kommission zu werden“, sei aber bis Stockholm „zunächst einmal mitgefangen, mitgehangen“; danach wolle er „weitersehen“, denn „irgendwie muss man sich ja beschränken bei dem Allzuvielen, was verlangt wird“ (so in besagtem Brief an Lütge, vgl. Brief an Aubin, 18. 1. 1958). 148 Dazu bes. Brief an Lütge, 9. 9. 1958 mit ausdrücklichem Bezug auf Postan u. Braudel (KP 1, lf. S. 216). 149 Dazu Conze an Schieder, 4. 9. 1958 (KP 3, S. 97); betr. Braudels Heidelberg-­Aufenthalt im Juni 1959: Dunkhase, Conze, S. 297, Anm. 182. 150 Dazu (vgl. schon weiter oben) der betr. Briefwechsel mit Lütge (KP 2), der übrigens verschiedene Bezeichnungen benutzte, so u. a. Ausschuss für Wirtschaftsgeschichte im Rahmen des Vereins für Socialpolitik oder kurz: Ausschuss für Wirtschaftsgeschichte des Vereins für Socialpolitik.

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Dieses Fachgremium unter Lütges Leitung war von Beutin im Januar 1957, also nicht lange vor der Gründung des Arbeitskreises, sogar als eventuelle Clearingstelle, wenn nicht Sammelorganisation für die verschiedenen Bemühungen um Annäherung von Geschichtswissenschaft, Ökonomie und Soziologie in Betracht gezogen worden; so jedenfalls seine Überlegung, als er Conze um Beteiligung am Ausschuss und an dessen Forschungsprojekten gebeten und ihn dabei im Vorgriff auf die Heidelberger Institutsgründung als südwestdeutschen Fixpunkt für die Ausschussbestrebungen ausersehen hatte.151 Neben drei weiteren Arbeitskreismitgliedern – Maschke, Treue und bis zu seinem Tod im September 1958 Beutin selbst – gehörte Conze denn auch bald dem Ausschuss an. In dessen Baden-­Badener Sitzung im Oktober 1958 etwa erläuterte er nach Auskunft des Berichts nicht nur die Tätigkeit „seines vom Bundesinnenministerium her angeregten Heidelberger Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte“.152 Vielmehr informierte er dort auch über seine Forschungspläne „sowohl in Verbindung mit dem sozialgeschichtlichen Arbeitskreis wie mit dem Heidelberger Institut“ 153, außerdem über die CIHMSS (Vors. Bourgin) und über die internationale Kommission für Wirtschaftsgeschichte (Vors. Postan). Auf diese Weise also gab es praktisch von Anfang an mehr oder minder enge Verflechtungen mit anderen Einrichtungen und Initiativen in der Bundesrepu­ blik wie im Ausland. So sehr dabei auch wissenschaftspolitische Positionierungsabsichten im Spiel gewesen sein dürften, so maßgeblich waren doch bestimmte wissenschaftliche Zwecke. Besonders deutlich kam dies zum Ausdruck, als Conze 1958 von der Pariser CIHMSS-Generalsekretärin um Anregungen zur damaligen Schwerpunktfrage nach den „caractéristiques fondamentales du mouvement ouvrier de 1929 à 1939 dans les différents pays“ gebeten wurde. Zunächst, so seine Antwort, müsse es darum gehen, die Problemformulierung etwa durch Begrenzung auf die Gewerkschaften als „wichtigste [!] Organisation“ der Arbeiterbewegung „zu konkretisieren und so einzugrenzen, dass eine vergleichende Betrachtung fruchtbar durchgeführt werden kann“. Noch bestehe nämlich die Schwierigkeit, dass die 151 Brief an Conze, 22. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 14: „Verein für Sozialpolitik, jetzt Gesellschaft für Wirtschaftswissenschaften“ habe den „Fachausschuss für Wirtschaftsgeschichte“ nun „wieder aktiviert“, und zwar unter Lütges Leitung und Beutins Mitwirkung; erster Punkt des Schwerpunktprogramms: „Industrie- und Gesellschaftsentwicklung der frühen Industrie“); dazu Conzes Antwort an Beutin, 18. 2. 1957 (lf. S. 17), worin er den organisatorischen Teil von Beutins Überlegungen jedenfalls bis zur ersten Emser Zusammenkunft dezidiert in der Schwebe hielt, also zumindest im Effekt gewissermaßen abblockte. 152 So (S. 2) in dem schon angeführten maschinenschriftlichen Bericht über die Sitzung am 11. 10. 1958 (Durchschlag als Anlage zu Lütges Brief an Conze, 5. 11. 1958); anwesend u. a. Maschke u. Treue sowie die späteren Arbeitskreismitglieder Fischer und Zorn. 153 So, im Hinblick auf Baden-­Baden, Conze an Lütge, 9. 9. 1958 (lf. S. 216); vgl. Sitzungsbericht S. 2 f.

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methodischen Voraussetzungen und Intentionen der betreffenden Forscher teilweise „stark divergieren“ – eine Hürde, bei der er vor allem anderen eins im Auge hatte: die verschiedentlich erfahrene „Ablehnung der Russen, Grundbegriffe, mit denen gearbeitet wird, überhaupt in Frage zu stellen, zu durchdenken und damit eine unerlässliche Voraussetzung für eine historisch-­kritische Arbeit zu schaffen“.154 Was auch hinter dieser gleichsam stillen Abmahnung steckte, das Verlangen nach einer methodologisch reflektierten und übergreifend-­komparativen Sozialhistorie gehörte mit zu den Motiven, die den Arbeitskreis nach seiner ersten, dreiteiligen Tagungsfolge über Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz zu einem neuen Schwerpunktthema bewogen.

1.3 Weltwirtschaftliche Konjunkturwende und neue Wirtschafts- und Machtgruppen seit dem späten 19. Jahrhundert – Thematische Erweiterung und erste Bemühungen um methodologischkonzeptionelle Standortbestimmung (1959 – 61) Als man im April 1959 in freilich kleiner Besetzung wieder in Bad Ems zusammenkam, begann eine zweite Tagungssequenz, nun also mit dem anfänglich relativ allgemein formulierten Oberthema Der ‚Imperialismus‘ in der letzten Phase europäischer Herrschaft über die Erde.155 Das entsprach zwar der Beschlusslage vom Vorjahr, als man noch allgemeiner Das Zeitalter des Imperialismus gesagt und expressis verbis auf eine genauere Eingrenzung vorerst verzichtet hatte. Es war jedoch auch jetzt noch viel zu vage gefasst, um ein hinreichend operationalisierbares Betrachtungsobjekt abzugeben. Aus der Retrospektive der Anschlusstagung monierte Jantke daher ganz ungeschminkt, dass man den Gegenstand „nicht zureichend vorüberlegt“ habe, und auch Conze räumte ein, die Fragestellung sei nicht so klar umrissen wie beim vorangegangenen Vormärz-­Thema.156 Immerhin aber wurde bereits mit der 154 So in seinem Antwortbrief vom 20. 5. 1958 an Fauvel-­Rouif auf deren Anfrage vom 29. 4. 1958 (lf. S. 108 ff.); vgl. Conze an Fauvel-­Rouif, 22. 8. 1958 (lf. S. 103). 155 So laut TP Apr. 1959 (PR 1), S. 1 Conze (in seinem Begrüßungswort an die 8 anwesenden Kollegen und den Gast Werner Betz), wobei er hinzufügte: „[…] mit dem Schwergewicht auf den Epochen um 1895 und 1930“; sinngleich bereits in Ipsen an Conze, 19. 1. 1959 (KP 2, lf. S. 314); Variante in der schon erwähnten, von Stuke formulierten Antwort vom 8. 5. 1959 auf einen Fragebogen des Wissenschaftsrats: „[…] mit dem Schwergewicht auf der Zeit um ‚1895‘ und ‚1930‘“. – Zur Beschlusslage vom Vorjahr: TP Apr. 1958, S. 18. 156 So lt. TP Okt. 1959, S. 2 (Jantke) bzw. S. 5 (in Conzes – inhaltlich nicht mitgeteilter – Tagungseinführung).

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Leitfrage der Frühjahrstagung nach der Bedeutung der weltwirtschaftlichen Konjunkturwende seit den 1890er Jahren deutlich, dass man sich jetzt und künftig sehr viel stärker auch wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten zuwenden wollte. Dass dies vorerst allerdings eher tentativ und improvisierend erfolgte, gestand jedenfalls Predöhl unumwunden ein, wenn er zu Beginn seines Referats über Imperialismus in der neomarxistischen ­Theorie und bei Schumpeter bekannte, er habe sich mit dem Komplex „noch niemals und auch jetzt nicht ganz systematisch beschäftigt“, weshalb er lediglich versuchen könne, „um meine Forschungen über welt-­ wirtschaftliche Dinge irgendwie [!] das Imperialismusproblem zu gruppieren“.157 Worum es bei Imperialismus überhaupt gehen sollte, war allerdings umstritten. Bei den Erörterungen, in deren Verlauf übrigens der Sache nach schon vom ‚langen‘ 19. Jahrhundert die Rede war, trat die Unterschiedlichkeit der Blickrichtungen von Ökonomen und Historikern schnell zutage. Augenscheinlich leicht verwundert erkundigte sich Raupach gar, worin denn die „faszinierende Bedeutung des Wortes“ Imperialismus für die Historiker liege, wo doch das Phänomen an sich „ökonomisch nicht zu fundieren“ sei und insofern die Wirtschaftswissenschaftler relativ wenig angehe –, um dann in seinem eigenen Referat sehr wohl auch die Grenzen einer rein ökonomischen Perspektive zu markieren.158 Dementsprechend bestanden die Historiker bei aller Diversität ihrer Ansatzpunkte übereinstimmend auf der Frage nach den soziopolitischen Effekten des – wie auch immer aufgefassten – Imperialismus einschließlich seiner begriffshistorischen und anthropologischen Dimensionen.159 Gestreift wurde dabei auch der ubiquitäre Gesichtspunkt der Herrschaftsverhältnisse, weshalb Brunner schließlich sogar das Gesamtwerk Max Webers, insbesondere dessen Herrschaftstheorie als ein weiteres potenzielles Tagungsthema anvisierte. Solche Relativierung des Ökonomischen meinte jedoch alles andere als dessen Marginalisierung, geschweige denn Verbannung. Im Gegenteil: Hatte man 157 So, mit Bezug auf sein Buch Außenwirtschaft (1949, 21971), laut TP Apr. 1959, S. 1; dort, S. 1 – 8, wörtliche, aber nicht vollständige Wiedergabe seines Beitrags, in dem er nur vom „wirtschaftlichen Imperialismus“ (S. 3) handelte, speziell davon, ob der „Kampf der Staaten um wirtschaftliche Märkte – zumal in den unterentwickelten Ländern – als Imperialismus“ bezeichnet werden könne (S. 7); vgl. seinen Brief an Conze, 18. 2. 1959 (KP 3, S. 37 f.). 158 TP, S. 10, vgl. Wortlaut seines eigenen Referats (S. 10 – 15) und seines Schlussworts (S. 15 – 17). 159 Dazu die Diskussionen über die Referate von Predöhl und Raupach; zudem den längeren, stark begriffshistorischen Beitrag von Conze (S. 17 – 19) u. die ebenfalls längeren, bes. auf sozialstrukturelle Veränderungen bezogenen Ausführungen von Nürnberger (S. 19 – 22). – Im Vorläufigen Wirtschaftsplan für 1962 vom 8. 4. 1961 lautete das Thema dann ganz allgemein: „Voraussetzungen und Erscheinungsformen des ‚Imperialismus‘ vor dem 1. Weltkrieg“ (S. 10). – Zu Brunners Hinweis auf Max Weber: TP, S. 26; demnach hat man für eine der nächsten Tagungen ein Referat von Wolfgang Mommsen über Weber ins Auge gefasst.

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sich schon im Kontext von Staat und Gesellschaft und am Beispiel des Lohnpro­ blems eigentlich auch mit „empirisch-­wirtschaftsgeschichtlichen und soziologisch-­ theoretischen Methodenfragen“ befassen wollen,160 sollte es künftig nicht nur weiter im Blick bleiben, sondern noch eingehender behandelt werden, wenngleich in präzisierter und konkretisierter Weise. Dazu regte Ipsen an, ein geeigne­tes Instrumentarium auszubilden, und zwar anhand einer systematischen Aufarbeitung der Kartell- und Konzerngeschichte seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Da Maschke auf ­diesem Feld bereits tätig war, projektierte man zuvörderst eine letztlich auf internationalen Vergleich zielende deutsche Kartellgeschichte, dies aber auf Weipperts Betreiben lediglich als ersten Schritt und als Teil einer Untersuchung generell von Verbandsbildungen und deren Folgen seit dem Ausklang des klassischen Liberalismus im späten 19. Jahrhundert. Was daran im Kern interessierte, war nach Raupach die „Vermachtung der Wirtschaft“, und dies eben nicht allein durch Kartellbildung, sondern über die Unternehmerseite hinaus auch durch Ausformung von „Gegenmächten“ wie Gewerkschaften und Genossenschaften „bis in den Verteilungs- und Handelsapparat usw.“ Die somit auf das eigene Programm angewandte Überzeugung von der Notwendigkeit einer Intensivierung wirtschaftsgeschichtlicher Forschung begründete sich freilich nicht allein mit Zuwachs und Erweiterung von Sachkenntnis, sondern hatte überdies eine unverhohlene Nebenabsicht: Wirtschaftshistorie, so laut Protokoll die scheinbar einhellige Auffassung, diene „auch zum Zwecke der ‚Kontrolle‘ der wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, die noch immer in der Gefahr s­ eien, historische Vorgänge zu schnell zu generalisieren“. Beschlussgemäß wurde der zuvor ja noch nicht eingegrenzte Schwerpunktkomplex Imperialismus in seinen ökonomischen Erscheinungsformen und Konsequenzen also für die Emser Anschlusstagung im Oktober 1959 erst einmal reduziert auf einen Teilaspekt: eben die Kartellbildung als ein „Anwendungsbeispiel der größeren Frage der Verbands- und Organisationsbildung im Kristallisationsprozess der modernen Gesellschaft“.161 Dazu hielt Maschke denn auch den Hauptvortrag mit dem Titel Unternehmenszusammenschlüsse in der deutschen Wirtschaft im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, während Raupach in einer Art Korrereferat einige „allgemeine Erwägungen“ zur „Untersuchung der Bedeutung ökonomisch-­politischer Verbandsmacht überhaupt“ beisteuerte.162 Die vorher geführte Aussprache über die „nähere Bestimmung des Generalthemas ‚Imperialismus‘“ 163 ist inhaltlich nicht überliefert. 160 Lt. TP Apr. 1958, S. 18. – Das Folgende nach TP Apr. 1959, S. 23 ff. 161 So Conze erläuternd an Weippert, 6. 12. 1959 (KP 3, S. 258). 162 Dazu TP Okt. 1959, S. 6 – 29 (Text plus Grafiken des Maschke-­Referats) bzw. S. 30 – 40 (Wortlaut des Raupach-­Beitrags) sowie S. 40 ff. (Diskussion). 163 So lt. S. 3 in der Abendsitzung am 21.10., von der lediglich mitgeteilt ist, dass außer den schon ins Auge gefassten Teilthemen noch zwei weitere als „wünschenswert“ bezeichnet

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Sie zog aber die Entscheidung nach sich, auf den Herbst 1960 zu verschieben, was eigentlich schon im Frühjahr erfolgen sollte: die Fortsetzung der direkten „Behandlung der ‚Imperialisten‘, ausgehend von der Weltkriegssituation als Schlüsselfigur und in Verbindung mit einer vergleichenden Typologie der Personen und Institutionen“.164 Stattdessen wollte man im Frühjahr die „öffentlich-­rechtliche und die soziologisch-­politische Seite bzw. Infrastruktur“ der historischen Verbandsbildung erst noch etwas genauer beleuchten. Wie improvisiert man dabei im Grunde noch verfuhr, erhellt auch aus der Annahme, die Verbindung zu den Ergebnissen der beiden vorangegangenen Tagungen in der Weise herstellen zu können, dass die 1890er Jahre „als Brücke dienen und der Frage nachgegangen wird, welcher Zusammenhang sich ­zwischen den einzelnen Phänomenen aufzeigen lässt und warum sie gleichzeitig sind“. Allemal beendet war die Tagungsbeschäftigung mit Kartellgeschichte im engeren Sinne, die vorerst eins von Maschkes wirtschaftshistorischen Spezialgebieten blieb.165 Vom Arbeitskreis, dem laut Conze die Verbindung solcher Einzelforschung mit den „systematischen Fragestellungen und Kategorien“ der Wirtschaftswissenschaft, der Soziologie und „nicht zuletzt“ des Öffentlichen Rechts als vordringlich erschien, wurde d ­ ieses Gebiet unbeschadet finanzieller Unterstützung ohnehin „ja nur als ein Teil des allgemeinen Problems der Organisations- und Institutionsformen der in der Bildung begriffenen modernen Gesellschaft des 19. und 20. Jahrhunderts“ aufgefasst.166 Bei der vorläufig letzten Tagungsfolge unter dem – wie Raupach sagte – „Arbeitstitel ‚Imperialismus‘“ widmete man sich im April 1960 in wurden: 1) Das liberale Bürgertum in England und Deutschland „als spezielles Thema zur allgemeinen Frage der Träger des Imperialismus“ (vorgesehener Referent: Dr. Wolfgang Mommsen); 2) Der ‚Spätimperialismus‘ (Großraumtheorien und Großbereichsbildungen nach der Aufteilung der Erde); Mommsen-­Referat dann aber „vorläufig zurückgestellt“, um die April-­Tagung „nicht zu überfordern“ (S. 44). 164 TP Apr. 1959, S. 26 bzw. TP Okt. 1959, S. 44 (dazu entsprechende Referate von Nürnberger u. Th. Schieder vorgesehen). 165 Statt der geplanten Gesamtdarstellung erschienen allerdings nur Maschkes Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, Dortmund 1964. 166 Conze an Krüger, 6. 12. 1959 (KP 2, lf. S. 542), mit Vorschlägen zu dem von Krüger erbetenen Beitrag zur nächsten Tagung, der „selbstverständlich […] weniger ein historischer als ein systematisch-­rechtssoziologischer“ sein solle). – Seit Sommer 1959 Finanzierung von Hilfskräften für das große Projekt einer „umfassenden Darstellung“ der deutschen Kartellgeschichte von 1868/70 – 1914, wobei Maschke ausdrücklich im Unterschied zur Nationalökonomie nicht auf die „wirtschaftlichen Funktionen“ der Kartelle abhob, sondern auf die „wirtschaftlichen Verhaltensweisen der Unternehmer“ als „wichtigste Voraussetzung für die Kartellierung“ (VWN 1960 vom 24. 2. 1961, S. 7 ff., hier: S. 9); dazu u. a. TP Okt. 1960, S. 29, TP Apr. 1961, S. 25, besonders TP Okt. 1961, S. 45 u. 47, s. auch die weiteren VWNe (mit detaillierten Angaben) sowie Überblick 1957 – 1969, S. 5. – Im Folgenden zit. Raupach-­ Formulierung: TP Okt. 1959, S. 31.

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­ iesbaden vor allem der rechtlichen bzw. soziologischen Seite der Verbandsbildung. W Dem dazu von Weippert gelieferten, noch im selben Jahr veröffentlichten Beitrag über die wirtschaftstheoretische und -politische Bedeutung der Kartelldebatte auf der Mannheimer Tagung des Vereins für Sozialpolitik 1905, wegen Verhinderung des Verfassers „in sinngemäßer Kürzung und mit eigenen Ergänzungen“ vorgetragen von Ipsen, folgte ein Referat von Krüger aus staats- und verfassungsrechtlicher Sicht. Beides wurde gleichsam flankiert durch ein Korreferat des als Gast (neben Wolfgang Mommsen) hinzugezogenen Habilitanden Thomas Nipperdey, der die Beiträge seiner Vorredner um einen Aufriss über die Verbände und deren Beziehungen zu den politischen Parteien im Kaiserreich ergänzen sollte, und zwar „als Historiker“.167 Mochte diese Aufgabenstellung an sich bloß zum Ausdruck bringen wollen, dass außer den mehr theoretisch angelegten Vorträgen „auch der konkret-­ historische Beitrag nicht fehlen“ werde 168 – selbst darin spiegelt sich abermals, dass noch eine gewisse Fremdheit ­zwischen Historikern und Sozial- bzw. Wirtschaftswissenschaftlern und nun auch Juristen bestand. So sprach Krüger denn auch weniger über die öffentlich-­rechtlichen Aspekte der Verbandsbildung als vielmehr über die fast legitimatorisch anmutende Frage, was Juristen zu einem sozialhistorisch tätigen Arbeitskreis überhaupt beitragen könnten. Dazu unternahm er den Versuch, am Beispiel von öffentliches/privates Recht bzw. Allgemeinheit bzw. Pluralismus die vorhandenen Kategorien zur Ermittlung gesellschaftlicher Realität von staatsrechtlicher Warte „herauszuarbeiten, zu kritisieren und etwa eine Andeutung zu machen, wie unser Kategorienbestand aufgearbeitet werden müsste, damit wir wenigstens, guten Willen vorausgesetzt, in der Lage sind, auch d ­ iesem guten Willen den sauberen theoretischen Ausdruck zu verleihen“. Mit solcher Option für den „Rückschluss von der Norm auf die Wirklichkeit“ als ein „nützliches und mir natürlich besonders naheliegendes Erkenntnismittel“ verwies auch er auf die fundamentale Methodenproblematik, die sich nachgerade so häufig und massiv gestellt 167 So lt. TP Okt. 1959, S. 44. – Im TP Apr. 1960 zum Referat Krüger zwar keine genaue Themaformulierung, wohl aber vollständige Textwiedergabe (S. 34 – 45, S. 37 die zit. Passage) wie dann auch im Fall Nipperdey (S. 47 – 62) und zuvor schon bei den Ausführungen von Weippert/Ipsen (S. 1 – 34) über die Frage, ob die Debatte von 1905 zur „theoretischen Bewältigung des Kartellproblems beizutragen vermochte“ und inwieweit den dabei „zu Tage getretenen wirtschaftspolitischen Standpunkten auch heute noch Relevanz zukommt […]“ (S. 1 f.); zur Vertretung Weipperts durch Ipsen vgl. u. a. Conze an Ipsen, 7. 1. 1960 (KP 2, lf. S. 321) und Conze an Jantke, 8. 1. 1960 bzw. Jantke an Conze, 30. 1. 1960 (lf. S. 385 u. 386); zur Teilnahme von Wolfgang Mommsen dessen Dankesbrief an Conze, 21. 3. 1960 (lf. S. 592); zur Publikation des Weippert-­Beitrags im Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. XI, 1960, S. 125 – 183 vgl. TP Okt. 1960, S. 1. 168 So Conze an Krüger, 6. 12. 1959 (lf. S. 538); Zitat „Erkenntnismittel“: so Krüger an Conze, 1. 1. 1960 (lf. S. 543).

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hatte, dass es sich förmlich aufdrängte, beim nächsten Mal mehr als nebenher, also eigens darauf einzugehen.169 Der Hauptklärungsbedarf bestand allerdings weniger hinsichtlich der Rechtswissenschaft als bezüglich der Nationalökonomie. Bei ihr war für Beutin zwar schon Anfang 1957 eine „merkliche Aufweichung des Widerstandes gegen den Historismus“ festzustellen gewesen.170 Gleichwohl blieb vorerst – streng genommen, sogar permanent – besonders heikel, was Raupach im Herbst 1959 die „Diskussion ­zwischen Ökonomik und Historik“ genannt hatte, als er die Differenz- wie die Berührungslinie ­zwischen Wirtschafts- und Geschichtswissenschaft markierte.171 Bei der hier wie dort noch weitverbreiteten und tiefsitzenden Vorstellung, es sei „die [!] Aufgabe und der Ehrgeiz der Historiker, individuell vorzugehen“ und deshalb höchstens „mikroökonomisch [zu] denken“, kam „ökonomische Schützenhilfe“ bei der Untersuchung sozialgeschichtlicher Fragen insofern a priori nur bedingt in Betracht. Zugleich aber ließ sich jedenfalls für Raupach eine „interessante Befruchtung der beiderseitigen Positionen“ und womöglich gar eine Verpflichtung zur Kooperation nicht ausschließen, denn die Ökonomen ­seien „ziemlich übereinstimmend stolz darauf, dass sie werturteilsfrei zu denken verstehen, während die Historie eine ‚engagierte‘ Wissenschaft ist“. Die damit angesprochene Chance zu wechselseitiger Perspektivkontrolle hatte auch Ipsen im Auge, wenn er für nötig befand, durch Zusammenarbeit von Historikern und Sozialwissenschaftlern den „mikro-­ökonomischen Aspekt des Historikers (der stets eine gewisse moralische Entrüstung einschließe) zu überhöhen“ und gerade auch ökonomische Phänomene „vorurteilslos in den Blick zu nehmen“. Ähnlich argumentierte Maschke, als er gestand, dass selbst seine kartellgeschichtlichen Studien sehr stark bestimmt ­seien durch „Opposition“ gegen die wirtschaftswissenschaftliche und zum Teil auch juristische Literatur mit ihren weithin völlig ahistorischen Sichtweisen: So sehr er wünsche, dass „wir in diesen Dingen auch gegeneinander ganz konsequent sind“, so sehr müsse es doch um „gemeinsame Ergebnisse“ gehen – ein Anliegen, das über das momentan behandelte Thema weit hinausreiche und „in unsere gegenwärtige Wissenschaftssituation überhaupt in einer grundlegenden Weise eingreift“. 169 Dazu TP Apr. 1960, S. 64 f. über die ‚Aufträge‘ an Th. Schieder und Jantke zu entsprechenden Referaten auf der nächsten Tagung. 170 Brief an Conze, 22. 1. 1957 (lf. S. 16) mit Berufung u. a. auf die „meisten der jetzt gelesenen Wirtschaftsgeschichten“ wie die von Brinkmann, Lütge und Bechtel („Hausherr ist die Ausnahme“). 171 TP Okt. 1959, S. 30; zum Folgenden das Raupach-­Referat, besonders S. 32 ff. (Zitate: S. 33 bzw. 37), bzw. die Diskussionsbeiträge speziell von Ipsen (Zitat: S. 43) und abschließend Maschke (Zitate: S. 45 und 47).

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Damit war die Methodendebatte des Arbeitskreises in einen übergreifenden Horizont gerückt, aber natürlich nicht beendet, geschweige denn ausgereizt worden. Deshalb kam sie nun eben in aller Form auf die Tagesordnung, als man sich im Herbst 1960 zur achten Zusammenkunft traf, diesmal in dem völlig abseits und daher ruhig gelegenen Schwarzwaldort Tonbach bei Baiersbronn nördlich von Freudenstadt.172 Dort wurde das Verhältnis von Geschichts- und Wirtschaftswissenschaft allerdings erst für die Anschlusstagung zu einem expliziten Thema gemacht, auf Betreiben von Maschke und Predöhl speziell mit Bezug auf die ebenfalls als problemhaltig angesehene Beziehung ­zwischen Nationalökonomie und Wirtschaftsgeschichte. Zuvor und veranlasst durch Nipperdeys Referat vom Frühjahr, ging es generell um die „mit der modernen Sozialgeschichte gestellten wissenschaftstheoretischen und Methodenfragen“ 173 – für Conze „in gewissem Sinne“ eine Anknüpfung an die Thematik der Gründungstagung (bei der solchen Überlegungen jedoch kaum mehr als annäherungsweise und dilatorisch nachgegangen worden war). Unter der anspruchsvollen Überschrift Grundfragen der neueren deutschen Geschichte. Zum Problem der historischen Urteilsbildung 174 präsentierte Theodor Schieder dazu erst einmal weit ausholende und ungemein facettenreiche Betrachtungen über Möglichkeiten des Geschichtsdenkens nach dem Zweiten Weltkrieg. Als s. E. „gerade für einen sozialhistorisch interessierten Kreis von besonderem Interesse“ enthielten sie nicht zuletzt die Frage nach der Bedeutung zumal der Industriellen Revolution für den „Lauf der Geschichte“, wobei er übrigens auch die Chance zu einem Standort sehen wollte, von dem aus der Historische Materialismus mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden könne. Für den methodologischen Selbstvergewisserungsbedarf des ­Arbeitskreises zunächst geeigneter als diese stark geschichtsphilosophisch durchsetzte tour ­d’horizon erschienen freilich Jantkes Bemerkungen zu den Wechselbeziehungen von Soziologie und Sozialgeschichte.175 Nach eigenem Bekunden weniger auf allgemeine 172 Laut Beschluss von Wiesbaden nächste Tagung „möglichst an einem verkehrsmäßig ruhigen Ort in Süddeutschland“ (TP Apr. 1960, S. 65). 173 So lt. TP Okt. 1960, S. 1 Conze in seinen Eröffnungsbemerkungen; dort auch Bezugnahme auf das Nipperdey-­Referat (in der späteren Diskussion dann auch scharfe Kritik von Nürnberger an der „soziologistischen und einseitig politologischen Darstellungs- und Argumentationsweise“ Nipperdeys); vgl. S. 26 betr. Verhältnis von Wirtschaftshistorie und Nationalökonomie als Thema der nächsten Tagung. 174 S. 1 – 12 der komplette Text mit Hinweis auf bevorstehende Veröffentlichung in HZ 192, 1961 (Zitate: S. 2 f., s. auch S. 11); vgl. Schieder an Stuke, 20. 1. 1961 (KP 3, lf. S. 108). 175 S. 16 – 24 fast vollständiger Wortlaut (danach die folgenden Zitate); zu der von Jantke überprüften und redigierten Tonbandabschrift vgl. Briefwechsel ­zwischen Jantke und Stuke vom 31.10., 3.11 u. 14. 11. 1961 (KP 2, lf. S. 388 ff.); zu Jantkes nachträglicher Kommentierung/ Relativierung seiner Ausführungen: Brief an Conze, 10. 5. 1961 (lf. S. 394 f.).

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wissenschaftstheoretische Überlegungen, sondern gezielt auf das 19. Jahrhundert als Forschungsgegenstand von Soziologie und Sozialgeschichte bedacht, bezog er sich dabei fast nostalgisch auf ein in seinen Augen praktisch unwiederbringliches Stück Wissenschaftsgeschichte: Während Carl Brinkmann noch Ende der 20er Jahre das „kühne Wort“ gesprochen habe, dass die historisch-­politisch ausgerichteten Nationalökonomen „gerade als Sozial- und Wirtschaftshistoriker auch der eigenen Zeit“ eine zentrale Stellung bei der „ganzen geisteswissenschaftlichen Erkenntnis und Überlieferung“ innehätten, gehörten die daraus hervorgegangenen Forschungsleistungen vermutlich endgültig der Vergangenheit an. Gleiches gelte anscheinend für die verschiedenen Strömungen einer gegenwartsverpflichteten historischen Soziologie, und das Verhältnis der heutigen empirisch-­soziologischen Forschung zur Geschichte sei gekennzeichnet durch einen „ziemlich leichtfertigen und unbedenklichen Umgang mit historischen Strukturbegriffen“. Mithin hätten sich die wissenschaftlichen Fronten im Verlauf von etwa einem Menschenalter so sehr verschoben, dass es nachgerade „ganz offensichtlich die [!] Historiker sind, die inzwischen die Erbschaft der in Deutschland kaum mehr auffindbaren Geschichtssoziologen, aber auch der historisch orientierten Sozialkritiker und nicht zuletzt jenes Forschungszweiges angetreten haben, den man früher wohl als die ökonomisch-‚theoretisch‘ orientierte Sozial- und Wirtschaftsgeschichtsforschung bezeichnete“. So unverhohlen Jantke die für ihn mehrheitlich allzu enthistorisierte Nachkriegssoziologie hier wieder kritisierte und insofern dann auch die angloamerikanische Social History wegen der in seinen Augen schon begriffsinhärenten Vereinfachungs- und Nivellierungstendenz mit Skepsis betrachtete, wollte er ausdrücklich doch nicht von Methodenstreit sprechen. Weniger gravierend als das Trennende fand er nämlich das Verbindende der „gegenständlichen Koinzidenz und der wechselseitigen methodologischen Anlehnung von Sozialgeschichte und historischer Soziologie“. Gleichwohl oder gerade deshalb hielt er es für durchaus denkbar, dass die Geschichtswissenschaft sich über kurz oder lang erneut „zu weitgehend generalisierender Erkenntnis- und Deutungsansprüche“ zu erwehren habe. Von daher trat er dafür ein, auf der Grundlage konkreter Fallbeispiele über Sinn und Grenzen typologischer Verfahrensweisen zu diskutieren. Damit sollte bis in universitäre Seminarveranstaltungen eine Problematik erörtert werden, die sich mittlerweile ja auch an so „bedeutenden abgeschlossenen wissenschaftlichen Leistungen“ wie denen von Max Weber bzw. Otto Hintze demonstrieren lasse und für die er allerdings bei den Ökonomen stets ein größeres Interesse finde als bei den Historikern. Im Zuge einer „kritischen Selbstreflexion“ der Sozialhistorie müsse vor allem geprüft werden, mit welcher Einstellung und mit ­welchen Kategorien die derzeit „weithin maßgebende“ Richtung sich dem 19. Jahrhundert sachlich wie prozedural widmete bzw. noch widme.

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Damit ging Jantke nun sozusagen ans Eigemachte: Zwar enthalte die seit dem 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der normativen „Disjunktion“ von Staat und Gesellschaft entstandene Terminologie in der Tat gewisse Unzulänglichkeiten für die Untersuchung der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, wie zumal vom leider abwesenden Kollegen Brunner herausgestellt. Andererseits vermöge Brunners Begriff von Sozialgeschichte mit seiner grundlegenden Fixierung auf die Strukturen der vormodernen Welt die sozialhistorischen Spezifika des 19. Jahrhunderts nicht voll zu erfassen. Keinesfalls dürfe man unterschätzen, was die Sozialhistorie dem 19. Jahrhundert verdanke. Sei damals doch gerade in Auseinandersetzung mit einseitig ökonomischem Denken erstmals die „starke Verflochtenheit des für jede Art und Auffassung von Sozialgeschichte konstitutiven Zusammenhangs wirtschaft­ licher und ‚außerwirtschaftlicher‘ Tatbestände“ bewusst gemacht worden. Diese Einsicht drohe jetzt verloren zu gehen „unter dem Andrang bestimmter Vorstellungen über den Ablauf großer revolutionärer und emanzipatorischer Gesamtprozesse“, deren allgemeingeschichtliche Bedeutung außer Zweifel stehe, angesichts derer aber gefragt werden müsse, „wie weit wir eigentlich noch Raum und Verständnis zur Erfassung der bleibenden sozialgeschichtlichen Eigenständigkeiten und Besonderheiten des 19. Jahrhunderts behalten“. So gebe es beispielsweise noch immer keine oder lediglich unzureichende Sozialgeschichten der Lehrberufe oder des ärztlichen Metiers, so dass die seines Erachtens berufshistorisch höchst interessanten Möglichkeiten zur Erforschung neuartiger gesellschaftlicher Autoritäten noch ungenutzt ­seien. Dies liege in erster Linie daran, dass man heutzutage mehr denn je die „sog. Emanzipationsprozesse einer autonom gewordenen Wirtschafts- und Industriegesellschaft als den eigentlichen und bleibenden Inhalt der sozialen Wandlungen“ des 19. Jahrhunderts ansehe und dabei offenbar zu der Auffassung neige, dass die „nachhegelische soziologische Interpretation dieser Prozesse mit ihren revolutionären Abfolgen und ihrer dialektischen Bewegung gleichlaufend mit der Erforschung der Entwicklungsgeschichte der kapitalistischen und marktwirtschaftlichen Strukturen eine generelle begriffliche Ein- und Zuordnung ergeben hat, eine Zuordnung, die sich auch der Historiker weitgehend eben zu eigen machen müsse“. Insofern s­ eien die mit der Erforschung des 19. Jahrhunderts befassten Sozialhistoriker „erstaunlich abhängig“ von dem, was er ohne personelle Spezifizierung als die deutsche Soziologie der 1840er Jahre bezeichnete. Mit ­diesem bemerkenswerten Vorbehalt kam Jantke dann vollends zu „unserer Gegenwartslage“: Auch sie nämlich, so lasse sich überdies und unabhängig vom bisher Gesagten feststellen, begünstige in besonderem Maße eine Betrachtungsweise, die stärker als je zuvor „im Banne einer soziologisch vorgedachten Entwicklungsgesetzlichkeit“ stehe. In solcher Perspektive erscheine das 19. Jahrhundert „mit einer oft erstaunlichen Selbstverständlichkeit als eine Art Vor- oder Durchgangsstufe zur vollentwickelten Industriegesellschaft mit ihren sog. S­ uperstrukturen, ihrem

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‚reduzierten Menschen‘, ihrem ‚sekundären System‘“ – für Jantke nur einige der „gängigsten Formeln“, die die Historie von der Soziologie übernommen habe. Wie unter den gegebenen Umständen auch kaum zu vermeiden, zeige das „Vokabular des Historikers“ deutliche Spuren einer zumal vom Neopositivismus beeinflussten und ursprünglich vor allem in den Naturwissenschaften bewährten Soziologie. Davon geprägte Allgemeinbegriffe wie Entwicklungsgesetze, Funktion, Integra­ tion, Interdependenz u. Ä. m. bedenkenlos zu akzeptieren, werde vornehmlich bei jüngeren Historikern „leicht eine Quelle wissenschaftslogischer Irrtümer und Missverständnisse“, führe zur Beeinträchtigung einer „gegenstandsnahen Begriffsbildung“ und damit „möglicherweise zu einer Schwächung des geschichtlichen Verständnisses überhaupt“. Dass in der geschichtswissenschaftlichen Forschung und Lehre überwiegend kein Sinn für kritische Auseinandersetzung mit ­diesem Kategoriensystem geweckt werde, halte er für „verhängnisvoll“, weil dadurch dem „Eindringen politisch-­ideologischer Interpretationstendenzen“ potenziell Vorschub geleistet werde. Ging Jantke insoweit kaum hinaus über den Rahmen dessen, was er bei der Gründungsversammlung angerissen hatte, so begab er sich bei seinen weiteren Ausführungen mit „freundschaftlicher Provokation“ in eine gewisse Distanz auch zu Conzes programmatischen Thesen zur Strukturgeschichte des technisch-­industriellen Zeitalters: Dort trete das 19. Jahrhundert im Wesentlichen bloß als Durchgangsstufe zur Gegenwart ins Blickfeld des Historikers, wobei es nur als natürlich erscheine, dass mit solchem „spezifischen Bezug der Strukturgeschichte (qua Sozialgeschichte)“ auch das begriffliche Instrumentarium und damit zugleich bestimmte inhalt­liche Implikationen der Soziologie übernommen würden. Bei dieser Annahme war er sich ausdrücklich nicht sicher, ob Conze den gleichen skeptischen Abstand zu besagten Allgemeinbegriffen mit ihrem Absolutheitsanspruch wahre und in deren kritischer Überprüfung und Relativierung ebenfalls einen zwar „bescheidenen“, aber mög­ lichen Beitrag der Historie zur Abwehr der beschworenen Gefahren e­ rblicke. „Die Destruktion der soziologistischen Vorstellung von unausweichlichen Zwangsgesetzlichkeiten eben durch differenzierte historische Forschung“, so Jantkes Postulat, „scheint mir den Raum der Freiheit zu eröffnen oder vielmehr: das verschüttete Bewusstsein von einer dennoch und immer bestehenden Freiheit in unserer modernen Gesellschaft zu vergrößern. Gerade eine detaillierte, eine sachzugewandte, realistische Geschichtsforschung vermag so als ein Erbeswalter des humanistischen Idealismus aufzutreten, dem die Geschichte in ihrer Entwicklung als wissenschaftliche Disziplin so viel zu danken hat.“ Wenn Jantke nach ­diesem auffällig pathetischen Appell noch zur Diskussion stellte, ob Conze und Brunner sich bei ihren Vorstellungen von Struktur- bzw. Sozialgeschichte wirklich in jeder Hinsicht voll aufeinander berufen könnten; wenn er scharfsinnig herausarbeitete, was die beiden Konzepte „genetisch wie auch logisch-­

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methodologisch“ jeweils zur Voraussetzung hatten; wenn er dabei nur Conzes Entwurf auch die Qualität einer „Art Integrationswissenschaft“ zubilligte, weil ihm die für Sozialwissenschaftler „vertraute Einsicht in die generelle ‚Interdependenz‘ […] der Sphären von Politik, Wirtschaft usw. in unserer modernen Lebenswelt“ zugrunde liege; wenn er schließlich meinte, dass die Brunner’sche Sozialgeschichte einerseits und die Conze’sche Strukturgeschichte andererseits von ihrem jeweiligen „kategorialen Ansatz“ her die Eigentümlichkeiten des 19. Jahrhunderts nicht mehr bzw. noch nicht mit der gebotenen Differenziertheit erfassen könnten – dann bot er mit alledem wohl bedenkenswerte Argumente, bewegte sich aber letztlich ganz auf der Linie jener methodologischen Unschärfe, die per saldo dann auch die nachfolgende Debatte kennzeichnete. Deren allgemein geteilte Quintessenz lautete nämlich ebenso schlicht wie einfach, dass z­ wischen Historie und Soziologie „zwar kein prinzipieller Gegensatz besteht, aber bei der Erforschung der Vergangenheit doch in dem Maße gewichtige Unterschiede auftreten können, als es dem Historiker um das Verständnis geschichtlicher Erscheinungen, dem Soziologen um das statistische Erfassen von Tatsachen geht“. Dieses konventionelle Klischee nach Art eines kleinsten gemeinsamen Nenners ließ genaugenommen alles in der Schwebe und lag merklich unter dem Niveau vorhergegangener Einlassungen. Immerhin hatte es in der Diskussion Ansätze zur Präzisierung gegeben. Dass Conze als direkt Angesprochener einräumte, gleich Nipperdey habe er selber in der Gefahr einer mehr oder weniger unkritischen Übernahme soziologischer Begrifflichkeit gestanden, entsprach freilich dem gemeinsamen Nenner ebenso wie seine Mahnung, dass jede Verwendung solcher Termini ausschließlich nach den Grundsätzen der historischen Methode erfolgen dürfe, d. h. im Abgleich mit Begriffen und Selbstverständnis der jeweiligen Zeit. Auch diente sein Hinweis, dass die Geschichtswissenschaft ihre Begriffe natürlich nicht allein den Quellen entnehmen könne, nur der Forderung, über die Ermittlung von je zeitgenössischen Sicht- und Ausdruckweisen hinaus immer auch „die ‚Sache selbst‘ aufzusuchen“, also zu prüfen, ob die zeitgenössischen Begriffe und Vorstellungen „die Sache treffen und die Realität richtig wiedergeben“ – für Conze „wesentlich eine Frage der Interpretation, bei der sich der Historiker der Sprache seiner Zeit bediene und bedienen müsse“.176 Die damit allenfalls indirekt aufscheinende erkenntnistheoretisch-wissenschaftslogische Dimension der anstehenden Fragen wurde in der Hauptsache offenbar 176 Zu der aus Zeitgründen relativ ­kurzen Diskussion: S. 24 – 26 (trotz weniger Anführungszeichen wohl überwiegend wörtliche Wiedergabe); betr. Conzes Beitrag: dabei Bezug auf seinen Aufsatz Vom ‚Pöbel‘ zum ‚Proletariat‘ (1954) bzw., hinsichtl. mehr oder minder unkritischer Übernahme soziologischer Termini, Bezug auf seine Rede/Publikation Strukturgeschichte (1956/57).

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nur von Schieder thematisiert. Nicht bloß gab er gegen Jantke zu bedenken, dass der Kreis von Historikern unter „negativem oder positivem [!] Einfluss soziologischer Denkformen“ ohnehin nicht mehr als klein sei, während sich „unkritische Bindung an alte Sehweisen“ weit häufiger finde. Vielmehr begegnete er der Forderung nach grundsätzlicher Benutzung sog. quellennaher Begriffe mit betonter Skepsis. Auch die Geschichtswissenschaft könne – und zwar keineswegs nur für die neuere Geschichte – auf typologische Kategorien durchaus nicht verzichten, wenngleich die „relative Allgemeinheit historischer Begriffe“ festgelegt werden müsse (dazu Hinweis auf Rankes „methodisch äußerst wichtigen“ Begriff der vorherrschenden Tendenzen). Dass Schieder dabei Jantke in der Weise entgegenkam, dass er dessen Verlangen nach Beachtung der „in allem Wandel relativ dauerhaften Geschichtsgebilde“ unterstützte, widersprach ausdrücklich nicht der Conze-­ Forderung nach primärem Augenmerk auf „die Bewegung, die Veränderung“: Für das 19. Jahrhundert spezifisch, so Conze, sei eben der „Prozess der Emanzipation und der Organisation“, und für die Erfassung von langer Dauer im Sinne Braudels müsse sich der Historiker ohnehin die Voraussetzungen erst noch erarbeiten. Im Übrigen finde er Jantkes Identifizierung des Historischen mit dem Individuellen wohl überzogen, seine Kritik am „unhistorischen Charakter“ der neopositivistisch-­ soziologischen Allgemeinbegriffe aber berechtigt. Indessen dürfe nicht übersehen werden, dass sich selbst hinter so abstrakten Termini wie sekundäres System (Hans Freyer) „außerordentlich viel Historisches“ verberge. Für falsch halte er deshalb Max Webers Ansicht, dass ein Begriff umso unhistorischer sei, je allgemeiner und abstrakter er gefasst werde. Ein grundsätzliches Problem entstehe jedoch insofern, als sich bei Übernahme soziologischer Begriffe/Kategorien durch eine Nachbardisziplin der Stellenwert im System einer Wissenschaft verändere. Derartige Überlegungen berührten sich gewiss eng mit der von Schieder aufgeworfenen Kernfrage. Dass diese auch mit der fast spitzen Weippert-­Bemerkung von der Unhaltbarkeit der „Gleichung historisch = individuell“ kurz nochmal aufgegriffen wurde, verhinderte jedoch nicht, dass es insgesamt bei der von Jantke schließlich gewählten Offenhaltungsformel vom „Komplementärverhältnis von Geschichte und Soziologie“ blieb. Was damit gewonnen sein und was das zweckstiftende Angeletikett Sozialgeschichte genau besagen sollte, stand also nach wie vor dahin.177 An ­diesem – letztendlich vielleicht unausräumbaren – Manko änderte sich auch durch die Fortsetzung der Methodendebatte nicht viel, als man sich im April 1961 trotz beschwerlicher Anreise noch einmal in Tonbach traf.178 Dort wurde jedoch 177 Vgl. die Einschätzung von Klingemann, Verschmelzung, S. 56 f. 178 Zu dem betreffenden Beschluss und zu den Anreiseschwierigkeiten bzw. deren Lösung TP Okt. 1960, S. 26; illustrativ vor allem: Stuke an Weippert, 20. 3. 1961, mit der ­Empfehlung,

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praktiziert, was Predöhl und Maschke ja angemahnt hatten: eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Wirtschaftswissenschaft und speziell für das Verhältnis der Wirtschaftshistorie zur modernen Nationalökonomie, weil dabei die Frage der Modellbildung eine ähnliche Rolle spiele wie die Typologiefrage im Verhältnis von Sozialhistorie und Soziologie. Besonderes Gewicht erhielten von daher die Ausführungen von Jürgensen, der zuvor, im Hinblick auf den Ursprung der Arbeiterbewegung, Faktoren „primär ökonomischer, nicht politischer und gesellschaftlicher Art“ geltend gemacht,179 damit aber nur wenig Anklang gefunden hatte. In einem höchst konsistenten, beinahe propädeutischen Referat informierte er nun über Das begriffliche Instrumentarium der Nationalökonomie und die Wirtschaftswirklichkeit: Dass die Wirtschaft ständigen Veränderungen unterliege, mithin eine Abfolge „historischer Einmaligkeiten“ sei und die Nationalökonomie „es nicht mit naturgesetzlichen Zusammenhängen, sondern mit menschlichen Entscheidungen“ zu tun habe, begründete er zwar mit dem Umstand, dass der Bereich des wirtschaftswissenschaftlich bislang nicht erklärbaren wirtschaftlichen Geschehens erheblich sei. Das schloss aber nicht aus, den nationalökonomischen Erkenntnisund Erklärungsbemühungen eine beträchtliche Verfahrensrationalität zuzusprechen. Dazu verwies er auf die unerlässliche Theoriebildung und die dabei erforderlichen, wenngleich „nicht ungefährlichen Kunstgriffe“: [a] „Typisierung der Erscheinungen“, d. h. „Übersteigerung des Wesentlichen“ und „künstliche Homogenisierung“; [b] „Mechanisierung des Geschehens“, d. h. Annahme von Verhaltenskonstanten und dementsprechend „Verwendung von Ablaufschemata“; [c] „Isolierung des Modells“, d. h. „Ausschalten aller außerökonomischen und außerwirtschaftlichen Einflüsse“ – all dies mit anschließender intersubjektiver Überprüfung und „zum Zweck der Erklärung und Vorhersage“. In der Diskussion meinte Theodor Schieder, das Referat mit seiner streckenweise an Droysens Historik erinnernden Terminologie habe „in fruchtbarer Weise den gemeinsamen Ausgangspunkt der Geisteswissenschaften“ deutlich gemacht. Wenn sich nun aber die Frage nach dem Unterschied ­zwischen den Erkenntnisobjekten und -zielen einerseits der Geschichtswissenschaft, andererseits der S­ ozialwissenschaften für die Weiterfahrt von Karlsruhe aus besser den Zug nach Baiersbronn zu benutzen, denn alternativ stehe als Mitfahrgelegenheit voraussichtlich „nur ein Volkswagen [d. h. Conzes Auto] zur Verfügung“, was „für Sie doch reichlich unbequem sein dürfte“ (KP 2, lf. S. 265). 179 So, mit den Worten des Protokolls (S. 5) bei der vorhergegangenen, in Kap. 1.2 schon angeführten Debatte über Conzes Bericht zum Heidelberger Forschungsprojekt Arbeiter­ bewegung. – Betr. Jürgensen-­Referat: „Kurzfassung“ enthalten in TP Apr. 1961 (PR 1), S. 7 – 22; das Folgende nach S. 7 – 13 (der restliche Text betrifft Erläuterungen am Beispiel der amerikanischen Zahlungsbilanz 1960); Diskussion dazu: weitgehend wohl wörtlich mitgeteilt auf S. 23 f.

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erhebe, genüge der Bezug auf die Rolle von Typus bzw. Modell offenbar nicht, denn direkt oder indirekt typisiere auch die Geschichtswissenschaft „außerordentlich stark“. Seine Vermutung, dass ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal möglicherweise in der von Jürgensen angeführten „Mechanisierung des Geschehens“ durch die Nationalökonomie liege, bestätigte Weippert mit dem Argument, die Nationalökonomie könne anders als die Historie keinesfalls ohne eine „Theorie des Ablaufs ökonomischer Vorgänge unter bestimmten Datenkonstellationen“ auskommen. Gleich Ipsen zuspitzend den wesentlichen Unterschied darin zu sehen, dass die Sozialwissenschaften den aus der Ablauftheorie resultierenden und etwa in der Wirtschaftspolitik auch geforderten Prognose- und Wirkungsanspruch nicht aufgeben könnten, hielt Schieder freilich für „höchst bedenklich“. Dürfe man doch nicht übersehen, dass der homo politicus sich weit weniger rational verhalte als der homo oeconomicus, weshalb Prognosen für die Wirtschaftswissenschaften jedenfalls sehr viel leichter ­seien als für die Historie. Gleichsam vermittelnd führte Conze schließlich an, man könne „gewissermaßen die Hypothese“ aufstellen, dass eine politische Prognose wohl möglich sei, aber nur soweit sie eine ökonomische einschließe. Im Gegensatz zum Nationalökonomen könne der Historiker allerdings nicht ­zwischen endogenen und exogenen Kräften unterscheiden und bei Untersuchung ökonomischer Sachverhalte nicht vom Politischen methodisch völlig abstra­ hieren oder es gar ‚vergessen‘. Dass am Ende allgemein gewünscht wurde, dem Thema Prognose als „historisches, soziologisch-­politisches und ökonomisches Problem“ eine eigene Tagung zu widmen, bezeichnete die ultima ratio der aus Zeitgründen abgebrochenen Diskussion. Zugleich gab das von Jürgensen benutzte Erläuterungsexempel der amerikanischen Zahlungsbilanzproblematik Anlass zu dem Vorschlag, den „Zusammenhang ­zwischen der großen Politik und den wirtschaftlichen Strukturen im gleichberechtigten Zusammenwirken aller im Arbeitskreis vertretenen Disziplinen an einem ausgewählten Beispiel zu behandeln“ (so die Protokollangabe ohne namentliche Zuordnung). Damit wurde die Methodendebatte bis auf Weiteres beendet und im Umriss bereits ein nächstes, vergleichsweise handfestes Schwerpunktthema abgesteckt. Dass demnach die Fortsetzung der Tagungstätigkeit bereits wie eine Selbstverständlichkeit erschien, heißt jedoch nicht, dass die Rahmenbedingungen für den Arbeitskreis in jeder Hinsicht gleich geblieben wären. Im Gegenteil ergab sich kurz- bis mittelfristig Einiges an ernsthaften Problemen.

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1.4 Organisatorische Festigung nach anfänglichen Krisenerscheinungen (1959 – 1962) Nach den inzwischen fast schon wie routinemäßig eingegangenen Ratenzahlungen des BMI drohte die Finanzierung des Arbeitskreises im Frühjahr 1959 erstmals ins Stocken zu geraten, wenn nicht einzubrechen.180 Im März nämlich forderte das Ministerium per sog. Schnellbrief, innerhalb einer Woche in 120-facher Ausfertigung eine Haushaltsübersicht mit den Ist-­Daten von 1957/1958 und den Soll-­ Werten für 1959 vorzulegen. Sie sollte dem Haushaltsausschuss des Bundestages als Unterlage für seine Entscheidung über den Bundeszuschuss im Rechnungsjahr 1959 (1. 5. 1959 – 31. 3. 1960) und damit über die angestrebte Etatisierung dienen. Dieses Verlangen kam so überraschend und dermaßen kurzfristig, dass Horst Stuke sich genötigt sah, Conze (damals gerade im Archiv in Amsterdam) eine Eilinformation zu s­chicken. Darin berichtete er nicht nur, dass er die angeforderte Übersicht umgehend angefertigt habe. Vielmehr teilte er Conze auch mit, das Ministerium habe telefonisch wissen lassen, dass derzeit noch „durchaus fraglich“ sei, ob dem Kreis für 1959 überhaupt noch Mittel zur Verfügung stünden. Akut infrage gestellt waren damit außer der bevorstehenden Frühjahrstagung auch die angelaufenen Forschungsprojekte, insbesondere die betreffenden Gehaltszahlungen bzw. Vergütungen. Vor allem aber war nun plötzlich ganz offen, ob nicht der Haushaltsausschuss die Etatisierung des Arbeitskreises verweigern würde. Auch wenn Stuke sich eine s­olche Wendung denn „doch nicht denken“ konnte, sah die Lage über Nacht höchst ernst aus. Erst einige Tage s­ päter entspannte sie sich durch eine informelle Mittelgarantie des Ministeriums immerhin so weit, dass Stuke nach Amsterdam telegrafieren konnte, eine Krisensitzung in Bonn erübrige sich. In der Tat trat die Etatisierung mit dem Rechnungsjahr 1959 ein (wobei sich Rechnungs- und Kalenderjahr gemäß Umstellung des Bundeshaushalts ab 1960 deckten).181 Obgleich einseitig aus öffentlichen Geldern, d. h. ohne irgendwelche 180 Zum Folgenden KP 23a, lf. S. 377 ff.: Rot umrandeter Schnellbrief des BMI, 9. 3. 1959 [offensichtlich an alle ministeriell geförderten Einrichtungen, jeweils mit individuellen Zusätzen]; Stuke-­Eilbrief an Conze, 14. 3. 1959 [wohl in der Hektik der Situation versehentlich auf 1958 datiert] mit genauer Sachverhaltsdarstellung; Stuke-­Schreiben ans BMI, 14. 3. 1959, mit Übersendung der angeforderten Haushaltsübersicht 1957 – 1959; Stuke-­Brief an Hans-­ Joachim Hamannn, 20. 3. 1959; Stuke-­Telegramm an Conze, 24. 3. 1959. 181 Dazu u. a. TP Apr. 1959, S. 27 (Etatisierungsfrage „inzwischen vom Haushaltsausschuss des Bundestages positiv entschieden“, somit seit 1.4.59 die „Bundesmittel des Arbeitskreises etatisiert […] und die Finanzierung der Arbeiten des ‚Emser Kreises‘ endgültig gesichert“); im einzelnen KP 23a: Stuke-­Anschreiben zum Förderungsantrag 1959 ans BMI, 26. 5. 1959 („[…] die Bundesmittel des Arbeitskreises im Rechnungsjahr 1959 erstmalig etatisiert […] und seit dem 1.April 1959 zentral von der [Heidelberger] Geschäftsführung […] verwaltet

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Eigen- oder sonstige Fremdmittel, war somit die Finanzierung des Arbeitskreises und seiner Unternehmungen – bei voller rechtlicher Unabhängigkeit 182 – grundsätzlich gewährleistet (folglich auch der Wechsel von Einzelprojekt- zu jährlichen Gesamtbewilligungen und genereller Zuständigkeit der Heidelberger Geschäftsführung 183). Die etwas riskante Situation einer Förderung bloß „außeretatmäßig aus einmaligen Sondermitteln“, wie Conze es Anfang Januar 1959 noch beschrieben hatte,184 war also vorüber. Die Protektion durch Hübinger, der nach seinem Ausscheiden aus dem BMI (September 1959) von Conze entsprechend gewürdigt wurde und der selbst sogar die Vaterschaft über den Arbeitskreis beanspruchte („dieses ‚Kind der Liebe‘“),185 hatte sich noch einmal bewährt. Solche Beruhigung ließ freilich hervortreten, was Beutin schon kurz vor Gründung die „Verfassungsfrage“ genannt hatte. War der Kreis bisher nur in „absichtlich sehr lockerer Form“ zusammen gewesen und wollte er auch künftig vermeiden, sich „mehr als nötig den Charakter einer der üblichen historischen Kommissionen aufprägen zu lassen“, musste sich nach Einschätzung des Vorsitzenden doch aus der Etatisierung in jeder Hinsicht „selbstverständlich auch ein Mindestmaß an notwendiger ‚Verfassung‘ ergeben“.186 Das äußerlich ganz informelle Dasein nach Art und verteilt […]“); Umstellungsankündigung des BMI, 30. 9. 1959 und offizielle Umstellungsmitteilung des BMI, 12. 2. 1960; Bestätigung des BMF, 6. 7. 1964 (finanziert aus Bundes­ mitteln, betr. Bundeszuschüsse etatisiert im Bundeshaushaltsplan). 182 Dass der AKMS „in allen Rechtsgeschäften (Abschluss von Verträgen usw.) selbstverantwortlich handelt, da kein Unterstellungsverhältnis zum Bundesministerium des Innern besteht“, unterstrich das BMI schließlich am 17. 5. 1962 in einem Bescheid an Frolinde Balser aus Anlass einer Meinungsverschiedenheit über die rentenrechtliche Seite sog. Forschungsstipendien (KP 23a, lf. S. 199 ff.). 183 Demgemäß wurden ab 1959/60 dann auch jährliche Einnahme-/Ausgabenbücher geführt und generelle Verwendungsnachweise angefertigt. – Zu der Heidelberger Zuständigkeit für sämtliche Forschungsangelegenheiten des AKMS vgl. u. a. Stuke an W. Fischer, 4. 5. 1959 (KP 2, lf. S. 231); zu der früheren Regelung die Übersicht über die „organisatorisch-­finanziellen Fragen der Forschungsarbeiten des ‚Emser Kreises‘“ aufgrund einer Besprechung zw. Ob.reg. rat Dr. Petersen/BMI u. Stuke am 7. 11. 1957 (lf. S. 156). 184 Brief an Krüger, 2. 1. 1959 (lf. S. 537). 185 Dazu TP Okt. 1959, S. 5 (Würdigung der „großen Verdienste Prof. Hübingers um die Gründung und die Förderung des ‚Emser Kreises‘“) bzw. KP 23a, lf. S. 353 und 325: Hübinger-­Briefe an Conze , 4. 8. 1959 („[…] für mich als Erfinder des Unternehmens […]“) und 17. 12. 1959 („[…] war ein wesentliches Motiv für meinen Entschluss, den Arbeitskreis ins Leben zu rufen, die Überzeugung, es müsste eine Art von Baumschule für die Herausbildung von geeignetem Nachwuchs auf dem Feld der modernen Sozialgeschichte geschaffen werden“). 186 So in dem soeben angeführten Brief an Krüger, 2. 1. 1959; zit. Beutin-­Formulierung: Brief an Conze, 22. 1. 1957 (KP 2, lf. S. 16). – Soweit ersichtlich, zeichnete Conze beim

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zwangloser Honoratiorentreffen ließ sich schwerlich noch viel länger beibehalten. Die Frühjahrstagung 1960 hielt es deshalb für zweckmäßig, nicht mehr bei der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu bleiben, sondern den Kreis „nach Rücksprache“ mit dem BMI zum eingetragenen Verein mit Sitz in Heidelberg zu machen und eine entsprechende Satzung auszuarbeiten. Dafür nahm man sich allerdings reichlich Zeit, weil man die Sache dann doch nicht für dringend erachtete.187 So machte das BMI schließlich in der Weise sanften Druck, dass Oberregierungsrat Dr. Petersen auf der Oktobertagung 1962 nicht bloß „Muster für eine einfache Satzung“ anbot, sondern wissen ließ, auch der Bundesrechnungshof halte die Form eines eingetragenen Vereins für „notwendig“. Daraufhin fand sein Vorschlag zu möglichst baldiger Eintragung ins Vereinsregister nun „allgemeine Zustimmung“.188 Da jedoch im Frühjahr 1963 keine Tagung stattfand, dauerte es noch ein weiteres Jahr, bis die nachgerade direkt „vom Bundesinnenministerium entworfene Satzung verlesen, besprochen und anschließend einstimmig angenommen“ wurde (in der formal ersten Mitgliederversammlung am 1. 10. 1963).189 ­ irtschaftsplan 1960 erstmals in aller Form mit „Der Vorsitzende des Arbeitskreises für W moderne Sozialgeschichte“. 187 So die lapidare Angabe im TP Okt. 1961, S. 44. – Zum ‚Verfassungsbeschluss‘ vom Frühjahr 1960: TP Apr. 1960, S. 65. 188 TP Okt. 1962, S. 1; dazu BMI-Schreiben, 1. 3. 1963: „Vorschlag für eine einfache Satzung für den Arbeitskreis als e. V.“, Bitte um Unterrichtung über den „Fortgang der Beratungen“ (KP 23a, lf. S. 171 ff.), s. auch BMF-Schreiben, 15. 1. 1965: Konstituierung des AKMS als e. V. „auf Anregung des Bundesrechnungshofes“ (lf. S. 53). – Noch mit Schreiben vom 31. 10. 1962 teilte Stuke der Bundestagsbibliothek in Bonn auf Anfrage mit, dass „noch keine Satzung“ vorliege, weil der AKMS „z.Zt. noch die Rechtsform einer Gesellschaft des bürger­lichen Rechts hat“ (KP 4, S. 105, mit Angaben auch zu den bisherigen Publikationen inner- wie außerhalb der Schriftenreihe). 189 TP Okt. 1963, S. 51 f. (mit dem Zusatz, Krüger habe ausdrücklich Wert auf die Feststellung gelegt, dass Mitgliederausschluss, Satzungsänderungen u. Vereinsauflösung nach §§ 3 u. 6 der Satzung nur auf Beschluss von zwei Dritteln aller, also nicht nur der jeweils anwesenden Mitglieder erfolgen könnten); danach auch die folgenden Angaben zur Vorstandswahl (Conze einstimmig, Maschke mit einer Enthaltung) und zu Conzes Satzungsvorschlag; vgl. KP 2, lf. S. 140 bzw. 144: Stukes Brief an Dr. Petersen/BMF, 10. 1. 1964 (Mitteilung über vereinsrechtliche Registrierung des AKMS beim Amtsgericht/Registergericht Heidel­berg und Übersendung der Satzung, die „der von Ihnen seinerzeit vorgeschlagenen entspricht“) und Petersens Dankschreiben, 27. 1. 1964 („[…] freue mich, dass der Verein nun auch juristisch existiert“); s. a. TP Apr. 1964 (PR 2), S. 1 (Information in der MV am 20.4.64: AKMS am 28. 11. 1963 „in das Vereinsregister (Bd. XII, Nr. 36) beim Amtsgericht Heidelberg eingetragen“). – Satzung (1. Fassung von 1963) und alle zugehörigen Schriftstücke in AAKMS. – Was bislang und gelegentlich auch ­später noch „Geschäftssitzung“ hieß, wurde seitdem also in aller Form als MV bezeichnet, als s­ olche aber vorläufig noch im Rahmen der Tagungsprotokolle registriert, mithin noch nicht separat.

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Mit dieser Maßnahme und deren unverzüglicher Ergänzung um die satzungsgemäße Wahl eines zweiköpfigen Vorstands aus Conze als Vorsitzendem und Maschke als Stellvertreter war die Satzungsfrage insoweit nun zwar geregelt. Dass Conze aber schon jetzt zu bedenken gab, ob die Satzung nicht „zu gegebener Zeit“ um eine Unterscheidung nach „aktiven und inaktiven“ Mitgliedern ergänzt werden sollte, deutete hin auf ein anderes Problem, das sich vor allem an defizitärem Tagungsbesuch festmachen ließ und nach und nach eine Art von periodischer Dauermalaise wurde: Mangel an allseitiger und gleichmäßiger Beteiligung. Wie wenig der immerhin ja erwogene Gedanke an Erhöhung der Tagungs­ frequenz von zwei auf vier pro Jahr den gegebenen Verhältnissen entsprach, stellte sich sehr bald heraus. Schon nach dem zweiten Treffen hatte Conze im November 1957 unüberhörbar vorsichtig festgehalten, es bestehe „wohl allgemein der Eindruck, dass wir uns in unserer Arbeit, die angesichts der leidigen Überlastung, unter der wir alle leiden, noch immer ein Wagnis ist, ermutigt fühlen dürfen“.190 Und bereits auf der Herbsttagung 1959 bestand dann ein „Hauptthema“ in der Überlegung, in welcher Weise die Tätigkeit des Kreises fortgesetzt werden solle. Dazu erinnerte Conze daran, dass bei der Gründung bewusst nicht für eine primär mit Forschungsorganisation befasste Kommission optiert worden sei, sondern für „kontinuierliche, auf der aktiven Mit- und Zusammenarbeit der Mitglieder beruhende Aussprache“ über bestimmte Forschungsthemen und -probleme. Obschon sich diese Form eines „echten Arbeitskreises“ bei den bisherigen Treffen bewährt habe, sei besonders bei der Vorbereitung der jetzigen Tagung deutlich geworden, dass sich wegen ständig wachsender Arbeitsüberlastung anscheinend nicht mehr alle Mitglieder an der Vorbereitung und Durchführung beteiligen könnten. Somit stehe „ernsthaft“ zur Debatte, ob der Kreis überhaupt zur Weiterarbeit „im Sinne der ursprünglich mit ihm verbundenen Absichten und Pläne“ fähig und willens sei. Diese Gretchenfrage hatte denn auch den gewiss intendierten, jedenfalls von Conze am Ende als erfreulich begrüßten Effekt „allgemein lebhafter Zustimmung“ zu Predöhls nachdrücklichem Plädoyer für Beibehaltung der bisherigen Form, zumal Predöhl appellativ zum Ausdruck brachte, dass jedes Mitglied in der Lage 190 So in seinem Anschreiben zum Protokollversand, 21. 11. 1957 (KP 19, S. 94 f.) – mit dem Vorschlag zum Tagungsbeginn morgens um 9 Uhr und Beendigung am nächsten Tag „etwa 14 Uhr“, denn dann entfalle die „Neigung oder Nötigung zu vorzeitiger Abreise […]“. – Das Folgende (einschließlich der Schieder-­Warnung) nach den Angaben im TP Okt. 1959, S. 1 – 4; s. bes. S. 3 f. betr. Raupachs Wunsch nach Berücksichtigung der persönlichen Arbeitsinteressen der Mitglieder und seine (erfolglos gebliebene) Anregung, jeder möge Conze schriftlich mitteilen, „welche Probleme der Geschichte unserer Gegenwart ihn besonders beschäftigen“, um so zu ermitteln, „welche Themenkreise von hervorragender Wichtigkeit ­seien“; vgl. auch Conzes Briefe an Treue, 6. 10. 1959 (KP 3, lf. S. 201) und an Weippert, 6. 12. 1959 (lf. S. 258).

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sein müsse, zweimal jährlich jeweils zwei Tage zu erübrigen. Da man die Schwierigkeit zwar auch in puncto Beteiligung an der Ausarbeitung von Referaten und Tagungsergebnissen für die Publikation nach Beendigung des jeweiligen Generalthemas sah, hauptsächlich aber in der bisherigen Termingestaltung, wurden die Zusammenkünfte grundsätzlich auf die erste April- bzw. zweite Oktoberwoche verlegt und dafür bestimmte Wochentage festgesetzt. Ein Vorschlag zur Handhabung der Frühjahrstagungen als Arbeitssitzungen bloß der unmittelbar Beteiligten und lediglich der Herbsttagungen als Gesamttreffen setzte sich nicht durch, weil man bei solcher Verfahrensweise die „Kontinuität der Aussprache“ gefährdet sah. Um diese auch künftig fruchtbar zu machen und möglichst noch zu intensivieren, beschloss man ein vierteiliges Maßnahmenbündel: Einführung von Referententreffen vor jeder Tagung; eingehende Planung und genaue Festlegung des jeweiligen Generalthemas; stärkere Berücksichtigung der persönlichen Arbeitsgebiete der Mitglieder; sorgfältige Vorbereitung größerer Forschungsvorhaben und ausführliche Berichterstattung im Plenum spätestens zur Mitte der vorgesehenen Laufzeit. Dass dieser Katalog die Probleme schon deshalb weniger behob als unterstrich, weil er nur teilweise realisiert wurde, zeigte sich in regelmäßigen Abständen, exemplarisch etwa an Theodor Schieder. Ob, so s­ päter dessen Sohn Wolfgang, „wegen [Abneigung gegen] Ipsen“ oder, so Koselleck, zur Vermeidung von „Konkurrenz zweier Freunde“, also mit Conze, ausgerechnet Schieder machte sich jedenfalls eher rar. Seine Abwesenheit schon bei der Gründungsversammlung hatte Conze explizit bedauert, weil es zunächst für die interne Entwicklung und dann auch für die Wirkung nach außen, zumal auf den Nachwuchs, „gerade auf Dich“ besonders ankomme.191 Dass Schieder beschwichtigend davor warnte, „gelegentliche [!] Verhinderungen zu dramatisieren“, konnte jedoch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass aktive und lückenlose Beteiligung – bei nur erst rund einem Dutzend Mitgliedern so gut wie existenziell – dann doch nicht so selbstverständlich war, wie Krüger nach seiner Zuwahl voraussetzte, als er Conze versicherte, man könne an einem „so erfreulichen Kreis wie dem Ihrigen nicht teilnehmen […], wenn man nicht auch etwas beisteuert oder wenigstens beizusteuern versucht“.192 Das Bewusstsein dafür war wohl nicht bei allen so ausgeprägt wie bei Weippert, der schon Anfang 1959 191 Conze an Schieder, 29. 5. 1957 (KP 2, lf. S. 635) bzw. TP Okt. 1959 (PR 1), S. 3 (Schieder, der selbst bis dahin schon dreimal gefehlt hatte), vgl. u. a. Conze an Schieder, 21. 9. 1957 (KP 3, lf. S. 95); zu augenscheinlichen Spannungen z­ wischen Schieder und Ipsen z. B. die spitzen Bemerkungen im Ipsen-­Brief an Conze, 28. 1. 1959 (KP 2, lf. S. 315). – Zu den Gründen für Schieders Zurückhaltung die späteren Angaben von W. Schieder bzw. Koselleck: TP Okt. 1999 (PR 19), S. 13. 192 Brief vom 1. 1. 1960 (KP 2, lf. S. 543 f.); nachfolgend: Weippert an Conze, 10. 1. 1959 (KP 3, lf. S. 254).

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nach wiederholter Abwesenheit an Conze schrieb: Falls ihm die Teilnahme abermals nicht gelingen sollte, stehe er „vor der ernstlichen Frage, Ihren Arbeitskreis zu bitten, mich von der Mitarbeit entbinden zu wollen“, denn die „Struktur Ihrer Arbeitsgemeinschaft erfordert aktive Mitarbeit, und sofern diese nicht möglich ist, scheint es mir richtiger, auszuscheiden“. Unregelmäßigkeit wie Ungleichmäßigkeit der Mitarbeit blieben ein durchaus spürbares Hemmnis. Es lag keineswegs allein an Erkrankung oder Überbeanspruchung von Referenten, wie Schieder meinte, als er im Herbst 1962 sogar zum Verzicht überhaupt auf jede systematische Tagungsplanung riet 193 und damit etwas völlig anderes für möglich hielt als etwa Raupach gut zwei Jahre zuvor. In der Überzeugung, der Kreis werde „auf die Dauer in der f[ür] d[en] Anfang nützlichen unverbindlichen Form nicht bestehen können“, hatte Raupach im Frühjahr 1960 gegenüber Conze zu bedenken gegeben, ob man entgegen der Option für Beibehaltung der bisherigen Arbeitsweise „nicht doch zur Aufstellung von Rahmenplänen mindestens übergehen“ sollte – und zwar „angesichts der durchgehenden Planung des Ostens auch auf d ­ iesem Felde“ (d. h. bei der historischen Forschung im Allgemeinen und den Imperialismusstudien im Besonderen). Ohne auf diesen quasi blockpolitischen Bezug einzugehen, hatte Conze seinerseits die „Notwendigkeit einer langfristigen und dabei elastischen Planung“ bestätigt und eine bemerkenswerte Spezifizierung der Raupach-­Vorstellungen bewirkt: Der Kreis, so Raupach, „sollte nicht der Ort der Mitteilung von Arbeitsergebnissen, sondern der Planung im Grundsätzlichen sein“; Planung „hier verstanden [als] eine aus der Übersicht sozialökonomischer Weltproblematik und darin der besonderen Lage des deutschen Volkes herrührende Entschlussfähigkeit, lohnende Forschungsaufgaben aufzuzeigen und Wege zur ihrer Lösung zu empfehlen“. Dazu wiederum habe man davon auszugehen, dass in der „zentralgeleiteten östlichen Welt durch ‚Sozialisierung und Kooperation‘ auch auf unserem Felde große sozialgeschichtliche Problemkreise erkannt und wirksam bis zur Monumentalität verarbeitet“ würden, aber Schwerpunktbildung, Untersuchungsmethoden und Resultat „nicht immer einfach als ‚bolschewistisch‘ abgetan“ werden könnten, zumal „auch dort“ eben „wissenschaftlich Beachtliches“ geleistet werde und die Wirkung, besonders auch auf „Außeneuropa [!]“, oft nicht abzusehen sei. Raupachs Konsequenz: Auch wenn „wir nicht geneigt sind, Gleiches mit Gleichem zu beantworten“, komme man um den „Antagonismus im Inhaltlichen und Methodischen“ nicht herum. Mithin benötige man eine laufende Übersicht über die entsprechenden Bestrebungen „im Osten“, sprich: Forschungsberichte, die nicht bloß rezensierend verführen, sondern Schwerpunkte und Methoden auf dem für den Arbeitskreis ­belangvollen 193 Dazu TP Okt. 1962 (PR 1), S. 8; nachfolgend: Raupach-­Briefkarte, 18. 3. 1960 (KP 3, lf. S. 68) bzw. Conze-­Antwort, 24. 3. 1962 (lf. S. 69).

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S­ achgebiet erkennbar machten. Durch Vergleich mit der „eigenen Produktion“ ließen sich dann die „Desiderata der deutschen Forschung“ aufweisen mit dem „Ziel: Koordinierung vorhandener oder noch anzusetzender Bemühungen, besten­falls Teamarbeit wo nur möglich“. Obwohl er, so Raupach abschließend, im derzeitigen Stadium der Mitgliederkooperation noch nicht für Aufstellung eines oder gar mehrerer Forschungsprogramme plädiere, könne er sich doch vorstellen, dass die angedeuteten Bemühungen „sich spontan zu solchen verdichten könnten, wenn erst einmal durch Anstoß von außen die Lust an der Zusammenarbeit geweckt ist“; ein Vorhaben, dem von „ökonomischer Seite“ seines Erachtens die „wiedererwachende Neigung“ zu wirtschafts- und sozialgeschichtlicher Forschung entgegenkommen würde.194 Diese Überlegungen und Anregungen, von denen Raupach am Ende selbst meinte, sie s­ eien „ein wenig zu ‚strategisch‘ […] oder – um mit Toynbee zu reden – als Antwort auf ‚challenge‘“ ausgefallen, erinnern teilweise fast an Züge der einstigen ‚Ostforschung‘. Allemal unterschätzten sie das notorische Beteiligungsdefizit im Arbeitskreis. Zusehends wurde es zu einem Problem, das obendrein für Conze ein Mehr an Einsatz bedeutete und in erster Linie gemeint war, wenn ihm einmal mitfühlend bescheinigt wurde, seine Rolle als Vorsitzender sei „wirklich recht undankbar“. Im Februar 1962 sah er sich sogar genötigt, zu der regulär anstehenden Frühjahrstagung nur unter der Voraussetzung einzuladen, dass man sich „einigermaßen vollzählig“ einfinden könne: Falls „Überlastung und Behinderungen diesmal außergewöhnlich groß“ sein sollten (so die fast beschönigende Formulierung), komme eine Verschiebung bis unmittelbar vor dem Duisburger Historikertag im Oktober in Betracht – m. a. W.: müsse die Frühjahrstagung ausfallen, was dann auch eintrat.195 Dies hätte sich beinahe schon im Herbst 1962 wiederholt, worüber zumindest Ipsen insofern nicht einmal unglücklich gewesen wäre, als er meinte, 194 Brief an Conze, 5. 4. 1960 (KP 3, lf. S. 70 f.), darin auch der folgende Zusatz; vgl. Conzes kurze Antwort, 19. 4. 1960 (lf. S. 72). – Betr. Conzes undankbare Rolle als Vorsitzender: so Jantke mit Brief vom 30. 1. 1960 (KP 2, lf. S. 386). 195 Conze-­Anschreiben vom 16. 2. 1962 zum „leider arg verspäteten“ Versand des Protokolls der Frühjahrstagung 1961; dazu kurz danach im ebenfalls verspäteten TP Okt. 1961, S. 44: „Wie inzwischen (März 1962) feststeht, muss die April-­Tagung 1962 wegen Verhinderung (Erkrankung und Arbeitsüberlastung) der meisten Mitglieder ausfallen“ (sinngemäß dann auch im Conze-­Anschreiben vom 11. 4. 1962 zum verspäteten Versand des Protokolls der Herbsttagung 1961 sowie im Stuke-­Schreiben an den Direktor des Bad Emser Hotels Staatliches Kurhaus, 7. 9. 1962; . a. VWN 1962 vom 20. 2. 1963. Nachfolgend zit. Ipsen-­Kommentar: Brief vom 10. 9. 1962 an Conze (KP 2, lf. S. 340) als Reaktion auf dessen Rundbrief vom 7. 9. 1962 (dazu auch TP Okt. 1962, S. 1); vgl. Ipsens Brief vom 24. 9. 1962 (lf. S. 341), wo er Conze fast spöttisch schrieb, die beabsichtigte „Schocktherapie“ sei ja nun überholt „durch die herandrängenden, erschrockenen Teilnehmer“.

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der „notwendige Schock“ könne „eigentlich nur dadurch erreicht werden, dass nun ein ganzes Jahr ohne Veranstaltung“ bliebe. Und wenn zum Frühjahr 1963 erneut eine Tagung gestrichen bzw. umgewidmet werden musste, hatte das zwar einen anderen Grund, verwies mittelbar aber auf ein Manko, das ebenfalls mehr als vorübergehend war, also auch späterhin immer wieder zu Beanstandungen 196 führte: die häufige Überfrachtung der Tagungen mit manchmal auch reichlich langen, aber weder genügend ausgefeilten noch zuvor übermittelten Referaten, so dass die Diskussionszeit nicht selten zu knapp blieb und die Drucklegung zu lange währte. Aus einer entsprechenden Manöverkritik im April 1960 zog man im Herbst 1962 schließlich die Konsequenz, das nächste Gesamttreffen „im Interesse einer sorgfältigen Vorbereitung und Ausarbeitung“ der Beiträge gleich bis zum nächsten Herbst hinauszuschieben, also statt der generellen Frühjahrstagung 1963 lediglich eine spezielle „Wörterbuch-­Tagung“ abzuhalten (allerdings mit Einladung auch an alle nicht direkt beteiligten Arbeitskreismitglieder).197 Derartige Beeinträchtigungen bedeuteten freilich keineswegs, dass die Etablierung des Arbeitskreises nicht vorangekommen wäre. Nach einiger Unentschlossen­ heit gelang nun insbesondere die ja schon länger ins Auge gefasste E ­ inrichtung einer eigenen Schriftenreihe.198 Das gewann in dem Maße an Plausibilität, wie das Publikationsproblem anhielt, wenn nicht zunahm. Mit Blick auf den Aktuali­ tätsgesichtspunkt boten Schieder bzw. Jürgensen und Predöhl auf der Herbsttagung 1959 sogar an, für die Veröffentlichung von Tagungsbeiträgen zu gegebener Zeit auch mal ein Heft der HZ bzw. des Jahrbuch für Sozialwissenschaft zur Verfügung zu stellen. Diese Publikationsform wurde zwar „wegen der damit verbundenen schnelleren Beachtung, zudem bei einem größeren Kreis, dankbar begrüßt“ 199, machte aber das Instrument einer eigenen Buchreihe nicht überflüssig. Zur zweckmäßigen Gestaltung bedurfte es allerdings noch klarer Entscheidungen. Definitiv zu regeln waren nämlich außer der Verlags- auch 196 Vgl. u. a. Vierhaus-­Brief an Conze, 28. 9. 1966 (KP 4, lf. S. 528 ff.). 197 Zur Manöverkritik: TP Apr. 1960, S. 64; zur Verschiebung auf Vorschlag von Raupach: TP Okt. 1962, S. 8 (lt. Stukes Schreiben vom 2. 7. 1963 an den Direktor des Emser Hotels Staatliches Kurhaus musste „unsere Frühjahrstagung 1963 ausfallen“, laut VWN 1963, S. 2, musste sie „wie 1962 wegen der Erkrankung oder sonstigen Verhinderung der Mehrzahl der Mitglieder abgesagt werden“); Teilnehmer der Heidelberger Tagung der „Forschungsgruppe ‚Wörterbuch‘“ am 1. 4. 1963 (Ergebnisprotokoll von Koselleck) außer Conze, Koselleck sowie Klaus von Beyme, Dieter Groh, Ursula Hüllbüsch, Hans Mommsen, Hannah Rabe, Manfred Riedel, Wolfgang Schieder und Horst Stuke (alle Heidelberg): Otto Brunner, Wilhelm Hennis und Dietrich Hilger (alle Hamburg), Hans Maier (München), Rudolf Vierhaus (Münster) und Hans Leo Reimann (Hamburg). 198 Zum Vorlauf schon oben, Kap. 1.2. 199 TP Okt. 1959, S. 3; zu Schieders Angebot vgl. schon oben.

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die Herausgeber- und die ­Titelfrage. Um also die bisher „zurückgestellte, aber nunmehr dringliche“ Angelegenheit voranzutreiben, schlug Conze mit Bündelung früherer Überlegungen auf der Frühjahrstagung 1960 jetzt gleich zwei Arbeitskreis-­Reihen vor: die eine, mit dem provisorischen Titel Monographien zur Sozialgeschichte, hauptsächlich zur Veröffentlichung sozialhistorisch relevanter Dissertationen; die andere, mit dem ebenfalls provisorischen Namen Sozialgeschichte der modernen Welt, für Publi­kationen wie Balsers Arbeiterverbrüderung oder die in Heidelberg in Angriff genommene Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung oder Sammelwerke wie den anstehenden Tagungsband Vormärz – ja, „evtl. auch für das geplante histo­rische Wörterbuch“. Zusammen mit Maschke und möglicherweise auch mit Percy Ernst Schramm wollte Conze schließlich eine selbständige Reihe für Doktorarbeiten auch anderer Universitäten herausbringen, als sein Vorhaben einer speziellen Dissertationsreihe des Arbeitskreises auf Verlangen von Jantke wegen möglicher Kollision mit einer ähnlichen, von ihm mit herausgegebenen Reihe in der Diskussion durchfiel. Da Conze mit dem zuvor unterbreiteten Reihenplan aber allgemeinen Anklang fand, erhielt er den Auftrag, eine Stellungnahme des BMI einzuholen und die Druckkosten­frage zu klären. Im Anschluss daran sollte er vorläufig noch unverbindliche Verlagsverhandlungen aufnehmen, wofür neben Klett vier weitere Häuser als besonders geeignet erschienen (Deutsche Verlagsanstalt, Alfred Metzner sowie J. B. Metzler und Gustav Fischer). Und auch in der Titelsache ging es insofern voran, als nun die Bezeichnung Beiträge zum Selbstverständnis der industriellen Welt wenigstens zur Erwägung gestellt wurde, und zwar auf Vorschlag von Ipsen, der damit außer Beteiligung auch von Nichthistorikern eine Verbindung „historischer mit systematischen Untersuchungen“ ermöglichen wollte.200 Zugleich aber versagte man sich einem Vorstoß des Frankfurter Soziologen Gottfried Salomon-­Delatour, gemeinsam mit Brunner, Conze, Jantke und Schieder wie mit dem Arbeitskreis insgesamt in eine umfassende Planung sozialhistorischer Forschung und Darstellung einzutreten. Denn bei aller Anerkennung dafür, dass Salomon „in besonders vorzüglicher Weise eine Zwischenstellung ­zwischen Soziologie und Geschichte“ innehabe (Conze), wollte man sich wegen der Vielzahl schon eingegangener Verpflichtungen und wegen universitärer Arbeitsüberlastung an einem dermaßen aufwendigen Unterfangen nicht beteiligen, zumal man der Meinung war, dass es bereits mit einer Verlagsbindung versehen werden sollte.201 200 Sämtliche Angaben mit den Worten des TP Apr. 1960 (PR 1), S. 67. 201 Dazu TP Apr. 1960, S. 65 sowie Briefwechsel Conze/Salomon-­Delatour 1960/61 (KP 1, lf. S. 288 ff.), wobei Salomon von der „Vorbereitung über eine Reihe ‚Geschichte und Gesellschaft‘ [!]“ sprach (9. 5. 1961, lf. S. 290); Conze-­Zitat: so im Brief an Eugen Ewig, 19. 7. 1960 (mit nachdrücklicher Empfehlung Salomons wohl für das binationale Kolloquium am

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Beim nächsten Treffen im Herbst 1960 ließ man den Titel für die Schriftenreihe ohne Erklärung weiter offen. Genaugenommen galt das auch hinsichtlich des Verlags, denn als Conze von seinen Verhandlungen mit Klett und nunmehr auch mit Kohlhammer berichtete, Klett sei ohne jede Bedingung bereit, die Reihe zuschussfrei zu verlegen, Kohlhammer indessen nur unter bestimmten Bedingungen, senkte sich die Waagschale keineswegs sofort zugunsten von Klett. Zwar bekundete man gegenüber dem BMI seine Befriedigung über die Verlagsbereitschaft zum Verzicht auf Belastung des Arbeitskreisetats durch Druckkosten und erklärte sich ­dieses Entgegenkommen „nicht zuletzt“ damit, dass für sozialhistorische Arbeiten „in zunehmendem Maße in weiten Kreisen ein großes Interessen besteht“.202 Doch wurde Conze lediglich bevollmächtigt, die Sache „nach [!] dem Vorliegen der beiden ersten Bände und [nach] neuerlichen Verhandlungen“ zu entscheiden.203 So war es noch immer verfrüht, wenn er dem Soziologen Helmut Schelsky Ende des Jahres mitteilte, der Arbeitskreis beginne jetzt mit seiner eigenen Reihe.204 Erst nachdem bei der Frühjahrstagung 1961 wegen der „außerordentlich günstigen Bedingungen“ eine Entscheidung für Klett allgemein empfohlen wurde, erhielt der Stuttgarter Verleger bei einem abschließenden Gespräch in Heidelberg von Conze den Zuschlag.205 Freilich erschienen die beiden Anfangsbände dann doch nicht im selben Herbst, wie Conze zwei Monate ­später gegenüber Lütge noch als sicher ankündigte.206 Vielmehr konnte der Eröffnungsband als „ein äußerlich sichtbares Zeichen ­­ unserer Arbeit“ erst im Frühjahr 1962 ans BMI geschickt werden.207

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16./17. 4. 1961 in Saarbrücken; vgl. KP 1, lf. S. 126: Ewig-­Brief an Conze, 20. 2. 1961 im Namen der Kommission zur Erforschung der Geschichte der deutsch-­französischen Beziehungen). So am Ende des Tätigkeitsbericht [des AKMS] für das Rechnungsjahr 1960 mit Vorschau auf das Rechnungsjahr 1961 vom 4. 11. 1960 (KP 23a, lf. S. 286 ff.). TP Okt. 1960 (PR 1), S. 27, wonach Kohlhammer eine zuschussfreie Publikation der Reihe vor allem an die Bedingung „künftiger Mitarbeit von Arbeitskreismitgliedern an bestimmten Projekten“ knüpfte (von den anderen Verlagen war nicht mehr die Rede). Brief an Schelsky (Freyer-­Schüler, damals Direktor der Sozialforschungsstelle in Dortmund), 17. 11. 1960, mit dem Angebot zur Veröffentlichung von Wolfram Fischers Dortmunder Ruhrgebietsforschungen. Zu dem Heidelberger Gespräch am 26. 4. 1961 Conzes Brief vom nächsten Tag an Jantke („Ich glaube, dass wir bei Klett, der sowohl im guten Sinne sachliches Interesse wie auch durch seine Schulbücher Geld hat, gut aufgehoben sind.“); Vertragsabschluss am 27. 11. 1961 in Stuttgart (VWN 1961, S. 7). Brief an Lütge (Reihe mit Klett „bereits vereinbart“), 22. 6. 1961 (KP 1, lf. S. 206). Zitat: So in Conzes Brief an den Hübinger-­Nachfolger Min.dir. Hagelberg , 17. 4. 1962 (KP 23a, lf. S. 208); demnach zwei Exemplare vom Verlag ans BMI gegangen, eins „für den Herrn Minister persönlich“ und eins für Hagelberg, demnächst möglichst auch noch eins für Dr. Petersen; weitere Bände „werden in relativ schneller Folge erscheinen“.

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Spätestens bis dahin war ja auch der Reihentitel festzulegen. Obgleich erst nach eingehender, aber nur pauschal überlieferter „Diskussion und Prüfung aller Gegenvorschläge“ einigte man sich im April 1961 in Tonbach auf das Kürzel Industrielle Welt – und zwar schlicht „in Ermangelung eines besseren“ Titels, wie das Tagungsprotokoll ebenso lapidar wie frappierend offen angab.208 Da die Suche nach einem „kurzen und einigermaßen treffsicheren Stichwort“ sowohl den in Tonbach versammelten Mitgliedern als anschließend nochmal Conze und Klett „einige Kopfschmerzen“ bereitete und sich umso schwieriger gestaltete, als „vieles abgegriffen oder missverständlich ist“, fand das Ergebnis nur eine Zustimmung „mit Bedenken“. So blieb es Conze überlassen, diese Nottaufe sozusagen zu rationalisieren, indem er im Mai in seinem Vorwort zum ersten Band nachschob, der Reihentitel solle „die Begrenzung auf die neueste Epoche der Weltgeschichte andeuten, die durch die politisch-­soziale Revolution und die industrielle Zivilisation, beginnend im 18. Jahrhundert, bezeichnet werden kann“.209 Dass hier mithin stark improvisiert wurde, schließt jedoch nicht aus, die Reihenbenennung und den darin zum Ausdruck gebrachten Paradigmenwandel als ein Indiz für einen tiefgreifenden Lernprozess nach 1945, besonders bei Conze (so Wehler) aufzufassen. Insoweit also zog man sich bald und gleichsam auch stimmig aus der Affäre, zumal die Titelentscheidung die Möglichkeiten zur Aufnahme „auch nichthisto­ rischer Arbeiten“ (Conze), mithin einen inhaltlich relativ breiten Subsumtionsspielraum ließ.210 Vergleichsweise schwerer tat man sich indessen mit der Herausgeberfrage. Gewiss kam man spätestens bei der Herbsttagung 1960 überein, die Reihe, wie es dann von Anfang an in jedem Band hieß, im Auftrag des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte erscheinen zu lassen. Doch dass sie von Conze und Jantke gemeinsam herausgegeben werden sollte, fand bei Letzterem so wenig Gegenliebe, dass man bei der Tonbacher Frühjahrstagung in Abwesenheit Jantkes keinen anderen Rat wusste als eine schriftliche Bitte um Zurückstellung seiner „ursprünglichen Bedenken“. Worin diese bestanden und warum er daran festhielt, verdeutlicht der betreffende Briefwechsel vom April/Mai 1961: Conzes appellative 208 TP Apr. 1961 (PR 1), S. 25; s. auch Conze-­Rundschreiben vom 19. 6. 1961 (bei den Protokollunterlagen), Punkt II. – Anschließend zitierte Formulierung mit Bedenken: so Conze an Jantke, 27. 4. 1961 (KP 2, lf. S. 392 ff.). 209 S. 8 (mit anschließender Erläuterung zum „charakterisierenden Wort ‚industriell‘“); vgl. Ipsens Redeweise (1933/38) von der „industriellen Gesellschaft“ als unwiderruflich dominanter Struktur („die das Ganze beherrschende Macht“), zit. nach Klingemann, Ostforschung, S. 181 f. – Nachfolgend angeführte Wehler-­Auffassung: vgl. TP Okt. 1999 (PR 19), S. 39. 210 Zitat: so im schon genannten Conze-­Rundbrief vom 19. 6. 1961; dazu z. B. Jeismann an Conze, 13. 4. 1973 (KP 5a, lf. S. 249 f.): „Ich meine auch, wenn man den Titel der Reihe nicht zu eng presst (und das tut man ja bislang auch nicht), würde sich das Thema [Preuß. Gymnasium] durchaus darunter unterbringen lassen […].“

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Übermittlung der „einhelligen“ Botschaft von Tonbach, Jantke möge sich der erhofften Mitheraus­geberschaft „nicht entziehen“, umso weniger, als damit nicht zum geringsten signalisiert werden solle, dass der Kreis „nicht nur aus reinen Historikern besteht“; Conzes persönliches Interesse an Entlastung in dem Sinne, dass Jantkes Urteil gerade deshalb „oft gar nicht zu entbehren“ sein würde, weil er Soziologen wie Historikern ein „scharfer Kritiker“ sei 211 – das eine wie das andere vermochte Jantke nicht umzustimmen. Als „wesentlichen Grund“ gab er an, dass er zu dem „doch recht repräsentativen“ Eröffnungsband der Reihe keinen Beitrag geliefert habe: „Wenn Leute meines Alters und meiner Stellung [zwischen den Disziplinen] als verantwortliche Mitherausgeber einer solchen wichtigen Publikationsreihe fungieren, so müssen sie zugleich Farbe bekennen, d. h. selber etwas Gewichtiges beisteuern.“ Zudem liege bei Conzes Vorstellung vom scharfen Kritiker wohl ein „kleines Missverständnis“ vor, denn als solchen habe er – Jantke – sich „eigentlich selber nie empfunden“, zumal es „immer besser ist, eigene Leistungen statt Vorbehalten zu präsentieren“. Im Übrigen finde er den Gedanken an einen Soziologen als Mitherausgeber „zwar ganz nett, allerdings auch nicht besonders wichtig“, denn schließlich komme es auf die Beiträge und die Mitarbeiter an, zu denen ja ohnehin Soziologen und Ökonomen gehörten.212 Damit war Conzes Alleinherausgeberrolle entschieden und die Zielgerade zur Schriftenreihe offen. Zur Verfügung stand künftig also auch das wichtigste Instrument für das letzte jener vier selbstgegebenen Aufgabengebiete, die 1969 dann in einer Zwischenbilanz genannt wurden: (1) Veranstaltung wissenschaftlicher Tagungen, (2) Anregung und Vergabe von Forschungsaufträgen; (3) Durchführung eigener Forschungsunternehmen; (4) Veröffentlichung wissenschaftlicher Arbeiten.213 211 So im oben genannten Brief vom 27. 4. 1961 (mit Entwurf des Titelblatts der Reihe und des Vorworts zum 1. Bd.), am Tag nach einem Treffen mit Jantke in Göttingen zwecks „Besprechung über die Planung und Durchführung künftiger Forschungsvorhaben des Arbeitskreises sowie über die gemeinsame Herausgabe der Schriftenreihe […] beim Ernst Klett-­Verlag“ (VWN 1961 vom 27. 2. 1962, S. 4). 212 Antwortbrief an Conze, 10. 5. 1961, wobei er u. a. hinzufügte, er selbst schlage „wie schon früher, [so] auch heute“ Th. Schieder als Mitherausgeber vor oder aber, wenn Conze das nicht wünsche, sondern einen Soziologen wolle, Weippert, denn er könne sich „in ­diesem Rahmen kaum einen sachlich verständnisvolleren und menschlich angenehmeren soziologischen Partner denken“ (KP 2, lf. S. 394 f.). – Für Conzes Drängen auf Beteiligung nicht nur von Historikern illustrativ auch die Korrespondenzen im Zuge der langwierigen Vorbereitung des Vormärz-­Bandes: u. a. Conze/Jantke, 22. 4. 1959, 30.1. u. 8. 2. 1960 (lf. S. 383, 386 u. 387). 213 Überblick 1957 – 1969, S. 2 (S. 5: ab 1962 eigene Schriftenreihe, nachdem „in den ersten Jahren vom Arbeitskreis geförderte Arbeiten bei verschiedenen Verlagen erscheinen mussten“); vgl. schon die noch informelle Aufgabenbeschreibung im Vorläufigen Wirtschaftsplan 1962 vom 8. 4. 1961, S. 10.

2. Etablierung und Verjüngung (1962 – 1969/73) Mit ­diesem vierfachen Betätigungsfeld befand man sich noch freilich erst auf dem Weg zu jenem „illustren Kreis“ (Bausinger), von dem es angesichts seiner „großen Bedeutung […] für die neuere deutsche Sozialgeschichte“ (Tenfelde) schon bald hieß, er sei ein „relativer closed shop, der nicht für sich zu werben braucht“ ­(Vierhaus).214 Die Aussichten auf s­ olche Wahrnehmungen bis in führende Presseorgane wie die Frankfurter Allgemeine waren bereits gut, als man ab Herbst 1961 zu einem sozusagen neualten Generalthema kam.

2.1 Staats- und Wirtschaftskrise in Deutschland 1930/32 – Thematische Konzentration und erneutes Bemühen um Präzisierung von Sozialgeschichte (1962 – 1965) Mit der 10. Tagung im Oktober 1961 kehrte man wegen der verkehrsgünstigen Lage wieder nach Bad Ems zurück.215 Bei so gut wie vollständiger Besetzung und mit den Gästen Wolfgang Zorn und Dietrich Hilger machte man sich nun an ein Generalthema, von dem Conze einleitend bemerkte, es sei im Anschluss an das Jürgensen-­Referat im Frühjahr zwar „etwas zufällig“ festgelegt worden, aber früher schon einmal geplant gewesen: Die Beurteilung der Wirtschaftskrise 1930/32 in Deutschland und der Auseinandersetzung um ihre wirtschaftliche, soziale und politische Überwindung.216 Was daran unbeschadet aller Spezialaspekte (etwa Brünings 214 Zitierte Einschätzungen: Bausinger an Conze, 30. 3. 1983 (KP 6, lf. S. 52) bzw. Tenfelde an Conze, 1. 4. 1982 (KP 8, lf. S. 217) bzw. Vierhaus an Engelhardt, 24. 1. 1984 (KP 10, lf. S. 460); betr. Sicht von Pressevertretern: z. B. Hermann Rudolph/FAZ an Engelhardt, 8. 11. 1978 (KP 5a, lf. S. 160). – Wenn auch Kocka ­später vom „exklusiven Conzeschen Arbeitskreis“ sprach (Sozialgeschichte seit 1945, S. 15), spiegelt diese Kennzeichnung zweierlei zugleich: eine – augenscheinlich verbreitete – Außenwahrnehmung, aber wohl ebenso auch eine – unausgesprochene – Genugtuung des Insiders. 215 Zur Begründung für die Rückkehr u. zur Wahl des Tagungsthemas schon TP Apr. 1961 (PR 1), S. 24; zur Besetzung (nur Th. Schieder fehlte) TP Okt. 1961, S. 1, wo als Gäste zwar PD Dr. Wolfgang Zorn (München) u. der Jantke-­Assistent Dr. Dietrich Hilger (Hamburg) genannt sind, aber nicht Dr. Werner Jochmann (Hamburg), der laut Einladung/ Programm ebenso vorgesehen war wie Prof. Wilhelm Hennis (Braunschweig), der freilich gleich abgesagt hatte (zur Einladung an Jochmann auf Vorschlag von Brunner KP 2, lf. S. 102 bzw. 103: Brunner an Conze, 24. 7. 1961/Conze an Brunner, 2. 8. 1961). 216 So in der Tagungseinladung vom 14. 9. 1961 u. im TP Okt. 1961, S. 1 (danach auch die Conze-­Bemerkung); vgl. Conzes Thema-­Version im TP Okt. 1963, S. 1 (Die ­Wirtschaftskrise

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Deflationspolitik) und jenseits potenzieller Lehren für die Gegenwart 217 in erster Linie interessieren sollte, war vordem noch nicht so deutlich gesagt worden wie jetzt von Conze, der nach Predöhl und Ipsen den dritten der „vorbereiteten Diskussionsbeiträge“ über die ökonomischen bzw. soziologischen bzw. politischen Aspekte der Krise lieferte: nämlich die Leitfrage der „Entscheidungsmöglichkeiten unter vorgegebenen Bedingungen und Zwängen“. Damit und nicht bloß in Predöhls Variante namens „historischer Zufall oder (gesetzmäßige) Entwicklung“ wieder angesprochen wurde also auch der unterschiedliche Zugang von Historikern und/oder Soziologen einerseits und Wirtschaftswissenschaftlern andererseits. Für letztere hieß das laut Predöhl, sich darüber klar zu werden, wie weit sie von den „rein ökonomischen Dingen auch in das Historisch-­Soziologische“ hineingehen könnten bzw. müssten. Mit anderen Worten: Wieder ging es auch darum, wie weit man sich auf Erkenntnisinteresse und Sichtweise des jeweils anderen einlassen sollte; ob man beispielsweise – so Ipsen – als Soziologe gewillt oder nicht gewillt sei, über aller Aufgeschlossenheit für die Dimension Wirtschaft zu vergessen, dass „diese ganze ökonomische Welt ja nicht ein Selbstzweck ist und in dem Sinne auch nicht autonom ist, sondern dass sie selbstverständlich nur insofern eine Wirklichkeit, Wert, Bedeutung hat, insofern sie Menschen ein menschenwürdiges oder sonst wie erfreuliches oder wünschenswertes, höheres, oder wie immer sie formulieren mögen, Dasein zu gestalten, zu führen, zu leisten ermöglicht“. Dergleichen wurde zwar immer wieder zu bedenken gegeben, aber nicht eingehend diskutiert. Doch trat Raupach nachdrücklich dafür ein, die Untersuchung der ökonomischen und der soziopolitischen Faktoren zu ergänzen um den Versuch einer „Beschreibung der Verhaltenswirklichkeit bzw. Gruppendynamik dieser Zeit“; und Conze wie Jantke regten an, auch einmal kontrafaktische Überlegungen zum Thema anzustellen. 1930/32 unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungsmöglichkeiten und Weichenstellungen unter vorgegebenen Bedingungen und Zwängen), außerdem Übersicht 1957 – 1969, S. 2 (dort in der späteren Version Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reiches 1929/33 und mit Hinweis auf den betreffenden Bd. 8 der Schriftenreihe). 217 So hielt z. B. Ipsen in seinem Beitrag über die soziologischen Aspekte der Wirtschaftskrise (insbesondere über die katastrophale Arbeitsmarktsituation) die Auffassung, Brüning sei „hundert Meter vor dem Ziel gewesen“, für falsch und fügte im Blick auf mögliche Lehren aus der Vergangenheit hinzu: „Ich will gar nicht auf Vorwürfe hinaus. Niemand kann mehr einsehen, als seiner Zeit einzusehen gegeben ist. Für künftige Zeiten ist es aber wünschenswert, dass ­solche Situationen ein Staatswesen nicht mehr überfahren, wenn man nicht riskieren will, dass wieder Unglück passiert [!] in der Weltgeschichte [!]“ (TP Okt. 1961, S. 23, vgl. S. 34 Krügers Empfehlung). Nachfolgend angeführte Auffassungen: TP Okt. 1961, S. 1 (Predöhl, mit Bezug auf Schumpeter) bzw. S. 14 (Ipsen) bzw. S. 40 (Raupach) bzw. S. 38 f. (Conze); vgl. S. 41 f.

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Das eine wie das andere blieb allerdings unausgeführt. Überhaupt verlief die weitere Beschäftigung mit der Wirtschaftskrise nicht ganz nach Plan. Dass sie „vom Herbst 1961 bis Frühjahr 1964 […] das Generalthema für drei Tagungen“ abgab, wie es 1969 rückblickend hieß,218 ist zwar korrekt, lässt jedoch nicht erkennbar werden, was an Unterbrechungen und Verzögerungen dazwischenkam. Nicht nur musste, wie bereits erwähnt, die Anschlussveranstaltung im Frühjahr 1962 abgesagt werden.219 Vielmehr ließ auch die Herbsttagung 1962 noch keine Fortsetzung zu, da Weippert als einer der Hauptreferenten wegen Krankheit ausfiel und ein als Korreferent vorgesehener Zeitzeuge nicht zur Verfügung stand.220 Bei Verkürzung auf einen Tag, der zum Teil auch noch einer „Sonderaussprache“ über die Wörterbucharbeiten gewidmet war, lieferte Conze ersatzweise einen Informationsbericht über Arbeitsorganisation und Arbeitspläne auf dem Gebiet der modernen Sozialgeschichte inner- und außerhalb Deutschlands, soweit sie Forschungsvorhaben des Arbeitskreises berührten (darunter die Absicht des Stuttgarter Union-­Verlags zu einem sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Gebhardt nach einem Plan von Aubin).221 218 Übersicht 1957 – 1969, S. 2 (mit Hinweis auf den betr. Bd. 8 der Schriftenreihe). 219 Dazu u. a. TP Okt. 1961, S. 43: Für Frühjahr 1962 Referat von Raupach über die „Rolle der Bürokratie in der Wirtschaftskrise (unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen)“ vorgesehen plus Korreferat des Kölner Rechtsanwalts (Steuerrechtlers) Dr. H. Reinbothe (seinerzeit Mitarbeiter von Friedrich Syrup, Präsident der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, dann Reichsarbeitsminister im Kabinett Schleicher) sowie weiteres „Hauptreferat“ von Weippert über die „spezifisch deutschen Erscheinungsformen der Agrarkrise“; S. 44, Protokollzusatz vom März 1962: Frühjahrstagung 1962 müsse „wegen Verhinderung (Erkrankung und Arbeitsüberlastung) der meisten Mitglieder ausfallen“. 220 Dazu TP Okt. 1962, S. 1 (betr. Conze-­Mitteilungen); verfügbar war lediglich Raupachs Problemskizze zu Gesellschaft und Staat in Deutschland während der Weltwirtschaftskrise (5 S.). – S. 6 f. zur Sitzung über das Wörterbuch, bei der mit Brunner, Conze, Jantke, Schieder u. Treue sowie „als Gast“ auch Koselleck nur die „unmittelbar beteiligten oder interessierten Mitglieder“ anwesend waren, nicht also Jürgensen, Krüger, Maschke u. Predöhl. 221 Dazu S. 1 f. freilich nur Pauschalangaben, wonach Conze auch auf die Gründung u. Aufgaben der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (Vors.: Lütge), den Internationalen Verband für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte (speziell seine Tagung Ende August 1962 in Aix-­en-­Provence), die CIHMSS und deren nächste Tagung 1965 in Wien (vgl. schon oben betr. Conze/Groh), die geplanten Quelleneditionen der sozialgeschichtlichen Abteilung der Historischen Kommission bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften (Arbeitsprogramm von Köllmann) und Eckerts Archiv für Sozialgeschichte samt seinem Plan zur Gründung eines Braunschweiger Instituts zur Geschichte der Arbeiterbewegung einging.

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Im Verlauf der Diskussion kamen Raupach und Krüger zurück auf die latente Frage einer „genauen Definition der Sozialgeschichte“.222 Allgemein dazu verwies Conze nunmehr auf seinen neuen Lexikonartikel Sozialgeschichte und vertrat wieder die Auffassung, dass die Sozial- im Unterschied zur Wirtschaftshistorie nicht auf ein Spezialgebiet der Geschichte ziele, sondern ein „besonderer Aspekt der Geschichtsforschung“ sei und deshalb wie auch wegen der Komplexität des Gesellschaftsbegriffs nicht leicht definiert werden könne. Das führte jedoch über den bisherigen Reflexionsstand ebenso wenig hinaus wie die Maschke-­Auskunft, zur Sozialgeschichte gehöre im Grunde alles, was „in Beziehung zu gesellschaftlichen Ordnungen und Institutionen“ stehe. Nicht ergiebiger war dann auch Jantkes erneuter Einwand, dass sich die Sozialhistorie unter solchen Gesichtspunkten nicht mehr von der historischen Soziologie unterscheiden lasse und „faktisch den Rang einer Integrationswissenschaft“ erhalte; ebendies finde er sehr bedenklich, denn in erster Linie sei sie „durch ihre Nähe zum Quellenmaterial bestimmt“, dürfe sich also nicht durch „soziologische Kategorialbegriffe irreführen“ lassen und könne „schon aus methodischen Gründen“ keine Integrationswissenschaft sein. Conze wollte darin keinen Widerspruch zu seiner Vorstellung sehen, denn seine Rede vom Aspekt beziehe sich nicht auf die Wissenschaft generell, sondern nur auf die Betrachtung von Geschichte. Brunner indessen bezweifelte überhaupt die Möglichkeit einer allgemeingültigen Definition und hielt es für „letztlich unerheblich“, ob man „einmal von Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und zum anderen von Strukturgeschichte“ spreche – eine Auffassung, der Schieder insofern beipflichtete, als er einwarf, dass selbst Braudel sein Verständnis von structure nirgendwo umreiße. Conze wiederum nahm all dies lediglich zum Anlass, auf das seines Erachtens geringe Interesse der Franzosen an begriffsgeschichtlichen Untersuchungen hinzuweisen und die für ihn evidente „Bedeutung des deutschen Beitrags zur Methodologie und Th ­ eorie der Sozialwissenschaften und Sozialgeschichte“ herauszustellen: Im Vergleich dazu ­seien die „methodologisch-­theoretischen Grundlagen“ der an sich sehr produktiven französischen Sozialhistorie durchaus unbefriedigend, denn faktisch dominiere ein „dem historischen Materialismus direkt oder indirekt verwandtes oder entsprechendes“ Geschichtsverständnis, wofür die Annales mannigfache Beispiele lieferten. Raupach schließlich kam von daher direkt auf sowjetische Veröffentlichungen zur Sozialgeschichte, wobei er vor den Konsequenzen ihrer „quantitativen Überlegenheit“ warnte und die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit betonte, um der „kommunistischen Herausforderung“ zu begegnen. Maschke ergänzte dies um den Hinweis, dass es für kommunistische Historiker aus ideologischen Gründen 222 Dazu S. 3 f. (folgende Zitate zwar ausnahmslos Protokollformulierungen, aber zweifellos wieder originalgetreu, wenn nicht wörtlich); vgl. Conzes Art. Sozialgeschichte, in: RGG (3. Aufl.), Bd. 6, 1962, Sp. 169 – 174.

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überhaupt „nur Sozialgeschichte oder sozial interpretierte Geschichte“ gebe, weshalb ihren Publikationen rein quantitativ gar nicht begegnet werden könne, sondern die Qualität wirksamer internationaler Kooperation entscheidend sei. Kam man in Sachen Präzisierung von Sozialgeschichte also kaum von der Stelle, blieb es in einer weiteren Fundamentalangelegenheit bei einer knappen Äußerung von Raupach. Er nämlich brachte die ja ebenfalls schwebende Frage nach der Funktion der wirtschaftswissenschaftlichen Mitglieder des Arbeitskreises wieder aufs Tapet.223 Zweifellos, so seine Auffassung, gehe es nicht um ‚ökonomischen Nachhilfeunterricht‘ für die Historiker, sondern um arbeitsteilige, „d. h. wechselseitig sich ergänzende und befruchtende“ Behandlung gemeinsamer Th ­ emen. Was ihm dabei vorschwebte, erläuterte er am Beispiel der Untersuchung historischer Prozesse: Außer Acht lasse der Historiker dabei meistens den Aspekt der Alternative, „und zwar unter dem Gesichtspunkt der Kosten (im ökonomischen Sinne)“. Es sei jedoch äußerst aufschlussreich, etwa Methoden und Verlauf der sowjetischen Industrialisierung einmal in ­diesem Licht zu betrachten und sich vorzustellen bzw. auszurechnen, wie ein solcher Industrialisierungsprozess im Zarenreich hätte stattfinden können – Überlegungen bzw. Rechenoperationen, die von Historikern und Ökonomen gemeinsam anzustellen ­seien. Mit ­diesem Statement endete aus Zeitmangel abrupt eine Aussprache, in der nach einem höchst bemerkenswerten Protokollvermerk „unbeabsichtigt wieder einmal die Neigung und die Notwendigkeit einer Grundlagendiskussion hervorgetreten waren“. Direkt oder indirekt blieb ihr auch dann immer wieder Rechenschaft zu tragen, wenn man sich vergleichsweise handfest-­historischen Dingen widmete und damit faktisch einer aufschlussreichen Anregung von Predöhl entsprach. War er 1959 nach seiner Aufnahme noch davon ausgegangen, dem Kreis durch Einbringung „wirtschaftswissenschaftlicher Gedanken“ nützlich sein zu können, riet er nun leicht resigniert, sich „vielleicht wieder stärker auf historische Probleme“ zu konzentrieren: „Ich möchte glauben, dass das die teilnehmenden Historiker besser bei der Stange hält. Wirtschaftswissenschaftler und Soziologen wirken dann allerdings nur am Rande mit, aber ich glaube doch, dass für uns genügend Raum zur Betätigung bleibt. Das gilt natürlich umso mehr, je mehr die Probleme der Gegenwart nahe liegen.“ 224 Als nach der erwähnten Verschiebung des nächsten Frühjahrstreffens dann mit der 12. Zusammenkunft im Oktober 1963 das Thema Weltwirtschaftskrise fortgeführt wurde, sollten außer ökonomisch-­theoretischen wie wirtschaftshistorischen Aspekten auch die Rolle der Bürokratie und die staatspolitischen Folgen zur Debatte gestellt werden, last not least sogar die Frage, w ­ elche Lehren das Grundgesetz 1949 aus der 223 Dazu S. 4 f. 224 Briefe an Conze, 18. 2. 1959 bzw. 12. 9. 1962 (KP 3, lf. S. 38 bzw. 60).

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Krisenerfahrung gezogen habe.225 Auch wenn Letzteres und überhaupt ein Teil des Vorgesehenen dann doch nicht oder erst s­ päter zur Sprache kam, enthielten schon die drei großen Referate von Raupach, Weippert und Helmuth Croon zahlreiche Ansatzmöglichkeiten für kontroverse Erörterungen einschließlich direkter oder indirekter Aktualisierungsversuche.226 Auch ergaben sich Aufhänger für Mahnungen wie die von Rudolf Vierhaus, nachträglich sehe die „Variationsbreite möglicher Entscheidungen“ stets größer aus, als sie für die Zeitgenossen gewesen sei, so dass es nicht angehe, „eine ganze Generation für ‚1933‘ im Vollsinne verantwortlich zu machen bzw. deswegen zu verurteilen“ – wogegen Nürnberger einwandte, das Historikerverständnis für „menschliches Versagen“ dürfe jedoch „nicht unkritisch werden“. Erneut zutage trat aber vor allem der Kontrast bei den Erkenntnisinte­ ressen und Zugriffen von Wirtschafts- und Geschichtswissenschaftlern. Sollte aus Conzes Sicht der geplante Tagungsband über die Staats- und Wirtschaftskrise „ein Beispiel für Zusammenarbeit von Wirtschaftswissenschaft, Sozialwissenschaft und Historie“ abgeben,227 stellte vor allem Raupach, der sein Referat zentral auf Max Weber stützte, den Kontrast heraus. So unterschied er in der Diskussion wieder ­zwischen „dem generalisierenden Ökonomen und dem individualisierenden Histo­ riker“: Beim Disput über die ostelbische Agrarpolitik befand er zu einem stark historisch-­kritischen Diskussionsbeitrag, dass darin mit einer betont „politisch-­ historischen Fragestellung“ operiert und der „Aktionsverlauf bzw. das Handeln und Versagen der verantwortlichen Personen“ beleuchtet würden, während er selbst „als Ökonom“ daran interessiert sei, die „Aktionsbedingungen oder mögliche Aktionsbreite zu bestimmen und die sozialen Grenzkosten des Kapitals zu ermitteln“.228 Solche Differenzmarkierungen traten dann im Frühjahr 1964 bei der dritten und letzten Veranstaltung zum Krisenthema zwar ein bisschen zurück, als wenigstens ein Teil der ursprünglich vorgesehenen Themenliste noch behandelt wurde (darunter auch das Problem der Brüning’schen Präsidialpolitik, wobei sich die 225 So lt. TP Okt. 1962 (PR 1), S. 8 f. die Programmvorstellung auf der Herbsttagung 1962. 226 Darauf kann hier nur hingewiesen werden. – Raupachs Thema: Der interregionale Wohlstandsausgleich als Problem der deutschen Reichspolitik (Text im TP Okt. 1963, S. 1 ff.), Weippert: Aspekte der Agrarkrise (S. 23 ff.), Croon: Der Freiwillige Arbeitsdienst (S. 52 ff.), außerdem schriftlicher Diskussionsbeitrag von Jürgensen: Kreislaufzusammenhänge der Weltwirtschaftskrise (S. 39 ff.). – Betr. Disput Vierhaus-­Nürnberger: s. die Protokollangaben S. 38 f. 227 So wenig ­später im Brief an Predöhl, 9. 1. 1964 (KP 4, lf. S. 388 f.); auf die langwierige Publi­kationsgeschichte des Bandes kann hier nicht eingegangen werden. 228 TP Okt. 1963 (PR 1), S. 33 (Protokollmitteilung ohne weitere Erläuterung) bzw. S. 36 (ebenfalls Protokollwiedergabe, aber vermutl. wortgenau); vgl. S. 5 zur Berufung auf Max Webers „Gedanken des sozialen Drucks“ bei Raupachs Erklärung für den „polnischen Drang nach Westen“ im 19./frühen 20. Jh.

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längst angelaufene Brüning-­Kontroverse u. a. in der Weippert-­Kritik spiegelte, dass Brüning in Conzes Referat über Die politischen Entscheidungen 1930 – 1933 „zu gut weggekommen sei“).229 Doch schon bei der Beratung der Mitgliederversammlung über ein neues Generalthema zeigten sie sich wieder fast unverhüllt. Als Jantke immerhin gleich vier betont wirtschaftshistorische ­Themen zur Auswahl anbot,230 sprach sich nur scheinbar paradoxerweise gerade Raupach dagegen aus – mit dem gleichsam wohlmeinenden Einwand, dass sie sich „wegen der Zusammensetzung“ des Kreises allesamt „hier schlecht realisieren“ ließen. Stattdessen unterstützte er ein anderes Thema von Vierhaus, das er offenbar für leichter durchführbar, weil sozusagen weniger ‚ökonomistisch‘ hielt: Die Entwicklung der Wirtschaftspolitik und die allgemeine Umorientierung der Bismarck’schen Politik nach 1878. Dass man schließlich einen weiteren, allerdings ja nicht neuen Vorschlag von Vierhaus annahm, nämlich Imperialismus, machte die Spannung noch im Bemühen um Überbrückung deutlich. Lag die Entscheidung für d ­ ieses Rahmenthema doch ausdrücklich vor allem daran, dass es nach Einschätzung von Raupach und Weippert den Ökonomen unter den Mitgliedern mehr Möglichkeiten zu intensiver Mitarbeit bot, wobei es in Maschkes Augen freilich zu umfangreich war. Die nun also beschlossene Wiederaufnahme von Imperialismus bedurfte jedoch erst noch der Umsetzung in eine konkrete Tagungsplanung, was in den nächsten Monaten hauptsächlich auf dem Korrespondenzweg erledigt werden sollte. Dass es aber noch fast anderthalb Jahre bis zum Beginn der neuen Tagungsfolge dauerte, hatte indessen externe Gründe. Zum einen konnte die vorgesehene Herbsttagung 229 Dazu PT April 1964 (PR 2), S. 75 ff. die kurze Inhaltsangabe zum Conze-­Referat und die Wiedergabe der Diskussion (Weipperts Kritik besonders von dem als Gast anwesenden Dr. Wolfgang Schieder geteilt); vorhergegangene Referate: Treue über Die Stellung der Unternehmer in der Wirtschaftskrise von 1929 bis 1933 (S. 4 ff. vollständiger Wortlaut) sowie Dr. Ursula Hüllbüsch über Die deutschen Gewerkschaften in der Wirtschaftskrise (1929 – 33) (S. 58 ff. ebenfalls vollständiger Text); zur ursprünglichen Tagungsagenda schon TP Okt. 1962, S. 9 f. – In der am Vorabend der Tagung abgehaltenen MV (Teil 1) hatte Jürgensen die Notwendigkeit unterstrichen, „der Frage nachzugehen, warum die keineswegs auf Deutschland beschränkte Wirtschaftskrise gleichwohl nur in Deutschland zu einem beispiellosen politischen Umsturz geführt habe“ (S. 2). 230 1) Das bürgerliche Unternehmertum von 1850 – 1870 unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen der 48er Revolution und der Krise von 1857; 2) Die Industrialisierung Deutschlands auf agrarischer Rohstoffgrundlage und der Anteil der Agrarier bzw. des Agrarkapitals (z. B. Grundentlastungsgelder) an der Gewerbeförderung; 3) Das Fortwirken der alten Gewerbelandschaften in der modernen Industriewirtschaft; 4) Das Geschichts- und Problembewusstsein der älteren liberalen Nationalökonomie sowie die ältere ökonomische Schule (Bruno Hildebrand, Knies) und das Wirtschaftsverfassungsdenken. – Dazu und zum Folgenden: S. 6 (MV, Teil 1 am 20.4.) bzw. S. 79 (MV, Teil 2 am 22.4.); zu den Jantke-­Vorschlägen bereits die Conze-­ Ankündigung in der MV vom 2. 10. 1963 (TP Okt. 1963, S. 74).

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1964 letztlich deshalb nicht stattfinden, weil zusätzliche Drittmittel zur Intensivierung der Hilfskraftarbeiten beim Lexikon ganz unerwartet noch ausblieben, also akut durch vermehrte Eigenaufwendungen substituiert werden mussten.231 Zum andern wurde die Frühjahrstagung 1965 nicht in der üblichen Weise durchgeführt. Von Conze gleich nachher als ein „guter Ansatz“ zur angestrebten internationalen Verbindung dargestellt, wurde sie nämlich zum Bedauern etwa von Treue zusammengelegt mit einem binationalen Kolloquium über Probleme der deutschen und französischen Sozialpolitik im 19. Jahrhundert, veranstaltet vom 1. bis 3. 5. 1965 in Bochum vom Deutschen Historischen Institut Paris.232 Neben diesen äußeren Umständen war allerdings noch ein Weiteres im Spiel: Der Mangel an aktiver Mitarbeit verschärfte sich nachgerade so sehr, dass Conze schon von daher in der Bochumer Mitgliederversammlung 233 das im Vorjahr 231 Von dem Sparzwang betroffen war auch die für Okt. 1964 vorgesehene Arbeitstagung Wörter­buch. Für Einzelheiten vgl. TP Apr. 1964 (PR 2), S. 1 f. die Conze-­Mitteilungen in der MV am 20. 4. 1964 (TOP 3), wonach der Ausfall der Plenartagung allerdings nicht nur von Nachteil war, sondern andererseits den Vorzug hatte, dass der Tagungsband Wirtschaftskrise zügiger fertiggestellt und die Frühjahrstagung 1965 „in Ruhe vorbereitet“ werden konnte; dazu auch schon Conze an Jantke, 6. 3. 1964 (KP 2, lf. S. 402). 232 Conzes Einschätzung („guter Ansatz“): so in seinem Begleitbrief zum Protokollversand; zu Treues Bedauern (Zusammenlegung „gar nicht sehr glücklich“, weil dadurch kaum möglich, was immer „einer der Hauptreize“ des AKMS gewesen sei, dass er „in Ruhe und gewissermaßen familiär tagte“): Brief an Conze, 7. 2. 1965 (KP 4, lf. S. 489), dazu Conzes Antwort, 9. 2. 1965 (lf. S. 488); vgl. andererseits etwa Th. Schieders Zustimmungsbrief an Conze, 12. 2. 1965 (KP 3, lf. S. 112). – Zu der auf Conzes Anregung erfolgten Zusammenlegung mit der Bochumer Veranstaltung, dem 5. deutsch-­französischen Historikerkolloquium (Ve colloque historique franco-­allemand), u. a. KP 2 ff.: Conze-­Briefe vom 1. 12. 1964 u. 24. 1. 1965 an Eugen Ewig (damals Mainz, Gründungsmitglied des Pariser Instituts und seit 1964 Präsident des Wiss. Beirats) sowie der vor- u. nachbereitende Briefwechsel von März bis Juli 1965 ­zwischen Conze bzw. Stuke einerseits und Dr. Hermann Weber vom Institut Historique Allemand andererseits; zudem u. a. Stuke-­Briefe an Reg.dir. Dr. Petersen/BMF, 12. 4. 1965 und an den Direktor des Hotels Staatiches. Kurhaus in Bad Ems; 13. 7. 1965, bes. VN 1965 vom 21. 2. 1966, S. 2 bzw. 6 f. (Verzicht auf eigene Tagung, stattdessen Beteiligung an der Veranstaltung in Bochum, allerdings „insgesamt nur 6 Mitglieder“ anwesend, d. h. Conze, Maschke, Predöhl, Treue, Vierhaus und Zorn sowie Geschäftsführer/Protokollant Stuke; in Pariser Reisekostenübersicht vom 20. 5. 1965 außerdem aufgeführt, aber mit Vermerk „nicht teilgenommen“: Brunner u. Th. Schieder); im Übrigen Paravicini, S. 108 u. 120 (s. a. S. 76, 107 u. 119 zum 1. deutsch-­französischen Historikerkolloquium vom 16. bis 19. 4. 1961 in Saarbrücken über Probleme der Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte/Problèmes de l’histoire économique et sociale, dazu u. a. auch TP Okt. 1960, S. 30 und Ewig-­Brief an Conze, 20. 2. 1961). 233 Folgende Angaben, soweit nicht anders vermerkt, nach Prot. MV 2. 5. 1965 (PR 2, nur 3 S., d. h. ohne inhaltliche Detailinformationen und deshalb hier zit. ohne Seitenangaben).

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­beschlossene Generalthema Imperialismus als wenig glücklichen Griff einstufte; und für Maschke ließ es sich ohnehin im Rahmen der Arbeitskreismöglichkeiten nicht in dem Maße bewältigen wie die vorhergegangenen. Nur weil sich das „Bochumer ‚Rumpfparlament‘“ mit seiner kleinen Besetzung zu einem Revisionsbeschluss nicht befugt sah 234, beließ man es erst einmal bei Imperialismus. Doch für mindestens ebenso wichtig, wenn nicht vorrangig hielt man die Auseinandersetzung mit „Grundlagen- und Methodenfragen“, wobei erneut exemplarisch auch auf Otto Hintze hingewiesen und empfohlen wurde, den „Vorzug des Beieinanderseins mehrerer Disziplinen“ zu ­nutzen. Wieder also trat in den Vordergrund, was ja von Anfang an zum zentralen Handlungsbedarf gehörte: das Bemühen um nähere Bestimmung des namengebenden Begriffs Sozialgeschichte. Dazu empfahl Maschke, „doch einmal grundsätzlich das Verhältnis von Qualität und Quantität in der Sozialgeschichte und damit überhaupt die theoretischen Grundlagen der Sozialgeschichte zu erörtern“. Und Vierhaus, der kurz zuvor noch angeregt hatte, den Arbeitskreis „in Richtung auf die Geistes- und Ideengeschichte, die ‚Bewusstseinsgeschichte‘ zu erweitern“ 235, wünschte eine „methodologische Reflexion auf die Erkenntnismodelle des Historikers“ – was wiederum zu der „prinzipiellen Frage“ führte, inwieweit man überhaupt mit Modellen operieren könne, eine Frage, die Conze gerade für eine Diskussion ­zwischen Historikern, Soziologen und Ökonomen sehr geeignet fand. All dies wurde denn auch neben Imperialismus für die nächste Tagung vorgesehen und verband sich unter dem Eindruck der Bochumer Gespräche mit französischen Kollegen gleich mit einer sozusagen konkreten Utopie. Denn während die Vierhaus-­Anregung zur Herausgabe einer Zeitschrift zur vergleichenden europäischen Sozialgeschichte auf diverse Bedenken stieß und von Vierhaus schließlich auch nicht aufrechterhalten wurde,236 drängte sich nicht nur für Conze förmlich auf, was der Kreis auch ­später immer wieder anstrebte: „[…] das Ziel einer durch vergleichende Forschungen zu gewinnenden europäischen Sozialgeschichte der modernen Welt“.

234 Von damals 16 Mitgliedern nur 6 anwesend; Zitat: so Conze in seinem Begleitbrief zum Protokollversand, daraus auch die nächsten Conze-­Formulierungen; demnach Hinweis auf Hintze diesmal von Ipsen. 235 Brief an Conze, 8. 2. 1965 (KP 3, lf. S. 234). 236 Mit Brief an Conze vom 26. 10. 1965 (KP 4, lf. S. 536 f.) riet er dann von der Begründung einer solchen Zeitschrift „zur Zeit“ ausdrücklich ab, denn erst müsse man wissen, was aus der VSWG bei einem Übergang in andere Hände werde oder werden könne. Auch erscheine demnächst in Chicago ein Journal of Social History, so dass für ein vergleichendes internationales Organ „wenig Raum sein [dürfte]; Franzosen schreiben ohnehin kaum jemals in fremden Zeitschriften, Engländer kaum in deutschen.“ Für wichtiger halte er jedenfalls eine Fortsetzung der Sammelbände des AKMS.

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Wie quasi halbherzig dagegen das Thema Imperialismus im Oktober 1965 wieder aufgenommen wurde, zeigt sich auch an der Tagungsplanung. Mehr als die beiden schon ausgearbeiteten Beiträge von Schieder und Raupach sollte nämlich nicht aufs Programm kommen, der zweite Teil also von vornherein für „prinzipielle Fragen der weiteren Thematik“ reserviert bleiben.237 Und gleich zu Tagungsbeginn merkte Conze an, bei der Vorbereitung sei offengelassen worden, ob dem ohnehin nicht für eine Publikation vorgesehenen Thema noch eine Anschlussveranstaltung gewidmet werden solle. Die Neigung dazu scheint sich weder durch Schieders Ausführungen Zur geschichtlichen Deutung des Imperialismus noch durch einen längeren, stark ökonomisch-­theoretischen Diskussionsbeitrag von Raupach 238 erhöht zu haben. Wohl plädierte Schieder beim Hin und Her über eine Fortsetzung sogar für mehrere Tagungsfolgen über die Entwicklung des Imperialismus unter der Thema­ formulierung Wandlungen des Weltwirtschaftssystems von 1918 bis zur Gegenwart; und Raupach beschränkte sich nicht auf den ermunternden Hinweis, dass er in Deutschland ansonsten niemanden sehe, der über die Imperialismusproblematik spreche oder Forschungen betreibe, sondern erklärte auch gleich seine Bereitschaft zu Recherchen und Berichterstattung über Möglichkeiten internationaler Kooperation. Gerade bei Letzterem, so hingegen Maschkes Befürchtung, werde der auf Eigenaktivität angewiesene Arbeitskreis seinen spezifischen „Charakter“ verlieren, wenn er mehr als einen einmaligen Impuls für Forschung und Lehre geben wolle. Zorn etwa sekundierte mit dem Ratschlag, den Kreis unter allen Umständen flexibel zu halten, also nicht für längere Zeit auf ein „immenses“ Arbeitspensum festzulegen – mithin eine Gefahr zu vermeiden, die nach Conze freilich auch auf andere Weise, d. h., ähnlich wie beim Lexikonprojekt umgehbar war, nämlich per Untersuchung von Imperialismus künftig nicht mehr durch die Mitglieder selbst, sondern durch eine spezielle Forschungsgruppe in enger Verbindung mit dem Arbeitskreis. Doch obwohl eine Fortsetzung des Themas zunächst allgemein als wünschenswert bezeichnet wurde, entschied man sich nach längerer Erörterung doch für ein neues Generalthema, das zunächst am Beispiel Großbritannien untersucht werden sollte. In der Protokollversion trug es den ungelenken Arbeitstitel: Einsatz [d. h. Beginn] der industriellen Welt im Blick auf seine zeitlichen, räumlichen, bevölkerungsmäßigen usw. Bedingungen, Umstände und Konsequenzen. Wegen der bereits umfangreichen Literatur zu ­diesem Komplex von Conze entschieden befürwortet und zugleich eingestuft als ein potenziell „entscheidender Beitrag zur modernen europäischen 237 So lt. Beschluss schon der Bochumer MV vom 2. 5. 1965 (PR 2); nachfolgende Conze-­ Anmerkung: lt. TP Okt. 1965 (PR 2), S. 3. 238 Wörtliche Wiedergabe auf S. 37 – 48 (Schieder) bzw. S. 8 – 17 (Raupach, mit Auslassungen); zur Fortsetzungsfrage S. 30 – 32 (dort auch Näheres zum unten erwähnten Ipsen-­Plan mit seinen fünf Problemkreisen) bzw. S. 34 – 36.

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Sozialgeschichte“, setzte sich damit durch, was Ipsen unterbreitet hatte: der Plan zu einer „grundlegenden Untersuchung der Voraussetzungen und konstitutiven Erscheinungsformen der ‚industriellen Welt‘“, wobei drei von fünf dazu benannten Problemkreisen eine unmittelbar ökonomische Zentrierung aufwiesen. Für das neue Thema war schon deshalb absehbar, dass die Kontroverse um Historie und Ökonomie nicht aufhören würde, wie sie sich soeben auch bei Imperialismus wieder manifestierte. Das machte besonders Raupach kenntlich, von dem Jantke meinte, er vor allem habe in letzter Zeit auf das Arbeitskreiskonzept „wesentlich und durchaus überzeugend eingewirkt“.239 So behandelte er diesen Gegenstand primär aus der Schumpeter-­Perspektive, nicht ohne am Ende die bewusst gegenwartspolitische Frage zu stellen, ob man „etwas resignierend den Imperialismus als Begriff wieder jenem untheoretischen und vulgären Sprachgebrauch überlassen“ wolle, der sich gegenwärtig „unter dem Eindruck der kommunistischen Propaganda“ sehr viel weiter verbreitet habe als noch zu Schumpeters Zeit. Mit dem also auch von daher motivierten Plädoyer für einen theoriegeleiteten Ansatz trafen die rivalisierenden Erkenntnisinteressen und Sichtweisen erneut aufeinander, ergo nicht zuletzt auch die inkongruenten, teilweise tautologischen Vorstellungen voneinander. So war Raupach überzeugt, dass der Historiker mit seiner Fundamentalausrichtung auf das je Konkrete sich „nur höchst zögernd auf das Feld der theoretisch-­philosophischen Verallgemeinerung“ begebe und dann, falls überhaupt, Denkmodelle der Soziologie, Ökonomie oder Sozialpsychologie heranziehe, während der Sozialwissenschaftler „primär am Allgemeinen interessiert“ sei und die Aufgabe der Th ­ eorie- und Modellerstellung habe, denn „andernfalls wäre er oder ist er Historiker“. In der eingehenden, mit aktuellen Bezügen durchsetzten Aussprache 240 fand Schieder wiederum Raupachs Kontrastierung von historischer und sozialwissenschaftlicher Methode übertrieben, bezweifelte dann jedoch die Zulässigkeit des Umgangs mit einem generellen Imperialismusbegriff, der wie bei Schumpeter völlig ahistorisch sei, außerhalb jeder historischen Funktion stehe und lediglich gewissen theoretischen Bedürfnissen genüge. Brunner andererseits nahm insofern eine Vermittlungsposition ein, als er betonte, dass grundsätzlich weder die Geschichts- noch die Sozialwissenschaft ohne ­Theorie auskämen und beide eine sehr weite empirische Grundlage hätten. Trotz klarer Verschiedenheit „im Grad der Generalisierung“ könnten sie einander nicht entbehren: Mit u ­ nzulänglichem 239 Brief an Conze, 18. 2. 1965 (KP 4, lf. S. 404); folgende Raupach-­Äußerungen: TP Okt. 1965 (PR 2), S. 17 bzw. 8. 240 S. 17 – 30; Zitate: S. 17 (Schieder) bzw. 20 f. (Brunner) bzw. 22 (Maschke). – Die Aktualisierungsbezüge reichten bis zu Fritz Fischers umstrittenem Weltmachtbuch bzw. zu ­Fragen der Entwicklungshilfe, überhaupt zu Unterschieden oder auch Gemeinsamkeiten von „altem“ oder “klassischem“ und „modernem“ Imperialismus.

Verschärfung der internen Probleme und Bewältigungsversuch durch Verjüngung

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­ istorischen Material, so freilich die bemerkenswert einseitige Erläuterung, lasse sich h eben keine zutreffende sozialwissenschaftliche Th ­ eorie bilden. Maschke schließlich folgerte, dass man sich jedenfalls zunächst auf die handfest empirische Frage zu konzentrieren habe, ­welche Rolle „das Ökonomische“ beim Imperialismus konkret gespielt hat. Zu solchen Untersuchungen kam es wegen des Wechsels zum Generalthema industrielle Welt ja nicht mehr, und bis zur Beschäftigung mit ­diesem neuen Gegenstand waren die internen und punktuell auch die materiellen Rahmenbedingungen spürbar schwieriger geworden.

2.2 Verschärfung der internen Probleme und Bewältigungsversuch durch Verjüngung (1962 – 1969) Die inzwischen unübersehbare Erschwerung der Handlungsumstände betraf nur vorübergehend und nur mit Maßen die Finanzbasis, denn diese blieb alles in allem auch nach dem Übergang in die Zuständigkeit des Bundeswissenschaftsministeriums (1963) leidlich stabil.241 Wohl kam es schon früh insofern zur „Defacto-­Kürzung“ (Conze) der Forschungsmittel, als tarifliche Vergütungserhöhungen in der Regel nicht durch entsprechende Mehrbewilligungen kompensiert wurden, sondern innerhalb der fest vorgegebenen Jahreshaushalte aufgefangen werden mussten. Auch verzögerten sich die Bewilligungsbescheide wiederholt so lange, dass nicht selten bis weit ins jeweilige Rechnungsjahr eine gewisse Unsicherheit bestand. Zudem drohte Anfang der 60er Jahre aufgrund genereller Verminderung der Bundeszuschüsse um 10 bzw. 12 % nach „brutaler Kürzung“ (Conze) des Bundeshaushalts zusätzlich eine drastische Beeinträchtigung: So wurde 1963 tatsächlich zunächst eine zehnprozentige, in einem Conze-­Brandbrief nach Bonn 242 als „einfach unverständlich“ und geradezu ­„katastrophal“ attackierte 241 Dazu die Übersicht im Anhang. – Das Folgende so weit wie möglich ohne Detailangaben; zur Verlagerung der Ressortzuständigkeit (statt BMI nun BMF) die betreffende Mitteilung von Dr. Petersen (selbst nunmehr auch beim BMF, und zwar als Reg.dir.), 21. 6. 1963 (KP 23, S. 179). – Anschließend sind Conze-­Formulierungen zitiert: so, mit der Bitte um möglichsten Ausgleich der Mehrkosten, z. B. im Brief ans BMI, 4. 11. 1960 (KP 23a, lf. S. 282); vgl. u. a. Petersen an Conze, 14.11.60 (lf. S. 279) bzw. Conze an Petersen,19. und 20. 6. 1961 (lf. S. 243 bzw. 242), zudem Petersen an Conze, 28. 6. 1961 (KP 23, lf. S. 200 ff.): zusätzliche Bewilligung zur Deckung von Personalkosten nach Tariferhöhungen. 242 Eilbrief an Petersen, 9. 9. 1963 (KP 23a, lf. S. 154 f.) mit dem Hinweis, dass weder die bereits anberaumte Herbsttagung noch eine für Oktober geplante Tagung der Lexikonmitarbeiter durchgeführt werden könnten – wo doch die „Ergebnisse beider Tagungen für die Öffentlichkeit von nicht unerheblichem Interesse und Nutzen gewesen wären“. – Zuvor zitierte Äußerung: so Conze an Treue, 5. 3. 1962 (KP 3, S. 216), mit dem Zusatz „Etwas Derartiges

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Kürzung verhängt, im Endeffekt jedoch nicht aufrechterhalten. Erst 1964 schien die Finanzdecke wirklich hauteng zu werden, wenn nicht zu reißen. Bei einer Personalkostenquote von durchschnittlich 85 % und tarifbedingter Steigerung der Personalausgaben seit 1959/60 um 29 – 38 % bedeutete die Konstanz der Bundeszuwendungen von jährlich 100.000 DM eine „fortgesetzte Reduktion unserer Forschungsgrundlagen“, wie Conze in einem persönlichen Brief an Bundesforschungsminister Lenz vorrechnete.243 Im Fall massiver Einbußen durch Bundesrestriktionen als ernstlich gefährdet galt speziell das sozusagen mischfinanzierte und durch vorläufiges Ausbleiben von Drittmitteln ohnehin akut betroffene Lexikonprojekt – mithin ausgerechnet ein Unternehmen, das nach demonstrativem Bekunden der Initiatoren „nach seiner Vollendung sicherlich in der interessierten Öffentlichkeit einiges Aufsehen erregen und besondere Beachtung finden“ werde.244 Doch auch wenn es 1964, als selbst ein privater Plan zu einem Museum für deutsche Sozialgeschichte mit Unterstützung des Bundespräsidialamts und mehrerer Bundesministerien zum Zuge zu kommen schien, noch intensiver Bemühungen um Vermeidung bzw. Aufhebung weiterer Abstriche nach dem Bundeshaushaltsgesetz bedurfte 245, blieb der Finanzsockel wenigstens nominell gleich. Somit ließ sich der Fortbestand des „zu 100 % vom Bund finanzierten“ Arbeitskreises per saldo trotz Engpässen so taxieren, wie er dem stets besonnenen Geschäftsführer bereits drei Tage nach Conzes Intervention bei Lenz erschienen war, nämlich als „hinreichend gesichert“.246 Ja, 1966 ließ das Ministerium den Haushaltsansatz „zum ersten Mal seit langer Zeit ungekürzt“ (Conze), um ihn dann sogar von sich aus von 110.000 DM auf 117.000 DM zu erhöhen.247

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habe ich noch nicht erlebt“; dazu u. a. auch TP Okt. 1961 (PR 1), S. 48, Nachtrag vom März 1962. Brief vom 7. 2. 1964 (KP 23a, lf. S. 133 f.) anlässlich der Vorlage des vorläufigen Wirtschaftsplans für 1965, in dem zur Fortsetzung der laufenden Tätigkeit ein Mehrbedarf von DM 11.570 angemeldet wurde, insges. also DM 111.570 bei erwünschten 120.000 DM; dazu die betonte Goodwill-­Erklärung von Lenz, 26. 2. 1964 (lf. S. 127 f.) und Conzes Dank, 10. 3. 1964 (lf. S. 126). So Conze an Petersen, 16. 4. 1964 (lf. S. 122). – Zum nachfolgend erwähnten, zunächst mit Blick auf Frankfurt a. M., Düsseldorf oder Berlin, dann Mannheim betriebenen und seit Herbst 1963 auch von Conze begleiteten Museumsprojekt des Rundfunkjournalisten Hans-­Jürgen Weineck, auf das hier nicht eingegangen werden kann: vgl. u. a. die Petersen-­ Anfrage an Stuke,18. 4. 1964, und die Stuke-­Antwort, 22. 5. 1964 (KP 23a, lf. S. 113 bzw. 108). Dazu u. a. TP Okt. 1963 (PR 2), S. 73 bzw. Stuke-­Brief ans BMF, 3. 9. 1964 (KP 23a, lf. S. 88) bzw. VWN 1964, S. 15: „[…] angespannte“ Finanzlage, „zumal“ nach abschlägigem Bescheid der Thyssen-­Stiftung zum Antrag auf DM 33.480 für wissenschaftliche Hilfsarbeiten beim Lexikon. Laut Stuke-­Brief ans BMF, 10. 2. 1964 (KP 23a, lf. S. 132). Conze-­Zitat: so an Petersen, 4. 10. 1966 (KP 23b, lf. S. 337); zur Mittelerhöhung auf 117.000 DM vgl. Stukes Haushaltsbericht in der MV vom März 1968: PMV 26. 3. 1968 (PR 3), S. 1.

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Ungeachtet punktueller Unklarheiten und Einbrüche stand die laufende Projekttätigkeit also im großen Ganzen nicht zur Disposition. Bei der Mittelverteilung freilich konnte es gelegentlich zu atmosphärisch wie stilistisch bemerkenswerter Spannung kommen. Beispielsweise wünschte Ipsen Anfang 1962 einen Werkvertrag mit dem Münchner Dipl.-Volkswirt Dieter Petzina zwecks Sammlung, Prüfung und Verarbeitung der laufenden Statistik der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit im D[eutschen]R[eich] 1929/33 und des zeitgenössischen wirtschafts- und sozialpolitischen Schrifttums dazu.248 Stuke musste ihm erst einmal mitteilen, dass die Bundesbewilligung 1962 sich erheblich verzögern werde, vorläufig also lediglich eine Abschlagsrate zur Verfügung stehe. Daher sei die Bereitstellung des nötigen Betrags nicht ganz einfach, zudem an ein bestimmtes Limit und an einschlägige haushaltsrechtliche Vorschriften gebunden. Darauf reagierte Ipsen mit deutlicher Verärgerung und unverkennbar von oben herab. Nicht nur bezeichnete er Stukes Sachinformation als ein „Angebot“, das er einem „hochqualifizierten Dipl. Volkswirt garnicht zu nennen“ wage. Vielmehr setzte er Stuke zugleich unter kaum verhohlenen Druck, indem er ihn wissen ließ, er schicke einen Durchschlag seines Antwortbriefs direkt an Conze, der soeben von Archivstudien in Amsterdam zurückkehrte. Dass der Zwist bald gegenstandslos wurde und Ipsen einen versöhnlichen Ton anschlug, änderte nichts daran, dass Stukes Korrektheit Ipsens „Unwillen erregt“ hatte, wie Stuke mit dem Zusatz „zu meinem Leidwesen“ formulierte. Waren derartige Vorkommnisse rein persönlich bedingt und blieb es ansonsten bei jenem „informellen und unbürokratischen Arbeitsstil“, den Kocka s­päter als positive Regel konstatierte, hatten andere Umstände ihren Grund in der Konstruk­ tion des Arbeitskreises. So ergab sich aus seinem Finanzstatus als Zuwendungsempfänger mit fixen und nicht übertragbaren Jahreshaushalten, dass die Vergütung von wissenschaftlichem Personal (Angestellten und Hilfskräften) wie auch die Honorierung der sog. Forschungsstipendien nach wie vor nur mit mehr oder minder enger Befristung möglich waren. Das hatte durchaus ambivalente Folgen, wie sie wiederholt auch gegenüber dem Wissenschaftsrat zum Ausdruck gebracht wurden: Der Nachteil bestand darin, dass wegen der Nichtexistenz von Planstellen kein fester Mitarbeiterstab rekrutiert und qualifizierte Kräfte wegen der ­Unsicherheit 248 So schließlich die Aufgabenbeschreibung im betreffenden Werkvertrag vom 8. 3. 1962 (KP 2, lf. S. 336, unter: Ipsen) im Zusammenhang mit einer Ipsen-„Untersuchung über das Thema ‚Lagebeurteilung der deutschen Arbeitskraft um 1933‘“ (so im TP Okt. 1961, S. 47); dazu und zum Weiteren die betreffende Korrespondenz ­zwischen Ipsen und Conze bzw. Stuke sowie Petzina und Stuke von Jan. bis Mai 1962 (mit Nachtrag im Jan. 1963), außerdem VWN 1962 vom 20. 2. 1963, S. 14 f. und Petzinas Tätigkeitsbericht vom 14. 1. 1963. – Nachfolgendes Kocka-­Zitat: Brief an Conze, 11. 11. 1982, mit kritischem Bezug auf die Ausdrucksweise im Conze-­Brief an Kocka, 3. 11. 1982 (KP 7, lf. S. 320 ff.).

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ihrer rechtlichen wie materiellen Stellung nicht gehalten werden konnten oder eine relativ kurzfristige Anstellung überhaupt ablehnten und gleich ein günstigeres Angebot annahmen. Andererseits war der Zuschnitt von Einstellungsmodus und Beschäftigungsdauer auf Art und voraussichtliche bzw. tatsächliche Laufzeit des jeweiligen Forschungsvorhabens sehr wohl auch von Vorteil. Nicht nur erlaubte diese Regelung dem Arbeitskreis eine „elastische Anpassung des Personalbestandes an den jeweiligen tatsächlichen Bedarf“, sondern sicherte auf diese Weise zumindest potenziell auch ein „Höchstmaß an wissenschaftlicher Ergiebigkeit“.249 Erhebliches Kopfzerbrechen hingegen bereitete ein Sachverhalt, der dann bei der Bochumer Mitgliederversammlung vom Mai 1965 sogar einen gesonderten Tagesordnungspunkt abgab: das zunehmende, noch Jahrzehnte s­ päter verhandelte Problem der Arbeitsbereitschaft des Kreises und des Ausscheidens oder der Inaktivierung einiger Mitglieder.250 Damit wurde in aller Form thematisiert, was schon früher virulent war und von Conze nunmehr als die Notwendigkeit bezeichnet wurde, die „Wirksamkeit des Kreises unter dem Gesichtspunkt einer wirklich tragenden ‚Activitas‘“ zu erhöhen.251 Diese Notwendigkeit, so sein Argument, ergebe sich sachlich aus der Art der Tätigkeit, die primär in kontinuierlichen Tagungsdiskussionen bestehe und sekundär in der Veröffentlichung eines Teils dieser Diskussionen sowie von Forschungen in deren Umfeld. Im – regelmäßig betonten und drei Jahre danach erstmals namhaft gemachten – Unterschied zu einer „üblichen Kommission“, die 249 So in Stukes Erläuterungen zum ausgefüllten Fragebogen für [außeruniversitäre, aber mit öffentlichen Mitteln geförderte] Forschungseinrichtungen (Abschn. III.1), übersandt an den Wissen­schaftsrat am 17. 4. 1964 (KP 23a, lf. S. 114 ff.), gleichlautend bereits in der am 16. 2. 1962 via BMI vorgelegten Fassung (Abschn. IV.1); vgl. die am 10. 10. 1968 und 7. 11. 1972 an den Wissenschaftsrat gesandten Fassungen (KP 23b), s. a. WPL 1973 vom 22. 6. 1972 (ebd.) und die Wirtschaftspläne 1973 – 1975. 250 PMV 2. 5. 1965 (PR 2), TOP 5; dazu und überhaupt zum Folgenden auch Conzes Begleitbrief zum Protokoll, der diverse Antworten auf sein einschlägiges Rundschreiben vom 2. 5. 1965 einschließlich der Ergänzungen der Bochumer MV zusammenfasste. – Vgl. in d ­ iesem Zusammenhang z. B. die entsprechende Kritik im Graf-­Rundschreiben von 3. 4. 2002 (PR 22, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2002, s. u., Schlusskap.), Punkt 5, wo übrigens Böckenfördes Inaktivierungsmitteilung an Conze (14. 10. 1980) als Ausdruck vorbildlichen Verhaltens und zugleich als Beleg dafür angeführt wurde, dass man früher „wirklich stilvoll“ miteinander umgegangen sei. 251 So, laut Conzes Begleitbrief zum Prookoll., die übereinstimmende Meinung der Mitglieder. – Zu der Unterscheidung von den üblichen historischen Kommissionen auch Conzes Rundschreiben an die Mitglieder vom 20. 10. 1967, außerdem besonders PMV 26. 3. 1968 (PR 3) , S. 2 („[…] wurde verschiedentlich vergleichend und abgrenzend auf Theodor Mayers Konstanzer Arbeitskreis, die Ausschüsse des Vereins für Sozialpolitik und die Marxismus-­Kommission hingewiesen“); ähnlich auch viel s­ päter wieder, etwa Conze an Kaelble, 8. 5. 1985 (KP 7, S. 28 f.).

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vorwiegend ein bestimmtes wissenschaftliches Arbeiten zu organisieren, zu begutachten und zu finanzieren habe, stellten sich also an die kleine Zahl der Arbeitskreismitglieder zwangsläufig stärkere Anforderungen. Mit Rücksicht auf die so gebotene überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft hatte man schon vorher fast Schlag auf Schlag eine regelrechte Zuwahlserie eingeleitet. Bereits im Oktober 1962 kam der ehemalige Lütge-­Assistent und damals gerade als Ordinarius für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte nach Bonn gegangene Wolfgang Zorn hinzu (der für die „sehr ehrenvolle Berufung [!]“ in den Kreis übrigens mit der beinahe ängstlichen Bemerkung dankte, er „hoffe nur, dass ich Ihren hohen Erwartungen bezüglich meiner Mitarbeit, die mich fast beschämen, einigermaßen gerecht werden kann“). Zugleich beschloss man für die nächste Tagung eine Einladung an den seinerzeit Hamburger Soziologen Wilhelm Hennis und an den Neuhistoriker Rudolf Vierhaus (noch Privatdozent in Münster, bald dann Professor in Bochum): Sei es doch zweckmäßig, „[Zuwahl-]‚Kandidaten‘“ die Gelegenheit zum Kennenlernen des Arbeitskreises zu geben – was ebenso gut vice versa heißen konnte und die Einführung einer fakultativen Verfahrensregel für künftige Kooptationen bedeutete. Auch den stark historisch orientierten Tübinger, zuvor Erlanger Erziehungswissenschaftler Andreas Flitner zu „gewinnen“ und damit einer Anregung von Weippert zu entsprechen, wurde zwar für „prinzipiell möglich“ gehalten, die Entscheidung wurde aber offengelassen, weil der Kreis „klein bleiben“, zudem „Neuaufnahmen nicht zu zahlreich gleichzeitig“ durchführen sollte.252 Und gar nicht erst die Rede war gewiss nicht bloß aus Altersgründen etwa von dem Soziologen und Wiese-­Schüler Adolph Geck (Jg. 1898), Autor beispielsweise einer doch einschlägig anmutenden Neuerscheinung Über das Eindringen des Wortes ‚sozial‘ in die deutsche Sprache (1962/63): Zumindest Conze kannte bis dato weder diese 252 Bis hier nach TP Oktober 1962 (PR 1), S. 5; außerdem: Conzes Zuwahlmitteilung an Zorn, 15. 10. 1962 (KP 4, lf. S. 568) und Zorns Dank, 17. 10. 1962 (KP 3, lf. S. 303); betr. Hennis vgl. Conze an Hennis, 15. 10. 1962 (KP 2, lf. S. 269); s. a. Brunner an Conze, 14. 9. 1962, mit Zustimmung zu allen ‚Kandidaten‘, besonders zu Vierhaus (lf. S. 116); betr. Absicht zur Zuwahl von Zorn und Hennis auch schon das Conze-­Anschreiben vom 11. 4. 1962 zum Versand des Protokolls der Herbsttagung 1961. – Von seiner „Berufung in den Arbeitskreis“ und dessen Bedeutung als „ein zentrales Moment meiner Genese und Entwicklung als Wissenschaftler“ sprach z. B. auch Oexle noch rd. 40 Jahre ­später bei seiner Inaktivierung: Brief an Raphael, 11. 10. 2004 (KP 15, S. 228). – Zum nachfolgend angeführten Vorstoß von PD Geck (vgl. u. a. schon seine Studie über Die sozialen Arbeitsverhältnisse im Wandel der Zeit, Berlin 1931, Nachdruck Darmstadt 1977): KP 4, lf. S. 170 f.: Geck-­Brief „An die Arbeitsgemeinschaft [!] für moderne Sozialgeschichte“, 23. 5. 1963 (mit handschriftlicher Conze-­Bitte an Dieter Groh um Kenntnisnahme von der Geck-­Schrift und Anfrage bei Jörg Schadt, „wer A. Geck ist. Verwandtschaft zum bekannten badischen Sozialisten?“) bzw. Conze-­Antwort an Geck, 11. 7. 1963.

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noch frühere Schriften und beschied ihn unverkennbar dilatorisch, als er sich im Mai 1963 aufgrund eines Klett-­Hinweises interessiert nach dem Arbeitskreis erkundigte, d. h. indirekt als Mitstreiter anbot. Erläuternd gab Geck dabei an, er ziele auf eine „zeitgemäße Erneuerung der wissenschaftlichen Sozialgeschichte“, nämlich „einmal im Sinne einer Sozialgeschichte der modernen Zeit, sodann im Sinne einer Sozialgeschichte auf Grund fachsozialwissenschaftlicher Grundlage, also im strengeren Begriffe des Sozialen und seiner Aspekte – soziologisch, sozialpsychologisch, sozialwirtschaftlich usw. –, weil ich mit dem üblichen weiten Begriff – der mehr oder minder um das Wirtschaftliche kreist [!] – nicht zufrieden sein kann“. Ohne ­solche Selbstpräsentation auch nur pro forma zu berücksichtigen, folgte schon im Herbst 1963 die nächste Erweiterung: wie zu erwarten, um Vierhaus, jedoch nicht um Hennis, sondern um den Neuhistoriker Heinz Gollwitzer (gleich Vierhaus in Münster), den Conze „immer mehr schätzen gelernt“ hatte und vor Fortsetzung des Verjüngungskurses „als letzten aus unserer Generation […] gern dabei“ haben wollte.253 Wohl fand man es bei dieser Aufstockung auf 16 Mitglieder allgemein angebracht, nicht über 20 hinauszugehen und weitere Zuwahlen vorläufig zu unterlassen. Doch betonte Conze nicht nur den ja schon früher erkannten Bedarf gerade an jüngeren Mitgliedern, um die Funktionsfähigkeit des Kreises zu gewährleisten. Vielmehr brachte er nun auch den Gedanken an eine Differenzierung nach aktiver und inaktiver Mitgliedschaft ins Spiel, wodurch er die steigende Dringlichkeit der gesamten Aktivitätsfrage nur noch unterstrich. Einen weiteren Vorstoß unternahm er dann im Februar 1965, also noch kurz vor der besagten Bochumer Mitgliederversammlung, mit einem speziellen Rundschreiben an alle Mitglieder. Es wirkte so aufrüttelnd, dass Theodor Schieder postwendend fast beschwörend antwortete: „Es müsste doch möglich sein, bei aller Überlastung und Zerstreuung, von der wir alle betroffen sind, einen so hoffnungsvoll begonnenen Versuch mit Nutzen und Erfolg weiterzuführen.“ 254 Ja, offenbar konnte das Rundschreiben so sehr als sprichwörtlicher Wink mit dem Zaunpfahl empfunden werden, dass Conze selbst sogar nach der Bochumer Zusammenkunft noch beschwichtigend versicherte, es gehe „nicht um ‚Verfassungsänderungen‘, [nicht] um Drängen zum ‚Ausscheiden‘, um ‚Altersgrenzen‘ oder voreiliges personelles Verändern, sondern lediglich um Selbstprüfung 253 So im Brief vom 30. 11. 1962 an Th. Schieder (KP 3, lf. S. 111); zur Zuwahl auf Vorschlag von Conze in der MV vom 1. 10. 1963 und zum Folgenden: TP Okt. 1963 (PR 1), lf. S. 52; betr. Gollwitzer s. a. Conze an Raupach, 23. 4. 1963 (KP 4, lf. S. 430). – Warum von Hennis (auch am Lexikon beteiligt) keine Rede mehr war, ist aus den verfügbaren Akten (Korrespon­ denzen ­zwischen Hennis u. Conze/Stuke Nov. 1961 bis Dez. 1963) nicht zu ersehen. 254 Brief an Conze, 12. 2. 1965 (KP 3, lf. S. 112). – Nachfolgend zit. Conze-­Äußerung: so im Begleitbrief zum Protokoll, ausdrücklich mit Bezugnahme auf sein Rundschreiben vom 5. 2. 1965 (nicht auffindbar).

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im Hinblick auf die für die Eigenart unserer Arbeit nun einmal erforderliche ‚Verfügbarkeit‘“. Der faktische Druck ­dieses Appells war immerhin hoch genug, um nicht zu verpuffen. Krüger etwa, der die jetzt eigentlich nur wieder in Erinnerung gerufene Teilhabebedingung nach seiner Zuwahl ja emphatisch bekräftigt hatte und ausgerechnet diesmal verhindert war, ließ Conze denn auch fast bittend wissen, dass ihm der Arbeitskreis „menschlich und sachlich so viel bedeutet, dass ich gern weiter an ihm teilnehmen möchte“.255 Hingegen antworteten Jürgensen und Predöhl sowie Gollwitzer mit Inaktivierungserklärungen: Anderweitig dermaßen festgelegt, dass sie sich trotz ihres großen Interesses am Arbeitskreis nicht mehr zu aktiver Beteiligung verpflichten könnten, wollten sie künftig nur noch inaktive, also verpflichtungsfreie Mitglieder sein und damit ihren Platz räumen für neue Kollegen mit Bereitschaft zu intensiverer Mitarbeit.256 Predöhl, gerade im Übergang zur Leitung des neu gegründeten Deutschen Übersee-­Instituts in Hamburg, meinte, dass die Einführung einer bestimmten Altersgrenze einerseits von großem Vorteil sein würde, weil der Kreis so „um die unerfreuliche Entscheidung herumkäme, älteren, inaktiven Mitgliedern gewissermaßen ein Consilium abeundi zu erteilen“; andererseits verliere er mit einer solchen Entscheidung u. U. sehr rührige Mitglieder, „denn die Aktivität hängt ja nur in geringem Ausmaß von Alter ab“.257 Und Gollwitzer, der von seiner Mitgliedschaft ohnehin keinen Gebrauch gemacht und auch keine Möglichkeit zur Beteiligung am Begriffslexikon gesehen hatte, äußerte nun zwar den Eindruck, dass „in letzter Zeit sich fast etwas zu viel auf dem Gebiet der Sozialgeschichte tut“. Eine Gliederung der Mitgliedschaft „in eine ordent­liche und eine außerordentliche“ hielt er aber für durchaus angebracht, sofern die Inaktiven ein Recht zur Sitzungs- und Informationsteilhabe behielten. Auch versah 255 Brief vom 21. 4. 1965 (KP 2, lf. S. 551); vgl. seinen Brief vom 9. 6. 1965 und Conzes Antwort vom 9. 7. 1965 (lf. S. 553 ff.); zu Krügers Sicht im Übrigen ebenfalls schon oben. – Laut Jantke an Conze, 18. 2. 1965 (lf. S. 404) sagte Krüger am Vortag im Gespräch mit Jantke, dass er „nicht recht wüsste, was er mit Ihrem [Conzes] Rundschreiben, soweit es sich auf die ‚Auffrischung‘ des Emser Kreises bezieht, anfangen solle. Ich weiß es, offen gestanden, auch nicht …“. 256 So die pauschale Mitteilung in Conzes Begleitbrief zum Protokollversand, s. a. die Version im PMV 2. 5. 1965 (PR 2), S. 3, Punkt 5 und im TP Okt. 1965, S. 2 f.; vgl. u. a. Jürgensen an Conze, 9. 2. 1965 (KP 4, S. 384 f.) und besonders 18. 2. 1965 (KP 2, lf. S. 456): wollte zwar „Übergang meiner aktiven in eine inaktive Mitgliedschaft“, aber „ganz ausscheiden […] eigentlich nicht, da es doch immer wieder Themenkreise gibt, an denen ich als Volkswirt außerordentlich interessiert bin und bei deren Behandlung ich auch durch meine Anwesenheit einiges Positive beisteuern könnte“); ähnlich Predöhl an Conze, 5. 10. 1965 u. 16. 2. 1967 (KP 3, lf. S. 62 bzw. 64); zu allen drei Inaktivierungen, namentlich zu ­Jürgensen, im übrigen Conze an Jantke, 22. 10. 1965 (KP 2, lf. S. 410 f.). 257 Brief an Conze, 9. 2. 1965 (KP 4, lf. S. 384 f.).

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er seine Selbstinaktivierung mit dem konstruktiv gemeinten Hinweis, dass eine kontinuierliche und wissenschaftlich produktive Beteiligung überhaupt „nur von zwei Kategorien“ erwartet werden könne: zum einen von mehr oder minder auf Sozialgeschichte spezialisierten Lehrstuhlinhabern, soweit nicht abgehalten durch andere Verpflichtungen oder durch Projekte, die sie ausschließlich in eigener Regie durchführen wollten; zum andern von jüngeren, akademisch noch nicht so wie Ordinarien eingespannten Kräften. Diese zweite, für den Kreis wahrscheinlich „hoffnungsvollere Gruppe“ habe in der Regel wohl „Arbeitswilligkeit und -freudigkeit“, allerdings „natürlich“ auch weniger Erfahrung und Überblick, zumal hauptsächlich wohl an „nichthabilitierte Herren“ zu denken sei. Habilitierte nämlich gelangten heutzutage meist sehr rasch auf einen Lehrstuhl, womit die Neigung, „sich dienend in eine von anderen bestimmte oder mitbestimmte Arbeitsplanung einzuordnen, meist abnehmen“ werde. Von Ordinarien, die einen großen Betrieb zu bewältigen hätten und sich zudem bloß unter anderem mit Sozialgeschichte befassten, werde man realistischerweise nicht mehr erhoffen dürfen als „alle paar Jahre einen Vortrag oder einen schriftlichen Beitrag“.258 Ähnlich hatte sich schon Treue geäußert, als er befand, der Verjüngungsgedanke sei à la longue der „allein richtige“, denn die jüngeren Kollegen hätten „etwas mehr Spannkraft“ und s­ eien nicht durch Institute usw. belastet, überdies noch frei in der Wahl ihrer Forschungsthemen und „trotz der Unzahl bundesdeutscher Fettnäpfchen, die ein geschickter Mensch heutzutage absahnen kann, bereit, für ein Stipendium aus honoriger Quelle eine anständige Arbeit zu leisten“.259 Vorerst irritiert bis befremdet zeigte sich lediglich Jantke. Nicht nur war er über Conzes Überlegungen zur „Altersgrenze“ so „wenig glücklich“, dass er fast barsch zu bedenken gab: „Was soll das in ­diesem kleinen Kreise? Die Reihenfolge wäre dann Predöhl, Brunner, Ipsen, was für sich selbst und gegen Ihr Argument spricht.“ Vielmehr und vor allem war auch das, was er mit distanzierenden Anführungszeichen „Verfassungsänderungen“ nannte, nach seiner Ansicht „namentlich in einem solchen verhältnismäßig intimen Kreise“ nur von der Arbeitsplanung her begründbar. Zwar sei er „jederzeit für Auffrischung und Blutkreislauf“ und stehe „selbstverständlich zum Platzmachen zur Verfügung“, sehe aber nicht, wohin der 258 Brief an Conze, 5. 3. 1965 (KP 2, lf. S. 261 ff.); ähnlich auch Zorn an Conze, 7. 11. 1967 (KP 4, lf. S. 560); vgl. Böckenförde an Conze, 20.11. 1967 (KP 4, lf. S. 61). – Zu Gollwitzers Verzicht auf Beteiligung am Begriffslexikon vgl. seinen Brief vom 7. 6. 1963 an Conze und dessen Antwort vom 25. 6. 1963 mit Verständnis für Gollwitzers ablehnenden Bescheid und mit der bemerkenswerten Ankündigung einer Einladung zur „Herbsttagung [1963] des Sozialgeschichtlichen Arbeitskreises […], auf der wir Sie, wie ich vermute, gern als Mitglied hinzuwählen wollen“ (KP 2, lf. Nr. 256 ff.). 259 Brief an Conze, 19. 2. 1962 (KP 4, lf. S. 496).

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Weg gehen solle. Falls Conze an Rekrutierung ausländischer Mitglieder („sicher hier und da interessant“) oder an Aufnahme von Vertretern anderer Disziplinen denke, stelle sich die Frage nach dem sachlichen Planungszusammenhang, denn erst nach dessen Maßgabe sei „auch ein relativ weitgehender Personenwechsel gerechtfertigt“.260 Diese Einwände bildeten wichtige Merkposten für die weitere Diskussion, der Conze im Anschluss an die Bochumer Versammlung dann auch eine entsprechende Richtung vorgab. Zur personellen Seite empfahl er für die Herbsttagung 1965 die Zuwahl von „zunächst etwa 2 neuen Mitgliedern“. Dabei bezog er sich freilich nicht nur auf die „einhellige“ Meinung der Bochumer Mitgliederversammlung, dass in den nächsten ein bis zwei Jahren „einige Neuaufnahmen“ erfolgen sollten, sondern sprach mit unerklärlichem Rückgriff auf eine externe, nie übernommene Regelung 261 auch davon, dass die Mitgliederzahl „gemäß der Satzung ­zwischen 12 und 18 liegen muss“. Außerdem erinnerte er daran, dass ja Wert auf den Versuch gelegt werde, individuelle Schwerpunktthemen der Mitglieder stärker zu verknüpfen mit der Arbeit des Kreises. Dessen Problem bestehe nach Schieder wohl weniger in Themenmangel als vielmehr in der Schwierigkeit regelmäßiger Zusammenführung der Mitglieder zu fruchtbaren Aussprachen, denn dies setze im Grunde voraus, dass die Tagungsthemen auch wirklich im Mittelpunkt der Mitgliederaktivitäten stünden; deshalb, so Schieder, könne es vielleicht nützlich sein, „von dem Gedanken zusammenhängender Diskussionsprobleme stärker abzusehen“ und das Schwergewicht auf Mitgliederreferate über ihre jeweilige Arbeit zu legen.262 Implizit wurden damit auch die Zuwahlüberlegungen wieder verknüpft mit der Frage nach der „neuen Konstitution“, wie Jantke sagte, als er Conze kurz vor der Herbsttagung nun ausdrücklich seine Zustimmung zu den „wesentlichen Punkten Ihres Reformvorschlages“ bekundete und „ganz ohne reservatio mentalis“ darum bat, ihn „nach erfolgter Verfassungsänderung der Kategorie der inaktiven Mitglieder (oder wie immer sie genannt werden) zuzurechnen“ – was unmittelbar 260 Brief vom 18. 2. 1965 (KP 2, lf. S. 404), mit der Bemerkung, dass ein „relativ weitgehender Personenwechsel gerechtfertigt“ sein würde, wenn Conze etwa mit Unterstützung von ­Raupachs Osteuropa-­Institut „auf ostpolitische und osthistorische Fragen aus“ sei; vgl. Conzes Antwort vom 19. 2. 1965 (lf. S. 405 f ). 261 Nicht in der Satzung des AKMS, wohl aber in dem bei der Ausarbeitung mit herangezogenen Entwurf einer Satzung der ‚Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien‘ e. V. und dann auch in der definitiven Kommissionssatzung vom 1. 11. 1965 (ein Exemplar im AAKMS) hieß es, die Mitgliederzahl „soll 18 nicht überschreiten“ – Emeriti allerdings ausdrücklich nicht mitgezählt. 262 So in einem Schieder-­Brief an Conze, 12. 2. 1965 (KP 3, lf. S. 112), zitiert auch in Conzes Begleitbrief zum Protokollversand (s. o.); zu Schieders Argumentation bzw. zum Hinweis auf Hintze ebenfalls schon oben.

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zuvor auch Brunner schon gewünscht hatte, beiden Gründungsmitgliedern jedoch von Conze ‚ausgeredet‘ wurde.263 Wie beträchtlich das Problem-, wenn nicht Krisenbewusstsein mittlerweile war, dokumentierte nicht zuletzt eben auch die 15. Tagung im Oktober 1965. Begann sie doch gleich mit einer „zwanglosen“, freilich von nur sechs Mitgliedern besuchten Vorabendsitzung zu drei zentralen Punkten: Aktivierungsmöglichkeiten, Intensivierung der Tagungsvorbereitung und personelle Ergänzung.264 Dass Ipsen die schwierige Lage insofern etwas herunterspielte, als er den Mangel an festem Engagement lediglich auf Arbeitsüberlastungen, Erkrankungen und Ähnliches mehr sowie auf Unzulänglichkeiten der zeitlichen Tagungsplanung zurückführte und zur Abhilfe das „Amt eines Tagungsassistenten“ einrichten wollte, ging letztlich am Problem vorbei. Auch Treue erfasste es nur bedingt, wenn er mit Wiederbelebung eines früheren Gedankens die Aktivität des Kreises sogar durch Erhöhung der Tagungshäufigkeit auf alle vier Monate steigern wollte, also hauptsächlich durch zu lange Intervalle beeinträchtigt glaubte. Conze war jedenfalls nicht nur realistischer, sondern auch näher am Kern der Sache, wenn er aufgrund der bisherigen Erfahrungen Zweifel an mehr als jährlich zwei Tagungen hatte und gleich Schieder – wie längst zuvor ja auch Raupach – eher darauf setzte, die Gegenstände möglichst weitgehend den Arbeitsfeldern der Mitglieder zu entnehmen, „ohne die Gesamtplanung darunter leiden zu lassen“. Überdies passte seine Linie ganz zur der allgemeinen Vorstellung einer sukzessiven Ergänzung des Mitgliederbestands mit Verpflichtung zu mehr als passiver Teilnahme, aber ohne Änderung der gesetzten Größenordnung. Dabei wurde zugleich daran erinnert, dass der Kreis keineswegs vorrangig auf Mitgliedschaft jedes Ordinarius der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, sondern auf Interdisziplinarität bedacht sei, also im Sinne der Gründungsabsicht neben Historikern auch Soziologen und Ökonomen, Juristen und Politologen in seinen Reihen haben wolle.265 263 Bzgl. Jantke: Brief an Conze, 19. 10. 1965 (mit Entschuldigung für seine Absage zur Herbsttagung) u. Conzes Antwortbrief, 22. 10. 1965 (KP 2, lf. S. 409 ff.); bzgl. Brunner: Brief an Conze, 4. 10. 1965: „Änderung meines Status […], damit jüngere Mitglieder zugewählt werden können“ (lf. S. 126); in den Verzeichnissen beide vorerst weiter als aktive Mitglieder geführt, Jantke aber mit Brief an Stuke, 27. 11. 1968 (lf. S. 434), definitiv inaktiv geworden (dazu lf. S. 435, Stukes Antwort vom 13. 12. 1968), Brunner hingegen erst mit Conze-­Brief vom 18. 6. 1979 (KP 6, lf. S. 165) um Inaktivierung gebeten (keine Antwort zu finden, vermutlich aber mündlich via Hilger erfolgt). 264 Dazu TP Okt. 1965 (PR 2), S. 1 – 3 (anwesend nur Brunner, Conze, Ipsen, Schieder, Treue und Zorn sowie Stuke als Geschäftsführer/Protokollant); vgl. die entsprechende Kennzeichnung in Stukes Einladung an Reg.dir. Dr. Petersen/BMF, 19. 10. 1965 (KP 23a, lf. S. 20). 265 Dazu auch schon PMV März 1965 (PR 2), S. 3, TOP 6; vgl. Conze-­Brief an Klages, 2. 8. 1966 (KP 2, lf. S. 470).

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Entsprechend bedarfs- und situationsgemäß verhielt es sich mit den Beschlüssen der Mitgliederversammlung:266 Bereits „vorgemerkt für s­ päter“ wurden außer Karl Erich Born (Tübingen) und Thomas Nipperdey (Karlsruhe/Heidelberg) als Historiker auch Hans Maier (München) als Politologe, M. Rainer Lepsius (Mannheim) als Soziologe und Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg) als Staatsrechtler. Um die nötige Erweiterung nicht zu kompakt vorzunehmen, wurde die beabsichtigte, auch noch von Gollwitzer befürwortete Aufnahme der Historiker Wolfram Fischer (Berlin) und Wolfgang Köllmann (Bochum) „vorläufig zurückgestellt“, der neuerliche Zuwachs folglich noch begrenzt auf Knut Borchardt (damals Ordinarius für Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie Volkswirtschaftslehre in Mannheim, der selbst von einem „ehrenden Anerbieten“ zum Beitritt sprach), zudem Reinhart Koselleck (seinerzeit noch Privatdozent für Neuere Geschichte in Heidelberg, kurz danach erst einmal Ordinarius in Bochum). Dadurch wuchs der Kreis auf nun wieder 14 Aktive, wobei diskussionslos die seither gültige Bestimmung getroffen wurde, dass für die Beschlussfähigkeit „stets nur die Zahl der aktiven Mitglieder maßgebend“ sein und die Inaktiven „grundsätzlich“ kein Stimmrecht haben sollten. Während damit also auch formell eine – so Jantke – „Zweiteilung“ entstand, die selbst er „nach Lage der Dinge richtig“ fand, war eine sog. Altersgrenze, die in seinen Augen „nun einmal nicht zur Genesis d ­ ieses Kreises“ passte,267 nicht länger im Gespräch. Handlungsleitend blieb vielmehr jener Gesichtspunkt, dessen anhaltende Aktualität dann auch durch die unfreiwillige Absage der Herbsttagung 1966268 nochmal demonstriert wurde: der Verjüngungsaspekt.

266 Folgende Angaben nach TP Okt. 1965 (PR 2), S. 31 f. (MV vom 27. 10. 1965; anwesend: Brunner, Conze, Ipsen, Maschke, Raupach und Zorn); zur Befürwortung einer Zuwahl von Köllmann und Fischer durch Gollwitzer schon dessen Brief an Conze, 5. 3. 1965 (KP 2, lf. S. 261 f.); betr. Zuwahl von Borchardt die Conze-­Borchardt-­Briefe vom 4., 10. und 16. 11. 1965 (S. 56 ff., Borchardt-­Zitat: aus seinem Brief vom 4.10.), zudem schon TP Okt. 1963, S. 52 (Maschke und Zorn für Einladung als Gast, sobald man mit einem neuen Generalthema beginne) und Jantke an Conze, 18. 2. 1965 (lf. S. 404: „Unter den jüngeren deutschen Wirtschaftshistorikern […] interessant […] Knut Borchardt […], zur guten Hälfte ökonomischer Systematiker“); bezüglich der Zuwahlvorschläge im Übrigen auch Vierhaus an Conze, 26. 10. 1965 (KP 4, lf. S. 536 f.). 267 Brief an Conze, 19. 10. 1965 (KP 2, lf. S. 409), wobei er zusätzlich anführte, dass die wissen­ schaftlichen Akademien oder Kommissionen seines Erachtens „hier kaum als Modell dienen“ könnten, im Übrigen aber ebenfalls auf Aktivierungswirkung gerade jüngerer Mitglieder zählte; dazu Conzes Antwort, 22. 10. 1965 (lf. S. 410 f.). 268 Wegen Absagen von zwei der vier vorgesehenen Hauptreferenten und nach weiteren Absagen von Mitgliedern sah Conze sich „leider gezwungen“, die für 18./19. 10. 1966 in Hamburg angesetzte Tagung abzusagen (im Einvernehmen mit den verbliebenen Referenten Fischer und Köllmann und „bestärkt“ durch Jantke u. Maschke); dazu besonders sein enttäuschtes

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Demgemäß fand die Zuwahlserie 1966 ihre Fortsetzung. Im Frühjahr kam ­Wolfram Fischer (Berlin) hinzu, wobei man Köllmann wegen seiner damaligen „Sonderbelastung“ durch die Bochumer Aufbautätigkeit noch einmal zurückstellte, von Lepsius zwecks „Gelegenheit zum gegenseitigen näheren Kennenlernen“ noch absah und die Kandidatenliste um zwei weitere Namen ergänzte: um den Schweizer, mithin den ersten Ausländer Rudolf Braun (seinerzeit noch in Berlin) und – explizit zur Berücksichtigung auch der Osteuropäischen Geschichte – um Dietrich Geyer (Tübingen).269 Noch im Herbst 1966 wurde via schriftliche Voten auch Köllmann (Bochum) aufgenommen,270 und im Frühjahr 1967 folgten der Staats- und Verfassungsrechtler Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg) und die beiden Soziologen Rainer Lepsius (Mannheim) und Peter Christian Ludz (Berlin). Hingegen wurde ihr Kollege Helmut Klages (Berlin), der sich nach eigenem Bekunden „in besonderem Maße der aus der historischen Perspektive heraus operierenden Soziologie verbunden“ fühlte und deshalb seinen „Kontakt zu der wirtschafts- und sozialhistorischen Nachbardisziplin noch ausbauen“ wollte, erst für einen „späteren Termin“ vorgeschlagen; ebenso der Münchner Privatdozent für Wirtschaftsgeschichte und spätere Heidelberger Maschke-­ Nachfolger Eckart Schremmer.271 Zum Abschluss kam die Serie dann im März 1968 mit der Zuwahl von Rudolf Braun und Thomas Nipperdey (zu dieser Zeit beide in Berlin), so dass die Relation von aktiven und passiven Mitgliedern bald 18:7 bzw. 16:8 betrug, denn nach Gollwitzer, Jürgensen und ­Predöhl traten bis Sommer 1969 auch Ipsen, Krüger, Th. Schieder und Treue sowie last not least Jantke in den Status des Inaktiven über (was Stuke höflicherweise als bloße „Formsache“ einstufte, so wie es bald danach im Fall Raupach auch Conze tat).272 Mit alledem entstand bis zum

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Rundschreiben vom 27. 9. 1966 (bei den Tagungsunterlagen in PR 2), außerdem u. a. sein Brief an Klages, 10. 10. 1966 (KP 4, lf. S. 253) u. VWN 1966 vom 24. 2. 1967, S. 3. TP März/April 1966 (PR 2), S. 9 (MV vom 1. 4. 1966); betr. Zuwahl von Fischer s. a. Conze an Fischer, 4. 4. 1966/Fischer an Conze, 26. 4. 1966/Conze an Fischer, 10. 5. 1966 (KP 4, lf. S. 152 ff.). – Zitat „Sonderbelastung“: Conze an Köllmann, 17. 5. 1965 (KP 2, lf. S. 504 f.). Dazu Conze an Köllmann, 21. 10. 1966 und Köllmanns Dank, 2. 11. 1966 (KP 2, lf. S. 508 ff.); vgl. schon Conzes Rundschreiben vom 27. 9. 1966 (auch bezüglich Lepsius), Vierhaus an Conze, 28. 9. 1966 (KP 4, lf. S. 528 f.) und Zorn an Conze, 8. 10. 1966 (lf. S. 563). TP März 1967 (PR 2), S. 76 (MV vom 30. 3. 1967); betr. Lepsius die Conze-­Lepsius-­ Korrespondenz vom 3. 6. 1966 bis 6. 2. 1967 (KP 4, lf. S. 310 ff.) sowie u. a. Treue an Conze, 1. 10. 1966 (S. 471); im Übrigen die Korrespondenz ­zwischen Conze und Klages von Aug. 1966 bis Febr. 1967 (KP 2, lf. S. 466 ff.; Selbstkennzeichnung von Klages: Brief an Conze, 26. 8. 1966) bzw. VWN 1967 vom 29. 1. 1968, S. 8: am 10./11. 10. 1967 Schremmer-­Reise nach Heidelberg zwecks Besprechung mit Conze „über das Arbeitsprogramm des Arbeitskreises im Jahre 1968, seine Mitarbeit und seine Aufnahme als Mitglied in den Arbeitskreis“. PMV vom 26. 3. 1968 (PR 3), S. 5 (Zustimmung aller Anwesenden konnte allerdings wegen Beschlussunfähigkeit nach Weggang von Böckenförde „nicht mehr zum formellen

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Ende der 60er Jahre sozusagen jenes Personalchassis, auf dem dann für mehr als zwei Jahrzehnte zumal „Rainer Lepsius und Knut Borchardt, Reinhart ­Koselleck und Thomas Nipperdey ihr Feuerwerk abschossen“ (Wehler). Dabei konnten gerade die beiden nicht zunftunmittelbaren Mitglieder Lepsius und Borchardt gewissermaßen als ein Tandem intellektuell höchst anregender agents provocateurs fungieren, zumal speziell die Lepsius-­Statements stets so pointiert und geschliffen waren, dass sie sich nach einer hintergründigen Bemerkung von K ­ oselleck fast immer auch bestreiten ließen. Eine Voraussetzung dieser Konstellation war der unverkennbare Generationswechsel.273 Abgesehen von dem praktisch sofort inaktiven Gollwitzer (geb. 1917) Beschluss erhoben“ werden, sondern bedurfte noch nachträglicher schriftl. Bestätigung); s. a. Braun an Conze, 4. 10. 1968 (KP 4, lf. S. 68): Dank für die „große Ehre“ – mit dem für ihn charakteristisch skrupulösen Zusatz, er hoffe, sich „dieses Vertrauens würdig zu erweisen“; Stuke-­Äußerung: Brief an Jantke, 13. 12. 1968, dazu Jantke an Stuke, 27. 11. 1968 mit Wunsch nach Inaktivierung (KP 2, lf. S. 438 u. 435); betr. Raupachs Wechsel zu den Inaktiven: Brief an Conze, 3. 10. 1970 (KP 4, lf. S. 397), dazu Conzes Relativierung der „Überführung in eine inaktive Mitgliedschaft“ als „nur eine Formalität, die uns die Aufnahme neuer Mitglieder infolge Freiwerdens von Plätzen ermöglicht“: Brief an Raupach, 27. 10. 1970 (lf. S. 396); vgl. im Übrigen VWPl. 1970 vom 15. 1. 1969, S. 11 f. (zum Stand bei Aktiven/Inaktiven am 15. 1. 1969) bzw. WP l. 1970, S. 11 f. (zum Stand am 1. 4. 1969), dort Ipsen bereits bei den Inaktiven aufgeführt, obwohl er selbst erst am 8. 8. 1969 an Conze schrieb, es scheine ihm „notwendig, wenn ich meinerseits meinen Rücktritt in den Zustand des Inaktiven erkläre“, denn es sei „nicht wahrscheinlich, dass ich Kraft und Zeit für einen mehrjährigen Einsatz erübrige“ (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1970 in PR 4); zur unbedingten Notwendigkeit des Inaktiven-­Status auch PMV vom 11. 4. 1969 (ebd.), S. 2 (Hinweis von Conze und Stuke). – Unerfindlich übrigens, warum ab WP l. 1971 vom 18. 9. 1970 bei den Inaktiven die drei Erstinaktivierten Gollwitzer, Jürgensen und Predöhl nicht mehr aufgeführt wurden; betr. Krüger auch dessen Brief an Conze, 25. 5. 1985 (KP 7, lf. S. 373 f.), wonach er seit längerem keine Mitteilungen des AKMS mehr erhalten hatte und daraus „wohl mit Recht“ schloss, dass „man mich sogar aus der Liste der Mitglieder gestrichen“ habe, was er „völlig in Ordnung“ finde, da er sich „seit manchen Jahren nicht mehr an den Tagungen habe beteiligen können (nicht aus Mangel an Interesse, sondern wegen seiner „körperlichen Bewegungsunfähigkeit“). 273 Auch dazu schon Lepsius, Die Mitglieder […], hier Abschn. 2: Generationenwechsel in der 2. Hälfte der sechziger Jahre. – Vorhergehende Wehler-­Äußerung: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4, München, 2. Aufl. 2003, S. XXIII (s. a. Dunkhase, Conze, S. 144); Koselleck-­Bemerkung: TP März 1984 (PR 11), S. 13; speziell zu Position und Funktion von Lepsius und Borchardt bes. bemerkenswert (auch bezüglich der Eigensicht) Borchardt an Conze, 7. 5. 1969: „Nachdem ich hörte, dass auch Herr Lepsius [zur Frühjahrstagung] abgesagt hatte, war ich richtig erschrocken, doch habe ich noch eine große Hoffnung, dass Sie bei [den] Diskussionen vorangekommen sind, ohne die ‚externe Provokation‘“ (KP 2, lf. S. 66); zu Borchardts Selbstverständnis im AKMS außerdem seine Briefe an Conze,

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entstammten die zehn neu aufgenommenen Mitglieder den Geburtsjahrgängen 1922 (Vierhaus und Zorn), 1923 (Koselleck), 1925 (Köllmann), 1927 (Nipperdey), 1928 (Fischer und Lepsius), 1929 (Borchardt), 1930 (Braun und Böckenförde) sowie 1931 (Ludz). Mithin lag das durchschnittliche Lebensalter zur Zeit ihrer Zuwahl bei nur 39 Jahren. Ausnahmslos hatten sie ihre wissenschaftliche Ausbildung erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchlaufen und z­ wischen 1962 und 1967 ihre Berufung auf einen Lehrstuhl erhalten, standen daher in einem Generationszusammenhang, der sie um rund zwei Jahrzehnte von der Gründergeneration trennte. Ablesen lässt sich der Wandel auch daran, dass die Relation von Alt- und Neumitgliedern Ende 1965 noch 10 zu 4 betrug, Ende 1969 aber bereits 4 zu 12. Damit änderte sich freilich – besonders markant – zugleich der Grad der Interdisziplinarität, denn nach der annähernden Balance z­ wischen Historikern einerseits und Ökonomen/Soziologen/Juristen andererseits trat nun eine massive Verschiebung ein: Ende 1969 standen elf Historikern nur noch fünf Nichthistoriker gegenüber – und dies bei signifikanter Abnahme wirtschaftswissenschaftlich geschulter Mitglieder. Insofern brachte der Generationswechsel zumindest potenziell auch eine, wenn man so will, neue Beeinträchtigung, ohne das bestehende Problem des Einsatzdefizits schon nennenswert zu entschärfen. Insgesamt vorteilhafter hingegen entwickelte sich die mittlerweile in Gang gekommene Schriftenreihe, nach außen ja der deutlichste Indikator für Schwerpunkte und Intensität der Arbeitskreistätigkeit, zugleich ein probates Mittel, „sich regelmäßig in Erinnerung zu bringen“ (Borchardt, 1970).274 Ausgerichtet 18. 9. 1974 und 13. 12. 1984 (KP 5a, S. 66 bzw. KP 6, S. 100 f.), zu seinem Nutzen für den AKMS Conze an Borchardt, 24. 1. 1983 (KP 6, S. 108). 274 PMV 7. 4. 1970 (PR 4), S. 5 (Borchardt, mit Forderung nach möglichst zügiger Veröffentlichung von Tagungsergebnissen; im Weiteren: Schieder, Lebenswerk, S. 257 bzw. Raphael-­Vorwort zu IW 67, 2006, S. V); vgl. außer der Übersicht im Anhang schon oben, Kap. 1.4. – Zum Folgenden u. a. KP 4, lf. S. 105 ff. (Anfragen der Bundestags­ bibliothek, 21.8./18. 10. 1962, dazu Stuke-­Antwort, 31. 10. 1962) sowie die einschlägigen Stichworte Publi­kationsfrage bzw. Schriftenreihe in den Prot. und Rundschreiben, besonders ab Herbst 1965, zumal TP Apr. 1964 (PR 2), TOP 4 (betr. Dissertationen künftig nur noch ausnahmsweise, aber Klett-­Zufriedenheit mit dem Reihenstart); TP Okt. 1965 (ebd.), TOP 6 (Verlag mit Absatz „im allgemeinen zufrieden“: Bd. 1 fast vergriffen, Bd. 2 bereits in 2. Aufl.); TP März 1967 (ebd.), TOP 5 (nach Conze-­Hinweis auf Mitgestaltungsdefizit neuer Grundsatzbeschluss: bei Mehrheitsempfehlung künftig doch auch Dissertationen in der Reihe); PR 3 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1968 Conze-­Rundbrief, 11. 1. 1968, Punkt 1); KP 4, lf. S. 294 (Kocka an Conze, 31. 3. 1968). – Betr. Mitherausgeberschaft eines Nichthistorikers: PMV 26. 3. 1968 (PR 3), TOP 3, sowie KP 4, lf. S. 347 ff. (Briefwechsel Conze-­Nipperdey, Dez. 1972), sowie PR 4 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1973, Punkt 5 u. PMV 31. 3. 1973 [PR 3]), TOP 5c (Frage nach längerer Diskussion vertagt); PMV 13. 10. 1973 (ebd.), TOP 3b (abermals

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auf „unkonventionelle Fragestellungen“ wie auch auf „neuartige Gegenstandsbereiche“ (so 1987 dann ein Zwischenresümee von Wolfgang Schieder), spiegelte sie von Anfang an eine breite Beschäftigung mit der „Entwicklungsdynamik europä­ischer Gesellschaften“ seit dem 18. Jahrhundert, zumal ein anhaltendes Bemühen um Analyse von „Industrialisierung, Nationsbildung und Klassenkonflikten“ mit „Konzepten einer methodisch offenen Sozialgeschichte“ (wie Lutz Raphael fünf Jahrzehnte ­später festhielt). Bei generellem Ausschluss externer Aufsatzsammlungen oder gar sog. Reader hatte sich die Reihe seit der ziemlich bald schon vergriffenen Eröffnungspublikation zu Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz selbst nach wiederholter Verlagseinschätzung ausgesprochen ermutigend angelassen. Das galt für sowohl für anregende Tagungspublikationen wie besagten Vormärz-­Band (1962) als durchaus auch für relativ spezialisierte Großmonografien wie etwa Reinhart Kosellecks berühmt gewordene Habilitationsschrift über Preußen (1. Aufl. 1967). Das Hauptkontingent bestand freilich aus meist ja noch spezieller angesetzten Doktorarbeiten. Wohl sollten sie anfangs in der Regel nicht aufgenommen werden bzw. auf „seltene Ausnahmefälle“ (Conze, 1964) beschränkt bleiben. Doch verblasste diese Klausel schnell, so dass z. B. ­Jürgen Kocka sich 1968 über die Annahme seiner Siemens-­Studie freuen konnte: „[…] nicht nur angesichts der Qualität, Verbreitung und Aufmachung dieser Reihe“, sondern explizit auch wegen der Chance zu zuschussfreier Veröffent­ lichung. Sofern Dissertationen eben thematisch einschlägig waren und methodisch keine allzu „starke Bevorzugung ideengeschichtlicher und ­ideologiekritischer

vertagt); PMV 29. 3. 1974 (ebd.), TOP 3 (wieder vertagt, diesmal Gedanke an Nennung sämtlicher aktiver Mitglieder oder neben Conze zumindest auch Nipperdey und Lepsius sowie Borchardt und Böckenförde als Herausgeber); PMV 18./19. 10. 1974 (PR 5), TOP 2b („endgültig“ kein Herausgebergremium), im Übrigen TOP 2a (Verlagsinteresse an Druckkostenzuschüssen für Dissertationen). – Betr. Ausschluss externer Aufsatzsammlungen bzw. sog. Reader: PMV 7. 10. 1977 (PR 5), TOP 6 bzw. KP 5a, lf. S. 496 (Conze an Frank Pfetsch, 11. 10. 1977), s. a. KP 6, lf. S. 18 (Conze an Clemens Arndt, 31. 7. 1980: bisher und künftig auch keine Quelleneditionen). – Betr. Ablehnungskriterien, etwa zu stark ideengeschichtlicher Ausrichtung: z. B. KP 4 (Briefwechsel Conze bzw. Stuke mit Klaus Bergmann, Okt./Nov. 1969), besonders Stuke an ­Bergmann, 31. 10. 1969 (daraus der zitierte Einwand); s. a. KP 4, lf. S. 23 f. (Dirk B ­ lasius an Conze, 24. 10. 1969, bzw. Stuke an Blasius, 31. 10. 1969) sowie KP 5a, lf. S. 169 (Conze an Gerd Habermann, 13. 1. 1976). Betr. punktuellen Aktivierungsbedarf für die Reihe: z. B. Conze-­Rundbrief, 18. 12. 1972 (s. o.), dazu KP 4, lf. S. 131 (Fischer an Conze, 18. 1. 1973); betr. Kapazitätsauslastung: z. B. PMV 31. 10. 1975 (PR 5), TOP 3 bzw. KP 5a, lf. S. 22 (Conze an Dorothea Berger-­ Thimme, 20. 11. 1975: „ […] im Moment geradezu ein Boom“), s. a. KP 6, lf. S. 243 (Conze an Sigrid Faltin, 15. 8. 1984).

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Gesichtspunkte“ aufwiesen (wie 1969 etwa mal eingewendet wurde), bildeten sie seit 1967 zusehends – und daher verlagsseitig bald doch verbunden mit der Zuschussfrage – sozusagen das Standbein – eine prinzipielle Konsequenz aus dem pragmatischen Hinweis auf die „geringe oder ganz fehlende Mitarbeit der Mitglieder an der Gestaltung der Reihe“ (so Conze 1967). Und soweit es die inhaltliche Seite dieser Gestaltung, also das Gegenstandsspektrum betraf, ging der Herausgeber schon nach wenigen Jahren darauf aus, die Industrielle Welt „sichtbarer als bisher zu dem werden zu lassen, als was sie gedacht war: nämlich als eine Reihe „nicht nur zur Sozialgeschichte, sondern auch zur historisch-­ politischen Soziologie“ (so Conze 1968). Gerade von daher äußerte er zeitgleich erneut den Wunsch nach einem „Nichthistoriker als Mitherausgeber“, kam aber erst 1972 darauf zurück und dachte dabei nun an ein Triumvirat vorzugsweise mit Nipperdey als „keinem Geeigneteren“ unter den Arbeitskreismitgliedern sowie mit Lepsius als Drittem im Bunde: weil man doch „stets Wert darauf gelegt hat, dass hier nicht Historiker unter sich sein wollen“. Wegen ostentativer Zurückhaltung Nipperdeys blieb die Angelegenheit in der Schwebe und wurde trotz Conzes formeller Erweiterungsanträge seit Frühjahr 1973 zweimal vertagt, im Herbst 1974 schließlich zugunsten der bisherigen Praxis „endgültig“, d. h. erst einmal ad acta gelegt. Doch wenn Conze dabei mit Bedauern zu Protokoll gab, er habe sich von einem Herausgeberteam gerade auch eine Vergrößerung des Titelangebots versprochen, mochte er zwar Wünschbares im Auge haben, aber über punktuellen Aktivierungsbedarf hinaus jedenfalls keine irgendwie erheblichen Nachschubschwierigkeiten. Denn wegen steigender Kapazitätsauslastung der Reihe kam schon Mitte der 70er Jahre und verschiedentlich auch danach eher eine Art Aufnahmestopp in Betracht. Unerfreulich hingegen blieb das latente Problem unzureichender Einsatzbereitschaft mancher Mitglieder. Dass d ­ ieses Defizit trotz der inzwischen erfolgten Verjüngung vorerst sogar noch spürbarer wurde und nahezu dramatische Folgen hatte, zeigte sich in der zweiten Hälfte der 60er Jahre, als der Anlauf zum neuen Generalthema beinahe zu einer Art Hindernislauf wurde.

2.3 Entstehung der industriellen/modernen Welt – Ausweitung des Perspektivrahmens und Infragestellung durch wissenschaftspolitische Verhältnisse (1966 – 1969) Als man sich mit der 16. Tagung im Frühjahr 1966 in Hamburg dem Kennwort Industrielle Welt und zum Exempel erst einmal dem Paradefall Großbritannien zuwandte, griff man ein Thema auf, das den eingeleiteten Generationswechsel im Arbeitskreis zwar „überspannte“ (Lepsius), in der deutschen Forschung aber

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noch relativ unterbelichtet war.275 Von vornherein ließ Conze daher zweierlei außer Zweifel: Nicht nur werde d ­ ieses „bewusst weit gefasste“ Untersuchungs­objekt aller Voraussicht nach mehrere Tagungsfolgen in Anspruch nehmen, sondern zur Klärung bestimmter Teilaspekte auch eine personelle Ergänzung des Kreises durch – weitere – Neuaufnahmen oder durch Gastbeiträge erfordern. Sofort also stand gewissermaßen unter Realisierungsvorbehalt, was nach Ausführungen von Ipsen über Bevölkerung und industrielle Welt mit einem Grundlagenreferat von Knut Borchardt über Probleme der industriellen Revolution in England eingeleitet und dann durch spezieller gefasste Diskussionsbeiträge vor allem zu englischen Entwicklungen und Einflüssen näher beleuchtet wurde. Dass sich die Reaktion auf die gleichsam propädeutisch ausgreifenden Informationen von Borchardt nur auf eine Problematisierung des Terminus industrielle Revolution konzentrierte, lag akut zwar an der Beschränkung der Diskussionszeit durch die „außergewöhnliche“ Länge des Referats. Zugleich aber deutete sich darin bereits an, dass es letztlich um weit mehr als die wirtschaftstheoretische und -historische Dimension gehen sollte, nämlich um die hochkomplexe Ausformung der nicht allein ökonomisch bestimmten und definierten ‚Moderne‘. Auch wenn das neue Generalthema nicht bloß beiläufig wirtschaftsgeschichtlich angegangen und parallel dazu eine Beteiligung des Arbeitskreises an dem gerade anlaufenden DFG-Schwerpunkt Frühindustrialisierung in Deutschland vorgesehen wurde,276 zielte es letztlich eben auf die sog. moderne Welt überhaupt. Sichtbar wurde das freilich nur erst bedingt, wenn die nach längerer Aussprache fürs Nächste gewählte Gegenstandsbezeichnung lautete: „[…] die Voraussetzungen und der Ursprung der industriellen Welt (in der Terminologie Rostows: transition and take-­off) in ‚Deutschland‘ bzw. Mitteleuropa vom 275 Lepsius-­Zitat: s. Anm. 55, Kap. 2. – Zum Folgenden: TP März/April 1966 (PR 2), S. 6 f. betr. Conze-­Einleitung bzw. Ipsen-­Referat (Protokollhinweis) bzw. kurze Diskussion über Borchardt-­Referat (81 S., Text verschickt im Mai 1966) sowie S. 11 ff. betr. „Diskussionsbeiträge“ (Kurzreferate) von Conze u. Jantke (Inhaltsangaben), S. 14 ff. von Ahrens bzw. 19 ff. von Teuteberg (jeweils Wortlaut); vgl. auch S. 1 ff. die Predöhl-­Würdigung des Lebenswerks von Weippert; zu der Tagung im Übrigen Conze-­Brief an Fischer, 10. 5. 1966 (KP 4, lf. S. 152) und besonders Conzes zweiseitigen Kurzbericht vom 20.5. 1966 = Anlage zum Stuke-­Brief vom selben Tag an Zorn (KP 3, lf. S. 306 ff.); s. a. Überblick 1957 – 1969, S. 2 f. 276 Dazu S. 7 f., außerdem Borchardts Gedanken zum Projekt „Frühindustrialisierung“ als Schwerpunkt der Deutschen Forschungsgemeinschaft – unter spezieller Berücksichtigung der Arbeitsmöglichkeiten des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (5 S.); im Übrigen u. a. Conze an Fischer, 10. 5. 1966 (KP 4, lf. S. 152), Conze an Köllmann, 17. 5. 1966 (KP 2, lf. S. 504 f.) und Vierhaus an Conze, 28. 9. 1966 (KP 4, lf. S. 528 ff.). – Lt. PMV 28. 3. 1968 (PR 3), S. 5 wurde das DFG -Schwerpunktprogramm dann aber „kritisch und mit großer Skepsis“ erörtert und von einer Beteiligung des AKMS als solchem abgesehen.

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a­ usgehenden 18. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre“.277 Doch auch dafür steckte das in Hamburg beauftragte Programmtrio Borchardt, Conze und Maschke den Betrachtungshorizont bei einer Planungsbesprechung Ende April deutlich weiter. So sollte keineswegs auf die Industrialisierung im engeren Sinne, sondern auf die damit verbundenen sozioökonomischen Entwicklungen insgesamt abgehoben und schon bei den zum Einstieg ausgewählten Themenkreisen wie bei allen übrigen über die wirtschaftsgeschichtliche Perspektive hinausgegriffen werden – sofern man nicht gleich von der Modernisierungstheorie ausgehen wolle.278 Diese umfassende Perspektive und der dadurch bereits angelegte, im Grunde schon seit den ersten Aufgabenbeschreibungen des Arbeitskreises 279 vorgezeichnete Übergang vom Bezugstopos industrielle Welt zu moderne Welt ließen sich freilich nicht sogleich verwirklichen. Musste doch die Anschlussfolge im Herbst 1966 wegen Referentenmangels beinahe in letzter Minute gestrichen werden, wodurch der Aktivierungs- bzw. Verjüngungsbedarf zusätzlich ins Auge sprang. Als das Generalthema Ende März 1967 auf der 17. Tagung – ein Jahrzehnt nach Gründung des Arbeitskreises – in Heidelberg fortgesetzt wurde, stand zunächst zwar das große, bald auch gedruckte Köllmann-­Referat über Bevölkerung und Arbeitskräftepotential in Deutschland 1815 – 1865 im Vordergrund.280 Gleichwohl setzte die vorgezeichnete Verschiebung der Blickrichtung schon dort ein, bestärkt nicht zum wenigsten durch den Lepsius-­Beitrag über Schichtungstheorie und historische Gesellschaftsanalyse, der – zur Genugtuung von Koselleck – letztlich auch die eminente Bedeutung von Zeit als Kategorie wie als Gegenstand der Geschichtswissenschaft hervortreten ließ.281 277 TP März/April 1966 (PR 2), S. 9 f. (MV am 1. 4. 1966, TOP 6). 278 Dazu Stukes fünfseitiges Prot. der betreffenden Besprechung am 26. 4. 1966 in Heidelberg-­ Ziegelhausen (S. 2 f. die zehn für „besonders wichtig“ gehaltenen Problemkreise und die beiden Einstiegsthemen). 279 So hieß es z. B. schon in Stukes Antwort vom 8. 7. 1959 auf einen Fragebogen des Wissenschaftsrats: „Sozialgeschichte der modernen Welt (insbesondere die Strukturgeschichte des Zeitalters der ‚europäischen Weltrevolution‘, d. h. die gesellschaftlichen Wandlungen unter den Bedingungen des Industrialismus seit dem 18. Jahrhundert in ihrer historischen Gesamtverflechtung“ [KP 23a, lf. S. 357 ff.]). Vgl. den betreffenden Fragebogen vom 10. 10. 1968, S. 1; außerdem u. a. die vom AKMS verfasste, in den gedruckten Regierungsentwurf des Bundeshaushaltsplans 1963 (Erläuterungen zu Tit. 637, s­ päter 68574) eingegangene Aufgabenbeschreibung, vom BMI per Belegausschnitt übermittelt am 18. 12. 1963; ferner die ergänzten bzw. variierten Fassungen von 1967, 1969 u. ö., KP 4). 280 Dazu TP März 1967 (PR 2), S. 2 ff. (Wortlaut einschließlich Fußnoten) bzw. S. 25 ff. u. 35 ff. (Aussprache), Druckfassung im Jahrbuch 1968 des nordrhein-­westfälischen Landesamts für Forschung (S. 209 – 254); vgl. Stuke an Köllmann, 12.5. u. 7. 7. 1967 (KP 2, lf. S. 515 u. 516), s. a. Marschalk an Stuke, 11. 7. 1967 (lf. S. 517); zu der Tagung insges.: Überblick 1957 – 1969, S. 3. 281 Dazu S. 49 ff. (Wortlaut) bzw. S. 63 ff. (Aussprache).

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Gewiss beschloss man, zumindest für die nächste Tagung in modifizierter Weise an dem von Ipsen initiierten Generalthema Entstehung der industriellen Welt festzuhalten. Dies jedoch verknüpfte man mit der erklärten Absicht, „die ‚neue Zeit‘ oder die ‚moderne Welt‘ im Sinne des ‚gegenwärtigen Zeitalters‘“ einmal systematisch auf ihre Anfänge zu untersuchen (und die Befunde in einem Sammelband zu publizieren). Für Ipsen lag das Vorhaben freilich auch deshalb nahe, weil er befand, dass die Industrialisierung für die Moderne keinesfalls konstitutiv, wenn auch „im Fortgang der modernen Welt“ unbestreitbar „epochemachend“ gewesen sei; weil schon bei der Inaugurierung des Themas „im Grunde“ jedenfalls Übereinstimmung bestanden habe, dass der Beginn der modernen Welt nicht schlechthin identisch sei mit dem Beginn des Industrie- bzw. Maschinenzeitalters.282 So oder so, allemal konnte das neue Generalthema schon wenige Monate s­ päter wie selbstverständlich umbenannt werden in Was ist und wann (wie) begann die ‚Moderne Welt‘?283 Und auch von daher stellte sich nicht zum wenigsten wieder die unausgetragene Grundlagenfrage nach der Verbindbarkeit der „mehr historischen und der mehr systematischen Betrachtungsweise“, wie Conze sie bei der ‚Anwerbung‘ Borchardts als ein charakteristisches Anliegen des Arbeitskreises bezeichnet hatte. Gerade er – für den Soziologen Klages einer der „wesentlichsten Repräsentanten einer von der Geschichtswissenschaft ausgehenden Verbindung z­ wischen den verschiedenen Sozialwissenschaften“ – erhoffte sich speziell, aber nicht ausschließlich von der neuen Thematik vor allem eins: den Beginn einer dann auch weitergehenden Debatte insbesondere über das Verhältnis von Soziologie und Sozialhistorie, um die „leider allzu lockere Beziehung von der sozialen Th ­ eorie der Soziologen zur sozialen Geschichtsschreibung der Historiker“ explizit herzustellen.284 Personell wie inhaltlich erfüllte sich diese Hoffnung vornehmlich mit dem frisch hinzugekommenen Rainer Lepsius, nach Wehlers späterem Ermessen der „unter Historikern einflussreichste Soziologe in den vierzig Jahren nach 1960“. In seinem R ­ eferat äußerte er keineswegs bloß Skepsis gegenüber beiden Seiten, zumal gegenüber 282 S. S. 76 zu Themabeschluss, vorangegangener Diskussion u. speziell zu Ipsens Auffassung in der MV am 30. 3. 1967 (dazu auch dessen späterer Brief an Conze vom 8. 8. 1969); vgl. das betreffende Mitteilungsschreiben von Conze an die Mitglieder vom 9. 5. 1967 (noch vor Versand des Protokolls) mit Informationen auch über die Resultate einer Planungsbesprechung von Borchardt, Conze, Koselleck und Lepsius am 28. 4. 1967 in Heidelberg (PR 2, bei den Unterlagen betreffenden Herbsttagung 1967). 283 So – ohne Fragezeichen – in Conzes nicht datiertem Rundschreiben an die Mitglieder des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, 20. 10. 1967 (ebenfalls bei den Unterlagen betr. Herbsttagung 1967); zur Umbenennung vgl. auch Conze-­Rundschreiben vom 29. 7. 1969, Punkt 1 (PR 4, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1969). – Folgendes Conze-­Zitat: Brief an Borchardt, 4. 11. 1965 (KP 2, lf. S. 56 f.). 284 Conze an Klages, 2. 8. 1966 bzw. Klages an Conze, 26. 8. 1966 (KP 2, lf. S. 469 u. 470).

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der eigenen Disziplin. Vielmehr sah er bei aller Kritik an jeder Vermischung von Deskription und Analyse durchaus die Chance, über der offenkundigen „Historizität von sozialen Erscheinungsformen“ und über dem inhärenten Wandel von Indikatoren wie Erfassungskategorien zu gemeinsamen, theoretisch-­systematisch angelegten Gesellschaftsuntersuchungen mit komparatistischer Absicht zu finden. Dazu empfahl er mit Nachdruck, jeweils eine „Homogenisierung der Perspektiven auf ein Problem hin“ vorzunehmen, statt sich in „beliebiger Ausfächerung in alle möglichen Probleme“ zu verlieren.285 Was Conze in der Diskussion dann mit einseitiger Verkürzung und unüberhörbarer Schiller-­Variation als die „Kernfrage“ bezeichnete, nämlich warum und zu welchem Ende der Sozialhistoriker die Soziologie brauche, wurde damit zwar nicht erstmals thematisiert, nun aber zum ständigen Memento erhoben. Dazu konnte Conze in der Tat geltend machen, dass in der universitären Geschichtswissenschaft seit einiger Zeit das Bedürfnis nach einer „systematisch-­theoretischen Fundierung und Gestaltung“ von Lehrveranstaltungen stark zugenommen habe und zusammen mit dem von Lepsius angesprochenen Bedürfnis der Soziologie nach stärkerer Berücksichtigung der Sozialgeschichte ein „beredtes Zeugnis“ für einen im Gange befindlichen „Bewusstseinswandel“ ablege. Doch zumal und ausgerechnet im Disput z­ wischen Koselleck und Borchardt insbesondere über Möglichkeiten der Vorbereitung und Ausführung einer deutschen Sozialhistorie schälte sich nun auch hier eine nie restlos beigelegte Differenz heraus: Koselleck, damals expressis verbis ganz auf der Linie von Brunners Forderung nach quellenextrapolierter Begrifflichkeit, vertrat laut Protokoll die Auffassung, dass die „theoretische Reflexion der Soziologen mit ihren mikro- und makrosoziologischen Distinktionen für den Historiker irrelevant“ sei und „hinter der Bedeutung des historischen Materials und der Quelleninterpretation“ zurücktrete. Erst nach Borchardts Beharren auf der Notwendigkeit analytischer Begriffe/Modelle räumte er zwar ein, auch der Historiker operiere nicht nur heuristisch mit Modellen und könne sie keineswegs „eliminieren“, da jede wissenschaftliche Aussage eine Verallgemeinerung impliziere – bestand dann aber darauf, dass sie anders als in der Soziologie ihre „Eigenbedeutung“ nicht behielten, sondern letztlich in der Beschreibung aufgingen; auch ließen sich der „spezifische Abstraktionsgrad“ der Soziologie wie die „zeitlich unbegrenzte Praktikabilität“ soziologischer Modelle nicht aufrechterhalten. Dass Borchardt schließlich die sehr wohl auch „empirische Orientierung“ von Soziologie wie Ökonomie betonte und insofern nicht allein deren Definierbarkeit als generalisierende Wissenschaften verneinte, sondern überdies die immer wieder 285 Lepsius-­Formulierungen: S. 50 bzw. 59, vgl. bes. S. 60 f.; Wehler über Lepsius (2012): Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaft, S. 21, vgl. S. 22. – Zum Folgenden die hier nur stark selektiv anzuführenden Diskussionsäußerungen S. 63 ff.

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behauptete Dichotomie z­ wischen historischen und systematischen Wissenschaften „rundheraus“ bestritt, hob die Differenz der methodologischen Positionen genaugenommen nicht auf. Ebenso wenig tat das die Ansicht von Lepsius, der besondere Beitrag der Soziologie zur Sozialhistorie bestehe darin, dass sie durch ihre Kategorien/Konzepte jeweils Beziehungen ­zwischen den auftretenden Einzelphänomenen postuliere und es dann der empirischen Überprüfung überlasse, ob diese Relationen tatsächlich existierten. So war es denn auch weniger eine Überbrückung als eine gewisse Übertünchung der Auffassungsdifferenzen, wenn Conze für die Sozialhistorie eine Kombination von „systematischer Analyse der langfristigen Prozesse mit dem ‚Erzählen‘ der Ereignisse und der besonderen Vorkommnisse in ihrer Einmaligkeit und Individualität“ propagierte. Wie sehr das Problem auf den Nägeln brannte, brachte wohl am deutlichsten Peter Christian Ludz zum Ausdruck, als er Ende Oktober 1967 vorschlug, „Fragestellungen, theoretische Ansätze und die diesen zugeordneten bzw. zuzuordnenden Methoden und das Methodenverständnis der für eine Sozialtheorie als Sozialgeschichte relevanten ‚Richtungen‘ in den in unserem Kreis vertretenen Disziplinen einmal analytisch zu klären“.286 Dass aber gerade ein derart anspruchsvolles Unterfangen so, wie die Dinge lagen, schwerlich zu bewältigen war, ergab sich schon aus dem Anlass zu ­diesem Vorschlag. Damit reagierte Ludz nämlich auf ein dramatisches Rundschreiben, in dem Conze kurz zuvor und gut zehn Jahre nach der Gründung des Arbeitskreises eine schlechterdings katastrophale Bilanz ziehen zu müssen glaubte. Das lag nicht etwa daran, dass erneut eine an sich anstehende Tagung wegfallen musste (diesmal wegen des Freiburger Historikertags und wegen Vorverlegung des Wintersemesters an einigen Universitäten).287 Was ihn vielmehr bis dicht an eine Kapitulationsanwandlung samt explizitem Gedanken an einen Wechsel in der Leitung des Kreises frustrierte, war die nachgerade extreme Lethargie der meisten Mitglieder gegenüber seinen Bemühungen, den Kreis sozusagen wieder flott zu machen und der Frühjahrstagung 1968 eine „ruhige, langfristige, effektive“ Vorbereitung zu sichern. Sogar ein fast schon ultimativer Mahnbrief vom Mai 1967 mit konkreten Anregungen einer eigens zusammengetretenen Planungsgruppe hatte praktisch keinerlei Resonanz gefunden. Ganz entgegen seinem sonstigen Stil richtete er deshalb nun die ironische Bitte an die „lieben Kollegen“, sich jetzt „nicht 286 Brief an Conze, 30. 10. 1967, mit Angabe von jedenfalls sechs verschiedenen Ansätzen (KP 2, lf. S. 566 f.). – Zu dem nachfolgend erwähnten und bereits angeführten, gleichsam offiziellen Conze-­Rundschreiben vom 20. 10. 1967 (PR 2) vgl. PMV 26. 3. 1968 (PR 3), S. 2 (partielle Wiederholung seiner Argumente). 287 Dazu TP März 1967(PR 2), S. 76 (Teil 2 der MV vom 30. 7. 1967, TOP 7); s. auch Conze-­ Schreiben an Reg.dir. Dr. Petersen/BMF, 4. 8. 1967 (KP 23, lf. S. 125 f.) und VWN 1967 vom 29. 2. 1968, S. 2.

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mehr durch einen (längst verstrichenen) Termin gedrängt zu fühlen“. Dass also das Bemühen um Aufnahme des „großen und schwierigen“ Themas moderne Welt und entsprechende Konkretisierung des Ansatzes in theoretischer wie materialer Hinsicht „vorerst gescheitert“ sei, blieb jedoch nicht sein einziger bitterer Befund. Ungeschminkt stellte er sogar die noch weitergehende Diagnose, dass der Kreis „in dem, was wir uns [da] vorgenommen haben, sich als nicht funktionsfähig erwiesen hat“. Die Gründe dafür suchte er freilich weniger im Individuellen als hauptsächlich in einer überpersönlich-­strukturellen Sachlage, auch wenn er sie mit unverkennbarer Orientierung an Humboldt und für ihn ungewöhnlichem Pathos als „unser aller ‚Entfremdung‘ von wissenschaftlicher Daseinswürde“ beschrieb. Dabei dachte er an die in seinen Augen ständig zunehmende Überlastung durch Lehrbetrieb, Verwaltung, Reformbestrebungen und öffentliche Verpflichtungen. Dies alles lasse bestenfalls einen „Rest von Bewegungsfreiheit, in ‚Einsamkeit‘ unsere je individuellen Forschungs- oder Darstellungspläne (autonomer oder heteronomer Herkunft) mit Mühe und Not halbwegs zu verwirklichen“. Darüber Hinausgehendes wie vor allem die vom Arbeitskreis erstrebte wissenschaftliche Kommunikation besonders über die Fächergrenzen hinweg übersteige in der Regel die Fähigkeiten der Betroffenen. Zwangsweise werde damit jedoch Wesentliches aufgegeben, zumal hinsichtlich der „drängenden Fragen einer ­Theorie der Sozialwissenschaften als Geschichte“. Was immer er mit dieser vagen Formulierung genau meinte, jedenfalls wurde nach seiner Einschätzung durch mangelnde ‚Abkömmlichkeit‘ der Beteiligten verhindert, dass der Kreis „in der heutigen Lage der Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland von größter Bedeutung sein [könnte]“. Dieses Fazit wirkte fast wie ein Schock. Sichtlich aufgeschreckt, ließen die teilweise zerknirschten Adressaten in ihren Antworten sehr wohl ein Gespür dafür erkennen, dass die Existenz „unseres ideenträchtigen Kreises“ (Raupach) allmählich auf dem Spiel stand.288 Köllmann etwa wollte, auch wenn ihm der Ton des Rundschreibens „doch etwas sehr resignierend klang“, bei der Durchreise von Bochum nach Ulm Station in Heidelberg machen und dies nicht zuletzt als bewussten „‚Trost-­Besuch‘“ verstanden wissen. Wohl räumte er ein, dass es vielleicht „meine Jugend und meine neue Mitgliedschaft“ ­seien, die ihn die Dinge „positiver“ sehen ließen als Conze, der die Arbeitslast in den letzten Jahren „im Wesentlichen alleine 288 Dazu außer der schon angeführten Ludz-­Stellungnahme vom 30. 10. 1967 bes. folgende Briefe an Conze: Fischer, 25. 10. 1967 (KP 4, lf. S. 146); Köllmann, 31.10. 1967 (KP 2, S. 518 f.); Raupach, 3. 11. 1967 (KP 4, lf. S. 400); Böckenförde, 20. 11. 1967, mit expliziter Zustimmung zu Conzes Bild von der „gegenwärtigen Organisation der Universität und unserer Arbeit an ihr“ (lf. S. 61); Lepsius, 29. 11. 1967 (lf. S. 308); im Übrigen Conze an Lepsius, 5. 12. 1967: „[…] mehrere Zuschriften […] erhalten, die teils die Resignation, teils die Hoffnung bestärkt haben“ (lf. S. 307).

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g­ etragen“ habe. Doch schloss er seine Besuchsankündigung mit der „nochmaligen Bitte, in Bezug auf den ‚Emser Kreis‘ nicht resignieren zu wollen“, denn das Wichtigste an dieser Einrichtung bestehe darin, mit den Kollegen aus anderen Disziplinen im Gespräch zu bleiben. Und Ludz, der Conzes „pessimistische Haltung“ keineswegs teilen mochte, ging noch einen Schritt weiter: Mit der geradezu moralisch-­appellativen Erklärung, dass „es m. E. unverantwortlich wäre, den Arbeitskreis aufzulösen“, verwarf er die bei Conze nur angedeutete ultima ratio in aller Form und setzte die Überzeugung dagegen, dass die Zusammensetzung des Kreises die „einmalige Chance“ biete, zumal im Bereich der interdisziplinären theoretisch-­methodologischen Klärungsbemühungen in Deutschland das „führende Diskussionszentrum“ zu werden. Konnte jedenfalls vorerst von einer Umsetzung dieser Vision wahrlich keine Rede sein, so doch wenigstens ein Zerfall des Kreises vermieden werden. Für die eigentlich vorgesehene Fortsetzung des Generalthemas industrielle bzw. moderne Welt allerdings mangelte es ja noch an den nötigen Voraussetzungen. Gewissermaßen als vorläufiger Ausweg wurde deshalb mehr oder weniger improvisiert. Mit Einbeziehung von rd. 35 Gästen (darunter Klaus v. Beyme, Karl-­Georg Faber, Karl-­Heinz Ilting, Annette Kuhn, Hans Mommsen und Dieter Schwab sowie die damaligen Assistenten bzw. Dozenten Lothar Gall, Dieter Groh, Jürgen Kocka, Wolfgang Mager, Eckart Pankoke, Hannah Rabe, Trutz Rendtorff, Manfred Riedel, Wolfgang Schieder und Marie-­Elisabeth Vopelius) gestaltete man das Frühjahrstreffen 1968 in Heidelberg als reine Arbeitstagung „Historisches deutsches Wörterbuch politisch-­sozialer Begriffe der Neuzeit“.289 In der Sache handelte es sich dabei um eine neuerliche, vor allem methodisch akzentuierte Bestandsaufnahme zum weitaus größten, selbstverständlich nie völlig unumstrittenen Arbeitskreisunternehmen. Das entsprach der auf Zeitgewinn bedachten Anregung in Conzes Oktober-­ Rundbrief, aber beispielsweise nicht der radikalen Vorstellung von Böckenförde, vor Fertigstellung des Lexikons am besten gar kein anderes Programm mehr in Angriff zu nehmen.290 Allerdings wäre auch so etwas nicht einmal ganz abwegig gewesen, denn nicht nur ließ sich selbst zu d ­ iesem Zeitpunkt die tatsächliche 289 Vgl. schon Kap. 1.4 (betr. 1963). – Zu der teilweise aus DFG-„Sondermitteln“ finanzierten Tagung am 26./27. 3. 1968 in Heidelberg-­Ziegelhausen, auf die hier nicht eingegangen werden kann und muss, vgl. bes. das Ergebnisprotokoll und den VWN 1968 vom 17. 6. 1969, S. 2; s. a. Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Dass es immer wieder mehr oder minder weitgehende Einwände gab, was hier ebenfalls nicht näher zu verfolgen ist, veranlasste z. B. W. Schieder nach Erscheinen von Bd. 1 zu dem brieflichen Vorschlag vom 8. 10. 1974 an Conze, nunmehr die „methodischen Grundlagen erneut zu diskutieren“, wobei „gerade die Skeptiker innerhalb und außerhalb des Arbeitskreises“ zum Zuge kommen sollten (KP 5a, lf. S. 561). 290 Brief an Conze, 20. 11. 1967 (KP 4, lf. S. 61); zu dessen eigener Vorstellung auch sein Rundschreiben vom 11. 1. 1968 (PR 3, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung).

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Dauer der Lexikonarbeiten auch bei der nunmehr erhobenen Forderung nach Einrichtung eines „regelrechten Redaktionsbüros“ (Koselleck) noch nicht erahnen, sondern auch und vor allem hielten die internen Probleme des Kreises an. In der Mitgliederversammlung vom März 1968 machte Conze daraus keinerlei Hehl, wenn er klipp und klar konstatierte, dass der Versuch, die „ursprüngliche Schwungkraft“ durch die in Gang gesetzten Verjüngungszuwahlen zurückzugewinnen, „nur sehr bedingt“ greife und dass die Tätigkeit des Kreises „ernsthaft gefährdet“ oder gar schon fraglich geworden sei. Wollte man die selbstgestellten Aufgaben nicht einfach fallen lassen, sondern festhalten an dem statuarisch fixierten Zweck, auf wissenschaftlichen Tagungen Probleme der modernen Sozialgeschichte zu erörtern; wollte man dabei, wie Conze nun wieder betonte, nicht zuletzt auch den „drängenden Fragen einer ­Theorie der Sozialwissenschaften als Geschichte“ nachgehen, lag der Gedanke nahe, die Verjüngungsschübe gleichsam zu flankieren mit einer grundlegenden Veränderung der Tagungsform. In Betracht gezogen wurde deshalb die Möglichkeit zur Besetzung von Hauptreferaten auch mit jeweils einschlägigen Gastwissenschaftlern (ohne dass diese Experten stets habilitiert sein müssten) sowie Konzentration der Mitglieder auf Programmentscheidungen bzw. einleitende Diskussionen. Auch dann freilich sollte der Kreis als solcher nicht in Passivität verfallen, sondern die Beiträge von Externen „im Wesentlichen als Stimulans“ für seine eigenen Überlegungen und Vorhaben ­nutzen. Conze selbst schlug sogar vor, „regionale Mitgliederschwerpunkte“ wie Heidelberg-­Mannheim, Berlin, Bochum und Hamburg mit Hilfe separater Arbeitstreffen zu aktivieren und so für die gemeinsame Tätigkeit fruchtbar zu machen. Bei den inhaltlichen Vorsätzen wurde jedoch insofern unverkennbar zurückgesteckt, als die Ludz-­Vision von einer Führungsrolle in generellen theoretisch-­ methodologischen Dingen schlicht durchfiel.291 Mehrheitlich setzte sich nämlich rasch die wissenschaftslogisch anfechtbare Option durch, das Methodenproblem nicht abstrakt, sondern jeweils nur im Rahmen einer konkreten Fragestellung zu behandeln, „zumindest“ nicht zu Beginn einer „Sachaussprache“. Von daher war es nur konsequent, auch die vom Freiburger Historikertag angestellte Überlegung, ob die Geschichtswissenschaft überhaupt noch einen eigenen Gegenstand habe oder von anderen Disziplinen wie Soziologie und Politologie aufgesogen werde, nicht direkt aufgreifen, sondern durch „konkrete Untersuchungen im Sinne einer praktischen Demonstration“ (Vierhaus) beantworten zu wollen. Gelten sollte das – 291 Dazu und zum Weiteren PMV 28. 3. 1968 (PR 3), S. 2 f. (TOP 4), S. 3 ff. (TOP 5, Zitate: Protokollformulierungen, soweit nicht anders angegeben), dort auch Mitteilungen zu der „locker und unsystematisch“ geführten Diskussion über mögliche Teilthemen und Referenten zum Generalthema Moderne Welt. – Zum Vorhergehenden: S. 2 f. (TOP 4); S. 1 der zitierte Koselleck-­Wunsch.

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ohne Absicht zum Ausschluss eines „weitgespannten theoretischen Gesamtaspekts“ – auch für den Umgang mit dem neuen Generalthema Moderne Welt. Es blieb zwar auf der Agenda und sollte nicht zuletzt im Licht der Modernisierungsliteratur wie auch mit Vergleichsblick nach England und Frankreich angegangen werden, aber aus arbeitsökonomischen Gründen und „im Interesse eines wichtigen Beitrages zur Interpretation der neueren deutschen Geschichte“ eben mit dem zentralen Fokus Deutschland. Trotz dieser Entscheidung musste der Eintritt in das vieldimensionale Thema freilich noch weiter hinausgeschoben werden. In Conzes Rückschau von 1969 war sogar von vorübergehender „Absetzung“, überhaupt vom Zwang zur Veränderung der Themenstellung die Rede – mit dem Klammerzusatz „wie zu hoffen steht, nur zeitweise“. Zur Begründung wurden außer den schon vorgebrachten Bedingungen des akademischen Betriebs nun auch die „bekannten Studentenkrawalle und ihre Folgeerscheinungen“ angeführt.292 Noch im Sommer 1968 schien dieser Aspekt freilich nur erst im Hintergrund auf, als Conze per Rundschreiben bekannt gab, dass und warum die Heidelberger und Mannheimer Mitglieder nach einer Zusammenkunft vorschlugen, den ursprünglichen Themenplan umzustoßen und stattdessen die Studienreform und speziell das Problem einer Reform der Fächerorganisation im Bereich der Geschichtswissenschaft zu thematisieren. Sprach Borchardt bei der Zusammenkunft selbst u. a. von der Berechtigung des studentischen Vorwurfs, die Universität und speziell die Geschichtswissenschaft entzögen sich ihrer „Aufgabe der Integration“ (oder, mit Conzes Ausdruck, einer „synthèse historique“), redete Conze in dem betreffenden Rundbrief nur allgemein andeutend von dem „gegenwärtigen Moment“, in dem seines Erachtens „gerade unser, über ein Einzelfach hinausweisender“ Arbeitskreis zu einer „praktischen Anwendung“ seines Grundgedankens verpflichtet sein sollte. Damit werde nicht etwa dem eigentlich vorgesehenen Tagungsprogramm „ausgewichen“, sondern durchaus konzeptionsgemäß verfahren. Gehe es bei dem nun einzuschiebenden Thema doch um eine „auf Praxis gerichtete, grundlegende Überlegung“ über die Stellung der Geschichtswissenschaft im Zusammenhang der Sozialwissenschaften wie um die Beziehung zur Lehre in Schule und Universität, deren „Traditionslast sich hemmend auswirkt“. 292 Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Bzgl. anschließend zit. Conze-­Rundschreiben: in einem Begleitbrief vom 12. 7. 1968 zu dem von Stuke verfassten Protokoll einer Besprechung der Mitglieder aus dem Raum Heidelberg-­Mannheim am 1. Juli 1968 (15.30 – 18.10 Uhr) im Insti­tut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Heidelberg über Thema und Gestaltung der Herbsttagung 1968 des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (PR 3; Teilnehmer: Böckenförde, Borchardt, Conze, Koselleck und Maschke, krankheitsbedingt verhindert: Lepsius).

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Auf uneingeschränkte Ablehnung stieß der Vorschlag nur bei Theodor S­ chieder. Mit fast kulturkritischer Kompromisslosigkeit vertrat er die Ansicht, dass der, wie er noch sagte, Emser Kreis damit „an seiner Aufgabe gerade im gegenwärtigen Augenblick vorbeigehen würde, die mir mehr denn je darin zu bestehen scheint, ein Ort des Nachdenkens über grundsätzliche [wissenschaftliche] Probleme“ und ein „Ort der theoretischen Besinnung“ zu sein, statt sich widerstandslos von der „sogenannten Praxis auffressen“ zu lassen. Unter den gegenwärtigen Umständen, so Schieder, erhielten alle außeruniversitären Forschungseinrichtungen, zumal der auch von jüngeren Kräften getragene Arbeitskreis eine erheblich gesteigerte Bedeutung, und das bis zu einem gewissen Grade unvermeidliche Auseinanderdriften von Forschung und Lehre dürfe nicht dazu führen, dass daraus ein „Gegensatz der Generationen und wissenschaftlichen Haltungen erwächst, der auch weithin mit dem Gegensatz der Generationen zusammenfällt“.293 Alle anderen Mitglieder indessen, soweit sie sich überhaupt äußerten, stimmten dem Themawechsel durchaus zu, selbst bei einer „gewissen Wehmut“ (Fischer) oder gar bei „schlechtem Gewissen“ über den Schwenk „von wissenschaftlichen Problemen zu Universitäts- und Studienordnungsfragen“ (Lepsius). Anhand von Referaten und vorbereiteten „Diskussionsbeiträgen“ diskutierte man also im November 1968 und im April 1969 gemeinsam mit Gymnasiallehrern wie mit Dozenten an Studienseminaren aus dem Raum Heidelberg/Mannheim bzw. Hamburg über Neubestimmungsgebot und Reformerfordernis universitärer Geschichtswissenschaft und gymnasialen Geschichtsunterrichts. Aus d­ iesem, nach Conze „sehr dringenden“ und „zum ersten Mal ausgesprochenen ‚praktischen“ Themenkomplex,294 griff die Herbsttagung 1968 in Heidelberg mit zeitweilig 31 Teilnehmern zunächst Fragen und Aufgaben einer Reform der Fächerorganisation im Bereich der Geschichtswissenschaft auf. Wie nicht anders möglich und zu erwarten, erweiterten sich diese Betrachtungen von vornherein zu einer ausgiebigen Grundlagendebatte, die erheblich über das unmittelbare Thema hinausging. Teilweise spitzte sie sich zu der Frage nach dem systematischen Verhältnis von Geschichtswissenschaft und speziell Wirtschafts- bzw. Rechtswissenschaft bzw. Soziologie zu, wobei insbesondere auf die fächerübergreifende Bedeutung des Aspekts „Organisation von, grob gesprochen, Ansporn- und Sanktionsmechanismen“ (Borchardt) beim menschlichen Sozialverhalten hingewiesen 293 Brief an Conze, 18. 7. 1968; dazu u. zum Folgenden Conzes Rundbrief vom 24. 9. 1968 mit Auszügen aus den brieflichen Äußerungen von Jantke, Lepsius, Th. Schieder und ­Vierhaus; ergänzend: Stukes Rundbrief vom 24. 10. 1968 mit Auszug aus der Stellungnahme von Fischer (PR 3, bei den Unterlagen zur Herbsttagung 1968; vgl. die Originalzuschriften) 294 Brief an Kocka, 4. 10. 1968 (KP 4, lf. S. 286); folgende Themabezeichnung für die Herbsttagung 1968: so in der Einladung vom 1. 10. 1968.

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­wurde.295 Auch streifte man bei dieser Gelegenheit die Frage, ob der Weg zur modernen Sozialhistorie in ­Deutschland jedenfalls schon seit Lamprecht, Max Weber, Hintze u. a. m. eingeschlagen wurde (so Brunner) oder „eigentlich doch erst in der Gegenwart“ (so Wolfgang ­Schieder). Zudem kam notwendig zur Sprache, mit welchem Begriffsinstrumentarium das historische Material überhaupt zu durchdringen und zu ordnen sei – was zwar den Hinweis provozierte, dass die systematischen Wissenschaften dem Historiker die „eigentliche Fragestellung […] schlechterdings nicht abnehmen“ könnten (Borchardt), aber auf die Chance „gegenseitiger Verfremdung“ (Koselleck) der theoretisch-­begrifflichen Ansätze verwies.296 Auch ohne etwa die von Hilger angemahnte Unterscheidung ­zwischen Theorien im Objektbereich und solchen auf Metaebene unbedingt durchzuhalten, kreiste all dies direkt oder indirekt um das zunehmend als dringlich empfundene Problem der „historischen Theoriebildung“ (Kocka). Für Brunner bewegte es sich damit „ein wenig in einem luftleeren Raum“, zumal es seinen Hauptreferenzrahmen in Kosellecks programmatischem Einleitungsreferat mit der fast topisch gewordenen Formel von der Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft 297 hatte. Darin diagnostizierte er einen unabweisbaren „Zwang zur ­Theorie“, d. h. zur Aufstellung eigener theoretischer Prämissen und zur Formulierung forschungsleitender Hypothesen, sofern die Historie sich im Spektrum der weitgehend bis völlig enthistorisierten Geistes- und Sozialwissenschaften noch als Wissenschaft begreifen und behaupten wolle. Um sich als praktisch „ubiquitär angelegte“ Disziplin nicht ins „Uferlose einer Allesfragerin“ zu verlieren und sich der in seinen Augen mystifizierenden Vorstellung von ‚der‘ Geschichte als ureigenem Erkenntnisobjekt zu entledigen, solle sie selbst eine ­Theorie der spezifisch „geschichtlichen Zeit“ entwickeln, denn vermutlich würden dabei die „metahistorischen und die historischen Kategorien zur Konvergenz gezwungen“. Exemplarisch berief er sich dazu vor allem auf die Begriffsgeschichte 295 Dazu TP Nov. 1968 (PR 3), S. 6 ff. (Zitat: S. 7): Diskussion im Anschluss an ­Böckenfördes Diskussionsbeitrag Zum Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Rechtswissenschaft (Wortlaut: S. 2 ff.); im Folgenden: S. 9 f. (Brunner/W. Schieder), vgl. S. 19 f. den autobiografischen Kommentar von Conze. 296 Dazu S. 10 ff. (danach hier und im Folgenden auch die Zitate). – Bezüglich historischer Theoriebildung s. auch die Erörterung nach Conzes Ausführungen zum Thema Die Aktualität der Geschichte und ihr Gegenstand (S. 19 ff.) sowie Borchardts Diskussionsbeitrag Zur Frage des Verhältnisses von Geschichtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft (S. 37 ff.) samt anschließender Aussprache (daraus, S. 56, auch das folgende Brunner-­Zitat). 297 Text: S. 107 ff. (daraus die folgenden Zitate); variierend und ergänzend S. 53 ff. seine Äußerungen in der Diskussion über das Borchardt-­Referat. – Vgl. in d ­ iesem Zusammenhang Hitzer/Welskopp, S. 20 ff., bes. 21 f. zur unterschiedlichen Auffassung des Theoriepostulats einerseits bei Koselleck, andererseits bei Wehler/Kocka.

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mit ihrem betont theoretisch-­konzeptionellen Vorgriff namens Sattelzeit. „Erst die ­Theorie verwandelt unsere Arbeit in geschichtliche Forschung“ – so seine generelle Pointe, die er dann auch an der sog. Strukturgeschichte erörterte, an verschiedensten histo­rischen Fallbeispielen illustrierte und mit konkreten Folgerungen versah: nicht nur hinsichtlich der methodischen Einordnung der Historie in die „allgemeine G ­ esellschaftswissenschaft“, sondern auch bezüglich einer entsprechenden Umgestaltung von Geschichtsstudium und -unterricht (bis hin zu der zeitbedingten und bonmotgleichen Einschätzung, dass der Universität akut nicht etwa die „Studenten-­Rätedemokratie“ drohe, sondern vielmehr die „Studien-­Rätedemokratie“). Primäre Angelpunkte für die Grundlagenbetrachtungen bildeten im Übrigen wieder Ökonomie und Soziologie, also zwei „Systemwissenschaften“, wie ­Borchardt sagte. Wenn er den Anwesenden eine große Bereitschaft bescheinigte, den Wirtschaftswissenschaftler als „ganz selbstverständlich belangreichen Beiträger für die Geschichtswissenschaft zu akzeptieren“, mochte freilich ein wenig captatio benevolentiae im Spiel sein. Immerhin verstand er in seinen ausführlichen, an den Freiburger Historikertag von 1967 anknüpfenden Überlegungen Zur Frage des Verhältnisses von Geschichtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft 298 gerade sein eigenes Fach keineswegs bloß additiv als eine Art ergänzender Hilfswissenschaft der sog. Allgemeinhistorie. Nicht lange bevor er bei sich selbst schließlich einen gewissen „‚Frustrationsprozess‘“ über die desolate Aussicht seines Schwerpunktfachs im Universitätsgefüge feststellte und sich wieder mehr den „wirtschaftswissen­ schaftlichen Hauptfächern“, zumal der empirischen Wirtschaftsforschung und der Wirtschaftspolitik zuwandte, sah er die Wirtschaftsgeschichte vor allem als eine „kritische Disziplin“: Sie sei nämlich Erweis der „Notwendigkeit expliziten Theoretisierens auch für den Historiker“ und Anstoß zur Perspektivenveränderung der Fachwissenschaften einschließlich der Ökonomie, mithin nicht zum wenigsten das prädestinierte Verbindungsglied ­zwischen systematischer Wirtschaftswissen­ schaft und Historie. Der darin enthaltenen und verschiedentlich auch zum Ausdruck gebrachten Auffassung, dass jede Wissenschaft sich genaugenommen nicht durch einen genuinen Gegenstandsbereich, sondern lediglich durch ihre je spezifische(n), wenn nicht exklusive(n) Fragestellung(en) konstituiere, entsprach denn auch der Lepsius-­Beitrag Zum Verhältnis von Soziologie und Geschichte.299 Über ihre 298 Text: S. 37 ff. (danach auch die Zitate); zu den Beziehungen z­ wischen Wirtschaftshistorie und Geschichtswissenschaft besonders S. 49 ff. – Betr. Borchardts „Frustrationsprozess“: Brief an Conze, 23. 6. 1971; Conzes Antwort, 25. 6. 1971 (KP 2, lf. S. 71 f. u. 73); vgl. schon Fischer an Conze, 16. 7. 1968 (PR 3, bei den Unterlagen zur Herbsttagung 1968). 299 Wortlaut des streckenweise – so er selbst – „vielleicht ein bisschen abstrakten“ und „aphoristischen“ Beitrags: S. 59 ff. (Zitate danach); vgl. bes. S. 63 f. über die beiden Arten

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­exklusive(n) Fragestellung(en) hinaus, so Lepsius weiterführend, unterschieden die Histo­riker sich von den empirischen Sozial- bzw. Wirtschaftswissen­schaftlern jedoch zentral auch durch eine Zusatzqualifikation: In einer Zeit „äußerst dramatischer“ ­Gegenwartsbezogenheit und ­Gegenwartsbewusstheit ­seien sie als einzige imstande, überhaupt noch den temporalen „Kultur- und Institutionenhorizont“ mitzudenken und so den Wandel von Gesellschaft zu erfassen. Dagegen erwecke gerade die soziologische Geschichtsbetrachtung wegen ihrer Ableitung historischer Vorgänge bzw. Wandlungsprozesse allein aus Strukturbedingungen des menschlichen Zusammenlebens den Eindruck einer gewissen Zwangsläufigkeit der registrierten Entwicklungen, wobei sie auch zur Überinterpretation der Wandlungsrationalität neige. Mithin sei die soziologische Methode für die Geschichtswissenschaft zwar „voller Problematik“, aber gleichwohl nicht ohne Interesse. Könne sie doch auch einem „durchaus konventionell, traditionell verstandenen Historiker“ dazu dienen, seine Fragestellungen mit Hilfe ihrer „umgreifenderen theoretischen Annahmen so zu platzieren oder so zu reflektieren, dass über die Deskription irgendeines Zustandes oder Sachverhaltes hinaus systematische Ergebnisse erzielt werden, die kumulativ sind“ – dies freilich nicht in dem „bisherigen historischen Sinne einer kumulativen Erforschung von Gegebenheiten“, sondern in dem „ganz anderen“ Sinne der Kumulation von systematischen Ergebnissen, die ihre Systematik eben aus einzelnen Theorien der Soziologie statt aus dem Zeitraster gewönnen. Alles in allem lautete die Tagungsbilanz, dass man trotz der ausgiebigen, schließlich auch stark mit schulischen Aspekten befassten Erörterungen nicht beantwortet habe, „was denn nun eigentlich die Geschichte sei“ (Vierhaus), und dass man zudem noch praktische Ergebnisse formulieren und publizieren müsse (Conze).300 Außer diesen Desiderata gab es auch einen klaren Dissens mit Lepsius, der eine zweite Veranstaltung zum Thema „im Prinzip“ überhaupt nicht wünschte bzw. lediglich aus „taktischen Erwägungen“ akzeptieren wollte: nämlich nur im Hinblick auf den nächsten Historikertag, bei dem der Arbeitskreis „als geschlossene ‚pressure group‘ auftreten müsste“, hingegen keine Hochschulpolitik als ­solche betreiben und insoweit nicht zu einem „Reformverein“ werden solle. So sehr Conze mit Letzterem einverstanden war, so nachdrücklich beharrte er im Übrigen jedoch darauf, dass man sich schon bei der Gründung nicht auf theoretische Absichten beschränkt, sondern zugleich praktische Ziele gesetzt habe und sehr wohl dazu legitimiert sei, von „Komparativität“ der Soziologie, im Übrigen S. 85 ff. den Schlagabtausch z­ wischen Kocka und Lepsius über Kockas Vorwurf, Lepsius zeichne ein „sehr restringiertes Bild“ von Soziologie. 300 S. 105 bzw. 100; zu den Referaten u. Diskussionen in Sachen Geschichtsunterricht, Lehrerausbildung usw. vgl. S. 66 ff.; zum Folgenden die (wohl nur teilweise wörtlichen) Angaben im PMV Nov. 1968 (PR 3), TOP 4.

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an die Öffentlichkeit zu treten.301 Folglich wurde das angefangene Thema für die Anschlusstagung im April 1969 beibehalten, wenngleich in leicht modifizierter und etwas umständlicher Fassung: Die Notwendigkeit einer Neubestimmung der Geschichtswissenschaft in der Gegenwart und einer Reform des Geschichtsstudiums an der Universität sowie des Geschichtsunterrichts an den Gymnasien in Th ­ eorie und Praxis. Besondere Aufmerksamkeit galt nun der vorher zu kurz gekommenen, von Koselleck nochmal rekapitulierten These: Die Geschichtswissenschaft, soweit auf dem Boden des deutschen Historismus, definiere sich aus einem metahistorischen, die naturale Chronologie destruierenden Geschichtsbegriff (Geschichte an sich), den sie selbst nicht in Frage stelle.302 Diese Sicht wurde vor allem durch ausgearbeitete Kommentare von Wolfgang Schieder und Horst Stuke eingehend problematisiert – von Stuke zugleich in Verbindung mit prononcierter Kritik an der verbreiteten Vorstellung vom Gegenstandsverlust, folglich vom Ende der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft und von der systematischen Aufteilung ihrer Objektbereiche bzw. Zuordnung der Historie zu den Sozialwissenschaften. Doch all das blieb in der anschließenden, laut Protokoll „im Allgemeinen recht unsystematisch“ verlaufenen Diskussion unerörtert. Und sogar Kosellecks „Ansatz zu einer neuen Historik“ (Nipperdey) sei weitgehend selektiv behandelt worden: nur mit Bezug auf die von Koselleck angeführte Denaturierung der Chronologie und hinsichtlich seines Konzepts einer ­Theorie der historischen Zeit, zudem mit Blick auf seine Einschätzung der Geschichte an sich als metahistorische Größe und „ästhetisierendes Theologumenon“ (wie er selbst sagte). Nipperdey etwa sprach der von Koselleck intendierten Analyse der Temporalstrukturen sogar die Eigenschaft einer Th ­ eorie im strengen Sinne ab. Für Kocka hingegen hatte sie zwar Theoriequalität, aber – nicht zuletzt im Vergleich mit einer „konsequent im Anschluss an Marx entwickelten historisch-­dialektischen Soziologie der Geschichtswissenschaft“ – noch zu wenig Stringenz, um die Geschichtswissenschaft von den Sozialwissenschaften abgrenzen und dabei auch methodologische Grundprinzipien bieten zu können. Ebenfalls ausführlich, doch aus Sicht des Protokollanten „wiederum nicht syste­ matisch“ bedacht wurde dann im Anschluss an ein kurzes Resümee des betreffenden Vierhaus-­Referats die Frage einer Reform des universitären Geschichtsstudiums. Jenseits aller technisch-­organisatorischen Einzelheiten oszillierte das 301 So auch bei Eröffnung der Frühjahrstagung 1969: vgl. TP Apr. 1969 (PR 4), S. 2. – Nachfolgende Themaformulierung für die Apriltagung: so in der Tagungseinladung vom 10. 3. 1969; ebenso in Überblick 1957 – 1969, S. 3, dort mit dem Klammerzusatz, dass eine Veröffent­ lichung zur Zeit vorbereitet werde; zur Publikationsfrage auch VWN 1969 vom 20. 3. 1970, S. 19 f. und PMV 10. 10. 1970 (PR 4), TOP 4. 302 Hier und im Folgenden nach der relativ gedrängten Wiedergabe im TP Apr. 1969 (PR 4), S. 2 ff. – Zur nachfolgenden Studienreformfrage: S. 13 ff.

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Auffassungsspektrum z­ wischen einerseits Köllmanns eher pragmatischen Zweifeln an der Realisierbarkeit einer vollwertigen Einbeziehung von Ökonomie, Soziologie, Politik- bzw. Rechtswissenschaft in das Geschichtsstudium und andererseits Nipperdeys grundsätzlichem Einspruch gegen jede Fundamentalbestimmung der Geschichtswissenschaft als Sozialwissenschaft. Daher stellte Vierhaus schließlich mit Bedauern fest, nach seinem Eindruck ­seien einige Tagungsteilnehmer nicht einmal von der Notwendigkeit einer Modernisierung des Geschichtsstudiums überzeugt, geschweige denn ausnahmslos alle bereit, das von Koselleck und ihm selbst vertretene Konzept eines – so das Protokoll – „modernen, reflektierten Geschichtsstudiums zu akzeptieren, d. h. eines Studiums, das sich nicht damit begnügen könne, das traditionelle, die Geschichtswissenschaft als historisch angewandte Philologie missverstehende Geschichtsstudium mit etwas mehr Kenntnissen auf dem Gebiete der Ökonomie, der Soziologie, der Jurisprudenz usw. zu versehen“. Dass „tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten“ also auch dabei nicht ausgeräumt werden konnten, somit Conzes Bemühen um Aufweis eines Teilkonsenses „wenigstens hinsichtlich der Grundlinien“ kaum Erfolg hatte und die Frage nach der Ausbildungsaufgabe der Geschichtswissenschaft „im gesellschaftlichen Sinne“ erst recht „ohne konkrete Ergebnisse“ angeschnitten wurde, wie das Protokoll festhielt, dürfte schon vor dem Hintergrund der bildungs- und hochschulpolitischen Gräben jener Jahre nicht überraschen. Nachdem man diesen Hintergrund bereits bei der vorhergegangenen Zusammenkunft explizit, wenngleich eher beiläufig berührt hatte,303 kam er nun stärker zur Sprache. Diesmal nämlich wurde der seinerzeit vielbeschworene Praxisbezug der Geschichtswissenschaft thematisiert, und zwar bei offener Berufung eines angehenden Gymnasiallehrers (und Conze-­Schülers!) auf die einschlägigen Forderungen des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes/ SDS . In der freilich „sehr locker“ geführten Diskussion mit teilweise bloß äquivoker statt konvergenter Begrifflichkeit erhob sich nicht nur verschiedentlich der Einwand, das Praxispostulat sei inhaltlich unklar und unterliege zudem ständigem Kriterienwechsel. Vielmehr wurde es auch als solches in Frage gestellt: etwa wenn 303 Vgl. TP Nov. 1968, z. B. S. 63 f. (wo Lepsius bei seinen Überlegungen zu Erklärungsmöglichkeiten und -grenzen der komparativ-­funktionalistischen Soziologie das Beispiel Studentenbewegung kurz streifte) und S. 100 (wo Conze im Hinblick auf die neuen Hamburger Prüfungsordnungen und die zuvor schon von Borchardt beanstandete Ideologisierung der schulischen Lehrpläne von einer Ausblendung des gesamten Komplexes Recht im politologischen Lehrstoff sprach, wobei diese Ausblendung für ihn „bereits das Ergebnis einer Ideologisierung“ war, die „durch die Ideologisierung der kommenden Marcusianer in eine ganz andere Richtung geführt werden dürfte“); s. auch PMV 29./30. 11. 1968, TOP 3 (wo Borchardt beklagte, dass er nach seiner Rektoratszeit zunächst nicht im gewünschten Maße zur Forschung habe zurückfinden können, und zwar u. a. wegen der „rasch wachsenden studentischen Aktivität“).

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Nipperdey den Praxiswert der Geschichtswissenschaft gerade damit begründete, dass sie eben keinen unmittelbaren Praxisbezug habe, sondern „theoretisch“ im Sinne Joachim Ritters sei; oder wenn Conze mit exemplarischem Bezug auf den Verlauf seines letzten Oberseminars meinte, der Praxisgedanke bringe die Geschichtswissenschaft in die konkrete Gefahr einer Politisierung, die zum Verzicht auf die sog. historische Methode führe. Demgegenüber sah Kocka die Praxisrelevanz der Geschichtswissenschaft zwar ebenfalls „wesentlich in ihrer Praxisdistanz“ und wollte historische Einsichten keinesfalls als Handlungsanweisungen missverstanden wissen, war aber gleichwohl überzeugt von diversen Möglichkeiten, „aus der Geschichte zu lernen und so die Geschichtswissenschaft in sinnvoller und legitimer Weise praktisch anzuwenden“, mithin ihre „gesellschaftlichen Funktionen“ wahrzunehmen.304 Das nicht zum wenigsten von daher gebotene Streben nach Außenwirkung der beiden Zusammenkünfte erforderte logischerweise eine Veröffentlichung der Ergebnisse, wurde freilich erst nach Zurückstellung interner Bedenken wegen mangelnder Konvergenz der Beiträge ins Werk gesetzt.305 Dass sie sich bis 1972 hinzog, lag primär zwar daran, dass Herausgeber Conze wegen akut noch gestiegener Aufgabenhäufung u. a. als Interimsrektor der Universität Heidelberg (1969/70) unter verschärftem Zeitmangel litt. Es spiegelt aber auch die ja nicht neue Beeinträchtigung des Arbeitskreises durch die fast chronische, mit den „bekannten Studentenkrawallen und ihren Folgeerscheinungen“ nur „zusätzlich“ gestiegene professionelle Absorbierung seiner etablierten Angehörigen.306 Gewiss waren gerade die beiden Geschichtstagungen von jüngeren Mitgliedern und Gästen beflügelt

304 Zur Praxisdiskussion: TP Apr. 1969, S. 18 ff. (S. 19 f. Kocka, z. T. wohl wörtlich, mit Aufzählung von fünf Anwendungsmöglichkeiten). 305 Zur Publikationsgeschichte des Sammelbändchens ­Theorie und Praxis des Geschichtsunterrichts (Stuttgart 1972): TP Apr. 1969, S. 20 f. (über die betreffende, „sehr lebhafte“ Diskussion am Ende der Frühjahrstagung 1969); außerdem u. a. Übersicht 1957 – 1969, S. 3 und VWN 1969 vom 20. 3. 1970, S. 19 f. (Publikation in Vorbereitung) und PMV 10. 10. 1970, TOP 4 (zur Publikation vorgesehene Beiträge in über- oder ausgearbeiteter Fassung zwar da, aber laut Conze nicht alle für Druck geeignet, deshalb erst prüfen, ob Veröffentlichung „jetzt noch zu empfehlen“ oder, so Nürnberger, teilweise „nicht mehr ganz aktuell“); PVM 21. 5. 1971, TOP 7 (Publikation weiterhin vorgesehen, nun für 1972 bei Klett); ferner KP 4, lf. S. 264 f. (betr. Briefwechsel zw. Kocka und Conze/Stuke im Febr. 1971) sowie lf. S. 511 ff. (betr. Briefwechsel zw. Conze und Vierhaus, bes. S. 511: auch wenn Reihe Industrielle Welt in ­diesem Fall wohl nicht geeignet, Druck bei Klett jetzt hoffentlich sehr schnell, denn diese Publikation „würde m. E. gerade im gegenwärtigen [bildungs- u. hochschulpolitischen] Moment gut einschlagen“, so Conze am 23. 7. 1971 an Vierhaus), s. a. KP 4, S. 451 (Conze an Schoebe, 2. 12. 1971). 306 So Ende 1969 im Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Zur Bedeutung der jüngeren Mitglieder/ Gäste für die beiden Geschichtstagungen auch Lepsius, Mitglieder, S. 4.

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worden. Doch auch wenn das immerhin einen gewissen Erfolg der Verjüngungsmaßnahmen bedeutete, beseitigte es das Problem keineswegs. Nicht bloß fand man es geboten, die Herbsttagung 1969 ausfallen zu lassen, das nächste Treffen also tunlichst erst zum Frühjahr 1970 anzusetzen und dafür als selbstkritische Begründung die Zweckmäßigkeit sorgfältiger Vorbereitung auf das nächste Generalthema anzuführen. Vielmehr kam man jetzt nicht vorbei an dem expliziten Eingeständnis, dass der Versuch zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit eben mit Hilfe neuer und jüngerer Mitglieder „auch nur wenig“ zur Behebung jener „allgemeinen personellen Schwierigkeiten“ beitrug, die Conze schon in der Mitgliederversammlung vom November 1968 erneut betont hatte und als Zwang zur Revision der bisherigen Tagungsgestaltung begriff: Da eine aktive Beteiligung aller Mitglieder nach wie vor nicht sichergestellt sei, halte er es für ausgeschlossen, im Stil der früheren Zusammenkünfte in Bad Ems auch künftig noch ein Generalthema behandeln zu können, denn nach den Erfahrungen in den letzten Jahren lasse sich ohne einen festen Stamm an Gästen fortan kein erfolgreiches Treffen mehr veranstalten.307 Dass überhaupt Änderungen für tunlich gehalten wurden, erhellt erst recht daraus, dass für die Mitgliederversammlung vom Frühjahr 1970 ein eigener Programmpunkt angesetzt wurde: Zur Reform der allgemeinen Aktivität des Arbeitskreises und des Charakters der Tagungen.308 Teilweise im Vergleich mit „beispielhaften Veranstaltungen“ anderer Einrichtungen wie dem auf der Bodenseeinsel Reichenau tagenden Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte und der Forschungsgruppe Poetik und Hermeneutik (u. a. Hans Robert Jauß, Wolfgang Iser, Manfred Fuhrmann, Harald Weinrich und Reinhart Koselleck) wurden Möglichkeiten einer „grundsätzlichen Reform der Gestaltung und Organisation“ der Arbeitskreistagungen erwogen. Dabei wiederum schilderte Conze einen Vorgang, bei dem freilich zugleich das Gewicht ‚seiner‘ Institution aufschien: Während des Kölner Historikertages sei er von „jüngeren Kollegen“ wiederholt auf die „mögliche Aufgabe“ des Arbeitskreises angesprochen worden, durch größere Arbeitstreffen z­ wischen den zentralen Historikertreffen „die öffentliche wissenschaftliche Diskussion in Gang zu halten und an der Vorbereitung des nächsten Historikertages [1972] mitzuwirken“ – ein Gedanke, den Nipperdey und Koselleck sofort 307 PMV 29./30. 11. 1968, S. 3; auch dazu Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Zu der angesprochenen Zweckmäßigkeit sorgfältiger Tagungsvorbereitung: PMV 11. 4. 1969, S. 4 u. TP Apr. 1969, S. 3 f. sowie VWN 1969 vom 20. 3. 1970, S. 3. 308 So TOP 5; folgende Angaben (alle Zitate = Protokollformulierungen) nach PMV 7. 4. 1970 (PR 4), S. 4 f. (dort leider keine näheren Informationen). – Abschließend zit. Ipsen-­ Einschätzung: so – mit „guten Wünschen“ – in seinem Selbstinaktivierungsbrief an Conze, 8. 8. 1969 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1970).

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mit dem auch verfahrensmäßig bemerkenswerten Vorschlag konkretisierten, dem Kreis zum kommenden Historikertag eine „eigene sozial- und begriffsgeschichtliche Sektion zuweisen zu lassen“. Wie sehr aber zumal Conzes Hinweis auf die Erforderlichkeit regelmäßiger Gastteilnehmer zutraf, zeigte schon die folgende Tagungsserie, mit der man ein sozusagen liegen gebliebenes Thema fortführte, in Ipsens Augen sogar einen „neuen Anfang“ machte.

2.4 Konstanz der Perspektive und vorläufige Behebung der personellen Schwierigkeiten (1970 – 1973) Bereits im Frühjahr 1968 hatte ja die Absicht zu baldiger Wiederbefassung mit der ebenso vieldimensionalen wie anspruchsvollen Koselleck-­Frage nach Spezifika und Entstehung der Modernen Welt fast einhellige Zustimmung gefunden. Dabei war eine erste tour d’horizon zur Ausgestaltung unternommen und erneut die generelle „Fruchtbarkeit“ dieser Thematik betont worden.309 In Bezug auf das „Problem der sog. Modernisierung“ in den Entwicklungsländern hatte Krüger sogar eine aktuelle Dimension ausmachen wollen und eine lohnende Aufgabe darin gesehen, „einmal die Entstehung und Definition des Begriffs der Staatsgewalt oder den Charakter der Grundrechte des Einzelnen und der Gesellschaft als eines an den Staat gerichteten ‚Verbots‘, die Modernisierung in seine Hand zu nehmen“ – ein Vorschlag, dem Conze mit der Anregung zu eingehenderer Beschäftigung mit der amerikanischen Modernisierungsliteratur und deren Begriffsapparat „im Sinne einer produktiven Bestandsaufnahme“ zugestimmt hatte. Nur: Schon im Spätherbst 1968 war dann sehr kontrovers überlegt worden, ob das auf Empfehlung vor allem von Koselleck und Borchardt anhängig gebliebene Generalthema überhaupt wieder aufgenommen bzw. nunmehr wirklich behandelt werden sollte.310 Bestanden doch hinsichtlich Realisierbarkeit und Ertragsaussichten inzwischen erhebliche Zweifel, denen Koselleck nicht bloß nebenbei auch mit dem Argument begegnete, der Kreis müsse als eine „Art Initiatorenversammlung“ aufgefasst werden. Eine Mehrheit für 309 Hier und im Folgenden mit den Worten des PMV 26. 3. 1968 (PR 3), S. 3 f., Bericht über die betreffende Diskussion einschließlich der schon relativ detaillierten Überlegungen zur Ausgestaltung der Thematik (dazu auch S. 4 f. der Katalog möglicher Aspekte u. Teilthemen). – Zur mühsamen Entstehungs- u. Entwicklungsgeschichte ­dieses Generalthemas besonders auch die abrissartige, unverkennbar kritische Darstellung im Conze-­Rundschreiben vom 29. 7. 1969 (PR 4, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1969). 310 So die knappe, kaum mehr als summarische Mitteilung in PMV 29./30. 11. 1968, S. 3 f. (danach auch die folgende, vermutlich wörtliche Koselleck-­Formulierung).

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­ efinitiven Einstieg fand sich schließlich zwar im Frühjahr 1969 – aber erst nach d einer längeren Aussprache, bei der sogar eine gelegentliche Tagung „ohne festes Thema“ erwogen und im Übrigen ein weiterer Planungsauftrag an die bisher schon tätig gewesene Programmkommission erteilt wurde.311 Diese Kommission aus den Heidelberger und Mannheimer Mitgliedern kam zu grundlegenden, quasi vorgabegleichen Empfehlungen für Verfahrensweise und Perspektive: Demnach hatte sich die multidimensionale Frage nach ‚Beginn‘ und Indikatoren der sog. modernen Welt „zu orientieren an Problemen und Erscheinungen wie ‚Beschleunigung‘ oder ‚Veränderung‘ von Prozessen, ‚Umbruch‘ u. ä. Begriffen, die entweder aus der Beobachtung bestimmter Vorgänge (z. B. der Bevölkerung) sich ergeben oder auch historisch-­semantologisch gewonnen werden können“; auch sollte die Beschäftigung „mit ‚Bewusstseinsphänomenen‘ […] stets der[jenigen] mit ‚Realphänomenen‘ zugeordnet sein (und umgekehrt) und ihr wechselseitiges Verhältnis zueinander eindringlich berücksichtigt werden“; entsprochen werden sollte zudem der Lepsius-­Forderung, sich nicht in deskriptiver Behandlung von Einzelphänomenen des 18. oder 19. Jahrhunderts zu verlieren, sondern „tunlichst von Thesen über die Moderne schlechthin auszugehen“; nicht minder beherzigt werden sollte die Maschke-­Warnung vor einer „naiven Vorstellung“ von revolutionären Umbrüchen, d. h. vor der Meinung, dass sich vor den Revolutionen des 18. Jahrhunderts keine durchgreifenden Wandlungen abgespielt hätten oder dass es keine durch alle Zeiten hindurchgehenden Verhaltenskonstanten mehr gebe. Damit war man bei der „generellen Absicht“ des Unternehmens: nämlich „etwas zu erfahren über das Verhältnis von Tradition und Revolution, die Auflösung der alten und das Entstehen der modernen Welt, den gesellschaftlichen Umwandlungsprozess im Gefolge der politischen und industriellen Revolution und den Vorgang der sprachlichen Erfassung der modernen Welt, ihrer Bewusstwerdung und Bewusstmachung durch Begriffe, w ­ elche wir als die unserer Welt verstehen“. Bei ­diesem Erkenntnisziel, so der abschließende Hinweis an die Mitglieder, „tun wir stets gut daran, uns über den Stellenwert registrierter Wandlungen Klarheit zu verschaffen und angesichts der Tatsache, dass ‚man alles in allen Zeiten finden kann‘ und unsere Problemstellung (samt der ihr zugrunde liegenden Modellvorstellung) in einem sehr bestimmten Sinne relativ ist, besonders sorgfältig die Kriterien zu ermitteln und zu erproben, die es uns erlauben, den ‚Umschlag der Quantität 311 So im PMV 11. 4. 1969 (PR 4), S. 3 (ebenfalls nur knapper Bericht); vgl. Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Betr. Programmkommission: Überlegungen und Ergebnisse der Heidelberger Kommissionssitzung vom 15. 7. 1969 einschließlich konkreter Vorschläge für Teilthemen mitgeteilt in dem schon erwähnten Conze-­Rundbrief vom 29. 7. 1969; Zusammensetzung der Kommission: Borchardt und Lepsius aus Mannheim sowie Böckenförde, Conze, Koselleck, Maschke und Stuke aus Heidelberg.

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in die Qualität‘ zu erfassen, d. h. jene konstitutiven Merkmale der ‚Modernisierung‘, die eine Institution, einen Vorgang, einen Begriff bei aller Ähnlichkeit mit solchen in früheren Zeiten zu etwas unverwechselbar Modernem machen (z. B. der Großbetrieb).“ Neun Monate nach diesen verhältnismäßig hochreflektierten Empfehlungen bzw. ein Jahr nach dem endgültigen Wiederaufnahmebeschluss war es dann so weit: Im April 1970 begann im rheinischen Unkel mit der 21. Zusammenkunft die letztlich sechsteilige Tagungsfolge zum „neuen/alten Generalthema“ 312 und damit zu einem zentralen Aspekt und Sachverhalt der neuzeitlichen Geschichte. Doch was Theodor Schieder erleichtert und nicht ohne Spitze als „Rückkehr zu unseren ursprünglichen Aufgaben“ sehen wollte, für die er sich „ja selbst energisch eingesetzt“ habe, ergab sich eben vor allem aus besagtem Aktivitätsmangel. So war für die Themawahl nolens volens ein eher pragmatischer Gesichtspunkt „maßgebend“: die Erwartung, dass sie für eine „wirklich aktive“ Mitarbeit sämtlicher Mitglieder wie auch der Gäste eine „gewisse Gewähr“ biete, denn mit der Frage nach der modernen Welt verknüpfe sich für ausnahmslos alle Beteiligten die Aufforderung zur Befassung unter den jeweiligen Fachaspekten, so dass unter den spezifischen Forschungsbedingungen der im Arbeitskreis vertretenen Disziplinen zur Beantwortung beigetragen werde. Dementsprechend kam es nun in der Tat zu personell wie perspektivisch breiter angelegten Verhandlungen, und zwar gleich bei der Eröffnungstagung.313 Mit Ansatz bei der Entstehung der für den ‚Beginn‘ der Moderne markanten Bewegungsbegriffe (wie Fortschritt, Revolution, Emanzipation, Demokratie u. a. m.) und ausgehend von der Hypothese einer „Denaturalisierung“ der herkömmlichen Zeitvorstellung zugunsten einer neuen (Reinhart Koselleck) reichte der Bogen über einen ebenfalls begriffshistorisch ausgerichteten Blick auf die „Instrumentalisierung und Funktionalisierung des modernen Gesetzesrechts“ (Rolf Grawert) bis hin zu sozialgeschichtlicher Herleitung der frühen Soziologie aus dem Krisenbewusstsein in der Transformationsphase der altständischen Gesellschaftsordnung (Eckart Pankoke) 312 So im TP Apr. 1970 (PR 4), S. 1. – Anschließende Schieder-­Äußerung: Brief an Conze, 27. 2. 1970 (KP 4, S. 442), mit rein überlastungsbedingter Absage zur Frühjahrstagung. – Bezüglich Pragmatik bei der Themawahl: So in den wohl von Conze und Stuke verfassten Erläuterungen zur allgemeinen Thematik der Oktober-­Tagung 1970 des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (6 S.), als Rundbrief verschickt am 24. 5. 1970. 313 Dazu außer dem Tagungsprot. auch die genannten Erläuterungen vom Mai 1970, S. 3 ff. (Überblick über den Inhalt der Referate auf der Apriltagung 1970), ferner Überblick 1957 – 1969, S. 3. – Betr. Raupach-­Bedenken: Brief an Conze, 1. 8. 1969, wobei er „nicht die Technologie [meinte], […] sondern die Wirkungen ihrer Produkte auf das Verhalten des Einzelnen und der Gesellschaft; sagen wir es kurz: der veränderten Dingwelt“; vgl. Conzes Antwort, 22. 9. 1969 (beides in PR 4, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1970).

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und zur Ermittlung signifikanter Veränderungen im Sachbereich Wirtschaft wie im Denken über Wirtschaft (Knut Borchardt). Im Unterschied etwa zur Vorstellung von Raupach, der beim Spektrum der Unterthemen ein „Eingehen auf das sachliche (materielle) Substrat der modernen Welt“ vermisst hatte, ging es also vorzugsweise um Identifizierung von Modernitätsindikatoren. Dabei wiederum postulierte Hans-­ Ulrich Wehler – noch als Gast – für den Umgang mit dem Generalthema jenseits aller Teil- und Einzelfragen eine allgemeine Modernisierungstheorie.314 Mit Zuschnitt auf bestimmte historische Bezüge griff der Arbeitskreis nun also die auch in Deutschland angelaufene Debatte um Begriff und Interpretament der Modernisierung auf. Ein dazu dienliches Referat über Begriffe und Modelle der Modernisierung (Arbeitstitel) kam zwar nicht zustande, wurde an sich aber schon für die nächste Tagungsfolge angesetzt.315 Dafür eigentlich auserkoren und überhaupt als temporärer Gastteilnehmer vorgesehen war der Soziologe Reinhard Bendix von der Universität Berkeley, der damals eine Gastprofessur an der Universität Göttingen (Studienzentrum Göttingen der Universität von Kalifornien) wahrnahm. Gehörte er doch, so Conze im Namen des Arbeitskreises, zu den Hauptanstoßgebern bei den „theoretischen Bemühungen um ‚modernization‘ in den USA“ und erschien mithin als geradezu prädestiniert für die „dringend“ erforderliche „Vermittlung“ an den Kreis: „So wie Sie die Brücke ­zwischen der deutschen Kultursoziologie in der Generation Max Webers zur modernen sozialwissenschaftlichen Th ­ eorie in den USA repräsentiert haben, so könnten Sie sicherlich vor oder neben einigen Andern dazu beitragen, den im Gang befindlichen Brückenschlag zurück festigen zu helfen.“ Allerdings, so Conze weiter, gehe es in erster Linie nicht um die Verbindung ­zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten, sondern um die „Beziehung z­ wischen historischer Methode und sozialwissenschaftlicher Th ­ eorie“, wofür „besonders bei Historikern“ ein seit mehreren Jahren stark gestiegenes Bedürfnis und Interesse bestehe, so dass auch ein vorbereiteter Diskussionsbeitrag des „jungen Historikers“ Hans-­Christoph Schröder beabsichtigt sei („möglicherweise als Korreferat“).316 Da Bendix jedoch aus Termin- und vor allem Gesundheitsgründen 314 Dazu TP Apr. 1970, S. 9, s. a. S. 59. – Aus der Fülle der Literatur zu Modernisierung hier besonders Hans-­Ulrich Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975 (lt. S. 67, Anm. 7 z. T. mit wiederholter Anlehnung an die 1970er Ausführungen von Lepsius); dazu rückblickend Wehler, Kampfsituation, S. 163 ff. bzw. Hitzer/Welskopp, S. 20 f. 315 Dazu schon PMV 11. 4. 1969, S. 3 (Vorschlag Fischer: Bendix, ab Sommer für ca. 3 Jahre Gastprofessor in Göttingen, als Gast zu den Tagungen des AKMS einzuladen), s. a. TP Apr. 1970, S. 60 sowie Conze/Bendix-­Briefwechsel von Mai/Juli 1970 (KP 4, lf. S. 15 ff.). 316 Conze an Bendix, 29. 5. 1970: Einladung zu einem Referat auf der nächsten Tagung („Es hätte mich gereizt, ein solches Referat selbst zu übernehmen. Doch wieviel besser wäre

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abwinken musste, fiel dieser Teil primär in die freilich vorher schon festgesetzte Zuständigkeit von Rainer Lepsius, der die Perspektive von Bendix nach dessen eigenem Bekunden ohnehin mit abdeckte. So zeichnete Lepsius auf der Herbsttagung 1970 in Weinheim in seinem systematischen Grundlagenreferat über Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“ zunächst kurz die Ausbreitung und Verwendung der Bezeichnung „Modernisierung“ nach, umriss sodann Inhaltliche Bestimmungen des „Modernen“ und stellte danach Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der Moderne und der Modernisierungsprozesse vor 317 – nicht ohne jeweils auch die problematischen Seiten herauszuarbeiten und im Endeffekt zu empfehlen, die Modernisierungsfrage „auf internationalen Wandel zu fokalisieren“ und sich dazu eher an Max Weber zu orientieren. Gerade bei der Erörterung dieser schwierigen Thematik, konkretisiert durch die auf England bezogenen Ausführungen von Hans-­ Christoph Schröder und das Referat von Dieter Schwab mit seinem Angelpunkt Eigentumsrecht, konnte kaum ausbleiben, was sich etwa in einer Warnung vor „gefährlichen, weil das Geschichtliche verkennenden Typisierungen“ niederschlug. Sie war Ausdruck eines grundsätzlichen Unbehagens zumal von Historikern gegen die Anwendung weitreichender Theorien, weil der Versuch zur Typisierung zeitlich und räumlich weit auseinander liegender Vorgänge gegen das historische Individualitätsprinzip zu verstoßen schien (wie Schröder konstatierte).318 Überwiegend jedoch handelte es sich keineswegs um ­solche Einwände bzw. Animositäten, sondern um die durchaus interessierte Frage nach der geschichtswissenschaftlichen Operationalisierbarkeit dermaßen stark formalisierter, auf der Makroebene entwickelter Kategorien und Theorien/Theoreme. Dabei forderte Wolfram Fischer von der Modernisierungstheorie sogar eine direkte Befassung mit konkreten historischen Erscheinungen wie Kolonialisierung bzw. Industrialisierung; und im Unterschied zu den für ihn persönlich wenig anregenden „engagierten Theorien der Marxisten oder Freudianer“ betrachtete er bestimmte Spielarten der Systemtheorie als „sehr brauchbar“ für die Geschichtswissenschaft. Demgegenüber riet Wehler, sich vor der „Gefährlichkeit“ speziell kybernetischer Modelle zu hüten, da sie „kritisches es […]“), außerdem zu einem Vortrag „im Umkreis“ dieser Thematik in Conzes Heidelberger Doktorandenkreis. – Betr. Bendix-­Absage: Brief an Conze, 2. 7. 1970 (demnach auch Treffen von Bendix mit Lepsius in München). 317 Referatfassung: TP Okt. 1970 (PR 4), S. 37 ff.; Empfehlung zur Orientierung an Weber: so dann in der Diskussion, S. 53. – Betr. Referate von Schröder bzw. Schwab: Texte auf S. 20 ff. bzw. 1 ff. 318 S. S. 20; zit. Warnung: so, in der Wiedergabe des Protokolls, ausgerechnet der Heidelberger Politologe Hans-­Joachim Arndt (S. 36). – Die folgenden Stimmen nach der Protokoll­ wiedergabe S. 53 f.

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Fragen“ erschwerten und eine „rein funktionelle Sicht“ z. B. der Herrschaftsformen förderten, somit die Unterschiede ­zwischen den Herrschaftsformen verwischten und ihre „soziale Problematik“ egalisierten. Ja, Vierhaus wollte das „Verdienst“ des Lepsius-­Referats eindimensional im Aufweis der Fragwürdigkeit des Modernisierungsbegriffs sehen wie auch in der damit fälligen Überlegung, ob die Rede vom Beginn der Moderne überhaupt sinnvoll sei. Doch wenngleich es daraufhin „verschiedentlich“ für notwendig gehalten wurde, das Generalthema nunmehr „anders zu formulieren“, blieben Gegenstand und Fragestellung im Wesentlichen ebenso bestehen wie die prinzipielle Bereitschaft zu jedenfalls nicht völlig theoriefernen Zugriffen. Diese Offenheit für methodisch wie sachlich Neues erwies sich mindestens ebenso deutlich bei der 23. Zusammenkunft im Mai 1971 in Heidelberg. Bevor man bei dem „weit gefassten“ (Conze), nach Eindruck von Vierhaus „vielleicht auch zu ‚global‘“ angelegten und daher noch „so recht nicht in Gang“ gekommenen Generalthema Moderne Welt 319 sozusagen voll ausholte, wurden nämlich zwischendurch entsprechend einem Rat von Borchardt an konkreten historiografischen Projekten Chancen und Grenzen der Nutzung sozialwissenschaftlich-­theoretischer Modelle erörtert. Mangels Protokoll ist freilich nicht sehr viel mehr zu ermitteln, als dass Jürgen Kocka auf Empfehlung von Wehler und noch als Gast einen – so er selbst – „Werkstattbericht“ aus seiner Forschung über Deutschland im I. Weltkrieg: Pro­bleme bei der Verwendung eines klassengesellschaftlichen Modells beisteuerte.320 Zuvor referierte Conze über Die deutsche Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts als Arbeitsproblem (in Verbindung mit dem Handbuch für deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte).321 Gewissermaßen mit freihändiger Adaption von Rastern systemtheoretisch ausgerichteter Soziologen (u. a. Luhmann), zudem unbekümmert um terminologische Herkunft und soziopolitische Konnotation(en) der Kategorie sprach nun auch Conze von Gesamtgesellschaft. Aus d­ iesem Blickwinkel hielt er sogar 319 Conze-­Rundschreiben an die Mitglieder, 18. 12. 1972 (KP 4, lf. S. 132 ff.) bzw. Vierhaus-­Brief an Conze, 17. 5. 1971, mit dem Zusatz, er halte eine Konzentration auf den „Prozess der ‚Modernisierung‘ in Deutschland“ für „sinnvoller“, ohne einer „nationalgeschichtlichen Verengung“ das Wort reden zu wollen; vgl. Conzes zustimmende Antwort, 3. 6. 1971 (KP 4, lf. S. 513 ff.). 320 Themaformulierung lt. Tagungseinladung vom 15. 4. 1971; eine von Stuke gewünschte Ausarbeitung des Referats für das beabsichtigte Protokoll kam nicht zustande. Dazu wie überhaupt zu Kockas Beitrag: Briefwechsel mit Conze bzw. Stuke z­ wischen Dez. 1970 und Okt. 1971 (KP 4, lf. S. 263a–266). 321 So ebenfalls laut Tagungseinladung; folgende Angaben/Zitate aus Conzes Referat (gut 20 S.) bzw. aus seinen Schlussbemerkungen zur Diskussion (fast 10 S.) hier nach den Tonbandabschriften bei den Unterlagen zur Mai-­Tagung 1971 (PR 4, teilweise zwar von dritter Hand korrigiert, aber nicht fehlerfrei).

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ein gleichsam alternatives Verständnis von Sozialgeschichte für möglich, wenn er meinte, dass man sie ohne Widerspruch zu früheren Bestimmungen „neu definieren [könnte] als die Geschichte eines gesamtgesellschaftlichen Systems“. Auch insofern unterschied er folglich ­zwischen „allumfassend“ angelegter und „sektoral reduzierter“, in sämtlichen Relikten endgültig zu überwindender Sozialhistorie. Zugleich hielt er daran fest, dass die Vorstellung „Soziologie = Gesamtgesellschaft systematisch, Sozialgeschichte = Gesamtgesellschaft historisch“ nur unter einer Bedingung gelten könne: nur wenn historisch dabei nicht kontradiktorisch zu systematisch aufgefasst werde, sondern im Sinne von Anwendung systemtheoretischer Soziologie auf die Sozialgeschichte, ohne dabei in die mit der Systemtheorie ­tatsächlich oder angeblich verbundene „Gefahr der Statik oder der tendenziellen Konservation“ zu verfallen. Für ihn war „Bewegung des Systems“, also dessen ständiger Wandel oder „fortgesetzte Infragestellung“ vielmehr ausdrücklich impliziert; sollte das „Gesamtsystem Gesellschaft“ jeweils in zweifacher Beziehung erfasst werden: hinsichtlich der Strukturen mit ihrer „relativen Konstanz“ bzw. Kontinuität und hinsichtlich der Strukturierung, d. h. permanenten „Um- und Fortbildung von Strukturen“. Überdies machte er – teilweise wieder – aufmerksam auf mehr oder minder neue Untersuchungsfelder wie Sozialgeschichte von Religion und K ­ irche, von Bildung und Wissenschaft; zudem auf noch un- oder unterbelichtete Bereiche, etwa Sozialgeschichte der Familie, des Kindes, der Generationsentwicklung wie auch Sozialgeschichte von Gesundheits- und Medizinalwesen; erst recht auf einen Gegenstand, der sich noch als „weißer Fleck“ darstellte: die Frauenbewegung, die bislang ein „Stiefkind“ der sozialhistorischen Forschung geblieben sei, während nachgerade „alles“ über die Arbeiterbewegung schreibe. Dass sich gleichwohl schon eine unübersehbare Differenz zu einigen jüngeren Mitgliedern und Gästen – etwa zu Winkler bzw. Kocka und Wehler – abzeichnete, die sich in dem einen oder anderen Fall ­später zu offener Spannung steigerte, lässt sich jedenfalls an Conzes Schlussbemerkungen zur Diskussion ablesen. Gewiss wollte er über die in seinen Augen nebensächliche Frage einer Gegensätzlichkeit von systemtheoretischer und dialektisch-­kritischer Soziologie hinweg zweierlei zugleich beachtet sehen: den „Prozesscharakter“ der Moderne und unabhängig von jeder „politischen Absicht, Ideologie oder dergleichen“ eben auch die Notwendigkeit systematischer Fragestellungen. Doch bei der Prozess- wie bei der Strukturanalyse sollte das Untersuchungsobjekt Gesamtgesellschaft nicht etwa vorrangig oder gar ausschließlich in seiner globalen Dimension in den Blick genommen werden und somit der jeweiligen „nationalen Umgrenzung“ nur noch wenig oder überhaupt keine Aufmerksamkeit zukommen. Vielmehr beides im Auge zu haben hielt er für ebenso selbstverständlich wie die in der Diskussion offenbar angemahnte Berücksichtigung von Herrschaftsverhältnissen und „Klassifizierung nach Klassen, Schichten, Ständen“. Allerdings gab er zumal Wehler zu bedenken, ob es nicht

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ein reduktionistischer Vorgriff und „zu viel des Guten“ wäre, sich auf eine „spezifische Fragestellung spezieller Sozialgeschichtereien [!]“ festzulegen, indem man die „gesamtgesellschaftlichen Kräfte Arbeit und Herrschaft unter ganz bestimmte Kategorien bringt, die man durch ein [theoretisches] Vorwissen in einen Wirkungszusammenhang bringt und ganz zum Thema macht“. Dass s­ olche Divergenzen aber nicht in jedem Fall trennend sein mussten, zeigte sich gleichzeitig am Verhalten des Kreises zur projektierten Sektion Voraussetzungen und Anfänge des ‚organisierten Kapitalismus‘, vorbereitet für den Regensburger Historikertag 1972 durch eine Planungsgruppe um Heinrich August Winkler. Von ­diesem in einer Ad-­hoc-­Vorlage eigens erläutert, wurde der Vorschlag zu ­organisatorischem und sogar verantwortlichem Engagement des Arbeitskreises von Conze als Mitbeteiligtem vorbehaltlos unterstützt. Bei an sich ebenso positiver Einschätzung votierte die Mehrheit der Mitgliederversammlung lediglich gegen eine institutionelle Teilnahme an dem „kurzfristig von außen“ herangetragenen Unternehmen, weil man sich „auch nicht sein neues [d. h. nächstes] Generalthema vorschreiben lassen“ wollte.322 Was vordergründig als dezidierte Unabhängigkeitsbekundung gegenüber nachdrängenden Kräften erscheinen mag, hatte im Kern zu tun mit dem unaufhörlich und mehr oder minder kontrovers verhandelten Basisproblem der Ermittlung, Spezifizierung und Gewichtung von Wirkungsfaktoren in der Geschichte. Direkt oder indirekt durchzog es fast wie ein roter Faden auch die anschließenden Tagungsfolgen zum „weit gefassten“ Thema Moderne.323 Heuristisch-­hypothetisch vor allem mit der Vorstellung einer ubiquitären „Beschleunigung als zentraler Kategorie der Neuzeit“ 322 So m. d. W. des PMV 7. 1. 1972 (PR 4), TOP 4; s. a. Winklers Projektbeschreibung vom 7. 12. 1971, allen Mitgliedern zugeleitet mit Conze-­Anschreiben vom 20. 12. 1971. – Für die Projektgruppe (Winkler, Wehler, Puhle, Charles S. Maier und „in einem bereits fortgeschrittenen“ Planungsstadium auch Conze selbst) nahm Winkler als Gast an der MV teil (aber Wehler verhindert). – Dass es um und über die Sektion schließlich zu erheblichen, 1973/74 mit dem von Winkler herausgegebenen Sektionsband Organisierter Kapitalismus. Voraussetzungen und Anfänge (Göttingen 1973) noch verschärften Konflikten vor allem ­zwischen Wehler und dem damaligen 1. Vorsitzenden des Historikerverbands (Th. Schieder, dann Conze) kam, hatte mit dem AKMS nichts zu tun. Freilich spielten Spannungen im Verband verschiedentlich hinein, was hier nur erwähnt werden kann; dazu u. a. Mommsen an Conze, 5. 5. 1976 (KP 5a, lf. S. 452 f.), mit Erwartung einer bis zum 31. Historikertag in Mannheim im Sept. 1976 „aufgelockerten Frontbildung“, zudem mit der Hoffnung, dass „aus dem [sachlichen] Gegensatz zu Herrn Wehler kein persönlicher wird“. 323 Zitat: So Conze am 2. 5. 1972 in einem Brief an Henning (Köln), mit dem er den ehemaligen Abel-­Schüler als Referenten speziell für die „mit an erster Stelle“ rangierende „Frage der Agrarverfassung bzw. des Wandels der agrarischen Verhältnisse“ anwarb (KP 4, lf. S. 178), da Abel selbst verhindert war (vgl. KP 4, lf. S. 2: Abel an Conze, 16. 2. 1972).

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(Koselleck) angegangen,324 wurde es von verschiedensten sozioökonomischen und -kulturellen Feldern her betrachtet, zumal bei der vierten und vorletzten Sequenz, die nach gründlicherer Vorbereitung im Oktober 1972 in Rheda/Westf. stattfand. Wegen der „höheren Gewalt der [momentanen] Finanzverknappung“ (Koselleck) zwar vom Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung ausgerichtet, verwirklichte sich mit ihr aber wenigstens annähernd der Plan einer „Großtagung“, zu der „in wohlüberlegter Auswahl aus allen in Frage kommenden Fachbereichen mindestens 40 Fachleute mit fester Beitragsverpflichtung“ hatten eingeladen werden sollen und immerhin mehr als 30 Teilnehmer begrüßt werden konnten (bei allerdings gravierenden Verhinderungen: so u. a. Wilhelm Abel, Hans-­Georg ­Gadamer, D ­ ieter Henrich, Walter Kasper, David Landes, Klaus Scholder, Dolf ­Sternberger und ­J[acob] L[eib] Talmon).325 Entgegen der ursprünglichen Absicht mussten die Beiträge aus philosophischer bzw. anthropologischer Sicht (Gadamer, Riedel, L ­ epenies) freilich auf die Frühjahrstagung 1973 in Heidelberg verschoben werden, so dass die „große Thematik“ (Conze) Moderne erst damit zum Abschluss kam.326 Der Ertrag dieser Tagungsserie war im Kreis selbst insofern heftig umstritten, als über die von vornherein eigentlich vorgesehene Publikation „tiefgreifende M ­ einungsverschiedenheiten“ 324 Dazu die Tagungsübersicht im Anhang; im Einzelnen etwa TP Jan. 1972, bes. S. 21 ff. die methodologischen Diskussionsäußerungen von Nipperdey bzw. Koselleck (Zitat: S. 22); vgl. besonders die von Koselleck verfassten Darlegungen in der von Conze schon im Juni 1971 verschickten vierseitigen Einladung zur großen Herbsttagung 1972, von Dolf S­ ternberger zutreffend als „Exposé“ bezeichnet (KP 2, lf. S. 639, Brief an Conze, 12. 6. 1971): ein Exemplar z. B. als Anlage zum Brief an W. Fischer, 3. 6. 1971 (KP 4, lf. S. 137 ff.), ein weiteres als Anlage zum Brief vom 11. 6. 1971 an J. L. Talmon/Jerusalem, 11. 6. 1971.(KP 2, lf. S. 645 ff.), s. auch Conze an Th. Schieder, 11. 6. 1971 (lf. S. 637). 325 Koselleck-­Äußerung: Brief an Walter Kasper, 11. 9. 1972 (KP 2,lf. S. 460), vgl. Brief vom selben Tag an Wolfgang Wieland (lf. S. 665); Zitat betr. „Großtagung“: so schon im PMV 7. 4. 1970, S. 5; vgl. TP Okt.1970, S. 55. – Über den Verlauf der ursprünglich für 9. – 12. 10. 1972 in Heidelberg-­Ziegelhausen vorgesehenen, aus Finanzgründen dann aber durch Kosellecks Vermittlung vom ZIF (Direktor: Werner Maihofer) übernommenen und wegen Ausfall einiger Beiträge/Referenten auf 10. – 12.10. verkürzten Veranstaltung mit „über 30“ Teilnehmern (VWN 1972, S. 2) lässt sich mangels Protokoll im Einzelnen nicht viel sagen (vgl. die relativ wenigen Tagungsunterlagen in PR 4 und die unmittelbar zugehörige Organisationskorrespondenz Koselleck bzw. Stuke/Maihofer in KP 2, lf. S. 581 ff. u. KP 4, unter: Korte, Hermann; s. auch die Tagungsübersicht im Anhang). 326 Dazu bereits PMV 10. 10. 1972, S. 2, TOP 5, zudem (mit der zitierten Kennzeichnung) auch schon Conze-­Rundschreiben an die Mitglieder, 18. 12. 1972 (s. KP 4, lf. S. 132 ff.); im Übrigen VWN 1973, S. 2. – Mangels Protokoll lässt sich auch über diese Tagung im Detail wenig sagen (s. Tagungsübersicht im Anhang); vgl. jedoch die Kurzfassung (3 S.) zum Referat Riedels und die Referatvorlage von Lepenies (59 S.) bei den Tagungsunterlagen (PR 5).

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aufbrachen.327 Vor allem über Bestimmung und Einschätzung des Modernitätskriteriums Beschleunigung kam es zumal ­zwischen Nipperdey und Koselleck zu einer Kontroverse, die sich in der Diskussion vor Ort nicht beheben ließ. Sie ging immerhin so weit, dass wiederholt nicht weniger als völliger Verzicht auf Veröffentlichung empfohlen und, nach entschiedenem Widerspruch von K ­ oselleck, andererseits gar vorgeschlagen wurde, der Divergenz bis Gegensätzlichkeit der Positionen durch zwei entsprechend angelegte Bände Rechnung zu tragen. Beigelegt wurde die Sache erst durch einen Klärungsauftrag an Koselleck und Lepsius. Was dann nach Jahren (1977) in kompromissartiger Auswahl herauskam unter einem Titel, der jeden Vollständigkeits- und Homogenitätsanspruch vermied, beschrieb Herausgeber ­Koselleck im Vorwort ebenso offen wie geschickt als ein anstoßgeeignetes Tableau „von aufschließenden Hypothesen bis zu begründbaren Befunden“.328 Dass die Frage nach der Moderne nicht zum wenigsten ja auch zur Intensivierung und Verbreiterung des Mitgliederinteresses gewählt worden war, hatte sich ziemlich bald als nicht ganz abwegig erwiesen. Bereits Anfang 1971 konnte Conze hinsichtlich des Aktivitätsmangels erst einmal Entwarnung geben und insoweit „wieder optimistisch“ werden.329 Das machte indessen die Fortsetzung flankierender Maßnahmen nicht überflüssig. Dazu gehörten Satzungsänderungen, wie sie nach Conzes Einstimmungsvorstößen dann seit Frühjahr 1970 auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlungen standen. Expressis verbis ging es vor allem um statuarische Ermächtigung des Vorstands zur Inaktivierung häufig bis ständig abstinenter Mitglieder. Unter Billigung der sechs anwesenden und mit schriftlichem bzw. telefonischem Plazet zweier weiterer Mitglieder beantragten Borchardt und Fischer nicht weniger als die Soll-­Regelung, das Stimmrecht künftig jedem zu entziehen, der „dreimal nacheinander ohne Angabe von Gründen bei den Tagungen des Arbeitskreises fehle, auch keine Arbeit übernehme oder auf andere Weise sein Interesse an der Tätigkeit des Arbeitskreises bekunde“.330 Eine förmliche Absegnung erfolgte schließlich im Herbst 1970, wobei ebenfalls ohne Aussprache zugleich drei weitere Satzungsänderungen vorgenommen wurden: (a) zur rechtlichen Alleinvertretungsbefugnis auch des stellvertretenden, fortan 2. Vorsitzenden; (b) zur 327 Hier und im Folgenden nach PMV 31. 3. 1973 (PR 5), S. 7 (summarischer Bericht über die „zwanglose“ Erörterung am Vorabend der MV). 328 So im Vorwort, S. 5; vgl. Übersicht IW im Anhang, hier: Bd. 20. – Zur Publikations­ geschichte schon Conzes Rundschreiben vom 29. 7. 1969, S. 4 (PR 4, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1969), im Übrigen PMV 10. 10. 1970, TOP 4; PMV 31. 3. 1973, TOP 8; PMV 13. 10. 1973, TOP 3b; PMV 39. 3. 1974, TOP 1a; Conze/Koselleck-­Rundbrief vom 8. 4. 1974 (PR 5, bei den Protokollunterlagen zur Märztagung 1974). 329 Brief an Gruner, 2. 2. 1971 (KP 4, lf. S. 174). 330 So m. d. W. des PMV 7. 4. 1970 (PR 4), S. 3 f.; vgl. Stuke-­Brief an Dr. Petersen/BBW , 1. 10. 1970 (KP 23b, lf. S. 204).

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Beschlussfähigkeit der Mitgliederversammlung schon bei Anwesenheit von mindestens einem Drittel; (c) zur Regelung des Verfahrens einer schriftlichen Abstimmung.331 Vereinsrechtlich in Kraft treten konnte dies alles trotz erreichter Zweidrittelmehrheit erst nach Wiederholung der Abstimmung im Mai 1971, weil das zuständige Amts-/Registergericht Heidelberg die vorangegangenen Voten wegen teilweise bereits praktizierter schriftlicher Stimmabgabe nicht anerkannte.332 Wie angebracht gerade die Disziplinierungsklausel auch Mitgliedern erscheinen konnte, die im eigenen Fall „stets überzeugende Gründe“ für häufiges Fernbleiben reklamierten, zeigt sich beispielsweise daran, dass Vierhaus prompt seine Bereitschaft zum Rückzug erklärte, denn „natürlich bleibt eine Mitgliedschaft mit Ausfällen unbefriedigend“.333 Der Steigerung des Engagements sollten außerdem die nächsten Zuwahlen dienen. Nach den Schüben besonders von 1965 – 68 ging es damit nun freilich langsamer vonstatten. Dass im Herbst 1970 der Hamburger Neuhistoriker D ­ ietrich Hilger (Jg. 1926) und der frisch nach Berlin berufene Sozialhistoriker Hans-­Ulrich Wehler (Jg. 1931) aufgenommen wurden,334 war unstrittig, aber kein Spiegel der eigentlich breiter gefassten Zuwahlpalette. Hatte man doch nicht nur schon weitere Geschichtswissenschaftler im Blick, so Hans Mommsen (Bochum), Rolf ­Engelsing (Berlin) und sogar „an erster Stelle“ den Schweizer Erich Gruner (der dann jedoch aus gesundheitlichen Gründen ‚passen‘ musste). Einigkeit bestand vielmehr auch über baldige Einbeziehung des Tübinger Volkskundlers Hermann Bausinger; und ebenfalls mit Blick auf „andere Fächer“ dachte man an den Frankfurter Soziologen/Sozialphilosophen Jürgen Habermas. Zudem wurde ja angeregt, Reinhard Bendix für die etwa dreijährige Spanne seiner Göttinger Gastprofessur als eine Art Dauergast einzuladen. Dass überdies „möglichst bald wieder ein ausgesprochener Wirtschaftstheoretiker“ hinzukommen und Borchardt entsprechende Vorschläge unterbreiten sollte, war einhellige Meinung.335 Auch wurde die zuerst nur ad personam vorgestellte Dauergastanregung 1971 wegen der begrenzten 331 PMV 10. 10. 1970, S. 2 f. u. 4 f. – Schriftliche Abstimmung erstmals 1981 erforderlich infolge Beschlussunfähigkeit wegen Anwesenheitsmangel: s. PMV 24. 10. 1981 (PR 8), S. 2. 332 Dazu PMV 21. 5. 1971, S. 1 f. sowie Anlage zur TO (hier: TOP 5a–e); vgl. schon C ­ onzes Anschreiben vom 15. 4. 1971 an die Mitglieder bei Gelegenheit der Einladung zur ­Frühjahrstagung, z. B. das Exemplar für Fischer (KP 4, lf. S. 139), außerdem Stuke-­Brief an Dr. Petersen/BBW, 28. 4. 1971 (KP 23b, lf. S. 193); ferner VWN 1971 vom 29. 3. 1972, S. 7. 333 Brief an Conze, 17. 5. 1971 (KP 4, lf. S. 514 ff.). 334 Dazu PMV 10. 10. 1970, S. 4. 335 Zu alldem schon PMV 11. 4. 1969 (PR 4), S. 2 f. („konkrete Beschlüsse“ aber noch „zurückgestellt“ [im Herbst 1969 keine MV]) sowie PMV 7. 4. 1970, S. 4; betr. Bausinger und Gruner auch PMV 10. 10. 1970, S. 4 und PMV 7. 1. 1972, S. 3 sowie u. a. die Conze-­Briefe

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­ ufnahmekapazität des Kreises ausgeweitet durch den Vorschlag zu regelrechter A Institutionalisierung eines solchen Status, um dadurch junge Wissenschaftler mit besonders erwünschter Sachkenntnis bei Beratungen über Forschungsprobleme für den Kreis „zu gewinnen bzw. an ihn zu binden und zugleich Verärgerungen oder Diskriminierungen zu vermeiden“ (was zwar „lebhafte Zustimmung“ fand, wegen der schwierigen Kriterien für eine Unterscheidung ­zwischen ‚Dauergästen‘ und ‚Nicht-­Dauergästen‘ aber ohne Beschluss blieb).336 Daneben fielen 1971/72 bei abermals eingehenden, doch wieder ohne konkrete Ergebnisse verlaufenen Überlegungen zusätzliche Anwärternamen, wobei erneut auch zu bedenken gegeben wurde, ob man nicht „endlich wieder einen historisch interessierten Ökonomen gewinnen“ könne (so Wehler 1972) – ein Gebot der stets erneut aufkommenden Einsicht, dass die „Verbindung der Sozialgeschichte mit der eigentlichen Wirtschaftsgeschichte“ beim Arbeitskreis „etwas im Argen“ lag (Nipperdey 1973), jedenfalls schon gar nicht so eng war, dass sich wahlweise etwa auch von Arbeitskreis für moderne Wirtschaftsgeschichte sprechen ließ (so dann, wohl ohne es selbst zu bemerken, Gründungsmitglied Herbert Krüger 1985).337 Trotzdem gingen aus der nächsten Zuwahl im Frühjahr 1973 ausschließlich Historiker hervor: der Trierer Wolfgang Schieder (Jg. 1935) und der kurz zuvor nach Frankfurt berufene Horst Stuke (Jg. 1928), nach Nennung sechs anderer „möglicher Kandidaten“ als bislang weitaus Jüngster auch noch der Münsteraner Privatdozent Jürgen Kocka (Jg. 1941), obwohl erst „demnächst Professor für Sozialgeschichte“ in Bielefeld, insofern also noch knapp unterhalb der informellen Zuwählbarkeitsschwelle.338 Dass zu seiner vom 12. 6. 1970 an Bausinger (KP 4, lf. S. 11) bzw. vom 2. 2. 1971 an Gruner und die Gruner-­ Antwort vom 10. 2. 1971 (lf. S. 173 u. 174); betr. Bendix s. o. 336 So wörtlich das PMV 21. 5. 1971, S. 4 der betreffende Vorschlag von Lepsius bzw. die Reaktion darauf; dazu PMV 7. 1. 1972, S. 3: „Institution eines ‚Dauergastes‘ […] schon aus finanziellen Gründen für unzweckmäßig gehalten“ (bes. von dem als Gast anwesenden Min.rat Dr. Petersen/BBW), Nipperdey-­Vorschlag zur Einführung einer „Mitgliedschaft auf Zeit“. 337 Dazu PMV 21. 5. 1971, S. 6 f. [im Herbst 1971 weder Tagung noch MV, bei nächster Sitzung im Jan. 1972 laut PMV 7. 1. 1972, S. 3 „abschließende Aussprache auf nächste Sitzung im Herbst vertagt“, bei folgender Sitzung im Okt. 1972 laut PMV 10. 10. 1972, S. 2 wegen Erkrankung von Conze wiederum verschoben]; Wehler-­Zitat: so an Conze, 13. 10. 1972 (KP 4, lf. S. 543 f.), vgl. PMV 7. 1. 1972, S. 3 (wiederholtes Plädoyer von Nipperdey für einen Ökonomen, Zorn empfiehlt Suche unter den Schülern von Walther G. Hoffmann); Nipperdey-­Zitat: so an Conze, 2. 1. 1973 (KP 5, lf. S. 331 f.); Krüger-­Formulierung: Brief an Conze, 25. 5. 1985 (KP 7, lf. S. 373 f.); zur „Frage eines weiteren Vertreters der Wirtschaftswissenschaft“ neben Borchardt: u. a. dann auch Briefwechsel Conze/Borchardt, Sept. 1974 (KP 5a, lf. S. 26 u. 65 f.). 338 Dazu PMV 31. 3. 1973, S. 1 f. (Zitate in den Protokollen) bzw. Conze-­Rundbrief vom 8. 3. 1973, S. 1 (wonach Maschke bei seinem Antrag auf Zuwahl von Stuke anführte, dass „dieser Schritt

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frühzeitigen Aufnahme übrigens die beinahe elogenartige Fürsprache Wehlers erheblich beitrug, machte sie optisch zum Ausgangspunkt einer vielfach und für länger als nahezu symbiotisch wahrgenommenen Beziehung der beiden Mitglieder. Sie waren es ja, die vor dem Hintergrund der „zeithistorischen Gemengelage von universitärem Strukturwandel, Studentenrevolte und Hochschulreform“ ­(Dunkhase) die sog. Bielefelder Schule begründeten und auch von daher eben ein mehr oder minder ausgeprägtes Spannungselement in den Arbeitskreis einbrachten. Die publizistisch bald planmäßig gesteigerte und schließlich nicht einmal ohne „persönliche Untertöne“ besonders gegenüber Conze betriebene Abgrenzung der Bielefelder von den „strukturhistorischen Vätern“ (Hitzer/Welskopp) konnte zwar bis zu offener Konfrontation gehen. Doch bei den Arbeitskreistagungen blieb der Konflikt vorwiegend eher verhalten, weshalb gerade Conze zunächst mit ungläubiger, beinahe fassungsloser Überraschung registrierte, dass da „plötzlich sozusagen zwei verschiedene Arten von Sozialgeschichte zu sein schienen“ (wie Wolfgang Schieder rückblickend formulierte). Damit kam es zu einer Art Fraktionierung, die sich äußerlich übrigens auch in gewissen Formen sprachlicher Ex- bzw. Inklusion niederschlug: etwa in nicht mehr bloß konventionsgeleiteter Verwendung von Sie bzw. Du samt entsprechender Anrede als Herr (z. B. Conze) bzw. mit Vornamen (z. B. Ulli [Wehler]). Über die neuerliche, wenngleich mäßige Verjüngung hinaus veränderten die Zuwahlen auch das interne Kräfteverhältnis des Kreises, insofern nämlich, als sich trotz Wechsel von Vierhaus zu den Inaktiven das numerische Übergewicht der Historiker bei den aktiven Mitgliedern noch erhöhte (16 zu 3).339 So gesehen, war jetzt nahe liege“, da Stuke ja seit dem Vorjahr o. Prof. sei und „daher“ Mitglied werden könne, nachdem er dem AKMS „seit langem bereits de facto als Geschäftsführer angehört“ habe); speziell betr. Kocka, der jedenfalls seit Frühjahr 1967 in ständigem Briefkontakt mit Conze stand, von Conze auch für seinen Studienaufenthalt in den USA sehr positiv begutachtet wurde (1970) und dem AKMS durch Veröffentlichung seiner Dissertation in der Schriftenreihe (1969) wie durch seinen GG-Beitrag Angestellter (1972) verbunden war, vgl. den schon erwähnten Wehler-­Brief an Conze, 13. 10. 1972 sowie Conzes Zuwahlmitteilung an Kocka, 4. 4. 1973, und dessen Antwort, 11. 4. 1973 (KP 5, lf. S. 227 f.). – Nachfolgend zit. Formulierungen: Dunkhase, Conze, S. 111 (vgl. überhaupt Kap. 4.5) bzw. Hitzer/ Welskopp, S. 23 (s. a. S. 14 f.: selbst bei durchaus gravierenden Unterschieden z­ wischen Wehler und Kocka gemeinsame Nutzung ihrer frühen Mitgliedschaft in prominenten Einrichtungen wie dem AKMS als Forum für unverwechselbare Profilbildung) bzw. Schieder in TP Okt. 1999 (PR 19), S. 52, vgl. zudem W. Schieder, Lebenswerk, S. 245 f. und Kocka, Conze, S. 597 f.; zur häufig intuitiven Übereinstimmung ­zwischen Wehler und Kocka die Eigendarstellung in Wehler, Kampfsituation, bes. S. 95. 339 Dazu ebenfalls PMV 31. 3. 1973, S. 2, zur veränderten Zusammensetzung auch WPl. 1974 vom 25. 9. 1973, S. 2; speziell zur Selbstinaktivierung von Vierhaus außerdem Briefwechsel

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es angemessen, dass der Vorstand nach wie vor allein aus Historikern bestand: Da Maschke aus „Alters- und Gesundheitsgründen“ den 2. Vorsitz Ende März 1973 aufgab, wurde er von Stuke abgelöst, der bis zur Übernahme durch Wolfgang v. Hippel (kommissarisch 1977/78) bzw. Ulrich Engelhardt (1978 – 2005) auch noch die Geschäftsführung beibehielt. Und Conze blieb ganz unangefochten 1. Vorsitzender, nachdem er sich bei der letzten Wiederwahl im April 1970 für das nächste Mal zwar selbst zur Disposition gestellt hatte, damit aber nicht durchgedrungen und folglich zur Fortsetzung seiner Amtsführung bereit war.340 Doch alle ­personellen Bestätigungen bzw. Ergänzungen ließen nicht gegenstandslos werden, was er erst drei Monate zuvor kritisch festgestellt hatte: Auch wenn der Kreis sich in den letzten Jahren „erfreulich personell verändert und erweitert“ habe, sei die erhoffte Aktivierung nicht eingetreten, nun aber trotz aller Beeinträchtigungen der Zeitpunkt gekommen, „unsere Arbeit neu zu planen und zu intensivieren“.341

Vierhaus/Conze vom 18. bzw. 26. 10. 1972 (KP 5, lf. S. 584 ff.). 340 Betr. Neuwahl des Vorstands: PMV 31. 3. 1973, S. 4 f. (Stuke und Conze einstimmig gewählt bzw. wiedergewählt, bei jeweils eigener Enthaltung); betr. Amtsniederlegung Maschkes zum 31. 3. 1973 auch sein Brief an Conze, 20. 1. 1973 (KP 5, lf. S. 282), außerdem schon PMV 10. 10. 1972, S. 2 und Conze-­Rundschreiben vom 8. 3. 1973 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1973), darin auch zu seiner Bereitschaft zum Verbleib im Amt; zur letzten Wiederwahl: PMV 7. 4. 1970, S. 3, s. a. schon PMV 11. 4. 1969, S. 4 (vorsorglich im Amt bestätigt). – Zur vorläufigen Beibehaltung der Geschäftsführung durch Stuke vgl. u. a. Conze-­Rundbrief vom 21. 9. 1972 (KP 19, lf. S. 92), Punkt 2; betr. interimistischer Geschäftsführung durch v. Hippel (Mannheim) u. a. Conze-­Rundbrief vom 25. 1. 1977 (TP 5, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1977) bzw. zur definitiven Übernahme durch Engelhardt (Heidelberg) ab 1. 4. 1978 u. a. PMV 7. 19. 1977 (TP 5), TOP 3 und Engelhardt ans Wissenschaftsministerium, 14. 4. 1978 (KP 24, lf. S. 506). 341 Brief an Nipperdey, 11. 12. 1972 (KP 4, lf. S. 347), wobei er von den „von außen kommenden Behinderungen“ sprach und dabei „in erster Linie“ wieder im Auge hatte, dass „wir alle, nicht zuletzt auch ich, zunehmend durch die Universitätsprobleme, bei gleichbleibender oder steigender Normalbelastung, absorbiert worden sind“.

3. Konsolidierung und verstärkte Beachtung von geschichtlichem Neuland (1973 – 1993) Dieser Kurs erforderte indessen mehr als günstige Rahmenbedingungen wie leidlich stabile Finanzen (dazu nachher); mehr auch als förderliche Vernetzung in der Fachwelt, etwa durch den – späterhin freilich eher lax gehandhabten – Beschluss, der im März 1972 in München aus der Taufe gehobenen Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen (AHF) bereits als Gründungsmitglied beizutreten: nicht zum wenigsten in der durchaus selbstbewussten Vorstellung, der Kreis habe „durch seine Mitglieder eine nicht unbeträchtliche Ausstrahlung in die allgemeine Forschung hinein“ und könne in der soeben entstandenen Einrichtung den Anteil derjenigen Institutionen verstärken, die „sich wirklich mit ‚modernen Problemen‘ beschäftigen“ (so jedenfalls Vierhaus).342 Darüber hinaus gehörte zu der beabsichtigten Neuplanung und Intensivierung der eigenen Tätigkeit wesentlich auch deren thematische Neujustierung. Nach Bielefelder Herbsttagung und Regensburger Historikertag äußerte Wehler dazu brieflich die Meinung, dass man sich nunmehr eingehender mit der „Zeit nach der berühmten ‚Sattelzeit‘“ befassen sollte.343 Seine Formulierung dafür lautete „ganz global“: Die Entwicklung der industriellen Welt, vor allem in Mitteleuropa, aber auch in vergleichender Perspektive, von 1850 bis zur Gegenwart und historische Theorien über den strukturellen Wandel in dieser Zeit. Worauf er dabei vor allem hinauswollte, sagte er ebenso klar wie ohne Scheu vor teilweise höchst thesenhaltigen Schlagworten: „[…] einmal die Durchbruchphase auch der deutschen Industriellen ­Revolution zu 342 Zur ADH-Mitgliedschaft (jedenfalls bis 2005) vgl. bes. PMV 21. 5. 1971 (PR 4), TOP 4 (Beitrittsbeschluss „nach kurzer Aussprache […] einstimmig“, außer Enthaltung von Braun und Wehler); s. a. KP 4, lf. S. 3 ff.: AHF-Gründungsverlautbarung vom Juli 1972 (mit Fritz Wagner als Vorsitzendem und Wolfgang Zorn als Stellvertreter, dabei auch Nennung der „bisher“ beigetretenen Institutionen) sowie lf. S. 513 ff.: Vierhaus an Conze, 17. 5. 1971 (daraus das Zitat) bzw. Conze an Vierhaus, 3. 6. 1971. – Mitgliedsbeiträge seit 1972 ausgewiesen bei Haushaltstitel 511 01 (Geschäftsführung), ab 1974 bei Tit. 539 99 (Vermischte Verwaltungsausgaben); dazu u. a. PMV 3. 5. 1985 (PR 10), S. 10: ab 1985 Beitragsverdoppelung, für AKMS nicht zu verkraften. – Zur Praxis der AKMS-Mitgliedschaft u. a. Engelhardt an Schieder, 1. 2. 1996 (KP 13, lf. S. 284): AKMS zwar Kollektivmitglied, bisher aber nie vertreten bei den AHF-Mitgliederversammlungen); Schieder an Engelhardt, 6. 2. 1996 (lf. S. 285): AKMS sollte künftig durch Tagungsberichte präsent sein, da „einfach für unsere Außendarstellung unabdingbar“. 343 Hier und im Folgenden: Brief an Conze, 13. 10. 1972 (KP 4, lf. S. 543 f.), dazu Conzes zustimmende Antwort vom 2. 11. 1972 (lf. S. 542).

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behandeln, dann die Entwicklung einer sich zunehmend organisierenden kapitalistischen Gesellschaft, den Aufstieg des Interventionsstaates, die Weichenstellungen während des ­Ersten Weltkrieges und die Entwicklung danach zu verfolgen“. So sehr Wehler damit nach eigenem Eindruck für eine „ganze Reihe von aktiven Mitgliedern“ sprach, so entschieden wies Conze trotz an sich ausdrücklicher Zustimmung wenig ­später erst einmal in eine andere Richtung. Sicherlich mitbedingt durch die zunehmende Infragestellung eigener Sozialideale, lenkte er die Aufmerksamkeit des Kreises vorrangig auf ein Sachgebiet, das zu den „besonders vernachlässigten […] der bisherigen Sozialgeschichtsforschung“ 344 gehörte, jedenfalls von deutschsprachiger Seite noch kaum betreten worden war.

3.1 Sozialgeschichte der Familie – Inaugurierung eines sozialhistorischen Basisthemas (1973 – 1975/77) Noch vor Ende der Tagungsfolge Moderne Welt unterbreitete Conze den Mitgliedern im Dezember 1972 einen vorweg schon mit Lepsius besprochenen Themavorschlag mit dem umständlich-­hölzern anmutenden Arbeitstitel Die Familienverfassung als eine Kernfrage und als ein Indikator für die Sozialverfassung im geschichtlichen Längsschnitt vor und nach der Industrialisierungsschwelle sowie im Fortgang der Industrialisierung bzw. der sozialen Modernisierung bis zur Gegenwart (kurz: „[…] the family problem in modern history“, wie es bald dann in einem Brief an E. A. Wrigley vereinfachend hieß).345 Demnach nicht ohne Anknüpfung an den zuvor behandelten Komplex sah Conze „Bedeutung“ wie „Erkenntniswert“ dieser Fragestellung doch in deren Bezügen zu bestimmten Fundamentalveränderungen bzw. Gegebenheiten der Neuzeit: zur Arbeitsverfassung und Berufsdifferenzierung, zum Geschlechter- und Generationsverhältnis, zu Sozialisationsprozessen, aber speziell auch zur Sozialversorgung, besonders im Hinblick auf Alter und Krankheit. Anders oder doch mehr als zuvor sollte dabei „nicht eine ‚Epoche‘, sondern ein langer Trend“ in den Blick genommen werden, und dies mit der Möglichkeit, die in letzter Zeit „erheblich“ fortentwickelte Familiensoziologie „– endlich! –“ geschichtswissenschaftlich zu rezipieren und historisch zu revidieren. Von vornherein sollte auch bedacht werden, was sich aus dieser Thematik an konkreter sozialgeschichtlicher Arbeit (Planung wie Aufträge) ergeben müsste. Überhaupt betrachtete Conze Familienverfassung exemplarisch als eins von mehreren potenziellen „Großthemen“, die vom A ­ rbeitskreis 344 Brief an Karin Hausen, 29. 11. 1973 (KP 5a, lf. S. 189); dazu rückblickend W. Schieder, Lebenswerk, S. 262 f. 345 Zitate: Conze an Wrigley, 17. 12. 1974 (SO 37, S. 106) bzw. der wiederholt schon genannte Conze-­Rundbrief vom 18. 12. 1972 (daraus auch die folgenden Angaben bzw. Äußerungen).

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nicht bloß zwecks interner Anregung und Klärung aufzunehmen s­eien, sondern auch aus „Verantwortung“ gegenüber der auf s­ olche Anstöße angewiesenen sozialhistorischen Forschung. Entsprechend positiv war die Reaktion bereits im Vorfeld: Das anvisierte, von Conze bald auch als „ein Schlüsselproblem der Sozialgeschichte“ eintaxierte Untersuchungsobjekt betreffe „wirklich eine Kernfrage“, so beispielsweise Borchardt mit dem Zusatz, dass es nach seiner Einschätzung „außerordentlich nützlich“ sein würde, von daher die „sozialen und ökonomischen Bezüge aufzurollen, um die es in der Entwicklung des 19. Jahrhunderts geht“; komme man doch „praktisch in alle Verzweigungen hinein“, wenn man ­dieses „Zentralthema“ aufwerfe.346 Auch Nipperdey fand die Conze/Lepsius-­Anregung „außerordentlich wichtig und fruchtbar“ und sah die besondere Eignung des Themas zusätzlich darin, dass seines Wissens gegenwärtig niemand daran arbeite – weshalb ihm andererseits noch nicht klar sei, wie es sich erfolgreich realisieren lasse. Mehr noch betonte Braun diese Kehrseite, wenn er seine Zustimmung mit dem Hinweis verband, dass man damit rechnen müsse, „kaum mehr als die Formulierung von Forschungsdesiderata zu erreichen“ – was jedoch selbstverständlich fruchtbar sein und den Anstoß zu endlich intensiverer ‚Entwicklungshilfe‘ für diesen bis dahin weitgehend vernachlässigten, wenn nicht übersehenen Forschungsbereich geben würde. Wie sehr Conze genau das im Auge hatte und damit ein derartiges Rollenverständnis des Kreises so gut wie programmatisch bekräftigte, machte er dadurch deutlich, dass er in einem weiteren Rundbrief aus der „fast allgemeinen“ Zustimmung gerade Brauns Äußerung herausgriff und zu einer generellen Aufgabenstellung nutzte: Wohl habe man sicher schon etwas mehr als bloßes Formulieren von Desiderata zu bieten, aber entscheidend komme es darauf an, „aus eigener Kenntnis, aus dem Bedürfnis zum Durchdenken des Zusammenhangs und zum Setzen von Arbeitshypothesen konkrete Anregungen und Aufträge für Forschungen zu geben“. Damit schien die allgemeine Zielrichtung im Grunde bereits vorgezeichnet und eine Längsschnittbeschäftigung mit der Familie in der Sozialverfassung als Gegenstand jedenfalls der nächsten beiden Zusammenkünfte schon beschlossene Sache zu sein, als noch gegen Ende der Frühjahrstagung 1973 in Heidelberg der „Start 3 46 Conze an Karin Hausen, 8. 1. 1974 (KP 5a, lf. S. 185 f.) bzw. Borchardt an Conze, 16. 1. 1973 (KP 5, lf. S. 30); vgl. Fischer, 18. 1. 1973 (lf. S. 72), der zwar auch „nichts einzuwenden“ hatte, aber mehr darauf abhob, dass im Rahmen solcher ­Themen jeder seinen eigenen Schwerpunkt mit einbringen könne, wobei sein eigenes Interesse „stärker auf Fragestellungen wie Arbeitsverfassung (innerbetriebliche Strukturen einschließlich Management)“ liege. Folgende Äußerungen: Nipperdey an Conze, 2. 1. 1973 (lf. S. 331 f.), Braun an Conze, 23. 2. 1973 (lf. S. 42), Conze-­Rundbrief, 8. 3. 1973 (s. o.), S. 2.

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für die neue Arbeitsperiode“ freigegeben werden sollte.347 Nach erneuter Themabegründung durch Conze mit anschließender Lepsius-­Präferenz für eine Konkretisierung mit aktuellem Bezug und für eine Betrachtung von Familie „weniger als ‚Gruppe‘ und ‚Institution‘ denn als ‚gesamtgesellschaftliches Ordnungselement‘“ kam es jedoch zu einer lebhaften Debatte. Besonders exponierte sich Wehler, der laut Protokoll zuvor schon brieflich „sehr energisch“ gegen den Themavorschlag argumentiert hatte: So berief er sich vor allem darauf, dass „nach menschlichem Ermessen“ in den nächsten Jahren gerade auf die sozial- und wirtschaftshistorisch interessierten Mitglieder nolens volens immer wieder die Diskussion mit „engagierten Studenten“ zukommen werde, denn die „Probleme der Gesellschaftsgeschichte im weiteren Sinne“ würden zumal die „aufgeweckteren Studenten“ beschäftigen. Für den Arbeitskreis sei es mithin „unbedingt geboten“, sich vornehmlich aus „allgemeinen politischen, auch wissenschaftspolitischen Gründen der Debatte breiter [zu] stellen“. Daher plädierte er im Hinblick auf diese „prinzipielle Frage“ auch jetzt eben für Befassung mit dem Strukturwandel des Industriekapitalismus seit Durchbruch der Industriellen Revolution – eine in seinen Augen weiter gehaltene Thematik, die verschiedene Unterschwerpunkte ermögliche, darunter z. B. Familie. Allerdings fand er damit offenbar kaum Anklang. Wohl gab es noch einmal Zweifel an zureichender Durchführbarkeit des Familienthemas. Auch drängte Nipperdey auf stärkere Berücksichtigung der „Geschichte von Verhaltensweisen“, denn seines Erachtens war „Sozialgeschichte der Ideen und der Mentalität, d. h. auch die Einbeziehung sozialpsychologischer Fragestellungen, bisher zu kurz gekommen“. Und Koselleck wie Wolfgang Schieder sahen einen lohnenden Tagungsgegenstand in „kritisch-­theoretischer Erörterung einer Sozialgeschichte der Ideen“. Conze selbst informierte zudem über Böckenfördes briefliche Anregung zu künftiger Behandlung der „sozialen Verfassungsgeschichte“ des 19. Jahrhunderts, hielt seinerseits aber mit Erfolg an seiner Themapräferenz fest. Generell bezeichnete er es wieder als eine vordringliche Aufgabe des Kreises, „beispielhaft sozialgeschichtliche Forschungen in Gang zu setzen“, wobei ihm speziell auch eine von Gestalt und Wandel der Familienverfassung ausgehende Darstellung der Frauenemanzipation vorschwebte. 347 Zitat: So Conze vorgreifend an Wehler, 2. 11. 1972 (KP 4, lf. S. 542). – Zum Folgenden Wehler an Conze, 2. 2. 1973 (KP 5, lf. S. 594 ff.) bzw. PMV 31. 3. 1973 (PR 5), S. 5 ff. (wörtliche Wiedergaben aus den Protokollen). – Zur Anregung von Böckenförde dessen Brief an Conze (mit Durchschlag an Ipsen), 29. 3. 1973: Eine Soziale Verfassungsgeschichte des 19. Jh. halte er für ein „wissenschaftlich wichtiges und verdienstvolles und zugleich – wenn das Wort erlaubt ist – gesellschaftsrelevantes Unternehmen; letzteres insbesondere angesichts der zunehmenden Klischeevorstellungen über die Sozialstruktur und Sozialentwicklung in Deutschland“ (KP 5a, lf. S. 47); erneut und mit genauer Erläuterung/Spezifizierung des Konzepts: Brief an Conze, 3. 2. 1975 (lf. S. 50 ff.).

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Zur Sache ging es dann mit dem von Conze und Lepsius gemeinsam vorbereiteten Herbsttreffen 1973 (zu dem übrigens auch Hans Rosenberg aus Kalifornien eingeladen wurde, der sich gerade in Deutschland aufhielt, zu seinem Bedauern aber verhindert war 348). Freilich hatten die ersten drei Tagungsfolgen 1973/74 insofern bewusst „Versuchscharakter“ 349, als sie eher zur Erarbeitung eines probaten Zuschnitts für die ungewohnte und komplexe Thematik dienten: Vorwiegend bemühte man sich um Abklärung von Grundlagen und Erfassung des internationalen Forschungsstands, wofür einschlägige Fachbeziehungen nach England/ USA, insbesondere zu Vertretern der Cambridge Group for the History of Population and Social Structure, aber auch nach Schweden, Frankreich und Österreich genutzt bzw. neu geknüpft wurden. Akut ergab sich daraus für die demonstrativ international wie interdisziplinär besetzte Haupttagung im April 1975 speziell zum Aspekt Familienverfassung und Industrialisierung 350 eine bewusst etwas einseitige, keineswegs unumstrittene Schwerpunktbildung bei den umfassend quantifizierenden und entsprechend EDV-gestützten Methoden der sog. Familien(haushalts)rekonstitution und ihrer demografischen Aspekte. Zugleich indessen kamen sehr wohl auch historisch-­soziologische Perspektiven samt wesentlich historisch-­hermeneutischen Verfahrensweisen zur Geltung, etwa mit Karin Hausens Thesen zur Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben in der Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“.351 Nicht nur insofern umfasste der Einsatz für Familiensozialhistorie 348 Dazu Wehler an Conze, 13. 9. 1973 (KP 5a, lf. S. 634): Rosenberg gemäß telefonischer Anregung von Braun zur Tagung einladen, würde sich „sicher […] riesig freuen“; s. a. Wehler an Conze, 1. 8. 1973 (lf. S. 635); im Übrigen Stuke-­Rundbrief vom 4. 10. 1973 (bei den Tagungsunterlagen in PR 5), Punkt 3: R. wegen Termindruck verhindert. 349 So Conze in seinem Rundschreiben (Zwischenbericht und Vorschau) aus Oxford vom 5. 6. 1974 (KP 19, lf. S. 91 f., auch bei den Protokollunterlagen zur Frühjahrstagung 1974 in PR 5); dazu und zum Folgenden einschließlich der aufgekommenen Probleme und Kon­ troversen: mangels Tagungsprotokoll bes. Conzes Einleitung (Febr. 1976) zum Tagungsband Familie (s. Übersicht im Anhang, hier: Bd. 21), s. a. die Teilveröffentlichung: in GuG, Jg. 1, 1975, H. 2/3 (Historische Familienforschung und Demographie, hg. v. Hans-­Ulrich Wehler, dazu Wehler-­Brief an Conze, 2. 12. 1974, in FP 37, S. 101), im Übrigen die Tagungsübersicht im Anhang. 350 So die Kurzfassung im Conze-­Rundschreiben vom 11. 11. 1974 zum Versand des vorläufigen Tagungsprogramms; laut handschriftlichem Vermerk von Stuke auf einem Exemplar des Tagungsprogramms vom 10. 2. 1975: Die Familie im Übergang von der entfalteten Agrargesellschaft zum Industriekapitalismus; laut Teilfinanzierungsantrag vom 18. 2. 1975 an die Reimers-­Stiftung in Bad Homburg: Die Familie im Übergang von der entfalteten Agrargesellschaft zum Industriesystem; dazu Stukes Tagungsbericht vom 3. 6. 1975 für die Reimers-­ Stiftung (KP 22a, lf. S. 499 f.). 351 So dann in der Überschrift ihres Beitrags im Tagungsband (S. 363 ff.); dazu Conze an Hausen, 9. 2. 1976: „Es ist sehr gut, dass Ihr Beitrag, in betonter Abhebung von den ­quantifizierenden,

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durchaus, was Kocka sich primär von ihr versprach: „ein Zugang zur Gesellschaftsgeschichte“ zu sein.352 Dass all dies zumindest indirekt auch von aktuellem Belang sein könne, hatte der Wiener Sozialhistoriker Michael Mitterauer mit dem Hinweis angesprochen, dass man mit historischen Untersuchungen unter den strukturierenden Leitfragen nach innerfamilialen Rollen einerseits und nach Familienfunktionen andererseits „am besten für die Gegenwart bedeutsame Entwicklungstendenzen in den Griff bekommt“.353 War es im Vorfeld des Unternehmens ja „nicht ohne [interne] Einwände“ abgegangen, wurde das gesteckte Ziel doch voll erreicht: „geschichtliches Neuland“ zu betreten und mit dem 1977 herausgekommenen Tagungsband der Familienerforschung sowohl hinsichtlich Einzelstudien als auch im Hinblick auf konzeptionelle, begriffliche und methodische Grundfragen einen „sozialgeschichtlichen Innovationsstoß“ zu geben.354 Obwohl der Kreis keinen Moment etwa zu jahrelanger Hauptbeschäftigung mit dem „äußerst großen und verwirrenden Arbeitsgebiet“ (Hausen) tendierte, sondern das Generalthema Familie nach den vier Tagungsfolgen bevölkerungsgeschichtlichen Arbeiten, in unserem Band enthalten sein wird“ (KP 5a, lf. S. 172 f.); s. a. Conze an Borscheid, 23. 1. 1984 (KP 6, lf. S. 121 f.). Barbara Greven[-Aschoff ] (Erlangen), vorgesehen als Mitreferentin, hatte abgesagt, die Rürup-­Schülerin Barbara Duden (Berlin) war trotz angelegentlicher Hausen-­Empfehlung (vgl. Briefwechsel ­Hausen/ Conze 1974/75, KP 5a, besonders lf. S. 176 f.) nicht eingeladen worden, vermutlich wegen der zahlenmäßig und finanziell begrenzten Tagungskapazität (dazu KP 5a, lf. S. 440: Conze an Mitterauer, 2. 1. 1975). 352 So, mit Bezug auf die Erwartungen von „Bielefelder Forschern“, laut Prot. (S. 8) dann am 29. 5. 1978 in einer von Conze geleiteten Bonner Sitzung zur Vorbereitung des DFGSchwerpunkts (FP 38, Dok. 1.); bezüglich der Bielefelder Familienforschung (Heinz Reif, Karl Ditt, Josef Mooser) vgl. schon Kocka an Conze, 18. 1. 1977 (FP 38, lf. S. 46 f.), s. a. Kocka an Borscheid, 5. 12. 1984 (Kopie in SO 29, lf. S. 94 f.). 353 So, mit Erinnerung an seinen entsprechenden Hinweis bei der Herbsttagung 1974, an Conze, 2. 4. 1974 (KP 5a, lf. S. 443); dazu u. a. Köllmanns und Conzes Betonung der Reichweite des Themas bis in die „Gegenwartsproblematik“ in der o. g. DFG-Vorbereitungssitzung am 29. 5. 1978 (Prot., S. 14) und Conzes unten genannter Schwerpunktantrag an die DFG vom 30. 8. 1978: Die aktuellen „sozialen und sozialpolitischen Probleme […] stellen einen historisch entstandenen Zusammenhang dar, der zu seiner Deutung, Ergänzung und ggf. Berichtigung dringend der Erforschung seiner tieferliegenden historischen Voraussetzungen bedarf“ (S. 3, s. a. S. 6, Punkt 4b). Vgl. etwa Hans Medick an Conze, 24. 10. 1974 mit bemerkenswerten Überlegungen zu den methodologischen Anforderungen an einen Versuch, die Familienverfassung historisch in den Blick zu nehmen, „um ihre heutigen, oft unlösbar erscheinenden Probleme verstehen und dadurch vielleicht besser lösen zu lernen“ (SO 37, lf. S. 74 ff.). 354 Zitate: So im Conze-­Rundschreiben vom 5. 6. 1974, S. 3 bzw. im Conze-­Vorwort zum Tagungsband, S. 12; vgl. u. a. schon Conze an Mitterauer, 13. 9. 1973 (KP 5a, lf. S. 450 f.); s. a. Kocka an Conze, 17. 9. 1974 (lf. S. 296 ff.).

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für sich selbst erst einmal „ad acta“ (Conze) legte,355 blieb er doch auch anschließend sozusagen noch am Ball. In Kooperation vor allem von Conze, Köllmann und Wolfgang Schieder konsequent vorangetrieben und beschleunigt durch zwei zusätzliche Spezialtreffen im November 1976 und Mai 1977,356 gelang es schließlich, das große, die eigenen Finanzen weit überfordernde Projekt an die nur anfänglich zögernde DFG gewissermaßen zu transferieren und dort für 1979 – 84 in aller Form als ein Schwerpunktprogramm mit Koordinierung von Seiten des Arbeitskreises zu etablieren (Arbeitstitel Wandlungen der Familienverfassung unter dem Einfluss der Industrialisierung bzw. Geschichte der Familienstrukturen, der Geschlechts- und Generationsprobleme im Wandel der modernen Welt seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert).357 Insoweit war tatsächlich eingetreten, was David Sabean (Pittsburgh) 355 Dazu u. a. Conze an Karin Hausen, 29. 11. 1973 bzw. 8. 1. 1974 (KP 5a, lf. S. 190 bzw. 185); Zitate: Hausen an Conze, 16. 12. 1973 (lf. S. 187) bzw. Conze an Gerd Hardach, 28. 6. 1976 (lf. S. 170); s. a. schon den oben genannten Conze-­Rundbrief vom 5. 6. 1974 aus Oxford. – Laut Programm der Herbsttagung 1975 und Conze-­Anschreiben zur Einladung vom 30. 9. 1975 war für Teil 2 der Tagung am 1. 11. 1975 noch eine „Zusammenfassung der Ergebnisse der Frühjahrstagung und Vereinbarung eines Forschungsprogramms“ beabsichtigt, scheint aber (wohl wegen Erkrankung des vorgesehenen Hauptreferenten Köllmann) nicht stattgefunden zu haben, ist jedenfalls im TP 30.10./1. 11. 1975 nicht einmal erwähnt. Im PMV 8. 5. 1976 (S. 2) ist jedoch festgehalten, dass (a) Conze, Köllmann und W. Schieder vom AKMS beauftragt worden ­seien, „das Forschungsfeld weiter zu beobachten, zu durchdenken und vor allem durch einen Forschungsplan und konkrete Forschungsprojekte zu entwickeln“, (b) die DFG die Familiensozialgeschichte schon ihn ihren sog. Grauen Plan aufgenommen habe und deswegen mit Conze in Verbindung stehe, (c) im Spätherbst 1976 zu ­diesem Zweck in Bad Homburg eine „Planungstagung“ mit 10 – 12 Teilnehmern stattfinden werde. 356 Damit wurde die Behandlung des Familienthemas fortgesetzt, „ohne dass es zum Hauptthema der Arbeitstagungen in den nächsten Jahren werden sollte“ (so im Conze-­Anschreiben vom 30. 9. 1975 zur Einladung zur Herbsttagung 1975, bei den betreffenden Tagungsunterlagen in PR 5); vgl. u. a. Conzes Ausführungen in seiner Pauschaleinladung vom 4. 10. 1976 zu der 1. Extratagung am 26./27.11.76 (FP 36, lf. S. 9 u. KP 5a, lf. S. 584), sein Rundschreiben vom 18. 11. 1976 an alle Teilnehmer (KP 5a,lf. S. 584 f.) sowie kurzes Ergebnisprotokoll (FP 36, lf. S. 2 f.), außerdem Stukes Finanzierungsantrag für 1977 vom 29. 10. 1976 an die Reimers-­Stiftung (KP 22a, lf. S. 455 f.) sowie das 16-seitige Papier Forschungen zur Sozialgeschichte der Familie, identisch mit dem Bericht über die Ergebnisse der „2. Arbeitstagung“ am 6./7. 5. 1977 (FP 36, lf. S. 7 u. PR 5), Conze-­Rundschreiben vom 10. 6. 1977 an die Mitglieder (KP 19, lf. S. 85, auch bei den Tagungsunterlagen Mai 1977), im Übrigen die einschlägigen Vorbereitungs- und Begleitkorrespondenzen (FP 36), ferner die Tagungsübersicht im Anhang. – Eine 3. Arbeitstagung, vorgesehen für Nov. 1977 in Bad Homburg, fand nicht mehr statt. 357 Dies kann hier nicht näher verfolgt werden; dazu u. a. Conze an Köllmann, 14. 4. 1975 (KP 5a, lf. S. 292), Conze/Mitterauer seit Juli 1976 (lf. S. 425 u. ö.), zudem ebenfalls schon die

Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland

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sich von der „very worthwhile“ April-­Tagung 1975 erhofft hatte: „[…] the beginning of this kind of work in Germany“. Auch wurde für 1986 ff. eine wieder dem Arbeitskreis zugedachte Fortsetzung familienhistorischer Kolloquien vorgesehen, wobei erste Konkretisierungsvorschläge bemerkenswerterweise auf Aspekte wie Sozialgeschichte der Frau in der Neuzeit oder Frau und Familie zuliefen.358 Freilich blieb es bei Planungsansätzen. Ohnehin wandte sich der Kreis bei seinen turnusmäßigen Zusammenkünften hinfort anderen Feldern zu.

3.2 Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland – Hinwendung zu einem zeitgeschichtlich aktuellen Untersuchungsobjekt bei fortgesetzter Reflexion über Sozialgeschichte (1975 – 1980) Zum – so Conze – „neuen, aktuell lohnenden“ Generalthema entschloss man sich wieder erst nach längerem Vorlauf.359 Einhelligkeit bestand zunächst lediglich in der Zustimmung zu Conzes sachneutraler Vorgabe, das Thema müsse so beschaffen sein, dass der Kreis vorwiegend wieder aus eigener Kompetenz tätig einschlägigen Vorbereitungs- u. Begleitkorrespondenzen (FP 37/38) sowie vor allem die betreffenden Sitzungsberichte, Anträge bzw. Bewilligungsbescheide (ebd.) bzw. SO 29 (Antrag vom 30. 8. 1978 auch in KP 5a, lf. S. 106 ff.); s. a. Conzes Bericht im AHF-Jb. 1980, S. 57 – 60 (Sozialgeschichte der Familie. Ein Schwerpunkt der Deutschen Forschungs­ gemeinschaft); zum Abschluss des Schwerpunkts mit Bestandsaufnahme und Vorstellungen/ Anregungen für den weiteren Gang: besonders das Protokoll des betr. DFG-Kolloquiums am 14./15. 6. 1984 in Bonn-­Bad Godesberg unter Leitung von Conze mit Peter Borscheids Papier Entwicklung und Zukunft der Historischen Familienforschung in der B ­ undesrepublik Deutschland vom 7. 9. 1984 (SO 29, S. 76 ff. bzw. 85 ff.); zur erneuten Beteiligung von AKMS-Seite: JBR 1984 vom 1. 8. 1984 (KP 22a, lf. S. 226 ff.), PMV 20. 10. 1984 (PR 11), S. 8 ff. – Nachfolgendes Sabean-­Zitat: so an Conze, 23. 9. 1975 (KP 5a, lf. S. 530). 358 Die beim Godesberger Kolloquium für Herbst 1985/Frühjahr 1986 dem AKMS zugedachte neuerliche „Orientierungs-­Tagung“ als „Ausgangspunkt für eine Serie von aufeinander abgestimmten Kolloquien“ zur Histor. Familienforschung (Prot., S. 6 f.) kam nur bis ins Planungsstadium. Dazu u. a. PMV 20. 10. 1984 (PR 10), TOP 6; Borscheids Sachstandsbericht vom 6. 12. 1984 an Conze (SO 29, lf. S. 92 f.); JBR 1984 vom 1. 8. 1984 (KP 22a, lf. S. 226 ff., hier 229 f.: für Frühjahr 1986 in Bad Homburg eine weitere AKMS-Tagung (Gesamtleitung: Conze) zur Historischen Familienforschung in der Bundesrepublik vorgesehen zwecks Entwicklung einer „Art Forschungskonzentrat“ auf der Grundlage der bisher geleisteten bzw. im Gange befindlichen Arbeiten; vgl. Engelhardt an Lepsius, 12. 9. 1984 (KP 10, lf. S. 332). 359 Zitat: Conze-­Rundbrief vom 21. 8. 1975, S. 3 (PR 5, bei den Protokollunterlagen zur Herbsttagung 1975); zum Folgenden, soweit nicht anders angegeben, generell PMV 18/19. 10. 1974 (PR 5), S. 4 f.

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werden könne, also ohne entscheidend auf Externe angewiesen zu sein. Ansonsten jedoch konkurrierten inhaltlich wie verfahrensmäßig letztlich eher auseinander- als zusammenlaufende Vorstellungen. Dazu gehörte zunächst eine Option, die sich aus der Differenz ­zwischen einer „mittlerweile fast modischen“ Forderung an die Sozialhistoriker und ihrer konkret empirischen Praxis ergab: die trotz gegenteiliger Versicherung doch eher methodologisch ausgerichtete Empfehlung zu systematischer Beschäftigung mit der Anwendung, nötigenfalls auch Modifizierung sozialwissenschaftlicher Theorien und Modelle (Kocka).360 Demgegenüber stand eine mehr gegenstandsbezogene Anregung, die ja bereits im Hinblick auf Familie vorgebracht wurde und ihre Logik aus der normativen Trennung von Staat und Gesellschaft bezog: die Anregung zu einer „sozialen Verfassungsgeschichte“ des 19. Jahrhunderts, d. h. zu einer Verfassungshistorie der Gesellschaft als eines „vom Staat abgehobenen und unterschiedenen eigenen Lebenszusammenhangs“ mit – so die Arbeitshypothese – struktureller Formung und institutioneller Ordnung/ Regulierung „von den Grundbedürfnissen des menschlichen Lebens her“ (Böckenförde).361 Andererseits richtete sich die Aufmerksamkeit vorrangig auf ein Segment neuester Zeitgeschichte, d. h. auf die Frage nach historischen Kontinuitäten oder Diskontinuitäten in der damals noch kaum dreißigjährigen Bundesrepublik als ein Stück wissenschaftlicher terra incognita: allgemein auf ihre „Schichtstruktur unter Differenzierung der verschiedenen sozial-­moralischen Milieus“, auf ihre „Verfassungsordnung“ und auf ihre „Kulturformationen“ (Lepsius).362 In der Annahme, die Vorschläge von Kocka und Böckenförde dabei gut exemplifizieren und integrieren zu können, kam schließlich das Plädoyer für ein weiteres Untersuchungsobjekt hinzu: den Urbanisierungsprozess (Köllmann/Zorn). Dass einige dann auch die 360 Dazu vor allem Kockas ausführlicher Brief an Conze, 17. 9. 1974, mit Abwägung diverser Themamöglichkeiten, wobei er mit Sozialwissenschaften „insbesondere Soziologie, Ökonomie u. Politologie“ meinte und im Übrigen eine zweite lohnende Problematik in Betracht zog: „Klassen- und Schichtenbildung im 19. und 20. Jahrhundert, unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands“ (KP 5a, lf. S. 296 ff.); vgl. seinen Brief vom 21. 2. 1975 an Conze (lf. S. 294 f.), in Kopie an alle Mitglieder verschickt am 2. 4. 1975; s. a. Conze an Kocka, 19. 3. 1975 (PR 5, bei den Protokollunterlagen zur Apriltagung 1975). 361 Zu ­diesem, oben bereits erwähnten Konzept: bes. sein ausführlicher Brief vom 3. 2. 1975 an Conze mit Konzeptentwurf wie Themengruppen und Hinweis, dass der Vorschlag in seinen Grundzügen wesentlich auf ein Gespräch mit Ipsen 1973 zurückgehe (KP 5a, lf. S. 50 ff.); Kopie des Briefs als Anlage zum Conze-­Rundbrief vom 10. 2. 1975 (bei Protokollunterlagen zur Apriltagung 1975) sowie PMV 9. 4. 1975, S. 4 (zwar diskutiert, aber offenbar zurückgestellt, wenn nicht fallen gelassen). 362 Dazu besonders seine Konzeptbemerkungen Historische Grundlagen der Bundesrepublik (Anlage zu seinem) Brief an Conze, 29. 1. 1975 (KP 5a, lf. S. 371 ff.); Kopie des Briefs ebenfalls als Anlage zum Conze-­Rundbrief vom 10. 2. 1975.

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Vorschläge von Böckenförde bzw. Lepsius für durchaus verbindbar hielten, unterstrich schon in der Anlaufphase die Unumgänglichkeit weiterer Präzisierung. Sie erfolgte erst einmal in einem Wechselspiel von Rundbriefen und schriftlichen Stellungnahmen bis hin zum Herbsttreffen 1975.363 Obwohl selbst noch nicht der Anfang, sondern nur erst letzte Vorbereitung einer achtteiligen Tagungsserie, ging es seitdem aber vorerst nur noch um das von Lepsius eingebrachte Thema Bundesrepublik. Conze sprach ihm gleichsam eine Max Weber’sche Dignität zu, wenn er den Münchner Weber-­Vortrag von Lepsius aufgriff und dessen Forderung nach weberianisch-„systematischer Analyse von Verfahrensweisen im Zuge der beständig fortschreitenden Reform und Neubildung von Institutionen in der Gegenwartsgesellschaft“ als unmittelbaren Hinweis auf das laufende Arbeitskreisprojekt verstand.364 Generell sollte ermittelt werden, inwieweit die Bundesrepublik „auf älteren Traditionen, Institutionen, Wert- und Ordnungssystemen, sozialökonomischen Gegebenheiten usw. aufbaut und inwieweit sie von ganz neuen Grundlagen und Konstellationen ausgeht bzw. inwieweit sich derartige neue Konstellationen im Verlauf ihrer bisherigen Geschichte entwickelt haben“.365 Mithin fokussiert auf das Mischungsverhältnis von genuin neuen Eigenschaften und historisch formierten Strukturelementen seit der Industrialisierung bzw. Nationalstaatsbildung, zielte das „bedeutsame und ausholende“ Thema (Rupert Scholz) weder auf lückenlose Berücksichtigung aller erdenklichen Teilbereiche noch, wie Koselleck zufrieden festhielt, auf so etwas wie „fachspezifische Erläuterungen für die Genese der Bundesrepublik“ 366; auch unterblieben anfangs durchaus noch beabsichtigte (später 363 Dazu außer den diversen Korrespondenzen vor allem PMV 9. 4. 1975, TOP 4; Stuke an Lepsius, 3. 6. 1975 (im Namen von Conze Übermittlung der MV-Bitte um „nähere Konzeptualisierung“ seines Themavorschlags) und die dann hektographiert verteilte Lepsius-­ Ergänzung vom Juni 1975 zu seinem Papier vom Januar; Stuke-­Rundbrief vom 21. 10. 1975 mit Abschriften brieflicher Stellungnahmen von Borchardt (11.9.), Braun (16.9.), Kocka (2.9.) und W. Schieder (1.10.); TP 30.10./1. 11. 1975, mit Liste von 19 potenziellen Unterthemen/Bearbeitern (alles bei den Protokollunterlagen zur Frühjahrs- bzw. Herbsttagung 1975); außerdem Stukes Finanzierungsantrag vom 30. 11. 1975 an die Reimers-­Stiftung (KP 22a, lf. S. 487 ff.) und seinen Tagungsbericht vom 30. 11. 1975 für die Stiftung (lf. S. 497 f.). 364 Brief an Lepsius, 9. 8. 1978 (KP 5a, lf. S. 354) mit Bezug auf dessen „wichtige“ und umfassende Rede von 1976 (Conze: „Ein voller Max Weber statt eines segmentären“); Wiederabdruck der Rede in Lepsius’ Aufsatzband Interessen, Ideen und Institutionen, Opladen 1990, S. 9 ff. (Zitat: S. 30). 365 So u. a. im JBR 1977 vom 19. 10. 1977, S. 2 (KP 22a, lf. S. 424 ff.). – Conze-­Brief an Herbert Kötter, 29. 8. 1977: „[…] Arbeitstitel […]: ‚Historische Kontinuität, Abbruch, Wandel in der Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland‘“ (KP 5a, lf. S. 310). 366 Zitate: Scholz an Conze, 25. 9. 1979 (KP 8, S. 190) bzw. Koselleck an Conze, 21. 10. 1975, wobei er von einem „theoretisch zu erarbeitenden Gesamtzusammenhang“ als einer „sehr verlockenden“ Aufgabe und vom „großen Bukett“ der von Lepsius „angebotenen, noch zu

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dann separat nachgeholte) Blicke auf die DDR.367 Gewiss erschien es dem einen oder andern Mitglied als „zunächst doch recht unbestimmt“.368 Zudem war es mit der bewussten Zurücksetzung staatsrechtlicher und -politischer Aspekte in der fast rigoros sozialwissenschaftlich systematisierenden Konzeption des „Anregers“ Lepsius „für Historiker ein wenig ungewöhnlich“, ließ aber den nötigen Spielraum zumal für „unsere (im weitesten Sinne!) sozialgeschichtlichen“ Erkenntnisabsichten.369 Schon deshalb und angesichts der Vielfalt seiner Dimensionen wie Anschlussmöglichkeiten fand es, unbeschadet unterschiedlicher Gewichtungen in Teilfragen, lebhaften Anklang bei praktisch allen Mitgliedern, zumindest bei Wehler auch wegen der „wissen­schaftspolitisch besseren Möglichkeit einer überzeugenderen Außendarstellung des Arbeitskreises z. B. gegenüber Ministerien bzw. Stiftungen“.370 Übergeordnetes

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züchtenden Blumen“ sprach (KP 5a, lf. S. 319 f.); vgl. TP 7./8. 5. 1976 (PR 5), S. 3 (Einigkeit darüber, dass die einzelnen Teilthemen „nicht additiv in Form von ‚Sachgeschichten‘ abgehandelt, sondern theoretisch anspruchsvolle Beiträge angestrebt werden sollen“); betr. Verzicht auf ‚Vollständigkeit‘ bei der Bearbeitung: u. a. Lepsius an Theo Pirker, 25. 3. 1975 (KP 5a, lf. S. 366), Conze-­Rundschreiben vom 10. 6. 1977 (PR 5, bei den Protokollunterlagen Mai 1977) u. PMV 15. 6. 1979 (PR 6), S. 4 (Conze), zudem Conze an Ulrich Scheuner, 10. 7. 1979 (KP 8, lf. S. 134 f.). Bei dem Blick auf die DDR sollte es sich ursprünglich „um das Problem handeln, ­welche Bedeutung die Existenz eines von Anfang an abgelehnten und doch de facto bestehenden Staates ‚DDR‘ für die Eigenart der bundesrepublikanischen Geschichte gehabt hat und noch hat“, wie Conze mit Brief vom 10. 7. 1979 an Ludz rekapitulierte (KP 7, lf. S. 455); dazu u. a. Borchardt an Conze, 11. 9. 1975 (KP 5a, lf. S. 63) u. Conze an Ludz, 10. 6. 1977 (lf. S. 383); PMV 15. 6. 1979, S. 4, TOP 4 (vorgesehener Ludz-­Beitrag aus Krankheitsgründen noch immer ungewiss); TP Apr. 1980 (PR 6), S. 8. – Eine gesonderte Sozialgeschichte der DDR folgte schließlich 1994 (s. Übersicht im Anhang). So z. B. W. Schieder an Conze, 22. 12. 1975, freilich bereits mit dem Zusatz, man sei bei der Planung nun ja doch „schon ziemlich weit gekommen“ (KP 5a, lf. S. 553 f.); ähnlich schon in seinem Brief vom 1. 10. 1975 an Conze (lf. S. 556 ff.); vgl. u. a. auch Conze an Kocka, 9. 2. 1976 (S. 293). Zitierte Äußerungen sämtlich von Conze: so („der Anreger des Ganzen“ bzw. „der Anreger für das Thema“) an W. Schieder, 2. 1. 1976, bzw. an Peter Flora, Birgitta Nedelmann und Wolfgang Zapf, 1. 4. 1976 (KP5a, lf. S. 551 f. bzw. 153, vgl. 591 Brief vom 1. 3. 1978 an ­Tennstedt); so („ungewöhnlich“, aber mit dem Zusatz: „diese Sache ist lohnend“) an ­Borchardt, 13. 11. 1975 (lf. S. 62); so („im weitesten Sinne“) im Rundbrief vom 21. 8. 1975 (PR 5, bei Protokollunterlagen zur Herbsttagung 1975). So in seinem Brief („nachdrücklich“ für Lepsius-­Vorschlag) vom 5. 3. 1975 an Conze (KP 5a, lf. S. 632 f.), in kopiertem Auszug versandt an alle Mitglieder am 2. 4. 1975 (bei den Protokollunterlagen zur Apriltagung 1975), vgl. Conzes Antwort vom 19. 3. 1975 (ebd.); erneut dann am 13. 10. 1977 an Conze mit dem zusätzlichen Argument, es könne „auf gar keinen Fall schaden, wenn die interessierten Leser erkennen können, wie wir uns auch aktuelleren Problemen widmen“ (lf. S. 628).

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Leitinteresse blieb jedoch zweierlei zugleich: außer einer konkret problembezogenen Gegenüberstellung geschichts- bzw. sozialwissenschaftlicher Sicht- und Analyseweisen die von Lepsius betonte und vor allem von Borchardt bekräftigte Chance, die Beschäftigung gerade mit d ­ iesem Thema als Beitrag zu einer der „wichtigsten historischen Fragestellungen“ überhaupt zu verstehen, „nämlich zur Frage nach Kriterien für die Erfassung historischer Kontinuität“.371 Damit vertrug sich nicht zuletzt Kockas ceterum censeo, dass man bei der Behandlung stets ein Dreifaches im Auge zu behalten habe: (a) ­welche Kriterien sozialwissenschaftliche Kategorien erfüllen müssten, um historische Erkenntnis optimal zu ­nutzen; (b) nach ­welchen Kriterien sie auszuwählen und (c) inwieweit Übernahmen aus den systematischen Nachbardisziplinen möglich bzw. ­welche Modifikationen fällig s­ eien. In wiederum interdisziplinärem Zusammenwirken von Historikern, Soziologen, Wirtschaftswissenschaftlern und Staatsrechtlern konzentrierte man sich also bis Frühjahr 1980 auf entsprechend ausgewählte Schwerpunktbereiche. Dies begann mit einführenden Basisüberlegungen von Lepsius vor allem zur Unterscheidung von Analysedimensionen auf drei Ebenen: sozialstrukturelle Merkmale, institutionelle Ordnungen und kulturelle Deutung sozialer Ordnung; außerdem von ­Borchardt zu den ökonomischen Kriterien für die Erfassung historischer Kontinuität (Herbst 1975).372 Dem folgte eine nähere Beleuchtung der historischen Grundlagen unter bestimmten Systemaspekten: Nach Wohlfahrtsstaatlichkeit, Konflikttransformation und Elitenmerkmalen (Frühjahr 1976)373 stand der Komplex soziale Schichtung im Vordergrund (übrigens in Anwesenheit von Fritz Stern, Columbia University); den Ausgangspunkt bildeten – drei Jahre vor der Klassen-­Sektion des 32. Deutschen Historikertags 374 – Wehlers fast propädeutisch zugespitzte Thesen zur Analyse der Klassenstrukturen vom Kaiserreich zur Bundesrepublik, womit sich für Referat wie Diskussion zwangsläufig auch die Frage der Klassentypen und der Praktikabilität des Klassenbegriffs stellte (Herbst 1976).375 Nach Absage der 371 So, in ausdrücklichem Anschluss an Lepsius u. mit der Bemerkung, er habe „ein wenig mein Herz an diese Sache gehängt“, Borchardt an Conze, 6. 11. 1975 (bei Protokollunterlagen zur Herbsttagung 1975); vgl. Lepsius an Theo Pirker, 25. 3. 1977 (Kopie in KP 5a, lf. S. 366). – Anschließendes ceterum censeo von Kocka: so lt. PMV 9. 4. 1975, S. 4. 372 Dazu außer den betreffenden Tagungspapieren (PR 5) auch Stukes komprimierten Tagungsbericht vom 30. 11. 1975 (KP 22a, lf. S. 497 f.); im Übrigen, auch für alles Folgende, die Tagungsübersicht im Anhang. 373 Dazu das knappe TP 7./8. 5. 1976 (PR 5), ohne inhaltliche Information über die Diskussionen. 374 Okt. 1979 in Hamburg; dazu der von Wehler herausgegebene, Hans Rosenberg zum 75. Geb. gewidmete Sektionsband Klassen in der europäischen Sozialgeschichte, Göttingen 1979 (mit Beiträgen auch von vier Arbeitskreismitgliedern: Kocka, Lepsius, Pollard und Wehler). 375 Dazu, ebenfalls ohne inhaltliche Information über die Diskussionen, den ­kurzen Tagungsbericht vom 5. 11. 1976 (PR 5) u. im Einzelnen die vorgelegten Referattexte von Wehler sowie

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Frühjahrstagung 1977 wegen Planungsverzug und mangels rechtzeitiger Verfügbarkeit vorgesehener Referenten 376 ging es in den weiteren Sitzungen – bei nolens volens eher pragmatischer Abfolge – zunächst um sozialökonomische Strukturen und Organisationen samt Arbeiterbewegung (Herbst 1977),377 zwischendurch um ­Kirche/Konfessionen, sodann um Soziale Sicherheit (Frühjahr 1978),378 anschließend um die soziale Lage der Arbeiterschaft, um Wettbewerbsentwicklung bzw. Steuerpolitik und Steuersystem, um Bevölkerungsstruktur, überdies um Verfassung und – besonders signifikant – Verfassungsgerichtsbarkeit (Herbst 1978),379 schließlich um die sog. Politische Kultur (Sommer 1979),380 aber auch um Militär/Bundeswehr, ferner um den Komplex Arbeitsrecht/soziale Beziehungen bzw. Betriebsverfassung, insbesondere um Institutionalisierung und Formalisierung des industriellen Konflikts als eines der bedeutendsten Innovationselemente (Herbst 1979),381 danach erneut um Sozialstruktur und soziale Lage der Arbeiterschaft und last, not least auch um staats- und nationalpolitische Aspekte (Frühjahr von Kocka (Angestellte) und Winkler (gewerblicher Mittelstand); s. a. Wehler an Conze, 7. 2. 1977 (KP 5a, lf. S. 620 f.): „Ich habe mein Referat […] inzwischen überarbeitet und unter Berücksichtigung der damals diskutierten Einwände den Versuch ganz aufgegeben, einen formalisierten Klassenbegriff einzuführen. Ich bin trotz anderer Einwände dabei gelandet, Schicht und Schichten doch für neutraler zu halten. Das erhält dann auch die von manchen betonte historische Trennschärfe ­zwischen Ständen, Klassen usw.“ – Zur Teilnahme von Stern (hatte nach Unterrichtung durch Kocka sein Interesse bekundet und war damals gerade in Deutschland) vgl. die betr. Korrespondenz ­zwischen Kocka und Conze von Nov. 1975 bis Febr. 1976 (KP 5a, lf. S. 280, 281, 282 f., 293), Conze und Stern von Febr. bis Mai 1976 (lf. S. 532, 533, 586 u. 587) sowie Lepsius und Stern bzw. ­Lepsius und Conze im Juni/Juli 1977 (lf. S. 358, 359, 361); ferner Conze-­Rundschreiben vom 10. 6. 1977 (bei den Protokollunterlagen Mai 1977 in PR 5, auch in KP 19, lf. S. 85): Beitrag zum Aspekt politische Kultur vorgesehen; PMV 7. 10. 1977, S. 6 f.: erhoffter Beitrag Stern entfällt aus Zeitmangel. 376 Dazu die Conze-­Rundbriefe vom 25. 1. 1977 und 10. 6. 1977 (bei den Protokollunterlagen Mai 1977 in PR 5, auch in KP 19). – Zur mehr pragmatischen als „systematisch wünschenswerten“ Abfolge der Tagungen Conze an E. W. Buchholz, 29. 8. 1977 (KP 5a, lf. S. 100). 377 Dazu TP Okt. 1977 u. JBR 1977 vom 17. 10. 1977, S. 2 (KP 22a, lf. S. 424 ff.) sowie Finanzierungsantrag vom 17. 10. 1977 an Reimers (lf. S. 420 f.). 378 Dazu TP Mai 1978 (PR 5); s. a. JBR vom 25. 10. 1978, S. 2 (KP 22a, lf. S. 373 ff.). 379 Dazu TP Okt. 1978 (PR 5); s. a. JBR vom 25. 10. 1978, S. 2 (KP 22a, lf. S. 373 ff.). 380 Dazu TP Juni 1979 (PR 5); s. a. JBR vom 18. 9. 1979, S. 2 (KP 22a, lf. S. 352 ff.). – Für den Beitrag über politische Kultur (Max Kaase) war ursprünglich an Fritz Stern gedacht und dann auch Th. Schieder bzw. Peter Gay (Yale University) in Erwägung gezogen worden. Dazu besonders Lepsius an Conze, 8. 6. 1977 (KP 5a, lf. S. 358) bzw. Briefwechsel Fischer/ Conze 1977/78 (lf. S. 139 ff.; lf. S. 142 Gay an Fischer, 25. 10. 1977) und Conze/Gay März/ Mai 1978 (lf. S. 163 ff.). 381 Dazu TP Okt. 1979 (PR 5).

Sozialgeschichte der Familie – Inaugurierung eines sozialhistorischen Basisthemas

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1980).382 Wie nicht anders zu erwarten, musste bei ­diesem stark selektiv gehaltenen ­Tableau exemplarischer Problembereiche verschiedentlich daran erinnert werden, dass man insgesamt keineswegs etwa auf eine handbuchartige Behandlung möglichst zahlreicher Sachfelder hinauswollte, sondern primär eben interessiert war an der systematisch-­methodischen Leitfrage nach Kontinuität(en)/ Diskontinuität(en): ob bzw. inwiefern also die Bundesrepublik Erbin früherer Traditionen, Institutionen und Ordnungsideen wurde oder bewusste Neugestaltungen brachte.383 Nach Conzes Einschätzung zeigte sich dabei in sozialhistorischer Hinsicht ein weitgehender Trend zur „Entlastung von alten Belastungen, Spannungen, Konflikten, ideologisch-­sozialen oder konfessionellen Frontbildungen, die [zuvor] unlösbar schienen und es auch [gewesen] waren“. Für Lepsius lag dagegen das entscheidend Neue an der Bundesrepublik in der Ausformung einer demokratischen Verfassungs- und sozial grundierten Wirtschaftsordnung, die keiner anderen Legitimationsstütze mehr bedurft habe.384 Darin bestanden denn auch die Hauptbefunde der betreffenden, zeitweilig zweibändig gedachten Tagungspublikation, die mit Rücksicht auf die am Ende erfolgte Reduzierung des Gegenstandsbereichs den Titel Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland erhielt. Während sie schließlich von einigen Mitgliedern „in sehr weiten Bereichen als unbefriedigend“ ­(Tenfelde) empfunden wurde, hatte Conze 1979 noch einen hohen „Erkenntniswert“ erwartet, und zwar auch insofern, als damit die „(west-)deutsche Nachkriegsentwicklung in einer bewusstseinsfördernden Art historisiert werden“ könne – ein Gesichtspunkt, den das Stuttgarter Wissenschaftsministerium auf die Formel „von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das Selbstverständnis unseres Staatswesens“ brachte und von daher einen indirekten Druckkostenbeitrag per Teilankauf durch die baden-­württembergische Landeszentrale oder gar die Bundeszentrale für politische Bildung zu vermitteln suchte.385 Bei dem verspäteten Erscheinen 1983 jedoch längst obsolet geworden war 382 Dazu TP Apr. 1980 (PR 6); s. a. JBR 1980 vom 30. 9. 1980, S. 2 f. (KP 22a, lf. S. 319 ff.). 383 So z. B. Borchardt wieder im Herbst 1979 (s. PR 6: TP Okt. 1979, S. 6 f.); dazu besonders auch die Lepsius-­Ausführungen vom Frühjahr 1980 (s. PR 6: TP Apr. 1980, S. 14 ff.); im Übrigen auch die Conze/Lepsius-­Einleitung zu dem betreffenden Tagungsband von 1983 sowie Kockas spätere Bezugnahme bei der Frühjahrstagung 1996 (PR 16: TP Apr. 1996, S. 14). 384 TP Apr. 1980 (PR 6), S. 8 (Conze) bzw. 13 (Lepsius). 385 Tenfelde-­Urteil: Brief an Conze, 18. 3. 1986 (KP 8, lf. S. 215); Conze-­Zitat: so, mit Überblick über die noch zweibändig geplante „Aufsatzsammlung“, im Brief vom 23. 7. 1979 an Rupert Scholz (lf. S. 193 ff.). – Betr. Stuttgarter Wissenschaftsministerium: Brief von Min.dirig. Schlau an Conze, 2. 4. 1981, dazu Conze-­Dank an Schlau, 13. 4. 1981 (KP 8, lf. S. 183 u. 184); was daraus wurde, ist den verfügbaren Quellen nicht zu entnehmen. – Zur Titelfrage schon TP Okt. 1979 (PR 6), S. 7, im Übrigen u. a. Conze-­Rundbrief vom 6. 12. 1979 (ebd.).

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der von Wehler sozusagen unterwegs noch erteilte Ratschlag zur Veröffentlichung schon im Frühjahr 1979, was in Anbetracht des dreißigjährigen Jubiläums der Bundesrepublik für die Wirkung des Buches wie für die Publizität des Arbeitskreises günstiger sei. Freilich war diese markttaktische Überlegung ohnehin auf das betont erkenntnisorientierte Bedenken vor allem von Borchardt gestoßen, ob eine Ausrichtung am Jubiläumstermin nicht zu Lasten des analytischen Konzepts gehen, also das Risiko enthalten würde, dem weitgefächerten „Sachproblem“ Bundesrepublik einen zu hohen Stellenwert einzuräumen, den die Beiträge schon wegen der ja anders gearteten Zielsetzung der gesamten Tagungsfolge nur teilweise erfüllen könnten.386 Mehr um idealtypisch-­analytische Erfassung als um materiale Aufarbeitung sollte es dann auch beim nächsten Schwerpunktprojekt zu tun sein. Doch zuvor wurde nach längerer Pause wieder eigens zur Sprache gebracht, was latent ja unaufhörlich zur Debatte stand: das Arbeitskreisverständnis von Sozialgeschichte (von der Wolfgang Zorn bereits vermutete, sie werde infolge methodischer Anreicherung und Differenzierung der sog. Allgemeinhistorie auf Dauer als relativ eigenständige Disziplin obsolet werden). Den unmittelbaren Anstoß zu expliziter Wiederbefassung gab nicht zuletzt Wolfgang Schieders Erwägung vom Sommer 1979, ob nicht einmal ein direkter Beitrag des Kreises zur ‚Theorie‘ der Sozialgeschichte fällig sei: etwa in Form von Überlegungen über deren theoretisch-­methodologischen Stand und Ertrag anhand der Beschäftigung mit Desiderata wie Bürgertums- oder Adelsgeschichte im Kaiserreich. Lepsius griff das mit der Bemerkung auf, nach seinem Eindruck sei die Sozialhistorie weitgehend als Struktur- bzw. inhaltlich gar als bloße Arbeitergeschichte und dergleichen „stereotypisiert“ worden. Auch wenn man sich darauf keinesfalls einlassen solle, sei gezieltes Nachdenken über die theoretisch-­ methodische Leistungsfähigkeit sozialhistorischer Forschung wünschenswert.387 386 PMV 7. 10. 1977 (PR 5), S. 6 f. (Wehler/Borchardt). – Zur Entstehungsgeschichte der Publi­kation (s. Übersicht im Anhang, Bd. 34) einschließlich Frage, ob zwei Bände oder ein Band in Aussicht genommen werden solle (Conze: „Gesundschrumpfung“), des Titels, der Diversität der Beiträge und der Desiderata vgl. besonders Stukes Anträge vom 30. 11. 1975 und 29. 10. 1976 auf Tagungsfinanzierung durch die Reimers-­Stiftung (KP 22a, lf. S. 455 f. bzw. 487 ff.); PMV 7. 10. 1977 (PR 5), S. 6 f., TOP 7/8; JBR 1977 vom 19. 10. 1977 (KP 22a, lf. S. 424 ff.); Conze an Winkler, 9. 8. 1978 (KP 5a, lf. S. 642); TP Okt. 1979 (PR 5), S. 7; PMV 14. 10. 1978 (ebd.), S. 5, TOP 3; Lepsius-­Rundschreiben vom 28. 2. 1979 (bei den Protokollunterlagen zur Frühjahrstagung 1979); PMV 5. 10. 1979 (ebd.), S. 8 f.; TP Apr. 1980 (PR 6), S. 14 ff.; im Übrigen KP 7, lf. S. 400 ff. den betreffenden Briefwechsel Conze/Lepsius. 387 Dazu TP Juni 1979 (PR 6), S. 7 f. (danach auch die angeführte Zorn-­Vermutung); vgl. schon PMV 19. 5. 1978 (ebd.), TOP 3. – Betr.: Beschluss zu einer entsprechenden Zwischentagung: PMV 5. 10. 1979 (ebd.), TOP 3.

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Zu ­diesem Zweck wurde schließlich eine Interimsveranstaltung vorgesehen, übrigens kurz bevor Conze ausgerechnet auch in seiner Heimatuniversität Heidelberg erleben musste, dass sich „jetzt wieder einmal“ eine „gewisse Reaktionswelle gegen ‚Sozialgeschichte‘ breit macht“. Allerdings war die anberaumte Herbst­tagung 1980, wie er vorsorglich festhielt, explizit nicht als Beginn einer „Kette von Theoriedebatten“ gedacht, sondern lediglich als einmalige und eintägige Klausur zur Selbstvergewisserung. Diese 40. Zusammenkunft entsprang ja dem gestiegenen, wenn nicht angestauten Bedürfnis, gerade auch die im Kreis selbst entstandenen „Positionen und Kontroversen“ zur Konzeption von Sozialgeschichte auf der Basis thesenartiger Mitgliederreferate intern „einmal ausdrücklich zur Diskussion zu stellen“. Wissenschaftsgeschichtlich stand man somit vor der Aufgabe, „Revision oder Fortführung der bis zu einem gewissen Grade, wie es scheint, abgeschlossenen ‚Theorie-­Diskussion vor und nach 1970‘ zu bedenken – naheliegenderweise im Zusammenhang der Frage, was der Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte beabsichtigt hat, was er zu leisten oder nicht zu leisten in der Lage sei und wie er hinkünftig sinnvoll weiter arbeiten sollte“.388 Nicht nur angesichts Wehlers demonstrativer Bereitschaft zur „Erläuterung und Verteidigung der [von ihm ja bereits mit Nachdruck lancierten und beworbenen] Begriffe ‚Gesellschaftsgeschichte‘ und ‚Historische Sozialwissenschaft‘“ 389 lag gewissermaßen in der Luft, dass es dabei u. U. nicht ohne direkte Konfrontation abgehen könnte. Noch im Vorfeld deutete sich das sogar, ja gerade auch in bemerkenswerten Briefen ­zwischen Nipperdey und Conze an. Gemeinsam waren sie nämlich der Meinung, es sei, so die fast wortgleiche Formulierung von Conze, „nicht notwendig, Grundsatzkonflikte immer und bei jeder Gelegenheit austragen zu wollen“; speziell sei es „nicht besonders förderlich“, wenn die „alte, allen bekannte Kontroverse [zwischen Nipperdey und Wehler um die Einschätzung des Wilhelminischen Kaiserreichs] noch einmal aufgewärmt werden würde“. Dies entsprach Nipperdeys Sicht und dessen korrespondierender Absicht, das ­zwischen ihm und zumal Wehler wie Kocka hochstrittige „Thema: Objektivität und kritische Geschichtswissenschaft“ jedenfalls selbst nicht in den Mittelpunkt der Tagung zu rücken. Nicht minder galt das für die Frage einer „Rettung oder Erneuerung“ des Historismus, denn trotz „vieler Polemik“ schienen ihm 388 Zitate: Conze-­Rundschreiben an die Mitglieder, 23. 5. 1980 (KP 19, lf. S. 68) bzw. Conze an Oexle, 10. 6. 1980 (KP 5, lf. S. 336 f.); zum Vorlauf der Tagung u. a. Kocka an Conze, 30. 4. 1980 (KP 7, lf. S. 259 f.) und Conze an Pollard, 1. 7. 1980 (KP 8, lf. S. 35 f.). – Betr. „Reaktionswelle“: so Conze an Klaus J. Bade, 17. 7. 1980 (KP 6, lf. S. 23), mit Bezug auf das Fernbleiben von „Kollegen und Studenten, die nicht zu meinem Kolloquium gehören“, von Bades Gastvortrag über Historische Arbeitsmarktforschung. 389 So Wehler an Conze, 30. 5. 1980 (KP 8, lf. S. 277); zum Gesamtkomplex abwägend ­Dunkhase, Conze, bes. Kap. V.4.

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„auch die Antihistoristen das wirkliche Erbe des Historismus mehr oder minder zu übernehmen“. Und bei all seiner Neigung zur „Rehabilitation des Erzählens und Beschreibens (das war die alte Form, wo Strukturen vorkamen)“ hielt er auch das notorische Problem des Theoriegebrauchs in der Geschichtswissenschaft nachgerade für „nicht recht zur polemischen Zuspitzung geeignet“. Nicht einmal sein „altes Begehren, dass ‚Kultur‘ in der Sozialgeschichte wieder aufzunehmen sei“, könne eigentlich noch einen Gegenstand der Debatte abgeben, weil „inzwischen ja von fast allen anerkannt“. Dass er daher am Ende nicht wisse, ob ein Referat von ihm überhaupt sinnvoll wäre, wollte Conze allerdings keineswegs einleuchten: Sei doch das von Nipperdey vorausgesetzte „wirkliche Erbe“ des Historismus noch einer Erörterung wert, wobei sich dann auch testen lasse, wie weit es „‚wirklich‘ übernommen wird“. Und was das Stichwort Kultur angehe, gebe es die beiden „Begriffe oder Reizworte“ Kulturgeschichte und Kulturanthropologie, die „zu dem, was wir mit ‚Sozialgeschichte‘ meinen [!], in einem Verhältnis der Ergänzung, des Ersatzes oder der Spannung stehen“. Für ihn verwies das auf die wohl rhetorisch gemeinte „Frage: Sind wir, die wir mit mehr oder weniger Emphase die ‚Sozialgeschichte‘ auf unsere längst vergilbten Fahnen geschrieben haben, vielleicht gut beraten, wenn wir den alten und immer wieder neuen Begriff der ‚Kulturgeschichte‘ demgegenüber stärker hervorheben?“ 390 Noch die prinzipielle Übereinstimmung von Conze und Nipperdey berührte also mögliche Differenzen bis Trennungslinien für eine Debatte, bei der von den damals 17 aktiven Mitgliedern nur zwei verhindert waren (Böckenförde und ­Borchardt) und teilweise schon so kontroverse Publikationen zugrunde lagen, dass Kocka fand, es sei an der Zeit, aus dem „Fußnotenkrieg“ herauszukommen.391 Wie begrenzt das 390 Nipperdey an Conze, 21. 7. 1980 – mit Bezug auch auf den gemeinsam mit Kocka herausgegebenen, seines Erachtens „freilich nicht so sehr gut gelungenen“ dtv-­Bd. T ­ heorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979, der u. a. eine Auseinandersetzung z­ wischen Wehler und Golo Mann enthielt – bzw. Conze an Nipperdey, 31. 7. 1980 (KP 7, lf. S. 585 ff.). 391 TP Okt. 1980 (PR 7), S. 5; zum Folgenden S. 2 f. (betr. Conze-­Einleitung) bzw. S. 3 f. (betr. Wehler-­Referat) bzw. S. 4 ff. (betr. Kocka-­Referat); bezüglichWehlers späterer Eigenbeschreibung polemisch: Ders., Kampfsituation, S. 126, s. a. S. 71. – Speziell zu dem unten erwähnten Conze-­Hinweis auf Sozialanthropologie und Humangenetik vgl. seinen Vortrag beim Berliner Historikertag am 7. 10. 1984 über Evolution und Geschichte. Die doppelte Verzeitlichung des Menschen (HZ 242, 1986, S. 1 – 30); auch dazu Wehler, Kampfsituation, S. 60 – freilich wie selbstverständlich mit der Kennzeichnung, Conze in seiner durchaus eingeräumten Ipsen-­Verehrung habe damit „zu seiner anfänglichen Bevölkerungs­geschichte à la Ipsen zurückkehren und sie neu angehen [wollen] unter dem Gesichtspunkt der Soziobiologie“. Für Wehlers kommentierenden Zusatz, da habe er Conze, „ohne [zu ­diesem Zeitpunkt] etwas zu ahnen von den wirklichen Königsberger Verhältnissen, im Arbeitskreis für Sozialgeschichte gesagt, er solle doch lieber die Finger davon lassen“, weil „alles sehr

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Konsenspotenzial tatsächlich war, ist hier etwas näher zu verfolgen. Zwischen den Zeilen klang es zwar bereits in Conzes Einleitungsbemerkungen an, die zugleich ein Stück wissenschaftshistorischer Reminiszenz mit, wie er sagte, nolens volens autobiografischem Einschlag umfassten. Doch zu weiterer Präzisierung von Sozialgeschichte trugen sie insofern nicht bei, als sie lediglich noch einmal seine Distanzierung von jeder Art ‚Einseitigkeit‘ betonten: Geschichtswissenschaft sei für ihn gewiss auch Historische Sozialwissenschaft, aber weder gehe sie darin auf noch lasse sie sich reduzieren auf Sozialhistorie als eine spezielle Fachrichtung. Den Terminus selbst freilich, also Sozialgeschichte, hielt er gerade im Hinblick auf die von ihm unablässig postulierte Untrennbarkeit von ‚Struktur‘ und ‚Bewegung‘ an sich gar für disponibel: ersetzbar durch Kulturgeschichte im weitesten, z. B. die Wirtschaftsgeschichte einschließenden Verständnis – wenn diese Bezeichnung in seinen Augen nicht gewissermaßen vorbelastet gewesen wäre durch zahlreiche wissenschaftshisto­ rische Implikationen. Für notwendig hingegen hielt er eine Erweiterung von Gegenstandsbereich wie Instrumentarium etwa in Richtung auf Sozialanthropologie und Humangenetik, zudem eine Inter- und Transnationalisierung der Perspektive. Diesem Rück- und Ausblick folgte relativ unvermittelt ein Versuch von Wehler, seine ja nicht eben erst entwickelte und, was er ­später selbst als vielleicht nachteilig ansah, absichtlich „immer mit einem polemischen Gusto“ vertretene Vorstellung von Geschichtswissenschaft als Historische Sozialwissenschaft bzw. Gesellschaftsgeschichte zu untermauern: Historische Sozialwissenschaft heiße „bewusste Anwendung bzw. Erarbeitung von Theorien, Modellen, Idealtypen“ in Verbindung mit „empirischer Strenge“ und von daher Verknüpfung „hermeneutischer Interpretation“ mit theoriegeleiteter „systematischer Analyse“. Ohne einen Monopolanspruch für d ­ ieses Konzept erheben zu wollen, sei es doch für viele Fragen besonders der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte unabdingbar. Allemal gelte das für die an sich nicht neue, sondern beispielsweise schon von Lorenz v. Stein, Werner Sombart und anderen betriebene Gesellschaftsgeschichte. Sie lasse sich begreifen als ein „zeitgemäßes Paradigma“ für das Vorhaben einer „heute legitimierbaren, an der Einheit der Geschichte festhaltenden Synthese“. Weder Teildisziplin noch gar methodisch autonom, bilde sie vielmehr den „Fluchtpunkt, das inhaltlich zu füllende Orientierungsmodell für die historische Analyse einer Gesamtgesellschaft, die durch die drei gleichberechtigten Dimensionen von Wirtschaft, Herrschaft und Kultur konsti­tuiert wird“. Bei ständig zunehmender Spezialisierung bleibe die Erörterung und Erprobung solcher Syntheseentwürfe bzw. Integrationskonzepte eine grundsätzlich wichtige Aufgabe, von deren Ausführung auch „Glaubwürdigkeit und Funktion der Geschichtswissenschaft für ein breites Publikum“ abhingen. ungesichert [sei] mit der Soziobiologie“, findet sich jedenfalls in den AAKMS nirgends ein Anhaltspunkt, weder in den Protokollen noch in den Korrespondenzen.

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Anders als Wehler und zuvor auch als Conze zielte Kocka dann mehr darauf, die Divergenzen wie die Überschneidungen von Sozial- bzw. Struktur- bzw. Gesellschaftsgeschichte zu konturieren. So unterschied er z­ wischen einer Sozialgeschichte als gegenstandsbestimmter Sektorwissenschaft/Teilbereichsgeschichte und einer Sozialgeschichte als theoriefundierter Synthesewissenschaft/Gesellschaftsgeschichte mit Integration verschiedener Teilbereiche in systematisch orientierte Synthesen oder Synthesebemühungen wie auch mit sozialen Strukturen und Prozessen als „Strukturierungskern“. Da Gesellschaft sich dabei sowohl als Teilbereich wie als gesamtgesellschaftlicher Rahmen historischen Geschehens verstehen lasse, sei der Begriff der Gesellschaftsgeschichte eher zu ungenau als zu dogmatisch. Und was das Verhältnis von Sozial- und Strukturgeschichte betreffe, gebe es auch hier ein Unschärfeproblem: Sei Struktur doch häufig – auch von Conze – nicht genau genug gefasst worden. Gleich der Gesellschaftsgeschichte ziele die wesentlich strukturstatt ereignisgeschichtlich konzipierte Sozialhistorie zwar ebenfalls auf Synthesestiftung, doch ­dieses Grundanliegen lasse sich solange nicht einlösen, wie die Fokussierung der Strukturgeschichte vor allem auf ‚objektive‘ Gegebenheiten und übergreifende Bedingungen nicht geschärft werde. Diesen primär begriffslogisch-­ kategorialen Überlegungen fügte er dann eine Art Lagebestimmung hinzu. Dabei befasste er sich insbesondere mit massiven Einwänden gegen Sozialgeschichte überhaupt (angebliche Hypertrophie ihres Anspruchs, Überbewertung sozialökonomischer Faktoren, politische Linkslastigkeit und Ähnliches mehr). Auch widmete er sich mehr oder minder umfassenden Vorbehalten, wie sie gerade von jüngeren, der Sozialgeschichte an sich keineswegs fernstehenden, wenn nicht zurechenbaren Kritikern kamen (Vernachlässigung der Dimension Kultur im weiteren Sinne, der Erfahrungs- und Rezeptionsweisen, der Mentalitäten und Einstellungen, speziell der sog. Alltagsgeschichte usw.). Dergleichen als durchaus förderlich zu begrüßen, schloss für ihn nicht aus, vor Übersteigerung zur „Alternative statt Ergänzung und Bereicherung“ zu warnen („Gefahr eines Neohistorismus“), mithin daran festzuhalten, dass Geschichte nicht bloß aus dem bestehe, „was die Menschen wechselseitig intendieren“ (dazu Bezug auf Habermas). Und dieser Beschwörung der „Grundeinsicht der Strukturgeschichte“ entsprach schließlich auch sein Hinweis auf eine weitere Kritikvariante, die er auf den Nenner einer mehr und mehr „antianalytischen Grundstimmung“ brachte. Gespeist aus mancherlei Quellen, darunter ein offenkundiges Bedürfnis nach stärker narrativer als theoretisch-­analytischer Darstellung wie nach „Identitätsstiftung durch erzählte Geschichte“, erfordere dieser Sachverhalt sehr wohl ein gewisses Entgegenkommen. Dessen Grenze ergebe sich freilich daraus, dass Strukturen nun einmal nicht erzählbar s­ eien und dass weder auf Offenlegung, also Nachprüfbarkeit von Kriterien noch auf den „Anspruch des Begriffs“ verzichtet werden dürfe, da sonst der Verlust theoriegestützter Ordnungsund Kritikmaßstäbe drohe.

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Nicht überraschend traten die internen Differenzen in der Diskussion offen zutage und konzentrierten sich, soweit methodologischer Art, auf das Konzept Gesellschaftsgeschichte.392 Das begann mit Kosellecks spitz rekapitulierendem Hinweis, dass die Geschichtswissenschaft um 1800 genau das geleistet habe, was heute mit Gesellschaftsgeschichte gefordert werde, nämlich analytische Durchdringung und Ordnung des ‚Ganzen‘ – wobei indessen stillschweigend eine bestimmte Geschichtsphilosophie mit dem ubiquitären Gültigkeitsanspruch zugrunde liege, dass Geschichte eigentlich per se Gesellschaftsgeschichte sei. Und eben d ­ iesem Gültigkeitsanspruch von Gesellschaftsgeschichte mit ihrem Selbstverständnis als derzeit optimalem Verfahren der Geschichtsanalyse trat Nipperdey mit dem Bedenken entgegen, dass sich schlechterdings nicht erkennen lasse, warum Gesellschaft (‚Arbeit‘) denn Vorrang vor anderen Größen/Bereichen wie Staat/Politik (‚Herrschaft‘) bzw. Kultur (‚Sprache‘) besitzen solle und ob man statt eines „Set von leitenden Perspektiven“ überhaupt eine einzige Leitperspektive benötige. Andererseits hielt Hans ­Mommsen, grosso modo mit Zustimmung von Wehler und Kocka, Gesellschaftsgeschichte als integratives Konzept für sehr wohl begründbar, da alle Geschichtswissenschaft sich an der je gegenwärtigen Wirklichkeitsauffassung zu orientieren habe und Gesellschaft heute eben der dominante Wirklichkeitsbereich sei. Auf Sozialgeschichte generell bezog sich nur Wolfgang Schieder, indem er mit Verwunderung bedauerte, dass dafür bislang gerade kein ‚Monopolanspruch‘ formuliert worden sei (weder von Conze noch von Wehler noch von Kocka), obwohl doch auf deren Mehr an Aufschlusskraft gegenüber traditionalen, etwa politikwissenschaftlichen Zugriffen bestanden werden müsse. Hielten sich diese Auffassungen bei aller Unterschiedlichkeit letztlich doch auf gleicher Sicht- und Argumentationsebene, wurden sie von Lepsius mit radikaler Manöverkritik insgesamt infrage gestellt. Fast unwirsch verwarf er die bisherige Erörterung als bloße „Etikettendebatte“ und somit „unergiebig“, da sie lediglich „Kampfbegriffe“ wie Sozial-, Struktur- oder Gesellschaftsgeschichte variiert habe, ohne wissenschaftlich zureichende Erkenntnismöglichkeiten anzugeben: Synthesebedürfnis und -absicht s­ eien zwar legitim, könnten aber für die Begründung einer Wissen­ schaft nicht konstitutiv sein, da stark didaktisch ausgerichtete Zwecksetzungen und Überlegungen kein wirklich theoretisches Verständnis einer Disziplin ermöglichten. Und was die Kriterien der immer wieder angestrebten Synthese angehe, ­seien sie nicht ersichtlich, aber offenbar wolle man sie nach wie vor herstellen über die – jeweils doch kulturell präformierte – ‚Epoche‘, deren ‚Sinnzusammenhang‘ gestiftet werden solle. Damit freilich verfehle die Diskussion ihren Gegenstand, d. h. den Versuch, Hypothesen und Ereignisse in einen theoretisch-­methodologisch vermittelten Zusammenhang zu bringen. Somit ergebe sich die Folgerung, ob 392 Zum Folgenden S. 10 ff.

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die bisher im Rahmen fachinterner Reflexion gebliebene Debatte im Kern nicht geführt werden müsse um drei Aspekte des Problems Was ist Geschichte? (so wohl in Anspielung auf den Buchtitel von Edward Hallett Carr): um die Frage nach dem Subjekt der Geschichte (Staat, Wirtschaft, Volk usw.), nach den Trägern von Geschichte (Klasse, Volk, Eliten usw.) und um die sogar in den Mittelpunkt gehörende Frage der Faktorenzurechnung. Zur Vermeidung von, womöglich undurchschauten, Ex-­post-­Zurechnungen komme es entscheidend auf Klarheit darüber an, ­welche Analyse- und Zurechnungseinheiten hypothetisch einigermaßen präzise ermittelt werden könnten und ­welche offenbleiben müssten. Ausgerechnet diese fundamentalen wissenschaftslogischen Einlassungen wurden mangels Zeit nicht mehr als kursorisch-­marginal bedacht. Hielt doch das dichtgedrängte Programm noch drei weitere Referate 393 bereit, d. h. zunächst einen Überblick von Sidney Pollard über Konzepte und Hauptströmungen der Sozialhistorie in England. Verglichen mit Deutschland, Frankreich und den USA , ließ sich demnach zwar ein Unterschied in der Abfolge der Richtungen und Schwerpunktbildungen ausmachen, in der Sache aber nur feststellen, dass die Schwierigkeiten dort die gleichen ­seien und, so Pollard humorvoll-­ironisch, Lösungen „auch keine“ existierten. Sehr viel mehr als bei ­diesem Ländervergleich ging es danach um das Verhältnis von sozialhistorischen und anderen Faktoren bzw. Manifestationen von Geschichte. So redete Nipperdey über die „Rolle dessen, was wir altmodisch ‚Kultur‘ nennen, in der Sozialgeschichte“. Ohne auf Bezeichnungen wie historische Anthropologie, Kulturanthropologie und dergleichen zu bestehen, hielt er die Berechtigung, ja Notwendigkeit der Einbeziehung kulturanthropologischer und -historischer wie auch mentalitätsgeschichtlicher Dimensionen (also zwischenmenschlicher Beziehungen, Verhaltensweisen und -stile usw.) in die bisherigen Aufgabengebiete der Sozialgeschichte für unbestritten. Wenn er insofern geradezu von „Angewiesenheit“ der Sozial- auf Kulturgeschichte sprach, meinte er das im Sinne einer unverzichtbaren Ergänzung, nicht im Sinne einer Prioritätensetzung oder gar, wie seiner Meinung nach einst besonders bei Lamprecht, im Sinne universalistischer Hypostasierung von Kulturgeschichte. Auch wollte er letztere schon deshalb nicht als Historische Sozialwissenschaft auffassen, weil keine der bestehenden Wissenschaftsdisziplinen eine spezielle Zuständigkeit für Kultur habe. Vielmehr interessiere die „kulturelle Normierung von sozialen Beziehungen, menschlichem Verhalten, Gruppenbindungen, möglichen Rollen und die Einübung von alldem“, kurz: das „Insgesamt von Interpretationen und Selbstverständlichkeiten, in denen Handeln und Leben ablaufen […], die Mentalität, die sich in einem bestimmten sozialkulturellen Klima entwickelt“. Solche, so sein 393 Dazu S. 13 ff. (Pollard), 15 ff. (Nipperdey) und 17 ff. (Schieder).

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Wortspiel, „­ kulturgeschichtlich e­ rweiterte Sozialgeschichte“ oder „sozialgeschichtlich orientierte Kulturgeschichte“ bei ­fließenden Grenzen zur „Geistesgeschichte (intellectual history oder Geschichte der Ideen)“ nehme mit ihrer Berücksichtigung des menschlichen Selbstverständnisses ein wesentliches Element des Historismus auf. In der Tat sei das hermeneutische Verfahren zur Erschließung von Sinnzusammenhängen unerlässlich und durch andere Verfahrensweisen eben nicht zu ersetzen: „Man mag das Wiedergewinnung der hermeneutischen Dimension in der Sozialgeschichte nennen oder, für diejenigen, die glauben, dass diese Dimension nie verloren war, die neue Akzentuierung der hermeneutischen Dimension.“ Auch und gerade aus dieser Sicht verbot sich für Nipperdey nicht zuletzt jede präjudizielle Festlegung des Gegenstandsbereichs wie etwa bei der zuvor auch von Wehler und Kocka schon problematisierten Auffassung von Sozialgeschichte als Geschichte ‚von unten‘: Ausdrücklich betrachtete er es als eine „unzulässig altmodische Einengung von Sozialgeschichte, wenn man sie auf die sozialen Unterschichten beschränkt und nicht auch eine Sozialgeschichte von Adel, Unternehmertum, Bildungsbürgertum oder professions dazunimmt“. Gegen Reduktionismen wandte sich schließlich auch Wolfgang Schieder mit seinem Monitum, dass Religion zumindest im deutschsprachigen Raum mittlerweile weitgehend aus dem Blickfeld der Neuhistoriker geraten sei. Etwa von Jacob ­Burckardt wie selbstverständlich noch zu den universalgeschichtlichen Grundkate­ gorien historischer Forschung gerechnet, müsse ­dieses Untersuchungsfeld nun gerade von der Sozialhistorie bearbeitet werden. Zwischen traditioneller Kirchengeschichte mit ihrer einseitigen Fixierung auf kirchliche bzw. christlich-­dogmatische Religion und Religionswissenschaft mit ihrem Verständnis von Religion als unableitbarem, daher auf gesellschaftliche Bezüge nicht zu befragenden Urphänomen wie auch Religionssoziologie mit ihrem nachgerade weitgehend ahistorisch bleibenden Interesse an Religiosität als einer Form sozialen Verhaltens – z­ wischen alldem öffne sich nämlich ein spezifisch sozialgeschichtlicher Objektbereich, der jedoch nicht bloß aus den genannten Einseitigkeiten und Ausblendungen resultiere. Denn wenn die Sozialhistorie ihrem Anspruch gerecht werden wolle, „Geschichte – wie auch immer – von der Gesellschaft her zu schreiben“, müsse sie sämtliche Bereiche gesellschaftlicher Wirklichkeit berücksichtigen, folglich eben auch den der Religion. Darunter zu verstehen sei jede rituell vermittelte Wertorientierung und Sinngebung gesellschaftlicher Gruppen oder ganzer Gesellschaften, und zwar hinsichtlich sowohl der institutionalisierten Erscheinungsformen als auch der funktional äquivalenten „Quasi-­Religionen“. Diese Phänomene müssten aus dem Blickwinkel nicht des Staates, sondern der Gesellschaft behandelt werden (Verhältnis von Religion und Gesellschaft), so dass eine sozialgeschichtlich angelegte Religionshistorie auch nicht isoliert von der allgemeinen Gesellschaftsgeschichte betrieben werden dürfe.

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Angesichts eines so breiten Spektrums an inhaltlichen und methodischen Gesichtspunkten konnte die Fortsetzung der Diskussion 394 schwerlich anders als sehr kontrovers und eher diffus als systematisch ausfallen (nach Wehlers Eindruck ein Hin- und Herhüpfen wie bei Kängurus). Zu Pollards und Schieders Ausführungen kam sie dabei fast gar nicht mehr, sondern hauptsächlich nur noch zu ­Nipperdeys Plädoyer für kulturgeschichtliche Erweiterung der Sozialhistorie: Vor allem Mommsen befürchtete einen erheblichen methodischen Abfall gegenüber der in seiner Sicht wesentlich auf sozioökonomische Daten gestützten Sozialgeschichte: Schließlich komme es darauf an, den vollen sozialen Kontext von Ideen bzw. Ideologien aufzudecken, mithin eine intellectual history zu konzipieren, die sämtlichen Anforderungen sozialgeschichtlicher Methodik gerecht werde, um einen Erklärungsgehalt zu gewinnen, der dem politisch-­sozialen Interesse nach Verständnis der gegenwärtigen Wirklichkeit zu genügen vermöge. Wolle man also nicht hinter den erreichten Erkenntnisstand zurückfallen, habe man die Sozialhistorie als Leit- statt bloß als Aspektwissenschaft zu begreifen. Dem widersprach N ­ ipperdey insofern, als er soziale Zusammenhänge durchaus nicht als a priori dominante Größe qualifizieren wollte, da es offenkundig Bereiche gebe, die von daher nicht oder nur bedingt erfasst werden könnten (z. B., worauf auch Koselleck aufmerksam machte, wissenschaftsgeschichtliche Phänomene). Wieder war es Rainer Lepsius, der sich hier mit methodologischen Grundsatzüberlegungen einschaltete: Die Vorstellung von der notwendig konstitutiven Bedeutung sozioökonomischer Verhältnisse für ‚Ideen‘ hielt er für unhaltbar. Denn ‚Ideen‘ ließen sich nachweislich unabhängig davon ausbilden und entfalten, weshalb Ideengeschichte keineswegs Sozialgeschichte sein müsse. Auf dieser Betrachtungsebene sei eine sinnvolle kategoriale Debatte nicht zu führen, da das Kardinalproblem der Erklärung so nicht gelöst werden könne. Auch vermöge er nicht einzusehen, warum die Sozialhistorie zu ihrer Grundlegung Erkenntnisgegenstände von unterschiedlicher Dignität benötigen solle (etwa Arbeiterbewegung oder ‚Gesellschaftsgeschichte‘). Eine derart selektive Gewichtung erfolge doch nur zwecks expliziter oder impliziter Ausformung von zeitgenössischer Identität (theoretisch amorph), allenfalls zusätzlich mit dem Anspruch auf einen höheren Erklärungswert bestimmter Einzelelemente/-faktoren. Beides aber könne nicht konstitutiv für Sozialgeschichte sein, da der Gegenstand im Unterschied zur Methode insoweit irrelevant sei. Sozialgeschichte müsse seines Erachtens definiert werden als „historische Analyse von sozialem Verhalten“, die den Aspekt kultureller Verhaltensnormierung einschließe (ergo ein Ausspielen von Kultur- gegen Sozialgeschichte sinnlos werden lasse) und die abziele auf Erklärung bestimmter Erscheinungen unter bestimmten Bedingungen. Denkbar und nötig s­eien folglich viele Sozialgeschichten als Methoden, 394 Dazu S. 20 ff.

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d. h. als möglichst präzise, sprich: theoretisch konsistente, kategorial hinreichend homogenisierte und damit überprüfbare Ansätze. Nur so lasse sich das Spezifische von Sozialgeschichte begründen, aber nicht auf der Motivationsebene, nicht aus postulierter Erklärungsbedürftigkeit bestimmter ausgewählter Fragenkomplexe und Untersuchungsgegenstände. Spätestens mit dieser Frontalintervention war sozusagen ins Wespennest gestochen: Nipperdeys Einspruch, bei der von Lepsius so privilegierten Bezugsgröße soziales Verhalten handele es sich doch um ein Untersuchungsobjekt, nicht um eine Methode – dieser Versuch einer Entgegnung auf gleicher Argumentationsebene griff freilich zu kurz, um nicht sofort konterkariert zu werden. So akzeptierte Koselleck die Lepsius-­Kritik als erkenntnistheoretisch zutreffend, wobei er überdies daran erinnerte, dass sich jedweder Anspruch auf ‚Totalität‘ eo ipso verbiete, da Analyse von Geschichte stets Ein- bzw. Ausgrenzung erfordere. Das sah Kocka zwar genauso, hielt im Übrigen aber dagegen, Gesellschaftsgeschichte huldige mitnichten einem naiven Erkenntnisfetischismus, sondern verlange im Interesse der notwendigen Synthesebildung einen perspektivischen Ordnungs- und Integrationsrahmen (als, so Wehler, „regulative Idee“). Contra Lepsius verortete Kocka das Spezifische von Sozialhistorie vor allem in deren Bezugnahme auf sozioökonomische Faktoren wie im Betrachtungsansatz bei der Gesellschaft, wobei er den Lepsius-­Einwurf, was denn Gesellschaft eigentlich sei, mit der Gegenfrage bedachte, worin denn Lepsius’ eigener „Oberbegriff“ bestehe. Damit lieferte er gleichsam eine Steilvorlage zu der Duplik von Lepsius, dass er keinen Oberbegriff benötige und dass die Erörterung auf der Etikettenebene nun mal nicht weiterführe, sondern dass eben nach Kategorien gefragt werden müsse, die sich zur Herstellung von Beziehungen ­zwischen den genannten Elementen eigneten. Auch wenn die Positionen bis dahin so gut wie abgesteckt waren, enthielt die restliche Auseinandersetzung noch bemerkenswerte Ergänzungen und Variationen.395 So kam Mommsen zurück auf die wesentlich kulturpolitische Frage der Identitätsstiftung durch die Geschichtswissenschaft, was von wichtigen Gruppen in Gesellschaft und Politik erwartet werde und aus seiner Sicht auch berechtigt sei. Wolle man dem genügen, müsse der soziale Aspekt Vorrang vor dem politisch-­ nationalen haben, ohne anderes auszuklammern. Solche Prioritätensetzung beruhe auf einer Option, die zwar wissenschaftsimmanent nicht begründbar sei, wohl aber Gebot des unbestreitbaren Nachholbedarfs nach einem Erkenntniskorrektiv gegenüber bisherigen Einseitigkeiten der Geschichtsbetrachtung; von Parteilichkeit im Sinne ideologisch präjudizierter, methodisch unsauberer Aussagen könne keineswegs die Rede sein. Nipperdey wiederum nahm dies zum Anlass einer erneuten Verwahrung gegen ein – von ihm schon früher als obsolet bezeichnetes 395 Dazu S. 23 f. (Fortsetzung in der Abendsitzung).

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­oppositionswissenschaftliches – Selbstverständnis bzw. gegen die traditionskritischen Tendenzen der Sozialhistorie. Für ihn handelte es sich dabei nicht um eine Methodenfrage, sondern um ein typisch altbundesrepublikanisches Problem, also keine Angelegenheit der ja doch internationalen Sozialgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin. Obendrein würden dadurch zwangsläufig massive Widerstände gegen Sozialgeschichte hervorgerufen und gefördert – ein Aspekt, den Kocka sogleich aufnahm, aber in der Weise wendete, dass er zwei Hauptgründe dafür annahm: Nicht nur sei Sozialgeschichte methodisch sehr schwierig, weshalb schon daraus eine gewisse Abwehrhaltung gegen ihren Anspruch resultiere; zum andern habe sie außer einer ideologiekritisch-­aufklärerischen Dimension auch ein innerwissenschaftliches Kritikpotenzial, denn aus der Aufdeckung sozioökonomischer Bedingtheiten von historischen Phänomenen ergebe sich notwendig eine nicht unbeträchtliche Spannung zum Selbstverständnis anderer, methodisch davon betroffener Ansätze bzw. Richtungen. Nach teilweise lebhaftem Hin und Her über diese Überlegungen zog Lepsius schließlich ein dezidiertes Sitzungsfazit, indem er festhielt, dass sich für Sozialhisto­ rie alles in allem zwei – freilich scharf zu unterscheidende – Möglichkeiten der Legitimierung herauskristallisiert hätten: einerseits über bestimmte kulturpolitische Aufgaben, andererseits über eine denkbare wissenschaftstheoretische Konzeptualisierung. Er selbst warnte jedoch nachdrücklich davor, wissenschaftliche Programmatik(en) überhaupt aus kulturpolitischen Optionen bzw. Ambitionen herzuleiten, zumal darin auch eine gewisse Tendenz zur Entlegitimierung historischer Institutionen liege. Unklar geblieben sei nicht allein, welches Bezugsobjekt die Sozialhistorie eigentlich habe oder erhalten solle, sondern auch, ­welche Annahmen über Funktionszusammenhänge zugrunde lägen. Derart zentrale Probleme würden nicht dadurch gelöst, dass man Gesellschaft ersatzweise anstelle von Staat zur maßgeblichen Größe erkläre, denn Gesellschaft habe bei näherem Zusehen so etwas wie „Blackbox“-Charakter. Demgegenüber sprach Conze von einem nicht zu unterschätzenden Gewinn der Tagung und erblickte ihn vor allem im Aufweis der Grenzen von Sozialhistorie, d. h. in der Verdeutlichung der für viele Bereiche der Geschichte eher geringen Ergiebigkeit, wenn nicht Irrelevanz spezifisch sozialhistorischer Perspektiven und Verfahren. Freilich klang diese Schlusseinschätzung bei aller Relativierung unverkennbar nach Aufmunterungsbemühen und deckte sich nicht sonderlich mit der Benotung, die er gut eine Woche danach vornahm: dass die Veranstaltung „nur begrenzt befriedigend“ gewesen sei.396 Gleichwohl bewährte sich erneut, was Nipperdey schon vorher als vielleicht größten Vorzug des 396 Brief an Pollard, 4. 11. 1980 (KP 8, lf. S. 32). – Nachfolgende Nipperdey-­Äußerung: Brief an Conze, 21. 7. 1980 (KP 7, lf. S. 587 f.); vgl. schon Wehler an Conze, 2. 2. 1973 (KP 5, lf. S. 594 ff.).

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Zusammenschlusses bezeichnet hatte: dass „wir gerade in d­ iesem Kreise jenseits der Grundlagendifferenzen und jenseits auch der Differenzen, die sich in den Aufsätzen und Büchern einzelner Teilnehmer durch bestimmte Perspektiven und Wertungen ergeben, sehr gut auf einer mittleren Ebene zusammen diskutieren können“. Dieser Vorzug erhielt sich weitgehend auch dann, als die Zusammensetzung sich allmählich zu modifizieren begann. Dazu kam es freilich erst nach mehrjähriger Pause. Wie Conze im Frühjahr 1978 festhielt, waren nämlich seit 1973 „wegen der unklar gewesenen Lage des Arbeitskreises im Zusammenhang mit der langwierigen und z. T. schwierigen [finanziellen] Überleitung“ von der Bundes- zur baden-­württembergischen Landeszuständigkeit keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen worden.397 Und auch danach ergänzte man sich nach ausführlichen 397 Zu den früheren Zuwahlen s. o., Kap. 2.2 u. 2.4. – Zum Folgenden: Conze-­Anschreiben vom 12. 4. 1978 bei der Einladung zur Frühjahrstagung (bei den Tagungsunterlagen in PR 6); PMV 14. 10. 1978 (ebd.), TOP 2 (Zuwahl Geyer); PMV 5. 10. 1979 (ebd.), TOP 4 (Zuwahl Mommsen und Pollard, auch in der Folgezeit jeweils eingehende Kandidatenund Kriteriendiskussion; betr. Mommsen u. a. dessen Gratulationsbrief vom 9. 1. 1986 zu Conzes 75. Geburtstag [KP 7, lf. S. 532 ff.]: Mitgliedschaft für ihn „von unschätzbarem Wert“, zumal er „dadurch regelmäßig einen indirekten Anteil“ an Conzes Tätigkeit habe; Conzes Antwortbrief, 27. 1. 1986 [S. 530 f.]: auch seinerseits Freude darüber, dass „unsere alte Beziehung durch die gemeinsame Tätigkeit im Arbeitskreis wieder aufgefrischt worden ist“); PMV 25./26. 4. 1980 (ebd.), TOP 2; PMV 25. 10. 1980 (PR 7), TOP 3 (Zuwahl Oexle); Conzes Rekrutierungsangabe: Brief an Norbert Horn, 18. 6. 1979 (KP 6, lf. S. 464 f.); zu Nipperdeys „Generalisten“-Vorstellung u. a. die Zustimmung Wehlers: Brief an Conze, 26. 6. 1978 (KP 5a, lf. S. 615 f.; PMV 25./26. 3. 1982 (PR 8), TOP 5 (Zuwahl Langewiesche u. Tenfelde); PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), TOP 3 (Zuwahl Grimm und Winkler, zu Letzterem schon PMV 13.10. 1973 [PR 5], TOP 5); PMV 17. 3. 1983 (ebd.), TOP 6 (Zuwahl Frühwald und Bausinger, dazu auch KP 6, lf. S. 52 f.: Conze an Bausinger, 23. 3. 1983 bzw. Bausinger an Conze, 30. 3. 1983: Zuwahldank, freilich „kein Vollbluthistoriker“, daher „ein wenig bange“ vor dem „illustren Kreis“; beide traten allerdings relativ bald in den Inaktiven-­Status über: Frühwald schon im Herbst 1986 wegen Arbeitsüberlastung nach seiner Wahl in den DFG -Hauptausschuss [vgl. PMV 23./24. 10. 1986 (PR 11), S. 3], ­Bausinger im Herbst 1988 wegen anhaltender Terminschwierigkeiten [vgl. PMV 21.10. 1988 (PR 12), S. 2]; PMV 20. 10. 1984 (PR 10), TOP 4 (Zuwahl Dilcher); PMV 3. 5. 1985 (ebd.), TOP 2 (Zuwahl Kaelble, dabei auch die zitierte Koselleck-­Äußerung und der Hinweis von Köllmann); PMV 21. 10. 1988 (PR 12), TOP 6 (Zuwahl Siegenthaler); KP 19, lf. S. 32 (Engelhardt-­Rundschreiben, 3. 2. 1989: für Diskussion über weitere Zuwahlen Bitte des Vorstands um schriftliche Vorschläge „unter besonderer Berücksichtigung der Aspekte Verjüngung und auch weibliche Mitglieder“), PMV 28. 4. 1989 (PR 12), TOP 5 (Kriterien- und Kandidatenerörterung, dort auch die Winkler-­Formulierung „Entmännlichung“); PMV 20./21. 10. 1989 (ebd.), TOP 6 (Zuwahl Graf und Kaschuba, dort auch Winklers Pochen auf „Verweiblichung“); PMV 27. 4. 1990 (PR 13), S. 6 (Nipperdey, Schieder und Lepsius zur Frage einer generellen Altersbegrenzung) sowie TOP 4 (Zuwahl Frevert; zu ihrem Fokus

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Personalüberlegungen nur erst wenig und bedächtig: im Herbst 1978 um den schon lange vorgesehenen Osteuropahistoriker Dietrich Geyer/Tübingen (Jg. 1928), ein Jahr s­ päter um den Zeit- und Sozialhistoriker Hans Mommsen/Bochum (Jg.1 930) und den englischen Wirtschafts- und Sozialhistoriker Sidney Pollard/Sheffield bzw. Bielefeld (Jg. 1925), im Herbst 1980 schließlich um den Mediävisten Otto-­Gerhard Oexle/Münster (Jg. 1939). Insofern galt nach wie vor Conzes Pauschalkennzeichnung, dass dem Kreis „nicht nur Historiker, sondern auch Gelehrte der verwandten systematischen Disziplinen der rechts- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten“ angehörten. Vorrang behielt das bislang maßgebliche „Generalisten“-Kriterium ­(Nipperdey), auch wenn man dabei eine je spezifische sozialgeschichtliche Kompetenz postulierte (besonders Borchardt) und unabhängig von der Zuwahlfrage überhaupt daran dachte, wesentliche Forschungsrichtungen/-zentren samt Repräsentation ihrer verschiedenen „Milieus“ zu berücksichtigen (Kocka bzw. Lepsius). Tendenziell jedoch stieg die Historikerquote, zumal der Anteil fachlich spezialisierter, aber thematisch nicht zu eng begrenzter Sozialhistoriker, ohne nun etwa irgendeinem Vollständigkeitsstreben zu erliegen, also alle für einschlägig gehaltenen Kollegen einzubeziehen (z. B. Lothar Gall oder Heinz-­Gerhard Haupt oder Hans-­ Günther Hockerts oder Lutz Niethammer). Beides zeigte sich bei den nächsten Ergänzungen: Von den 1982 Zugewählten waren drei Historiker, nämlich Dieter Langewiesche/Hamburg (Jg. 1943), Klaus Tenfelde/München (Jg. 1944) und, schon längst ins Auge gefasst, Heinrich August Winkler/Freiburg (Jg. 1938) – gegenüber nur einem Rechtswissenschaftler: Dieter Grimm/Bielefeld (Jg. 1937) als Böckenförde-­ Nachfolger, s­päter übrigens Bundesverfassungsrichter. Gewiss, auch Nipperdeys Wink, die Sozialhistorie entwickle sich inzwischen wieder mehr in Richtung Kulturgeschichte im weiteren Sinne, wurde 1983 Rechnung getragen: durch Aufnahme des Literaturwissenschaftlers Wolfgang Frühwald/München (Jg. 1935) und des gleich Geyer längst vorgesehenen Volkskundlers Hermann Bausinger/Tübingen auf Aspekten wie Klassen und Geschlecht s. a. PMV 19. 10. 1990, S. 6); PMV 19.10. 1990 (ebd.), TOP 4 (Zuwahl Zwahr); PMV 22. 4. 1992 (PR 14), TOP 5 (Zuwahl Schluchter, dabei auch die Äußerung von Kocka; betr. faktische Inaktivierung Schluchters: PMV 25.10. 1996 [PR 16a], S. 11 f.); außerdem Lepsius-­Rundschreiben vom 15. 9. 1989 betr. Altersstruktur im Jahr 1990 und Zuwahl-„Kategorien“ (KP 19, lf. S. 30 f.). – Betr. Habilitation als Zugangsvoraussetzung auch im Fall Frevert: PMV 28.4..1989 (PR 12), S. 7 f.: noch nicht habilitiert, deshalb auf ‚Warteliste‘ gesetzt, wenngleich mit Präferenz (Vorschlag Wehler), neben Gisela Bock (Vorschlag Kocka u. Wehler), Karin Hausen (Vorschlag Winkler) und Barbara Vogel (Vorschlag Tenfelde); s. a. PMV 20./21. 10. 1989 (ebd.), S. 6 f. u. PMV 27. 11. 1991 (PR 13), S. 6 ff. – Eine Professur jedoch war ja schon im Fall Koselleck 1965 nicht zwingend gewesen (damals noch PD in Heidelberg, aber unmittelbar vor dem Ruf nach Bochum), auch nicht bei Tenfelde 1982 (noch PD in München) und Kaschuba 1989 (noch Hochschuldozent in Tübingen).

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(Jg. 1926), womit der Kreis nach zeitweiligem Rückgang der Mitgliederzahl auf 17 Aktive wieder sein informelles, bald überstiegenes Limit von 22 erreichte. Auch kam mit Gerhard Dilcher/Frankfurt a. M. (Jg. 1932) im Herbst 1984 ein weiterer Jurist hinzu, doch schon im nächsten Frühjahr war es wieder ein Sozial- und Wirtschaftshistoriker: Hartmut Kaelble/Berlin (Jg. 1940). Was Koselleck mit Blick auf Interdisziplinarität salopp „Fremdbestückung“ nannte, hielt sich mithin so in Grenzen (4:20 = 1/5), dass er auf Verstärkung drängte und dabei etwa die Sozialgeschichte der Kunst im Auge hatte und Köllmann zudem auf die im Kreis trotz wiederholter Anmahnung (besonders von Wolfgang Schieder) ja noch nicht vertretene Theologie verwies. Doch dabei blieb es bis auf Weiteres. Erst nach dreijähriger Zuwahlunterbrechung ergänzte man sich im Herbst 1988 erneut um Nichthistoriker (darunter erstmals immerhin zwei mit Geburtsdatum nach 1945): Hansjörg Siegenthaler/Zürich (Jg. 1933) zur Steigerung der wirtschaftswissenschaftlichen Komponente mit Integration in sozialhistorische Fragestellungen, außerdem Friedrich Wilhelm Graf/Hamburg (Jg. 1948) für die Systematische Theologie und als Volkskundler der Bausinger-­Schüler Wolfgang Kaschuba/Tübingen (Jg. 1950). Diese Linie endete vorerst 1994 mit der Aufnahme des Heidelberger Soziologen und Max-­Weber-­Experten Wolfgang Schluchter (Jg. 1938) zur Erhöhung der methodologisch-­systematischen Kompetenz des Kreises, „in jeder Hinsicht ein großer Gewinn“ (Kocka), der aus gesundheitlichen Gründen schon sehr bald wieder verlorenging. Zuvor (1990) indessen war, übrigens unter Beibehaltung der Habilitation als Zugangsvoraussetzung, zweimal wieder die Geschichtswissenschaft zum Zuge gekommen: mit Hartmut Zwahr/Leipzig (Jg. 1936) zunächst auch zwecks Öffnung des Kreises für methodisch nahestehende Historiker aus der DDR, und noch vor ihm mit Ute Frevert/Bielefeld (Jg. 1954), nicht zuletzt hinsichtlich ihrer hervorstechenden Qualifikation für das angedachte Agendathema Geschlechterdifferenz – wobei ­dieses erste weibliche Mitglied 25 Jahre nach dem Pionierauftritt von Karin Hausen im Arbeitskreis den Bedarf an „Entmännlichung“/“Verweiblichung“ der Mitgliedschaft (Winkler) ja mehr unterstrich als erfüllte. So gehörte Frauen neben Historiker bzw. Nichthistoriker denn auch zu den „drei Kategorien“, die Lepsius im Herbst 1989 in einem mit Koselleck abgestimmten Brief an die Mitglieder eigens als Merkposten für die fällige Personalaufstockung genannt hatte. Zuvörderst war er dabei auf die aktuelle Altersstruktur zu sprechen gekommen: Dass 1990 lediglich fünf der Aktiven unter 50 s­ eien, sechs hingegen ­zwischen 50 und 60 Jahren und zehn sogar 60 oder älter, ließ es ihm „ratsam erscheinen, bei Zuwahlen tunlichst auf Personen zu gehen, die nach 1940 geboren sind“; er selbst wie viele andere, so seine Erläuterung, sei im Alter von unter 40 aufgenommen worden – „und wir sollten nach meinem Dafürhalten besonders auf eine Verjüngung achten“. In der Tat betrug das durchschnittliche Lebensalter der 18 Neumitglieder in den rund 15 Zuwahljahren 1978 – 1994 zum Zeitpunkt

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ihres Eintritts rund 46 Jahre (mit Bausinger, Schluchter und Pollard als Zuwahlältesten), ohne die vier Zuwahljüngsten (Langewiesche, Tenfelde, Kaschuba und Frevert) sogar 49 Jahre, also rd. 7 bis 10 Jahre mehr als Ende der Sechziger. Dabei hatte sich freilich die Relation Aktive zu Inaktiven deutlich verbessert (von 18 zu 7 bzw. 16 zu 8 im Jahr 1968 zu 25 zu 4 bzw. 23 zu 6 im Jahre 1994). Die Überlegung, gelegentlich einmal über eine generelle Altersbegrenzung zu reden (Nipperdey, 1990), stieß folglich auch von daher auf den Einwand, dass man bisher ohne eine ­solche Regelung ausgekommen sei (Schieder) und den Inaktivierungszeitpunkt weiterhin der Selbstbestimmung des jeweiligen Mitglieds überlassen solle (Lepsius). Auch bei diesen personellen Verschiebungen blieb nun die beobachtete Fähigkeit zur Konvergenz auf mittlerer Ebene so gut wie konstant. Wie weit sie selbst bei mehr als marginalen Meinungsdifferenzen und Verstimmungen trug, zeigte sich besonders schon in den frühen Achtzigern bei der Beschäftigung mit dem nächsten Schwerpunktthema Bildungsbürgertum (dessen Auswahl erklärtermaßen wieder mitbestimmt war von zwei Gesichtspunkten: Verknüpfung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen und hinreichend breiter Bezug zur Interessenlage der Mitglieder 398). Parallel dazu, wenngleich in etwas größeren Intervallen, lief jedoch noch eine andere Thematik. Gegenstandsmäßig hatte die Sozialhistorie sich bekanntlich für lange Zeit weitgehend auf Geschichte der Industriearbeiterschaft und ihrer politisch-­sozialen Bewegung konzentriert, also auf ein Interessengebiet, das seit Conzes Pioniervorstößen ja auch im Arbeitskreis besonders gepflegt worden war.399 Konstatierte Conze indessen schon 1971 in einer Mischung aus Zufriedenheit und Bedenken fast eine Inflation von Arbeiterbewegungsstudien, beobachtete Wolfgang Schieder nur drei Jahre ­später bereits eine zumindest momentane Stagnation der einschlägigen Forschung in Deutschland. Im Zuge von Schwerpunktüberlegungen warf er daher die Frage auf, „ob man nicht wieder einmal auf Probleme der Arbeiterbewegung zurückkommen sollte“, wobei „soziale Schichtungsprobleme mit den entsprechenden Theorien genauer überprüft und diskutiert werden“ müssten. Grundsätzlich wandte der Kreis sich ­diesem Feld denn auch bald danach wieder zu. Das geschah allerdings nicht im gewohnten Rahmen seiner Schwerpunktthemen, sondern mit 398 Dazu etwa TP Juni 1979 (PR 6), S. 7 (Erklärungen von Conze und Lepsius). 399 Vgl. schon oben, Kap. 1.2 bzw. 2.4; im Folgenden: W. Schieder an Conze, 8. 10. 1974 (KP 5a, lf. S. 560 ff., hier: 562, mit der Perspektive, dass die Sache vielleicht auf eine „sehr konkrete historische Überprüfung des Marx’schen Klassenbegriffs“, besonders zu dessen Entstehungszeit, hinauslaufen könne) bzw. Engelhardt, TP Nov. 1980 (SO 25), S. 5; betr. Sonderveranstaltungen zusätzlich zu den „normalen Tagungen“ u. a. Conze an Nürnberger, 14. 4. 1975 (KP 5a, lf. S. 489) bzw. an Mitterauer, 16. 7. 1976 (ebd., lf. S. 425) und besonders an Borchardt, 23. 3. 1978 (ebd., lf. S. 57 f., dort auch die Rubrizierung „Firmenschild“).

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eigens darauf ausgelegten Sondertagungen „unter dem Firmenschild ‚Arbeitskreis‘“ (Conze). Straff organisiert und geleitet, wurden sie zum kleineren Teil wohl von Arbeitskreismitgliedern bzw. externen Spezialisten bestritten, weit überwiegend aber von angehendem wissenschaftlichen Nachwuchs mit meist vorher verschickten Werkstattberichten aus laufenden Forschungsprojekten. Nicht zuletzt durch ­dieses „Prinzip der ‚Diskussions-­Tagung‘“ (Engelhardt) mit engem „Kontakt zur Nachwuchsszene“ (Tenfelde) besonders förderlich, ging es von 1978 bis 1982 mit jeweils zwei- bis dreijährigem Abstand um empirische Verbreiterung wie Vertiefung der Untersuchungen zur Geschichte der gewerblich-­industriellen Arbeiter- und Handwerkerschaft seit dem späten 18. Jahrhundert.400 Konzeptionell hob man durchweg nicht nur auf stärkere Verzahnung von Bewegungs- und Lagehistorie ab. Vielmehr bezweckte man auch und vor allem eine sozusagen korrigierende Wegweisung: hin zu erheblichem Ausbau der zuvor eher vernachlässigten Lage- und Verhaltensforschung mit Anwendung, wenn nicht erst Erschließung bisher kaum genutzter Verfahren bzw. Quellen (wie dies 1972/73 ff. auch schon bei dem von Conze initiierten, für Deutschland in mancher Hinsicht bahnbrechenden und deshalb von der DFG getragenen Heidelberger Württemberg-­Projekt  401 praktiziert worden war). 400 Zu diesen Sondertagungen 1978 – 1982, dann auch 1989 die Übersicht im Anhang u. das Verzeichnis der Schriftenreihe (Bde. 28, 33 u. 37, dann auch 51); zur Sequenz insgesamt die kurze Rückschau von Tenfelde in Bd. 51/1991, S. 12 f. – Zu den einzelnen Folgen: u. a. KP 22a, lf. S. 408 ff. (Conzes Finanzierungsantrag an die WRS, 31. 10. 1977); PR 6 (PMV 19. 5. 1978, S. 2 f.: Information über die kommende Tagung); KP 22a, lf. S. 369 ff. (JPR 1978 vom 25. 10. 1978, mit Information über die angesetzte Tagung); PR 6 (PMV 15. 6. 1979, S. 2 f.: Tagungsband im Druck, Anschlusstagung in Vorbereitung); KP 22a, lf. S. 359 f. (Finanzierungsantrag an die WRS zur Anschlusstagung, 10. 7. 1979); ebd., lf. S. 348 ff. (JBR 1980 vom 30. 9. 1980, mit Information über die Anschlusstagung); ebd., lf. S. 294 ff. (Finanzierungsantrag an die WRS zur nächsten Anschlusstagung 1982, 14. 9. 1981); ebd., lf. S. 238 ff. (JBR 1983 vom 14. 9. 1983, mit Tagungsbericht); im Übrigen PR 9 (PMV 28. – 30. 10. 1982, S. 13 betr. positive Resonanz der WRS und Gedanke an potentielle andere Sonder- bzw. Zusatztagungen); ferner PR 11 (PMV 23./24. 10. 1986, S. 14 f.), PR 12 (PMV 22. 4. 1988, S. 6 f., PMV 23. 10. 1988, S. 4 f. und Tischvorlage, PMV 28. 4. 1989, S. 6, dort auch das Tenfelde-­Zitat „Nachwuchsszene“), PR 13, (PMV 27. 4. 1990, S. 3 und Tischvorlage zum Tagungsband) sowie KP 29, lf. S. 53 ff., bes. 56 ff. (Tenfeldes Tagungsbericht an die WRS, 6. 3. 1989, daraus auch die zitierten Äußerungen). – Zu Tenfeldes Defizitanzeige von 2000 s. u., Kap. 4.6. 401 So die vorwiegend verwendete Kurzbezeichnung für das institutionell beim Heidelberger ISWG angesiedelte Projekt; vollständig: Arbeitskräftepotential, Berufsdifferenzierung u. soziale Lage der unselbständigen Arbeitskräfte im Industrialisierungsprozess des Königreichs Württemberg, 1850 – 1914. – Auch dies kann hier nur pauschal erwähnt werden; betr. Einzelheiten zu Planung, Verlauf und DFG-Förderung (im Rahmen des Schwerpunktprogramms Deutsche Industrieschichte bis zum E ­ rsten Weltkrieg) s. FP 30 – 35; unmittelbare Hauptresultate:

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Insgesamt erwies sich die Serie in Verlauf und Publikationen als ungemein ergiebig und anregend. Zudem beflügelt durch die höchst positive Resonanz bei der finanzierenden Reimers-­Stiftung, wurde 1982 sogar in Betracht gezogen, auch zu spezielleren Implikationen von Generalthemen des Kreises eventuell Sonder- oder Zwischentagungen einzuführen (etwa zur Frauenfrage bzw. -bewegung in Kaiserreich und Weimarer Republik). Das unterblieb zwar, doch folgte 1989 eine weitere Sondertagung zur Arbeitergeschichte, diesmal für die Zeit seit dem E ­ rsten Weltkrieg. Über die vielen Teilaspekte hinweg betonte sie „generelle Fragestellungen nach den Ursachen, Formen und Folgen der Umstrukturierung der Arbeiterklasse im 20. Jahrhundert“ (Tenfelde). Bei außergewöhnlichem Ertrag auch dieser vierten Veranstaltung fand Tenfeldes abschließender Hinweis auf die Notwendigkeit einer auch künftig „institutionellen Kontinuität [arbeitergeschichtlicher Untersuchungen] etwa auf Tagungsebene“ praktisch allerdings so wenig Nachhall, dass Tenfelde zehn Jahre ­später mit Bedauern sogar festhielt, jedenfalls die Arbeiterbewegung spiele als Forschungsgegenstand kaum noch eine Rolle. Gerade im Arbeitskreis selbst hatte gewissermaßen parallel eben schon früher eine Perspektiverweiterung auf andere Schwerpunkte eingesetzt: auf Gegenstände, die als so unterbelichtet erkannt wurden, dass sie endlich einer nachhaltigeren Ausleuchtung bedurften. Das wiederum brauchte einen längeren Atem und – ohne Vorbedingung zu sein – möglichst auch eine relativ stabile Finanzlage, die zumindest kein unablässiges Fundraising erforderte, also nicht von inhaltlicher Arbeit abzog. Dies nun ist zwischendurch wenigstens kursorisch noch in den Blick zu nehmen. Die alles in allem ermutigenden Startbedingungen im Anfangsjahrzehnt hatten bis Ende der 60er Jahre zunächst zwar nicht nur angehalten, sondern sich prospektiv sogar verbessert.402 Bedeutete doch die Umstellung des ­Bundeswissenschaftsministeriums die Monografien von Schomerus und Borscheid (s. IW 24 u. 25); Vorstudien z. T. bei den Beiträgen zur Sektion Arbeiterfragen im Industrialisierungsprozess (s. Bericht über die 31. Versammlung deutscher Historiker in Mannheim, 22. – 26. 9. 1976, GWU-Beiheft, S. 62 ff.), zugleich Grundlage für die trotz teilweise massiver Wehler-­Kritik erfolgte Veröffentlichung in IW 26, 1978 (vgl. KP 5a, lf. S. 629 f. bzw. 622 f.: Wehler an Conze, 28. 10. 1976, bzw. Conze an Wehler, 11. 11. 1976, u. a. auch PMV 7. 10. 1977 [PR 5], S. 5). 402 Zur Entwicklung bis Ende der Sechziger s. o., Kap. 2.2. – Zur Umstellung der Haushaltsplanung beim BMF: bes. PMV 11. 4. 1969 (PR 4), TOP 2, aber auch TP 7. 4. 1970 (ebd.), TOP 2 u. PMV 11. 10. 1970 (ebd.), TOP 1. – Zu der von Koselleck vermittelten Ersatzdurchführung der Herbsttagung 1972 im Bielefelder ZIF: Stuke ans BMB, 12.u.23. 8. 1972 (KP 23b), lf. S. 161 f. sowie PMV 10. 10. 1972 (PR 4), TOP 1 (danach auch die zitierte Stuke-­Einschätzung). – Zur Warnung des BMWF vor zusätzlichen Forschungsvorhaben und betr. Umleitung eines Ipsen-­Antrags: PMV 21. 5. 1971 (ebd.), TOP 2. – Betr. die Pläne zur Ein- bzw. Umstellung der bundesministeriellen Förderung: u. a. PMV 31. 3. 1973 (PR 5), TOP 2 und PMV 13. 10. 1973 (ebd.), TOP 1; BMFT-Schreiben an Conze, 23. 11. 1973

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auf mehrjährige Haushaltsentwürfe für den Arbeitskreis eine zunehmende Planungssicherheit, wenn nicht eine Chance zu regelmäßiger Anpassung seiner ­Haushaltsansätze an Bedarfs-, zumal an tarifbedingte Personalkostensteigerungen. Vorübergehend änderte sich das freilich bald wieder, so dass beispielsweise 1972 die Herbsttagung wegen Unüberschaubarkeit der disponiblen Mittel nur per Ersatzregie durch das Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZIF) möglich wurde. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Bundeswissenschaftsministerium sogar „eindringlich“ davor gewarnt, neben den laufenden Forschungsvorhaben auch neue zu beginnen, weshalb ein Ipsen-­Antrag auf Mittel für eine bevölkerungshistorische Untersuchung an die DFG umadressiert werden sollte. Trotz solcher Vorkommnisse gestaltete sich die Finanzlage schnell wieder „sehr erfreulich“ (so Stuke noch 1972). Unmittelbar danach allerdings geriet sie mit dem Übergang des Arbeitskreises in die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Forschung und Technologie (Ende 1972) erst einmal ins Hin und Her der vom (KP 23b, lf. S. 116); AHF-Mitgliederinformation vom 26. 11. 1973 (ebd., lf. S. 94); Conze an Horst Ehmke, 8. 1. 1974 (ebd., lf. S. 114 f., daraus das Zitat) und Antwort von Staatssekretär Haunschild, 15. 3. 1974 (ebd., lf. S. 105 f.); Fritz Wagner (AHF) an Conze, 28. 1. 1974 (Fortführung der AKMS-Förderung sogar in vollem Umfang denkbar, wenn die Mittel künftig „als zweckgebundener Titel in den Etat des Instituts für Zeitgeschichte eingebracht werden können“!); zudem die diversen AHF-Schreiben seit Frühjahr 1974 bezüglich der „Pläne zur Ausgliederung geisteswissenschaftlicher Forschungseinrichtungen aus der Bundes­finanzierung“ (ebd., lf. S. 91 usw.); PMV 29. 3. 1974 (PR 5), TOP 1b (Conzes Bericht über Regelungsbemühungen, dort auch die zitierte Zusicherung von Kultusminister Hahn, 20. 3. 1974); BMF-Schreiben vom 8. 8. 1974 ans Stuttgarter Kultusministerium bezüglich Anschlussfinanzierung der baden-­württembergischen „Institute unterhalb der Bagatellgrenze“ (ebd. lf. S. 86 f.); AHF-Schreiben, 14. 8. 1974 (ebd., lf. S. 92 f.), mit BMFTListe der geförderten Einrichtungen; PMV 18./19. 10. 1974 (ebd.), TOP 1b (auch hinsichtlich eventueller Übernahme der institutionellen Förderung durch Baden-­Württemberg); KP 24, lf. S. 641 f. bzw. 637 f. (Schreiben von Kultusminister Hahn an AHF-Vorsitzenden Wagner, 20. 3. 1974, bzw. an Conze, 12. 3. 1975, zur künftigen Förderung des Kreises); PMV 9. 4. 1975 (PR 5), TOP 2c (wegen AKMS-Verhandlungen mit dem Stuttgarter Kultusministerium und wegen Voraussetzung einer Bund-­Länder-­Vereinbarung); Stuke-­Schreiben vom 27. 5. 1975ans BMFT u. Antwort vom 13.6. 1975 bezüglich Verlagerung von der institutionellen zur Projektförderung (KP 23b, lf. S. 600 f.); PMV 31.10. 1975 (ebd.), TOP 1b (Fortsetzung der Bundesförderung bis Ende 1976); betr. AKMS-Förderung gemäß Bund-­Länder-­ Vereinbarung ab 1. 1. 1977 u. a. Schreiben des Stuttgarter Kultusministeriums, 24. 9. 1976 (KP 24, lf. S. 614 f.); zudem Conze-­Rundbrief, 16. 10. 1977 (KP 19, lf. S. 85), s. a. Conze an Schieder, 7. 10. 1977 (KP 5a, lf. S. 548) und Wehler an Conze, 13. 10. 1977 (lf. S. 628, dort das Zitat); Conze-­Rundbrief, 12. 4. 1978 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1978 in PR 6, daraus das Zitat). – Unten erwähnte Broschüre Forschung, 1984 erschienen in der ministeriellen Schriftenreihe Aus der Welt von Wissenschaft und Kunst, hier: S. 41 f. (Belegexemplar in KP 24).

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­Haushaltsausschuss des Bundestags und vom Bundesrechnungshof veranlassten Erwägungen zur Umstrukturierung der gesamten Bundesförderung. Demnach sollte die Finanzierung sämtlicher Organisationen unterhalb der sog. Bagatellgrenze (1,5 Mio. DM), ergo auch aller geschichtswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in der Größenordnung des Arbeitskreises trotz energischen AHF-Protests ab 1976 aus der Bundeszuständigkeit herausgenommen und auf die Sitzländer, ja zunächst eigentlich auf die DFG übertragen werden (was letztere freilich ablehnte). Im November 1973 wurde der Arbeitskreis „als einzige vergleichbare Institution“ vom Bundesforschungsministerium dann aus der institutionellen Förderung ausgegliedert und in den weitaus „ungünstigeren Rahmen der [jeweils antragsabhängigen] Projektförderung eingeordnet“ (wie die Mitgliederversammlung vom April 1975 rekapitulierte). Das war auch dadurch nicht abzuwenden, dass Conze unmittelbar beim zuständigen Minister Horst Ehmke intervenierte und dabei zu bedenken gab, ob der Arbeitskreis nicht gerade im Bereich der ministeriell favorisierten Gesellschaftswissenschaften eine „besondere Schlüsselstellung haben könnte, da er die meist nicht vorhandene Brücke z­ wischen Geschichts- und Sozialwissenschaften schlägt“. Fast gleichzeitig indessen zeichnete sich ab, dass das Land Baden-­Württemberg übernehmen und die auf seinem Gebiet angesiedelten Einrichtungen „auf jeden Fall arbeitsfähig“ halten wollte (so 1974 eine Zusicherung des Stuttgarter Kultusministers Wilhelm Hahn) – gleichsam das Signal zur „langwierigen und z. T. schwierigen Überleitung“ (wie Conze 1978 rückblickend festhielt). Nach entsprechenden Verhandlungen bei zwischenzeitlicher Aufrechterhaltung der Bundeszuwendungen und nach verzögertem Abschluss des sog. Bund-­Länder-­ Abkommens wurde die Finanzierung zum 1. 1. 1977 also von Stuttgart übernommen. Mit ­diesem „Einspringen von Baden-­Württemberg“ (Wehler) gehörte der Kreis fortan zur Kategorie Selbständige und unselbständige Forschungseinrichtungen im Bereich des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Baden-­Württemberg (wie es in einer offiziellen Broschüre namens Forschung bald lautete). In solchem Rahmen war er erneut institutionell gesichert und haushaltsmäßig „endlich wieder in der Lage, spezifisch sozialgeschichtliche Arbeiten [sogar] in Auftrag zu geben“ (so Conze im Juni 1977 an die Mitglieder). Gewiss brach nun keineswegs etwa eine Ära der Sorglosigkeit oder gar des Überflusses an.403 Fehlte es besonders in der ersten Hälfte der 80er Jahre doch nicht an 403 Zum Folgenden die Haushaltsübersicht im Anhang. – Zu den Schwankungen und Einbußen bei den jährlichen Landesbewilligungen (z. B. 1981/82 ff.): außer dem laufenden Schriftwechsel mit dem Wissenschaftsministerium u. a. PMV 24. 10. 1981 (PR 8), TOP 1b, PMV 25./26. 3. 1982 (PR 9), TOP 1a-­c, PMV 17. 3. 1983 (ebd.), TOP 1, s. a. Engelhardt an Reimers-­Stiftung, 14. 9. 1981 (KP 22a, lf. S. 293) und Engelhardt-­Rundschreiben, 27. 2. 1985 (KP 19, lf. S. 42), zudem, mit Vergleich ­zwischen den USA und Deutschland, Jürgen Herbst/

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wiederholten Schwankungen und sogar empfindlichen Einbußen bis zur Belastungsgrenze mit „nunmehr geradezu katastrophal zu nennendem Tiefstand“ 1990 (so Koselleck und Lepsius ans Ministerium). Dazu gehörten neben pauschalen Kürzungsauflagen nicht zuletzt ministerielle Maßnahmen wie die Einführung sog. aktualisierter, d. h. am jeweiligen Bewilligungsvolumen ausgerichteter und damit zwangsläufig sehr restriktiver Wirtschaftspläne (1989 ff.). Auch kam es infolge der baden-­württembergischen Politik unbedingter Vermeidung von Neuverschuldungen zeitweilig zu Mitteleinfrierungen auf dem Vorjahresniveau, eine Stagnation, die hin und wieder reale Mittelverluste bedeuteten konnte. Allein aus Geldmangel blieb es zudem noch für länger bei dem chronischen technischen Rückstand in der Verwaltungsausstattung des Arbeitskreises, die aus vergleichsweise jüngerer Zeit nicht viel mehr als ein Mikrofilmlesegerät mit Druckmöglichkeit (1978) und zwei IBM-Kugelkopfmaschinen (1978 bzw. 1981) umfasste. Noch im März 1994, nach dem Umzug der Geschäftsführung in andere Räume der Universität ­Heidelberg, Wisconsin an Conze, 21. 4. 1982 (KP 6, lf. S. 388); des Weiteren etwa PMV 20. 10. 1984 (PR 10), TOP 1, bes. 1c, Gespräch z­ wischen Conze/Engelhardt und Min.dirig. Schlau am 7. 3. 1985 (Gesprächsnotizen in KP 24, lf. S. 39), PMV 3. 5. 1985 (PR 10), TOP 1, PMV 28.4. 1988 (PR 12), TOP 1 (u. a. zu den Auswirkungen des ministeriellen Verlangens nach laufender ‚Aktualisierung‘ der Wirtschaftspläne), PMV 20./21. 10. 1989 (ebd.), TOP 1, dazu besonders auch Engelhardt an Koselleck, 11. 5. 1989 (KP 11, lf. S. 305) sowie Engelhardt-­ Rundbriefe, 24.5. und 22. 12. 1989 (KP 19, lf. S. 31/28) und Koselleck/Lepsius-­Schreiben an Min.dirig. Dr. Bläsi, 13. 2. 1990 (KP 26, lf. S. 208 f.), außerdem PMV 19.10. 1990 (PR 13), TOP 1, PMV 25. 10. 1991 (ebd.), TOP 1, PMV 23. 4. 1993 (ebd.), TOP 1, PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), TOP 3, PMV 19. 10. 1995 (PR 15), TOP 1 (besonders wegen außergewöhnlicher Minderausgabenzwang wegen allgemeiner Haushaltssperre). – Betr. Geräteausstattung der AKMS-Geschäftsführung: Engelhardt-­Rundbrief an die Mitglieder, 11. 3. 1994 (KP 19, lf. S. 16); vgl. u. a. PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 5 (noch immer ohne Fax und PC), auch PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 4 f. u. 6 sowie Engelhardt an Schieder und Graf, 15. 12. 1998 (KP 15, lf. S. 339). – Wegen der beiden ‚Planstellen‘ (Engelhardt/Heidelberg bzw. zunächst Josef Moser/Bielefeld, ab Juli 1980 Ingrid Gilcher/Heidelberg, ab Okt. 1989 Maurizio Bach/ Heidelberg, ab 1992 Rita Aldenhoff-­Hübinger/Heidelberg-­Freiburg, ab März 1995 Jürgen Mackert/Karlsruhe-­Berlin): außer dem Schriftwechsel mit dem Ministerium 1978 (KP 24, lf. S. 543 ff.) u. a. Conze-­Rundschreiben, 2.3./10. 11. 1978 u. 16. 1. 1979 (KP 19, S. 80 ff.; PMV 19. 5. 1978 (PR 6), TOP 1 u. 2, PMV 14. 10. 1978 (PR 6), TOP 5, PMV 15. 6. 1979 (ebd.), TOP 2e, im Übrigen die weiteren PMV u. die JVN. – Wegen der flexibel einsetzbaren, freilich nicht übertragbaren Forschungszuschüsse 1978/80 ff. ebenfalls die Jahresverwendungsnachweise und die PMV sowie die Detailaufstellungen 1978 – 1995/96 (HU 22), zudem u. a. Engelhardt-­Rundschreiben, 10. 1. 1980 (KP 19, lf. S. 71); speziell bezüglich Zuschuss für die Leipziger Zwahr-­Tagungen: PMV 25. 10. 1991 (PR 13), TOP 1b. Betr. die (vorläufig) weitere Tagungsträgerschaft der Reimers-­Stiftung (bei freilich nur noch 50 %iger Reisekostenübernahme seit 1994): u. a. v. Krosigk an Koselleck, 4. 5. 1994 (KP 22a, lf. S. 94 f.) bzw. PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 22.

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ließ sich die Zustandsbeschreibung kaum anders als karikierend formulieren: „[…] Welche technischen Fortschritte in dieser langen Spanne [von gut 35 Jahren] eingetreten bzw. an uns vorbeigegangen sind, kann [hier] vor Ort buchstäblich besichtigt werden: an den teilweise geradezu museumsreifen Büromaschinen und sonstigen Utensilien, die noch aus der Ära Stuke stammen. Im Zeitalter des (hier allerdings nicht vorhandenen) Computers erscheinen sie geradezu wie ehrwürdige Relikte aus der Frühphase der postindustriellen Kommunikations- und Informations­ gesellschaft.“ Ein Fax-­Gerät konnte erst 1998 angeschafft werden, eine büroeigene Computerausrüstung samt Laserdrucker und Scanner erst im Jahr danach. Gleichwohl brachte selbst das „Zeitalter der finanziellen Kürzungen“ (Jürgen Herbst, 1982) per saldo immerhin eine längere Phase relativer Spielraumerweiterung bis zum nominellen Hochstand von jeweils 295.500 DM i. d. J. 1992 – 1996. Sie ermöglichte seit 1978 für Forschungstätigkeit die Festschreibung von zwei ‚Planstellen‘, eine gem. BAT Ib, die andere – ab Mai 1994 mit Teilung in zwei halbe Stellen – gem. BAT IIa, mithin eine gewisse Verstetigung schon längst praktizierter Nachwuchsabsicherung. Hinzu kam ein gesonderter Haushaltsposten für allerdings jahresgebundene, somit nicht übertragbare Forschungszuschüsse. In seiner besten Zeit 1983 – 1992, d. h. vor nachfolgender Schrumpfung, belief er sich auf insges. 151.786 DM, also auf durchschnittlich 15.187 DM pro Jahr und erlaubte 1992 beispielsweise auch einen Zuschuss zu den Tagungen von Hartmut Zwahrs Leipziger Arbeitskreis Sozialgeschichte. In materieller Hinsicht, ganz wesentlich auch dank fortgesetzter Tagungsträger­ schaft der Reimers-­Stiftung, also einigermaßen entspannt, konnte man sich insofern eher unbeeinträchtigt der weiteren Arbeit widmen.

3.3 Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert – Innovative Erschließung eines weiteren sozialhistorischen Kernthemas (1981 – 1987) Dass Sozialgeschichte im lange dominanten Verständnis von Schichten- bzw. Klassenuntersuchung bislang vor allem als – wennschon immer ausgefeiltere und differenziertere – Unterschichten-, zumal Arbeiterhistorie betrieben wurde, erschien ja gerade aus der Sicht des Arbeitskreises mehr und mehr als wissenschaftlich allzu ambivalent: als zwar keineswegs bloß randständig, geschweige denn abwegig, aber zunehmend auch als reichlich ausschnitthaft. Sicherlich kam es dem Interesse des Kreises ressourcenmäßig durchaus entgegen, dass er im Stuttgarter Landtag gelegentlich sogar zur willkommenen Referenz diente, als die Landesregierung 1981 bei der Debatte über eine Große Anfrage der SPD-Fraktion ersucht wurde, „in der Weise einen Beitrag zur Erforschung der Sozialgeschichte zu leisten, dass gezielte Projekte

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zur Geschichte der Arbeiterschaft, der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften gefördert werden“.404 Doch Sozialgeschichte erschöpfte sich beileibe nicht in „social history from below“, schon gar nicht in bloßer „Geschichte von Arbeiterklasse und Arbeiterbewegung“, wie Conze 1982 mit Blick auf einen neuen Brennpunkt des Kreises unterstrich. Gleichwohl war die Aufmerksamkeit für andere Gesellschaftssegmente wie Adel und Bürgertum trotz zahlreicher Forscher vorerst noch deutlich geringer und nachrangig geblieben. Daher hatte Lepsius schon im Frühjahr 1978 den Mangel an zufriedenstellender Literatur etwa über das nachgerade vielberufene Bildungsbürgertum, speziell über die politische Rolle der Hochschullehrer beklagt und auf die Universitätsgeschichte als eventuellen Ansatzpunkt hingewiesen – ein Feld, das einige Mitglieder (zuerst Köllmann) umgehend zum Einstieg in die Geschichte der „Bürgerlichkeit“ nehmen wollten. Zugleich und dabei mit Bezug zumal auf die erhebliche Involvierung der K ­ irchen hatte Lepsius eine kategoriale Analyse des Aufbaus und Wandels von Deutungssystemen vorgeschlagen, um zu ermitteln, w ­ elche politisch-­gesellschaftlich wirksamen Ordnungsmodelle von wem und wie generiert wurden. Im einen wie im andern Fall enthielten diese Anregungen freilich den Keim zu einem potenziell tiefgehenden Dissens hinsichtlich Erkenntnisinteresse und Ausführungsakzenten. Kocka beispielsweise fand den zweiten Ansatzpunkt gewiss verlockend – doch primär insoweit man damit jene „Wirklichkeitsdimension“ erfassen wolle, die „als Teil von ‚Kultur‘ (im Sinne von ‚culture‘ wie in ‚working class culture‘), als ‚historisch-­anthropologische‘ oder auch ‚kulturanthropologische‘ Dimension und in anderer Weise“ thematisiert worden sei; eine Dimension also, die man „vielleicht zwar von Ökonomie, Politik und Sozialstruktur im engeren Sinne“ abgrenzen könne, aber unbedingt „in ihrer Verknüpfung und Interdependenz mit der Sozialstruktur im engeren Sinne“ betrachten solle („Bewusstseins-, Mentalitäts- und Kulturgeschichte im Kontext der Sozialgeschichte“). Lepsius hingegen sah in dergleichen eher eine Beschreibung komplexer, in bestimmten Bevölkerungsteilen als Subkulturen ausgeprägter Mentalitäten. Er zielte vielmehr auf Analyse kognitiver Wirklichkeitskonstruktionen, d. h. auf gedachte Ordnungen (im Sinne von E. K. Francis), auf spezifische normative Bilder „sozialmoralischer Ordnung“ samt deren politischer Institutionalisierung, und zwar unter Beachtung der „Produzenten und Agitatoren“ solcher Konstruktionen. Die Unterschiedlichkeit, wenn nicht Gegensätzlichkeit der Ausgangspositionen und Erwartungen erforderte einen ziemlich aufwendigen Klärungs- und 404 Dazu Engelhardt-­Notiz über eine telefonische Erkundigung des Wissenschaftsministeriums vom 13. 2. 1981 zur Beantwortung der SPD-Landtagsanfrage (KP 24, lf. S. 341, s. a. lf. S. 343). – Im Folgenden: Conze-­Brief an Henry Wassermann, 5. 4. 1982 (KP 8, lf. S. 254 f.); im Übrigen nach PMV 19. 5. 1978 (PR 6), S. 5 ff. (danach auch die wörtlichen Äußerungen).

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­ ntscheidungsvorlauf. Mit Rundschreiben, schriftlichen Stellungnahmen und sonsE tigen Korrespondenzäußerungen zog er sich einige Zeit hin.405 So gut wie unstrittig war die Ausrichtung auf den Leitaspekt Deutungsmuster, wobei Böckenförde die Herausarbeitung ihrer sozialen und politischen Funktionen „für den Gang der Gesellschaftsentwicklung und als Teil der Struktur moderner Gesellschaften (i. w. S.)“ auch wissenschaftspolitisch für wichtig hielt: „gerade um der beliebten – und im ­­Zeichen mancher Tendenzwende-­Erwartungen wieder aktuell werdenden – Gegenüberstellung von ‚Geistesgeschichte‘ und ‚Sozialgeschichte‘ entgegenzutreten“. Kocka wiederum sah überhaupt in der Öffnung hin zur Geschichte der „Mentalitäten, der Deutungsmuster, der sozio-­psychologischen Strukturen, der Symbole, der ‚Kultur‘“ einen gravierenden Prozess in der gegenwärtigen Sozialgeschichte in der Erweiterung (wie er mit Conze sagte). Dieser mehr und mehr spürbaren „Umakzentuierung“ von Interesse und Fragerichtungen als einem „international aufsteigenden Trend“ würde der Arbeitskreis, so Kocka damals, mit der neuen Thematik ähnlich wie schon bei Familie entsprechen: nicht zur Verdoppelung von Arbeiten oder zu unkritischer Übernahme von Moden, sondern zwecks Rezeption, Kritik, gegebenenfalls auch Modifizierung und hoffentlich Fortentwicklung. Nach nur erst „gewissen, aber noch keineswegs klar formulierten Übereinstimmungen“ (Conze) bei thematisch vorläufig noch offen gebliebenen Zugriffsmöglichkeiten 406 gelangte man ein Jahr ­später dann doch zu genaueren Festlegungen. Deren Richtung hatte sich verschiedentlich schon angedeutet. So waren bereits 1969 bei den Überlegungen zur modernen Welt als eins der nötigen Teilthemen Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Aufklärung – von der gelehrten zur gebildeten Welt (mit Vierhaus als Referent) in Betracht gezogen worden. Und die Sozialhistorie gerade auch auf die Bildungs- einschließlich Wissenschafts- bzw. Schulgeschichte „auszudehnen“, hatte Conze 1972 nicht allein für sich selbst als ein so dringliches Anliegen bezeichnet, dass ihm einige Bedenken, ob etwa ­Jeismanns große Gymnasialstudie überhaupt in eine sozialhistorische Schriftenreihe wie die 405 Zum Folgenden vor allem die Stellungnahmen in der Anlage zu Conzes Einladung vom 10.8. zur Herbsttagung 1978 (PR6): von Kocka (Original vom 22.5.78 in KP 5a, lf. S. 272 ff., s. a. 278 f.), von Borchardt (Original vom 22.6.78, ebd., lf. S. 56) und Böckenförde (Original vom 18.7.78, lf. S. 30) sowie von W. Schieder in der Anlage zum Conze-­Rundschreiben vom 26. 9. 1978 (Original vom 23.9.78 in KP 5, lf. S. 394 f.); außerdem Fischer an Conze, 30. 6. 1978 (KP 5a, lf. S. 136 f.) sowie PMV 14. 10. 1978 (PR 6), S. 5 f. – Zu dem mit Conze als Sozialgeschichte in der Erweiterung bezeichneten Sachverhalt rückblickend auch Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 12, 20 u. 28. 406 Conzes Sachstandseinschätzung: so in seinem Rundbrief vom 16. 1. 1979 (PR 6), S. 2. – Zur Frage besonders geeigneter Gegenstandsbereiche (Sozialgeschichte der K ­ irchen bzw. des Bürgertums bzw. in enger Beziehung dazu der Bildung/des Bildungswesens) vgl. TP 15. 7. 1979 (PR 6), S. 8 und JBR 1979 vom 18.9.79 (KP 22a, lf. S. 353 f.).

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des ­Arbeitskreises gehöre, „entschieden“ als „nicht stichhaltig“ vorgekommen waren. Und dass Sozialgeschichte der Bildung wie die des Bürgertums die besondere Aufmerksamkeit des Kreises beanspruchen und in Beziehung gesetzt werden müssten, gehörte beispielsweise auch für N ­ ipperdey längst zum programmatischen ceterum censeo.407 Ohnehin hatte sich die Optionenwaage seit Sommer 1979 zusehends in Richtung des bis dahin sozialhistorisch weitgehend unberücksichtigten Bürgertums als der „großen unbekannten Größe“ (Wehler) gesenkt. Dabei bevorzugte man wegen des Primärinteresses an Deutungsmustern und deren Produzenten mit Lepsius überwiegend erst einmal den Fokus gedachte (d. h. in sich konsistente, aber nicht normativ geschlossene) Ordnungen (sozialmoralische Leitideen) der bürger­lichen Gesellschaft bis zum 1. Weltkrieg.408 ­Worüber jedenfalls ­Wolfgang Schieder im Hinblick auf Vergleichbarkeit dann allerdings „nicht ganz so glücklich“ war, die zügige Eingrenzung auf das auch nach Kockas Befürchtung „sehr deutsche Phänomen“ Bildungsbürgertum, erfolgte im Frühjahr 1980 auf B ­ orchardts Vorstoß: um den laut Wehler so „amorphen“ Sammelbegriff Bürgertum unter Struktur- und Funktionsgesichtspunkten auf eine singuläre, wenn nicht die bedeutendste Teilformation hin zu konkretisieren.409 Zudem entschied man sich wiederum mit Lepsius für ein Bestimmungs- und Zuordnungskriterium, das nationalsprachlich n ­ eutral, d. h. von den besonders durch Koselleck herausgearbeiteten Präjudizien und Konnotationen des deutschen Sprachgebrauchs nicht belastet und g­ leichermaßen operationalisier­­ 407 Zu alldem (in der Reihenfolge der Erwähnung) das früher schon genannte Conze-­Rund­ schreiben vom 29. 7. 1969 betr. Moderne Welt bzw. Conze an Vierhaus,13. 7. 1972 (KP 4, lf. S. 508) und an Jeismann, 10. 10. 1972 (lf. S. 215) bzw. Nipperdey an Conze, 2. 1. 1973 (KP 5, lf. S. 331 f.). 408 Wehler-­Zitat: so an Conze, 19. 7. 1979, mit nachdrücklichem Plädoyer für „ein Thema zur Sozialgeschichte des Bürgertums“, mit dem Zusatz „und zwar des Bürgertums in den drei Bedeutungen: des Stadtbürgertums, des (meist akademisch geschulten) Bildungsbürgertums und der Bourgeoisie im Sinne handels- bzw. industriekapitalistischer Unternehmer“ (KP 8, lf. S. 275), dazu die Conze-­Zustimmung vom 23. 7. 1979: „Dreifache Sozialgeschichte des Bürgertums“ als „unsere nächste Großthematik“ (lf. S. 274) sowie TP Okt. 1979 (PR 6), S. 8 ff. u. PMV 5. 10. 1979 (ebd.), S. 4 ff. (S. 6 die zitierte Fokusbenennung von Lepsius; vorläufiges Arbeitsthema: Deutungsmuster der bürgerlichen Gesellschaft/des Bürgertums bis zum 1. Weltkrieg); andererseits, nämlich zum konzeptionellen Dissens ­zwischen Kocka und Lepsius schon im Vorfeld, u. a. W. Schieder an Conze, 20. 9. 1978 (KP 5, lf. S. 394 f.) und den betreffenden Conze-­Rundbrief vom 26. 9. 1978 (lf. S. 396 f.). 409 Zitate: W. Schieder – mit dem Zusatz „eine recht deutsche Einschränkung“ – an Conze, 2. 7. 1980 (KP 8, lf. S. 144 f.) bzw. Kocka an Rolf Thorstendahl/Uppsala, 3. 5. 1982 (KP 7, lf. S. 244 ff.); vgl. u. a. TP März 1982 (PR 8), S. 10 (Nipperdey). – Für Henry Wassermann/ Israel etwa war das „‚Bildungsbürgertum‘ […] the most important single social group and the source of most of the economic, social and economic [sic!] changes occurring in other social groups“ (an Conze, o. D. [April oder Mai 1982], KP 8,lf. S. 253).

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wie i­ nternationalisierbar ist: nämlich alle ökonomisch „fremdalimentierten“, sprich: weder kaufmännisch noch unternehmerisch tätigen Bildungs­vermittler; auch einigte man sich demgemäß auf den Arbeitstitel Das ‚Bildungsbürgertum‘ und seine Entsprechungen in europäischer Perspektive, bald dann einfach ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich.410 Nicht nur für Conze verband sich mit dieser Wahl zugleich auch einmal so etwas wie ein überfälliger und gleichsam kompensierender Schwenk von der „meist betriebenen Sozialgeschichte ‚von unten‘ […] mehr [zu] einer Betrachtung der Sozialgeschichte ‚von oben‘“ (was jedoch mitnichten heißen sollte, dass man das „liebe kleine Proletariat satt hat“, wie Wehler beiläufig spöttelte). Und als Ausgangsbasis des großen Projekts diente eine erste, betont systematisch-­analytische Skizze zu kategorialer „Ortung“ und sozialhistorisch-­ soziologischer Erschließung der nunmehr ins Auge gefassten Erscheinung. Logischerweise stammte sie aus der Feder von Lepsius und veranlasste einen der besten Sachkenner, den umgehend in aller Form hinzugezogenen Mandarin-­Forscher Fritz K. Ringer/Boston kurz darauf zu dem Kompliment, dass diese „Formulierungen über das Bildungsbürgertum mich sehr beeindruckt haben“. Ausgehend also von der hypothetisch-­heuristischen Gegenstandsbestimmung von Bildungsbürgertum als überwiegend professionalisierten und staatlich alimentierten Bildungsvermittlern mit höheren Bildungspatenten behandelte man seit der „‚Zugangs‘-Tagung“ (Conze) vom März 1981 in einer ersten Sequenz (I–V) vor allem drei Komplexe: a) semantische Entsprechungen für Bildungsbürgertum (als Bezeichnung „spezifisch deutsch“, mit educated class/educated middle class und dergleichen „nicht präzis“ übersetzbar, wie Conze ausländischen Mitarbeitern wiederholt einräumte); b) Ausformung einzelner Berufsgruppen/-profile, rechtliche und ökonomische Laufbahnbedingungen sowie Struktur bzw. Strukturwandel der Alimentierung; c) Prozesse der Professionalisierung, d. h. der modernisierungsbedingten Entstehung und ­Entwicklung sog. akademischer Berufe in ­Verbindung mit dem Ausbau des 410 Dazu PMV 26. 4. 1980 (PR 6), S. 7 f. u. JBR 1980 vom 30.9.80 (KP 22a, S. 315 ff.); nachfolgender Conze-­Kommentar: so (mit Bezug auf das Thema Bildungsbürgertum) an W. H. G. Armytage/Sheffield, 22. 9. 1980 (KP 6, lf. S. 15 f.); spöttische Bemerkung ­Wehlers: TP März 1981 (PR 7), S. 18. – Betr. weitere Vorberatungen: PMV 25. 10. 1980 (PR 7), S. 5 ff.; Conze-­Rundbrief vom 11. 12. 1980 (PR 7) mit Vorschlägen für eine mögliche Tagungsfolge und einer brieflichen Stellungnahme von Fischer, 28. 10. 1980 (s. KP 6, lf. S. 262 f.) als Anlage sowie einer ersten, noch vorläufigen Lepsius- Skizze zur Problematik des ‚Bildungsbürgertums‘ (mit Schema zur „vereinfachten klassifikatorischen ‚Ortung‘“) vom Nov. 1980 als Hauptanlage; dazu Ringer an Conze, 1. 7. 1981 (KP 8, lf. S. 88 ff.), s. a. schon Borchardt an Conze, 22. 12. 1980: „[…] sehr eindrucksvoll“ (KP 6, lf. S. 113). – Zur Aufnahme und Entwicklung des Kontakts zu Ringer vgl. Conze/Ringer-­Briefwechsel seit 9. 2. 1981 (KP 8), s. a. Conze-­Rundschreiben vom 29. 5. 1981 (PR 8), ferner PMV 9. 11. 1985 (PR 10), S. 4.

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Berechtigungswesens.411 Ob man sich, wie vor allem Nipperdey zwischendurch meinte, bei dieser vorerst beherrschenden Zentrierung um die Komplexe Bildungssysteme bzw. Professionalisierungsvorgänge mehr und mehr vom anvisierten Betrachtungsobjekt Bildungsbürgertum entfernte oder nicht – grosso modo jedenfalls wurde der methodisch erfolgversprechendste, womöglich gar einzig zielführende Weg eingeschlagen: die Ermittlung funktionaler Äquivalente und dabei feststellbarer nationaler Unterschiede. Leitend war die Frage nach der Identifizierbarkeit des Bildungsbürgertums als einer sozialen Einheit. Dazu getestet wurde zunächst insbesondere der analytische Erschließungsgehalt des keineswegs unumstrittenen Professionalisierungsbegriffs (für Vincent Clark als einen der beteiligten Spezialisten eins der wichtigen Instrumente bei der Erforschung der „history of the middle classes“ nun auch in Deutschland, wo übrigens aus seiner Sicht „even the socially-­oriented work of Hans-­Ulrich Wehler and others […] remains political history“).412 Auf diese Weise kam man alsbald „gewissermaßen in Fahrt“ (Conze), eine Fahrt indessen, die mehr denn je Interdisziplinarität erforderte und erheblich länger andauerte als anfänglich erwartet. Für das Gesamtprojekt sah man eine dreiteilige Periodisierung vor: außer dem zeitlichen Schwerpunkt bei der – so eine Conze-­typische Formulierung – „Periode der Bewegung und der bürgerlichen Gesellschaft“ (vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert, eventuell bis zum Zweiten Weltkrieg) auch Ausblicke bis in die Gegenwart; zuvor zwecks Langfristperspektive den von Otto Gerhard Oexle angebotenen und durchgeführten Rückgriff in die alteuropäische ‚Vorgeschichte‘ (vom 13. ­Jahrhundert bis in die frühe Neuzeit), 411 Conze-­Zitate: so in dem schon genannten Rundbrief vom 11. 12. 1980. bzw. – zur semantischen Problematik – Brief an Ivan Waddington/Leicester, 14. 12. 1981 (KP 8, lf. S. 247 f.), vgl. u. a. Briefe an Sheldon Rothblatt/Berkeley, 23. 9. 1981 (KP 9, lf. S. 287 f.) und an Clyde Binfield/Sheffield, 20. 9. 1982 (KP 6, lf. S. 78 f.) sowie Conze-­Eröffnung der 2. Tagungsphase: TP März 1984 (PR 11), S. 2, dort auch zum Interdisziplinaritätsbedarf gerade bei Bildungsbürgertum, s. a. Conze an Jäger, 8. 11. 1982 (KP 7, lf. S. 3 f.). – Zum Folgenden TP März 1981 (KP 7) und PMV 14. 3. 1981 (ebd.); TP Okt. 1981 (KP 8) und PMV 24. 10. 1981 (ebd.); TP März 1982 (ebd.), bes. S. 25 f. und 32 f., PMV 25./26. 3. 1982 (ebd.), S. 9 f.; TP Okt. 1982 (PR 9), bes. S. 17 ff.; s. a. JBR 1981 vom 21.9.81 (KP 22a, S. 272 ff.) und JBR 1982 vom 6. 10. 1982 (ebd., S. 250 ff.), zudem Engelhardt an Roy Lowe/Birmingham, 1. 9. 1982 (KP 7, lf. S. 449 ff.). 412 So im „Prospektus meiner [kalifornischen] Dissertation“, per Kopie an Conze geschickt, 20. 11. 1981 (s. KP 6, lf. S. 173 ff., hier: 175). – Folgende Conze-­Formulierungen („Fahrt“ bzw. „Bewegung“): Brief an Konrad H. Jarausch/Columbia, 16. 11. 1981 (KP 7, lf. S. 17 f.) bzw. PMV 24. 10. 1981 (PR 8), S. 8 f.; zum Oexle-­Aufriss auch schon PMV 14. 3. 1981 (PR 7), S. 6; zum Einstieg via Bildungssysteme und Professionalisierungsprozesse s. a. TP Okt. 1985 (PR 10), S. 2 (Conze); zur selbstkritischen Problematisierung von Verfahrensschritten während der ersten Tagungsphase, speziell des Professionalisierungsbegriffs, vgl. bes. PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), S. 10 f. (Lepsius/Nipperdey) und TP März 1983 (ebd.), S. 2 (Conze) u. 12 f. (Lepsius, Kocka, Wehler).

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um Ursprungskonstellation und Ausprägung der Bildungsschicht seit der Epochenschwelle um 1200 nicht zu vernachlässigen. In einer zweiten Tagungsphase ab März 1984 (VI –X) ging es dann um eine „mehr kulturgeschichtliche“ und stärker empirisch angereicherte Betrachtung des Gegenstands, wozu nun auch eine deutlicher strukturierende Planungskommission aus Conze, Kocka, Koselleck und Lepsius zusammentrat, die für die weitere Behandlung einen annotierten Katalog von Themengruppen und eine Neufassung des Grundlagenpapiers vorlegte. Dabei wurden zwar nicht erstmals, durch Lepsius aber pointierter als zuvor die Initialfaktoren für das Projekt benannt: inhaltlich die mit dem Etikett Bildungsbürgertum gemeinhin verknüpfte Annahme einer deutschen Besonderheit mit erheblicher Bedeutung für die deutsche politische Kultur samt Erklärbarkeit eines spezifischen politischen Verhaltens der bildungstragenden Schichten aus deren politischer Kultur; fächerstrategisch das geradezu fordernde Ausgreifen der Sozialhistorie auch auf „Kulturobjekte“, also auf traditionell außerhalb ihrer Kompetenz rangierende Untersuchungsbereiche, um dadurch die Sozialhistorie aus ihrer sektoralen Begrenzung auf Klassen- bzw. Ständegeschichte zu lösen und ihren Anspruch zu „universalisieren“ als eine methodische, auf alle Gesellschaftserscheinungen anwendbare Perspektive. Auch von daher konnte somit gelten, was Conze am Ende der ersten Tagungsphase meinte: dass bis dahin kein anderes Arbeitskreisprojekt so anspruchsvoll „vorgedacht“ worden sei.413 Die anschließende Durchführung konzentrierte sich auf die drei großen Themen­blöcke, wie sie in den Untertiteln zur späteren Publikationsfolge umrissen wurden: nach Bildungssystem und Professionalisierung (Federführung bei Conze und Kocka) nun also Bildungsgüter und Bildungswissen (Federführung bei Koselleck), Lebensführung und ständische Vergesellschaftung (Federführung bei Lepsius) sowie Politischer Einfluss und gesellschaftliche Funktion (Federführung bei ­Wehler). Nicht weniger als zwölf Tagungsfolgen, also gut sechs Jahre währten die methodologisch wie inhaltlich meist hochkompetenten Erörterungen mit einer Facettenvielfalt, die hier nicht einmal angedeutet werden kann. Auch kam es fast ununterbrochen zu mehr oder minder starkem Missbehagen über Lücken bzw. Desiderata beim 413 Zitat: so – noch prospektiv u. m. d. W. des TP Okt. 1981 (PR 8), S. 2 – Conze bei Eröffnung der Herbsttagung 1981; vgl. PMV 14. 10. 1981 (PR 8), S. 7, s. a. TP März 1982 (ebd.), S. 12 f .− Zur Einrichtung der Planungskommission (ursprünglich auch Nipperdey vorgesehen, dann aber wegen Auslandsreise verhindert) und zur Erörterung der beiden Papiere T ­ hemen für die [weitere] Behandlung des ‚Bildungsbürgertums‘ (zusammengestellt von Lepsius) bzw. Skizze zur Problematik des ‚Bildungsbürgertums‘ (verfasst von Lepsius zwecks Fortführung und Ergänzung seines ersten Thesenpapiers vom Nov. 1980): PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), S. 12 u. bes. TP März 1983 (ebd.), S. 24 ff. (S. 30 die erwähnte Conze-­Meinung). – Speziell zur unten erwähnten Manöverkritik z. B. PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), S. 10 ff. (besonders Lepsius) u. TP Apr. 1985 (PR 11), S. 8 f. (Lepsius).

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­ etrachtungstableau und über diese oder jene Unzulänglichkeit in der VerfahB rensweise bis hin zu manchmal massiver Manöverkritik. Ob angesichts zentraler Aspekte wie der Eingrenzung eines stark selbstreflexiven Begriffs von Bildung als kodifiziertem Teil der universal verfügbaren Wissensbestände samt Hypostasierung zu regelrechter ‚Bildungsreligiosität‘; ob etwa bei der zweiseitigen Suche nach aktiver Einwirkung von Frauen auf die Gesellschaftsformation Bildungsbürgertum wie auch umgekehrt: nach deren Prägekraft für Frauen; ob gar bei der ja so multidimensionalen Ausschau nach gesellschaftlichen Funktionen und politischen Rollen des Bildungsbürgertums einschließlich darin womöglich aufspürbarer Elemente eines deutschen ‚Sonderwegs‘– von Mal zu Mal trat in den Vordergrund, was Koselleck halb scherzhaft als „sozialhistorische Erpressung“ gegenüber dem idealtypischen Leitkonzept bezeichnete: die skeptische Überlegung, ob bzw. inwieweit dem theoretischen Konstrukt namens Bildungsbürgertum auch eine soziale Realität entsprach, also nicht etwa das Odium einer bloßen ‚Kopfgeburt‘ von ex post analysierenden Historikern und Sozialwissenschaftlern (Kocka) anhaftet.414 Gewiss ließ vor allem Lepsius nicht davon ab, immer wieder zu vergegenwärtigen und beinahe beschwörend darauf zu bestehen, dass das Ausgangs- und Konstitutivinteresse an d ­ iesem Gegenstand ein eminent methodisches sei, also darauf ziele, mit ­welchen Mitteln man das sog. Bildungsbürgertum sozialhistorisch in den Griff bekommen könne, ohne sich in Positivismus zu erschöpfen oder gar impressionistisch zu verfahren und obendrein „in der Idyllik [zu] enden“.415 Aber bis in die letzte Tagungsfolge, bei der man die „Reflexionsmaschine“ bewusst ohne Gastteilnehmer, somit ganz „intern laufen“ ließ (Koselleck), dominierte letztlich eben immer wieder die Frage nach dem sozialen bzw. politischen „Realitätsgehalt“. Das schloss selbst bei teilweise großen Vorbehalten gegenüber jedem I­ nsistieren auf 414 Dazu etwa TP Mai 1985 (PR 10), besonders S. 8 f. die Koselleck-­Überlegungen zu ‚Bildungsreligiosität‘ bzw. die Methodendebatte S. 3 ff., bes. S. 7 (Kocka) und 12 ff. (Lepsius/ Nipperdey); TP Nov. 1985 (PR 10), S. 2 ff. und 8 ff. (Koselleck-­Rückblick am Ende der Tagungsfolge, dabei auch die scherzhafte Äußerung) bzw. S. 11 ff. (Lepsius-­Einführung zum 2. Tagungsteil); TP Apr. 1986 (PR 11), besonders S. 3 f. (Nipperdeys Betrachtungen zum Prozedere) und S. 8 f. bzw. 14 f. (Lepsius’ analytisch-­kategoriale Rekapitulationen bzw. seine Überlegungen zur zentralen Bedeutung des jüdischen Bildungsbürgertums); TP Okt. 1986 (PR 11), besonders S. 2 ff. (Kockas Ausführungen zu der aus erkenntnistheoretischer Sicht freilich überzogen kontradiktorisch formulierten Einführungsfrage Bildungsbürgertum – gesellschaftliche Formation oder Historikerkonstrukt?) bzw. S. 10 ff. (Lepsius’ erneute Darlegung der analytischen Dimensionen und daraus resultierender Fragestellungen). 415 Dazu auch PMV 23./24. 10. 1986 (PR 11), S. 14 u. besonders TP Apr. 1987 (ebd.), S. 2 ff.; Lepsius-­Zitat: PMV 4. 4. 1986 (ebd.), S. 8 f. – Bezüglich Realitätsgehalt vor allem die Referate von Kocka und Mommsen: TP Apr. 1987 (PR 11), S. 30 ff. bzw. 40 ff.; Koselleck-­Diktum: S. 2.

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„analytisch harten Kategorien“ (Koselleck) allerdings nicht aus, dass die Hauptinnovationsleistung auf methodisch-­theoretischem Gebiet erbracht wurde (was übrigens ein durchaus wohlwollender FAZ -Bericht damals kaum verstand): die Erfassung des in der Tat, wie ein externer Interessent meinte, „ja schwer in den Griff“ zu bekommenden Gegenstands nicht allein mit den gewohnten Kategorien und Rastern zur Beschreibung sozialer Gruppen, sondern durch schon im Ansatz idealtypisch-­klassifikatorische Kennzeichnung. Gelang doch bis in eine begriffs- und dogmengeschichtliche Begleitstudie die Identifizierung des Bildungsbürgertums als eine spezifische Form ständischer Vergesellschaftung im Sinne Max Webers, d. h. als eine Art Überformung der heterogenen ökonomischen Lagen und klassenmäßigen Interessendifferenzierungen; als soziale Einheit mit Binnenhomogenität wie Außenabgrenzung via gemeinsames Bildungswissen mit bemerkenswert lange akzeptiertem Anspruch auf universale Weltdeutungs- wie Sinnstiftungskompetenz und daraus abgeleitetem Verlangen nach gesellschaft­ licher Sonderschätzung.416 Solche Merkmalsbestimmung ermöglichte dann auch die periodisierende Eingrenzung auf die Zeitspanne von der Formierung seit dem späten 18. Jahrhundert bis zum Zerfall der faktischen Interessenhomogenität und zu fortschreitender Problematik seiner Weltanschauung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert; mithin die Überwindung der analytischen Konturlosigkeit, die dem Begriff unvermeidlich eignet, wenn er auf letztlich unspezifische Habituserscheinungen fixiert bleibt (wie freilich bis heute gängig). Dieser insgesamt erhebliche Ertrag spiegelte sich bald auch in dem im Grunde stark vom Arbeitskreis stimulierten, wennschon auf den Gesamtkomplex Bürgertum ausgedehnten Bielefelder Forschungsprojekt Bürger, Bürgerlichkeit und bürgerliche Gesellschaft (1985 ff.);417 zudem in einem deutsch-­französischen Kolloquium über Bürgertum [in Frankreich und Deutschland] im 19. Jahrhundert/La ­bourgeoisie au XIX siècle, das Hartmut Kaelble am 17./18. 10. 1988 als „Sondertagung“ des 416 Dazu bes. die o. g. Lepsius-­Skizze vom März 1982 einschließließlich TP März 1983 (PR 9), S. 24 ff. (zugehörige Erläuterungen); außerdem schon TP März 1982 (PR 8), S. 34 f. ­(Lepsius), TP Okt. 1982 (PR 8), S. 20 ff. (Lepsius, Kocka, Oexle); s. a. TP März 1984 (PR 11), besonders S. 3 ff. (Koselleck-­Einleitung), PMV 30. 3. 1984 (PR 10), S. 6 f., TP Apr. 1987 (PR 11), S. 2 ff. (Lepsius-­Referat), außerdem Engelhardt, Bildungsbürgertum (1986). – Zum erwähnten FAZ-Bericht über die Abschlusstagung: Nr. 89,15. 4. 1987, S. 35, Art. Bürgerbildung von Gustav Seibt; Äußerung eines interessierten Beobachters: so Nikolaus Meier vom Kunstmuseum Basel in einem nicht datierten Brief, Kopie als Anlage zum Nipperdey-­ Brief vom 24. 1. 1986 an Conze (KP 7, S. 568 f.). 417 Zum Ergebnis vor allem Jürgen Kocka, Bürger und Bürgerlichkeit im 19. Jh., Göttingen 1987; s. a. Wehler, Kampfsituation, S. 96 u. ö., bemerkenswerterweise indessen ohne jeden Hinweis auf den AKMS – ganz im Unterschied zu Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 24 f.; vgl. u. a. schon Kocka an Conze, 28. 10. 1985 bzw. Conze an Kocka, 18. 11. 1985 (KP 7, lf. S. 196 f.).

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Arbeitskreises in Bad Homburg veranstaltete.418 Gleichwohl lag es nicht nur am frühzeitigem Willen zur Fortplanung, sondern angesichts von letztendlich nicht weniger als zwölf Tagungsfolgen auch an einer gewissen Ermüdung, wenn Conze gut ein Jahr vor Abschluss an Veränderung dachte: „Unter uns“, d. h. Borchardt gegenüber, meinte er, dass „die ‚Bildungsbürgerei‘ schon ein wenig zu lange dauert“ und deshalb die Gefahr berge, dass „wir uns […] von der Sorge befreit fühlen könnten, was denn danach kommen könnte und was aus dem Arbeitskreis in Zukunft werden soll“. Die gesprächsweise geäußerte – nicht etwa bloß ironisch gemeinte – Vorstellung Wehlers, so Conze weiter, „in Konsequenz unserer ‚aufsteigenden‘ Linie“ nun zu Sozialgeschichte des Adels überzugehen, hielt er für keine unbedingt sinnvolle Wegweisung. Was ihm dagegen vorschwebte, zielte nicht zum wenigsten wieder auf zeithistorische Aktualität und passte zugleich unverkennbar in den weltanschaulichen Rahmen seines eigenen wissenschaftlichen Interesses an der modernen Industriegesellschaft: dass „wir uns als Historiker dem uns alle [!] bedrückenden Problem des beschleunigten (technisch und wirtschaftlich bedingten) sozialen Wandels von ‚1950‘ bis über unsere Gegenwart hinaus zuwenden sollten“ – wobei er ausdrücklich auch an die Bevölkerungstrends seit den 50er Jahren dachte, die mit den für frühere Phasen ja schon einmal behandelten „Umoder gar Abbrüchen [!] der Familienverfassung“ zusammenhingen. Von dermaßen „lohnenden Fragestellungen“ sollten Historiker seiner Meinung nach keineswegs die Finger lassen, denn, so die letztlich auch wissenschaftsdisziplinär gewendete Begründung: „historisch gerichtete Analysen könnten hilfreich sein, um die fachspezifischen Trennungslinien zu überbrücken“.419 418 Finanzierung: WRS (Bad Homburg), Maison des Sciences de l’Homme (Paris) u. Programme franco-­allemand du CNRS (Paris); Referent/inn/en: Christophe Charle (Paris), Anne-­Martin-­Fugier (Paris), Michel Hau (Straßburg), Hartmut Kaelble (Berlin), Michelle Perrot (Paris), Hannes Siegrist (Berlin/Bielefeld), Rudolf von Thadden (Göttingen); weitere Teilnehmer/inn/en: Louis Bergeron (Paris), Hinnerk Bruhns (Paris), Gérald Chaix (Göttingen), Alain Corbin (Paris), Patrick Fridenson (Paris), Katrin Geyer (Bremen), Heinz-­ Gerhard Haupt (Lyon/Bremen), Yves Lequin (Paris), Wolfgang Mager (Bielefeld), Sylvie ­Schweitzer (Lyon), Dominique Saint-­Martin (Paris). – Dazu u. a. Rundschreiben von Engelhardt, 7. 4. 1987 (bei den Protokollunterlagen in PR 11), Punkt 2; PMV 23. 10. 1987 (PR 11), S. 4 sowie KP 11, lf. S. 159 ff., 171 f. u. 175 ff. die betreffende Korrespondenz K ­ aelble/ Engelhardt mit Programm, Liste der Eingeladenen und Kaelbles Konferenzbericht in AHFInformationen Nr. 3, 23. 2. 1989 (Kaelble an Engelhardt, 26. 10. 1988: „[…] von allen Teilnehmern als ein Erfolg angesehen“) u. S. 183 f., Kaelble an Koselleck, 23. 9. 1989 (dezentrale Publikation in Frankreich und Deutschland vorgesehen); s. a. JBR 1988 vom 29. 11. 1988 (KP 22a, lf. S. 183). 419 So am 30. 10. 1985 an Borchardt (KP 6, lf. S. 96 ff.). – Den Wehler-­Vorschlag Adelsgeschichte (dazu auch sein Brief an Conze, 13. 3. 1986, KP 8, lf. S. 262: „[…] wichtiges Desideratum“)

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3.4 Soziale Vorbedingungen und Folgen wirtschaftlicher Wechsellagen oder Der große Boom der 1950er/60er Jahre – Reakzentuierung ökonomischer Dimensionen (1987/88) Was Conze nach eigenem Bekunden hier „ganz inoffiziell, persönlich, gewissermaßen tastend“ ventilierte, behielt er kurz danach in der nächsten Mitgliederversammlung noch für sich bzw. reduzierte er dort auf bloße Bekanntgabe der Wehler-­Anregung Adel.420 Damit löste er eine Welle recht verschiedenartiger ­Alternativvorschläge fand übrigens Winkler sehr einleuchtend, und zwar unter bes. Berücksichtigung der „Rolle von vorindustriellen Eliten in industriellen Gesellschaften“ (so an Conze, 5. 2. 1986, KP 8, lf. S. 283 f., s. a. KP 7, lf. S. 26), Tenfelde hingegen „nicht für sich überzeugend, wenngleich dort sicher viel zu machen wäre“ (so an Conze, 18. 3. 1986, KP 8, lf. S. 215). 420 Dazu und zum Folgenden: PMV 9. 11. 1985 (PR 10), S. 5 ff.; Tenfelde-­Zitat: Brief an Conze, 19. 2. 1986 (KP 8, lf. S. 216). – Erste, mehr oder minder spontane Vorschläge (neben Adel), mitgeteilt auch via Conze-­Rundschreiben vom 3. 3. 1986, dort explizit zur Vermeidung von „Präjudizierungen“ unter Verzicht auf eigene Vorrangangabe (PR 11, auch KP 19, lf. S. 44): Kommunalentwicklung im weiteren Sinne einschließlich Infrastrukturproblemen und dergleichen seit der Weimarer Zeit (Mommsen) bzw. generell Urbanisierung im 20. Jh. (Köllmann, ebenso Geyer und Kaelble) bzw. „Kommunalverfassung, Kommunalpolitik“ (so Conze an H. Mommsen, 27. 1. 1986, KP 7, lf. S. 531) bzw. „Urbanisierung u. Kommunalgeschichte, möglichst vergleichend, d. h. nicht allein auf Deutschland bezogen“ (so im Conze-­Rundschreiben vom 3. 3. 1986) als gemeinsamer Plan von Mommsen und Köllmann (so Mommsen an Conze, 9. 1. 1986, KP 7, lf. S. 535 f., vgl. u. a. KP 10, lf. S. 42 ff.: Bausinger an Conze,18. 3. 1986), in Tenfeldes Augen wegen laufender und kommender Projekte auf diesen Feldern jedoch nur mit „wenig forschungsstrategischen Vorteilen“ verbunden (so an Conze, 18. 3. 1986). Sozialpolitische Folgen des wirtschaftlichen Booms seit 1949, kurz: „Der Boom, 1949 – 1973“ (Kaelble, dazu sein Brief an Conze mit kurzem Exposé, 24.2. 1986, KP 7, lf. S. 23 ff.) bzw. „Soziale bzw. sozialpolitische Folgen des Booms nach 1949“ (so im Conze-­Rundschreiben vom 3. 3. 1986). Struktur/wandel und politisch-­soziale Funktionen der mittel- und westdeutschen Militärverfassung (Koselleck) bzw. „Militärsozialgeschichte, wie auch immer konkretisiert“ (so Conze an Mommsen, 27. 1. 1986) bzw. „Militärverfassung, Heer und Gesellschaft“ (so im Conze-­Rundschreiben vom 3. 3. 1986, mit inhaltlichen Erläuterungen von Conze), dafür „an zweiter Stelle“ (nach Adel) auch Wehler (Brief an Conze, 13. 3. 1986, KP 8, lf. S. 263) sowie Tenfelde: „[…] sehr erwägenswert“ (so an Conze, 18. 3. 1986). Komparative Analyse der 68er Konstellation nach zwanzigjährigem Abstand oder aber EG und westeuropäische Einheitsproblematik im historischen und sozialstrukturellen Zusammenhang (Lepsius). Dies auch Präferenz von Kocka: „[…] am spannendsten“ (so an Conze, 2. 12. 1985, KP 7, lf. S. 200), befürwortet auch von Winkler: „[…] sehr attraktiv“ (so an Conze, 5. 2. 1986, KP 8, lf. S. 283 f., s. a. KP 7, lf. S. 26), in bemerkenswerter Engführung durch Conze: „[…] bundesdeutsche Universitätskrise und Studentenproblematik“ (so an Mommsen, 27. 1. 1986) bzw. „Die Konstellation von ‚1968‘. Vergleichende Analyse der Universitäts- und Studentenkrise, im Vergleich zu einem oder mehreren außerdeutschen

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aus. Einigkeit bestand zunächst lediglich in Einem: den von Langewiesche vorgebrachten Gedanken an Fortführung des Bürgertumthemas über den Aspekt Bildungsbürgertum hinaus nicht aufzugreifen, sondern diesen Gegenstand an Kocka mit dem schon erwähnten Projekt im Bielefelder Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZIF) zu „verkaufen“ (wie Lepsius salopp empfahl), sich nun also lieber mit Anderem zu befassen. In ­diesem Sinne sprach Tenfelde fast erleichtert und erwartungsvoll geradezu von der „Zeit, die nach dem Bildungsbürgertum kommt“. Dafür gelangten bis zum Frühjahr 1986 in einem lebhaften Gedankenaustausch drei gänzlich verschiedene, aber gleichermaßen wieder auf Innovationsanstöße bedachte und möglichst international-­komparativ angelegte Themenoptionen in die engere Wahl: Militär- und Gesellschaftsverfassung (Vorschlag: Koselleck, Planung: Conze), trotz der beträchtlichen Implikationen bislang sozialhistorisch nahezu ignoriert, nach Wehlers Auffassung vom Arbeitskreis aber auch dann nicht zu scheuen, wenn bei ihm noch eine Generation überwiege, die „mit dem Barras die schlimmsten Erinnerungen verbindet“; soziale und politische Folgen des Wirtschaftsbooms seit 1949 (Vorschlag: Kaelble, Planung: Kaelble, evtl. mit Braun und Borchardt), ein höchst folgenreicher Vorgang der Nachkriegsgeschichte, der eine perspektivische Erweiterung auch in Richtung auf eine Sozialgeschichte Europas erlaube (Lepsius); Ausprägung, Bedingungen und Ursachen der Geschlechterunterschiede in Relation zu anderen Differenzierungslinien (Vorschlag und Planung: Kocka), eine bedeutende Thematik, die bei Konzentration auf den Relationsgesichtspunkt ein echtes „Initiationsprojekt“ abgeben könne (so Koselleck) und nicht nur endlich vom zünftigen „Establishment“ aufgenommen, sondern auch aus ihrer emanzipationspolitischen Verkürzung durch die angelaufene Frauenhistorie gelöst werden müsse (so Lepsius).421 Ländern“ (so im Rundschreiben vom 3. 3. 1986); schließlich Trendwenden in der wirtschaftlichen und sozialen Bevölkerungsentwicklung des 19 .und 20. Jh. (Borchardt, dazu sein Brief an Conze mit Erläuterungen, 21. 2. 1986, KP 6, lf. S. 93 ff.), dafür an dritter Stelle (nach Adel) und mit Anregung zur Kombination mit dem Vorschlag Kaelble auch Wehler (Brief an Conze, 13. 3. 1986, KP 8, lf. S. 263). Im Übrigen zwecks erneuter Aufarbeitung der „seit dem ersten Band des Arbeitskreises über den Vormärz so reich entfalteten Forschung zur 1. Hälfte des 19. Jh. unter einer spezifischen Fragestellung“: „Politische Stagnation, wirtschaftliche Innovation und soziale Differenzierung ­zwischen 1800 – 1850/70“ (so Conze, mit Bezug auf „gemeinsame Gespräche“ mit Lepsius und Engelhardt, in einer Anlage zu seinem Rundschreiben vom 3. 3. 1986); ferner: vergleichende Sozialgeschichte des Judentums (Schieder, PMV 4. 4. 1986, S. 9). 421 Dazu PMV 4. 4. 1986 (PR 11), S. 9 ff., s. auch Kocka an Engelhardt, 16. 4. 1986 (KP 10, lf. S. 257); Wehler-­Zitat: so an Conze, 13. 3. 1986 (KP 8, lf. S. 263), Koselleck-­Äußerung: so ­später in der MV vom Herbst 1986 (PMV 23./24. 10. 1986, S. 6). – Zur sozialhistorischen Wichtigkeit insbesondere der Frauengeschichte allgemein etwa Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 21.

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Noch ehe die Meinungsbildung abgeschlossen werden konnte, starb Werner Conze Ende April 1986 völlig unvermittelt an den Spätfolgen einer Kriegsverletzung. „Wie schwer der Verlust ist und wie imposant die Aktivität, die Übersicht, die Sensibilität auch, von Herrn Conze bis zuletzt war, darüber bedarf es z­ wischen den Mitgliedern […] ja keiner Verständigung“, so beispielsweise Bausingers Reaktion.422 „‚Seinen‘ Arbeitskreis „lebendig zu erhalten, war sein Wunsch, und er hatte die Hoffnung, er sei in sich so gefestigt, dass er auch nach seinem Ausscheiden weiterbestehen werde“, schrieb Lepsius, seit neun Jahren 2. Vorsitzender und plötzlich interimistischer Alleinvorstand, in einem Rundbrief. Nun also kam alles darauf an, die Aussicht auf fruchtbare Fortführung nicht zu beeinträchtigen oder gar zu verbauen, wobei die Existenzfähigkeit „noch stärker als bisher von dem Interesse und dem Willen seiner Mitglieder“ abhing, wie Lepsius unterstrich. Dass die für ihn „selbstverständliche Prämisse“ einer unverminderten Fortsetzung keinen Moment in Frage stand, machte die so unversehens aufgekommene Nachfolgefrage zwar nicht zur bloßen Formalie. Gab die tiefe Zäsur doch Anlass zu ­kurzen Überlegungen über denkbare Veränderungen der Vorstandszusammensetzung (etwa über turnusmäßigen Vorsitzwechsel). Sie mündeten aber in Beibehaltung der bisherigen Duokonstruktion mit einem Historiker als primus inter pares: naheliegenderweise nun Reinhart Koselleck. Und nach dessen praktisch einhelliger Wahl zu Conzes Vorsitznachfolger erhielt dann die Entscheidung über das nächste Schwerpunktthema besondere Dringlichkeit.423

422 Brief an Engelhardt, 30. 5. 1986 (KP 10, lf. S. 38); im Folgenden: Lepsius-­Rundschreiben vom 5. 5. 1986 mit beigefügter Kopie der Todesanzeige des AKMS in der FAZ (KP 19, lf. S. 42 f.) bzw. Lepsius-­Rundschreiben vom 9. 10. 1986 (PR 11, bei den Protokollunterlagen zur Herbsttagung 1986) mit erneuter Betonung der kontinuierlichen Innovationsabsicht des Kreises und mit Auflistung von insgesamt elf Punkten, d. h. der bereits in Betracht gezogenen Themenmöglichkeiten plus Erweiterung um neue, und zwar in mehrfacher Beziehung: nicht nur zur „Ausdehnung eines Themas auf außerdeutsche Entwicklungen“, sondern gezielt auch zwecks „Thematisierung eines europäischen Problems als solchem“ bzw. Veranstaltung von Sondertagungen mit Sozialhistorikern anderer Länder „unter spezifischen methodischen Fragestellungen“, jedoch über den Kreis der westdeutschen Kollegen hinaus auch zwecks „Kontaktvertiefung mit den Sozialhistorikern aus der DDR […] und den Ostblockländern (in methodischer Hinsicht)“. – Zur einstimmigen Erstwahl von Lepsius 1977 als 2. Vors. trotz „gewisser“ Eigenvorbehalte: PMV 7. 10. 1977 (TP 17), TOP 4a (dort besonders die Begründung von Conze); s. auch Th. Schieder an Conze, 23. 9. 1977 (KP 5a, S. 541 ff., hier 543) u. Conze an Th. Schieder, 29.9. u. 11. 10. 1977 (lf. S. 547 f.). 423 Hier und im Folgenden ach PMV 23./24. 10. 1986 (PR 11), S. 2 (Lepsius zu denkbaren Veränderungsmöglichkeiten nach Conzes Tod) u. 4 f. (Diskussion darüber und Koselleck-­Wahl bei Kandidaturablehnung von Kocka, Lepsius, Schieder und Wehler) bzw. S. 5 ff. u. 14 f. (Programmdebatte mit nochmaliger Erweiterung der Themenagenda).

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Mit der Bemerkung, dass der Kreis in seinen bislang drei Jahrzehnten nur sechs große Schwerpunktthemen erörtert habe, also künftig in kürzeren Behandlungsphasen mehr in Angriff nehmen sollte, wies Lepsius im Herbst 1986 in eine Richtung, die freilich nicht so gemeint war, wie Wehler es befürchtete: jetzt etwa thematisch die „Büchse der Pandora“ zu öffnen.424 Wohl ließ man noch einmal ein breites Spektrum prospektiver ­Themen Revue passieren und setzte unter Hinzunahme von Sozialgeschichte der Massenmedien (Lepsius) und Bedingungen für Gelingen oder Scheitern von Verfassungsstaaten unter spezieller Berücksichtigung supranationaler Konstellationen (Grimm, Lepsius) nunmehr sogar fünf Komplexe auf die mittelfristige Agenda. Eine Empfehlung zu tagungsmäßig organisierter Verstärkung des Kontakts zu DDR-Historikern (Lepsius) samt dem Gedanken an womöglich gemeinsame Bearbeitung der DDR-‚Vorgeschichte‘ (Mommsen, Geyer) wurde jedoch nicht weiter verfolgt – nach Kockas Einwand, dergleichen lasse sich leichter auf der Ebene des Historikerverbands realisieren als von Seiten des Arbeitskreises, der in der DRR ein problematisches Image habe. Priorität als nächster Schwerpunkt erhielt per saldo erst einmal das Konjunkturthema: unter dem durch Borchardt vorläufig formulierten Arbeitstitel Zerfall und Aufbau von Ordnungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Wechsellagen. Generell sollten dabei sozialökonomische Vorbedingungen, Implikationen und Auswirkungen wirtschaftlicher Prosperität bzw. Boomphasen problematisiert werden, speziell auch die Legitimierung von Ordnung durch Wirtschaftserfolg. Auf Fischers Empfehlung wurde die Formulierung dann geändert in Soziale Vorbedingungen und Folgen wirtschaftlicher Wechsellagen, wobei die Frage nach gegenseitigen Einflüssen ­zwischen solchen Wechsellagen und Elementen der sozialen wie politischen Ordnung im Vordergrund stand.425 424 Nach ebd., S. 5 ff. u. 14 f., s. auch Engelhardt an v. Krosigk/WRS, 31. 10. 1986 (KP 22a, lf. S. 206); zur Reformulierung und weiteren Gestaltung des neuen Schwerpunktthemas PMV 3. 4. 1987 (PR 11), S. 7 f. – Auf die unten genannte erweiterte Agendaliste kamen im Lauf der Diskussion außerdem noch Sozialgeschichte des Dritten Reichs (Kocka, Schieder), Sozialgeschichte der Kommunikation i. w. S. (Tenfelde). 425 Im Folgenden (einschließlich wörtlich wiedergegebener Äußerungen) nach TP 22. – 24. 10. 1987 (PR 11) und PMV 23. 10. 1987 (ebd.), S. 6 (Lepsius-­Kritik an mangelnder Berücksichtigung des seiner Meinung nach bemerkenswerten methodisch-­systematischen Angebots von Siegenthaler) und TP 21. – 23. 4. 1988 (PR 12), besonders S. 2 ff. (Kaelbles Einführung in Fragestellungen usw.), s. a. Kaelble an Koselleck, 20. 10. 1987 (KP 11, lf. S. 157 f.) und JBR 1988 vom 29. 11. 1988 (KP 22a, lf. S. 181 f.); Fischer-­Zitat: so schon im Brief vom 6. 4. 1987 an Carl-­Ludwig Holtfrerich (KP 10, lf. S. 131 f.); vgl. außerdem PMV 22. 4. 1987 (PR 12), S. 7 (betr. Kaelble-­Projekt einer Ergänzungstagung zu wirtschaftlichen Wechsellagen im März 1989 in Paris zwecks vergleichender Betrachtung des sozialgeschichtlichen Umbruchs der 1950er/1960er Jahre in England, Frankreich und Italien), dazu auch Kaelble an Engelhardt, 31. 3. 1988 (KP 11, lf. S. 169 f.).

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Dass der Arbeitskreis nunmehr, so Koselleck bei Eröffnung der Herbsttagung 1987 (Federführung: Fischer und Pollard), zuvor nicht sonderlich beachtete Dimensionen aus dem Bereich der Ökonomie aufnahm, wertete auch Borchardt als erfreuliches Anzeichen: Zu einer Zeit, in der die Wirtschaftswissenschaft zu den großen ­Themen der ökonomischen Entwicklung zurückkehre, solle man ihre Ansätze mit den auch für andere Disziplinen, insbesondere für die Geschichtswissenschaft sehr relevanten Denkanstößen aufgreifen. Nach der langen Beschäftigung mit zweifellos hochinteressanten, doch überwiegend sozial- und geistesgeschichtlichen Gegenständen, also „weit weg von der Ökonomie“, könne es – so seine Hoffnung – den „theoriegeleiteten“ Historikern des Kreises eventuell gelingen, durch Öffnung für die neueren Entwicklungen der Wirtschaftstheorie wie für die Tendenzen und Ergebnisse der Wirtschaftsgeschichte neue Perspektiven für neue Theorien zu gewinnen: etwa im Licht von Mancur Olsons Beschäftigung mit dem Problem der Stabilität bzw. Instabilität von Gesellschaften bzw. gesellschaftlichen Regelsystemen. Vor allem darum drehten sich denn auch die Referate und Debatten über wirtschaftliche, soziale und politische Voraussetzungen von Konjunkturen, mit anderen Worten: über Wechselwirkungen ­zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, meist bezogen auf konkrete, aber regional wie zeitlich sehr unterschiedliche historische Betrachtungsfälle. Zumal die zweite Tagungsfolge im April 1988 (Federführung: Kaelble) mit Blick auf den großen Boom der 1950er und 1960er Jahre stand unter der Leitfrage, ob sich währenddessen und daher in diversen europäischen Ländern tiefgreifende, bis in die Gegenwart anhaltende säkulare Wandlungen der Gesellschaftsstrukturen und Lebensweisen durchsetzten. Inwiefern die Befassung mit Ökonomischem dabei innerhalb des Kreises allerdings an eine gewisse Voraussetzung gebunden war, hatte Fischer schon deutlich gemacht, als er bei der Anwerbung externer Referenten mitgeteilt hatte, dass viele Mitglieder „keine Wirtschaftshistoriker, sondern eher soziopolitisch interessiert“ ­seien: „Wir sollen ihnen zwar etwas Ökonomisches bieten, aber doch so, dass sie sich nicht nur von uns belehren lassen, sondern für ihre Interessen Anknüpfungspunkte finden […].“ Gar bei Hansjörg Siegenthalers ungewohnt grenzgängerischen Darlegungen über Soziales Lernen und Strukturwandel in handlungstheoretischer Perspektive ging man bloß bedingt aufeinander ein. Unbeschadet aller Einzelerkenntnisse kam so auch unter dem Strich im Grunde nur heraus, was Koselleck bereits nach der ersten Tagungsfolge bilanziert hatte: dass das vielberufene Theoriedefizit zwar „mal wieder auf dem Tisch“ lag, die Probleme aber nicht gelöst, wenngleich „spannender“ wurden. Strittig blieb nicht allein die engere Frage, ob der Boom die Ursache sozialer Veränderungen war oder ob es sich umgekehrt verhielt. Vielleicht unvermeidlich offen blieben erst recht auch übergreifende Überlegungen wie die von Koselleck: etwa sein Gedanke, ob die ökonomische Th ­ eorie nicht doch Erklärungsmodelle der Sozialhistorie ohne Kennzeichnung der Differenzen zu ihren

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eigenen E ­ rklärungsmodellen übernehme und somit, zugespitzt formuliert, „immer noch Riese gegen Marx debattieren“ lasse; oder seine Betrachtung speziell der ökonomischen Handlungstheorie aus geschichtstheoretischer Sicht und deren Konsequenzen für die Interpretation aller Geschichtserfahrung; oder gar seine radikale Folgerung, ob mit dem handlungstheoretischen Ansatz letztlich nicht die gesamte objektivierbare Wissenschaft in Frage gestellt werde. Dass also gerade die methodologischen und wissenschaftstheoretischen Implikationen dieser bedeutenden Thematik nicht viel mehr als ansatzweise zur Geltung kamen, spiegelt sich bis ins Schicksal der ursprünglichen Publikationsabsicht: Eigentlich sollte auch diesmal so bald wie möglich ein Tagungsband erscheinen. Doch da dieser bei einer Begrenzung auf die Homburger Beiträge kaum publikationswürdig geworden wäre, hat man schon bald und erstmals auf eine eigene Publikation verzichtet – zugunsten eines zwar von Kaelble edierten, aber völlig externen Sammelbands, der überwiegend aus einer Forschungsgruppe an der Freien Universität Berlin hervorging und nur noch drei der dreizehn Referate berücksichtigte.426 Auch insofern brachte die Exkursion in die Ökonomie eine zwiespältige Erfahrung, die eine Rückkehr in vertrauteres Terrain im Effekt wohl begünstigte, wenn auch nicht veranlasste. Ohnedies freilich war man ja stets einem „gewissen Rhythmus z­ wischen gegenwartsbezogenen und weiter zurückgreifenden Th ­ emen“ (Winkler) gefolgt und neuerdings auch zu deutlich kürzeren Behandlungsspannen übergegangen, somit zu viel frühzeitigerer Programmplanung. Längst vor Abschluss der beiden Boom-­Tagungen fiel daher die Entscheidung für jenen ganz andersartigen Schwerpunkt, dem unmittelbar vor Conzes Tod ja noch keine Priorität eingeräumt worden war.

426 Hartmut Kaelble (Hg.), Der Boom 1948 – 1973. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa, Opladen 1992 (= Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin, Bd. 64), vgl. besonders die Hinweise S. 32 und 35; im Übrigen: PMV 28. 4. 1989 (PR 12), S. 6 f. und PMV 20./21. 10. 1989 (PR 12), S. 6, mit Bezug auf einen Kaelble-­Brief vom 17. 10. 1989 an ­Koselleck bzw. Lepsius-­Brief vom 23. 10. 1989 an Kaelble (vgl. überhaupt die betreffende Korrespondenz ­zwischen Kaelble und Koselleck/Lepsius/Engelhardt vom Okt./Nov. 1989 in KP 12, S. 587 – 594). – Zum nachfolgend angesprochenen „Rhythmus“: so Winkler an Conze, 5. 2. 1986 (KP 8, lf. S. 284).

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3.5 Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950 – Neubestimmung eines scheinbar konventionellen Gegenstands (1988/89) Speziell freilich auch die wirtschaftshistorischen Aspekte neben den soziokulturellen zur Geltung kommen zu lassen, lautete der ausdrückliche Wunsch Kockas, als man im Herbst 1987 auf Fischers Anstoß zum nächsten Generalthema wählte, was ja Wehler auf die Agenda gebracht hatte und als einen „vielerorts vernachlässigten, jedoch hochinteressanten Gegenstand“ einstufte: die Sozialgeschichte des Adels seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Generell zielte das auf den Wandel der angestammten Führungspositionen während und seit der Transformation zur Indus­triegesellschaft, also auf den Übergang des Adels vom privilegierten traditionalen Herrschaftsstand zur regionalen und staatlichen Funktionselite. Unterschiedlich waren lediglich die Akzente: Für Lepsius etwa sollte es dabei letztlich um ­Konstanz bzw. Veränderung der nichtindustriellen Patrimonialstrukturen gehen, nach Kosellecks Vorstellung primär um die Rolle des Adels im Wandel der Führungsfunktionen bei der Ausformung der Industriegesellschaft.427 Von der Mitgliederversammlung mit der Ausarbeitung eines Programmentwurfs beauftragt, legte Wehler dem Vorstand Anfang Februar 1988 als „roten Faden die Frage nach Konstanz und Veränderung, nach Kontinuität und Diskontinuität“ nahe, und zwar im Hinblick auf „vier Dimensionen“: die rechtliche und politische Stellung der verschiedenen Adelsformationen in neun ausgewählten Ländern; ihre Position im „Gefüge der Sozialstruktur“ der jeweiligen regionalen und nationalen Gesellschaften; die ökonomische Lage und deren „z. T. atemberaubender Wandel“; zudem „Fragen der kulturellen Hegemonie, des kulturellen Einflusses, des sozialnormativen Vorbilds, der symbolischen Nutzung des politischen Vorsprungs usw.“ Damit wollte er erreichen, dass nicht jeder der zugezogenen Experten „nur das Lieblingsthema seiner regionalen Besonderheiten und Abartigkeiten behandelt“.428 Im April 1988 legte er dann ein entsprechend strukturierendes Raster vor, wobei man sich vorschlagsgemäß für einen Versuch zur Komprimierung auf nur zwei 427 Wehlers Gegenstandseinstufung: Rundschreiben an alle Beteiligten, 1. 7. 1988 (KP 11, lf. S. 573 ff.). – Zur Vorgeschichte besonders PMV 23.10. 1987 (PR 11), S. 5 f. 428 So mit Bezug auf das „allgemeine Frageraster“ in seinem brieflichen Vorschlag an Koselleck und Lepsius, 9. 2. 1988 (KP 11, lf. S. 591 ff.); in der ersten Tagungsfolge sprach er dann von der Absicht, die „Liebhaber des historischen Individualitätsprinzips etwas an die Kandare zu legen“ (TP Okt. 1988, S. 3). – Zum Folgenden: Wehlers ausgearbeitete Rastervorgabe Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950, verschickt an alle Referenten und AKMS-Mitglieder am 13. 4. 1988 (KP 11, lf. S. 577 ff.), s. auch sein oben genanntes Schreiben vom 1. 7. 1988 an alle Beteiligten, zudem TP Apr. 1988 (PR 12) u. PMV 22. 4. 1988 (PR 12), S. 6.

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Tagungsfolgen und für einen ländergeschichtlich-­regionalen Zugriff mit Längsschnittanalysen entschied. Nach diesen Vorgaben wurde dann auch vorgegangen, als man mit der Herbsttagung 1988 zur Sache kam und dabei übrigens das seitdem ständig angewandte „dezentralisierte Verfahren“ (Wehler) wechselnder Diskussionsleitung praktisch einführte.429 Zur Eröffnung ließ Lepsius einen Teil der bisherigen Themenwahl bzw. Publikationstätigkeit mit ebenso belustigter wie belustigender Selbstironie Revue passieren. Versicherte er doch den mehr oder minder verdutzten Gastteilnehmern, dass die vom Tagungsprogramm in der Außenwahrnehmung womöglich hervorgerufene Vorstellung täusche: Keineswegs sei der Arbeitskreis etwa ein „feudaler Verein“, der sich im Wesentlichen mit Adelsgeschichte befasse. Vielmehr habe er sich langsam von den Arbeitern der Maschinenfabrik Esslingen über die Handwerker zum Bürgertum „hochgearbeitet“ und nach jahrelangen Debatten über das Bildungsbürgertum nun den Adel erreicht, mithin die Spitze der Stratifikationsleiter erklommen – sofern man sich nicht auch noch mit „Filmschauspielern und Millionärssöhnen“ beschäftige, was bei entsprechendem Anstoß nicht auszuschließen sei. Damit bot er dem Initiator Wehler sozusagen eine Steilvorlage, um Bedeutung und Gewichtigkeit des neuen Betrachtungsobjekts umso eindrücklicher zu unterstreichen: Für die Zeit seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, so Wehler, müsse man per saldo ein Forschungsdefizit konstatieren, das sich schwer erklären lasse. Denn ­zwischen 1750 und 1950 vollziehe sich die „tiefgreifende und schließlich ‚tödliche‘ Transformation einer Machtelite“, die sich, mit regionalen Abweichungen, rund ein Jahrtausend an der Spitze der gesellschaftlichen Hierarchie gehalten habe und eine exzeptionelle Konsistenz aufweise. Dafür finde sich in außereuropäischen Kulturen, abgesehen von Japan, keine Entsprechung, weshalb man die tausendjährige Adelstradition gemäß Max Weber schon fast zu den Eigenarten des Okzidents rechnen könne. Mit dieser Perspektive und den bereits genannten vier „Dimensionen“ ging es dann an die einzelnen Referate, wobei sich freilich schnell bemerkenswerte Differenzen über den methodischen Zugriff zeigten. Wie zu erwarten, wollte Lepsius nämlich auch das Phänomen Adel erst einmal analytisch bestimmt wissen, wozu er weniger auf die Binnendifferenzierungen als auf die Gemeinsamkeiten abhob, weil die Einheit einer heterogenen Statusgruppe nur in der Fremdwahrnehmung erkennbar sei, d. h. in den dort zu findenden und teilweise das Selbstbild prägenden normativen Elementen. Den Sachverhalt Adel überhaupt behandlungsfähig und vergleichbar zu machen, so Lepsius, erreiche man nicht über phänomenologische 429 Zitat: so Wehler an Koselleck und Lepsius, 25. 10. 1988 (KP 11, lf. S. 553 f.); zum Folgenden TP Okt. 1988 (PR 12), bes. S. 2 ff., 8 u. 11 ff. (danach auch alle wörtl. angeführten Äußerungen); s. a. JBR 1988 (KP 22a, lf. S. 182 f.).

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Beschreibungen, sondern nur durch Fokussierung auf fünf Gesichtspunkte: die mit dem Feudalismus verbundene politische Verfassung und deren Modifikationen bis hin zur Auflösung des Feudalismus als politischem Strukturprinzip; die ökonomische Situation (im Wesentlichen Grundbesitz mit doppeltem Rentenbezug) und die ökonomisch determinierten Unterschiede; von beidem analytisch klar zu trennen: Erfassung des Adels als einer spezifischen Funktionselite samt Ermittlung ihrer Rekrutierung und jeweiligen Bedeutsamkeit; auf derselben Ebene: Analyse des Adels unter dem Blickwinkel der ‚Ungleichheit‘ (Einkommensverteilung, Privilegienstruktur), z. B. in Situationen der Selbst- und Fremdabhebung des Adels als Statusgruppe auch nach Verlust wirtschaftlicher oder rechtlicher Privilegien; somit Bestimmung der Statusgruppe Adel nicht so sehr nach den auch anderswo anzutreffenden Kriterien von Statusgruppenkultur, sondern nach spezifischen Kriterien wie dem „untypisch elaborierten Verwandtschaftssystem“ der Adelsfamilie. Nur wenn man all das, so Lepsius’ Folgerung, analytisch auseinanderhalte und nicht gleich synthetisch zusammennehme, habe man eine Chance auf Vergleich. Inwiefern dies im Kontrast selbst zu sozialwissenschaftlich durchaus methodenbewussten Vorstellungen auf Historikerseite stand, zeigte sich exemplarisch am Einspruch Kockas: Auch wenn die Lepsius-­Vorschläge vieles für sich hätten, enthöben sie die Geschichtswissenschaft nicht der Aufgabe, die Größe Adel in Wahrnehmung und Sprachgebrauch der Zeit zu erfassen, wobei die von Lepsius genannten Dimensionen nicht nebeneinander, sondern in Konkurrenz zueinander stünden. Sie zu trennen und sich auf eine, beispielsweise auf die ökonomische zu konzentrieren (wie es dann in einem Referat noch aus DDR-Sicht geschah), erlaube zwar einen analytisch schärferen Adelsbegriff, gehe aber nur um den Preis der Ausklammerung anderer Dimensionen. Gleich weiteren Plädoyers für Einbeziehung verschiedener Bestimmungsebenen traf ­dieses Argument letztlich jedoch kaum die methodische Kernfrage, die Lepsius aufgeworfen hatte und in anderer Version aufrecht erhielt: Wenn man den Adel als Produkt einer historisch spezifischen politischen Verfassung einschließlich damit verbundener ökonomischer Struktur ansehe und seine Fortexistenz auch nach Liquidierung der grundlegenden Verfassungsform zu erklären versuche, benötige man eine Adelskategorie, die nicht identisch sei mit derjenigen, die den Verfall beschreibe. Deswegen empfehle sich eine „duale Strategie“, schlage er also vor, mit Elite und Statusgruppe zwei Analysedimensionen in Betracht zu ziehen, die es ermöglichten, noch den durch politische Verfassungsreform an sich verschwundenen Adel in seiner sozialen Geltung und Prägung zu identifizieren. Dieses Spannungsverhältnis ­zwischen den Auffassungen durchzog im Grunde alle Einzeldebatten, in denen beispielsweise nicht zuletzt darüber nachgedacht wurde, ob bzw. mit w ­ elchen Auswirkungen der Adel als „politische Klasse“ (Winkler) die Umbruchverhältnisse um 1850 überdauerte. Ausnahme blieb zwar

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die ­erkenntnistheoretisch völlig unbedarfte Aufforderung, „Soziologismen“ zu meiden und „von der Quelle auszugehen, nicht von Ma(r)x Weber“ (Günter Barudio). Doch die von Wehler am Ende angeführten Teilannäherungen bei Vorgehensweise und Hauptaspekten mochten wohl sein Fazit decken, dass historische Adelsforschung und Webers Herrschaftssoziologie „enger aneinandergerückt“ ­seien, konnten aber den Kongruenzmangel bei den methodischen Vorstellungen nur partiell ausräumen. Dass Adel wie Bürgertum oder Unterschichten sich nicht als abstrakte Größe erfassen lassen, sondern – gleichviel, ob nach Besitz-, Privilegien- oder Elitekriterien – stets nur per Funktionsbestimmung, die den Gegenstand als Teil einer Gesamtgesellschaft definierten; dass folglich Klarheit gewonnen werden müsse, ob man Funktionselite als systematische oder historische Kategorie verwenden wolle – auch d ­ ieses gleichsam vermittelnde Koselleck-­Argument änderte nicht viel an der methodischen Grundfrage.430 Für die weitere Behandlung schloss das sehr facettenreiche und bisweilen geradezu spannende Sacherörterungen nicht aus, beispielsweise hinsichtlich der umstrittenen These von der Verbürgerlichung des Adels und/oder umgekehrt bzw. hinsichtlich der schwierigen Erklärung für manche Adelsaffinitäten zu extremem Nationalismus, völkischem Denken und bis zu einem gewissen Grade auch zum Faschismus bzw. Nationalsozialismus. Doch was immer im Detail jeweils zur Debatte stand, die anhaltende Diversität der Ansätze entzog auch typologisch aufschlussreiche und selbst sachlich handfeste Befunde zu oft der Vergleichbarkeit. Das dadurch aufgekommene Unbehagen brachte ­Koselleck ohne Umschweife zum Ausdruck: Wolle man nicht in einem positivistischen Konglomerat stecken bleiben, komme es entscheidend darauf an, den Positionswandel des Adels als Führungselite systematisch zu verfolgen.431 Das erforderte mehr als additiv auch diachrone Langzeitbetrachtungen der Hauptentwicklungslinien seit dem Mittelalter, wie sie zwar schon früh vorgesehen, mit einschlägig historisch-­ typologischen Referaten (Oexle und Dilcher) aber gewissermaßen erst nachgeliefert wurden. Zu d ­ iesem Zweck gab es dann im Herbst 1989 entgegen der Anfangsplanung eine dritte Tagungsfolge, die zudem eine Art Set von generellen Kriterien zur Abgrenzung der Adelswelt im 19. Jahrhundert (Braun) bot und überdies einem komprimierten Fazit (Wehler) dienen sollte. So kam es noch zu lebhaften und anregenden Diskussionen, etwa über die Reichweite mentalitätsgeschichtlicher Zugriffe oder der Weber’schen Herrschaftssoziologie oder über die Bedeutung des soziokulturellen Kapitals für die Platzierung des Adels. 430 Hier u. im Folgenden nach TP Apr. 1989 (PR 12), bes. S. 3 f. (Koselleck) u. 11 f. (Lepsius); s. a. JBR 1989 vom 27. 10. 1989 (KP 22a, lf. S. 167). 431 Dazu PMV 28. 4. 1989 (PR 12), S. 8; zur 3. Tagungsfolge schon PMV 21. 10. 1988 (PR 12), S. 8, hauptsächlich aber TP Okt. 1989 (PR 12), bes. S. 2 ff., 5 ff., 8 ff. u. 10 f., s. a. JBR 1989 vom 27. 10. 1989 (KP 22a, S. 167).

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Insgesamt jedoch hielt sich der Eindruck, dass mehr „offene Probleme“ angesprochen als ernsthaft vergleichbare Antworten gegeben wurden; dass somit wegen der Heterogenität der Beiträge nur bruchstückhaft zustande kam, was ursprünglich beabsichtigt war: eine komparative und primär sozialhistorische Analyse einer spezifischen politischen Kräftekonstellation im Zeitverlauf. Und sozusagen schon unterwegs hatte sich der Fall abgezeichnet, der tatsächlich eintrat und Nipperdey zu dem vorsorglichen Rat veranlasst hatte, gegebenenfalls auf eine gesonderte Publikation zu verzichten: Die Minderheit der systematisch angelegten Beiträge (Braun, Dilcher, Oexle und Reif ) konnte die „sehr krassen Qualitätsunterschiede“ (Wehler) nicht wettmachen. Lepsius sprach das unumwunden aus, wenn er folgerte, er sehe keine Möglichkeit zu einem Tagungsband mit Problemfassung auf der Höhe der bisherigen Arbeitskreisprojekte, d. h. mit exemplarischer Entfaltung einer neuen Fragestellung. So gab es schließlich zum zweiten Mal, allerdings ohne den sonst üblichen Regelbeschluss der Mitgliederversammlung, nur eine Teilveröffentlichung außerhalb der eigenen Schriftenreihe,432 was Koselleck bald danach als missliche Publikationslücke in der Gegenstandssequenz Arbeiter bzw. Handwerker – Bürgertum – Adel bedauerte.

3.6 Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert – Zur Integration sozialgeschichtlicher Religionsforschung (1990) Nach dieser bis heute letzten Ad-­hoc-­Beschäftigung mit Sozialgeschichte von Schichten und Klassen wandte sich der Kreis einem zwar ganz andersartigen, in Deutschland aber bis dahin sozialhistorisch ebenfalls sehr unzulänglich beachteten Komplex zu. Auch er stand ja schon seit geraumer Zeit auf der Vormerkliste, wiederholt in Erinnerung gebracht durch Wolfgang Schieder, der zumal 1977 bereits nahegelegt hatte, sich „einmal an eine religionsgeschichtliche Thematik“ zu machen, also beispielsweise an eine sozialhistorische Überprüfung der soziologischen Säkularisierungsthese.433 Vorerst noch mit wechselnden Kennworten, d. h. mal mit Religion und 432 Hans-­Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750 – 1950, Göttingen 1990 (GuG, Sonderheft 13). – Zur Publikationsfrage (in ihrer Problematik übrigens bei Wehler, Kampfsituation, S. 124 geschickt umgangen): PMV 28. 4. 1989 (PR 12), S. 7 bzw. 8; PMV 20./21. 10. 1989 (PR 12), S. 9; s. a. Lepsius an Wehler, 14.9.199 (KP 11, lf. S. 545) und 2. 8. 1990 (KP 13, lf. S. 470), außerdem PMV 19. 10. 1990 (PR 13), S. 4. 433 Brief an Conze, 23. 9. 1977 (KP 5a, lf. S. 543 f.), vgl. schon Brief vom 8. 10. 1974 (lf. S. 561 f.). – Im Folgenden nach PMV 21. 10. 1988 (PR 12), S. 9; PMV 28. 4. 1989 (PR 12), S. 8 f., mit vorläufiger Themenliste für 1 – 2 Tagungen; PMV 20./21. 10. 1989 (PR 12), S. 9 f. (dort auch

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­Kirche, mal mit ­Kirche und Gesellschaft belegt, lautete das Projekt schließlich Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Dass gerade dies als nächstes an die Reihe kam, hatte den einfachen Grund, dass es bei Federführung durch Schieder unter den anstehenden Agendathemen am zügigsten zu realisieren war. Solcher Pragmatismus schloss nicht aus, was man bei den Adelstagungen eben nur unzureichend beachtet fand, nämlich gleich mit einer systematischen Betrachtungsweise zu beginnen, statt „hinterher [zu] versuchen, eine Problemstellung zu akzentuieren“ (Lepsius). Bereits in Schieders erstem Programmentwurf vom Frühjahr 1989 wurde die vieldimensionale Thematik durch relativ weitgehende Ausklammerung von im engeren Sinne rein kirchlich-­institutionell verfasster Religiosität von vornherein eingegrenzt auf die „historischen Schnittflächen von kirchlicher und nichtkirchlicher Religion“ (Schieder), somit der Gefahrenzone bloßer „[Kirchen-]Vereinsgeschichte“ (Lepsius) entrückt. Zudem erhielt sie auf Anregung vor allem von L ­ epsius und Koselleck sogleich einen ganz bestimmten Zuschnitt: In der Hauptsache nämlich wurde sie ausgerichtet auf den mehr oder minder offenen Schwund bis Verlust des traditionalen Weltdeutungs- und Sinnstiftungsmonopols der christlichen ­Kirchen. Er war Ausdruck, wenn nicht Folge des Aufstiegs sozialhistorisch fassbarer außer- oder parakirchlicher Bewegungen, die bei aller Abkehr von transzendentaler Selbstlegitimierung doch mit einem Erlösungsanspruch und -angebot antraten, der zur Fortdauer des Denkens in religiösen Kategorien erheblich beitrug. Die Konzentration auf diese Aspekte äußerte sich auch in der Beschränkung auf nur zwei Tagungsfolgen (womit freilich nicht nur beiläufig vermieden werden sollte, sich zu lange von womöglich noch stärker interessierenden ­Themen abhalten zu lassen). Ausgehend von der Feststellung, dass die landläufige Säkularisierungsthese mit ihrer Vorstellung einer rapiden Entchristlichung oder zumindest Entkirchlichung als religionsgeschichtlichem Signum des 19. Jahrhunderts zu eindimensional sei, orientierte man sich heuristisch an der eher gegenteiligen These: dass Religion im 19. Jahrhundert eben keineswegs bloß ein „defizitärer Modus im Säkularisierungparadigma“ (Schieder) gewesen, sondern neben Staat und Kultur im Sinne Jacob Burckhardts sogar eine der großen „historischen Potenzen“ geblieben sei, Religion und Gesellschaft also wieder intensiver in Beziehung gesetzt werden müssten.434 Von zur Begrenzung auf zwei Tagungsfolgen); s. a. Lepsius an Schieder, 24. 10. 1988 (KP 11, lf. S. 441) bzw. 24. 10. 1989 (KP 13, lf. S. 521 ff.) sowie JBR 1989 vom 27. 10. 1989 (KP 22a, lf. S. 168) und JBR 1990 vom 23. 11. 1990 (lf. S. 154 ff.); zu Vorbereitung und Planung der Religionstagungen und zu den inhaltlichen Aspekten auch die Schieder-­Korrespondenz mit Koselleck bzw. Lepsius bzw. Engelhardt 1989/90 (KP 13, lf. S. 234 ff.). 434 Dazu und zum Folgenden: TP Apr. 1990 (PR 13), besonders S. 2 ff. (Einleitung von ­Schieder) und S. 16 f. (Kontroverse Graf/Kocka und Wehler); PMV 27. 4. 1990 (PR 13), S. 8 f. (zum weiteren Prozedere); TP Okt. 1990 (PR 13), bes. S. 5 f. (Differenz Kocka und Lepsius/

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daher verfolgte man bei der ersten Tagung im April 1990 zunächst die komplexen Wechselwirkungen ­zwischen katholisch bzw. protestantisch-­kirchlicher oder doch kirchennaher Religiosität und gesellschaftlichem Wandel. Dabei wurde z. B. nicht nur darüber gestritten, ob nicht sogar der konservative Flügel des Protestantismus wichtige gesellschaftspolitische Modernisierungspotentiale besaß, sondern ob der Modernisierungsbegriff inhaltlich überhaupt eine hinreichende Präzision aufweise, um ein brauchbares Analyseinstrument abzugeben (Kontroverse Graf/ Kocka und Wehler) – eine Überlegung, die dann bei der analogen Frage nach der Anwendbarkeit der Professionalisierungskategorie auf die katholische Geistlichkeit wiederkehrte (Differenz z­ wischen Kocka und Lepsius einerseits, Schieder andererseits). Problematisiert wurden bei der zweiten Tagungsfolge im Oktober 1990 etwa auch Art und Reichweite kirchlich-­religiöser Staatslegitimierung (Hanisch) bzw. Kriegskultphänomene (Blessing) oder Mittel, Wege und Folgen der Bündelung religiöser, zumal kulturprotestantischer Ideen zu kollektiven Deutungsmustern mit politisch-­sozialer Gestaltungskraft (Hübinger) oder Qualität und Konsequenzen freireligiös vermittelter „Politisierung der Frauen“, wenn nicht „Feminisierung der Religion“ (Paletschek) oder die besonders umstrittene Annahme stark religiöser Züge im Sozialismus der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung (Spohn) und last, not least Ausdrucksformen von „politischer Religiosität“ in Erscheinungen wie dem französischen Jeanne d’Arc-­Kult (Krumeich). Das gipfelte in Kosellecks dezidierter Unterscheidung ­zwischen Semantik und Pragmatik des Religiösen, exemplifiziert in seinem fulminantem Schlussreferat über theologische Implikationen des deutschen Staatsbegriffs mit der provokanten, in ihrem Aufschlussgehalt freilich nicht allseits akzeptierten Generalthese einer fundamentalen theologischen Imprägnierung, ja „Verseuchung“ des ganzen 19. Jahrhunderts. Dass es jedenfalls mit monokausalen Erklärungsmustern wie Säkularisierung und dergleichen nicht getan sei, vielmehr „in gut historischer Manier“ (Schieder) stets bei konkreten religiösen Bewegungen anzusetzen sei, war bei aller Vielfalt der Positionen und Debatten denn auch ein gemeinsames Fazit der beiden Zusammenkünfte. Gewiss blieb der bereits für sich reichlich umfassende Bereich der jüdischen Religion unberücksichtigt, obwohl gerade er die allgemeine Problematik von Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert in einer „gewissen paradigmatischen Verschärfung“ verdeutlicht, wie Lepsius unterstrichen hatte. Konnten die Erörterungen schon deshalb noch kein abschließendes Gesamtergebnis bieten, brachten sie doch einen merklichen Fortschritt bei der Abkehr von überwiegend Schieder) bzw. 8 f. (Hanisch), 10 f. (Blessing), 11 ff. (Hübinger), 15 f. (Paletschek), 16 ff., 19 ff. (Krumeich) und 21 ff. (Koselleck); speziell zur Bedeutung der jüdischen Religion besonders Lepsius an Schieder, 24. 10. 1989 (KP 13, lf. S. 252), s. auch Schieders Vorwort zum Tagungsband, S. 15 (ohne weitere Begründung dieser Auslassung).

Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität im Europa des 20. Jahrhunderts

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bis ­ausschließlich theologisch-­kirchengeschichtlichen Sichtweisen. Dokumentiert wurde das allerdings erst drei Jahre s­ päter, als die Beiträge nach einem Engpass beim Verlag endlich veröffentlicht werden konnten: in einem Tagungsband, der den sachlich angemesseneren Titel Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert erhielt und dem Andenken an den im Juni 1992 verstorbenen Arbeitskreiskollegen Thomas Nipperdey gewidmet wurde, einem der Pioniere der Integration sozialhistorischer Religionsforschung in Deutschland.435 Ob es damit bei nur einem einzigen ‚Ausflug‘ in ­dieses so lange vernachlässigte Gebiet bleiben würde, war damals zwar noch nicht ausgemacht, aber keineswegs wahrscheinlich.436 Vorerst jedoch gewann etwas anderes die Oberhand: das Bedürfnis nach Beschäftigung auch mit gegenwärtig sozusagen Brandaktuellem wie der scheinbar paradoxen Gleichzeitigkeit von zunehmender Supranationalität und angelaufener Renationalisierung in Europa. Gerade diese Fokussierung mit ihrer wahrlich eben höchst „aktuellen Bedeutung sowohl im Hinblick auf die deutsche Vereinigung wie auch die Europäische Gemeinschaft“ zeugte in besonderem Maße von dem Bemühen des Arbeitskreises, „in unserem Rahmen ‚auf der Höhe der Zeit‘ zu bleiben“ (so Lepsius 1990 ans Stuttgarter Wissenschaftsministerium).

3.7 Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität im Europa des 20. Jahrhunderts – Verstärkte Berücksichtigung gegenwartspolitischer Aktualität und transnationaler Aspekte (1991) Schon im Herbst 1989 war dieser Komplex unter den Kürzeln Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität in den Vordergrund der Programmüberlegungen gerückt, wobei Rudolf Braun sogleich die Problemformulierung Nationale Identität und supranationale Integration vorgeschlagen hatte, Wolfram Fischer die Variante Regionalismus, Nationalismus, Surpanationalität.437 Was damit generell in den Blick genommen werden sollte, skizzierte Lepsius in erster Annäherung anhand einer 435 Vgl. die Übersicht im Anhang, Bd. 54; zur Widmung s. auch Schieders Vorwort, zu den einzelnen Beiträgen seine eingehende Einleitung (S. 11 ff.); zur langwierigen Publikationsgeschichte u. a. den betreffenden Briefwechsel Schieder/Engelhardt 1991 – 94 (KP 13, lf. S. 257 ff.). 436 Tatsächlich jedoch veranstaltete der AKMS 2004 und 2006 drei Tagungen zum Thema Religion, von denen einige Beiträge, ergänzt um weitere, als IW 73 erschienen: Friedrich Wilhelm Graf/Klaus Große Kracht (Hg.) Religion und Gesellschaft. Europa im 20. Jahrhundert, Köln 2007 (Anm. C. D.). 437 Hier und im Folgenden nach PMV 20./21. 10. 1989 (PR 12), S. 11 f.; s. auch Koselleck an Schieder, 24. 10. 1989 (KP 13, lf. S. 251) und JBR 1989 vom 27. 10. 1989 (KP 22a, lf. S. 169). –

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­ unktionsbeschreibung von Nationalismus: Stets gehe es um Herstellung autoF nomer Gewalten und Bestimmung von Souveränität, was immer eine politische Entität voraussetzt, von der man sich unterscheiden möchte. So ziele Nationalismus entweder auf Aggregierung (Stichwort Nationalstaatlichkeit) oder auf Disaggregierung (Stichwort Nationalitätenkonflikte), weshalb man es ganz allgemein mit dem Kernproblem evolution oder devolution des politischen Systems bzw. Regionalismus versus Zentralismus zu tun habe und die besonders interessante Frage nach dem gegenwärtigen Sachstand historische Rückblenden überhaupt erst dringlich mache. Wie diese Perspektive konzeptionell genauer auszurichten sei, wurde auf Wunsch von Winkler und zum zweiten Mal in der Geschichte der Arbeitskreistagungen einer Art Steuerungsgruppe aufgetragen, deren Mitglieder im Februar 1990 zu einer Planungskonferenz in Bad Homburg zusammenkamen. Ergebnis war ein Programmentwurf für zwei Tagungsfolgen zu den Teilbereichen Nationalismus und Nationalitätenprobleme in Europa nach 1945 bzw. Supranationale Integration in Europa seit 1945.438 Bei ausgiebiger, teilweise stark kontroverser Begutachtung in der nächsten Mitgliederversammlung wurde nicht nur die Befürchtung laut, das Vorhaben könne sich in einer „politischen Gesprächsrunde“ erschöpfen (Nipperdey); vielmehr wurde weitgehend auch Übereinstimmung über die Notwendigkeit eines stärkeren Zuschnitts auf die systematischen Erfordernisse der Thematik erreicht. In dieser Hinsicht drang vor allem Lepsius darauf, die analytische Dimension der Kategorie Nationalismus wie dessen Funktion als Vehikel sozialer und politischer Integration mehr zur Geltung zu bringen, das historisch bislang einzigartige Phänomen Supranationalität zu akzentuieren und alternative Integrationsmodelle (Verfassungsstaat, Wohlfahrtsstaat) nicht völlig außer Acht zu lassen. Zudem plädierte Kocka zwecks „Ortsbestimmung der Gegenwart im Kontext einer Langzeitentwicklung“ für Verzicht auf jedes flächendeckende Mosaik von Fallbeispielen zugunsten eines systematisch angelegten Langzeitvergleichs mit Konzentration auf den Funktionswandel des Nationalismus vor und nach 1945, also auf die Gründe für dessen Fortdauer oder Wiederaufleben. Solche Belange erhielten dann durch entsprechende Teilrevision der Programmentwürfe bald eine erhöhte Aufmerksamkeit.439 Dabei wurde nicht zuletzt verdeutlicht, dass bestimmten soziokulturellen Lepsius-­Zitat: Brief an Min.dirig. Dr. Bläsi, 11. 4. 1990 (KP 26, lf. S. 195 f.), vgl. Brief von Koselleck und Lepsius an Dr. Bläsi, 13. 2. 1990 (ebd., lf. S. 208 f.). 438 Dazu der achtseitige Konferenzbericht der Gruppe (Geyer, Kaelble, Mommsen und Winkler, bei Verhinderung von Kocka) mit Erläuterungen von Winkler (zu F. 1) bzw. Kaelble (zu F. 2) vom 23. 3. 1990 (PR 13, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1990), außerdem PMV 27. 4. 1990, S. 9 f. (ebd.). 439 Dazu PMV 19. 10. 1990 (PR 13), S. 5 ff. (besonders die Ausführungen von Lepsius) sowie die Neufassung der Erstentwürfe (Tischvorlage, ebd.); s. auch JBR 1990 vom 23. 11. 1990

Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität im Europa des 20. Jahrhunderts

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Größen wie etwa Klasse oder Geschlecht bei Konzentration auf die analytischen Aspekte der gewählten Fragestellung systematisch keine besondere Erheblichkeit zukommt. Auch war in Kauf zu nehmen, dass selbst systematisch Zentrales aus pragmatischen Erwägungen beiseitegelassen werden musste: so etwa das Problem der Binnenaktivierung von Nationalismus durch die migrationsbedingte Ausweitung sog. sekundärer Minderheiten oder die Frage nach Art und Legitimierung der Außenabgrenzung des supranationalen Europa. Mit derartigen Einschränkungen handelte die erste Tagungsfolge im Frühjahr 1991 von der mehr oder weniger überraschenden Nationalismusrenaissance seit 1989/90 und deren historischen Tiefendimensionen im Europa des 20. Jahrhunderts unter Berücksichtigung theoretisch-­kategorialer Erörterungen etwa zum Unterschied ­zwischen Nation und Nationalität (Lepsius).440 Von Einzelheiten völlig abgesehen, stand nicht zuletzt freilich zur Debatte, ob sich überhaupt von Wiederkehr des Nationalismus mit herkömmlicher ideologischer Fixierung auf Nationalstaatlichkeit sprechen lässt (Wehler, Mommsen) oder ob sie nicht bei der fortschreitenden staatlichen Funktionseinbuße nach innen und Souveränitätsabgabe nach außen womöglich gar keinen sonderlich brisanten Vorgang mehr darstellt (Grimm). Auch von daher ergab sich für die zweite Folge im Herbst 1991 als eine der wohl spannendsten Fragen die nach der institutionellen Ausgestaltung der supranationalen bzw. föderativen Souveränitätsstrukturen zur Optimierung ihrer Dämpfungs­kapazität gegenüber nationalistischen bzw. separatistischen Bestrebungen (Winkler). Insgesamt also handelte es sich um einen bisher nicht unternommenen Versuch zur Verklammerung heterogener Problemstellungen (wie Lepsius betonte und am Ende nochmal systematisch skizzierte). So umfassten die im Tagungsband schließlich enthaltenen 16 Beiträge einerseits Analysen zu Bedingungen und Spielarten von Nationalismus einschließlich Ethnozentrismen, andererseits zur alternierenden Ausformung der Europäischen Gemeinschaft auf exemplarischen Feldern (etwa der Rechtsetzung) und deren Entfaltungsaussichten; unter alldem sowohl historisch zwar Abgeschlossenes, aber für gegenwärtige Vorgänge noch A ­ ufschlussreiches wie (KP 22a, lf. S. 156 f.). 440 Zum Folgenden TP Apr.  1991 (PR 13), besonders S.  12 f. (Lepsius) bzw.  3 f. (Wehler, ­Mommsen) bzw. 4 (Grimm) bzw. 16 f. (Winkler) sowie TP Okt. 1991 (ebd.), besonders S. 12 ff. (zusammenfassende Thesen von Lepsius mit systematischer Darstellung der „Problemarenen“ und anschließender Diskussion); s. auch JBR 1991 (S. 138 ff.). – Zur Frage einer Veröffentlichung (Lepsius, Kaelble und Winkler dafür, Nipperdey gegen die Selbstverständlichkeit ­dieses Usus) PMV 25. 10. 1991 (PR 13), S. 5 f.; zur relativ mühseligen Publikationsgeschichte des Tagungsbands (ohne den systematischen Schlussbeitrag von Lepsius) u. a. PMV 19. 4. 1991 (PR 13), S. 3, PMV 10. 4. 1992 (ebd.), S. 3, PMV 23. 10. 1992 (ebd.), S. 4 sowie die Korrespondenz 1992/93: Kaelble/Klett-­Cotta bzw. Kaelble/Lepsius (KP 12, lf. S. 520 ff.) bzw. Kaelble/Engelhardt (lf. S. 550 ff.).

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Konsolidierung und verstärkte Beachtung von geschichtlichem Neuland (1973 – 1993)

die habsburgische Nationalitätenfrage (Mommsen) als auch Anfang der 1990er Jahre noch in vollem Gange Befindliches: z. B. die Wiederkehr ethnisch begründeter Nationalismen beim Zerfall des Sowjetimperiums (Geyer) und die rapide Erosion der hegemonialen Integration Osteuropas (v. Beyme). Bei dieser weit ausgreifenden Thematik, die Winkler wenig ­später mit Zuspitzung auf den modernen Nationalismus gerne wieder aufgenommen hätte,441 war ja die unmittelbare Aktualität ein ausschlaggebendes Wahlkriterium gewesen. Nicht minder gilt dies für das nächste Schwerpunktprogramm.

3.8 Sozialgeschichte der DDR – Nachholende Rückbesinnung auf ein schon anvisiertes Forschungsfeld (1992/93) Ins Blickfeld war die DDR natürlich immer wieder gekommen, vor allem im Zusammenhang mit dem mehrjährigen Schwerpunktthema Historische Grund­ lagen der Bundesrepublik (1975 – 1980), das mit Veröffentlichung des Tagungsbands (1983) dann ja den etwas ambitionierten Titel Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland erhalten hatte.442 Damals war die Eigenschaft der beiden Systeme als gleichsam zwei Seiten der deutschen Nachkriegsgeschichte selbstverständlich angesprochen worden, der ursprünglich vorgesehene Extrabeitrag über die DDR aber nicht zu realisieren gewesen. Ohnehin hätte er kaum mehr als eine Kontrastfolie zur Bundesrepublik bieten können. Mithin war zehn Jahre zuvor ein Desiderat geblieben, das explizit freilich erst im Frühjahr 1991 durch Lepsius wieder auf die Agenda kam, also erst mit bzw. nach dem Zusammenbruch der DDR .443 Dass es akut geradezu Vorrangigkeit beanspruchen könne, wie Hartmut Zwahr nun geltend machte, schloss allerdings ein anfängliches Tasten nicht aus: Einerseits nämlich kam der wohl naheliegende Vorschlag, die Sache analog zum Tagungsband über die alte Bundesrepublik anzugehen, also gleich unter dem Aspekt der historischen Kontinuität bzw. Diskontinuität ­(Köllmann, Wehler). Andererseits wurde mit Hinweis auf die noch recht schwierige Forschungslage erwogen, vorerst nur die westdeutsche DDR-Geschichtsschreibung ins Auge zu fassen (Schieder, Kaschuba), wenn nicht mit Hilfe einer oder mehrerer Sondertagungen eine Gesamtbestandsaufnahme der ­Forschungsleistungen 441 Dazu PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 12 u. 30 sowie seine Tischvorlage Themenvorschläge für Tagungen des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (ebd.), Punkt 3: Entstehung und Wandel des modernen Nationalismus. 442 Dazu oben, Kap. 3.2. – Zur Ausklammerung der DDR aus der Publikation von 1983 (s. Übersicht im Anhang, Bd. 34) vgl. die lapidare Bemerkung im Vorwort, S. 5. 443 Zum Folgenden PMV 19. 4. 1991 (PR 13), S. 4 f.

Sozialgeschichte der DDR 

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und -lücken für den Bereich der DDR zuwege zu bringen (Tenfelde). Alternativ wurde auch die Möglichkeit gestreift, zunächst eine Zwischentagung über Sozialgeschichte nach den Kriterien der DDR-Historie einzuschieben, aber sofort wieder verworfen, weil man noch zu wenig Abstand habe und tendenziell auch leicht etwas „Zensierendes“ damit verbunden sein könne (Mommsen, Lepsius). Als Resultat ergab sich, bei allseits klarer Präferenz für das DDR-Thema, der Plan zu einer Art Vorkonferenz mit Teilnehmern aus alten wie neuen Bundesländern, um erst einmal aufeinander zuzugehen (Zwahr) und bei anfänglich eher diskursiver Beschäftigung mit der Sozialgeschichte der DDR für alles Weitere so etwas wie einen „Brainstorm zu entfesseln“ (Koselleck). Vorbereitet von Zwahr in enger Zusammenarbeit mit Kaelble und Kocka, konnte dieser Auftakt im April 1992 stattfinden, wobei bis dahin bereits zwei Tagungen vorgesehen waren und auf Anraten von Lepsius nun noch eine dritte beschlossen wurde.444 Während nachher eine stärker empirische Behandlung versucht werden sollte, und zwar wieder ohne jedes Vollständigkeitsstreben, hatte sich die erste Zusammenkunft über die Gesamtkonzeption einschließlich Hauptaspekten schlüssig zu werden. Zur Diskussion standen drei Leitfragen (Zwahr/Kocka/Kaelble): nach Kontinuitäten bzw. Diskontinuitäten der DDR im deutschen Geschichtszusammenhang; nach Konvergenzen bzw. Divergenzen in ost-/west-, also deutsch-­deutscher Sicht; nach den Ursachen des Zusammenbruchs. Dazu gab es erste Orientierungsreferate mit teilweise konkurrierenden Zugriffsangeboten: Ermittlung grundlegender Strukturen, aber auch Erfahrungen und Selbstdeutungen (Niethammer); modernisierungstheoretisch angeleitete Entwicklungsanalyse (Kohli, Mühlberg); Erfassung und Akzentuierung der politischen Institutionenordnung als dominanter Rahmenbedingung der DDR-Sozialgeschichte (Lepsius). Fast zwangsläufig kam dabei nicht bloß die methodische Schwierigkeit der DDR-offiziellen Sprachregelung, d. h. von vornherein das Problem sozusagen unwahrer Quellen ins Visier (Koselleck). Vielmehr wurde auch die Anwendbarkeit totalitarismus- bzw. modernisierungstheoretischer Zugriffe problematisiert (Linz, Kocka, Graf ), und überdies war der Arbeitskreis erstmals direkt mit der Verfahrensweise der Oral History (Niethammer, Wierling) befasst, also mit der inhärenten Spannung ­zwischen individualpsychologischer und 4 44 Speziell zur Vorplanung von Kaelble, Kocka und Zwahr: PMV 25. 10. 1991 (PR 13), S. 6 f. und die dabei behandelte Tischvorlage Sozialgeschichte der DDR. Vorläufige Planungsüberlegungen (6 S.) vom 27./30. 8. 1991 (KP 12, lf. S. 614 ff.). – Zu F. 1, bei der Hermann Weber, der Mannheimer Nestor der westdeutschen DDR-Forschung, verhindert war: TP Apr. 1991 (PR 13), besonders S. 2 u. 16 f. (Leitfragen) und 9 f. (Lepsius zur systematischen Erfassung der DDR-Geschichte) sowie 4 und 6 f. (Oral-­History-­Problematik), 9 und 11 (Totalitarismusfrage), 12 f. und 17 (Modernisierungsfrage), 18 (Schwierigkeit der ‚unwahren‘ Quellen), 16 ff. (weiteres Vorgehen).

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Konsolidierung und verstärkte Beachtung von geschichtlichem Neuland (1973 – 1993)

sozialhistorischer Perspektive. Auf eine prinzipielle Weichenstellung zielte vor allem das Lepsius-­Plädoyer, die DDR-Geschichte eben auch sozialhistorisch systematisch zu analysieren, ohne sie gleichsam zu externalisieren und dadurch die Kontinuität der deutschen Geschichte letztendlich auf die der Bundesrepublik zu begrenzen: Gewissermaßen gehe es um „Prolegomena“ zur Sozialhistorie der DDR, d. h. um exemplarische Eröffnung der Debatte und erst recht um Anregung zu langfristigen Studien. Insoweit wollte er die politische Grundorganisation wie auch die Wirtschaftsverfassung der DDR lediglich als – freilich fundamentale – Rahmenbedingungen behandelt wissen und in der Hauptsache auf fünf sozialgeschichtlich für ihn zentrale Gesichtspunkte abheben: Bildung einer neuen Mittelklasse aus strukturell unterprivilegierten Schichten; Umfang und Verbleib der alten Bürgerklasse; Transformationsprozesse im Agrarsektor; Klassenbildungsvorgänge in der Arbeiterschaft; Zusammensetzung und Funktion der sog. Intelligenz. Zudem ­seien über die Betriebsebene hinaus weitere „Vergesellschaftungskerne“ zu identifizieren, so besonders die protestantische K ­ irche wie die Partei. Und zu berücksichtigen habe man auch die aus seiner Sicht vollkommene Differenzierung von öffentlicher und privater Sphäre sowie die Sanktionssysteme mit ihrer „Produktion von Unsicherheit und Einschüchterung“. Für das weitere Vorgehen wurden demgemäß schließlich zwei Schwerpunktbereiche abgesteckt: zunächst die Klassen- und Schichtenverhältnisse, danach die Vergesellschaftungskerne. Um den genuin sozialgeschichtlichen Bereich nicht zu überschreiten, verzichtete man ausdrücklich auf eine gesonderte Thematisierung der Zusammenbruchsfrage – was nicht daran hinderte, dass sie ständig hineinspielte und am Ende sogar zu einem zusammenhängenden Beitrag inspirierte (Zwahr). Überwiegend aber kreisten die beiden Anschlusstagungen im Herbst 1992 und Frühjahr 1993 um die aus systematischen Erwägungen favorisierten Sektoren mit ihrer Fülle einschlägiger Aspekte (so etwa die Kaderpolitik als ein Strukturprinzip der DDR-Gesellschaft).445 Die dabei ins Auge gefasste Bandbreite unterteilte der Tagungsband zu d ­ iesem „steinigen Feld“ (Kaelble/Kocka/Zwahr) dann schlagwortartig in vier Sachgruppen: (1) Landarbeit – Industriearbeit; (2) Bürger, ­Kirche, Funktionäre; (3) Geschlechter, Generationen und Krise; last, not least (4) Zur 4 45 Zum Folgenden: TP Okt. 1992 (PR 13), besonders S. 2 ff. (thesenartig zugespitzte Lepsius-­ Überlegungen zu einer Sozialhistorie der DDR), 6 f. und 18 (Kocka bzw. Zwahr zu Ziel und Fragestellungen) sowie 19 ff. (Schlussdebatte); TP Apr. 1993 (ebd.), bes. S. 2 (Kocka nochmals zu Ziel und Fragestellungen) und 21 ff. (Bilanzversuche von Zwahr und Kaelble); s. a. JBR 1992 vom 25. 9. 1992 (KP22a, lf. S. 124 ff.) und JBR 1993 vom 10. 9. 1993 (lf. S. 106 ff.); ferner PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 7 (Dilcher: der vom ihm herausgegebene Sammelband Rechtserfahrung DDR. Sozialistische Modernisierung oder Entrechtlichung der Gesellschaft? [Berlin 1997] sei mittelbar „noch aus dem DDR-Projekt [des AKMS] hervorgegangen“).

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Sozialgeschichte von Recht und Staat. Durch jeweils exemplarische Analysen dieser Bereiche mit Betonung der Frage nach der politischen Basis sozialer Prozesse (Hockerts, Lepsius, Kocka) ließen sich konstitutive Merkmale und wichtige Besonderheiten der DDR-Gesellschaft erschließen und bis auf Weiteres bilanzieren unter drei Gesichtspunkten: ubiquitäre politische „Durchherrschung“ der Gesellschaft (Kocka, Lüdtke), „Kontinuitätsbruch und mangelnde Lebensfähigkeit“ (Zwahr), „internationaler Vergleich der DDR-Gesellschaft“ (Kaelble). Summa summarum ergab sich dabei, dass die im innerdeutschen sozialhistorischen Vergleich eindeutig überwiegenden Divergenzen aus europäisch-­komparativer Sicht vielfach doch an Dramatik verlieren, zumal der Integrationsprozess Europas derartige gesellschaftliche Gegensätze zuvor schon überbrückbar gemacht hatte. Wie immer der unmittelbare Ertrag dieser Tagungen veranschlagt werden mag, sie bezweckten jedenfalls eine perspektivische wie methodische Neukonstituierung ­dieses Forschungsgebiets samt Anstoß zu längerfristigen Untersuchungen. Auch deshalb, doch vor allem wegen der damals noch auf der Hand liegenden Aktualität des Themas und in vollem Bewusstsein einiger gravierender Ausblendungen unterblieb die zwischenzeitlich erwogene Verlängerung der Tagungsserie um eine vierte Folge. So konnten die Ergebnisse unverzüglich veröffentlicht werden – in Form eines Paperbacks, das zwar bei Klett-­Cotta, aber zum Unmut einiger Mitglieder außerhalb der Schriftenreihe erschien.446 Ihn tunlichst noch um eine Sequenz Sozialgeschichte der deutschen Vereinigung zu ergänzen, hätte zwar nicht allein Winkler 1994 gerne gesehen, wurde dann aber für verfrüht gehalten.447

446 Dazu PMV 22. 10. 1993 (PR 13), S. 5 f. (Verzicht auf eine weitere Folge, Ausblendungen/ Desiderata), s. a. S. 2 f. (betr. Publikation); PMV 22. 4. 1994 (PR 14), S. 2 (Dank an Verlag) u. 5 f. (Gründe für die laut Lepsius „sehr ärgerliche“ Veröffentlichung außerhalb der Schriftenreihe); PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 3 (relativ sehr guter Absatz des Paperbacks). – Zur Ertragsfrage, mit Blick auf den seines Erachtens erheblichen Mangel an „zeitgemäßen Zentralbegriffen“, auch Kocka an Lepsius, 22. 2. 1995 (Kopie in PR 15, bei den Protokollunterlagen zur Frühjahrstagung 1995), S. 3: Die Tagungsfolge DDR habe das allgemein empfindliche Defizit an „greifenden Konzepten für die Sozialgeschichte der neuesten Zeit“ gezeigt. – Zum Gesamtunternehmen und zum Tagungsband von Kaelble/ Kocka/Zwahr (Hg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994, auch KP 12, lf. S. 509 ff., 537 ff. bzw. 614 ff. (Briefwechsel Kaelble bzw. Kocka mit Engelhardt 1992 – 1994). 4 47 Dazu PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 12 (Winkler-­Vorschlag, ausdrücklich gedacht als eine gewisse „Bringschuld“ zur Verzahnung der Vorgängerthemen Sozialgeschichte der Bundes­ republik bzw. der DDR, Zwahr dafür), 15 (Zustimmung auch von Oexle), 28 (Lepsius: verfrüht) u. 30 (Winkler: in der Tat wohl noch zu früh, aber nicht lange damit warten) sowie Winklers oben genannte Tischvorlage Themenvorschläge …, Punkt 1: Sozialgeschichte des deutschen Vereinigungsprozesses.

4. Konzeptionelle Selbstvergewisserung mit Überwindung einer tiefgreifenden Existenzkrise (1993 – 2002 ff.) Parallel zu den DDR-Tagungen liefen bereits die Vorbereitungen für das nächste Schwerpunktthema, dessen sozialgeschichtliche Relevanz unbestreitbar und zumindest für Kundige ohne Weiteres ersichtlich war. Seine Aktualitätsevidenz freilich bedurfte sozusagen einer gewissen Nachhilfe: durch Bezugnahme auf bestimmte innen- wie außenpolitische Vorgänge dieser Jahre (darunter das Scheitern des Moskauer Putschversuchs gegen Boris Jelzin an der Loyalität des russischen Militärs).

4.1 Militär und bürgerliche Gesellschaft – Aufnahme einer lange zurückgestellten Forschungsfrage (1993 – 1994/95) An sich zwar ebenfalls schon seit Jahren auf der Agenda, waren erste Vorüberlegungen dazu noch von Conze angestellt worden, dann aber im Sondierungsstadium stecken geblieben, nachdem sich nicht zuletzt herausgestellt hatte, dass die Verwirklichung außerordentlich schwierig sein würde. Denn dass es nicht um Militärgeschichte im konventionellen Verständnis gehen sollte, war am deutlichsten schon im Herbst 1986 umrissen worden, als Lepsius nach Conzes Tod die anhängigen ­Themen aufgelistet und dabei eine thesenartige Richtungsformulierung gewählt hatte: Sozialgeschichte des Militärs und des „Militarismus“ als Durchdringung der Zivilgesellschaft mit militärischen Verhaltensformen und Wertorientierungen.448 Als Koselleck diesen von ihm selbst ja zuerst vorgeschlagenen Gegenstand im Frühjahr 1991 wieder in Erinnerung brachte, geschah das nur noch unter dem relativ vagen Stichwort Militärverfassung; und sogar d ­ ieses Kürzel reduzierte sich erst einmal schlicht auf Militär, als die Mitgliederversammlung anderthalb Jahre ­später ein zweiköpfiges Komitee, Ute Frevert und Rudolf Braun, mit der Vorplanung betraute. Daraus resultierte eine Programmskizze Militär und bürgerliche Gesellschaft im 19. Jahrhundert (mit Rückgriffen ins 18. und Ausblicken ins 20. Jahrhundert), bei der auf zweierlei abgehoben wurde: fächerbezogen auf Heranführung 4 48 Lepsius-­Rundbrief vom 9. 10. 1986, S. 1 (PR 11, bei den Unterlagen zur Herbsttagung 1986); vgl. schon oben, Kap. 3.4. – Zum Folgenden: PMV 19. 4. 1991 (PR 13), S. 4 (Koselleck); PMV 23. 10. 1992 (PR 13), S. 7 (Hinweise von Kocka und Engelhardt, Einsetzung des Vorbereitungskomitees); PMV 24. 3. 1993 (PR 13), S. 8 f. (Diskussion über Gestaltung und Dauer der Tagungsreihe) sowie Planungsskizze vom April 1993.

Militär und bürgerliche Gesellschaft

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der traditionellen Militärgeschichtsschreibung an die Sozialhistorie und auf deren Aktivierung für das bislang „eher stiefmütterlich“ behandelte Thema; inhaltlich (a) auf die Wechselbeziehung z­ wischen Gesellschaft und Militär als permanenter Institution, vor allem auf die Rolle des Militärs bei der modernen Nationsbildung und bei der Ausformung des modernen Staatsbürgertums, (b) auf die „gesellschaftliche Zirkulationsfähigkeit des Militärischen“ und (c) auf den Anteil des Militärs an der sozialkulturellen „Konstruktion von ‚Geschlechtscharakteren‘“. Einigkeit bestand im Übrigen darüber, dass nicht nur der sog. militärisch-­industrielle Komplex, d. h. die Verbindungen ­zwischen Militär und Wirtschaft, sondern auch die Dimension Kriegserfahrung nahezu auszuklammern waren. Wollte man doch eine problematische Ausdehnung der ohnehin weitläufigen Thematik vermeiden, also die systematische Fokussierung auf das Verhältnis Militär-­Zivilgesellschaft im Regulärzustand Friede (Lepsius: „Militär ohne Krieg“) nicht gefährden. Mit dieser konzeptionellen Ausrichtung befasste man sich seit Herbst 1993 in drei Tagungsfolgen 449 sowohl mit den Aufgaben des Militärs im funktional differenzierten Gesellschaftssystem des 19./20. Jahrhunderts als auch mit den Militär und Gesellschaft verknüpfenden oder trennenden Organisationseigentümlichkeiten, Sozialformen und Kulturstilen. Wiederholt auch international vergleichend, ging es im Einzelnen um den Zusammenhang von Nationsbildung, staatsbürgerlicher Teilhabe und Militär im 19. Jahrhundert; sodann um die zuvor kaum wahrgenommenen, daher besonders bemerkenswerten geschlechtergeschichtlichen Eigenarten des Militärs mit ihren soziokulturellen Konsequenzen; schließlich um den Wandel der Beziehungen ­zwischen Militär und Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, etwa mit den Beispielen Bundesrepublik, Schweiz und Israel als typologisch besonders interessanten Fällen von „effektivem Militär ohne nennenswerte Militarisierung der Gesellschaft“ (Lepsius).

449 Dazu im Einzelnen TP Okt. 1993 (PR 13), besonders S. 2 ff. (Frevert-­Einltg.), 4 f. (Lepsius zu den typologischen Dimensionen des Militärs) und 22 ff. (Generaldiskussion); TP Apr. 1994 (PR 14), besonders S. 2 (Frevert-­Einleitung) und 12 f. (Schlussdebatte) und PMV 22. 4. 1994 (PR 14), S. 6 (zur Publikationsfrage) und 9 ff., besonders 10 (weitere Gestaltung, Lepsius-­Zitat); TP Okt. 1994 (PR 14), besonders S. 3 (Schluchter und Lepsius zu Kriterien bzw. Typen von Militarisierung) und 11 ff. (Schlussdebatte mit Rückblick auf die Tagungsreihe, systematische Präzisierungsvorschläge besonders von Schluchter und Lepsius für die Forschung); PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 40 f. und 43 f. (betr. Rekonzeptualisierung und Abschluss der Tagungsreihe im zweiten Teil der Frühjahrstagung 1995); s. auch JBR 1993 vom 10. 9. 1993 (KP 22a, lf. S. 106 ff.) und JBR 1994 vom 6. 11. 1994 (ebd., S. 83 f.), zur Publikation auch PMV 28. 4. 1995 (PR 15), S. 10, PMV 19. 10. 1995 (ebd.), S. 9 f., PMV 24. 10. 1997 (PR 17), S. 4, PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 4 f. sowie Korrespondenz E ­ ngelhardt/ Frevert vom Okt. 1995 (KP 12, lf. S. 330 f.), zudem PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 6.

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Konzeptionelle Selbstvergewisserung

Wie dann bei einem konzentrierten Rückblick mit einer Art Rekonzeptualisierung (Frevert) im Frühjahr 1995 festgestellt wurde,450 blieb auch bei dieser Tagungsreihe gewiss manches offen oder unterbelichtet, so beispielsweise selbst die Ab- bzw. Eingrenzung des Militärbegriffs oder die Auswirkungen der Sozialisationsinstanz Militär auf das Geschlechterverhältnis (etwa bei der Konstituierung von Geschlechtertypen). Doch immerhin gelang es endlich, die Geschlechtergeschichte nicht nur am Rande oder gar bloß ornamental in ein Projekt zu integrieren, wie Wehler mit Recht unterstrich. Überhaupt ergab sich alles in allem einiges an inhaltlich wie methodisch weiterführenden Forschungsanregungen, nicht zum wenigsten im Hinblick auf ein Gebot, das Borchardt noch einmal betont hatte: die überfällige Entideologisierung von Geschichtsschreibung zur Wechselbeziehung ­zwischen Gesellschaft und Militär. Diese Versachlichung war zwar nicht Kern, aber doch ein nicht unerheblicher Aspekt der untergründig permanenten Frage nach den Spezifika der S­ ozialhistorie. Als gemeinsames, weit übergreifendes Interesse trat sie nunmehr erneut in den Vordergrund. Ja, vor Übergang zum nächsten großen Sachthema beanspruchte sie die Aufmerksamkeit sogar mit solcher Intensität, dass beinahe der Eindruck entstehen konnte, als ob förmlich die Grundfesten des Arbeitskreises erschüttert s­ eien.

4.2 Problemlagen der Sozialgeschichte – Reaktivierung und Intensivierung einer immanenten Dauerdebatte (1994/95) Was im Zusammenhang mit den anhaltenden Agendabesprechungen immer wieder angeklungen war, freilich eher nach üblichen Differenzen um Themenpalette und -prioritäten ausgesehen hatte, steigerte sich im Herbst 1994 in der, wie Kaschuba registrierte, mit gut sechs Stunden längsten Mitgliederversammlung des Kreises bisweilen zum massiven Grundsatzdissens und rührte damit quasi ans Eingemachte. Wenn schon nicht ausgelöst, so doch unmittelbar stimuliert wurde er durch akute Verschlechterung der finanziellen Rahmenbedingungen und dadurch dringlich gewordenes Nachdenken über Erschließung neuer Ressourcen.451 So drängte sich mehr als bisher auch gleich der Gesichtspunkt der Außendarstellung des Kreises und damit seiner zumindest nationalen Profilierungsmöglichkeiten auf. Davon selbst ohne zwingenden Zusammenhang kaum zu trennen war die Frage 450 Dazu TP Apr.1995 (PR 15), S. 16 f., samt Freverts Tagungsrückblick Militär und bürgerliche Gesellschaft/Zivilgesellschaft im 19. und 20. Jh. (7 MS); s. a. die Frevert-­Einleitung zu dem Tagungsband (Übersicht im Anhang, Bd. 58/1997). 451 Dazu, speziell bezüglich der zunehmend prekär gewordenen Lage der WRS, weiter unten; s. a. Kap. 4.4.

Problemlagen der Sozialgeschichte

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nach dem Binnenverständnis, die Lepsius umgehend mit der dramatisierenden Überlegung verband, ob dem Kreis überhaupt noch eine „wissenschaftspolitische Bedeutung“ zukomme.452 Dies also gab den Auftakt zu einer Art Generalinventur (übrigens in Abwesenheit von Dilcher, Fischer, Kocka, Köllmann, Koselleck und Pollard). Sie war so gravierend, dass sie einer ausführlicheren Darstellung bedarf, auch wenn eine Diskussion dieser Art durchaus nicht, wie Kaschuba wähnte, zum ersten Mal stattfand. Zu solchem Eindruck trug wohl bei, dass die Auseinandersetzung wiederholt eine gesteigerte Bereitschaft zu – so Frevert mit Bezug auf Äußerungen von Lepsius – „fulminanter Kritik und Selbstkritik“ aufwies und dabei manchmal bis zu kaum gezügelter Heftigkeit ging.453 Das zeigte sich schon zu Beginn, als Wehler anregte, nun in das „große Duell Sozialgeschichte-­Kulturgeschichte“ einzutreten: sich also in den damals international aktuellen Streit einzuschalten, ob bzw. wo die Sozialhistorie – etwa der Bielefelder Couleur – kulturgeschichtlicher Ergänzung bedürfe oder ob gar ein „sozusagen holistischer“ Kulturbegriff vonnöten sei, bei dem an bestimmten Stellen auch Sozial- und Wirtschaftsgeschichtliches eingefügt werden könne. Dass eine Debatte um Sozial- und Kulturgeschichte im Grunde schon beim Schwerpunktthema Bildungsbürgertum ins Auge gefasst, zu jener Zeit aber noch nicht so recht zum Zuge gekommen sei, veranlasste Lepsius zu einer geharnischten Klartextintervention: Wenn nunmehr die Kombination bzw. Koordination von Sozial- und Kulturgeschichte als innovativ propagiert werde, handele es sich lediglich um das Programm „von vor zehn Jahren“ – bei Bildungsbürgertum seinerzeit neu, doch vom Arbeitskreis wegen einseitiger Fixierung diverser Mitglieder auf Schichtenanalyse nicht aufgenommen. Dies wiederum wurde von Wehler rund­ heraus bestritten. Die „einzig wirklich große Alternative“ sah er in Freverts Vorschlag, jeden Einzelgegenstand zeitweilig zurückzustellen – aber nicht etwa zugunsten des 452 Hier und im Folgenden – konzentriert auf die generellen Kursüberlegungen – nach dem ausführlichen PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 8 u. besonders 10 – 46 (danach, aber ohne Angabe der jeweiligen Seite, auch alle wörtlichen Äußerungen); s. a. das unverblümte Lepsius-­Rundschreiben vom 14. 10. 1994 (KP 19, lf. S. 15a), besonders Punkte 5 und 8, im Übrigen Engelhardt an Fischer, 21. 10. 1994 (KP 12, lf. S. 289: „[…] nicht ausgeschlossen, dass […] die latent vorhandenen ‚Fraktionierungen‘ offen zutage treten“), zudem Dilcher an Koselleck und Lepsius, 24. 10. 1994 (S. 255 f.: Wunsch nach einem „mehr integrativen Verständnis der ­Themen und der beteiligten Wissenschaftsdisziplinen“, darunter speziell der Rechtshistorie, da „gerade eine isolierte Sozialgeschichte im Arbeitskreis manchmal als methodisch moderne Sozialgeschichte verstanden“ worden sei), andererseits Kocka an Lepsius, 22. 2. 1995 (s. u.). 453 Diese Heftigkeit, vor allem Lepsius contra Wehler, ist gut nacherlebbar im betreffenden Mitschnitt (bes. Cass. 1c, Seite A, gegen Ende). – Früheres Beispiel: die Konfrontation ­zwischen Lepsius und Dipper bei der 2. Adelstagung (s. TP 27. – 29. 4. 1989 [PR 12], S. 15 f.).

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Konzeptionelle Selbstvergewisserung

für sie fast schon überholten Themas Kulturgeschichte, sondern um sich erst einmal der gleichsam alles durchziehenden Herrschaftsproblematik zuzuwenden: in ihren Augen ein Sachbereich bzw. Ansatz, in dem die bisherige Arbeitskreisgeschichte gewissermaßen aufgehoben und zugleich Platz für Weiterreichendes sein würde. Lasse sich doch von daher jeweils die Erklärungskraft kultureller ­Deutungsmuster wie sozialer Herleitungen testen und beispielsweise auch das Thema Nationsbildung subsumieren, nämlich als ein Moment, das Herrschaftsinteressen ebenso vermittele wie Staat und Gesellschaft oder Geschlechter usw. Auf denkbare Funktionen des Kreises vor aller thematischen Festlegung bezog sich zumal Kaelble, wenn er außer Erörterung der Beziehung ­zwischen Geschichtswissenschaft, speziell Sozialhistorie und anderen Disziplinen zwei Optionsmöglichkeiten ausmachte: Wiederaufnahme der seit Anbeginn ja betonten und jedenfalls zeitweilig auch praktizierten Rolle des Kreises als eine „Art Innovatoren- oder Moderatorengremium“ oder eher Verstärkung seiner internationalen Ausrichtung mit dem Versuch, „so etwas wie eine europäische Clearingstelle“ für Sozialgeschichte zu werden – was zumindest Lepsius bei aller Sympathie für die „europäische Schiene“ denn doch für „eine Nummer zu groß“ hielt. Dass die Diskussion sich trotz der über jedwede Themaüberlegung hinausreichenden Perspektiven wiederholt vor allem an Inhaltlichem festmachte und dabei vorzugweise auf die Kulturgeschichtsfrage bezog, fand Borchardt in bestimmter Hinsicht so irritierend, dass er zu einer wissenschafts-, insbesondere arbeitskreishistorischen Standortbetrachtung ausholte. Denn nicht nur vermisste er bei den thematischen Erwägungen die ökonomische Dimension. Vielmehr hatte er generell den Eindruck, die Historiker ­seien angesichts von Herausforderungen der „diffusesten Art“ (bis hin zum neuen Zweig Kulturökonomie) überhaupt dabei, eine „neuerliche Selbstvergewisserung zu betreiben“. Dazu gehöre für den Arbeitskreis dann aber zuvörderst eine Rückbesinnung auf die Alternative, sich als Vertretung eines spezifischen Zweigs der Geschichtswissenschaft verstehen oder auf das abheben zu wollen, was er nach Conzes Ursprungsidee einst getan habe: nämlich keineswegs bloß die Geschichtswissenschaft als seinen Adressaten zu sehen, sondern zugleich auch zur „Historisierung der Sozialwissenschaften“ beizutragen, mithin einen „doppelten Vermittlungsauftrag“ wahrzunehmen. Aufregend sei jedenfalls die Frühzeit des Kreises gerade deswegen gewesen, weil nicht allein bemerkenswerte Aussprachen ­zwischen Historikern stattgefunden, sondern auch andere Wissenschaftler wie Ökonomen, Juristen und Sozialwissenschaftler das Gefühl gehabt hätten, sie „müssten dahingehen, damit sie sozusagen etwas für sich davon kriegen und nicht nur die mehr oder weniger willkommene Rahmensystematik liefern“. Während die Theoriedebatte zu jener Zeit noch wechselseitig geführt worden sei, habe der Kreis sich mittlerweile so weit von den „Systemwissenschaften“ entfernt, dass die wechselseitige Gesprächsfähigkeit als zentrales Anliegen zwar nicht gänzlich verloren gegangen, aber

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im Bewusstsein des Kreises nicht mehr so tief wie früher verankert, daher wieder auf die Probe zu stellen sei. Dies gelte gerade in einer Entwicklungsphase, in der z. B. über die Economic History hinaus bei der Wirtschaftswissenschaft insgesamt unter dem Signum ­Theorie des institutionellen Wandels eine enorme Historisierung stattfinde, also selbst „ausgebuffte“ Theoretiker fast händeringend nach Hilfestellung durch kommunikationsfähige und -bereite Historiker suchten. Folglich, so ­Borchardts „absolutes Petitum“, dürfe nicht vergessen werden, dass die wenigen im Kreis noch vorhandenen Systemwissenschaftler eben nicht bloß als Lieferanten theoretischer Konzepte fungieren wollten. Wieder mehr benötige man daher eine betont interdisziplinäre Gesprächssituation, mithin die Suche nach Th ­ emen, die auch die einstige „wissenschaftspolitische Funktion“ des Kreises im Blick ließen statt nur speziell für Historiker „sozusagen schön“ zu sein. Dieser Appell, den besonders Siegenthaler mit einer energischen Forderung nach Verbesserung des Theorieverständnisses und von daher fundierten Inte­ grationsleistungen des Kreises bekräftigte, erhielt auf Historikerseite mehr oder minder bereitwillige Zustimmung. Dabei wurde ihm zugleich auch eine andere Wendung gegeben. So sah Tenfelde für den Kreis neben dem Mangel an Integrationsfähigkeit der Sozialhistorie noch ein weiteres Problem: Der „Oppositionscharakter“ der Frühzeit sei in dem Maße zurückgetreten, wie der einst beträchtliche Nachholbedarf an Sozialgeschichte befriedigt wurde und somit die vom Arbeitskreis gerufenen Geister tatsächlich kamen. Den seither erfolgten Prozess „nachhaltiger struktureller Differenzierung“ der Sozialhistorie mit Verselbständigung vieler Bereiche wie Geschlechtergeschichte, Historische Anthropologie u. a. m. habe der Kreis geschehen lassen, ohne sich „auch leitend“ einzuschalten und die Frage nach der Reichweite der Sozialhistorie und nach deren Fähigkeit zu einem entscheidenden Beitrag bei der Begründung von Geschichtswissenschaft wieder aufzuwerfen. Während in der Außenwahrnehmung sehr wohl noch „so etwas wie ein gemeinsames Erkenntnisfeld für Sozialgeschichte“ existiere, scheine es intern längst abhandengekommen zu sein. Doch frage sich, ob dies wirklich zutreffe und ob nicht gerade der Arbeitskreis – wenn überhaupt jemand – „verbindende oder neu zu definierende Kriterien“ aufstellen könne, mit denen sich der besagte Diffe­renzierungsvorgang „einrahmen“ und „fokussieren“ ließe. Mehr noch: Alsbald sekundiert von ­Lepsius, gab Tenfelde sogar zu bedenken, ob man nicht so etwas wie ein Handbuch Sozialgeschichte in Angriff nehmen solle – nicht im materialen Sinne, sondern zur Darstellung ihrer Theoriegeschichte, Begrifflichkeit, Arbeitsfelder usw., mithin als eine Art „Handreichung darüber, was Sozialgeschichte als Erkenntnisfeld bedeutet“. Sehr einleuchtend fand das wenig s­ päter auch Kocka, der seine Zustimmung mit einer bemerkenswert ambivalenten Einschätzung begründete: Damit könne der Kreis „über seinen Charakter als Veranstalter von Tagungen [!] hinauskommen und – wie schon einmal [im Fall des

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Begriffslexikons] – ein größeres Projekt tragen“, was „nicht schlecht [wäre] für sein standing, seine Kontinuität, seine Nützlichkeit. […] Wer sonst“, so Kockas rhetorische Frage, „sollte so etwas tun, wenn nicht der Arbeitskreis.“ 454 Soweit bei solchen Anregungen tatsächlich auch an eine interimistische „Selbstbespiegelung und Selbstreflexion“ des Kreises gedacht gewesen sein sollte, kam Einspruch von Grimm. Denn nach dessen Einschätzung hatte der „Anfangselan“ offenbar so nachgelassen, dass statt eigener Trendsetzung nur noch Anschluss an externe Neuentwicklungen übrigblieb. Freilich wollte er die Weichenstellung nicht von je persönlichen Präferenzen der Mitglieder abhängig wissen, sondern von den besonderen Kompetenzen des Kreises; und die lägen doch in erster Linie bei der Sozialhistorie, verstanden als spezifischer Zugriff auf sehr verschiedene Objektbereiche. Genau darin sah auch der neu hinzugekommene Soziologe Schluchter den großen Reiz des Kreises: dass Sozialgeschichte eben nicht als Gegenstandsbestimmung aufgefasst werde, sondern als eine „theoretisch-­methodische Perspektive“, die mit dem Kennwort Sozialgeschichte „vielleicht gar nicht hinreichend sauber abgedeckt“ sei. Dazu erinnerte er an Alternativbezeichnungen wie Struktur- bzw. Gesellschaftsgeschichte, die sich eigentlich besser eigneten, weil sie auf das „schwierige Verhältnis von Handlung und Struktur“ als ein Grundproblem aller Sozialwissenschaften aufmerksam machten; auch sei der Gesellschaftsbegriff beim Arbeitskreis offen für die Frage, ­welche „Ordnungskonfigurationen“ jeweils in die Analyse einzubeziehen sind. Folglich werde die „Dreigliedrigkeit von Kulturbezug, Sozialbezug und Naturbezug“ ohnehin berücksichtigt und enthalte die Sozialhistorie als theoretisch-­perspektivische Fokussierung statt Objektfixierung von vornherein einen eminenten Kulturbezug. Soweit sich die Tätigkeit des Kreises durch Verengung von Sozial- auf Gegenstandsgeschichte erschöpft habe, gebiete sich also eine Neuorientierung mit Rückbesinnung auf die einst gedachten Ansätze, ohne etwa „ausschließlich theoretisch interessierten Leuten das Sagen“ zu überlassen und auf historische Konkretisierung samt Anschaulichkeit zu verzichten. Ob nun mehr inhaltlich-­thematisch oder stärker methodologisch und funktional akzentuiert, vor allem Borchardt bemühte sich schließlich um Rückkoppelung der vielfältigen Erwägungen und Anregungen an die praktischen Gegebenheiten, besonders an das, was er das „soziale Problem“ des Kreises nannte: Dass die Mitglieder durch verschiedenste Verpflichtungen im Wissenschaftsbetrieb fast ausnahmslos mehr als ausgelastet ­seien und sich überdies allesamt in einem „hierarchisch schon fortgeschrittenen Status“ befänden, mache die nach wie vor geforderte Steigerung der aktiven Teilnahme „völlig utopisch“; und da sich, bei allem Engagement mancher Mitglieder, der Einsatz nun mal nicht voll auf den Kreis konzentrieren lasse, kämen aus eigener Kraft auch weder stark spezialisierte noch 454 Brief an Lepsius, 22. 2. 1995 (Kopie in PR 15, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1995).

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etwa material umfassende Untersuchungen in Betracht. Diese nüchterne Warnung vor etwaiger Selbstüberschätzung wurde von Lepsius umgehend aufgegriffen und um weitere Gesichtspunkte zur „internen kommunikativen Situation“ ergänzt: So plädierte er nachdrücklich nicht nur für verstärkte Bilanzierung von Tagungsergebnissen, sondern auch und zumal dafür, den Gehalt der häufig ja sehr ergiebigen Diskussionen auf eine erkennbare Weise in den Tagungspublikationen zu vermitteln (etwa durch komprimierte Kurzkommentare). Dabei ging es ihm nicht einmal so sehr um Erhöhung der Außenwirkung als vielmehr um Behebung eines internen Mangels, der bisher so noch nicht angesprochen worden war: Die ja fortlaufend und eingehend geführten Protokolle des Kreises würden in aller Regel nur abgelegt, aus Zeitmangel also nicht gelesen – weshalb der hohe Dokumentationsaufwand im Wesentlichen „Quellenproduktion für eine spätere Geschichtsschreibung des Arbeitskreises selbst“ bedeute, ohne als „Basis für eine kontinuierliche Selbstreflexion unserer Tätigkeit und unseres Diskussionsstandes“ zu dienen. Wie sehr diese Beanstandung zugleich Ausdruck eines bestimmten Spannungsverhältnisses z­ wischen den Mitgliedern war, trat zutage, als Lepsius auf die Inhomo­ genität des Kreises zu sprechen kam und dabei vollends kein Blatt mehr vor den Mund nahm: Neben den Sozialhistorikern als Hauptkontingent bildeten die Repräsentanten der sog. Systemwissenschaften eine Minderheit, deren Argumente zwar Resonanz im Sinne von – bisweilen „kräftigem“ – Räsonieren hervorriefen, doch „irgendeine Interaktion darauf findet nicht statt“. Er selbst jedenfalls, so Lepsius in zunehmender Erregung, könne es nicht länger ertragen, immer wieder „antisoziologische, ressentimentgeladene“ Äußerungen hinzunehmen; dies umso weniger, als es sich gar nicht um Soziologie versus Geschichtswissenschaft handele, sondern um „einfache methodische, erkenntnistheoretische Positionen“. Doch ganz abgesehen von solch persönlicher Bemängelung sei festzustellen, dass der Kreis keine wirkliche Diskursgemeinschaft bilde und lediglich die informelle, „sozusagen historische“ Übereinkunft habe, seine „Interessenfokalisierung über Gegenstände, nicht über Methoden“ herzustellen und diese Gegenstände selbst „methodisch unterdefiniert“ abzuhandeln. Wolle man hingegen eine moderne Sozialhistorie, modern nicht bloß als Zeitumschreibung für das 19./20. und demnächst dann auch das 21. Jahrhundert, könne das seiner Meinung nach nichts anderes heißen als eine theoretisch-­methodologisch durchreflektierte Verfahrensweise. Anders als vor drei Jahrzehnten, als die Thematisierung des Objektbereichs als ­solche schon eine Innovation gewesen sei, lasse sich dem Arbeitskreis insoweit „keine Bedeutung“ mehr zusprechen. Schließlich sei Erforschung von Schichten bzw. Klassen oder Berufen heutzutage bloß noch „Abarbeitung eines klassifikatorischen Schemas“, aber nicht mehr innovativ. Das gelte ebenso für die Auffassung von Sozialgeschichte nur als Struktur- bzw. Gesellschaftsgeschichte oder, wie manchmal ja auch gesagt werde, Historische Sozialwissenschaft – obwohl der Kreis, so Lepsius mit nunmehr

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äußerster Überspitzung, „nicht einmal die primitivste Sozialwissenschaft“ in das jeweils verhandelte „minimale Kategoriensystem“ transferiere. Solle die Sozialhistorie also wirklich „modern, daher [interdisziplinär] anschlussfähig, daher innovativ“ betrieben werden, habe man von der „Abfolge ritualistischer Begrifflichkeit“ wegzukommen und die Grundentscheidung über die Alternative Gegenstandsbereich oder theoriebasierte Methode nicht länger dilatorisch zu behandeln. Was Lepsius hier, wie er selbst meinte, zwecks Verdeutlichung der Optionen „etwas forciert“ und mit „gelegentlicher sachlicher Schärfe“ ansprach, provozierte eine Serie von Stellungnahmen. Darin mischte sich Grundsätzliches meist mit bestimmten Themavorstellungen, wobei Zustimmung wie etwa bei Oexles Votum für Einschaltung einer „Grundlagen- und Besinnungsphase“ mit gründlicher Richtungsdebatte nur wenig vorkam. Häufiger waren Einreden, von denen einige den Kern der Sache freilich eher streiften als trafen. Winkler etwa verwarf die pointierte Gegenüberstellung „methodenorientierte Selbstdefinition oder Gegenstand“ gar als „undialektisch“, denn fruchtbare Anwendung und Bewährung sozialhistorischer Ansätze sei stets nur denkbar am Beispiel „hochrelevanter Dinge“. Wehler hingegen schien sich zwar darauf einzulassen, zielte letztlich jedoch auf Immunisierung. Er nämlich spielte die Lepsius-­Philippika dadurch herunter, dass er sie als Ausdruck von Hoffnung auf „Revitalisierung“ des Kreises nach einer „gewissen Selbstgenügsamkeit“ und als Akt der Vorsorge sozusagen des „guten Hausvaters“ für eine Zeit beträchtlicher finanzieller Unsicherheit deutete – um dann spöttisch nachzuschieben: Dass der Kreis eine „Versammlung von bornierten Gegenstandshistorikern“ sei, habe er nie wahrgenommen und erscheine ihm als ein „etwas künstlich stilisierter Gegensatz“. Damit war die von Lepsius präsentierte Alternative keineswegs schon, wie Grimm meinte, zugunsten eines Theorieprimats entschieden. Denn auch danach wurde sie verschiedentlich als überzogen eingestuft. Deshalb hielt Schluchter zwischendurch eine längere, auch auf die Begriffsgeschichte rekurrierende erkenntnis­theoretische Klarstellung für angebracht: Da jeder Gegenstand, so die Pointe, selbst „theoretisch konstituiert“ sei, stelle sich stets die genaugenommen theorie-, nicht methodenabhängige Frage, ­welche Dimensionen jeweils notwendig zu einem bestimmten Begriff von Sozialgeschichte gehören. Somit habe der Arbeitskreis die Aufgabe, „in dieser theoretischen Diskussion weiterzukommen“ und einen komplexeren, unbedingt auch die Kulturdimension einschließenden Begriff ins Auge zu fassen. Dem stimmte Siegenthaler aus der Sicht des Ökonomen nachdrücklich zu, nicht ohne zu ergänzen, dass gerade Interdisziplinarität „Konfrontation des Theorieangebots“ bedeute und nur auf d ­ iesem Weg erreicht werde, weshalb die Theoriefrage „explizit auf den Tisch“ müsse. Dass dieser Diskussionsfaden abermals durch speziellere Sacherwägungen überdeckt wurde und so der Eindruck einer gewissen Konvergenz der verschiedenen Ansichten aufkommen mochte, ließ Borchardt schließlich belustigt und zu allgemeiner Erheiterung feststellen, momentan erlebe

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er „sozusagen die Wiedervereinigung des Arbeitskreises“, freilich „in den unterschiedlichsten Sprachen“. Doch keinesfalls dürfe man sich begnügen mit irgendwelchen Formelkompromissen, denn sie zu hinterfragen und konkrete historische Problemstellungen „durch schlaueres Fragen weiterzuführen“ sei ja „theoretisch die Aufgabe“ des Kreises. Wenngleich dies bei Borchardt wie zuvor und nachher auch bei anderen Mitgliedern in handfeste Themavorschläge überging (dazu s­ päter), führte es im Effekt zurück zu der wieder und wieder aufgeworfenen Gretchenfrage, wobei der Dissens nicht geringer wurde. Mommsen zumal hielt eine rein theoretisch-­methodologische Debatte „als Selbstzweck“ oder bloß zwecks Anschluss an innovative Erörterungen anderer Disziplinen mit ihren je eigenen Erkenntniszielen für höchst fragwürdig, solange die Erkenntnisrichtung dabei nicht angegeben werde. Fast provokant wollte er wissen, ob es darauf hinauslaufen solle, etwa die Frontstellung gegen die ältere Ideengeschichte aufzugeben, weil das Gefühl bestehe, dass Geschichtsanalyse „im Sinne der Verifikation von Theorien des sozialen Wandels“ allein nicht mehr ausreiche und das „ökonomische Modell“ sich ohnehin widerlegt habe – obwohl ursprünglich doch die Tendenz dahin gegangen sei, zu den „ökonomischen Grundfaktoren zu kommen und die sozialen eher als abgeleitet zu betrachten“. Dass Mommsen damit geradezu eine Richtungsdebatte „angezettelt“ habe, fand Schluchter und hielt das insofern für begrüßenswert, als es um eine Neuverständigung über die Möglichkeiten moderner Sozialhistorie einschließlich der Frage nach den konstitutiven Faktoren der sozialhistorischen Sichtweise gehe: Bestehe der Kreis doch aus Wissenschaftlern mit Grundkonsens über ihre prinzipiellen Absichten, aber mit so „verschiedenen Akzentuierungen und vielleicht sogar theoretischen Unterschieden“, dass eine Klärung vor Festlegung der nächsten Tagungsschwerpunkte die „bessere Strategie“ sei. Dem Gedanken an eine ­solche, wie Schieder sich ausdrückte, „theoretisierende Vorschaltphase“ gab Lepsius zum Schluss eine gleichsam vermittelnde Fassung: In resümierendem Anschluss an mehrere Voten sprach er von der Möglichkeit zur Anknüpfung an den „ursprünglichen Anfangsimpuls“ der Sozialhistorie gegen die Dominanz von Personen-/Ideen-/politischer Ereignis- bzw. Verfassungsgeschichte im engeren Verständnis und für eine „in der Vorstellung bestehende Erschließung einer Tiefendimension, die als Gesellschaftsgeschichte/Sozialgeschichte wahrgenommen wurde“. Dieser Initialimpuls, so Lepsius, sei wohl mehr wissenschaftspolitischer Art gewesen, nämlich mit Stoßrichtung gegen die seinerzeit vorherrschenden und als einseitig empfundenen Erinnerungs- und Kausalitätskonstruktionen. Nach der insoweit erfolgreichen Durchsetzung der Sozialhistorie als Gegenstandsbereich und als Perspektive stelle sich die Frage, ob sie sich noch einmal selbst überdenken könne: nunmehr „gewissermaßen ohne Feindgruppenbilder“ und „sozusagen mehr mit einer theoretischen Reflexion“; konkret: ob der Arbeitskreis womöglich mit einer entsprechenden Publikation das Projekt Sozialgeschichte nochmals ­präsentieren

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solle, und zwar via Beiträge von Mitgliedern, die durch eigene Positionen, vor allem durch eigene Erfahrungen und auch durch eine „biografische Komponente“ besonders damit verbunden ­seien. Davon versprach er sich eine Reprofilierung der „ins Beliebige, ins Vielfältige, ins Unbestimmte sich verstreuenden“ Disziplin, womit deren Binnenverständnis klarer, wenn schon nicht einheitlicher hervortrete. Sich eher darum zu kümmern als um die engere Frage nach dem Verhältnis von Sozial- und Kulturgeschichte, empfahl er besonders im Hinblick auf eines der seiner Meinung nach „ganz großen Defizite“: dass die Wirtschaftsgeschichte in die Sozialhistorie nicht systematisch eingebunden worden sei. Dies berge die Gefahr, dass sich in der Geschichtswissenschaft eine der „verhängnisvollsten Entwicklungen der neueren Zeit“ wiederhole, nämlich die für die gesamten Sozialwissenschaften „so unbefriedigende […] Herauslösung der Wirtschaftswissenschaft zum Teil in ihrer eigenen Entwicklung, zum Teil in der nicht mehr nachvollziehbaren einfachen Übernahme von wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentarien für nicht wirtschaftswissenschaftlich gebildete Personen“. Nach ­diesem wissenschaftshistorischen Memento wurde unbeschadet aller sonstigen Programmüberlegungen am Ende entschieden, schon bei der nächsten Zusammenkunft im April 1995 anhand von Positionspapieren über Problemlagen der Sozialgeschichte zu sprechen. Kaschuba zählte gar auf eine „systematische Programmtagung“, bei der dann auch die „denkwürdige Leistung des Arbeitskreises für die Geschichte wie seine denkwürdige Leistung für die Zukunft quasi memorandenhaft“ festgehalten werden könne. Allemal aber sollte insbesondere verhandelt werden, ob die Sozialhistorie, so Lepsius, sich womöglich „zu Tode gesiegt“ bzw. inwieweit sie sich „nach ihrem Sieg“ zu ergänzen und Abwehrhaltungen gegen tradierte Geschichtsperspektiven neu zu überdenken habe. Von daher sprach Koselleck denn auch sofort bei Eröffnung des ganz intern gehaltenen Frühjahrstreffens 1995 sogar von „Dauerdefiziten der Sozialgeschichte“, wobei er bestimmte Disziplinen (z. B. Kulturgeschichte und Semiotik oder Anthropologie, nach wie vor auch die Ökonomie) im Auge hatte, ebenso manche Sachthemen (u. a. aus der Verfassungsoder der Geschlechtergeschichte).455 Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, dass Sozialhistorie, bei welcher Desideratbeseitigung auch immer, stets nur als theorieabhängige und methodisch entsprechend reflektierte Wissenschaft gehandhabt werden könne, also „Sozialgeschichtstheorie immer mitgeliefert“ werden müsse. 455 Hier und im Folgenden nach dem – freilich ungewöhnlich knapp ausgefallenen und keinerlei Zitatkennzeichnungen enthaltenden – TP Apr. 1995 (PR 15), S. 2 ff.; darin auch keine Themaangaben zu den Referaten (S. 3 ff. Wehler, S. 7 ff. Siegenthaler, S. 10 ff. Graf, S. 12 ff. Schluchter), deshalb ersatzweise hier nach den noch vorläufigen Angaben im PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 45; wichtig zudem Kockas eingehende, weiter unten zitierte Stellungnahme per Brief an Lepsius, 22. 2. 1995 (5 MS, Kopie bei den Tagungspapieren).

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Insoweit formulierte Koselleck so etwas wie einen immerhin fast gemeinsamen Nenner der anschließenden Diskussionen über die vorbereiteten Beiträge von Wehler über Sozialgeschichte und Gesellschaftsgeschichte, Siegenthaler über Sozialgeschichte und Ökonomie, Graf über Sozialgeschichte und Religion, schließlich Schluchter über Sozialgeschichte und Historische Sozialwissenschaft (darunter übrigens teilweise stark Abstraktes wie vor allem bei Siegenthalers Ausführungen zur „handlungstheoretisch-­kulturalistischen Wende“ in der neuen Ökonomik). Ansonsten jedoch differierten die Positionen, wie zu erwarten, manchmal bis zur Unvereinbarkeit. Wehler etwa diagnostizierte mit Blick auf die altbundesrepu­ blikanische Sozialhistorie nicht nur mangelnde Synthesefähigkeit der sog. Strukturgeschichte, sondern auch eine zeitweilig zu eindimensionale Fixierung auf die „sozioökonomische Motorik als Zentrum der [historischen] Entwicklung“ bei gleichzeitiger Unterschätzung der relativen Autonomie von Politik und Kultur. Auch räumte er ein, dass es speziell bei der Analyse von Klassenformierung/auflösung oder -wandlungen nicht ohne die handlungstheoretische Dimension gehe und Handeln immer normativ wie kulturell geprägt sei. Überdies konzedierte er, dass die Gesellschaftsgeschichte ihre namengebende Bezugsgröße fingiere, bestand aber auf deren Unverzichtbarkeit, da Gesellschaft stets als nachweisbare Sozialverbindung oder Aktionseinheit existiere. Zugleich plädierte er für Suche nach einer neuen, theoretisch reflektierten Kulturhistorie oder – für ihn „neutraler“ – ‚modernen Kulturwissenschaft“ und betonte die Frage nach deren Synthese­ fähigkeit. Graf andererseits bezweifelte das Synthese- bzw. Integrationspotenzial überhaupt des Gesellschafts- wie des Kulturbegriffs und trat dafür ein, nun nicht etwa einen „unklaren Großbegriff“ durch einen anderen, also Gesellschaft durch Kultur zu ersetzen und auch nicht den Begriff der Sozialgeschichte aufzugeben, wohl aber den Integrations-/Syntheseanspruch (ähnlich Mommsen). Noch weiter ging Lepsius, wenn er folgerte, dass es nicht auf Reflexion über seines Erachtens ohnehin redun­dante Begriffe wie Sozial- bzw. Gesellschaftsgeschichte oder Historische Sozialwissen­schaften ankomme, sondern grundlegend auf hinreichende Spezifizierung der Fragestellung einschließlich klarer Formulierung des Erkenntnisinteresses. Und bei der Gegenstandsbestimmung könne nicht die Kategorie der Gesellschaft maßgeblich sein, sondern die der Sozialordnung, die genauso präzise gefasst werden müsse wie bei den unverzichtbaren Referenzgrößen ­Wirtschaftsbzw. Rechts- oder ­Verfassungsordnung (so auch schon Borchardt). Näher darauf ein ging Schluchter, der den Begriff der Gesellschaft(sgeschichte) für untauglich zur Klärung sowohl der Struktur/Ereignis-­Beziehung wie auch der Ganzheitsproblematik hielt und deshalb gestrichen wissen wollte. Als ein zentrales theoretisches Problem sozialgeschichtlichen Zugriffs bezeichnete er im Anschluss an Max Weber die Verknüpfung von Ordnung (samt Analyse von Ordnungskonfigurationen) und Handlung: Dabei analytisch unabdingbar sei die Berücksichtigung von Kultur –

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aus der Perspektive einer an Weber orientierten Handlungstheorie zu verstehen als „objektives Widerlager“ zu subjektiven Sinngebungsprozessen. Dazu gehöre Rekonstruktion kultureller Überlieferungen in verschiedensten Bereichen (Recht, Wirtschaft usw., nicht zum wenigsten auch der von Graf zuvor herausgestellte Faktor der Verhaltensstrukturierung durch Religion). Anders lasse sich Handlung ebenso wenig verstehen wie Handlung ohne den Ordnungsbegriff, wobei ein an Weber ausgerichtetes Handlungsmodell dadurch ausgezeichnet sei, dass es über Rational-­Choice-­Annahmen hinaus noch andere Grundorientierungsmuster der Menschen kenne. Damit könne spezifischen Schwierigkeiten, nämlich der Entgegensetzung von Kultur versus Struktur bzw. Ordnung versus Handlung und auch einem bloß ideologiekritischen Verständnis von Sozialgeschichte im Vorhinein begegnet werden. Gerade diese gewissermaßen vermittelnde Sicht enthielt für die fällige Festsetzung eines neuen Schwerpunktthemas ein gutes Stück Entscheidungshilfe zum weiteren Vorgehen. Erst kürzlich noch hatte Kocka empfohlen, die Klärung aller Fragen zu Begriff und Abgrenzung der Sozialhistorie, nicht zuletzt zur „Rolle von Theorien und Selbstreflexivität in der Geschichtswissenschaft“, besser „indirekt zu betreiben und gewissermaßen immer als Nebenzweck im Auge zu behalten, während stärker empirisch definierte Probleme verfolgt werden“. Nun intensivierte Schluchter die Tendenz, bei der Auswahl ­zwischen mehreren Projektvorschlägen vorrangig auf methodisch-­theoretische Fundierbarkeit zu achten. Das bewirkte eine besondere Präferenz für zwei große, direkt oder mittelbar transnationale Sachkomplexe aus der Geschichte des 20. Jahrhunderts: Konstituierung Europas ­(Lepsius, mit anderen Akzenten auch Kaelble) bzw. epochale Systemkrisen, wenn nicht -zusammenbrüche (Winkler, in Abstimmung mit Borchardt). So definierte L ­ epsius als generelle Problemfassung seines Vorschlags den „Grad der Institutionalisierung von Rationalitätskriterien“: Europas Zusammenschluss lasse sich erklären mit einer relativen Homogenität der Zustimmung zu den als evolutionär verstandenen „Universalien“ Marktwirtschaft, internationaler Handel, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und Klassen- bzw. industrieller Konflikt; mithin konzentriere sich das Interesse methodisch-­konzeptionell eben auf besagten Grad der Institutionalisierung von Rationalitätskriterien, um so die für ein komparatives Projekt entscheidende Frage nach der Zurechenbarkeit bestimmter Folgen zu bestimmten Einheiten beantworten zu können. Doch anders als Lepsius selbst sah Schluchter durchaus eine ­Komplementarität mit dem Vorschlag Winkler: Die dort, zunächst mit Schwerpunkt Deutschland, ins Auge gefassten Krisen/Zusammenbrüche seit 1918 ließen sich als genau jene Ereignisse verstehen, mit denen man die von ­Lepsius theoretisch vorgegebenen Ordnungstypen zwecks Lösung der Zurechnungsfrage zu testen habe. Auch Wehler hielt die beiden Vorschläge nicht für konträr, legte indessen den Akzent auf das Krisenthema: Wenn man sich damit beschäftige, gelange man

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zwangsläufig zur Präzisierung von Ordnungssystemen, um deren institutionelle Elastizität bei endogenen oder exogenen Herausforderungen prüfen zu können; somit gewinne man Anschlussfähigkeit für weitere Projekte im Horizont einer vergleichenden Sozialgeschichte Europas. Ob die unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen durch all dies doch hinreichend vereinbar oder zumindest tragfähig überbrückt wurden, musste sich erst noch zeigen. Momentan jedenfalls einigte man sich auf Erarbeitung von Projektpapieren zu dem, wie Siegenthaler betonte, expliziten Zweck theoretischer Grundlegung für die Leitfrage nach Ordnungen in der Krise. Zum Zuge kam dabei nun auch die übergreifende Bezeichnung für das neue, langfristig gedachte Rahmenthema – das Conze, wenngleich noch nicht mit solchem Zuschnitt, sogar von Anfang an vorgeschwebt, 1970 dann erneut für ­später vorgemerkt und gemeinsam mit Lepsius schon 1979 gesprächsweise als das sicherlich noch zu präzisierende, aber inhaltlich „nächste Hauptziel des Arbeitskreises“ erwogen hatte, bis es seit 1986 schließlich auf der künftigen Agenda stand: Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert.456 Dazu wollte man nach Konzipierung der Rahmenkategorien Ordnung und Krise zunächst ansetzen bei den beiden Weltkriegen als möglichst „universaler Ereignisstruktur“ für Ordnungswandel bzw. Entstehung neuer Ordnungsmodelle in tiefreichenden Krisenlagen. Vorgesehen wurden somit zwei Einleitungsveranstaltungen, von denen der Kreis sich nach Mitteilung an die Reimers-­Stiftung nicht weniger versprach als „Grundlegung für seine weitere Arbeit und einen wichtigen Beitrag für die Entwicklung der modernen Sozialgeschichte im europäischen Vergleich“ (Lepsius). Dahinter stand die in einem internen R ­ undschreiben verfochtene Absicht, bei den zum bevorstehenden Jahrhundertwechsel absehbaren ‚Jahrhundertrückblicken‘ eine spezifisch sozialhistorische Sicht einzubringen und als deren „geborener Träger“ seine „wissenschaftstheoretische wie auch forschungspraktische Kompetenz zu erweisen“. Komme es doch darauf an, die seit langem (auch von Lepsius selbst) immer wieder geforderte Vergleichsperspektive samt transnationaler Ausweitung endlich in Angriff zu nehmen. Denn eine Verstärkung 456 Dazu unten, Kap. 4.4. – Folgende Zitate: aus den Förderungsanträgen – gez. Lepsius – vom 11. 5. 1995 an die Reimers-­Stiftung (KP 22a), lf. S. 70 ff., bes. 71 f.; bzw. Lepsius-­ Rundschreiben vom 18. 4. 1995, S. 2 (PR 15, bei den Unterlagen zur Apriltagung 1995); s. a. JBR 1995 vom 18. 9. 1995 (KP 22a, lf. S. 59 ff.) sowie TP Okt. 1995 (PR 15), bes. S. 41 (Winkler) u. 44 (Kaschuba), außerdem ebd. die von Schieder entworfene Zusammenfassung der Berliner Beratung der betreffenden Arbeitsgruppe, 2. Fassung vom 30. 3. 1996, S. 1). – Bezüglich Conzes früherer Überlegungen in Sachen Sozialgeschichte Europas vgl. schon oben, Kap. 2.1, außerdem seinen Brief vom 10. 2. 1970 an Imhof (KP 4, lf. S. 204) bzw. vom 20. 2. 1979 an Lepsius (KP 7, lf. S. 404 f.); bezüglich Lepsius-­Forderung nach einer transnationalen, jedenfalls gemeineuropäischen Perspektive des AKMS vgl. schon PMV 26. 4. 1980 (PR 6), S. 3, zudem Kap. 3.4.

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sozialgeschichtlicher wie komparatistischer Problemstellungen sei aus bestimmten Gründen ­unwahrscheinlich: so im Hinblick auf die „mit der [deutschen] Vereinigung zu erwartende neuerliche Wendung nach innen, auf die ‚Einarbeitung der DDR -Geschichte‘, auf die ‚Transformationsprozesse‘ unter den deutschen Sonder­bedingungen und die neuerliche ‚Identitätssuche der Deutschen‘, schließlich die mit der ‚Aufarbeitung der Geschichte der DDR‘ zu erwartende Einengung auf politische Ereignisgeschichte und moralische Reflexionen über ‚Diktatur und Unrecht‘. Es stünde dem Arbeitskreis gut an“, so die Folgerung, wenn er „diesen Tendenzen ebenso entgegentreten würde wie der Tendenz, durch eine Differenzierung von Lebensstilen, Alltagskulturen und Mentalitäten die Strukturlinien des 20. Jahrhunderts deskriptiv zu unterlaufen“ (Lepsius). Vor Beginn d­ ieses ambitionierten Vorhabens sollte indessen erst noch eine andere, wiederum stark theorieorientierte Frage erörtert werden. Sie wurde als ein ebenfalls bedeutender Aspekt der behandelten Problemlagen angesehen und entsprang der Absicht, das inhaltlich inzwischen abgeschlossene Lexikon Geschicht­liche Grundbegriffe selbstkritisch zu überdenken. Wenngleich mit leichter, sozusagen antragsförderlicher Übertreibung waren beide Tagungen, die zur Begriffsgeschichte wie die zu den Problemlagen, von Langewiesche schon im Vorhinein zu den seit langem „wichtigsten“ Veranstaltungen des Kreises erklärt worden.457

4.3 Ergebnisse und Defizite der Konstruktion und Analyse politisch-sozialer Begriffe – Überprüfung des bislang aufwendigsten Arbeitskreisprojekts (1995) An sich zwar nicht neu, war ­dieses Bilanzierungsbedürfnis im Zusammenhang mit der Kulturgeschichtsfrage mittlerweile noch dringlicher geworden. Wohl riet Kocka im Februar 1995 davon ab, das Verhältnis von Sozial- und Kulturgeschichte in bloßem Nachgang zu einer schon jahrelangen Debatte über eine gewisse, bereits eingetretene „‚Kulturalisierung‘ der Sozialgeschichte“ nun als solches zu einem großen Thema des Arbeitskreises zu machen, auch wenn ihr häufig eine nicht eben vorteilhafte „Ent-­Ökonomisierung parallel“ gegangen sei. Doch empfahl er Rückbesinnung darauf, dass der Kreis mit Geschichtliche Grundbegriffe und mit Bildungsbürgertum „sehr früh eine spezifische Verknüpfung“ von Sozial- und Kulturgeschichte praktiziert habe. Gerade von einer Anknüpfung daran versprach er sich zugleich aber eine gute Möglichkeit für den Versuch, das „wünschenswerte 457 Befürwortungsschreiben vom 18. 11. 1994 an die Reimers-­Stiftung (KP 22a, lf. S. 81), s. a. JBR 1995 vom 15. 9. 1995 (lf. S. 59 ff.).

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Verhältnis“ beider Sicht- und Zugriffsweisen jetzt näher zu bestimmen.458 Und Wolfgang Schieder hatte im Zuge der Überlegungen zur weiteren Tätigkeit des Kreises schon im Herbst des Vorjahres darauf hingewiesen, dass die Geschichtlichen Grundbegriffe international zu einer Herausforderung geworden s­ eien: Doch während die Verfechter des vor allem in Amerika ständig beschworenen linguistic turn mit seiner Tendenz zur Ineinssetzung von Sprache und Realität (die Welt ‚als Text‘) sich an der Begriffsgeschichte rieben, habe der Arbeitskreis sich trotz weltweiter Beachtung Kosellecks als „Prophet“ dieser Methode bislang gänzlich in Schweigen gehüllt; deshalb sei es an der Zeit, sich einmal selbst direkt damit zu befassen und sich dabei endlich schlüssig zu werden, ob alles unter dem R ­ ubrum Kulturgeschichte Praktizierte oder Propagierte wirklich etwas völlig anderes als Sozialhistorie oder sehr wohl auch unter deren Fragestellungen möglich sei. Über diesen Anstoß hinaus waren dabei auch schon Eckpfeiler der Lexikonkonzeption problematisiert worden: so z. B. Kosellecks Hypothese von der Sattelzeit als Trennung ­zwischen Moderne und Tradition sowie die lexikalische Beschränkung auf das klassisch-­ lateinische Europa (u. a. Geyer) und besonders die vermutlich inadäquate Erfassung des 20. Jahrhunderts mit Kategorien des neunzehnten (u. a. Langewiesche, Oexle, Wehler, ­Tenfelde, brieflich auch Kocka). Hauptsächlich also zielte die anberaumte Rückschau nicht auf die Kulturgeschichtsfrage, sondern auf das „theoretische Projekt, das in dem Lexikon enthalten war“, wie Lepsius unterstrich – wobei er festhielt, dass der Arbeitskreis jedenfalls im deutschen Wissenschaftskontext genaugenommen „der Erfinder der Bedeutung von Semantik als wahrnehmungsund über Wahrnehmung auch handlungsprägender Struktur“ sei, allerdings sein „berühmtestes Kind zwar gewickelt, aber nie geküsst“ habe. Nach zügiger Vorbereitung durch Wolfgang Schieder konnte die Bilanztagung im Oktober 1995 stattfinden 459 (von Koselleck ursprünglich gedacht als ­„Sprungbrett“ 458 So in seinem schon angeführten Brief vom 22. 2. 1995 an Lepsius (s. o., Kap. 4.2), S. 2, s. a. 3 f.; rückblickend dann ders., Sozialgeschichte seit 1945, S. 23 ff. (25, 29, 32); zum Lexikon selbst bereits oben, Kap. 1.2. – Soweit nicht anders angegeben, zum Folgenden einschließlich der wörtlichen Äußerungen ebenfalls schon PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), bes. S. 12 (Schieder), 17 f. (Graf bzw. Geyer und Langewiesche), 22 (Koselleck), 27 und 42 (Lepsius), 30 ff. (Oexle, Wehler, Tenfelde), 37 ff. (Mommsen, Kaschuba, Schluchter, Schieder). – Dahingestellt sei, ob oder inwieweit das unten zitierte Lepsius-­Diktum zum Verhalten des Kreises gegenüber dem Lexikon (S. 27) vereinbar ist mit Langewiesches Ansicht, das Unternehmen sei im Unterschied zur Außenwahrnehmung intern als „eigentliches Zentrum“ der Arbeitskreisbemühungen betrachtet worden (S. 18). 459 Vgl. Übersicht im Anhang, lf. Nr. 69. – Dazu u. zur Vorbereitung PMV 28. 4. 1995 (PR 14), S. 16 f. (dort auch zum Gedanken an eine spätere Großveranstaltung) sowie die betreffende Schieder-­Tischvorlage (bei den Protokollunterlagen); TP Okt. 1995 (PR 15), S. 2 f. (Schieder-­ Einleitung) und – jeweils mit Referat u. Diskussion – S. 3 ff. (Dipper), 5 ff. (Scholtz), 9 ff.

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zu einer für ­später in Betracht gezogenen Großveranstaltung mit ausländischer Beteiligung). Gleich zu Beginn fokussierte Schieder das Augenmerk auf vier Gesichtspunkte: (a) die von vornherein im Sinne des klassischen Historismus zugrunde gelegte Unterscheidung ­zwischen Wort und Begriff; (b) das Verhältnis von Wörtern und Sachen mit Kosellecks Leitlinie von der Notwendigkeit der Begriffsgeschichte, weil die Realität nur im Medium sprachlicher Fiktion fassbar sei; (c) die beträchtliche Unterschiedlichkeit der ins Lexikon eingegangenen Begriffe, deren Binnendifferenzierung nach eindeutig und systematisch bestimmten Analyseebenen nie ausdiskutiert worden sei; (d) die theoretische Annahme einer zweifachen Eigenschaft von Begriffen als Indikatoren wie als Faktoren historischer Entwicklung/en. Überdies gab Schieder fast provokant zu bedenken, ob die Geschichtlichen Grundbegriffe überhaupt ein Lexikon darstellten oder eher ein historiografisch aufwendiges Handbuch zu Explikation und Untermauerung einer eigentümlich dichotomischen Geschichtsdeutung mit ihrem distinktiven Sattelzeit-­Konzept. Diesen Vorgaben folgte die streckenweise hochdifferenzierte und stark spezialisierte Diskussion über Grund- wie Detailprobleme der Begriffshistorie freilich nur bedingt. Doch auch wenn krankheitshalber ausgerechnet Langewiesches kritisches Referat über die Brauchbarkeit der Geschichtlichen Grundbegriffe für Erfassung des 20. Jahrhunderts ausfiel, wurden nach Dippers einführender Bestandsaufnahme nahezu alle Aspekte der komplizierten Materie zumindest gestreift. Zudem umfasste die Themenpalette das Verhältnis nicht nur anderer Disziplinen wie Philo­sophie (Scholtz), Linguistik (Lüsebrink bzw. Sheehan), Ökonomie (Siegenthaler) und Jurisprudenz (Diskussionsbeiträge) zur Begriffsgeschichte, sondern auch deren – von Koselleck übrigens als „am geringsten“ veranschlagte – Rezeption in der Geschichtswissenschaft selbst und die Bedeutung speziell für die Mediävistik (Oexle). Im Kern ging es letztlich um die Eigenschaft der Begriffshistorie als einer Th ­ eorie histo­rischer Zeiten mit Anspruch auf Ermittlung von Bewusstseinsumbrüchen im je zeitgenössischen Sprachhaushalt. Dieser Bezugspunkt bestand selbst dort, wo der unmittelbare Zusammenhang nicht auf Anhieb ins Auge sprang: etwa bei ­Siegenthalers analytisch-­abstrakten und gleichwohl bis in aktuelle politisch-­soziale (Tenfelde), 15 ff. (Siegenthaler), 22 ff. (Lüsebrink bzw. Sheehan), 33 ff. (Oexle), 38 ff. (Gesamtdiskussion); bzgl. der Koselleck-­Äußerungen („in autorisierter und weitgehend wörtlicher Fassung“): besonders S. 8, 9 f., 27 ff., 30 ff. (S. 30 speziell zur unterschiedlichen Lexikon-­ Rezeption in den einzelnen Wissenschaften), 34 und 37; bzgl. der Lepsius-­Äußerungen: besonders S. 11 und 15; bzgl. Lüsebrink-­Fazit: S. 13; ferner Engelhardts Tagungsbericht in AHF-Information Nr.17, 11. 3. 1996 sowie die betreffenden KP Schieder/Engelhardt vom Febr. 1996 (KP 13, lf. S. 285 ff.). – Zu Kosellecks eigener Lexikonkritik auch PMV 19. 10. 1995 (PR 15), S. 10; zu seinen Angaben zur ‚Erfindung‘ des Sattelzeit-­Konzepts (als Benennung zwar von ihm selbst, als Gedanke aber schon von Conze) bzw. zur Rolle Brunners s. a. TP Okt. 1999 (PR 19), S. 29 (Koselleck) bzw. 29 f. (Schieder).

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Dimensionen ausgesprochen spannenden Ausführungen über potenzielle Brückenschläge ­zwischen neoklassischer Ökonomie und Begriffsgeschichte – eine ungewöhnliche Perspektive, bei der im Unterschied zu früher nicht nach dem Nutzen der Wirtschafts- für die Geschichtswissenschaft gefragt wurde, sondern umgekehrt (was Kaelble eigens hervorhob). Und wie nicht zu verwundern, waren die Erörterungen vielfach durchsetzt und geprägt von retrospektiven, oft auch autobiografisch gefärbten Koselleck-­Auskünften: so u. a. zu Bezeichnung und Sachverhalt Grundbegriffe; zum genuinen Interesse an Verknüpfung von situativem Sprachgebrauch und strukturellen Elementen bei Konzentration auf die Wiederholungsstruktur der Sprache als entscheidendem Zugriff (im Unterschied zu Otto Brunner und zu Carl Schmitt); zur Rolle, treffender: Nichtrolle des kaum mehr als nominellen Mitherausgebers Brunner; zu Genese und Benennung des Sattelzeit-­Konzepts und zu dessen „Quasi-­Ontologisierung“ demnach durch Conze. Vor allem qualifizierte Koselleck besagtes Konzept als eine, freilich von vielen Lexikonautoren nicht explizit genutzte, „Hypothese der Demokratisierung und Politisierung des Sprachgebrauchs und der Ideologisierbarkeit und Verzeitlichung der Begriffe selbst“. Und die höhere Ergiebigkeit der begriffsgeschichtlichen Methode gegenüber anders angelegten Lexika sah er darin begründet, dass die Hypothesenbildung großflächige Vergleiche erzwinge und so die Analyse von Sprüngen bzw. Veränderungen ermögliche. Mehr als nebenbei nun hatte ein Unternehmen wie die Geschichtlichen Grundbegriffe sich vor allem gegen drei Vorbehalte, wenn nicht Einwände zu behaupten: nicht nur weitgehend an einseitig ober- bis mittelschichtgenerierte Quellen bzw. sog. Höhenkammliteratur gebunden zu sein, sondern auch die realgeschichtlichen Hintergründe von Sprachwandel nur unzureichend zu berücksichtigen und sehr unterschiedliche sozialhistorische Problemfelder zu bezeichnen, insofern also lediglich disparate Resultate zu liefern. Schon deshalb mussten Überlegungen zur sozialhisto­ rischen Relevanz der Befunde besondere Aufmerksamkeit beanspruchen (Referat Tenfelde). Thematisiert war damit zweierlei zugleich: nicht allein Aufschlussgehalt und Reichweite bzw. Repräsentativität, sondern auch die Frage, ob oder inwiefern Sozial- und Begriffshistorie bei ihrem gemeinsamen Interesse an „Aufdeckung von Temporalstrukturen“ (Tenfelde) methodisch in einem Ergänzungs- oder zumindest zeitweilig eher in einem Oppositionsverhältnis zueinander stünden und die Begriffsgeschichte womöglich gar ihre eigene Sozialgeschichte habe. Dazu bestand Koselleck einerseits darauf, dass sozialhistorische Sprachaufbereitung an sich zwar „sinnvoll und machbar“, aber „nicht spezifisch ist für die Selbstreflexivität, die aus der Sprache hervorgeht“. Das vertrug sich jedoch mit dem, was er andererseits als eine „konsensfähige Definition der Differenzen“ formulierte: nämlich dass die Begriffshistorie in erster Linie sprachgeschichtliche Erfassung von sozialhistorisch auf den Begriff Gebrachtem betreibe und durchaus auf weitere sozialgeschichtliche Gegenstandsbereiche angewendet werden müsse. Da freilich Sachprobleme

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­keineswegs allein begriffsgeschichtlich zu lösen ­seien und die Begriffshistorie in der Tat einen zu Recht kritisierten Selbstzweck enthalte, benötige man eine klare, eben noch nicht existierende „begriffliche Th ­ eorie der Begriffsgeschichte“, die sowohl die Sprache in sich wie auch die davon benannten Sachverhalte umfasse und für historische Fragestellungen aller Art hilfreich sein könne. Wie immer die Betrachtungen speziell zum Verhältnis von Begriffs- und Sozialhistorie jeweils ausfielen oder akzentuiert wurden, durchweg beruhten sie auf der Annahme einer besonderen Affinität der Begriffs- zur Sozialgeschichte statt zu anderen Feldern der Geschichte. Ebendas aber wurde von Lepsius aus wissenschaftslogisch-­prinzipiellen Erwägungen entschieden angezweifelt – eine Gedankenführung, die augenscheinlich kaum Widerhall fand und gerade auch deshalb nicht unerwähnt bleiben soll: Wenn man Begriffshistorie als „hermeneutisch kontrollierte Explikation von kognitiven Strukturen der Wirklichkeit“ betrachte und davon ausgehe, dass Wirklichkeit ohne deren kognitive Struktur nicht hinreichend beschrieben werden könne, gelte dies für jede Wahrnehmung wie für jedes Verhalten. Und was denn primär bzw. sekundär sei, lasse sich wegen Abhängigkeit von der Fragestellung apriorisch gar nicht entscheiden. Frage man nach der Ausformung kognitiver Wirklichkeitskonstrukte, werde die Begriffsgeschichte primär – was jedoch keine Sachaussage sei, sondern eine methodische Entscheidung, die aus dem Ergebnis der Fragestellung folge. Unter sozialhistorischem Blickwinkel, so Lepsius weiter, empfinde er als irritierend undeutlich, wie die Verhaltensrelevanz kognitiver Wirklichkeitskonstruktion aus der Begriffsgeschichte abgeleitet werden könne; denn die Feststellung, dass ein Begriff mit einer bestimmten semantischen Auffüllung vorliege, beantworte noch nicht die Frage nach der tatsächlichen Verhaltensstrukturierung. Treffe die (seiner Meinung nach von Schieder vertretene) Auffassung von Wörtern als Definitionen und Begriffen als Interpretationen zu, sei Begriffshistorie „als Wortbedeutungsexplikation“ offensichtlich eine Vorstufe zu Begriffshistorie „als Interpretationsergebnis oder Interpretationskampf“. Sage doch die semantische Füllung eines Begriffs gar nichts aus über die interpretative Vielfalt in den Anwendungsbezügen. Und abgesehen von Begriffen, die in einer hierarchischen Zuständigkeit mit Geltungszugriff lägen, folglich zu jedem einzelnen Moment auch dann verbindliche Wortbedeutungsfestlegungen mit praktischem Verhaltenskonsequenzen hätten, wenn sie im Zeitverlauf interpretationsbedürftig und völlig inkonsistent s­eien – abgesehen von solchen Begriffen bestehe keine methodische Chance, die Interpretationsgeschichte als ­solche sorgfältig und mit einer positivistisch-­empirischen Basis nachzuzeichnen. Wenn man sich überhaupt noch mit kognitiven Wirklichkeitskonstruktionen befassen wolle, blieben also nur die Bereiche Religion und Recht; alles andere sei schlechterdings quasi „Sumpf“, den man tunlichst meiden solle wegen der „empirischen Unmöglichkeit, Konsistenzen von Interpretationsregeln festzulegen“.

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Mit dieser massiven Intervention wollte Lepsius indessen die Begriffshistorie keineswegs rundheraus infrage stellen als sie vielmehr gegen allzu extensive Anforderungen abschirmen, also zusätzliche sozialhistorische Kompetenzzuschreibungen vermeiden zugunsten von möglichst präziser Ermittlung der „kognitiven Kerne“ in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Im Übrigen wandte er sich dabei auch gegen die Debatte um Kultur(geschichte) und Gesellschaft(sgeschichte) überhaupt: Da es kein kulturell ungedeutetes Verhalten, mithin auch keine Gesellschaftsgeschichte ohne Kultur gebe, laufe diese Debatte im Grunde leer. Das gelte auch für den Modernisierungsbegriff, weil sich mit ihm keinerlei konkretes theoretisches Modell verbinde. Wenn die Koselleck’sche Begriffshistorie die Mächtigkeit von Bewegungsbegriffen zu einem bestimmten Zeitpunkt aufweisen könne, sei der Bewegungsbegriff eine deutlichere Indikation von Wertbeziehungsveränderungen als die Rede von Modernisierung, weil im Unterschied dazu der Bewegungsbegriff einen Sachverhalt identifiziere. Und die Eigenmacht von Begriffssystemen könne darin bestehen, dass beispielsweise die Begriffswahrnehmung als s­ olche so thematisiert werde, dass sie aus kognitiven Zwängen nie mehr verlassen werden könne, ganz unabhängig von etwaigem sozialhistorischem Beiwerk; die kognitiven Zwänge ­seien als ­solche unaufhebbar, und es komme entscheidend darauf an, sie herauszuarbeiten. Kulturprägungen besäßen nun mal einen gewissen Grad von Indifferenz gegenüber sozialen Beziehungen. Wenn man das nicht ausweise, brauche man Kulturgeschichte nicht, die so etwas wie ein „Additivum“ zur ‚normalen‘ sozialhistorischen Analyse sein müsse; und dies gehe via „Präzisierung der kognitiven Inhaltsstruktur“, erreichbar unter anderem durch Begriffsgeschichte. Noch derart dezidierte Positionen, erst recht niederschwelligere Differenzen wie die ­zwischen Tenfelde und Koselleck über den Nutzen von Trägergruppenanalyse auch in der Begriffshistorie erlaubten letztlich doch einen gewissen Konsens darüber, dass „Begriffsgeschichte als Geschichte versprachlichten sozialen Wissens und damit sozialer Erfahrung Sozialgeschichte sei“ (wie Lüsebrink laut Protokoll festhielt). Damit führte die Tagung entsprechend Mommsens Erwartung in der Tat zwar kaum zu ganz „neuen Ufern“, diente aber mittelbar durchaus als das, was Kaschuba sich davon versprochen hatte: als eine Art Einstieg in weitere Präzisierung der theoretischen Prämissen, methodologischen Spezifika und interdisziplinären Erfordernisse von Sozialhistorie, und zwar möglichst am je konkreten Objekt deutlich umrissener Untersuchungsfelder.460 Überhaupt standen s­olche Erwartungen auch hinter den nun voll einsetzenden Bemühungen um das neue, wieder etwas eingehender nachzuzeichnende Vorhaben.

460 PMV 28./29. 10. 1994 (PR 15), S. 37 bzw. 38.

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4.4 Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (I) – Entwurf und Start eines vordringlichen „Mammutprogramms“ (1996 – 1999) Was an sich nachgerade ja schon lange ins Auge gefasst war, hatte mit absehbarem Bedarf an Erschließung alternativer Finanzquellen sozusagen auch antragsstrategisch immer mehr an Bedeutung gewonnen.461 Gleichwohl war selbst im Zuge eingehenderer Überlegungen im Frühjahr 1995 offengeblieben, wie bei „unserem Europa-­Projekt“ (Koselleck) genau verfahren werden sollte: ob eher per Querschnittsanalysen einschneidender Krisen und deren Folgen in der europäischen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts von den Weltkriegen einschließlich Weltwirtschaftskrise bis zum Zusammenbruch des kommunistisch-­sozialistischen Herrschaftssystems 1989/90 oder eher per längsschnittartige Entwicklungsanalysen großer Strukturprobleme Europas, zumal der politischen, der Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsordnung und der Sinngebungsordnungen.462 Ein für Juli 1995 angesetztes Treffen zur Konkretisierung der Planungsarbeiten war wegen zu vieler Verhinderungen erst einmal ausgefallen.463 Und dann für den zweiten Teil der Herbsttagung vorgesehene „Grundentscheidungen über den Inhalt des Konzeptes“ (­Schieder) waren genaugenommen unterblieben – nach einer erneut weit ausholenden und sehr facettenreichen, aber letztlich doch dilatorischen Diskussion.464 Wohl hatte man 461 Vgl. schon Kap. 4.2; speziell im Hinblick auf das neue Generalthema: Engelhardt an ­Lepsius, 24. 3. 1995, Punkt 3 (KP 13, lf. S. 19) und an Graf, 28. 3. 1995 (KP 12, lf. S. 390). 462 Dazu TP Apr. 1995 (PR 15), S. 13 ff. und 17 ff., außerdem folgende Papiere (sämtl. bei den Tagungsunterlagen): das spezifizierte Lepsius-­Rundschreiben vom 18. 4. 1995 betr. Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (6 MS) sowie die Tagungsvorlagen/Projektvorschläge von Winkler in Abstimmung mit Borchardt, Vorüberlegungen zu einer Tagungsfolge zum Thema „Deutsche Zusammenbrüche im 20. Jahrhundert“ vom 13. 3. 1995 (6 MS) bzw. Kaelble, Geschichte Europas im 20. Jahrhundert (4 MS) bzw., mit ganz anderem Perspek­ tivansatz, Ute Frevert, Nachkriegsgesellschaften (3 MS); für die Grundlinie auch JBR 1995 vom 18. 9. 1995 (KP 22a, lf. S. 59 ff.).- Koselleck-­Zitat: PMV 28.4. 1995 (PR 15), S. 17. 463 Zu dem zunächst nach Berlin anberaumten, nach Finanzierungszusage der WRS nach Bad Homburg umdirigierten, dann abgesagten Treffen einer „Kerngruppe“ (Lepsius) aus Fischer, Frevert, Graf, Kaelble, Kaschuba, Kocka, Koselleck, Langewiesche, Lepsius, ­Schieder, ­Siegenthaler, Tenfelde, Wehler und Winkler: PMV 28. 4. 1995 (PR 15), S. 18 (Protokollzusatz), KP 22a, lf. S. 68 ff. (Finanzierungsantrag von Lepsius an die WRS vom 11. 5. 1995 und WRS-Bewilligung vom 21. 7. 1995), außerdem in PR 15 die Unterlagen zur Herbsttagung 1995 (hier: die von Mai bis Juli 1995 eingetroffenen Diskussionspapiere von Winkler, Kaschuba, Siegenthaler, Frevert, Tenfelde, Schieder, Langewiesche u. Graf samt betr. Korrespondenzen, im November dann auch von Dilcher). 464 Dazu TP Okt. 1995 (PR 15), S. 40 ff. (Lepsius-­Zitat: S. 41); betr. Koselleck zum Begriff Jahrhundert: explizit erst bei der Frühjahrstagung 1996 (s. u.), TP, S. 64 f.

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dabei etwa den Gedanken verhandelt, sich insbesondere auf das Ende des souveränen Nationalstaats im 20. Jahrhundert als bis dahin letztinstanzlicher Handlungseinheit zu konzentrieren (Koselleck, Kocka, Kaschuba, Winkler). Überhaupt hatte man eine Fülle unstreitig wichtiger Gesichtspunkte angesprochen, bis hin zu Möglichkeiten und Grenzen der Einbeziehung von Sozialwissenschaften, Ökonomie und nun auch Naturwissenschaften für die Entwicklung eines neuen, übergreifenden Wissenschaftsbegriffs (Oexle, Tenfelde, Koselleck). Zudem war angeregt worden, im Rahmen des Projekts außer gebührender Berücksichtigung sozialgeschichtlich orientierter Rechtshistorie (Dilcher) gerade das Verhältnis von Geschichts-, Sozialund vor allem Wirtschaftswissenschaften als einer „zentralen Analysedimension“ mit systematischer Verzahnung von Fragestellungen zu thematisieren (Lepsius) – was unter Berufung auf erfahrungsgemäß mangelnde Dialogbereitschaft der Mehrheit von Soziologen und Ökonomen zugleich aber auch auf Skepsis stieß (jedenfalls bei Wehler). Obendrein hatte es Meinungsverschiedenheiten über die Frage gegeben, ob die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts nur noch dermaßen bedingt mit schon im 19. Jahrhundert geprägten Begriffen erfassbar ist, dass es dazu gesonderter Vorüberlegungen bedürfe (u. a. Koselleck, Kocka, Kaschuba, Graf, Kaelble, Lepsius). Last, not least war mit Blick auf die rapide Globalisierung zu bedenken gegeben worden, inwieweit eine Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert auch außereuropäische Vorgänge einzubeziehen habe (Zwahr). Bei all diesen und diversen weiteren Erörterungen hatte sich jedoch, so die treffende Folgerung von Lepsius, ein definitiver Konsens nur erst hinsichtlich des räumlichen und zeitlichen Gesamthorizonts – eben Europa im 20. Jahrhundert – eingestellt. Als klar galt dabei auch schon, was Koselleck schließlich eigens festhielt: dass Jahrhundert als „rein metaphorischer“ Begriff zu verstehen, also nicht als eine „ontologische Vorgegebenheit“ aufzufassen und zu fixieren sei. Hingegen war die sachliche Dimensionierung des Vorhabens noch immer sozusagen nur andiskutiert worden, wenngleich mit vorwiegender Tendenz zu den von Lepsius ins Zentrum gerückten Ordnungsfigurationen als leitender Problemstellung. Möglichst endgültig und grundlegend befinden sollte nunmehr die Frühjahrstagung 1996, vorbereitet durch die dazu neu konstituierte und im Dezember 1995 in Berlin zusammengetretene Arbeitsgruppe.465 Zu ihr gehörte auch Wolfgang Schieder, seit 465 Graf, Kaelble, Kaschuba, Kocka, Schieder und Winkler; zu deren Tätigkeit besonders den 14-seitigen, von Graf, Kocka, Kaschuba und Winkler „kritisch gegengelesenen“ Schieder-­ Bericht (2. Fassung) vom 30. 3. 1996 (PR 16 und KP 13, lf. S. 298 ff., daraus auch die folgenden Zitate einschließlich der namentlich gekennzeichneten). – Zur Frage 20. Jh. als ‚kurzes‘ oder womöglich doch ‚langes‘ Jh. vgl. u. a. auch TP Apr. 1996 (PR 16), S. 61 (Langewiesche), TP Okt. 1996 (PR 16a), S. 1 (Kocka), TP Apr. 1997 (PR 17), S. 11 (Graf ), TP Apr. 2001 (PR 21), S. 45 f. (Tenfelde).

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Oktober Vorsitznachfolger von Koselleck (der sich nach neunjähriger Amtszeit zwar krankheitsbedingt zurückgezogen hatte, aber in seiner Exklusivbedeutung für den Kreis nach wie vor völlig unbestritten war).466 Aus den Beratungen dieser Gruppe ging Ende März 1996 ein von Schieder entworfener Bericht hervor, in dem die bisherigen Diskussionen zusammengefasst wie noch bestehende Defizite markiert und damit auch Übereinstimmungen wie Differenzen festgehalten wurden. Er diente vorerst als eine Art Referenztext für die nähere Bestimmung des Projektdesigns durch die Auftaktveranstaltung zur neuen, zunächst für fünf Jahre gedachten Unternehmung. Auf diese Weise wurde nun also genauer vorstrukturiert, worum es bei der – wie auch in ­diesem Fall immer wieder betont wurde – exemplarisch, nicht enzyklopädisch-handbuchartig zu behandelnden Generalfrage nach dem ‚Neuen‘ am 20. Jahrhundert, nach seinen „epochalen Trends“ gehen sollte: •  räumlich um Europa als „historische Einheit“, d. h. einschließlich Südost- und Ostmitteleuropa sowie potenziell auch Russland, also nicht allein in der bisher erreichten Gestalt der Europäischen Union; zeitlich um das 20. Jahrhundert „nicht als ein Segment ‚naturaler‘ Zeitmes•  sung, sondern als eine historisch konstruierte Zeiteinheit“ im Sinne des ­kurzen Jahrhunderts (Hobsbawm) vom E ­ rsten Weltkrieg bis zum Zusammenbruch des Kommunismus 1989/90, somit bis zum Ende der säkularen „Systemkonkurrenz“ z­ wischen Demokratie, Kommunismus und Faschismus, d. h. nachfolgender Wiedererlangung einer gewissen „Strukturhomogenität“ mit tendenziell nun „weitgehender Akzeptanz“ von Demokratie, Marktwirtschaft und Rechtsstaat; konzeptionell um eine „präzise Problembestimmung“ und von daher zu ent•  wickelnde „spezifische Fragestellungen“, vorrangig hinsichtlich dominanter gesellschaftlicher Ordnungen bzw. Krisen z­ wischen 1914 und 1990 – also einerseits mit Blick darauf, ­welche Rationalitätskriterien im Sinne Max Webers „in ­welchen Ausprägungen institutionalisiert“ wurden und ­welche Folgen sie für die „gesellschaft­liche Entwicklung und die Chancen der Lebensführung in der Zeit der europäischen Bürgerkriege“ hatten (Lepsius), andererseits mit Bezug auf die Frage, unter ­welchen Bedingungen Krisen zum „evolutionären oder revolutionären Systemwandel bzw. Systemzusammenbruch“ führen (Winkler). 466 Zu Kosellecks Rücktritt als 1. Vorsitzenden und Schieders Wahl als Nachfolger: PMV 19. 10. 1995 (PR 15), S. 11 f. – Kosellecks außerordentliche Stellung zeigt sich u. a., aber besonders in PMV 25. 4. 2003 (PR 23), S. 5 (vgl. S. 10): Anläßlich seines 80. Geburtstags Anregung (Graf ) zu einem IW -Band mit Koselleck-­Aufsätzen bzw. Vorschlag (Daniel, Dipper u. a.) zu – dann auch vollzogener – werkvertraglichen Finanzierung einer weiteren Aufsatzsammlung durch den AKMS; s. a. PMV 23. 4. 2004 (ebd.), S. 7.

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Dass Ordnung und Krise „als zentrale Problemkonstellation“ einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert durchaus in einem „Spannungsverhältnis“ stünden und kategorial noch näher bestimmt werden müssten, schloss nicht aus, „elementare“ Gegenstandsbereiche aufzulisten: so zumindest Marktwirtschaft, Rechtsstaat, Nationalstaat, Demokratie, Sozialstaat, zudem Geschlechterordnung und Wissenschaft als „gesellschaftliche Gestaltungskraft“ (Langewiesche); womöglich auch entsprechende „charakteristische Gegenordnungen“ wie Planwirtschaft, Diktatur, Geschlechterkampf und Ähnliches mehr; des Weiteren eventuelle Ordnungsprozesse wie Klassenbildung/-entbildung; überdies mehr „informelle Ordnungen“ wie Religion, Mentalität, Ideologie. Alles in allem, so der Tenor des Berichts, verfüge der Arbeitskreis in einem Maße über die notwendige Kompetenz, dass ihm sogar „erneut eine Vorreiterrolle zuzufallen“ scheine – auch wenn es „wohl noch einiger theoretischer Anstrengung [bedarf ], um unter der Fragestellung von ‚Ordnung‘ bzw. ‚Krise‘ zu einer sowohl historisch als auch sozialwissenschaftlich befriedigenden Problemformulierung zu kommen“. Mit dieser Maßgabe ging der Auftrag sozusagen vom Ausschuss zurück ans Plenum und dessen Frühjahrstreffen 1996, zugleich die 70. Tagung des Kreises. Bei dieser Einleitungsveranstaltung 467 zum neuen Schwerpunktthema stellte Schieder die Merkposten aus dem Arbeitsgruppenpapier noch einmal vor Augen. Vor allem pointierte er sie zu der leicht provozierenden Frage, ob mit dem „gewissermaßen dichotomischen Begriffspaar“ Ordnung/Krise überhaupt ein zentraler Zugriff auf die europäische Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts stattfinden könne: ob die „eigentliche Thematisierung“ nicht einerseits auf das unverwechselbar ‚Neue‘, andererseits auf die von Koselleck immer wieder betonten Wiederholungsstrukturen zielen müsse. Erneut also gewann Priorität, was Kocka dann „eine oder ein Bündel von tragenden Hypothesen“ nannte, allerdings weder beim Ordnungs- noch beim Krisenbegriff zu sehen vermochte (weshalb er diverse andere Oppositionsbegriffe in Betracht zog, u. a. Gewalt/Zivilität oder Integration/Fragmentierung). Während Koselleck hingegen die Möglichkeit reflektierte, gewissermaßen aus der Logik von Ordnung bzw. Krise eine Leithypothese zu entwickeln, begründete L ­ epsius seine unbedingte Präferenz für die Bezugsgröße Ordnung und die Plausibilität der ­entsprechenden Auswahl von Gegenstandsbereichen fast pragmatisch mit einer „relativ einfachen“ Annahme: Bis zum E ­ rsten Weltkrieg habe Europa – eventuell 467 Dazu TP Apr. 1996 (PR 16), eine detaillierte, ausweislich der Tonbandaufzeichnungen weitestgehend wörtliche Wiedergabe (freilich fast ohne Kennzeichnungen); folgende Zitate bzw. Angaben in ihrer Reihenfolge: S. 12 (Schieder), 13 f. (Kocka), S. 15 f. (Koselleck), 16 f. bzw. 58 f. (Lepsius), 20 (Langewiesche), 21 bzw. 25 (Kocka), 33 (Mommsen), 59 (Frevert), 63 f. bzw. 74 (Schieder), 71 (Kaelble), 71 (Geyer), 72 (Siegenthaler), 73 (Frevert). 66 (Kocka); s. a. JBR 1996 vom 25. 9. 1996 (KP 22a, lf. S. 51 ff.). – Speziell zur Problematik modernisierungstheoretischer Annahmen vgl. auch TP Okt. 1996 (PR 16a), S. 1 (Kocka).

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einschließlich Russland – ein zwar ungleichmäßig und mit unterschiedlichen Akzentuierungen verwirklichtes, aber an sich unbestrittenes Gestaltungsmodell gehabt, ­charakterisierbar durch die Kennworte Demokratie, Kapitalismus mit sozialen Integrationsleistungen, Nationalstaat. Nach interimistischen Krisen mit Ausformung der beiden „totalen Gegenmodelle“ Kommunismus und Faschismus sei Europa am Ende des Jahrhunderts mit Demokratie, Kapitalismus, Sozial- und Rechtsstaat wieder angelangt bei den „Grundorganisationsvorstellungen“ des Kontinents. Insoweit also sei das Jahrhundert gekennzeichnet durch die „Konstanz der Ordnungsideen“ wie durch deren zeitweiligen Zerfall und Aufbau der Gegenmodelle. Mithin ergebe sich die Überlegung, warum diese Gegenmodelle schließlich scheiterten, so dass Europa heute programmatisch wieder da stehe, wo es einst schon gewesen sei. Ob man dabei nun von Ordnung(en) sprechen wolle oder etwa von Organisationsprinzipien der Gesellschaft, fand Lepsius ebenso unerheblich wie den Gesichtspunkt, ob das sozialhistorisch genüge oder „sozusagen allgemeingeschichtlich“ sei – sofern man eine sozialhistorische Perspektive habe, d. h. den Entwicklungsgang nicht aus staatstheoretischer oder ideologiegeschichtlicher Sicht betrachte, sondern mit Blick auf den „realen sozialen, ökonomisch-­politischen Prozess“. Worauf es entscheidend ankomme, sei Einigung auf ein „spezifisches Erkenntnisproblem“. Dazu laute seine Hypothese, dass eben das fundamentale Ordnungsmodell am Ende des Jahrhunderts das g­ leiche gewesen sei wie am Anfang, womit sich aber die empirische Frage nach dem permanenten „Zerstörungspotential“ gegen ­dieses Modell verbinde. Im Anschluss an ­solche Basisüberlegungen zur Dimensionierung des neuen Schwerpunktvorhabens, das sich ja noch in seiner Formationsphase befand, wurden unter dem Rubrum Allgemeine Dimension sechs der bis dahin in Betracht gezogenen Gegenstandsbereiche näher ins Auge gefasst: neben Sozialstaat (Lepsius), Markt (Siegenthaler), Recht (Grimm) und Staat als souveräne Handlungseinheit (Koselleck) auch Religion (Graf ) und Geschlechterordnung (Frevert). Obwohl mit unterschiedlicher Direktheit und Reichweite, spiegelten sämtliche Beiträge das von Lepsius vor Augen gestellte methodologische Grunderfordernis für jeden Bereich: Bemühen um eine gewisse typologisch-­kategoriale Durchdringung der jeweiligen Problemlage einschließlich Entwicklung eines Vergleichsmaßstabs. Jenseits aller bereichsspezifischen Einzelaspekte kam das auch in den ebenso eingehenden wie komplexen Erörterungen zum Ausdruck – von der Warnung vor zu starker Komplizierung durch zu rigide Vereinheitlichung der Problemfassung (Langewiesche) bis zu dem Einwand, sogar der von Lepsius demonstrierte Zugriff auf den Bereich Sozialstaat leiste die nötige „historische Dimensionierung“ des Gegenstands nicht entfernt (Kocka). Vor allem gab es gelinde bis massive Zweifel, dass die hypothetische Annahme signifikanter Kontinuitäten im 20. Jahrhundert eine hinreichende Erfassung der „ungeheuren Erschütterung des Kontinents und dessen Veränderung“ erlaube (Mommsen). Zur Debatte gestellt wurde auch die Alternative einer

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„Systematik nach gesellschaftlicher Differenzierung“ oder „nach Organisationseinheiten“ (Frevert). Alles in allem blieb denn ein leicht zwiespältiges Ergebnis: in ­konzeptioneller Hinsicht der Eindruck, dass eine „Gesamthypothese oder leitende Fragestellung“ samt Ordnungsbegriff noch stärker präzisiert werden müsse; in prozeduraler Beziehung der Vorschlag, das eingeleitete Projekt nach einer zweiten Konzeptualisierungsrunde erst einmal konkreter auf seine Tragfähigkeit zu prüfen, nämlich durch eine zeitlich auf 1917 – 23 eingegrenzte und damit perspektivisch auf einen Krisenzusammenhang eingeengte Testtagung (Schieder). Allemal für wünschenswert hielt man die Ausformulierung einer „einigermaßen schlüssigen Leitfrage“ (Kaelble), etwa gemäß der Lepsius-­Hypothese von der Wiederaufnahme der großen Ordnungsentwürfe vom Jahrhundertbeginn – was freilich noch einen Disput um Vertretbarkeit oder Fragwürdigkeit einer direkt oder unterschwellig „modernisierungstheoretischen Gesamtperspektive“ auf das 20. Jahrhundert (Geyer) auslöste. So oder so bestand schließlich Einvernehmen, bei Ordnung/Krise als heuristischer Problemdimension (Siegenthaler) anzusetzen. Das sollte möglicherweise modifiziert werden durch die Problemdimension zunehmender „Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung“ im Jahrhundertverlauf und die „daran anschließende Frage nach den neuen und alten Ordnungen, Integrationsmustern oder Institutionen, die diese Differenzierung durch neue Konstellationen der Zusammenführung und Integration beantworteten“ (Frevert). Übergreifend wurde zudem darauf aufmerksam gemacht, dass man beim Entwurf eines derart umfassenden Projekts mit zweierlei zu rechnen habe: Zum einen würden sicherlich auch „generationsspezifisch unterschiedliche“, etwa kulturhistorisch ausgerichtete Erwartungen an eine Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts ins Spiel kommen; zum andern sei das „Problem Gesellschaftsgeschichte und internationale Geschichte“ zu beherzigen, das im Arbeitskreis nun schon lange „keine große Rolle gespielt“ habe (Kocka). Wie nicht anders zu erwarten, stand das Vorhaben trotz oder vielleicht auch wegen seines großen Entfaltungspotenzials von vornherein in der Gefahr, durch eine Überfülle teils kompatibler, teils eher unvereinbarer Anregungen und Sichtweisen unscharf zu bleiben, wenn nicht zerredet zu werden, außerdem auch durch den antragsbedingten Zwang zu mehr Anschaulichkeit „in Detailprobleme abzurutschen“ und so die Planungskonzeption undeutlich zu machen (Koselleck). Das zeigte sich verstärkt im Herbst 1996 bei der zweiten Dimensionierungstagung.468 468 Zu den Leitaspekten bei der Vorbereitung dieser Tagung vgl. schon TP Apr. 1996 (PR 16), S. 66 und 68 ff. (Kocka). – Im Folgenden nach dem ebenfalls weitgehend wörtlichen TP Okt. 1996 (PR 16a), besonders S. 1 f. (Kocka-­Einleitung), S. 2 ff. (Diskussion zum Referat Dilcher), S. 11 ff. (Diskussion zum Referat Mooser, S. 14 das Wehler-­Zitat), S. 18 ff. (Diskussion zum Referat Raulff, S. 18 das Kocka-­Zitat), S. 22 ff. (Diskussion zum Referat Joerges, S. 26 f. die kritischen Äußerungen von Mommsen und Kaelble betr. Bereicherung

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Ihr lag ein inzwischen weiter ausgearbeitetes Projektpapier zugrunde, das eine syste­matisierte Zusammenfassung der bisherigen Überlegungen bot und Kocka als Grundlage seiner Tagungseinführung diente. Mehr freilich als das Papier selbst hob er beim Tableau der möglichen Untersuchungsgegenstände auf die verschiedentlich schon angemeldeten Desiderata ab, mithin auf Behandlung so heterogener Aspekte wie soziale Ungleichheit, Klassenbildung/-entbildung, Stadt-/Landunterschiede, Mobilitätssteigerung, Medienentwicklung, Wirtschaftswachstum u. a. m. oder Probleme wie Gewalt bzw. Relation von Krieg und Frieden, Individualisierungsprozesse usw. Dergleichen dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, wenn man, so Kockas bemerkenswertes Argument, die „Erwartungen der Öffentlichkeit“ wie auch die im Fluss befindlichen und generationsspezifisch geprägten Erkenntnisinteressen im Arbeitskreis selbst zu ihrem Recht kommen lassen wolle. Zudem unterstrich er erneut die Notwendigkeit möglichst griffiger Arbeitshypothesen mit Integration der verschiedenen Untersuchungsbereiche und Teilfragen, um etwa nach dem Muster von Kosellecks Sattelzeit-­Hypothese zu einer Art historischer ­Theorie des 20. Jahrhunderts zu gelangen. Als denkbare Ansätze nannte er dabei exemplarisch die dreifache Frage nach Jahrhundertspezifika hinsichtlich des Verhältnisses von (a) Ordnung, Krise und neuer Ordnung, (b) von Gewalt und Nichtgewalt, sowie (c) der Veränderung von Erfahrung und Wissen/Wirklichkeitsbildern durch den Siegeszug der Medien. In dem so abgesteckten Rahmen behandelte man nach gleichsam nachholenden Ausführungen zur sozialgeschichtlichen Bedeutung von Rechtsordnungen/ rechtlichen Regelungen (Dilcher) mit Diskussion speziell über das Verhältnis von liberalem Recht und Recht im Interventions- und Sozialstaat vier Komplexe: •  die sozialhistorische Relevanz von Gewalt im 20. Jahrhundert (Josef Mooser), mit Erörterung vor allem des Gewaltbegriffs und der Frage, ob/inwiefern Gewaltphänomene kategorial überhaupt hinreichend bestimmbar, dabei womöglich auch innerhalb gesetzter Ordnungen anzutreffen ­seien und ob der „beispiellose Ausbruch von Gewalt“ innerhalb von 30 Jahren (Wehler) als spezifisch europäische Erscheinung ausgewiesen werden könne; •  Möglichkeiten und Grenzen einer kulturgeschichtlichen Erweiterung, aber keineswegs „kulturalistischen“ Überwölbung der Sozialhistorie (Ulrich Raulff), mit Debatte über die Erklärungskraft eines vornehmlich auf „Kultur und damit auf die symbolische Vermittlung menschlicher Handlungen“ zielenden Zugriffs (Kocka); durch Nachbardisziplinen), S. 27 ff. (Diskussion zum Referat Osterhammel, S. 29 das ­Frevert- bzw. Kocka-­Zitat), S. 31 ff. (Schlussdiskussion, daraus die weiter unten ­angeführten ­Äußerungen und Zitate); bei den Tagungsunterlagen auch das allen Mitgliedern vorher zugestellte Projektpapier von Wolfgang Schieder und Ulrich Engelhardt (3. Entwurf vom Sept. 1996, 29 S.).

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•  Reichweite und Konsequenzen einer wissenschafts- und technikgeschichtlichen

• 

Betrachtungsweise für eine Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (Hans-­ Ulrich Joerges), mit Disput speziell über die Folgen für die Periodisierung, wenn nicht gar für die Gewichtung der sozialhistorisch und ordnungspolitisch wesentlichen Gegenstände und Entwicklungen; potenzielle, zumal konzeptionelle Anregungen einer transeuropäisch-kulturvergleichenden Perspektive für den innereuropäischen Vergleich (Osterhammel), mit Überlegungen etwa zu den Fragen, ob der Rückgang der „säkularen Prägekraft“ Europas für außereuropäische Gesellschaften etwa eine Begleiterscheinung der „inneren Fragmentierung“ (Frevert) und die „jahrzehntelange Erfolgsgeschichte“ des Sozial- und Wohlfahrtsstaats nur verständlich sei in einem Europa, das „bestimmte Vorteile gegenüber dem Rest der Welt“ habe und nutze (Kocka).

Zu den nachdrücklichen Problematisierungen gehörten bei alldem übrigens deutliche Fragezeichen (Mommsen, Kaelble) hinter die Erwartung, durch Befragung verschiedenster Fachexperten auch aus Nachbardisziplinen mehr als „zusätz­liches Erklärungspotenzial“ gewinnen zu können. Doch über Erforderlichkeit wie Ertrag theoretischer Grundierung samt „großen Fragestellungen“ bzw. „Großthemen“ des 20. Jahrhunderts (Kocka, Koselleck) waren die Auffassungen zwar nicht ­völlig konträr, aber sehr different. Das zeigte sich zumal in der Mahnung, dass das Gesamtprojekt von der „hohen theoretischen Ebene herunterkommen“ und dass geprüft werden müsse, ob die theoretisch entwickelten Fragestellungen sich überhaupt sinnvoll in einem europäischen Vergleich bearbeiten ließen (Schieder). Dass dabei jedoch nicht bloß der nüchterne Aspekt der Machbarkeit im Spiel war, trat wiederholt zutage: etwa in dem Einwand, bei ständigem Rekurs auf die Systematik und auf „abstrakte Begriffe“ leide die historische Anschauung (Mommsen). Einige Differenzen ergaben sich auch aus zuweilen unzureichender Unterscheidung z­ wischen zwei denkbaren, nicht unbedingt unvereinbaren Aufgabenstellungen: einerseits kurzfristige Erarbeitung einer Publikation über Art und Frageraster einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert – was dem Arbeitskreis in der Öffentlichkeit auch einen gewissen „Aufmerksamkeitswert“ einbringen könne; andererseits langfristige, für den Erhalt des Kreises „als Gruppe“ nötige Beschäftigung mit der europäischen Sozialgeschichte unter bestimmten Leitfragen und Epoche für Epoche – wobei die „Belohnung in Form von Büchern [Tagungsbänden] oder durch Öffentlichkeitswirkung noch über Jahre hinweg dauern“ könne (Kaelble). Im einen wie im andern Fall aber lag die Schwierigkeit weniger darin, dass eine „zündende Idee“ noch fehlte (Kocka), sondern eher darin, dass es noch keinen tragfähigen Konsens über sie gab. Der ließ sich auch nicht ohne Weiteres durch eine Sicht ersetzen, die den anvisierten „Dreischritt Ordnung-­Krise-­Ordnung“ befürwortete, zugleich aber als „relativ formal“, wenn nicht gar als „abstrakt“ abwertete und

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dann freilich einräumte, dass ein an sich zwar konventionell politikhistorischer Gedanke in „sozialgeschichtlicher Umorientierung“ eventuell zündend wirken könne: Nämlich dass die Einheit des 20. Jahrhunderts vielleicht konstituiert sei durch den säkularen Widerstreit von „Zivil- oder Bürgergesellschaft“ mit „Markt, Nationalstaat, Rechtsstaatlichkeit, Säkularisierung“ auf der einen und Faschismus wie „diktatorischem [!] Kommunismus“ als den großen Herausforderern auf der anderen Seite (Kocka). Erst recht nicht tragfähig war das Votum, ein „ungefähres Konzept und Erklärungsmuster wie etwa Ordnung-­Krise-­Ordnung“ gewiss für nötig, aber als Vorgabe für Tagungen oder Veröffentlichungen für ungeeignet zu erklären und stattdessen eine Option für konkrete, als sozialgeschichtlich definierbare und interdisziplinär zu bearbeitende Problemfelder zu empfehlen, z. B. Wandel des Geschlechterverhältnisses oder Verschiebung großer Bevölkerungsgruppen (Dilcher). Da eine Einigung auf theoretischer Ebene als „wohl ausgeschlossen“ erschien, wie Schieder schon gegen Tagungsende feststellte, führten die – ansonsten durchaus ergiebigen – Referate und Erörterungen insoweit also kaum voran. Wieder war es vorweg Lepsius, der bei seiner Manöverkritik in der anschließenden Mitgliederversammlung 469 kein Blatt vor den Mund nahm: Bei aller inhaltlichen Offenheit des Projekts könne es nicht auf zusätzliche Ausfaltungen durch rein additive Vermehrung der Betrachtungsgegenstände ankommen, denn dies ergebe bloß eine „Diffusitätserweiterung“. Vielmehr müsse nach dem langen, „präliminarienhaften“ Planungsvorlauf nun (sc. endlich) über die systematische Dimensionierung entschieden werden. In seinen Augen gebe es dafür zumindest bisher die Übereinstimmung, dass nicht Europa insgesamt, sondern ein bestimmtes Problem behandelt werden solle, nämlich was Europa am Ende des Jahrhunderts ausmache und die Ausgangssituation für die nächste Integrationsstufe bilde. Mithin ziele das Interesse auf die Strukturvielfalt bzw. die im Lauf des Jahrhunderts zusammenkommenden und inzwischen irgendwie integrierten Strukturkonstanten, m. a. W. auf die Transformation Europas zu einem „Sachverband mit einer Struktureinheitlichkeit“. In dieser Perspektive bedeute die Tagung im Vergleich zu dem im Frühjahr schon erreichten Diskussionsstand mit seiner „sehr viel höheren Konsistenz“ und dem Fokus Ordnung/Krise sogar einen „Regress“. Auf s­ olche Weise fortzufahren, seit trotz aller Plausibilität auch der diesmal angesprochenen Aspekte geradezu h ­ inderlich, 469 Das Folgende einschließlich Zitaten nach PMV 25. 10. 1996 (PR 16a), S. 12 ff. (Lepsius: 12 f., Kocka: 15 bzw. 19 f., Siegenthaler: 16 f., Wehler: 20 f.); zum Tagungskompromiss wieder TP Okt. 1996, hier besonders S. 39 ff. (Koselleck: 40 bzw. 42, Tenfelde: 39 und 40, Frevert: 41, Winkler: 31); zum Verzicht auf Veröffentlichung der Beiträge zu den beiden Dimensionierungstagungen: PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 9 (Schieder: Beiträge „relativ uneinheitlich“ ausgefallen, Referenten überwiegend „nicht so direkt auf unser Programm angesprungen“).

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denn dadurch würden die überfälligen „strategischen Grundentscheidungen“ über die Leitdimensionen des Unternehmens nur noch länger vertagt. Nebenbei dürfe nicht ganz außer Acht bleiben, dass sich angesichts der zunehmend prekären Existenzbedingungen des Kreises ein Programm empfehle, das sich nicht nur von keinem Universitätsinstitut leisten lasse, sondern vor allem als einzigartig und dabei als geschichtswissenschaftlich wie politisch bedeutsam ausnehme. Die dadurch wieder angefachte Debatte brachte genaugenommen zwar nur Wieder­holungen oder Variationen der bereits vorgebrachten Positionen, machte die Divergenzen indessen noch klarer. Teilweise nämlich wurde der von Lepsius als allgemein akzeptiert gedachte Fokus Ordnung-­Krise-­Ordnung höchstens als „zentrale Säule“ akzeptiert (Kocka). Das wiederum gab Anlass zu der erneuten Klarstellung, dass dieser systematische „Wegweiser“ andere Dimensionen wie Kultur usw. ebenso wenig ausschließe wie historische Konkretisierung; wohl aber sei er zu verstehen als „Devise zur Integration der Ansätze, zur Konzentration […] auf eine bestimmte Problemfassung“, womit auch auf theoretischer Ebene eine Sozialhistorie formierbar werde, die sich deutlich vom bisherigen Usus seit dem 19. Jahrhundert abhebe (Siegenthaler, mit anderer Akzentuierung auch Wehler). Doch selbst dies änderte nichts am Vorbehalt gegen eine exklusive Justierung auf Ordnung-­Krise-­Ordnung: Wenn man so verfahren wolle, handele es sich nicht um eine Sozialgeschichte Europas, sondern lediglich um eine historische Darstellung nach Maßgabe eines bestimmten „interessanten theoretischen Problems“, mithin um eine „reduktionistische“ Auffassung von Sozialgeschichte unter Ausblendung wesentlicher anderer Aspekte (Kocka). So blieb es denn bei dem bereits getroffenen „pragmatischen Kompromiss“ ­zwischen enger gefassten Ansätzen und „mehr systematischen Großhoffnungen“ im Arbeitskreis (Koselleck): Als Einstiegs- und gewissermaßen Testlaufthema wählte man die „Epochenschwelle Erster Weltkrieg“ mit ihrer Auswirkung auf die Ordnungsentwürfe für das 20. Jahrhundert (Tenfelde). Noch davor sollten zeitgenössische Vorstellungen und Erwartungen vom neuen Jahrhundert unter die Lupe genommen werden – was je nach Perspektive nicht bloß als „Prolegomenon“, sondern als vollgültiger Bestandteil des Gesamtprojekts aufgefasst wurde (Frevert) oder mehr als eine Art „Entlastungstagung“ zwecks Zeitgewinn für die eigentliche „sozialgeschichtliche Durchführung“ des Vorhabens (Koselleck). Der Gedanke an eine aktuelle Publikation anlässlich der bevorstehenden Jahrhundertwende allerdings war schon zu ­diesem Zeitpunkt „illusorisch“ geworden (Winkler), und auf Veröffentlichung der Beiträge zu den beiden Dimensionierungstagungen verzichtete man kurz danach. Die latent ohnehin stets verschiedene Gewichtung der geschichtswissenschaftlichen Aufgaben kam erneut darin zum Ausdruck, dass die Frühjahrstagung 1997 über zeitgenössische Jahrhundertvorstellungen in Europa um 1900 als Übergang von systematisch-­theoretischer Projektplanung zu konkreter „historischer Arbeit“

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gekennzeichnet wurde (Frevert).470 Unter Ablösung des Begriffs Zeitgenossen(schaft) von allgemeinen Stimmungslagen oder gar Außenseiterpositionen und Anbindung an unterschiedliche Reflexionsinstanzen (Personen, Institutionen, soziale Bewegungen) mit breiter gesellschaftlicher Ausstrahlung und Integrationskraft ging es nicht zuletzt um die Frage, wie Zukunftsentwürfe in Ordnungskonzepte überführt wurden und woher sie stammten. Dazu richtete sich die Aufmerksamkeit auf fünf exemplarische Felder: erstens politische bzw. sozioökonomische Zukunftsvorstellungen in Großbritannien (Pollard) bzw. Deutschland (Thomas Welskopp); zweitens geistig-­intellektuell revolutionäres Denken, mit besonderer Berücksichtigung der englischen wie der deutschen und französischen Historismusdebatte ­zwischen 1890 und 1930 (Graf ); drittens europäische und in ­diesem Fall auch USamerikanische Diagnosen und Erwartungen zu einer neuen Geschlechterordnung ­(Frevert); viertens den Blick nach Westen, d. h. den europäischen Amerika-­Diskurs als einer Art Zukunftsdiskurs (Gustav Schmidt) bzw. die Sicht von Osten, also den osteuropäisch-­russischen Blick aufs 20. Jahrhundert (Geyer); schließlich speziell fünftens die kulturelle Avantgarde am Beispiel des italienischen Futurismus (Schieder). Wieder unbeschadet ihrer Fülle an methodisch und inhaltlich wichtigen Einzelüberlegungen (unter anderem zum sozialgeschichtlichen Quellenwert von Intellektuellendiskursen) stellte sich auch und zumal für diese Einstiegsveranstaltung die kritische Frage nach der Aufschlusskraft der vorgeführten historischen „Momentaufnahme“ (Frevert) für das in Angriff genommene „Mammutprogramm“ (Geyer). Insgesamt blieben die Ansichten dabei nur schwer vereinbar bis gegensätzlich. Einerseits erschien die vorgeschlagene systematische Ausrichtung auf dominante „Ordnungsfigurationen“ (Lepsius) bzw. auf das „Wechselspiel z­ wischen Ordnung, Krise und Ordnung“ (Kocka) als ebenso wenig infrage gestellt wie die Annahme, dass alle kognitiven Optionen und Grundpositionen des 20. Jahrhunderts schon im neunzehnten voll definiert waren und mithin sozusagen als historischer „basso continuo“ gewirkt hätten (Lepsius); andererseits drängte sich der Eindruck auf, dass im Jahrhundertverlauf noch so vieles hinzugekommen sei (z. B. die Vorstellung vom 470 Hier und im Folgenden nach TP Apr. 1997 (PR 17), S. 1 ff. (Frevert-­Einleitung, S. 4 ihr Merkposten für die Schlussdiskussion); 4 ff. Debatte über Referat Pollard, 8 ff. über ­Welskopp, 11 ff. über Graf, 17 ff. über Frevert, 19 ff. über Schmidt, 23 ff. über Geyer (23 Zitat Geyer) und 25 ff. über Schieder; 32 ff. bzw. 34 ff. zur Schlussdiskussion (39 Zitat Lepsius bzw. Zitat Winkler); zudem PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 9 ff. (14 Zitat Tenfelde), S. 9 auch zur Publi­ kationsfrage, dazu außerdem PMV 24. 10. 1997 (PR 17), S. 31 und PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 8 und 10; ferner KP 12, lf. S. 333 f. (Briefwechsel Frevert/Engelhardt), im Übrigen TP Okt. 1997 (PR 17), S. 44 f. (Frevert-­Rückblick) und JBR 1997 vom 22. 9. 1997 (KP 22a, lf. S. 41 ff.), schließlich PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 5 (Tagungsband wegen Problemen mit Klett-­Cotta nun als Beiheft zu Geschichte und Gesellschaft, s. Übersicht im Anhang); ferner PMV 27. 10. 2000 (PR 20), S. 15 (Grafs kritischer Rückblick auf die Tagung).

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totalen Krieg), dass es „bei allem basso continuo“ eben doch „ziemlich neue Obertöne“ gebe, die unbedingt eigens registriert werden müssten (Winkler). Überdies stand dann in der Mitgliederversammlung die Verfahrensalternative Quer- oder Längsschnittanalysen – wenn nicht beides – zur Debatte: ob mit einer Sequenz von Querschnitten (wie dem zum ­Ersten Weltkrieg) zwecks Vernetzung verschiedener Aspekte vorgegangen werden solle oder besser mit diversen Längsschnitten, um jeweils das gesamte Jahrhundert unter bestimmten systematischen Gesichtspunkten angehen zu können (etwa nach Art eines von Lepsius empfohlenen Längsschnitts zur sog. Frauenfrage im Geschlechterkontext als einer außerordentlich spannenden Möglichkeit zur Nachzeichnung von „Problemschienen“ durch das ganze Jahrhundert). Auch das blieb letztlich unentschieden, so dass am Ende gar die energische Mahnung laut wurde, man dürfe eine systematisch begründete Prioritätensetzung „nicht dauernd vor sich her schieben“: Ausnahmslos jede Fragestellung, so die erkenntnistheoretische Wissensauffrischung, sei nun einmal „artifiziell“, weshalb „unsere Aufgabe“ geradezu darin bestehe, auf der Basis eines systematischen Gesamtkonzepts „Geschichte des 20. Jahrhunderts zu konstruieren“ (Tenfelde). Dies gehörte gewissermaßen zur Ausgangslage für den ersten konkretisierenden Testlauf im Herbst 1997. Schwerpunktmäßig galt er im ersten Teil dem damals allgemein stark beachteten Themenfeld Kriegserfahrung und Mentalitätenwandel, und zwar mit Konzentration auf die forschungsperspektivisch neue Frage nach den wahrnehmungsgeschichtlichen Veränderungen durch den E ­ rsten Weltkrieg und nach deren Zäsurqualität (‚Sektion‘ Tenfelde); im zweiten Teil sodann den innerwie außerrussischen Wirkungen der Oktoberrevolution (‚Sektion‘ Winkler).471 Im Anschluss an die Spezialreferate kamen auch diesmal inhaltlich wie methodisch gravierende Überlegungen zur Sprache: zum einen beispielsweise der Einwand, dass die Erschließung von Kriegserlebnissen und Erlebnisverarbeitungen doch wohl eher einen psychoanalytisch individualisierten als einen sozialhistorischen Zugang darstelle (Borchardt), oder der generelle Hinweis, dass die Bestimmung der Zäsurqualität weitgehend abhänge von unverzichtbarer Verständigung auf ideal­typische „Strukturmerkmale von Gesellschaft“ und davon geleiteter Überprüfung auf „langwierige, womöglich dramatische Veränderungen“ (ebenfalls ­Borchardt); zum andern 471 Dazu die Übersicht im Anhang, lf. Nr. 73. – Hier und im Folgenden nach TP Okt. 1997 (PR 17), S. 2 ff. betr. ‚Sektion‘ Tenfelde (S. 2 ff. Tenfelde-­Einleitung, S. 4 ff. Diskussion über Referat Ziemann, S. 9 ff. über Referat Schumann, S. 15 ff. über Referat Prinz; S. 7 f. bzw. 20 f. die Zitate Borchardt); S. 24 ff. betr. ‚Sektion‘ Winkler (S. 24 ff. Winkler-­Einleitung, S. 26 ff. Diskussion über Referat Hildermeier, S. 34 ff. über Referat Winkler; S. 29 bzw. 33 die Zitate Mommsen); S. 42 ff. betr. allgemeine Schlussdiskussion (S. 45 Zitat Frevert, S. 47 Graf bzw. Lepsius bzw. Winkler); zur Programmvorbereitung schon Tenfelde an ­Engelhardt, 21. 11. 1996 (KP 13, lf. S. 375 ff.); im Übrigen auch PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 7 f.

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beispielsweise die Frage nach dem Stellenwert Russlands in der europäischen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, d. h. nach der strukturellen Z ­ ugehörigkeit des Sowjetsystems zu Europa bzw. nach der möglicherweise zeitweiligen Nicht(mehr) zugehörigkeit durch „relatives Ausscheren“ aus der europäischen Entwicklung (Mommsen). Bei aller Vielfalt der Ansichten und Einschätzungen zeigte sich auch in der Schlussdiskussion ein explizites Bemühen, die behandelten Aspekte für die nötige Profilschärfung des Gesamtprojekts nutzbar zu machen. Einerseits wurde dabei ironisch-­pointiert und mit unverkennbarer Spitze gegen Lepsius gefolgert, man dürfe sich eben nicht begnügen mit Vorstellungen vom Gang des Jahrhunderts à la: „Mehr Demokratie, mehr Sozialstaat, mehr Partizipation, alles wunderbar, und zwischendurch die paar Kriege, aber die sind dann langfristig auch weg, weil ja die Gesellschaften im Krieg sich [grosso modo] genauso entwickeln wie ohne Krieg, also kann der Krieg raus [aus der näheren Inspektion des Jahrhunderts]“ (Frevert). Andererseits und gerade mit Erinnerung an das Ursprungskonzept von Lepsius wurde angemahnt, sich nun darüber schlüssig zu werden, wie „sozusagen mit den Katastrophenerfahrungen ­dieses Jahrhunderts“ konzeptionell umgegangen werden solle (Graf ). Erneut stand dahinter das drängende ceterum censeo von Lepsius, dass das Europa des 20. Jahrhunderts keineswegs schon für sich ein Forschungsprogramm abgebe, sondern vorgängig eine übergreifende Problemfassung erfordere. Solange diese notwendig „selektive Grundentscheidung“ noch immer nicht getroffen sei, werde sich eine interessante Sitzung an die andere reihen, aber stets die ­gleiche Frage erheben: „Wie aggregiert sich das [alles] zu irgendetwas?“ – ein Dauerdilemma, dem man jedenfalls nicht durch Vermehrung der einzelnen Betrachtungsfelder entgehen werde. So war es denn weniger Marschroutenbeschreibung als -beschwörung, wenn Winkler bei Tagungsende beteuerte, dass „wir hier ausgehen von Schlüsselereignissen [des Jahrhunderts] und dabei sind, Beiträge zur Erarbeitung der großen Trends herauszuarbeiten, und zwar zur Ungleichzeitigkeit in der Durchsetzung dieser Trends in ausgewählten europäischen Gesellschaften.“ In welch kritische Phase das Unternehmen bereits geraten war, offenbarte sich vollends in der begleitenden Mitgliederversammlung.472 Bei Beratung von Entwürfen für Anschlusstagungen wurde nämlich unumwunden ausgesprochen, dass sich äußerst schwer vorstellen lasse, wie bis zum bevorstehenden Anbruch des 21. Jahrhunderts aus dem bisher Behandelten und als Nächstes Vorgesehenen die beabsichtigte Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert erwachsen könne (­ Langewiesche). Diese Skepsis durchzog dann eine mehrstündige Debatte. Mit ihrem Facettenreichtum verlief sie zwar sehr anregend und durchaus konstruktiv, ließ aber den ­schwelenden 472 Das Folgende nach PMV 24. 10. 1997 (PR 17), S. 5 ff. (10 ff. zu Siegenthalers Planungsentwurf ); Äußerungen/Zitate: S. 7 (Langewiesche), 11 (Siegenthaler), 28 (Borchardt) bzw. 30 (Lepsius).

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Grundkonflikt noch einmal mit großer Heftigkeit aufflammen. Durch die launige Bemerkung, säkulare Trends herauszufiltern sei ein „Kinderspiel im Vergleich zur Schwierigkeit, s­ olche Trends in der Diskussion des Arbeitskreises [auszumachen]“ (Siegenthaler), wurde sie nur punktuell in allgemeine Heiterkeit verwandelt und auch durch die augenzwinkernde Rede von „unserer, von uns selbst schon nicht verstandenen Aufgabe“ (Borchardt) mehr unterstrichen als gemildert. Gab es doch nach wie vor den kaum ausgleichbaren Widerstreit: hier strenge Konzentration auf den Gesichtspunkt der Trendhaftigkeit von Jahrhundertentwicklungen trotz massiver Krisen und Zusammenbrüche, somit gezielte Orientierung an einer theoretisch-­ analytischen, bewusst selektiven Problemfassung; dort eher historisch-­empirisch zu konkretisierende Auffächerung evidenter Kennzeichen des Jahrhunderts. Das vermochte auch ein gleichsam vermittlungsbedachter Planungsentwurf für weitere Tagungsfolgen mit seiner Bündelung von Schwerpunkten (Siegenthaler) nicht a priori zu überbrücken. Schon bei dessen eingehender Erörterung tat sich angesichts der inzwischen eingetretenen Minderung des Fremdmittelbedarfs und insoweit auch der Notwendigkeit förderungsabhängiger Mittel- bis Langfristprogramme eine neue Optionsmöglichkeit auf: das ganze Projekt einer vergleichenden Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert fallen zu lassen. Doch die unüberhörbar von einer gewissen Resignation diktierte Lepsius-­Empfehlung zu einer solchen „Radikalentscheidung“, also das durch chronischen Mangel an aktiver Beteiligung aus den eigenen Reihen noch erschwerte Unternehmen jetzt ausdrücklich zu „streichen und zu beerdigen“ – diese Alternative fand Zustimmung nur in einer von Lepsius selbst schließlich pragmatisch abgeschwächten Version: Wohl sollte künftig von systematischer Durchführung Abstand genommen werden, solcher Verzicht auf leitende „Überbegrifflichkeiten“ (Lepsius) indessen nicht heißen, ursprünglich anvisierte Themenfelder einfach aufzugeben und sich nicht länger für das 20. Jahrhundert im europäischen Vergleich zu interessieren. Mit solcher Wende blieb der Weg frei für weitere Konkretisierungsbestrebungen ohne bindende Herleitung aus Rahmenvorgaben. Dies freilich hatte vorerst kaum mehr als den vagen Horizont, dass das „große Programm“ nun in „irgendeiner Weise“ auslaufen werde, wie Schieder als 1. Vorsitzender im April 1998 nochmal festhielt.473 Schon zwei Monate früher hatte er in einem eindringlichen Rundschreiben zur Lage des Arbeitskreises den „vorher nicht absehbaren, aber letzten Endes konsequenten“ Schritt zum „Schlussstrich“ unter verschiedenen Blickwinkeln bekräftigt: Abgesehen vom drängenden Bedarf an neuen Mitgliedern mit der Chance zu neuen Th ­ emen und zu eigenkompetenter Beteiligung sei jetzt auch nicht mehr zu erwarten, dass sich die „grundsätzlichen konzeptionellen 473 PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 19; zum Folgenden seinen Rundbrief vom 10. 2. 1998 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1998 und in KP 19, lf. S. 14).

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­ ifferenzen ­zwischen einem mehr systematischen Zugriff und mehr synchron D angelegten historischen Fragestellungen“ auflösen ließen. Zudem zeige sich zusehends, dass das in Angriff genommene Projekt bei den Mitgliedern immer weniger Interesse finde – die „tiefere Ursache“ für die abnehmende Präsenz bei den Tagungen. Überdies erweise sich nachgerade, dass man transnationale Vergleiche mit „unseren Bordmitteln“ nur unzureichend bewältige, folglich stärker als bei früheren Schwerpunktprojekten externe Referenten benötige. Es könne jedoch „nicht der Sinn des Arbeitskreises sein, mehr oder weniger nur noch als Tagungsagentur zu fungieren“, sondern gefordert sei der Kreis selbst. Dabei wiederum solle man „wie früher individuelle wissenschaftliche Interessen und Kompetenzen zum Tragen kommen“ lassen, denn die große Stärke des Kreises habe stets darin bestanden, „auf neue Forschungsbedürfnisse und wissenschaftliche Gesprächsangebote einzelner Mitglieder zu reagieren“. Wie beträchtlich sozusagen der Autarkieschwund bereits war, illustrierte im Frühjahr 1998 gerade die zweite, noch im bisherigen Rahmen geplante Testkonferenz, deren Ergebnisse zusammen mit denen der ersten publiziert wurden.474 In Abwesenheit übrigens von mehr als der Hälfte aller Mitglieder fand sie mit Rücksicht auf die überwiegend ausländischen Experten erstmals ganz auf Englisch statt – „which is not the tradition of the Arbeitskreis“, wie Gesamtleiter Hans Mommsen mit leicht selbstironischem Unterton anmerkte. Diesmal ging es um den Einfluss des ­Ersten Weltkriegs auf den Form- bzw. Gestaltwandel der Politik, speziell um die nachhaltige Dramatisierung der Politikcodes in zentralen Staaten und Gesellschaften Europas (England, Frankreich, Deutschland und Italien) 1917 – 1924. Mehr als zuvor trat dabei nun auch eine methodologische Differenz zutage, die sich mit zunehmender Resonanz des sog. cultural turn weiter intensivierte: die unterschiedliche Gewichtung von einerseits sozioökonomischen, andererseits soziokulturellen Faktoren; mithin insbesondere der Streit, ob bzw. inwieweit etwa „cultural codes of politics“ bei der Erklärung sozialgeschichtlicher Sachverhalte eine gewisse Autonomie zukomme (Dissens zumal z­ wischen Weisbrod und Wehler). Auf eine stärker „kulturalistisch aufgeladene“, d. h. den „alten Antagonismus Wirklichkeitsperzeption versus Realität“ überwindende Sozialhistorie (­ Siegenthaler) 474 Vgl. die Tagungsübersicht im Anhang, lf. Nr. 74; dazu das entsprechend weitgehend mit Englisch durchsetzte TP Apr. 1998 (PR 18), bes. S. 37 ff. (Schlussdebatte, S. 47 Zitat ­Mommsen, vgl. PMV 14. 4. 2000, S. 11 Mommsens bittere Rückblickbemerkung); s. a. JBR 1997 vom 22. 2. 1997 (KP 22a, lf. S. 41 ff.) und JBR 1998 vom 21. 9. 1998 (ebd., S. 34 ff.). – Zur Publikation der Beiträge zu beiden Tagungen in einem Band (s. Übersicht im Anhang, Bd. 60): PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 3 ff., PMV 23. 10. 1998 (ebd.), S. 9 f., PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 9 f., PMV 29. 10. 1999 (ebd.), S. 6, PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 3 u. 4, PMV 27. 10. 2000 (ebd.), S. 4, PMV 25. 4. 2003 (PR 23), S. 4.

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zielte schon die nächste, die bis dahin 75. Zusammenkunft im Herbst.475 Im ­Tagungstitel etwas umständlich formuliert, ging es vornehmlich um die Frage nach den mentalen und institutionellen Restriktionen individuellen und kollektiven Handelns in der Konstituierungsphase des Nationalsozialismus. Vom Ansatz her war das noch Teil der Beschäftigung mit Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, wie Schieder zur Eröffnung betonte, auch wenn allenfalls noch von Beiträgen oder gar nur Studien zu d ­ iesem „gewaltigen“ Komplex gesprochen werden könne. So bemühte sich Siegenthaler als Spiritus Rector dieser Tagung um eine Art Verknüpfung der bisherigen, einander eher widerstreitenden „Grundkonzepte“. In seinen hochkomprimierten und wesentlich lerntheoretisch ausgerichteten Einleitungsbemerkungen bezog er sich zwar vor allem auf die Dimension (Ordnungs-) Krisen. Dabei aber hob er ab auf die seines Erachtens offenkundige Fortdauer gewisser Jahrhunderttrends durch alle Krisen und Zusammenbrüche hindurch. Damit stellte er die „sehr abstrakte“ und scheinbar „recht esoterische“ Frage, warum „in komplexen Verkettungen krisentypischen Handelns strukturelle Restriktionen die Spielräume des Denkens und Redens begrenzt und das Handeln in den Korridor trendmäßiger Entwicklung hineingetrieben haben“. Als Betrachtungsgegenstand dienten der Zusammenbruch der Weimarer Republik und der Übergang zum Nationalsozialismus. Denn dabei, so die heuristische Annahme, handelte es sich um einen „Grenzfall von besonders ausgeprägter Strukturlosigkeit“ einer Zeit, hier vor allem im Sinne von fundamentaler Orientierungsunsicherheit als Ausdruck eines Mangels an Vertrauen in die Geltung und Verlässlichkeit verfügbarer Regeln des Umgangs mit Information. Dergleichen nämlich erlaube die Suche nach denjenigen „Selektoren“ oder auch Dispositionen, die Denk- und Handlungsspielräume selbst noch in Extremsituationen und an besonders unwahrscheinlichen Stellen zwar nicht determinierten, aber aus- bzw. eingrenzten.

475 Dazu schon TP Apr. 1997 (PR 17), S. 29 ff. (noch improvisierte Vorüberlegungen besonders von Siegenthaler, S. 30 das Zitat); PMV 24. 10. 1997 (ebd.), S. 11 ff. (Siegenthalers Tagungskonzept) u. PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 14 ff. (Siegenthalers Programmskizze und betr. Diskussion). – Im Folgenden nach TP Okt. 1998 (ebd.), besonders S. 2 (Schieders Startbemerkungen) und 2 ff. (Siegenthalers Einltg.) bzw. 9 ff. (betr. Diskussion); S. 17 ff. (Diskussion über Referat Oexle), 28 ff. (über Referat Tenorth), 36 ff. (über Referat ­Tenfelde, 38 Zitat Frevert), 40 ff. (über Referat Graf, dabei 41 bzw. 42 die zitierten Äußerungen von Kocka bzw. Oexle), 47 ff. (über Referat Mommsen), 52 ff. (über Referat Ritschl); außerdem JBR 1998 (KP 22a, lf. S. 34 ff.). – Zur Frage einer Publikation der Beiträge zu den betreffenden Tagungen (s. Übersicht im Anhang, lf. Nr. 75 u. 76): PMV 23.10. 1998 (PR 18), S. 10 und 17, TP Apr. 1999 (PR 19), S. 58, PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 4; PMV 27. 10. 2000 (ebd.), S. 5; PMV 27. 4. 2001 (PR 21), S. 7 f., PMV 12. 10. 2001 (ebd.), S. 4 f. (Publikation aus verschiedensten Gründen nicht zustande gekommen).

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Nach eingehender und bedachtsam abwägender Erörterung ­dieses Angebots an perspektivischem wie methodischem Neuland wurde es in sechs Referaten mehr oder minder explizit ins Visier genommen, und zwar überwiegend mit Blick auf den „magischen Punkt“ 1933 (Frevert). Nicht nur geriet dabei z. B. die Aussagekraft von Untersuchungen kohortenspezifischer Sozialisation unter massive Zweifel (vorweg bei Lepsius). Vielmehr reflektierte man auch die Reichweite mentalitätsgeschichtlicher Deutungen mit ihrer Ausrichtung auf Langzeitdispositionen: Das ging bis zu der skeptischen Überlegung, ob man bei Primärinteresse an „Mentalität und mentalitären Restriktionen im kollektiven Handeln“ genaugenommen nicht drauf und dran sei, den ureigenen „Anspruch von Sozialgeschichte“ hinter sich lassen (Kocka) – was mit Rekurs auf Marc Bloch die Replik nach sich zog, dass gerade damit „wirkliche Sozialgeschichte“ betrieben werde, denn es gebe „nichts Wirklicheres als die Bilder von der Wirklichkeit“, eben den „Kern von Mentalitäten und Dispositionen“ (Oexle). Solch erheblicher Einschätzungsunterschied bis hin zu dem damit verbundenen Selbstzweifel, ob der Arbeitskreis überhaupt noch Sozialgeschichte betreibe, war dann auch bei dem ebenfalls von Siegenthaler entworfenen Design der Anschlusstagung im Frühjahr 1999 virulent.476 Mit dieser „Abrundung“ (Schieder) erhielt die zuvor wesentlich NS-bezogene Sicht durch Referate über Rechtsentwicklung bzw. Justizverhalten zwar noch wichtige Ergänzungen (die übrigens auch bemerkenswerte Meinungsverschiedenheiten über die Gründe für spätere Beschweige- oder Bagatellisierungsneigungen von Funktionseliten gegenüber der NS-Zeit auslösten). Zugleich aber wurde die von vornherein universal gedachte und stark methodologisch angelegte Frage nach ausschlaggebenden Restriktionen des Handelns in totalitarismusträchtigem Kontext (Tagungstitel) über die Perspektive Weimar – Nationalsozialismus weit hinausgeführt. So richtete sich der Blick nun auch auf bedeutende außerdeutsche Fälle – ohne oder mit gewissen faschistoiden Tendenzen – wie die Schweiz, USA und Sowjetunion, in denen sich restriktive ‚Selektoren‘ bzw. Dispositionen selbst in schweren Krisenlagen durchsetzten. Zur Sprache kam nicht zuletzt auch die methodische Problematik eines genaugenommen so selbstreferentiellen 476 Dazu schon PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 17 ff. Siegenthalers Fortsetzungsüberlegungen, andererseits besonders Mommsens Bedenken (17 auch das nachfolgende Schieder-­Zitat); vor allem TP Apr. 1999 (PR 19), besonders S. 2 ff. die Siegenthaler-­Einleitung (dazu auch 40 ff.), 4 ff. die Diskussion über Referat Hubert Rottleuthner (dabei S. 23 Grafs Vermittlungsversuch zur Frage, ob noch Sozialgeschichte oder nicht), 24 ff. über Referat Bernd Rüthers, 35 ff. über Referat Tanner (39 f. speziell zum Konzept politische Kultur), 44 ff. über Referat Paul Nolte, 46 f. speziell zu Ideengeschichte und Erfahrungszusammenhänge (S. 48 das Siegenthaler-­Zitat), 50 ff. über Referat Stefan Plaggenborg. – Zur Publikationsfrage: PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 9 f., PMV 29. 10. 1999 (ebd.), S. 7, PMV 27. 10. 2000 (PR 20), S. 5.

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Konzepts wie politische Kultur (Plaggenborg/Tanner), zudem die Überlegung, ob die Entgegensetzung von ideengeschichtlichen Verfahren einerseits und Ermittlung von Erfahrungszusammenhängen andererseits so etwas wie sozialhistorischer Reduktionismus sei (Nolte); anders gewendet: was also eine „kulturalistisch aufgerüstete“ Sozialhistorie mit Ideengeschichte anfangen könne (Siegenthaler). Spätestens nun mit den beiden ‚Siegenthaler-­Konferenzen‘ fand der einst so erwartungsvoll gestartete Anlauf zu einer systematisch-­theoretisch angelegten europäischen Sozialgeschichte jedenfalls in der ursprünglich gedachten und verhandelten Konzeption sein Ende. Ein halbes Jahr s­päter wurde das erneut zu Protokoll gegeben, wenngleich nur indirekt: In Erwartung von mindestens drei neuen Bänden der Industriellen Welt sprach der Vorsitzende Schieder von einem absehbaren Wiederaufschwung der Schriftenreihe, nachdem sie zwischenzeitlich etwas gelitten habe – und zwar nicht allein wegen ständig zunehmender Schwierigkeiten mit dem Verlag, sondern auch durch „unser langes Abschweifen [!]“ in Richtung Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert.477 So trat denn ­dieses Projekt erst einmal in den Hintergrund – zugunsten eines interimistischen Vorhabens, das freilich schon bald etwas salopp als eine Art „Verlegenheitslösung“ zwecks Zeitgewinn für weitere Planungen eingestuft wurde: nämlich ein Anlauf des Arbeitskreises zur „Bewältigung der eigenen Vergangenheit“ (Raphael).

4.5 Die Anfänge des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte – Interimistische Selbstthematisierung und Rekapitulation in schwieriger Lage (1999) Das Intermezzo zu d ­ iesem Thema lag spätestens sozusagen in der Luft, seit im September 1998 auf dem 42. Deutschen Historikertag in der aufsehenerregenden Sektion Deutsche Historiker im Nationalsozialismus über die sog. Volks(tums)geschichte samt deren Bedeutung für die Sozialhistorie nach 1945 gesprochen worden war.478 Zuvor schon und ausdrücklich im Hinblick darauf hatte Jürgen Kocka in der Mitgliederversammlung vom Frühjahr 1998 mit Erfolg angeregt, sich mit dieser Debatte „mal etwas selbstreflektiv“ zu beschäftigen. Bleibe doch die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität z­ wischen der einst auch von Conze vertretenen Volksgeschichte und seiner nachfolgenden Sozialgeschichte bzw. Arbeitskreisgründung in den 1950er 477 PMV 29. 10. 1999 (PR 19), S. 8. 478 Vgl. Marie-­Luise Recker, Doris Eisendörfer, Stefan Kamp (Hg.), Intentionen – Wirklichkeiten. Berichtsband zum 42. Deutschen Historikertag, München 1999, S. 209 ff. – Im Folgenden nach PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 20 f., s. a. JBR 1998 vom 21. 9. 1998 (KP 22a, lf. S. 34 f.).

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Jahren ein „großes Thema“ mit Aspekten „sehr grundsätzlicher Art“: nicht allein für das Selbstverständnis der deutschen Sozialhistorie, sondern auch für die Vorgeschichte der Bundesrepublik und deren Verhältnis zum Nationalsozialismus. Bereits damit also richtete der Kreis seine Aufmerksamkeit auf das Bezugsfeld deutsche Geschichtswissenschaft bzw. Historiker im sog. Dritten Reich. Dies ­intensivierte sich noch bei der relativ ausführlichen, für die unterschiedlichen Sichtweisen aufschlussreichen Vorbereitungsdiskussion.479 Dass die in dieser Angelegenheit gängige Fixierung auf die eigene Disziplin und auf einzelne Repräsentanten sozialhistorisch geradezu falsch sein würde, weil sie die der Form nach gleich verlaufene Entwicklung anderer Fächer mit einem bestimmten Steuerungsanspruch verfehle (Graf ), wurde zwar sogleich mahnend angemerkt, zunächst freilich nicht sonderlich beachtet. Denn im Vordergrund stand das Interesse an der Entwicklungsspur „Volks-/Struktur-/Sozialgeschichte im Sinne von Überlegungen über die [Früh-]Geschichte ­dieses Arbeitskreises“ (Kocka). Und dass in dieser Hinsicht auch ein unabweisbarer, tunlichst rasch zu erfüllender „Erwartungsdruck der Öffentlichkeit“ bestehe (Oexle, Wehler), erschien dabei als ausgemacht. Dass andererseits die Gefahr einer gewissen Kurzatmigkeit nicht zu verkennen sei, äußerte sich etwa in der nachdrücklichen Warnung vor Überstürzung: Zur Profilwahrung des Kreises empfehle sich vielmehr ein Vorgehen nach den von ihm selbst verfochtenen Fachregeln, also auf möglichst fundierter Sachbasis eine sozialhistorische Tagung zum Thema Sozialgeschichte der Etablierung von Sozialgeschichte durchzuführen, um damit endlich aus jeder moralisierenden Binnenschau und Engführung auf den Nationalsozialismus herauszukommen (Raphael). Wieder einmal war es zuerst Lepsius, der sich für das so gewissermaßen nur erst gestrichelte Vorhaben um ein methodisch stützfähiges Gerüst bemühte. Dazu wollte er dreierlei auseinandergehalten wissen: (a) den Aspekt individuelle Biografien samt eventueller „Delegitimierung von Personen“, (b) das Interesse an einer „wissenschaftspolitischen Problementfaltung“ bei der Konzeptualisierung sowie – zwecks Vermeidung einer allzu umfassenden und undifferenzierten Betrachtung davon zu trennen – (c) die Dimension „allgemeiner wissenschaftlicher Zeitgeist“. Wenn man wirklich Paradigmen analysieren statt bloß „semantischen Gleichklang“ registrieren wolle, habe man sie konkret zu untersuchen, ohne dabei neben Sozialgeschichte zugleich auch noch anderes wie Sozialethik, Sozialrecht usw. einzubeziehen. Im Übrigen, so Lepsius weiter, sei für ihn nicht klar zu erkennen, ob diese ganze Debatte überhaupt aufgenommen werden müsse: Gewiss habe, wie oben ja bereits angeführt, in der Frühzeit des Arbeitskreises evidentermaßen eine aus Königsberg herrührende und durchgängig bis ungefähr 1969 reichende „­ Personalschiene“ 479 Zum Folgenden: PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 17 u. 22 ff., danach auch die Zitate (betr. Kocka-­Äußerung vgl. dens., Sozialgeschichte seit 1945, S. 6 ff.).

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existiert, aber außer diesen bloß „persönlichen Brückenschlägen“ seiner Meinung nach keine „Sachschiene“, weshalb der Kreis insofern durchaus nicht zum „Eintritt in ­dieses Erbe“ verpflichtet sei – schließlich heiße er ja nicht Arbeitskreis zur Weiterentwicklung der Volksgeschichte. Solcher Auffassung freilich widersprach Kocka mit dem Hinweis auf Conzes einstige Positionierung „mittendrin in der Volksgeschichte“ (wenn auch „at its best“), so dass man unbedingt zu der angesprochenen Problematik Volks-/Struktur-/Sozialgeschichte gelange, sobald man der „Kontinuität von Königsberg bis Bad Homburg“ nachgehe. Ob oder doch wie ausgreifend und mit welcher Intensität dies zu tun sei, führte im Ergebnis zur Selbstbeschränkung auf nur eine, gleichwohl möglichst nicht zu eng anzulegende Veranstaltung. Was dabei von vornherein zu bedenken war, verdeutlichte besonders Lutz Raphael: Selbst bei wissenschaftsgeschichtlicher Fokussierung auf den Zielpunkt Sozialhistorie und auch nach genauer Untersuchung des einstigen Königsberger Kreises lasse sich die damalige Interdisziplinarität nicht ausblenden. In der Sache handele es sich nämlich um ein „vermischtes Feld“, das in die völlig anders strukturierte Wissenschaftslandschaft Westdeutschlands erst auf komplizierte Weise habe „implantiert“ werden müssen. Dadurch sei nicht etwa nur das mit dem Stichwort Königsberg Umschriebene wieder aufgelebt, sondern „mehr kryptisch“ vor allem auch ein zuvor „völkisch hoch legitimiertes und drittmittel­finanziertes Zusammenforschungsfeld aus der NS-Zeit, nunmehr gewendet in andere Fragestellungen“. Das Spannende sei also nicht die Personengeschichte, die man jetzt immer so moralisierend beantwortet haben wolle, sondern die Frage nach dem Verbleib der „Reste der Konzepte“. Dazu erzählt werden müssten viele Geschichten, die auf wissenschaftlichem Feld weitergeführt hätten; darunter eben auch die von Conze, denn er sei schon in Königsberg über die von national-­konservativen Historikern gelieferten Konzepte hinaus gewesen und erfordere die forschungsaufwendige Prüfung, was die ursprüngliche Fragestellung des Arbeitskreises damit zu tun habe. Dabei allerdings solle man sich keiner Illusion hingeben: Behandle man die Sache nur lax, werde man prompt willentlicher Ausblendung bezichtigt; und selbst bestimmte, seines Erachtens zutreffende Antworten würden absehbar kein Gehör finden, weil sie nun mal vorhandene, der überwiegend „moralisierenden Debattenform“ zugrundliegende Befindlichkeiten und Interessen einer neu erwachten Öffentlichkeit nicht befriedigten. Solch nüchterne Einschätzung widersprach indessen keineswegs der Empfehlung, sich davon nicht abschrecken zu lassen, zumal man auch einen sondenartig, ergo mit weniger Aufwand erfüllbaren „Selbstaufklärungsbedarf“ habe und sich eher als „[Gesprächs-]Forum“ denn als „Sachwalter“ des Kreises verstehen könne (so Kaschuba im Anschluss an Kocka). In ­diesem Rahmen hielt sich denn auch der noch etwas improvisierte Programmentwurf (Raphael, Oexle), bei dessen Beratung in der nächsten Mitgliederversammlung die Unterschiedlichkeit der ­Vorstellungen noch

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deutlicher hervortrat.480 Den einen Pol bildete die Maximalforderung, keines­falls nur Historikergeschichte oder gar die Frühzeit bloß des Arbeitskreises zu ­behandeln, sondern generell die Nachkriegsentwicklung der Wissenschaften histo­risch zu erfassen, d. h. „sozusagen die Mutation von Wissenschaftssystemen im Systemcode“ zu begreifen, mithin die vorzugsweise noch moralisch-­emotional angesprochenen Probleme der Historiker in einem sehr viel größeren Zusammenhang zu sehen: Denn dass das wesentlich agrargeschichtlich ausgerichtete Perspektivmodell aus der Zeit vor 1945 erst einmal habe abgestreift und wegen der Notwendigkeit eines generellen Neubeginns auch thematisch-­inhaltlich etwas Neues habe gefunden werden müssen, sei gleichsam „nur die halbe Geschichte“; vielmehr hänge auch das anfängliche Schweigen der beteiligten Historiker nach 1945 nicht zum wenigsten zusammen mit der allgemeinen Neuetablierung eines ganzen Wissenschaftssystems, und dies eben nicht allein in professionell-­inhaltlicher Beziehung, sondern auch hinsichtlich der akademisch-­strategischen Positionen usw.; insofern sei die Sozialhistorie gerade nicht aus der Volksgeschichte hervorgegangen, also durchaus nicht „sozusagen deren Haupt entsprungen“ (so am pointiertesten Weisbrod). Auf der anderen Seite beließ man es mit Rücksicht auf die begrenzten „Bordmittel“ bei dem eher pragmatischen Rat zu jedenfalls vorläufiger Beschränkung auf den unmittelbar eigenen Leisten, obschon mit Option für nachfolgende Einbeziehung auch anderer Wissenschaftsfelder, um zu einem „vergleichenden wissenschaftlichen Neuansatz“ zu kommen (so Schieder mit Bezug auf Lepsius u. a. m.). Einig war man sich in der Absicht, das Thema in bisher nicht praktizierter Weise anzugehen, also weder bloß mit Bezug auf den Gegenstand Arbeitskreis noch gar mit Reduktion auf die nationalpolitischen und moralischen Aspekte. Vorranging ins Auge fassen wollte man vielmehr die „Durchsetzung der modernen Sozialgeschichte vermutlich in Deutschland“ (Mommsen) seit den 1920er Jahren und besonders nach 1945, aber eben nicht ausschließlich mit Blick auf die Vorreiterfunktion von Conze, sondern weit darüber hinaus mit verstärkter Beachtung außerdeutscher Entwicklungen, speziell des Beitrags von deutschamerikanischer Seite. Auch wenn der Titel der betreffenden Herbsttagung 1999 dann doch lediglich auf Die Anfänge des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte selbst abzuheben schien, ging es im Sinne der Vorüberlegungen tatsächlich um mehr: um (a) Die „neue“ Sozialgeschichte in ihrem disziplinären Umfeld, (b) Themenfelder und Deutungsmuster der Strukturhistoriker, (c) „Vergangenheitsbewältigung“ und (d) Alternativen und Einflüsse von außen.481 Welches Spektrum praktisch behandelt wurde, 480 Dazu PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 14 ff. (danach auch die wörtl. Äußerungen). – Abwesend waren freilich nicht allein Raphael u. Oexle, sondern auch Kocka, Lepsius u. Wehler. 481 So die einzelnen Abschnitte der Tagung (Kocka und Mommsen übrigens verhindert; ­Lepsius soeben inaktiviert). – Im Folgenden nach TP Okt. 1999 (PR 19): S. 3 ff. ­Diskussion

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zeigten schon die Grundlagenreferate über die Etablierung der Sozialgeschichte im Historikerfeld der Nachkriegszeit (Thomas Etzemüller) und über die „symbolische Verschmelzung“ von Volksgeschichte – Soziologie – Sozialgeschichte und ihre Wende zum Sozialen unter politischem Vorzeichen (Carsten Klingemann), zudem der Aufriss über sozialhistorische Betrachtungen der jüngeren Politikgeschichte als Umdeutungen der Nationalgeschichte von rd. 1800 – 1960 (Lutz Raphael). Im Einzelnen kamen dabei bis in die Diskussionen viele perspektivisch und methodologisch wichtige Aspekte zur Sprache: etwa die Kennzeichnung der „Königsberger Connection“ als „Prototyp der Männergruppe im akademischen Gewande“ und die Auffassung von der Fortdauer des so eingefärbten Lehrstuhlsystems oder genauer, des sog. Mandarinentums über 1945 hinaus als einer der tragenden „Kontinuitätsbrücken für diese wissenschaftliche community“ und als „idealem Container für politische Umwidmung“ nach dem Zweiten Weltkrieg – allerdings ein Phänomen sämtlicher Wissenschaften im Nachkriegsdeutschland, also nicht allein eine „Königsberger oder Sozialhistorikerproblematik“ (Weisbrod). Im Kern stellte sich überhaupt durchgängig die Frage, ob die Sozialhistorie der frühen Nachkriegszeit konstitutive Elemente von Volksgeschichte enthielt oder inhaltlich dann doch etwas wesentlich Anderes brachte. Das wiederum ließ sich nicht trennen von zum ­Referat Thomas Etzemüller: 8 f. die Weisbrod-­Sicht; S. 13 ff. zum Referat C ­ arsten ­Klingemann: 18 die Äußerungen von Koselleck und Weisbrod; S: 24 ff. zum Referat Raphael; S. 38 ff. zum Roundtable: insbes. 38 – 44 betr. Frage und Begriff Verwestlichung bzw. Lernprozess (mit Äußerungen u. a. von Weisbrod, Wehler, Schieder, Cornelißen, Schulze, E ­ tzemüller, speziell bezüglich der Weisbrod-­Position auch schon PMV 23. 4. 1999, S. 18), 45 das Graf-­ Zitat, 38 bzw. 41 f. die Raphael-­Äußerungen, 39 f., s. a. 46 Wehlers Kritik an der seines Erachtens „Foucaultschen Denkfigur“ völliger Politikferne von Wissenschaft; S. 47 ff. zum Referat. Gabriela Ann Eakin-­Thimme: 51 f. die Äußerungen von W. S­ chieder, s. a. S. 53 die Zwahr-­Andeutungen zur Entwicklung in der DDR); S. 54 ff. zur nur noch kursorischen Schlussdiskussion (ersatzweise für das ausgefallene Frankreich-­Referat von Peter ­Schöttler auch mit einigen Betrachtungen zum Verhältnis von deutschen und französischen Sozialhistorikern). – Aus pragmatischen Gründen in der späteren Teilveröffentlichung (Raphael, Anfänge) nicht enthalten und auch hier nicht berücksichtigt: die spezielleren Beiträge von Christoph Cornelißen über Gerhard Ritter (S. 19 ff.) bzw. Gadi Algazi über die Begriffsgeschichte (S. 27 ff.); zur Publikationsfrage PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 4 f., PMV 27. 10. 2000 (ebd.), S. 5, PMV 27.4. 2001 (PR 21), S. 8 f. (mangels „genügend Masse“ [Schieder] besser Teilpublikation in Comparativ), TP Apr. 2002 (PR 22), S. 25 (soeben erschienen). – Vgl. im Übrigen schon TP Apr. 1999 (PR 19), S. 24 ff. die Diskussion über das Referat Bernd Rüthers, speziell die bemerkenswerte Meinungsverschiedenheit über die Gründe für späteres Beschweigen bzw. Bagatellisierungstendenzen bezüglich des Verhaltens von Funktionseliten in der NS-Zeit: dabei als exemplarisch angeführt der „Konflikt des Herrn Wehler und des Herrn [Hans] Mommsen mit ihren Übervätern“ Th. Schieder bzw. W. Conze (so 25 f. Bernd Rüthers bzw. Weisbrod, vgl. 30 Graf ).

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der ­Überlegung, ob bereits die Volksgeschichte und die sog. deutsche Soziologie sogar bei Fällen von „völlig brauner Soße“ durchaus empirische Wissenschaft sein konnten, wie K ­ oselleck mit Bezug auf die These von der Anbahnung der modernen Sozialgeschichte durch die „Soziologisierung“ der Volksgeschichte meinte: Wohl müsse man trotz aller Schwierigkeit jeweils die Grenzen zu leitendem oder gar deformierendem politischen Engagement präzise bestimmen, aber „sozusagen methodisch akzeptieren“, dass auch im NS -Kontext exaktes Arbeiten möglich gewesen sei (dazu Hinweis u. a. auf Ipsen und sogar „viel schlimmere Leute“ wie den Volkskundler Pleyer, der – so Koselleck unter schallendem Gelächter – wenn nicht im Krieg gefallen, „vielleicht auch im Arbeitskreis gelandet“ wäre). Dabei blieb umstritten, ob die Feststellung von der Existenz empirischer Sozialforschung selbst im NS nicht zwingend mit der Frage nach dem „Nutzen im Sinne des NS Systems“ einherzugehen habe (Weisbrod). Erwartungsgemäß noch kontroverser verlief vor allem ein gleichsam als Roundtable gestaltetes Gespräch über eine Angelegenheit, die im Arbeitskreis selbst bis dahin nie eigens thematisiert worden war, nämlich Einstellung und Verhalten von Repräsentanten der Sozialhistorie im und nach dem Nationalsozialismus.482 Um von dem in der öffentlichen Debatte seinerzeit favorisierten, analytisch indessen ganz unergiebigen und „oberflächlichen Herummoralisieren über Individuen“ wegzukommen (Graf ), sollte nun eben völlig anders verfahren werden: Man wollte versuchen, das damalige Geschehen und den Umgang nicht bloß „der Schieders und Conzes“ mit ihrer eigenen Vergangenheit auf eher zwanglose, aber methodisch kontrollierte Weise in die Entwicklung 1945/65 einzuordnen, sich folglich nicht in individuellen Schuldzuweisungen zu erschöpfen; das zielte über diverse „Kandidaten für Vergangenheitsbewältigung“ hinaus, nämlich möglichst überhaupt auf das strukturelle Problem potenzieller politischer Indienstnahme gerade auch von Geschichtswissenschaft sogar in nichttotalitären Verhältnissen (Raphael). Erheblich auseinander gingen bei ­diesem intergenerationellen Gedankenaustausch insbesondere die Auffassungen zur vielberufenen Frage von Verwestlichung bzw. Lernprozess nach 1945: Was für die eine Seite (vorweg für Wehler) evident gegeben und bis in die Festlegung der Reihenbenennung Industrielle Welt auch nicht 482 Dass Gründungsmitglieder des AKMS ihre – wie auch immer geartete – Vergangenheit überhaupt, und sei es noch so indirekt und marginal, berührten, war jedenfalls bei den Plenumsdebatten nur einmal vorgekommen, im Herbst 1961: So hatte Ipsen im Zuge seines Beitrags über die soziologischen Aspekte der Wirtschaftskrise 1930/32 in einer „persönlichen Bemerkung“ mit einer Mischung aus Selbstlob und Selbstkritik auf einen eigenen Vortrag von 1932/33 Bezug genommen und Raupach in einem persönlich gehaltenen Rückblick in die Endphase der Weimarer Republik besonders vom „bündischen Wesen“ als einer „Hochform des Irrationalen“ gesprochen (TP Okt. 1961 [PR 1], S. 18 bzw. 40 f.).

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bloß ­opportunistische „Oberflächenanpassung“ war, erschien anderen (zumindest ­ eisbrod) als stark mythologieverdächtig, da möglicherweise bloße VerkaufsstraW tegie auf dem Wissenschaftsmarkt und großes, wenngleich unbewusstes „Verstellungsmanöver“ zur Vergangenheitsbereinigung. Als disziplingeschichtlich und für die Selbstwahrnehmung des Kreises nicht minder belangvoll erwiesen sich speziell die durch ein Referat von Gabriela Ann Eakin[-Thimme] grundierten Überlegungen zur Bedeutung deutsch-­amerikanischer Exilhistoriker für die Etablierung der Sozialhistorie in (West-)Deutschland. Dabei ergab sich, dass hinsichtlich methodischer Innovativität und intellektueller Durchschlagskraft amerikanische Ökonomen und Sozialwissenschaftler für Aspiranten der bundesdeutschen Sozialhistorie eine höhere Attraktivität gehabt hätten als deutsche Exilhistoriker. Selbst eine so vielbeschworene und wirkungsmächtige Ausnahmefigur wie Hans Rosenberg, so die Referentin, habe wohl für das „Programm der ‚Modernisierung‘ und ‚Demokratisierung‘“ der westdeutschen Geschichtswissenschaft als auch für die Forderung nach „mehr ­Theorie“ gestanden, freilich erst bei einem Teil der jüngeren deutschen Nachwuchshistoriker wie Wehler, Kocka u. a. m. Das „Gros ihrer theoretischen Anregungen“ hätten sie sich jedoch woanders geholt – überdies die „Umsetzung der ­Theorie in die Praxis“ gerade im institutionalisierten AKMS mit seiner verhältnismäßig konstanten Personalkonstellation und seiner eingespielten Schriftenreihe intensiv diskutieren können: „Hier war der Ort, wo die Konzepte für Projekte zur Geschichte der industriellen Gesellschaft und [zu] vielem anderen mehr konkrete Gestalt annahmen.“ 483 So wurde in der Diskussion denn auch mit deutlicher Relativierung der „Rosenberg-­Schiene“ (Mommsen) geltend gemacht, dass jedenfalls die habilitierten Conze-­Schüler/innen ausnahmslos nicht der sog. Atlantikergeneration angehört hätten, sondern „die Sozialgeschichte alle hier gelernt“, dafür also nicht eigens nach USA hätten gehen müssen (­ Schieder). Zugleich wurde der aufgekommene Verdacht auf gezielte Distanz des Kreises zu den deutschen Emigranten zurechtgerückt und klargestellt, dass Conzes Einladungsverhalten stets themenadäquat, jedenfalls nicht vom Kriterium Emigrant oder Nichtemigrant bestimmt gewesen sei (Koselleck). 483 Hier zitiert nach der Druckfassung (in: Raphael, Anfänge), S. 81; die folgende Schieder-­ Äußerung (mit Angabe von neun ausgewählten Namen) und die Koselleck-­Korrektur wieder nach TP Okt. 1999, S. 51 ff.; als ein Beispiel für demonstrative Herausstellung des Rosenberg-­Einflusses vgl. Kocka, Sozialgeschichte seit 1945, S. 13 u. 15. – Die Vorstellung von Eakin-­Thimme, dass die Beziehung ­zwischen Rosenberg und Conze wohl beiderseits „sehr prekär“, jedenfalls „sehr distanziert“ gewesen sei (S. 51, vorsichtiger 52 Schieder), ist nach den Befunden von Dunkhase, Conze, S. 159 u. bes. 302 f., Anm. 295 kaum s­ tichhaltig, jedenfalls überzogen. – Mommsen-­Zitat: s. schon PMV 23. 4. 1999, S. 19.

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Um die wissenschaftsgeschichtliche Sicht auf die neuere Sozialhistorie noch zu erweitern und zu schärfen, wurde zwar eine Anschlusstagung zum Vergleich mit Entwicklung und Problemen anderer Disziplinen (speziell der Rechtswissenschaft, möglichst auch ausgewählter Naturwissenschaften) erwogen.484 Davon nahm man dann aber doch Abstand, um sich ohne Verzug einer Sachaufgabe zuwenden zu können, die man als besonders fällig erachtete: der begrifflichen wie sozialhistorischen Konkretisierung von gesellschaftlich-­politischen Funktionen und Auswirkungen moderner Medien in ihrer ganzen Bandbreite und Systemvielfalt bis hin zum World Wide Web. Diese Blickrichtung war freilich schon Ausdruck wie Teil einer übergreifenden Umorientierung, die ansatzweise bereits eingesetzt hatte und im Frühjahr 2000 schließlich explizit verhandelt wurde. Um sie zu verstehen, ist zuvor noch ein Blick auf den Strukturwandel der Mitgliedschaft seit der Jahrhundertwende zu werfen.485 484 Dazu JBR 1999 vom 17. 9. 1999, S. 2 f. (KP 22a, lf. S. .20 f.). 485 Zur bisherigen Entwicklung zuletzt oben, Kap. 3.2. – Zum Folgenden: Betr. kritische Sicht von Borchardt bzw. Dilcher: Briefe an Engelhardt, 24. 8. 1994 (KP 12, S. 132) bzw. an ­Koselleck und Lepsius, 24. 10. 1994 (ebd., 255 f.); betr. Freverts „renovatio“-Beschwörung: PMV 22. 4. 1994 (PR 14), S. 29; betr. Tod von Nipperdey: PMV 23. 10. 1992 (PR 13), S. 2; betr. Inaktivierungen: PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 2 f. (Braun und Köllmann, zu Letzterem auch Aktennotiz von Engelhardt in KP 12, lf. S. 641, außerdem PMV 24. 10. 1997 [PR 17], S. 2, Lepsius-­Gedenkworte); PMV 28. 4. 1995 (PR 15), S. 2 (Geyer); PMV 25. 10. 1996 (PR 16a); S. 2 (Schluchter); betr. Inaktivierungsankündigungen: PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 8 ff. (Borchardt, Dilcher, Koselleck, Langewiesche und Lepsius); betr. Winkler-­Austritt: KP 15, S. 469 bzw. 472 (seine Briefe an Gertrud Söntgen bzw. Engelhardt, 24. 9. 1998); betr. Schieder-­Zitat „Dauerthema“: PMV 29. 10. 1999 (PR 19), S. 8; betr. Formalisierung des Zuwahlverfahrens mit vorheriger Vorlage schriftlicher Nominierungen und zugehöriger Unterlagen: PMV 24. 10. 1997, S. 31 f. (Lepsius), mit Bezug darauf und zur Altersbegrenzung („noch nicht fünfzig Jahre als“) auch die Schieder-­Rundschreiben vom 10.2. und 14. 7. 1998 (KP 19, lf. S. 13 bzw. 14) sowie Engelhardt an Raphael, 17.6. 2002 (KP 15, lf. S. 261); betr. beiläufige Reaktivierungserwägung im Fall Frühwald: PMV 24. 4. 1998 (PR 18), S. 13; betr. weitere Zuwahlen: S. 8 ff. (Buchheim, Hildermeier, Osterhammel, Raphael, Tanner und Weisbrod; betr. Buchheims Beitrittsrücknahme PMV 23. 10. 1998, S. 2); betr. weitere Zuwahlen: PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 16 (Meuschel), PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 10 ff. (Merkel und Kohle, zu Ersterem – schon 2002 inaktiviert – auch dessen Brief an Schieder, 4. 10. 1999 bzw. Schieder an Engelhardt, 2. 5. 2002 und 2. 6. 2002 in KP 15, lf. S. 34 f. bzw. 358 u. 360); betr. nächste Zuwahlen: PMV 29. 10. 1999 (PR 19), S. 8 ff. (Rückert und Daniel), auch betr. Inaktivierung von Dilcher; betr. Inaktivierung von Wehler und Fischer: KP 15, lf. S. 360 bzw. 449 (Schieder an Engelhardt, 2. 6. 2002 bzw. Wehler an Engelhardt, 16. 5. 2002) sowie KP 14, lf. S. 103 (Fischer an Engelhardt, 16. 4. 2002) bzw. KP 15, lf. S. 358 (Schieder an Engelhardt, 2. 5. 2002), betr. Inaktivierung von Zwahr: PMV 12. 10. 2001 (PR 21), S. 7 f. bzw. KP 15, lf. S. 485 f. (Zwahr an Raphael, 9. 3. 2002); betr. weitere Zuwahlen: PMV 27. 10. 2000 (PR 20), S. 5 ff. (Stichweh, Dipper und Lenger), PMV 19. 10. 2002 (PR

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Bis Mitte der Neunziger war die immer wieder beschworene Verjüngung ja über Anläufe nicht hinausgekommen. Mehr noch: Jedenfalls aus der leicht resignativen Perspektive von Repräsentanten manchmal nur unzureichend einbezogener Zweige war der Kreis zugleich „immer diffuser“ geworden, somit in der Gefahr, „von einer ganz normalen Versammlung von Neuhistorikern kaum noch unterschieden zu sein“ (Borchardt) und ein integratives Verhältnis etwa von Sozial- und Rechtsgeschichte „als aspektiver, sich notwendig gegenseitig ergänzender geschichtlicher Wissenschaften“ zu vernachlässigen (Dilcher). Wie immer man zu solchen Bedenken stehen mochte, nach einer weiteren Zuwahlpause (1995 – 97) erfolgte seit den ausgehenden Neunzigern Zug um Zug „nun wieder eine Art Generationswechsel“ (Graf ). Die Dringlichkeit ergab sich nicht zuletzt aus Mitgliedsverlusten durch Tod ­(Nipperdey/1992) bzw. neuerliche Inaktivierungen (Braun und Köllmann/1994, Geyer/1995 und Schluchter/1996), zudem mehrere Inaktivierungsankündigungen (Borchardt, Dilcher, Koselleck, Langewiesche und Lepsius/alle 1998) bzw. krankheitsbedingte Rücknahme einer Beitrittszusage (Buchheim/1998), schließlich – einzigartig in der Geschichte des Kreises – Austritt von Heinrich August Winkler „aus persönlichen Gründen“ (1998). So wurden Zuwahlen, ob mit oder ohne explizite Berufung auf die Chance zu „renovatio“ und Neustart des Kreises (Frevert), von 1998 – 2004 „sozusagen zu einem Dauerthema“ (Schieder), auf Anstoß von ­Lepsius begleitet von einer regelrechten Formalisierung des berufungsähnlichen Verfahrens und beiläufig sogar vom Gedanken an Reaktivierung eines längst inaktiven Mitglieds (Frühwald). Aufgenommen wurden Kandidat/inn/en, die bis auf zwei Ausnahmen den Geburtsjahrgängen 1945 ff. entstammten und durchweg ihre wissenschaftliche Sozialisation erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg durchlaufen hatten: 1998/99 der aus gesundheitlichen Gründen allerdings ja gleich wieder ausgeschiedene Wirtschaftshistoriker Christoph Buchheim (Jg. 1954)/Mannheim sowie Manfred H ­ ildermeier (Jg. 1948)/Göttingen, Osteuropäische Geschichte, ­Jürgen Osterhammel (Jg. 1952)/Bielefeld bzw. Konstanz, Ostasiatische Geschichte, Lutz Raphael (Jg. 1955)/Trier, Neuere und Wissenschaftsgeschichte, Jakob Tanner (Jg. 1950)/Zürich, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bernd Weisbrod (Jg. 1946)/ Göttingen, Neuere und Sozialgeschichte, Sigrid Meuschel (Jg. 1944)/Leipzig, Politik­ wissenschaft, Wolfgang Merkel (Jg. 1952)/­Heidelberg, P ­ olitikwissenschaft, H ­ ubertus 22), S. 12 f. (Höpken, Freitag, Eckert und Chr. Conrad), S. 14 das Graf-­Zitat „Generationswechsel“, s. a. S. 5 (Schieder betr. Wegfall der Platzzahlbegrenzung); betr. nächste Zuwahlen: PMV 25. 4. 2003 (PR 23), S. 7 ff. (Schildt), PMV 24. 10. 2003 (ebd.), S. 9 ff. (Steinmetz und Holzem), PMV 22. 10. 2004 (ebd.), S. 8 ff. (Beckert und Welskopp), s. a. schon PMV 23. 4. 2004 (ebd.), S. 9 ff.; betr. Wehlers (Selbst)bezeichnung „Dinosaurier“: Brief an Engelhardt, 26. 7. 2000 (PR 20, bei den Unterlagen zur Herbsttagung 2000), s. a. TP Okt. 2000 (ebd.), S. 69.

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Kohle (Jg. 1959)/Köln, Kunstgeschichte, Joachim Rückert (Jg. 1945)/Frankfurt a. M., Rechtswissenschaften und Ute Daniel (Jg. 1953)/Braunschweig, Neuere Geschichte; 2002 – 2004 – nach Inaktivierung von Dilcher, Wehler, Fischer und Zwahr – dann Rudolf Stichweh (Jg. 1951)/Bielefeld, Soziologie, Christof Dipper (Jg. 1943)/Darmstadt, Neuere und Neueste Geschichte, Friedrich ­Lenger (Jg. 1957)/Gießen, Neuere und ­Sozialgeschichte, Wolfgang Höpken (Jg. 1957)/Braunschweig, Ost- und Südosteuropäische Geschichte, Ulrike Freitag (Jg. 1962)/Berlin, Islamwissenschaft, ­Andreas Eckert (Jg. 1964)/Hamburg, Geschichte Afrikas, Christoph C ­ onrad (Jg. 1956)/Genf, Neuere Geschichte, Axel Schildt (Jg. 1951)/Hamburg, N ­ euere und Zeitgeschichte, Willibald Steinmetz (Jg. 1957)/Bielefeld, Neuere Geschichte und Historische Politikforschung, Andreas Holzem (Jg. 1961)/Tübingen, Kirchengeschichte, Jens Beckert (Jg. 1967)/Göttingen, Soziologie und Thomas Welskopp (Jg. 1961)/Berlin, Neuere und Sozialgeschichte. Bei diesen 23 Neumitgliedern in nur sieben Jahren betrug das Durchschnittsalter zum Eintrittszeitpunkt freilich etwas über 46 Jahre, ohne die mit 50 – 57 Jahren Zuwahlältesten (Dipper, Meuschel, Rückert, Schildt, Hildermeier und Höpken) immerhin auch noch 43½ Jahre, sank also im Vergleich zum letzten Durchschnittswert um nicht mehr als rund drei Jahre. Und die Relation Aktive zu Inaktiven fiel mit 31 zu 13 sogar recht merklich zurück hinter den letzten Befund (23 zu 6 im Jahr 1994). Immerhin aber stand der Vermehrung der „Dinosaurier“ (Wehler) ja nach Wegfall der inoffiziellen Obergrenze ein starker Anstieg der Aktivenzahl gegenüber, deren Frauenanteil sich nun auch erhöhte (um Meuschel, Daniel und Freitag), mit insgesamt vier von 31 Mitgliedern indessen auf noch nicht mehr als knapp 8 % belief. Zudem stellten die Historiker mit gut 70 % (22 zu 9) nach wie vor das Hauptkontingent der Mitgliedschaft. Doch nicht nur erfuhr die geschichtswissenschaftliche Fächerpalette eine deutliche Verbreiterung nicht allein um Kirchen­ geschichte, sondern auch um ost- bzw. südosteuropäische sowie ostasiatische und sogar afrikanische Geschichte – und dies bei gleichzeitiger Erweiterung des Disziplinenspektrums um Politik, Kunstgeschichte und Islamwissenschaft (neben den bereits vertretenen Disziplinen Rechtswissenschaft, Soziologie, Volkskunde und Theologie). Solche Erweiterung blieb nicht ohne Auswirkungen bis in die Titelpalette der Schriftenreihe, die ja von Conze bis zu seinem Tod 1986 nolens volens allein, seither von den beiden jeweils amtierenden Vorsitzenden gemeinsam herausgegeben wurde.486 Bei ihr hatte es in den beiden letzten Jahrzehnten verschiedentlich einiges 486 Zur IW zuletzt oben, Kap. 2.2. – Für Conzes Rollenverständnis als Herausgeber bes. aufschlussreich: KP 6, lf. S. 35 ff. (Briefe an Detlef Bald, 18.u. 22. 9. 1980). – Betr. Herausgeberschaft beider Vorsitzender, also zunächst Koselleck und Lepsius: PMV 23./24. 10. 1986 (PR 11), S. 12 (auf Wunsch von Koselleck), s. a. PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 3 f. (nunmehr

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Schieder und Graf ).Im Folgenden: Betr. Renommee der Reihe: u. a. KP 5a, lf. S. 209, Hans Günter Hockerts an Conze, 7. 8. 1977, ebenso KP 7, lf. S. 34, Jochen-­Christoph ­Kaiser an Conze, 17. 10. 1981 bzw. KP 8, lf. S. 220, Tenfelde an Conze, 7. 2. 1980. – Betr. Auswahlverfahren bzw. Voraussetzungen: u. a. PMV 28. 4. 1995 (PR 15), TOP 2b und PMV 25. 10. 2003 (PR 23), TOP 3). – Betr. laufende Titelübersicht: KP 2, lf. S. 605 f., Postkarte von Nürnberger an Stuke, 15. 10. 1973 und Stuke-­Antwort, 12. 11. 1973 (mit Befremden über ­„merkwürdiges Verlagsgebaren“); betr. Faltblattprospekte der Reihe: u. a. KP 7, lf. S. 107, Verlag an Conze, 18. 3. 1986, sowie KP 11, lf. S. 353, Engelhardt an Kerlen, 10. 6. 1988. – Betr. Aufmachung der Reihe: u. a. PMV 13. 10. 1973 (PR 5), TOP 4a; PMV 18./19. 10. 1974 (ebd.), TOP 3; PMV 31. 10. 1975 (ebd.), TOP 2 (daraus das Zit.). – Betr. unzureichende Werbung für die Reihe: u. a. KP 6, lf. S. 224 ff. u. KP 7, lf. S. 106 ff., Schriftwechsel z. B. im Fall von Elisabeth Domanski, März/Apr. 1983, bzw. KP 10, lf. S. 292 u. KP 11, lf. S. 353, Engelhardt an Winkert, 24. 4. 1986, bzw. an Kerlen, 10. 6. 1988 (wegen chronisch ungenügender Werbung). – Zum freilich vielschichtigen Dauerproblem Preisgestaltung: laufend, bes. auch wieder PMV 10. 4. 1992 (PR 13), TOP 4 (zumal Borchardts nüchterne Überlegungen) u. PMV 22. 10. 1993 (ebd.), TOP 1, speziell in Sachen Conze-­Festschrift von 1976: u. a. KP 19, lf. S. 89 f., die Stuke-­Rundschreiben, 8. 12. 1975 u. 6. 7. 1976, sowie KP 5a, lf. S. 259, Conze an Dieckmann, 5. 8. 1976. – Betr. Reflexion der Beziehungen AKMS-Verlag: aus der Fülle der Unterlagen u. a. KP 7, lf. S. 148, Schreiben von H. J. Esser, Redaktion Fachwissenschaft und Handbücher, an Conze u. Koselleck, 6. 8. 1982 (daraus das Zitat „Vertrauen“); KP 10, lf. S. 462, Wehler an Engelhardt, 27. 1. 1987; KP 12, lf. S. 520, Lepsius an E ­ ngelhardt, 3. 2. 1993; KP 13, lf. S. 261, Engelhardt an Schieder, 20. 4. 1993, s. a. KP 16, Briefwechsel Engelhardt/Koselleck 1996, bes. lf. S. 2. – Betr. sukzessive Gestaltveränderungen bzw. Einzelverbesserungen (Frage des Übergangs zu Typoskriptverfahren bzw. Einführung von Paperbacks, bebilderten Schutzumschläge usw.): u. a. PMV 17. 3. 1983 (PR 9), TOP 5; PMV 23./24. 10. 1986 (PR 11), TOP 4; PMV 28. 4. 1989 (PR 12), TOP 4; PMV 22. 10. 1993 (PR 13), TOP 3. – Betr. die unternehmerische Entscheidung zur Auflösung der Wissenschaftsredaktion von Klett-­Cotta sowie nachfolgende Revisionen u. deren Konsequenzen: aus der ebenfalls erheblichen Fülle der Unterlagen außer dem einschlägigen Briefwechsel AKMSVerlag u. a. KP 6, lf. S. 20 f., Conze an Bade, 28. 6. 1982; PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), TOP 2 (notfalls Verlagswechsel unvermeidlich); KP 19, lf. S. 54, Conze-­Rundschreiben, 6. 12. 1982 (Krisensitzung mit Verlagsvertretern); PMV 17. 3. 1983 (PR 9), TOP 5 (Verlag legt Wert auf Beibehaltung der auch kommerziell noch interessanten Reihe); ferner KP 13, lf. S. 281 f., Engelhardt an Schieder und Lepsius, 14. 12. 1995. – Betr. Selbstkritik im AKMS wegen eigener Verhaltensmängel: u. a. PMV 21. 10. 1986 (PR 12), TOP 3 (besonders Kocka); s. a. KP 11, lf. S. 201 f., Kocka an Koselleck und Lepsius, 2. 11. 1988; PMV 28. 4. 1989 (ebd.), TOP 5 (wiederholt Beeinträchtigung der Planungsmöglichkeiten, Beschluss zur Zentralisierung der Reihenangelegenheiten beim Geschäftsführer) sowie PMV 27. 4. 1990 (PR 13), TOP 2. Zum zeitweiligen Mangel an Manuskriptangeboten: u. a. PMV 25. 4. 1997(PR 17), TOP 2b (danach auch die Wehler-­Formulierung); PMV 24. 4. 1998 (PR 18), TOP 2 bzw. PMV 23. 10. 1998 (ebd.), TOP 2 (mit den angeführten Äußerungen von Tenfelde, Schieder und Kocka sowie Raphael), zu der zitierten Schieder-­Mahnung dann auch PMV 23. 4. 2004 (PR 23), TOP 3. – Zu den Krit. Studien […], der nach und nach „größten deutschen

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Auf und Ab gegeben. So waren ziemlich bald schon nach der gelungenen Startphase die Erwartungen an den Verlag allmählich gestiegen. Das äußerte sich nicht mehr nur in zweckmäßigen Einzelanregungen wie dem als eigentlich selbstverständlich weitergereichten und von Klett dann auch aufgenommenen Vorschlag (Nürnberger, 1973) zu einer laufend aktualisierten Übersicht über alle bisherigen Veröffentlichungen am Ende jedes Bandes (erst ­später ergänzt um faltblattartige Sonderprospekte). Vielmehr wurde in den Mitgliederversammlungen zunehmend über das – so beispielsweise 1975 – noch „wenig ansprechende Äußere“ geklagt und insbesondere nach leserfreundlicherem Druck der Anmerkungen bzw. ­Verzicht historischen Reihe“, u. a. die stolze Bilanz bei Wehler, Kampfsituation, S. 96 (s. a. S. 91 die Angabe zum Gründungsmotiv). – Betr. Absatzzahlen: bes. KP 9 (unter Conze), Verlag an Conze, Honorarabrechnung 1.1. – 31. 12. 1982 (mit Verkaufszahlen); KP 11, lf. S. 354 f., Verlagsangaben vom 29. 9. 1986 zu den Absatzzahlen jeweils seit Erscheinungstermin; PR 13 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1991), Verlag an Engelhardt, 21. 3. 1981, aktuelle Abgangszahlen einschließlich der „gerade bei dieser Reihe zahlreichen Frei- und Rezensionsexemplare“ (gäben „nicht nur zur Freude Anlass“). – Betr. Beispiele für relativ gut bis sehr gut abgesetzte Bände: u. a. PMV 4. 4. 1986 (PR 11), TOP 4 (die Tagungsbände 28, 33 und 37) u. PMV 25. 4. 1997 (PR 17), TOP 1b; PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), TOP 1a (außerhalb der Reihe erschienener DDR -Band); PMV 22. 10. 1993 (PR 13), TOP 1 (Monografien 7 und 43, Bilanz laut Verlag sonst aber fast durchgängig defizitär). – Betr. Verlagstendenz zu engerer Kontingentierung und daraus erwachsene Interessenkollision: u. a. PMV 21. 10. 1988 (PR 12), TOP 3; PMV 28. 4. 1989 (ebd.), TOP 4; betr. Verlagsdrohung mit vorläufiger Einstellung der Produktionsplanung: u. a. PMV 20./21. 10. 1989 (PR 12), TOP 5 und PMV 23. 4. 1993 (PR 13), TOP 3;− betr. zunehmende Verschlechterung der Kosten-/Gewinnrelation: bes. PMV 22. 10. 1993 (PR 13), TOP 1, dort auch selbstkritische Beobachtung eines gewissen Attraktivitätsschwunds der Reihe (so besonders Tenfelde) sowie zur Frage der Freiexemplare, dazu auch schon KP 10, lf. S. 304, Aktenvermerke vom 25.u.28. 10. 1985 über Gespräche von Engelhardt mit Winkert/Klett-­Cotta bzw. Conze (Kaschuba-­Zitat: KP 14, lf. S. 601 f., Brief an Engelhardt, 6. 2. 1991). − Betr. Neufassung des vom Dez. 1961 datierenden Reihenvertrags mit Klett-­Cotta, nun einschließl. Klausel bezüglich Druckkostenzuschüsse: u. a. PMV 23.4. 1993 (PR 13), TOP 3; PMV 22. 10. 1993 (ebd.), TOP 1; PMV 22. 4. 1994 (PR 14), TOP 1a (anstehende Neufassung aus Sicht beider Seiten, dabei Verlagsinteresse zwar keineswegs bloß an absatzträchtigen Titeln, aber doch an mehr auch kommerziell attraktiven Bänden); PMV 28./29. 10. 1994 (ebd.), TOP 1a (in Kürze wohl unterschriftsreif ); PMV 28. 4. 1995 (PR 15), TOP 2a (Vertragsentwurf erneut revidiert); PMV 19. 10. 1995 (ebd.), TOP 2a; PMV 25. 4. 1997 (PR 17), TOP 2a (neuer Vertrag inzwischen unterschrieben, Kurzbericht von Schieder über die Modalitäten); PMV 23. 4. 1999 (PR 19), TOP 2 (Verhältnis zum Verlag wieder stark zugespitzt); PMV 29. 10. 1999 (ebd.), TOP 2a (Schieder: „[…] friedlich-­schiedliche“ Trennung von Klett-­ Cotta). – Zum. Übergang zu Böhlau: außer der betr. Spezialkorrespondenz (einschließl. Alternativmöglichkeiten) u. a. PMV 14.4. 2000 (PR 20), TOP 2a; PMV 27. 10. 2000 (ebd.), TOP 2 (erfolgreicher Wechsel, neues Layout); im Übrigen Kap. 4.7.

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auf den von Klett aus Kostengründen vorübergehend eingeführten „Composersatz (Flatterrand)“ verlangt. Obwohl sich dergleichen oder bald auch weitere Kalkulationserwägungen wie der zunächst ausgesetzte, dann doch realisierte Verlagsgedanke an Wechsel vom Blei- zum Computersatz und an Einführung sog. Coverbilder meist einvernehmlich regeln ließen, verschlechterte sich das Verhältnis zu Klett zusehends. Bereits Mitte der Siebziger mehrten sich die Spannungen wegen langer Herstellungszeiten bzw. Verzögerungen bei den Erscheinungsterminen und allemal wegen prohibitiver Ladenpreise samt unzureichenden Werbemaßnahmen. Entsprechende – nach und nach fast permanente – Beanstandungen brauchte es schon ziemlich früh selbst für eine Art Prestigeobjekt wie die erste, als Sonder­band publizierte Conze-­Festschrift (1976). Deren wenig entgegenkommende Handhabung durch den Verlag ließ sogar den Jubilar aus seiner betonten Zurückhaltung heraustreten und bewog ihn vor allem zu dem ohrfeigenartigen Hinweis auf die ungleich günstigere Preisgestaltung von Vandenhoeck & Ruprecht bei der Rosenberg-­Festschrift. So war denn selbst bei sukzessiven Verbesserungen wie Einführung auch von Paperbackausgaben einerseits bzw. bebilderten Schutzumschlägen andererseits die in einem Verlagsschreiben beispielsweise 1982 explizit beschworene, „von gegenseitigem Vertrauen geprägte Zusammenarbeit“ besonders seit den frühen Achtzigern immer häufiger Wunschvorstellung statt Realität. Je länger, desto nachdrücklicher drängte sich dem Arbeitskreis daher intern die Überlegung eines Verlagswechsels auf. Sie folgte nicht nur aus anhaltenden Einzelproblemen wie dem nach und nach dann doch vorgebrachten Zuschussbegehren. Vielmehr resultierte sie zumal aus der Auflösung der auch für die Indus­trielle Welt zuständigen Verlagsabteilung und damit verbundenen Einschränkungen bzw. Behinderungen für die Reihe seit dem personellen Umbau der Verlagsspitze. Dass Klett dabei die „hoch angesehene“ (Hockerts, 1977) und im Schnitt auch kommerziell vorerst noch zufriedenstellende Reihe im Unterschied zu anderen wissenschaftlichen Reihen ausdrücklich beibehalten wollte, entspannte die Lage aber nur vorübergehend. Somit umfasste die in zeitraubend eingehender Abwägung des Für und Wider entstandene „Koalition für einen Verlagswechsel“ ­(Wehler, 1987) schließlich so gut wie sämtliche Mitglieder des Kreises. Obendrein noch intensiviert durch „dauernde Ärgernisse“ (Lepsius, 1993) auch z­ wischen Klett und Koselleck als verbliebenem Alleinherausgeber des Begriffslexikons, herrschte nachgerade eine „notorisch dicke Luft ­zwischen Verlag und Arbeitskreis“ (Engelhardt, 1993). Wohl ging das nicht ausschließlich sozusagen auf das Verlagskonto, wie man im Kreis angesichts eigener Unzulänglichkeiten, ja Versäumnisse bis hin zu erheblicher Überziehung von Ablieferterminen einräumte und daraus nicht zuletzt die Konsequenz zog, zwecks künftiger Vermeidung bisheriger Mehr- bis Vielstimmigkeit die verschiedenen Gesprächsfäden zu Klett möglichst beim Geschäftsführer zu bündeln. Überdies verschloss man weder untereinander noch gegenüber

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Klett die Augen davor, dass die Industrielle Welt trotz ihres auch durch ein recht ­anspruchsvolles Auswahlverfahren begründeten Rufs als „eine der maßgeblichen historischen Reihen“ (Tenfelde, 1980) zeitweise einen gewissen Attraktivitätsschwund erlitt, d. h. nicht mehr stets maßgebend für den jeweiligen Diskurs und unbedingt repräsentativ für den Forschungsstand war. Zudem kam es phasenweise wiederholt zu ‚Durststrecken‘ beim Angebot an geeigneten Manuskripten (was etwa Wehler im Frühjahr 1997 leicht überspitzt von einer derzeit offenbar „großen [Nachschub-]Dürre“ sprechen ließ). Das lag vielleicht auch an der nachgerade hinreichenden Zahl an Schriftenreihen (wie Tenfelde 1998 annahm) oder war ein Indiz dafür, dass inzwischen „möglichweise etwas weniger sozialgeschichtliche Arbeiten geschrieben werden“ (wie Schieder gleichzeitig vermutete). Intern jedenfalls verstärkte es nicht nur Appelle zu „einigermaßen regelmäßiger“ Publikationstätigkeit im Interesse der notwendigen Selbstdarstellung, also zu kontinuierlicherer Bestückung der Reihe, um „mit dieser Industriellen Welt wieder [häufiger] in die Welt zu kommen“ (so z. B. Kocka 1998). Ja, es bewirkte gelegentlich die nicht nur scherzhafte Mahnung an die Mitglieder, herausragende Dissertationen usw., mithin „unsere guten Arbeiten nicht an alle konkurrierenden Reihen [statt an unsere eigene] zu vergeben“ (so Schieder 1998, wobei er besonders die Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft im Auge hatte …). So oder so, abgesehen von einigen Ausnahmen tendierte der bei hochspezialisierten Büchern ohnehin ja meist nicht lukrative Absatz mehr und mehr zur Stagnation im oder nicht viel über dem Rahmen von Bibliotheksauflagen (damals mindestens 300 Exemplare). Nicht zuletzt von daher wuchsen die Differenzen mit dem Verlag, der gewiss eine zunehmende Verschlechterung seiner Kosten-/Gewinnrelation geltend machen konnte, dafür zusätzlich aber allen E ­ rnstes auch Faktoren wie die schon seit einer Weile beargwöhnte Quote regelmäßiger Freiexemplare für Mitglieder (Kaschuba 1991: „[…] quasi als Amtsbonus“) verantwortlich machte. Besonders inakzeptabel waren dessen Anläufe zu immer rigiderer Umfangsbegrenzung bzw. Kontingentierung bei Neuerscheinungen (im Regelfall eigentlich zwei pro Jahr) sowie das Verlangen nach Mitentscheidung von Lektoren bei der Aufnahme neuer Titel – und zwischendurch sogar fast ultimative Drohungen mit vorläufiger Einstellung der Produktionsplanung für die Reihe (1989 und 1993). Die nur begrenzte Haltbarkeit, schließlich das Scheitern zahlreicher Ausgleichsbemühungen, darunter eine verlagskonformere Neufassung des Reihenvertrags (1997) mit Verzicht des Arbeitskreises auf die Zuschusslosigkeit als bisherigem Hauptvorzug der langen Kooperation mit Klett-­Cotta, ließ nach fortgesetztem Abwägen am Ende dann doch nur einen Ausweg: sich „friedlich-­schiedlich“ (so Schieder, 1999) zu trennen und unter Bewahrung der gut eingeführten Reihenbezeichnung zu Böhlau als der geeignetsten von mehreren möglichen Verlagsalternativen überzugehen (ab Bd. 60, 2000 ff.).

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Mithin wurde der Verlagswechsel also mit Erfolg vollzogen und die Reihe dadurch als vornehmlich für die „Platzierung von Qualifikationsarbeiten“, ergo gerade für wissenschaftlichen Nachwuchs „vorteilhafter Publikationsort“ (Raphael, 1998) gesichert. Währenddessen war die vorhin angesprochene personelle Veränderung um diese Zeit teilweise ja noch erst im Gange und numerisch nicht sonderlich spektakulär. Gleichwohl gehörte sie zu den wirksamsten Stimulanzien bei der schon angedeuteten Umorientierung seit dem Frühjahr 2000.

4.6 Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert (II) – Wandel und Abschluss des Projekts bei Neubestimmung von Sozialgeschichte (2000 ff.) Unter dem akut zweifachen Druck interner Erosion des Grundkonsenses über Sozialgeschichte und externer Infragestellung der materiellen Existenzbasis des Kreises kam es nun also zu einer Art Richtungsdebatte über den künftigen Weg.487 Mit Bezug generell auf die veränderten Rahmenbedingungen und speziell auf den zurückliegenden Abschluss des Großunternehmens Geschichtliche Grundbegriffe wie auch die inzwischen begonnene „Verwandlung des alten Arbeitskreises in einen neuen, lebendigeren“ (Rückert) ging es sogar sehr grundsätzlich zur Sache: Die Rede war förmlich von einer Verpflichtung des Kreises, anders als in letzter Zeit „wieder ein gemeinsames Arbeitsprogramm zu entwickeln, über das wir uns definieren und über das wir in der scientific community auch unsere corporate identity definieren“ (Graf ). Dabei erinnerte man sich zwangsläufig an das unabgeschlossene (freilich keineswegs bloß, wie es jetzt hieß, wegen vorübergehender Entspannung bei der Tagungsfinanzierung), Vorhaben Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert und überlegte, ob man es jetzt trotz seinerzeitiger Schwierigkeiten wieder aufnehmen könne (Schieder). Zu solchem Hinweis auf eine möglicherweise problemgemäße Lösung kam ein gezielt auf die Fachentwicklung bezogener Gesichtspunkt. Gerade im Hinblick auf die außerhalb des Kreises – auch bei der Frage seiner weiteren Förderungswürdigkeit – zunehmend verbreitete Vorstellung längst erreichter Existenzsicherung der Sozialhistorie sei die eigene Aufgabe nicht in bloßer „Begleitmusik“ zu etwas Etabliertem zu sehen, sondern mit dezidierter Zukunftsorientierung zu 487 Zum Folgenden: PMV 12. 10. 2001 (PR 21), S. 7 f. (Zitat „Verwandlung“); betr. Richtungsdebatte bes. PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 8 ff.; zitierte Äußerungen in der Reihenfolge: 9 f. (Graf, Schieder), 11 f. (Rückert, Daniel, Mommsen, Schieder, Langewiesche), 13 f. (Raphael, Schieder, Weisbrod, Daniel), 15 (Rückert), 18 (Raphael), 20 (Merkel, Schieder) bzw. 19 (Osterhammel). – Zur Differenz der Leitvorstellungen von Sozialgeschichte vgl. schon Kap. 4.2; zur materiellen Existenzkrise unten Näheres.

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bestimmen: Von daher biete eine Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert mit der schon satzungsgemäß vorgesehenen Betonung auf Europa eine „interessante Perspektive, die dann auch das Projekt Sozialgeschichte doch auf eine sachliche Ebene bringen würde, die noch nicht etabliert ist“ (Rückert). Was dazu als nächstes Teilthema vorgeschlagen wurde, nämlich Medien- und Kommunikationsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert im europäischen Kontext, enthielt als vielfältiger und stark interdisziplinärer Gegenstandsbereich gewiss die Chance, Sozial- und Kulturgeschichte methodisch „völlig problemlos zu verzahnen“ (Daniel). Es bedeutete allerdings eine mehr als beiläufige Akzentverschiebung in der bislang bevorzugten Auffassung von Sozialhistorie. Das betraf weniger den Betrachtungshorizont, also die bereits eingeleitete Verstärkung transnationaler Sichtweisen. Denn dem „alten Kern“ des Arbeitskreises anzukreiden, er habe sich der Absicht zur Beschäftigung auch mit nichtdeutschen Th ­ emen entzogen; überhaupt eine Überwindung der „nationalen Nabelschau“ nach wie vor für das „größte Desiderat“ in der deutschen Geschichtswissenschaft zu halten, dessen Einlösung auch die sog. Bielefelder Schule bei allen ihren Verdiensten nicht wirklich geschafft habe (so Mommsen) – ­dieses Verdikt war nicht erst angesichts der mittlerweile dazugestoßenen Neumitglieder obsolet geworden und in der Tat „sozusagen Nachtrauer“ (Schieder). Voll ins Zentrum traf auch kaum die selbstkritische Mahnung zur Abkehr von mehr oder minder habituellen Verfahrensweisen des „alten Arbeitskreises“, so besonders von der Gewohnheit, große ­Themen zwar selbst auszudenken, danach jedoch zunehmend durch andere behandeln zu lassen (Langewiesche). Denn dass es mit der vor Jahren begonnenen Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert bis dahin nicht geklappt habe, lag schließlich nicht so sehr an ­diesem Manko noch an weitgehender Nichteinbeziehung ausländischer Kenner (wie Weisbrod und Graf rügten), sondern primär eben an der ja seit Jahresfrist deutlicher zutage tretenden Differenz der Leitvorstellungen über Schwerpunkte und Horizont von Sozialhistorie. Dass national zentrierte Geschichtsschreibung konzeptionell gar nicht fähig sei, so etwas wie „das nicht national verfasste Europa sozialgeschichtlich zu analysieren“ (Raphael), musste gewiss niemandem erst klargemacht werden. Wohl aber hing ein allseits befürworteter Neuansatz nach dem „Scheitern“ des bisherigen Europa-­ Projekts vor allem für jüngere Mitglieder entscheidend ab von einer „Revision“ jener Sozialgeschichtstradition, die, wie es bemerkenswerterweise hieß, inzwischen mit dem Kennwort Bielefeld belegt, aber in einigen Spielarten viel weiter verbreitet sei: Kurzum müsse man also die Komponenten „neu aufmischen“, womit beispielsweise die beim Themenkomplex Medien und Kommunikation mitgedachten Sachbereiche „automatisch“ dazugehörten (Raphael). Und worauf das hinauslief, zeigte sich deutlich bei der Reaktion auf die Erinnerung, dass beides in der ursprünglichen Projektskizze zumindest ansatzweise ja durchaus schon enthalten gewesen sei, mithin gewissermaßen gut als Einstieg in eine Sozialgeschichte „umfassenderer Art“

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genommen werden könne (Schieder). Darin eine „gemeinsame Schnittmenge“ zu sehen, war nämlich nur der Auftakt zu einer dezidierten Justierung auf „die [!] neue Dimension von Sozialgeschichte“ mit zumindest gleichrangiger Berücksichtigung der „kulturellen Mediatoren der Politik oder der sozialen Bilder“ im 20. Jahrhundert – also nicht mehr „nur [!] nach Gruppen, Schichten, Klassen […] organisiert, sondern nach Vorstellung, Vermittlung und Kultur“ (Weisbrod, ähnlich Daniel). Dass es sich dabei letztlich um einen „ziemlich fundamental anderen Aspekt“ handelte, folglich die Bezeichnung Sozialgeschichte im früher eingeführten Verständnis „dann nicht mehr angebracht“ sei, dürfte manchem durch den Kopf gegangen sei, sprach indessen niemand so unumwunden aus wie Rückert: Nunmehr von Vorstellungen, Vermittlungen und Kulturen zu handeln statt von Gruppen, Schichten und Klassen, bedürfe gewiss noch einer schärferen Fassung, verweise aber auf eine „neue Zentralvorstellung“. Obwohl jedenfalls er selbst dafür noch keinen gleichsam klassischen Begriff habe, finde er’s – so seine leicht augenzwinkernde Pointe – „gar nicht schlecht, wenn gewissermaßen der Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte eine neue Sozialgeschichte entdeckt, die er dann anders nennt“. Dies wiederum gab den Anstoß zu diversen Benennungs- und Gestaltungsüberlegungen, darunter der Vorschlag zur Projektbezeichnung Europa als Prozess. Soziale Figuration und mediale Kommunikation im 20. Jahrhundert (Weisbrod). Dergleichen bot zwar weder bloß „sprachliche Hohlraumversiegelung“ bzw. „DFG-antragsmäßige Lyrik“ (wie Raphael bissig zuspitzend sagte) noch war es durchgängig wieder nur „sehr ad hoc und journalistisch-­inkonklusiv“ gehalten (wie Merkel unwirsch meinte). Doch dominierte der Blick auf eventuelle Förderungsmittel zu stark, als dass es ein gründliches „brainstorming“ (Weisbrod) hätte ersetzen oder gar die aufgeworfene Grundfrage nach begrifflicher und inhaltlicher Neubestimmung von Sozialgeschichte schon hätte lösen können. Insofern beschränkte sich der Konsens alles in allem auf Zustimmung zum bewusst flexibel formulierten Verlangen nach einer „systematischen Erweiterung und Schwerpunktverlagerung von der Stratifikationsgeschichte, die es [freilich] weiterhin geben muss, auf andere Dinge“ (Osterhammel). Für das Europa-­Projekt hieß das eine im Einzelnen möglichst schnell noch zu präzisierende Fortführung mit besagter Ausweitung „von der Stratifikationssozialgeschichte zur Kommunikationssozialgeschichte“ (so Schieders Vermittlungsformel). Diese Veränderung setzte gleichzeitig auch praktisch schon ein, als mit der Frühjahrstagung 2000 vor dem Hintergrund des sog. pictorial turn eine entsprechende Teilthematik ins Auge gefasst wurde: Macht der Bilder und visuelle Kommunikation.488 In solcher Unmittelbarkeit markierte das für den Arbeitskreis in der Tat 488 S. Übersicht im Anhang, Nr. 78. – Zum Vorlauf schon PMV 23. 10. 1998 (PR 18), S. 17 (Schieder) u. 28 ff. (erste Konzeptüberlegungen von Tanner u. Diskussion darüber); PMV 23. 4. 1999 (PR 19), S. 20 (zur weiteren Planung); PMV 29. 10. 1999 (ebd.), S. 12 ff. ­(Diskussion

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thematisches Neuland und eine erklärte Hinwendung auch zu Kulturgeschichtlichem, wenngleich auf sozialhistorischer Grundlage (so bereits die prospektive Einschätzung durch Schieder, dann auch Weisbrod). Wie ungewöhnlich der nun durchgeführte Probelauf mit dem Fokus Die Historisierung des Sehens und die Visualisierung der Geschichte war, zeigten nicht erst die einzelnen, vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert reichenden Referate über sozialgeschichtliche Aspekte von Kommunikationsphänomenen wie beispielsweise Bilderverehrung oder Körper-­ Bilder oder digitalgestützte Global Art, sondern auch und vor allem schon Tanners theoretisch fundierende Eingangsbetrachtungen über Hermeneutik, Semiotik und die historische Interpretation von Bildern.489 Trotz teils erheblicher Ermessensunterschiede in Einzelfragen festigte sich bei dieser Annäherung an Kommunikationsprozesse die nicht erst jetzt gehegte Absicht, den Komplex Medien und Kommunikation in sozialhistorischer Perspektive zu einem der Angelbereiche zu machen. Mommsens Eindruck, dass der Kreis seit langem nicht mehr so einig gewesen sei, beruhte zudem auf dem Beschluss, vor weiterer Ausführung das auf neue Weise fortzusetzende Rahmenthema Sozialgeschichte Europas erst noch einer „konkreten Konzeptarbeit“ (Merkel) zu unterziehen. Dass ­diesem Zweck die gesamte, rein intern gehaltene Folgetagung im Herbst 2000 dienen sollte, kam bereits im Untertitel Zwischenbilanz und weitere Projektkonzeption zum Ausdruck, erst recht in der Vorlage einer neuen, von Osterhammel und Raphael verfassten „Argumentationsskizze“ namens Themenfelder und Herangehensweisen für eine ‚Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert‘.490 Zur Anknüpfung an über Tanners Konzeptvorlage Macht der Bilder und visuelle Kommunikation, Text bei den Tagungspapieren), s. a. S. 16 (Raphael); außerdem JBR 1999 vom 17. 9. 1999, S. 2 f. (KP 22a, lf. S. 20 f.). 489 Dazu die vorläufige schriftl. Fassung vom Juni 2000 (PR 20, bei den Tagungspapieren) sowie TP Apr. 2000 (ebd.), S. 2 ff. (Diskussion darüber), zudem PMV 14. 4. 2000 (ebd.), S. 11 ff. u. 20 f. (dort auch der nachfolgend erwähnte Eindruck von Mommsen u. die Merkel-­Formulierung); ferner JBR 2000 vom 15. 10. 2000 (KP 22a), S. 1 f. (lf. S. 14 f.). – Zur Frage einer Fortsetzung der ursprüngl. dreiteilig angelegten ‚Tanner-­Tagung‘: PMV 27. 10. 2000 (PR 20), S. 13 ff. u. PMV 27. 4. 2001 (PR 21), S. 9 (Fortsetzungs-, mithin auch Publikationsfrage noch offen). 490 Zum Folgenden die Projektskizze von Osterhammel/Raphael (s. a. Raphael-­Fax an ­Engelhardt,15. 9. 2000) und die Texte von Wehler, Tenfelde, Graf und Tanner bzw. die schriftlichen Vorlagen von Meuschel und Zwahr (beide 5. 10. 2000), Kaschuba (20. 10. 2000) und Fischer (23. 10. 2000) bei den Tagungspapieren (PR 20) sowie TP Okt. 2000 (ebd.): S. 2 ff. (Schieders Einleitung), 6 ff. (Diskussion über die Beiträge Wehler bzw. Tenfelde, dabei bes. 8 f. bzw. 13 f. die völlig unterschiedliche Vorstellung der beiden vom Selbstverständnis des „alten Conze’schen Arbeitskreises“), 15 ff. (über Hildermeier), 25 ff. (über Graf ), 32 ff. (über Osterhammel/Raphael). – Seitennachweise zu den im Folgenden angeführten bzw. zitierten Äußerungen hier nur soweit bzgl. Prot.: S. 7 – 15 Tanner bzw. Daniel bzw.

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Vorangegangenes begann man mit Schieders geraffter Rekapitulation des ursprünglich ja um Ordnung/Krise zentrierten, wesentlich auf Lepsius zurückgehenden Konzepts mit seinen theoretisch-­kategorialen Vorannahmen und prozeduralen Konsequenzen einschließlich Operationalisierungsfragen. Dem folgte Wehlers d­ ezidierte, wenngleich leicht modifizierende „Verteidigung“ des Strukturierungsschemas von Lepsius, ohne etwa der inzwischen so stark hervorgehobenen Dimension „kulturelle Weltbilder“ ausweichen zu wollen. Tenfelde hingegen problematisierte noch einmal das in seinen Augen zu sehr „vom Politischen her gedachte“ und „zu ubiquitäre“ Begriffspaar Ordnung/Krise. Auch sah er – bei bewusster Inkaufnahme des Vorwurfs einer „gewissen Konventionalität“ – Grund zu der Beanstandung, dass „das Soziale“ nicht erst jetzt nahezu ganz aus dem Blick geraten bzw. kaum noch anders präsent sei als unter dem Aspekt „imaginiert, vorausbedacht entlang von Leitbildern und darin handlungsleitend“: Von dem, was zuvor „wohl die Leitbegriffe“ des Arbeitskreises abgegeben habe, nämlich Struktur, Prozess und Ereignis, sei „allenfalls das Prozessuale noch als ein Diskutierbares“ geblieben, während einst für zentral erachtete Wirklichkeitsbereiche/soziale Gebilde wie Bevölkerung, Familie, Betriebe bzw. Unternehmen, Städte oder auch Institutionen wie die Arbeiterbewegung thematisch kaum noch eine Rolle spielten. Bei der Erörterung dieser Stellungnahmen aus der „alten [Arbeitskreis-]Runde“ (Wehler) ging es dann hauptsächlich wieder um Angemessenheit und Reichweite des früheren Rasters. Mit seinem gezielten Bemühen um hypothesengeleitete Komplexitätsreduktion mutete es allein schon in seinen Perspektiven für manche als bedenklich defizitär an, etwa hinsichtlich der exorbitanten Verwissenschaftlichung und der Revolutionierung sämtlicher Kommunikationsgrundlagen im 20. Jahrhundert (Tanner). Vor allem erschien es als reichlich abstrakt und als Ausdruck einer höchst einseitigen „SSP-Version von Sozialgeschichte, sprich: Systeme, Strukturen, Prozesse“ (Daniel), zudem mit seinem angeblich „hoch mechanistischen“ Ordnungsbegriff (Weisbrod) gleich dem Begriff der sozialen Gebilde als maßgeblich bestimmt von der für fragwürdig bis irrig erklärten Annahme, das 20. Jahrhundert sei eher durch Konsistenz statt Kontingenz geprägt. Erneut zeigte sich hier ein Kardinaldilemma des Kreises, denn es ging an den Nerv der Sache, was Rückert gegen derartige Einwände geltend machte: dass sie insofern nur ein „Scheinproblem“ ansprächen, als sie die angezweifelten oder gar verworfenen Kategorien bzw. Annahmen gar nicht träfen, sondern lediglich die Frage ihrer Verwendung. Da nach seinem Ermessen Weisbrod bzw. Rückert (dazu 22 Meuschel und 24 nochmal Rückert) bzw. Wehler, ferner S. 32 ff Weisbrod (s. a. 65 f.) bzw. 41 f. Daniel bzw. 34 ff. Wehler bzw. 38 Tanner bzw. 55 ff. Tanner, Daniel bzw. 60 f. Tenfelde, Daniel bzw. 65 Weisbrod (s. a. 67) bzw. 54 Meuschel bzw. 64 Daniel bzw. 63 Osterhammel; außerdem: Schieder-­Rundbrief vom 10. 11. 2000 (ebenfalls bei den Tagungsunterlagen), ferner JBR vom 15. 10. 2000 (s. o.).

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aber keineswegs irgendwelche Sichtweisen und Problem­stellungen a priori abgeschnitten würden, liege das Zentrale „nicht so sehr im Kategoriengerüst“ als darin, ob der Kreis sich „halbwegs plausibel und tragfähig und durchhaltbar auf gewisse Erkenntnisinteressen verständigen“ könne; d. h. ob er mit seiner gewachsenen Interessendiversität zurechtkomme oder nicht. Damit war die in Variationen auch ehedem immer wieder aufgekommene Grundfrage nach hinreichender Interessengemeinsamkeit klar benannt. Dazu hatte Wehler sogar den Eindruck einer zumindest momentan tiefen Kluft z­ wischen den Vorstellungen im Projektzuschnitt von Osterhammel/Raphael einerseits und den Interessen, „wie sie früher Lepsius, Kocka vertreten haben, jetzt Tenfelde und ich“. Diese personalisierte Kennzeichnung offenbarte zwar eine bemerkenswerte Harmonisierung einstiger Unterschiede, fand aber für die aktuelle Situation durchaus Anhaltspunkte in der neuen Planskizze (für Wehler übrigens ein „Feuerwerk von Überlegungen“, freilich ohne Ausführungschance außerhalb eines Großinstituts). Wenngleich Europa dort als „Arena“ von Integrations- wie von Internationalisierungs- und Globalisierungsprozessen mit entsprechenden, nicht zum wenigsten „ökonomisch-­politischen“ Handlungs- bzw. Untersuchungsfeldern gesehen wurde, galt es den Autoren zuvörderst doch als „ideengeschichtlich (wenn man will: diskursanalytisch) ‚dekonstruierbare‘ Identitätsfiktion“. Bereits darin schlug sich ein insgesamt merklich gewandeltes Verständnis von Sozialhistorie nieder: Gewiss sollten – um beim Grundlagenteil zu bleiben – neben den Strukturen die Bewegungen bzw. Transfers zum „Ausgangspunkt der Analyse europäischer Gesellschaften“ im 20. Jahrhundert gemacht werden. Mit Rücksicht auf die nunmehr als fundamental angesehenen „transnationalen sozialen Räume“ sollte aber jedenfalls die noch für die nationalstaatliche Gesellschaftsverfassung zentrale Kategorie Gesamtgesellschaft ersetzt werden durch „eher kulturgeschichtlich benutzbare Begriffe“ wie Zivilisation. Und was bislang geradezu „konstitutiv“ gewesen sei, der ausdrückliche Rekurs auf sozialwissenschaftliche Theorien und Begriffe, jedenfalls der Bezug auf Kernelemente einer bestimmten Sozialtheorie, sollte aufgegeben werden, da „kaum fruchtbar“ für eine „einheitsstiftende Fundierung“ der gemeinsamen Tätigkeit. Das hieß zwar nicht, die „formalisierten, auf höherer Abstraktions- und Aggregationsebene angesiedelten systematischen Theoriebezüge und Begriffe“ nicht mehr auf ihre Operationalisierbarkeit zu prüfen. Doch Priorität haben sollten nun „kleinteilig bewegliche Beschreibungsapparaturen, die das geschmeidig Beschriebene möglichst auch in kompatibler Form mit universal verwendbaren Großbegriffen“ wie sozialer Raum und dergleichen verbinden könnten. Als dieser Neuentwurf schließlich eigens zur Sprache kam, erwies sich vollends, wieviel Terrain sozusagen kulturalistisch pointierte Sichtweisen inzwischen gewonnen hatten. Wurde am bisherigen Konzept beanstandet, dass es Kultur bloß als „randständige, lediglich illustrative Garnierung des ‚harten‘ Prozesses“ ­erscheinen

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lasse und mit dieser Perspektive „schlichtweg veraltet“ sei (Kaschuba), ließ der Neuentwurf sich beispielsweise als Hinweis auf zweierlei lesen: dass Europa in erster Linie eben eine potenzielle Identitätsfiktion, d. h. ein aus „kulturellen Haushalten“ generiertes „Vorstellungsbild“, zugleich ein Prozess im Sinne einer interaktionsbasierten Zugehörigkeitszuschreibung sei; und dass ‚das Soziale‘ im Grunde nur noch als Rückkoppelung der sozialen Selbstbeobachtung definiert werden könne, Gesellschaft sich also nicht mehr durch Klassenbildung, Schichtung und Sozialisation bestimmen lasse (Weisbrod). Wem diese Position zu weit ging oder nicht ohne Weiteres einleuchtete, wurde fast spöttisch daran erinnert, dass der Arbeitskreis mit seinem Begriffslexikon ja selbst schon „die Ergänzung der Sozialgeschichte um die Dimension der Sprachlichkeit“ vorgenommen habe – weshalb es eine „ausgesprochen hübsche Arabeske“ der Wissenschaftsgeschichte sei, dass ausgerechnet in d ­ iesem Kreis eine Diskussion darüber entbrenne, ob zur Sozialgeschichte die „Dimension der sprachlichen Konstruktion der sozialen Örtlichkeit“ gehöre (Daniel). Andererseits etwa wurde nicht nur die Vorstellung von Europa substanziell als Identitätsfiktion einfach als „schick modern“ abqualifiziert, sondern dem neuen Papier u. a. auch eine geradezu „asketische Zurückhaltung“ bei der Auskunft über „kausal-­funktionale Konstellationen“ vorgeworfen und „von der Bestimmung des Arbeitskreises her“ am ehesten für Sozialstruktur als „klaren Fokus“ bzw. “eindeutigen Brennpunkt“ plädiert, zumal Mentalitätsaspekte dabei keineswegs ausgeschlossen würden (Wehler). Dies waren gewissermaßen die beiden Pole, z­ wischen denen eine reichhaltige und weitverzweigte Debatte verlief. Noch diffiziler wurde sie durch die Empfehlung, ­zwischen „Komplexitätsreduktion, Konzeptreduktion und pragmatischer Kondensation“ zu unterscheiden (Tanner). Überdies brachte sie auch ein fulminantes Plädoyer für eine „kulturanthropologische Erweiterung“ der Sozialhistorie (Tanner) und nicht zuletzt die konsequente Anregung, die europäische Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts „ernsthaft mal als Transfer- und Kommunikationsgeschichte“ aufzufassen (Daniel). Auch gab es, quasi vorgezeichnet und durchaus nicht erstmalig, einen Disput über hypothesengeleitetes Prozedere, wobei einerseits von einer erkenntnistheoretisch geradezu zwingenden Vorrangigkeit ausgegangen wurde (Tenfelde), andererseits nur von der Zweckmäßigkeitsüberlegung, in welchem Bearbeitungsstadium es am besten zu erfolgen habe (Daniel). Und intentional am weitesten ging schließlich die nicht für alle von vornherein überzeugende Zielsetzung, „über den klassischen sozialgeschichtlichen Parameter hinauszukommen“: Könne man doch die Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht mehr mit den Begriffen und Annahmen des neunzehnten behandeln, weil die wissenschaftliche Figur der Sozialhistorie selbst ein Teil des 19. Jahrhunderts, mithin der „Auseinanderlegung der Elemente in Soziales, Wirtschaft, Kultur und Politik“ sei ­(Weisbrod). Alles in allem also lief das „Schwungrad“ der

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­ rojektpräzisierung ­(Tanner) dann doch nur streckenweise auf zielführenden TouP ren, schien die angestrebte Klarstellung von Gegenstand und Leitfragen hier und da gar hinter dem älteren Projektentwurf mit seiner nun wieder umstrittenen Ausrichtung auf strukturell Charakteristisches am 20. Jahrhundert zurückzubleiben (Meuschel). Ein „neues, großes konzeptionelles Flaggschiff“ mit Eignung zu einem „neuen Profil“ für den Arbeitskreis (Daniel) bekam man auf diese Weise zwar nicht. Wohl aber war man sich einig, das frühere, „fast dichotomisch“ auf Ordnung/Krise zugespitzte Konzept so nicht weiterzuführen, doch festzuhalten an einem „problem-­orientierten Zugriff […], der sich an einem systematischen Kategorienraster orientiert“ (wie Schieder in einem resümierenden Rundbrief formulierte). Auch verständigte man sich auf die pragmatische Zwischenentscheidung, jetzt zunächst den für Strukturwandel im 20. Jahrhundert unverkennbar signifikanten Teilbereich Urbanisierung und Entagrarisierung anzugehen, einen Komplex mit dreifachem Vorzug: einen „ökonomischen Kern“ zu haben, „klassische Sozialgeschichte“ zu sein und zudem in vielerlei Hinsicht „kulturgeschichtlich erweiterbar“ (Osterhammel). Neben ­diesem „ersten Ansatzpunkt für die Ausformulierung eines künftigen Arbeitskonzepts“ (Schieder) wurden auch gleich vier weitere, ebenfalls schon früher ins Auge gefasste Teilthemen festgesetzt und mit Vorbereitungsgruppen versehen: Sozialstaat und soziale Sicherung, Sakralisierung von Politik, Gewalt und Krieg, Kommunikation und Medialisierung. Mit dieser, weiter justierungsbedürftigen Marschroute ging es seit Frühjahr 2001 an die Fortführung des „großen Vorhabens“ (Osterhammel).491 Dass sich damit nicht allein bei einem so aufmerksamen Altmitglied wie Borchardt auch erhebliche Bedenken verbanden, offenbart dessen ambivalente Reaktion im April 2001: So begrüßte er den thematischen Wiederaufbruch trotz einer gewissen inhalt­lichen Unschärfe als „wohl verheißungsvoll“ und zollte ihm seinen „Respekt“, fragte sich jedoch zugleich, ob der Kreis „immer weiter weg von seinem ursprünglichen Anliegen“ gerate. Solche Richtungsungewissheit quälte ihn nicht erst jetzt: Als er im Herbst 1999 aus Termingründen nicht an der Selbstreflexion über die Anfänge des Kreises hatte teilnehmen können, fand er das zwar bedauerlich, weil er „natürlich neugierig [sei], wie jüngere Kollegen, die in keiner Weise mehr ‚Mittäter‘ sind, auf ältere Kollegen zurückblicken, die mir noch vor Augen stehen“. Ob er aber auch bei Nichtverhinderung wirklich gekommen wäre, hatte er selbst bezweifelt, und zwar wegen seiner Betrübnis darüber, dass in seinen Augen der Kreis sich „so deutlich aus der Sozialgeschichte zurückzieht – in einer Zeit, in der man ohnehin 491 Zum Folgenden: PMV 27. 4. 2001 (PR 21), S.  11 ff. (16 Osterhammel, 12 Tanner, 22 ­Mommsen) bzw. Raphaels EM-Rundbrief vom 14. 6. 2002 (KP 15, lf. S. 257 f.), Punkt 4; Borchardts Einschätzungen: Faxe an Engelhardt, 4. 4. 2001 bzw. 23. 9. 1999 (KP 14, lf. S. 22 bzw. 27), vgl. schon Kap. 4.4.

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nur noch Nachgesänge hört. Gibt es eigentlich“, so sein resignativer Zusatz, „noch bekennende Sozialhistoriker im Arbeitskreis?“ So standpunktabhängig ­solche Skepsis auch sein mochte, bei anhaltender Ein­sicht auch in die Notwendigkeit künftiger Ergänzung der „europäischen Binnenperspektive“ (Tanner) pendelten die Überlegungen der Mitglieder jedenfalls immer wieder ­zwischen Ein- und Ausschluss bestimmter Dimensionen (etwa der Geschlechtergeschichte) bzw. Betrachtungsfelder (z. B. Geschichte der Arbeitswelt). Doch selbst wenn nach Einschätzung des einen oder anderen nach wie vor ein gewisser „Hang zu deduktiver Systematik“ bis hin zu „vollkommener Unlösbarkeit der Probleme“ (Mommsen) bestand: An der grundsätzlich beschlossenen Vermeidung alles bloß kaleidoskopartig Additiven zugunsten fortdauernder Beschränkung auf ausgewählte, möglichst integrativ aufeinander zu beziehende Themenblöcke hielt man fest. Was sich so als Fazit ergab, beschrieb Raphael wie folgt: „Nachdem das Bereichs- und ‚Ordnungs‘modell des ersten Entwurfs von 1996 auf Widerspruch gestoßen ist, keiner mehr die Systematik von Lepsius so [wie sie ist] retten will, aber auch die ‚bunteren‘ Entwürfe keine geeignete Plattform für einen Konsens ergeben haben, hat sich pragmatisch eine Mischung aus Th ­ emen- und Problemzentrierten Vorschlägen entwickelt, die immer wieder kritisch rückgebunden worden ist an das Relevanzoder eher: Prägnanzkriterium für eine Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert.“ Von daher wurde mit entsprechend planungspragmatischer Abfolge zunächst eben der Komplex Urbanisierung/Urbanität behandelt (April/Oktober 2001 und April 2002). Dies geschah aber nicht konventionell-­national isoliert, sondern mit betont europäischer, auch transatlantisch erweiterter Sicht. Es ging darum, im Rahmen einer Sozialhistorie des 20. Jahrhunderts die Funktion des städtischen Raums als umfassendem Sozialgebilde (und darin u. a. der religiösen Gemeinschaften) zu ermitteln. Das wiederum lief darauf hinaus, unter Konzentration auf die Stadt-­ Land-­Beziehungen zu prüfen, ob es einen abgrenzbaren Typus europäische Stadt überhaupt gab und ob sich beispielsweise gar von einer „Selbsterfindung Europas als europäischer Stadt“ mit dem Kulminationspunkt der Metropolenbildung (Weisbrod) sprechen lässt.492 Im Zuge näherer Betrachtung aus verschiedensten Blickwinkeln einschließlich kunsthistorischer Aspekte (Kohle) geriet man freilich selbst mit dem recht klar 492 Dazu die Tagungsübersicht im Anhang, lf. Nr.80 – 82; im Einzelnen: TP Apr. 2001 (PR 21), S. 24 ff. (Weisbrod: 31), 51 ff. zu Ertrag und weiterem Verfahren (besonders Kaelble), außerdem „Ideenpapier“ der betreffenden Planungsgruppe und „Gegenthesen“ von Raphael: Anlagen zum Tenfelde-­Schreiben an Schieder, 5.1. bzw. 5. 2. 2001 (bei den Tagungspapieren); TP Okt. 2001 (PR 21), bes. S. 19 ff. (zur Frage der Stadt-­Land-­Dichotomie) u. 23 ff. (zur weiteren Programmgestaltung bei Urbanisierung/Urbanität und beim Gesamtprojekt); TP Apr. 2002 (PR 22), S. 2 ff. (Tenfelde: 6, Hildermeier: 4).

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abgesteckten „Horizont europäische Stadt als Merkmalskomplex“ (Tenfelde) und mit der Kontrollfrage etwa nach dem Phänomen global city (Stichweh) gelegentlich in eine notorische Gefahrenzone: bei gleichsam kaleidoskopartiger Breite von Einzelbeobachtungen in womöglich beliebiger „Fokussierung auf die sozusagen unendliche Vielfalt“ der Befunde (Hildermeier) stecken zu bleiben, also größere Entwicklungslinien zu verfehlen. Insgesamt jedoch gelang eine perspektivisch wie methodisch weiterführende Auseinandersetzung mit der gerade für das 20. Jahrhundert so schwierigen Frage stadt- und urbanisierungsgeschichtlicher Eingrenzbarkeit Europas. Das schlug sich schließlich nieder in einem Tagungsband, der noch um Beiträge zu einer vierten, diesmal externen Konferenz (Februar 2004) angereichert war.493 Zudem spiegelte er deutlich den Wandel des Gesamtkonzepts für Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhunderts und eröffnete damit eine gleichnamige „neue Serie“ innerhalb der Schriftenreihe Industrielle Welt: Sie diente dem Versuch, mit nunmehr strikt „themenzentrierten“, d. h. auf bestimmte „Basisprozesse“ bezogenen Publikationen „neue Inhalte und Formen von Vergesellschaftung im Europa des 20. Jahrhunderts zu bilanzieren“ und dabei mehr als beiläufig eine „Fusion sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektiven“ zu fördern (Raphael).

4.7 Neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit – Globalisierung der Thematik mit Bewältigung einer fundamentalen Existenzkrise und zweifachem „Abschied von Heidelberg“ (2002/08 ff.) Bevor in der eingeschlagenen Richtung mit voller Kraft fortgefahren werden konnte, hatte der Kreis freilich erneut eine fast lähmende Vielstimmigkeit zu Selbstverständnis und Zielsetzung bereinigen müssen. Dieser Umstand war noch erschwert worden durch ein zweifaches Manko, das die gemeinsame Tätigkeit erheblich erschwerte und als „in hohem Maße demotivierend“ (Graf ) galt: andauernder Anwesenheitsmangel bei den Tagungen und speziell eine zu geringe Beteiligung jüngerer Mitglieder an 493 Dazu Lenger/Tenfelde (Schriftenreihe Bd. 67, s. Übersicht im Anhang), bes. Lengers eingehende Einleitung (S. 21 zur Erweiterung); folgende Zitate: aus dem Vorwort von Raphael (damals 1. Vors.); zur Entstehung dieser Publikation: PMV 25. 4. 2003 (PR 23), S. 4 f., PMV 24. 10. 2003 (ebd.), S. 8, PMV 23. 4. 2004 (ebd.), S. 5 ff., PMV 22. 10. 2004 (ebd.), S. 4 ff. (dort auch zur Diskussion über die Kennzeichnung der neuen, laut Raphael damit „gewissermaßen aus der Taufe gehobenen“ Subserie), ePMV 22. 4. 2005, S. 1, TOP 5 (Lenger/Tenfelde „zugleich Bd. 1 der Unterreihe ‚Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhunderts‘“), Raphael-­EM vom 5. 10. 2006.

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der fälligen Projektarbeit.494 Das ließ Rückert im Herbst 2001 nicht nur mit einem „ernsten Wort“ intervenieren, sondern sogar die Eventualität einer Selbstauflösung streifen, wenngleich noch als bloße Horrorvorstellung, wie sie, was freilich keinem der Anwesenden bewusst gewesen sein dürfte, fast 35 Jahre zuvor (1967) selbst von Conze schon einmal ins Gespräch gebracht, seinerzeit aber besonders von Ludz zurückgewiesen worden war. Und Schieder erinnerte gleichsam beschwörend daran, dass der Kreis mit den turnusmäßig zwei Tagungen pro Jahr früher im Wissenschaftsbetrieb deutlich „seine Akzente gesetzt und Impulse gegeben“ habe, und zwar durch Eigenbeiträge der Mitglieder mit der Folge weiterer Veranstaltungen und Publikationen; dies sei jeweils „als Idee konzipiert“ worden und habe zuvor weder als ­solche noch der Form nach existiert, könne aber für den Kreis nach wie vor „durchaus zweckbestimmend“ sein. Dass es jetzt jedoch um weit mehr als die akut verschärfte Beeinträchtigung durch unzureichende Beteiligung und eher größer als geringer gewordene Meinungsverschiedenheiten über Schwerpunktprojekte bzw. Tagungsprogramme ging, nämlich um nicht weniger als den Fortbestand des Arbeitskreises, hatte obendrein massive externe Gründe. Zum einen trat ein, was schon seit 1994/95 zunehmend zu befürchten war: Mit der Schließung des Bad Homburger Tagungsbetriebs der Reimers-­Stiftung Ende Juni 2001 schwand nicht allein die „vertraute und anregende Atmosphäre“, die den Verhandlungen des Kreises „stets außerordentlich“ förderlich gewesen (Lepsius) und allseits immer wieder in höchsten Tönen gelobt worden war. Verloren ging also nicht zum wenigsten ein kaum überschätzbarer Vorteil von „Bad Reimers“ (Wehler): der komfortable Rahmen gerade auch für den zwanglosen Gedankenaustausch bei den abendlichen Small-­Talk-­Runden (mochten sie nebenbei allerdings so manches Mal jenen „immer mehr anwachsenden akademischen Klatsch“ begünstigen, den Theodor Schieder schon 1957 beklagt hatte).Vor allem aber entfiel nach einem Vierteljahrhundert die zuverlässig-­kontinuierliche und drittmittelgleiche Übernahme der Tagungskosten (Lepsius 1989: „Ausdruck einer positiven externen Qualitätsprüfung“ der Arbeitskreistätigkeit), so dass dazu seither andere Quellen erschlossen werden mussten. Überdies endete damit, was bei Borchardt unverzüglich eine „Fülle von Erinnerungen“ hervorrief und geradezu als „die ‚Epoche‘ der Zusammenkünfte“ in Bad Homburg rangierte: als jene „lange, ersprießliche Zusammenarbeit“, die der Stiftungsvorstand zu Beginn im April 1975 nur erst erhofft und dabei Conze „sehr ausdrücklich“ hatte wissen lassen, man sei „von der Begegnung mit Ihrem Arbeitskreis besonders angetan“.495 494 Zum Folgenden TP Okt. 2001 (PR 21), bes. S. 31 ff. (Rückert), 34 (Graf ) und 35 (­ Schieder). – Betr. Rückblende zu 1967: s. o., Kap. 2.2. 495 Zit. Äußerungen: Lepsius an v. Krosigk, 6. 10. 1994 (KP 22a, lf. S. 82), s. a. schon Conze an v. Krosigk, 24. 2. 1982 (ebd., lf. S. 266), Wehler an Conze, 14. 6. 1977 (KP 5a, lf. S. 617),

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Zum Zweiten und vor allem rückte der Verlust der institutionellen Förderung durch Stuttgart immer näher. Ein frühes Indiz für einen solchen Eventualausfall hatte sich schon 1994 angedeutet, als es opportun geworden war, dem Wissenschaftsministerium bei sozusagen gemäßigter Handhabung von Landtagsauflagen zu genereller Überprüfung der Landesverbindlichkeiten gleichsam argumentativ zu sekundieren.496 Ja, bereits 1989 war eine erhebliche Einfrierung von Landesmitteln Th. Schieder an Conze, 23. 5. 1957 (KP 2, lf. S. 632 ff.), Borchardt an Engelhardt, 4. 4. 2001 (KP14, lf. S. 22), Prof. Konrad Müller an Conze, 24. 4. 1975 (PR 5, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 1997). – Betr. Beginn bzw. Anfangsphase der Kooperation mit der WRS, seiner­zeit zunächst nur erst „Restfinanzierung“ (sprich: Teilfinanzierung) der 4. Familientagung 1975, anschließend dann Übernahme sämtlicher Tagungskosten durch die WRS: s. a. Müller an Stuke, 28. 8. 1975 (KP 22a, lf. S. 493); Stuke an Müller, 8. 7. 1976 (lf. S. 472 ff.); Müller an Stuke, 15. 9. 1976, (lf. S. 466 ff.), mit Entwurf eines Tätigkeitsberichts f. d. J. 1972 – 1976 (dort auch zu Grund und Beginn der Finanzierung), zudem Müllers Kondolenzbrief zu Stukes Tod, 4. 1. 1977 (lf. S. 451); zur Kooperation mit der WRS u. a. auch TP 15./16. 6. 1979 (PR 6), S. 2 (Lepsius-­Gedenkworte zu Müllers Tod). – Zu den Vorteilen dieser Tagungsstätte: u. a. Kocka an Conze, 17. 9. 1974 (KP 5a, lf. S. 296 ff.); Conze an Konrad Müller, 14. 4. 1975 (lf. S. 521); Karin Hausen an Conze, 25. 6. 1975 (lf. S. 179); Engelhardt an Söntgen, 15. 6. 1978 (KP 22a, lf. S. 387); Conze an v. Krosigk, 3. 12. 1982 (KP 8, lf. S. 50); Reg.dir. Dr. Erwin Schömbs (Wissenschaftsministerium Stuttgart) an v. ­Krosigk, 11. 5. 1998 (ebd., lf. S. 173: „[…] begeisterte Berichte“ über die Arbeitsatmosphäre). – Betr. Ausmaß der Tagungsfinanzierung: Laut Lepsius an Engelhardt, 10. 2. 1993 (KP 13, lf. S. 32) hatte diese faktische Drittmittelfinanzierung nach WRS -Unterlagen von Beginn allein bis 1991 insgesamt 236.400 DM für 34 Tagungen mit 62 Arbeitstagen und insgesamt 830 Teilnehmern betragen – in der Tat „eindrucksvoll“ (Lepsius); betr. Tagungskostenübernahme als Ausdruck externer Qualitätsprüfung: Lepsius, 1989 (s. u.). – Zur Bedeutung der Reimers-­Krise für den AKMS: u. a. KP 12, lf. S. 399 und 400, KP 13, lf. S. 19, 75, 77, 80 und 146 sowie PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), S. 8 ff. u. PMV 28. 4. 1995 (PR 15), S. 17 f.; zur vorübergehenden Minderung ­dieses Problems: u. a. Schieder, Rundbrief an die Mitglieder, 7. 6. 2000 (PR 20, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2000, auch in PR 19, lf. S. 11); zum Wegfall der Tagungsfinanzierung ab 1. 7. 2001: die betr. Mitteilung des Stiftungsvorstands Prof. Werner Knopp, 28. 6. 2001 (KP 22a, lf. S. 4), Engelhardt an Knopp, 3. 7. 2001 (S. 5) sowie u. a. schon Engelhardt ans Stuttgarter Wissenschaftsministerium, 23. 3. 2001 (KP 28, lf. S. 145) und PMV 27. 4. 2001 (PR 21), S. 2 f.; zur Frage von Tagungsmöglichkeiten nach Schließung der WRS: u. a. PMV 24. 4. 2001 (PR 21), S. 2 ff. 496 Dazu das „Gedächtnisprotokoll über ein Gespräch [von Lepsius und Engelhardt] mit Reg.dir. Dr. Walter Amann […] am 27. 4. 1994 in Heidelberg“ (KP 27, lf. S. 290a–h) und besonders das Lepsius-­Schreiben mit „Memorandum“ Aman, 21. 7. 1994 (ebd., lf. S. 262 ff.) sowie PMV 28./29. 10. 1994 (PR 14), TOP 3, zudem schon den betreffenden Schriftwechsel Engelhardt-­Lepsius vom Frühjahr 1994 (KP 13, lf. S. 61 ff.); vgl. auch Engelhardt an Min. dirig. Dr. Knorr, 8. 11. 1996, mit Wiedervorlage des besagten Memorandums von 1994 (KP 27, lf. S. 167). – Zum Folgenden: Die Lepsius-­Einlassung von 1989: s. Schreiben Min.rat Dr. Machleidt, Wissenschaftsministerium, 14. 12. 1989 (KP 26, lf. S. 217 ff.); betr. 1995 e­ rstmals

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Anlass zu einer ähnlichen Einlassung gewesen. Um die Position des Wissenschaftsministeriums gegenüber dem Finanzministerium zu stützen, hatte Lepsius nämlich mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Arbeitskreis eine „einzigartige ­Funktion“ erfülle: Fasse er doch die „führenden Fachvertreter in der Bundesrepublik in konkreter gemeinsamer und interdisziplinärer Arbeit zusammen“, und zwar über den naturgemäß begrenzten Mitgliederkreis hinaus auch durch „Einbindung zahlreicher – insbesondere auch jüngerer – deutscher und ausländischer Forscher“. Dass Baden-­Württemberg also mit seinen Finanzzuwendungen einen mehr als landesweit wirksamen „Beitrag sowohl zur interdisziplinären und internationalen Zusammenarbeit als auch indirekt zur wissenschaftlichen Nachwuchsförderung“ leiste, hatte freilich auf Ministerialebene abnehmend Widerhall gefunden. Jedenfalls war das Ende relativer Haushaltsstabilität des Arbeitskreises seit der Übernahme durch Baden-­Württemberg eingeläutet. Einen deutlichen Einschnitt hatte eine generelle Ausgabensperre der Landesregierung 1995 gebracht, übrigens erstmals bis Herbst ohne formellen Bewilligungsbescheid und erstmals mit der grotesken Folge scheinbar drastischer Minderausgaben des Kreises. Praktisch verloren war bald (1998) auch eine der beiden BAT-Stellen. Wohl galt sie nach einem von Koselleck bewirkten Grundsatzbeschluss von 1995 mit ihrer II a-­Vergütung als unzumutbar für Habilitierte, gehörte aber doch zu den Pfeilern mittel- bis längerfristiger Absicherung von akademischem Nachwuchs durch die ja schon seit Koselleck und Stuke bewährte „Alimentationsleistung“ (Lepsius) des Kreises. Und ein erstes konkretes Signal in Richtung Stuttgarter Zahlungseinstellung hatte es bereits im September 1996 gegeben. Zu ­diesem Zeitpunkt nämlich stellte das Ministerium angesichts steigender Belastung der Landeskasse den zwar schwankenden, aber stetigen Finanzunterhalt des Kreises durch sog. Bezuschussung nach zwei Jahrzehnten eher unvermittelt zur Disposition:497 mit der – woher auch immer rührenden – Begründung, mittlerweile habe „sich die Disziplin der modernen Verzögerung des Bewilligungsbescheids bis in den Herbst: s. Engelhardt an Koselleck, 8. 9. 1995 (KP 22a, lf. S. 63 f.); betr. scheinbare Minderausgaben 1995: s. PMV 19. 10. 1995 (PR 15), TOP 1a u. VWN 1995 vom 19. 3. 1996 mit Anschreiben ans Wissenschaftsministerium, 29. 3. 1996 (KP 27, lf. S. 193 ff.); betr. BAT-IIa-­Vergütung für Habilitierte nicht zumutbar s. PMV 28. 4. 1995 (PR 15), S. 15 (Grundsatzbeschluss anläßlich Bewerbung von PD Werner Berg, Freiburg); betr. „Alimentationsleistung“ (Lepsius) des AKMS vgl. u. a. PMV 22. 4. 1994 (PR 14), TOP 4 (dort mit Bezug auf die erfolgreiche Freiburger Habilitation von Ingrid Gilcher-­Holtey und den anschließenden Ruf nach Bielefeld). 497 Ministerialschreiben vom 13. 9. 1996 an Schieder mit Einladung zu einem Gespräch „über diese Fragen“ (KP 27, lf. S. 173); zu Vorbereitung und Verlauf ­dieses Treffens am 14. 11. 1996 in Stuttgart (auf AKMS-Seite: Schieder, Lepsius und Langewiesche) und zur Argumentation gegenüber dem Ministerium: u. a. KP 27, lf. S. 167 ff. sowie PMV 25. 10. 1996 (PR 16a), S. 3 ff. (S. 6 die erwähnte Kocka-­Empfehlung), PMV 25. 4. 1997 (PR 17), S. 2 ff. (mit

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Sozialgeschichte fest in der ­Geschichtswissenschaft etabliert“, weshalb „eine Sonderrolle – und eine Sonderförderung – nicht mehr angemessen und nicht mehr erforderlich zu sein“ scheine. Gegen s­ olche Sicht konnte nicht einmal ankommen, was Kocka empfahl: zu unterstreichen, dass der Arbeitskreis quasi die Funktion einer deutschen ‚Gesellschaft für Sozialgeschichte‘ erfülle – also ein Alleinstellungsmerkmal aufweise, das einst schon Peter Christian Ludz und sinngemäß wiederholt ja auch Lepsius geltend gemacht hatten. War es 1996 um den Preis einer Mittelreduktion auf nur noch rd. 60 % des Bisherigen wenigstens noch gelungen, eine Totalstreichung abzuwenden, ließ das ­Ministerium nun keinen Zweifel mehr, dass die institutionelle Förderung nach so langer Dauer eben nicht weiter fortgesetzt, sondern in der Hauptsache mit Ablauf 2004 und vollends Ende Februar 2005 eingestellt werde.498 Den Ausschlag gab letztlich ein faktisch verbindlicher Prüfungsbericht des Landesrechnungshofs (1999/2000).499 Er bezifferte die Landeszuwendungen (abgesehen von unentgeltlichen Leistungen) für die beiden Jahrzehnte 1977 – 1998 auf rd. 5.320.000 DM, gegenüber der vorangegangenen Bundesförderung 1957 – 1976 von rd. 2.337.694 DM und einer Drittmitteleinwerbung 1960 – 1993 von rd. 2.700.000 DM. Hatte die Kontrollbehörde zwölf Jahre früher noch keinerlei Vorbehalte gemacht und war dem Arbeitskreis zuvor übrigens im Landtag bescheinigt worden, „auch beachtliche Beiträge zur neueren Geschichte des südwestdeutschen Raumes unter sozialen [sic] Aspekten geleistet zu haben“, fiel die Bewertung der Förderungswürdigkeit diesmal gegenteilig aus. Ohne jedoch einer gewissen Schlüssigkeit in der Sache noch jeder Konzilianz bei der Fristsetzung zu entbehren, enthielt sie drei Primärgesichtspunkte: Schieder-­Bericht) und PMV 24. 10. 1997 (ebd.), S. 2 f. – Zur funktionalen Sonderstellung des AKMS vgl. schon oben, Kap. 2.2 (Ludz, 1967) u. Kap. 4.2 (Kaelble, 1994). 498 Definitive Festsetzung freilich erst im Zuwendungsbescheid 2003, Punkt 13: Förderungsende mit Ablauf 2004 bzw. mit Ausscheiden des Geschäftsführers Ende Februar 2005 wegen sog. Altersgrenze (KP 28, lf. S. 82 ff., hier: S. 84), s. a. Zuwendungsbescheid 2005 (ebd., S. 20 i), infolgedessen auch Auflösung der Heidelberger Geschäftsstelle u. Aufteilung ihrer Aufgabenbereiche. 499 Dazu der Bericht vom Jan. 2000 über die Prüfung im März u. Mai 1999 in KP 51 (zusammen mit den übrigen diesbezüglich Unterlagen einschließlich Stellungnahmen, Korrespondenzen u. a. m.) – Betr. Einschätzung im Landtag 1980 bei der Beantwortung einer Großen Anfrage der CDU-Fraktion: vgl. Schreiben des Wissenschaftsministeriums, 9. 2. 1981, mit Text der betreffenden Landtagsdrucksache 8/782 vom 15. 12. 1980, dort S. 20 und 30 (KP 24, lf. S. 343 ff.), dazu auch telefonische Mitteilung des Ministeriums, 10. 10. 1980 (ebd., lf. S. 351), außerdem Conze ans Ministerium, 25. 6. 1984 (ebd., lf. S. 83 ff.). – Zu der Überprüfung vom 20. – 22. 9. 1982 besonders die Mehrfertigung der Prüfmitteilung des Rechnungshofs ans Ministerium, 3. 11. 1982 (KP 9, lf. S. 270 f.), zudem PMV 28. – 30. 10. 1982 (PR 9), TOP 1b.

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dass die Sozialhistorie nachgerade eben keiner besonderen Förderung mehr bedürfe, dass der Arbeitskreis thematisch keinen spezifisch baden-­württembergischen Bezug aufweise und vor allem auch kein großes, wirklich gemeinsames Langfristprojekt mehr habe (wobei zweifellos an so etwas wie das fundamentale Begriffslexikon gedacht war). Nicht nur konnte auch ein neuerliches Vorstandsgespräch mit Stuttgart gegen s­olche Einschätzungen nichts ausrichten, weil das Ministerium nach anfänglicher Auffassungsdifferenz mit dem Rechnungshof schließlich auf dessen Linie einschwenkte.500 Vielmehr wollte man sich schon zuvor auch im A ­ rbeitskreis selbst keineswegs verhehlen, dass der Rechnungshof jedenfalls in zweierlei Hinsicht ziemlich ins Schwarze traf: In gewisser Weise war die konstituierende, insofern „klassische Zeit der Sozialgeschichte“ längst vorüber – ja, nachgerade ihr wissenschaftshistorischer „Sieg als Niederlage“ (Kocka) zu verbuchen. Und auch wenn der Kreis mit seinen interdisziplinär anregenden Tagungen unvermindert aktiv war und im Rahmen seiner bescheidenen Finanzmöglichkeiten nach wie vor Forschungshilfe leistete, war er zuletzt kaum noch als Gesamtheit tätig geworden. Insoweit hatte er daher wenn nicht „seine alte Funktion verloren“ (Graf ), so doch viel davon eingebüßt.501 Mit dem absehbaren „Abschied vom Lande Baden-­Württemberg als unserem Financier“ (Raphael) befand man sich seit 2001 also vor der Alternative, demnächst „dieses Schiff ordnungsgemäß absinken“ oder „mit einem anderen Financier weiterfahren“ zu lassen, wie Graf nüchtern formulierte.502 Alles in allem war 500 Zu Vorgeschichte und Resultat des Gesprächs, das erst am 15. 1. 2002 zustande kam (AKMSTeilnehmer: Schieder, Graf und Langewiesche): außer KP 51 auch Engelhardt ans Wissenschaftsministerium, 1. 6. 2001 (KP 28, lf. S. 139) sowie die betr. Anschlusskor­respondenzen (ebd., lf. S. 57 ff.); TP Apr. 2002 (PR 22), S. 26, bes. PMV 26. 4. 2002 (ebd.), S. 2 f. (mit Schieders Gesprächsbericht u. -einschätzung), im Übrigen u. a. schon KP 14, lf. S. 21 (Engelhardt an Borchardt, 7. 11. 2001). 501 Zur Diskussion über das Rechnungshofmonitum: PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 8 ff., besonders die Äußerungen von Schieder, Graf und Langewiesche, s. a. Schieders Rundbrief vom 7. 6. 2000, S. 1 (PR 20, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2000 umd in KP 19, lf. S. 11) sowie PMV 27.10. 2000 (PR 20), S. 2 f. – Kocka-­Zitate (2002): s. Ders., Sozialgeschichte seit 1945, S. 18 ff. (20 u. 24), s. a. 4; vgl. schon Kap. 4.2 (Lepsius). 502 PMV 27. 4. 2001 (PR 21), S. 23 (Graf ) bzw. PMV 24. 10. 2003 (PR 23), S. 4 (Raphael). – Zum Folgenden: Grafs Rundbrief an die Mitglieder vom 3. 4. 2002, wo auch vom „Streit ­zwischen den objektivistischeren Strukturdenkern und den kantianischeren Kulturalisten“ die Rede war (PR 22, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2002, auch in PR 19, lf. S. 5); dazu u. a. Fischer an Schieder, 16. 4. 2002, PS-Zusatz (KP 14, lf. S. 103). – Die Tenfelde-­ Kritik: so in der Vorbemerkung zu seinem Referat bei der Herbsttagung 2000 (Text bei den Tagungspapieren in PR 20). Das von ihm beanstandete Problem ergab sich teilweise sicherlich auch daraus, dass die ausführlichen Protokolle zweifellos ja nicht immer von allen gelesen wurden.

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die Situation immerhin so angespannt, dass er sie als 2. Vorsitzender Anfang April 2002 noch einmal ausmaß. Dabei spielte er die Probleme nicht nur nicht herunter, sondern sprach sie schonungslos selbstkritisch an. Mit der lapidaren Bemerkung, der Generationswechsel habe „nur sehr schlecht geklappt“, bezog er sich in erster Linie auf die noch anhaltenden Kalamitäten bei der Entwicklung und Ausführung des gemeinsamen Unternehmens Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. Hatte Tenfelde schon zwei Jahre zuvor das häufige Zerfasern von Diskussionen bis hin zum Wegreden beklagt, so beanstandete Graf gerade einen solchen Umgang mit dem neuen Projekt: Darüber spreche man nun schon seit 1995, wobei ein in seinen Augen „exzellentes systematisches Angebot“, nämlich die Strukturierungsvorschläge von Lepsius, zusehends „zerredet“ worden s­eien, ohne dass „alternative integrative Konzepte“ sich hätten durchsetzen können im „Dauerstreit ­zwischen älteren Objektivisten und jüngeren Kulturalisten (oder wie immer man diese Differenzen beschreiben mag)“. Der Kern seiner dramatischen Philippika: Offenkundig sei der Arbeitskreis derzeit nicht mehr imstande, ein „langfristig integrierendes, die Mitglieder verbindendes großes Forschungsprojekt zu tragen“ und der wissenschaftlichen Öffentlichkeit mehr zu bieten als seine Schriftenreihe. In fast brutaler Folgerichtigkeit schlug Graf daher vor, den Kreis mit Ablauf der baden-­württembergischen Förderung „ordnungsgemäß und stilvoll“ aufzulösen, sich somit als Institution aus der academic community zu verabschieden, und zwar mit einer facettenreichen Rückschau auf die Geschichte der tatsächlich erfolgreich etablierten bundesrepublikanischen Sozialhistorie unter Einschluss der Frage nach den „zukünftigen Transformationen einer ‚neuen Sozialgeschichte‘“. Noch angereichert um ironische Detailanregungen, war diese Empfehlung zu offener „Beerdigung“ nach einer – wenngleich „elegant“ zu gestaltenden – „Abschiedsshow“ allerdings wohl mit Bedacht drastisch überzogen. Jedenfalls für Schieder als 1. Vorsitzenden, nach dessen Angabe aber auch bei Graf selbst war sie „schon ein bisschen“ inspiriert von der „unterschwelligen Hoffnung“ auf möglichst gegenläufige Reaktionen besonders von Seiten der jüngeren Mitglieder. So präludierte sie denn auch einer lebhaften Debatte über Die Zukunft des Arbeitskreises, eigens angesetzt für den zweiten Teil der Frühjahrstagung 2002 (immerhin die 82. Zusammenkunft).503 503 Zur Graf-­Intervention und zum Folgenden: TP Apr. 2002 (PR 22), S. 26 ff. (26 die Schieder-­ Angabe, 27 – 31 Raphaels mündliche Erläuterungen und Kockas wissenschaftshistorische Einordnung, 32 – 45 die diversen Statements, hier systematisiert) sowie schon Raphaels EMRundschreiben vom 19. 4. 2002 sowie seine gemeinsam mit Kaelble konzipierten Vorschläge zur Bearbeitung des Themenfelds: Sozialstaat im 20. Jahrhundert (bei den Tagungsunterlagen).; zur Intention von Grafs Auflösungsvorschlag auch PMV 19. 10. 2002 (PR 22), S. 5 (Schieder: „[…] sehr hintergründig“).

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Angelpunkt und Gesprächsgrundlage bildete eine schriftliche Stellungnahme des noch relativ neuen Mitglieds Lutz Raphael. Erklärtermaßen als „Alternative zu dem von Graf vorgeschlagenen eleganten Beerdigungsmodell“ gedacht, verband sie ein vorwärtsweisendes Planungskonzept zum Teilthema Sozialstaat(lichkeit) mit grundsätzlichen Reformvorstellungen. Raphaels ungeschminkte Erwartung: nunmehr zu akzeptieren, dass der Arbeitskreis „bei aller Zusammenballung von Intelligenz, Erfahrung und Fachwissen in seiner aktuellen personellen Zusammensetzung nicht in der Lage ist, aus eigener Kraft das selbst gestellte Ziel zu realisieren, mit einem innovativen Entwurf zu einer Sozialgeschichte Europas die Fachöffentlichkeit zu überzeugen und damit neue Wege für die hiesige Forschung zu weisen“. Wolle man dennoch „weiterhin dem eigentlichen Ziel dienen“, der bundesrepublikanischen Sozialhistorie „intellektuelle Anregungen und konkrete Forschungsimpulse“ zu geben, dabei „Ort des Austauschs z­ wischen unterschiedlichen Ansätzen“ zu sein und auch „intellektuellen Austausch mit den Nachbardisziplinen“ zu pflegen sowie selbst „konkrete Forschungsvorhaben über mehrere Jahre hinweg“ zu verfolgen, dann bedürfe es durchgreifender Veränderungen bei Verfahrensweise, Tagungsrhythmus und auch bei der Zusammensetzung, die zu „deutschlandlastig“ sei (wie er in seiner mündlichen Erläuterung sagte). Diese harsche Abmahnung schloss jedoch die Überzeugung nicht aus, dass das laufende Schwerpunktthema „von der Sache her genug Potenzial“ zur Aktualisierung der wissenschaftlichen Arbeitskreisabsichten biete. Freilich war es zumindest bei der Erstentscheidung für ­dieses Thema zunächst noch nicht, wie Raphael nun etwas vorschnell annahm, wesentlich um Überwindung der „anhaltenden Identitäts- und Zielkrise“ des Kreises gegangen. Doch zweifellos hatte diese Seite der Medaille mehr und mehr an Dringlichkeit gewonnen, mithin den eingeforderten Wandel zur vorerst dominanten Aufgabe werden lassen. Worauf das in Raphaels Sicht hinauslief, brachte er mündlich auf den plakativen Nenner „Abschied von Heidelberg“ – Abschied nicht allein als durch das Ende der baden-­württembergischen Grundfinanzierung vorgegebener Rückzug vom institutionellen Ausgangspunkt und Rückhalt hin zu möglichst nachhaltiger Kombination „mehrerer institutioneller und personeller Ressourcen“; Abschied vielmehr auch als unvermeidliches Abrücken vom genuinen „Modell Conzes“. Dies nämlich habe, wie Raphael sich nach eigener Einschätzung allerdings „etwas scharf“ ausdrückte, darin bestanden, „Leute zu sammeln, die gewissermaßen den Rest geliefert bekamen“, und zwar bei „intellektueller Führerschaft“ Conzes und bei voller Offenheit im Intellektuellen. So klar Raphael auch Fraktur redete, so entschieden plädierte er also für Beibehaltung der Arbeitskreistätigkeit, wenngleich eben in erheblich reformierter Weise und dabei übrigens auch mit Disziplinierungsgesten gegenüber Säumigen zumal unter den jüngeren Mitgliedern (bis hin zum sarkastischen Vorschlag einer

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„­ Frühruhestandsregung“). Damit wurde der verstörende Gedanke einer prospektiven Selbstauflösung des Kreises wohl unüberhörbar konterkariert, aber nicht einfach gegenstandslos. Umschloss er doch, wie Kocka unterstrich, die im Grunde nur noch rhetorische Frontalüberlegung von Rechnungshof und Wissenschaftsministerium, ob die breite Etablierung sozialgeschichtlicher Ansätze eine gezielte Förderung und gesonderte Repräsentanz nicht ohnehin überflüssig gemacht habe. Anders gewendet: ob die Sozialhistorie daher im Unterschied zur Gründungszeit des Arbeitskreises „nicht [mehr] genügend gemeinsame Nenner als Basis einer Gruppierung anbietet“. Berücksichtige man zudem, so Kocka, was sich unbestreitbar in den eigenen Reihen selbst beobachten lasse, nämlich eine „innere Heterogenisierung dessen, was dann noch Sozialgeschichte ist“, habe man es zu tun mit einem „starken, die Gegenwart in einem längeren wissenschaftshistorischen Prozess verortenden Argument für die Selbstbeendigung“ des Kreises. Diese Perspektiverweiterung intensivierte eine mehrstündige Grundsatzdebatte, die trotz der angesprochenen Differenzen ­zwischen den Vorstellungen von Sozial­ geschichte (etwa Daniel vs. Tenfelde) und trotz mancher Beklemmung (besonders von Tenfelde) über die damit einhergehende Homogenitätsabnahme bzw. den manifesten Schwund bei der gemeinsamen „Schnittmenge an sozialgeschicht­ lichen Grundlagenüberlegungen“ (Schieder/Kocka) eine merkliche Verschiebung der Sichtweise durchlief: weg von dem leicht defensiven Aspekt, ob der Kreis wie ursprünglich noch nötig sei zur Durchsetzung eines geschichtswissenschaftlichen Konzepts, hin zu der eher offensiven Frage nach Möglichkeiten und Chancen zur „Transformation des Konzepts“ (Kaschuba). Ob dazu unbedingt auch eine „Verlagerung der gesamten Agenda vom 19. ins 20. Jahrhundert“ gehöre und dabei wiederum geprüft werden müsse, ob „sich der Begriffsbehälter des Sozialen einfach geändert hat oder was sozusagen in der Konstellation des Sozialen im 20. Jahrhundert anders ist als im neunzehnten“ (Weisbrod), blieb unentschieden. Überwiegend aber traf man sich in einigen Kernauffassungen: •  dass die durch Konfrontation eines reduktionistischen Kulturbegriffs mit einem ebenfalls reduktionistischen Sozialbegriff zuletzt „etwas aufgeheizten“ Positionen gar nicht mehr bestünden, sondern bei Sozialgeschichte stets und allseits von „Kultur­geschichte des Sozialen“ die Rede sei (Tanner); dass also Kultur- bei Sozialgeschichte „im Grunde eingeschlossen“ sei (Stichweh), •  mithin die frühere „soziale Engführung“ des Begriffs der Sozialgeschichte nicht mehr gelten könne (Raphael); •  dass überdies die zunächst womöglich primäre Aufgabe in einem „Riesenexperiment“ bestehe, nämlich die – wie verschieden auch immer konzipierte – Sozialhistorie „von einer nationalen zu einer internationalen Version zu transformieren“ (Daniel) und demgemäß eine „Transnationalisierung des Arbeitskreises selber“ als eines bislang fast ausschließlich „nationalen Klubs“ (Weisbrod) v­ orzunehmen,

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und zwar schon mit Rücksicht auf den von ihm bisher nicht weiter angewandten „Zugriff auf europäische ­Themen“ (Rückert); bei alldem jedoch die „eigene differentia specifica“ nicht aus dem Blick zu verlieren, also eine gewisse Abgrenzung gegen spezifische Formen von Kultur- bzw. Wirtschafts- bzw. Politikgeschichte nicht aufzugeben (Kocka), speziell „gegenzuhalten“ gegen die wieder vorherrschende klassische Politikgeschichte wie gegen eine „neu, sozusagen modisch verpackte“ Geistesgeschichte als Wiederkehr literaturwissenschaftlich geprägter Richtungen via amerikanische „Recyclinganlagen“ (Raphael). nicht zuletzt zum „absolut Bewahrenswerten“ und entsprechend Fortzuentwickelnden wurde ein Sachverhalt gerechnet, den Daniel sogar als eine Art Alleinstellungsmerkmal des Arbeitskreises betrachtete: dass es innerhalb der „historischen Zünfte und aller Anrainerzünfte“ in der Bundesrepublik keine „Truppe“ gebe, die wie er „querbeet“ die verschiedensten Ansätze, „Glaubensrichtungen“ usw. vereinige und gleichwohl über alle notwendigen „Streitereien“ hinweg gesprächsfähig bleibe (ähnlich auch Tenfelde).

Mit diesen Ansichten relativierte sich die von Raphael ohnedies zunächst etwas irritiert zur Kenntnis genommene, dann aber als „heikles Übergangsphänomen“ veranschlagte „Generationsdifferenz“ bis zu einem Maß an Gemeinsamkeiten, dass Tenfelde erleichtert bekannte, es habe ihm „in der Seele gutgetan“. Und für Rückert lag das „wirkliche Problem“ folglich weniger auf der theoretisch-­konzeptionellen als ganz pragmatisch eher auf der personellen Ebene: Wenn man zumal einen verjüngten Vorstand bekomme, der die Dinge in die Hand nehme, dabei mit den älteren Mitgliedern auch die „alten Feinde“ von Sozialhistorie gemeinsam habe und auf dieser „Basis der alten Feindschaften neue Wege“ gehe, werde man um den „Graf-­Weg“ der Selbstbeendigung sehr wohl herumkommen. Wie wichtig dafür gerade tatkräftige Koordinierungsbemühungen einer kleinen Initiativgruppe ­seien, verdeutlichte Kocka durch Rückschau auf die Entwicklung des Kreises unter Leitung von Conze: Die sogar weit über dessen Tod hinausreichende Tragfähigkeit des Unternehmens sei ja erstaunlich, doch im Grunde habe er die verschiedenen intellektuellen Potenzen produktiv zu verknüpfen gewusst und es zudem fertiggebracht, „sich ganz intensiv um diesen Kreis zu kümmern und ihn gleichzeitig zu öffnen“. An diese zentrale Rolle Conzes und zusätzlich an die fachwissenschaftlich „fundamentale Wirkung“ seines Pöbel-­Aufsatzes (zuerst 1954) erinnerte auch Tenfelde, der die Kontinuität grundlegender Themenschwerpunkte rekapitulierte: von den Vormärz-­Studien (Pauperismus, Staat und Gesellschaft) über die „Sattelzeitforschung“ als Keim von Kosellecks Begriffsgeschichte bis zu Bildungsbürgertum – eine lange Reihe „tragender Th ­ emen“, denen nun eben auch die Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert hinzugefügt werden müsse.

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Mit dergleichen Signalen für Krisenbewältigung und Wiederaufbruch war die künftige Entwicklung eingeleitet, die wegen Einstellung der detailliert dokumentierenden Protokolle (April 2003) hier nur noch als Ausblick anzudeuten ist.504 504 Betr. Beschluss zur Beendigung der zeitaufwendigen Dokumentation (Tagungsprot.) ab der 84. Tagung im April 2003: PMV 25. 4. 2003 (PR 23), S. 11. Zum Folgenden die weitere Debatte: TP Apr. 2002 (PR 22), S. 30 bzw. 47 betr. „Abschied von Heidelberg“ bzw. vom „Modell Conzes“ (Raphael, dazu auch 46 Kaschuba), S. 45 ff. (46 Lenger, 54 bzw. 59 Tenfelde bzw. Rückert, 59 ff. Raphael und Daniel, 45 Tenfelde betr. Zuwahl auch sehr junger Leute, 54 betr. Steuerungsgruppe, 61 Daniel und Tenfelde zur Sinnstiftungsfrage), zudem Raphaels EM an die Mitglieder, 20. 6. 2002 (KP 15, lf. S. 262 ff., u. a. betr. neue Arbeitsformen usw.); betr. angestrebtes DFG-Schwerpunktprogramm: u. a. Raphaels EM-Information an die Mitglieder, 5. 5. 2003 (PR 23, bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2003, dort auch bzgl. „Hauptstärken“ der bisherigen Tätigkeit), PMV 23.4. 2004 (ebd.), S. 11 f. u. PMV 22. 10. 2004 (ebd.), S. 10 f.; betr. Raphaels gelegentlich weiter gegangene Vorstellung (Globalisierung als wünschenswertes Generalthema) vgl. bereits PMV 29.10. 1999 (PR 22), S. 8 f. – Zu Bochum als neuem Regeltagungsort: u. a. Tenfelde an Schieder, 2. 5. 2000 (KP 15, lf. S. 428) u. Schieder an Tenfelde, 1. 8. 2001 (ebd., lf. S. 357), bes. PMV 26. 4. 2002 (PR 22), S. 8 f.; betr. Wechsel im Amt des 1. Vors. und Zuwahlen im Okt. 2002: schon PMV 12. 10. 2001 (PR 21), S. 5 (Schieder), besonders Schieder-­Rundbrief an die Mitglieder, 29. 9. 2002 und PMV 19. 10. 2002 (PR 22), S. 5 (dort auch die Lenger-­Äußerung), auch zur Männerlastigkeit (9: Tanner) und zu Prestige bzw. Reputationseinbuße des Kreises (11: Rückert, Tenfelde, Raphael); betr. Rekrutierungskriterien: Raphaels Rundbrief an die Mitglieder, 14. 6. 2002 (KP 15, lf. S. 257 ff.), Punkt 3; betr. ungewisse Zukunftsaussichten: Engelhardt an Wehler, 4.12. 2002 (ebd., lf. S. 447). Betr. Website: PMV 27. 10. 2000 (PR 20), S. 17 (dort die zitierte Graf-­Bemerkung); zudem u. a. ePMV 24. 4. 2009 (PR 23a), TOP 5 (einstimmiger Beschluss zur Verbesserung der „Sichtbarkeit“ des AKMS durch Einrichtung einer Website und einer Domain); ePMV 23. 10. 2009 (ebd.), TOP 2 (Website eingerichtet); ePMV 30. 4. 2010 (ebd.), TOP 2; s. a. die betr. Ausdrucke bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2011 (PR 23b). – Zum Abschluss des Europa-­Projekts: Raphaels EM -Rundbrief an die Mitglieder, 28. 4. 2007 (bei den Unterlagen zur Frühjahrstagung 2007); betr. neues Schwerpunktthema Arbeit: Eckerts Vorüberlegungen zum künftigen Themenschwerpunkt, 11. 10. 2007 (bei den Unterlagen zur Herbsttagung 2007), hier: S. 3; betr. „illustrer Kreis“: so nach seiner Zuwahl Dipper an Engelhardt, 9. 11. 2000 (KP 14, lf. S. 81), betr. „erlauchter Kreis“: so nach seiner Zuwahl Ch. Conrad, EM an Engelhardt, 24. 11. 2002 (KP 14, lf. S. 36). – Betr. Wiederaufschwung der Schriftenreihe: u. a. PMV 27. 4. 2001 (PR 19), TOP 2; PMV 27. 4. 2002 (PR 22), TOP 3, besonders Schieders Zwischenbilanz mit Bezug auf die zitierte Graf-­Rüge in dessen Rundbrief vom 3. 4. 2002 (bei den Tagungsunterlagen); PMV 25. 4. 2003 (PR 23), TOP 3, mit der zitierten Graf-­Einschätzung; s. a. PMV 24. 10. 2003 (ebd.), TOP 3, u. a. bzgl. einige gut verkaufte Bände, aber Notwendigkeit wieder stärkerer Herausstellung der Reihe; ferner ePMV 20./21. 4. 2007 (PR 23a), TOP 4, bzgl. positive Absatzentwicklung. – Zu weiteren Tagungen und Publikationen ab 2003 vgl. die Übersichten im Anhang; betr. Vorstandswechsel von Raphael/Graf zu Eckert/Rückert: ePMV 19.u.20. 10. 2007, TOP 4;

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Denn was sich 2002 jedenfalls „ganz optimistisch [betrachtet] […] als Vorstufe einer Raketenzündung“ ausnahm (Lenger), kam tatsächlich in Gang. Beschleunigt von einer nun eingesetzten Koordinierungs-/Steuerungsgruppe (Daniel, Dipper, Lenger, Tanner mit Federführung bei Raphael), wurde die Behandlung des laufenden Generalthemas mit neuer Energie fortgesetzt (wobei es zu der für 2004 ff. angestrebten Einrichtung eines DFG -Schwerpunktprogramms jedoch nicht kam). Die ebenso umfassende wie „herausfordernde“ Frage, ob es so etwas wie ‚die‘ Sozialgeschichte Europas überhaupt gibt bzw. was an der Sozialgeschichte sozusagen „europäisierbar“ ist (Tenfelde, sinngemäß auch Rückert), behielt letztlich Priorität, ohne etwa eine Art von „rückwärtsgewandter Sinnstiftung für die europäische Geschichte“ (Daniel) vorzuhaben. Ansonsten enthielt sie keinerlei Ausschluss­ absicht. Sie bedeutete nämlich weder unangemessene Komplexitätsreduzierung beim Gegenstand noch Ignorierung des transeuropäischen Vergleichsrahmens, selbst wenn ein früherer Alternativvorstoß zur Befassung mit Globalisierung/Globalprozessen als Erweiterung des Horizonts zu außereuropäischer Geschichte bereits deutlich mehr intendiert hatte (Raphael, 1999). Und via zusätzliche, dem jeweiligen Subthema gewidmete Treffen von Arbeitsgruppen an verschiedenen Orten setzte man jetzt in die Praxis um, was als zwingend geboten erkannt wurde: ein „neuer Konsens“ zur Nutzung „anderer Arbeitsformen und Diskussionsforen“ (Raphael) neben den gewohnten Regeltagungen. Diese wiederum konnten durch Einwerbung neuer Finanzmittel (Thyssen-­Stiftung u. a. m., 2005 ff.) beibehalten werden. Auch erhielten sie nach dem Ende der Bad Homburger Ära (April 2001) und einem Heidelberger Zwischenspiel (Oktober 2001) im Bochumer Haus der Geschichte/Institut für soziale Bewegungen wieder eine konstante Heimstatt (2002 ff.), bei der schließlich (2009) auch eine eigene Website des Arbeitskreises entstand (nachdem Graf neun Jahre vorher noch spöttisch angemerkt hatte, dass der Kreis „vermutlich die einzige akademische Institution ­dieses Landes ist, die noch keinen Internetauftritt hat“). Zudem wünschte Wolfgang Schieder nach achtjähriger Amtszeit als 1. Vorsitzender keine Wiederwahl, weshalb der zwanzig Jahre jüngere Lutz Raphael im Herbst 2002 die Nachfolge antrat: als derjenige, betr. anhaltende Unterrepräsentanz von Frauen: PMV 14. 4. 2000 (PR 20), S. 7 (Mommsens selbstkritisch-­ironische Mahnung, bei den Zuwahlen solle „ein klein bisschen der [Gesichtspunkt] Frauenproporz eine Rolle spielen“; betr. die „im Arbeitskreis weiterhin sehr ungünstige Gender Balance“ (ePMV 29. 4. 2011, S. 1, Protokollvermerk): Zuwahl von Margit Szöllösi-­Janze im Apr. 2004 (Wahl aber wegen Überlastung nicht angenommen), Ute Schneider und Simone Lässig im Okt. 2008, Ulrike von Hirschhausen und Susanne Schattenberg im Okt. 2011; betr. Vorstandsstatement von 2010: ePMV 30. 4. 2010, TOP 2; betr. Mitgliederstand im Apr. 2011 (35 Aktive, 14 Inaktive) im Einzelnen: vgl. die Angaben auf der Website des AKMS (dort auch zur weiteren Entwicklung).

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der in den zurückliegenden Monaten in besonderem Maße dazu beigetragen hatte, „manche Dinge in Bewegung zu bringen und dem Graf ’schen Beerdigungsangebot entgegenzutreten“ (Lenger). Auch darin äußerte sich der bereits angesprochene Schub relativer Verjüngung – wozu Tenfelde zuvor allerdings augenzwinkernd ins Bewusstsein gerufen hatte, dass ja auch früher schon durchaus junge Nachwuchskräfte noch ohne Professur, insofern also gar in „vorgeburtlichem Zustand“ aufgenommen worden waren. Und als primäre Rekrutierungskriterien galten künftig eben mehr als bisher „deutliche Forschungsschwerpunkte außerhalb der deutschen Geschichte und möglichst in den traditionell vernachlässigten Regionen Europas, aber auch in der außereuropäischen Geschichte“ (Raphael). Das zeigte sich übrigens bis ins Themenspektrum der Schriftenreihe, die nun wieder in Gang kam. Sicherlich wurde die herbe Graf-­Rüge vom Frühjahr 2002 nicht völlig gegenstandslos, dass „vielen Mitgliedern“ ihre je eigene Schriftenreihe „wichtiger als das literarische Markenzeichen des Arbeitskreises“ sei. Doch seit dem Übergang zum Böhlau-­Verlag erfuhr die Industrielle Welt nach kurzem Dahindümpeln einen deutlichen Wiederaufschwung. Mit Blick auf eine ganzseitige Würdigung des 63. Bandes (2002) in der FAZ -Literaturbeilage ließ sich denn auch befriedigt feststellen, die Reihe sei damit „in einer Weise prominent vorgekommen, wie man sich das nicht besser denken kann“ (Graf, 2003). Dass all dies jedoch nicht einfach als Garantie für gedeihliche Fortexistenz des Kreises genommen werden durfte, war den Beteiligten völlig klar und äußerte sich vorerst etwa in einer brieflichen Bemerkung vom Dezember 2002: „Ob der beinahe schon angetretene Trauerzug [zur Beisetzung des Kreises] damit aufgelöst ist oder ob Herr Graf doch noch als [theologisch-­rituell versierter] Zeremonienmeister tätig werden muss, wissen freilich nur die sprichwörtlichen Götter“ (Engelhardt). Solche Besorgnis schwand dann aber bei der zügigen Fortsetzung des Europa-­Projekts mit Tagungen und Publikationen zu weiteren zentralen Aspekten wie Sozialstaat/ Sozialpolitik, Gewalt, Medien und Kommunikation, Religion sowie abschließend Europäische Gesellschaften: Analysekonzepte und Selbstbeschreibungen im 20. Jahrhundert (2002/03 ff.). So konnte im Frühjahr 2007 mit einiger Zuversicht festgehalten werden: „Die langjährige Beschäftigung mit dem Thema der ‚Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert‘ kommt an ihr Ende – wir wollen im Herbst neue Perspektiven und ­Themen unserer Arbeit diskutieren […]“ (Raphael). Abgesehen von einer interimistischen Vergewisserung zur Situation von Sozialgeschichte heute (April 2011) folgte seit 2008 das nächste Schwerpunktthema Neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit, d. h. eine über Europa auch hinausgreifende „Neuvermessung der Geschichte von Arbeit, verstanden als Beschäftigung nicht allein mit der Geschichte der Arbeiterbewegung, sondern gerade auch mit den produktiven wie reproduktiven Aspekten des Lebensalltags der Arbeitenden; ebenso verstanden als Beschäftigung mit Arbeit im Sinne von ‚work‘, also mit dem konkreten

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­ rbeitshandeln und der Arbeitspraxis“ (so Eckert, seit dem Themenwechsel 1. VorA sitzender als Nachfolger von Raphael, der ein Jahr vor Ende seiner zweiten Amtszeit durch Berufung in den Wissenschaftsrat okkupiert wurde). Was auch dann freilich ein anhaltendes, bereits 2002 selbstkritisch wieder zu Protokoll gegebenes ceterum censeo blieb: •  dass man trotz Zuwahl weiterer Frauen nicht nur noch immer ein „ziemlich männerlastiger Klub“ war (Tanner, 2002), sondern •  dass auch bei neuerlichen Personalauffrischungen in den nächsten Jahren die „Hoffnung auf Belebung, dauerhafte Mitarbeit und Beteiligung an den Tagungsund Buchprojekten“ sich vorerst „nur begrenzt“ erfüllte (Vorstandsstatement, 2010); ja, •  dass der Kreis, obwohl zumindest in den eigenen Reihen zuweilen sehr wohl noch als „illuster“ (Dipper, 2000) oder „erlaucht“ eingestuft (Ch. Conrad, 2002), doch viel von seiner früheren Strahlkraft in der scientific community eingebüßt hatte; •  dass er folglich zur Wiedererlangung seines „alten Glanzes“ noch erhebliche Anstrengungen werde aufbringen und „eine der Hauptstärken der bisherigen Vereinstätigkeit“ bewahren müssen, nämlich die „Organisation einer ergebnisoffenen, problemorientierten wissenschaftlichen Diskussion über die etablier­ten Schul- und Disziplinengrenzen hinweg“ (Raphael, 2003). All das ­wiederum ist seinerseits zu sehen im Licht eines grundlegenden Bedingungswandels. Denn das erste halbe Jahrhundert der Arbeitskreisentwicklung stand weitgehend noch im Zeichen ­­ einer zweifachen Ausdehnung der Sozialhistorie:505 sowohl ihrer „inneren Expansion“, d. h. ihrer thematischen wie methodischen „Bereicherung, Ausdifferenzierung und damit manchmal auch Fragmentierung“; zugleich ihrer „äußeren Expansion“, d. h. ihres „siegreichen Eindringens“ in die sog. Allgemeinhistorie. Auch wenn oder gerade weil dieser Prozess inzwischen ans Ziel gekommen, die Sozialhistorie offenbar also generell nicht länger „im Brennpunkt des wissenschaftlichen, intellektuellen und ideenpolitischen Interesses“ zu finden ist, wird sich die Zukunft des Arbeitskreises nur gestalten lassen im Rahmen der bereits begonnenen „Rekonstitution der Sozialgeschichte“.

505 Dazu allg. Kocka, Sozialgeschichte seit 1945 (Zitate: S. 30 bzw. 4 bzw. 36 f.), zudem, mit Bezug auch auf Kocka, aber perspektivisch noch breiter, Raphael, Geschichtswissenschaft, Kap. X (Aufstieg und Fragmentierung der Sozialgeschichte), bes. X. 8 (Siegestaumel und Selbstzweifel).

Nachwort Der Arbeitskreis seit den 2000er Jahren Andreas Eckert und Ulrike Hirschhausen

Ulrich Engelhardts Geschichte des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte endet in den frühen 2000er Jahren. Zu Beginn des neuen Jahrtausends machte der Kreis, wie Engelhardt berichtet, eine größere Krise durch, die diesmal gar bis zum elaborierten Vorschlag einer „ordnungsgemäßen und stilvollen“ Selbstauflösung führte. Solche Krisen durchlief und überwand der Arbeitskreis seit seiner Gründung unter Werner Conze 1957 immer wieder und bewies dabei Resilienz. Ein wesentlicher Grund der Krise um 2001/02 lag rückblickend in der Diskrepanz ­zwischen einer relativ konstanten Institution, ­welche sich die „ergebnisoffene, problemorientierte wissenschaftliche Diskussion über Schul- und Disziplingrenzen hinweg“, so Lutz Raphael, aufs Panier geschrieben hatte, und einer veränderten Wissenschaftslandschaft, die zunehmend ergebnisorientiert, projektbezogen, personell rotierend agiert und unter hohem Mittel- und Publikationsdruck steht. Wie passt in ein solches verändertes Klima ein Arbeitskreis hinein, dessen Wahrnehmung als exklusives Forum wenig zeitgemäß erscheint und der als wirksamer Themensetzer und Referenz für aktuelle Debatten nur noch selten mitspielt bzw. als ­solche gesehen wird? Wie hat sich die wissenschaftliche Position des Kreises, der eine sozialgeschichtliche Perspektive auf historische Phänomene und Entwicklungen weiterhin als zentral erachtet, durch die Herausforderung kulturwissenschaftlicher Prämissen und globaler Orientierungen geändert und was markiert seinen Ort heute? Zu Beginn des neuen Jahrtausends war es vor allem die Wahl des neuen Rahmenthemas, das unter der energischen Regie des neuen Vorsitzenden Lutz Raphael, unterstützt von Friedrich Wilhelm Graf, zu einer frischen Dynamik führte: In Diskussionen seit 1995 und Tagungen bis 2007 hat sich der Arbeitskreis auf überaus produktive Weise mit der „Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ beschäftigt. Urbane Räume, religiöse Praktiken, Massenmedien oder Sozialpolitiken, um nur einige Beispiele zu nennen, wurden nun transnational analysiert, teilweise auch nicht-­europäische Regionen explizit einbezogen, wie in Andreas Eckerts Beitrag „Exportschlager Wohlfahrtsstaat? Europäische Sozialstaatlichkeit und Kolonialismus in Afrika nach dem zweiten Weltkrieg?“ in dem von Christoph Conrad herausgegebenen Themenheft „Sozialpolitik transnational“ der Zeitschrift „Geschichte

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und Gesellschaft.506 Die Auseinandersetzung mit der Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhunderts schlug sich in der Publikation von vier mittlerweile einschlägigen und häufig referierten Sammelbänden nieder, die ­zwischen 2006 und 2012 in der „Industriellen Welt“, der „Schriftenreihe“ des Arbeitskreises, erschienen: zur Geschichte der europäischen Stadt (Friedrich Lenger/Klaus Tenfelde (Hg.): Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert. Wahrnehmung – Entwicklung – Erosion, 2006); zur Geschichte der Religionen im Europa des 20. Jahrhunderts (Friedrich-­Wilhelm Graf/Klaus Große Kracht (Hg.): Religion und Gesellschaft. Europa im 20. Jahrhundert, 2007), zur europäischen Mediengeschichte (Ute Daniel/Axel Schildt (Hg.): Massenmedien in Europa im 20. Jahrhundert, 2010) sowie schließlich zu Ordnungsentwürfen und Selbstbeschreibungen Europas seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts (Lutz Raphael (Hg.): Theorien und Experimente der Moderne. Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert, 2012).

„Arbeit“ historisieren: der Arbeitskreis 2007 – 2014 Als die letzteren beiden Bände erschienen, hatte sich der Arbeitskreis bereits zu neuen Ufern aufgemacht. Unter der Leitung von Andreas Eckert, der 2007 den Vorsitz von Lutz Raphael übernahm, setzten sich die Mitglieder die „Geschichte der Arbeit“ als künftiges Rahmenthema und suchten damit ein klassisches, zwischenzeitlich eher peripheres, aber durch globale Perspektiven an Dynamik gewinnendes Feld der Sozialgeschichte in den Blick zu nehmen. Damit verbunden war das dezidierte Anliegen, Einsichten der Geschichtsschreibung zu nichteuropäischen Regionen stärker als bislang in die Debatten des Arbeitskreises einzubeziehen und mit deutschen und europäischen Perspektiven konstruktiv zu verbinden. Mit den „Umrissen einer historischen Semantik des Begriffs ‚Arbeit‘“ (Willibald Steinmetz) und einer Darlegung „Neue(r) Trends in der Geschichte der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften“ (Thomas Kroll), wie sie auf der „Auftakttagung“ zum neuen Arbeitsschwerpunkt auf der Frühjahrstagung 2008 vorgestellt wurden, fanden zwei ­Themen Eingang, die einst zu den Schwerpunkten der Sozialgeschichte und des Arbeitskreises gehört hatten, jetzt hingegen die Nation und teilweise auch Europa als Analyserahmen zunehmend überschritten. Ihnen widmete der Arbeitskreis in der Folge jeweils eigene Tagungen. Die Frühjahrstagung 2010 beschäftigte sich mit „Arbeitskämpfe(n) und Streiks in transnationaler Perspektive“ und testete die neuen Sichtweisen etwa durch Beiträge zu Streiks in südafrikanischen Minen ­zwischen 1880 und 1980 oder zu Arbeitskämpfen im frankophonen Afrika w ­ ährend 506 Vgl. Geschichte und Gesellschaft, Bd. 32, Heft 4 (2006). Das Heft ging aus Referaten der Frühjahrstagung 2004 hervor.

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Nachwort

der Dekolonisation aus. Zusammen mit den auf Europa bezogenen Beiträgen zu Hafenarbeiterstreiks seit dem 19. Jahrhundert und zu einem Vergleich der Arbeitsbeziehungen bei Ford in Deutschland und Großbritannien in den 1970er Jahren führten sie zu eingehenden Diskussionen über Möglichkeiten und Grenzen von vergleichenden Zugängen und – noch vorläufigen – Überlegungen, wie Verflechtungen ­zwischen Europa und Afrika auf der Ebene der Arbeitsbeziehungen konzeptualisiert werden können. Größere Resonanz entfaltete das Thema „Semantiken von Arbeit“ auf der Herbsttagung 2011 in Bochum. Die Beiträge dieser Tagung gingen zusammen mit den Referaten einer 2010 am Freiburg Institute for Advanced Study (FRIAS) organisierten Konferenz in den Band „Semantiken von Arbeit: Diachrone und vergleichende Perspektiven“ ein, ­welchen Jörn Leonhard und Willibald Steinmetz herausgaben. In ihrer ausführlichen Einführung zeichnen sie facettenreich die Transformation von der „Begriffsgeschichte“ zur historischen Semantik von „Arbeit“ nach und argumentieren, dass „Geschichten des semantischen Wandels von Arbeitsbegriffen und ihrer sich ändernden Verwendung in Handlungszusammenhängen unverzichtbarer Bestandteil jeder Sozial-, Politik- oder Rechtsgeschichte von Arbeitsformen und Arbeitsbeziehungen“ s­eien. „Was Menschen als ‚Arbeit‘ definieren, wie sie ihre ‚Arbeit‘ im Verhältnis zu den Tätigkeiten anderer verstehen, hat unmittelbare Auswirkungen auf ihre soziale, rechtliche und politische Lage. Der Wortgebrauch ist weder arbiträr noch harmlos“ (S. 59). Europäische und globale Dimensionen sind in diesen Band gleichermaßen vertreten und verdeutlichen die vom Arbeitskreis angestrebte semantische, räumliche und inhaltliche Erweiterung klassischer ­Themen der Sozialgeschichte. Die Beiträge umfassen Aspekte wie „Arbeit und Status in den iberischen Königreichen und ihren amerikanischen Kolonien im 17. und 18. Jahrhundert“, das Konzept der Lohnarbeit im kolonialen Kongo oder „Arbeit als Dienst am ganzen. Nationalsozialismus und New Deal im Vergleich.“ Die neuen Perspektiven wurden mehr als deutlich: Werner Conze hatte in seinem einschlägigen Artikel „Arbeit“ in den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ – dem Großprojekt des Arbeitskreises in den 1970er und 1980er Jahren – den Schwerpunkt auf die Sattelzeit ­zwischen 1750 und 1850 gelegt, die Rezeption des Arbeitsbegriffs primär im deutschsprachigen Raum untersucht und die Aufwertung von Arbeit als Leitmotiv verwendet. Nun erweitert der Band von Leonhard und Steinmetz den Blick auf das Sprechen über Arbeit zeitlich, räumlich und methodisch und setzt der Großerzählung Conzes eher das Auslaufen der Unterscheidbarkeit von Arbeit und Nicht-­Arbeit in der Gegenwart entgegen.507 507 Vgl. Jörn Leonhard und Willibald Steinmetz (Hg.), Semantiken von Arbeit: Diachrone und vergleichende Perspektiven, (Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Bd. 91, Wien/Köln 2016.

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Ein weiterer gewichtiger Sammelband resultierte zuvor aus der Herbsttagung 2010 in Frankfurt, die vom stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Rückert geleitet wurde und die interdisziplinäre Perspektive, die der Arbeitskreis seit jeher suchte, wenn auch nicht immer praktizierte, neu anschob. Diese Tagung konzentrierte sich auf „Arbeit und Recht im 19. und 20. Jahrhundert – historisch und vergleichend, europäisch und global“ und formulierte als Ausgangsbasis, dass der Faktor Recht aufgrund der damit verbundenen legalen Zwangsdrohung und Zwangsgewalt eine der härtesten und umfassendsten historischen Strukturen gerade auch in der Welt der Arbeit darstelle, in der Forschung jedoch zu selten die gebührende Aufmerksamkeit erfahre. Anhand von fünf thematischen Schwerpunkten –„ Arbeit definieren“, „Sich Recht verschaffen“, „Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Recht“, „Arbeitsregime im Übergang“ und „Der Staat als Arbeitgeber“ – sowie unter Einbeziehung transnationaler Perspektiven und nicht-­europäischer Regionen (Japan, Afrika) legten die Tagung und sowie die 2014 erschienene Publikation „Arbeit und Recht seit 1800: historisch und vergleichend, europäisch und global“ wichtige Grundlagen für weitere Debatten zu dieser Thematik. „Konturen einer Globalgeschichte der Arbeit“, wie sie dann im Sammelband zu den Semantiken von Arbeit eindrucksvoll aufscheinen, bildeten das Thema der Frühjahrstagung 2009. Marcel van der Linden, der als Forschungsdirektor am International Institute of Social History (IISH) in Amsterdam seit Ende der 1990er Jahre zusammen mit Jan systematisch den Bereich der Global Labour History aufgebaut hatte, skizzierte, wie globale Perspektiven die Beschäftigung mit der Geschichte der Arbeit veränderten. Er verwies etwa darauf, dass alle zentralen Begriffe der traditionellen Arbeitsgeschichte wie „Arbeiterklasse“ oder „Arbeiterschaft“ im Wesentlichen auf Erfahrungen in der nordatlantischen Region gegründet s­ eien und daher kritisch überprüft werden müssten. Verschiedene Anläufe, auf der Grundlage der Referate dieser Tagung einen Band zur globalen Arbeitsgeschichte in der „Industriellen Welt“ zu publizieren, endeten ohne konkrete Ergebnisse, auch weil sich inzwischen zahlreiche einschlägige Sammelbände parallel in Vorbereitung befanden.508 Insgesamt muss die Bilanz des Arbeitsschwerpunkts „Geschichte der Arbeit“ gemischt ausfallen, und dies aus Gründen, die sich durch die neuere Historie des Arbeitskreises ziehen. Substantielle Beiträge und inspirierende Debatten darüber, wie „Arbeit“ in transnationaler und globaler Perspektive neu zu denken und histo­ risch zu konzeptualisieren ist, prägten viele der Tagungen und führten zu wenigen, aber grundlegenden Publikationen, waren jedoch nur bedingt imstande, die 508 Etwa Andreas Eckert (Hg.): Global Histories of Work, Berlin/Boston 2016; Karin ­Hofmeester/ Marcel van der Linden (Hg.): Handbook Global History of Work, Berlin/Boston 2018; ­Stefan Berger/Holger Nehring (Hg.), The History of Social Movements in Global Perspective: A Survey, London 2017.

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Nachwort

­ itglieder über ­dieses Thema wissenschaftlich enger zu verbinden und „Arbeit“ M zu einem wirklich gemeinsamen Projekt zu machen.

Sozialgeschichte als Leitmotiv? Die Diskussion, ob der Arbeitskreis eigentlich noch zu Recht das Etikett „für Sozialgeschichte“ in Anspruch nehme und ob „Sozialgeschichte“ nach wie vor einen gemeinsamen Nenner für seine Mitglieder markiere, flammte auch im neuen Jahrtausend wiederholt auf. Eine s­olche Selbstreflexion verknüpfte sich immer wieder mit der Frage nach Rolle, Bedeutung und distinkten Merkmalen von Sozialgeschichte, zumal angesichts der immer rascher vorbeiziehenden turns in der Geschichtswissenschaft. Zur Selbstverständigung innerhalb des Kreises, aber auch zum Zwecke einer historiographischen Bestandsaufnahme stand die Frühjahrstagung 2011 unter dem Thema „Sozialgeschichte Heute“. Neben Überblicken zur Sozialgeschichtsschreibung in Indien, Großbritannien und Frankreich/Italien seit den 1960/70er Jahren (Ravi Ahuja, Bernd Weisbrod, Thomas Kroll) loteten weitere Beiträge etwa den Platz des Sozialen nach den diversen turns – Linguistic, Cultural, Emotional und Global (Jörn Leonhard, Ute Daniel, Ute Frevert, ­Sebastian Conrad) – aus. Insgesamt entstand, wenig überraschend, ein buntes Bild. Das Thema der sozialen Ungleichheit auf lokaler wie auch globaler Ebene, die langsame Abkehr von einer Fortschrittserzählung, die Prozesse des Schrumpfens oder völligen Verschwindens sozialer Gruppen oder Institutionen oder die Nützlichkeit des Klassenkonzepts waren nur einige der Aspekte, die in der Diskussion zur Sprache kamen. Insbesondere Marcel van der Linden und Ravi Ahuja mahnten an, Entwicklungen im „globalen Süden“ stärker in „allgemeine“ sozialhistorische Konzepte und Ansätze zu integrieren und nicht als erklärungsbedürftige „Abweichungen“ zu fassen. Nicht zuletzt fanden das Verhältnis von Wirtschafts- und Sozialgeschichte bzw. der Platz der Ökonomie in der Sozialgeschichte besondere Aufmerksamkeit. Dem war die Herbsttagung 2013 über „Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Perspektiven einer Synthese“ gewidmet, auf der Themenblöcke wie „Kapitalismus“, „Ungleichheit“ und „Moral Economies“ verhandelt wurden. Am Ende mochte sich jedoch niemand durchringen, die Beiträge der beiden Tagungen in einem Band zusammenzuführen. Stattdessen haben viele Mitglieder zu ebendiesen konzeptuellen Fragen und explorativen Perspektiven an anderen Orten publiziert und so indirekt den Charakter des Arbeitskreises als Reflexionsort für breitere sozialhistorische Debatten bestätigt.

Kapitalismus neu denken: das Rahmenthema 2014 bis heute

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Kapitalismus neu denken: das Rahmenthema 2014 bis heute Was bereits für die „Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ gegolten hatte, nämlich dass der Arbeitskreis übergreifende politische und gesellschaftliche Konjunkturen als Rahmenthema historisiert, traf ebenso auf den neuen Schwerpunkt seit 2014 zu: die Geschichte des Kapitalismus. Als die markwirtschaftliche Wirtschaftsordnung nach der Finanzkrise von 2008 unter neuen Legitimationsdruck geriet und sowohl der Kapitalismus wie sozialistische Gegenutopien breites gesellschaftliches Interesse fanden, stellte der Arbeitskreis den Kapitalismus als klassisches Thema der Sozialgeschichte neu in den Mittelpunkt. Zunächst stellte sich die Frage, wie Kapitalismus heute zu definieren ist, wenn wir die traditionelle Koppelung von Kapitalismus und Wirtschaftswachstum in Frage stellen und den Kapitalismus von westlicher Industrialisierung als Grundlage lösen? Mit solchen Fragen hat sich der Arbeitskreis auf mehreren Tagungen zur Theoriegeschichte des Kapitalismus beschäftigt, deren Beiträge, beispielsweise von Jürgen Kocka, ­Friedrich Lenger und Wolfgang Knöbl, in Themenheften der Zeitschriften Journal for Modern European History und des Mittelwegs 36 publiziert wurden.509 Zugleich eröffnen diese Fragen zentrale Handlungsfelder kapitalistischer Akteure in Weltregionen, in die der Arbeitskreis bislang nur vereinzelt geschaut hatte, etwa Afrika, Asien und den Amerikas. Mit der Loslösung des Kapitalismuskonzepts von Wirtschaftswachstum und Industrialisierung geraten auch die Finanzkapitalismen der unmittelbaren Gegenwart sowie die Handelskapitalismen der Frühen Neuzeit in den Blick und damit Epochen, die jenseits der „Moderne“ als lange Zeit favorisiertem Gegenstand des Arbeitskreises liegen. Neue Perspektiven auf die Regionen des globalen Südens sind bislang nicht ausreichend entfaltet worden, auch wenn sich zwei Tagungen explizit dieser Aufgabe verschrieben. Auf der Tagung „Kapitalismus und globaler Süden“ im Herbst 2016 hat beispielsweise Nicola Spakowski die Möglichkeitsbedingungen des Kapitalismus ohne Demokratie in China eindrucksvoll durchdekliniert und damit die Konzentration auf ein Großthema unterstrichen, das nicht allein ökonomische, sondern auch gesellschaftliche Ordnungen maßgeblich miterzeugt und verändert. Während die Integration nichtwestlicher Regionen und Praktiken erst schrittweise Fahrt aufnimmt, traten die kulturellen Dimensionen des Themas Kapitalismus bei 509 Friedrich Lenger: „Die neue Kapitalismusgeschichte. Ein Forschungsbericht als Einführung“, in: Archiv für Sozialgeschichte 56 (2016), S. 1 – 36; Jürgen Kocka/Marcel van der Linden (Hg.): Capitalism. The Reemergence of a Historical Concept, London 2016; sowie die Beiträge von Friedrich Lenger und Jürgen Kocka im Forum „Wie schreibt man die Geschichte des Kapitalismus?“, in: Journal of Modern European History, Vol. 15 (2017), Heft 4.

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der Bearbeitung stärker nach vorne als bisher. Bereits auf der von Ute Schneider und Jakob Tanner organisierten Tagung 2017 zu „Zahlen als Medium des Kapitalismus“ war dies der Fall, vor allem aber auf der von Ute Frevert verantworteten Tagung „Kapitalismus, Märkte und Moral“ im Herbst 2018, wo es zu einer Kontro­ verse über Moral als „kritische Antriebskraft und Korrekturquelle des Kapitalismus“ kam.510 Das Thema des Kapitalismus bleibt weiterhin Gegenstand der Diskussionen des Arbeitskreises, verweist aber mit der Herbsttagung 2019 über „Kapitalismus global“ bereits auf mögliche zukünftige Schwerpunkte einer Historisierung der Globalisierung.

Finanzierung, Mitglieder, Orte Die Öffnung des Arbeitskreises für außereuropäische und globale Perspektiven, die mit dazu beitragen, klassische Th ­ emen wie „Arbeit“ oder „Kapitalismus“ neu zu denken, spiegelt allgemeine Tendenzen der Geschichtswissenschaft wieder. Freilich konnte der Arbeitskreis seine frühere Rolle als zentraler Impulsgeber, wie beispielsweise durch die Herausgabe der „Geschichtlichen Grundbegriffe“, in einer deutlich ausdifferenzierten Forschungslandschaft nicht aufrechterhalten. Eher fungiert er heute als Reflexionsort für geschichtswissenschaftliche Ansätze, ­Themen und Methoden, der scharfe gegenseitige Kritik weiterhin als zentrale Grundbedingung des wissenschaftlichen Diskurses betrachtet und sich Zwängen von „Sagbarkeit“ entzieht. Die Kehrseite dieser Freiheit und des fehlenden Zwangs zur Projektierung, Ökonomisierung und Publizierung sind jedoch gelegentliche Probleme der Finanzierung. Die Grundfinanzierung aus Baden-­Württemberg und teils aus der Werner-­Reimers-­ Stiftung/Bad Homburg war Ende 2005 ausgelaufen. Die Thyssen-­Stiftung und der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft haben die Rahmenthemen „Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ sowie „Geschichte der Arbeit“ zeitweise großzügig gefördert. Einzelne Tagungen zum letzteren Thema konnten durch das von Andreas Eckert geleitete und vom BMBF finanzierte Käte Hamburger Kolleg „Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Perspektive“ aufgrund der thema­ tischen Nähe finanziell unterstützt werden. Als die Finanzquellen im Frühjahr 2016 zu versiegen schienen, bot Wolfgang Knöbl an, den Arbeitskreis mit seiner Kapitalismus-­Thematik ab 2016 am Hamburger Institut für Sozialforschung anzusiedeln, zu dessen DNA soziologische und historische Annäherungen an d ­ ieses Thema seit jeher gehörten. Das Interesse inhaltlich nahestehender geschichtswissenschaftlicher Institutionen, den Arbeitskreis bei sich zu beherbergen, setzt sich 510 Vgl. Ute Frevert, Kapitalismus, Märkte und Moral, Salzburg 2019, S. 17

Finanzierung, Mitglieder, Orte

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in der unmittelbaren Gegenwart fort. Seit 2019 hat der Kreis im Zentrum für Zeithistorische Forschungen in Potsdam, das von Frank Bösch mitgeleitet wird, eine neue Heimat gefunden und wird damit erstmals in seiner über 60jährigen Geschichte im Osten Deutschlands sein Zelt aufschlagen. Die räumliche Erweiterung der Perspektiven über Europa hinaus zieht auch neue Mitglieder an, die den Arbeitskreis in den letzten Jahren wieder erheblich vergrößert haben. Im Jahr 2001 lag die Zahl aktiver Mitglieder bei 29, 2010 bei 25 und ist unter der neuen Vorsitzenden Ulrike Hirschhausen wieder auf derzeit 31 Mitglieder angestiegen, vor allem im Blick auf außereuropäische Räume. Andreas Eckert war zunächst eines der wenigen Mitglieder, das den Arbeitskreis immer wieder aufforderte, seine eurozentrische Perspektive um afrikanische und asiatische Handlungsräume zu erweitern. Zwischenzeitlich waren mit Ulrike Freitag, (2002 – 2006) und Reinhard Schulze (2007 – 2017) der Nahe Osten und die islamische Welt im Arbeitskreis vertreten, derzeit sind mit Ravi Ahuja (seit 2016) für Südasien und Michael Goebel (seit 2019) für Lateinamerika wichtige Weltregionen jenseits Europas im Arbeitskreis präsent. Hinzu kamen Mitglieder mit einem zumindest partiellen Interesse an globalgeschichtlichen Perspektiven (wie etwa Sebastian Conrad, seit 2008; Ulrike Hirschhausen, seit 2011; Laura Rischbieter, seit 2017; Kiran Patel, seit 2017; Frank Bösch, seit 2017). Der geringe Anteil von Frauen, der seit langem auf jeder Mitgliederversammlung thematisiert wird, bleibt eine Aufgabe der Zukunft. Grundsätzlich spiegelt sich darin auch ein strukturelles Problem zumal des deutschen Wissenschaftsbetriebes und auch der historischen „Zunft“ wieder. Die vergleichsweise noch immer wenigen Professorinnen, deren fachliches Profil für den Arbeitskreis passend wäre, sind in Gremien, Kommissionen und Beiräten und bei Begutachtungen besonders nachgefragt und wägen weitere Verpflichtungen genau ab. Auch das interdisziplinäre Profil des Kreises, das in den ersten Jahrzehnten, wie Engelhardt deutlich macht, zu den prägendsten Alleinstellungsmerkmalen des Kreises gehörte, ist derzeit ebenfalls schwach ausgeprägt. VertreterInnen benachbarter Fächer, die von Beginn an dezidiert Teil des Arbeitskreises sein sollten, versprechen sich fachlich wie institutionell tendenziell weniger von einer Mitarbeit. Ihr Interesse an interdisziplinären Debatten können viele in einem der zahlreichen Verbundforschungsprojekte stillen, und neben den eigenen Fachorganisationen ist die Beteiligung an internationalen Assoziationen wohl oft attraktiver als die Mitgliedschaft in einer deutschen Vereinigung eines Nachbarfaches. Von den drei Soziologen im Kreis spielte lediglich Wolfgang Knöbl eine sehr aktive Rolle, während Jens Beckert als zeitweilig alleiniger Direktor des Kölner Max-­Planck-­Instituts für Gesellschaftsforschung und Rudolf Stichweh als Rektor der Universität Luzern bestenfalls sporadische Gäste sein konnten. Versuche, den Bereich der Theologie/Religionswissenschaften personell zu erweitern, gelangen ebenso wenig wie die Gewinnung einer/s dringend

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benötigten Ökonomen/in. Die Disziplinen Kunstwissenschaften und Politologie blieben nach dem Übertritt in den Inaktiven-­Status von Hubertus Kohle und Sigrid Meuschel (beide 2006) vakant. Immerhin konnte der Arbeitskreis kontinuierlich auf juristischen Sachverstand zählen, vor allem in Gestalt des langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden Joachim Rückert, nun verstärkt durch Andreas Thier (Zürich). Seit 1962511 gibt der Arbeitskreis die Schriftenreihe „Industrielle Welt“, die zunächst den Titel „Soziale Welt“ trug, heraus, die erst im Stuttgarter Verlag Klett-­ Cotta und seit Bd. 60, 2001, im Kölner Verlag Böhlau, der 2017 mit Vandenhoeck & Ruprecht zusammengegangen ist, erscheint, mit inzwischen rund 100 Bänden. Hier werden sowohl Sammelbände seiner Tagungen publiziert wie auch Dissertationen und Habilitationen, die im Umfeld des Arbeitskreises entstanden sind und entstehen. Wegweisende Monographien wie Sven Reichardts „Faschistische Kampfbünde“ befinden sich weiterhin auf der Backlist des Verlags, ebenso einschlägige Sammelbände wie „Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts“, den Ute Daniel gemeinsam mit dem 2019 verstorbenen Arbeitskreis-­Mitglied Axel Schildt herausgab. Derzeit erscheinen etwa zwei bis vier Monographien pro Jahr. Was bleibt mithin von einem 1957 gegründeten Kreis, der damit begann, „Sozialhistorie zur Integrationswissenschaft auszubauen“ (W. Conze), dessen Theorieaffinität weiter besteht, der aber doch heute nur bedingt ausstrahlungsstark erscheint, dessen Organisation locker ist, dessen Orte wechseln, und dessen Mitglieder sich primär aus Freude an kontroversen Diskussionen zum verbindenden Kernthema „Was ist Sozialgeschichte heute?“ zweimal im Jahr treffen? Trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen und zahlreicher, vielleicht mehr Reputation versprechender Angebote betonen Mitglieder immer wieder, dass es d ­ iesem Kreise gelinge, einen besonderen Raum zu schaffen, der die Diskussion kontroverser wissenschaftlicher Positionen mit hoher gegenseitiger persönlicher Wertschätzung verbinde und damit auch im 21. Jahrhundert das praktiziere, was Thomas ­Nipperdey 1980 in einem Brief an Werner Conze als den wohl größten Vorzug des Kreise ausmachte: Dass „wir gerade in ­diesem Kreise jenseits der Grundlagendifferenzen und jenseits auch der Differenzen, die sich in Aufsätzen und Büchern einzelner Teilnehmer durch bestimmte Perspektiven und Wertungen ergeben, sehr gut auf einer mittleren Eben zusammen diskutieren können.“ 512

511 Band 2 usw. erschienen ab 1962, Bd. 1 über Staat und Gesellschaft aber erst 1978. 512 Zitiert nach Ulrich Engelhardt, Konzepte der „Sozialgeschichte“ im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte, Bochum 2007, S. 17.

Anhang 1

Mitglieder 1957 – 2019 (Mit Aktualisierung durch Christof Dipper. – Die Ortsangaben beziehen sich nur auf den/ die Wirkungsort/e während der aktiven Mitgliedschaft, die Zeitangaben auf die Zuwahl bzw. den Übertritt in den Inaktivenstatus bzw. den Austritt; * = Gründungsmitglied; IA = Inaktives Mitglied; A = ausgetreten)

Ahuja, Ravi (geb. 1961), Göttingen, Moderne indische Geschichte: November 2016 Baberowski, Jörg (geb. 1961), Berlin HU, Geschichte Osteuropas: April 2009, IA seit 2016 Bausinger, Hermann (geb. 1926), Tübingen, Empirische Kulturwissenschaft/Volkskunde: März 1983, IA seit Oktober 1988 Beckert, Jens (geb. 1967): Göttingen/Köln, Soziologie: Oktober 2004 Berger, Stefan (geb. 1964), Bochum, Sozialgeschichte und soziale Bewegungen: Oktober 2011 Beutin*, Ludwig (1903 – 1958), Köln, Wirtschafts- und Sozialgeschichte: April 1957 bis zu seinem Tod im September 1958 Böckenförde, Ernst-­Wolfgang (1930 – 2019), Münster/Heidelberg/Bielefeld/Freiburg, Rechts- u. Staatswissenschaften/Verfassungsgeschichte: März 1967, A 1980 Bösch, Frank (geb. 1969), Potsdam, Europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts: April 2017 Borchardt, Knut (geb. 1929), Mannheim/München, Wirtschaftswissenschaft/Wirtschaftsgeschichte: Oktober 1965, IA seit April 1998 Braun, Rudolf (1930 – 2012), Berlin/Zürich, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: März 1968, IA seit Ende Oktober 1994 Brunner*, Otto (1898 – 1982), Hamburg, Mittelalterliche und Neuere Geschichte/ Sozial- u. Begriffsgeschichte: April 1957, IA seit Sommer 1979 Buchheim, Christoph (1954 – 2009), Mannheim, Wirtschaftsgeschichte: April 1998, aber aus gesundheitlichen Gründen unmittelbar danach wieder ausgeschieden Conrad, Christoph (geb. 1956), Genf, Neueste Geschichte: Oktober 2002 Conrad, Sebastian (geb. 1966), Florenz/Berlin FU, Globalgeschichte/(Post-)koloniale Geschichte/Intellectual History: April 2008 Conze*, Werner (1910 – 1986), Heidelberg, Neuere Geschichte/Sozial- u. Begriffsgeschichte: April 1957 bis zu seinem Tod im April 1986

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Anhang 1

Daniel, Ute (geb. 1953), Braunschweig, Neuere Geschichte u. Geschichte der ­Frühen Neuzeit: Oktober 1999 Dilcher, Gerhard (geb. 1932), Frankfurt a. M., Rechtswissenschaft/Verfassungsgeschichte: Oktober 1984, IA seit Oktober 1999 Dipper, Christof (geb.  1943), Darmstadt, Neuere Geschichte und Neueste Geschichte: Oktober 2000 Eckert, Andreas (geb. 1964), Hamburg, Geschichte Afrikas: Oktober 2002 Engelhardt, Ulrich (geb. 1940), Heidelberg, Neuere Geschichte/Sozial- u. Begriffsgeschichte: April 2005, IA seit Oktober 2011 Fischer, Wolfram (geb. 1928), Berlin, Wirtschaftswissenschaft/Wirtschafts- u. Sozialgeschichte: April 1966, IA seit April 2002 Freitag, Ulrike (geb. 1962), Berlin, Islamwissenschaft: Oktober 2002, IA seit Oktober 2006 Frevert, Ute (geb. 1954), Konstanz/Bielefeld/Yale/Berlin, Neuere Geschichte, Sozialgeschichte: April 1990 Frühwald, Wolfgang (1935 – 2019), München, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft: April 1983, A 1986 Geyer, Dietrich (geb. 1928), Tübingen, Geschichte Osteuropas: Oktober 1978, IA seit April 1995 Goebel, Michael (geb. 1976), Genf, Internationale Geschichte: April 2019 Gollwitzer, Heinz (1917 – 1999), Münster, Neuere u. Neueste Geschichte: Oktober 1963, IA seit Frühjahr 1965 Graf, Friedrich Wilhelm (geb. 1948), Hamburg/Augsburg/München, Systematische Theologie/Religionsgeschichte: Oktober 1989 Grimm, Dieter (geb. 1937), Bielefeld/Karlsruhe/Berlin, Rechtswissenschaft/Rechtsu. Verfassungsgeschichte: Oktober 1982, IA seit 2011 Gruner, Erich (1915 – 2001), Bern, Geschichte u. Soziologie der Schweizerischen Politik/Sozialgeschichte: Oktober 1970 (Zuwahl nicht angenommen) Hildermeier, Manfred (geb. 1948), Göttingen, Geschichte Osteuropas: April 1998, IA seit April 2009 Hilger, Dietrich (1926 – 1980), Hamburg, Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte: Oktober 1970 bis zu seinem Tod im März 1980 von Hirschhausen, Ulrike (geb. 1964), Rostock, Europäische Geschichte und Global­ geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts: Oktober 2011

Mitglieder 1957 – 2019

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Höpken, Wolfgang (geb. 1952), Braunschweig/Leipzig, Geschichte Ost- u. Südost­ europas: Oktober 2002, IA Holzem, Andreas (geb. 1961), Tübingen, Mittlere u. Neuere Kirchengeschichte: Oktober 2003, IA seit Oktober 2006 Ipsen*, Gunther (1899 – 1984), Münster (Dortmund)/Gauting, Soziologie: April 1957, IA seit Sommer 1969 Jantke*, Carl (1909 – 1989), Hamburg, Soziologie: April 1957, IA seit Ende 1968/ Anfang 1969 Jürgensen, Harald (1924 – 2008), Münster/Saarbrücken/Hamburg, Wirtschafts-/ Verkehrswissenschaft: Oktober 1958, IA seit Frühjahr 1965 Kaelble, Hartmut (geb. 1940), Berlin, Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte: April 1985, IA seit Oktober 2011 Kaschuba, Wolfgang (geb. 1950), Berlin, Empirische Kulturwissenschaft/Volkskunde: Oktober 1989, IA Knöbl, Wolfgang (geb. 1963), Göttingen/HIS Hamburg, Soziologie: April 2008 Kocka, Jürgen (geb. 1941), Münster/Bielefeld/Berlin, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: März 1973, IA seit 2013 Köllmann, Wolfgang (1925 – 1997), Bochum, Demographie/Sozialgeschichte: Oktober 1966, IA seit Ende Oktober 1994 Kohle, Hubertus (geb. 1959) Köln/München, Kunstgeschichte: April 1999, IA seit Oktober 2006 Koselleck, Reinhart (1923 – 2006), Heidelberg/Bochum/Heidelberg/Bielefeld, ­Neuere Geschichte, Sozial- u. Begriffsgeschichte: Oktober 1965, IA seit Oktober 1998 Kroll, Thomas (geb. 1965), Jena, Westeuropäische Geschichte: April 2007 Krüger, Herbert (1905 – 1989), Hamburg, Rechts- u. Staatswissenschaft: Oktober 1958, IA seit Ende 1968/Anfang 1969 Langewiesche, Dieter (geb. 1943), Hamburg/Tübingen, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: März 1982, IA seit April 2002 Lässig, Simone (geb. 1964), Braunschweig/DHI Washington, Neuer und Neueste Geschichte: Oktober 2008 Lenger, Friedrich (geb. 1957), Gießen, Mittlere u. Neuere Geschichte/Sozial- u. Wissenschaftsgeschichte: Oktober 2000 Leonhard, Jörn (geb. 1967), Freiburg, Geschichte des Romanischen Westeuropa: April 2008

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Anhang 1

Lepsius, M[ario] Rainer (1928 – 2014), Mannheim/Heidelberg, Soziologie: März 1967, IA seit Oktober 1998 Ludz, Peter Christian (1931 – 1979), Berlin/Bielefeld/München, Politikwissenschaft/ Soziologie: März 1967 bis zu seinem Tod 1979 Maschke, Erich (1900 – 1982), Heidelberg, Mittlere u. Neuere Geschichte/Wirtschaftsgeschichte: April 1959, IA seit März 1973 Merkel, Wolfgang (geb. 1952), Heidelberg, Politikwissenschaft: April 1999, IA seit Oktober 2002 Meuschel, Sigrid (geb. 1944), Leipzig, Politikwissenschaft: Oktober 1998, IA seit Oktober 2006 Mommsen, Hans (1930 – 2015), Bochum/Feldafing, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: Oktober 1979, IA seit Ende 2006 Nipperdey, Thomas (1927 – 1992), Berlin/Karlsruhe u. Heidelberg/München, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: März 1968 bis zu seinem Tod im Juni 1992 Nürnberger*, Richard (1912 – 1999), Göttingen, Neuere Geschichte: April 1957, IA seit März 1982 Nützenadel, Alexander (geb. 1965), Frankfurt/O./Berlin HU, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: April 2007 Oexle, Otto Gerhard (1939 – 2016), Münster/Hannover/Göttingen, Mittelalterliche Geschichte/Sozial- u. Wissenschaftsgeschichte: Oktober 1980, IA seit Herbst 2004 Osterhammel, Jürgen (geb. 1952), Konstanz, Geschichte Ostasiens/­Chinas: April 1998, IA seit Frühjahr 2008 Patel, Kiran (geb. 1971), Maastricht, Europäische und Globale Geschichte: April 2016 Pollard, Sidney (1925 – 1998), Sheffield/Bielefeld/Sheffield, Wirtschafts- u. Sozialgeschichte: Oktober 1979 bis zu seinem Tod im November 1998 Predöhl, Andreas (1893 – 1974), Münster, Wirtschaftswissenschaft/Verkehrswissenschaft: Oktober 1958, IA seit Frühjahr 1965 Raphael, Lutz (geb. 1955), Trier, Neuere Geschichte/Wissenschaftsgeschichte: April 1998 Raupach, Hans (1903 – 1997), Wilhelmshaven/München, Wirtschaftswissenschaft/ Geschichte Osteuropas: Oktober 1958, IA seit Dezember 1970 Rischbieter, Laura (geb. 1977), Konstanz, Globale Wirtschaftsgeschichte: April 2017 Rolf, Malte (geb. 1970), Oldenburg, Geschichte Europas der Neuzeit mit Schwerpunkt Osteuropa: November 2018

Mitglieder 1957 – 2019

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Rückert, Joachim (geb. 1945), Frankfurt a. M., Rechtswissenschaft/Rechts- u. Verfassungsgeschichte: Oktober 1999 Schattenberg, Susanne (geb. 1969), Bremen, Zeitgeschichte und Kultur Osteuropas: Oktober 2011 Schieder*, Theodor (1908 – 1984), Köln, Neuere Geschichte: April 1957, IA seit Ende 1968/Anfang 1969 Schieder, Wolfgang (geb. 1935), Trier/Köln, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: März 1973 Schildt, Axel (1951 – 2019), Hamburg, Neuere Geschichte u. Zeitgeschichte: April 2003 bis zu seinem Tod im April 2019 Schluchter, Wolfgang (geb. 1938), Heidelberg: April 1994, IA seit Frühjahr 1997 Schneider, Ute (geb. 1960), Essen, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Oktober 2008 Schulze, Reinhard (geb. 1953), Bern, Islamwissenschaft: April 2007, IA Siegenthaler, Hansjörg (geb. 1933), Zürich, Wirtschaftswissenschaft/Wirtschaftsgeschichte: Oktober 1988, IA seit April 2000 Steinmetz, Willibald (geb. 1957), Bielefeld, Neuere Geschichte/Historische Politik­ forschung: Oktober 2003 Stichweh, Rudolf (geb. 1951), Bielefeld/Luzern, Soziologie: Oktober 2000 Stuke, Horst (1928 – 1976), Heidelberg/Frankfurt a. M., Neuere Geschichte/Sozialu. Begriffsgeschichte: März 1973 bis zu seinem Tod im Dezember 1976 Szöllösi-Janze, Margit (geb. 1957), München LMU, Neueste und Zeitgeschichte: April 2007, nimmt wegen Überlastung die Wahl nicht an Tanner, Jakob (geb. 1950), Zürich, Wirtschafts- u. Sozialgeschichte: April 1998 Tenfelde, Klaus (1944 – 2011), München/Innsbruck/Bielefeld/Bochum, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: März 1982 bis zu seinem Tod im Juli 2011 Thier, Andreas (geb. 1963), Zürich, Rechtsgeschichte, Kirchenrecht und Rechtstheorie in Verbindung mit Privatrecht: November 2016 Treue*, Wilhelm (1909 – 1992), Hannover (Göttingen), Wirtschaftsgeschichte/Unternehmens- u. Technikgeschichte: April 1957, IA seit Ende 1968/Anfang 1969 Vierhaus, Rudolf (1922 – 2011), Münster/Bochum/Göttingen, Neuere Geschichte: Oktober 1963, IA seit Oktober 1979 Wehler, Hans-­Ulrich (1931 – 2014), Bielefeld, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: Oktober 1970, IA seit Oktober 2002 Weippert*, Georg (1899 – 1965), Erlangen, Staatswissenschaft: April 1957 bis zu seinem Tod im Juli 1965

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Weisbrod, Bernd (geb. 1946), Göttingen, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: April 1998 Welskopp, Thomas (geb.  1961), Berlin/Bielefeld, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: Oktober 2004 Winkler, Heinrich August (geb. 1938), Berlin/Freiburg/Berlin, Neuere Geschichte/ Sozialgeschichte: Oktober 1982, A 1998 Zorn, Wolfgang (1922 – 2004), Bonn/München, Sozial- u. Wirtschaftsgeschichte: Oktober 1962, IA seit Oktober 1986 Zwahr, Hartmut (geb. 1936), Leipzig, Neuere Geschichte/Sozialgeschichte: Oktober 1990, IA seit März 2003

Vorstände 1957 – 2019 (Mit Aktualisierung durch Christof Dipper. – Jeweils mit Wiederwahl/en; A = Afrikawissen­ schaften, G = Geschichtswissenschaft, R = Rechtswissenschaften, S = Soziologie, Th/Re = Theologie/Religionsgeschichte)

Apr. 1957 bis Okt. 1963 formell noch kein Vorstand, aber faktisch: Werner Conze, Heidelberg (G), 1. Vors., Erich Maschke, Heidelberg (G), 2. Vors. [Conze zeichnete verschiedentlich bereits mit „Vorsitzender des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte“ (so u. a. am 16. 5. 1958); Maschke unterschrieb wiederholt „als rechtsverbindlicher Vertreter von Prof. Dr. W. Conze“ (so z. B. bei der Mittelanforderung beim BMI am 7. 2. 1959 u. ö.); ab 1. 10. 1963 dann auch formale Unterscheidung nach 1. u.2. Vors.]

1. Vors.: Werner Conze, Heidelberg (G), Okt. 1963 bis zu seinem Tod am 28. 4. 1986 [dann interimistisch Alleinvorstand: M. Rainer Lepsius, 28.4. – 23. 10. 1986]

Reinhart Koselleck, Bielefeld (G), Okt. 1986 bis Okt. 1995 [Amtsverzicht] Wolfgang Schieder, Köln (G), Okt. 1995 bis Okt. 2002 [Amtsverzicht] Lutz Raphael, Trier (G), Okt. 2002 bis Okt. 2007 [Amtsverzicht] Andreas Eckert, Berlin (A), Okt. 2007 bis Okt.2017 [Amtsverzicht] von Hirschhausen, Ulrike, Rostock (G), ab Okt. 2017

Geschäftsführer 1957 – 2005

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2. Vors.: Erich Maschke, Heidelberg (G), Okt. 1963 bis März 1973 [Amtsverzicht] Horst Stuke, Heidelberg/Frankfurt a. M. (G), Apr. 1973 bis zu seinem Tod am 25. 12. 1976

[Stuke-­Brief vom 20. 9. 1976 an Prof. Müller/Reimers-­Stiftung: Korrekterweise müsste es heißen: „[…] statt Geschäftsführer: 2. Vorsitzender und Geschäftsführer“ (KP 22a, lf. S. 465); nach seinem Tod Vakanz]

M. Rainer Lepsius, Mannheim/Heidelberg (S), Okt. 1977 bis Okt. 1998 [Amtsverzicht] Friedrich Wilhelm Graf, Augsburg/München (Th/Re), Okt. 1998 bis Okt. 2007 [Amtsverzicht] Joachim Rückert, Frankfurt a. M. (R), Okt. 2007 bis Okt. 2017 [Amtsverzicht] Wolfgang Knöbl, Hamburg (S), Okt. 2017 bis April 2019 [Amtsverzicht] Sebastian Conrad, Berlin (G), seit April 2019

Geschäftsführer 1957 – 2005 Bis Okt. 1958 formal Werner Conze, faktisch Horst Stuke, beide Heidelberg (G) Horst Stuke, Heidelberg/Frankfurt a. M. (G), Okt. 1958 bis Dez. 1976 [Seit März 1973 „bis auf weiteres“ zusätzlich zu seiner Funktion als 2. Vors.]

Wolfgang von Hippel, Heidelberg/Mannheim (G), interimistisch Jan. 1977 bis Apr. 1978 Ulrich Engelhardt, Heidelberg (G), Apr. 1978 – März 2005 [Seitdem Geschäftsführung durch den jeweiligen Vorstand bzw. dessen Mitarbeiter]

Anhang 2

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019) (Mit Aktualisierung durch Christof Dipper.- Ab Nr. 84/2003 nur noch Angaben zu Tagungsdaten, -themen und -referent/inn/en. – Angaben in eckigen Klammern = Zusätze des Verf.; Kürzel: A = anwesend, z. T. nur zeitweilig; G = Gast/Gäste, z. T. nur zeitweilig; GT = Generalthema; IA= Inaktive [hier nur bei Tagungsteilnahme aufgeführt]; P = Protokoll/ant/in; PF = Protokollformulierung; V = verhindert [jeweils nur die aktiven Mitglieder aufgeführt]; Titelangaben nur in Ausnahmefällen. – Die Protokolle enthalten in der Frühzeit des AKMS teilweise auch Referatwiedergaben bzw. vollständige Referattexte. – Seit Beginn, also auch schon vor seiner offiziellen Geschäftsführertätigkeit [1958 ff.] bzw. Wahl zum Mitglied [1972] bis zu seinem Tod [25. 12. 1976] stets anwesend: Horst Stuke.) 1) 25./26. 4. 1957 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), Gründungstagung mit allgemeinen Überlegungen zu Sozialgeschichte der modernen Welt; Einführung von Werner Conze. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (­ Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Richard Nürnberger (Göttingen), Wilhelm Treue (Hannover/­Göttingen) sowie Friedrich Seidel (Köln) als Beutin-­Vertreter. V: Ludwig Beutin (Köln), Theodor Schieder (Köln), Georg Weippert (Erlangen). G: Min.dir. Prof. Paul Egon Hübinger (Bonn). P (12 S.): Horst Stuke (Heidelberg). 2) 23./24. 10. 1957 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Staat und ­Gesellschaft im Vormärz [I]: Werner Conze, Pauperismus und Proletariat im Spannungsverhältnis von Staat und Gesellschaft im Vormärz; Wilhelm Treue, Geschichte der technischen Ausbildung und die Verknüpfung der Soziologie und Technologie mit der Kulturpolitik [PF]. A: Ludwig Beutin (Köln), Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Richard Nürnberger ­(Göttingen),

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Theodor Schieder (Köln); Wilhelm Treue (Hannover/­ Göttingen), Georg Weippert (Erlangen). G: Ob.reg.rat Dr. Petersen (Bonn) als Vertreter von Min. dir. Prof. Paul Egon Hübinger. P (12 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

3) 23./24. 4. 1958 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Staat und ­Gesellschaft … [II]: Richard Nürnberger, Die Stellung des preußischen Staates zur sozialen Bewegung vom 18. Jahrhundert bis zur 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts; Reinhart Koselleck, Das Verhältnis von ‚Staat‘ und ‚Gesellschaft‘ im preußischen Vormärz. A: Ludwig Beutin (Köln), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Richard Nürnberger (Göttingen). G: Karl Erich Born (Köln), Wolfram Fischer (Dortmund), Wolfgang Köllmann (Wuppertal), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Friedrich Seidel (Köln), Wolfgang Zorn (München). V: Otto Brunner (Hamburg), Carl Jantke (Hamburg), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/ Göttingen), Georg Weippert (Erlangen). P (18 S.): Horst Stuke (Heidelberg). 4) 22./23. 10. 1958 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Staat und ­Gesellschaft … [III]: Otto Brunner, Staat und Gesellschaft in Österreich im Vormärz; Wolfram Fischer, Staat und Gesellschaft in Baden im Vormärz; Wolfgang Zorn, Staat und Gesellschaft im Bayern des Vormärz. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Theodor Schieder (Köln). G: Erich Angermann (München), Karl Otmar Frhr. v. Aretin (Göttingen), Wolfram Fischer (Dortmund), ­Wolfgang Zorn (München) sowie Ob.reg.rat Dr. ­Petersen

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(Bonn) als Vertreter von Min.dir. Prof. Paul Egon ­Hübinger, Herr Thiele vom Klett-­Verlag (Stuttgart). V: Richard Nürnberger (Göttingen), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Georg Weippert (Erlangen). P (57 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

5) 8. – 10. 4. 1959 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Der ‚Imperialismus‘ in der letzten Phase europäischer Herrschaft über die Erde mit dem Schwergewicht auf den Epochen um 1895 und 1930 [I]: Die politisch-­soziale Bedeutung der weltwirtschaftlichen Konjunkturwende seit den 90er Jahren: Andreas Predöhl, Der Imperialismusbegriff in der neomarxistischen ­Theorie und bei Schumpeter [sinngemäße Themaformulierung gemäß Protokoll]; Hans Raupach, Das Konzept des Imperialismus in der politischen ­Theorie des Leninismus [Raupach: „[…] nur einige Anregungen“ zu ­diesem Thema]; außerdem ‚Korreferate‘ von Werner Conze u. Richard Nürnberger. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (Wilhelmshaven), Georg Weippert (Erlangen). G: Kurt Baldinger (Heidelberg), Werner Betz (Bonn). V: Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Münster), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/ Göttingen). P (32 S.): Horst Stuke (Heidelberg). Am 9./10.April (nach der „Haupttagung“) noch „eingehende Aussprache über Probleme“ im Zusammenhang „mit der Edition eines Wörterbuchs im Allgemeinen und mit der Edition des geplanten ‚Historischen Wörterbuchs‘ im Besonderen“. A: Otto Brunner (Hamburg); Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Richard Nürnberger (Göttingen). G: Kurt Baldinger (Heidelberg), Werner Betz (Bonn). 6) 21./22. 10. 1959 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Der ‚Imperialismus‘ … [II]: Probleme des Organisations- und Verbandswesen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts [1]:

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Erich Maschke, Unternehmerzusammenschlüsse in der deutschen Wirtschaft im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert; Hans Raupach, „Diskussionsbeitrag“ mit „allgemeinen Erwägungen“ zur „Untersuchung der Bedeutung ökonomisch-­politischer Verbandsmacht überhaupt“ [so Raupachs Formulierungen anstelle einer Themaangabe]. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Münster), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (Wilhelmshaven), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen). G: Ob.reg.rat Dr. Petersen (Bonn) als Vertreter von Min. dir. Prof. Paul Egon Hübinger. V: Herbert Krüger (Hamburg), Georg Weippert (Erlangen). P (52 S.): Horst Stuke (Heidelberg). 7) 5./6. 4. 1960

in Wiesbaden (Hotel Fürstenhof), GT Der ‚Imperialismus‘ … [III]: Probleme des Organisations- und Verbandswesens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts [2]: Georg Weippert, Die wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Bedeutung der Kartelldebatte auf der Tagung des Vereins für Socialpolitik im Jahre 1905 [wegen Verhinderung von Weippert vorgetragen von ­Gunther Ipsen „in sinngemäßer Kürzung und mit eigenen Ergänzungen“]; Herbert Krüger, Die öffentlich-­rechtliche Seite der Verbandsbildung [PF anstelle einer genauen Themaangabe]; Thomas Nipperdey, Die Verbände und ihre Beziehungen zu den Parteien im Kaiserreich (1971 – 1914). A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Saarbrücken), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Andreas Predöhl (Münster), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen). G: Wolfgang Mommsen (Köln), Thomas Nipperdey (Göttingen).

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V: Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (Wilhelmshaven), Georg Weippert (Erlangen). P (69 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

8) 11./12. 10. 1960 in Tonbach/Schwarzwald (Hotel Traube), GT Wissenschaftstheoretische und Methodenfragen der modernen Sozialgeschichte [I]: Theodor Schieder, Grundfragen der neueren deutschen Geschichte. Zum Problem der historischen Urteilsbildung; Carl Jantke, Bemerkungen zu den Wechselbeziehungen von Soziologie und Sozialgeschichte. Das 19. Jahrhundert als Forschungsgegenstand von Soziologie und Sozialgeschichte [Variante: Das 19. Jahrhundert ­zwischen Soziologie und Sozialgeschichte]. A: Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Dortmund), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Saarbrücken), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Theodor Schieder (Köln), Georg Weippert (Erlangen). G: Veit Holzschuher (Erlangen). V: Otto Brunner (Hamburg), Hans Raupach (Wilhelmshaven), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen). P (30 S.): Horst Stuke (Heidelberg). 9) 10./11. 04. 1961 in Tonbach/Schwarzwald (Hotel Traube), GT Wissenschaftstheoretische und Methodenfragen der modernen Sozialgeschichte [II]: Werner Conze, Plan und Fortgang der [von ihm geleiteten Heidelberger] Forschungen zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung [PF]; Harald Jürgensen, Das begriffliche Instrumentarium der Nationalökonomie und die Wirtschaftswirklichkeit. A: Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Gauting), Harald Jürgensen (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Andreas Predöhl (Münster), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Georg Weippert (Erlangen).

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V: Otto Brunner (Hamburg), Carl Jantke (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (Wilhelmshaven). G: Veit Holzschuher (Erlangen). P (25 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

10) 10./11. 10. 1961 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Beurteilung der Wirtschaftskrise 1929/32 in Deutschland und der Auseinandersetzung um ihre wirtschaftliche, soziale und politische Überwindung [I]: Andreas Predöhl, Die ökonomischen Aspekte der Krise; Gunther Ipsen, Die soziologischen Aspekte der Krise (unter besonderer Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit und der Arbeitsmarktpolitik der Arbeitgeber); Werner Conze, Die politischen Aspekte der Krise [sämtlich nicht Referate, sondern nur „vorbereitete Diskussionsbeiträge“]. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Gauting), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (Wilhelmshaven), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Georg Weippert (Erlangen). V: Theodor Schieder (Köln). G: Wolfgang Zorn (München), Dietrich Hilger (Hamburg), Veit Holzschuher (Erlangen); Ob.reg.rat Dr. Petersen (Bonn) als Vertreter des BMI. P (48 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Frühjahrstagung 1962 ausgefallen „wegen Verhinderung (Erkrankung und Arbeitsüberlastung) der meisten Mitglieder“] 11) [Nur] 9. 10. 1962 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), statt vorgesehener Fortsetzung des GT Wirtschaftskrise nur Kurztagung mit Informationsbericht über Arbeitsorganisationen und Arbeitspläne auf dem Gebiet der modernen Sozialgeschichte innerund außerhalb Deutschlands (Werner Conze); Diskussion u. a. über die „Frage nach einer genauen Definition der Sozialgeschichte“ [PF] u. über die Aufgaben der

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Nationalökonomen im AKMS; „Sonderaussprache“ [PF] zu den Arbeiten am Lexikon Geschichtliche Grundbegriffe. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (München), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen). V: Gunther Ipsen (Gauting), Richard Nürnberger (Göttingen), Georg Weippert (Erlangen). G: Ob.reg.rat Dr. Petersen (Bonn) als Vertreter des BMI. P (9 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Frühjahrstagung 1963 im Interesse einer längeren Vorbereitungszeit ausgefallen bzw. reduziert auf eine reine Wörterbuch-­Tagung“ (PF) am 1. 4. 1963.]

12) 1./2. 10. 1963 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Beurteilung der Wirtschaftskrise 1929/32 in Deutschland und der Ausein­ andersetzung um ihre wirtschaftliche, soziale und politische Überwindung bzw. [in Neuformulierung] Die Weltwirtschaftskrise 1930/32 unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungsmöglichkeiten und Weichenstellungen unter vorgegebenen Bedingungen und Zwängen [II]: Hans Raupach, Der interregionale Wohlstandsausgleich als Problem der deutschen Reichspolitik; Georg Weippert, Aspekte der Agrarkrise; Hellmuth Croon, Der Freiwillige Arbeitsdienst; außerdem vorbereitete Diskussionsbeiträge: Ulrich v. Pufendorf zur Agrarfrage; Harald Jürgensen, Kreislaufzusammenhänge der Welt-­Wirtschaft [schriftlich vorgelegt]. A: Werner Conze (Heidelberg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (München), Georg Weippert (Erlangen), Wolfgang Zorn (Bonn). V: Otto Brunner (Hamburg), Gunther Ipsen (Gauting), Harald Jürgensen (Hamburg), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen).

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G: Heinz Gollwitzer (Münster), Hellmuth Croon (Bochum), Hans Dehmel (München), Ursula Hüllbüsch (Heidelberg), Veit Holzschuher (Erlangen), Ulrich v. Pufendorf (Frankfurt a. M.), Rudolf Vierhaus (Münster); bei MV auch Ob.reg.rat Dr. Petersen (Bonn) als Vertreter des BMF. P (81 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

13) 20. – 22. 04. 1964 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Beurteilung der Wirtschaftskrise 1929/32 in Deutschland und der Ausein­ andersetzung um ihre wirtschaftliche, soziale und politische Überwindung bzw. [in Neuformulierung] Die Weltwirtschaftskrise 1930/32 unter besonderer Berücksichtigung der Entscheidungsmöglichkeiten und Weichenstellungen unter vorgegebenen Bedingungen und Zwängen [III]: Wilhelm Treue, Die Stellung der Unternehmer in der Wirtschaftskrise von 1929 bis 1933; Ursula Hüllbüsch, Die deutschen Gewerkschaften in der Wirtschaftskrise (1929 – 33); Werner Conze, Die politischen Entscheidungen 1930 – 1933. A: Werner Conze (Heidelberg), Carl Jantke (Hamburg), Harald Jürgensen (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Hans Raupach (München), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Rudolf Vierhaus (Münster), Georg Weippert (Erlangen), Wolfgang Zorn (Bonn). V: Otto Brunner (Hamburg), Heinz Gollwitzer (Münster), Gunther Ipsen (Gauting), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Theodor Schieder (Köln). G: Ursula Hüllbüsch (Heidelberg), Hellmut Croon (Bochum), Dietmar Keese (München), Wolfgang ­Schieder (Heidelberg), Friedhelm Schwenk (Erlangen). P (79 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Herbsttagung 1964 ausgefallen aus Spargründen] 14) 1. – 3. 05. 1965 in Bochum, Beteiligung am deutsch-­französischen ­Kolloquium über Probleme der deutschen und französischen Sozialpolitik im 19. Jahrhundert, veranstaltet vom Deutschen Historischen Institut/Institut Historique Allemand, Paris [strenggenommen also keine eigene

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­ rühjahrstagung, sondern nur MV am 2. 5. 1965, darüber F ein Protokoll]. A (vom Arbeitskreis): Werner Conze (Heidelberg), Erich Maschke (Heidelberg), Andreas Predöhl (Münster), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Rudolf Vierhaus (Münster), Wolfgang Zorn (Bonn) sowie Horst Stuke (Heidelberg).

15) 26. – 28. 10. 1965 in Bad Ems (Hotel Staatl. Kurhaus), GT Der ‚Imperialismus‘ … [IV]: Theodor Schieder, Zur geschichtlichen Deutung des Imperialismus; Hans Raupach, „Diskussionsbeitrag“ [PF] zur ökonomisch-­theoretischen Seite der Thematik. A: Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Gauting), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (München), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Wolfgang Zorn (Bonn). V: Carl Jantke (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Andreas Predöhl (Münster), Rudolf Vierhaus (Münster). P (48 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Lt. Überblick 1957 – 1969 im Okt. 1965 „erneut das Imperialismusproblem diskutiert“ (keine weiteren Angaben)] 16) 31.3./1. 4. 1966 in Hamburg (Institut für Auswärtige Politik), GT Die Entstehung der industriellen Welt [I]: Gunther Ipsen, Bevölkerung und industrielle Welt; Knut Borchardt, Probleme der ersten Phase der Industriellen Revolution in England (Ein Bericht über den Stand der wirtschaftsgeschichtlichen Forschung in England) [Vgl. VSWG 55, 1968, S. 1 – 62]. Vorbereitete (schriftliche) „Diskussionsbeiträge“: Werner Conze, Zur Verkehrsfrage bzw. Zur Entstehung der Arbeiterbewegung; Carl Jantke, Zur Frage des deutschen Englandverständnisses ­zwischen 1750 und 1850; Gerhard Ahrens, Caspar Voght (1752 – 1839) und die englischen Einflüsse auf die Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland;

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Hans Jürgen Teuteberg, Probleme der ersten Phase der Industriellen Revolution in England in der Reflektion der zeitgenössischen deutschen Literatur (Arbeitsbericht). A: Knut Borchardt (Mannheim), Otto Brunner ­(Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Starnberg), Carl Jantke (Hamburg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Andreas Predöhl (Münster), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen), Rudolf Vierhaus (Bochum). V: Reinhart Koselleck (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (München), Theodor Schieder (Köln), Wolfgang Zorn (Bonn). G: Gerhard Ahrens (Hamburg), Dietrich Hilger (Hamburg), Hans Jürgen Teuteberg (Hamburg). P (26 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Herbsttagung 1966 abgesagt „aus personellen Gründen (Krankheit oder sonstige Verhinderung)“] 17) 29./30. 3. 1967 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), GT Die Entstehung der industriellen Welt [II]: Wolfgang Köllmann, Bevölkerung und Arbeitskräftepotential in Deutschland 1815 – 1865; M. Rainer Lepsius, Schichtungstheorie und historische Gesellschaftsanalyse; außerdem vorbereiteter (schriftlicher) „Diskussionsbeitrag“: Knut Borchardt, Zur Charakteristik und Kritik des Werkes von Walther G. Hoffmann, Franz Grumbach und Helmut Hesse: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts; A: Knut Borchardt (Mannheim), Werner Conze (Heidelberg), Gunther Ipsen (Starnberg), Carl Jantke (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Andreas Predöhl (Münster), Hans Raupach (München), Rudolf Vierhaus (Bochum), Wolfgang Zorn (Bonn). V: Otto Brunner (Hamburg), Wolfram Fischer (Berlin), Herbert Krüger (Hamburg), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen).

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G: M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz (Berlin). P (76 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Herbsttagung 1967 ausgefallen „wegen des [Deutschen] Historikertages [vom 11. – 14. 10. 1967 in Freiburg] … und der Vorverlegung des Beginns des Wintersemesters an einigen Universitäten“]

18) 26. – 28. 3. 1968 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), „Arbeitstagung […] über das ‚Historische Lexikon politisch-­ sozialer Begriffe der Neuzeit‘“. A [vom Arbeitskreis, z. T. aber nur bei der Mitgliederversammlung]: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg), Knut Borchardt (Mannheim), Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Rudolf Vierhaus (Bochum). V: Gunther Ipsen (Starnberg), Carl Jantke (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz (Berlin), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (München), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/ Göttingen), Wolfgang Zorn (Bonn). G: rd. 35 Lexikonautoren bzw. -mitarbeiter (darunter Klaus v. Beyme, Lothar Burchardt, Otto Dann, Karl-­ Georg Faber, Lothar Gall, Karl Martin Graß, Rolf Grawert, Dieter Groh, Dietrich Hilger, Ursula Hüllbüsch, Karl Heinz Ilting, Jürgen Kocka, Annette Kuhn, Wolfgang Mager, Hans Mommsen, Eckart Pankoke, Hannah Rabe, Mohammed Rassem, Hans Leo Reimann, Trutz Rendtorff, Manfred Riedel, Wolfgang Schieder, Dieter Schwab, Reinhard Stumpf, Marie-­Elisabeth Vopelius, Jürgen Voss, Friedrich Zunkel). P [nicht bei den Akten]: Horst Stuke (Heidelberg). 19) 29./30. 11. 1968 in Heidelberg (Hotel Zum Ritter), GT Fragen und Aufgaben einer Reform der Fächerorganisation im Bereich der Geschichtswissenschaft:

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Reinhart Koselleck, Über die Theoriebedürftigkeit der Geschichte; Rudolf Vierhaus, Gedanken zum Studium der Geschichtswissenschaft; Gerhard Schoebe, Bemerkungen eines Lehrers zu der Frage: Welche Forderungen muss die Schule an das Geschichtsstudium ihrer zukünftigen Geschichtslehrer stellen?; außerdem vorbereitete „Diskussionsbeiträge“: Ernst-­Wolfgang Böckenförde, Zum Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Rechtswissenschaft; Werner Conze, Die Aktualität der Geschichte und ihr Gegenstand; Knut Borchardt, Zur Frage des Verhältnisses von Geschichtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft; M. Rainer Lepsius, Zum Verhältnis von Soziologie und Geschichte. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg), Knut Borchardt (Mannheim), Rudolf Braun (Berlin), Otto Brunner (Hamburg), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Reinhart Koselleck (Heidelberg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Rudolf Vierhaus (Bochum), Wolfgang Zorn (München). V: Gunther Ipsen (Starnberg), Carl Jantke (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Herbert Krüger (Hamburg), Peter Christian Ludz (Berlin), Hans Raupach (München), Theodor Schieder (Köln), Wilhelm Treue (Hannover/Göttingen). G: Lothar Burchardt (Heidelberg), Otto Büsch (Berlin), Peter Czada (Berlin), Adolf Dieckmann (Stuttgart), Hugo Eckert (Wertheim), Rolf Engelsing (Berlin), Albin Gladen (Bochum), Karl Martin Graß (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), Ursula Hüllbüsch (Heidelberg), Jürgen Kocka (Münster), Hans Krabusch (Heidelberg), Hedwig Prehl (Heidelberg); Erhard Rumpf (Wiesloch bei Heidelberg), Wolfgang Schieder (Heidelberg), Gerhard Schoebe (Hamburg), Eckart Schremmer (Heidelberg), Volker Sellin (Heidelberg), Hartmut Soell (Heidelberg),

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Reinhard Stumpf (Heidelberg), Kurt Weisbrod (Mannheim/Schriesheim bei Heidelberg). P (119 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

20) 11./12. 04. 1969 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), GT Die Notwendigkeit einer Neubestimmung der Geschichtswissenschaft in der Gegenwart und einer Reform des Geschichtsstudiums an der Universität sowie des Geschichtsunterrichts an den Gymnasien in ­Theorie und Praxis (Fortsetzung und Abschluss der Diskussion auf der Herbsttagung 1968): Reinhart Koselleck, Zusammenfassender Überblick über sein Referat auf der Herbsttagung 1968 [s. lf. Nr. 20], dazu Diskussion mit vorbereiteten Beiträgen von Wolfgang Schieder u. Horst Stuke sowie Entgegnung von Reinhart Koselleck; Rudolf Vierhaus, Resümee seines Referats auf der Herbsttagung 1968 [s. lf. Nr. 20], dazu Diskussion; Gerhard Schoebe [verhindert, deshalb schriftliche Vorlage], Ergänzende und zusammenfassende Bemerkungen zu seinem Referat auf der Herbsttagung 1968 [s. lf. Nr. 19], dazu Diskussion. A: Rudolf Braun (Berlin), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Erich Maschke (Heidelberg), Thomas Nipperdey (Berlin), Rudolf Vierhaus (Bochum). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg), Knut Borchardt (Mannheim), Otto Brunner (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter-­Christian Ludz (Berlin), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (München), Wolfgang Zorn (München). G: Hugo Eckert (Wertheim), Rolf Engelsing (Berlin), Karl Martin Graß (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), Ursula Hüllbüsch (Heidelberg), Jürgen Kocka (Münster), Hans Krabusch (Heidelberg), Erhard Rumpf (Wiesloch bei Heidelberg), Jürgen W. Schaefer (Heidelberg), ­Wolfgang Schieder (Heidelberg), Volker Sellin (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg), Kurt ­Weisbrod (Mannheim/Schriesheim bei Heidelberg), Reimer Wulff (Marburg).

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P (21 S.): Horst Stuke (Heidelberg) [Herbsttagung 1969 ausgefallen zwecks „sorgfältiger Vorbereitung“ der nächsten Tagung zum GT Moderne Welt]

21) 6./7. 4. 1970 in Unkel a. Rh. (Rheinhotel Schulz), GT Was ist, wann und wie beginnt die „Moderne Welt“? (Spätere Kurzfassung: Beginn der modernen Welt) [I]: Reinhart Koselleck, Zur Entstehung der modernen Bewegungsbegriffe um 1800; Eckart Pankoke, Der Beginn der Soziologie als Problem der Sozialgeschichte; Rolf Grawert, Instrumentalisierung und Funktionalisierung des modernen Gesetzesrechtes; Knut Borchardt, Zur Frage der Veränderungen im Sachbereich Wirtschaft und im Denken über Wirtschaft [vorbereiteter Diskussionsbeitrag]. A: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Thomas Nipperdey (Berlin), Wolfgang Zorn (München). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg), Rudolf Braun (Berlin), Otto Brunner (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter-­Christian Ludz (Berlin), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans Raupach (München), Rudolf Vierhaus (Bochum). G: Rolf Grawert (Bielefeld), Dietrich Hilger (Hamburg), Gerd Kleinheyer (Regensburg), Götz Landwehr (Hamburg), Eckart Pankoke (Bochum), Wolfgang Schieder (Heidelberg), Hans-­Ulrich Wehler (Köln). P (60 S.): Horst Stuke (Heidelberg). 22) 9./10. 10. 1970 in Weinheim/Bergstraße (Hotel Fuchs’sche Mühle), GT Beginn der modernen Welt [II]: Dieter Schwab, Der Beginn der „Moderne“ im Spiegel der Wandlungen des Eigentumsbegriffes; Hans-­Christoph Schröder, Die neuere englische Geschichte im Lichte heutiger Modernisierungstheorien; M. Rainer Lepsius, Soziologische Theoreme über die Sozialstruktur der „Moderne“ und die „Modernisierung“.

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A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Berlin), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Rudolf Vierhaus (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Köln). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Heidelberg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Peter-­Christian Ludz (Berlin), Thomas Nipperdey (Berlin), Hans Raupach (München), Rudolf Vierhaus (Bochum), Wolfgang Zorn (München). G: Hans-­Joachim Arndt (Heidelberg), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Wolfgang v. Hippel (Heidelberg), Ursula Hüllbüsch (Heidelberg), Christian Meier (Köln), Wolfgang Schieder (Trier), Dieter Schwab (Gießen), Hans-­Christoph Schröder (Göttingen); Volker Sellin (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg). P (55 S.): Horst Stuke (Heidelberg). [Am 7./8. 10. 1970 ebenda vorangegangen: eine „Arbeitstagung der Autoren des II. Bandes des ‚Begriffsgeschichtlichen Lexikons‘“; Teilnehmer neben Conze, Koselleck u. Stuke u. a. Otto Brunner, Otto Dann, Hans Fenske, Rolf Grawert, Dieter Groh, Dietrich Hilger, Karl Heinz Ilting, Wolfgang Mager, Christian Meier, Wolfgang Schieder, Dieter Schwab.] 23) 21./22. 5. 1971 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), kein GT, sondern erstmals (gem. Borchardt-­Anregung) Erörterung von „Forschungsprojekten der einzelnen Mitglieder“ bzw. von Arbeiten „im Anfangsstadium“: Werner Conze, Die deutsche Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts als Arbeitsproblem (in Verbindung mit dem Handbuch für deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte); Jürgen Kocka, Deutschland im I. Weltkrieg: Probleme bei der Verwendung eines klassengesellschaftlichen Modells. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Rudolf Braun (Berlin), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Herbert Krüger (Hamburg), M. Rainer ­Lepsius (Mannheim), Peter-­Christian Ludz ­(Bielefeld), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger

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(­ Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Berlin), Wolfgang Zorn (München). V: Knut Borchardt (München), Wolfgang Köllmann (Bochum), Thomas Nipperdey (Berlin), Rudolf Vierhaus (Bochum). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Dietrich Geyer (Tübingen), Wolfgang v. Hippel (Heidelberg), Jürgen Kocka (Münster), Wolfgang Schieder (Trier), Volker Sellin (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg), Heinrich August Winkler (Berlin), Helga Zimmermann (Heidelberg), Günter Trautmann (Heidelberg). P: vermutl. ohne Protokoll, jedenfalls nicht bei den Akten. [Herbsttagung 1971 gestrichen zwecks „intensiver Vorbereitung“ einer „Großtagung“, vorgesehen für Januar 1972, durchgeführt im Oktober 1972.]

24) [Nur] 7. 1. 1972 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), GT Beginn der modernen Welt [III]: Wolfgang Zorn, Verdichtung und Beschleunigung des Verkehrs als Faktor der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der ‚modernen Welt‘; für den 8. 1. 1972 vorgesehen, aber wegen Erkrankung des Referenten ausgefallen bzw. verschoben: Rudolf Braun, Steuern und Staatsfinanzen als Modernisierungsfaktoren bzw. -indikatoren [vgl. lf. Nr. 25]. A: Werner Conze (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Herbert Krüger (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Thomas Nipperdey (Berlin), Rudolf Vierhaus (Göttingen), Wolfgang Zorn (München). G: Helga Reinhart (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg), Heinrich August Winkler (Berlin). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut ­Borchardt (München), Rudolf Braun (Berlin), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer ­Lepsius (Mannheim), Peter-­Christian Ludz (Bielefeld), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Berlin). P (60 S.): Horst Stuke (Heidelberg).

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Anhang 2

25) 10. – 12. 10. 1972 in Bielefeld (Zentrum für interdisziplinäre Forschung, Schloss Rheda), GT Beginn der modernen Welt [IV]: Wolfgang Köllmann, Zur Bevölkerungsbewegung der Neuzeit; Friedrich-­Wilhelm Henning, Wandel der Agrarverfassung; Hans-­Jürgen Teuteberg, Zum Wandel der Nahrungsgewohnheiten; Ernst-­Wolfgang Böckenförde, Die ­Kirchen als Promotor oder Hemmer des „Fortschritts“; Herbert Krüger, Die Modernität des modernen Staates; Jacob Katz, Zur Emanzipation der Juden; Horst Stuke, Vom Stand zur Klasse; Wolfram Fischer: Rekrutierung der Arbeiterschaft in England, Frankreich und Deutschland; Rudolf Braun, Steuern als Modernisierungsfaktor [vgl. Nr. 24]; Richard Tilly, Kapitalmarktentwicklung; Rolf Engelsing, Literarische Produktion und Lesepublikum im 18. und 19. Jahrhundert; Hans Ulrich Gumbrecht, Modernität in der Literatur; Max Imdahl, Historismus und Beschleunigung der Stilwechsel in den Künsten. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Rudolf Braun (Zürich), Otto Brunner (Hamburg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Heidelberg), Herbert ­Krüger (Hamburg), Peter-­Christian Ludz (Bielefeld), ­Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen). G: Rolf Engelsing (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Rolf Grawert (Bielefeld), Hans Ulrich Gumbrecht ­(Konstanz), Friedrich-­Wilhelm Henning (Köln), Max Imdahl (Bochum), Hans Robert Jauss (Konstanz), Jacob Katz (Jerusalem), Jürgen Kocka (Münster), Jürgen v. Krüdener (München), Wolfgang Mager (Bielefeld), Eckart Pankoke (Bochum), Guntram Philipp (Köln), Wolfgang Schieder (Trier), Hans Jürgen Teuteberg (Hamburg), Richard H. Tilly (Münster). V: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Erich Maschke

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(Heidelberg), Rudolf Vierhaus (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). P: ohne Protokoll [also mangels Protokoll sowie definitivem Tagungsprogramm u. Anwesenheitslisten sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)].

26) 30./31. 3. 1973 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), GT Beginn der modernen Welt [V]: Hans-­Georg Gadamer, Der Historismus ­zwischen Kontinuität und Fortschritt [lt. Tagungsprogramm]; Manfred Riedel, Philosophischer Zeitbegriff und historische Zeit: Kants Beitrag zur Begriffsbildung der Geschichte [lt. schriftl. Kurzfassung]; Wolf Lepenies, Verzeitlichung und Enthistorisierung. Über einen möglichen Beitrag der Geschichte und der historischen Anthropologie zur Bestimmung der Neuzeit als Epochenschwelle [lt. Referatvorlage]. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz (Berlin), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Hans-­Georg ­Gadamer (Heidelberg), Wolf Lepenies (Berlin), Helga Reinhart (Heidelberg), Manfred Riedel (Erlangen), Christa Schönrich (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut Borchardt (München), Otto Brunner (Hamburg), Erich Maschke (Heidelberg), Richard Nürnberger (Göttingen). P: ohne Protokoll [also mangels Protokoll sowie definitivem Tagungsprogramm u. Anwesenheitslisten sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)].

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Anhang 2

27) 12./13. 10. 1973 in Weinheim/Bergstraße (Hotel Fuchs’sche Mühle), GT „Familie“ als Forschungsproblem der Sozialgeschichte [I]: Werner Conze, Stand, Aufgaben und Möglichkeiten sozialgeschichtlicher Familienforschung; Hans Linde [lt. Stuke-­Rundbrief vom 4. 10. 1973 ein soziologischer Diskussionsbeitrag]; Michael Mitterauer [lt. Stuke-­Rundbrief vom 4. 10. 1973 ein sozialhistorischer Diskussionsbeitrag]; Horst Stuke, Zur Veränderung der Familienverfassung in England um 1800 (vorbereiteter Diskussionsbeitrag); außerdem: Aussprache über das Sonderheft 16 (1972) der Kölner Ztschr. f. Soziologie u. Sozialgeschichte: Peter Christian Ludz (Hg.), Soziologie u. Sozialgeschichte, speziell über die Beiträge S. 9 ff. bzw. 153 ff. von Ludz bzw. Ludz/Rönsch. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Herbert Krüger (Hamburg), Peter Christian Ludz ­(Berlin), Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger ­Göttingen), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Rudolf ­Vierhaus (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Hans Linde (Karlsruhe), Michael Mitterauer (Wien), Volker Sellin (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut ­Borchardt (München), Otto Brunner (Hamburg), ­Wolfgang ­Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Erich Maschke (Heidelberg), Wolfgang Schieder (Trier), Wolfgang Zorn (München). P: ohne Protokoll [also sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)]. 28) 29./30. 3. 1974 in Weinheim/Bergstraße (Hotel Fuschs’sche Mühle), GT „Familie“ als Forschungsproblem der Sozialgeschichte [II]: Karin Hausen, Thesen zum Beziehungsgeflecht Individuum – Gesellschaft – Familie im Industrialisierungsprozess des 19. Jahrhunderts;

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Michael Mitterauer, Die Familie als Thema der Sozialgeschichte. Allgemeine Perspektiven und persönliche Forschungsansätze; außerdem: Brigitte Zwerger, Bericht über die Entwicklung der Kinderbewahranstalten von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang ­ des 20. Jahrhunderts; ferner: Aussprache über Situation und Aufgaben der sozialgeschichtlichen Forschung in Deutschland. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Herbert Krüger (Hamburg), Wolfgang Schieder (Trier), Horst Stuke (Frankfurt a. M.). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Karin Hausen (Berlin), Michael Mitterauer (Wien), Hans Medick (Göttingen), Hans-­Jürgen Puhle (Münster), Reinhard Stumpf (Heidelberg), Brigitte Zwerger (Heidelberg). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut ­Borchardt (München), Otto Brunner (Hamburg), ­Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), ­Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz (Berlin), Thomas Nipperdey (München), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). P: ohne Protokoll [also sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)]. 29) 18./19. 10. 1974 in Weinheim/Bergstraße (Hotel Fuschs’sche Mühle), GT „Familie“ als Forschungsproblem der Sozialgeschichte [III]: Friedhelm Neidhardt, Familiensoziologie und Sozialgeschichte der Familie. Fragen an die Historiker; außerdem „umfangreiche Diskussionsbeiträge“ von Michael Mitterauer, Karin Hausen u. Werner Conze sowie ein „besonders umfangreiches Papier“ von Hans Medick, Peter Kriedte u. Jürgen ­Schlumbohm über „Probleme und Verlaufsformen der ‚Protoindustrialisierung‘ und ihre Bedeutung für die Familienthematik“. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum),

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Anhang 2

M. Rainer Lepsius (Mannheim), Richard Nürnberger (Göttingen), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). G: Winfried Becker (München), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Karin Hausen (Berlin), Volker Hentschel (Heidelberg), Peter Kriedte (Göttingen), Jean-­Paul Lehners (Wien), Hans Linde (Karlsruhe), Hans Medick (Göttingen), Michael Mitterauer (Wien), Friedhelm Neidhard (Tübingen), Jürgen W. Schaefer (Heidelberg), Jürgen Schlumbohm (Göttingen), Heilwig Schomerus (Heidelberg), Reinhard Stumpf (Heidelberg). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Otto Brunner (Hamburg), Dietrich Hilger (Hamburg), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Peter Christian Ludz (Berlin), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier). P: ohne Protokoll [also sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)].

30) 9. – 12. 4. 1975 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT „Familie“ als Forschungsproblem der Sozialgeschichte [IV]: Werner Conze, Einleitung (Rückblick auf vorhergegangene Tagungen. Fragestellung der Tagung); Peter Laslett, The Small-­Scale, Simple Familiy Household Typical of England in its Relationship to Industrialization; Hans Medick, Die protoindustrielle „Familienwirtschaft“ als Sondertypus im gleichen Wirkungszusammenhang (Korreferat); Michael Mitterauer, Auswirkungen von Industrialisierung und Urbanisierung auf die Familienverfassung (an Beispielen des österreichischen Raums); Karin Hausen, Korreferat zum Beitrag von Mitterauer, mit besonderer Berücksichtigung des Wandels und der Stellung der Frau; Hans Linde, Familie und Haushalt als Gegenstand sozialgeschichtlicher Forschung. Erörterung eines problembezogenen und material-­orientierten Bezugsrahmens;

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Sune Åkermann, Familiy Formation and Social Mobility in Growing Industrial Cities at the Turn of the Century; David Levine u. Roger Schofield, Endogenous and Exogenous Influences on Demographic Structure and Change in Pre-­Industrial Societies; Adelheid v. Nell, Forschungsergebnisse zum gruppenspezifischen Wandel generativer Strukturen (bürgerliche und bäuerliche Familien); Arthur Imhof, Forschungsbericht zu ländlichen Familienstrukturen an hessischen Beispielen; Walter Schaub, Mittelständische Familienformen und Verwandtschaften (auf Grund sozialgenealogischer Forschungen in Oldenburg); David Sabean, Familienstruktur und Verwandtschaftssystem als Indikator langfristiger sozialer Entwicklung (auf Grund von Forschungen in Neckarhausen); William H. Hubbard, Forschungen zur städtischen Haushaltsstruktur am Ende des 19. Jahrhunderts. ­Probleme und Beispiele aus Österreich. A: Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Herbert Krüger (Hamburg). G: Willi P. Adams (Frankfurt a. M.), Sune Åkermann (Uppsala), Barbara Greven (Erlangen), Karin Hausen (Berlin), William H. Hubbard (Montreal bzw. Graz), Arthur E. Imhof (Gießen), Kari Juslin (Umeå), Ilse Korte (Bad Homburg v. d. H.), Peter Laslett (Cambridge), Jean-­Paul Lehners (Wien), David Levine (Cambridge), Hans Linde (Karlsruhe), Hans Medick (Göttingen), Michael Mitterauer (Wien), Konrad Müller (Bad Homburg v. d. H.), Adelheid v. Nell [Adelheid Gräfin zu Castell-­Rüdenhausen] (Bochum), Andrejs Plakans (Ames/Iowa bzw. Cambridge/ Mass.), Jürgen W. Schaefer (Heidelberg), Walter Schaub (Oldenburg), David Sabean (Pittsburgh/Pennsylvania), Roger Schofield (Cambridge), Heilwig Schomerus ­(Heidelberg).

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V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut ­Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Otto Brunner (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Zorn (München). P: ohne Protokoll [also sämtliche Angaben zu Referatvorlagen/-themen u. Teilnehmern rekonstruiert nach anderen Unterlagen (folglich evtl. nicht fehlerfrei u./o. unvollständig)].

31) 30.10./1. 11. 1975 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland [Vorbereitungstagung zur „näheren Bestimmung“ ­dieses neuen GT u. „Aufstellung eines entsprechenden Arbeitsplans für die nächsten Tagungen“]: M. Rainer Lepsius, Bemerkungen zum Projekt „Historische Grundlagen der Bundesrepublik“ [Einführungsreferat]; Knut Borchardt, Ergänzende Bemerkungen zu ­Lepsius: ‚Zum neuen Thema des Arbeitskreises‘ [Korreferat]. A: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). G: Min.rat Dr. Konrad Petersen (Bonn). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Rudolf Braun (Zürich), Otto Brunner (Hamburg), Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Herbert Krüger (Hamburg), Peter Christian Ludz (München), Thomas Nipperdey (München). P [nur Ergebnisprot., 2 S.]: Horst Stuke. 32) 7./8. 5. 1976 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (I): Peter Flora, Deutschland im Zusammenhang der ­Entwicklung der westeuropäischen Wohlfahrtsstaaten; Birgitta Nedelmann, Zur Dynamik der Beziehungen von „Konstellationen und Konflikttransformationen“ ­ am Beispiel Schwedens; Wolfgang Zapf, Probleme der Elitenbildung.

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A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Herbert Krüger (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Thomas Nipperdey (München), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Wolfgang Zorn (München). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Peter Flora (Mannheim), Volker Hentschel (Heidelberg), Birgitta ­Nedelmann (Mannheim), Wolfgang Zapf (Mannheim). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Otto ­Brunner (Hamburg), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Peter Christian Ludz (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P [nur Ergebnisprot., 2 S.]: Horst Stuke.

33) 8./9. 10. 1976 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (II): Hans-­Ulrich Wehler, Sozialgeschichtliche Kontinuität und Diskontinuität: Einige Thesen zur Analyse der deutschen Klassenstrukturen vom Kaiserreich zur Bundesrepublik; Jürgen Kocka, Angestellte ­zwischen Faschismus und Demokratie: Traditionen und Neuansätze vom Reich zur Bundesrepublik; Heinrich August Winkler, Stabilisierung durch Schrumpfung: Der gewerbliche Mittelstand in der Bundesrepublik. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Bielefeld), Knut ­Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Horst Stuke (Frankfurt a. M.), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). G: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Volker Hentschel (Heidelberg), Heilwig Schomerus (Heidelberg), Fritz Stern (New York, Columbia University), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Min.rat Dr. Konrad Petersen (Bonn).

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Anhang 2

V: Otto Brunner (Hamburg), Peter Christian Ludz (München), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Zorn (München). P [nur Kurzbericht an die Reimers-­Stiftung]: Horst Stuke. [Frühjahrstagung 1977, vorgesehen für 6./7.5.77, mangels definitiver Programmfestlegung bzw. Verfügbarkeit vorgesehener Referenten abgesagt.]

34) 7./8. 10. 1977 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (III): Knut Borchardt, Bemerkungen zu den beiden Problemkreisen der wirtschaftlichen Kontinuität: 1. Sozialökonomische Ordnung, 2. Grundstruktur des Entwicklungsprozesses; Theo Pirker, Vom „Ende der Arbeiterbewegung“?; Herbert Kötter, Struktur- und Funktionswandel der Landwirtschaft. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer ­(Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Peter Christian Ludz ­(München), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn ­(München) sowie Geschäftsführer Wolfgang v. Hippel (Mannheim). G: Wolfgang Buchholz (Bochum), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Volker Hentschel (Heidelberg), Herbert Kötter (Bonn), Theo Pirker (Berlin). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Otto Brunner (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier). P (6 S.): Wolfgang v. Hippel. 35) 19./20. 5. 1978 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (IV): Trutz Rendtorff, Historische Wurzeln der Bundesrepublik: Protestantismus; Klaus Gotto, Historische Grundlagen der Bundesrepublik: Katholizismus;

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Gerhard Schmidtchen, Katholische und protestantische Traditionen in der Bundesrepublik Deutschland; Franz-­Xaver Kaufmann, Sozialpolitik im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland – Kontinuitäten und Diskontinuitäten; Hans-­Günter Hockerts, Die gesetzliche Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland: ­Historische Bilanz mit aktuellem Bezug. A: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Wolfgang Buchholz (Bochum), Dietrich Goldschmidt, Klaus Gotto (Bonn), Volker Hentschel (Heidelberg), Hans-­Günter Hockerts (Bonn), Franz-­Xaver Kaufmann (Bielefeld), Trutz Rendtorff (München), Gerhard Schmidtchen (Zürich), Heilwig Schomerus (Heidelberg). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Rudolf Braun (Zürich), Otto Brunner (Hamburg), Peter Christian Ludz (München), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (23 S.): Ulrich Engelhardt bzw. Heilwig Schomerus u. Volker Hentschel. 36) 12. – 14. 10. 1978 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (V): Wolfgang Köllmann, Bevölkerungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland; Rainer Wahl, Die Bedeutung von Verfassung und Verfassungsgericht für die wirtschaftlich-­soziale und politische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland; Wolfgang Buchholz, Zur sozialen Lage der Arbeiter („Arbeiterschaft“); Gerold Ambrosius (mit Vorbemerkung von Wolfram Fischer), Die Entwicklung des Wettbewerbs als wirtschaftspolitisch relevante Norm und [als] Ordnungsprinzip;

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Anhang 2

Volker Hentschel, Steuerpolitik und Steuersystem in Deutschland seit 1890. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Gerold Ambrosius (Berlin), Wolfgang Buchholz (Bochum), Volker Hentschel (Heidelberg), Rainer Wahl (Freiburg). V: Otto Brunner (Hamburg), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Peter Christian Ludz (München), Thomas ­Nipperdey (München). P (18 S.): Ulrich Engelhardt. 37) [Nur] 15. 6. 1979 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (VI): M. Rainer Lepsius, Konzeption der Einleitung; zum 1. Band der Tagungsfolge (mit Diskussion); Max Kaase, Politische Kultur in Deutschland: Konzeptionelle Probleme und empirische Analysen. A: Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Knut Borchardt (München), Dietrich Hilger (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Wolfgang Schieder (Trier), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Volker Hentschel (Heidelberg), Max Kaase (Mannheim), Josef Mooser (Bielefeld), Heilwig Schomerus (Heidelberg) sowie Min.dirig. Karl-­Otto Schlau (Wissenschaftsministerium Stuttgart). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Dietrich Geyer (Tübingen), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Peter Christian Ludz (München), Thomas Nipperdey

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)



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(München), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld). P (8 S.): Ulrich Engelhardt.

38) 4. – 6. 10. 1979 in Heidelberg-­Ziegelhausen (Hotel Stiftsmühle), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (VII): Detlef Bald, Militärproblem – Bundesrepublik; M. Rainer Lepsius, Konzeption der Einleitung zum 1. Band der Tagungsfolge; Norbert Horn, Arbeitsrecht und soziale Beziehungen in der Bundesrepublik in historischer Perspektive; M. Rainer Lepsius, Grundzüge des Beitrags über die Betriebsverfassung. A: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Dietrich Hilger (Hamburg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. ­Rainer Lepsius (Mannheim), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Detlef Bald (München), Volker Hentschel (Heidelberg), Norbert Horn (Bielefeld), Josef Mooser (Bielefeld), Sidney Pollard (Sheffield), Heilwig Schomerus (Heidelberg), Rudolf Walther (Heidelberg). V: Wolfgang Köllmann (Bochum), Richard Nürnberger (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). P (15 S.): Ulrich Engelhardt. 39) 25./26. 4. 1980 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Historische Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland (VIII): Josef Mooser, Abschied von der „Proletarität“? Sozialstruktur und Lage der Arbeiterschaft in der Bundesrepublik Deutschland in historischer Perspektive; Werner Conze, Nationale Frage und Nationalismus [Konzeption u. Grundzüge der späteren Druckfassung u. d. T.: Staats- und Nationalpolitik. Kontinuität und Neubeginn];

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Anhang 2

M. Rainer Lepsius: Entwurf der Einleitung zum Tagungsband. A: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Sidney Pollard (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Josef Mooser (Bielefeld), Min.dirig Karl-­Otto Schlau (Wissenschaftsministerium Stuttgart). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Rudolf Braun (Zürich), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart ­Koselleck (Bielefeld), Hans Mommsen (Bochum), Thomas ­Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier). P (16 S.): Ulrich Engelhardt. 40) 24./25. 10. 1980 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte: Positionen und Perspektiven: Werner Conze, Sozialgeschichte – Strukturgeschichte. Rückblick auf die 50er Jahre und gegenwärtige Perspektive; Hans-­Ulrich Wehler, Historische Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgeschichte. Begriffsbestimmung und Aufgaben; Jürgen Kocka, Sozialgeschichte – Strukturgeschichte – Gesellschaftsgeschichte. Frühere Positionen und neuere Entwicklungen; Sidney Pollard, Sozialgeschichte in Großbritannien. Grundlagen und Tendenzen; Thomas Nipperdey, Kulturgeschichte und Sozialgeschichte; Wolfgang Schieder, Religionsgeschichte und Sozialgeschichte. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), ­Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Mannheim), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield/­ Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich

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41) 13. 3. 1981

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Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Adolf Dieckmann (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart), Ingrid Gilcher (Heidelberg), Konrad v. Krosigk (Reimers-­ Stiftung, Bad Homburg), Min.dirig Karl-­Otto Schlau (Wissenschaftsministerium Stuttgart). V: Ernst-­Wolfgang Böckenförde (Freiburg), Knut ­Borchardt (München). P (24 S.): Ulrich Engelhardt.

in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (I [o. Ut.]): Reinhart Koselleck, Deutsche Staaten, insbes. Preußen; Fritz Paepcke, Frankreich (Aspekte bildungspolitischer Semasiologie); Dietrich Geyer, Russland; W. H. G. Armytage, Großbritannien; Harry Liebersohn, Vereinigte Staaten von Amerika. A: Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer ­(Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Otto Gerhard Oexle (Münster), Sidney Pollard (Bielefeld), Hans Raupach (München), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg). G: W. H. G. Armytage (Sheffield), Adolf Dieckmann (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart), Ingrid Gilcher (Heidelberg), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Harry Liebersohn (Middletown/Conn.), Peter Lundgreen (Bielefeld), Fritz Paepcke (Heidelberg), Min. dirig. Karl-­Otto Schlau (Wissenschaftsministerium Stuttgart). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Wolfgang Zorn (München). P (19 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg).

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Anhang 2

42) 23./24. 10. 1981 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (II: Bildungsgänge, Bildungsstufen, Bildungswege, Professionalisierung und Verbindung mit dem Ausbau des Berechtigungswesens bzw. Bildungssystem/-auslese): Victor Karady, Ungarn; Peter Lundgreen, Deutschland; Fritz Ringer, Frankreich. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), ­Wolfgang Köllmann (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Münster), Sidney Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Bernhard vom Brocke (Marburg), Rüdiger vom Bruch (München), Adolf Dieckmann (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart), Ingrid Gilcher (Heidelberg), Victor Karady (Oxford), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Peter Lundgreen (Bielefeld), Fritz Ringer (Boston), Klaus Schwabe (Aachen/Friedrichsdorf ), Min.dirg Karl-­Otto Schlau (Wissenschaftsministerium Stuttgart), Hannes Siegrist (Berlin). V: Knut Borchardt (München), Dietrich Geyer (Tübingen), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Richard Nürnberger (Göttingen), Wolfgang Zorn (München). P (16 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 43) 25. – 27. 3. 1982 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (III: ‚Vorgeschichte‘ sowie Professionalisierung): Otto Gerhard Oexle, Alteuropäische Voraussetzungen des Bildungsbürgertums: Universitäten, Gelehrte und Studierte; Claudia Huerkamp, Die deutsche Ärzteschaft als Teil des Bildungsbürgertums: Wandel in Lage und Selbstverständnis vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zur Kaiserzeit; Rudolf Braun, Bemerkungen und Hinweise zur Professionalisierung des Ärztestandes in der Schweiz;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Ivan Waddington, The Development of Medicine as a Modern Profession; Johanna Geyer-­Kordesch, Die Professionalisierung der Frauen in der Medizin in England und den Vereinigten Staaten von Amerika im 19. Jahrhundert. Thesen zu ihrem Bildungsweg; Vincent Clark, Die Professionalisierung der ­Architekten in Deutschland und England. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Jürgen Kocka (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney Pollard (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München) sowie Geschäftsführer Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg). G: Bernhard vom Brocke (Marburg), Rüdiger vom Bruch (München), Vincent Clark, Adolf Dieckmann (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart), Stefan Fisch (München), ­Christoph Führ (Frankfurt a. M.), Johanna Geyer-­Kordesch (Münster), Ingrid Gilcher (Heidelberg), C ­ laudia Huerkamp (Bielefeld), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Charles E. McClelland (Albuquerque, New Mexico/München), Klaus Schwabe (Aachen/Friedrichsdorf ), Reinhard Spree (Berlin), Ivan Waddington (Leicester). V: Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Hans Mommsen (Bochum), Wolfgang ­Schieder (Trier). P (36 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 44) 28. – 30. 10. 1982 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (IV: Professionalisierung und Bildungssystem): Charles E. McClelland, Zur Professionalisierung der akademischen Berufe in Deutschland; Manfred Späth, Der Beruf des Ingenieurs in Deutschland und Russland; Rolf Torstendahl, Engineers in Sweden and Britain 1820 – 1914;

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Anhang 2

Christoph Führ, Die Lehrer an höheren Schulen in Deutschland; Victor Karady, Teachers and Academics in Nineteenth Century France. A Socio-­Historical Overview; Jürgen Herbst: High School Teachers and the Professionalization of American Education; Georg Jäger, Bildung in Österreich im 19. Jahrhundert. Gymnasium und philosophische Fakultät (im Vergleich mit Bayern); Georg Meyer-­Thurow, Chemiker in Deutschland und England im Vergleich. – Außerdem: Weitere Planung zu Bildungsbürgertum. A: Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), ­Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (München), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Rüdiger vom Bruch (München), Charles E. M ­ cClelland (Albuquerque, New Mexico/München), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Christoph Führ (Frankfurt a. M.), Ingrid Gilcher (Heidelberg), Dieter Grimm (Bielefeld), Jürgen Herbst (Madison), Georg Jäger (München), Konrad Jarausch (Columbia), Victor Karady (Oxford), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Reg.dir. Kneser (Wissenschaftsministerium Stuttgart), Georg Meyer-­Thurow (Bielefeld), Thorsten Nybom (Uppsala), Klaus Schwabe (Aachen/ Friedrichsdorf ), Manfred Späth (Münster), Rolf Torstendahl (Uppsala). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Wolfgang Zorn (München). P (24 S.): Ingrid Gilcher (Heidelberg). 45) 17. – 19. 3. 1983 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (V: Professionalisierung):

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Christian Homrichhausen, Der evangelische Pfarrer in Deutschland: Zwischen gebildetem Bürger und Professionalität; Clyde Binfield, The Pastor as Professional: Some Preliminary Steps in a Victorian Investigation; Gerhard Dilcher, Berufsbild und Professionalisierung der Juristen: Von der altständischen zur bürgerlichen Gesellschaft; Hannes Siegrist, Professionalisierung der Rechtsanwaltschaft in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland und Frankreich (Kurzreferat). – Außerdem: Aussprache über die Fortsetzung der Thematik „Bildungsbürgertum“ (2. Tagungsphase ab Frühjahr 1984). A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney Pollard (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Clyde Binfield (Sheffield), Rüdiger vom Bruch (München), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Akio Ebihara, Ingrid Gilcher (Heidelberg), Klaus Heidel (Heidelberg), Christian Homrichhausen (Berlin), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Friedrich Kübler (Frankfurt a. M.), Hans-­Michael Martschei (Frankfurt a. M.), Robert Mizia (Frankfurt a. M.), Thomas Ormond (Frankfurt a. M.), Hannes Siegrist (Berlin). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (München), Heinrich August Winkler ­(Freiburg), Wolfgang Zorn (München). P (31 S.): Ingrid Gilcher (Heidelberg). [Frühjahrstagung 1983 = Ende der ersten Phase zu Bildungsbürgertum; im Herbst 1983 keine Tagung (zwecks intensiver Vorbereitung der zweiten Phase zu Bildungsbürgertum, Beginn also im Frühjahr 1984 [MV-Beschluss])]

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Anhang 2

46) 29. – 31. 3. 1984 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (VI: Gebildetenbegriff und Bildungsauffassung des ‚Bildungsbürgertums‘): Reinhart Koselleck, Einleitung [systemat. Einführung zu Phase 2]; Carl Dahlhaus, Das deutsche Bildungsbürgertum und die Musik; Ulrich Engelhardt, Zur Begriffs- und Dogmengeschichte von „Bildungsbürgertum“; Hans Erich Bödeker, Vom „Gelehrten“ zum „Gebildeten“. Zu den Anfängen des deutschen Bildungsbürgertums; Karl-­Ernst Jeismann, Der Bildungsbegriff im Selbstverständnis der Gymnasialprogramme in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Ulrich Herrmann, Über „Bildung“ im Gymnasium des Wilhelminischen Kaiserreichs; Wolfgang Frühwald, Das Bildungszitat in der deutschen Literatur 1815 – 1890. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Frühwald (München), Dieter Grimm (Bielefeld), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer ­Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München); Otto Gerhard Oexle (Hannover), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (München), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Hans Erich Bödeker (Göttingen), Moritz Csáky (Wien), Carl Dahlhaus (Berlin), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Peter Gay (Yale/Berlin), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Karlfried Gründer (Berlin), Ulrich ­Herrmann (Tübingen), Karl-­Ernst Jeismann (Braunschweig), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Ulrich Muhlack (Frankfurt a. M.). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Langewiesche (Hamburg), Sidney

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)



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Pollard (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Wolfgang Zorn (München). P (29 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

47) 19./20. 10. 1984 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (VII: Gebildetenbegriff und Bildungsauffassung des ‚Bildungsbürgertums‘ [Fortsetzung]): Reinhart Koselleck, Einleitung; Karlfried Gründer, Die Bedeutung der Philosophie für die Bildung des Bildungsbürgertums; Rudolf Vierhaus, Schleiermacher und der protestantische Bildungsbegriff; Ulrich Muhlack, Bildung ­zwischen Neuhumanismus und Historismus. A: Hermann Bausinger (Tübingen), Rudolf Braun (Zürich), Wolfgang Frühwald (München), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Wolfgang ­Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), ­Dieter Langewiesche (Hamburg), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney ­Pollard (Bielefeld), Klaus Tenfelde (München), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler ­(Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Frank Büttner (Kiel), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Karlfried Gründer (Berlin), Robert Mandelkow (Hamburg), Ulrich Muhlack (Frankfurt a. M.), Rudolf Vierhaus (Göttingen). V: Knut Borchardt (München), Werner Conze (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier), Wolfgang Zorn (München). P (20 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg). 48) 2. – 4. 5. 1985 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (VIII: Bildungsbegriff und Bildungswissen des ‚Bildungsbürgertums‘):

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Anhang 2

Reinhart Koselleck, Einleitungsüberlegungen, speziell zu „Bildungsreligion“ [PF]; Rudolf Vierhaus, Religion und Bildung im 19. Jahrhundert; Hermann Timm, Konfessionsspezifische Implikationen des Bildungsbegriffs [PF]; Dietrich v. Engelhardt, Das Bildungsbürgertum und die Naturwissenschaften; Frank Büttner u. Werner Busch, Die bürgerliche Bildung im Medium der Kunst; Karl Robert Mandelkow, Die bürgerliche Bildung in der Rezeptionsgeschichte der deutschen Klassik. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey ­(München), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney ­Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (München), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg), sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Frank Büttner (Kiel), Werner Busch (Bochum), Dietrich v. Engelhardt (Lübeck), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Friedrich Wilhelm Graf (München), ­Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Karl Robert Mandelkow (Hamburg), Ulrich Muhlack (Frankfurt a. M.), Rudolf v. Thadden (Göttingen), ­Hermann Timm (Heidelberg), Rudolf Vierhaus (Göttingen). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang ­Frühwald (München), Dieter Langewiesche (Hamburg), Wolfgang Zorn (München). P (19 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg). [Frühjahrstagung 1985 = Ende der zweiten Phase zu Bildungsbürgertum, aber Ergänzung im ersten Teil der Herbsttagung 1985]

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49) 7./8. 11. 1985 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich ­ (IX: Bildungsbegriff und Bildungswissen des ­‚Bildungsbürgertums‘ [Teil 1 der Tagung] bzw. Familie und Rolle der Frauen im ‚Bildungsbürgertum‘ [Teil 2 der Tagung]): Reinhart Koselleck, Einführung zum ersten Teil der Tagung; Michael Klöcker u. Christoph Weber, Katholizismus und Bildungsbürgertum; M. Rainer Lepsius, Einführung zum zweiten Teil der Tagung; Ulrich Engelhardt, „… geistig in Fesseln“? Zur normativen Placierung der Frau als „Kulturträgerin“ in der Bürgerlichen Gesellschaft während der Frühzeit der deutschen Frauenbewegung; Horst Möller, Der Salon um 1800; Ingrid Gilcher-­Holtey, Modelle moderner Weiblichkeit. Diskussionen im akademischen Milieu Heidelbergs um 1900. A: Hermann Bausinger (Tübingen), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (München) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Ute Frevert (Bielefeld), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Michael Klöcker (Köln), Konrad v. ­Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Ulf Matthiesen (Dortmund), Horst Möller (Erlangen), Ulrich Muhlack (Frankfurt a. M.), Christoph Weber (Düsseldorf ). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer ­(Berlin), Wolfgang Frühwald (München), Jürgen Kocka (Bielefeld), Sidney Pollard (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg), ­Wolfgang Zorn (München). P (24 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

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Anhang 2

50) 3. – 5. 4. 1986 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (X: Die ästhetische Kultur im Lebenshaushalt des Bildungsbürgertums bzw. Das Verhältnis bürgerlicher Teilgruppen zur Bildung): Wilhelm Schlink, „… das gähnende Ungeheuer, die Zeit zu töten.“ Der Kunsthaushalt der gebildeten Kreise 1860 – 1890; Hans-­Peter Bayerdörfer, Bildungsbürgertum und ­Theater ­zwischen 48er Revolution und Jahrhundertwende; Wolfgang Hardtwig, Auf dem Weg zum Bildungsbürgertum. Die Studenten im frühen 19. Jahrhundert; George Mosse, Die Juden und das deutsche Bildungsbürgertum; Lothar Gall, Eine Mannheimer Bürgerfamilie im 19. Jahrhundert; Friedrich Zunkel, Das Verhältnis des Unternehmertums zum Bildungsbürgertum ­zwischen Vormärz und Erstem Weltkrieg. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich Wehler (­ Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Franz Bauer (Regensburg), Hans-­Peter Bayerdörfer (München), Lothar Gall (Frankfurt a. M.), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Wolfgang Hardtwig (München), George Mosse (Madison/Jerusalem), Henning Ritter (FAZ, Frankfurt a. M.), Wilhelm Schlink (Freiburg), Friedrich Zunkel (Köln). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Knut Borchardt (München), Wolfgang Frühwald (München), Dieter Grimm (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter L ­ angewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney Pollard (Bielefeld), Klaus Tenfelde (München), H ­ einrich August Winkler (Freiburg), Wolfgang Zorn (München). P (20 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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51) 23. – 25. 10. 1986 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (XI: Das Bildungsbürgertum in Gesellschaft und Politik Deutschlands im 19. und frühen 20. Jahrhundert): Jürgen Kocka, Bildungsbürgertum – gesellschaftliche Formation oder Historikerkonstrukt? (Einleitende Bemerkungen und Fragen); Hans Erich Bödeker, Die deutschen gebildeten Stände im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert: Zugehörigkeit und Abgrenzung, Mentalitäten und Handlungspotentiale; Heinrich Best, Das Bildungsbürgertum als politische Klasse. Soziale Morphologie und politische Orientierungen bildungsbürgerlicher Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung und in der Assemblée nationale constituante 1848/49; Dieter Langewiesche, Bildungsbürgertum und Liberalismus im 19. Jahrhundert; Jürgen Reulecke, Bildungsbürgertum und Kommunalpolitik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; Rüdiger vom Bruch, Gesellschaftliche Funktionen und politische Rollen des Bildungsbürgertums im Wilhelminischen Reich; Konrad H. Jarausch, Die Krise des deutschen Bildungsbürgertums im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts; Hans-­Ulrich Wehler, Deutsches Bildungsbürgertum in vergleichender Perspektive: Element eines Sonderwegs? A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer ­(Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Sidney ­Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Heinrich Best (Köln), Hans Erich Bödeker (Göttingen), Rüdiger vom Bruch (München), Lothar Gall (Frankfurt a. M.), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Konrad H.

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Anhang 2

Jarausch (Chapel Hill), Konrad v. Krosigk (Reimes- Stiftung, Bad Homburg), Jürgen Reulecke (Siegen), Henning Ritter (FAZ, Frankfurt a. M.), Dietrich Kerlen (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Wolfgang Frühwald (München), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Zorn (München). P (25 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

52) 2. – 4. 4. 1987 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ‚Bildungsbürgertum‘ im internationalen Vergleich (XII: Abschlussdiskussion): M. Rainer Lepsius, Die Problematik der eigenständigen Vergesellschaftung und der Prägung der Lebensführung; Reinhart Koselleck, Zum Begriff der Bildung und seiner Vergleichbarkeit mit England und Frankreich; Hermann Bausinger, Volkskundliche Aspekte; Thomas Nipperdey, Kulturgeschichtliche Aspekte; Jürgen Kocka, Zum sozialen Realitätsgehalt; Hans Mommsen, Zum politischen Realitätsgehalt. [Wegen Erkrankung ausgefallen: Hans-­Ulrich Wehler, Sozialgeschichtliche Aspekte] A: Hermann Bausinger (Tübingen), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Sidney Pollard (Bielefeld), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Min.dirig. Dr. Bläsi (Wissenschaftsministerium Stuttgart), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Dietrich Geyer (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Wolfgang Schieder (Trier), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (43 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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53) 22. – 24. 10. 1987 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Soziale Vorbedingungen und Folgen wirtschaftlicher Wechsellagen (I [o. Ut.], Federführung: Wolfram Fischer u. Sidney Pollard): Manfred Neumann, Variable Zeitpräferenzrate und ökonomische Entwicklung; Hansjörg Siegenthaler, Soziales Lernen und Strukturwandel in handlungstheoretischer Perspektive; Sidney Pollard, Der große Boom in Großbritannien 1871 – 1873 und sein Einfluss auf die nachfolgende Depression; Wolfram Fischer, Sind deutsche Unternehmer Pessimisten? Öffentliche Äußerungen deutscher Unternehmer und Unternehmerverbände zur konjunkturellen Situation 1848 – 1914; James Foreman-­Peck, The Origins of Mass Unemployment: The Boom and Slump of 1919 – 1923; Olle Krantz, Business Cycles and Social Changes in Sweden in the 1920s and 1930s; Werner Abelshauser, Wirtschaftsordnung und Wechsellagen. Die Erfahrung der Zwischenkriegszeit in Deutschland; Felix Butschek, Strukturschwäche oder politisches Versagen? Die Ursachen der wirtschaftlichen Stagnation in Österreich ­zwischen 1918 u. 1938. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Bielefeld), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Werner Abelshauser (Bochum), Felix Butschek (Wien), James Foreman-­Peck (Newcastle), Ingrid Gilcher-­ Holtey (Heidelberg), Olle Krantz (Lund), Manfred Neumann (Erlangen Nürnberg), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg).

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Anhang 2

V: Hermann Bausinger (Tübingen), Dietrich Geyer (Tübingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Dieter Langewiesche (Hamburg), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Hannover), Wolfgang Schieder (Trier). P (16 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

54) 21. – 23. 4. 1988 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Soziale Vorbedingungen und Folgen wirtschaftlicher Wechsellagen (II [o. Ut.], Federführung: Hartmut Kaelble): Hartmut Kaelble, Einleitung; Burkart Lutz, Der Wirtschaftsaufschwung der 1950er und 1960er Jahre und die Durchbrechung der Wachstumsbarrieren der Zwischenkriegszeit; Bo Stråth, Der Fall Schweden – Wirtschaft, Politik und Kontinuität im gesellschaftlichen Wandel; Joe Lee, Modernisierung und sozialer Wandel im Irland der 1960er Jahre; Hansjörg Siegenthaler, Rationalität individuellen Handelns und Strukturwandel; Walther L. Bernecker, Modernisierung und sozialer Wandel im Spanien der 1960er Jahre; A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Thomas Nipperdey (München), Sidney Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus ­Tenfelde (Innsbruck), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Werner Abelshauser (Bochum), Walther L. Bernecker (Augsburg), Joe Lee (Cork/Irland), Burkart Lutz (München), Lutz Niethammer (Berlin), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Bo Stråth (Göteborg/Schweden), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Knut ­Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), ­Dieter ­Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius ­(Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Heinrich August Winkler (Freiburg). P (15 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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55) 20. – 22. 10. 1988 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950 (I [o. Ut.], Federführung: Hans-­Ulrich Wehler): Hans-­Ulrich Wehler, Einführung; Heinz Reif, Allgemeine Probleme der vergleichenden Adelsforschung (vor allem am Beispiel der deutschsprachigen Länder); Klaus Vetter, Der brandenburgisch-­preußische Adel 1750 – 1848/71; Hannes Stekl, Österreichischer Hochadel 1750 – 1945; Manfred Hildermeier, Russischer Adel 1750 – 1920; Michael W. Müller, Polnischer Adel 1750 – 1830; Leonid Luks, Polnischer Adel in den Teilungsgebieten und in Polen 1863 – 1945; Günter Barudio, Schwedischer Adel 1750 – 1945. [Ausgefallen: Elisabeth Fehrenbach, Der badische und württembergische Adel 1750 – 1848/71; Moritz Csáky, Ungarischer Hoch- und Kleinadel 1750 – 1945] A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Bielefeld), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Günter Barudio (Frankfurt a. M.), Manfred ­Hildermeier (Göttingen), Leonid Luks (Bremen), Michael G. Müller (Berlin), Heinz G. Reif (Berlin), Hannes Stekl (Wien), Klaus Vetter (Berlin/DDR) sowie Konrad v. ­Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Hermann Bausinger (Tübingen), Knut Borchardt (München), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier). P (15 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

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Anhang 2

56) 27. – 29. 4. 1989 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950 (II [o. Ut.], Federführung: Hans-­Ulrich Wehler): Francis L. Carsten, Der preußisch-­deutsche Adel 1871 – 1949; Walter Demel, Der bayrische Adel 1750 – 1871; Karl Möckl, Der deutsche Adel und die fürstlich-­ monarchischen Höfe 1750 – 1918; Wolfgang Mager, Französischer Adel 1750 – 1848; Heinz-­Gerhard Haupt, Französischer Adel 1848 – 1945; Volker Hunecke, Der venezianische Adel 1750 – 1815; Christof Dipper, Der italienische Adel 1750 – 1860; Jens Petersen, Italienischer Adel 1860 – 1947; A. [?] Offer, Englischer Adel 1750 – 1945; Francis L. M. Thompson, Englische Aristokratie und Gentry 1750 – 1945. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter ­Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Sidney Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Francis L. Carsten (London), Walter Demel (München), Christof Dipper (Trier), Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg), Heinz-­Gerhard Haupt (Bremen), ­Manfred Hildermeier (Göttingen), Volker Hunecke (Berlin), ­Wolfgang Mager (Bielefeld), Karl Möckl ­(Bamberg), A. Offer (York), Jens Petersen (Rom), Francis L. M. ­Thompson (London) sowie Dietrich Kerlen ­(Verlag Klett-­ Cotta, Stuttgart) und Konrad v. Krosigk ­(Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Dietrich Geyer (Tübingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Jürgen Kocka (Bielefeld), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (18 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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57) 20./21. 10. 1989 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Europäischer Adel im Vergleich, 1750 – 1950 (III [o. Ut.], Federführung: Hans-­Ulrich Wehler): Otto Gerhard Oexle, Aspekte der Geschichte des europäischen Adels im Mittelalter und in der frühen Neuzeit; Gerhard Dilcher, Der alteuropäische Adel – ein verfassungsgeschichtlicher Typus? Rudolf Braun, Konzeptionelle Bemerkungen zum Überleben: Adel im 19. Jahrhundert; Hans-­Ulrich Wehler, Europäischer Adel im Vergleich – offene Probleme. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Jürgen Kocka (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Bielefeld), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Mauricio Bach (Heidelberg), Manfred Hildermeier (Göttingen), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Hartmut Kaelble (­ Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck ­(Bielefeld), Thomas Nipperdey (München), Wolfgang Schieder (Trier). P (11 S.): Ingrid Gilcher-­Holtey (Heidelberg). 58) 26. – 28. 4. 1990 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ­Kirche und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (I [o. Ut.], Federführung: Wolfgang Schieder): Wolfgang Schieder, Einleitung; Victor Conzemius, Katholische ­Kirche und gesellschaftlicher Wandel 1789 – 1870; Josef Mooser, Katholische Volksreligion, Klerus und Bürgertum; Michael N. Ebertz, Organisierung der katholischen Massenreligiosität im 19. Jahrhundert;

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Anhang 2

Friedrich Wilhelm Graf, Die Spaltung des Protestantismus. Zum Verhältnis von ­Kirche, Staat und Gesellschaft im frühen 19. Jahrhundert; Thomas Nipperdey, Protestantismus und Gesellschaft im Kaiserreich; Lucian Hölscher, Bürgerliche Religiosität im 19. und frühen 20. Jahrhundert im protestantischen Deutschland; Peter Landau, Die Entstehung des Staatskirchenrechts in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Jürgen Kocka (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Sidney Pollard (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg). G: Maurizio Bach (Heidelberg), Victor Conzemius (Luzern), Michael N. Ebertz (Konstanz), Lucian Hölscher (Bielefeld), Peter Landau (München), Josef Mooser (Trier) sowie zeitweilig Ob.reg.rat Jürgen Gerber (Ministerium für Wissenschaft u. Kunst Baden-­Württemberg, Stuttgart), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Renate Warttmann (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart). V: Knut Borchardt (München), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut ­Kaelble (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), R ­ einhart Koselleck (Bielefeld), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Hansjörg Siegenthaler (Zürich). P (25 S.): Maurizio Bach (Heidelberg). 59) 18. – 20. 10. 1990 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT ­Kirche und Gesellschaft im 19. Jahrhundert (II [o. Ut.], Federführung: Wolfgang Schieder): Wolfgang Schieder, Einleitung; Rudolf Schlögl, Katholische Religiosität, ­Kirche und gesellschaftlicher Wandel im Rheinland (1750 bis 1830);

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Irmtraud Götz von Olenhusen, Die ultramontane „Gleichschaltung“ des katholischen Klerus Badens 1827 – 1914; Manfred Hanisch, Katholische ­Kirche und monarchische Legitimitätsstiftung in Bayern; Friedrich Wilhelm Graf, Einleitung; Werner K. Blessing, Gottesdienst als Säkularisierung? Zum protestantischen Kriegskult im Kaiserreich; Jochen-­Christoph ­Kaiser, Zur Politisierung des Verbandsprotestantismus. Die Wirkung Adolf Stoeckers auf die Herausbildung einer evangelischen Frauenbewegung um die Jahrhundertwende; Gangolf Hübinger, Kulturprotestantismus, Bürgerkirche und liberaler Revisionismus im wilhelminischen Deutschland; Dieter Langewiesche, Einleitung; Sylvia Paletschek, Frauen und Säkularisierung Mitte des 19. Jahrhunderts – Überlegungen zum Thema am Beispiel der religiösen Oppositionsbewegung des Deutschkatholizismus und der freien Gemeinden; Willfried Spohn, Sozialismus als Säkularreligion – Zur Religionssoziologie der sozialdemokratischen Arbeiterschaft im Deutschen Kaiserreich; Gerd Krumeich, Jeanne-­d’Arc-­Kult und politische Religiosität in Frankreich nach 1870; Reinhart Koselleck, Theologische Implikationen des deutschen Staatsbegriffs. A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), ­Hartmut ­Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Trier), Hansjörg ­Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Maurizio Bach (Heidelberg), Werner K. Blessing (Erlangen), Irmtraud Götz von Olenhusen (Freiburg), Manfred Hanisch (Erlangen), Gangolf Hübinger

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Anhang 2

(München), Jochen-­Christoph K ­ aiser (Münster), Gerd ­Krumeich (Freiburg), Sylvia Paletschek (Tübingen), Rudolf Schlögl (Münster), Willfried Spohn (Seattle) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Wolfgang Köllmann (Bochum), Thomas ­Hartmut Zwahr (Leipzig). P (27 S.): Maurizio Bach (Heidelberg).

60) 18. – 20. 4. 1991 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Nationalismus Nationalitäten, Supranationalität. I: Renaissance der Nationalismen? Historische Dimensionen eines Problems der europäischen Gegenwart (Federführung: Heinrich August Winkler): Heinrich August Winkler, Nationalismus, Nationalstaat und nationale Frage in Deutschland seit 1945 ­(allgemeine Einleitung u. Referat); Gilbert Ziebura, Nationalstaat, Nationalismus, supranationale Integration. Der Fall Frankreich; Wolfgang Kaschuba, Nationalismus als Ethnozentrismus. Anmerkungen zur kulturellen Ausgrenzung und Selbstausgrenzung ethnischer Gruppen in (deutscher) Geschichte und Gegenwart; Peter Waldmann, Ethnischer Radikalismus: Westeuropäische Nationalitätenkonflikte in vergleichender Perspektive; Hans Mommsen, Die Habsburgische Nationalitätenfrage und ihre Lösungsversuche im Licht der Gegenwart; Gottfried Schramm, Nationen, Staaten und übernationale Bewegungen in Ostmitteleuropa; Dietrich Geyer, Desintegration eines Imperiums: Nationalismen und Nationalitätenkonflikte in der Sowjetunion. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Wolfgang ­Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), ­Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)







(Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Wolfgang Schieder (Trier), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Freiburg), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Maurizio Bach (Heidelberg), Hans-­Jürgen Puhle (Frankfurt a. M.), Gottfried Schramm (Freiburg), Peter Waldmann (Augsburg), Gilbert Ziebura (Braunschweig) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (­ Berlin), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Jürgen Kocka ­(Berlin), Thomas Nipperdey (München), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield). P (18 S.): Maurizio Bach (Heidelberg).

61) 24. – 26. 10. 1991 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität. II: Supranationale Integration in Europa nach 1945 (Federführung: Hartmut Kaelble): Hartmut Kaelble, Einleitende Bemerkungen; (1) Supranationale Integration (Diskussionsbeitrag: Hans Mommsen): Roger Morgan, The Development of the Institutions of the European Community; Klaus von Beyme, Die hegemoniale Integration Osteuropas und ihr Verfall; (2) Exemplarische Felder der supranationalen europäischen Integration (Diskussionsbeitrag: M. Rainer Lepsius); Ulrich Everling, Die Entwicklung des europäischen Wirtschaftsrechts; Bernd Schulte, Die Entwicklung der europäischen Sozialpolitik; (3) Nationalstaat und Supranationalität (Diskussionsbeitrag: Heinrich August Winkler); Hansjörg Siegenthaler, Supranationalität, Nationalismus und regionale Autonomie in der Geschichte des schweizerischen Bundesstaates;

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Anhang 2

Sidney Pollard, Das Verhältnis Großbritanniens zur Europäischen Gemeinschaft; Hartmut Kaelble, Französische Europapolitik; (4) Generaldebatte, zuvor: M. Rainer Lepsius, Zusammenfassende Thesen zu beiden Tagungen. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Jürgen Kocka (Berlin), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Thomas Nipperdey (München), Sidney Pollard (Sheffield), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Heinrich August Winkler (Freiburg), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Maurizio Bach (Heidelberg), Klaus v. Beyme (Heidelberg), Ulrich Everling (Bonn), Roger Morgan (Florenz), Bernd Schulte (München) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer ­(Berlin), Ute Frevert (Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), ­Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Wolfgang ­Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter ­Langewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (14 S.): Maurizio Bach (Heidelberg). 62) 9. – 11. 4. 1992 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte der DDR (Federführung: Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka u. Hartmut Zwahr). I [o. Ut.]: (1) Hartmut Zwahr, Einleitende Bemerkungen; Lutz Niethammer, Strukturen und Erfahrungen. ­Probleme einer Sozialgeschichte der DDR; (2) Dorothee Wierling, Biographien und Wende. Chancen und Grenzen einer Oral History; Martin Kohli, Arbeit und Lebenslauf. Probleme sozialer Differenzierung in der DDR; Juan Linz, Erste und zweite deutsche Diktatur. Vergleiche und Kontinuitäten;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Sigrid Meuschel, Aspekte einer Herrschaftsgeschichte der DDR; (3) Dietrich Mühlberg, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der DDR in sozialgeschichtlicher Perspektive. A: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer ­(Berlin), Dietrich Geyer (Tübingen), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), ­Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Jürgen Kocka (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg), Martin Kohli (Berlin), Juan Linz (Yale), Sigrid Meuschel (Greifswald), Dietrich Mühlberg (Berlin), Lutz Niethammer (Essen), Dorothee Wierling (Leipzig) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), Thomas Nipperdey (München), Otto ­Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Köln), Klaus Tenfelde (Bielefeld). P (20 S.): Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg). 63) 22. – 24. 10. 1992 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte der DDR (Federführung: Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka u. Hartmut Zwahr). II [o. Ut.]: (1) M. Rainer Lepsius, Überlegungen zu einer künftigen Sozialgeschichte der DDR; Peter Hübner, Industriearbeiterschaft in SBZ und DDR. Tendenzwende des sozialen und mentalen Wandels; (2) Jürgen Kocka, Systematische Vorbemerkungen; Ralph Jessen, Hochschullehrer und neue Intelligenz. Fragen und Hypothesen; Friedrich Wilhelm Graf, Politische und kulturelle Leitbilder im kirchlichen Protestantismus der DDR; Detlef Pollack, Entkirchlichung in der DDR;

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Anhang 2

(3) Hans Günter Hockerts, Strukturen und soziale Folgen der Sozialpolitik in der DDR. A: Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Konstanz), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), ­Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Wolfgang Schieder (Köln), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg), Ute Gerhard-­ Teuscher (Frankfurt a. M.), Hans Günter Hockerts (München), Peter Hübner (Berlin), Ralph Jessen (Berlin), Jürgen John (Berlin), Christoph Kleßmann (Bielefeld), Detlef Pollack (Leipzig), Jörg Roesler (Berlin) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Dietrich Geyer ­(Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut ­Kaelble (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), ­Reinhart Koselleck (Bielefeld), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield), Hansjörg Siegenthaler (Zürich). P (22 S.): Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg). 64) 22. – 24. 4. 1993 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte der DDR (Federführung: Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka u. Hartmut Zwahr). III [o. Ut.]: (1) Knut Borchardt, Bemerkungen zur ökonomischen Entwicklung der DDR; Gerhard Dilcher, Überlegungen zum Verhältnis von Recht und Gesellschaft in der DDR; Thomas Friedrich, Aspekte der Verfassungsentwicklung und der individuellen (Grund-)Rechtsposition in der DDR; (2) Ute Gerhard-­Teuscher, Die Geschichte der Geschlechterverhältnisse in der DDR: die juristisch-­ normative und staatlich institutionalisierte „Lösung“ der Frauenfrage; Ina Merkel, Alltag und Lebensweisen von Frauen in der DDR;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Alf Lüdtke, „Helden der Arbeit“ – Mühen beim Arbeiten. Erste Eindrücke aus der Aktenlektüre; Jörg Roesler, Rolle der Arbeitsbrigaden in der betrieblichen Hierarchie bei der Regelung gesellschaftlicher Konflikte in der DDR (1950 – 1970); (3) Hartmut Zimmermann, Überlegungen zur Geschichte der Kader und der Kaderpolitik in der SBZ/DDR. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer ­(Berlin), Ute Frevert (Konstanz), Dietrich Geyer (Tübingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), Hansjörg ­Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), ­Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg). G: Thomas Friedrich (Kiel), Ute Gerhard-­Teuscher (Frankfurt a. M.), Alf Lüdtke (Göttingen), Ina Merkel (Ann Arbor), Kathrin Razum (Heidelberg), Jörg Roesler (Berlin), Stefan Wolle (Berlin), Hartmut ­Zimmermann (Berlin) sowie zeitweilig Reg.dir. Dr. Walter Amann (Ministerium für Wissenschaft u. Forschung Baden-­ Württemberg, Stuttgart) und Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg); V: Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Wolfgang Köllmann (Bochum), Dieter Langewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Köln), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (26 S.): Kathrin Razum (Heidelberg). 65) 21. – 23. 10. 1993 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Militär und bürgerliche Gesellschaft (Federführung: Ute Frevert und Rudolf Braun). I: Nationbuildung und Citizenship: Ute Frevert, Einleitung; Stig Förster, People’s War und „Volk in Waffen“. Staatsbürgerliche Partizipation, staatliches Gewaltmonopol und

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Anhang 2

die Entwicklung der Wehrverfassung in den USA und Preußen-­Deutschland 1775 – 1914; Rudolf Jaun, Nation armée – Armée et nation in der Schweiz. Entwicklungsschritte und Strukturprobleme einer Milizarmee im 19. Jahrhundert; Gerd Krumeich, Zur Entwicklung der Nation armée in Frankreich vor dem ­Ersten Weltkrieg; Hew Strachan, Die englische Armee und Gesellschaft im 19. Jahrhundert; Dietrich Beyrau, Armee und Gesellschaft im zaristischen Russland; Manfred Messerschmidt, Militär und Politik in Deutschland 1918 – 1939; Peter Kenez, Das Militär in der Sowjetgesellschaft der Zwischenkriegszeit. A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Konstanz), Friedrich Wilhelm Graf (Hamburg), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), Wolfgang Schieder (Köln), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Dietrich Beyrau (Frankfurt a. M.), Wilhelm Deist (Freiburg), Stig Förster (Augsburg), Manfred Grieger (Bochum), Karen Hagemann (Berlin), Rudolf Jaun (Zürich), Peter Kenez (Santa Cruz), Gerd Krumeich (Freiburg), Manfred Messerschmidt (Freiburg), Thomas Rohkrämer (Auckland), Hew Strachan (Glasgow) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg) und Thomas Steinfeld (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart). V: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Dietrich Geyer (Tübingen), Dieter Grimm (Bielefeld/ Karlsruhe), Jürgen Kocka (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Heinrich August Winkler (Berlin). P (25 S.): Manfred Grieger (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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66) 21. – 23. 4. 1994 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Militär und bürgerliche Gesellschaft (Federführung: Ute Frevert und Rudolf Braun). II: Militär und Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert: Ute Frevert, Einleitung; Ute Frevert, Die Militarisierung des deutschen Mannes. Allgemeine Wehrpflicht im 19. Jahrhundert; Karen Hagemann, Von männlichem Mut und deutscher Ehre. Entwürfe militärischer Männlichkeit zur Zeit der Befreiungskriege; Klaus Schmitz, Vom Kind zum Krieger. Sozialisation in preußischen Kadettenanstalten nach 1890; Thomas Rohkrämer, Das Militär als Männerbund im Deutschen Kaiserreich; Gert Hekma, Homosexualität im niederländischen Militär des 19. Jahrhunderts; Sabina Brändli, Von „schneidigen Offizieren“ und „Männercrinolinen“. Aspekte symbolischer Männlichkeit am Beispiel schweizerischer und preußischer Uniformen des 19. Jahrhunderts. A: Rudolf Braun (Zürich), Ute Frevert (Konstanz), ­Dietrich Geyer (Tübingen), Friedrich Wilhelm Graf (Hamburg), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Jürgen Kocka (Berlin), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg), Sabina Brändli (Zürich), Karen Hagemann (Berlin), Gert Hekma (Amsterdam), Thomas Rohkrämer (Wellington), Klaus Schmitz (Siegen) sowie zeitweilig Thomas Bertram (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart) und Konrad v. Krosigk (Reimers-­ Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaeble (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen),

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Anhang 2

Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Köln), Klaus Tenfelde (Bielefeld). P (13 S.): Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg).

67) 27. – 28. 10. 1994 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Militär und bürgerliche Gesellschaft (Federführung: Ute Frevert und Rudolf Braun). III: Militär und Gesellschaft – Versuch eines internationalen Vergleichs: Hans Mommsen, Weimarer Republik und NS-Zeit ­ mit Schwerpunkt paramilitärische Verbände; Martin Kutz, Bundeswehr und Gesellschaft; Frithjof H. Knabe, Nationale Volksarmee und Gesellschaft; Jakob Tanner, Militär und Gesellschaft in der Schweiz nach 1945; Moshe Zimmermann, Militär und Gesellschaft in Israel. A: Knut Borchardt (München), Rudolf Braun (Zürich), Ute Frevert (Konstanz), Dietrich Geyer (Tübingen), ­Friedrich Wilhelm Graf (Hamburg), Dieter Grimm (Bielefeld/ Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), ­Wolfgang Kaschuba (Berlin), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Köln), ­Wolfgang Schluchter (Heidelberg), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­Ulrich Wehler (­ Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg), Gerhard Botz (Salzburg), Frithjof H. Knabe (Leipzig), Martin Kutz (Hamburg), Jakob Tanner (Zürich), Moshe Zimmermann (Jerusalem) sowie zeitweilig Thomas Bertram (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart) und Konrad v. Krosigk (Reimers-­ Stiftung, Bad Homburg). V: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Sidney Pollard (Sheffield). P (13 S.): Rita Aldenhoff-­Hübinger (Heidelberg).

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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68) 27. – 29. 4. 1995 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Problemlagen der Sozialgeschichte [= erster Tagungsteil (Referatsthemen hier nach den vorläufigen Formulierungen im PMV Okt. 1995, S.45)]: Reinhart Koselleck, Einleitung; Hans-­Ulrich Wehler, Sozialgeschichte und Gesellschaftsgeschichte; Hansjörg Siegenthaler, Sozialgeschichte und Ökonomie; Friedrich Wilhelm Graf, Sozialgeschichte und Religion; Wolfgang Schluchter, Sozialgeschichte und H ­ istorische Sozialwissenschaft. – Rückblick auf das P ­ rojekt „Militär und bürgerliche Gesellschaft“ [= Diskussion im zweiten Tagungsteil auf der Basis einer Vorlage von Ute Frevert]. A: Knut Borchardt (München), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Ute ­Frevert ­(Konstanz), Friedrich Wilhelm Graf (Hamburg), ­Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Reinhart Koselleck (­Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield), Wolfgang Schieder (Köln), Wolfgang Schluchter (Heidelberg), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: – V: Hartmut Kaelbe (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Klaus Tenfelde (Bielefeld). P (19 S.): Jürgen Mackert (Heidelberg). 69) 19. – 21. 10. 1995 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Ergebnisse und Defizite der Konstruktion und Analyse politisch-­sozialer Begriffe [= erster Tagungsteil, 19./20.Oktober]: Christof Dipper, Die „Geschichtlichen Grundbegriffe“. Von der Begriffsgeschichte zur ­Theorie geschichtlicher Zeiten; Gunter Scholtz, Begriffsgeschichte als historische Philosophie und philosophische Historie; Klaus Tenfelde, Der sozialgeschichtliche Ertrag des Lexikons „Geschichtliche Grundbegriffe“;

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Anhang 2

Hansjörg Siegenthaler, Begriffsgeschichte und Ökonomie; Hans-­Jürgen Lüsebrink, Begriffsgeschichte und ­„linguistic turn“. Zur Beziehung von Begriffsgeschichte und Diskursanalyse; James Sheehan, Begriffsgeschichte und “linguistic turn“. Ein Blick aus den USA; Otto Gerhard Oexle, Das Mittelalter in den „Geschichtlichen Grundbegriffen“. – Überlegungen zum künftigen Schwerpunktprogramm „Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert“ [= zweiter Tagungsteil, 21.Oktober]. A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert ­(Konstanz), Friedrich Wilhelm Graf (Hamburg), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bielefeld), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Christof Dipper (Darmstadt), Hans-­Jürgen Lüsebrink (Saarbrücken), Alexandra Penninger (Heidelberg), Gunter Scholtz (Bochum), James Sheehan (Stanford) sowie zeitweilig Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), Sidney Pollard ­(Sheffield), Wolfgang Schluchter (Heidelberg). P (51 S.): Alexandra Penninger (Heidelberg). 70) 25. – 27. 4. 1996 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. I: Allgemeine Dimension: Friedrich Wilhelm Graf, Religiöse Ordnungen im 20. Jahrhundert; Wolfgang Schieder, Defizite des Programms einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert; M. Rainer Lepsius, Sozialgeschichte Europas als Strukturgeschichte der Sozialstaatlichkeit;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

Hansjörg Siegenthaler, Koordinationsleistungen der Märkte und ihre ideologisch-­institutionellen Grundlagen; Dieter Grimm, Die Rechtsordnung im Rahmen einer europäischen Sozialgeschichte; Reinhart Koselleck, Der Staat als letzte Instanz im 20. Jahrhundert; Ute Frevert, Geschlechterordnungen. A: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Konstanz), Dietrich Geyer (Tübingen), ­Friedrich Wilhelm Graf (München), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), ­Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), ­Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Alexandra Penninger (Heidelberg) sowie zeitweilig Eberhard Rathgeb (Verlag Klett-­Cotta, Stuttgart) und Ingrid Rudolph (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Wolfgang Schluchter (Heidelberg), Klaus Tenfelde (Bielefeld). P (82 S.): Alexandra Penninger (Heidelberg). 71) 24. – 26. 10. 1996 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. II : Allgemeine Dimension (Fortsetzung): Jürgen Kocka, Einleitung; Gerhard Dilcher, Überlegungen zur Rolle der Rechtshistorie in einem Projekt „Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts“; Josef Mooser, Gewalt und Gesellschaft. Methodologische Überlegungen zur Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts; Ulrich Raulff, Zur Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts: Desiderata aus der Sicht der Kultur- und Ideengeschichte;

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Anhang 2

Bernward Joerges, Anfragen an einen historischen Text vonseiten der Wissenschafts- und Technikforschung; Jürgen Osterhammel, Die Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert aus kulturvergleichender Perspektive. A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert (­Konstanz), Dietrich Geyer (Tübingen), Friedrich ­Wilhelm Graf (Augsburg), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Bernward Joerges (Berlin), Josef Mooser (Basel), ­Jürgen Osterhammel (Hagen), Alexandra Penninger (Heidelberg), Ulrich Raulff (Frankfurt a. M.) sowie zeitweilig Ingrid Rudolph (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Dieter Langewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield) und Wolfgang Schluchter (Heidelberg). P (43 S.): Alexandra Penninger (Heidelberg). 72) 24. – 26. 4. 1997 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. III: Das neue Jahrhundert. Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe für Europa um 1900: Ute Frevert, Einleitung; Sidney Pollard, Innen- und außenpolitische Zukunftsvorstellungen um die Jahrhundertwende; Thomas Welskopp, Die Partei der Produktivkräfte an der Schwelle zum Jahrhundert der Erfüllung: Sozioökonomische Zeitdiagnosen und Zukunftsvorstellungen in der deutschen Sozialdemokratie um 1900; Friedrich Wilhelm Graf, Geistige Revolution; Ute Frevert, Die Zukunft des Geschlechterverhältnisses: Diagnosen und Erwartungen an der Jahrhundertwende; Alexander Schmidt, Der Blick nach Westen – „Die neue Welt“;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Dietrich Geyer, Der Blick von Osten; Wolfgang Schieder, Kulturelle Avantgarden; Ulrich Engelhardt, Einleitungsbemerkungen ­ zur Schlussdiskussion. A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Ute Frevert (Konstanz), Dietrich Geyer (Tübingen), Friedrich Wilhelm Graf (Augsburg), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Sidney Pollard (Sheffield), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Heinrich August Winkler (Berlin), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Alexander Schmidt (Berlin), Thomas Welskopp (Berlin). V: Knut Borchardt (München), Wolfram Fischer ­(Berlin), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter ­Langewiesche (Tübingen), Hans Mommsen (Bochum), Otto Gerhard Oexle (Göttingen). P (40 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 73) 23./24. 10. 1997 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. IV: ­ Der Erste Weltkrieg und die gesellschaftliche und politische Ordnung in Europa. Sektion Kriegserfahrung und Mentalitätenwandel: Klassen, Milieus und politische Kulturen im Vergleich: Klaus Tenfelde, Einleitung; Benjamin Ziemann, Das soldatische Kriegserlebnis des ­Ersten Weltkriegs. Deutungen, Verarbeitungsmuster und Wirkungen bei Arbeitern und Bauern; Dirk Schumann, Einheitssehnsucht und Gewaltakzeptanz. Das deutsche Bürgertum nach 1918 im Vergleich mit England; Michael Prinz, Erster Weltkrieg und sozialer Wandel im Spiegel der neueren englischen Geschichtsschreibung; Sektion Europa ­zwischen Demokratie und Diktatur: ­ Die russische Oktoberrevolution von 1917 und die politischen Transformationsprozesse nach dem ­Ersten Weltkrieg: Heinrich August Winkler, Einleitung;

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Anhang 2

Manfred Hildermeier, Der historische Ort der Oktoberrevolution; Heinrich August Winkler, „Demokratie oder Bürgerkrieg?“ Die russische Oktoberrevolution als Problem der deutschen Sozialdemokraten und der französischen Sozialisten. [Ausgefallen wegen Erkrankung des Referenten: ­Wolfgang Schieder, Die russische Oktoberrevolution als Herausforderung der europäischen Rechten. Deutschland und Italien im Vergleich.] A: Knut Borchardt (München), Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Bielefeld), Dietrich Geyer (Tübingen), Friedrich Wilhelm Graf (München), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Bochum), ­Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Heinrich August Winkler (Berlin) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Manfred Hildermeier (Göttingen), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Michael Prinz (Münster), Dirk Schumann (Bielefeld), Benjamin Ziemann (Bochum). V: Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Sidney Pollard (Sheffield), ­Wolfgang Schieder (Köln), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), ­Hartmut Zwahr (Leipzig). P (47 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 74) 23. – 25. 4. 1998 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. V: Transition from War to Peace: Patterns of Political and Behavioural Change in European Post-­War Society (1917 – 1924): Bernd Weisbrod, The Legacy of the Great War and the Politics of Representation; Sidney Pollard, Economic Change in European Post-­ War Society; Kenneth O. Morgan, Political Mobilization in Great Britain, 1918 – 1926;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

John Horne, The Shadow of the War: Political Change in Post-­War France; Heinz Hagenlücke, Changes of Political Style in Germany during the Transition Period from the Kaiserreich to the Weimar Republic; Giovanna Procacci, The Social and Political Effects of the First World War in Italy and the Crisis of the Liberal State [wegen Erkrankung der Referentin in Kurzfassung wiedergegeben durch W. Schieder]; Christof Dipper, Commentary to Giovanna Procacci. – Plenary Debate: Pattern of European Post-­War Politics. A: Jürgen Kocka (Berlin), Hans Mommsen (Bochum), Sidney Pollard (Sheffield), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Christof Dipper (Darmstadt), Heinz Hagenlücke (Düsseldorf ), John Horne (Dublin), Konrad v. Krosigk (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Kenneth O. Morgan (Oxford), Bernd Weisbrod (Göttingen). V: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Otto ­Gerhard Oexle (Göttingen), Heinrich August Winkler (Berlin). P (47 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 75) 22. – 24. 10. 1998 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20 .Jahrhundert. VI: Zur Frage nach mentalen und institutionellen Restriktionen ­individuellen und kollektiven Handelns in der Konstitution des Nationalsozialismus, Sozialisationserfahrungen und ­ ihre restringierenden und entgrenzenden Wirkungen: Hansjörg Siegenthaler, Einleitung; Otto Gerhard Oexle, ‚1933‘. Zur ‚longue durée‘ mentaler Strukturen;

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Anhang 2

Heinz-­Elmar Tenorth, Identitätskonstruktionen im Lebenslauf – Befunde der historischen Bildungsforschung; Klaus Tenfelde, Lebensentwürfe und Lebensverläufe der Wilhelminischen Arbeiterjugend; Friedrich Wilhelm Graf, Neue Sozialisationskohorten im Protestantismus und ihr Umgang mit tradierten Glaubenswahrheiten; Hans Mommsen, Manifestationen kohortenspezifischer Sozialisation in nationalsozialistischen Herrschaftseliten; Albrecht Ritschl, Lernroutinen und ihre Anpassung im Wirtschaftsleben der frühen dreißiger Jahre. A: Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred Hildermeier (Göttingen), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), M. Rainer Lepsius (Heidelberg), Hans Mommsen (Feldafing), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Lutz Raphael (Trier), Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Albrecht Ritschl (Barcelona), Heinz-­Elmar Tenorth (Berlin). V: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), Jürgen Osterhammel (Freiburg), Sidney Pollard (Sheffield). P (60 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 76) 22. – 24. 4. 1999 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. VII: Restriktionen des Handelns in totalitarismusträchtigem Kontext: Hansjörg Siegenthaler, Einleitung; Hubert Rottleuthner, Die Beliebigkeit von Rechtfertigungen; Bernd Rüthers, Neue Sozialisationskohorten im Justizwesen und ihr Umgang mit tradiertem Recht; Jakob Tanner, Restriktionen im politischen Denken und Handeln in den Auseinandersetzungen um eine „Neue Ordnung“ in der Schweiz, 1933 – 1939;

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Paul Nolte, Suche nach Gemeinschaft. Amerikanische Intellektuelle und die Krise des Liberalismus in den 1920er und 1930er Jahren; Stefan Plaggenborg, Traditionsverlust, Strukturauflösung und Resystematisierung in der Sowjetunion. A: Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Dieter Grimm (Bielefeld/Karlsruhe), Manfred ­Hildermeier (Göttingen), Hartmut Kaelble (Berlin), ­Sigrid Meuschel (Leipzig), Hans Mommsen (Feldafing), Jürgen Osterhammel (Genf ), Lutz Raphael (Trier), ­Wolfgang Schieder (Köln), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Jakob Tanner (Zürich), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Werner Knopp (Reimers-­Stiftung, Bad Homburg), Paul Nolte (Berlin), Stefan Plaggenborg (Marburg), Hubert Rottleuthner (Berlin), Bernd Rüthers (Konstanz). V: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter ­Langewiesche (Tübingen), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (60 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 77) 28. – 30. 10. 1999 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Die Anfänge des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (mit den Abschnitten 1. Die „neue“ Sozialgeschichte in ihrem disziplinären Umfeld; 2. Themenfelder und Deutungsmuster der Strukturhistoriker; 3. „Vergangenheitsbewältigung“; 4. Alternativen und ­Einflüsse von außen): Lutz Raphael, Einleitung; Thomas Etzemüller, Die Etablierung der Sozialgeschichte im Historikerfeld der Nachkriegszeit; Carsten Klingemann, Symbiotische Verschmelzung: Volksgeschichte – Soziologie – Sozialgeschichte und ihre empirische Wende zum Sozialen unter politischen Vorzeichen; Christoph Cornelissen, Gerhard Ritter und die Kontinuität nationalkonservativer Politikgeschichte;

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Anhang 2

Lutz Raphael, Umdeutungen der Nationalgeschichte: Die Politikgeschichte der jüngsten Zeit im Blick der Sozialhistoriker; Gadi Algazi, Ansätze der historischen Semantik; Winfried Schulze, Einleitendes Kurzreferat zu einem Roundtable über „Intellektuelle und moralische Einsätze in der Zeitgeschichte des eigenen Faches und der eigenen Fachrichtung“. [Weiteres Kurzreferat von Norbert Frei zwar vorgesehen, aber kurzfristig ausgefallen.] Gabriela Ann Eakin[-Thimme], Sozialgeschichtliche Ansätze der deutsch-­amerikanischen Exilhistoriker?. [Ausgefallen: Peter Schöttler, „Strukturgeschichte“ links und rechts des Rheins nach 1945.] A: Gerhard Dilcher (Frankfurt a. M.), Wolfram Fischer (Berlin), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred Hildermeier (Göttingen), Hubertus Kohle (Köln), ­Reinhart Koselleck (Bielefeld), Lutz Raphael (Trier), Wolfgang Schieder (Köln), Jakob Tanner (Zürich), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Gadi Algazi (Berlin/Tel Aviv), Christoph Cornelißen (Düsseldorf ), Gabriela Ann Eakin (Frankfurt a. M.), Thomas Etzemüller (Tübingen), Susanne Hockling (Stuttgart), Carsten Klingemann (Osnabrück), Winfried Schulze (München). V: Ute Frevert (Bielefeld), Dieter Grimm (Bielefeld/­ Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Dieter Langewiesche (Tübingen), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Sigrid Meuschel (Leipzig), Hans Mommsen (Feldafing), Otto ­Gerhard Oexle (Göttingen), Jürgen Osterhammel ­(Konstanz), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus ­Tenfelde (Bochum). P (56 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 78) 13. – 15. 4. 2000 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), Macht der Bilder und visuelle Kommunikation. I: Historisierung des Sehens – Visualisierung der Geschichte:

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Jakob Tanner, Einführung: Hermeneutik, Semiotik und die historische Interpretation von Bildern; Martin Loiperdinger, Veränderung der Wahrnehmung durch Kinematographie; Norbert Schnitzler, Illusion, Täuschung und schöner Schein. Probleme der Bilderverehrung im späten Mittelalter; David Gugerli, Kartographische Evidenzen der Nation. Die Landestopographie des schweizerischen Bundesstaats als Produzentin visueller Selbstverständlichkeit; Cornelia Brink, Das Auge des Betrachters – Die ­Botschaft der Bilder; Sabine Kienitz, Die Visualisierung des Traumas. Zur Deutung von Körper-­Bildern von Kriegsbeschädigten des ­Ersten Weltkriegs; Hubertus Kohle, Global Art. Über Telekommunikationsprojekte von Kit Galloway und Sherrie Rabinowitz. [Ausgefallen: Juri Murasov, Verderbte Augenlust. Zur Ethik des Sehens in der russischen Kultur (am Beispiel der spätrealistischen Literatur und Malerei).] A: Ute Daniel (Braunschweig), Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Hubertus Kohle (München), Dieter Langewiesche (Tübingen), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Hans Mommsen (Feldafing), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Lutz Raphael (Trier), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Jakob Tanner (Zürich), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Cornelia Brink (Freiburg i.Br./Hamburg), David Gugerli (Zürich), Sabine Kienitz (Stuttgart), Martin Loiperdinger (Trier), Norbert Schnitzler (Chemnitz). V: Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Karlsruhe), Manfred Hildermeier (Göttingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Sigrid Meuschel (Leipzig), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Hansjörg Siegenthaler (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (54 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg).

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Anhang 2

79) 27./28. 10. 2000 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert. Zwischenbilanz und weitere Projektkonzeption: Wolfgang Schieder, Einleitende Bemerkungen zum Konzept Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert; Hans-­Ulrich Wehler, Noch einmal: Europäische Sozialgeschichte im Vergleich; Klaus Tenfelde, Strukturen statt Ordnungen? Über Kontinuitäten im 20. Jahrhundert; Manfred Hildermeier, Osteuropa in der europäischen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts; Jürgen Osterhammel und Lutz Raphael, Themenfelder und Problemfelder einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert; Friedrich Wilhelm Graf, Religionen und Religion in einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert; Jakob Tanner, Körper und Sinneswahrnehmungen in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. [Ausgefallen: Wolfram Fischer, Rechtliche und verwaltungsmäßige Veränderungen bei der Steuerung der Wirtschaft in den europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts.] A: Ute Daniel (Braunschweig), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred Hildermeier (Göttingen), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Hubertus Kohle (München), Sigrid Meuschel (Leipzig), Hans Mommsen (Feldafing), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Lutz Raphael (Trier), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­ Ulrich Wehler (Bielefeld), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: – V: Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Karlsruhe), Hartmut Kaelble (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), ­Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Otto Gerhard Oexle (Göttingen). P (73 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg).

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80) 26. – 28. 4. 2001 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), GT Urbanisierung und Stadt-­Land-­Beziehungen: Europa im 20. Jahrhundert (I). Vorweg Berichte der Sprecher von Planungsgruppen ­ zu Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert: Jakob Tanner, Medien und Kommunikation als Probleme der europäischen Sozialgeschichte; Friedrich Wilhelm Graf, Religion, politische Religion und Gewaltexplosionen im 20. Jahrhundert. Zum unmittelbaren Tagungsthema: Hartmut Kaelble, Europäische Urbanisierung im 20. Jahrhundert; Manfred Hildermeier, Die russische und die polnische Stadt – Subtypen europäischer Entwicklungen?; Christof Dipper, Die italienische Stadt; Wolfgang Schieder, Korreferat; Joachim Rückert, Stadt – Land – Recht; Klaus Tenfelde, Der Stadt-­Land-­Gegensatz im 20. Jahrhundert. A: Ute Daniel (Braunschweig), Christof Dipper (Darmstadt), Wolfram Fischer (Berlin), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred Hildermeier (Göttingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Friedrich Lenger (Gießen), Hans Mommsen (Feldafing), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Lutz Raphael (Trier), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Rudolf Stichweh (Bielefeld), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: – V: Ute Frevert (Bielefeld), Dieter Grimm (Berlin), Hubertus Kohle (München), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Sigrid Meuschel (Leipzig), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (54 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg).

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Anhang 2

81) 11./12. 10. 2001 in Heidelberg (Reichspräsident-­Friedrich-­Ebert-­ Gedenkstätte), Urbanisierung und Stadt-­Land-­ Beziehungen: Europa im 20. Jahrhundert (II). Friedrich Wilhelm Graf, Religion in der Stadt; Friedrich Lenger, Urbanisierung, Suburbanisierung, Medialisierung: Anmerkungen zu amerikanischen Städten des 20. Jahrhunderts; Christof Dipper, Bericht zur weiteren Programmplanung der Arbeitsgruppe Urbanisierung. [Verschoben: Rudolf Stichweh, Globalisierung und die europäische Stadt: Soziologische Perspektiven.] A: Christof Dipper (Darmstadt), Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred Hildermeier (Göttingen), Hartmut Kaelble (Berlin), Hubertus Kohle (München), Dieter Langewiesche (Tübingen), Friedrich Lenger (Gießen), Sigrid Meuschel (Leipzig), Hans Mommsen (Feldafing), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: – V: Ute Daniel (Braunschweig), Wolfram Fischer (Berlin), Dieter Grimm (Berlin), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Lutz Raphael (Trier), Rudolf Stichweh (Bielefeld), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld), Bernd Weisbrod (Göttingen). P (39 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). 82) 25./26. 4. 2002 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Urbanisierung und Stadt-­Land-­Beziehungen: Europa im 20. Jahrhundert (III): Wolfgang Kaschuba, Urbane Lebenswelten; Rudolf Stichweh, Globalisierung und die europäische Stadt: Soziologische Perspektiven; Paul Nolte, Jenseits der Urbanisierung? Überlegungen zur deutschen Stadtgeschichte seit 1945; Hubertus Kohle, Stadtwahrnehmung in der deutschen Malerei des Expressionismus. –

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)







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Im zweiten Teil der Tagung Generaldebatte über die Zukunft des AKMS. A: Ute Daniel (Braunschweig), Christof Dipper (Darmstadt), Manfred Hildermeier (Göttingen), Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), Hubertus Kohle (München), Friedrich Lenger (Gießen), Sigrid Meuschel (Leipzig), Lutz Raphael (Trier), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Rudolf Stichweh (Bielefeld), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg). G: Paul Nolte (Bremen). V: Ute Frevert (Bielefeld), Friedrich Wilhelm Graf (München), Dieter Grimm (Berlin), Hartmut Kaelble (Berlin), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Dieter Langewiesche (Tübingen), Wolfgang Merkel (Heidelberg), Hans Mommsen (Feldafing), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Hans-­Ulrich Wehler (Bielefeld). P (69 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). [Seit April 2002 als Teil der Tagungen jeweils auch ein öffentlicher Abendvortrag eines Arbeitskreismitglieds (s. separate Übersicht)]

83) 18./19. 10. 2002 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Sozialstaat in Europa (I): Lutz Raphael, Sozialwissenschaftliche Erklärungsansätze; Hartmut Kaelble, Die gemeinsamen europäischen Dimensionen; Martin Lengwiler, Transnationale Akteure sozialstaatlicher Gesundheitsforschung: Die Entwicklung der Sozialmedizin in Westeuropa 1940 – 1971. – Im zweiten Teil der Tagung Überlegungen zum künftigen Vorgehen beim Gesamtprojekt Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert, weitere Programmplanung zu den Teilbereichen Sozialstaat bzw. Urbanisierung/Urbanität. A: Ute Daniel (Braunschweig), Christof Dipper (Darmstadt), Friedrich Wilhelm Graf (München), Manfred H ­ ildermeier (Göttingen), Hartmut Kaelble (Berlin), F ­ riedrich Lenger

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Anhang 2

(Gießen), Jürgen Osterhammel (Konstanz), Lutz Raphael (Trier), Joachim Rückert (Frankfurt a. M.), Wolfgang Schieder (Köln), Rudolf Stichweh (Bielefeld), Jakob Tanner (Zürich), Klaus Tenfelde (Bochum) sowie Geschäftsführer Ulrich Engelhardt (Heidelberg), zudem Wolfram Fischer (Berlin) als IA. G: Martin Lengwiler (Zürich). V: Ute Frevert (Bielefeld), Dieter Grimm (Berlin), ­Wolfgang Kaschuba (Berlin), Jürgen Kocka (Berlin), ­Hubertus Kohle (München), Reinhart Koselleck (Bielefeld), Sigrid Meuschel (Leipzig), Hans Mommsen (Feldafing), Otto Gerhard Oexle (Göttingen), Bernd Weisbrod (Göttingen), Hartmut Zwahr (Leipzig). P (30 S.): Ulrich Engelhardt (Heidelberg). [Auf Beschluss von Vorstand und Mitgliederversammlung seit Frühjahr 2003 keine Tagungsprotokolle mehr, deshalb ab lf. Nr. 84 nur noch Angaben zu Tagungsdaten, -themen und -referent/inn/en]

84) 24. – 26. 4. 2003 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert: Medien und Kommunikation: Rudolf Stichweh, Medien, Informationstechnik und Sozialität; Ute Daniel, Zur Herausbildung der ‚modernen‘ Kriegsberichterstattung in Europa; Bernd Weisbrod, Nationaler Stil und mediale Logik. Ein Versuch zur europäischen Mediengeschichte der zweiten Nachkriegszeit. [Wegen Krankheit verschoben: Jakob Tanner, Amerikanisierung und Medien; Christoph Türcke, Sensation als Herrschafts- und Wahrnehmungsform.] Im zweiten Teil der Tagung dann Abschlussdiskussion zu Medien und Kommunikation als Dimension einer Sozialgeschichte Europas sowie weitere Projektplanung. 85) 23. – 25. 10. 2003 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert: Entwurf eines DFG-Schwerpunktprogramms: 1. Schwerpunktthema Gewalt:

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Bernd Weisbrod, Gewalt und Zivilität; dazu Präsentation von Projektvorhaben: Habbo Knoch, Die Politisierung des zerstörten Körpers. Gewaltbild und Bildgewalt im 20. Jahrhundert; Wolfgang Höpken u. Claudia Weber, Gewalt und Ordnung. Die Erfahrung der Stalinisierung in Bulgarien [Teilbeitrag von Claudia Weber wegen Krankheit ausgefallen]; 2. Schwerpunktthema Urbanität: Friedrich Lenger, Bericht der Arbeitsgruppe; dazu Präsentation von Projektvorhaben: Rainer Liedtke, Stadtplanung und -entwicklung im Großraum London und im Rhein-­Main-­Raum; 3. Schwerpunktthema Medien und Kommunikation: Christoph Türcke, Sensation als Herrschafts- und Wahrnehmungsform; Jakob Tanner, Amerikanisierung und Medien; 4. Schwerpunktthema Sozialstaat. Christoph Conrad, Bericht der Arbeitsgruppe; dazu Präsentation von Projektvorhaben: Andreas Eckert, Internationalisierung und kolonialer Export europäischer Sozialstaatlichkeit; 5. Schwerpunktthema Religion. Friedrich Wilhelm Graf, Präsentation des Konzepts. 86) 22. – 24. 4. 2004 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Religion in einer Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert: Friedrich Wilhelm Graf, Kurze Einführung; Volkhard Krech, Religiöse Ideen ­zwischen Interessen und Reflexion. Methodische Überlegungen zur Wechselwirkung von Religions-, Sozial- und Begriffsgeschichte; Wilhelm Damberg, Europäische Katholizismen im Vergleich. Entwicklungslinien im 20. Jahrhundert; Hugh McLeod, The Religious Crisis in the 1960s: A Social History; Andreas Holzem, Religionsgeschichte als Thema der Zeitgeschichte. Beobachtungen mit Blick auf die Religionsdiskurse der Frühneuzeithistoriker. [Wegen Krankheit verschoben: Martin Schulze

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Anhang 2

­ Wessel, Kirchliche Repräsentationen – Säkulare ­Ordnungen. „Die lebendige ­Kirche“ im Bolschewismus und die Deutschen Christen im Nationalsozialismus.] 87) 21. – 23. 10. 2004 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Religion in einer Sozialgeschichte Europas im 20 .Jahrhundert (Forts.) [vgl. lf. Nr. 90]: Friedrich Wilhelm Graf, Neue Forschungen zur Religionsgeschichte Europas im späten 20. Jahrhundert; Jörn Leonhard, Der „Heilige Krieg“ der Nation? ­Religiöser und konfessioneller Bellizismus seit dem 19. Jahrhundert im internationalen Vergleich; Martin Schulze Wessel, Kirchliche Repräsentationen – Säkulare Ordnungen. „Die lebendige ­Kirche“ im Bolschewismus und die Deutschen Christen im Nationalsozialismus. 88) 21. – 23. 4. 2005 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Sozialpolitik transnational. 1. Nationale Pfade und transnationale Regulierung: Eberhard Eichenhofer, Europäisierung sozialer Sicherheit; Hartmut Kaelble, Kommentar; 2. Vernetzte Diskurse: Experten, Begriffe und Praxis der internationalen Sozialpolitik: Thomas Etzemüller, Das moderne social engineering und die demokratische Volksgemeinschaft. Das Beispiel Alva und Gunnar Myrdal (1930 – 1960); Cédric Guinand, Die ILO [Internationale Arbeitsorganisation] und die soziale Sicherheit in Ost- und Westeuropa (1942 – 1969); 3. Migranten im Wohlfahrtsstaat: Amelia H. Lyons, The Civilizing Mission in the Metropole: Algerian Immigrants in France and the Politics of Adaption during the Era of Decolonization; Madeleine Herren, Kommentar.

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89) 20. – 22. 10. 2005 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Gewalt in den Gesellschaften Europas im 20. Jahrhundert: [vgl. lf. Nr. 92] Lutz Raphael, Gewaltfolgen in der historischen Forschung zur europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert; Christiane Kohser-­Spohn, Die Gewalt nach dem Krieg: Rassismus in Frankreich nach dem Ende des Algerien-­Krieges; Stefan Plaggenborg, Gewalt im Stalinismus und die Ambivalenzen der ­Theorie. [Ausgefallen: Wolfgang Höpken, Zuhause wäre ich tot, hier sterbe ich langsam: Flucht- und Vertreibungserfahrungen in Ost- und Südosteuropa im 20. Jahrhundert.] 90) 27. – 29. 4. 2006 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Religion in der Sozialgeschichte Europas im 20. Jahrhundert: [vgl. lf. Nr. 86/87] Friedrich Wilhelm Graf, Einführung; 1. Wie schreibt man eine Religionsgeschichte des 20. Jahrhunderts?: Hans G. Kippenberg, Konzepte einer Europäischen Religionsgeschichte; Wilhelm Damberg, ‚Wer ist die Ausnahme?‘ Katholiken in Deutschland und den USA. Komparative Religionsgeschichte im 20. Jahrhundert; Anselm Doering-­Manteuffel, Religiöser Diskurs und Politik in der Zwischenkriegszeit; Reinhard Schulze, Der Islam und die europäische Religionsgeschichte des 20. Jahrhunderts; 2. Religion und politische Macht: Manfred Gailus, „Ein Volk – ein Reich – ein Glaube“? Religiöser Pluralismus in der NS-Weltanschauungsdiktatur; [Ausgefallen: Alexander Etkind, Die russischorthodoxe ­Kirche in der Sowjetunion]; Martin Schulze Wessel, Die Religionsgeschichte Russlands als europäische Religionsgeschichte; Izabella Main, From National Catholicism to Public Religion? Conflicts about National Holidays between the Catholic Church and Communist State in Poland; 3. Religion als soziale Organisation:

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Anhang 2

Benjamin Ziemann, Die Katholische ­Kirche als religiöse Organisation. Deutschland und die Niederlande, 1950 – 1975; Arie L. Molendijk, Versäulung in den Niederlanden: Begriff, ­Theorie, lieu de mémoire; Lothar Mertens, Jüdisches Gemeindeleben in der DDR und nach 1990; Astrid Reuter, Religionskulturen ‚mit Migrationshintergrund‘. Zum Institutionalisierungsprozess des Islam in Deutschland und Frankreich; 4. Religion in Wissenschaft und Kultur: Gangolf Hübinger, Religion in den Sozialwissenschaften der Zwischenkriegszeit; Friedemann Voigt, Verwissenschaftlichung der Theologie. Die Geschichtsthematik in der protestantischen Universitätstheologie der frühen Bundesrepublik; Klaus Grosse Kracht, Kulturkatholizismus und Intellektuelle in Deutschland und Frankreich (1920 – 1960); Árpád von Klimó, Popkultur und Katholizismus. ­Beatmessen in Ungarn und Italien (1966 – 1968). 91) 19. – 21. 10. 2006 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Europäische Mediengeschichte nach 1945: Frank Bösch, Die Medialisierung der Zeitgeschichte nach 1945; Stanislaus von Moos, Zur Medialität von Architektur. Das Disney-­Syndrom; Christina von Hodenberg, Westdeutsche Medienöffentlichkeiten im europäischen Kontext; Bernd Stöver, Flugblattpropaganda des Kalten Krieges der 50er Jahre; Jan C. Behrends, Wandel von Öffentlichkeit in der kommunistischen Diktatur. 92) 19. – 21. 4. 2007 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Gewalt in den Gesellschaften Europas im 20. Jahrhundert (Forts.) [vgl. lf. Nr. 89]: Claudia Weber, Exzess und Rationalität: Das Massaker von Katyn;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)

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Felix Schnell, Jenseits der Kultur? Gewalt in staatsfernen Räumen [im Donezbecken und in Mexiko]; Klaus Weinhauer, Gewaltkommunikation und Gesellschaft. Die Herausforderung des europäischen Terrorismus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts; Helmut Thome, Opportunitätsstruktur und Selbstkontrolle. Gewaltkriminalität und gesellschaftliche (Des) Integration in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. [Ausgefallen: Dieter Senghaas, Europa als Konfliktlösungsmodell?.] 93) 18. – 20. 10. 2007 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), ­ GT Europäische Gesellschaften: Analysekonzepte und Selbstbeschreibungen im 20. Jahrhundert (I) [vgl. lf. Nr. 95]: Lutz Raphael, Ordnungsmuster der „Hochmoderne“? Die ­Theorie der Moderne und die Geschichte der europäischen Gesellschaften im 20. Jahrhundert; Benjamin Ziemann, Die Latenz des Sozialen. Soziologische Selbstbeschreibungen ­zwischen Sakralisierung und Kritik der Gesellschaft; Morten Reitmayer, Politisch-­soziale Ordnungsentwürfe und Meinungswissen über die Gesellschaft in Europa im 20. Jahrhundert – eine Skizze; Hartmut Kaelble, Europäische Gesellschaft im 20. Jahrhundert. [Sämtliche Angaben lt. Tagungsprogramm] 94) 24. – 26. 4. 2008 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Neue Perspektiven auf die Geschichte der Arbeit: Willibald Steinmetz, Umrisse einer historischen Semantik des Begriffs „Arbeit“ in der Moderne. Deutschland, England und Frankreich im Vergleich; Andreas Eckert, Was bringt eine Globalgeschichte der Arbeit?; Gerd Spittler, Neue ethnologische und soziologische Studien zum Arbeitsprozess; Reinhard Schulze, Islam, Arbeit und neue Lebenswelten im Vorderen Orient;

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Anhang 2

Jakob Tanner, Zur Geschichte der Arbeit nach dem Linguistic Turn; Joachim Rückert, Der große Umbruch? Von der „gebundenen“ zur „rechtlich freien“ Arbeit; Klaus Tenfelde, Dienstleistungsarbeit; Thomas Kroll, Neue Trends in der Geschichte der italienischen Arbeiterbewegung und Gewerkschaften; Christof Dipper, Vom Verschwinden der Handarbeit: das Beispiel Landwirtschaft. 95) 23. – 25. 10. 2008 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Europäische Gesellschaften: Analysekonzepte und Selbstbeschreibungen im 20. Jahrhundert (II) [vgl. lf. Nr. 93]: Dirk van Laak, Technokratie im 20. Jahrhundert – mehr als eine einflussreiche Hintergrundideologie?; Thomas Etzemüller, Die Latenz des Sozialen. Soziologische Selbstbeschreibungen ­zwischen Sakralisierung und Kritik der Gesellschaft; Friedrich Wilhelm Graf, „Solidarismus“ und „Weltlichkeit des Politischen“. Zu den Sozialtheorien der beiden großen ­Kirchen; Ute Daniel, „Informationsgesellschaft“: Überlegungen zur Historisierung eines Epochenkonzepts. 96) 23. – 25. 4. 2009 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Konturen einer Globalgeschichte der Arbeit: Marcel Van der Linden, Zur „Globalisierung“ der Arbeitsgeschichte; Christine Moll-­Murata, Globalgeschichte von unten: Weltweite Erkundungen der Arbeitsverhältnisse, 1500 – 2000; Ravi Ahuja, Regimewechsel: Transformationen der indischen Arbeitswelt im transterritorialen Kontext; Ludger Pries, Arbeitsmigration; Vincent Houben, Javanische Arbeitsmigration in der Kolonialzeit – regionale und globale Verflechtungen; Alexander Nützenadel, Einleitende Bemerkungen zur Schlussdiskussion.

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97) 22. – 24. 10. 2009 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Soziale Konstruktion von Arbeit: Horst Kern, Industriesoziologie – theoretische Perspektiven; Josef Ehmer, Zur „sozialen Konstruktion“ von Arbeit in der Frühen Neuzeit; Tanja Tönsmeyer, Zwischen „Dienst“ und „Arbeit“. Das Transformationsproblem in der Landwirtschaft am Beispiel von England und Böhmen im 19. Jahrhundert; Sigrid Wadauer, Zwischen Arbeit und Nicht-­Arbeit. Konflikt- und Grenzfälle (Österreich, 1920er und 1930er Jahre); Dietmar Süss, „The Human Factor“: Arbeitswissenschaft und die „Zukunft der Arbeit“ in Großbritannien seit 1945; Alexander Nützenadel, Kommentar zu den Tagungsbeiträgen und -debatten. [Sämtliche Angaben lt. Tagungsprogramm] 98) 29./30. 4. 2010 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT I: Arbeitskonflikte und Streiks in transnationaler Perspektive: Patrick Harries (Basel), Mining Capital and Striking Workers: South Africa, c. 1880 – 1980; Andreas Eckert (Berlin), Arbeitskämpfe und Dekolonisation: Streiks im frankophonen Afrika, 1940er – 60er Jahre; Klaus Weinhauer (Bielefeld), Arbeitskonflikte und Streiks. Vergleichende und transnationale Perspektiven am Beispiel der Hafenarbeit seit dem 19. Jahrhundert; Thomas Fetzer (Budapest), Arbeitskampf transnational II: Industrielle Beziehungen bei Ford Deutschland und Großbritannien in den 1970er Jahren: Sebastian Conrad (Florenz), Abschließende Kommentare. [Ausgefallen: Lars Lamenda (Osnabrück), Zwischen Hongkong und Hamburg: Arbeitskämpfe und antikolonialer Protest chinesischer Seeleute, 1900 – 1950] 99) 14. – 16. 10. 2010 in Frankfurt a. M. (Goethe-­Universität, House of Finance), Arbeit und Recht im 20. Jahrhundert – historisch und vergleichend: Einführung: Arbeit definieren;

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Anhang 2

Joachim Rückert (Frankfurt a. M.) u. Ute Schneider (Duisburg-­Essen), Reden über „Arbeit“; Robert Knegt (Amsterdam), Kurzkommentar; Schwerpunkt I: Sich Recht verschaffen; Andreas Eckert (Berlin), Afrika [im Rahmen der kolonialen Ordnung]; Naoko Matsumoto (Tokio), Deutschland und Japan um 1900 [insbes. Arbeitskonflikte vor Gericht]; Jürgen Brand (Wuppertal), Deutschland, mit Blick auf Frankreich; Willibald Steinmetz (Bielefeld), Vergleichender Kommentar; Schwerpunkt II: Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Recht; Paul-­André Rosental (Paris), Occupational Desease – Berufskrankheiten; Christoph Boyer (Salzburg), Sozialpolitik und Recht in Ost- und Mitteleuropa im 20. Jahrhundert; Wolfhard Kohte (Halle), Arbeitsschutzrecht; Christoph Conrad (Genf ), Vergleichender Kommentar; Schwerpunkt III: Arbeitsregime im Übergang: Wolfgang Hoepken (Leipzig), Verflüchtigte Utopien: Arbeiterselbstverwaltung in Jugoslawien; Christoph Rass (Aachen), Globale Mobilität und Unfreie Arbeit. Zur Mittäterschaft des Rechts beim Entstehen unfreier Arbeit …; Thorsten Keiser (Frankfurt a. M.), Vertragsbeendigung und Arbeitsmärkte in Deutschland mit DDR; Robert Knegt (Amsterdam) u. Friedrich Lenger (Gießen), Vergleichender Kommentar. Schwerpunkt IV: Der Staat als Arbeitgeber; Sabine Rudischhauser (Woluwé-­Saint-­Pierre/Belgien), Entwicklung des Tarifvertragsrechts in Deutschland und Frankreich; Therese Garstenauer (Wien), Österreich und Sowjetunion im Vergleich; Thomas Pierson (Frankfurt a. M.), Europas Städte als Arbeitgeber; Bernd Waas (Frankfurt a. M.) u. Lutz Raphael (Trier), Vergleichender Kommentar.

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100) 28. – 30. 4. 2011 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Sozialgeschichte Heute. Friedrich Lenger (Gießen) u. Andreas Eckert (Berlin), Einführung; Sozialgeschichtsschreibung seit den 1960er/70er Jahren: Ravi Ahuja (Göttingen), Indien; Bernd Weisbrod (Göttingen), Großbritannien; Thomas Kroll (Jena), Italien und Frankreich; Nach den Turns: Jörn Leonhard (Freiburg), Das Soziale nach dem Linguistic Turn; Ute Daniel (Braunschweig), Das Soziale nach dem Cultural Turn; Ute Frevert (Berlin), Das Soziale nach dem Emotional Turn; Sebastian Conrad (Berlin), Das Soziale nach dem Transnational/Global Turn; Big Topics: Jürgen Kocka (Berlin), Das Soziale in einer Globalgeschichte des Kapitalismus; Marcel van der Linden (Amsterdam), Das Soziale in einer Globalgeschichte der Arbeit. [Sämtliche Angaben lt. Tagungsprogramm] 101) 27. – 29. 10. 2011 in Bochum (Institut für soziale Bewegungen), GT Semantiken von „Arbeit/Nicht-­Arbeit“: Das 20. Jahrhundert in vergleichender Perspektive: Jörn Leonhard (Freiburg) u. Willibald Steinmetz (Bielefeld), Einführung; Jörg Neuheiser (Tübingen), Vom bürgerlichen Arbeitsethos zum postmaterialistischen Arbeiten? Arbeit und Nicht-­Arbeit in gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Debatten um den Wertewandel seit den siebziger Jahren; Bénédicte Zimmermann (Paris), Semantiken von Nichtarbeit im 20. Jahrhundert (Arbeitslosigkeit/chômage); Shingo Shimada (Düsseldorf ), Diskussionen über „Arbeit/Nichtarbeit“ im 20. Jahrhundert; Thomas Sokoll (Hagen), Kommentar [vor Abschluss­ diskussion].

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Anhang 2

102) 19. – 21. 4. 2012 in Bochum (Haus der Geschichte des Ruhrgebiets), Verwissenschaftlichung und Technisierung der Arbeit: Jakob Tanner (Zürich), Einleitung; Rudi Schmiede (Darmstadt), Die Informatisierung der Welt; Ralph Bruder (Darmstadt), Zur Wechselwirkung von Mensch und Technik in gegenwärtigen Arbeitswelten; Monika Dommann (Basel), Hände im Handling: Warenlagerarbeit im Zeitalter der Logistik; Brigitta Bernet (Zürich), Persönlichkeit als Ressource. Psychologische Betriebsführung in der Schweiz (1950 – 1990); Martina Hessler (Hamburg), „Produktionswissen“: Zur Geschichte der Produktion nach 1945; Karsten Uhl (Darmstadt), Die Geschlechterordnung der Fabrik, 1900 – 1970; Carola Sachse (Wien), Hausarbeit als ein deutsches Politikum im kurzen 20. Jahrhundert. 103) 6. – 8. 9. 2012 in Bochum (Haus der Geschichte des Ruhrgebiets), The History of Social Movements – A Global Perspective: Stefan Berger (Bochum) u. Holger Nehring (Sheffield), Introductory remarks and conceptual thoughts on the historical study of Social Movements; Dieter Rucht (Berlin), Social Movements – some conceptual challenges from a sociological perspective; Felicia Kornbluh (Vermont), The History of Social Movements in North America; Sean Scalmer (Melbourne), The History of Social Movements in Australia; Rochona Majumdar (Chicago), The History of Social Movements in India; Andreas Eckert (Berlin), The History of Social Movements in Africa; Marcel van der Linden (Amsterdam), The History of Social Movements in Europe; Susan Eckstein (Boston), The History of Social Movements in Latin America; Kevin Passmore (Cardiff), Fascism; Fabian Virchow (Düsseldorf ), Post-­Fascist Right-­Wing Social Movements;

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Stefan Berger (Bochum), The Labour Movement; Holger Nehring (Sheffield), The Peace Movement; Frank Uekötter (Munich), The Ecological Movement; Seonjoo Park (Seoul), The Feminist Movement in Asia, North America and Europe; Pascal Eitler (Berlin), Religious Social Movements; Bernd Weisbrod (Göttingen), Moral Movements; Gerd Rainer Horn (Paris), 1968 and Social Movements; Petra Terhoeven (Göttingen), Terrorism as a Transnational Social Movement; Susan Eckstein (Boston), The History of Social Movements in Latin America; Jürgen Kocka (Berlin), Concluding remarks.

104) 25. – 27. 4. 2013 in Bochum (Haus der Geschichte des Ruhrgebiets), Geschichten der Arbeit: Niels Petersson (Sheffield), Arbeit und Globalisierung in der Schifffahrt seit dem Zweiten Weltkrieg; Sigrid Wadauer (Wien), Arbeit – Nicht-­Arbeit? Unterscheidungen und Hierarchisierungen; Olivier Giraud (Paris), Die Entwicklung der Arbeitsmarktgesetzgebung und neue Formen der Ungleichheit: Frankreich im Vergleich; Stefan Berger (Bochum), Arbeiterbewegung als soziale Bewegung; Jürgen Schmidt (Berlin), Brüder, Bürger und Genossen. Die frühe deutsche Arbeiterbewegung; Michael Zeuske (Köln), Arbeit im Sklavenhandel. Atlantikkreolen und hidden Atlantic, 1800 – 1890; Alexander Keese (Berlin), Zwangsarbeit in Afrika im 20. Jahrhundert. 105) 31.10. – 2. 11. 2013 in Bochum (Haus der Geschichte des Ruhrgebiets), Wirtschafts- und Sozialgeschichte: Perspektiven einer Synthese: Alexander Nützenadel (Berlin), Einführung; Wolfgang Knöbl (Göttingen), ‚Die Wirtschaft im Modernisierungsprozess‘: Die sozialwissenschaftliche Theoretisierung ökonomischer Wandlungsprozesse und ihrer Folgen in der Mitte des 20. Jahrhunderts; Thomas Welskopp (Bielefeld), Die Bielefelder Schule;

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Anhang 2

Jürgen Kocka (Berlin), Kommentar; Christoph Deutschmann (Tübingen), Theorie kapitalistischer Dynamik. Der Beitrag der Wirtschaftssoziologie; Laura Rischbieter (Berlin/Washington), „Capitalism of Easy Credit: Staatsverschuldung als Gegenstand der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte“; Lutz Raphael (Trier), Kommentar; Winfried Süss (Potsdam), Soziale Ungleichheit im 20. Jahrhundert; Alexander Nützenadel (Berlin), Globale Ungleichheit in historischer Perspektive; Jan-­Otmar Hesse (Bielefeld), Ungleichheit und Glück; Christoph Conrad (Genf ), Kommentar. Ute Frevert (Berlin), Zur moralischen Ökonomie des Vertrauens; Jakob Tanner (Zürich), Finanzmärkte, Risikokonzepte und Wissensökonomie; Frank Trentmann (London), Kommentar.

106) 23./24. 10. 2014 in Bochum (Haus der Geschichte des Ruhrgebiets), Aspekte einer Geschichte des Kapitalismus: Lutz Raphael (Trier), Kapitalismus in der Geschichtsschreibung: Die Annales; Jürgen Kocka (Berlin), Kapitalismus und Kritik; Bernd Weisbrod (Göttingen/Berlin), Kapitalismus und Gewalt; Ilse Lenz (Bochum), Globaler Kapitalismus und Geschlecht; Laura Rischbieter (Berlin), Kapitalismus und ­Idealismus: Die (herbeigewünschte) Wiederkehr des internationalen Finanzmarktes; Christof Dejung (Cambridge), Kapitalismus, Imperialismus und globaler Handel in der Neuzeit. 107) 5./6. 11. 2015 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung), Agrarkapitalismus: Christof Dipper (Darmstadt), Agrarkapitalismus in Italien; Mario Niemann (Rostock), Agrarkapitalismus in Mecklenburg: Zur Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der Landarbeiter im Zeitraum von 1900 bis 1945;

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Julia Tischler (Basel), Agrarkapitalismus in Südafrika vor dem Zweiten Weltkrieg; Friedrich Lenger (Gießen), Abschlusskommentar/ Ausblick.

108) 14./15. 4. 2016 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung): Kapitalismus als historisches Konzept: Andreas Eckert, Einführung. Gemeinsame Lektüre des Bandes: „Capitalism: The Re-­Emergence of a Historical Concept“, hg. von Jürgen Kocka/Marcel van der Linden, London 2016. Wolfgang Knöbl u. Ulrike v. Hirschhausen, Kommentar 109) 3./4. 11. 2016 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung): Kapitalismus und Globaler Süden: Andreas Eckert, Ulrike v. Hirschhausen u. ­Wolfgang Knöbl, Kapitalismus und globaler Süden. Historiographie – Merkmale – Forschungsfragen; Nikola Spakowski (Freiburg), Kapitalismus chinesischer Prägung: Genese und Merkmale; Joachim Zweynert (Witten/Herdecke), Russlands kapitalistische Transformationswellen; Wolfgang Knöbl (Hamburg), Gestalt und Folgen des Siedlerkapitalismus: Das Beispiel Argentinien; Jonas Kreienbaum (Rostock), Ökonomische Dekolonisierung und neue Dependenz – Sambia und die Ölkrisen der 1970er. 110) 6./7. 4. 2017 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung): Theoriegeschichte des Kapitalismus: Andreas Eckert, Friedrich Wilhelm Graf u. ­Friedrich Lenger, Begrüßung und Einführung; Friedrich Lenger (Gießen), Adam Smiths „Wohlstand der Nationen“ – Historische Kontexte und aktuelle Perspektiven; Thomas Welskopp (Bielefeld), Kapitalismus als Landnahme – zu einem Theoriestrang von Marx bis Luxemburg; Jürgen Kocka (Berlin), „Schöpferische Zerstörung“ – Schumpeter über Kapitalismus;

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Anhang 2

Wolfgang Knöbl (Hamburg), Mehrwert und Profit – Sozialwissenschaftliche Debatten um ein altes Problem; Joachim Rückert (Frankfurt), Institutionenökonomie – noch ein neues Geschichtsbild, wozu?.

111) 26./27. 10. 2017 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung): Profit, Produktivität, Planung: Zahlen als Medium des Kapitalismus: Ute Schneider u. Jakob Tanner, Begrüßung und Einführung; Ute Schneider (Duisburg-­Essen), Visuelle Modelle. Methodologische Überlegungen zum Verhältnis von Statistik und Kartographie im 19. Jahrhundert; Jakob Tanner (Zürich), Komplexität und Kalkulation in kapitalistischen Markt- und sozialistischen Planwirtschaften: Die Socialist Calculation Controversy (1920er bis 1960er Jahre); Alexander Nützenadel (Berlin), Informations- und Risikomanagement im deutschen Investmentbanking seit den 1960er Jahren. 112) 12./13. 4. 2018 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung), Kapitalismus und Demokratie: Jörn Leonhard (Freiburg), Liberalismus und Kapitalismus vom 19. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert; Stefan Berger (Bochum), Social Democracy, Democracy and Capitalism; Kevin Morgan (Manchester), Communism, Democracy and Capitalism; Sebastian Voigt (München/Bochum), Diktatur des Finanzkapitals? Über den Zusammenhang von Faschismus, Kapitalismus und Demokratie in linken Theorien der 1930er und 1940er Jahre. 113) 1./2. 11. 2018 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung), Kapitalismus, Märkte und Moral: Monique Scheer (Tübingen), Religiöse Vielfalt und die Grenzen des Marktmodells;

Tagungen 1 – 114 (1957 – 2019)



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Ulrich Schreiterer (Berlin), Wa(h)re Bildung: Öffentliches oder privates Gut?; Fritzi Titzmann (Leipzig), Der indische Heiratsmarkt: Professionalisierung, Kommerzialisierung und Medialisierung; Thomas Welskopp (Bielefeld), Illegale Märkte als Selbstorganisation: Alkoholvertrieb während der National Prohibition in den USA; Peter Paul Bänziger (Basel), Drogenhandel als Lebensunterhalt im 19. und 20. Jahrhundert.

114) 4./5. 4. 2019 in Hamburg (Hamburger Institut für Sozialforschung), Kapitalismus und Recht: Joachim Rückert (Frankfurt), Privatautonomie unbegrenzt?; Jakob Tanner (Zürich), Kartelle und Recht im Kapitalismus; David von Mayenburg (Frankfurt), Die Regelung des Wettbewerbs und die Dynamiken des Kapitalismus – Der Mineralwassermarkt und die Appolinis-­Entscheidung des Reichsgerichts; Andreas Thier (Zürich), Der Crash als Regulierungskatalysator: Die Regulierung von Finanzmärkten im Deutschland und der Schweiz des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. 115) 30.10. – 1. 11. 2019 in Potsdam (Zentrum für Zeithistorische Forschung), Kapitalismus global: Frank Bösch, Sebastian Conrad u. Teresa Koloma Beck (München), „Globalisierung“ – Impulse aus historischer und soziologischer Sicht; Michael Goebel, Kapitalismus und Sklaverei; Ulrike v. Hirschhausen, Kapitalismus und Empire; Andreas Eckert, Kapitalismus und Apartheid; Laura Rischbieter, Kapitalismus, Kredit und Krisen; Friedrich Lenger, Kommentar zu „Kapitalismus global“.

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Anhang 2

116) 2./3. 4. 2020 in Potsdam (Zentrum für Zeithistorische Forschung)*,513 Finanzkapitalismus: Frank Bösch, Sebastian Conrad, Andreas Eckert u. Ulrike v. Hirschhausen, Vorstellung und Diskussion des Konzeptpapiers „Globalisierung“; Alexander Nützenadel (Berlin), „In the long run we are all dead.” Internationale Bankenregulierung seit den 1930er Jahren; Frank Bösch (Potsdam), Staatshilfe bei riskanten Auslandsgeschäften: Die bundesdeutsche Absicherung von Exportkrediten; Heike Wieters (Berlin), Zwischen sozialem Wohnungsbau und „Pensionfund Capitalism“. Deutsche Lebensversicherer als institutionelle Investoren, 1949 – 1990; Stefanie Middendorf (Bremen/Potsdam), Gläubiger in der Geschichte des Kredits (1900 – 2000); Lea Haller (Zürich), Transithandel: die Schweiz als Drehscheibe globaler Warenströme; Christoph Conrad (Genf ), „From Wall Street to Main Street”: Pensionsfonds und private Altersvorsorge im globalen Finanzkapitalismus; Rüdiger Graf (Potsdam), Was wir schon immer wussten? Behavioral Finance und Bounded Rationality; Friedrich Lenger (Gießen), Kommentar.

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989) [Themenangaben entspr. den Tagungsprogrammen bzw. -vorlagen] 26./27. 11. 1976 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), Zusatztagung („Arbeitstagung“) zum Komplex Forschungen zur Sozialgeschichte der Familie [keine Referate, nur vorbereitende Beratungen]. A: Werner Conze (Heidelberg), Horst Stuke ­(Frankfurt a. M.). G: Ulrich Herrmann (Tübingen), Antje Kraus (Bochum), Hans Linde (Karlsruhe), Peter Marschalk (Bochum), * Abgesagt bzw. verschoben wegen Corona-Pandemie.

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

6./7. 5. 1977

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Michael Mitterauer (Wien), Heidi Rosenbaum ­(Göttingen), Heilwig Schomerus (Heidelberg), Dieter Schwab (Regensburg). V: Roland Eckert (Trier), Arthur E. Imhof (Berlin), Wolfgang Köllmann (Bochum), Wolfgang Schieder (Trier). P (Ergebnisbericht): „Im Namen der Teilnehmer, gez. Conze“.

in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung); Zusatztagung = „2. Arbeitstagung“ zum Komplex Forschungen zur Sozialgeschichte der Familie: Werner Conze (Heidelberg), Einleitung mit Bericht über die 1. Tagung (November 1976) und über die Verhandlungen mit der DFG; Michael Mitterauer (Wien), [Laufende und geplante] Forschungen zur Sozialgeschichte der Familie; Ulrich Herrmann (Tübingen), Sozialisation, Kindheit, Jugend; Antje Kraus (Bochum), Familie – Wohnung/­ Wohngebiet. Die Wohnweise als Teilaspekt einer Sozialgeschichte der Familie; Reinhard Spree (Berlin), Zur historischen Analyse strukturierter sozialer Ungleichheit im Reproduktionsbereich des Kaiserreichs ­zwischen 1890 und 1913 ­(Projektbericht); außerdem Berichte/Informationen von Roland Eckert, Alfred Haverkamp, Wolfgang Schieder, Jürgen Kocka, Peter Marschalk, Diethelm Klippel, Karin Hausen, Rudolf Braun, Wilhelm Zilius, Julius Carlebach, Ulrich Engelhardt über weitere (laufende oder geplante) Projekte. A: Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Schieder (Trier). G: Julius Carlebach (Sussex), Roland Eckert (Trier), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Karin Hausen (Berlin), Alfred Haverkamp (Trier), Ulrich Herrmann (Tübingen), ­Wolfgang v. Hippel (Mannheim), Diethelm Klippel (Regensburg), Antje Kraus (Bochum), Hans Linde (Karlsruhe), Peter Marschalk (Bochum), Michael Mitterauer (Wien), Heinz-­G. Reif (Bielefeld), Lutz Roth (Tübingen), Heilwig Schomerus (Heidelberg), Godela Scotland

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2. – 4. 11. 1978

Anhang 2

(Heidelberg), Reinhard Spree (Berlin), Wilhelm Zilius (Saarbrücken). V: – P (Ergebnisbericht): Verf. nicht mehr feststellbar, vermutl. Wolfgang v. Hippel.

in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), Sondertagung Soziale Lage und soziales Verhalten der deutschen Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert (bis 1914): Werner Conze (Heidelberg), Einleitung; 1: Regionale und soziale Herkunft (Leitung: Hartmut Kaelble, Berlin): Peter Borscheid (Münster), Geographische und soziale Mobilität württembergischer Textilarbeiter im 19. Jahrhundert; Wolfgang v. Hippel (Mannheim), Regionale und soziale Herkunft der Bevölkerung Ludwigshafens (1870 – 1914); Dieter Langewiesche (Hamburg), Mobilität in deutschen Mittel- und Großstädten. Aspekte der Binnenwanderung im 19. und 20. Jahrhundert; Hermann-­Josef Rupieper (Berlin), Regionale und soziale Herkunft der Arbeiter der Maschinenfabrik ­Augsburg und Nürnberg (MAN) im 19. Jahrhundert; Heilwig Schomerus (Heidelberg), Regionale und soziale Herkunft württembergischer Metallarbeiter im 19. Jahrhundert (am Beispiel der Arbeiter der Maschinenfabrik Esslingen); 2: Lebensstandard (Leitung: Rudolf Braun, Zürich): Rudolf Braun (Zürich), Einleitende Bemerkungen zu Problemen der historischen Lebensstandardforschung; Karl Heinrich Kaufhold (Göttingen), Grundzüge des handwerklichen Lebensstandards in Deutschland im 19. Jahrhundert; Antje Kraus (Bochum), Arbeitersiedlungen im Ruhrgebiet und in Kiel – ein historischer Vergleich; Heilwig Schomerus (Heidelberg), Lebenszyklus und Lebenshaltung in Arbeiterhaushaltungen des 19. Jahrhunderts; Clemens Wischermann (Münster), Möglichkeiten des Einsatzes der Cluster-­Analyse zur Untersuchung der

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

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Wohnbedingungen in deutschen Großstädten um die Jahrhundertwende; 3: Situation am Arbeitsplatz (Leitung: Jürgen Kocka, Bielefeld): Karl Ditt (Bielefeld), Wandlungen der Fabrikarbeiterschaft in der Textil- und Metallindustrie Bielefelds 1860 – 1914; Hermann P. Schäfer (Freiburg), Arbeiterfluktuation in der Maschinenfabrik A. Koechlin & Cie. 1826 – 75. Bedingungen, Ausmaß und Folgen; Klaus Tenfelde (München), Der bergmännische Arbeitsplatz während der Hochindustrialisierung (1890 bis 1914); Rudolf Vetterli (Zürich), Arbeitsplatzsituation, Strukturen der Arbeiterschaft und Organisationsverhalten Schweizer Arbeiter; 4: Soziales Verhalten (Leitung: Wolfgang Schieder, Trier): Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Gewerkschaftliches Organisationsverhalten in der ersten Industrialisierungsphase (Schwerpunkt: 1860er Jahre); Klaus Schönhoven (Würzburg), Gewerkschaftliches Organisationsverhalten im Wilhelminischen Deutschland; Heinrich Volkmann (Berlin), Organisation und Konflikt: Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und die Entwicklung des Arbeitskonflikts im späten Kaiserreich; Dieter Langewiesche (Hamburg), Arbeiterbildung in Deutschland und Österreich: Konzeption, Praxis und Funktionen; Klaus Tenfelde (München), Mobilität, Bildung und sozialer Aufstieg im Ruhrbergbau vor 1914. Vorläufige Überlegungen und Thesen; Jürgen Kocka (Bielefeld), Abschließender Diskussionsbeitrag zum Problem der „Einheit“ der vier Themenbereiche und ihres Zusammenhangs mit der Geschichte der Arbeiterbewegung. A: Gerhard Beier (Kronberg i. Ts.), Peter Borscheid (Münster), Rudolf Braun (Zürich), Werner Conze (Heidelberg), Karl Ditt (Bielefeld), Dieter Dowe (Bonn), Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg), Dieter Groh (Konstanz), Wolfgang v. Hippel (Mannheim), Hartmut Kaelble (Berlin), Karl Heinrich Kaufhold (Göttingen), Jürgen

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13. – 15. 11. 1980

Anhang 2

Kocka (Bielefeld), Wolfgang Köllmann (Bochum), ­Eberhard Kolb (Würzburg), Antje Kraus (Bochum), Dieter ­Langewiesche (Hamburg), Alf Lüdte (Göttingen), Hans Mommsen (Bochum), Lutz Niethammer (Essen), Jürgen Reulecke (Bochum), Gerhard A. Ritter (München), Hermann P. Schäfer (Freiburg), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus Schönhoven (Würzburg), Heilwig ­Schomerus (Heidelberg), Günter Schulz (Bonn), Klaus Tenfelde (München), Hans Jürgen Teuteberg (Münster), Rudolf Vetterli (Zürich), Heinrich Volkmann (Berlin), Clemens ­Wischermann (Münster), Hermann-­Josef Rupieper ­(Berlin), Hans Pohl (Bonn). [Zu dieser Zeit noch absagen (ohne Angabe von Gründen) musste Hartmut Zwahr (Leipzig).] P. (53 S.): Klaus Heidel (Heidelberg); außerdem Bericht von Gerhard Beier (Kronberg i. Ts.) in AHF-Informationen Nr. 12, 19. 4. 1979 (6 S.).

in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung); Sondertagung Lebensstandard und Lebensgestaltung deutscher Arbeiter und Handwerker im 19. Jahrhundert (bis 1914): Werner Conze (Heidelberg), Einleitung; 1: ‚Normallage‘ (incl. Wohnungssituation) (Leitung: Wolfram Fischer, Berlin): Wieland Sachse (Göttingen), Lebensverhältnisse und Lebensgestaltung der Unterschicht in Göttingen bis 1860 (Ein Projektbericht); Hubert Kiesewetter (Berlin), Sparverhalten und Lebenshaltung sächsischer Arbeiter im 19. Jahrhundert; Thomas Gross (Zürich), Die Entwicklung der Reallöhne schweizerischer Arbeiter 1890 bis 1920. Zielsetzungen eines Forschungsprojekts; Hans-­Jürgen Teuteberg (Münster), Die Ernährung der sozialen Unterschichten im späten 19. Jahrhundert; James S. Roberts (Stanford), Drink and Working Class Living Standards in the late 19th Century Germany; Jutta Wietog (Berlin), Der Wohnungsstandard der Unterschichten in Berlin. Eine Betrachtung anhand des Mietsteuerkatasters 1848 – 1871 und der Wohnungsaufnahmen 1861 – 1971;

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

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Bruno Fritzsche (Zürich), Das Quartier als Lebensraum; Jürgen Brockstedt (Berlin), Familiengröße und Wohnsituation in Kiel 1800 – 1864; Reinhard Schüren (Bielefeld), Strukturen sozialer Ungleichheit und Fertilität. Eine Rekonstitution von Familien ‚geborener‘ und ‚proletarisierter‘ ländlicher Textilarbeiter während der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts; 2: Krisen und Ausnahmesituationen (Leitung: Rudolf Braun, Zürich): Dieter Dowe (Bonn), Zum Problem des Hungers in Deutschland im 19. Jahrhundert. Methodologische Überlegungen und empirische Erfassungsversuche im regionalen Bereich (Rheinland, Bergisches Land); Reinhard Spree (Berlin), Zu den Veränderungen der ‚Volksgesundheit‘ ­zwischen 1870 und 1914 und ihren Determinanten (vor allem in Preußen); Ute Frevert (Bielefeld), Arbeiterkrankheit und Arbeiterkrankenkassen im Industrialisierungsprozess Preußens (1840 – 1870); Hermann P. Schäfer (Freiburg), Zum Problem der Arbeitslosigkeit im 19. Jahrhundert. Eine quantitative Untersuchung der Fluktuationsarbeitslosigkeit der Arbeiter der Maschinenfabrik André Koechlin Cie., Mülhausen/ Elsass (1826 – 1875); 3: Bewältigungsversuche (Leitung: Klaus Tenfelde, München): Werner K. Blessing (Bamberg), ‚Vormoderner‘ Protest im 19. Jahrhundert. Städtische und ländliche Bierkrawalle in Altbayern (bes. während des Vormärz); Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Arbeitskämpfe als In­stru­ment der Lageverbesserung? Zur Motivation, Zielsetzung und Effizienz von Streikbewegungen in der Vorbereitungsund Konstituierungsphase der Gewerkschaftsbewegung; Erich Otto Graf (Zürich), Kriminalität und sozialer Wandel. Ergebnisse einer Untersuchung über den Kanton Zürich von 1850 bis zum ­Ersten Weltkrieg; Wolfgang R. Krabbe (Münster), Die Gründung städtischer Arbeiterschutz-­Anstalten in Deutschland:

402

Anhang 2

Arbeitsnachweis, Arbeitslosenfürsorge, Gewerbegericht und Rechtsauskunftstelle; Hans-­Peter de Longueville (Mannheim/Stuttgart), Sparkassen als Einrichtungen (ausschließlich) „zum Wohle der arbeitenden Klassen“: Sparkassenideologie und -wirklichkeit, dargestellt an der Sparkassenbewegung im Königreich Württemberg ­zwischen 1818 und 1868; Günther Schulz (Bonn), Fabriksparkassen – Aspekte und Nebenaspekte von Arbeitersparverhalten. Wirksame Kapitalbildung von Arbeitern – aufgenötigte Unmündigkeit? (ca. 1870 – 1914); Karl Ditt (Bielefeld), Soziale Frage, Sparkassen und das Sparverhalten der Bevölkerung im Raum Bielefeld um die Mitte des 19. Jahrhunderts. [Ausgefallen: Wolfgang v. Hippel (Mannheim), Aspekte des Lebensstandards in Ludwigshafen a. Rh. 1880 – 1914; Dieter Langewiesche (Hamburg), Der „mobile“ Arbeiter. Zum Arbeitsplatz- und Berufswechsel deutscher Arbeiter im ausgehenden 19. Jahrhundert.] A: Werner K. Blessing (Bamberg), Rudolf Braun (Zürich), Jürgen Brockstedt (Berlin); Werner Conze (Heidelberg), Karl Ditt (Bielefeld), Dieter Dowe (Bonn), Ulrich ­Engelhardt (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Ute Frevert (Bielefeld), Bruno Fritzsche (Zürich), Ingrid Gilcher (Heidelberg), Erich Otto Graf (Zürich), Thomas Gross (Zürich), Karl Heinrich Kaufhold (Göttingen), Hubert Kiesewetter (Berlin), Jürgen Kocka (Bielefeld), Wolfgang Krabbe (Münster), Hans-­Peter de Longueville (Mannheim/Stuttgart), Hans Mommsen (Bochum), James S. Roberts (Stanford), Wieland Sachse (Göttingen), Hermann P. S­ chäfer (Freiburg), Wolfgang Schieder (Trier), Klaus ­Schönhoven (Würzburg), Reinhard Schüren (Bielefeld), Günther Schulz (Bonn), Reinhard Spree (Berlin), Klaus Tenfelde (München), Jutta Wietog (Berlin), Ulrich ­Zumdick (Bochum). P (52 S.): Ingrid Gilcher (Heidelberg).

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

403

18. – 20. 11. 1982 in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), Sondertagung Handwerkerschaft und Industrialisierung in Deutschland – Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert: Werner Conze u. Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Einleitung; 1. Wirtschaftliche Bedingungen und Zielsetzungen (Leitung: Karl Heinrich Kaufhold, Göttingen): Hans-­Jürgen Gerhard (Göttingen), Quantitative und qualitative Aspekte von Handwerkereinkommen in Nordwestdeutschland von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; Josef Ehmer (Wien), Handwerkerfamilie und ökonomischer Strukturwandel im 19. Jahrhundert (am Beispiel Wiens); Bruno Fritzsche (Bern), Städtische Handwerkerhaushalte, Struktur und Veränderung (Zürich 1865 – 1880); Friedrich Lenger (Essen), Determinanten und Typen der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage des städtischen Handwerks um die Mitte des 19. Jahrhunderts am Beispiel Düsseldorfs, 1830 – 1860; Anne MacLachlan (Amsterdam), The Transition from Handwerker to Entrepreneur – Structural Conditions in Mainz, 1830 – 1860; Peter Heumos (Bochum), Wirtschaftliche Entwicklung und soziale Struktur des Kleingewerbes in Böhmen 1890 – 1914; Barbara Vogel (Hamburg), Die Gewerbereformen in Preußen 1810 bis 1820 als ‚Entwicklungspolitik‘ und ihre Rezeption durch die Gewerbetreibenden, vornehmlich in den mittleren und östlichen Provinzen; 2: Meister – Gesellen: Organisation, Wanderung, politisch-­soziale Interessen, Konflikt (Leitung: Wolfram Fischer, Berlin): Wilfried Reininghaus (Dortmund/Münster), Vereinigungen der Gesellen als soziale Gruppe im Handwerk im 18. Jahrhundert unter Berücksichtigung des Wandels seit dem Spätmittelalter; Margrit Schulte Beerbühl (Düsseldorf ), Gesellenorganisationen in der Frühphase der Industrialisierung (Vergleich England/Deutschland);

404

Anhang 2

Rainer Elkar (Siegen), Wandernde Gesellen in und aus Oberdeutschland. Studien zur regionalen Mobilität des Handwerks während der Frühen Neuzeit (17. – 19. Jahrhundert); Arno Herzig (Hamburg), Der Wandlungsprozess der politischen und sozialen Vorstellungen der Hamburger Handwerker um 1790 bis 1870; Jürgen Bergmann (Berlin), Wirtschaftskonjunktur, Soziallage und politisches Verhalten des Handwerks in der Revolution von 1848; Carola Lipp (Tübingen), Württembergische Handwerker und Handwerkervereine in der März-­Revolution. Interessen, Einstellungen und Aktivitätsmuster; Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Die ‚andere Zunft‘. Handwerksgesellen als Initiativgruppe sozialen Protests im mittleren 19. Jahrhundert; Wolfgang Schieder (Trier), Die elende Walz. Das vormärzliche Gesellenwandern im Spiegel von Wanderbüchern [Diskussionsbeitrag]; Andreas Griessinger (Konstanz), Handwerkerstreiks im 18. und frühen 19. Jahrhundert; Walter Sauer (Wien), Die Wiener ‚Handwerkerverschwörung‘ des Jahres 1784; 3. Handwerker – Arbeiter: Übergangs- und Anpassungsprobleme (Leitung: Jürgen Kocka, Bielefeld): Hans Ulrich Thamer (Erlangen), Arbeit und Fest. Formen und Entwicklungen der Handwerkermentalität im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und Deutschland; John Breuilly (Manchester), The Labour Aristocracy in Britain and Germany: a Comparison; Toni Offermann (Bonn), Mittelständisch-­ kleingewerbliche Leitbilder in der liberalen Handwerkerund handwerklichen Arbeiterbewegung der 50er und 60er Jahre des 19. Jahrhunderts; Felix Müller (Zürich), Zur Kultur und zum gesellschaftlichen Bewusstsein handwerklicher Arbeiter im dritten Viertel des 19. Jahrhunderts – Vereinsleben und Diskussionen im Schweizerischen Grütli-­Verein; Wolfgang Renzsch (Bonn), Das Bauhandwerk in der Industriellen Revolution;

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

Marina Cattaruzza (Darmstadt), Schiffszimmerer ­zwischen Anpassung und Widerstand. Der Übergang vom Holzschiffbau zur Schiffbauindustrie in Hamburg und Bremen seit den 1860er Jahren; Dirk H. Müller (Berlin), Binnenstruktur und Selbstverständnis der ‚Gesellenschaft‘ in Innung und gewerkschaftlicher Bewegung der Berliner Zimmerer 1860 – 1886; Rainer Fremdling (Münster), Der Puddler. [Ausgefallen: Klaus J. Bade (Erlangen), Das Herbergswesen im Übergang von der Handwerkerwanderung zur industriellen Arbeitswanderung; Heinz Reif (Bielefeld), Alter Mittelstand und neue Industrie – Zur sozialen Konstituierung der Handwerkerschaft in der Ruhrgebietsstadt Oberhausen 1850 – 1914.] A: Jürgen Bergmann (Berlin), Rudolf Braun (Zürich), John Breuilly (Manchester), Marina Cattaruzza (Darmstadt), Werner Conze (Heidelberg), Dieter Dowe (Bonn), Josef Ehmer (Wien), Christiane Eisenberg (Bielefeld), Rainer S. Elkar (Siegen), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Wolfram Fischer (Berlin), Rainer Fremdling (Berlin), Bruno Fritzsche (Bern), Hans-­Jürgen Gerhard (Göttingen), Andreas Grießinger (Konstanz), Arno Herzig ­(Hamburg), Peter Heumos (Bochum), Wolfgang Kaschuba (Tübingen), Karl Heinrich Kaufhold (Göttingen), Jürgen Kocka (Bielefeld), Friedrich Lenger (Düsseldorf ), Carola Lipp (Tübingen), Anne MacLachlan (Amsterdam), Dirk H. Müller (Berlin), Felix Müller (Zürich), Péter ­Nagybákay (Budapest), Toni Offermann (Bonn), Sidney Pollard (Bielefeld), Wilfried Reinighaus (Dortmund), Wolfgang Renzsch (Bonn), Walter Sauer (Wien), ­Wolfgang Schieder (Trier), Margrit Schulte Beerbühl (Düsseldorf ), Barbara Vogel (Hamburg). P: – 2. – 4. 3. 1989

in Bad Homburg v. d. H. (Werner-­Reimers-­Stiftung), Sondertagung Arbeiter im 20. Jahrhundert: Klaus Tenfelde (Innsbruck), Einleitung; 1: Arbeitsplatz und Arbeitsorganisation 1918 – 1939 (Leitung: Gunther Mai, Marburg):

405

406

Anhang 2

Susanne Rouette (Berlin), Frauenerwerbsarbeit in Demobilmachung und Inflation 1918 bis 1923. Entwicklung und Struktur des Arbeitsmarktes in Berlin; Benno König (Tübingen), Interessenvertretung am Arbeitsplatz: Betriebsrätepraxis in der Metallindustrie 1920 – 1933; Sigrid Jacobeit (Berlin), Frauen-­Zwangsarbeit im faschistischen Deutschland; Rüdiger Hachtmann (Berlin), Die Arbeiter der Gutehoffnungshütte 1933 – 1939; Thomas Welskopp (Bielefeld), Kooperationsformen und Machtbeziehungen im Industriebetrieb: Die deutsche und die amerikanische Eisen- und Stahlindustrie in der Zwischenkriegszeit; 2: Lebensstandard, Wohnverhältnisse und Freizeit der Arbeiter 1918 bis 1939 (Leitung: Dieter Langewiesche, Tübingen): Karen Hagemann (Berlin), „Wir hatten mehr Notjahre als reichliche Jahre“. Lebenshaltung und Hausarbeit sozialdemokratischer Hamburger Arbeiterfamilien in der Weimarer Republik; Karin Hartewig (Bochum), „Anarchie auf dem Warenmarkt“. Die Lebenshaltung von Bergarbeiterfamilien im Ruhrgebiet ­zwischen Kriegsende und Ruhrkrise (1918 – 1923); Karl Christian Führer (Hamburg), Unterstützung und Lebensstandard der Arbeitslosen 1918 – 1927; Horst Groschopp (Berlin), Otto Rühle – Das Arbeiterbild in der ultra-­linken deutschen Arbeiterbewegung; Alf Lüdtke (Göttingen), Erfahrungsweisen und Macht der Symbole. Die Arbeiter-­Orientierungen im Angesicht des deutschen Faschismus; 3: Arbeit und soziale Sicherheit seit 1918 (Leitung: Hans günter Hockerts, München): Martin H. Geyer (Trier), Wiederaufbau und Krise der Sozialversicherung: Die deutsche Rentenpolitik 1924 – 1936; Johannes Bähr (Berlin), Entstehung und Folgen des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926. Zum Verhältnis von Arbeiterschaft, Arbeiterbewegung und Justiz ­zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus;

Zusatz- bzw. Sondertagungen (1976 – 1989)

407

Michael Prinz (Bielefeld), Stresemanns Fehlkalkulation und der Ausbau des Wohlfahrtsstaates in Deutschland. Zum Verhältnis von Standespolitik und sozialem Fortschritt; Günther Schulz (Bonn), Wohnungspolitik und soziale Sicherung: Das Ende der Arbeiterwohnungsfrage; Hans-­Jörg von Berlepsch (Bremen), „Sozialistische Sozialpolitik“? Zur sozialpolitischen Konzeption und Strategie der SPD in den Jahren 1949 – 1966; 4: Die Lage der Arbeiter in der Nachkriegszeit seit 1945 (Leitung: Arnold Sywottek, Hamburg): Paul Erker (München), Die Arbeiter bei MAN 1945 bis 1950; Michael Wildt (Hamburg), Das Ende der Bescheidenheit. Einnahmen und Ausgaben von Vier-­Personen-­ Arbeitnehmerhaushalten in der Bundesrepublik Deutschland 1950 – 1962/63; Monika Uliczka (Göttingen), Ostdeutsche Vertriebene oder westdeutsche Arbeitnehmer? Beispiele für den ­Nutzen gemeinsamer Fragestellungen der Vertriebenenund Arbeitnehmerforschung im Rahmen der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte; Harald Schlüter (Hamburg), Zur sozialen Lage der Arbeiterjugend in Hamburg 1950 – 1960; 5: Innere Schichtung der Arbeiter, sozialer Aufstieg und Klassenbildung 1918 bis 1970 (Leitung: Josef Mooser, Bielefeld): Peter A. Berger (Bamberg), Neue Erwerbsklassenbildung in der Ausweitung der Lohnarbeit; Reinhard Schüren (Bielefeld), Mobilitätsprozesse in der Zwischenkriegszeit: Die Arbeiterschaft im Vergleich zu anderen Schichten; Hanna Haack (Rostock), Arbeitergeschichte als Gesellschaftsgeschichte: Das Beispiel Rostock 1918 – 1933; Frank Deppe u. Klaus Dörre (Marburg), Klassenbildung und Massenkultur im 20. Jahrhundert (Thesen). A: Johannes Bähr (Berlin), Peter A. Berger (Bamberg), Hans-­Jörg v. Berlepsch (Bremen), Frank Deppe (Marburg), Klaus Dörre (Marburg), Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Paul Erker (München), Karl Christian Führer (Hamburg), Martin H. Geyer (Trier), Horst Groschopp (Berlin), Hanna Haack (Rostock), Rüdiger Hachtmann (Berlin), Karen Hagemann (Berlin), Karin Hartewig (München),

408



Anhang 2

Hans Günter Hockerts (München), Sigrid Jacobeit (Berlin), Benno König (Tübingen), Dieter ­Langewiesche (Tübingen), Alf Lüdtke (Göttingen), Gunther Mai (Marburg), Josef Mooser (Bielefeld), Michael Prinz (Bielefeld), Cornelia Rauh-­Kühne (Tübingen), Susanne Rouette (Berlin), Harald Schlüter (Hamburg), Reinhard Schüren (Bielefeld), Günther Schulz (Bonn), Arnold Sywottek (Hamburg), Klaus Tenfelde (Innsbruck), Monika Rita ­Uliszka (Göttingen), Thomas Welskopp (Bielefeld), Michael Wildt (Hamburg). P: – -

Öffentliche Abendvorträge (2002 – 2019) als Teil der Arbeitskreistagungen im Bochumer Institut für soziale Bewegungen seit April 2002 und im Hamburger Institut für Sozialforschung seit 2015 (teilweise veröffentlich in der Reihe Schriften der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets [SBR-Schriften]) 25. 4. 2002: Friedrich Lenger (Gießen), Urbanisierung als Suburbanisierung. Grundzüge der nordamerikanischen Entwicklung im 20. Jahrhundert. (SBR 10, 2003) 17. 10. 2002: Jakob Tanner (Zürich), „Modern Times“: Industrialisierung der Ernährung in Europa und in den USA im 19. und 20. Jahrhundert. 24. 4. 2003: Axel Schildt (Hamburg), Medialisierung und Konsumgesellschaften in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. (SBR 12, 2004) 23. 10. 2003: Christoph Conrad (Genf ), „Was macht eigentlich … der Wohlfahrtsstaat?“ Europäische und nordamerikanische Perspektiven auf das 20. Jahrhundert.

Öffentliche Abendvorträge (2002 – 2019)

409

22. 4. 2004: Friedrich Wilhelm Graf (München), Religion in europäischen Städten. Trends im 20. Jahrhundert. 22. 10. 2004: Wolfgang Höpken (Braunschweig), Wohin mit dem Balkan? Überlegungen zu einer Verortung Südosteuropas im Rahmen einer europäischen Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts. 22. 4. 2005: Andreas Eckert (Hamburg), Exportschlager Wohlfahrtsstaat? Europäische Sozialstaatlichkeit und Kolonialismus in Afrika nach dem Zweiten Weltkrieg. (SBR 20, 2007) 22. 10. 2005: Bernd Weisbrod (Göttingen), Gewalt und Zivilität. Das „Peaceable Kingdom“ und die Grenzen des zivilgesellschaftlichen Ansatzes. (SBR 21, 2006) 27. 4. 2006: Detlef Pollack (Frankfurt a. O.), Religion und Moderne. Versuch einer Bestimmung ihres Verhältnisses. (SBR 22, 2006) Jörg Requate (Bielefeld), Amerikanisierung als Grundzug der europäischen Medienentwicklung im 20. Jahrhundert. 19. 4. 2007: Ulrich Engelhardt (Heidelberg), Konzepte der „Sozialgeschichte“ im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Ein Rückblick. (SBR 23, 2007) Jürgen Osterhammel (Konstanz), Europa um 1900: Auf der Suche nach einer Sicht „von außen“. (SBR 25, 2008) 24. 4. 2008: Willibald Steinmetz (Bielefeld), Umrisse einer historischen Semantik des Begriffs „Arbeit“ in der Moderne. Deutschland, England und Frankreich im Vergleich.

410

Anhang 2

23. 10. 2008: Jörn Leonhard (Freiburg), „Decline and Fall“? Die multiethnischen Empires und das europäischen 19. Jahrhundert. 23. 3. 2009: Sebastian Conrad (Berlin), Globale Arbeitsmärkte und die „Gelbe Gefahr“. „Kulis“, Migration und die Politik der Differenz. (SBR 30, 2010) 22. 10. 2009: Reinhard Schulze (Bern), Sozialgeschichte der Arbeit – eine islamwissenschaftliche Perspektive. 29. 4. 2010: Christof Dipper (Darmstadt), Die Moderne. Entwurf einer historischen Th ­ eorie. 19. 4. 2012: David Gugerli (ETH Zürich), „Eindeutig ambivalent“. Humankapital und Datenbankmanagement seit den 1960er Jahren. 25. 4. 2013: Michael Wildt (HU Berlin), Arbeit im Nationalsozialismus. 31. 10. 2013: Jens Beckert (MPIfG Köln), Fiktionale Erwartungen und kapitalistische Dynamik. 23. 10. 2014: Peer de Vries (Wien), Kapitalismus und freie Arbeit: Großbritannien und China in der Frühen Neuzeit. 5. 11. 2015: Thomas Kroll (Jena), Agrarkapitalismus aus historischer Sicht. 14. 4. 2016: Gareth Austin (Cambridge/Genf ), Capitalism and Colonialism. 3. 11. 2016: Ravi Ahuja (Göttingen), Postkolonialer Kapitalismus und soziale Frage in Indien: Die Weichenstellungen der Nachkriegskrise, 1946 – 1949

Öffentliche Abendvorträge (2002 – 2019)

411

6. 4. 2017: Friedrich Wilhelm Graf (München), Ursprüngliche Akkumulation ganz anders. Der sehr deutsche Diskurs über die Genese des Kapitalismus um 1900 26. 10. 2017: Daniel Speich Chassé (Luzern), Die „Dritte Welt“ als Theorieeffekt. Ökonomisches Wissen und globale Differenz 12. 4. 2018: Alexei Miller (St. Petersburg), Post-­Liberal Russia – Her Problems with Capitalism and her Problems with Democracy 1. 11. 2018: Ute Frevert (MPI Berlin), Gibt es eine moralische Ökonomie des Kapitalismus? 4. 4. 2019: Jan Thiessen (HU Berlin), Kapitalismus und Recht – Beobachtungen und Fragen

Anhang 3: Haushaltsentwicklung (1957 – 2005)

(beschränkt auf die Hauptposten, vereinheitlicht u. gerundet; Angaben nach Wirtschaftsplänen/Bewilligungsbescheiden/Jahresverwendungsnachweisen; Zahlen für 1957 – 59 aber nach Stukes Haushaltsübersicht 1957 – 1959 vom 14. 3. 1959 [mit Vorbehalt, da durch die archivierten Detailunterlagen nur teilweise verifizierbar!]) •  1957 – 1960 = Rechnungsjahre (April bis März), erst ab 1961 = Kalenderjahre (Januar bis Dezember) •  Personalausgaben: wiss. u. nichtwiss. Mitarbeiter/innen einschließl. Geschäftsführervergütung, zeitweilig auch Honorierung der Lexikonherausgeber; anfangs zudem sog. „Forschungsstipendien“ Sachausgaben: Verwaltungs- einschließl. Material- u. Gerätekosten; Reise- u. •  Aufenthaltskosten (bis 1978 u. ab 2000, jedoch 1979 – 1999 dank WRS ohne Tagungskosten); ab 1978 zuzügl. ZFP Abkürzungen: BMI = Bundesministerium des Innern (1957 – Mitte 1963), BMWF •  = Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung (Mitte 1963 bis ins Jahr 1969), BMBW = Bundesministerium für Bildung u. Wissenschaft (1969 – 1972), BMFT = Bundesministerium für Forschung u. Technologie (1973 – 1976); B-W = Baden-­Württemberg (1977 – 2005), WRS = Werner-­Reimers-­Stiftung, ZFP = Zuschüsse zu Forschungsprojekten Jahr

Soll

Einnahmen DM

Ist

Ausgaben Soll Ist DM

Ist-­Anteile: Personalund Sachausgaben DM

1957 [1.4.57 – 31.3.58] (BMI) [1957/58 „aus Sonder­ mitteln“ des BMI]



18.100 [+ Direktbewilliungen für einzelne Projekte]



16.922

11.922

 5.000

1958 [1.4.58 – 31.3.59] (BMI)

99.205

99.205

99.205

58.662

44.900

13.762

1959 [1.4.59 – 31.3.60] (BMI) [ab 1959 beim BMI „etatisiert“]

99.000

91.000 [nach genereller Kürzung] gem. Bundeshaushaltsgesetz 1959]

91.000

77.444

69.309

 8.135

413

Haushaltsentwicklung (1957 – 2005)

Jahr

Soll

Einnahmen DM

Ist

Ist-­Anteile: Personalund Sachausgaben DM

 –  67.500

 –  65.720

 –  57.030

 –  8.690

90.000  90.000 [nach allg. Kürzung gem. Haushaltsaus-­ schuss Bundestag]

 90.000

 78.122

11.878

100.000

 94.000

 92.615

 83.192

 9.423

100.000

100.000

100.000

 96.497

 85.729

10.768

1964 (BMI/ BMWF)

100.000

99.155 [nach Teil­kürzung gem. Bundeshaushaltsgesetz 1964]

 99.155

 90.578

9 0.578

 8.577

1965 (BMWF)

110.000

102.300

110.000

102.300

 89.701

12.599

1966 (BMWF)

110.000

110.000

110.000

106.532

 93.736

12.796

1967 (BMWF)

110.000

110.000

110.000

110.000

 99.760

10.240

1968 (BMWF)

110.000

113.431 [einschließlich Nachbewilligung]

110.000

113.431

 99.376

14.064

1969 (BMWF/ BMBW)

117.000

117.000

117.000

117.000

107.054

 9.946

1970 (BMBW)

126.200

137.384 [wg. tarifbedingten Mehrbedarfs]

137.384

137.384

125.597

11.787

1971 (BMBW)

159.033 [wg. tarifbedingter Kostensteigerung]

159.033 [nach interimistischer Teilsperrung]

159.033

159.033

147.862

11.171

1960 (BMI)

100.000 [1.4.60 – 31.3.61; nach Bundeshaus-­ haltsumstellung auf Kalenderjahr Reduzierung: 1.4. – 31. 12. 1960]

1961 (BMI)

100.000

1962 (BMI)

100.000

1963 (BMI/ BMWF)

90.000 67.500

Ausgaben Soll Ist DM

414

Jahr

Anhang 3

Soll

Einnahmen DM

Ist

Ausgaben Soll Ist DM

Ist-­Anteile: Personalund Sachausgaben DM

1972 (BMBW)

160.000

160.000

160.000

160.000

149.916

10.084

1973 (BMFT)

172.400

172.400

172.400

172.400

160.026

12.374

1974 (BMFT)

186.660

186.600

186.600

186.600

162.933

23.727

1975 (BMFT)

204.762

204.762

204.762

203.397

179.053

24.344

1976 (BMFT)

195.000

195.762

195.000

194.345

172.827

18.910

1977 (B-W)

203.500

203.500

203.500

203.491

180.054

22.813

1978 (B-W)

213.600

213.600

205.886

213.600

140.156

29.456 + ZFP: 36.274

1979 (B-W)

234.300

240.809 [nur rechnerisch!]

213.600

191.470

180.470

10.038 Ab 1979 Ta-­ gungsfinanzie-­ rung durch WRS; ausnahmsweise keine ZFP

1980 (B-W)

235.000

234.300

208.245

189.567

 11.745

11.745 + ZFP: 6.933

1981 (B-W)

261.457

255.000

261.457

233.058

198.512

23.567 + ZFP: 10.98

1982 (B-W)

265.419

260.000

265.419

215.942

192.133

14.718 + ZFP: 9.09

1983 (B-W)

250.547

238.500

250.547

235.310(

207.665

15.925 + ZFP: 11.718

1984 (B-W)

260.494

238.500

260.494

238.148

210.776

13.660 + ZFP: 13.712

1985 (B-W)

264.074

245.700

260.494

260.494

260.494

13.117 + ZFP: 15.922

1986 (B-W)

271.957

253.000

271.957

235.877

219.547

15.174 + ZFP: 14.030

415

Haushaltsentwicklung (1957 – 2005)

Jahr

Soll

Einnahmen DM

Ist

Ausgaben Soll Ist DM

Ist-­Anteile: Personalund Sachausgaben DM

1987 (B-W)

288.043

260.600

288.043

259.322

233.012

11.329 + ZFP: 14.982

1988 (B-W)

298.741

270.315

298.741

270.102

240.698

13.762 + ZFP: 15.642

1989 (B-W)

282.028

268.000

282.028

259.724

229.492

13.967 + ZFP: 16.265

1990 (B-W)

268.000

276.488 268.000 [relativ erhebliche Restmittelbewilligung aus Vorjahr!]

275.342

238.632

13.967 + ZFP: 22.900

1991 (B-W)

281.400

281.400

281.400

276.873

246.687

14.556 + ZFP: 15.630

1992 (B-W)

295.500

295.500

295.500

293.830

266.063

12.040 + ZFP: 15.717

1993 (B-W)

295.500

295.500

295.500

286.588 269.354 [1993 – 96 scheinbar erhebl. Minderausgaben: s. Kap. 4.5]

12.894 + ZFP: 4.340

1994 (B-W)

295.500

295.500

295.500

285.215

264.705

11.310 + ZFP: 9.200

1995 (B-W)

295.500

295.500

295.500

270.900

260.988

4.012 + ZFP: 5.900

1996 (B-W)

295.500

288.500

295.500

270.462

258.746

3.716 + ZFP: 8.000

1997 (B-W)

180.000

180.000

180.000

179.563

174.628

4.935 + ZFP: – [seitdem kein eigener Haushaltstitel mehr möglich]

1998 (B-W)

180.000

180.188

180.000

180.168

175.780

4.388

416

Jahr

Anhang 3

Soll

Einnahmen DM

Ist

Ausgaben Soll Ist DM

Ist-­Anteile: Personalund Sachausgaben DM

1999 (B-W)

185.000

185.000

185.000

183.880

173.520

10.360 [letztmals WRSTagungsfinan-­ zierung]

2000 (B-W)

185.000

194.618

185.000

192.855

174.453

18.432

2001 (B-W) DM/€

185.000

185.000

185.000

176.224

165.602

10.620

2002 (B-W)

 94.600

 94.600

 94.600

 91.027

 82.260

 8.767

2003 (B-W)

 94.600

 94.600

 94.600

97.655  88.795 [wg. erhöhter Verfügbarkeit von Restmitteln]

 8.860

2004 (B-W)

 94.600

 94.600

 94.600

 93.833

 85.495

 3.338

Jan./Febr. 2005 (B-W)

 12.350

 19.000

 12.350

 12.522

 12.355

   167

Ende der Finanzierung aus öffentl. Mitteln, seit März 2005 ausschließl. Dritt­mittelfinanzierung

Anhang 4: Industrielle Welt 1 – 98 (1962 – 2020) Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte*  514

(Mit Aktualisierung durch Christof Dipper. – Bd. 1 – 60 hg. v. Werner Conze bzw. Reinhart Koselleck u. M. Rainer Lepsius, erschienen bei Klett-­Cotta, Stuttgart, ab Bd. 60 bei Böhlau, Köln; Bd. 61 – 64 hg. v. Wolfgang Schieder u. F­riedrich ­Wilhelm Graf; ab Bd. 65 hg. v. Lutz Raphael u. Friedrich Wilhelm Graf bzw. ­Andreas Eckert u. Joachim Rückert) Sonderband Soziale Bewegung und politische Verfassung Beiträge zur Geschichte der modernen Welt Werner Conze zum 31. Dezember 1975 Herausgegeben von Ulrich Engelhardt, Volker Sellin, Horst Stuke 1976. 913 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-901850-6 Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz 1815 – 1848 Band 1 Herausgegeben von Werner Conze 1962. 2. Aufl. 1970, 3. Aufl. 1978, 285 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-901720-8 Band 2 Frolinde Balser Sozial-­Demokratie 1848 – 1863 Die erste deutsche Arbeiterorganisation „Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung nach der Revolution Text- u. Quellenband. 1962. 2. Aufl. 1965. Linson. Band 3 Horst Stuke Philosophie der Tat Studien zur „Verwirklichung der Philosophie“ bei den Junghegelianern und den Wahren Sozialisten 1963. 257 S. Linson. Band 4 Wolfgang Schieder Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung Die Auslandsvereine im Jahrzehnt nach der Julirevolution von 1830 1963. 360 S. Linson.

* Vgl. auch die Übersicht von Bernhard Laxy (Bearb.), Industrielle Welt. Schriften­reihe (via Google).

418

Band 5

Band 6

Band 7

Band 8

Band 9

Band 10 Band 11

Band 12

Anhang 4

Wolfgang Runge Politik und Beamtentum im Parteienstaat Die Demokratisierung der politischen Beamten in Preußen ­zwischen 1918 und 1933 1965. 292 S. Linson. Werner Conze/Dieter Groh Die Arbeiterbewegung in der nationalen Bewegung Die deutsche Sozialdemokratie vor, während und nach der Reichsgründung 1966. 133 S. Linson. Reinhart Koselleck Preußen ­zwischen Reform und Revolution Allgemeines Landrecht, Verwaltung und soziale Bewegung von 1791 bis 1848 1967. 2., berichtigte Aufl. 1975. 3. Aufl. 1981. Neudr. 1989. 739 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-905050-7. Brosch. ISBN 3-12-904950-9 Die Staats- und Wirtschaftskrise des Deutschen Reiches 1929/33 Sechs Beiträge von Hans Raupach, Dietmar Keese, Wilhelm Treue, Ursula Hüllbüsch, Rudolf Vierhaus, Werner Conze Herausgegeben von Werner Conze u. Hans Raupach 1967. 255 S. Linson. Hugo Eckert Liberal- oder Sozialdemokratie Frühgeschichte der Nürnberger Arbeiterbewegung 1968. 336 S. Linson. Edvard Bull Sozialgeschichte der norwegischen Demokratie 1969. 88 S. Kartoniert. Jürgen Kocka Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847 – 1914 Zum Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie in der deutschen Industrialisierung 1969. 632 S. Linson. Eckart Pankoke Sociale Bewegung – Sociale Frage – Sociale Politik Grundfragen der deutschen „Socialwissenschaft“ im 19. Jahrhundert 1970. 228 S. Linson.

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 13

Band 14

Band 15

Band 16

Band 17

Band 18

Band 19

419

Volker Sellin Die Anfänge staatlicher Sozialreform im liberalen Italien 1971. 206 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-907000-1 Peter Marschalck Deutsche Überseewanderung im 19. Jahrhundert Ein Beitrag zur soziologischen ­Theorie der Bevölkerung 1973. 128 S. Kartoniert. ISBN 3-12-905480-4 Karl-­Ernst Jeismann Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft Bd. 1: Die Entstehung des Gymnasiums als Schule des Staates und der Gebildeten 1787 – 1817 1974. 435 S. Kartoniert. ISBN 3-12-904070-6; 2., vollst. überarb. Aufl. 1996, Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91793-4 Bd. 2: siehe unten, Bd. 56 Volker Hentschel Die deutschen Freihändler und der volkswirtschaftliche Kongreß 1858 bis 1883 1975. 308 S. Kartoniert. ISBN 3-12-903680-6 Peter Borscheid Naturwissenschaft, Staat und Industrie in Baden (1848 – 1914) 1976. 242 S. Kartoniert. ISBN 3-12-901080-7 Werner Giesselmann Die brumairianische Elite Kontinuität und Wandel der französischen Führungsschicht ­zwischen Ancien Régime und Julimonarchie 1977. 679 S. Kartoniert. ISBN 3-12-902890-0 Reinhard Riese Die Hochschule auf dem Wege zum wissenschaftlichen Großbetrieb Die Universität Heidelberg und das badische Hochschulwesen 1860 – 1914 1977. 414 S. Kartoniert. ISBN 3-12-910400-3

420

Band 20

Band 21

Band 22

Band 23

Band 24

Band 25

Band 26

Anhang 4

Studien zum Beginn der modernen Welt Herausgegeben von Reinhart Koselleck 1977. 393 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910380-5 Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas Neue Forschungen Herausgegeben von Werner Conze 1976. 401 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910390-5 Volker Hentschel Wirtschaftsgeschichte der Maschinenfabrik Esslingen AG 1846 – 1918 Eine historisch-­betriebswirtschaftliche Analyse 1977. 170 S. Kartoniert. ISBN 3-12-910470-4 Ulrich Engelhardt „Nur vereinigt sind wir stark“ Die Anfänge der deutschen Gewerkschaftsbewegung 1862/63 bis 1969/70 2 Bände im Schuber 1977. 1412 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910810-6 Heilwig Schomerus Die Arbeiter der Maschinenfabrik Esslingen Forschungen zur Lage der Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert 1977. 356 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910830-0 Peter Borscheid Textilarbeiterschaft in der Industrialisierung Soziale Lage und Mobilität in Württemberg (19. Jahrhundert) 1978. 580 S., Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910840-8 Forschungen zur Lage der Arbeiterschaft im Industrialisierungsprozeß Herausgegeben von Hans Pohl 1978. 152 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-910250-7

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 27

Band 28

Band 29

Band 30

Band 31

Band 32

421

Horst Stuke Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Ideengeschichte Gesammelte Aufsätze Herausgegeben von Werner Conze und Heilwig Schomerus 1979. 296 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-911740-7 Arbeiter im Industrialisierungsprozeß Herkunft, Lage und Verhalten Herausgegeben von Werner Conze und Ulrich Engelhardt 1979. 513 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-912060-2 Dieter Langewiesche Zur Freizeit des Arbeiters Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der ­Ersten Republik 1979. 437 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-911960-4 Klaus Schönhoven Expansion und Konzentration Studien zur Entwicklung der Freien Gewerkschaften im Wilhelminischen Deutschland 1890 bis 1914 1980. 432 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-915170-2 Klaus-­Jürgen Matz Pauperismus und Bevölkerung Die gesetzlichen Ehebeschränkungen in den süddeutschen Staaten während des 19. Jahrhunderts 1980. 311 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-915130-3 Jochen-­Christoph ­Kaiser Arbeiterbewegung und organisierte Religionskritik Proletarische Freidenkerverbände im Kaiserreich und in der Weimarer Republik 1981. 380 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-915480-9

422

Band 33

Band 34

Band 35

Band 36

Band 37

Band 38

Band 39

Anhang 4

Arbeiterexistenz im 19. Jahrhundert Lebensstandard und Lebensgestaltung deutscher Arbeiter und Handwerker Herausgegeben von Werner Conze und Ulrich Engelhardt 1981. 539 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-12-911390-8 Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Beiträge zum Kontinuitätsproblem Herausgegeben von Werner Conze und M. Rainer Lepsius 1983. 467 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91072-7 Gunther Mai Kriegswirtschaft und Arbeiterbewegung in Württemberg 1914 – 1918 1983. 487 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91247-9 Wolfgang von Hippel Auswanderung aus Südwestdeutschland Studien zur württembergischen Auswanderung und Auswanderungspolitik im 18. und 19. Jahrhundert 1984. 352 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91248-7 Handwerker in der Industrialisierung Lage, Kultur und Politik vom späten 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert Herausgegeben von Ulrich Engelhardt 1984. 667 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91252-5 Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert Teil I: Bildungssystem und Professionalisierung in internationalen Vergleichen Herausgegeben von Werner Conze und Jürgen Kocka 1985. 558 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91254-1 Thomas Kohl Familie und soziale Schichtung Zur historischen Demographie Triers 1730 – 1860 1985. 283 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91255-X

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 40

Band 41

Band 42

Band 43

Band 44

Band 46

423

Gerhard Schildt Tagelöhner, Gesellen, Arbeiter Sozialgeschichte der vorindustriellen und industriellen Arbeiter in Braunschweig 1830 – 1880 1986. 505 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91256-8 Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert Teil II: Bildungsgüter und Bildungswissen Herausgegeben von Reinhart Koselleck 1990. 350 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91474-9 Jürgen Bergmann Wirtschaftskrise und Revolution Handwerker und Arbeiter 1848/49 1986. 294 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91403-X Ulrich Engelhardt Bildungsbürgertum Begriffs- und Dogmengeschichte eines Etiketts 1986. 274 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91258-4 Volker Hunecke Die Findelkinder von Mailand Kindsaussetzungen und aussetzende Eltern vom 17. bis zum 19. Jahrhundert 1987. 287 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91437-4 [Band 45 nicht erschienen; war vorgesehen für: Sozialgeschichte Polens. Die Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Herausgeber: Werner Conze und Kazimierz Piesowicz] Lucian Hölscher Weltgericht oder Revolution Protestantische und sozialistische Zukunftsvorstellungen im deutschen Kaiserreich 1989. 503 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91559-1

424

Band 47

Band 48

Band 49

Band 50

Band 51

Band 52

Band 53

Band 54

Anhang 4

Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert Teil III: Lebensführung und ständische Vergesellschaftung Herausgegeben von M. Rainer Lepsius 1992. 205 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91558-3 Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert Teil IV: Politischer Einfluß und gesellschaftliche Formation Herausgegeben von Jürgen Kocka 1989. 237 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91574-5 Ulrich Zumdick, unter Mitarbeit von Elisabeth Kosok Hüttenarbeiter im Ruhrgebiet Die Belegschaft der Phoenix-­Hütte in Duisburg-­Laar 1853 – 1914 1990. 580 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91572-9 Paul Erker Ernährungskrise und Nachkriegsgesellschaft Bauern und Arbeiterschaft in Bayern 1943 – 1953 1990. 460 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91333-5 Arbeiter im 20. Jahrhundert Herausgegeben von Klaus Tenfelde 1991. 779 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91344-0 Werner Conze Gesellschaft – Staat – Nation Gesammelte Aufsätze Herausgegeben von Ulrich Engelhardt, Reinhart Koselleck und Wolfgang Schieder 1992. 504 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91366-1 Nationalismus, Nationalitäten, Supranationalität Herausgegeben von Heinrich August Winkler und Hartmut Kaelble 1993, 2. Aufl. 1995. 357 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91377-7 Religion und Gesellschaft im 19. Jahrhundert Herausgegeben von Wolfgang Schieder 1993. 331 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91632-6

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 55

Band 56

Band 57

Band 58

Band 59

Band 60

Band 61

425

Thomas Gerlach Ideologie und Organisation Arbeitgeberverband und Gewerkschaften in der Schweizer Textilindustrie 1935 bis 1955 1995. 675 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91731-4 Karl-­Ernst Jeismann Das preußische Gymnasium in Staat und Gesellschaft Bd. 2: Höhere Bildung ­zwischen Reform und Reaktion 1817 – 1859 1996. 797 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608‑91794-2 (zusammen mit der vollst. überarb. Aufl. des ersten Teils, vgl. oben, Bd. 15) Sigrid Amedick Männer am Schienenstrang Sozialgeschichte der unteren bayerischen Eisenbahnbeamten 1844 – 1914 1997. 450 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91836-1 Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert Herausgegeben von Ute Frevert 1997. 358 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91801-9 Jürgen Büschenfeld Flüsse und Kloaken Umweltfragen im Zeitalter der Industrialisierung (1870 – 1918) 1997. 454 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 3-608-91822-1 Der Erste Weltkrieg und die europäische Nachkriegsordnung Sozialer Wandel und Formveränderung der Politik Herausgegeben von Hans Mommsen 2000. 246 S. Gebunden. ISBN 3-412-10600-3 Manfred Gailus Protestantismus und Nationalsozialismus Studien zur nationalsozialistischen Durchdringung des protestan­ tischen Sozialmilieus in Berlin 2001. 735 S. Gebunden. ISBN 3-412-07201-X

426

Band 62

Band 63

Band 64

Band 65

Band 66

Band 67

Band 68

Anhang 4

Wolther von Kieseritzky Liberalismus und Sozialstaat Liberale Politik in Deutschland ­zwischen Machtstaat und Arbeiter­ bewegung (1878 – 1893) 2002. 564 S. Gebunden. ISBN 3-412-07601-5 Sven Reichardt Faschistische Kampfbünde Gewalt und Kampfbereitschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA 2002. 814 S. Gebunden. ISBN 3-412-13101-6 Mechthild Hempe Ländliche Gesellschaft in der Krise Mecklenburg in der Weimarer Republik 2002. 378 S. Gebunden. ISBN 3-412-06502-1 Tobias Dietrich Konfession im Dorf Westeuropäische Erfahrungen im 19. Jahrhundert 2004. 511 S. Gebunden. ISBN 3-412-07104-8 Ute Schneider Hausväteridylle oder sozialistische Utopie? Die Familie im Recht der DDR 2004. 389 S. Gebunden. ISBN 3-412-09704-7 Die europäische Stadt im 20. Jahrhundert Wahrnehmung – Entwicklung – Erosion Herausgegeben von Friedrich Lenger und Klaus Tenfelde 2005. 522 S. Gebunden. ISBN 3-412-17705-9 Marcel Boldorf Europäische Leinenregionen im Wandel Institutionelle Weichenstellungen in Schlesien und Irland (1750 – 1850) 2006. 331 S. Gebunden ISBN 3-412-32705-0

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 69

Band 70

Band 71

Band 72

Band 73

Band 74

Band 75

Martin Lengwiler Risikopolitik im Sozialstaat Die schweizerische Unfallversicherung (1870 – 1970) 2006. 331 S. Gebunden. ISBN 3-412-09606-1 Bettina Hitzer Im Netz der Liebe Die protestantische ­Kirche und ihre Zuwanderer in der Metropole Berlin (1849 – 1914) 2006. 446 S. Gebunden. ISBN 3-412-08706-8 Thomas Kroll Kommunistische Intellektuelle in Westeuropa Frankreich, Österreich, Italien und Großbritannien im Vergleich 2007. 775 S. Gebunden ISBN 978-3-412-10806-9 Jakob Vogel Ein schillerndes Kristall Eine Wissensgeschichte des Salzes ­zwischen Früher Neuzeit und Moderne 2008. 522 S. Gebunden ISBN 978-3-412-15006-8 Religion und Gesellschaft Europa im 20. Jahrhundert Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Graf und Klaus Große Kracht 2007. 416 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20030-5 Thomas M. Bohn Minsk – Musterstadt des Kommunismus Stadtplanung und Urbanisierung in der Sowjetunion nach 1945 2008. 410 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20071-8 Alexandra Binnenkade KontaktZonen Jüdisch-­christlicher Alltag in Lengnau 2009. 317 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20322-1

427

428

Band 76

Band 77

Band 78

Band 79

Band 80

Band 81

Band 82

Anhang 4

Sarah Vanessa Losego Fern von Afrika Die Geschichte der nordafrikanischen „Gastarbeiter“ im französischen Industrierevier von Longwy (1945 – 1990) 2009. 559 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20432-7 Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts Herausgegeben von Ute Daniel und Axel Schild 2010. 440 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20443-3 Stephanie Zloch Polnischer Nationalismus Politik und Gesellschaft ­zwischen den beiden Weltkriegen 2010. 631 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20543-0 Nadine Klopfer Die Ordnung der Stadt Raum und Gesellschaft in Montreal (1880 bis 1930) 2010. 324 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20568-3 Julia Laura Rischbieter Mikro-­Ökonomie der Globalisierung ­ Kaffee, Kaufleute und Konsumenten im Kaiserreich 1870 – 1914 2011. 436 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20772-4 Martin Rempe Entwicklung im Konflikt Die EWG und der Senegal 1957 – 1975 2012. 375 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20851-6 Theorien und Experimente der Moderne Europas Gesellschaften im 20. Jahrhundert Herausgegeben von Lutz Raphael unter Mitarbeit von Clelia Caruso 2112. 311 S. Gebunden

ISBN 978-3-412-20857-8

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 83

Band 84

Band 85

Band 86

Band 87

Band 88

Band 89

429

Tatjana Tönsmeyer Großgrundbesitz und ländliche Gesellschaft in England und Böhmen 1848 – 1918 2012. 372 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20937-7 Jan Philipp Altenburg Machtraum Großstadt Zur Aneignung und Kontrolle des Stadtraumes in Frankfurt am Main und Philadelphia in den 1920er Jahren 2013. 290 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20886-8 Christof Dejung Die Fäden des globalen Marktes Eine Sozial- und Kulturgeschichte des Welthandels am Beispiel der Handelsfirma Gebrüder Volkart 1851 – 1999 2013. 516 S. Gebunden ISBN 978-3-412-20986-5 Frank Wolff Neue Welten in der Neuen Welt Die transnationale Geschichte des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes 1897 – 1947 2014. 558 S. Gebunden ISBN 978-3-412-22211-6 Arbeit und Recht seit 1800 Historisch und vergleichend, europäisch und global Herausgegeben von Joachim Rückert 2014. 389 S. Gebunden ISBN 978-3-412-22278-9 David Kuchenbuch Das Peckham-­Experiment Eine Mikro- und Wissensgeschichte des Londoner „Pioneer Health Centre“ im 20. Jahrhundert 2014. 238 S. Gebunden ISBN 978-3-412-22352-6 Stephanie Schlesier Bürger zweiter Klasse? Juden auf dem Land in Preußen, Lothringen und Luxemburg 2014. 600 S. Gebunden ISBN 978-3-412-22362-5

430

Band 90

Band 91

Band 92

Band 93

Band 94

Band 95

Band 96

Anhang 4

Regina Finsterhölzl Kommerzielle Werbung im kolonialen Afrika Die Werbebranche und der politische Wandel in Ghana 1930 – 1970 2015. 399 S. Gebunden ISBN 978-3-412-22309-0 Semantiken von Arbeit: Diachrone und vergleichende Perspektiven Herausgegeben von Jörn Leonhard und Willibald Steinmetz 2016. 413 S. Gebunden ISBN 978-3-412-50280-5 Sabine Rudischhauser Geregelte Verhältnisse Eine Geschichte des Tarifvertragsrechts in Deutschland und Frankreich (1890 – 1918/19) 2016. 887 S. Gebunden ISBN 978-3-412-50536-3 Clelia Caruso Befristete Migration und transnationaler Lebensstil Italienerinnen und Italiener in einer wallonischen Bergbaugemeinde nach 1945 2019. 736 S. Gebunden ISBN 978-3-412-50116-7 Marco Swiniartzki Der Deutsche Metallarbeiter-­Verband 1891 – 1933 Eine Gewerkschaft im Spannungsfeld ­zwischen Arbeitern, Betrieb und Politik 2017. 470 S. Gebunden ISBN 978-3-412-50750-3 Gleb J. Albert Das Charisma der Weltrevolution Revolutionärer Internationalismus in der frühen Sowjetgesellschaft 1917 – 1927 2017. 631 S. Gebunden ISBN 978-3-412-50754-1 Fabian Lemmes Arbeiten für das Reich Die Organisation Todt in Frankreich und Italien 1940 – 1945 2020. Ca. 720 S. Gebunden ISBN 978-3-412-51390-0

Industrielle Welt 1 – 95 (1962 – 2019)

Band 97

Band 98

Judith Syga-­Dubois Wissenschaftliche Philanthropie und transatlantischer Austausch in der Zwischenkriegszeit Die sozialwissenschaftlichen Förderprogramme der Rockefeller-­ Stiftungen in Deutschland 2019. 342 S. Gebunden ISBN 978-3-412-51486-0 Timo Luks Schiffbrüchige des Lebens Polizeidiener und ihr Publikum im neunzehnten Jahrhundert 2019. 399 S. Gebunden ISBN 978-3-412-51492-1

Außerhalb der Reihe erschienen: Theorie der Geschichtswissenschaft und Praxis des Geschichtsunterrichts Acht Beiträge von Reinhart Koselleck, Rudolf Vierhaus, Ernst-­Wolfgang ­Böckenförde, Knut Borchardt, M. Rainer Lepsius, Jürgen Kocka, Gerhard Schoebe, Erhard Rumpf Herausgegebenen von Werner Conze Stuttgart (Klett) 1972 84 S. Broschiert. ISBN 3-12-921790-8 Europäischer Adel 1750 – 1950 Herausgegeben von Hans-­Ulrich Wehler Göttingen 1990 (Vandenhoeck & Ruprecht, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 13) Sozialgeschichte der DDR Herausgegeben von Hartmut Kaelble, Jürgen Kocka und Hartmut Zwahr Stuttgart 1994 (Klett-­Cotta) 601 S. Paperback. ISBN 3-608-91671-7 Das neue Jahrhundert. Europäische Zeitdiagnosen und Zukunftsentwürfe um 1900 Herausgegeben von Ute Frevert Göttingen 2000 (Vandenhoeck & Ruprecht, Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 18)

431

432

Anhang 4

Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte: Die Anfänge der westdeutschen Sozialgeschichte 1945 – 1968 Herausgegeben von Lutz Raphael Leipzig 2002 (Comparativ, Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung, Jg. 12, H. 1) 85 [von 155] S. ISBN 3-935693-94-X Theorien des Kapitalismus Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Graf und Friedrich Lenger Hamburg 2017 (Hamburger Institut für Sozialforschung) Mittelweg 36, Jg. 26, H. 6, S. 1 – 74. ISBN 978-3-86854-744-3

Abkürzungen

Abtlg. Abteilung AHF Arbeitsgemeinschaft außeruniversitärer historischer Forschungseinrichtungen AKMS Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte AAKMS Akten des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte Art. Artikel BMI BMF BMB BMT

Bundesministerium des Innern Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung [so bis 1963] Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft [so ab 1969] Bundesministerium für Forschung und Technologie [so ab 1979]

CIHMSS

Comission Internationale d’Histoire des Mouvements Sociaux et des Structures Sociale (im: Comité international des sciences historiques)

dt. deutsch Dtld. Deutschland DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft Ebd./ebd. ebenda EcHR Economic History Review EG Europäische Gemeinschaft EM E-Mail ePMV (E-Mail-)Protokoll/e der Mitgliederversammlung/en [= kurze Ergebnisprotokolle, 2005 ff.] (zit. etwa: ePMV 5. 10. 2006) f. d. Z. FP

für die Zeit Forschungsprojekte (zit. etwa: FP 36 = Ordner Forschungsprojekte, Nr. 36)

GG

Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft

GuG

434

Abkürzungen

Habil.schr. Habilitationsschrift Hg. Herausgeber/in HU Haushaltsunterlagen (zit. etwa: HU 16/a = Mappe Haushaltsunterlagen, Nr. 16/a) HZ Historische Zeitschrift i. d. J. i. d. Z. i. e. S. i. N. i. w. S. IW

in den Jahren in der Zeit im engeren/engsten Sinne im Namen im weiteren/weitesten Sinne Industrielle Welt. Schriftenreihe des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte (zit. etwa: IW 60 = Industrielle Welt, Bd. 60)

JBR

Jahresbericht(e) über die Tagungen des Arbeitskreises im Haus der Reimers-­Stiftung (zit. etwa: JBR 1979)

KP

Korrespondenzen (zit. etwa: KP 5a = Ordner Korrespondenzen, Nr. 5a)

laufende Seite (= nachträgliche Zählung bei nicht durchpaginierten Unterlagen) Lt./lt. laut

lf. S.

m. a. W. mit anderen Worten m. d. W. mit den Worten Min.dir. Ministerialdirektor Min.dirig. Ministerialdirigent Min.rat Ministerialrat MPIG Max-­Planck-­Institut für Geschichte MS Manuskript bzw. Manuskriptseiten MV Mitgliederversammlung NL Nachlass NPL Neue Politische Literatur

Ob.reg.rat Oberregierungsrat o. D. ohne Datum o. Prof. ordentlicher Professor

435

Abkürzungen

o. Ut.

ohne Untertitel

PD Privatdozent PF/PFen Protokollformulierung/Protokollformulierungen PMV Protokoll der Mitgliederversammlung (zit. etwa: PMV PR

31. 10. 1975) Protokolle (zit. etwa: PR 10 = Ordner Protokolle, Nr. 10)

Prot. Protokoll Ref. Referat Reg.dir. Regierungsdirektor sog. sogenannte/r/s SO Sondertagungen (zit. etwa: SO 26 = Ordner Sondertagungen, Nr. 26) Stud.ref. Studienreferendar s. E. seines Erachtens s. W. seines Wissens TO/TOP Tagesordnung/Tagesordnungspunkt TP Tagungsprotokoll TPS Typoskript

u. a. unter anderem UB Universitätsbibliothek u. d. T. unter dem Titel u. ö. und öfter u. U. unter Umständen VWN/VWNe Verwendungsnachweis/e (des AKMS) VWPl. Vorläufiger Wirtschaftsplan WPl. Wirtschaftsplan WRS Werner-­Reimers-­Stiftung (Bad Homburg v. d. H.) ZIF

Zentrum für interdisziplinäre Forschung z. T. zum Teil zzt. zurzeit Ztschr. Zeitschrift

Quellen und Literaturverzeichnis

(Nur wiederholt angeführte Titel bzw. Literatur direkt zum AKMS; Literatur zu speziellen Fragen/Sachverhalten: jeweils in den Fußnoten) Akten im AAKMS (Universitätsarchiv Heidelberg), 1956/57 ff. [hiernach, soweit keine detaillierteren Nachweise, die Angaben, Hinweise und Zitate im Text u. in den Fußnoten]

Durchgängig benutzte Materialien:

Tagungsprotokolle 1957 ff. [maschinenschriftl., hektografiert/kopiert], zit. [z. B.]: TP 10./11. 4. 1961 (PR 1), S…. Korrespondenzen 1957 ff. zit. [z. B.]: KP 1, lf. S…. Überblick über Aufgabe und Tätigkeit des Arbeitskreises 1957 – 1969 [6 Seiten, vermutl. verf. von Horst Stuke]; zit.: Überblick 1957 – 1969 bzw. Überblick; in: KP 22a, lf. S. 474 ff. Brade, Waltraud: Werner Conze und der Heidelberger „Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte“. Ein Beitrag zur Analyse und Kritik der historisch-­politischen Konzeption der flexiblen Richtung in der bürgerlich-­imperialistischen Historiographie der BRD (Unter besonderer Berücksichtigung der Probleme der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung im 19. Jahrhundert). Phil. Diss. am Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED, Berlin 1972 (297 MS). Brunner, Otto/Conze, Werner/Koselleck, Reinhart (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-­sozialen Sprache in Deutschland, 7 Bde. u. 2 Register­ bde., Stuttgart 1972 – 1997 u. ö.; zit.: GG. Conze, Werner: Die Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Jg. 24, 1979, S. 23 – 32; zit.: Conze, Gründung. Dietz, Burkhard/Reulecke, Jürgen/Stohlmann, Jürgen: Wolfgang Köllmann (1925 – 1997), in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 97, 1995/96, S. I–XIV ; zit.: Dietz/­ Reulecke/Stohlmann. Dipper, Christof: Die „Geschichtlichen Grundbegriffe“. Von der Begriffsgeschichte zur ­Theorie der historischen Zeiten, in: HZ 270, 2000, S. 281 – 308; zit.: Dipper, Begriffsgeschichte. Dipper, Christof/Koselleck, Reinhart: Begriffsgeschichte, Sozialgeschichte, begriffene Geschichte. Reinhart Koselleck im Gespräch mit Christof Dipper, in: NPL 43, 1998, S. 281 – 308; zit.: Dipper/Koselleck. Dunkhase, Jan Eike: Werner Conze. Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010; zit.: Dunkhase, Conze. Eakin-­Thimme, Gabriela Ann: Die emigrierten Historiker als Vermittler sozialgeschichtlicher Ansätze?, in: Raphael (Hg.), Anfänge, S. 63 – 85; zit.: Eakin-­Thimme.

Quellen und Literaturverzeichnis

437

Engelhardt, Ulrich: Art. Sozialgeschichte; Sozialhistorie, in: Joachim Ritter u. Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 9, Basel 1995, Sp. 1141 – 1150; zit.: Engelhardt, Sozialgeschichte. Engelhardt, Ulrich: Konzepte der „Sozialgeschichte“ im Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte. Ein Rückblick, Bochum 2007 (= Schriften der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets, H. 23); zit.: Engelhardt, Konzepte. Engelhardt, Ulrich/Koselleck, Reinhart/Schieder, Wolfgang (Hg.): Werner Conze, Gesellschaft – Staat – Nation. Gesammelte Aufsätze, Stuttgart 1992; zit.: Engelhardt/­Koselleck/ Schieder. Etzemüller, Thomas: Sozialgeschichte als politische Geschichte. Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München 2001; zit.: Etzemüller, Neuorientierung. Etzemüller, Thomas: Sozialgeschichte als politische Geschichte. Die Etablierung der Sozialgeschichte in der westdeutschen Geschichtswissenschaft, in: Raphael (Hg.), S. 12 – 33; zit.: Etzemüller, Etablierung. Hitzer, Bettina/Welskopp, Thomas: Die „Bielefelder Schule“ der westdeutschen Sozial­ geschichte. Karriere eines geplanten Paradigmas? Einleitung zu: Dies. (Hg.), Die Bielefelder Sozialgeschichte. Klassische Texte zu einem geschichtswissenschaftlichen Programm und seinen Kontroversen, Bielefeld 2010, S. 13 – 31; zit.: Hitzer/Welskopp. Jordan, Stefan (Hg.): Lexikon Geschichtswissenschaft. Hundert Grundbegriffe, Stuttgart 2002 (2003); zit.: Jordan, Lexikon. Klingemann, Carsten: Wissenschaftliches Engagement vor und nach 1945. Soziologie im Dritten Reich und in Westdeutschland, in: Rüdiger vom Bruch u. Brigitte Kaderas (Hg.), Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 409 – 431; zit.: Klingemann, Engagement. Klingemann, Carsten: Ostforschung und Soziologie während des Nationalsozialismus, in: Jan M. Piskorski mit Jörg Hackmann u. Rudolf Jaworski (Hg.), Deutsche Ostforschung und polnische Westforschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik. Disziplinen im Vergleich, Osnabrück/Poznan 2002, S. 161 – 203; zit.: Klingemann, Ostforschung. Klingemann, Carsten: Symbiotische Verschmelzung: Volksgeschichte – Soziologie – Sozialgeschichte und ihre empirische Wende zum Sozialen unter nationalsozialistischen Vorzeichen, in: Raphael (Hg.), S. 34 – 62; zit.: Klingemann, Verschmelzung. Klingemann, Carsten: Soziologen in der ‚Westforschung‘ während des Nationalsozialismus, in: Burkhard Dietz, Helmut Gabel u. Ulrich Thiedau (Hg.), Griff nach dem Westen. Die ‚Westforschung‘ der völkisch-­nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919 – 1960), Münster 2003, S. 407 – 445; zit.: Klingemann, Soziologen. Kocka, Jürgen: Werner Conze und die Sozialgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland, in: GWU 37, 1986, S. 595 – 602; zit.: Kocka, Conze. Kocka, Jürgen: Sozialgeschichte in Deutschland seit 1945. Aufstieg – Krise – Perspektiven, Bonn 2002; zit.: Kocka, Sozialgeschichte nach 1945.

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Quellen und Literaturverzeichnis

Koselleck, Reinhart: Werner Conze. Tradition und Innovation, in HZ 245, 1987, S. 529 – 543 (wieder abgedr. in: Ruperto Carola. Heidelberger Universitätshefte, Jg. 40, H. 78, August 1988, S. 5 – 11); zit.: Koselleck, Conze. Paravicini, Werner (Hg.): Das Deutsche Historische Institut Paris/L’Institut Historique Allemand, Sigmaringen 1994; zit.: Paravicini, Historisches Institut. Raphael, Lutz (Hg.): Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte: Die Anfänge der westdeutschen Sozialgeschichte 1945 – 1968, Leipzig 2002 (= Comparativ, 12. Jg., H. 1); zit.: Raphael, Anfänge. Raphael, Lutz: Einleitung: Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte, in: Raphael, Anfänge, S. 7 – 11; zit.: Raphael, Einleitung. Raphael, Lutz: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003; zit.: Raphael, Geschichtswissenschaft. Schieder, Wolfgang: Sozialgeschichte ­zwischen Soziologie und Geschichte. Das wissenschaftliche Lebenswerk Werner Conzes, in: GuG, Jg. 1987, S. 244 – 266; zit.: W. ­Schieder, Lebenswerk. Schulze, Winfried: Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989; zit.: Schulze, Geschichtswiss. Steinmetz, Willibald: Nachruf auf Reinhart Koselleck (1923 – 2006), in: GuG, Jg. 32, 2006, S. 412 – 432; zit.: Steinmetz, Nachruf. Stuke, Horst: Sozialgeschichte – Begriffsgeschichte – Ideengeschichte. Gesammelte Aufsätze, hg. v. Werner Conze u. Heilwig Schomerus, Stuttgart 1979; zit.: Stuke, Sozialgeschichte. Teuteberg, Hans-­Jürgen: Carl Jantke, in: Joachim-­Jungius-­Gesellschaft der Wissenschaften Hamburg, Jahresbericht 1989, S. 76 – 84; zit.: Teuteberg, Jantke. Teuteberg, Hans-­Jürgen: Wilhelm Treue als Nestor der Unternehmensgeschichte, in: Ztschr. f. Unternehmensgeschichte, Jg. 47, 2002, S. 123 – 157; zit.: Teuteberg, Treue. Wehler, Hans-­Ulrich: Geschichtswissenschaft und Sozialwissenschaft, in: Dan Diner, Gideon Reuveni u. Yfaat Weiss (Hg.): Deutsche Zeiten. Geschichte und Lebenswelt. Festschrift zur Emeritierung von Moshe Zimmermann, Göttingen 2012, S. 17 – 23; zit.: Wehler, Geschichtswissenschaft u. Sozialwissenschaft. Wehler, Hans-­Ulrich: Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006; zit.: Wehler, Kampfsituation. Welskopp, Thomas: Strukturgeschichte, in: Jordan, Lexikon, S. 270 – 273; zit.: Welskopp, Strukturgeschichte.

Personenregister * A Abel, Wilhelm  49, 148 Ahuja, Ravi  296, 299 Aubin, Hermann  47, 67, 98

B Bahne, Siegfried  58 Balser, Frolinde  56, 92 Barudio, Günter  207 Bauer, Clemens  47 Bausinger, Hermann  96, 150, 180 – 182, 200 Bechtel, Heinrich  47 Beckert, Jens  264, 299 Bendix, Reinhard  143 f., 150 Beutin, Ludwig  20, 22, 24, 32, 38, 43, 49 f., 66, 69, 75, 85 v. Beyme, Klaus  129, 214 Blessing, Werner K.  210 Bloch, Marc  254 Böckenförde, Ernst Wolfgang  117 f., 120, 129, 157, 162 f., 170, 180, 190 Bösch, Frank  299 Borchardt, Knut  41, 117, 119 f., 123 – 126, 131 – 134, 140, 143, 145, 149 f., 156, 165, 168, 170, 180, 191, 197, 199, 201 f., 220, 222 – 224, 226 f., 229 f., 249, 251, 263, 276, 279 Born, Karl Erich  18, 117 Bourgin, Georges  69 Braubach, Max  15, 34, 37 Braudel, Fernand  68, 81, 99 Braun, Rudolf  118, 120, 156, 199, 207 f., 211, 218 Breunig, Willi  62 Brinkmann, Carl  77 1

Brüning, Heinrich  96, 101 f. Brunner, Otto  18, 20, 25 – 26, 46, 71, 78 – 80, 92, 99, 106, 114, 116, 126, 133, 235 Burckhardt, Jacob  209 Buchheim, Christoph  263

C Carr, Edward H.  174 Clark, Vincent  193 Conrad, Christoph  264, 291, 293 Conrad, Sebastian  296, 299 Conze, Werner  13 – 26, 28 f., 31 – 40, 42 – 46, 48 – 52, 54 – 70, 73, 76, 79 – 81, 83 – 85, 87 – 90, 92 – 99, 101 – 105, 107 – 116, 118, 121 – 132, 135, 137 – 140, 143, 145 – 149, 152 f., 155 – 158, 160 f., 163, 167, 169 – 173, 178 – 180, 182 f., 186, 189 f., 192 – 194, 197 – 200, 203, 218, 222, 231, 235, 255, 257 f., 260 f., 264, 267, 279, 285, 287, 292, 294, 300 Croon, Helmut  101

D Daniel, Ute  264., 270 f., 273, 275 f., 286 f., 289, 293, 296, 300 Dilcher, Gerhard  181, 207 f., 281, 239, 244, 246, 263 f. Dipper, Christof  234, 264, 289, 291 Droysen, Gustav  82 Dunkhase, Jan Eike  13, 152

E Eakin-Thimme, Gabriela Ann  261 Eckert, Andreas  264, 291 – 293, 298 f. Eckert, Georg  54 Eckert, Hugo  61

* In den Fußnoten und Anhängen genannte Personen sind nicht erfasst.

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Ehmke, Horst  186 Eisermann, Gottfried  59 Engelhardt, Ulrich  61, 153, 183, 267, 290, 292, 299 Engelsing, Rolf  150 Etzemüller, Thomas  259 Faber, Karl-Georg  129 Feldman, Gerald D.  55

F Fischer, Wolfram  35, 37, 39, 41, 51 – 53, 92, 117 f., 120, 132, 144, 149, 201 f., 204, 211, 221, 264 Flitner, Andreas  111 Franz, Günther  47 Freitag, Ulrike  264, 299 Frevert, Ute  181 f., 218, 220 f., 242 f., 245, 247 f., 250, 255, 263, 296, 298 Freyer, Hans  21, 24, 81 Frühwald, Wolfgang  41, 180, 263 Fuhrmann, Manfred  139

G Gadamer, Hans Georg  42, 148 Gall, Lothar  129, 180 Geck, Adolph  111 f. Geyer, Dietrich  118, 180, 201, 214, 233, 243, 248, 263 Goebel, Michael  299 Gollwitzer, Heinz  112 f., 117 – 119 Graf, Friedrich Wilhelm  11, 181, 210, 215, 229 f., 239, 242, 248, 250, 256, 260, 263, 269 f., 278, 283 – 285, 287, 289 f., 292 f. Grawert, Rolf  142 Grimm, Dieter  180, 201, 213, 224, 226, 242 Groh, Dieter  58, 60, 62, 129 Große Kracht, Klaus  293 Gruner, Erich  150

H Habermas, Jürgen  150, 172 Hahn, Wilhelm  186

Personenregister

Hanisch, Manfred  210 Hartung, Fritz  15 Haupt, Heinz-Gerhard  180 Hausen, Karin  158 f., 181 Hennis, Wilhelm  111 f. Henrich, Dieter  160 Hildermeier, Manfred  263 f., 278 Hilger, Dietrich  96, 133, 150 Hintze, Otto  77, 104, 133 v. Hippel, Wolfgang  153 v. Hirschhausen, Ulrike  299 Hitzer, Bettina  152 Hobsbawm, Eric  11, 240 Hockerts, Günther  180, 217, 267 Höpken, Wolfgang  264 Holzem, Andreas  264 Huber, Ernst Rudolf  39 Hübinger, Gangolf  210 Hübinger, Paul Egon  11, 14 – 16, 18 f., 21, 23 f., 29, 33 f., 38, 48, 52, 85 Hüllbüsch, Ursula  58 Humboldt, Wilhelm von  128

I Ilting, Karl-Heinz  129 Ipsen, Gunther  20, 22, 24, 26 f., 30, 34, 39, 41, 45, 48, 51 f., 72, 74 f., 83, 88, 90, 92, 97, 106, 109, 114, 116, 118, 123, 125, 140, 185, 260 Iser, Wolfgang  139

J Jantke, Carl  16 – 21, 23 – 28, 40, 43, 50 – 52, 63, 70, 76 – 79, 81, 92, 94 f., 97, 99, 102, 106, 114 f., 117 f. Jauß, Hans Robert  139 Jeismann, Karl Ernst  190 Jelzin, Boris  218 Joerges, Hans-Ulrich  245 Jürgensen, Harald  45 f., 48, 82 f., 91, 96, 113, 118

441

Personenregister

K Kaelble, Hartmut  29, 181, 196, 199, 202 f., 215 – 217, 235, 239, 243, 245 Kaschuba, Wolfgang  181 f., 214, 220 f., 228, 237, 239, 257, 268, 275, 286 Kasper, Walter  148 Kellenbenz, Hermann  47, 67 Klages, Helmut  118, 125 Klett, Ernst  43, 45, 92 – 94 Klingemann, Carsten  46, 259 Klíma, Arnošt  59 Knöbl, Wolfgang  297 – 299 Kocka, Jürgen  12 f., 43, 47, 66, 109, 121, 129, 133, 136, 145 f., 151, 159, 162, 165, 169 f., 172 f., 175, 177 f., 180 f., 190 f., 194 f., 199, 201, 204, 206, 210, 212, 214 – 217, 221, 223 f., 230, 232 f., 239, 241 – 248, 254 – 257, 268, 274, 282 f., 286 f., 297 Köllmann, Wolfgang  35, 37, 39, 41, 44, 51, 117 f., 120, 124, 128, 137, 160, 162, 181, 189, 214, 221, 263 Kohle, Hubertus  264, 277, 300 Kohli, Martin  215 Kolb, Eberhard  59 Kořalka, Jiři  59 Koselleck, Reinhart  22, 36, 41 f., 51, 53 f., 88, 117, 119 – 121, 124, 126, 130, 133, 136 f., 138, 140, 142, 148 f., 157, 163, 173, 176 f., 181, 187, 191, 194 – 196, 199 f., 202, 204, 207 – 210, 215, 218, 221, 233 – 235, 237 – 245, 247, 260 f., 263, 267, 281, 287 Kroll, Thomas  293, 296 Krüger, Herbert  46, 74, 88, 99, 113, 118, 140, 151 Krumeich, Gerd  210 Kuhn, Anette  49, 129

L Landes, David S.  148 Lamprecht, Karl  133, 174 Langewiesche, Dieter  180, 182, 199, 233 f., 241 f., 250, 263, 270 Lenger, Friedrich  264, 189 f., 293, 297

Lenz, Hans  108 Leonhard, Jörn  294, 296 Lepenies, Wolf  148 Lepsius, M. Rainer  19, 117 – 120, 122, 124 – 127, 132, 134 f., 141, 144 f., 149, 155 – 158, 162 – 165, 167 f., 173, 176 – 178, 180 – 182, 187, 189, 191 f., 194 f., 199 – 201, 204 – 206, 208 – 219, 221 – 223, 225 – 233, 236 f., 239 – 243, 246 – 251, 254, 256, 258, 263, 267, 273 f., 277, 279, 281 f., 284 Linz, Juan  215 Ludz, Peter Christian  118, 120, 127, 129 f., 279, 282 Lüdtke, Alf  217 Lüsebrink, Hans-Jürgen  234, 237 Lütge, Friedrich  19, 37, 47, 67, 93, 111 Luhmann, Niklas  145

M Mager, Wolfgang  129 Maschke, Erich  37, 46, 69, 72 f., 75 f., 82, 87, 92, 99, 102, 104 f., 107, 118, 124, 141, 153, 164 Marx, Karl  56, 136, 203 Meinecke, Friedrich  21, 54 Merkel, Wolfgang  263, 271 f. Meuschel, Sigrid  263 f., 276, 300 Meyer, Hans-Georg  50, 63 Mitterauer, Michael  159 Mommsen, Hans  59, 129, 140, 173, 176 f., 180, 201, 213 – 215, 227, 229, 237, 242, 245, 250, 252, 258, 261, 270, 272, 277 Mommsen, Wolfgang J.  74 Mooser, Josef  244 Mühlberg, Dietrich  215

N Neuloh, Otto  63 Niethammer, Lutz  180, 215 Nipperdey, Thomas  13, 39, 74, 76, 80, 117 – 120, 122, 136 – 139, 149, 151, 156 f., 169 f., 173 – 178, 180, 182, 191, 193, 208, 211 f., 263, 300

442

Nolte, Paul  255 Nürnberger, Richard  20, 24 f., 27, 46, 61, 101, 266

O Oexle, Otto-Gerhard  180, 193, 207 f., 226, 233 f., 239, 254, 256 f. Olson, Mancur  202 Osterhammel, Jürgen  245, 263, 271 f., 274

P Paletschek, Sylvia  210 Patel, Kiran  299 Pankoke, Eckart  129, 142 Petzina, Dieter  109 Plaggenborg, Stefan  255 Pleyer, Kleophas  260 Pollard, Sidney  174, 176, 180, 182, 202, 221, 248 Postan, Michael Moissey  67 – 69 Predöhl, Andreas  45 f., 48, 71, 76, 82, 87, 91, 97, 100, 113 f., 118

R Rabe, Hannah  129 Ranke, Leopold von  21, 81 Raphael, Lutz  121, 255 – 257, 259 f., 263, 269 – 272, 279 – 272, 274, 277 f., 283, 285 – 287, 289 – 293 Rassow, Peter  15, 37 Raulff, Ulrich  244 Raupach, Hans  45, 71 – 73, 75, 89 f., 97, 99 – 102, 105 f., 116, 118, 128, 143 Reichardt, Sven  300 Reif, Heinz  208 Rendtorff, Trutz  129 Riedel, Manfred  129, 148 Riese, Adam  203 Ringer, Fritz K.  192 Rischbieter, Laura  299 Ritter, Gerhard A.  47 Ritter, Joachim  42, 44 f., 47, 64, 138

Personenregister

Rosenberg, Hans  158, 261, 267 Rostow, Walt  123 Rückert, Joachim  264, 269 f., 271, 273, 279, 287, 289, 295, 300

S Sabean, David  160 Salomon-Delatour, Gottfried  92 Schadt, Jörg  62 Schelsky, Helmut  93 Schieder, Theodor  20, 24, 32, 39, 50, 56, 60, 76, 81 – 83, 89, 91 f., 99, 105 f., 112, 115 f., 118, 132, 142 Schieder, Wolfgang  50, 55, 121, 129, 133, 136, 151 f., 157, 160, 168, 173, 175 f., 181 f., 191, 208 – 210, 214, 227, 233 f., 236, 238 – 241, 243, 245 f., 248, 251, 253 – 255, 258, 260 f., 263, 268 – 273, 276, 279, 284, 286, 289 Schildt, Axel  264, 293, 300 Schluchter, Wolfgang  181 f., 224, 226 f., 229 f., 263 Schmidt, Gustav  248 Schmierer, Wolfgang  62 Schmitt, Carl  39, 235 Schneider, Ute  298 Scholder, Klaus  148 Scholtz, Gunter  234 Scholz, Rupert  163 Schremmer, Eckart  118 Schröder Gerhard  15 Schröder, Hans-Christoph  143 f. Schramm, Percy Ernst  92 Schulze, Reinhard  299 Schulze, Winfried  15, 32 Schumpeter, Joseph  71, 106 Schwab, Dieter  129, 144 Seibt, Gustav  42 Seidel, Friedrich  24, 39, 50 Sheehan, James  234 Siegenthaler, Hansjörg  181, 202, 223, 336, 229, 231, 234, 242 f., 247, 251 – 255 Söderlund, Ernst  68

443

Personenregister

Soell, Hartmut  62 Sombart, Werner  171 Spakowski, Nicola  297 Spohn, Willfried  210 v. Stein, Lorenz  171 Steinmetz, Willibald  264, 293 f. Stern, Fritz  165 Sternberger, Dolf  148 Stichweh, Rudolf  264, 278, 286, 299 Stuke, Horst  58, 62, 64 f., 84, 109, 118, 136, 151, 153, 185, 188, 281

T Talmon, Jacob L.  148 Tanner, Jakob  255, 263, 272 f., 275 – 277, 286, 289, 291, 298 Tenfelde, Klaus  47, 55, 96, 167, 180, 182 – 184, 199, 215, 223, 233, 235, 237, 239, 247, 249, 268, 273 – 275, 278, 284, 286 f., 289 f., 293 Teuteberg, Hans-Jürgen  63 Toynbee, Arnold  90 Treue, Wilhelm  20, 24 f., 28, 31, 38, 49, 69, 103, 114, 116, 118

V Vierhaus, Rudolf  96, 101 f., 104, 111 f., 120, 130, 135 – 137, 145, 150, 152, 154, 190 Vopelius, Marie-Elisabeth  129

W Weber, Max  26, 71, 77, 81, 101, 133, 143 f., 163, 181, 196, 205, 207, 229 f., 240 Wehler, Hans-Ulrich  60, 94, 119, 125, 143 – 146, 150 – 152, 154 f., 157, 164 f., 168 f., 171 – 173, 175 – 177, 186, 191 – 194, 197 – 199, 201, 204 f., 207 f., 210, 213 f., 220 f., 226, 229 f., 233, 239, 244, 247, 252, 256, 260 f., 264, 267 f., 273 – 275, 279 Weinrich, Harald  139 Weippert, Georg  20, 24, 31, 72, 74, 81, 83, 88, 98, 101 f., 111 Weisbrod, Bernd  252, 258 – 261, 263, 270 – 273, 275, 277, 286, 296 Weisgerber, Leo  22 Welskopp, Thomas  152, 248, 264 Wierling, Dorothee  215 Winkler, Heinrich August  29, 146 f., 180 f., 203, 206, 212 – 214, 217, 226, 230, 239 f., 247, 249 f., 263 Wittram, Reinhard  24 Wrigley, Edward A.  155

Z Zorn, Wolfgang  39, 41, 96, 105, 111, 120, 162, 168 Zwahr, Hartmut  181, 188, 214 – 217, 239, 264

Stichwortregister * A

D

Adel  168, 175, 189, 197 f., 204 – 209 Agrargeschichte  28 f., 101, 216, 258, 276 Arbeit  28, 277, 294 – 296 Arbeiter, Arbeiterschaft, Arbeiterklasse  38, 52, 56, 62, 166, 168, 189, 205, 208, 216, 295 Arbeiterbewegung  14, 38, 54 f., 57 – 63, 69, 82, 92, 146, 166, 176, 182, 184, 189, 210, 273, 290, 293 Arbeitskreis (Satzung, Gestaltung und Arbeitsweise, Zuwahlen, Selbstverständnis)  11, 13 – 36, 41 – 44, 46, 48, 64 f., 81 – 95, 103 f., 109 – 120, 122 f., 124 f., 131 f., 139 – 142, 149 – 154, 164 f., 169, 179 – 182, 188 – 194, 197 – 201, 294 f., 211, 214 f., 218 – 232, 246 f., 250 – 252, 255 – 261, 276, 278 – 291, 293, 298 – 300

DDR  14, 56, 164, 181, 201, 206, 214 – 217, 230 – 232 Demographie  27 f., 105, 123 f., 141, 166, 185, 197, 246 Demokratie  26, 230, 235, 240 – 242, 250, 261, 273, 297 Deutungssysteme, Ordnungsmuster  77, 189 – 191, 222, 224, 229 – 231, 238 – 248, 258

B Bauern 28 Begriff, Begrifflichkeit, Begriffsgeschichte  18, 21, 25 – 27, 41 f., 77 – 82, 126, 133 f., 141 f., 226, 232 – 237, 287, 293 – 298 Bielefelder Schule  152, 169 f., 221, 270 Bildung, Wissenschaft  146, 190, 194, 196 Bürgertum, Bildungsbürgertum  168, 175, 182, 189, 191 – 197, 199, 205, 216, 221, 233, 287 Bundesrepublik (Sozialgeschichte)  161 – 168, 198 f., 215

C cultural turn  32, 232, 252, 270 f., 275, 284, 296 1

E Erkenntnistheorie  27, 80, 173 – 178, 207, 244, 274 f. Erster Weltkrieg  46, 62, 73, 145, 155, 191, 231, 240 f., 247, 249, 252 Europa (auch im Hinblick auf Außereuropa)  154, 212 f., 217, 230, 238 – 255, 270 f., 274 f., 277 f., 284 f., 287, 289 f., 292 – 300

F Familie  146, 155 – 161, 197, 273 Faschismus  207, 240, 242, 246 Fritz Thyssen-Stiftung, Köln  289, 298 Frühsozialismus  50, 55 f., 92

G Geistes- bzw. Ideengeschichte  21, 27, 31, 77, 82, 104, 175 f., 190, 227, 255, 287 Gender, Frauen  157 f., 181, 184, 195, 199, 210, 213, 216, 220, 222 f., 228, 241 f., 246, 248 f., 277 Generation  46, 101, 146, 155, 160, 216 Geschichtliche Grundbegriffe  41, 113, 224, 232 – 235, 269, 275, 283, 294, 298

* Fußnoten (mit einer Ausnahme) und Anhänge sind nicht erfasst. Projekte und Förderer des Arbeitskreises sowie nichtdeutsche Worte kursiv.

445

Stichwortregister

Gesellschaftsgeschichte/Historische Sozialwissenschaft  157, 159, 169, 171 – 173, 175 – 178, 224 f., 229, 237, 243 Gewalt  241, 244, 276, 290, 295 Gewerkschaft, Gewerkschaftsgeschichte  50, 56, 61, 67, 69, 72, 189, 293

Kultur  135, 170 – 173, 190, 209, 224, 226, 229 f., 244, 247, 274 f., 286 Kulturanthropologie, Kulturgeschichte  170 f., 174 – 176, 180, 189, 221 f., 228, 232 f., 237, 270, 272, 275, 286

H

Liberalismus 72 linguistic turn 233

Hamburger Institut für Sozialforschung, Hamburg 298 Handwerk, Handwerker  38, 50, 183, 205, 208 Haus der Geschichte/Institut für soziale Bewegungen, Bochum  289, 294 Herrschaft  71, 145, 147, 171, 173, 207

I Imperialismus  43, 70 – 73, 89, 102 – 107 Industrie, Industrialisierung  53, 100, 121 – 123, 144, 155, 158, 160, 163, 219, 230, 297 Industriegesellschaft  53, 78, 94, 106 f., 197, 204, 261 Industrielle Revolution  76, 123, 141, 154, 157 Industrielle Welt  91 – 95, 107, 121 f., 255, 260, 264 – 269, 278, 290, 300 Interdisziplinarität  14, 29, 47, 75, 80, 116, 120, 181, 193, 223, 237, 270, 281, 295, 299

K Kapitalismus  78, 147, 155, 157, 242, 296 – 298 Klasse, Klassenbildung, Klassenkampf  28, 57, 63, 121, 145 f., 165, 174, 188, 194, 196, 206, 208, 213, 216, 225, 229 f., 241, 244, 271, 275, 296 Königsberg (als Urzelle)  19, 46, 170 (Anm. 341), 256 f., 259 Kommunismus  81, 99, 106, 240, 242, 246 Krise (als geschichtsphilosophischer Perspektivbegriff)  142, 216, 230 f., 240 f., 243 – 248, 251, 253, 273, 276

L

M Marxismus  56 f., 76, 99, 144 Medien, Kommunikation  201, 244, 262, 270, 272, 276, 290, 292 f., 300 Mentalität  157, 174, 241, 254, 275 Militär  166, 199, 218 – 220 Mittelstand 28 Moderne, Moderne Welt  123 – 125, 128 f., 131, 141 f., 144 – 149, 233, 293, 297 Modernisierungstheorie  124, 131, 140 – 145, 210, 215, 237, 243

N Nation, Nationale Frage, Nationalstaat  38, 50, 59, 121, 207, 211 – 214, 219, 222, 241 f., 246 Nationalsozialismus  19, 27, 34, 46, 207, 253 – 257, 260, 294

O Ordnung (als sozialphilosophische Kategorie)  99, 142, 157, 162 f., 165, 167, 172 f., 189, 191, 201, 215, 224, 229 – 231, 238 – 248, 253, 273, 276 f., 293, 297

P Pauperismus  38, 49, 287 pictorial turn, Bilder  254, 271 f. Politik, Politikgeschichte  14, 17, 24 f., 27, 52, 83, 97, 102, 201, 212, 215, 217, 238, 242, 259, 262, 273 f., 287, 294, 297 Politische Kultur  166, 194, 255 Professionalisierung  78, 192 – 194, 210

446

Prognose 83 Proletariat  28, 38, 61, 192

R

Stichwortregister

U Unternehmer, Unternehmen, Unternehmensgeschichte  28, 49, 52, 72 f., 74 f., 166, 175, 273

Recht, Rechtswissenschaft  74 f., 132, 137, 142, 144, 180, 217, 229, 236, 239, 242, V 254, 262 – 264, 294 Verfassung, Verfassungsgeschichte  25, 30, Rechtsstaat  230, 240 – 242, 246 49, 78, 157, 162, 166 f., 206, 227 – 229 Religion, Kirche  146, 166, 175, 189, Volksgeschichte  31, 255 – 260 208 – 211, 216, 229 f., 236, 241 f., 264, 290, Vormärz  30, 36 – 39, 43, 49 f., 53 f., 56 f., 61, 293 70, 92, 121, 287 Revolution, Revolutionen von 1789, 1848 usw.  14, 20, 31, 55, 60, 62, 78, 94, 141 f. W Wechsellagen, Konjunkturen  43, 70 – 75, S 198 – 203 Sattelzeit  134, 154, 233 – 235, 244, 287, 294 Werner Reimers-Stiftung, Bad Homburg  13, 184, 188, 231, 279, 298 Sozialdemokratie  62, 210 Weltwirtschaftskrise  43, 58, 67, 69, 96 – 102, Sozialgeschichte (Konzeption im Arbeitskreis)  14, 16, 23 f., 28, 99 f., 104, 109, 238 145 – 147, 168 – 174, 178 f., 189 – 194, 215 f., Wirtschaftsgeschichte  14, 21, 25, 31, 33, 37, 220 – 232, 239, 241 f., 256 – 260, 269 – 271, 39, 46 f., 51, 53, 68 f., 72, 76, 98 f., 124, 273 – 277, 284 – 287, 290 f., 293 f., 296 – 298 134, 151, 171, 202, 221, 228 Wirtschaftswissenschaft, NationalSozialismus  62, 210, 297 Sozialstaat, Wohlfahrtsstaat  165, 212, ökonomie  71 – 76, 82 f., 97, 100 f., 120, 241 f., 244 f., 276, 285, 290, 292 134 f., 165, 202, 223, 228 Soziologie  14, 16 – 18, 21, 26, 38, 44 – 46, 69, 73, 76 – 82, 92, 99, 106, 122, 125 – 127, Z 130, 132, 134 – 137, 142 f., 146, 225, 259 f. Zeit, Beschleunigung  124, 133, 136, 142, Staat und Gesellschaft  28, 30, 36 – 39, 43, 147, 234, 240 Zentrum für Zeithistorische Forschungen, 49 f., 58 f., 61, 70, 72, 78, 162, 222, 287 Stadt, Urbanisierung  162, 244, 276 – 278, Potsdam 299 293 Zivilisation  94, 274 Stand, Klasse  28, 174, 206, 213 Zukunft 248 Studienreform  131 f., 134 – 138 Zweiter Weltkrieg  58, 67, 76, 120, 193, Strukturgeschichte  14, 16 f., 21, 24 f., 79 f., 259, 262, 292 99, 134, 168, 172 f., 191, 224 f., 229, 256 f.

T Technik  28, 245 Theoriebedürftigkeit  82, 133, 202, 226 Transnationalität, Globalisierung  145, 154, 171, 211, 230 f., 239, 252, 270, 272, 274, 278, 286, 289, 292 – 298