Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus: Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928 bis 1936 9783666357510, 9783647357515, 3523357516, 9783525357514

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Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus: Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928 bis 1936
 9783666357510, 9783647357515, 3523357516, 9783525357514

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Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft Herausgegeben von Helmut Berding, Jürgen Kocka Hans-Ulrich Wehler Band 88 Wolfgang Zollitsch Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928 bis 1936

von

Wolfgang Zollitsch

Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

CIP-Titelaufnahmeder Deutschen Bibliothek Zollitsch, Wolfgang: Arbeiter zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus: ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Jahre 1928 bis 1936 / von Wolfgang Zollitsch. Göttingen: Vandenhoeck u. Ruprecht. 1990 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft; Bd. 88) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss. 1986 ISBN 3-523-35751-6 NE: GT

Gedruckt mit Unterstützung der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und des Herbert-Wehner-Stipendiums

© 1990, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. - Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesetzt aus Bembo auf Linotron 202 System 4 (Linotype) Satz: Gutfreund, Darmstadt Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen

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Inhalt Vorwort

9

Einleitung I.

II.

11

Qualifikations- und Berufsmuster von Arbeitern zwischen Wirtschaftskrise und Rüstungskonjunktur

19

1. Wirtschaftslage, Rationalisierung und Arbeitsproduktivität . a) Die elektrotechnische Industrie am Beispiel Siemens b) IG Farben und die Wachstumsdynamik der Chemie c) Der Krupp-Konzern zwischen Strukturkrise und Rüstungskonjunktur d) Der Ruhrbergbau in der Defensive 2. Rationalisierung: Reaktion der Arbeiter 3. Die Entwicklung der Arbeitskräftequalifikation a) Aufstiegsmöglichkeiten in der Chemie b) Die elektrotechnische Industrie zwischen Dequalifizierung und Facharbeitermangel c) Das Qualifikationsprofil in der Kruppschen Gußstahlfabrik . . d) Nachlassende berufliche Attraktivität im Ruhrbergbau . . . . e) Berufs- und Qualifikationsperspektiven in der Zwischenkriegszeit

19 20 23

Aspekte der Lohnentwicklung

72

1. 2. 3. 4. 5.

25 30 36 41 42 49 57 62 67

Die Leistungsentlohnung bei IG Farben Siemens: Verdienste und außertarifliche Zulagen Akkorde und Löhne bei Krupp Schichtverdienste und Gedinge im Ruhrbergbau Löhne zwischen Krise und Rüstungskonjunktur

72 82 88 95 102

III. ›Betriebsgemeinschaft‹ und Unternehmerverhalten

108

1. Funktionswandel der betrieblichen Sozialpolitik a) Ziele betrieblicher Sozialpolitik b) Ökonomisch orientierte Sozialpolitik bei IG Farben c) Siemens - Tradition und Modernität d) Krupp: Mikrokosmos Familienbetrieb

108 108 114 119 122

5 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

e) Die Betonung der ideologischen Komponente im Ruhrbergbau f) Die NS-Organisationen ›Kraft durch Freude‹ und ›Schönheit der Arbeit‹ 2. Betriebliche Herrschaft und ›Betriebsgemeinschaft‹ a) Das ›Dinta‹ und die ›Seele des Arbeiters‹ im Bergbau b) Krupp: ›Zuckerbrot und Peitsche‹ c) »Rein sachliche Gemeinschaftsarbeit« bei Siemens d) IG Farben: Funktionale Zwänge e) Die Bedeutung der Betriebsatmosphäre für die Arbeiterschaft . f) Entsolidarisierung in der Wirtschaftskrise g) NS-›Betriebsgemeinschaft‹: Mythos oder Realität IV. Betriebsratswahlen in der Wirtschaftskrise 1. 2. 3. 4. 5. V.

Die Arbeiter der Kruppschen Gußstahlfabrik Radikalisierung im Ruhrbergbau Protest und Anpassung bei IG Farben Die Berliner Siemens-Betriebe Resümee

128 130 136 137 140 145 148 152 158 165 179 180 190 195 202 208

Zum betrieblichen Verhalten der Arbeiterschaft ab 1933 . . . .

210

1. 2. 3. 4,

210 214 227 235

Gleichschaltung auf Betriebsebene Die Vertrauensratswahlen von 1934 und 1935 Die Funktion der nationalsozialistischen Vertrauensräte . . . Arbeiterschaft und Interessenvertretung

Schluß. Die Stellung der Arbeiterschaft im Dritten Reich

238

Anmerkungen Abkürzungsverzeichnis Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archivalien II. Zeitgenössische Periodika III. Protokolle und Materialsammlungen IV. Sonstige Quellen und Literatur vor 1945 V. Literatur nach 1945

246 298 300 300 301 302 302 305

Namen- und Sachregister

317

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Tabellen Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18: Tab. 19: Tab. 20: Tab. 21: Tab. 22: Tab. 23: Tab. 24: Tab. 25: Tab. 26: Tab. 27:

Erzeugung pro Arbeiter in Abteilungen der Kruppschen Gußstahlfabrik Förderung, Belegschaft und Schichtleistung im Ruhrkohlenbergbau 1924-1938 Betriebszusammenfassung im Ruhrkohlenbergbau 1927-1937 . . Entwicklung der Arbeiterqualifikation bei BASF/Ludwigshafen 1913-1932 Verteilung der BASF-Arbeiterschaft auf Betriebsgruppen . . . . Beschäftigtenstruktur bei Bayer/Leverkusen (bzw. IG Farben, Werk Leverkusen) 1920-1939 Die Entwicklung der Gesamtarbeiterschaft in der Berliner Metallindustrie und der Anteil der männlichen Metallfacharbeiter 1925-1939 Entwicklung der Frauenarbeit bei Siemens 1928-1936 Hilfsarbeiteranteil in Krupp-Betrieben 1929-1931 Hilfsarbeiteranteil in Betrieben der Krupp-Gußstahlfabrik 1929-1938 Effektivverdienste bei IG Farben im Oktober 1928 Verteilung der Arbeiter nach Lohnformen in der chemischen Industrie Tatsächliche Wochenverdienste der männlichen Betriebsarbeiter in der chemischen Industrie Arbeitsverdienste in der elektrotechnischen Industrie 1928 und 1931 Stundenverdienste der Akkordarbeiter im Siemens-Dynamowerk 1930-1938 Arbeitsverdienste in Hüttenbetrieben 1928 und 1931 Entwicklung des Anteils der Akkordarbeiter in Betrieben der Krupp-Gußstahlfabrik 1929-1938 Monatsverdienste der Arbeiter bei Krupp 1930/31-1937/38 . . . . Brutto-Arbeitsverdienste im Ruhrbergbau 1929-1938 Freiwillige Sozialleistungen bei IG Farben und in Betrieben anderer Branchen im Jahr 1936 Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen in den SiemensSchuckert-Werken Wohlfahrtsausgaben in der Krupp-Gußstahlfabrik 1927/28-1937/38 Die freiwilligen Sozialleistungen der Gelsenkirchener Bergwerks AG 1929/30-1937/38 Dienstalter der Arbeiterschaft in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1928-1937 Gründe für das Ausscheiden von Arbeitern aus der Kruppschen Gußstahlfabrik 1927-1935 Altersaufbau der Arbeiterbelegschaft in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1929-1937 Betriebsratswahlen in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1928-1933 bzw. Zusammensetzung der Arbeiterrats

29 32 32 44 44 45 49 54 61 62 73 75 79 83 85 89 92 92 99 118 121 126 129 144 159 160 184

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Tab. 28: Ergebnisse der Betriebsratswahlen 1931 und 1933 in einzelnen Abteilungen der Krupp-Gußstahlfabrik Tab. 29: Betriebsrätewahlen im Ruhrbergbau 1929-1933 Tab. 30: Betriebsratswahlen bei der Concordia Bergbau AG, Oberhausen 1930-1933 Tab. 31: Betriebsratswahlen bei IG Farben - Werk Leuna 1924-1933 . . . . Tab. 32: Betriebsratswahlen bei IG Farben-Werk Ludwigshafen 1924-1931 Tab. 33: Betriebsratswahlen bei IG Farben - Werk Hoechst und Leverkusen 1930, 1931 I+II Tab. 34: Betriebsratswahlen in den Berliner Siemens-Betrieben 1928-1931 . Tab. 35: Gesamtergebnis der Vertrauensratswahl 1934 in der Kruppschen Gußstahlfabrik Tab. 36: Vertrauensratswahlen Krupp-Gußstahlfabrik 1934 und 1935: Ergebnisse aus einzelnen Abteilungen

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Vorwort Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die Ende 1986 vom Gemeinsamen Ausschuß der Philosophischen Fakultäten der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau angenommen wurde. Mein aufrichtiger Dank gilt allen Institutionen und Personen, die dazu beigetragen haben: An erster Stelle möchte ich meinen akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Heinrich August Winkler, nennen, der die Arbeit mit Rat und Tat gefördert hat und der mir die Gelegenheit gab, mich im Rahmen des Projektes über »Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik« in die Thematik umfassend einzuarbeiten. Zu danken habe ich auch Herrn Prof. Dr. Hugo Ott und Herrn Prof. Dr. Wolfgang Jäger, die die Arbeit als Korreferenten begutachtet haben. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat mich über viele Jahre durch ein Promotionsstipendium und als Mitarbeiter an dem von Prof. Winkler geleiteten Projekt unterstützt. Stellvertretend für die Unternehmensarchive, die mir bereitwillig Auskunft gegeben und Materialien zur Verfügung gestellt haben, will ich besonders die Mitarbeiter des Historischen Archivs der Friedrich Krupp AG in Essen hervorheben. Den Herausgebern möchte ich für die Aufnahme in die Reihe »Kritische Studien« danken. Sie haben notwendige und wichtige Hinweise zur Überarbeitung gegeben. Anregung und Ermutigung erfuhr ich auch von Prof. Dr. Martin Broszat und Dr. Norbert Frei vom Institut für Zeitgeschichte sowie von zahlreichen Kollegen, wie Dr. Johannes Bähr, Dr. Ulrich Herbert, Uwe Kühl und Dr. Michael Prinz. Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und das »Herbert-Wehner-Stipendium« ermöglichten durch Zuschüssee die Drucklegung der Arbeit. Meine Frau hat mir, da ihr die Mühsal des Schreibens nicht unbekannt ist, mit Geduld und Fürsorge beigestanden. Auf ihr Verständnis und ihre Sachkunde konnte ich mich immer verlassen. Unserem kleinen Sohn schließlich ist es gelungen, mir in der Phase der Überarbeitung die manchmal notwendige Distanz zum Thema zu verschaffen. Ich widme diese Arbeit meinem Vater, da er sie auf vielfältige Weise angeregt, geprägt und unterstützt hat. Staufen i. Br., im Dezember 1989

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© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Einleitung »Mit der Weltwirtschaftskrise 1929 begann für alle Erzähler eine Zeit der dauernden Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Angesichts einer rasch wachsenden Zahl von Arbeitslosen wagte niemand, Überstunden zu verweigern oder gar ›blau‹ zu machen. . . . Für die Erzählergeneration führten die Krisenjahre ab 1929 zu regelrechten Einbrüchen der bisher ohnehin nicht kontinuierlichen Berufskarrieren. Kaum einer blieb von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verschont. . . . Einige bezeichnen diese Phase bilanzierend als ›schlimmste Zeit‹ in ihrem Leben, weil sie von Hoffnungslosigkeit und Zukunftsangst geprägt war.«1 So faßte eine Darstellung über die Lebenserinnerungen von Nürnberger Metallarbeitern die Wirkungen der Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre zusammen. Im Rückblick stellte sich diese Phase als deutlicher biographischer Einschnitt dar. Die Weltwirtschaftskrise hinterließ im Bewußtsein der Arbeiter tiefe Spuren. Die Erfahrung von Not und demütigender Ohnmacht prägte sich nachhaltig ein. Ein alltagsgeschichtliches Forschungsprojekt, das auf Erfahrungsberichten von Arbeitern im Ruhrgebiet gründete, hatte ähnliche Beobachtungen zu machen: »Fast durchweg werden die Jahre zwischen dem Eintritt in das Berufsleben in den 20er Jahren und dem Beginn der Rüstungskonjunktur Mitte der 30er Jahre als Zeit der Armut, vor allem aber der Instabilität und Unsicherheit geschildert. «2 Es war diese Grunderfahrung der Krise, die die Ausnahmesituation der frühen dreißiger Jahre bestimmte. Selbst für diejenigen Beschäftigten, die von der Arbeitslosigkeit verschont blieben, bedeutete die Arbeitslosigkeit bei Nachbarn und Kollegen eine stetige Bedrohung.3 Diese Krisenerfahrungen waren in hohem Maße prägend für das Verhalten der Arbeiter ab 1933. Die Weltwirtschaftskrise hatte für die Einstellung der Arbeiterschaft gegenüber dem ›Dritten Reich‹ entscheidende Bedeutung. Die Nationalsozialisten waren Nutznießer einer Entwicklung, die schon vor 1933 eingesetzt hatte. Ein Schlüssel zum Verständnis der Sozialgeschichte des NS-Staates liegt in der Weltwirtschaftskrise. Daß die Arbeiterschaft nach dem 30. Januar 1933 weithin durch Erfahrungen geprägt war, die sie in den letzten Jahren davor gemacht hatte, war auch einer regimekritischen zeitgenössischen Quelle zu entnehmen. Die »Deutschland-Berichte« der Prager Exil-SPD, die Nachrichten und Stimmungseindrücke von Gewährsleuten aus dem Reich sammelten, gaben im Januar 1935 ihre entsprechenden Eindrücke wieder: 11 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

»Es zeigte sich, daß die Wirkungen der Wirtschaftskrise auf die innere Widerstandskraft der Arbeiterschaft verheerender waren, als man bis dahin glaubte. Immer wieder wird dieselbe Erfahrung gemacht: der mutigste illegale Kämpfer, der rücksichtsloseste Gegner des Regimes ist in der Regel der Erwerbslose, der nichts mehr zu verlieren hat. Kommt aber ein Arbeiter nach jahrelanger Arbeitslosigkeit in den Betrieb, so wird er - und seien Lohn und Arbeitsbedingungen noch so schlecht - auf einmal ängstlich. Jetzt hat er wieder etwas zu verlieren, und sei es auch noch so wenig und die Furcht vor dem neuen Elend der Erwerbslosigkeit ist schlimmer als das Elend selbst. «4 Im Juli desselben Jahres wiesen die »Deutschland-Berichte« darauf hin, daß sich die Arbeiterschaft mit dem Regime arrangiert habe, und betonten in diesem Zusammenhang erneut die Bedeutung der Krisenerfahrungen: »Es ist den Nationalsozialisten zunächst gelungen, den größten Teil der Arbeiter zu gewinnen, weil ihre Arbeitspolitik dem durch die Krise verstärkten Grundbedürfnis nach Sicherung des Arbeitsplatzes entsprach. «5 Daß die sozialdemokratischen Gewährsleute mit ihrer Einschätzung ins Schwarze trafen, ist wohl kaum zu bestreiten und liegt auf der Hand. Das Verhalten der Arbeiter im ›Dritten Reich‹ war eng mit der Wirtschaftskrise verknüpft. Ohne die destabilisierenden und einschneidenden Erfahrungen der frühen dreißiger Jahre läßt sich kaum hinreichend erklären, warum ein großer Teil der Arbeiterschaft in das ›Dritte Reich‹ eingebunden werden konnte bzw. warum der von den Nationalsozialisten eigentlich erwartete Widerstand der ›Arbeiterklasse‹6 ausblieb. Da der NS-Staat von Entwicklungen profitieren konnte, die bereits vor 1933 eingesetzt hatten, ist es sinnvoll, bei der Frage nach der Stellung und dem Verhalten der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹ mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise anzusetzen und die Entwicklungen in der Endphase der Weimarer Republik mit einzubeziehen. Auf der anderen Seite greift eine sozialgeschichtliche Betrachtung der Weltwirtschaftskrise über die politische Zäsur des Jahres 1933 hinaus, da die sich anschließende wirtschaftliche Aufschwungphase die Wirkungen und Konsequenzen der Krise verdeutlichen kann. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, die näheren Zusammenhänge zwischen den Erfahrungen der Arbeiterschaft in der Weltwirtschaftskrise und ihrer Integration in das ›Dritte Reich‹ aufzuzeigen. Was waren die sozialökonomischen Faktoren, die der Einbindung der Arbeiterschaft in den NS-Staat Vorschub leisteten? An welche Dispositionen konnten die Nationalsozialisten anknüpfen? Wie veränderte sich die Einstellung der Arbeiterschaft zur Industriearbeit, dem Arbeitsplatz, dem Betrieb? Was ist über die Interessenlage der Arbeiterschaft zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus festzustellen? Welche politischen Folgen resultierten daraus vor wie nach 1933? Der zeitliche Schwerpunkt dieser Untersuchung liegt auf der Phase von 1928 bis 1936, wobei eine strikte Beschränkung nicht immer sinnvoll und 12 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

auch nicht beabsichtigt ist. Dieser Zeitraum wird eingegrenzt zum einen durch das letzte ›Normaljahr‹ der Wirtschaft der Weimarer Republik, zum anderen durch das Jahr, in dem Vollbeschäftigung erreicht und der NSVierjahresplan verabschiedet wurde. Innerhalb dieses zeitlichen Rahmens lassen sich drei einander überlagernde Wirkungsbereiche ausmachen, die das Verhalten und die Stellung der Arbeiterschaft beeinflußten und zum Prozeß der Integration in das ›Dritte Reich‹ beitrugen: erstens die Erfahrungsebene der Wirtschaftskrise, zweitens die NS-spezifischen Faktoren und drittens die langfristigen Entwicklungslinien der industriellen Modernisierung, der Rationalisierung und Perfektionierung des kapitalistischen Produktionssystems.7 Bei dieser Überlegung wird eine Annahme bereits vorausgesetzt, nämlich daß eine Integration der Arbeiterschaft in das ›Dritte Reich‹ in hohem Maße gegeben war. Tatsächlich geht die historische Forschung mittlerweile überwiegend von der Einschätzung aus, daß die Einbindung der anfangs widerstrebenden Arbeiterschaft in den NS-Staat weiter fortgeschritten war, als sich mit der These vom antifaschistischen Proletariat vereinbaren läßt. Das Forschungsprojekt über »Bayern in der NS-Zeit« konnte sich auf einen breiten Quellenfundus berufen, wenn es von der Masse der Arbeiterschaft sprach, die »vielfach ihren Frieden mit dem NS-Regime machte und sich nicht nur äußerlich still verhielt«.8 Damit näherte sich die historische Forschung, darauf hat kürzlich Ulrich Herbert hingewiesen, von der Grundposition her der älteren Einschätzung des amerikanischen Historikers David Schoenbaum an. Dieser hatte in einer höchst anregenden Studie die These von »Hitlers sozialer Revolution« und ihren modernisierenden Wirkungen vertreten: Die überkommene Klassenstruktur Deutschlands, so Schoenbaum, habe sich aufgelöst, und die Arbeiterschaft sei im Sinne einer sozialen Nivellierung in die ›Volksgemeinschaft‹ integriert worden.9 Die Gegenposition dazu hatte in den siebziger Jahren der englische Historiker Timothy Mason markiert. Das ›Dritte Reich‹ erschien bei ihm als eine »Klassengesellschaft extremster Art«, gegen die sich die Arbeiterschaft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzte, mit Arbeitsverweigerung, Leistungszurückhaltung, »Blaumachen«, begrenzten Streiks. Mit dieser »Arbeiteropposition« belegte Mason seine These, daß die Arbeiter sich vom ›Dritten Reich‹ nicht vereinnahmen ließen und sich der NS-Herrschaft nur äußerlich, unter Zwang fügten.10 Doch auch Mason mußte inzwischen in kritischem Abstand zu seinen früheren Arbeiten einräumen, daß den Elementen der Integration der Arbeiterschaft in das ›Dritte Reich‹ mehr Bedeutung beizumessen sei: »Allein schon die Tatsache, daß das Regime bis zum bitteren Ende die Zügel in der Hand behielt, begründet die Notwendigkeit, mögliche Mechanismen der Integration der Arbeiterklasse zu erforschen. . . . Dieses Thema ist ein Minenfeld.« 11 Falsch wäre es jedoch, den Zusammenhalt des NS-Gesellschaftssystems nur unter dem Gesichtspunkt der Integration zu analysieren. Die vielfälti13 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

gen Formen der offenen Unterdrückung und der versteckten Repression, die einer totalitären Diktatur zur Verfügung standen, dürfen nicht ausgeblendet werden. Die Lage der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹ war vielmehr durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedenster Faktoren gekennzeichnet, die vom Integrationsbegriff gar nicht erfaßt werden können. Erst die Kombination von Terror und Zwang, Individualisierung und Neutralisierung, Kompensation und Verlockung machte die NS-Arbeiterpolitik so erfolgreich.12 Die Zeitgenossen und gerade auch die Nationalsozialisten erwarteten, daß eine politisch geschulte und als einheitlich angesehene industrielle Arbeiterschaft dem NS-Regime am meisten Widerstand entgegensetzen würde. Die besondere Beachtung, die dem Verhalten der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹ geschenkt wird, hängt eng zusammen mit den Erwartungshaltungen gegenüber Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung vor 1933.13 Doch deren Geschlossenheit und Schlagkraft entsprach nicht diesen Erwartungen. Daß die Arbeiterbewegung am Ende der Weimarer Republik ein »tönerner Koloß mit bröckelnder Basis« war, ist schon oft und ausgiebig dargestellt worden.14 Die gesellschaftlichen Leitbilder und Wertvorstellungen der Anhänger der Arbeiterbewegung erwiesen sich keineswegs als so festgefügt und konsequent ›sozialistisch‹. Zumindest deutete dies die empirische Untersuchung zur Standordbestimmung des Arbeiterbewußtseins, die unter Leitung des Psychologen Erich Fromm zwischen 1929 und 1931 durchgeführt worden war, an. Die Anhänger der Linksparteien dachten viel weniger klassenbewußt, als die Initiatoren der Untersuchung vermutet hatten.15 Auf die unterschiedliche parteipolitische Orientierung von Arbeitern hat Jürgen Falter hingewiesen. Er schätzt, daß 1932/33 jeder vierte bis dritte NSDAP-Wähler Arbeiter war. Allerdings betrifft dies in verstärktem Maß sogenannte »atypische« Arbeiter aus dem Agrarsektor, dem Handwerk, aus Klein- und Mittelbetrieben, speziellen Dienstleistungsbereichen und abseits der städtischen Industriezentren.16 Die Binnendifferenzierung der Arbeiterschaft anhand der Volks- und Berufszählungsdaten des Jahres 1925 zeigt die Größenverhältnisse der hier angesprochenen Typisierung. Von 16 Mill. Arbeitern aller Wirtschaftsbereiche entfielen auf den Sektor Industrie und Handwerk 10,2 Mill. Zieht man davon die Arbeiter im Handwerk und Kleinbetrieben - mit 10 und weniger Beschäftigten - ab, verbleiben 7,8 Mill. »Industriearbeiter im engeren Sinne«.17 Nimmt man Großbetriebe mit über 200 Beschäftigten, so reduziert sich die Anzahl der Arbeiter auf 4,04 Mill. 18 Großbetriebe waren mit Ausnahme der Textilindustrie vorrangig im Investitionsgütersektor anzutreffen. Ein Blick auf die Verteilung aller Arbeiter nach Ortsgrößenklassen zeigt noch deutlicher, daß das großstädtische ›Proletariat‹ nur eine Minderheit darstellte. 1925 lebten nur 27,5% der Arbeiter in Großstädten über 100000 Einwohnern.19 Gegenstand dieser Untersuchung sind Arbeiter in Großbetrieben und 14 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

damit diejenige Gruppe, die man analog der von Falter angeführten Unterscheidung wohl - bewußt vereinfachend - als typische Arbeiter bezeichnen müßte. Die großbetriebliche Arbeiterschaft hält man immer für den harten Kern der Arbeiterbewegung. Trifft diese Einschätzung für den hier gewählten Zeitraum zwischen Weltwirtschaftskrise und Nationalsozialismus zu? Gilt das auch für die ganz anderen Bedingungen unter totalitärer Herrschaft? Die Großbetriebe, gerade des Investitionsgütersektors, hatten unter der Wirtschaftskrise besonders zu leiden, nahmen aber auf der anderen Seite bei der wirtschaftlichen Erholung und unter dem Vorzeichen der Rüstungskonjunktur eine Schlüsselstellung ein. Großbetriebe mit mehr als 200 Personen beschäftigten im Jahre 1925 35,5% des gesamten im Bereich Industrie und Handwerk tätigen Personals. Bei der nächstfolgenden Betriebszählung des Jahres 1933 entfielen nur noch 28,7% auf Großbetriebe. Die Wirtschaftskrise setzte diesen Betrieben besonders stark zu. In den Folgejahren wurde dieser krisenbedingte Ausrutscher wieder wettgemacht. Für das Jahr 1939 - den nächsten Erhebungstermin - wurden zwar keine Angaben zur Betriebsgrößengliederung mehr veröffentlicht, doch weist eine nach dem Krieg 1949 erschienene Übersicht darauf hin, daß der Anteil der in Großbetrieben Beschäftigten noch höher als 1925 anzusetzen war. 20 Mit dem Betrieb wird ein zentraler Erfahrungsbereich angesprochen, der einen wesentlichen Teil der Lebenschancen und Wahrnehmungen von Arbeitern bestimmte. Sowohl die alltägliche Interessenlage als auch die gesellschaftlichen Leitbilder der Betroffenen wurden dadurch entscheidend geprägt. Mit der Konzentration auf den Betrieb kann somit die Lage und das Verhalten der Arbeiterschaft vor Ort untersucht werden.21 Ausgeblendet werden damit die Wahrnehmungsbereiche Familie und Freizeit und die Einbettung in die jeweiligen sozialen Milieus, die im ›Dritten Reich‹ eine Rückzugslinie darstellen konnten. Der in der NS-Zeit allenthalben zu beobachtende Rückzug in die ›Privatsphäre‹ schuf Nischen, in denen den Ansprüchen und Zumutungen des Nationalsozialismus individuell zumindest ausgewichen werden konnte.22 In den Betrieben waren die Beschäftigten, mit der Hypothek der Krisenerfahrungen belastet, den Veränderungsprozessen ab 1933 und dem langfristigen Wandel in den Formen der Industriearbeit unmittelbar ausgesetzt. Den Folgen dieser Veränderungen konnten sich die Betroffenen kaum entziehen. Die Analyse der betrieblichen Ebene kann empirisch nur durchgeführt werden, wenn man sich auf eine repräsentative Auswahl an Betrieben beschränkt. Deshalb wurden vier Betriebe bzw. Industriezweige des Investitionsgütersektors ausgewählt. ›Alte‹ und ›neue‹ Branchen sind dabei berücksichtigt: der Steinkohlenbergbau an der Ruhr und ein führendes Unternehmen der Stahlindustrie (Krupp) auf der einen Seite und je ein Großunternehmen der chemischen (IG Farben) und der elektrotechnischen Industrie (Siemens) auf der anderen. 15 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Für den Bereich der untersuchten Branchen kann auf etliche, bereits vorliegende Studien zurückgegriffen werden: auf Abhandlungen über Arbeiter industrieller Großbetriebe in der Früh- und Mittelphase der Weimarer Republik23 und auf Untersuchungen über das Verhalten einzelner Arbeitergruppen, insbesondere der Bergleute und der Stahlarbeiter, im ›Dritten Reich‹.24 Umfangreiches Material zu den vier Industriebereichen konnte in Firmen- und Verbandsarchiven eingesehen werden. Beim Ruhrbergbau wurde versucht, wichtige Zechen aus den verschiedenen Regionen des Reviers zu berücksichtigen. Die reichhaltigste Überlieferung ist für die Kruppsche Gußstahlfabrik in Essen zu verzeichnen. In diesem Werk war ein breites industrielles Spektrum vertreten, von Hüttenanlagen über den Maschinenbau bis hin zur Feinmechanik. Weniger ergiebig waren die Bestände der Chemiefirmen (Bayer, Hoechst), die aus dem früheren IG Farbenkonzern hervorgegangen sind. Deshalb mußte hier versucht werden, Informationen über die einzelnen Werke der IG Farben zu einem Gesamtbild zusammenzustellen. Für die Berliner Betriebe der beiden Siemens-Firmen, Siemens und Halske und Siemens-Schuckert-Werke, kann dagegen auf eine breite Quellenbasis zurückgegriffen werden. Es liegen hiermit Betriebe und Industriesektoren vor, die deutliche Unterschiede aufweisen in bezug auf ihre Produkte und Fertigungsverfahren, ihre Traditionen und Entwicklungsperspektiven, ihre Arbeitssituation und Beschäftigtenstruktur. Die Bestände von Firmen- und Verbandsarchiven für die Zeit der Weltwirtschaftskrise und des Nationalsozialismus sind nicht nur infolge von Kriegseinwirkungen lückenhaft, allzu offensichtliche Berührungsängste mit dieser Zeit erschweren auch den Zugang. Die Benutzung des Archivs der Daimler-Benz AG in Stuttgart wurde z. Β. verwehrt mit der Begründung, man verspreche sich von dieser Arbeit keinen positiven Werbeeffekt für das Haus. Eine andere Schwierigkeit ist, daß mit Ausnahme von Krupp kaum Zeugnisse von Arbeitern selbst vorliegen. Darum muß versucht werden, die vorwiegend auf der Produktions- und Managementebene anfallenden Informationen zum Sprechen zu bringen und mit anderem Material aus zeitgenössischen Publikationen in Beziehung zu setzen. Fünf größere Abschnitte bilden das Grundgerüst der Darstellung. Es wurden jeweils bestimmte Elemente herausgegriffen, die die Beziehung zwischen Betrieb und Belegschaft nachhaltig prägten und an denen sich zugleich die Veränderungen innerhalb des untersuchten Zeitraums von 1928 bis 1936 verdeutlichen lassen. Im ersten Kapitel geht es um den Bereich der Arbeitssituation und der beruflichen Qualifikation, sowie um die Erfahrungen, die von den Beschäftigten mit dem technischen und organisatorischen Wandel in den Betrieben gemacht wurden. Der folgende Abschnitt widmet sich der Ent16 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

wicklung der Löhne zwischen Krise und Rüstungskonjunktur. Einem komplexen Erfahrungsbereich der Arbeiterschaft wendet sich das dritte Kapitel zu, der betrieblichen Wahrnehmungsebene von Arbeitern und dem Unternehmerverhalten. Die Funktionsweise der betrieblichen Herrschaft beruhte auf ideologischen und psychologischen Elementen sowie materiellen Einflüssen. Diesen nachzuspüren und dabei die ›NS-Betriebsgemeinschaft‹ auf ihre Voraussetzungen und ihren realen Gehalt hin zu überprüfen, ist Ziel dieses Mittelabschnitts. In den beiden folgenden Kapiteln wird gefragt, wie die betroffenen Arbeiter auf diese Entwicklungen reagierten, nachdem sie zuvor doch mehr als Objekt denn als Subjekt thematisiert werden. So wird im vierten Kapitel anhand der Betriebsratswahlen bis 1933 die politische Feinstruktur innerhalb der Betriebsarbeiterschaft analysiert. Der fünfte und letzte Abschnitt untersucht die verschiedenen Formen des Verhaltens von Arbeitern im Betrieb ab 1933 anhand von entsprechenden Konfliktsituationen, im Zusammenhang mit den Vertrauensratswahlen und bei der alltäglichen Interessenwahrnehmung. Die Schlußbemerkungen stellen den Bezug zur gesamtgesellschaftlichen Ebene her und verklammern die Befunde über die Vorbedingungen der NS-Herrschaft mit der Frage nach dem sozialen Standort der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹.

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I. Qualifikations- und Berufsmuster von Arbeitern zwischen Wirtschaftskrise und Rüstungskonjunktur 1. Wirtschaftslage, Rationalisierung und Arbeitsproduktivität In der Weltwirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre bündelten sich wie in einem Brennglas die Probleme der Wirtschaft der gesamten Zwischenkriegszeit.1 Die Phase der Weltwirtschaftskrise, die im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht, soll deshalb nicht als konjunktureller Sonderfall isoliert betrachtet werden. Die Wirtschaftslage und Produktionsstruktur bei IG Farben, Krupp, Siemens und im Ruhrbergbau sind in die längerfristigen Entwicklungstrends dieser Branchen einzuordnen. Bei den genannten Industrien handelt es sich vorrangig um solche aus dem Investitionsgütersektor, der von der Wirtschaftskrise in erheblich stärkerem Maße betroffen war als die Konsumgüterbranche. Die Investitionsgüterproduktion in Deutschland sank bis 1932 auf 38 % des Standes von 1928, die Konsumgütererzeugung konnte dagegen noch 74% ihres Vorkrisenstandes behaupten.2 Im Wirtschaftsaufschwung nach 1933 blieb der Konsumgüterzweig in seinem Wachstumstempo weit zurück. Der rüstungswichtige Investitionsgüterbereich wurde zum Hauptprofiteur des nationalsozialistischen ›Wirtschaftswunders‹. Die Veränderung der Produktionsstruktur zu Lasten der Konsumgüterindustrien, die sich im ›Dritten Reich‹ beschleunigt vollzog, war auch in den langfristigen Entwicklungstrend moderner Volkswirtschaften eingebettet.3 Die Abgrenzung zwischen diesen beiden Sektoren entsprach im Hinblick sowohl auf wirtschaftliches Wachstum und politische Prioritäten als auch auf Beschäftigtenstruktur und Arbeitsbedingungen der relevanten Differenzierungslinie innerhalb der Industrie während der NS-Zeit. Der Vorrangstellung der Investitionsgüterbranche im ›Dritten Reich‹ entsprechend sind auch die Unternehmen ausgewählt, die das empirische Gerüst dieser Arbeit bilden. Es handelt sich demnach um Industrien, die mit der wirtschaftlichen Erholung eine eindeutig privilegierte Position einnahmen und deren Beschäftigte zwischen Massenarbeitslosigkeit und Vollbeschäftigung, zwischen Krise und Rüstungskonjunktur mit einschneidenden Veränderungen konfrontiert wurden. Bei den Vertretern der ›alten‹ Industrien, dem Steinkohlenbergbau an der Ruhr und dem Stahlkonzern Krupp in Essen, mußte es darum gehen, im langfristigen Strukturwandel von der primär grundstofferzeugenden zur 19 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

verarbeitenden Industrie bestehen zu können. Die Schwerindustrie hatte ihre Rolle als industrieller Leitsektor, den sie im 19. Jahrhundert eingenommen hatte, verloren. Doch trotz Stagnation und Statusverlust waren diese ›alten‹ Branchen nicht bereit, ihren traditionellen Führungsanspruch innerhalb der deutschen Industrie aufzugeben. Die modernen Wachstumsbranchen der chemischen und elektrotechnischen Industrie, die am Beispiel von IG Farben und Siemens behandelt werden, standen dagegen vor der Aufgabe, die Innovations- und Wachstumspotentiale erst voll auszuschöpfen. Ähnliches galt für den gleichfalls wachstumsträchtigen Bereich des Maschinenbaus bei Krupp. a) Die elektrotechnische Industrie am Beispiel Siemens Die Elektroindustrie war in der Zwischenkriegszeit eine dynamische, moderne Wachstumsindustrie. Der sogenannte Starkstrombereich, der von der Elektrizitätsgewinnung bis zu Elektromotoren und -geräten reichte, profitierte von dem Ausgreifen der Elektrizität auf fast alle Produktionsund Lebensbereiche. Die Schwachstromtechnik schließlich gewann ab den 1920er Jahren an ökonomischer Bedeutung und Dynamik infolge durchgreifender Innovationen in der Nachrichtenübermittlung und Informationsverarbeitung, wie z. B. Radio, Film, Telefon, Meßwesen.4 Siemens war in beiden Bereichen vertreten: dem Schwachstrombereich unter dem Dach von Siemens und Halske (SuH), Starkstrom als Siemens-SchuckertWerke (SSW). Die Fabrikationsstätten beider Konzernteile lagen zum überwiegenden Teil in Berlin, nur SSW hatte nennenswerte Teile in Nürnberg, wo Transformatoren, Generatoren und Elektromotoren hergestellt wurden. Der Starkstrombereich, also SSW, hatte, was das Großanlagengeschäft mit Kraftwerken und Hochspannungsanlagen betraf, bis zur Weltwirtschaftskrise gute Ergebnisse erzielt, der Einbruch in der Krise war hier aber verheerend.5 Die Umsatzentwicklung der Siemens-Schuckert-Werke insgesamt belegt die größere Krisenanfälligkeit des Starkstrombereichs. Der Umsatz des Jahres 1932/33 betrug nur noch annähernd ein Drittel des Ergebnisses von 1928/29. Bei Siemens und Halske, also bei Schwachstromprodukten, betrug der Umsatzrückgang im selben Zeitraum ca. 50 %. 6 Die wirtschaftliche Erholung schlug zuerst auf den Sektoren Haushaltsgeräte, Funk- und Nachrichtentechnik durch. Die Exportquoten zeigten jedoch bei Siemens ab dem Geschäftsjahr 1932/33 eine deutlich abnehmende Tendenz. Die Autarkiebestrebungen des ›Dritten Reiches‹ verschlossen der deutschen Elektroindustrie traditionell wichtige Absatzgebiete. Der Gesamtumsatz von Siemens hatte 1936 mit 656,5 Mio. RM die Ergebnisse vor der Wirtschaftskrise noch nicht wieder erreicht.7 Die Zeichen deuteten aber ohne Zweifel 20 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

in Richtung auf Expansion. Der Reingewinn bei SSW allein hatte 1935 schon die Grenze von 10 Mio. RM überschritten. Ebenso waren die Investitionen in diesem Konzernteil kontinuierlich von ca. 4 Mio. (1934) auf rund 30 Mio. RM 1938 angestiegen.8 Diese Neuinvestitionen waren zum Teil schon im Vorgriff auf die nun verstärkt einsetzende Rüstungskonjunktur getätigt worden und brachten die Konzernleitung in Zugzwang. Siemens, das schon 1936 zu 40-50% für die öffentliche Hand produzierte, war nun im Interesse der Auslastung der eigenen (Über-)Kapazitäten noch mehr auf staatliche Aufträge angewiesen und ließ sich voll in die Rüstungserfordernisse des ›Dritten Reiches‹ einspannen.9 Maßnahmen zur technisch-organisatorischen Rationalisierung der Betriebsabläufe besaßen bei Siemens eine lange Tradition. Eine neuere Untersuchung zur Management- und Personalpolitik bei Siemens unterscheidet drei Wellen der Rationalisierung: Die Anwendung der Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsführung nach dem Vorbild des amerikanischen Arbeitswissenschaftlers Frederik W. Taylor 1919-1922, eine begrenzte Einführung der standardisierten Massenfertigung, wie sie von dem Unternehmer Henry Ford vorgezeichnet wurde, in den Jahren 1925-1928, und schließlich 1935-37 eine Ausweitung dieser Massenfertigung auf einem höheren Mechanisierungsniveau.10 Die erste Rationalisierungswelle beschränkte sich vorwiegend auf eine organisatorische und kostensparende Straffung der vorhandenen Arbeitsabläufe. Die Einrichtung von Arbeitsbüros, die durch Normierung von Werkzeugen, Zeit- und Bewegungsstudien, psychotechnische Eignungsprüfungen und die Festlegung neuer Akkordformen, die Arbeitsprozesse systematisch erfassen sollten, und die Entwicklung zentraler Rechnungsund Kalkulationsgrundlagen waren Maßnahmen, die sich ausschließlich an den Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsführung orientierten. Die Intensität der Arbeit steigerte sich, die Beanspruchung der Arbeitskräfte nahm zu, eine qualitative Veränderung der Arbeitsabläufe erfolgte jedoch noch nicht.11 Die zweite Phase der Rationalisierung setzte eigentlich schon im Geschäftsjahr 1923/24 ein. Im Anschluß an eine Amerikareise des SiemensDirektors Carl Köttgen wurde die Produktion von Staubsaugern nach »der Methode der fließenden Fertigung« aufgenommen. Die folgenden Jahre brachten eine Ausdehnung dieser Fertigungstechnik auch auf andere Produktbereiche, wie z. Β. Anschlußdosen, Sicherungen, Schalter, Motoren, Wasch- und Bügelmaschinen.12 Hohe Stückzahlen und genormte Bauelemente erlaubten eine standardisierte Massenfertigung. Dabei galt weniger das Prinzip des Fließbandes, wo das Produkt in einem kontinuierlichen Fluß an den einzelnen Stationen seiner Fertigung vorbeibefördert wurde, als die Technik von »Fließnestern« und »Fließtischen«: Die Fertigung war in einzelne stationäre Arbeitsgänge unterteilt, und nach jedem Schritt wurde das Werkstück von Hand, auf Rutschen oder Wagen zur nächsten 21 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Station weitertransportiert, bei großen und schweren Werkstücken wanderten die einzelnen Arbeitergruppen und verrichteten dabei jeweils die ihnen obliegenden Arbeiten. Selbst kleine Stückzahlen und Spezialfertigungen konnten angesichts des hohen Grades an Arbeitsvorbereitung und der dezentralen »Fließnester« produziert werden. Ein weiterer Rationalisierungsfortschritt bestand darin, daß die Werkzeugmaschinen nunmehr mit einem Einzelantrieb versehen wurden und nicht mehr an ein Gewirr von Transmissionsriemen angeschlossen waren.13 Selbst während der Wirtschaftskrise erfolgte ein weiterer Ausbau der Fließfertigung. Die Durchlaufzeiten in der Fabrikation ließen sich damit verkürzen, und der Umfang der gesamten Lagerhaltung konnte eingeschränkt werden. Mit diesen Maßnahmen wurde eine notwendige Verbesserung der Kosten- und Wettbewerbssituation erzielt.14 In gleichem Maße stiegen die Maschinenleistung und die Arbeitsproduktivität. Innerhalb von zwei Jahren erhöhte sich die Leistung pro Arbeiter im Kleinbauwerk um rund 40 %, im Dynamowerk um 25 %. Ein Heißwasserspeicher, der im Jahr 1927 für 136 RM verkauft wurde, konnte 1930 schon für 82 RM angeboten werden, wobei der kalkulierte Lohnanteil sogar von 18 auf 6 RM reduziert wurde.15 Im Geschäftsjahr 1932/33 war von einer Ausweitung der Fließfertigung keine Rede mehr. Es mußten nicht nur Neuanschaffungen und Reparaturen hinausgeschoben werden, infolge des verminderten Bestelleingangs und daraus folgender geringerer Stückzahlen wurde die Wirtschaftlichkeit der Fließfertigung in zahlreichen Fällen in Frage gestellt, so daß teilweise wieder auf frühere Fertigungsmethoden zurückgegriffen werden mußte, obwohl damit auch eine Verteuerung der Produktion einherging.16 Diese Durststrecke konnte jedoch schon im folgenden Geschäftsjahr überwunden werden. Andere Produktionsbereiche, wie z. Β. die Herstel­ lung von Wellen im Elmo-Werk und überhaupt der Haushaltsgerätesektor wurden für die Fließfertigung umstrukturiert. Von einer qualitativ neuen Rationalisierungswelle konnte man nach 1933 mit Recht sprechen. Neue Fabrikhallen wurden errichtet, alte umgebaut und nach modernen technischen Verfahren ausgerichtet. Eine immense Bedeutung erhielten z. Β. die Schweißtechnik, die Mehr-Maschinen-Bedienung und als grundlegender technischer Fortschritt die Automatisierung bzw. Teilautomatisierung. Im Kleinbauwerk konnte eine Patronenmontagemaschine alle Arbeitsgänge einschließlich Prüfen und Verpacken ausführen, komplizierte Doppelschalter ließen sich auf halbautomatischen Montagetischen herstellen. Fließbänder im eigentlichen Sinne setzten sich in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre dort durch, wo unter dem Vorzeichen der billigen Massenfertigung eine Zergliederung der Arbeitsschritte in einzelne vorgegebene Handgriffe möglich war. Im Jahre 1938 wurde in Bad Neustadt an der Saale ein Zweigwerk in Betrieb genommen, das nur mit schnell angelernten weiblichen Arbeitskräften aus der Gegend billige Massenartikel am Band herstel22 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

len sollte.17 Die durchschnittliche Leistung der Arbeiter nahm in den fünf Jahren von 1932/33 bis 1937/38 bei Siemens und Halske um 12,6% je Stunde zu. Dies war die Folge eines Zusammenspiels von Produktionsverbesserungen und differenzierten Leistungsanreizen.18 Die technischen und organisatorischen Entwicklungen auf der Produktionsebene führten zu entscheidenden Veränderungen im Qualifikations- und Ausbildungsprofil der Arbeiterschaft. Auf diese Veränderungen und die Reaktion der Arbeiter wird noch einzugehen sein. b) IG Farben und die Wachstumsdynamik der Chemie Die Chemieindustrie war ebenfalls ein moderner Industriezweig, der ab den 1890er Jahren sich rasch ausdehnte, vor allem in der Produktion von Farben und Pharmazeutika. Mit der Ammoniak-Synthese, die kurz vor dem Ersten Weltkrieg im Haber-Bosch-Verfahren Produktionsreife erlangte und die allein während des Krieges die Sprengstoffversorgung Deutschlands zu garantieren vermochte, wurde das zukunftsweisende Gebiet der Hochdruckchemie überhaupt erst aufgeschlossen. Der Zusammenschluß der größten deutschen Chemiefirmen, unter ihnen Hoechst, Bayer, BASF inklusive Leuna, Agfa-Wolfen, zur IG Farbenindustrie AG im Jahre 1925 war der Versuch, die kapitalintensive Produktion in der Chemiebranche rationeller zu gestalten und zugleich Mittel für neue Investitionen im Bereich der Hochdruckchemie aufbringen zu können. Dieser Konzentrationsprozeß wurde unter dem Begriff der Rationalisierung subsumiert. Die Mechanisierung der Produktion, wie sie im Mittelpunkt der Rationalisierungsbemühungen, z. Β. in der elektrotechnischen I ndustrie gestanden hatte, war in der Chemie angesichts selbständiger technischer Abläufe und der durch das Zusammenspiel von Maschinen und Apparaturen geprägten Fertigungsweise kein vorrangiges Thema. Nur die den eigentlichen Produktionsvorgängen vor- und nachgeschalteten Arbeiten ließen sich durch den Einsatz moderner Transportsysteme und durch eine veränderte Arbeitsorganisation neu erfassen. Es ging in der Chemie vielmehr um die kostensparende Verteilung einzelner Produktionszweige auf die geeignetsten Standorte und die Zusammenfassung von Kalkulation, Absatz, Planung und Investitionen unter einem einheitlichen Dach. Diese Umstrukturierungen ermöglichten eine höhere Effizienz der Arbeit, veraltete und besonders gesundheitsgefährdende Anlagen konnten aufgegeben werden. Standardisierung und Massenproduktion war auch hier, soweit möglich, die Devise.19 Die Produktionssparte Pharma, Farben, Chemikalien, die traditionelle Säule der zusammengeschlossenen Firmen, besaß zwar nicht mehr die weltbeherrschende Stellung wie vor dem Krieg, war aber trotzdem der ertragreichere Teil des IG Farbengeschäfts und finanzierte mit ihren Über23 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Schüssen die Forschung auf den neuen Gebieten. In der Weltwirtschaftskrise erwies sich diese Sparte als besonders krisenfest, wobei der Absatz im pharmazeutischen Bereich sogar noch anstieg. Der Umsatz nahm im Bereich Pharma, Farben, Chemikalien von 1928 bis 1932 um ca. 25% ab, ein, verglichen mit anderen Industrien und Produkten, relativ glimpflicher Rückgang. Mit dem Ende des Jahres 1932 wurde die Trendwende eingeleitet, und diese Sparte erholte sich rasch, so daß trotz der im ›Dritten Reich‹ verschlechterten Exportbedingungen unter Zuhilfenahme verstärkter Binnennachfrage der Umsatz von 1928 überschritten wurde.20 Die zweite wichtige Sparte der IG Farben, der Bereich Benzin und Stickstoff, verkörperte ein geradezu revolutionäres Wachstumspotential. Erst der Zusammenschluß des IG Farbenkonzerns setzte die gewaltigen Kapitalien frei, die zur synthetischen Herstellung industrieller Rohstoffe nötig waren und für die in den dreißiger Jahren die Produkte der Kohlehydrierung, der Buna-Synthese, Kunststoffe, Kunstseide und Zellwolle stehen. Die Herstellung des Stickstoffs, gleichermaßen Ausgangsprodukt von Düngemitteln und Sprengstoffen, war in den Anlagen in Oppau und Leuna bei Merseburg in den zwanziger Jahren technisch ausgereift. Deutschland und das hieß überwiegend IG Farben - erzeugte 1927/28 43 % der Weltproduktion an Stickstoff insgesamt und allein 78 % des synthetischen Stickstoffs.21 Doch die allgemeine Agrarkrise und der internationale Protektionismus führten Ende der zwanziger Jahre zu einem Geschäftsrückgang, der sich in der Weltwirtschaftskrise noch beschleunigte. Obwohl 1932 43% des investierten Kapitals der IG auf diese Sparte entfielen, belief sich der Anteil der betreffenden Sparte am Gesamtumsatz der IG im selben Jahr nurmehr auf 24 %. Der Auslandsabsatz an Stickstoff war von 1929/30 bis 1932/33 um ca. 53 % zurückgegangen.22 Die relativ günstige Lage im Farben- und Pharmabereich darf auf den Konzern insgesamt deshalb nicht übertragen werden, zumal gerade die am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Werke in Leuna und Oppau auch, gemessen an der Belegschaftszahl, die beiden größten Werke waren. Der zuvor in dieser Sparte immense Forschungsaufwand für die Kohlehydrierung und die BunaSynthese wurde drastisch reduziert, Neuinvestitionen unterblieben. Im Jahre 1930 wurde sogar die Buna-Forschung ganz eingestellt. Überlegungen, selbst die schon angelaufene Benzinherstellung auf Kohlebasis ganz zu liquidieren, ließen sich nur deshalb nicht durchführen, weil die technische Koppelung mit der Stickstoffproduktion so eng war, daß die Aufgabe des einen die Herstellung des anderen Produkts enorm verteuert hätte. Die Krise gefährdete damit die innovatorische Substanz und technologische Dynamik des gesamten Konzerns.23 Eine wirtschaftliche Erholung trat in dieser Sparte erst mit Verzögerung ein. Das Auslandsgeschäft lief schlecht. Die Binnennachfrage nach synthetischen Rohstoffen blieb noch unterentwickelt. Strategische und kriegswirtschaftliche Gesichtspunkte gaben den Ausschlag, durch staatliche Ga24 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

rantien und Öffentliche Investitionen diesen Bereich der Chemie besonders zu fördern. Dem IG-Konzern waren gerade in den Jahren 1930 bis 1932 bedeutende technologische Fortschritte in der Benzin- und Buna-Synthese gelungen. Ein um die Jahreswende 1933/34 abgeschlossener Vertrag zwischen der IG und der Reichsregierung, in dem für die Dauer von zehn Jahren ein staatlich gestützter Garantiepreis für das Leuna-Benzin zugesichert wurde, signalisierte deutlich die Absichten des Reiches, auf diesem lebenswichtigen Versorgungsgebiet nun stärker Einfluß zu nehmen. In der Folge konnten praktisch konkurrenzlos Hydrierwerke in großem Stil aufgebaut werden. Ähnliches gelang ab 1935 in der Buna-Forschung. Im gesamten IG-Bereich konnten schon 1934 für 90 Mio. RM Neuanlagen projektiert werden, viereinhalbmal soviel wie 1932.24 Eine besondere Vorrangstellung genoß der IG Farbenkonzern schließlich im nationalsozialistischen Vierjahresplan. Die Monopolstellung auf dem Gebiet der synthetischen Rohstoffe sicherte dem Konzern unter den Bedingungen von Autarkie und Kriegsvorbereitung nicht nur einen enormen Zufluß an staatlichen Zuschüssen, inklusive vollständiger Abnahme- und Preisgarantien, sondern auch einen dauerhaften Einfluß auf die Rüstungsund Wirtschaftspolitik des ›Dritten Reiches‹. Die Buna-Produktion stieg von 1936 bis 1938 von 800 auf 5700 t, die Kunstfaserproduktion wurde zwischen 1932 und 1938 vervierfacht. Der Chemiekonzern vermochte seine Interessen voll durchzusetzen und konnte ohne Rücksicht auf Konkurrenz und Weltmarkt die Früchte der technologischen Revolution in den Dienst der deutschen Kriegsrüstung stellen.25 In der Chemie, als besonders innovationsorientierter Branche, veränderten sich nicht nur die industriellen Anlagen und Fertigungsprozesse, auch die Arbeitsplätze und Arbeitsplatzanforderungen waren davon betroffen. Der rasante technische Wandel ließ die in der Chemie Beschäftigten nicht unberührt. Die Wachstumsdynamik und der moderne Charakter der Chemieindustrie hatten Auswirkungen auf die Personalpolitik und die Personalstruktur in dieser Branche und auf die Einschätzung der Chemiearbeit insgesamt. c) Der Krupp-Konzern zwischen Strukturkrise und Rüstungskonjunktur Der Krupp-Konzern, ein reines Familienunternehmen, hatte ein weitgestecktes schwerindustrielles Betätigungsfeld. Dies reichte von eigenen Kohlenzechen über Hüttenwerke, Verarbeitungs- und Maschinenbauwerkstätten bis zur Feinmechanik. Im Mittelpunkt wird der Stammsitz des umfangreichen Gesamtkonzerns, die Gußstahlfabrik in Essen, stehen. In ihren einzelnen Betriebsteilen war fast das gesamte Spektrum der KruppProduktionsbetriebe vertreten mit Ausnahme der Kohlenzechen. Große Probleme bestanden für Krupp nach 1918 in der Anpassung an die 25 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Produktion unter Friedensbedingungen. Der Abbau der im Krieg angelegten Überkapazitäten wurde durch die Inflation hinausgezögert. Die neuen ›Friedensprodukte‹, besonders Lokomotiven, Landmaschinen, Registrierkassen, chirurgische Instrumente, waren aus Kostengründen kaum wettbewerbsfähig und brachten erhebliche Verluste. Nach der Inflationszeit erwiesen sich deshalb drastische und einschneidende Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen als zwingend notwendig, zumal die Leistungsfähigkeit der Anlagen zum Teil unter den unmittelbaren Vorkriegsstand gefallen war. Da sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach gegen einen Anschluß an die 1926 gegründeten Vereinigten Stahlwerke (Vestag) aussprach, mußte ein eigener Weg der Konsolidierung gegangen werden. Im Stahlwerk- und Hüttenbereich wurde ab 1926/27 auf Expansion gesetzt. In Essen-Borbeck wurde ein neues Hochofenwerk errichtet, die Stahlerzeugung brachte innovatorische Fortschritte durch besondere Stahlarten, wie rostfreien Edelstahl und ein »Widia« genanntes, besonders hartes Sintermetall, mit denen Krupp in der Folgezeit besonders erfolgreich war. 26 Daneben wurde die Produktion rationalisiert und technisch erneuert. Die bei der Verhüttung benötigten und anfallenden Wärme- und Energieprozesse wurden besser aufeinander abgestimmt und sowohl in den Werkais auch öffentlichen Versorgungskreislauf eingepaßt. Der Rohstoffeinsatz konnte durch besondere Aufbereitungsverfahren kostengünstiger gestaltet werden. Volumen und Leistung von Hochöfen und Stahlschmelzen wurden beträchtlich erweitert. Während 1913 in Rheinland-Westfalen die Leistung eines Hochofens pro Woche 1242 t betrug, stieg sie bis 1928 auf 3209 t. Die schwere und gesundheitsgefährdende Beschickung der Öfen übernahmen nun Maschinen. Die Bedienungsmannschaften der Hochöfen konnten auf ca. ein Drittel reduziert werden. In den Walzwerken ermöglichten kontinuierliche Walzstraßen produktgesteuerte Programme und machten damit die schwere Handarbeit beim Bewegen des Walzgutes weitgehend überflüssig.27 Die Weiterverarbeitungsbetriebe, besonders der Maschinenbau, wiesen bei Krupp insgesamt eine ungünstigere Geschäftslage auf. Eine Besserung stellte sich erst ab dem Geschäftsjahr 1928/29 ein, nachdem dieser Bereich soweit möglich - auf Fließarbeit umgestellt worden war. In der Metallbearbeitung erhielten neue Methoden des Fräsens und Schweißens besonderes Gewicht.28 Die Leistungssteigerung und Rationalisierung führte keineswegs zu einer verbesserten Wettbewerbsposition der deutschen Schwerindustrie. Die Preise blieben auf hohem Niveau stabil. Unternehmerische Klagen, wie im Krupp-Jahresbericht 1929/30 waren Legion: »Wir haben uns in den letzten Jahren bemüht, durch weitgehende Verbesserungen des technischen Wirkungsgrades unserer Betriebe den zunehmenden Druck der Löhne, Soziallasten und Steuern auszugleichen. Trotz aller unserer Anstrengungen haben sich die Selbstkosten mehr und mehr von denen unserer ausländischen 26 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Wettbewerber entfernt.«29 Eine Durchsicht der Kruppschen Betriebsberichte läßt andere Tendenzen erkennen. Technische Fortschritte führten durchaus zu einer Senkung der Selbstkosten in den betroffenen Betriebsteilen und sie stiegen dort an, wo mit veralteten Maschinen gearbeitet werden mußte. 30 Die Wirkungen des technischen Fortschritts kamen aber nicht den Abnehmern oder Konsumenten zugute. Kartelle und Preisabsprachen hatten den freien Wettbewerb und die Marktkräfte verdrängt. Die Rationalisierung in der Eisenindustrie erhöhte insgesamt die Kapazitäten, ersetzte Lohn- durch Kapitalaufwendungen, engte damit die Kostenbeweglichkeit der Unternehmen ein und führte zu katastrophalen Überkapazitäten. Weder wurde die nach 1927 nachlassende Nachfrage durch Preissenkungen abgefangen, noch hielt dieser Sachverhalt die straff kartellierte Industrie davon ab, ihre Kapazitäten in den folgenden Jahren weiter zu steigern und auf einem schrumpfenden Markt immer stärker auf Expansion zu setzen. Ihre Kapazitäten konnte die Schwerindustrie auch in den besten Jahren nie voll ausnutzen. Eine Ankurbelung des Exports zu verlustbringenden Dumpingpreisen war keine Lösung des Absatzproblems, solange der Verlustexport durch stark überhöhte Inlandspreise finanziert werden mußte. Die inländischen Abnehmer, vor allem die moderne weiterverarbeitende Industrie, bezahlten die Stützung der überdimensionierten schwerindustriellen Führungsposition mit dem Verlust eigener Entwicklungsperspektiven. Die Schwerindustrie war nicht mehr industrieller Leitsektor und Wachstumsbranche wie im 19. Jahrhundert. Der längst fällige Strukturwandel von primär erzeugenden zu verarbeitenden Branchen wurde verzögert. Parallel dazu konnte die Schwerindustrie einen politischen Führungsanspruch wahren, der mit ihrer tatsächlichen ökonomischen Bedeutung nicht mehr in Einklang stand.31 Die Wirtschaftskrise kündigte sich bei Krupp zuerst im Hüttenbereich 1929 an, während in einigen Sonderzweigen, in denen Krupp einen technischen Entwicklungsvorsprung hatte, wie rostfreier Stahl und Widialegierungen, bei säure- und hitzebeständigen Werkstoffen, die Erzeugung sogar noch anstieg. Im Geschäftsjahr 1930/31 setzte schließlich - mit Ausnahme der letztgenannten Produktsparten - ein allgemeiner, verschärfter Rückgang ein, so daß im folgenden Jahr die Hüttenbetriebe nur zu 25 bis 40 % ausgelastet waren, der Umsatzrückgang im Maschinenbaubereich zwischen 34 und 62 % betrug. Der Umsatz ging im Krupp-Konzern von 577,5 Mio. (1928/29) auf 240 Mio. RM (1931/32) zurück, die Belegschaftsziffer wurde im selben Zeitraum halbiert.32 Der Geschäftsaufschwung bei Krupp ab 1933 ist von der Rüstungsproduktion nicht zu trennen. Krupp war eng in die Autarkie- und Rüstungspolitik des ›Dritten Reiches‹ eingebunden. Schon insgeheim waren in den zwanziger Jahren bei Krupp im Einvernehmen mit dem Reichswehrministerium Forschungsarbeiten auf dem Rüstungssektor aufgenommen wor27 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

den. Diese Vorarbeiten verschafften Krupp einen technischen Vorsprung vor anderen Konkurrenten. Zahlreiche Betriebsteile hatten zudem zwischen 1929 und 1931 Panzertürme (Grobblechwerkstatt bzw. -walzwerk), Geschützrohre (Maschinenbau 21) und Maschinenteile für die neuen deutschen Panzerschiffe geliefert. Im Juli 1933 nahm Krupp ein umfangreiches landwirtschaftliches Schlepperprogramm in Serie, hinter dem sich in Wirklichkeit die Serienproduktion von Panzern versteckte. Der »Kruppsche Jungprolet«, die Untergrundzeitung des kommunistischen Jugendverbandes für Krupp wußte im August 1933 zu berichten, daß im Maschinenbau 9 die Produktion von Geschützen, Panzertürmen und Maschinengewehren begonnen habe.33 Mit dem Jahr 1933/34 belebte sich das Geschäft bei Krupp in allen Bereichen. In einigen Hüttenbetriebsteilen wurde sogar die volle Leistung erzielt, die Krupp-LKWs verzeichneten Verkaufserfolge, aber auch die chronisch darniederliegende Fertigung von Lokomotiven und Registrierkassen zeigte sich leicht erholt. Im folgenden Jahr erreichte die Produktion der Hochöfen den höchsten Nachkriegsstand von 1926/27, zahlreiche Verarbeitungsbetriebe - z. B. LKW - verzeichneten die besten Leistungsziffern ihres Bestehens. Das Ausmaß des wirtschaftlichen Aufschwungs erhellt der bemerkenswerte Vorgang, daß im Geschäftsbericht 1935/36 erstmals nach 14 Jahren ein Teil des Reingewinns zur Ausschüttung als Dividende vorgeschlagen wurde. Schon im Vorjahr hätte der Gesamtgewinn von 10,3 Mio. RM eine solche Maßnahme ermöglicht, die Familie Krupp, als einziger Aktionär, hatte jedoch eine Erhöhung der Rücklagen und Neuinvestitionen noch vorgezogen.34 Die dreißiger Jahre waren für die Industrie der Eisen- und Stahlerzeugung unter technologischem Aspekt eine Zeit der Stagnation. Die meisten Produzenten begnügten sich damit, die ungenutzten Kapazitäten wieder in den Produktionsablauf einzuführen. Auch bei Krupp wurde in die Hochofen- und Martinwerke kaum neu investiert. Der Anlagenbestand verharrte bis zum Zweiten Weltkrieg im wesentlichen auf dem Niveau vor der Weltwirtschaftskrise. Die Selbstkosten je Tonne Erzeugung waren im Martinwerk 3 ständig höher als 1929/30, ein deutliches Beispiel für eine stagnierende Produktivität der Anlagen. Nur das Elektrostahlwerk, das in hochlegierten Spezialstahlsorten mit Produktinnovationen aufwarten konnte, wurde zwischen 1935 und 1937 mit Neuinvestitionen in Höhe von 2 Mio. RM bedacht, was sich auch in einer drastisch verminderten Selbstkostenstruktur niederschlug. Eine weitere Ausnahme bildete das 1931 von Krupp patentierte Renn-Verfahren zur Aufbereitung eisenarmer Erze. Da die Unabhängigkeit von ausländischen Rohstoffzufuhren das vordringliche Anliegen der NS-Autarkiepolitik war, erhielt das Renn-Verfahren, das die bis dahin ungeeigneten deutschen Erzvorräte für den Verhüttungsprozeß nutzbar machte, eine besondere Bedeutung. Eine solche Renn-Anlage wurde 1937 erstmals in Betrieb genommen. 35 28 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 1: Erzeugung pro Arbeiter in Abteilungen der Kruppschen Gußstahlfabrik (in t) 1932/33 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 1937/38 Schmiedepreßwerk Hammerwerk Federwerkstatt

63,3 16,0 22,7

72,3 19,9 27,2

75,0 22,0 23,0

99,5 20,7 21,4

94,4 24,8 21,2

98,4 27,2 26,9

Quelle: HA Krupp WA 41/3-823 bis 828 - 1932/33 bis 1937/38.

In den weiterverarbeitenden Betrieben - den Walzwerken, Gießereien, mechanischen Werkstätten, Maschinenbauabteilungen usw. - konnte von Stagnation keine Rede sein. Zahlreiche Neu- und Erweiterungsbauten brachten einzelne Betriebsteile auf den neuesten Fertigungsstand, Methoden der Metallbearbeitung wie das Schweißen wurden weiter verfeinert. Besonders umfangreiche Neuanlagen wurden in den unmittelbar für die Rüstung arbeitenden Betrieben getätigt. In der Grobblechwerkstatt wurden z. Β. für die Montage schwerer und leichter Panzer 1933 und 1936 über 6 Mio. RM neu investiert. Die Abteilung Maschinenbau 21, in der fast drei Viertel der Erzeugung auf sogenannte ›Kriegsproduktion‹ entfiel, konnte Neuinvestitionen in Höhe von 6,5 Mio. RM verbuchen.36 Die Rüstungsproduktion nahm jedoch nur einen geringeren Teil des Kruppschen Gesamtgeschäfts ein, auch wenn man die Tatsache berücksichtigt, daß eine genaue Abgrenzung allerdings kaum möglich ist, und LKWs und Lokomotiven auch für militärische Zwecke genutzt werden können. Der Gesamtumsatz des Krupp-Konzerns stieg bis 1937/38 auf 809,6 Mio. RM, ein Zuwachs von 40 % gegenüber 1928/29.37 Die Entwicklung der Produktivität profitierte von den höheren Stückzahlen und der verbesserten Auslastung der Anlagen. Im Schmiedepreßwerk und im Hammerwerk nahm die erzeugte Materialmenge pro Arbeiter kontinuierlich zu, mit Ausnahme eines jeweils kurzfristigen Rückgangs 1936/37 bzw. 1935/36. Das Absinken der Leistung der Federwerkstatt zwischen 1934/35 und 1936/37 lag wohl überwiegend an der geringeren Auslastung des Betriebes in dieser Zeit. Die Zunahme der Arbeiterzahl innerhalb eines Jahres von 144 auf 224 führte auch in der Federwerkstatt 1937/38 zu einer vermehrten Leistung pro Kopf (s. Tab. 1). 3 8 Den entgegengesetzten Weg ging die Abteilung Kleinbau 1, die zur Herstellung von Schrauben und anderen Formdrehteilen fast nur ungelernte junge Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigte und einer der KruppBetriebe mit der niedrigsten Qualifikationsstruktur war. Der 16%ige Belegschaftsrückgang des Jahres 1936/37 wurde zur »Bereinigung des Betriebes« benutzt. Am Ende des Geschäftsjahres konnte man eine beträchtliche Leistungssteigerung vermelden.39 29 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

In einigen Fertigungsbetrieben, besonders den schnell expandierenden Rüstungsbereichen, zeigte sich schon ab 1935 ein spürbarer Mangel an ausgebildeten Facharbeitern. Um diesen Mangel durch angelernte oder geringer qualifizierte Arbeitskräfte ohne allzu große Folgen für das Leistungsniveau beheben zu können, wurde die Großserienproduktion weiter standardisiert und rationalisiert. Für die Panzerfertigung der Grobblechwerkstatt wurden neue Maschinen aufgestellt, die »in der Handhabung verhältnismäßig einfach« waren. Rückschläge im Leistungsniveau waren dabei aber nicht zu vermeiden, wie die 1. mechanische Werkstatt 1936 zu berichten wußte. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre war Krupp an der Produktivitätsgrenze angelangt, die durch betriebliche Umstrukturierungen kaum noch überschritten werden konnte.40 d) Ruhrbergbau in der Defensive Der Ruhrbergbau hatte noch stärker als die Hüttenindustrie mit einer lang angelegten Strukturkrise zu kämpfen. Die Rohstoffbranche war nicht mehr Leitsektor der Industrie, die größeren Wachstumsperspektiven wiesen die Verarbeitungsindustrien auf. Obwohl nach der Währungsstabilisierung die Absatzschwierigkeiten evident wurden, gingen die Bergbauunternehmer an der Ruhr weiterhin von Wachstumsperspektiven aus. Mit dieser wirtschaftlichen Prognose waren politische Überlegungen eng verknüpft: Der Anspruch des Bergbaus auf eine politische Schlüsselstellung innerhalb der Industrie wurde damit aufrecht erhalten. Für die schlechte Geschäftslage trugen nach Ansicht der Zechenbesitzer die außen- und handelspolitischen Beschränkungen durch die Siegermächte und eine verfehlte Wirtschaftspolitik mit politisch motivierten Lohn- und Sozialleistungen die Verantwortung. Die Bergbauunternehmer vollzogen trotz der Schließung und Zusammenlegung etlicher Zechen ab 1925 weder die notwendige Gesundschrumpfung des Kohlenbergbaus durch wirklichen Abbau der Kapazitäten, noch orientierten sie sich am Maßstab des langfristig sinkenden Weltmarktpreises für Kohle. Sie richteten vielmehr Preise und Kalkulationen nach dem jeweils schwächsten Glied, den unrentabelsten Zechen aus. Kartelle und Absprachen stützten diese marktfeindliche Politik und führten zu einer völlig verzerrten Kapitalstruktur der einzelnen Betriebe. Kaufmännische Gesichtspunkte hätten eine Preissenkung der Kohle verlangt, der unbewegliche Selbstkostenstandpunkt der Zechenbesitzer behielt jedoch die Oberhand. Die Chance, über eine Modernisierung der Anlagen und eine Erhöhung der Produktivität - sprich Rationalisierung wettbewerbsfähiger zu werden, konnte bei der vorherrschenden Kartellund Besitzstandsmentalität in den Montankonzernen nicht greifen.41 In dem Jahrzehnt zwischen dem Beginn des Ersten Weltkrieges und der Hyperinflation war unter Verzicht auf den langfristigen Ausbau und auf 30 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

technische Neuerungen eine Kohleförderung um jeden Preis betrieben worden. Die notwendigen bergwirtschaftlichen Sicherungs- und Infrastrukturmaßnahmen waren dem eher kurzsichtigen Primat der Erzeugung geopfert worden. Dieses aufgestaute Innovationsdefizit wieder wettzumachen, hieß die Devise in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. 42 Durch Rationalisierung und Mechanisierung sollte dem Steinkohlebergbau eine günstigere Ertragsstruktur geschaffen werden. Die lohnintensive Förderung sollte über einen Abbau der Belegschaften und damit eine Reduzierung der Gesamtlohn- und -soziallasten auf eine kapitalintensivere Basis gestellt werden. Die Reorganisation im Bergbau ging einher mit einer Konzentration der Produktion und der Besitzverhältnisse. Kleinere Zechen wurden geschlossen, andere zu größeren Einheiten zusammengelegt. Die zehn größten Montankonzerne förderten 1929 fast 70% der Kohle im gesamten Ruhrgebiet.43 Die Zahl der Abbaubetriebspunkte im Ruhrbergbau, dies auch eine innerbetriebliche Maßnahme der Produktionsstraffung untertage, wurde zwischen 1927 und 1931 von 16700 auf 7460 reduziert. Obwohl die Beschäftigtenziffer von 1924 bis 1929 von 443552 auf 352966 zurückging, stieg die jährliche Gesamtförderung im Revier von 94,1 auf 123,6 Mio. t. Das Ausmaß der Produktivitätssteigerung zeigte die Entwicklung der Schichtleistung untertage: Sie erhöhte sich im selben Zeitraum von 1079 auf 1558 kg. Deutlich wuchs auch die Förderung je Abbaubetriebspunkt an (s. Tab. 2 u. 3). Dieser Leistungszuwachs wurde durch technische und betriebsorganisatorische Verbesserungen und ein damit einhergehendes forciertes Arbeitstempo erreicht. Die Zusammenfassung der Betriebspunkte führte zu einer Verkürzung der Gesamtabbaufrontlänge und der Strecken und damit zu einer Verlängerung der reinen Arbeitszeit, da die Bergleute nun schneller vor Ort gefahren werden konnten. Zugleich war aber auch eine bessere Beaufsichtigung der Arbeiter möglich. Die Umorganisation der Arbeiten Abbau, Versatz, Vortrieb usw. - auf die einzelnen Schichten zwang die Bergleute schließlich, ein gewisses Pensum zu leisten, damit die nächste Schicht die ihr zugewiesenen Arbeiten durchführen konnte. Über Tage erfolgte eine Konzentration der Förderanlagen, Kokereien und Verwertungsbetriebe. Diese Veränderung der gesamten Arbeitsorganisation des Betriebes war als erstes Charakteristikum der Rationalisierung im Bergbau noch vor der reinen Mechanisierung zu nennen.44 Als Mechanisierung des Abbaus galt die weitere Verbreitung des druckluftbetriebenen Abbauhammers, der die frühere Hand- und Schießarbeit ablöste. 36,5% der Ruhrkohlenförderung wurde 1925 mit dem Abbauhammer gewonnen, 1929 bereits 87,37%. Der Abbauhammer stellte jedoch nur ein modifiziertes Handwerkszeug dar und erleichterte die Arbeit des Bergmannes nur zum Teil. Die Arbeit blieb körperlich schwer, die Rückschläge des Preßlufthammers gingen »auf die Knochen«, der entstehende Lärm belastete den Bergmann psychisch und schmälerte die Auf31 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 2: Förderung, Belegschaft und Schichtleistung im Ruhrkohlenbergbau 1924-1938 Jahr 1924 1925 1926 1927 1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938

Förderung1 (in 1 000 t) 94 128 104 339 112 192 117 994 114 567 123 580 107 179 85 627 73 725 77 801 90 388 97 668 107 478 127 752 127 284

Belegschaft1 443 552 409 404 364 365 384 052 359 250 352 966 314 973 236 048 190 009 196 172 209 352 218 682 225 199 266 791 288 667

Schichtleistung2 (untertage kg) 1 079 1 179 1 374 1 386 1 463 1 558 1 678 1 891 2 093 2 166 2 163 2 183 2 199 2 054 1 970

Quelle: 1 Paul Wiel, Wirtschaftsgeschichte des Ruhrgebiets. Tatsachen und Zahlen, Essen 1970, S. 131. 2 BBA 13/2261 (Bd. 841) u. Statistisches Heft. Produktions- und wirtschaftsstatistische Angaben aus der Montanindustrie, hg. v. Verein für die bergbaulichen Interessen, Essen 40. Ausg. 1939, S. 28.

Tab. 3: Betriebszusammenfassung im Ruhrkohlenbergbau 1927-1937 Zeitpunkt

Abbaubetriebspunkte

Mittlere fördertägliche Förderung je Abbaubetriebspunkt (in t)

16700 12500 7460 5111 4075 3669 3172 3416 3551

23 30 47 59 73 94 106 110 116

Anfang 1927 1929 1931 1932 1933 Ende 1934 Anfang 1936 Ende 1936 1937 Quelle: BBA 13/2261 (Bd. 841).

32 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

merksamkeit für bergtypische Gefahren.45 Ein vollmechanischer Abbau war auch durch den Einsatz von Schrämmaschinen nicht erreicht. Mit Schrämmaschinen und Abbauhämmern wurden zwar 1929 92,91 % der Kohle gefördert, das Schrämen selbst, eine Zurichtungsarbeit, bei der nachträglich mit Abbauhämmern die Kohle gewonnen werden mußte, spielte aber eine untergeordnete Rolle. Nur 6 % der Gesamtförderung an der Ruhr wurden Ende der zwanziger Jahre durch Schrämen für die Gewinnung vorbereitet. Die Anwendung von Großschrämmaschinen stand erst am Anfang.46 Der Einsatz von Schüttelrutschen, die die gewonnene Kohle vom Abbaupunkt zu den Wagen beförderten, erwies sich nur unter besonders günstigen Betriebsbedingungen als rentabel. Technische Probleme bereitete das maschinelle Einbringen des Bergeversatzes - die Verfüllung der beim Abbau entstandenen Hohlräume. Diese Tätigkeit mußte zum überwiegenden Teil von Hand vorgenommen werden, verursachte große Kosten und war bei der Abfolge der Arbeitsgänge im Dreischichtsystem der neuralgische Punkt.47 Man konnte deshalb mit Recht nur von einer Teilmechanisierung des Bergbaus sprechen. Der immense Anstieg der Schichtförderleistung war infolgedessen in erheblichem Maße einer Intensivierung der Bergmannsarbeit, der menschlichen Arbeitskraft zuzuschreiben. Die Senkung der Lohnkosten bei zugleich erhöhter Arbeitsleistung schuf keine verbesserten Wettbewerbsbedingungen. Strukturelle Fehlentwicklungen im Ruhrbergbau - wie fehlende Marktorientierung, Kartellpreise, Überkapazitäten wurden durch die Rationalisierungsmaßnahmen eher noch verschärft.48 Auch während der Weltwirtschaftskrise wurde das Rationalisierungsund Investitionsprogramm im Ruhrbergbau kaum gestoppt. Die Jahre 1930 und 1931 brachten bei der Harpener Bergwerks AG z. B. noch erhebliche Zugänge an Neuanlagen. Die Zahl der Abbaubetriebspunkte nahm weiter ab. Nur noch 3,10% der Förderung wurden 1932 per Handund Schießarbeit gewonnen. Die Weltwirtschaftskrise verdeutlichte die Probleme des Bergbaus, die schon in den strukturellen Fehlentwicklungen vor 1930 zutage getreten waren, grundsätzlich neue Bedingungen schuf sie nicht. Der Belegschaftsabbau um fast 40% zwischen 1930 und 1932 war nur zum Teil eine Konsequenz der konjunkturellen Lage, die Rationalisierungsfortschritte, die in der deutlich gestiegenen Schichtförderleistung zum Ausdruck kamen, wirkten sich ebenfalls auf den Bestand an Bergarbeitern aus. Einschränkend bleibt hinzuzufügen, daß die Wirtschaftskrise schon an sich leistungssteigernd wirken konnte, da zum einen die Beschäftigten aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes unter vermehrtem Leistungsdruck standen und zum anderen eine verschärfte Auslese der leistungsfähigsten Arbeitskräfte möglich war. 49 Der Bergbau bekam die Früchte des Wirtschaftsaufschwungs ab 1933 nur in geringem Ausmaß zu spüren. Die Kohleförderung im Ruhrgebiet stieg zwar wieder an, 1936 lag sie aber noch deutlich unter der von 1929. Die 33 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Bergleute an der Ruhr waren weiterhin von Arbeitslosigkeit und Feierschichten betroffen. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit vom Höchststand 1932 bis zum Ende Juni 1936 betrug in Deutschland insgesamt 78,54, im deutschen Bergbau 71,54 und im Ruhrbergbau dagegen nur 62,28 %. 50 Wie pessimistisch die weiteren Aussichten im Ruhrbergbau eingeschätzt wurden, ging aus einer Vereinbarung der bergbaulichen Spitzengremien vom September 1935 hervor. Dort wurde davor gewarnt, bei momentan anziehendem Absatz mit Neueinstellungen zu reagieren, »da auch das u. U. sehr bald wieder notwendige Ausscheiden einer größeren Zahl auf Zeit eingestellter Arbeiter Beunruhigung hervorrufen und insbesondere auch vom Ausland leicht agitatorisch ausgenutzt werden könnte«.51 Erst mit dem nationalsozialistischen Vierjahresplan, bei dem die Kohle als Grundstoff in der Chemie ein besonderes Gewicht erhielt, und mit der Konjunkturerholung auch im Ausland konnten die Förderziffern im Ruhrbergbau ab 1937 den Stand vor der Weltwirtschaftskrise überschreiten, ein Niveau jedoch, auf dem die Förderung dann bis zur Mitte des Krieges stagnierte. Vollbeschäftigung war im Bergbau an der Ruhr 1937 erreicht, auch wenn die Belegschaftszahl selbst 1938 (288 667) deutlich unter der von 1930 (314973) lag. Einem weiteren Anstieg der Förderung stand ein spürbarer Arbeitskräftemangel entgegen. Es fehlte an ausgebildeten Bergleuten, eine rapide schwindende Attraktivität des Bergmannberufs selbst auf ehemalige Bergleute und die Söhne aus Bergmannsfamilien wirkte einer Ausweitung des Belegschaftsrahmens entgegen. Auf dem Höhepunkt der Rüstungswirtschaft war der Ruhrbergbau an die Grenzen seiner Möglichkeiten angelangt.52 Ein Blick auf die Rationalisierung und die Investitionen ab 1933 zeigt, daß dieser Einschnitt auch Produktivitäts- und Kapazitätsgrenzen markierte. Die Wiedereröffnung einiger sogenannter Randzechen im südlichen Teil des Reviers aus Arbeitsbeschaffungsgründen führte zu einem geringfügigen Anstieg der in Handarbeit gewonnen Kohle. Der Trend zu größeren Betriebseinheiten setzte sich jedoch weiter fort. 1938 gab es 51 Zechen, die mehr als 1 000 000 t förderten, gegenüber 23 im Jahre 1929. Die Anzahl der Abbaubetriebspunkte verringerte sich bis Anfang 1936 kontinuierlich, um danach wieder leicht anzusteigen, ein Ergebnis der nun verstärkt einsetzenden Nachfrage nach Kohle. Die mittlere fördertägliche Förderung je Abbaubetriebspunkt nahm von Anfang 1933 bis Anfang 1936 nochmals um 31,1 % zu (1929 bis 1932: 49,2 % ) . 5 3 Es wäre jedoch voreilig, daraus auf eine gestiegene Arbeitsproduktivität insgesamt zu schließen. Die Konzentration auf Betriebspunkte mit größerem Abbauquerschnitt bedeutete zugleich einen erhöhten Zeitaufwand für Vor- und Nachrichtungsarbeiten, wie z. B. das Abstützen der Flöze, den Umbau der Förderanlagen usw. An der Schichtförderleistung wird deutlich, daß die Arbeitsproduktivität eher stagnierte. Die Schichtleistung im Ruhrbergbau stieg im Dreijahresrhythmus folgendermaßen an: 34 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

1927-1930 um 17,4% 1930-1933 um 22,5% 1933-1936 um 1,5% Rationalisierungsfortschritte waren, an diesen Ziffern gemessen, ab 1933 kaum noch zu verzeichnen.54 Bei den Kruppschen Kohlenzechen, um ein Beispiel anzuführen, wurden zwischen 1933 und 1936 Neuinvestitionen hauptsächlich in den Tagesanlagen getätigt - in Energieanlagen, Kompressoren, Verladestationen, Kohlenwäschen, in Anlagen zur Öl- und Benzolgewinnung und Steinkohleschwelung. Das Hauptaugenmerk war nach 1933 auf eine Gütesteigerung der Kohle gerichtet.55 Die Rationalisierungswelle kam Mitte der dreißiger Jahre zum Stillstand, da die vorhandenen teilmaschinellen Förderungsmethoden ausgeschöpft waren, für neue vollmaschinelle Verfahren sich die benötigten finanziellen Investitionsmittel nicht zu lohnen versprachen. Denn Kapitalinvestitionen im Bergbau sind angesichts der besonderen Verhältnisse dieser Industrie Vorleistungen, die sich erst nach Jahren tatsächlich auszahlen. Die schwache Finanzdecke der Bergbauunternehmen und die marginale Rolle bei den Zuwendungen im Vierjahresplan ließen den Bergbau allmählich technisch veralten. 96,6% wurden 1938 zwar maschinell gewonnen, aber tatsächlich gab diese Ziffer nur den Einsatz von Abbauhämmern und, damit kombiniert, den von Schrämmaschinen an. Die echte maschinelle Förderung mit dem Kohlenhobel, Panzerförderern, Ladevorrichtungen blieb im Ruhrbergbau im Gegensatz zu den USA selten. Nur etwa 10% der Förderung wurden bei Kriegsende nach diesem Verfahren gewonnen.56 Die Anforderungen der Rüstungswirtschaft wurden durch einen Raubbau an den erschlossenen Vorkommen erfüllt. Wichtige Ausbau- und Unterhaltungsarbeiten untertage wurden nur noch in geringem Maß vorgenommen. Nach 1936 sank die Schichtleistung ab, bis 1938 um 10,4%. Neben rein technischen Gründen waren auch solche, die in der Struktur der Bergarbeiterschaft angelegt waren, dafür verantwortlich zu machen. Zu dem späten Zeitpunkt, als die Absatzlage im Bergbau sich wieder entscheidend besserte, war der Arbeitsmarkt geradezu leergefegt. Bergmännische Fachkräfte waren nicht mehr zu erhalten, ungelernte und für den Bergbau ungeeignete Arbeitskräfte mußten einspringen. Der Anteil der leistungsfähigen, jungen Belegschaftsmitglieder verringerte sich durch die Rekrutierungen für die Wehrmacht und den Reichsarbeitsdienst. Ein weiterer Faktor mochte eine Rolle spielen: Unzufriedenheit der Bergleute mit den Lohn- und Arbeitsbedingungen ihrer Branche.57 Der Steinkohlebergbau war eine alte Industrie mit inzwischen veralteter Produktionstechnik und stagnierender, gegen Ende der dreißiger Jahre sinkender Produktivität, die zudem unattraktive Arbeitsbedingungen bot. Schon die Tatsache der Stagnation zeigte vor dem Hintergrund der bran35 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

chentypischen Gegebenheiten den enormen Substanzverlust des Bergbaus auf. Die verschlechterten geologischen Lageverhältnisse, die im Rahmen der allmählichen Süd-Nordwanderung des Ruhrbergbaus auftreten, waren nur auf Kosten eines höheren Kapitaleinsatzes auszugleichen. Da die Zechengesellschaften an der Ruhr diese Mittel unter den Bedingungen des ›Dritten Reiches‹ nicht aufbringen konnten, war die Zukunft des Ruhrbergbaus mit einer weiteren Hypothek belastet.58

2. Rationalisierung: Reaktion der Arbeiter Das Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit definierte Rationalisierung, eines der gängigen Schlagworte der zwanziger Jahre, als »die Erfassung und Anwendung aller Mittel, die Technik und planmäßige Ordnung zur Hebung der Wirtschaftlichkeit bieten«.59 Der Begriff Rationalisierung hatte in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre Konjunktur. Historiker sehen diese Phase sogar durch einen ›Rationalisierungskonsens‹ gekennzeichnet. Rationalisierung galt als Schlüsselbegriffeines modernen Gesellschaftsverständnisses und griff über den industriellen Bereich hinaus. Auch in Architektur und Kunst offenbarten sich gesellschaftliche Anwendungsmöglichkeiten. Die Faszination technologischer Effizienz, nüchtern-funktionaler Elemente, technokratischen Bewußtseins ergriff Europa wie eine Welle und prägte die Kultur der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre. Die Anstöße dazu kamen aus Amerika und waren mit Schlagworten wie Taylorismus, Fordismus, ›Amerikanismus‹ verbunden.60 Im industriellen Bereich bedeutete größere Effizienz sowohl veränderte Fertigungsbedingungen und die Konzentration innerhalb der Industrien als auch die Neugestaltung der Arbeitsbeziehungen und damit die Entdeckung des ›menschlichen Faktors‹. Neben den schon bei den einzelnen Betrieben beschriebenen technischen und organisatorischen Veränderungen erstreckten sich die Rationalisierungsmaßnahmen insgesamt auf folgende Bereiche: Auf eine Optimierung der Verhältnisse am Arbeitsplatz bei Maschinen und Werkzeugen; auf die Auslese unter den Beschäftigten durch Eignungstests und gezieltes Anlernen; die Zerlegung komplexer Arbeiten in einzelne Schritte; Zeit- und Bewegungsstudien, um die leistungsfähigsten und damit rationellsten Arbeitsabläufe ausfindig zu machen; auf durchkalkulierte Arbeitsanweisungen durch ein Arbeitsbüro; auf Anreize durch Akkord- und Leistungslohnsysteme.61 Wie die Betroffenen, die Arbeiter, auf die veränderten technischen und organisatorischen Bedingungen in den Betrieben reagierten, kann aus Äußerungen, die aus der Zeit unmittelbar vor der Weltwirtschaftskrise stammen, erschlossen werden. Dieser Zeitpunkt bietet die Gewähr dafür, daß die Einstellung zur Rationalisierung nicht durch die Erfahrungen der 36 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Weltwirtschaftskrise überlagert wird. Zudem handelt es sich um eine Phase, in der eine besonders intensive Rationalisierungsdiskussion geführt wurde. Wurde der technische Fortschritt generell als Bedrohung empfunden, oder sahen die betroffenen Arbeiter darin auch Vorteile und Chancen für sich selbst? Arbeiter erfuhren die Rationalisierung zuerst als Umstellung ihrer gewohnten Arbeitswelt, der sie ausgeliefert waren, der sie nichts entgegensetzen konnten und bei der eine Mitsprache ausgeschlossen war. Als durchgängige Bedrohung der eigenen Interessen empfanden sie die Rationalisierung jedoch nicht in Zeiten relativ günstiger Konjunktur, wenn die Lage auf dem Arbeitsmarkt aussichtsreich erschien und der Arbeitsplatz gewechselt werden konnte. Mögliche Vorteile der betrieblichen Umstellungen vermochten sich unter diesen Voraussetzungen eher einzuprägen. Die folgenschwerste Wirkung des umfassenden Mechanisierungsprozesses lag aber darin, daß Absatzstockungen und wirtschaftliche Schwankungen ein doppeltes Arbeitsplatzrisiko technischer und konjunktureller Art aufzeigten. Der Arbeitsplatz war insgesamt unsicher geworden, und dies spürten insbesondere ältere Arbeiter und solche, die den gestiegenen Anforderungen nicht gewachsen waren. Das Organ des Christlichen Metallarbeiterverbandes sah in dieser Unsicherheit des Arbeitsplatzes den tiefsten Grund, der »den Arbeiter ›eine Entseelung der Arbeit‹ fühlen läßt«. Die Furcht vor Entlassung bewirke bei »allgemeiner Mißstimmung im Betrieb«, daß die Leute doch wieder arbeiteten, wie ein Hochofenarbeiter dem Enquete-Ausschuß - einer zeitgenössischen Bestandsaufnahme der deutschen Industrie - berichtete und er bekräftigte: »Diese Angst ist doch da. Man sagt den Leuten im Betrieb einfach: ›Wenn du nicht willst, kannst du es ja sagen, es sind genug andere Leute draußen, die gern deine Arbeit machen‹.«62 Mit dem Problem der Sicherung des Arbeitsplatzes war die Existenzfrage des Arbeiters berührt, neben der andere betriebliche Konsequenzen der Rationalisierung zweitrangig waren. Die Intensivierung der Arbeit und die erhöhten Arbeitsanforderungen wurden der Rationalisierung zugeschrieben, obwohl nach Angaben von Gewerbeaufsichtsbeamten in nicht rationalisierten Betrieben auch keine günstigeren Bedingungen herrschten und ein starkes Antreiben der Arbeiter üblich war, um eine höhere Leistung zu erzielen. Die durchkalkulierte Organisation der Arbeit ließ noch weniger Raum für Pausen und Leerlauf. Neben dem Drängen der Vorgesetzten waren es gerade der schnellere Ablauf und der gesteigerte Ausstoß der Produktion, die das Arbeitspensum für die einzelnen Beschäftigten erhöhten. Ein Hochofenarbeiter formulierte dies vor dem Enquete-Ausschuß so: »Wenn es viel zu tun gibt, dann wird mehr darauf gehalten, es wird mehr angetrieben. Wir werden von den Vorarbeitern und Meistern mehr angefeuert und angeeifert. Angetrieben ist vielleicht zu viel gesagt. Im ganzen ist es aber so: es ist mehr Eisen da und dadurch müssen wir mehr arbeiten. «63 37 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Die Zergliederung der Arbeit in einzelne Handgriffe, wie sie besonders bei der Fließarbeit typisch war, wurde in der Arbeiterschaft widersprüchlich aufgenommen. Daß ständig gleiche, wiederkehrende Handgriffe, monotone Arbeitsinhalte zu psychischen Deformationen und genereller Unzufriedenheit führten, blieb unter Arbeitswissenschaftlern ein gängiger Topos. Ein Vertrauensmann des Christlichen Metallarbeiterverbandes bezog dagegen eindeutig Stellung: »Meine Arbeit ist eintönig. Seit sechs Jahren mache ich immer denselben Artikel. Nach meiner Auffassung ist es ein überwundener Standpunkt, daß eintönige Arbeit geisttötend wirkt. Bei meinen fünfzig bis sechzig Kollegen habe ich die gleiche Beobachtung gemacht. Das allererste Interesse gilt der Verdienstmöglichkeit, und einen guten Akkordverdienst zieht jeder einer schlecht bezahlten, aber geistanregenden Arbeit vor.« 64 Eine Zuschrift veranlaßte die freigewerkschaftliche ›Metallarbeiter-Zeitung‹, die Frage »Ist Bandarbeit uns nachteilig?« zur Diskussion zu stellen. In diesem Leserbrief berichtete ein DMV-Mitglied aus einer Magdeburger Manometer-Fabrik von den Vorteilen der Bandarbeit gegenüber der vorherigen Arbeit im Einzelakkord. »Ich bin seit drei Jahren am laufenden Band beschäftigt und ich möchte nicht wieder weg.« Das Band erspare dem einzelnen Lauferei, Scherereien, Hetze, Sorge um die Auftragszettel. »Die Sorge um den Akkord ist uns abgenommen.« Die Einschätzung, daß Bandarbeit kleinere Ruhepausen nicht zulasse, bezeichnete er als »lächerlich«. »Die Fließarbeit ist ein Fortschritt, auch für den Arbeiter.«65 Anlaß zur Klage bot ihm jedoch die Entlohnung, die mit dem erhöhten Arbeitserfolg nicht im Einklang stehe. Ein wenig später erscheinender Leserbrief klang deutlich skeptischer. Der Metallarbeiter aus Stuttgart verurteilte das Band nicht grundsätzlich »wohl aber die Art und Weise, wie es zum Nachteil der Arbeiter mißbraucht wird«. Als Nachteile führte er an, daß Spezialisten ersetzbar geworden seien, Frauen und jüngere Arbeiter an das Band rückten und »zu Arbeitern zweiter Klasse mit dementsprechend niedrigerer Bezahlung« würden, während die wenigen verbliebenen Spezialisten bei strengerer Arbeit auch weniger verdienten als zuvor.66 Die »Metallarbeiter-Zeitung« zog Monate später folgendes Fazit aus der Leserdiskussion: »Die Zauberkraft des laufenden Bandes zieht die Menschen an. Die Persönlichkeit des arbeitenden Menschen ist ausgeschaltet. Dennoch finden sich die Menschen damit ab. Nicht immer freiwillig, sondern gezwungenermaßen, weil sie ihren Broterwerb verlieren, wenn sie dem Tempo der eisernen Kette nicht mehr zu folgen vermögen. «67 Der gemeinsame Nenner aller Äußerungen bestand darin, daß bei betrieblichen Umstellungen der Lohnfrage entscheidendes Gewicht beigemessen wurde. Als Ausgleich für die gestiegene Arbeitsintensität wurde eine entsprechend höhere Entlohnung gefordert, eine Forderung, der man angesichts der wachsenden Produktivität je Arbeitsstunde die Berechtigung nicht absprechen konnte. Wenn auf der Lohnseite Kompensationen 38 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

gewährt wurden, waren die Arbeiter durchaus bereit, Nachteile, die ihnen aus dem Rationalisierungsprozeß erwuchsen, in Kauf zu nehmen. Ein Arbeiter aus einem Blechwalzwerk brachte diese Einstellung unmißverständlich zum Ausdruck: »Wenn man ein bißchen gut verdient, dann hat man auch mehr Lust zu arbeiten. Wenn man aber nicht oder wenig verdient und doch schwer schuften muß, dann denkt jeder: ach, laß mal gehen, Verdienste ja doch nichts. Wenn wir aber einigermaßen verdienen, dann sorgt jeder dafür, daß er etwas herausholt. «68 Ständige Spannungen und Kontroversen zwischen Arbeitern und Betriebsleitung ergaben sich bei der Festlegung von Akkordrichtsätzen und Zeitvorgaben für einzelne Fertigungsschritte. Vielfach orientierten sich die für die Zeitstudien zuständigen Ingenieure an den leistungsfähigsten Arbeitern und den optimalsten Bewegungsabläufen. Der Kalkulator mit der Stoppuhr war eine wenig geliebte Erscheinung des betrieblichen Rationalisierungsprozesses. Da die nach Zeitstudien ermittelten Höchstleistungen nur unter günstigsten Bedingungen erreicht werden konnten, waren die Akkordverdienste häufigen Schwankungen ausgesetzt, was ständigen Anlaß zur Unzufriedenheit unter den Arbeitern bot. Die Industrie-Enquete enthielt schließlich zahlreiche Beispiele dafür, daß nach Rationalisierungsmaßnahmen Prämien und Akkorde niedriger angesetzt wurden und Arbeiter nur durch Mehrleistung ihre gewohnten Leistungszulagen erreichen konnten.69 Nur kurze Zeit nach dem Leserdisput über die Bandarbeit wurde die ›Metallarbeiter-Zeitung‹ erneut mit Leserurteilen zur Rationalisierung konfrontiert. Ein Artikel unter der Überschrift »Behebung des Facharbeitermangels« hatte die These vertreten, daß die raschen Fortschritte der Technik Spezialkräfte erforderlich machten, die der Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stellen könne. Es mangele häufig an der notwendigen Berufsausbildung. Falls keine Gegenmaßnahmen ergriffen würden, drohe in bestimmten Berufen ein beträchtlicher Facharbeitermangel. In Leserbriefen wurde diesem Artikel entschieden widersprochen. Es herrsche kein Facharbeitermangel, vielmehr seien viele Facharbeiter arbeitslos, Lehrlinge stünden nach Abschluß der Ausbildung auf der Straße. Ungelernte und angelernte Kräfte seien im Vorteil, woraus man entnehmen könne, daß die Rationalisierung zur beruflichen Dequalifizierung führe.70 Die Bedrohung des traditionellen Facharbeiterstatus, die Konkurrenz durch ungelernte junge Arbeiter oder durch Arbeiterinnen war im betrieblichen Alltag durchaus spürbar - auch als ausgesprochene Lohnkonkurrenz. Der Strukturwandel der Produktion gefährdete die alte Arbeiterhierarchie. Möglichkeiten des Aufstiegs im Betrieb wurden für neue Arbeitergruppen erschlossen, die nun als angelernte Kräfte, z. Β. bei der Bedienung von Maschinen, unentbehrlich wurden. Mithin bot sich diesen Arbeitern erst die Chance zur Qualifikation auf der Basis einer rationalisierten und mechanisierten Produktionsweise. Der handwerklich geprägte Facharbei39 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ter kam um eine Anpassung an die neuen Gegebenheiten nicht herum, ein langwieriger Prozeß, bei dem gerade manch Älterer einfach überfordert war. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang ein Beispiel, das der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Siemens in Berlin, Erich Lübbe, auf dem DMV-Verbandstag 1930 für die Verschiebung der Berufskategorien innerhalb der Belegschaften als Folge der Rationalisierung nannte: »In einem mir bekannten Großkonzern sind die Schlosser- und Dreherberufe um ungefähr 20 v. H. gegenüber der Vorkriegszeit zurückgegangen, während die Einrichter um 100 v. H. und die Werkzeugmacher um 50 v. H. zugenommen haben, immer gleiche Arbeitstätigkeit vorausgesetzt. Diese Tatsache weist uns einen Weg, den wir als Metallarbeiterverband einschlagen müssen. Früher waren die Dreher und Schlosser der Stoßtrupp unseres Verbandes, heute sind die Einrichter und Werkzeugmacher die Schlüsselberufe.«71 Die Mahnung, diesen Wandel nicht zu ignorieren, sondern ihn bewußt für sich zu benutzen, verhallte jedoch ungehört. Die Wirtschaftskrise verwischte schließlich für den zeitgenössischen Beobachter die Spuren der langfristigen Strukturveränderung. Nicht der Wandel von Arbeitsbedingungen und -anforderungen, sondern überhaupt Arbeit zu haben, war nunmehr die Hauptsorge. Im Rückblick prägte sich eine Auswirkung der Rationalisierung während der Weimarer Republik bei den Arbeitern besonders nachhaltig ein, wie eine Befragung ergab, deren Ergebnisse 1956 erschienen: die Verdrängung der besonders schweren und körperlich anstrengenden Arbeit. Durch Kräne, Laufbänder, Schienen, mechanische Hebevorrichtungen entfiel der gefährliche und ruinöse Handtransport von Massengütern z. Β. am Hoch­ ofen, das Bewegen des Walzgutes in Walzwerken, wo bis zur Mitte der zwanziger Jahre selbst schwerste Bleche per Hand bewegt werden mußten. Ein Hüttenarbeiter erinnerte sich: »Ich habe früher selbst erlebt, was Überanstrengung bei der Arbeit bedeutet. Nach mancher Schicht hatte ich die Sehnen derart verzogen und verkrampft, daß ich mich nicht mehr von der Stelle rühren konnte.«72 Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch Wegfall der schwersten Handarbeit in zahlreichen Fertigungsbereichen, in den ›modernen‹ Industrien wie der Chemie auch durch Vorkehrungen für bessere Beleuchtung und Belüftung des Arbeitsplatzes, wurde jedoch begleitet von einer Steigerung der Arbeitsintensität und des Arbeitstempos. Im Bergbau, einer ›alten‹ Industrie mit festgefügten Traditionen und einer im Berufsethos verwachsenen Arbeiterschaft, stieß die Rationalisierung und Mechanisierung auf deutlichere Widerstände als in anderen Branchen. Die Einführung des Abbauhammers bedeutete auch in Verbindung mit der Arbeitsintensivierung keine Erleichterung der körperlichen Arbeit, wie aus der Äußerung eines Bergmannes, die stellvertretend für viele steht, hervorgeht: »Durch die Einführung der Maschinen und ihren ohrenbetäubenden Lärm wird es unmöglich, sich mit den Arbeitskollegen 40 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zu verständigen. Da diese Maschinen vom Arbeiter in der Hand gehalten werden müssen und die Stoßkraft der Maschinen auf den Körper wirkt, erfordert diese Arbeit eine ungeheure Kraftanstrengung seelischer und physischer Art. Dazu kommt noch, daß man bei der Eigenart des Bergbaues das Ohr immer gebrauchen muß, um Bewegungen im Gebirge vernehmen zu können. Ebenfalls kann man die Kameraden bei Gefahr nicht verständigen.«73 Die Bergleute ertrugen die Umstellungen nur schwer, die den gewohnten Arbeitsrhythmus und die vertraute Gruppenarbeit in kleinen Bergkameradschaften aufbrachen und beklagten sich über Lärm, Staub, erhöhte psychische Anforderungen und neuartige körperliche Belastungen. Ein Bergarbeiter zog das Fazit: »Die bisher beliebte Arbeit wird nunmehr nur mit großer Abneigung verrichtet.«74 Die »Degradierung« des Hauers zum Industriearbeiter, »die Annäherung an die Bedingungen der Fabrik«, wie Rudolph Tschirbs resümiert, machte die Arbeit des Bergmannes zu einer qualitativ anderen und verletzte damit das Ethos des bergmännischen Spezialberufs.75 Wie komplex jedoch auch im Bergbau die Reaktion auf die Mechanisierung war, zeigt die Beobachtung, daß die Abschaffung von Abbauhammer und Schüttelrutsche auf Protest stieß, wenn die Bergarbeiter mit den neuen Arbeitsbedingungen bereits vertraut waren. Im mechanisierten Abbaubetrieb erwiesen sich die Möglichkeiten des Verdienstes als größer, bei subjektiv empfunden - erhöhter Arbeitsbeanspruchung. Vor allem die jüngeren Bergleute waren zudem davor gefeit, die althergebrachte Arbeit mit Keilhaue und Handbohrer zu idealisieren.76

3. Die Entwicklung der Arbeitskräftequalifikation Die Veränderungen in der industriellen Produktionsstruktur in den zwanziger Jahren und insgesamt in der Zwischenkriegszeit, die mit dem Begriff Rationalisierung nur unzureichend beschrieben sind, wirkten sich nicht nur auf die unmittelbare Arbeitssituation aus, auch die Qualifikation der Arbeitskräfte und der Inhalt ganzer Berufsbilder war in diesen Wandel mit einbezogen. Veränderte Arbeitsanforderungen, Arbeitstechniken und Arbeitsorganisation bewirkten Umschichtungen im Qualifikationsprofil der Belegschaften und erzwangen eine Anpassung der industriellen Fertigkeiten der Beschäftigten. Die Ergebnisse dieser Entwicklung lassen sich nicht auf einen einfachen Nenner bringen. Daß die Rationalisierung zu einer Entwertung und Dequalifizierung der gelernten Arbeit führe, der Facharbeiter allmählich durch einen Massenarbeiter neuen Typs verdrängt werde, der mit einem Minimum an Qualifikation dieselbe Arbeit in der rationalisierten Industrie verrichte wie zuvor der Facharbeiter, diese zeitgenössische Einschätzung, 41 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

die auch in die sozialhistorische Forschung Eingang gefunden hat, trifft nicht die komplexe Wirklichkeit dieses Wandels.77 Solche Urteile bleiben plakativ, denn sie verkürzen den umfassenden technischen Wandel der Zwischenkriegszeit auf Teilphänomene und heben den Status-quo im Qualifikationsprofil in den Rang einer Norm, der Begriff Qualifikation schließlich bleibt ohne inhaltliche Substanz und ohne Dynamik. Eine solche Sichtweise verklärt leicht die Arbeitswirklichkeit alter Berufe, die durch neue Tätigkeiten, die gerade auch andersartige Fertigkeiten erforderten, verdrängt wurden. Wenn statt manuellen Geschicks nun verstärkt die Bedienung von Maschinen, Anpassungsfähigkeit an diverse Produktionsabläufe und sogar bestimmte technische Erfahrungen verlangt wurden, kann dies nicht per se mit Dequalifikation gleichgesetzt werden. Den Zusammenhang zwischen der Durchsetzung einer hochorganisierten, modernen technischen Produktion und dem Qualifikationsstand der Arbeiterschaft vermögen die Vertreter der Dequalifikationsthese nicht ausreichend zu erklären.78 Im folgenden sollen die Grundlinien der Qualifikationsstruktur und der betrieblichen Ausbildung bei IG Farben, Siemens, Krupp und im Ruhrbergbau beschrieben werden - Grundlinien, die mit der skizzierten technischen Entwicklung in den einzelnen Betrieben und Branchen im Zusammenhang gesehen werden müssen. a) Aufstiegsmöglichkeiten in der Chemie Die chemische Industrie hatte den geringsten Anteil an gelernten Arbeitskräften zu verzeichnen. Sie bildete die eigentliche Domäne des ungelernten Arbeiters, was schon daraus hervorging, daß die ursprüngliche Organisation der Ungelernten, der freigewerkschaftliche Fabrikarbeiterverband, sich im Kern aus der Chemieindustrie rekrutierte. Das Handbuch der Berufe unterteilte die Arbeiter der Chemie in zwei Hauptgruppen, die erstere zudem in zwei Untergruppen:79 - Betriebsarbeiter, a) Produktionsarbeiter b) Produktionshilfsarbeiter - Betriebshandwerker und sonstige qualifizierte Hilfsberufe Die Produktionshilfsarbeiter waren ungelernt und verrichteten typische, oft repetitive Hilfsarbeiten in der Produktion, bei deren Vorbereitung oder bei der Bereitstellung der Erzeugnisse für den Absatz. Ihre Funktionsbezeichnungen - z. B. Hof-, Verlade-, Transportarbeiter, Zuträger, Abfüller, Packer usw. - verdeutlichen ihre Tätigkeiten. Die Produktionsarbeiter waren im Produktionsprozeß an chemischen Apparaturen oder mit chemischen Erzeugnissen beschäftigt. Es handelte sich in der Regel um nicht gelernte Arbeiter, die jedoch von ihrer Funktion 42 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

her - Bedienung und Überwachung von Apparaten, Einleitung von chemischen Reaktionen usw. - für ihre jeweilige Tätigkeit angelernt sein mußten, auch wenn sie nur wenige Handgriffe nach vorgeschriebenen Anweisungen auszuführen hatten. Die hochempfindlichen und vielfach gefährlichen Arbeitsprozesse in der Chemie erforderten von den Produktionsarbeitern Erfahrung und auch Verantwortung. Besonders erfahrene Arbeitskräfte konnten gerade in der Massengütererzeugung chemischer Produkte wie Stickstoff, Säuren und dergleichen als Postenleute nur zur Überwachung des Produktionsvorgangs herangezogen werden und hatten damit eine qualifizierte Arbeit zu leisten. Eine Einstufung als Facharbeiter war damit jedoch nicht verbunden. Die Betriebsarbeiter der Chemie blieben vom Status her ungelernt, im günstigsten Fall angelernt. Eine abgegrenzte und qualifizierte Berufsbezeichnung für die Chemiearbeiter lag nicht vor. Der Betriebsarbeiter konnte sich erst allmählich in eine spezialisierte Tätigkeit hineinarbeiten. Die Arbeiterinnen in der chemischen Industrie, deren Anteil verhältnismäßig gering war und die oft als eigene Funktionsgruppe herausgestellt wurden, waren zum Teil als Produktionshilfsarbeiter bei Verpackung und Versand tätig; im Pharma- und Fotobereich vor allem mußten die Frauen als die eigentlichen Produktionsarbeiter angesehen werden. Deshalb war eine genaue Abgrenzung nicht immer möglich. Die Betriebshandwerker und sonstigen qualifizierten Hilfsberufe waren in der Chemie nicht in der unmittelbaren Produktion eingesetzt. Sie arbeiteten beim Aufbau von Fabrikationsanlagen, bei Reparaturdiensten und in den Hilfsbetrieben, wie den Kraft- und Verkehrsanlagen. Das Hauptkontingent stellten die Metallberufe der Schlosser, Monteure, Installateure usw., aber auch andere gelernte Berufe, wie Maurer, Tischler und Maler waren darunter vertreten. Diese Facharbeiter wurden entweder als fertig ausgebildete Kräfte eingestellt oder in betriebseigenen Lehrwerkstätten selbst ausgebildet.80 In der Beschäftigtenstatistik der Chemieunternehmungen fand die Qualifikationsabstufung unter den Betriebsarbeitern kaum einen Niederschlag. Die angelernten Kräfte im Produktionsbereich waren in den Ziffern für die Ungelernten mit enthalten. Sogar Fabrikationsvorarbeiter wurden als Ungelernte geführt.81 Die Vermutung liegt nahe, daß die Betriebsleitungen aus tariflichen und lohnpolitischen Erwägungen nicht eine herausgehobene Kategorie von Betriebsarbeitern schaffen wollten, die den unternehmerischen Lohnspielraum eingeengt und festgeschriebene Ansprüche begründet hätte.82 Aus der Qualifikationsstatistik der IG Farben läßt sich deshalb kaum Aufschluß über die tatsächliche Entwicklung der Qualifikationen gewinnen, sondern höchstens über die Verteilung auf die Hilfs- und Fabrikationsbetriebe. Die Entwicklung der Arbeiterqualifikation bei BASF in Ludwigshafen von 1913 bis 1932, die Tab. 4 anzeigt, kann deshalb nur in diesem Sinne aussagekräftig sein. 43 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 4: Entwicklung der Arbeiterqualifikation bei BASF 1913-193283 (in %) Handwerker, Hilfshandwerker, Angelernte Ungelernte

1913

1920

1925

1928

1932

38,3 61,2

43,3 56,6

45,8 54,2

48,7 51,3

40,5 59,5

Quelle: Schiffmann, Revolution, S. 371, 462.

Der Anteil der erstgenannten Kategorie in den unmittelbaren Produktionsbetrieben war verschwindend gering. Für die Energie-, Bau- und Transportbetriebe muß ein Ungelerntenanteil von rund 30 % veranschlagt werden. Der Aufbau der Anlagen zur Hochdrucksynthese während des Krieges und in den frühen zwanziger Jahren und das umfangreiche Bauund Investitionsprogramm der Jahre 1926 bis 1928, in dem die Oppauer Stickstoffanlagen ausgeweitet und technologisch verbessert wurden, führte zu einem Anwachsen der technischen und Hilfsbetriebe, die für den Bau und die Versorgung dieser Anlagen notwendig waren.84 Die prozentuale Verteilung der BASF-Arbeiterschaft auf die beiden Betriebsgruppen kann der Tab. 5 entnommen werden. Parallel dazu erhöhte sich auch in den zwanziger Jahren der Anteil der in eben diesen Hilfsbetrieben beschäftigten Handwerker und Fachberufe. Das Auslaufen des Investitionsprogramms in Ludwigshafen ließ ab 1929 den Prozentsatz der Ungelernten wieder ansteigen. Bis 1939 waren die Verschiebungen dann geringfügig, der Anteil der Ungelernten bewegte sich 1938 knapp oberhalb der 50-Prozent-Marke.85 Auf veränderte Arbeitsanforderungen läßt sich jedoch schließen, wenn man die voneinander abweichende Belegschaftsentwicklung in den beiden BASF-Werksteilen Ludwigshafen und Oppau einbezieht. Waren 1924 im Werk Oppau nur 31,7% der Arbeiter beschäftigt so wuchs dieser Anteil 1936 auf 43 und 1939 auf 45%. In Oppau befanden sich die Großanlagen der Stickstoff- und Benzinsynthese, bei denen die kontinuierlichen, vollTab. 5: Verteilung der BASF-Arbeiterschaft auf Betriebsgruppen (in %)

1913 1925 1927 1929 1933 1939

Fabrikation, Laboratorien Färbereien

Technische u. Hilfsbetriebe

49,8 33,6 36,4 39,8 51,6 47,7

50,2 66,7 63,6 60,2 48,4 52,3

Quelle: Schiffmann, Revolution, S. 461.

44 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 6: Beschäftigtenstruktur bei Bayer/Leverkusen (bzw. IG Farben, Werk Leverkusen) 1920-1939 (in %)

31. 31. 31. 31. 31. 31. 31. 31.

12. 1920 12. 1925 12. 1928 12. 1930 12. 1932 12. 1933 12. 1936 12. 1939

Handwerker1

Ungelernte

Frauen

23 24 22 20 19 21 -

62 52 54 55 572 56 56 55

9 15 18 19 19 20 19 19

Frauen u. Ungelernte 71 2 67 72 75 76 75 75 74

ohne Hilfshandwerker, Heizer, Maschinisten 2 Fehler berichtigt Quelle: Uta Stolle, Arbeiterpolitik im Betrieb. Frauen und Männer, Reformisten und Radikale, Fach- und Massenarbeiter bei Bayer, BASF, Bosch und in Solingen (1900-1933), Frankfurt 1980, S. 317 f. 1

mechanisierten Produktionsabläufe einen höheren Grad an anspruchsvolleren Überwachungs- und Bedienungsfunktionen erforderten. Im Durchschnitt ergaben sich damit höhere Qualifikationsanforderungen an die dort beschäftigten Betriebsarbeiter.86 Das Bayerwerk in Leverkusen wies eine andere Produktpalette und somit auch eine andere Belegschaftszusammensetzung auf. In Leverkusen überwogen die Bereiche Farben, Pharma und Chemikalien, für die nicht im selben Ausmaß wie für die Hochdruckchemie neu investiert worden war und die als traditionelle Zweige der Chemie zum Teil auch arbeitsintensiver waren. Deshalb besaß Bayer weniger Bau- und Hilfsbetriebe als die BASF und insgesamt auch einen geringeren Handwerkeranteil (s. Tab. 6). Der Rückgang der Handwerkerziffer bis 1932 lag im allgemeinen Trend des Abbaus der Hilfsbetriebe im IG Farbenkonzern. Von der Gesamtzahl aller Beschäftigten bei IG Farben befanden sich 1928 40% in den technischen Hilfsbetrieben, 1932 nurmehr 29,2%, in den Fabrikationsbetrieben waren es 1928 30% und 1932 37,5 %. Diese veränderte Betriebsstruktur ließ sich in Leverkusen angesichts des geringeren Bauvolumens im wesentlichen auf Rationalisierungserfolge zurückführen, zumal die technischen Hilfsbetriebe auch in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre ihren Bedeutungsverlust nicht völlig rückgängig machen konnten.87 Der Anteil der ungelernten Arbeiter und Arbeiterinnen, der nach der Inflationszeit deutlich abgenommen hatte, stieg im Gefolge der Fabrikationsverlagerung innerhalb des IG Farbenkonzerns ab 1927 stark an. Personalintensive Bereiche, die in Leverkusen konzentriert bzw. ausgebaut wurden, waren das Pharmalager, die Anorganische und die Fotoabteilung. Daraus resultierte auch der erhöhte Anteil der ungelernten Beschäftigten. 45 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Innerhalb der ungelernten Schicht nahm vor allem das Gewicht der Frauenarbeit zu. Typische Frauenarbeitsplätze entstanden allgemein in der Verpackung und speziell in der Pharma- und Fotoabteilung. Die Arbeiterinnen standen am untersten Ende der Qualifikations- und Lohnskala. Nur in der Pharmaproduktion konnten Frauen im begrenzten Maße qualifiziertere Tätigkeiten ausüben. Die männlichen Ungelernten hatten in der noch weitgehend an traditionellen Verfahren orientierten Farbenproduktion keine Aufwertung erfahren, in der modernisierten Fertigung der Anorganischen Abteilung waren dagegen die Anforderungen, was sowohl die Erfahrung als auch die Bedienung von Apparaten betraf, gestiegen.88 Modernere Produktionsverfahren bedeuteten weniger körperlich schwere Arbeit, stellten aber an alle Arbeitskräfte, um den Bericht des Enquete-Ausschusses über die deutsche chemische Industrie zu zitieren, »gleichgültig ob ihre Tätigkeit Vorbildung beansprucht oder nicht, mit der Weiterbildung der chemischen Prozesse und dem Fortschritt der technischen Ausstattung der Betriebe vermehrte intellektuelle und allgemeinpsychische Erfordernisse«.89 Der Chemiearbeiter, der als Prototyp des unqualifizierten, leicht ersetzbaren Arbeiters galt, rückte in Arbeitsfunktionen, die ohne ein bestimmtes Maß an Anlernung und Erfahrung nicht zu bewältigen waren. Als Angelernte wurden im Gefolge der technischen Veränderungen mehr Chemiearbeiter an spezialisierte Tätigkeiten gebunden. Die kontinuierlichen Arbeitsprozesse in der Chemie und die unter hohem Kapitalaufwand erstellten Anlagen waren für kleinste Störungen anfällig, so daß den Betriebsarbeitern ein erhebliches Maß an Verantwortung zukam und sie auf der anderen Seite auch nicht beliebig austauschbar wurden. Der ungelernte Arbeiter in der Chemie »emanzipierte« sich.90 Daß der ungelernte Chemiearbeiter nicht mit den Ungelernten anderer Branchen verglichen werden konnte, fand seinen Ausdruck in einer verbesserten Lohnposition. Der Tarifstundenlohn eines Ungelernten in der Chemie lag über dem Durchschnitt der Ungelernten-Löhne aller Branchen. Addiert man dazu noch die in der Chemie und besonders bei IG Farben hohen übertariflichen Zulagen und Prämien von sehr häufig über 20 %, so zeigt sich deutlich die Sonderstellung der Chemiearbeiter innerhalb der Ungelerntenschaft.91 Die Anlernung des chemischen Betriebsarbeiters erfolgte nicht nach vorgegebenen Regeln und Fristen. Je nach Bedarf und Befähigung wurden Arbeiter vor Ort in neue Funktionen eingearbeitet. Eine Lehrwerkstatt bestand bei Bayer zwar bereits schon seit 1901, in ihr wurde jedoch nur der Handwerkernachwuchs herangebildet. 1928 wurde ein Schulungslabor für Chemielaboranten eingerichtet, in dem sich ausgewählte Betriebsarbeiter in dreimonatigen Kursen wichtigste chemische Kenntnisse aneignen konnten. Weitere Ausbildungskurse wurden für Heizer und Maschinisten, also Hilfshandwerker, abgehalten, an denen sowohl Fach- als auch Betriebsar46 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

beiter teilnahmen. Noch in den zwanziger Jahren einsetzende Überlegungen, den Beruf des Chemiefacharbeiters einzuführen, wurden nicht weiter konkretisiert, da die Unternehmungen wohl - wie bereits angesprochen zögerten, eine herausgehobene Funktions- und damit auch Lohngruppen neu zu schaffen. Zudem wuchsen die sogenannten Postenleute besonders in der chemischen Massen- und Großproduktion aufgrund ihrer Erfahrung und ihres Anforderungsprofils allmählich in diese Funktionsstufe hinein. Auch ohne Facharbeiterstatus entstand eine relativ qualifizierte Stammbelegschaft. Die Fluktuationsrate, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg unter den Chemiearbeitern besonders hoch gewesen war, nahm deutlich ab. Das Zusammenspiel von Anlernung, Prämienanreiz und betrieblichen Sozialmaßnahmen vermochte den Chemiearbeiter stärker an seinen Arbeitsplatz zu binden.92 Nach 1933 wurde die Anlernung und Ausbildung der Chemiearbeiter systematischer angegangen. Bei Bayer bestand nunmehr im Werk Dormagen die Möglichkeit, im Anlernverhältnis von zwei Jahren Dauer Arbeitskräfte zu Chemielaborjungwerkern und Chemiebetriebsjungwerkern heranzubilden. Bayer war damit schon im Vorfeld entscheidend an der Entwicklung neuer, staatlich anerkannter Berufsbilder beteiligt. In Anknüpfung an die bereits bestehende betriebliche Ausbildungspraxis wurde 1938 schließlich der Beruf des Chemielaborjungwerkers mit zweijährigem Anlernverhältnis offiziell eingeführt.93 Die Statusverbesserung von Betriebsarbeitern, die besonders anspruchsvolle Tätigkeiten auszuführen hatten, wurde nun auch in einer Höhergruppierung bei den Löhnen deutlich. Im Frühjahr 1935 wurde in Leverkusen »der Lohn des guten Laboratoriums- und Färbereiarbeiters, der die Betriebsproben usw. zu machen hat« dem tatsächlichen Verdienst der Vorarbeiter und dem der Arbeiter der Gruppe III (höchste Arbeiterlohngruppe) gleichgestellt. Die beiden letztgenannten Gruppen kamen auf Akkord- und Qualifikationszulagen von bis zu 40%, während im Laboratoriumsbereich keine Akkordprämien anfielen. »Die besseren und guten Laboratoriumsarbeiter« sollten die Möglichkeit haben, »den Lohn der tüchtigen Betriebsbzw. Vorarbeiter zu erreichen.«94 Nach dem Prinzip der individuellen Leistungsauslese entstanden innerhalb der Chemiearbeiterschaft Qualifikationsabstufungen, die eigentlich nur in der Lohnzumessung Ausdruck fanden. Das Lohnzugeständnis der Bayer-Werksleitung zeigt jedoch weiteres: Erfahrene Chemiearbeiter waren zu einer umworbenen Gruppe auf dem Arbeitsmarkt geworden. Nicht von ungefähr wurde im April 1937 der Arbeitsplatzwechsel für Chemiearbeiter in den Arbeitsamtsbezirken Bitterfeld, Halle und Wittenberg, den Zentren der Großanlagenchemie, erheblich eingeschränkt. Die Zeitschrift ›Soziale Praxis‹ schloß daraus, daß die Bezeichnung un- oder angelernt für die Chemiearbeiter nicht mehr zutreffend sei: »Man wird dies als einen deutlichen Hinweis auf die Fachkenntnisse anmerken müssen, die auch solchen Arbeitern einen gewis47 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

sen Seltenheitswert verleihen, und insofern ist der Vorgang auch für die künftige Regelung der Berufsausbildung dieser ›Ungelernten‹ nicht ohne Interesse.«95 In der »Reichstarifordnung für die gewerblichen Gefolgschaftsmitglieder in der chemischen Industrie« vom 1. Oktober 1939 wurden schließlich der betrieblichen Wirklichkeit entsprechend die Berufsgruppen innerhalb der Chemiearbeiterschaft neu definiert. Die Tarifordnung unterschied nun genauer wie folgt: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Handwerker Maschinisten und Heizer Hilfshandwerker Chemiebetriebs- und Chemielaborfachwerker Chemiebetriebs- und Chemielaborwerker Hilfswerker Handwerkerlehrlinge und Gefolgschaftsmitglieder, die im Anlernverhältnis stehen (z. B. Chemiebetriebs- und Chemielaborjungwerker) 8. Frauen

Als Chemiebetriebs- und Chemielaborfachwerker galt, wer »selbständig, aber nach Vorschrift . . . schwierige, betriebswichtige Arbeitsgänge vor(zu) bereiten, (zu) überwachen und (zu) regulieren« hatte, entweder eine zweijährige Ausbildung plus anschließende Berufspraxis nachweisen konnte oder nur nach mehrjähriger Berufspraxis in der Berufgsgruppe 5 die Tätigkeit eines Fachwerkers ausübte. Von den Chemiebetriebs- und Chemielaborwerkern wurden »in den chemischen Arbeitsvorgängen praktische Kenntnisse und Fertigkeiten« verlangt, jedoch nur so weit, wie dies nicht mit selbständigen und schwierigen Tätigkeiten verbunden war. Unter diese Berufsgruppe fielen »Jungwerker« nach zweijähriger Ausbildung und Arbeiter, die aufgrund längerer Berufspraxis die gleiche Tätigkeit verrichteten. Für Hilfswerker galt das Kriterium, daß sie mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt und jederzeit ersetzbar waren. 96 Mit dieser Tarifordnung wurde kein grundsätzlich neuer Qualifikationsaufbau geschaffen, sondern nur die bereits bestehende Praxis in den Arbeits- und Berufsanforderungen der Chemie nachvollzogen. Daß die Arbeit in der Chemieindustrie trotz dieser Entwicklungsperspektiven keineswegs angenehm war, Gesundheitsgefährdung, körperliche und psychische Belastungen als alltägliche Begleiterscheinungen durchaus dazu gehörten, das Schlagwort von der »Chemiehölle«, das in den zwanziger Jahren über das Leuna-Werk geprägt worden war, die Arbeitswelt mancher Chemiearbeiter noch zutreffend beschrieb, steht außer Frage. Insgesamt hatte sich jedoch die Chemieindustrie auch in der Einschätzung der Arbeiter gewandelt. In einer Zusammenstellung der beliebtesten Arbeitsplätze, die Reinhardt Hanf anhand der Berichte der Reichstreuhänder der Arbeit ab 1936 zusammengestellt hat, nahmen die chemischen Arbeits48 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

plätze neben den feinmechanischen und metallverarbeitenden den ersten Rang ein.97 Die chemische Industrie hatte an Attraktivität gewonnen, sie schuf über die Möglichkeiten der Spezialisierung und Qualifizierung, über besondere personal- und sozialpolitische Anreize eine verstärkte Bindung an und eine Identifikation mit dem Arbeitsplatz. b) Die elektrotechnische Industrie zwischen Dequalifizierung und Facharbeitermangel Die Grundlinien der beruflichen Entwicklung bei Siemens lassen sich über die veränderten Arbeitsanforderungen in der Metallindustrie insgesamt und speziell der elektrotechnischen Industrie ermitteln. In der Metallindustrie waren, anders als in der Chemieindustrie, die gelernten Arbeiter bestimmend. Im Maschinenbau zählten 1925 70% zu den Gelernten, im Bereich Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik waren es 59 %. Der Rest betrafjeweils die angelernten und ungelernten Arbeitskräfte.98 Heidrun Homburg hat die Entwicklung der Arbeiterschaft in der Berliner Metallindustrie auf der Basis von Daten der Berufs- und Gewerbezählung für den Zeitraum von 1925 bis 1939 verfolgt, und ihre Daten deuten auf den ersten Blick - abgesehen von den Verzerrungen durch die Wirtschaftskrise - kaum eine Veränderung in der Qualifikationsstruktur an. Diese Daten können zwar nur als Annäherungswerte begriffen werden, da die Erhebungskriterien und Berufszumessungen nicht einheitlich waren, ein Trend ist jedoch deutlich zu erkennen, wie Tab. 7 zeigt. 1925 und 1939 war der Anteil der männlichen qualifizierten Arbeiter annähernd gleich und dies, obwohl die absolute Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen insgesamt um 22,6% gestiegen war. Das Gewicht der qualifizierten Arbeiter Tab. 7: Die Entwicklung der Gesamtarbeiterschaft in der Berliner Metallindustrie und der Anteil der männlichen Metallfacharbeiter 1925-1939 Arbeiter und Anteil der Arbei- Anteil der unqualifizierten Arbeiterinnen terinnen (in %) insgesamt Arbeiter (in %) 1925 Β 310980 21,9 22,8 1933 Β 119814 24,3 6,9 1933 G 122571 24,9 12,9 1939 Β 401 587 26,8 19,6 Β = Berufszählung, G = Gewerbezählung

Anteil der qualifizierten Arbeiter (in %) 55,3 68,7 62,2 53,6

Quelle: Heidrun Homburg, Arbeitsmarkt und Organisation. Arbeitsmarktstruktur, Gewerkschaften und Unternehmen in der Berliner Metallindustrie 1890-1933, phil. Diss. (MS), Bielefeld 1982, S. 72. Zur Problematik der Erhebungskriterien s. ebd., S. 276 f., Anm. 38.

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hatte also auch mit dem Anstieg der Gesamtbeschäftigtenzahl Schritt gehalten, während im selben Zeitraum die Zahl der nicht qualifizierten Arbeiter absolut nur gering zugenommen hatte. Der besonders hohe Anteil der Qualifizierten im Krisenjahr 1933 verweist auf die Entlassungspolitik der Betriebe in der Wirtschaftskrise. Nicht qualifizierte Arbeiter wurden in stärkerem Maße entlassen als qualifizierte. Auch diese Beobachtung unterstreicht die ungeschmälert zentrale Bedeutung der qualifizierten Arbeitskräfte in der Metallindustrie.99 Die eigentlichen Veränderungen fanden auf der Ebene der Berufsinhalte und im Verhältnis von Männer- und Frauenarbeit statt. Die elektrotechnische Industrie, die gerade in der Zwischenkriegszeit eine dynamische, wachstumsträchtige Branche war, veränderte und entwickelte im Gefolge des technischen Fortschritts die Arbeitsanforderungen und Berufsbilder grundlegend. Die handwerkliche Ausbildung in den Metallgrundberufen Schlosser, Dreher und Werkzeugmacher genügte den Erfordernissen der Produktion vielfach nicht mehr. Daneben entstand eine Vielzahl von Facharbeiter-Sonderberufen (Einrichter, Hobler, Fräser, Schweißer und Monteure), für die eine Ausbildung nur noch im Industriebetrieb selbst absolviert werden konnte. Der gelernte Beruf des Universalfräsers ging aus dem Schlosser- und Dreherberuf hervor und wurde 1927/28 erst in einem normierten Facharbeiterausbildungsgang festgeschrieben. Ähnlich verhielt es sich mit dem Schweißerberuf, der selbst noch in weitere Teilberufe, wie den Autogen- und den Elektroschweißer, aufgeteilt wurde. Die alten ganzheitlichen Berufsbilder hatten ihre privilegierte Stellung verloren. Das bedeutete jedoch nicht, daß die Grundberufe völlig an Bedeutung eingebüßt hätten. Es waren nach den Erfordernissen der industriellen Produktion weitere Spezialberufe an ihre Seite getreten. 100 In der Elektroindustrie speziell differenzierte sich eine ganze Berufspalette aus. Die Ausbildung zum Beruf des Elektrikers, Elektromonteurs, -Installateurs war am Ende der zwanziger Jahre noch nicht endgültig geklärt. Der Beruf des Universalwicklers, der bei der Herstellung von Elektromotoren und Dynamomaschinen benötigt wurde, wurde 1926 als Facharbeitergrundberuf mit vierjähriger Lehrzeit anerkannt.101 Die allmähliche Normierung von Ausbildungsrichtlinien reichte jedoch nicht aus, den stetigen Bedarf nach Spezialarbeitskräften zu decken. Deshalb wurde auch Arbeitskräften im Betrieb der Zugang zum Facharbeiterstatus eröffnet. Dem Facharbeiter mit einer dreijährigen Lehrzeit war demnach gleichgestellt, »wer in langjähriger Werkstattarbeit die gleichen Fähigkeiten entwikkelt und diese Fertigkeiten sowie die gleiche Übung erworben hat, wie sie ein planmäßig in ordnungsgemäßem Lehrgang Ausgebildeter in der Gesellenprüfung nachzuweisen hat«. 102 Die Grenzen zwischen den einzelnen Qualifikationsgruppen waren fließender geworden. Größtmögliche Arbeitszerlegung, Massenfertigung und der Siegeszug standardisierter Werkzeugmaschinen ermöglichten den Einsatz angelernter 50 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Arbeitskräfte in Bereichen, die bisher eine Domäne der Gelernten gewesen waren. Gelernte wurden dadurch jedoch nicht überflüssig. Denn die technisch anspruchsvollen Werkzeugmaschinen benötigten zugleich ein hochqualifiziertes Wartungs- und Überwachungspersonal. Fließbandarbeit funktionierte nur reibungslos, wenn in der Arbeitsvorbereitung und -kontrolle umfassend ausgebildete Fachkräfte mitwirkten. Die zunehmende Bedeutung der Vorbereitungs- und Überwachungsfunktionen und das Entstehen neuer Spezialfacharbeiterberufe sorgten gemeinsam dafür, daß insgesamt der Anteil der qualifizierten Arbeiter - gemessen an den männlichen Beschäftigten - nicht abnahm. Allerdings verringerte sich hierbei die Quote der umfassend nach handwerklichen Kategorien Ausgebildeten. Durch die Hinzunahme des neuen Typs des Industriefacharbeiters, der im Betrieb ausgebildet war, wurde dieser Verlust ausgeglichen. Der Facharbeitermangel war ein ständiger Begleiter des technischen Umstellungsprozesses in den Betrieben und des Wandels der Arbeitsanforderungen. Belege dafür finden sich sowohl in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, als auch ab dem Jahr 1935 in verstärktem Maße. 103 Der angelernte Arbeiter nahm eine Zwischenstellung ein. Die neu entstehenden Spezialberufe fächerten sich jeweils in gelernte und angelernte Varianten auf. Zum Beispiel stand neben dem gelernten oder auch angelernten Elektroschweißer der nur angelernte Punktschweißer. Leichtere, weniger anspruchsvolle Spezialarbeiten wurden ausschließlich mit angelernten Kräften besetzt, was sowohl die Produktion verbilligte als auch die qualifizierten Fachkräfte für andere Funktionen freimachte. Ausschließlich als angelernt charakterisierte Tätigkeiten, wie z. Β. der Ankerwickler, galten trotz ihres nur angelernten Berufscharakters als Facharbeitertätigkeit, da ihr Arbeitsgebiet als »sehr verantwortungsvoll« eingestuft wurde. 104 Über die neuen Spezialberufe konnte ein Aufstieg zum Facharbeiter vollzogen werden, gelernte Arbeiter, deren Qualifikation den neuen Erfordernissen nicht mehr genügte, oder die schlicht nicht mehr benötigt wurden, waren aber vor dem Abstieg in eine nur angelernte Position nicht gefeit. Ungelernten war schließlich über die betriebsinterne Anlernung durch systematische Ausbildung oder Einlernung am Arbeitsplatz ein begrenzter Aufstieg zum Angelernten geboten. Die Dauer der Anlernung konnte sich von wenigen Tagen bis zu zwei Jahren erstrecken. Die Arbeitserfordernisse bei der Maschinenbedienung, der Fließfertigung und der Massenproduktion unterschieden sich von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz, so daß sich ein einheitliches Qualifikationsniveau für die Angelernten nicht bestimmen ließ. Die Anlernungsrichtlinien, die 1937 für das Werner-Werk F der Siemens und Halske AG Anwendung fanden, geben einen Eindruck vom Qualifikationsstand der Hilfs- und der Spezialarbeiter: Hilfsarbeiter erhielten nach der Einstellung eine vier- bis sechswöchige allgemeine Unterweisung in der Lehrwerkstatt. Nach kurzer Ausbildung in der Anlernwerkstatt bzw. 51 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

der Fabrikation mußte der Hilfsarbeiter Tätigkeiten wechselnder Art ausführen. Längere Übung und größere Erfahrung ermöglichten dann seine Betrauung mit einfachen Facharbeiten. Die Spezialarbeiter erhielten eine sechsmonatige Ausbildung in der Lehrwerkstatt, woran sich eine 15- bis 18-monatige Ausbildung in den Fabrikationswerkstätten anschloß. Über die Beschäftigung mit einfachen Facharbeiten konnten sie sodann die Eignung für normale Facharbeiten nachweisen. Der individuelle Leistungsnachweis eröffnete den Hilfsarbeitern den Aufstieg zum Angelernten, den Spezialarbeitern den zum Facharbeiter. Solange die elektrotechnische Industrie expandierte und Arbeitskräfte nachfragte, waren die Chancen zum Erwerb höherer Qualifikationen für männliche Arbeiter eher gegeben. Dies galt in besonders hohem Maße für die zweite Hälfte der dreißiger Jahre. 105 Von erheblichem Einfluß auf den tatsächlichen Qualifikationsstand innerhalb des Spektrums der Angelernten war das zunehmende Gewicht der Frauenarbeit. Als besonders charakteristisches Merkmal der Beschäftigtenstruktur in der elektrotechnischen Industrie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hatte das Anwachsen der weiblichen Beschäftigung zu gelten. Frauen fanden Arbeit besonders im Schwachstrombereich und bei der Fertigung elektrischer Massenerzeugnisse. Ohne das geeignete weibliche Arbeitskräftepotential, wie es eine Millionenstadt bot, hätte sich Berlin nicht zum Zentrum der deutschen Elektroindustrie entwickeln können. In den genannten Bereichen bildeten die Frauen das Gros der eigentlichen Produktionsarbeiter. Dies war nur aufgrund durchgreifender Rationalisierungsmaßnahmen möglich geworden. An Bändern und nach dem Prinzip der fließenden Fertigung wurde z. Β. die Herstellung von Zählern oder Telefonapparaten, in kleinste Arbeitsschritte zerlegt, von Arbeiterinnen übernommen, die jeweils nur wenige immer wiederkehrende Handgriffe zu erledigen hatten. Facharbeiter waren in der unmittelbaren Produktion dieser Massengüter zur Minderheit geworden. Ein Vorstandsmitglied bei Siemens und Halske, das mit der Problematik der Frauenarbeit besonders befaßt war, nannte in einer 1930 erschienenen Publikation die Richtlinien, die für die Einführung der Frauenarbeit unerläßlich waren: Bei der Einstellung mußte eine systematische Auswahl getroffen werden, wie dies bei Siemens schon ab 1920 mit psychotechnischen Prüfungen praktiziert wurde. Daran hatte sich eine Anlernung in besonderen Werkstätten oder Anlernecken anzuschließen. Die richtige Anlernung setzte Siemens schon 1920 in den Stand, die Anlernzeit der Wicklerinnen von 8-10 auf 5-6 Wochen herabzusetzen. Der Arbeitsplatz mußte der Arbeit genau angepaßt, Einrichtungen und Werkzeuge mußten einfach konstruiert und handhabbar sein, Transport- und Hebeanlagen die körperliche Anstrengung vermindern und schließlich war - soweit möglich - auf Fließfertigung umzustellen.106 Die Expansion der Beschäftigtenzahlen in der elektrotechnischen Indu52 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

strie war in deutlichem Maße auf die vermehrte Einstellung von Arbeiterinnen zurückzuführen. Im Jahre 1925 waren in der Berliner Elektroindustrie bereits 44 177 Arbeiterinnen zu verzeichnen, ein Anteil von 35%, 1939 war deren Anzahl bei ca. 70500 angelangt, was einem Anteil von 41 % entsprach.107 Da die Elektrotechnik eine langfristig expandierende Branche war, ging der Anstieg der Frauenarbeit nicht auf Kosten der männlichen Beschäftigten. Vielmehr konnte diese Branche ihr Expansionspotential nur ausnützen, indem sie auf den weiblichen Arbeitsmarkt zurückgriff und zugleich Arbeitsbedingungen schuf, die verstärkt Frauenarbeit ermöglichten. Die Verbilligung der arbeitsintensiven Produktion von elektrischen Massenerzeugnissen wäre als weitere Wachstumsvoraussetzung heranzuziehen, denn anders hätte sich der Markt in solch starkem Maße nicht erschließen lassen.108 Wie sich die Frauenarbeit in einzelnen Berliner Betriebsteilen von Siemens in der Phase von 1928 bis 1936 entwickelte, kann der Tab. 8 entnommen werden. Im April 1928 waren im Fertigungsbereich Fernmeldetechnik (WWF) bereits 53,7% der Arbeiterbeschäftigten Frauen, im Kleinbauwerk 59,8%. Gering blieb dagegen der Frauenanteil in technisch schwierigen, anspruchsvollen Fertigungsbereichen, wie der Zentrale (WWZ) dem Schalt- und dem Dynamowerk. Im Kabelwerk, wo körperlich schwere Arbeit vorherrschte, verharrte die Frauenquote unter der 30-ProzentGrenze. In der Wirtschaftskrise erwies sich die Frauenarbeit nicht als so krisenfest, wie dies gemeinhin für den Konsumgüterbereich galt. Der Frauenanteil ging in den meisten Werksteilen deutlich zurück. Es wurden also mehr Frauen als Männer entlassen. Auf die männlichen Arbeitskräfte und damit vorwiegend die Facharbeiter konnte am wenigsten verzichtet werden. Auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise erwies sich bei abnehmenden Stückzahlen die Fließfertigung als nicht mehr rentabel, so daß Facharbeiter in der unmittelbaren Produktion nun wieder stärker zum Zuge kamen. Eine weitere Verbilligung der Fertigung durch den Mehreinsatz von Frauen an Stelle der besser entlohnten Männer stieß auf produktionstechnische Grenzen. Die ungeschmälerte Bedeutung des Facharbeiters wurde damit aufs neue unterstrichen. Im Elektromotorenwerk (Elmow) nahm die Frauenquote weniger deutlich ab, weil besonders die dort produzierten Haushaltsgeräte noch 1932 einen relativ guten Absatz fanden.109 Nach erneutem Anstieg 1933/34 sank von April 1934 bis April 1935 der Frauenanteil wieder, weil nun bei den Neueinstellungen Männer in der Überzahl waren. Im WWF stagnierte die Anzahl der Arbeiterinnen im selben Zeitraum bei 5050 bzw. 5048. Darin dürfte nicht zuletzt ein Zugeständnis an die Forderung von NS-Gliederungen gelegen haben, das ›Doppelverdienertum‹ zu beseitigen, also im Klartext, Frauen zu entlassen, eine Forderung, der die Siemens-Werksleitung in der Phase 1933/34 bewußt zuwider handelte.110 Im Kleinbauwerk lag die Frauenquote 1936 um 10% unter der von 1928, weil in diesem Betriebsteil nunmehr technisch beson53 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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7,1 7,8 8,2 7,4 9,2 10,8 5,0 3,6 3,5 3,6

April April April April April April April April April Dez.

53,7 54,4 46,4 49,5 42,3 44,1 51,7 47,7 48,0 48,5

6466 6400

S+H WWF

35,3 35,8 28,8 26,6 25,5 26,5 34,7 32,3 32,9 36,8

1515 1340

WWM

Quelle: SAA 29/Lr 500 (Belegschaftsberichte S + H, SSW).

1928 1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1936

147 54

April 1928 Dez. 1936

WWZ

17,4 12,9 14,8 14,4 14,6 12,2 17,7 18,5 15,1 18,8

10,6 10,5 11,3 10,0 9,0 9,4 13,5 11,6 12,1 11,9

- in P r o z e n t -

881 707

371 240

Dynamow.

- absolut-

Schaltwerk

Tab. 8: Entwicklung der Frauenarbeit bei Siemens 1928-1936

35,9 38,0 34,1 33,0 35,7 35,6 38,0 38,9 39,8 41,4

1153 1317

SSW Elmow.

59,8 53,0 51,2 52,2 52,7 54,1 56,4 49,6 50,8 49,3

1992 1393

Kleinbauw.

28,4 27,7 26,4 27,0 30,7 28,0 26,6 26,6

Kabelw.

ders anspruchsvolle Produkte, z. Β. Bordgeräte für Flugzeuge hergestellt wurden. Größere Teile der bisherigen Fertigung wurden in das Kleinbauwerk II nach Sonneberg/Thüringen verlegt. 111 Die zunehmende Knappheit an männlichen und besonders qualifizierten Arbeitskräften bewegte den Trend ab 1935 wieder in die Gegenrichtung. Dem Facharbeitermangel versuchte man durch den Einsatz speziell geschulter und ausgebildeter Arbeiterinnen zu begegnen. Der Anteil der Arbeiterinnen stieg deshalb wieder an. Im gesamten Konzernzweig Siemens und Halske, der im Schwachstrombereich tätig war, stieg er von 40,5% (Dezember 1936) auf 47,2% (Dezember 1939), da hier in produktionstechnischer Hinsicht der Spielraum zur Erweiterung der Frauenarbeit am ehesten gegeben war. 112 Der wachsende Anteil der Frauenbeschäftigung in der elektrotechnischen Industrie war eindeutig auf das Konto der Dequalifikation zu buchen. Nur ein geringer Prozentsatz der Frauen konnte als Facharbeiterinnen eingestuft werden, und dieser Wert änderte sich in der Phase von 1925 bis 1939 nicht. Wenn Arbeiterinnen als qualifiziert galten, dann überwiegend in angelernten Tätigkeiten, wobei selbst hier die kürzeren Anlernzeiten vorherrschten. Frauen wurden fast ausschließlich zu gering oder nicht qualifizierten Arbeiten herangezogen.113 Je mehr Frauen jedoch in der Fertigung beschäftigt waren und je stärker die Frauen als Ersatz für fehlende Fachkräfte herangezogen wurden, desto größer wurden die Chancen eines Teils von ihnen, spezielle Qualifikationen zu erwerben. Mit dem Facharbeitermangel wurden Frauen für die Produktion immer wichtiger, und manche damit unersetzbar. Da das Anlernen als betrieblicher Kostenfaktor zu veranschlagen war, war das Unternehmen an einem dauerhaften Arbeitsverhältnis interessiert. Vereinfachte Produktionsverfahren und neu konstruierte Maschinen machten den Erwerb von anspruchsvollen Qualifikationen jedoch nicht erforderlich. Frauen wurden so im Kleinbauwerk durch eine Ausbilderin systematisch zu Stanzerinnen ausgebildet. Mit allerdings erheblich teureren Werkzeugen stellten Frauen nun im selben Betrieb Schirme für Leuchten her, wobei als Lohn für hundert Schirme 0,11 Μ kalkuliert werden konnten (für zwölf Minuten Frauenarbeit), gegenüber zuvor 2,09M (für 150 Minuten Männerarbeit). Im Schaltwerk wurden Frauen sogar zu Einrichtern und Revisorinnen geschult.114 Die Konkurrenz mit anderen Firmen und Branchen, besonders den übrigen Metallzweigen und der Textilindustrie, verbesserte nach 1936 die Marktposition von Arbeiterinnen in Berlin. Weibliche Arbeitskräfte wurden knapp und damit teurer. Konsequenterweise verlagerte Siemens deshalb Fertigungsbereiche in ländliche Gebiete, zum Kleinbauwerk II nach Sonneberg und zum neuerbauten Elmowerk II auf der Rhön. Es wirft ein Schlaglicht auf das durchaus bestehende Qualifikationsniveau der SiemensArbeiterinnen in Berlin, daß in den neuen Betrieben nur billige Massenfabrikate bei niedrigeren Frauenlöhnen hergestellt werden sollten.115 55 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Die Produktionsausweitung trotz des bestehenden Facharbeitermangels führte bei Siemens und Halske in den dreißiger Jahren zu einer Umschichtung in der Beschäftigtenstruktur. Neuzugänge konnten nur unter berufsoder branchenfremden oder ins Berufsleben zurückkehrenden männlichen und vor allem weiblichen Arbeitskräften gewonnen werden. Beim Bau von elektrischen Fernschreibmaschinen mit nicht weniger als 4460 verschiedenen Teilen gelang es, den Facharbeiteranteil in vier Jahren - von 1934 bis 1938 - um 32 % zu senken. Der Anteil der Spezialarbeiter dagegen nahm um 38 % zu, der der Frauen um 11 %. 116 Dementsprechend veränderte sich ab 1936 auch die Struktur der Arbeiterbelegschaft in den Siemens und Halske-Werksteilen WWF und WWM in beträchtlichem Maße. 117 Der Anteil der Facharbeiter nahm deutlich ab, derjenige der niedriger oder kaum qualifizierten Männer und Frauen erhöhte sich, während die Gesamtzahl der Arbeiter und Arbeiterinnen bei Siemens und Halske von 19686 (Dezember 1936) auf 30125 (Dezember 1938) anstieg. Die Umgruppierung der Belegschaft war also Folge der umfangreichen Neueinstellungen. Daß die Verhältnisse bei SuH aber nicht auf den Siemens-Konzern insgesamt übertragbar waren, sondern vielmehr von den dort hergestellten Produkten abhingen, zeigt ein Blick auf Teile der Siemens-Schuckert-Werke. Die Fließfertigung von Stahlschalttafeln im Schaltwerk wurde nach wie vor von gut geschulten Facharbeitern ausgeführt, ebenso die Montage von Selbstschaltern. Im Nürnberger Werk, wo vor allem große Elektromotoren hergestellt wurden, erhöhte sich der Anteil der männlichen Arbeiter kontinuierlich, von 54,7% (1932/33) auf 62,5% (1938/39), eine Qualifikationsabsenkung auf dem Wege über Frauenarbeit erfolgte also nicht.118 Die Zunahme der Frauenarbeit war ohne Zweifel als Prozeß der Dequalifikation zu werten, auch wenn dieser Zuwachs vor allem in den zwanziger Jahren zu Lasten der männlichen Ungelernten ging. In der Phase des verstärkten Facharbeitermangels verschoben sich auch die Gewichte zuungunsten der männlichen Qualifizierten. Im Bereich der männlichen Arbeitskräfte hängt die Wertung davon ab, welcher Gruppe man die angelernten Spezialarbeiter zuordnet. Als Industriefacharbeiter waren sie qualifiziert. Der Bedeutungsverlust des traditionellen Typs von Gelernten, deren Qualifikation vielfach den neuen Arbeitsanforderungen nicht mehr entsprach, war eine Folge des Wandels der Berufsinhalte. Betriebstechnische und arbeitsmarktspezifische Zwänge ließen in der ungebremst expandierenden elektrotechnischen Industrie die unteren Qualifikationsgruppen anwachsen, schufen zugleich aber auch die Bedingungen, unter denen der individuelle berufliche Aufstieg vermehrt angeboten wurde: Gelernte Arbeiter wurden nur zu den hochwertigsten Arbeiten herangezogen, geeignete Belegschaftsangehörige wurden in Mangelberufe umgeschult, so daß Angelernte die Facharbeiter und Ungelernte wiederum die Angelernten ersetzen konnten. Neueingestellte Arbeitskräfte, die aus fachfremden Be56 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

rufen kamen, und industrieerfahrene Arbeiter konnten diese Möglichkeiten bevorzugt nutzen, womit diese Arbeitergruppe eine berufliche Dequalifikation eher wettmachen konnte.119 Die Entwicklung der Arbeitskräftequalifikation bei Siemens und damit in der elektrotechnischen Industrie bietet somit ein zwiespältiges Bild. Der Herausbildung neuer Facharbeiter- und Spezialberufe, der Qualifikation durch innerbetriebliche Anlernung stand die Ausweitung geringer qualifizierter Tätigkeitsfelder gegenüber. Die spezifischen Rahmenbedingungen der elektrotechnischen Industrie in den dreißiger Jahren müssen dabei beachtet werden. Diese waren gekennzeichnet durch einen parallel ablaufenden Prozeß der technischen Modernisierung und der Expansion auf dem Markt - bzw. im Rüstungssektor -, für den das benötigte Arbeitskräftepotential nicht beliebig verfügbar war. Beide Tendenzen in der Belegschaftsentwicklung bei Siemens bedingten einander. Ohne die Herstellung von elektrischen Massenerzeugnissen durch eine große Zahl geringer qualifizierter Arbeitskräfte hätten sich für den anderen Teil der Belegschaft nicht in solchem Maße Qualifikationschancen eröffnen lassen. c) Das Qualifikationsprofil in der Kruppschen Gußstahlfabrik Bei Krupp wiesen die einzelnen Betriebsgruppen der Gußstahlfabrik große Unterschiede im beruflichen Qualifikationsprofil der Beschäftigten auf. Die mechanischen Verarbeitungswerkstätten und die technischen Hilfsbetriebe besaßen einen sehr hohen Anteil an gelernten Facharbeitern, sofern die jeweilige Produktpalette nicht einen größeren Einsatz von Hilfsarbeitern erforderlich machte, wie dies z. Β. bei der Fertigung schwerer Panzer und schwerer Geschützrohre in der Grobblechwerkstatt und in Maschinenbau 21 nötig war. In den Verarbeitungsbetrieben waren die traditionellen Berufsinhalte der Schlosser, Dreher und Werkzeugmacher nicht in solch raschem Tempo verändert worden wie bei Siemens. Grundsätzlich war jedoch auch der am Beispiel Siemens beschriebene Wandel der Berufe in der Metallindustrie auf die Verhältnisse bei Krupp übertragbar. Der Einsatz neuer Metallbearbeitungstechniken machte auch vor Krupp nicht halt und erforderte neue Facharbeiterqualifikationen, wie die des Schweißens und Fräsens. Dadurch daß bestimmte Arbeitsgänge der spanabhebenden Metallbearbeitung statt von Hand durch normierte Maschinen durchgeführt werden konnten, an denen nur für Teilgebiete angelernte Arbeiter ausreichten, entstanden neben den handwerklich geprägten Metallberufen angelernte Varianten. Diese Varianten verlangten über die Kenntnis der Maschinenbedingung hinaus nur noch Teilqualifikationen des jeweiligen beruflichen Gesamtspektrums. Typische angelernte Arbeiter in der Metallbranche waren die Presser, Stanzer und Nieter und die Beschäftigten im Bereich des Transportwesens, wie z. Β. Kranführer. Die Anlern57 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zeit für Presser und Nieter dauerte von einem bis zu sechs Monaten. Mehrjährige Berufstätigkeit ermöglichte den Übergang zum Facharbeiter.120 Weitere typische Facharbeiter-Grundberufe bei Krupp waren die des Formers, Kernformers und Gießers. Neben diese Berufe mit drei- bis vierjähriger Lehrzeit traten angelernte Positionen, wie die des Maschinenformers, für den eine Ausbildung von wenigen Monaten ausreichte. Formerei- oder Gießereihilfsarbeiter wurden dazu herangezogen. Als Ausnahme ragte unter den Kruppschen Verarbeitungsbetrieben der Kleinbau 1 heraus. Seine Qualifikationsstruktur war völlig untypisch. Zur Fertigung von Schrauben, Muttern und Formdrehteilen genügte eine nicht qualifizierte und zudem junge Belegschaft. Kleinbau 1 war auch der einzige Fertigungsbetrieb, der in nennenswertem Umfang Frauen beschäftigte.121 Die Berufsstruktur der Beschäftigten in den Hüttenbetrieben und Walzwerken unterschied sich von der in den Verarbeitungsbetrieben. Vom Berufeines Hochofen-, Stahl- oder Walzwerkarbeiters konnte man eigentlich nur sehr bedingt sprechen, da es sich um un- oder angelernte Positionen handelte. Ein Ausbildungsgang war überhaupt nicht vorgeschrieben. Ein Anfänger arbeitete zunächst als Hilfsarbeiter ungeachtet einer sonstigen beruflichen Vorbildung. Je nach Eignung und Zuverlässigkeit rückte er allmählich zu den verantwortungsvolleren Stellungen auf, für die die Bezeichnungen 1., 2., 3. Mann typisch waren. Die Arbeit in den sogenannten Heißbetrieben war körperlich sehr anstrengend und gefährlich, die Arbeitsbedingungen alles andere als angenehm, Schicht- und Sonntagsarbeit an der Tagesordnung. Viele Beschäftigte trachteten danach, diesen Arbeitsplatz wieder mit einem anderen zu vertauschen, so daß eine langjährige Berufstätigkeit nur in den gehobenen Stellungen üblich war. Mit der personellen Ausdünnung der Hüttenwerke nach 1924 und der damit akuter werdenden Angst vor Arbeitslosigkeit wurden die Belegschaftsverhältnisse konstanter, zudem bot sich eine Kompensation in hohen Verdienstmöglichkeiten an. In den Kruppschen Hüttenbetrieben war in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre die Anzahl der freiwillig Ausscheidenden minimal, größer dagegen die Ziffer der in andere Werksteile Überwiesenen.122

Für die reinen Hilfs- und Platzarbeiten war neben der körperlichen Leistungsfähigkeit keine Qualifikation erforderlich. Bei den zahlreichen Vor- und Nacharbeiten zum eigentlichen Fertigungsprozeß wurde eine beträchtliche Anzahl solcher Arbeiter benötigt. Mit der Rationalisierung und technischen Verbesserung der Anlagen sank ihr Anteil etwas, da Maschinen nunmehr Teile ihrer Arbeit übernahmen. Zugleich wuchs die Bedeutung der Transportarbeiter, die mit den Betriebsabläufen und der Bedienung der Transportvorrichtungen vertraut sein mußten, und von denen damit eine größere Verantwortung und eine höhere Qualifikation verlangt wurde. Die Arbeit als 1., 2. und 3. Mann an Öfen, Konvertern, 58 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Generatoren, Walzgerüsten und als Wärter in den übrigen Hilfsanlagen erforderte eine hohe Qualifikation, die nur mit langjähriger Erfahrung zu erwerben war. Solche Arbeiter waren deshalb höchst wertvoll und kaum zu ersetzen. Ihr Können und ihre Zuverlässigkeit entschieden über den Erfolg der Produktion.123 Im Zuge der technischen Modernisierung veränderten sich die Arbeitsbedingungen in den Walzwerken gravierend. In den kontinuierlichen Walzstraßen wurde die schwere körperliche Arbeit eingedämmt, wichtiger wurden nun die Beaufsichtigung der Betriebsvorgänge und die Bedienung der Hilfsmaschinen, mit denen das Walzgut bewegt wurde. Bei Krupp wurden solche umfassenden Betriebsveränderungen und Neuanlagen im Walzwerk 2 1931/32 und im Feinblech- und Grobblechwalzwerk 1934/35 vorgenommen. Eine entsprechende Schulung der Belegschaft war dazu unerläßlich.124 Da die Kruppschen Betriebsberichte die Arbeiter der Hütten- und Walzbetriebe nicht in einzelne Qualifikationsgruppen unterteilten, können detaillierte Zahlen nicht angeführt werden. Qualifizierten Hütten- und Walzwerkarbeitern blieb die Gleichstellung mit den Facharbeitern anderer Abteilungen versagt. Jugendliche hielten wohl nicht zuletzt deshalb die Tätigkeit im Hüttenbereich für unattraktiv. Die Hüttenbelegschaften waren demnach zusehends überaltert. Im Hüttenwerk der Gutehoffnungshütte (GHH) waren 1936 nur 4,1 % der Belegschaft unter 20 Jahre alt, gegenüber 22,9% 1913. Die Leitung der Gutehoffnungshütte kam zum Schluß, daß die Hüttentätigkeiten attraktiver gestaltet werden mußten, damit Jugendliche sie nicht länger Berufen mit Facharbeiterstatus vorzögen. Denn der eingearbeitete Mann im Hüttenbetrieb sei eigentlich als vollwertiger Facharbeiter anzusehen. Gegen das Desinteresse staatlicher Stellen entschied sich die GHH deshalb 1937, mit der planmäßigen Schulung des Hüttennachwuchses zu beginnen. Es dauerte bis 1940, bis die Tätigkeiten an Hoch- und Stahlöfen und an den Walzen als Anlernberufe offiziell anerkannt wurden und die dort beschäftigten Arbeiter damit einen regelrechten Berufsstatus erhielten.125 Bei der Entwicklung der Facharbeiterqualifikationen bei Krupp ist vorab eines zu bedenken: Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der geringste Teil der Facharbeiter eine Lehre abgeschlossen, der größte Teil hatte sich intern qualifiziert. Diese Methode galt also nicht nur für den Hüttenbereich. Mit der Einrichtung einer Lehrwerkstatt im Jahre 1909 und verstärkt nach dem Krieg änderte sich dieses Verhältnis, der Schwerpunkt lag jedoch weiterhin - wie auch in der übrigen Großeisenindustrie - auf der Anlernung und Spezialausbildung, obwohl diese Arbeiter dann als Facharbeiter geführt wurden. Ein umfangreiches, kostspieliges Lehrlingswesen war auch so lange nicht zwingend, wie die betriebliche Lehre den handwerklichen Gesellenprüfungen nicht gleichgestellt wurde. Höhere Arbeitsanforderungen, drohender Facharbeitermangel und die Bemühungen von Organisa59 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

tionen wie dem Deutschen Ausschuß für technisches Schulwesen (DATSCH) und dem Deutschen Institut für technische Arbeitsschulung (Dinta) öffneten den Blick für die Notwendigkeit verstärkter betrieblicher Lehrlingsarbeit, eine Entwicklung, die durch die Weltwirtschaftskrise unterbrochen wurde, aber dann im ›Dritten Reich‹ voll durchschlug. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre konnten auch Abmachungen mit lokalen Handelskammern getroffen werden, so daß einer Anerkennung der betrieblichen Facharbeiterprüfungen nichts im Wege stand. Auf Reichsebene wurde die Frage des industriellen Ausbildungs- und Prüfungswesens allerdings erst nach 1936 gelöst.126 Gerade am Beispiel des Dinta - einer Organisation, die besonders in der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie verankert war - zeigte sich, daß die Schwerindustrie nicht alle Schleusen zum beruflichen Aufstieg der Arbeiter öffnen wollte. Im Vordergrund des Dinta stand die ideologische Komponente der Gewinnung, der Vereinnahmung des Arbeiters, um ihn der Bindung an die Gewerkschaft und Arbeiterbewegung zu entfremden. Krupp konnte mit etwas anderen Vorzeichen an die alte Tradition als Familienbetrieb anknüpfen und den sogenannten ›Krupp-Geist‹ beschwören, bzw. an den Stolz des ›Kruppianers‹ appellieren. Mit der beruflichen Qualifizierung und der Aneignung von Fachwissen vermochte der einzelne Arbeiter ein stärkeres persönliches Selbstbewußtsein zu verbinden, das seine Position auf dem Arbeitsmarkt und seinen Lohnanspruch festigte. Die Qualifikation stellte sich damit als Faktor dar »zur Bewahrung der eigenen Würde«.127 Mit der empirischen Schulung bzw. Anlernung während des Arbeitsverhältnisses bewahrten sich die Unternehmungen die Kontrolle über ihre Arbeiter. Nur eine offiziell anerkannte, abgeschlossene Ausbildung konnte der Arbeiter als erworbenen Anspruch behaupten. Daß gerade den Hüttenarbeitern die berufliche Anerkennung so lange versagt blieb, war angesichts der ideologischen Position der Schwerindustrie kein Zufall. In der Chemie- und Elektroindustrie waren die Unternehmungen der Festschreibung neuer Qualifikationen gegenüber viel aufgeschlossener, wohl weil sie modernen Wachstumsbranchen angehörten. Die ideologisch bedingte Reserve der Schwerindustrie in Fragen neuer Berufe konnte außerhalb des speziellen Hüttenbereichs kaum greifen, da in den anderen Betriebsteilen die hochqualifizierten Arbeiter in Konkurrenz mit anderen Industriezweigen beschafft werden mußten. Die Qualifikationsentwicklung bei Krupp läßt sich anhand der Betriebsberichte nur unvollständig beschreiben. Die Heißbetriebe und Hammerwerke differenzierten die Arbeiterschaft nicht. Zahlreiche Verarbeitungsbetriebe unterteilten in Hilfs- und Akkordarbeiter oder Prämien- und Akkordarbeiter. Ein Drittel der Betriebe unterschied jedoch zwischen Hilfs- und Facharbeitern. Einige Beispiele sind in Tab. 9 angeführt.128 Ein bei Siemens beobachteter Trend galt auch für Krupp. In der Wirtschaftskrise nahm der 60 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 9: Hilfsarbeiteranteil in Krupp-Betrieben 1929-1931 (in %) 2. mech. Werkstatt Gießerei 4 Grobblechwerkstatt Stahlformerei Werkzeugmacherei

30. 9. 1929 22,5 35,4 30,4 36,2 14,1

30. 9. 1930 21,6 35,9 31,1 33,0 13,8

30. 9. 1931 19,6 29,4 26,3 30,5 24,0

Quelle: HA Krupp WA 41/3-807, 856: Betriebsberichte 1930/31.

Hilfsarbeiteranteil im allgemeinen ab. Junge, ledige Arbeiter wurden zuerst entlassen, die Qualifiziertesten hielt man so lange wie möglich. In Betrieben, in denen die Hilfsarbeiter wichtige Funktionen zu erfüllen hatten, als Motorenwärter, Lageristen, Gruppenführer, Maßprüfer, wie in der Werkzeugmacherei, traf sie die Entlassungswelle weniger stark. Trotz weitaus höherer Gesamtbeschäftigtenzahl war der Hilfsarbeiteranteil 1936 im allgemeinen niedriger als 1929 (s. Tab. 10). Die Bedeutung der Facharbeiter war auf nachdrückliche Weise unterstrichen worden. Das hiervon abweichende Bild in der 1. mechanischen Werkstatt wies auf die veränderte Arbeitsmarktlage hin, die ab 1936 sich auch auf die anderen Werksteile auswirkte. Der Betriebsbericht vermerkte, daß in der 1. mechanischen Werkstatt die Anzahl der Facharbeiter noch hätte vermehrt werden müssen, aber der Mangel an gelernten und geeigneten Leuten machte die Heranbildung ungelernter Kräfte zu Maschinenarbeitern notwendig, eine Maßnahme, »die leistungsmäßig immer noch kein großer Erfolg geworden ist«. Die Herstellung von Kurbelwellen, Regeneratoren, Hochdruckkesseln und Teilen für den Schiff- und Flugzeugbau verlangte ein hohes Maß an beruflichen Fertigkeiten, die nicht binnen kurzer Frist erworben werden konnten.129 Angesichts des noch verfügbaren Arbeitskräftereservoirs waren der erfolgreichen Ausbildung von Spezialarbeitern Grenzen gesetzt. Das Mitglied des Krupp-Direktoriums, Heinrich Cuntz, berichtete von den Ergebnissen der Eignungsprüfungen unter den Umschulungsanwärtern in einem Großbetrieb, wobei es sich wohl um die Kruppsche Gußstahlfabrik handelte. Von den Anwärtern mußte in den Jahren 1935 bis 1937 jeweils ein wachsender Prozentsatz von 32, 38 bzw. 44 % als ungeeignet abgewiesen werden. Reduzierte Prüfungsanforderungen verhinderten, daß 1938 dieser Prozentsatz sich noch weiter erhöhte.130 Nur aus den Arbeitsmarktzwängen heraus war es zu erklären, daß der Anteil der Hilfsarbeiter in den einzelnen Krupp-Betrieben ab 1936 generell anstieg bei weiterhin wachsender Gesamtbelegschaftsziffer. Der Facharbeitermangel wurde schließlich so prekär, daß im August 1938, um gelernte Schlosser für wichtigere Arbeiten freizumachen, erstmalig weibliche Ar61 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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128 265 364 35 113

167 997 459 403 327

1936 19,5 16,9 15,1 37,1 35,4

1929 23,1 18,8 15,1 40,0 35,9

1930 19,7 18,3 15,2 33,9 29,4

1931

1935 — — 17,4 22,8 --

1934 — — 18,2 ---

16,2 14,0 17,8 24,3 33,9

1936

12,6 — — 27,9 34,4

1937

17,0 — — 27,7 38,4

1938

Quelle: HA Krupp WA 41/3 - 807, 812, 856, 863: Betriebsberichte. Angeführt sind Betriebe, in denen ausdrücklich zwischen Hilfs- und Facharbeitern unterschieden wird. Nur in Giesserei 2 bezieht sich der Restanteil für die Jahre 1929 bis 1931 auf Akkordarbeiter.

Modellschreinerei Kurbelwellenwerkstatt 1. mech. Werkstatt Gießerei 2 Gießerei 4

1929

Arbeiterbelegschaft (abs.)

Tab. 10: Hilfsarbeiteranteil in Betrieben der Krupp-Gußstahlfabrik 1929-1938 (in Prozent, jeweils am Ende des Geschäftsjahres - 30. 9.)

beitskräfte in der Gießerei 2 zum Schleifen und Verputzen von Kleingußteilen eingestellt und angelernt wurden. Von beruflicher Dequalifikation konnte bei Krupp nicht gesprochen werden, das Unternehmen bemühte sich eher, das Qualifikationsniveau der Beschäftigten zu verbessern. Dies belegen auch die hohen Prüfungsanforderungen für Umschulungsanwärter und die hohen Lehrlingsziffern. In der Gießerei 3 waren z. B. am 30. September 1929 5,9% der Beschäftigten Lehrlinge, am 30. September 1936 waren es 10,4%. 131 Der Produktionserfolg hing eben in entscheidendem Maß vom Leistungs- und Qualifikationsniveau der Beschäftigten ab. d) Nachlassende berufliche Attraktivität im Ruhrbergbau Im Ruhrbergbau waren während der Zwischenkriegszeit im Bereich der Arbeitskräftequalifikation vor allem zwei Veränderungen zu beobachten: Die Ausbildung des eigentlichen bergmännischen Facharbeiters untertage, des Hauers, wurde systematisiert und institutionalisiert, und die im Züge der Rationalisierung neu geschaffene Abbauorganisation glich den Beruf des Bergmanns den Bedingungen der Industrie an. Ein planmäßiger Ausbildungsgang hatte bis in die Mitte der zwanziger Jahre im Bergbau überhaupt nicht bestanden. Berufsanfänger wurden zunächst über Tage, wo man sie gerade gebrauchen konnte - z. B. am Leseband - als ungelernte, billige Arbeitskräfte beschäftigt. Nach dem Erreichen des 16. Lebensjahres konnte der angehende Bergmann untertage verwendet werden beim Beladen der Wagen oder als Schlepper und Rangierer. Nach weiterer Einarbeitung konnte der Aufstieg zum Lehrhauer erfolgen, eine Funktion, bei der die Hilfestellung für den Hauer mit der eigenen fachlichen Weiterbildung verknüpft war. Die Möglichkeit des Aufstiegs zum Hauer ergab sich erst nach dem 20. Lebensjahr, sofern eine Stelle frei war. Eine systematische Ausbildung und Abschlußprüfungen waren nicht vorgesehen. Der Weg zur Hauerstellung war keineswegs als Lehre im eigentlichen Sinne zu bezeichnen, in der Praxis wurde der angehende Hauer vielmehr lange Jahre als Hilfsarbeiter untertage eingesetzt und mußte sich innerhalb des normalen Arbeitsprozesses die entsprechenden Fähigkeiten aneignen. Unter Federführung des Dinta wurde 1926 erstmals im deutschen Bergbau auf der Zeche Centrum in Wattenscheid eine bergmännische Lehrwerkstatt eingerichtet, in der die jungen Bergleute vier Jahre ausgebildet wurden und am Ende in einer Prüfung der Lehrhauerschein erworben werden konnte.132 Im Jahre 1929 waren im Oberbergamtsbezirk Dortmund zwölf Berglehrlingswerkstätten eingerichtet, in denen 1100 ›Bergjungleute‹ planmäßig theoretisch und praktisch ausgebildet wurden. Den Abschluß der Ausbildung bildete die Hauerprüfung, die nicht vor dem 21. Lebensjahr abgelegt werden durfte.133 63 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Großes Gewicht erhielten diese neuen Ausbildungsmethoden im Ruhrbergbau vor 1933 aber nicht. Eine langfristig angelegte und kostenintensive Nachwuchspolitik erschien den Zechenleitungen angesichts des überfüllten Arbeitsmarktes und ohnehin immer weiter steigender Förderziffern nicht vordringlich und in der Weltwirtschaftskrise am ehesten verzichtbar.134 Eine geregelte Nachwuchspolitik wurde in der Mitte der dreißiger Jahre aber unumgänglich. Jugendliche fanden den Beruf des Bergmanns kaum noch attraktiv und drängten in die Berufe der Metallindustrie, die höhere Löhne, kompaktere Lehrzeiten und besseres Berufsprestige versprachen. Die Zechenbelegschaften alterten, da jüngere Bergleute in andere Branchen abwanderten - der Bergbau verharrte im Schatten des nationalsozialistischen Wirtschaftsaufschwungs - und Jugendliche kaum nachrückten. Zugleich war dies eine Folge der sozial begründeten Entlassungspolitik der Zechen während der Krise, bei der (ältere) Familienväter bevorzugt behandelt wurden. Die Überalterung der Belegschaften ließ die Leistungsziffern im Ruhrbergbau absinken, zumal der Bergbau inzwischen auch finanziell und technisch an seine Grenzen gestoßen war. Nun rächte es sich, daß die Nachwuchspflege im Bergbau einen solch geringen Rang eingenommen hatte.135 Im Jahre 1935 hatte der Ruhrbergbau, wie ein Referent des Landesarbeitsamtes aus seinem Bezirk berichtete, nur halb so viele Jugendliche eingestellt, wie dem natürlichen Abgang entsprechend benötigt würden. Erst 1936 hatte sich die Anzahl der bergmännischen Berufsschüler im Ruhrgebiet signifikant auf 10647 erhöht. Allerdings bedeutete dies noch nicht, daß diese Jugendlichen auch alle eine systematische Ausbildung erhielten.136 Die Konkurrenz zwischen der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront (DAF), in die inzwischen das Dinta eingegliedert worden war, und den Bergbauunternehmungen um die Grundsätze und Befugnisse der Berufserziehung, eine Konkurrenz, die auf den tiefergehenden Konflikt zwischen DAF und Industrie zurückging, führte zu einer verstärkten Ausbildungspolitik der Zechen. Denn diese wollten damit die DAFBemühungen gegenstandslos erscheinen lassen. Zudem machte sich nun der Mangel an Fachkräften im leistungsfähigsten Alter bemerkbar. Im März 1936 besaßen von insgesamt 140 fördernden Schachtanlagen des Reviers 94 Anlernwerkstätten und 26 Anlernecken, in denen das von der Dinta in den zwanziger Jahren entwickelte Konzept mit vierjähriger Ausbildungszeit weiterverwendet wurde. 137 Die vierjährige Ausbildung zum Bergknappen war jedoch keine notwendige Voraussetzung für den Erwerb des Hauerscheins, außerdem galt für diese Ausbildung nicht der formale Status einer Lehre. Das Ausbildungsniveau schwankte beträchtlich je nach betrieblichen Möglichkeiten und Erfordernissen. Abzulegende Prüfungen waren dem Nachwuchsbedarf entsprechend keine unüberwindliche Hürden. Auch als im Herbst 1940 die vierjährige Ausbildung zum Knappen 64 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

offiziell als bergmännische Lehre anerkannt und damit der Facharbeiterqualifikation in der Industrie angeglichen wurde, änderte sich am Qualifikationsweg des Bergmanns kaum etwas. 138 Die organisatorische und zum Teil technische Umstrukturierung des Abbaus veränderte in der Zwischenkriegszeit die Berufs- und Arbeitsinhalte der Bergarbeiter nicht in gleichem Maße wie in den anderen besonders den modernen - Industrien. Ein Einsatz von vollautomatischen Gewinnungsmaschinen fand nicht statt. Der Abbauhammer war nur ein verbessertes Handwerkszeug, erforderte immer noch körperlich anstrengende Bedienung und brachte dazu noch Belastungen durch Lärm und Erschütterungen mit sich. Der Produktionsertrag war weiterhin vom Hauer und nicht etwa von Maschinen abhängig. Auch bei den Schrämmaschinen war bergmännische Geschicklichkeit unverzichtbar. Die hohe Arbeitsintensität des Bergbaus war infolge der Rationalisierung nicht geschwunden, die spezifischen beruflichen Fähigkeiten des Bergmanns waren nicht obsolet geworden. Die wesentlichste Veränderung fand im persönlichen Arbeitsbereich des Hauers statt. Während früher der Hauer eher eigenverantwortlich tätig war, seinen Arbeitsrhythmus selbst bestimmte, hatte der Trend zu wenigen großen Abbaufronten einen grundsätzlichen Wandel herbeigeführt. Der Arbeitsrhythmus war nun vorgeschrieben. Der Schichtwechsel von Vortrieb, Abbau und Versatz erzwang ein bestimmtes Pensum innerhalb einer Schicht. Der Wertung von Rudolf Tschirbs ist zuzustimmen: »Arbeitshetze, Antreiberei, Kommunikationsmangel waren die Zeichen der neuen Zeit.« Die »Einsatzmöglichkeit im Rahmen der kalkulierten Betriebsorganisation«, das »feste Pensum« stellte den »strengsten Bruch mit der Vergangenheit« dar, die bergmännische Arbeit wurde den Bedingungen der Fabrik angenähert.139 Der Hauer verlor seinen traditionellen Nimbus, der von seiner besonderen, auf sich allein gestellten Arbeit untertage, von seinem elementaren Verhältnis zum »Berg« herrührte und in berufsständischer Abgrenzung von alters her gepflegt worden war. Wenig unterschied ihn noch von anderen Industriearbeitern. Davon unabhängig ging jedoch der Anteil der Hauer an der Gesamtbeschäftigtenzahl nicht zurück. Die berufliche Qualifikation der Hauer war nicht zu ersetzen.140 Vor diesem Hintergrund waren auch die verstärkten Ausbildungsbemühungen nach 1933 zu sehen. Ohne qualifizierte Arbeitskräfte konnte das Leistungsniveau des Bergbaus nicht gehalten werden. Dabei reichte es nicht aus, die »arbeitsmoralischen Eigenschaften« des Bergmanns, die Bildung des »Charakters« - im Sinne von Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein, Sorgfalt usw. - zu intensivieren.141 Die Annäherung an die Bedingungen der Fabrik bedeutete auch, daß eine systematische, geplante und industriemäßige Facharbeiterausbildung übernommen werden mußte. Der Nimbusverlust des Hauers, die körperlich anstrengende schmutzige Tätigkeit des Bergmanns und extremer Leistungsdruck führten in Verbin65 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

dung mit den bis 1936 andauernden Beschäftigungsproblemen der Branche zu einer nachlassenden Attraktivität des Bergarbeiterberufs. Im Vergleich zu den Beschäftigten in der Eisen- und Stahlindustrie gerieten die Bergleute auch lohnmäßig ins Hintertreffen, was bei der engen Verzahnung beider Industrien auch deutlich ins Bewußtsein drang. Der Versuch, an alte berufsständische Traditionen im Bergbau anzuknüpfen, im »deutschen Bergmann« den Inbegriff des deutschen »Arbeitertums« zu propagieren, wie dies besonders in NSBO-Publikationen der Fall war, konnte höchstens bei älteren und alteingesessenen Bergleuten verfangen. Die Einschätzung des bergmännischen Berufs wurde davon nicht nachhaltig geprägt. Ein Schreiben der DAF-Gaubetriebsgemeinschaft Bergbau an sämtliche Betriebszellenobleute des Gaus Essen vom 17. Dezember 1936 enthielt gleichsam das Eingeständnis, daß die Imageverbesserung des Bergarbeiterberufs auf dem Wege über die Ständeideologie mißlungen war: »Allgemein stellen wir im Bergbau fest, daß die Söhne der Bergleute zum großen Teil nicht mehr den Beruf ihrer Väter ergreifen und der andere Teil nur aus einem gewissen Zwang heraus, also ohne Berufsfreude, ohne innere Bereitschaft, die bestimmt zum Bergmannsberuf auf Grund seiner Eigenart notwendig ist, Bergleute werden. Die Ablehnung des Bergmannsberufs von der Jugend hat natürlich die Voraussetzung, daß die Väter selbst ihren Beruf ablehnen. . .« 142 Die vom Bergbau ausgehende These Gillinghams, daß im ›Dritten Reich‹ das ›Berufsethos‹ als Ersatz für die Bindung an sozialistische Lehrsätze sich Geltung verschafft habe, erscheint bar jeder Realität; im Gegenteil - der Bergbau war an den Tiefpunkt seines Ansehens gelangt. Die Bergarbeiter waren nicht zur ›Aufopferung‹ bereit, sondern wehrten sich mit allen verfügbaren Mitteln, mit Krankfeiern und Leistungsverweigerung, gegen die immer drückender werdende Arbeitsbeanspruchung.143 Verstärkte Ausbildungsmaßnahmen und die Formalisierung der bergmännischen Lehre hatten es nicht vermocht, den Beruf des Bergmanns attraktiver zu gestalten. Mit zunehmendem Alter sank die körperliche Leistungsfähigkeit der Bergleute, die hohen Anforderungen der Akkordarbeit konnten nicht mehr erfüllt werden. Das Einkommen des Bergmanns jenseits von ca. 45 Jahren sank rapide. Die berufliche Degradierung blieb damit vorprogrammiert. Der ältere Bergmann konnte nur noch körperlich weniger anstrengende, schlechter bezahlte Tätigkeiten - z. B. am Leseband - verrichten. Diesen scharfen Knick in der Lebensverdienstkurve vermochten nur ganz wenige Bergleute durch den innerbetrieblichen Aufstieg zu Oberhauern oder Fahrhauern zu umgehen. Die finanziellen und insbesondere auch psychischen Konsequenzen der beruflichen Herabstufung des alternden Bergmanns trugen in erheblichem Maße zur Unbeliebtheit des Bergarbeiterberufs bei. Alle Versuche, die Arbeit untertage beruflich aufzuwerten, konnten den Statusverlust des Bergmanns nicht wettmachen.144 66 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

e) Berufs- und Qualifikationsperspektiven in der Zwischenkriegszeit In einem kurzen Resümee lassen sich die Grundzüge der Qualifikationsentwicklung in der Zwischenkriegszeit wie folgt zusammenfassen. Von einer generellen beruflichen Dequalifizierung der Arbeiterschaft läßt sich nicht sprechen. Nur der Bergbau hatte branchenspezifische Probleme, die jedoch nicht direkt das Qualifikationsniveau betrafen. Der Vormarsch der Frauenarbeit in der Elektroindustrie kam am ehesten einer Dequalifikation gleich. Daneben gab es Tendenzen, die auf ein Mehr an Qualifikation hinausliefen. Speziell die Ungelernten in der Chemieindustrie konnten ihren beruflichen Status verbessern. Auf Kosten der Ungelernten wuchs die Schicht der Angelernten beträchtlich an, für die es wiederum fließende Übergänge zum Gelernten gab. Der Begriff des Angelernten bezeichnete nicht notwendigerweise eine geringere Qualifikationsstufe als die des Gelernten, er markierte vielmehr nur ein anderes - eben industrietypisches - Qualifikationsmerkmal. Die verfügbaren Daten zur langfristigen Qualifikationsentwicklung der Gesamtarbeiterschaft im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland bieten kein zuverlässiges Bild, da die Erfassungsgrößen und -kriterien ständig schwankten und die Ergebnisse der Betriebszählung von 1933 wegen der Massenarbeitslosigkeit äußerst problematisch sind. Allen Erhebungen ist aber ein säkularer Trend gemeinsam: die deutliche Abnahme der ungelernten Arbeit.145 Nur bedingt aussagekräftig scheinen auch die Daten zur berufsmäßigen Binnenstruktur der Arbeiterschaft, die Rüdiger Hachtmann anhand der Reichsstatistik zusammengestellt hat. Diese Erhebungen lassen grob skizziert für den Gesamtbereich Industrie und Handwerk und die wichtigsten Einzelbranchen folgenden Trend erkennen: Zwischen 1928 und 1933 stieg der Anteil der Facharbeiter an, um dann bis 1939 wieder unter den Wert des Jahres 1928 zu sinken. Der Anteil der Facharbeiter nahm damit ›unter dem Strich‹ im ›Dritten Reich‹ ab. 146 Die Daten des Jahres 1933 können jedoch nicht repräsentativ sein, da in der Krise Ungelernte und jüngere Arbeiter zuerst entlassen wurden und die Betriebe sich bemühten, den bewährten Facharbeiterstamm zu halten. Genauso wenig repräsentativ ist das Erhebungsjahr 1939, da der prozentuale Anteil der Facharbeiter mit der absoluten Zahl der Beschäftigten in Industrie und Handwerk in Beziehung gesetzt werden muß: Die Beschäftigtenzahl im sekundären Sektor war 1939 auf 16,6 Millionen angewachsen - im Vergleich zu 13,7 Millionen im Jahre 1928. In den Schlüsselbereichen der Investitionsgüterbranche, wie z. B. der Metallindustrie, war der Anstieg noch deutlicher.147 Die von Hachtmann vorgelegten Statistiken belegen, wie gravierend der Facharbeitermangel in den expandierenden Zweigen der deutschen Industrie am Vorabend des Zweiten Weltkrieges war und wie dringend notwendig verstärkte Ausbildungsbemühungen waren. 67 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Geht man auf die Ebene der Berufsinhalte und tatsächlichen Arbeitsanforderungen, so überwiegt der Aspekt der Qualifikationszunahme. Zu berücksichtigen ist dabei, daß sich auch die Definition industrieller Qualifikationen änderte. Neben manuelle Fertigkeiten oder sogar an deren Stelle traten allgemeine technische Fähigkeiten und Kenntnisse und gewisse ›extrafunktionale Fertigkeiten‹, wie Verantwortlichkeit, Anpassungsfähigkeit und Übersicht, die für den reibungslosen Ablauf einer hochorganisierten Produktion unerläßlich waren. Die körperlich besonders schwere Arbeit ging daneben dank vermehrten Maschineneinsatzes zurück.148 Die Ausgangslage für die Qualifikationsentwicklung zu Beginn des Jahrhunderts darf ebenfalls nicht vernachlässigt werden. Der traditionelle Facharbeiter war beileibe nicht immer die umfassend ausgebildete, hochqualifizierte Fachkraft, zu der er rückblickend und verklärend gern stilisiert wird. Gang und gäbe war die interne Ausbildung im Betrieb, die zwar häufig das Etikett Lehre erhielt, in Wirklichkeit aber auf einen Angelernten-Status hinauslief. Erst kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs begann das betriebliche Ausbildungswesen systematischere Formen anzunehmen. Der Durchbruch fand unter technologischen Zwängen eigentlich erst in den zwanziger Jahren statt, als eine Reorganisation, Vereinheitlichung und Intensivierung der industriellen Ausbildungspraxis in die Wege geleitet wurde. 149 Die These, daß die gelernte Arbeit abgenommen habe, basiert auf einer allzu isolierten Betrachtung der Jahre unmittelbar nach der Inflation. In dieser Phase, als die Rationalisierung zum neuen Schlüsselwort und beherrschenden Trend wurde, neigte man dazu, die aus der Rationalisierung resultierende Strukturveränderung der Beschäftigung überwiegend als Dequalifizierung zu interpretieren. Tatsächlich wurden damit jedoch Fehlentwicklungen aus Krieg und Inflation, die zu einem Beschäftigtenüberhang geführt hatten, korrigiert, fehlende Innovationen in der Betriebsorganisation nachgeholt und gegen die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit angegangen. Daß dabei manche alte Facharbeiterqualifikation den Anforderungen nicht mehr genügte und angelernte Tätigkeiten in einigen Industrien stärker in den Vordergrund traten, hatte viel mit der mangelhaften Ausbildung in den Betrieben während des Krieges und der Inflation zu tun und mit den unsicheren Wirtschaftsaussichten während der zwanziger Jahre, die zahlreiche Betriebe vor größeren Ausbildungsinvestitionen zurückschrekken ließen. Nimmt man die gesamte Zwischenkriegszeit als eine Einheit, so wird deutlich, daß der fortschreitende technische Wandel ein verbessertes Ausbildungsniveau der Beschäftigten verlangte. 150 Ende der zwanziger Jahre wurde bereits ein spürbarer Facharbeitermangel konstatiert. Wirkungsvolle Maßnahmen konnten jedoch erst ergriffen werden, als der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise überschritten war. Der Facharbeiter war in der Industrie nicht zu ersetzen, da er den vielfältigen Anforderungen des technischen Wandels am besten gerecht werden 68 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

konnte. Die Ungelernten waren diejenige Gruppe, die vom Abbau der Arbeitslosigkeit unmittelbar ab 1933 am wenigsten profitierte. Daneben standen zumeist ältere Facharbeiter, die schon lange Jahre nicht mehr in ihren erlernten Berufen gearbeitet hatten.151 Der Facharbeitermangel war kein spezifisch deutsches Problem - und dies zeigt deutlich den Einfluß des technischen Wandels bzw. der industriellen Modernisierung - sondern ein internationales. Der französische Soziologe, Georges Friedmann, konnte in einer vergleichenden Untersuchung feststellen, daß in den dreißiger Jahren die meisten Industrieländer vor ähnlichen Problemen standen: »Trotz der Krise - und, wie wir sahen, zuweilen durch sie verursacht - pass(t)en sich die industriellen Berufe den technologischen Veränderungen, der Mechanisierung und der Automatisierung an. . . . Der technischen Vielseitigkeit des mechanisierten und durch die technische Entwicklung unaufhörlich verwandelten Betriebes muß(te) eine Vielseitigkeit der Berufsausbildung entsprechen.«152 Die Gleichstellung der Facharbeiterprüfungen in der Industrie mit den Gesellenprüfungen im Handwerk, die ab 1936 in einem erbitterten Kompetenzkonflikt zwischen DAF, Industrie und Reichswirtschaftsministerium de facto erreicht wurde, unterstrich die Bedeutung der beruflichen Qualifikation nachhaltig. Die Intensivierung und endgültige organisatorische Gestaltung der Berufsausbildung und die Spezifizierung der Berufsfelder richtete sich am Bedarf nach qualifizierten Fachkräften aus, der nicht nur durch die Rüstungsproduktion sondern ganz allgemein durch den technologischen Wandel bedingt war. Die Lenkung des Arbeitseinsatzes im nationalsozialistischen Vierjahresplan war der Versuch, von staatlicher Seite etwas gegen das Problem der Arbeitskräfteknappheit zu unternehmen und zugleich die Arbeiterschaft zu disziplinieren. Die erhöhte Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften, nach einem Mehr an Ausbildung entwikkelte sich nicht auf staatlichen Druck hin, sondern in einem »vom nationalsozialistischen Regime der Wirtschaft konzedierten Freiraum«, entsprang also durchaus industriespezifischen Erfordernissen.153 Auch andere Industriestaaten standen, wie gesagt, vor der Aufgabe, ihre Berufsausbildung dem fortschreitenden technisch-sozialen Wandel der Arbeitswelt anzupassen. In Deutschland wurde dieser Prozeß noch durch die politisch-ideologischen Zielsetzungen beschleunigt. Die ökonomische Leistungssteigerung der Wirtschaft war eine notwendige Vorbedingung zur Verwirklichung der nationalsozialistischen Herrschaftspolitik. Zudem waren eng damit NS-spezifische sozialpolitische Motive verknüpft, indem die Schaffung des standesbewußten Facharbeiters der antiproletarischen ideologischen Ausrichtung des Nationalsozialismus entgegenkam. Daß die starke Zunahme von Facharbeiterprüfungen in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre auch eine Folge des extremen Arbeitskräftemangels war, und damit eine Konsequenz des NS-Rüstungsbooms, steht außer Frage. Durch solche neu geschaffenen Ausbildungsgänge und Berufs69 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zweige sollten industrielle Arbeitsplätze für Beschäftigte im Handwerk und für den beruflichen Nachwuchs attraktiver gestaltet werden. Die ab 1934/ 35 auf den Arbeitsmarkt drängenden geburtenstarken Jahrgänge wurden von der Industrie dadurch umworben, daß die Facharbeiterprüfungen den traditionellen Gesellenprüfungen in Form eines berufsspezifischen Qualifikationsnachweises gleichwertig gegenübergestellt wurden. Der Primat der Wirtschaft im dualen System der Berufsausbildung war andererseits ein Zugeständnis des NS-Regimes an die Interessen der Industrie - mit langfristigen Folgen: Denn diese Ausrichtung blieb ein bestimmendes Strukturelement der beruflichen Bildung in der Bundesrepublik Deutschland.154 Die Umschulung und Anlernung von Arbeitskräften, die dazu führte, daß vielfach der Facharbeiteranteil in den Betrieben nach 1936 zurückging, schmälerte nur vordergründig die Bedeutung des Facharbeiters. Die Umschulung versprach eine schnelle Behebung des Fachkräftemangels und machte hochqualifizierte Arbeiter für anspruchsvollere Tätigkeiten frei. Die intensivierte Lehrlingsausbildung konnte sich erst mit einer Phasenverschiebung von bis zu fünf Jahren bemerkbar machen, da die Ausgebildeten erst dann als eingearbeitete Kräfte nutzbar waren. Kurzfristig mußte durch ein verbessertes Anlernwesen diese Lücke geschlossen werden.155 Die Verbesserung der Qualifikations- und Berufsperspektiven in den dreißiger Jahren hatte nicht zu unterschätzende Wirkungen auf das Bewußtsein der Arbeiterschaft. Die Bedeutung des Berufsbewußtseins für das Selbstverständnis der Arbeiterschaft kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Es mußte nicht erst durch den Nationalsozialismus geweckt werden. Ein ausgeprägter Berufsstolz war auch bei den meisten sozialdemokratischen und kommunistischen Facharbeitern anzutreffen, und er wurde durch die Gewerkschaften besonders gefördert. Auch auf jugendliche Arbeiter übten berufliche Leitbilder eine hohe Anziehungskraft aus. 156 In der Wirtschaftskrise erfuhren viele Arbeiter-Berufskarrieren eine Unterbrechung durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Auf Seiten der Jugendlichen schwanden die Chancen, einen Beruf zu erlernen, sie mußten versuchen, Geld auch durch ungelernte Arbeit zu verdienen. Der nationalsozialistische Wirtschaftsaufschwung führte zuerst bei den gelernten Arbeitern wieder zur beruflichen Stabilisierung, und er schuf mit seiner verstärkten Förderung der Berufsausbildung und der erhöhten Nachfrage nach Fachkräften vermehrt Gelegenheiten, überhaupt erst individuelles berufliches Können zu erwerben und damit einen innerbetrieblichen Aufstieg zu erreichen. Die Entwicklung der eigenen beruflichen Karriere blieb im Rückblick für viele Arbeiter die prägende Erfahrung, die auch die politische Unterdrückung und Rechtlosigkeit im ›Dritten Reich‹ überlagerte. Sicher sind methodische Vorbehalte bei Befragungen aus der Rückschau angebracht. Auch läßt sich das generelle Dilemma kaum lösen, daß die Lage der Arbeiterschaft ungleich besser dokumentiert ist als deren Reaktion. Doch gibt es Indizien, die auf die Bedeutung der neuerrungenen Berufsperspek70 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

tive für die Arbeiter im ›Dritten Reich‹ hinweisen. Das Forschungsprojekt über ›Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930 bis 1960‹, das eine Rekonstruktion alltagsgeschichtlicher Sachverhalte zum Ziel hat, weist gerade den beruflichen Erfahrungen im Betrieb während der NS-Zeit einen hohen Stellenwert zu: »Die eigene Arbeitsleistung wird vor allem von den Arbeitern stark hervorgehoben, die individuelle Qualifikation ist geradezu das Leitthema der Berichte.«157 Ausgehend vom hohen Arbeitsethos, das für qualifizierte Arbeiter charakteristisch war, stand die individuelle Arbeitsleistung, das eigene Können im Vordergrund. Dieses konnte sogar »die politischen Mechanismen quasi außer Kraft«158 setzen, denn in der Hierarchie der kapitalistischen Arbeitswelt gab die Leistung den Ausschlag. Die individuelle Qualifikation und die daraus resultierende größere Arbeitszufriedenheit bildete einen Schutzwall zur »Bewahrung der eigenen Würde«159 auch unter den Bedingungen des Nationalsozialismus. Selbst angelernte Arbeiter, die als Spezialarbeiter mit bestimmten Maschinen und Arbeitstechniken besonders vertraut waren, hatten die Chance, innerhalb der Berufshierarchie Boden gut zu machen.160 Sogar bei Arbeitergruppen, wie z. B. den Chemiearbeitern, die bisher auf der untersten Stufe der Qualifikationspyramide gestanden hatten, ließ sich ein neues Qualifikationsprofil ausmachen.161 Für die bewußtseinsmäßige Integration in die moderne Industriegesellschaft spielten die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten eine erhebliche Rolle. Die Chance zu einem individuellen Leistungsaufstieg, die sich im ›Dritten Reich‹ bot, wurde von vielen Arbeitern im Rückblick als positiver Aspekt des Nationalsozialismus hervorgehoben.162 Die Befunde aus der erfahrungsgeschichtlichen Perspektive lassen erkennen, daß in diesem, durch die technische Entwicklung mitbedingten Trend zu mehr Qualifikation und beruflicher Mobilität eine Teilantwort auf die Frage liegt, warum es den Nationalsozialisten gelang, das Gros der Arbeiter in ihren Staat einzubinden.

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II. Aspekte der Lohnentwicklung Die Entwicklung der Löhne in den betreffenden Betrieben und Branchen für den gesamten Untersuchungszeitraum zu analysieren und zu werten, wäre ein eigenes Thema. Da die Einkommen zwischen den einzelnen Qualifikationsabstufungen und innerhalb derselben zwischen einzelnen Betriebsteilen, ja Arbeitsplätzen, erheblich schwankten, Leistungs- und Sozialzulagen ein weiteres Element der Differenzierung einbrachten, die individuelle Arbeitszeit, die Ausnahmesituation der Weltwirtschaftskrise und die reale Kaufkraftentwicklung weitere Untersicherheitsfaktoren darstellten, kann ein umfassendes systematisches Bild, gerade auch aufgrund der lückenhaften Quellenlage, über einen derart bewegten Zeitraum hinweg nicht gezeichnet werden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf die Grundzüge der Einkommensentwicklung der vier Unternehmen bzw. Branchen und greifen zur Illustration auf besonders signifikante Fälle zurück.1

1. Die Leistungsentlohnung bei IG Farben Die Beschäftigten in der chemischen Industrie hatten in den zwanziger Jahren einen im Vergleich zum Vorkriegsstand hohen Lohnzuwachs erfahren. Bei der BASF in Ludwigshafen lag der Reallohn 1928 für die Handwerker um 11 % über dem von 1913, für die Betriebsarbeiter um 16 % und für die Gruppe der Maschinisten sogar um bis zu 20%. In der chemischen Industrie ingsgesamt lag dieser Anstieg niedriger, bei rund 10%. Die technische, wirtschaftliche und organisatorische Struktur des IG Farbenkonzerns ermöglichte es ihm, höhere Löhne zu zahlen. Die Chemie war keine lohnintensive Branche, die Lohnsumme machte nur einen Anteil von 20-25 % an den Gesamtkosten der IG Farben aus, so daß die Rentabilität von der Lohnhöhe nicht in gleichem Maße abhing, wie in anderen arbeitsintensiveren Branchen. Die Differenz der Löhne von Gelernten bzw. Handwerkern und Ungelernten verringerte sich gegenüber der Zeit vor 1914 zugunsten der letzteren. Dies war ein deutlicher Ausdruck des Statusgewinns dieser Gruppe.2 Vom effektiven Monatsverdienst aus gesehen bestand jedoch weiterhin eine beträchtliche Kluft zwischen Handwerkern und Betriebsarbeitern (s. 72 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 11). Die Lohngruppen bis 200 RM waren auch bei den Betriebsarbeitern gering besetzt - die Arbeiterinnen erfaßte diese Erhebung nicht. Der überwiegende Teil der Betriebsarbeiter verdiente zwischen 200 und 300 RM im Monat. Das doch verhältnismäßig breite Einkommensspektrum machte deutlich, daß die an sich ungelernten Betriebsarbeiter keine einheitliche Gruppe darstellten und in Lohnbereiche vorstoßen konnten, die in anderen Industrien nur Facharbeitern vorbehalten waren. 3 Die Höhe des Lohns zeigte, daß die Betriebsarbeiter in der Chemie keine unqualifizierten, jederzeit austauschbaren Arbeitskräfte waren. Die meisten Handwerker fanden sich in den Verdienststufen jenseits 300 RM, was auch damit zu tun hatte, daß mehr Handwerker im besser gestellten Stück- bzw. Akkordlohn arbeiteten. Auf der Basis des reinen Tariflohns hätten die Chemiearbeiter zu den geringer bezahlten Arbeitergruppen gehört. Jedoch erhöhte sich dieser Grundlohn um Sozialzulagen, solche für besondere Arbeitsbelastungen z. B. im Umgang mit gefährlichen, gesundheitsgefährdenden Stoffen und um Zuschläge für Mehr- und Überarbeit. Stücklohnarbeiter konnten durch Akkordzulagen ihren Verdienst steigern, Zeitlohnarbeiter durch besondere Fabrikations- und Leistungsprämien, die in der Regel nach dem monatlichen Fabrikationsergebnis einer Abteilung berechnet wurden. Eine Besonderheit des IG Farbenkonzerns waren die Jahresprämien, die jedem Beschäftigten zustanden und die im Jahre 1930, ähnlich den Vorjahren, folgendermaßen errechnet wurden: Grundbetrag 24 RM plus 1,2% des Einkommens im Jahre 1930, sowie 3 RM pro Dienstjahr.4 Tab. 11: Effektivverdienste bei IG-Farben im Oktober 1928 pro Monat bis RM 125,126,- bis 150,151,- bis 200,201,- bis 250,251,- bis 300,301,- bis 350,351,- bis 400,401,- bis 450,451,- bis 500,-

Betriebsarbeiter 96 54 2853 14537 11282 1281 111 30 16 30260

in % Handwerker in % 0,3 0,2 9,4 48,0 37,3 4,2 0,4 0,1 0,05

17 17 84 1224 5145 8612 2028 123 3

Zusammen

in %

113 71 2937 15761 16427 9893 2139 153 19

0,2 0,15 6,2 33,2 34,6 20,8 4,5 0,3 0,04

0,1 0,1 0,5 7,1 29,8 49,9 11,7 0,7 0,02

17253

47513

Quelle: Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 18. 4. 1929. Die Daten beruhen auf einer Erhebung in den einzelnen Werken der IG für den Monat Oktober 1928 bei allen männlichen Vollarbeitern, und zwar bei den Handwerkern (ohne Vorarbeiter, Hilfshandwerker, Heizer u. Maschinisten) und bei den ungelernten Arbeitern (ausschl. Vorarbeiter, einschl. Posten- und Erstleute). Erfaßt wurden nur Beschäftigte, die in diesem Monat nach ihrer normalen Arbeitszeit voll gearbeitet hatten.

73 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Im reinen Zeitlohn arbeitete etwa ein Drittel der Arbeiterbelegschaft, wie aus den amtlichen Lohnerhebungen in der chemischen Industrie hervorging. Beim größeren Teil der Zeitlohnarbeiter bestand ein Leistungsanreiz über Prämienzulagen. Die Abhängigkeit der Produktion von besonderen chemischen Reaktionen und selbständig arbeitenden Apparaturen schloß weitgehend den Einsatz von individuellen Leistungs- und Akkordsystemen aus. Deshalb waren bis zu 80% der Arbeiter im Zeitlohn mit oder ohne allgemeine Produktionsprämien beschäftigt (s. Tab. 12). In den Werkstatt- und Hilfsbetrieben, bei Wartungsarbeiten, Verpackung und Verladung galt dagegen überwiegend der Stück- bzw. Akkordlohn. Der Anteil der Handwerker an dieser Lohnform war deshalb auch besonders hoch. Der tatsächlich ermittelte Stundenlohn in der gesamten chemischen Industrie überstieg 1928 bei männlichen Betriebsarbeitern den tarifmäßigen Satz um 19,6 bzw. 18,2%, bei Handwerkern sogar um über 20%. Im Stücklohn fiel der übertarifliche Zuwachs etwas geringer aus, da hier schon vom - höheren - tariflichen Akkordrichtsatz ausgegangen wurde. Bei IG Farben war der Abstand zum Tariflohn noch größer. BASF-Betriebsarbeiter lagen 1928 um 32,7 % über dem Tarifstundenlohn.5 Diese hohen übertariflichen Lohnsätze entsprangen dem unternehmerischen Kalkül, verstärkt Leistungsanreize zu geben und individueller differenzieren zu können nach Arbeitsanforderungen und Arbeitsertrag. Ein vertraglicher Anspruch auf diese Zuschläge bestand nicht, sie konnten jederzeit gekürzt werden. Die Abhängigkeit des Arbeiters war damit größer, zugleich bestand aber die Chance, höhere Löhne als in anderen Branchen zu erzielen. Die Tatsache, daß diese Lohnzulage durch das Unternehmen freiwillig gewährt wurde und nicht einer staatlichen Lohnfestsetzung über das Schlichtungswesen bzw. die Zwangsschlichtung entsprach, läßt sich gegen die These anführen, das Lohnniveau in der deutschen Industrie sei gemessen an der Produktivitätsentwicklung in den zwanziger Jahren eindeutig zu hoch gewesen. Hätte eine solche Diskrepanz bestanden, hätte sich wohl kaum ein Spielraum für derart hohe übertarifliche Zulagen eröffnet.6 Anhand der chemischen Industrie kann die Reaktion der Arbeiterschaft auf das System des Leistungslohns exemplarisch beschrieben werden. Die Einführung der Leistungslöhne auf breiter Front zu Beginn der zwanziger Jahre stieß in der Chemie - und nicht nur dort - auf heftigsten Widerstand seitens der Arbeiterschaft, da die Beseitigung eben dieses Entlohnungssystems eine der Errungenschaften der Revolution gewesen war. Die Arbeiterschaft sah darin nur ein unternehmerisches Disziplinierungsinstrument. Durch willkürliche Akkordfestsetzungen, unklare, überstürzt eingeführte Bemessungsgrundlagen und in mangelnder Betriebsorganisation begründete Engpässe (z. Β. beim Materialnachschub) fühlte sie sich um den zustehenden Lohn gebracht.7 74 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

75

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23,4 (13,0) 34,8 (20,4) 21,6

76,6 (14,9) 65,2 (24,2) 78,4

Einschl. Prämienlohn Getrennt ermittelt bei Zeitlohn/Prämienlohn Zeitlohn/Prämienlohn = 4,6/20,2

14,8 (18,2)

85,2 (19,6) 67,9 (15,6) 63,5 (20,2) 79,6

89,7 (15,8)3

89,9 ( 9,3/25,1)2 71,2 ( 6,6/21,0)2 65,3 (10,9/24,9)2 80,1

32,1 ( 9,8) 36,5 (14,0) 20,4

28,8 (10,0) 34,7 (17,8) 19,9

10,1 (26,1)

Juni 1934 im Stücklohn im Zeitlohn1

10,3 (17,1)

Juni 1931 im Stücklohn im Zeitlohn1

Quelle: Nach den amtlichen Lohnerhebungen in der chemischen Industrie: Wirtschaft und Statistik, Jg. 9, 1929, S. 150-158; Jg. 12, 1932, S. 177-181; Jg. 15, 1935, S. 606-608.

3

2

1

männliche Betriebsarbeiter Arbeiterinnen in der Produktion gelernte Handwerker insgesamt

Juni 1928 im Stücklohn im Zeitlohn1

- in % -

Tab. 12: Verteilung der Arbeiter nach Lohnform in der chemischen Industrie und (in Klammern) Prozentualer Abstand des tatsächlichen Stundenlohns zum tarifmäßigen Satz bzw. Akkordrichtsatz

Die Rationalisierungsmaßnahmen in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre schufen eine veränderte Betriebsorganisation, die es ermöglichte, den Bereich des Leistungslohnes auf quasi wissenschaftliches Niveau zu heben. Die Akkordbemessung war nicht mehr der Willkür des Meisters anheimgestellt, sondern dafür waren nun eigene Ingenieure und Büros tätig. Das zuständige Vorkalkulationsbüro der BASF beschäftigte 1928 bereits 230 Personen. Sie hatten die Vorgabezeiten und Stückzahlen für die einzelnen Arbeits- und Produktionsschritte zu ermitteln, für Streitfälle war eine besondere Akkordkommission eingesetzt, in der auch ein Vertrauensmann der Arbeiter aus der jeweils betroffenen Abteilung saß.8 Die Ermittlung des Arbeitszeitwertes durch den Kalkulator vermittels der Stoppuhr stieß bei den Arbeitern auf wenig Gegenliebe. Die Gegenstrategie, bei der Zeitermittlung bewußt langsamer zu arbeiten, brachte oft nur kurzfristige Erfolge, denn wenn das Arbeitsergebnis danach die Richtzeiten weit übertraf, paßte das Akkordbüro die Vorgabezeiten einfach den in der Arbeitspraxis erreichten Werten an. Der allzu häufige Gebrauch der ›Akkordschere‹, indem besonders signifikante Leistungssteigerungen weniger der Erfahrung und Geschicklichkeit der Arbeiter als vielmehr technischen Verbesserungen zugeschrieben wurden und deshalb der Akkordüberverdienst beschnitten und die Anforderungen heraufgesetzt wurden, erwies sich als zweischneidiges Mittel. Die ›Akkordschere‹ konnte das Ziel des Leistungslohns selbst ad absurdum führen, da die Arbeiter, um eine Neufestsetzung zu vermeiden, wenn eine bestimmte Akkordgrenze erreicht war, mit ihrer Leistung bewußt zurückhielten, so daß der Anreiz, mehr zu verdienen, also nicht mehr gegeben war. 9 Wo die neue Methode der Zeitwertermittlung jedoch nachvollziehbare, in der täglichen Arbeitserfahrung begründete und schließlich auch konstante Richtzeiten ermöglichte und zu dem Bewußtsein verhalf, daß eine Leistungssteigerung unmittelbar zu einem Lohnzuwachs führte, schwand die Reserve der Arbeiterschaft. Das System der Leistungsentlohnung wurde dann wohl grundsätzlich bejaht. Da ein wichtiger Bestandteil des Einkommens von den Akkorden und Prämien abhing, blieb den Betroffenen auch nichts anderes übrig. Streitigkeiten ergaben sich nur noch um Einzelfragen der Leistungsermittlung oder wenn sich einzelne Qualifikationsgruppen gegenüber anderen benachteiligt sahen. Die Zustimmung zu den neuen Leistungslohnmethoden wurde den Arbeitern auch dadurch erleichtert, daß nach dem Prinzip der ›Normalleistung‹ der Leistungslohn nicht mehr so häufig nach unten schwanken konnte. Denn nicht mehr die Höchstleistung wurde ermittelt, sondern die Normalleistung. Diese war Basis des tariflichen Akkordrichtsatzes. Die zuvor mit dem Leistungslohn verbundene Unsicherheit des Einkommens wurde dadurch zumindest eingegrenzt. Unsicherer blieb dagegen der Akkordmehrverdienst, zumal er auf konjunkturelle Schwankungen höchst empfindlich reagierte.10 Die Frage einer generellen Begrenzung der Akkordstundenverdienste 76 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

nach unten und damit eines garantierten Akkordmindesteinkommens blieb nach 1933 unklar. Auch wenn verschiedene neue Tarifordnungen und Arbeitsgerichtsentscheidungen eine solche Begrenzung nahelegten und z. B. die Mitglieder des NS-Vertrauensrates einiger Siemens-Betriebe sich vehement dafür einsetzten, gelang es den Betriebsleitungen, eindeutige Festlegungen zu umgehen. Eine Unterschreitung des Akkordmindesttarifs war deshalb in Einzelfällen weiterhin möglich. In der betrieblichen Praxis relevant war dies jedoch nur, bevor die Phase der Vollbeschäftigung erreicht war. Danach galten die tariflichen Akkordmindestsätze nur noch für Neueingestellte.11 Zur Stabilisierung des Akkordeinkommens und zu einer größeren Zustimmung auf seiten der Arbeiterschaft trug bei, daß es durch die verbesserte Qualität der Anlagen und der Betriebsplanung und nicht zuletzt durch die Einführung von Maschinen, die den Arbeitsrhythmus vorgaben, bis hin zur Fließarbeit, gelang, auch die Qualität der Produktion und der Produkte konstant sowie die Bedingungen der Produktion auf einem einheitlichen Niveau zu halten. Die Voraussetzungen zur Erzielung des Leistungslohns wurden somit von der technischen und organisatorischen Seite her berechenbarer. Wie eng der Leistungslohn mit der wirtschaftlichen Lage verknüpft war, zeigte sich in der Weltwirtschaftskrise. Bevor noch die Tariflöhne in großem Stil reduziert wurden, sanken bereits die übertariflichen Verdienste einschließlich der sozialen und arbeitsplatzspezifischen Zulagen. Im Juni 1931 war in der chemischen Industrie der übertarifliche Verdienst bei den männlichen Betriebsarbeitern im Zeit-/Prämienlohn um 3,8 % niedriger als bei der früheren Erhebung, bei Handwerkern im Stücklohn sogar um 6,4 %. 12 Nur noch in Betriebsbereichen, die über gute Absatzchancen verfügten und in denen sich damit über Personalabbau eine Verbilligung ergeben konnte, wurden in der Wirtschaftskrise Akkordsysteme eingeführt bzw. ausgebaut. In der chemischen Industrie waren 1931 mehr Produktionsarbeiterinnen im Stücklohn beschäftigt als 1928, denn die Frauen waren hier besonders im pharmazeutischen Bereich vertreten, der sich einer relativ guten Wirtschaftslage erfreute. Eine Steigerung der übertariflichen Verdienste war damit aber nicht notwendigerweise verbunden.13 Bei gedrosselter Produktion und unausgelasteten Kapazitäten erschien dagegen die Zahlung hoher Zulagen zur Steigerung der Arbeitsleistung eher paradox. Als subjektives Moment des Leistungsanreizes genügte weitgehend di‹ Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Deshalb konnten die Leistungslöhne gekürzt werden, ohne daß die leistungsstimulierende Funktion damit gefährdet wurde. 14 Die Einkommenssituation der Chemiearbeiter verschlechterte sich nicht nur auf der Basis des Leistungslohns. Die Tariflöhne sanken im Frühjahr 1931 gegenüber dem Höchststand von 1929 um 4,9 %, 1932 schließlich um 77 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

weitere 14,7 %. Die Reduzierung der Arbeitszeit brachte außerdem erhebliche Verdiensteinbußen mit sich. Die generelle Einführung der 40-Stunden-Woche und der 48-Stunden-Woche für die Wechselschichtler, die zuvor 56 Stunden gearbeitet hatten, bei IG Farben im Frühjahr 1931 wurde nur zum Teil durch eine vom Konzern gewährte Kurzarbeiterzulage von 2-4 Pfg. pro Stunde aufgefangen. 1932 wurde diese Zulage dann schrittweise wieder abgebaut.15 Die tatsächlichen Wochenverdienste der männlichen Betriebsarbeiter in der chemischen Industrie gingen schon im Juni 1931 im Vergleich zum selben Monat 1928, also nicht einmal dem Höchststand, um 13,9 bzw. 15,9%, die Wochenarbeitszeit um 13 bzw. 15,2% zurück. Das Jahr 1932 brachte noch deutlichere Verdiensteinbußen, so daß im Juni 1934 nur noch 36,06 bzw. 42,48 RM Wochenlohn zu verzeichnen waren bei ungefähr gleicher Arbeitszeit wie 1931, jedoch gleichzeitig viel besseren übertariflichen Verdienstspannen (s. Tab. 12 und Tab. 13). Da die Tariflöhne im Sommer 1931 nur geringfügig über denen von 1928 lagen, die Leistungszulagen jedoch zurückgegangen waren, hätte die Abnahme der Wochenverdienste im Juni 1931 deutlicher ausfallen müssen als der Rückgang der Wochenarbeitszeit. Der Schluß scheint deshalb zulässig, daß 1931 der Anteil der qualifizierten, höher entlohnten Betriebsarbeiter zugenommen hatte, mithin geringer qualifizierte vorrangig entlassen worden waren. Nach 1933 blieben die Tariflöhne auf dem niedrigen Stand der Wirtschaftskrise. In der Chemie galt der Tarifvertrag vom 1. Januar 1932, der einen rund 14 %igen Lohnabbau enthielt, bis zur Reichstarifordnung vom 1. Oktober 1939, in anderen Branchen bestanden die alten Tarifordnungen zum Teil bis in die vierziger Jahre hinein. Lohnerhöhungen erfolgten deshalb auf dem Wege über übertarifliche Zulagen oder durch die Einstufung in eine höhere Lohn- oder Qualifikationsgruppe. Die übertariflichen Verdienste waren im Juni 1934 besonders bei den männlichen Betriebsarbeitern, was ihren Wert nachhaltig unterstrich, bedeutend höher als im Juni 1931, nämlich um 5 bis 9% (s. Tab. 12). Die Abnahme der Wochenverdienste um 12,7 bzw. 9,4% ging mit dem Rückgang im Index der Lebenshaltungskosten von 12,3% für denselben Zeitraum einher. Das Realeinkommen - nach der amtlichen Indexberechnung - hatte sich damit auf dem Niveau vom Sommer 1931 wieder stabilisiert (s. Tab. 13). In Leverkusen erhielten im April 1935 die Vorarbeiter und die guten Produktionsarbeiter neben dem tariflichen Grundlohn 25 % Akkord- oder Prämienlohn und 15% Qualifikationszulage. Dies war einer Aufstellung der Leverkusener Werksverwaltung zu entnehmen, in der es darum ging, die im Zeitlohn beschäftigten Laboratoriumsarbeiter im Verdienst den beiden erstgenannten Gruppen anzugleichen. Diese Möglichkeit des höheren Zusatzverdienstes erhellt den Statusgewinn der eigentlich ungelernten Chemiearbeiter. Nicht ohne Grund waren Arbeitsplätze in der Chemiein78 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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79

46,89

41,29

Juni 1931

15,9

13,9

Rückgang in %

9,3

Rückgang des Lebenshaltungsindex in %

42,48

36,061

Juni 19342

9,4

12,7

Rückgang in %

12,3

Rückgang des Lebenshaltungsindex in %

Quelle: Nach den amtlichen Lohnerhebungen in der chemischen Industrie: Wirtschaft und Statistik, Jg. 9, 1929, S. 150-158; Jg. 12, 1932, S. 177-181; Jg. 15, 1935, S. 606-608.

15,2

13,0

Rückgang der Wochenarbeitszeit in %

Eigene Berechnung Keine größere Veränderung der Wochenarbeitszeit gegenüber Juni 1931

55,74

im Stücklohn

1

47,95

im Zeit-/ Prämienlohn

Juni 1928

Tab. 13: Tatsächliche Wochenverdienste der männlichen Betriebsarbeiter in der chemischen Industrie (RM)

dustrie nach 1936 sehr beliebt. Die Einschränkung der Freizügigkeit für Beschäftigte in der chemischen Industrie Mitteldeutschlands zeigte, daß die Chemiearbeiter sich ihrer verbesserten Position auf dem Arbeitsmarkt durchaus bewußt waren.16 Die Beschäftigten in der Chemie konnten mit einem, im Vergleich zu anderen Industrie, bedeutend höheren Einkommen rechnen. Das durchschnittliche jährliche Arbeitseinkommen in der chemischen Industrie lag weit über dem Gesamtdurchschnitt aller Branchen.17 Die Einführung der 48-Stunden-Woche für alle Werksteile der IG Farben gegen Ende des Jahres 1936 ermöglichte einen deutlichen Zugewinn im Wocheneinkommen auf breiter Front. Aufschlußreich war in diesem Zusammenhang, daß auf das Mehr an Freizeit, das mit der 40-StundenWoche, d. h. dem arbeitsfreien Samstag, einhergegangen war, manche Arbeiter nicht verzichten wollten. Vielfach wurde vor Einführung der 48Stunden-Woche der Wunsch geäußert, mit der Arbeit schon um 6 Uhr zu beginnen, damit der Samstagnachmittag frei bleiben könnte.18 Die Verdienste lagen bei IG Farben im Gesamtdurchschnitt um 30 % über den Tarifsätzen. Das Leistungslohnsystem war bis ins kleinste perfektioniert worden. Leverkusen allein besaß ca. 30000 in Tabellen festgelegte Akkorde und Hunderte von Prämienregelungen für einzelne Betriebe und Produkte. Daraus laßt sich ersehen, daß bei gleichbleibendem Tariflohn der leistungsbezogene Lohnanteil überragende Bedeutung gewonnen hatte. Um dieses diffizile System nach unten abzusichern, wurden ab 1934 auch Handwerker akkordtechnisch geschult. Als Gründe für diese Maßnahme wurden die »Erhaltung des Werkfriedens« und die Schaffung einer »Vertrauensstimmung« genannt. Ohne Reibungen und Spannungen ging demnach der Ausbau der leistungsorientierten Löhne nicht vonstatten. Immerhin konnte sich die Werksleitung dabei auf die Mitglieder des nationalsozialistischen Vertrauensrates verlassen, der nur dem Namen, nicht der Funktion nach an die Stelle des Betriebsrates getreten war; denn alle Vertrauensmänner stellten sich »bis auf einen positiv zur Arbeit des Akkordbüros«.19 Die Vielzahl spezieller Lohnanreize ermöglichte eine ausgefeilte individuelle Lohndifferenzierung, die ein gemeinsames Vorgehen der Arbeiter in Lohnfragen erschwerte. Die individuell abgestimmte Mischung aus Verlockung - über Mehrverdienst - und Leistungsdruck spaltete die Arbeiterschaft und wirkte entsolidarisierend. Wie zu sehen war, gewann der Leistungslohn im betrieblichen Alltag nach 1933 neue und größere Bedeutung. Es gab jedoch auch kritische Stimmen, zumal aus den Reihen der NSBO, die auf die unangenehmen Nebenerscheinungen der Akkordarbeit hinwiesen. Im Mitteilungsblatt der Betriebsgemeinschaft IG Farben, Werk Oberrhein, sprach ein, wahrscheinlich der NSBO angehörender, Autor dem Schlagwort »Akkord ist Mord« nicht jede Berechtigung ab: »Trotz dieser weitverbreiteten Ansicht lehnen wir die Akkordarbeit nicht grundsätzlich ab, . . . weil sie im Sinne des Leistungsprinzips dem fleißigen und geschickten Arbeiter eine Belohnung 80 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

seines Fleißes bringt.«20 Doch die Akkordkalkulation müsse auch dem Durchschnittsarbeiter seinen Verdienst sichern und solle nicht dazu verleiten, die Gesundheit zu opfern oder die Sicherheitsvorschriften zu mißachten. »Da der Akkord zur Zeit die einzige Möglichkeit ist, das niedrige Lohnniveau zu heben, so ist es selbstverständlich, daß der Arbeiter versucht, von jeder Akkordarbeit einen entsprechenden Überverdienst zu erzielen. . . . Ein besonderes Kapitel aber ist der Kalkulator. Es gibt wohl kaum in den Betrieben einen Mann, der so im Mittelpunkt aller kritischen Betrachtungen steht, wie er. . . . Ein ungeschickter Kalkulator kann . . . zum ewigen Unruhestifter im Betrieb werden. . . . Aber auch das Drücken von Akkordsätzen ist bei unveränderten Betriebsverhältnissen unmoralisch, denn es bringt den Arbeiter ungerechtfertigt um seinen verdienten Lohn.«21 In gemeinsamer Zusammenarbeit von Betriebsführer, NSBO und Vertrauensrat könnten die geschilderten Mängel beseitigt und damit die Unruhe aus den Betrieben genommen werden. In der Gestaltung der Leistungslöhne waren die großen Betriebe, zumal IG Farben, aber autonom. Eingriffe von außen blieben selten und dann auch ziemlich ergebnislos. Solange die Arbeitsmarktlage noch durch beträchtliche Arbeitslosenziffern gekennzeichnet war, beschränkte sich die NS-Lohnpolitik überwiegend auf die Festsetzung und Überwachung von Mindestlöhnen. Eine Begrenzung nach oben schloß das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) von 1934 aus, indem es in §29 einen weiten Spielraum für die individuelle Festsetzung von Leistungslöhnen eröffnete, den die Betriebe je nach ihrer wirtschaftlichen Lage und ihren spezifischen Leistungserfordernissen ausschöpfen konnten. Das Prinzip des Leistungslohns war damit gesetzlich verankert, der kollektiven Lohnfindung eine Absage erteilt.22 Als sich zuerst in Rüstungsbetrieben und dann auch in anderen Bereichen ein Arbeitskräftemangel abzeichnete und die Industrie mit höheren Löhnen um Arbeitskräfte konkurrieren mußte, versuchten die zuständigen NSInstanzen, die Lohngestaltung wieder unter Kontrolle zu bekommen. Wenn sich die Höhe der Leistungslöhne an der Knappheit der Arbeitskräfte orientierte, gerieten die eingespielten Lohnrelationen aus dem Gleis, mit der ständigen Gefahr, daß bisher vernachlässigte Arbeitergruppen und Branchen ihren Rückstand aufholen wollten; noch schlimmer: Der Leistungsanreiz verkümmerte zum bloßen Vorwand. Der Ministerialdirektor im Reichsarbeitsministerium und frühere Arbeitsrechtsexperte der Ruhrschwerindustrie, Werner Mansfeld, der auch das AOG maßgebend mitgestaltet hatte, sah sich deshalb gezwungen, die Grundsätze der Lohngestaltung unter den Bedingungen der Vollbeschäftigung neu zu formulieren: »Neben dem Grundsatz des angemessenen Mindesdohnes steht der zweite Grundsatz der neuen Ordnung, der des Leistungslohnes, der dazu fuhren soll, daß die 81 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Höhe jedes Lohneinkommens von der vorausgegangenen Leistung des einzelnen abhängig ist. . . . Gegen Löhne, die etwa 50 oder gar 100 Prozent über dem tariflich festgesetzten Mindestgehalt liegen, ist nicht das geringste einzuwenden, sofern sie nur die Folge einer ebenso großen Leistungssteigerung und damit einer Produktionsvermehrung sind. . . . Andererseits aber ist es eine schwere volkswirtschaftliche Sünde, die Löhne ohne entsprechende Leistung - vielleicht nur infolge eines Mangels an Arbeitskräften - steigen und damit wieder zu reinen Konjunkturlöhnen werden zu lassen, oder wieder umgekehrt Leistungsakkorde trotz gestiegener Leistung zu beschneiden. . . . Der Staat hat nunmehr selbst die ursprünglich allein den Betriebsführern zugewiesene Aufgabe der übertariflichen Lohnbildung wenigstens insoweit aus der Hand genommen, als sich Unzulänglichkeiten herausgestellt haben.«23 Die Reichstreuhänder der Arbeit konnten nun einschreiten, wenn sie Löhne für überhöht hielten, sie konnten für einzelne Betriebe oder Gewerbezweige Höchstlöhne festsetzen, um »ein ungesundes Übersteigern der Löhne und aller sonstigen Arbeitsbedingungen« zu verhindern. Im Interesse der »staatspolitisch notwendig(n) Aufgaben« waren die Lohnstabilität und das »gesunde Verhältnis von Lohn und Leistung« wieder herzustellen.24 Die Lenkungsmittel, die den Reichstreuhändern an die Hand gegeben worden waren, erwiesen sich nur als bedingt tauglich. Die Vielzahl an Akkord- und Prämienbestimmungen, wie am Beispiel Leverkusen zu sehen war, erschwerte die Kontrolle und Nachprüfung durch die Treuhänder. Das konjunkturell bedingte Nachlassen der Arbeitsdisziplin nach 1936 mußte, wenn Leistungsverdienste gekürzt wurden, zu noch größeren Einbrüchen führen. Auf der anderen Seite konnte die Intensität der Arbeit angesichts der bereits hochgeschnellten Wochenarbeitszeit kaum noch weiter gesteigert werden. Eine Ausweichmöglichkeit bot sich zudem den Betrieben an, die Erhöhung leistungsunabhängiger Zulagen und betrieblicher Sozialmaßnahmen, von Familienzulagen über Mehrurlaub bis hin zu Weihnachtszuwendungen. Folgendes Fazit scheint angemessen: »Vor Kriegsausbruch bekamen die Herrschaftsträger die Lohnentwicklung nicht mehr unter Kontrolle. «25

2. Siemens: Verdienste und außertarifliche Zulagen Die Löhne in der elektrotechnischen Industrie lagen bei allen männlichen Beschäftigten erheblich unter denen der vergleichbaren Chemiearbeitergruppen. Bei den Frauen war das Bild ungefähr gleich. Der entscheidende Grund hierfür war in den übertariflichen Verdiensten zu sehen, die in der Elektroindustrie weit unter den in der Chemie erreichten Sätzen blieben (s. Tab. 14). Mit Ausnahme der zahlenmäßig nicht besonders großen Gruppe 82 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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83

31,2 68,8 32,4 67,6 67,4 32,6 19,9 80,1 11,8 16,6 4,8 6,4 7,4 6,0

17,7 12,9

56,76 59,23 44,99 51,02 40,31 45,31 27,14 30,96

Bruttowochenverdienst RM 34,4 65,6 30,6 69,4 72,7 27,3 15,1 84,9

41,17 38,80 40,74 38,32 40,40 37,80 40,70 37,34

4,1 9,6 7,1 8,9

16,2 11,8 10,4 15,3

Oktober 1931 Verteilung WochenStundenarbeitszeit lohn üb. nach Tarifsatz Lohnform in % in %

45,44 46,64 35,78 39,81 32,19 36,10 23,45 24,64

Bruttowochenverdienst RM

Der Vergleich mit den Ergebnissen nur für den Bezirk Berlin ergibt folgende Abweichung: In Berlin waren die Tariflöhne höher, dagegen die übertariflichen Verdienste niedriger. Bei Angelernten im Stücklohn fiel deshalb der Wochenlohn geringer aus (48,88 RM: s. Wirtschaft und Statistik Jg. 9. 1929, S. 455.)

49,5 47,5 49,5 46,75 49 47,25 45,5 46,25

Oktober 19281 StundenWochenarbeitszeit lohn üb. Tarifsatz in %

Quelle: Nach den amtlichen Lohnerhebungen in der elektrotechnischen Industrie: Wirtschaft und Statistik, Jg. 9, 1929, S. 1000-1006, 1002; Jg. 12, 1932, S. 439-441.

1

Ζ = Zeitlohn, St = Stücklohn

Facharbeiter Ζ " " St Angelernte Ζ " " St Hilfsarbeiter Ζ " " St Arbeiterinnen Ζ " " St

Verteilung nach Lohnform in %

Tab. 14: Arbeitsverdienste in der elektrotechnischen Industrie 1928 und 1931

der Hilfsarbeiter war die Arbeit im Stücklohn, also im Akkord, die vorherrschende. Bei den Angelernten und den Arbeiterinnen war der Anteil der Akkordarbeit 1931 weiter gestiegen. Die Akkorde wurden nicht anhand von Stückzahlen ermittelt, sondern nach den vorgegebenen Akkordzeiten für die jeweiligen Produktionsschritte, die mit dem qualifikationstypischen Minutenfaktor multipliziert wurden. Im Siemens-Schaltwerk belief sich der Minutenfaktor 1929 in der höchsten Facharbeitergruppe auf 2,30, in der niedrigsten Männergruppe auf 1,62 und in der höchsten Gruppe der Arbeiterinnen auf 1,25.26 Die Wochenarbeitszeit hatte sich bis Oktober 1931 de facto auf eine 40Stunden-Woche reduziert, bei Beschäftigten im Stücklohn sogar noch darunter, wobei bei den letzteren die individuellen Schwankungen sicher immens waren. Am schlechtesten bezahlt wurden die Arbeiterinnen, die auch über Akkordarbeit ihren Lohn nur wenig steigern konnten. Gemessen an der Produktivitätsentwicklung bei Siemens waren diese Löhne sicher nicht als überhöht zu bezeichnen. Im Zeitraum von 1925/26 bis 1930 sanken z. Β. kontinuierlich die Fabrikationskosten von Heißwasserspeichern um 40 %, von Sprudelwaschern um 25 % und von Bügeleisen um 49 %. Noch deutlicher schlug dabei die Reduzierung der Lohnkosten um 67, 53 bzw. 63 % zu Buche. Hält man die Entwicklung der Reallöhne bei Siemens dagegen - der Geschäftsbericht der Sozialpolitischen Abteilung spricht im Sommer 1931 von einer Steigerung des Real-Nettoverdienstes um 1,7 bis 3,2% gegenüber der Vorkriegszeit -, läßt sich ein deutliches Mißverhältnis konstatieren.27 So problematisch solche Reallohnvergleiche, nicht nur im Hinblick auf die Arbeitszeit, sind, so aufschlußreich bleibt doch die Intention der Sozialpolitischen Abteilung, dieses geringfügige Mehr als Erfolg zu verbuchen. Es widersprach zudem der erklärten Absicht von Siemens, eine leistungs- und produktivitätsorientierte Lohnpolitik zu betreiben, wenn als Vergleichsmaßstab die Vorkriegszeit herangezogen wurde. Denn in der Zwischenzeit hatte die Elektroindustrie, zumal im Schwachstrombereich, eine große Wachstumsdynamik entfaltet. Daß die Ertragsaussichten trotzdem insgesamt ›unter dem Strich‹ schlecht blieben, war weniger ein Problem zu hoher Löhne, als anderer Strukturschwächen der Weimarer Wirtschaft.28 Die Kürzung der übertariflichen Verdienste fiel in der elektrotechnischen Industrie während der Weltwirtschaftskrise geringer aus als in der Chemie, was angesichts der niedrigeren Ausgangsposition auch gar nicht überrascht. Die Tariflöhne wurden 1931 um 5,8 und 1932 um weitere 13% gekürzt. Daneben sank die Arbeitszeit beträchtlich. Bezogen auf den Gesamtdurchschnitt der geleisteten Arbeitsstunden aller Beschäftigten bei Siemens und Halske belief sich die monatliche Arbeitszeit pro Kopf jeweils im Oktober 1930 auf 155,9, 1931 auf 160,9 und schließlich 1932 auf 124,2 Stunden. Die wirtschaftliche Erholung ab 1933 wirkte sich in einer steigenden 84 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 15: Stundenverdienste der Akkordarbeiter im Siemens-Dynamowerk 1930-1938 (RM) Lohnklasse A1 A B1 Β C D D (weibl.)

1930 1,399 1,324 1,251 1,234 1,101 0,969

1932 1,123 1,121 1,055 1,042 0,916 0,796

1933 1,135 1,145 1,069 1,039 0,903 0,815

1934 1,130 1,140 1,087 1,119 0,945 0,881 0,607

1935 1,177 1,138 1,074 1,053 0,886 0,744

1936

1937

1938

1,239 1,175 1,110 1,100 0,960 0,903 0,630

1,280 1,240 1,170 1,136 0,983 0,926

1,368 1,310 1,283 1,182 1,045 0,967 0,640

Quelle: SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Dynamowerk 1930/31 - 1938/39.

Arbeitszeit aus. I m Oktober 1933 waren wieder 160,1 Stunden erreicht. Die monatliche Arbeitszeit stieg danach sprunghaft über 198,0 und 214,3 bis auf 235,9 Stunden im Oktober 1936 an. 29 Daneben fand bereits ab 1933 ein Anstieg der tatsächlichen Akkordverdienste statt. Ein besonders deutlicher Zuwachs war dabei bis 1938 in der höchsten und der niedrigsten Lohngruppe der männlichen Akkordarbeiter zu verzeichnen. Der Akkordstundenverdienst vom Höchststand des Jahres 1930 wurde aber bis 1938 noch nicht erreicht (s. Tab. 15). 1936/37 lag der erzielte Akkordstundenlohn bei Arbeitern der Lohnklasse Α um 18 % über dem tariflichen Akkordrichtsatz, in der Klasse Β um 20 %. Bei Arbeiterin­ nen der Klassen C und D machte dieser Unterschied 12 bzw. 17 % aus.30 Die Erhöhung der Löhne war durch reine Leistungssteigerungen bedingt, die Tarife blieben unverändert. Leidtragende dabei waren die Zeitlohnarbeiter, deren Löhne auf dem Stand von 1932 verharrten. Die Sozialpolitische Abteilung vermerkte, daß durch diese Lohnsätze in den unteren Lohnklassen das Existenzminimum nicht sichergestellt sei und die Löhne zur Bestreitung der Lebenshaltung kaum ausreichten. Deshalb wurde ab dem Geschäftsjahr 1934/35 unter Beachtung des Leistungsprinzips »die Gewährung von Leistungszulagen - teilweise bis zu 8 Pfg. pro Stunde - für einige Arbeiter der Klassen C und D zugelassen«. Im folgenden Jahr wurde der Kreis der Zulagenempfänger noch erweitert, so daß die tariflichen Mindestlöhne nur noch während einer Probezeit bei Neueinstellungen gezahlt wurden. Außerdem wurde für die Zeitlohnarbeiter eine neue Zwischenstufe zwischen Zeit- und Stücklohn eingeführt, die es ermöglichte, bei entsprechenden Arbeitsergebnissen eine spezielle Prämie zu zahlen.31 Die Facharbeiter konnten schon ab 1934/35 ihre privilegierte Stellung auf dem Arbeitsmarkt umsetzen und die Umgruppierung in höhere Klassen und Leistungszuschläge erreichen. »Hochwertige angelernte Kräfte« zogen sofort mit Erfolg nach. Die Zwänge des Arbeitsmarktes verdeutlichte die 85 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Sozialpolitische Abteilung: »Mit Rücksicht auf den immer mehr in Erscheinung tretenden Facharbeitermangel mußte diesen Forderungen zum Teil entsprochen werden. So ließ es sich in vielen Fällen nicht vermeiden, hochwertigen Facharbeitern vor der Einstellung einen bestimmten Lohn zu garantieren. Ebenso wurde es notwendig, Facharbeitern, die von auswärts eingestellt wurden und zunächst von ihrer Familie getrennt leben mußten, für eine bestimmte Zeit eine gewisse Trennungszulage oder aber Zuschüsse für Umzugskosten zu gewähren. «32 Im selben Zusammenhang wurden auch andere Möglichkeiten des innerbetrieblichen Aufstiegs aufgewertet. Erfahrene und hochqualifizierte Facharbeiter konnten mit der Ernennung zum Wochenlöhner erhebliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen, wie eine höhere Entlohnung, Verlängerung der Kündigungsfristen, Erhöhung des Urlaubs und Fortzahlung des Lohnes im Krankheitsfall. Sie erwarben damit eine angestelltenähnliche Position.33 Einer Aufstellung über die Verdienstentwicklung der Arbeiterschaft im Wernerwerk F von Siemens und Halske aus dem Jahre 1939 war zu entnehmen, daß das Monatseinkommen der Arbeiter 1937/38 den Höchststand von 1929/30 um 7 % übertraf Die Gesamtsteigerung gegenüber 1932/ 33 um 44% setzte sich bei konstanten Tariflohnsätzen aus folgenden Positionen zusammen, wie dieser Aufstellung zu entnehmen war: 16 % 12 % 7% 4% 5%

durch erhöhte Stundenverdienste infolge Leistungszulagen und Prämien durch den Fortfall der Kurzarbeit durch Überstunden inklusive der entsprechenden Zuschläge durch erhöhten Urlaub und Feiertage durch erhöhte Abschlußprämien und Weihnachtszuwendungen.34

Da die Tariflöhne im Sinne der Lohn- und Preisstabilität nicht erhöht werden durften, nutzten die Unternehmungen den Spielraum, den ihnen Leistungslöhne und sonstige Zulagen boten. Während andere Firmen, z. Β. IG Farben, den Bereich der Leistungszulagen noch mehr nutzten, so daß Leistungsmehrverdienste von 30 % und darüber möglich waren, beschritt Siemens einen anderen Weg. Der Elektrokonzern zeigte sich bei der Urlaubsgewährung und -bezahlung großzügiger sowie bei den sonstigen freiwilligen Sozialleistungen.33 Dazu gehörte die bei Siemens schon traditionelle Weihnachtsprämie von 20 RM pro Beschäftigtem und 10 RM pro Kind, für die eine vierteljährliche Betriebszugehörigkeit ausreichte und die damit fast allen Arbeitern zustand. Daneben gab es die Abschlußprämie, die sich am wirtschaftlichen Ertrag des Geschäftsjahres, das jeweils im Herbst endete, orientierte und die nur einem sehr begrenzten Kreis offenstand, der allerdings in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre erweitert wurde. Voraussetzung war bei der nach dem Krieg erstmaligen Gewährung 1926/27 eine zehnjährige Dienstzeit, die ein Jahr später auf acht Jahre gesenkt wurde. In der 86 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Wirtschaftskrise fiel diese Prämie minimal aus. Ab dem Geschäftsjahr 1934/ 35 kam wieder eine höhere Abschlußprämie zur Auszahlung und zwar an alle Beschäftigten, die eine nun fünfjährige Dienstzeit nachweisen konnten. Ein Anreiz zu Betriebstreue war damit weiterhin gegeben. Weihnachtsund Abschlußprämie beliefen sich zusammen 1935/36 je nach Qualifikationsgruppe auf 105 bis 45 RM. Ab demselben Geschäftsjahr wurde schließlich infolge der günstigen Ertragslage eine weitere ›besondere Zuwendung‹ eingeführt, die nur an eine halbjährige Werkszugehörigkeit gebunden war und die von ihrer Konzeption her erkennen ließ, daß sie eindeutig als lohnpolitisches Instrument dienen sollte. Unter Umgehung von Lohnerhöhungen konnte damit die Einkommenssituation der überwiegenden Mehrheit der Beschäftigten verbessert werden. Die ›besondere Zuwendung‹ bewegte sich im Jahr ihrer Einführung bei Arbeitern bzw. Arbeiterinnen zwischen 70 und 30 RM. 36 In den Siemens-Schuckert-Werken erhielten 1936/37 ca.2/5der Arbeiter eine Abschlußprämie von durchschnittlich 61 RM pro Kopf, ungefähr ¾ eine ›besondere Zuwendung‹ von im Schnitt 41 RM und nahezu alle eine Weihnachtsprämie von durchschnittlich 25 RM. 37 Die beiden gewinnabhängigen Zahlungen, Abschlußprämie und besondere Zuwendung, beliefen sich im Geschäftsjahr 1935/36 auf etwa 23 % des Gewinns und 42 % der ausgeschütteten Dividende, die Weihnachtsprämie zusätzlich noch einmal auf 10 bzw. 17 %. 38 Nicht nur die Höhe der Zahlungen mußte nachhaltigen Eindruck bei den Beschäftigten hinterlassen, sondern auch die Tatsache, daß der weitaus überwiegende Teil der Beschäftigten in den Genuß dieser Gewinnbeteiligung kam. Die freiwilligen Sozialleistungen, sofern man die Gewinnbeteiligung dazu zählt, waren bei Siemens von besonderem Gewicht bei der Ermittlung des Gesamtjahreseinkommens der Arbeiter, das damit gegen Ende der dreißiger Jahre höher anzusetzen war als vor der Weltwirtschaftskrise. Ein weiterer Aspekt kam bei den freiwilligen Sozialleistungen zum Tragen: Löhne und Leistungszulagen hatten den Charakter eines gerechterweise zustehenden Entgelts für geleistete Arbeit, die jährlichen Zuwendungen sahen dagegen wie ein Entgegenkommen der Firma aus, ein Eindruck, der die Bindung der Beschäftigten an den Betrieb stärken konnte.39 Ein weiterer Vorteil kam der Firmenleitung zugute. Die freiwilligen Jahresprämien konnten jederzeit bei konjunkturellen Schwankungen mit geringeren innerbetrieblichen Reibungsverlusten reduziert werden als das unmittelbare Arbeitseinkommen.

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3. Akkorde und Löhne bei Krupp Eine systematische Erfassung der Lohnentwicklung in der Kruppschen Gußstahlfabrik in Essen ist schwierig, da vollständige Statistiken für den Gesamtzeitraum fehlen und mit den Hütten- und Maschinenbaubetrieben auch unterschiedliche metallindustrielle Teilbranchen vorlagen. Durchschnittliche Einkommenswerte für den Hüttenbereich sind zudem weniger aussagekräftig, da hier eine nach speziellen Funktionen weit fortgeschrittene Lohndifferenzierung vorherrschte und somit die Spanne zwischen dem niedrigsten Lohn der Platzarbeiter und dem höchsten der ersten Leute an Walzstraßen sehr groß war. Die amtlichen Lohnerhebungen in der eisenund stahlerzeugenden Industrie geben ein Bild von der Spannweite, die die Löhne in den Hüttenbetrieben erreichten: Der erste Walzer erzielte im Oktober 1928 einen durchschnittlichen Stundenlohn von 1,56 RM und lag damit um 81 % über dem Tarifsatz. Abgestuft folgten der erste Schmelzer in Stahlwerken mit 60,4%, dieselbe Position am Hochofen mit 36,4% über Tarif und danach gestaffelt die nachgeordneten Funktionen bis hinunter zu den sonstigen Arbeitern im Zeitlohn, die im Schnitt 78 Pfg. in der Stunde verdienten. Abgesehen von einem geringeren Teil der sonstigen Arbeiter waren fast alle Hüttenarbeiter im Stück- und Prämienlohn beschäftigt. Zu bedenken bleibt, daß die unabdingbare Voraussetzung für die Erzielung solch hoher Leistungsverdienste die vorherige Reduzierung der Belegschaft war. Welch enorme Arbeitsbeanspruchung damit einherging, kann nur gemutmaßt werden.40 Die Leistungslöhne errechneten sich in den Hüttenbetrieben nach einem komplizierten Schlüssel, der zudem von Betrieb zu Betrieb schwankte. Ein wohl auch für die Zeit davor, der Tendenz nach, typisches Ermittlungsverfahren wurde bei Krupp anläßlich einer Beschwerde, die Martinofenschmelzer an den Leiter der DAF, Robert Ley, gerichtet hatten, für das Jahr 1937 überliefert: »Wir unterscheiden an unseren Martinöfen 3 Gruppen und zwar 1., 2. und 3. Schmelzer. Es sind beschäftigt 9-10 Gefolgschaftsmitglieder als 1., je 6-7 als 2. und 3 Schmelzer. Die Verdienste bestehen aus Prämiengrundlohn (80 % vom Tariflohn), feste Zulage, Chargiergeld und Prämie; letztere ist gestaffelt nach der Versandproduktion. . . . Die 1. Martinofenschmelzer erhalten außerdem eine Ofenhaltbarkeitsprämie, die nach Erreichung von 200 Schmelzungen, d. i. die Mindestleistung, gezahlt wird und während der letzten Monate durchschnittlich 8 Pfg. je Arbeitsstunde betragen hat . . . «41 Das Wocheneinkommen in der eisen- und stahlerzeugenden Industrie schwankte im Oktober 1928 zwischen den einzelnen Hüttenbetriebsteilen beträchtlich. Trotz der niedrigeren Wochenarbeitszeit lag der Wochenverdienst in den Walzwerken über dem der Stahlwerker. Die Hochofenarbeiter konnten nur aufgrund der auch an Sonntagen durchlaufenden Arbeitszeit mithalten. Der Rückgang der Arbeitsverdienste zum Oktober 1931 betraf 88 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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89

38,5 37,5 26,8 34,6

41,49 48,42 33,06 36,47 27,1 25,5 21,4 25,2

41,7 49,6 -

67,49 77,45 45,18 55,77

48,75 49,75 53,00 50,75

21,0 13,8 25,6

49,37 39,58 40,32 15,8 14,9 20,9

50,25 51,75 50,50

31,8 -

58,85 51,78 58,92 62,48 45,92 54,19

Wochenverdienst Rückgang in % 18,1 33,4 29,8

1931 Bruttowochenverdienst RM 48,19 34,49 41,38

in %

Oktober Wochenarbeitszeit Rückgang

9,2 24,1 20,4

Stundenverdienst üb. Tarifsatz in % 17,7 -

Bruttowochenverdienst RM

53,50 57,75 56,25

Oktober 1928 Wochenarbeitszeit

Quelle: Nach den amtlichen Lohnerhebungen in der eisen- und stahlerzeugenden I ndustrie, in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 10, 1930, S. 141-147; Jg. 12, 1932, S. 373-377.

St = Stück- und Prämienlohn, Ζ = Zeitlohn

Hochofenwerke Schmelzer St. 32,2 Sonst. Arbeiter Ζ ""St Stahlwerke Schmelzer St 48,0 Sonst. Arbeiter Ζ ""St Walzer-, Hammer-und Preßwerke Walzer St 70,8 81,0 darunter 1. Walzer St Sonst. Arbeiter Ζ ""St -

Stundenverdienst üb. Tarifsatz in %

Tab. 16: Arbeitsverdienste in Hüttenbetrieben 1928 und 1931

bei inzwischen ungefähr gleichen Tarifsätzen wie 1928 die Walzwerker am stärksten, bei denen Zusatzverdienste und Arbeitszeit überproportional sanken. Das Einkommen der sonstigen Arbeiter ging auch deutlicher zurück als die Wochenarbeitszeit. Die Schmelzer an Hochöfen konnten sich noch mit am besten halten, da die technischen Gegebenheiten des Hochofens Arbeitszeitverkürzungen am wenigsten gestatteten. Im Durchschnitt aller Gruppen wurde der Tarifsatz nur noch um 19,3% überschritten, während diese Spanne 1928 noch 38 % ausgemacht hatte.42 In der Gußstahlfabrik in Essen arbeiteten im Oktober 1928 26,5 % der Arbeiter dauernd im Zeitlohn - überwiegend Nicht-Facharbeiter -, 67,4 % dauernd im Akkord und 6,1 % im Akkord und teilweise im Zeitlohn. Neben den Akkorden und Prämien erhielten folgende Arbeiter bei Krupp eine höhere Bezahlung, als sie im Tarifbezirk festgelegt war, durch besondere Zulagen oder erhöhten Tariflohn: - Für die besondere Qualität ihrer Arbeit 20,7 % - Für die mit der Arbeit verbundene Gesundheitsgefährdung 7,1 % - Für andere mit der Arbeit verbundene besondere Umstände 9,3 %. Nimmt man dazu noch die Sozialzulagen, für Familie und Hausstand, so ergab sich ein dichtes Netz übertariflicher Verdienstmöglichkeiten. An diesen Zulagen setzten Unternehmerverbände und Betriebsleitungen mit Beginn der Weltwirtschaftskrise zuerst an. Als im Sommer 1930 unter Mitwirkung des Reichsarbeitsministers ein neuer Rahmentarifvertrag für die nordwestliche Gruppe der Metallindustrie geschlossen werden mußte, drang die Unternehmerseite auf eine Kürzung der Übertarifverdienste. Sie erfolgte schließlich in dem Maßstab, daß eine Kürzung der Gesamtlohnsumme um 7,5 % eintreten sollte. In der Praxis reduzierte sich damit z. Β. der Überverdienst der Schlossergruppe eines Betriebes auf der Akkordgrundlage von 50 Pfg. von 78 auf 59 %, bei einer bestimmten Gruppe von Fräsern von 58 auf 49 % im Durchschnitt. Wer sich mit den neuen Regelungen nicht einverstanden erklärte, war, nach Weisung des KruppDirektoriums an die einzelnen Betriebe vom 27. Juni, am 30. Juni 1930 zu entlassen. Gleichsam als kosmetische Korrektur waren jedoch auch erhöhte Zulagen für Hilfsarbeiter vorgesehen.44 Die Tariflöhne sanken schließlich bis zum 1. Januar 1932 um ca. 16%. Daneben wurden die übertariflichen Zulagen weiter gekappt. Im Sommer 1931 fiel die sogenannte ›Severing-Zulage‹ für Zeitlohnarbeiter weg, die der damalige Reichsinnenminister im Gefolge des Ruhreisenstreits im Dezember 1928 auf 20 Pfg. festgesetzt hatte. Nunmehr wurde diese feste Zulage um 5 Pfg. gekürzt, zum Januar 1932 um weitere 8 Pfg. Im gleichen Monat erfuhr die Akkordgrundlage des Rahmentarifvertrags eine Änderung. Als Akkordrichtsatz galt nun nicht mehr der Tariflohn plus 15 %, sondern nur noch plus 10 %. Die Löhne sanken allein aufgrund dieser Entscheidungen um die Jahreswende 1931/32 um ca. 12%. Nach diesem 90 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

erheblichen Lohnschnitt konnten sich die Unternehmungen damit begnügen, die Löhne der Akkordarbeiter zum 1. Dezember 1932 und 1. Januar 1933 jeweils um 1 Pfg. herabzusetzen.45 Der Anteil der Akkordarbeiter bei Krupp entwickelte sich während der Wirtschaftskrise nicht einheitlich. Je nach betrieblicher Ausgangslage wurde Akkordarbeit in den einzelnen Werksteilen ausgebaut oder reduziert. Sie sank, wie in der Werkzeugmacherei und den Gas- und Wasserwerken, wo eine Leistungssteigerung bei schlechter Wirtschaftslage keinen Sinn ergab, und sie dehnte sich aus, wie in der Federwerkstatt, in der dementsprechend auch die Leistung pro Kopf entscheidend stieg und damit die Herstellungskosten sich reduzieren ließen. Die Akkordarbeit nahm ebenfalls zu in der Grobblechwerkstatt, in der bei vergleichsweise günstigem Auslastungsgrad unter anderem Schiffspanzertürme hergestellt wurden für das Panzerschiffprogramm der späten Weimarer Regierungen (s. dazu Tab. 17). Die Arbeitszeit nahm in der Gußstahlfabrik während dieser Phase folgenden Verlauf: Voll, das hieß 48 Stunden und darüber in der Woche, arbeiteten 1929/30je nach Berichtswoche noch 74,3 bis 87,2 % der Beschäftigten, 1930/31 nur noch 38,2 bis 67,1 %. Von den 57 Produktionsbetrieben der Gußstahlfabrik standen im Laufe des Geschäftsjahres 1931/32 durchschnittlich 52 Betriebe in Kurzarbeit, davon 40 mit zwei und mehr Feierschichten wöchentlich. Von Kurzarbeit waren 49 % der Belegschaft der sogenannten Feuerbetriebe, 40 % der Maschinenbaubetriebe und 51 % der Hilfsbetriebe betroffen. Auf der Ebene der einzelnen Werksabteilungen waren die Unterschiede noch viel krasser. In der Gießerei 8 wurden z. Β. noch 60,57 Stunden gearbeitet, während die Gießerei 5/7 nur auf 29,14 Stunden in einer bestimmten Woche kam, die Radsatzwerkstatt gar auf 26,2. 1932/33 stieg die Wochenarbeitszeit wieder auf 43 Stunden für die gesamte Gußstahlfabrik an. 46 Die Arbeitsverdienste erfuhren dadurch zusätzlich zu den Zulagen- und Tarifkürzungen eine Schmälerung, und zwar eine unkontrollierte, weil der Arbeitsanfall ständig schwankte. Die immensen Unterschiede im Beschäftigungsgrad zwischen den einzelnen Betriebsteilen führten zudem zu Ungleichgewichten und damit zu Spannungen innerhalb der Belegschaften. Ein weiteres Minus ging auf das Konto des früher gewährten Lohnausgleichs bei Arbeitszeitverkürzung, der Ende 1931 im nordwestlichen Metallbezirk gestrichen wurde. Krupp milderte diese Maßnahme etwas ab, indem der Wegfall in Stufen während der Monate Januar bis April 1932 erfolgte.47 Der Rückgang der Lebenshaltungskosten hielt mit der Einkommensminderung nicht mehr Schritt. Ein werksinterner Index, der die notwendigsten Lebensbedürfnisse einer Person an die Preise der Kruppschen Konsumanstalt koppelte, gab dies zu erkennen. Vom Höchststand am 1. Juli 1930 sanken diese Lebenshaltungskosten binnen eines Jahres um nur 91 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 17: Entwicklung des Anteils der Akkordarbeiter in Betrieben der Krupp-Gußstahlfabrik (in %) (jeweils am Ende des Geschäftsjahres - 30, 9.) 1929 1930 1931 1932 Werkzeugmacherei 85,9 86,2 76,0 Federwerkstatt 77,0 81,7 80,4 Schmiedepreßwerk 62,0 63,8 Grobblechwerkstatt 69,6 68,9 73,7 Gas- u. Wasserwerke 68,5 66,5 61,5 64,7

1933 82,1 64,3 61,0

1934 87,1 84,1 66,0 79,2 58,3

1935 86,7 83,1 64,5 73,8 67,4

1936 85,3 83,9 65,1 71,9 73,9

1937 1938 83,8 88,2 64,8 64,2 76,9 -

Quelle: HA Krupp WA 41/3 - 807, 812, 821 bis 828, 880, 883, 890 (Der jeweilige Restanteil bezeichnet entweder die Hilfsarbeiter oder die Zeitlohnarbeiter, wie bei den Gas- u. Wasserwerken.)

Tab, 18: Monatsverdienste der Arbeiter bei Krupp 1930/31 - 1937/38 Monatsdurchschnitt 1930/31 1931/32 1932/33 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 1937/38

Stahlwerk RM 190,7 160,8 159,5 176,2 191,5 198,8 205,2 213,8

Maschinen- Gußstahlfabrik fabriken insgesamt RM RM 177,7 151,7 140,2 162,5 178,8 182,0 185,9 193,3

181 157 149 166 182 188 191 197

Wochenarbeitszeit Stunden

43 45,6 48,4 48,7 49,4 50,6

Quelle: HA Krupp WA: Fried. Krupp AG. Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942 und WA 41/3-740 a, b: Sozialpolitische Abteilung-Tätigkeitsberichte 1932/33-1937/38.

1,65%. Vom 1. Juli 1931 bis zum selben Zeitpunkt des folgenden Jahres erfolgte eine Ermäßigung um 11,4% und bis zum 1. Januar 1933 um 3,63 %. 48 Die Entwicklung des durchschnittlichen Monatseinkommens der Arbeiter bei Krupp, ermittelt anhand der Gesamtlohnsumme und der Gesamtarbeiterzahl, ist der Tab. 18 zu entnehmen. Einschränkend muß hinzugefügt werden, daß diese Durchschnittszahlen natürlich von den Differenzierungen zwischen Qualifikationsgruppen und Werksteilen keinen Eindruck geben können und wahrscheinlich auch das tatsächliche Durchschnittseinkommen nicht korrekt dokumentieren. Denn es werden keine näheren Angaben gemacht, ob nun die sozialen und sonstigen freiwilligen Zulagen darin enthalten sind. Für eine Trendbestimmung sind sie jedoch aussagekräftig genug, obgleich die Vergleichszahlen aus der Zeit vor der Wirtschaftskrise nicht aufgeführt sind. In der Bezeichnung Stahlwerk waren 92 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

auch alle Hilfsbetriebe eingeschlossen. In der Betriebsgruppe Stahlwerk arbeiteten 1930/31 61,9% der Arbeiter der Gußstahlfabrik, in den Maschinenfabriken 22,0 %, 1937/38 lautete das Verhältnis 63,5 zu 18,0 %. Daß die Einkommen im Stahlwerksbereich im Schnitt höher lagen, ist mit der fast durchgängigen Akkordarbeit und den besseren Möglichkeiten im Leistungsverdienst zu erklären, wie sie auch aus den amtlichen Lohnerhebungen in der eisen- und stahlerzeugenden Industrie ersichtlich waren. Das Monatseinkommen ging im Stahlwerk von 1930/31 bis 1932/33 um insgesamt 16,4% zurück. Dieser Rückgang fiel noch stärker ins Gewicht, da man das Einkommen für 1929/30 höher ansetzen muß. In den Maschinenfabriken betrug die Lohnminderung sogar 21,1 %. Ein Gußhauer im Schmiedepreßwerk, Adolf S., 19 Dienstjahre, verheiratet, 1 Kind - der Fall ist überliefert, weil seine Ehefrau sich wegen zu hoher Abzüge beschwert hatte -, verdiente im Januar 1933 bei 184 Arbeitsstunden 150,30 RM brutto. Dies kam einem Stundenverdienst von 89 Pfg. gleich. Im Bruttolohn waren 6,24 RM soziale Zulagen enthalten, also 4,2 %. Die Abzüge an Steuern und Sozialversicherung machten 19,87 RM aus, so daß dem Gußhauer im Januar 1933 130,43 RM netto verblieben. Das Bruttomonatseinkommen von Adolf S. schwankte von Januar 1932 bis April 1933 ständig, bedingt durch unterschiedliche Arbeitszeiten, zwischen 125 und 206 RM. Auch wenn er von Arbeitslosigkeit verschont war, blieb seine Einkommenssituation dem Gußhauer auf lange Sicht kaum berechenbar.49 Die durchschnittlichen Monatslöhne der Gußstahlfabrik hatten 1934/35 den Stand des Geschäftsjahres 1930/31 erreicht. Eine Annäherung an den nur zu schätzenden Vorkrisenstand erfolgte wohl erst 1937/38, wobei die Arbeitszeit zu diesem Zeitpunkt in etwa auf dem Niveau von 1928/29 lag. Der Einkommenszuwachs vom Tiefpunkt 1932/33 bis 1937/38 lag mit 24,4 % weit über dem Anstieg der Wochenarbeitszeit von 15 % (s. Tab. 18). Dieses Mehr ging auf das Konto der Zuschläge für Überarbeit und der Leistungsverdienste, die ab 1934/35 schrittweise erhöht wurden. 50 Der Anteil der Akkordarbeiter lag ab 1934 insgesamt deutlich über dem der Vorjahre (s. Tab. 17). Wie Siemens und IG Farben bemühte sich Krupp, die Leistungsorientiertheit der Löhne stärker zu betonen. Am Beispiel der Martinofenschmelzer in der Gießerei 5/6/7 wurde oben bereits beschrieben, aus welch unterschiedlichen Positionen sich 1937 die Leistungszuschläge zusammensetzten. Der zunehmende Facharbeitermangel verschob ab Mitte der dreißiger Jahre etwas die Einkommensrelationen, da nun vermehrt weniger qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden mußten. Ohne diesen Effekt hätte das durchschnittliche Monatseinkommen deutlichere Steigerungsraten aufgewiesen. Ein weiterer produktionstechnischer Gesichtspunkt kam hinzu. Engpässe in der Rohstoffbeschaffung und die Verwendung einheimischer, eisenarmer Erze erschwerten den kontinuierlichen Arbeitsablauf der Hüt93 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

tenbetriebe und führten zu zurückgehenden Erzeugungsziffern pro Arbeiter. Die Leistungsverdienste blieben von diesen Problemen in der Produktion nicht unberührt.51 Da sich zur gleichen Zeit die Verhandlungsposition der Arbeiter infolge der Vollbeschäftigung verbessert hatte, sahen sich die Betriebsleitungen ab 1937 einer anschwellenden Flut von Unzufriedenheit, Protesten und Streitigkeiten in Lohnfragen gegenüber. Im Mittelpunkt standen dabei das Akkord- und Zulagensystem und die Folgen innerbetrieblicher Versetzungen. Häufig mußte der Treuhänder der Arbeit vermittelnd eingreifen. Die Sitzungen des Vertrauensrates mußten sich nun immer häufiger mit Klagen über Löhne beschäftigen, wie z. B. am 21. April 1937. In vielen Betrieben, in denen Akkordnachprüfungen stattfänden, so die Beschwerde, sei das Bestreben vorhanden, die Akkorde unbegründet niedrig zu halten. Mit dem generellen Bescheid, allgemeine Lohnerhöhungen seien zur Zeit nicht durchführbar, trat der Vertreter des Krupp-Direktoriums den Wünschen entgegen. Es sind Fälle überliefert, in denen Arbeiter dann zur Selbsthilfe griffen. Eine Gruppe von Gußputzern in der Stahlformerei hielt sich vorübergehend bei der Arbeit zurück, um dadurch eine Heraufsetzung der Akkorde zu erzielen - allerdings erfolglos.52 Die Stimmungsberichte der Hilfsvertrauensmänner aus einzelnen Abteilungen, die der Kruppsche Vertrauensrat zusammenstellte, waren ein weiteres Mittel, der Unzufriedenheit in Lohnfragen Resonanz zu verschaffen. Ein Hilfsvertrauensmann beklagte im November 1937 z. B., daß gegenüber 1929 noch ein Lohnunterschied von 7 bzw. 8 Pfg. bestehe, andere monierten, daß die Löhne nicht der Kaufkraft angepaßt seien. Da die Verdienstmöglichkeiten sich an der Leistungs- und Ertragsziffer der einzelnen Abteilungen orientierten, waren die dabei entstehenden Unterschiede ein ständiger Quell von Unzufriedenheit unter den benachteiligten Abteilungen und Gruppen. Besonders die Zeitlöhner waren den Akkordarbeitern gegenüber im Nachteil. Im November 1938 erfolgten für diese Gruppe deshalb Lohnerhöhungen, um den Abstand zu den Akkordlöhnen nicht noch weiter wachsen zu lassen.53 Die Löhne, soviel läßt sich festhalten, hatten im allgemeinen 1938 den Höchststand vor Beginn der Wirtschaftskrise wohl erreicht. Die absoluten Spitzenverdienste, die Walzer in den Walzwerken nach der amtlichen Lohnerhebung im Oktober 1928 erzielen konnten, konnten 1938 in derselben Personengruppe sogar übertroffen werden. Der Walzer Peter S., ehemaliger freigewerkschaftlicher Vorsitzender des Arbeiterrats, erzielte im Oktober 1938 im Walzwerk II einen Bruttomonatsverdienst von 360,98 RM bei 224 Arbeitsstunden. Daraus ergab sich ein Wochenlohn von 83,36, der über dem des im Oktober 1928 in der Lohnhierarchie führenden 1. Walzers von 77,45 RM aus der amtlichen Erhebung lag. Peter S. hatte allerdings eine um drei Stunden höhere Wochenarbeitszeit aufzuweisen. Ein Verlader, also ein ungelernter Arbeiter, verdiente im selben Monat 94 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

185,34 RM, ein Schweißer, obwohl er zehn Tage wegen Krankheit gefehlt hatte, 186,65 RM, ein Kesselwärter 241,69 und ein Installateur 252,94 RM. 54 Diese Beträge lagen fast alle über den durchschnittlichen Lohnsätzen, die anhand der Kruppschen Gesamtlohnsumme errechnet worden waren. Die Aufwendungen für freiwillige soziale Leistungen pro Beschäftigten lagen bei Krupp ab 1936/37 weit über dem Stand vor der Wirtschaftskrise, andererseits aber unter den Krisensätzen. Sie erreichten nicht die Höhe und die Bedeutung wie bei Siemens, überschritten aber doch den Durchschnitt der in der rheinisch-westfälischen Großeisenindustrie gewährten Sozialleistungen. Die Krupparbeiter erhielten 1937 eine je nach Betriebszugehörigkeit gestaffelte Weihnachtszuwendung von 10-50 RM plus 3 RM für jedes Kind. Daneben standen etliche direkte Geldzuwendungen, z. Β. in Form von Trennungs- und Wegegeld, die als Lockmittel für besonders qualifizierte Arbeitskräfte eingesetzt werden konnten, ohne deshalb die Löhne allzu offensichtlich erhöhen zu müssen.55

4. Schichtverdienste und Gedinge im Ruhrbergbau Im Steinkohlenbergbau waren die Löhne ein gewichtiger Posten in der Gesamtkostenstruktur. Der arbeitsintensive Charakter des Bergbaus war auch durch die Rationalisierungsmaßnahmen nicht geändert worden. Der eigentliche, mit dem Abbau untertage befaßte, bergmännische Facharbeiter, der Hauer, beanspruchte für sich, aufgrund der Schwere und der spezifischen Umstände seiner Arbeit, eine Spitzenstellung im Gesamtlohngefüge der Industrie. Diese Spitzenstellung, die er in der Vorkriegszeit innegehabt hatte, verlor er in den zwanziger Jahren, auch wenn er in den höheren Verdienstgruppen verblieb. Selbst im eigenen Bereich war dem Hauer ein Konkurrent erwachsen. Die Facharbeiter über Tage konnten ab 1927 ein größeres effektives Jahreseinkommen verzeichnen als die Hauer, eine Entwicklung, die sich bis in die Weltwirtschaftskrise hinein zuspitzte, obwohl ihr Schichtlohn unter dem der Hauer lag. Der Einfluß der Arbeitszeit - Feierschichten betrafen vorrangig und zuerst die Hauer kam besonders den Gruppen über Tage zugute. Darin schlug sich die größere Bedeutung der Tagesbetriebe nieder, die, im Zuge der Rationalisierung als zentrale Versorgungs- und Weiterverarbeitungseinheiten konzipiert, auch für die öffentliche Energiewirtschaft von Belang waren. Erst nach 1935 gelang es dem Hauer wieder, den Facharbeiter über Tage zu überrunden.56 Ein weiterer Trend, der den Status des Hauers zu bedrohen schien, war die Einkommensnivellierung der einzelnen Funktions- und Qualifikationsgruppen untertage. Stärker als die Hauerlöhne stiegen in den zwanziger 95 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Jahren die Verdienste der sonstigen Untertagebeschäftigten. Deren Position war durch den fortschreitenden Einsatz mechanischer Untertagesysteme, zu deren Wartung und Bedienung an sich bergfremde Facharbeiter herangezogen werden mußten, gestärkt worden. 57 Von erheblichem Einfluß erwies sich die Rationalisierung auch auf das System der Lohnermittlung. Im Bergbau war die Leistung nicht nur anhand von Stückzahlen zu ermessen. Die ständig wechselnden Abbauverhältnisse und die sich je nach Kohlenart, Beschaffenheit der Flöze, geologischen Gegebenheiten usw. verändernden Arbeitsbedingungen ließen objektive Ermittlungskriterien nicht zu. Die bergbautypische Form des Akkords, das Gedinge, mußte deshalb zwischen den Hauern und der Betriebsleitung bzw. deren Bevollmächtigten immer wieder neu vereinbart werden. Die jeweiligen Gedingekameradschaften handelten vor Ort mit den Steigern in unregelmäßigen Abständen die Höhe des Gedinges aus, das sich vorwiegend an der Anzahl der beladenen Kohlenwagen oder dem gemessenen Abbaufortschritt orientierte. Diese Vereinbarungen wirkten sich dann auch indirekt auf die übrigen Untertagebeschäftigten aus. Die Festsetzung des Gedinges bot ständig Anlaß zu Differenzen zwischen Bergarbeitern und Betriebsleitung und Steigern auf der anderen Seite. Verbesserte eine Gedingekameradschaft ihre Leistung überdurchschnittlich, lag es für die Zechenleitung nahe, diese Verbesserung dem Konto günstigerer Abbauverhältnisse zuzuschreiben und die sogenannte Gedingeschere anzusetzen, d. h., die Gedinge zu reduzieren. Klagen über diese Gedingeschere gehörten zum Alltag des Bergmanns. Mit dem Beginn des tariflichen Zeitalters im Bergbau nach der Novemberrevolution fand eine Bemessung der Gedingegrundlagen statt, auch wenn die Höhe des Gedinges selbst weiterhin der freien Vereinbarung vorbehalten blieb. Nach dem Rahmentarifvertrag von 1924 sollte der Durchschnitt aller Gedingearbeiter einer Schachtanlage einen Lohn verdienen, der 15 % über dem tariflichen Schichtlohn lag. Der Hauermindestlohn durfte eine Grenze, die sich am Verdienst des höchstbezahlten Reparaturhauers minus 5 % orientierte, nicht unterschreiten.58 Damit wurde auch gewährleistet, daß die Verdienste sich in einer Zeche und sogar im gesamten Revier innerhalb einer gleichen Marge bewegten und somit die Schichteinkünfte der Hauer im Ruhrbergbau kaum voneinander abwichen. Am Abschluß einer Gedingevereinbarung hatten beide Seiten Interesse, die Betriebsleitung, um Leistungsanreize zu geben, die Bergleute, um nicht nur auf den Mindestlohn angewiesen sein zu müssen. Die mit der Gedingefestsetzung betrauten Grubenbeamten, die im Endeffekt zwischen der Leitung und den Bergleuten standen, griffen oft zum Mittel der Scheingedinge: Bewußt zu niedrig gesetzte Gedinge wurden nachträglich angehoben, um damit auf den geforderten Hauerdurchschnittslohn zu kommen, ein Verfahren, das dem angestrebten Leistungsprinzip strikt zuwiderlief, das aber auch den Einfluß des Hauers auf seinen Lohn beschnitt.59 96 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Der eigentlich zentrale Faktor, der den Hauer immer mehr zum »Objekt diktatorischer Akkordsetzungen« machte, lag in den Veränderungen der Abbauorganisation infolge der Rationalisierungsmaßnahmen begründet. Die Konzentration auf wenige große Abbaupunkte mit bis zu 50 Mann Belegschaft, die Einführung des Schüttelrutschenbetriebs und der dreischichtigen Pensumarbeit führten zur allmählichen Auflösung der alten solidarischen Gedingekameradschaften. Das arbeitsteilig ineinandergreifende Abbauprinzip bestimmte das Maß der Arbeitsleistung, der Zusammenhalt der Gedinge-Teams war in einer anonymer gewordenen Arbeitsumgebung nicht mehr gefragt, was der Zechenleitung gut ins Kalkül paßte. Dies brachte dem Hauer die Annäherung an die Bedingungen der Fabrik. Die Gedinge wurden nun vermehrt durch die Zechenleitungen in Form der Einzel- und Gruppengedinge gesetzt. Beide Arten waren auf die individuelle Entlohnung des einzelnen Hauers ausgerichtet, die letztere, indem z. B. anhand der geförderten Wagen ein Gesamtbetrag für die Abbaubelegschaft ermittelt und dann je nach Leistung auf die einzelnen Hauer verteilt wurde. Der Steiger wurde infolgedessen in bloße Überwachungs- und Kontrollfunktionen eingewiesen. Die Zechen hatten damit ein leichter zu steuerndes Verfahren an der Hand, mit stärkerer Kontrolle des einzelnen, und konnten das traditionelle, solidaritätsstiftende Kameradschaftsgedinge umgehen. Bei den Hauern blieben die neuen Gedingearten unbeliebt, sie plädierten nach wie vor für das Kameradschaftsgedinge.60 In der NS-Zeit zwang die allenthalben zu spürende Unzufriedenheit unter den Bergleuten gerade die DAF als selbsternannten Sachwalter der Arbeiterinteressen, sich intensiver mit dem Problem der Gedinge zu befassen. Als mit auslösende Faktoren für die Unbeliebtheit des Bergmannsberufs ortete die DAF-Gaubetriebsgemeinschaft Bergbau, Essen, 1936 »Gedingerecht und Gedingearten und die sich daraus ergebenden Streitfälle, die sich zum größten Teil tiefer auswirken, wie (!) man allgemein in leitenden Bergbaukreisen annimmt«. Im Vertrauensrat der Concordia Bergwerksgesellschaft wurde die andauernde Aktualität dieses Themas offenkundig: »Seitens der Vertrauensmänner . . . wurde Klage darüber geführt, daß die Leistungssteigerung kein Ende nähme und daß dauernd, sobald die Leute auf den Lohn gekommen wären, das Gedinge gekürzt würde. Das sei unzulässig. Es sei oft genug betont worden, daß man nicht gleich mit der Schere ans Gedinge gehen solle, wenn die Leute einmal etwas mehr verdienten.« Das Argument eines Vertrauensmannes, angesichts der Schwere der Arbeit sei ein hoher Lohn durchaus berechtigt, denn am Ende der Schicht sei man immer kaputt, konterte der anwesende Direktor mit dem lapidaren Hinweis, »daß es ganz normal sei, daß man am Ende der Schicht nach pflichtgemäßer Erledigung seiner Arbeit ermüdet sei«.61 Auf Drängen der DAF konnten Zechenleitungen, Treuhänder der Arbeit und die eingeschalteten Ministerien nicht umhin, sich mit dem Problem der Gedinge zu befassen. Die DAF wollte den noch nicht völlig verdräng97 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ten Gedingekameradschaften mehr Mitspracherechte einräumen lassen und die Einzelgedinge eindämmen. Der Treuhänder der Arbeit beließ es jedoch bei nur kosmetischen Zugeständnissen, die Entscheidungsgewalt blieb weiterhin bei den Zechenleitungen, die Ausbreitung des Einzelgedinges wurde nicht gestoppt.62 Die individuell abgestufte Entlohnung erwies sich als Mittel zur Differenzierung der Belegschaften. Ansätze für eine kollektive Interessenwahrnehmung, die aus dem Zusammenhalt der Gedingekameradschaften erwachsen konnten, wurden damit im Keim erstickt. Zwei Jahre später spitzte sich die Gedingediskussion erneut zu. Der stellvertretende Gauleiter von Westfalen-Süd sprach in einer Denkschrift von ungerechten Gedingeregelungen und regte das Verbot der Einmannund Gruppengedinge an. Zechenbelegschaften reagierten auf die Gedingekürzungen vereinzelt mit Arbeitszurückhaltung.63 Der Rückgang der Förderziffern rief schließlich das Reichsarbeitsministerium auf den Plan, das sich auf seiten der DAF in die Diskussion einschaltete und erreichte, daß nach Möglichkeit sogenannte Generalgedinge, Gedinge mit längerer Laufzeit, angestrebt werden sollten. Mit dieser Maßnahme, auch sie erwies sich als nicht durchschlagend, sollten die Gedingestreitigkeiten vermindert und die Löhne auf höherem Niveau stabilisiert werden. Da dies nicht in gewünschtem Maße gelang, erließ das Reichsarbeitsministerium, im Interesse der rüstungswichtigen Kohleproduktion, am 2. März 1939 eine ›Verordnung zur Erhöhung der Förderleistung und des Leistungslohnes im Bergbau‹, die die Arbeitszeit auf 8¾ Stunden verlängerte und die über die Gedingegrundlage hinausgehende Mehrarbeit mit einem 200 %igen Lohnzuschlag versah.64 Die immer wiederkehrenden Streitigkeiten über die Messung und Festsetzung der Gedinge ließen schon erkennen, daß die Bergleute nicht nur mit ihren Arbeitsbedingungen, sondern auch mit ihrer Einkommenssituation unzufrieden waren. Der tatsächliche Schichtverdienst der Bergleute erreichte seinen Höhepunkt zu Beginn der Weltwirtschaftskrise, im Jahre 1930, mit 10,30 RM beim Hauer. Auf der anderen Seite wiesen die Lohnkosten je Tonne Förderung seit 1928 stetig nach unten. Die Löhne waren insoweit mit dem unmittelbaren Produktivitätszuwachs durchaus vereinbar. Vor dem Hintergrund der schlechten Absatzsituation sah die Sachlage freilich anders aus. Doch stand den Zechen der Weg über Feierschichten offen. Die Anzahl der durchschnittlich verfahrenen Schichten pro Monat reduzierte sich deshalb auf 22,64 im Jahre 1930, mit dem Ergebnis, daß die Jahresverdienste im Gegensatz zu den Schichtverdiensten unter denen von 1929 lagen. In den beiden folgenden Jahren wiesen die Schicht- und infolge von Feierschichten die Jahresverdienste noch deutlicher nach unten. Die Hauer hatten eine um fast 4 % höhere Lohneinbuße zu verzeichnen als die sonstigen Untertagearbeiter (s. Tab. 19).65 Per Notverordnung oder staatliche Schlichtung waren die Tarifsätze der Bergarbeiter vom 1. Januar 1931 bis zum selben Termin des Folgejahres um 98 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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Monatsverdienst1 Hauer Sonstige unter Tage 241 185 223 174 196 158 161 130 162 131 179 144 186 150 198 157 212 165 211 162

Leistungslohn incl. soziale Zulagen Errechnetes Gesamteinkommen (umfaßt alle Lohnbestandteile bis hin zur Vergütung gesetzlicher Feierschichten) Mit Berücksichtigung von Über-, Neben-, Sonntagsschichten einschl. Ausgleichsschichten Ohne Schlepper und Reparaturhauer

Jahresverdienst2 Hauer Sonstige unter Tage 2886 2034 2670 1910 2354 1752 1922 1441 1944 1457 2146 1610 2233 1691 2376 1777 2549 1856 2527 1953

Verfahrene Schichten je Betriebsvollarbeiter unter Tage (pro Monat)3 25,47 22,64 21,86 21,02 21,15 23,18 23,92 25,42 27,04 -

Quelle: Retzlaff, Lohngefüge, S. 199, 202 (Schicht- u. Jahresverdienst); Poth, Entwicklung, S. 23, 52 (Monatsverdienst); BBA 13/1203 - Bd. 528 (Verfahrene Schichten).

3

2

1

1929 1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938

Schichtverdienst1 Hauer Sonstige unter Tage4 10,22 7,04 10,30 7,25 9,39 6,86 7,97 5,89 8,01 5,92 8,09 5,98 8,15 6,06 8,20 6,04 8,35 6,00 8,45 5,97

Tab. 19: Brutto-Arbeitsverdienste im Ruhrbergbau 1929-1938 (RM)

insgesamt 23 % gesenkt worden auf ein Niveau, das die nächsten Jahre unverändert überstehen sollte. Im Manteltarifvertrag wurde die soziale Zulage, das Hausstandsgeld, von 16 auf 10 Pfg. gekürzt. Eine Milderung um 3¾%, die sich im Nettolohn auszahlte, brachte die Entscheidung der Regierung Brüning vom 30. September 1931, die Untertagearbeiter im Ruhrbergbau von der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung zu befreien.66 Zusammen mit der steigenden Zahl an Feierschichten ergab dies eine Senkung der durchschnittlichen Jahresverdienste für Hauer von 1929 bis 1932 um knapp ein Drittel. Von Feierschichten waren die einzelnen Schachtanlagen des Ruhrgebiets in unterschiedlichem Ausmaß betroffen. Im März 1932 gab es Zechen, die pro Beschäftigtem auf 11,34 Feierschichten während des Monats kamen, wodurch sich der Hauermonatslohn auf 106 RM reduzierte, andere Zechen trugen 1,44 Feierschichten, in denen der Hauer noch 176 RM erzielen konnte.67 Vergegenwärtigte man sich den davon noch verbleibenden Nettolohn, war es durchaus angebracht, von einer sozialen Notlage der Bergarbeiter zu sprechen. Denn bergbautypisch waren die hohen Spannen zwischen Brutto- und tatsächlichem Monatseinkommen. Im Vergleich zu anderen Branchen waren im Bergbau überdurchschnittlich hohe Abzüge vom Bruttolohn zu verkraften. Vom Bruttobetrag gingen bei Untertagearbeitern im Jahre 1928 15,70% für Knappschaftsbeiträge ab, daneben noch Steuern. Die Knappschaftsbeiträge ermäßigten sich danach in Stufen bis zum 1. Oktober 1931 auf 10,43%, besonders durch den Wegfall der Arbeitslosenversicherung für Untertagearbeiter, um sodann wieder auf 13,59% am I.Oktober 1933 anzusteigen.68 Im November 1931, so war einer Berechnung der Hibernia Bergwerksgesellschaft zu entnehmen, zu einem Zeitpunkt, als die Knappschaftsbeiträge sich auf ihrem niedrigsten Satz befanden, waren vom Arbeiter insgesamt noch 15 % an Lohnabzügen (inkl. Steuer) zu entrichten. Einem Hauer, der 20 Schichten verfuhr, verblieben von seinem Lohn von 179,80 RM netto nur noch 154 RM. 69 Die wirtschaftliche Situation besserte sich im Bergbau ab 1933 nur sehr zögerlich. Die monatliche Arbeitszeit vor der Krise wurde erst 1936 wieder erreicht. Der Schichtverdienst stagnierte fast. Das Jahreseinkommen besserte sich überwiegend nur unter dem Einfluß des Feierschichtenabbaus. Von einer Annäherung an die Vorkriseneinkünfte konnte während der gesamten dreißiger Jahre keine Rede sein (s. Tab. 19). Damit hatte der Bergbau endgültig seine Spitzenposition im industriellen Einkommensgefüge verloren. Die Bergleute verdienten zwar immer noch besser als ein großer Teil der deutschen Industriearbeiterschaft, besonders im Konsumgütersektor, aber der Vergleich mit dem Lohn vor der Krise machte die anhaltende Unzufriedenheit und Mißstimmung unter den Bergleuten nur zu verständlich. Auf Nettolohnbasis waren die Bergarbeiter sogar mit einer Einkommensminderung konfrontiert. 1933/34 wurde per Gesetz in drei 100 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Schritten wieder die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung eingeführt, die Abzüge für die Knappschaftskasse stiegen deshalb auf 14,21 %. 70 Wie prekär die Lage der Bergarbeiter auch in der Öffentlichkeit eingeschätzt wurde, belegen die Sonderzahlungen, die über die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt an von Kurzarbeit betroffene Bergleute verteilt wurden. Das Industriellenorgan ›Ruhr und Rhein‹ scheute sich nicht, den mit Berliner Einwilligung gewährten Geldsegen in zynisch anmutender Weise zu kommentieren: »Es handelt sich hierbei nicht um eine ›Wohltat‹, sondern um die Abtragung einer Dankesschuld an diejenigen, die besonders hart von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit in Mitleidenschaft gezogen sind.« 71 Eine weitere, die öffentlichen Kassen belastende Maßnahme bestand darin, die Kurzarbeiterunterstützung den Bergleuten 1935/36 ohne die sonst vorgeschriebene Wartezeit zu gewähren. Von den Zechenleitungen selbst konnten die Bergarbeiter dagegen bei aller Anbiederung kein Entgegenkommen erwarten. Im August 1935 waren noch 10.354 Untertagearbeiter bis zu drei Wochen von Kurzarbeit betroffen.72 Die bereits beschriebenen Versuche, über eine Revision der Gedingeregelungen die bergmännische Einkommensposition zu verbessern, brachten keine nachhaltigen Erfolge. Auch nach 1936 erhöhte sich der Schichtverdienst nur langsam. Unter den Vorzeichen des Vierjahresplans fand der Bergbau endgültig aus dem wirtschaftlichen Tief heraus. Da die nun notwendigen Förderziffern angesichts der technologischen Stagnation des Bergbaus überwiegend nur auf dem Faktor Arbeitskraft beruhen konnten, die Leistung pro Kopf jedoch zurückging, mußten den Bergleuten finanzielle Anreize in Aussicht gestellt werden, um sie zu höheren Förderleistungen zu veranlassen. Die Zechenunternehmer, die sich außerstande erklärten, zusätzliche Kosten zu übernehmen, erwarteten staatliche Hilfen zur Lösung der bergbauspezifischen Probleme. Diese Hilfe, die eigentlich eine direkte staatliche Subventionierung des Bergbaus darstellte, erfolgte 1937. Durch eine Reform des Knappschaftsgesetzes wurden die Sozialversicherungsbeiträge der Bergarbeiter - konkret für die Pensionskasse und die Arbeitslosenversicherung - um insgesamt 6-7% gesenkt. Der Nettolohn erfuhr eine entsprechende Anhebung.73 Die Wirkung dieser Maßnahme vermochte die Mißstimmung unter den Bergleuten jedoch nur kurzzeitig zu dämpfen. Besonders hart traf es die Bergarbeiter, daß ihre Einkünfte immer mehr hinter denen der Hüttenarbeiter zurückblieben. Da beide Branchen im Ruhrgebiet eng miteinander verknüpft waren und ihre Arbeiter in der Regel in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten, war dieses Auseinanderklaffen für die Bergarbeiter nicht zu übersehen. Die Spanne machte 1938 im Schnitt 20 RM monatlich aus. Der Essener Gauleiter Terboven nahm in einer Besprechung mit Zechenvorständen darauf Bezug und forderte, da sich die Lebenshaltung mehr als der offizielle Index und das bergmännische Mehreinkommen verteuert habe, Lohnerhöhungen, um die alte Vorrang101 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Stellung des Bergarbeiters wieder herzustellen und den Bergmannsberuf wieder attraktiver zu gestalten.74 Auch unter den Industriellen waren Lohnerhöhungen nun kein völliges Tabu mehr. Der Direktor der Gutehoffnungshütte Oberhausen, Kellermann, sprach den Klagen der Bergleute nicht jede Berechtigung ab und hielt eine Lohnaufbesserung von etwa 10% für angebracht, bestand allerdings aber auf Kompensationen bei den Kohlepreisen.75 Erst durch die Verordnung vom 2. März 1939, mit der die Schichtdauer um eine ¾ Stunde verlängert und ein 200 %iger Mehrarbeitszuschlag gewährt wurde, verbesserte sich das Lohnniveau nachhaltig. Daß die Einkommensverbesserung mit einer verlängerten Arbeitszeit erkauft werden mußte, stieß auf ein zwiespältiges Echo und bewirkte keineswegs einen völligen Stimmungsumschwung innerhalb der Bergarbeiterschaft. Später als andere Branchen konnten die Bergarbeiter ihren Lohn aus der Zeit vor der Krise erreichen, nämlich im ersten Kriegsjahr.76

5. Löhne zwischen Krise und Rüstungskonjunktur Welche wichtige Rolle der Lohn bei der Bewertung der betrieblichen Rationalisierung und Modernisierung in den Augen der Arbeiter spielte, ist bereits beschrieben worden.77 Die Löhne mußten einen Ausgleich anbieten für die gestiegenen Arbeitsanforderungen, die mit der neuen Arbeitsorganisation und der Ausdünnung der Belegschaften einhergingen. Für die noch verbliebene Belegschaft mußten Leistungs- und Qualifikationsanreize gegeben werden, um eine volle Rentabilität der Anlagen zu erzielen. Rationalisierte Betriebe stießen schnell an teuer erkaufte Rationalisierungsgrenzen, wenn sie nicht dem Faktor Arbeitskraft - über Löhne - mehr Beachtung schenkten. Darauf wiesen auch zeitgenössische Arbeitswissenschaftler hin: »Da die vorhandenen Einrichtungen von menschlichen Arbeitskräften bedient und ausgenutzt werden, . . . erhält das menschliche Element im Fabrikationsbetrieb mit der Forderung erhöhter Leistungen und der Vermeidung von Arbeits- und Zeitverlusten eine zunehmende Bedeutung.« 78 Eine moderne, dem technischen Stand angepaßte Lohnpolitik mußte mehrere Funktionen erfüllen. Sie hatte einer besseren Planung und Organisation des Arbeitsprozesses Vorschub zu leisten, hatte die Intensität der Arbeit zu steigern, mußte der Leistungskontrolle dienen und hatte schließlich noch auf die Motivation der Beschäftigten einzuwirken. Lohnpolitik und Personalpolitik waren eng miteinander verknüpft. Der Lohn war ein Element, die Bindung des Arbeiters an den Betrieb herzustellen. Denn ständig fluktuierende Belegschaften waren ein zusätzlicher Kostenfaktor, der den eigentlichen Rationalisierungsgewinn wieder aufzehren konnte. Deshalb wurden gerade in hochmodernen Betrieben Teile des 102 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Lohns in Form von besonderen sozialen oder freiwilligen Zuwendungen, wie Weihnachtsgeld und Abschlußprämien, gezahlt. Besondere Bedeutung erlangten diese Zuwendungen in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre. Niedrige Löhne hätten kaum Anreize zur Rationalisierung gegeben. Diese war aber notwendig, um international wettbewerbsfähig zu sein. Der tiefe Fall der Löhne in der Weltwirtschaftskrise verhinderte, daß eine umfassende Bereinigung der Zechenstruktur im Ruhrkohlenbergbau stattfand. Technisch rückständige Betriebe konnten bei niedrigen Löhnen zum Teil wirtschaftlicher arbeiten als moderne Anlagen, in denen die Gesamtkostenstruktur sich von der Lohnseite allein nicht durchschlagend verbessern ließ. Aus den allgemeinen Lohnsenkungen während der Wirtschaftskrise zu schließen, zu hohe Löhne hätten die Krise verursacht, erscheint unzulässig. Bei funktionierendem Markt ergab sich ein Wettbewerbsvorteil für rationalisierte Betriebe gerade dadurch, daß sie höhere Löhne hätten zahlen können als die rückständigere Konkurrenz. In kartellgeprägten Industrien, wie dem Ruhrkohlenbergbau, ging dieser Effekt verloren. Das grundlegende Mißverständnis der Ruhrschwerindustrie, die schließlich die Meinungsführerschaft für die gesamte Industrie übernommen hatte, bestand darin, über die Löhne Fehlentwicklungen korrigieren zu wollen, die von anderen Ursachen herrührten.79 Die Einbrüche im Einkommensbereich während der Wirtschaftskrise waren so einschneidend, daß schon die allmähliche Besserung ab 1933 im Bewußtsein der Arbeiterschaft nicht ohne Wirkung bleiben konnte. Mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit hatte die Lebens- und Verdienstperspektive des einzelnen Arbeiters wieder an Sicherheit gewonnen, so daß der Vergleich zum erzielten Lohn vor der Krise wohl eher eine zweitrangige Rolle spielte. In der rückblickenden Bewertung stellte sich die Wirtschaftsentwicklung der zwanziger und frühen dreißiger Jahre als eine Abfolge von Krisen dar. Die individuelle Einkommensperspektive von Arbeitern war demnach weniger durch den Spitzenlohn unmittelbar vor Beginn der Weltwirtschaftskrise geprägt als durch die Erfahrungen von Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und allgemeiner wirtschaftlicher Verunsicherung. Der Bezugspunkt für den Verdienst im ›Dritten Reich‹ war »die große Krise«, die Erwerbslosenzeit.80 Entsprechend beeindruckt zeigte man sich denn auch von den ersten regelmäßigen Lohnzahlungen, die man nach dieser Krisenphase erhielt.81 Die Löhne verharrten ab 1933 auf niedrigem Niveau, nur infolge zunehmender Arbeitszeiten besserte sich das Monatseinkommen. Der Anteil der Lohnquote am Volkseinkommen lag durchwegs unter dem Stand der zwanziger Jahre. Mit NS-spezifischen Faktoren allein läßt sich das niedrige Niveau der Arbeitseinkommen in den dreißiger Jahren nicht erklären. Es ist ein durchaus typisches Konjunkturphänomen, daß im beginnenden Aufschwung zuerst die Unternehmereinkommen steigen, während die Arbeitsverdienste beträchtlich nachhinken. In den dreißiger Jahren war 103 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

dieses Phänomen auch in Ländern mit demokratischer Verfassung und intakten Gewerkschaften, wie Großbritannien, anzutreffen, und es konnte als Bedingung für die Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung interpretiert werden.82 Die nationalsozialistische Lohnpolitik konnte sich die Krisenerfahrungen entsprechend zunutze machen. Stabile Löhne und Preise sollten den Spielraum schaffen, um die deutsche Wirtschaft wieder aufzubauen und Mittel für die Aufrüstung der deutschen Wehrmacht zur Verfügung zu haben. Das Einfrieren der Löhne gelang, solange noch eine große Zahl von Arbeitslosen auf die Eingliederung in den Arbeitsprozeß wartete. Am Vorrang der Rüstung gegenüber einer erhöhten Konsumnachfrage war nicht zu rütteln. Sobald jedoch Engpässe am Arbeitsmarkt auftauchten, wurde der Lohnstopp von den Unternehmern umgangen. Mit erreichter Vollbeschäftigung gelang es auch der DAF, ihren Forderungen nach höheren Löhnen mehr Gehör zu verschaffen. Facharbeiter in rüstungswichtigen Betrieben konnten schon ab 1936 ihre Monatsverdienste vor der Krise erreichen, bei allerdings längerer Arbeitszeit, denn die Stundenlöhne erreichten den Stand von 1929 nicht. Die im Vierjahresplan gestellten Anforderungen an die Produktion brachten jedoch eine regelrechte Lohnwelle in Gang, die sich auch durch staatliche Lenkungsmaßnahmen nicht unter Kontrolle bringen ließ. Die erhöhten Anforderungen konnten nur durch verstärkte Lohnanreize gegenüber den Beschäftigten und durch neue Arbeitskräfte erfüllt werden, die, sofern sie qualifiziert waren, nur durch Locklöhne zu gewinnen waren. Die Arbeiter wurden sich ihres neuen Marktwertes durchaus bewußt und versuchten, ihn in höhere Löhne umzusetzen. Erfahrene Fach- oder Spezialarbeiter waren so umworben, daß Betriebe sie durch hohe Löhne von der Konkurrenz wegzuengagieren trachteten. Wer in der Metallindustrie ab 1937 seinen Arbeitsplatz wechselte, konnte dadurch eine Steigerung seines Verdienstes um bis zu 50 % erzielen. Staatliche Lohnempfehlungen - rigide Lohnstopps waren gegenüber der Großindustrie nicht realistisch - wurden durch übertarifliche Zulagen verschiedenster Art, betriebliche Sozialleistungen oder durch Höherstufungen in andere Lohngruppen umgangen. 83 Nach den Berechnungen des Statistischen Reichsamtes näherte sich der nominale Bruttowochenverdienst in der gesamten Industrie erst im Krieg an das Vorkrisenniveau an, der reale Bruttowochenverdienst jedoch bereits 1937.84 An der Zuverlässigkeit des offiziellen Lebenshaltungsindex sind jedoch erhebliche Zweifel angebracht. Innerhalb der NS-Spitze war man sich durchaus bewußt, daß die Preiserhöhungen bei Gütern des täglichen Bedarfs durch die amtliche Statistik nicht korrekt wiedergegeben wurden.85 Klagen der Bevölkerung über gestiegene Preise sind zum Beispiel in den ›Deutschland-Berichten‹ der Sopade durchgehend zu finden. Nach den Berechnungen von Tim Mason war der Lebenshaltungsindex für die Jahre 1935/36 um 6-7 % höher anzusetzen.86 Rüdiger Hachtmann hat jüngst erst 104 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ausführlich und detailliert dargelegt, wie wenig die amtlichen Statistiken der Lebenshaltungskosten und der Realeinkommen der Arbeiterschaft der Wirklichkeit entsprachen.87 Daneben mußten sich die Beschäftigten im ›Dritten Reich‹ auch höhere Abzüge vom Lohn gefallen lassen - für gesetzliche Abgaben, aber auch für Beiträge zur Deutschen Arbeitsfront und für Spenden zum Winterhilfswerk. Nach einer groben Schätzung von Hachtmann lag infolgedessen das wöchentliche Nettorealeinkommen in der deutschen Industrie bei Kriegsbeginn noch unter dem Niveau des Jahres 1929 oder hatte es im günstigsten Falle gerade erreicht.88 Diese Werte, die auf den industriellen Durchschnitt bezogen sind, können jedoch nur einen ungefähren Trend widerspiegeln. Bezogen auf Branchenebene relativiert Hachtmann dementsprechend auch seine Beobachtungen: »Die Lage vieler Arbeitnehmer insbesondere in den Sektoren der Konsumgüterindustrie war weitaus schlechter - andererseits allerdings auch die verschiedener privilegierter Gruppen unter der Rüstungsarbeiterschaft wesentlich besser -, als die zitierten hochaggregierten Daten signalisieren.«89 Die Chancen auf höhere Verdienste waren in der Industrie sehr ungleich verteilt. Die Beschäftigten in der Konsumgüterbranche blieben im Schatten der Rüstungskonjunktur und konnten mit dem Anstieg der Löhne im Rüstungsbereich nicht mithalten. Ähnliches galt generell für Arbeiterinnen: Zwischen 1933 und 1939 vergrößerten sich die Lohnabstände zwischen männlichen und weiblichen ungelernten Arbeitskräften. In geographisch benachteiligten Regionen, wie z. Β. in Oberfranken, war die Einkommenslage noch schlechter.90 Auch die Löhne im Bergbau hinkten, gemessen am traditionellen Spitzenniveau, hinterher. In den Großbetrieben des Rüstungs- bzw. Investitionsgütersektors waren dagegen deutliche Einkommenszuwächse zu beobachten.91 Die Arbeiter bei IG Farben, Siemens und im Kruppschen Hüttenbereich gehörten diesem privilegierten Sektor an und konnten zum Teil schon 1938 sogar ihr Nominaleinkommen aus der Zeit vor der Krise erreichen. Daß dies allerdings auch höhere Arbeitsintensität und längere Arbeitszeiten hieß - allein die Hüttenarbeiter mußten in den zwanziger Jahren ähnlich lange arbeiten -, steht auf einem anderen Blatt. Zentrale Prinzipien der Lohnpolitik im ›Dritten Reich‹ waren die Dezentralisierung und Individualisierung. Kollektive Lohnvereinbarungen gehörten mit der Zerschlagung der Gewerkschaften der Vergangenheit an. Die DAF durfte diese Rolle nicht übernehmen. Die Treuhänder der Arbeit spielten den Part der obersten Koordinations- und Schiedsinstanz. Die Lohnbestimmung selbst wurde in die Betriebe verlagert, in denen der ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt des Betriebsführers ausschlaggebend war. Lohnforderungen wurden, wenn überhaupt, nicht durch die Belegschaft insgesamt, sondern durch kleinste Funktionsgruppen oder einzelne Arbeiter gestellt. Zahlreiche Beispiele für diese individualistische Form der ›Lohnverhandlungen‹ finden sich in den ›Deutschland-Berichten‹ der So105 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

pade.92 Jederzeit konnte auf offenen staatlichen Terror zurückgegriffen werden. Die Organisierung der betrieblichen Herrschaft nach dem Führerprinzip diente als Instrument zur Disziplinierung der Arbeiterschaft. Auf der anderen Seite hatte dieses besondere Führer-Gefolgschafts-Verhältnis die Integration der Arbeiter in den Betrieb zum Ziel. Die Lohnpolitik betonte diesen Aspekt, indem sie individuelle Leistungsanreize in Aussicht stellte und besondere betriebliche Zulagensysteme entwickelte, die »die Orientierung der Lohnabhängigen auf ihre individuelle Position im Betrieb verstärkten und solidarische Aktionen in der Lohngruppe, im Betrieb, in der Branche oder sogar über die Branche hinaus unvernünftig erscheinen ließen«.93 Die These aber, daß die Differenzierung der Löhne, besonders über die Leistung, und die Bevorzugung bestimmter Gruppen von Betriebsleitungen und NS-Führung als bewußte Strategie eingesetzt wurden,94 läuft auf eine Überinterpretation der lohnpolitischen Wirklichkeit hinaus. Die Lohnentwicklung in den durch die NS-Wirtschaftspolitik privilegierten Unternehmen entsprach ab 1936 - von der Tendenz her - immer mehr einem normalen konjunkturtypischen Verlaufsschema. Leistungslöhne und Zulagen wurden als Mittel für mehr oder weniger versteckte Lohnerhöhungen eingesetzt. Vielfach wurde das Leistungsprinzip selbst ad absurdum geführt, da Betriebe, um höhere Löhne zahlen zu können, von fiktiven Leistungsziffern ausgingen.95 Abgesehen vom Tariflohnrahmen konnten die Betriebe bei der Lohnfestsetzung bis Ende der dreißiger Jahre relativ frei schalten. Ein bewußtes Kalkül, wenn ein solches vorgelegen hatte, mußte sich angesichts der eher unkontrolliert verlaufenden Lohnentwicklung als wirkungslos erweisen. Ein integrativer Impuls konnte von den Löhnen auch im gesamtgesellschaftlichen Rahmen ausgehen. Die Wahrung des sozialen Friedens war für den Nationalsozialismus eine wichtige Bedingung sowohl der Herrschaft als auch der erfolgreichen Rüstungsproduktion. Der soziale Friede konnte nicht nur auf Repression und Terror aufgebaut werden. Materielle Zugeständnisse bei den Löhnen und auf dem Felde der Sozialpolitik bildeten die andere Seite der NS-Herrschaft. Am Beispiel des Bergbaus war zu sehen, wie sich selbst höchste NS-Stellen gegen die Zechenunternehmer stellten, um der system- und produktionsgefährdenden Unruhe und Unzufriedenheit unter den Bergleuten entgegenzuwirken. Am Ende stand eine Regelung, die den Bergarbeitern höhere Anforderungen auferlegte und zugleich bessere Löhne ermöglichte. Die Symbiose aus Lockung und Zwang machte gerade den besonderen Charakter der nationalsozialistischen Arbeiterpolitik aus. Die Lebenssituation der Arbeiter hatte sich gegenüber der Weimarer Republik nicht nur dadurch geändert, daß die Arbeitslosigkeit keine ständige Bedrohung mehr darstellte, wichtige Gruppen der Arbeiterschaft konnten reale Einkommensgewinne verbuchen, innerbetriebliche Qualifi106 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

kationsperspektiven eröffneten sich. In der Kerntruppe der Arbeiterschaft des großindustriellen Produktionsgütersektors, der am meisten davon profitierte, blieben diese Erfahrungen nicht ohne Widerhall. Ein Gewährsmann der sozialdemokratischen ›Deutschland-Berichte‹ konnte dies jedenfalls im Jahre 1937 in Berlin beobachten: »Die Stimmung in der Arbeiterschaft ist nach wie vor für die Nazis noch immer am günstigsten. . . . Eine ganz plausible Erklärung für diese Haltung der Arbeiter erhielt ich auch durch ein Gespräch mit einem Industriedirektor. Dieser wies mich darauf hin, daß die Arbeiter sehr gut verdienen. Er zeigte mir seine Betriebsstatistik. . . . ›Sollen die Leute vielleicht unzufrieden sein?‹ fragte mich der Direktor. ›Solche Löhne haben sie seit sechs Jahren nicht mehr verdient.‹ Er gab zu, daß das Spitzenlöhne sind, die nur in Rüstungsbetrieben gezahlt werden . . . Er gab weiter zu, daß in anderen Industrien die Löhne durchaus schlecht und unzureichend sind. Da jedoch in Berlin die Metallindustrie fast 50 % der Arbeiter beschäftigt, scheint hier ein Schlüssel dafür zu liegen, daß das System so widerspruchslos von der Masse hingenommen wird. «96

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III. ›Betriebsgemeinschaft‹ und Unternehmerverhalten 1. Funktionswandel der betrieblichen Sozialpolitik a) Ziele betrieblicher Sozialpolitik Die betriebliche Sozialpolitik umfaßt alle Maßnahmen, die ein Unternehmen über Lohn und Gehalt und über gesetzliche und tarifliche Sozialleistungen hinaus zur wirtschaftlichen Besserstellung und sozialen Sicherung der Belegschaft durchführt und die als Betriebskosten in Rechnung zu stellen sind. Die Frage, inwieweit diese Leistungen gänzlich freiwillig gewährt werden, berührt schon den Bereich der Intentionen und Aufgaben, die damit verknüpft sind. Als Mittel der Arbeiterpolitik waren die unternehmerischen Sozialmaßnahmen zu sehr vom eigentlichen Betriebszweck abhängig, als daß man sie als davon abgehobene freiwillige Leistungen bezeichnen könnte. Andererseits bestand kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf betriebliche Sozialleistungen, sie konnten jederzeit widerrufen werden, ihre Höhe lag in der alleinigen Entscheidung des Unternehmens. Gewährte ein Unternehmen diese Leistungen schon traditionell, war allerdings eine völlige Abschaffung mit unkalkulierbaren Schwierigkeiten verbunden: Die Belegschaft konnte darauf hinweisen, daß sie sich diese Leistungen schließlich auch durch ihre eigene Arbeit erworben habe. Die Motive, aus denen heraus betriebliche Sozialmaßnahmen durchgeführt wurden, unterschieden sich je nach Betrieb und Branche, nach Beschäftigtenstruktur und Wirtschaftslage; als wichtigste lassen sich eine Reihe von Motiven benennen, die aber nicht auf jeden Betrieb insgesamt zutreffen mußten. Eine wichtige Triebfeder konnte die aus sozialem Verantwortungsgefühl erwachsene Fürsorge für das Wohl der Betriebsangehörigen sein.1 Davon aber nicht zu trennen war der Effekt der Disziplinierung und Erziehung der Belegschaft. Die betrieblichen Sozialleistungen ließen sich als Belohnung einsetzen, um Wohlverhalten zu erzielen, und konnten im Sinne einer Strafmaßnahme entzogen werden. Je mehr Lebensbereiche die sozialen Einrichtungen erfaßten, desto stärker wurde auch der Lebenswandel der Beschäftigten gestaltet und kontrolliert. Beide Motivgruppen waren in der alten patriarchalischen Fabrikverfassung am häufigsten anzutreffen und erfüllten die Aufgabe, soziale Notstände abzumildern und eine fabrikungewohnte Arbeiterschaft in den Arbeitsprozeß und seine funktio108 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

nalen Zwänge einzupassen. Wie am Beispiel Krupp zu sehen sein wird, waren diese Motive im 20. Jahrhundert keineswegs überholt und gewannen in den dreißiger Jahren neue Aktualität. Die Steigerung der Arbeitsleistung war eine weitere Intention, die mit der betrieblichen Sozialpolitik verbunden war. Dies konnte über direkt am Arbeitsertrag orientierte Zuwendungen, wie Abschlußprämien, gehen, aber auch die Leistungsfähigkeit der Arbeiter selbst betreffen, indem Angebote zur Erholung und Gesundheitsvorsorge gemacht wurden. Eines der wichtigsten Motive war die Förderung der Bindung des Arbeiters an den Betrieb. Man erwartete sich dadurch eine Verringerung der Fluktuationsraten besonders bei qualifizierten Arbeitskräften, die für den Betrieb unverzichtbar waren und deren Ersatz immer mit hohen Kosten verbunden war sowie den Arbeitsfluß störte. Deshalb wurde die Höhe der Leistungen auch an die Dauer der Betriebszugehörigkeit geknüpft. Werkswohnungen konnten z. Β. in der Regel erst nach mehrjähriger Wartezeit bezogen werden. Ein Zwang zur Betriebstreue und zum Wohlverhalten wurde dadurch ausgeübt, daß bei Kündigung oder freiwilliger Abkehr erworbene Leistungen oder Anwartschaften verlorengingen, die Werkswohnung binnen drei Monaten geräumt und die Werksrente abgeschrieben werden mußte.2 Beim Versuch, in der Arbeiterschaft eine Betriebsloyalität zu wecken, spielten Sozialleistungen wohl eine gewichtige Rolle. Doch waren dafür aber auch noch andere Faktoren ausschlaggebend, wie das allgemeine Betriebsklima, die Arbeitsplatzsicherheit und Krupp in Essen steht dafür - ein eigenständiges Sozialmilieu, in dem die Firma alle Lebensbereiche beeinflussen konnte.3 Die betriebliche Sozialpolitik war schließlich darauf angelegt, gewerkschaftliche Einflüsse vom Betrieb fernzuhalten, den ›Klassenkampfgedanken‹ hinauszudrängen und durch die Weckung der ›Betriebsgemeinschaft‹ eine Interessenidentität zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten herzustellen. Das Ziel der ideologischen Entfremdung und Immunisierung der Arbeiter gegenüber den Organisationen der Arbeiterbewegung wurde durchbrochen von den Bestimmungen des Betriebsrätegesetzes von 1920. Die Gewerkschaften erhielten Zugang zu den Betrieben und konnten über die Betriebsräte die Interessenvertretung der Arbeiter vor Ort wahrnehmen. Der Appell an die ›Betriebsgemeinschaft‹ war ein Mittel, dem die Unternehmen sich verschrieben, um diesem innerbetrieblichen Legitimationsgewinn der Gewerkschaften entgegenzuwirken. Die ablehnende Haltung der Gewerkschaften zur betrieblichen Sozialpolitik diente als Anknüpfungspunkt, die Gewerkschaften als betriebsfeindlichen Faktor zu denunzieren und Loyalitätskonflikte zwischen den Betriebsräten und ihrer Organisation zu fördern. Denn eines der Gebiete, auf denen das Gesetz von 1920 eine Mitwirkung der Betriebsräte vorsah, war die Mitverwaltung der betrieblichen Sozialeinrichtungen. Allerdings wurde diese Befugnis dadurch eingeschränkt, daß die Betriebsleitungen sich über das gesamte 109 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Werkswohnungswesen die alleinige Kontrolle vorbehielten. Was die Verwaltungsgremien der Krankenkassen, Konsumanstalten, Freizeiteinrichtungen usw. betraf, kamen die Unternehmen den Betriebsräten häufig entgegen, aus dem einfachen Kalkül, wie zu vermuten steht, von betriebspolitisch wichtigeren Fragen abzulenken. Auf diese Weise wurden die Betriebsräte dazu verführt, den betrieblichen Belangen Vorrang vor dem gewerkschaftlichen Verdikt gegen die betriebsinterne Sozialpolitik einzuräumen. 4 Das Interesse der Beschäftigten bzw. ihrer gewählten Vertreter, bei der Gestaltung der Sozialeinrichtungen mitreden zu können, ging Hand in Hand mit den Intentionen der Unternehmer, die auf eine stärkere Bindung an den Betrieb zielten. Die ablehnende Haltung der Gewerkschaften zur betrieblichen Sozialpolitik ließ sich einmal zurückführen auf den Gegensatz zwischen diesen Leistungen, die ausschließlich durch die Unternehmensleitung gewährt wurden, und den gesetzlichen Sozialleistungen, die öffentlicher Kontrolle unterstanden. Die einzelnen Motive, die die Unternehmer mit der betrieblichen Sozialpolitik verfolgten, besonders die antigewerkschaftliche Stoßrichtung, konnten die Gewerkschaften nicht übersehen; sie wurden wachsam registriert. Ein grundsätzlicher Dissens kam hinzu. Die Klassendistanz im Betrieb, der besondere Charakter der betrieblichen Herrschaft, die den Arbeiter zum Objekt unternehmerischer Zwänge machte, konnte auch durch eine betriebsinterne Sozialpolitik nicht aufgehoben werden, oder wie der Soziologe Theodor Geiger 1929 in der freigewerkschaftlichen theoretischen Zeitschrift ›Die Arbeit‹ formulierte: »Heute ist der Klassengegensatz zu scharf entwickelt, als daß solche Maßnahmen (betriebliche Sozialpolitik - W.Z.) etwas anderes als das Mißtrauen des klassenbewußten Arbeiters wecken könnten. Durch die Kanäle der Betriebskantinen sieht er seinen Arbeitslohn zum zweiten Mal mehrwertzeugend in die Kassen des Unternehmers zurückströmen. Von Betriebsbibliotheken und betrieblichen Bildungseinrichtungen weiß er sich mit dem schleichenden Gift ihm verhaßter Weltanschauungseinflüsse bedroht; durch Betriebszeitungen fühlt er sich belogen, durch die Betriebskrankenkassen sieht er die staatlich-öffentliche, von den Funktionären seiner Bewegung kontrollierte Kranken- und Altersfürsorge zur Seite geschoben. . . . Die . . . betriebliche Sozialpolitik wird nicht imstande sein, auf dem Weg über die Bindung des Arbeiters an den Betrieb den Werkgemeinschaftsgedanken zu fördern. . . . Man könnte geradezu behaupten, daß es für den Arbeiter im Bereich kapitalistischer Wirtschaft beinahe ein Unglück ist, wenn er sich mit seinem Betrieb affektiv verbunden fühlt; denn weder durch Fleiß noch durch Tüchtigkeit kann er sich die Erhaltung dieser Verbindung sichern. . . . Der Industrieproletarier weiß aus Erfahrung, daß er jede Stunde seine Papiere bekommen kann.«5 Geiger sprach den Gewerkschaften damit aus dem Herzen. Im Organ des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes, in dem auch die Chemiearbeiter organisiert waren, wurde das Spar- und Jahresprämiensystem der IG Farben heftig attackiert. Ziel aller betrieblichen Wohlfahrtsbestrebungen 110 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

sei die Bindung des Arbeiters an den Betrieb, die Herbeiführung eines Abhängigkeitsverhältnisses, die Aufrichtung einer industriefeudalistischen Herrschaft. Damit würden die soziale und wirtschaftliche Übermacht des Unternehmertums gefestigt und der soziale Aufstieg der Arbeiternehmerschaft aus eigener Kraft verhindert. Allerdings mußte das Verbandsorgan etliche Monate später eingestehen, daß viele Betriebsräte sich für die sozialen Betriebseinrichtungen einspannen ließen, und warnte eindringlich davor, sich für eine Sache begeistern zu lassen, die der Arbeiterschaft schweren Schaden bringe.6 Der Vorsitzende des ADGB, Theodor Leipart, folgte dem ablehnenden Tenor und wies auf näherliegende Interessen der Arbeiter hin: »Nicht durch Blumen an den Fenstern oder Grasflächen zwischen den Fabrikgebäuden, nicht durch gemeinsame Schwimmübungen von Betriebsleitern und Arbeitern, nicht auf dem romantischen Wege der Werksgemeinschaft wird der Arbeiter der Fabrik und seiner Arbeit erhalten, sondern durch auskömmlichen Lohn für seine leiblichen und genügend Freizeit für seine geistigen Bedürfnisse. Denn nicht während, sondern erst nach getaner Arbeit fühlt sich der Arbeitnehmer (sic) als Mensch.«7 Die betriebliche Sozialpolitik galt als ein Stück vorenthaltenen Lohnes, den die Unternehmer für ihre eigenen ideologischen Zwecke einsetzten. Innerbetriebliche Fragen blieben für die Gewerkschaften zweitrangig und wurden durch die gesamtgesellschaftliche Perspektive verdeckt. Die Gewerkschaften machten erst gar nicht den Versuch, auf dem Wege über die Nutzung und den Ausbau der betriebsdemokratischen Einrichtungen in den Betrieben eigene Positionen zur Geltung zu bringen. Die Betriebsräte erhielten in entscheidenden betriebspolitischen Fragen kaum konzeptionelle Hilfe von ihren Organisationen. In der Betriebspraxis zur Mitarbeit veranlaßt und als gewerkschaftliche Funktionsträger zur Skepsis angehalten, waren die Betriebsräte in eine ambivalente Position gezwungen. 8 Zu spät, um in der Weimarer Republik noch Wirkungen zu entfalten, kam innergewerkschaftlich eine Diskussion in Gang, die eine differenziertere Sicht der betrieblichen Sozialpolitik anregte. Kritik fanden einzelne Aspekte, wie der der unternehmerischen Herrschaftssicherung und der Durchbrechung der Klassensolidarität, aber nicht die betriebliche Sozialpolitik insgesamt. Der Abbau betriebsinterner Spannungen wurde nun auch von einigen Autoren als im Interesse der Arbeiter liegend begriffen, die Bindung an den Betrieb nicht als solche schon negativ gesehen. Eine betriebliche Sozialpolitik, die auf den Prinzipien der Selbstverwaltung beruhte, galt als probates Mittel zur Verbesserung des Betriebsklimas und damit als entscheidender Fortschritt in der betrieblichen Herrschaftsstruktur. Der religiöse Sozialist Eduard Heimann warnte vor der Unterschätzung der Anziehungskraft, die das Dinta durch seine Maßnahmen zur Gestaltung des Betriebslebens ausübte: 111 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

»Auch hier wie in so vielen ähnlich gelagerten Fällen genügt nicht die Polemik gegen die soziale Tendenz des Gegners, und die Abstinenz gegenüber der von ihm in Angriff genommenen sachlichen Aufgabe der Arbeitsgestaltung ist nicht erlaubt, sondern es muß seiner positiven Leistung eine eigene positive Leistung auf demselben Felde entgegengesetzt werden, wenn man überzeugen will. . . . Das Problem steht auf der Tagesordnung. Es wird entweder gegen die Arbeiterbewegung gelöst werden und so die Anziehungskraft ihrer Gegner verstärken; oder es wird unter tätiger Mitwirkung der Arbeiterbewegung und im Sinne ihrer Idee von der herrschaftslosen freiheitlichen Disziplin der Arbeit gelöst werden . . . «9 Diese Anpassung an die betrieblichen Realitäten erfolgte nicht nur zu spät, sie konnte auch mit den im Wandel befindlichen Funktionen der betrieblichen Sozialpolitik nicht mehr Schritt halten. Dieser Funktionswandel war kurz zu umschreiben mit der Zurückdrängung sozialfürsorgerisch-patriarchalischer und dem Ausgreifen rein ökonomisch orientierter Sozialpolitik im Betrieb. An die Stelle des ›Almosens‹ von Seiten des Fabrikherrn rückte die Investition in den Produktionsfaktor ›Mensch‹. Die Funktionen, die auf Leistungssteigerung, Belohnung und Betriebsbindung hinzielten, spielten eine größere Rolle, die Funktionen der Disziplinierung und der ideologischen Abwehr waren deswegen aber noch nicht überholt. Am weitesten fortgeschritten war der Funktionswandel in einigen branchenmäßig modernen Betrieben, Mischformen waren jedoch in Großbetrieben am häufigsten anzutreffen. Die Ausnutzung der betrieblichen Ressourcen unter dem Ziel höchstmöglicher Produktivität und Rationalisierung konnte nicht nur bei den technischen und organisatorischen Betriebsabläufen stehen bleiben. Allein Überlegungen der Wirtschaftlichkeit verlangten eine Berücksichtigung des Faktors Arbeitskraft. Die nur ›technizistisch‹ ausgerichteten Ideen des Begründers der Rationalisierungsbewegung, Frederick Winslow Taylor, wurden in der Zwischenkriegszeit, ausgehend von den USA, in den hochindustrialisierten Ländern durch Bestrebungen zur ›Menschenökonomie‹ weiterentwickelt. Die ›Menschenökonomie‹ knüpfte an den Faktor ›Mensch‹ und seine Funktion im Arbeitsprozeß an und ging davon aus, daß der menschliche Faktor in einer Reihe mit der Maschine im Sinne effektiver Arbeitsgestaltung beeinflußbar sei. Der Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, des produktiven Nutzens, trat deshalb auch in der unternehmerischen Sozialtätigkeit immer mehr in den Vordergrund und drängte die Wohlfahrtsfunktionen zurück.10 Die sozialen Leistungen richteten sich in den Betrieben, die der neu verstandenen Sozialpolitik folgten, nunmehr fast ausschließlich nach der wirtschaftlichen Lage. Da die soziale Verpflichtung in solchen Unternehmen nicht im Vordergrund stand, wurden die sozialen Leistungen im konjunkturellen Tief gekürzt oder gar abgeschafft, was diesen Unternehmen Wettbewerbsvorteile gegenüber noch patriarchalisch strukturierten Betrieben gab, die in Krisenzeiten die betrieblichen Hilfen, ihrem eigenen 112 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Verständnis nach, noch ausbauen mußten. Der patriarchalische Betrieb erwies sich somit als ökonomisch anfälliger. Neben dem Konkurrenzvorteil sprach ein weiterer Aspekt für die ökonomisch-funktionelle betriebliche Sozialpolitik. Die Personalunion von Betriebsbesitz und Betriebsleitung löste sich in industriellen Großbetrieben zusehends auf. Leitende Funktionen wurden auch in Familienbetrieben an betriebsfremde Direktoren übertragen. Großbetriebe wie IG Farben standen unter der Führung von Managern, das Betriebseigentum befand sich in der Disposition einer bestellten Leitung. Persönliche Beziehungen, wie sie für die patriarchalische Fabrikverfassung prägend waren, konnten bei der primär am Ertrag orientierten Betriebsführung durch Manager den Arbeitern nicht mehr vermittelt werden. Die Unternehmerseite agierte zusehends anonym. Sozialpolitische Angelegenheiten wurden eigenen, bürokratisch aufgebauten Abteilungen übertragen.11 Der Geschäftsführer der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Herbert Studders, sprach die wirtschaftsfördernde Funktion sozialpolitischer Maßnahmen deutlich aus und stellte in Richtung auf noch skeptische Unternehmer fest, daß es gerade im Sinne der Rationalisierung liege, wenn der »Kostenfaktor Mensch« beobachtet und sein Wirkungsgrad im Betrieb verbessert werde. Die Leistungsfähigkeit und der Leistungswillen der Beschäftigten seien unmittelbarer Maßstab der betrieblichen Sozialpolitik, und darin liege auch ihr wirtschaftlicher Ertrag. Die Ausstrahlungsfelder der Sozialpolitik steckte der Verbandsvertreter weit ab. Sie reichten von der Auslese und Verteilung der Arbeitskräfte und ihrer Qualifizierung bis zur Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit durch Sport und Kulturangebote und eigentliche Fürsorgezahlungen. Sie wirke sich weiterhin auf die Arbeitsplatzgestaltung, die Hebung der Unfallsicherheit und die Stärkung des Arbeitswillens aus, dies insbesondere durch verbesserte Beziehungen zwischen Betriebsleitung und Arbeitern, durch eine angemessene Menschenbehandlung und Betriebsatmosphäre und durch die Vermeidung von Streitigkeiten, Unruhe und Fluktuation.12 Die ökonomische Funktion der Sozialpolitik im Betrieb und eine systematische, leistungsorientierte Personalpolitik waren in unmittelbarem Zusammenhang zu sehen. Eine solche, für die Zwischenkriegszeit moderne Personalpolitik mußte sich der im Betrieb zur Verfügung stehenden sozialen Instrumente bedienen. Wie bereits angedeutet, wurde diese Aufgabenstellung nicht nur in Deutschland aufgegriffen, sondern sie wurde während dieser Phase in den hochindustrialisierten Ländern insgesamt diskutiert.

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b) Ökonomisch orientierte Sozialpolitik bei IG Farben Eine Analyse der sozialen Leistungen in den vier untersuchten Betrieben und Branchen zeigt die Abstufungen und Mischformen, in denen die betriebliche Sozialpolitik in der Zwischenkriegszeit anzutreffen war. Als Prototyp der ökonomisch orientierten Sozialpolitik konnte der IG Farbenkonzern bezeichnet werden. Die Chemie war eine verhältnismäßig neue Branche. Der Ausbau der Werke erfolgte erst ab dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Mit den Anlagen in Leuna und Oppau wurde gar im Ersten Weltkrieg begonnen. Lange Werkstraditionen waren damit nicht in Verbindung zu bringen. Maßnahmen zur Infrastruktur, wie Wohnungen, Konsumversorgung und Freizeiteinrichtungen, waren in hohem Maße von den Werken abhängig. Der örtliche Arbeitsmarkt reichte bei weitem nicht aus, den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Sozialpolitische Maßnahmen dienten somit der Infrastruktur und den arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten, nämlich Arbeitskräfte anzuziehen und auch zu halten. Leverkusen und Leuna, die beide nicht wie Ludwigshafen und Hoechst nur auf Pendler aus der Umgebung setzen konnten, waren zu besonderen Anstrengungen gezwungen, was Werkssiedlungen, Krankenanstalten, Konsumeinrichtungen usw. betraf.13 Ein Problem blieb aber bestehen, die hohe Fluktuationsrate unter den Arbeitern. Vor dem Krieg wechselten die Belegschaften ständig. Zwei Drittel der Belegschaft verließen in Leverkusen 1913 wieder den Betrieb. Auch in Ludwigshafen stellte das erste Dienstjahr eine kritische Schwelle dar. Die aus dem ländlichen Osten des Reiches bezogenen Arbeitskräfte und auch die Pendler aus der Umgebung konnten sich an kontinuierliche Arbeitsverhältnisse nicht so schnell gewöhnen und zogen sich im Sommer häufig wieder in die Landwirtschaft zurück, waren also saisonal gebundene Arbeitskräfte. Hinzu kam, daß die Arbeit in der Chemie vielfach schwer und gesundheitsschädigend war und deshalb Berufsanfänger schnell abschreckte.14 Die hohe freiwillige Fluktuation stellte mit zunehmender Intensivierung der Produktion ein entscheidendes Produktivitätshindernis dar. Als ein Mittel, einen Stamm erfahrener Arbeitskräfte an den Betrieb zu binden, war die interne Sozialpolitik anzusehen. Da viele Leistungen an die Dauer der Betriebszugehörigkeit gekoppelt waren, bedeutete ein Arbeitsplatzwechsel Einbußen in dieser Hinsicht, was bei betrieblichen Rentenanwartschaften und bei Werkswohnungen ganz einschneidende Folgen haben konnte. Auch die Urlaubsbemessung orientierte sich an der Dienstaltersstufe. Der Rahmentarifvertrag für die chemische Industrie bestimmte, daß einem erwachsenen Arbeiter nach einem Dienstjahr vier Urlaubstage, nach 10 Dienstjahren dagegen 12 Urlaubstage zustanden.15 Die betriebliche Sozialpolitik war bei IG Farben funktional auf die personalpolitischen Zielsetzungen hin ausgerichtet. Die Aufwendungen für freiwillige Leistungen waren verglichen mit anderen Unternehmen sehr 114 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

hoch und zeichneten sich durch einen beträchtlichen Anteil an direkten Geldleistungen aus. Den relativ großen Spielraum in der Sozialpolitik ermöglichten der günstige Geschäftsverlauf und die nicht personalintensive Struktur. Der Grundsatz der mittelbaren Beteiligung am Gewinn durch Sozialleistungen strich den ökonomischen Charakter gegenüber den reinen ›Almosen‹ heraus.16 Die ab 1926 von IG Farben ihren Beschäftigten gewährte Jahresprämie stellte eine Kombination aus Treueprämie und Gewinnbeteiligung dar. Sie sollte, wie der Biograph des IG Farben-Aufsichtsratsvorsitzenden Carl Bosch die Intentionen nachzeichnete, »das Interesse des Arbeiters am Unternehmen wecken, dem er durch seine Arbeit diente, indem er den Arbeiter am Erfolg des Unternehmens beteiligte. Der Arbeiter sollte das Bewußtsein haben, daß die verbesserte Gesamtleistung auch ihm selber wieder zugute komme. «17 Die Jahresprämie setzte sich zusammen aus einem für alle Beschäftigten gleichen Grundbetrag, einer Treueprämie, gestaffelt nach Dienstjahren, und einer dividendenabhängigen Gewinnbeteiligung, die bei 6 % Dividende 4,75% des Jahreseinkommens der betreffenden Empfänger ausmachen sollte. Im Durchschnitt belief sich diese Prämie bis zum Beginn der Wirtschaftskrise auf 1 bis 1,5 Monatseinkommen.18 Die Prämie wurde entweder direkt ausbezahlt oder ging auf das Konto der Werkssparkasse. Die letzte Möglichkeit nutzten jedoch gewöhnlich nur 17% - und dies wohl überwiegend nur Angestellte. Angesichts ihrer Einkommenssituation besaßen Werkssparkassen für Arbeiter sicher nur geringe Bedeutung.19 Da diese Prämienzahlungen an den wirtschaftlichen Ertrag gekoppelt waren, sanken die Auszahlungsbeträge in der Wirtschaftskrise rapide ab. Die ökonomische Orientierung der betrieblichen Sozialpolitik kam hierin deutlich zum Ausdruck. 1930 belief sich der Grundbetrag der Jahresprämie auf 24 RM, die Treueprämie pro Dienstjahr auf 3 RM und der prozentuale Gewinnanteil auf 1,2 % des Jahreseinkommens, 1931 lauteten die Ziffern schließlich nurmehr 14RM, 1,50 RM und 0,7%, obwohl auf das Aktienkapital noch eine Dividende von 12 bzw. 7% ausgegeben wurde. 1930 wurden für die Jahresprämie 2 Mio. RM weniger ausgegeben als im Vorjahr.20 Die Prämienzahlung bewegte sich in der Krise parallel zu den Löhnen, also nach unten. Soziale Maßnahmen, um die Wirkungen der Krise abzumildern, sprich Wohlfahrtsleistungen im eigentlichen Sinne, prägten nicht das Bild, was nicht hieß, daß es sie überhaupt nicht gegeben habe. Immerhin bliebe anzuführen, daß mit Abfindungen und Wartegeldern bis zur Erreichung der Pensionsgrenze langjährigen Arbeitern bei Entlassung unter die Arme gegriffen wurde. Von den binnen eines Jahres in Oppau und Ludwigshafen Entlassenen kamen bis zum 1. März 1931 37%, das waren 1283 Arbeiter, in den Genuß solcher Zahlungen.21 Leider sind keine Daten zur Entwicklung der freiwilligen sozialen Lei115 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

stungen bei IG Farben insgesamt verfügbar. Es ist jedoch anzunehmen, daß diese Aufwendungen in der Krise zwar nicht absolut, aber doch pro Beschäftigten und im Verhältnis zur Lohn- und Gehaltssumme anstiegen, da der erfahrungsgemäß größte Posten - die Pensionszahlungen - sich kaum verringern ließ und infolge von Frühpensionierungen noch zunahm. Eine Tabelle der Geschäftsbilanzen von 1929 bis 1933, die Helmuth Tammen in seiner Studie über den Farbenkonzern abgedruckt hat, schlüsselt die Sozialaufwendungen nicht nach gesetzlichen und freiwilligen auf, bestätigt aber diese Annahme. Ausdruck einer bewußten Erhöhung der Sozialleistungen in der Wirtschaftskrise war dies aber nicht. Denn anders als bei Krupp, wo sich die freiwilligen Leistungen in der Krise pro Beschäftigten verdoppelten, gestaltete sich im IG Farbenkonzern dieser Anstieg zurückhaltender, und im Gegensatz zu Krupp gingen diese Leistungen absolut zurück. Der Großteil der freiwilligen sozialen Verpflichtungen ließ sich eben nicht so leicht reduzieren wie die Beschäftigtenzahl und die Lohnsumme.22 Eine für den Charakter der Arbeiterpolitik bei IG Farben bezeichnende Maßnahme war, daß durch die generelle Einführung der 40-StundenWoche ab 1930 Entlassungen noch größeren Ausmaßes vermieden werden sollten. Dies ersparte dem Konzern zumindest Wohlfahrtszahlungen an Entlassene und verteilte die Arbeit gerechter unter den Beschäftigten, abgesehen davon, daß sich strikt ökonomisch die Personalkostenstruktur damit verteuerte. Diese Maßnahme sollte im Betrieb vorhandene soziale Konfliktpotentiale entschärfen helfen. Eine wohl zu optimistische Berechnung ging davon aus, daß durch die 5-Tage-Woche 10000 Beschäftigte weiterbeschäftigt werden konnten, die sonst hätten entlassen werden müssen. Verhindern konnte dies nicht, daß die Arbeiterzahl 1932 verglichen mit dem Höchststand 1929 geradewegs halbiert wurde. 23 Das Wohnungswesen war bei IG Farben auf verschiedene Träger verteilt. 13 556 Wohnungen standen 1934 insgesamt bei allen Werksteilen im Eigentum der Firma. 72,1 % davon waren von Arbeitern, der Rest von Angestellten bewohnt. Angestellte waren demnach, gemessen an der Zusammensetzung der Belegschaft - 1934 waren 21,1 % der Beschäftigten Angestellte - bei der Vergabe von Werkswohnungen bevorzugt. Daneben gab es noch 6857 mit Mitteln des Werkes über gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften errichtete Wohnungen. Schließlich verzeichnete die IG noch 1192 Einheiten in Nebenerwerbssiedlungen für Arbeiter, die zum größten Teil nach dem 30. Januar 1933 erstellt bzw. in Angriff genommen worden waren. Der Schwerpunkt des Siedlungsprogramms lag auf den Werken am Oberrhein, wo die einflußreiche NSBO-Betriebszelle als treibende Kraft wirkte. Der Bau geschah, wie am Beispiel der IG-Siedlung in MannheimRheinau überliefert ist, auf dem Wege der Selbsthilfe. Die angehenden Siedler wurden für vier Monate werksbeurlaubt. Die Firma stellte über eine neu gegründete Siedlungsgesellschaft Gelände und Darlehensmittel 116 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zur Verfügung, die NSBO war mit der organisatorischen Durchführung des Baus betraut. Alles in allem waren 1934 21 605 Arbeiter und Angestellte der IG Farben in direkten und indirekten Werkswohnungen untergebracht, somit jeder fünfte.24 Die Ausgaben der Betriebskrankenkasse der IG Farben Werk Leverkusen stiegen im Jahresschnitt von 1932 bis 1936 je Mitglied von 78,18 auf 92,92 RM. Die Einnahmen lagen jeweils um ca. 10 % darunter und mußten per Zuschuß aufgestockt werden. Die Krankheitsfälle auf 100 Mitglieder nahmen im selben Zeitraum von 32,5 auf 51,3 zu. Dies lag zum einen daran, daß sich durch die krisenbedingten Entlassungen eine Auslese der leistungsfähigsten Arbeitskräfte ergeben hatte, häufig Erkrankte wohl eher entlassen worden waren und zum anderen während der Wirtschaftskrise nur ernstlich Erkrankte eine Krankmeldung wagten. Denn die Anzahl der Krankheitstage pro Krankheitsfall war 1932 mit 24,68 höher als 1936 mit 19,82. Die Ausgaben pro Mitglied gliederten sich 1936 in folgende Leistungen auf (1932):25 Krankengeld Ärztl. Behandlung Krankenhauspflege Arznei- u. sonstige Heilmittel Wochenhilfe Zahnbehandlung Sonstiges

27,58 20,39 13,89 13,66 6,36 3,77 8,16

RM RM RM RM RM RM RM

(17,03) (20,79) (11,30) (10,36) ( 4,75) ( 3,80) (11,04)

Daneben gab es in Leverkusen Pensionskassen, Kur- und Wöchnerinnenheime, das Bayer-Kaufhaus, Sportanlagen und, nicht zuletzt zur ideologischen Abrundung der fast alle Lebensbereiche durchdringenden Werkseinrichtungen, die Werkszeitung ›Die Erholung‹. Die Zeitung, die aufwendig gestaltet war, brachte eine breite Palette von Berichten über südliche Reiseziele bis hin zu technischen Informationen.26 Die Chemie insgesamt hatte die höchsten betrieblichen Sozialleistungen aller Branchen aufzuweisen. Aus diesem Kreis ragte die IG Farben nochmals heraus. Eine Analyse der Sozialleistungen verschiedenster Branchen, die der Sozialpolitiker Ludwig Preller, vor 1933 Regierungsrat im Reichsarbeitsministerium, nach dem Krieg SPD-Bundestagsabgeordneter, anhand der Geschäftsberichte des Jahres 1936 durchführte, brachte die Spitzenstellung deutlich zum Ausdruck. Die freiwilligen Sozialleistungen der IG Farben betrugen 367,0% ihrer gesetzlichen Sozialaufwendungen, 89,5% des Gewinns und 21,3% der gesamten Lohn- und Gehaltssumme. Die anderen Branchen lagen weit zurück. Nur die untersuchten Betriebe der Maschinen-, Werkzeug- und Elektroindustrie, darunter Siemens, konnten einigermaßen mithalten und nahmen im Vergleich zur Höhe des Gewinns eine bessere Position ein (s. Tab. 20). 117 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 20: Freiwillige Sozialleistungen bei IG Farben und in Betrieben anderer Branchen im Jahr 1936 freiwillige Sozialleistungen in % von Gewinn Bruttoertrag Löhne und gesetzliche SoGehälter zialleistungen IG Farben1 8 Bergbau- und Hüttenbetriebe2 9 Betriebe der Maschinen- Werkzeugu. Elektroind.23 4 Betriebe der Automobilindustrie2 4 Betriebe der Textilindustrie2 1 2

4

7,3

21,3

367,0

89,5

2,60

5,26

48,364

41,57

4,28

8,38

184,31

96,97

2,73

4,43

58,48

28,58

3,12

8,22

117,66

37,60

Errechnet anhand der gemachten Angaben für 6 Betriebe der chemischen Industrie und für dieselben ohne IG Farben Bei diesen Betrieben sind in den Ziffern auch die Rückstellungen für den Sozialfond enthalten, die sich auf etwa 20-30 % der freiwilligen Sozialleistungen beliefen Darunter auch Siemens und Bosch Die gesetzlichen Aufwendungen waren im Bergbau - Knappschaftsversicherung - traditionell sehr hoch

Quelle: Ludwig Preller, Was wird für die betriebliche Sozialpolitik ausgegeben?, in: Soziale Praxis, Jg. 47, 1938, Sp. 27-36, 31 f.

Augenfälliger ließ sich die Bedeutung der betrieblichen Sozialpolitik im IG Farbenkonzern nicht darstellen. Den Beschäftigten kamen hohe betriebliche Sozialleistungen zu, die strikt am wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet waren. Diese Leistungen schufen Anreize, aber auch latente Zwänge, denn selbst in seiner Freizeitgestaltung konnte ein einzelner Arbeiter in Leverkusen oder Leuna dem Dunstkreis des Werks kaum entrinnen. Die sozialen Aufwendungen waren ein zentraler Bestandteil der Personalpolitik. Die Beeinflussung des ›menschlichen Faktors‹ erfolgte weniger durch offene ideologische ›Bekehrungsversuche‹ als durch ein breites Angebot infrastruktureller und materieller Leistungen, die eine funktional geprägte Bindung zwischen Arbeiter und Betrieb herstellen konnten. Eine darüber hinausreichende Betriebsloyalität, wie sie z. Β. in der Bezeichnung ›Krup­ pianer‹ zum Ausdruck kam, lag bei IG Farben nicht vor. Insoweit folgte IG Farben einer modern verstandenen Arbeiterpolitik.

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c) Siemens - Tradition und Modernität Siemens besaß eine lange Tradition betrieblicher Sozialpolitik. Die Siemenssche Sozialpolitik galt weithin als vorbildlich. Als im Jahre 1930 vom Internationalen Arbeitsamt eine Studie über die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern veröffentlicht wurde, erfuhr Siemens neben anderen europäischen Unternehmungen eine ausführliche Würdigung. Der Bericht zog das Fazit, daß »die Organisation der sozialen Beziehungen bei den Siemensfirmen . . . zu einem sehr hohen Grade von Wirksamkeit geführt« habe, und er charakterisierte die soziale Arbeit bei Siemens als eine Kombination zwischen der Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf alle sozialen Beziehungen und der Ausbildung persönlicher Beziehungen im Verhältnis von Firmenchef und Arbeitnehmern.27 Siemens verband patriarchalische Züge mit den Prinzipien der ökonomisch orientierten Sozialpolitik. Das Wohnungswesen erlangte bei Siemens für die Beschäftigten nur eine geringe Bedeutung. Die Wohnungen, die nach der Verlegung der SiemensWerke an den Nordrand Berlins dort errichtet wurden, waren bei den Arbeitern nicht beliebt. Sie waren dort zu sehr dem Werk verpflichtet und von ihm doppelt abhängig, zudem fanden sie die Wohngegend an der Peripherie unattraktiv. Sie zogen es lieber vor, in den traditionellen Berliner Arbeitervierteln zu wohnen, auch auf Kosten weiter Anfahrtswege zur Arbeit.28 In den zwanziger Jahren wurden mit der Gartenstadtsiedlung in Berlin-Siemensstadt und - besonders zwischen 1932 und 1933 - dem Bau von Kurzarbeitersiedlungen stärkere Bemühungen von Werksseite unternommen. Trotzdem kamen 1936/37 auf ca. 68 000 Arbeiter und Angestellte in den Berliner Werken nur 2745 Wohnungen, die im Siemens-Eigentum standen oder mit Firmenzuschüssen errichtet worden waren. Das Wohnungswesen blieb ein vernachlässigter Zweig der internen Sozialpolitik.29 Über die Hälfte der freiwilligen Sozialaufwendungen ging auf das Konto der betrieblichen Altersversorgung. Die Pensionskassen wurden ganz von der Firma bestritten, die Beschäftigten hatten keine Beiträge zu leisten. Die Zahl der Pensionäre betrug am 30. September 1936 14471. Wer fünfzig Jahre in der Firma beschäftigt gewesen war, hatte das Anrecht auf eine Pension in Höhe des letzten Einkommens. Die Altersversorgung machte 1928/29 57,4 % der freiwilligen Sozialleistungen aus und stieg danach bis 1931/32 absolut und anteilsmäßig an, da die Zinsen des Kapitals der Pensionskasse immer weniger zur Deckung ausreichten. Deshalb ordnete Siemens 1932 Sparmaßnahmen an. Nunmehr wurde ein Teil der Angestellten-, Invaliden- und Unfallrenten auf die betrieblichen Pensionen angerechnet. Dies erbrachte in den Folgejahren Einsparungen bis zu 2 Mio. RM. Infolgedessen stiegen die Aufwendungen für die Altersversorgung bis 1936/37 absolut nur leicht an und erreichten wieder einen Anteil von 57,1 % an den freiwilligen Sozialleistungen.30 119 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Ab 1935 hätten die Zuweisungen an die Pensionsfonds aufgrund der wirtschaftlichen Lage durchaus stärker ausfallen können. Eine Änderung im Steuerrecht bremste jedoch die Zahlungsbereitschaft des SiemensVorstands. Denn für solche Zuweisungen wurde eine Befreiung von der Körperschaftssteuer nur dann noch gewährt, wenn den Belegschaftsmitgliedern ein Rechtsanspruch auf die Renten zugesichert wurde. Bei Pensionskassen ohne einen solchen Rechtsanspruch war die sonst im Rahmen des Betriebsvermögens übliche anderweitige Verwendung der Gelder ausgeschlossen. Die Pensionsleistungen hielten deshalb mit der verbesserten Ertragslage nicht Schritt.31 Weitere wichtige Bestandteile der freiwilligen sozialen Leistungen waren die Weihnachtsprämie, über deren Modalitäten und Höhe bereits im Zusammenhang mit den Löhnen berichtet wurde und die, bezogen auf das Geschäftsjahr 1935/36, mit 2,1 Mio. RM 11,3 % der Sozialausgaben ausmachte. Darunter lagen die Kasino- und Speisebetriebszuschüsse mit l,2Mio. RM (6,5%), die Aufwendungen für Familien- und Krankenpflege, für Gesundheitsdienst, Erholungsheime und Wohnungswesen mit rund 1,0 Mio. RM (5,4%), die Wohlfahrtsunterstützungen und Übergangsbeihilfen für Ausscheidende mit 1 Mio. RM (5,3 % ) , die Einrichtungen für Freizeit, Kultur und Sport mit 875 000 RM (4,6%) und die Geschenke für Jubilare mit 750 000 RM (3,9 % ) . 3 2 Im Gegensatz zur Weihnachtsprämie, die nahezu allen Beschäftigten in fast gleicher Höhe zustand, waren die Abschlußprämien und die besondere Zuwendung von ihrem Charakter als Gewinnbeteiligung her nicht den freiwilligen Sozialleistungen im engeren Sinne zuzuzählen. Deshalb tauchten sie auch in dieser Aufstellung nicht auf. Alle freiwilligen Sozialleistungen zusammengenommen hatten sich zwischen 1924/25 und 1928/29 im Schnitt in Höhe von 4,2 % der Lohn- und Gehaltssumme bewegt.33 Wie an den Daten für die Siemens-SchuckertWerke zu sehen war, stieg dieser Anteil auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise auf 17,4 % an. Die freiwilligen Sozialleistungen lagen nun auch weit über den gesetzlichen (s. Tab. 21). Der Hauptgrund, die Pensionen, wurde dafür schon genannt. Durch vermehrte Pensionierungen versuchte der Konzern, wie Carl Friedrich von Siemens die Generalversammlung aufklärte, »jüngere bewährte Kräfte vor der Arbeitslosigkeit zu schützen«. Er schloß ein Bekenntnis zur patriarchalischen Tradition daran an: »Getreu den Richtlinien des Gründers unseres Hauses halten wir die Aufrechterhaltung des Geistes der Zusammengehörigkeit für einen Grundpfeiler unseres Unternehmens, und wir legen den größten Wert darauf, unseren alten Mitarbeitern auch über ihre aktive Tätigkeit hinaus unsere Dankbarkeit zu beweisen.«34 Es fügte sich in dieses Konzept patriarchalisch geprägter Sozialpolitik ein, daß mit dem beginnenden Wirtschaftsaufschwung die Pensionszahlungen absolut fast stagnierten und die freiwilligen Sozialleistungen insgesamt 120 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 21: Entwicklung der freiwilligen Sozialleistungen in den SiemensSchuckert-Werken 1928/29 1932/33 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 freiwillige Sozialleist. in1000RM freiw. in % der gesetzl. Leistungen in % der Lohn- und Gehaltssumme pro Kopf der Belegschaft in RM1 1

6978

10735

10737

11 407

12442

13232

78,2

239,2

183,7

155,4

142,0

130,2

-

17,4

12,8

10,6

10,0

9,0

-

383,27

301,43

261,35

251,93

231,53

Zwischen 1932/33 und 1936/37 verdoppelte sich die Belegschaft.

Quelle: Reinhardt Hanf, Möglichkeiten und Grenzen betrieblicher Lohn- und Gehaltspolitik 1933-1939, rechts- und wirtschaftswiss. Diss., Regensburg 1975, S. 213. Die Daten für 1928/ 29 entstammen der veröffentlichten Bilanz in: Deutscher Reichsanzeiger und preußischer Staatsanzeiger 1930, Nr. 10.

mit dem Belegschaftsanstieg, der Lohnsumme und den gesetzlichen Aufwendungen nicht im gleichen Maße Schritt hielten. Gewissermaßen an diesem Punkt trat die ökonomisch-funktionelle Komponente der betrieblichen Sozialpolitik in den Vordergrund - in Form der Abschlußprämien und besonderen Zuwendungen. Im gesamten Siemens-Konzern beliefen sich die Weihnachtsgratifikationen und Abschlußprämien ab 1936/37 etwa auf ein Drittel sämtlicher zusätzlicher Sozialaufwendungen, ein rasanter Anstieg verglichen mit einem Anteil von 1,6% 1932/33.35 Die direkten individuellen Geldleistungen an die Beschäftigten - um hier die Pensionäre auszuschließen - gewannen wieder die Oberhand gegenüber den Sozialangeboten, die aus der betrieblichen Infrastruktur erwuchsen. Die Gewinnbeteiligung war innerhalb der Belegschaft ohne Zweifel populär. Der Vertrauensrat des Wernerwerks Ζ von Siemens und Halske drang sogar darauf, die Gewinnbeteiligung in der Betriebsordnung festzu­ schreiben: »Die Schicksalsverbundenheit mit der Firma habe in §42 dahin Ausdruck gefunden, daß bei schlechter Geschäftslage Kurzarbeit eingeführt werden könne. Es würde nun einen starken moralischen Erfolg bedeuten, wenn andererseits in der Betriebsordnung auch ein gewisses Anrecht auf eine Gewinnbeteiligung bei guter Geschäftslage vorgesehen würde. «36 Das Ansinnen wurde jedoch von der Firmenleitung abgeblockt. Die Zahlungen konnten als Ersatz für Lohnerhöhungen herangezogen werden und konnten in Verbindung mit den anderen sozialpolitischen Maßnahmen dazu dienen, einen »Korpsgeist« der Siemens-Beschäftigten zu wecken, sowie »ihr Gemeinschaftsgefühl und damit auch ihr(en) Wille(n) zur Mitarbeit an der Betriebsgemeinschaft«37 zu stärken - im Interesse, wie sich hinzufügen läßt, einer konfliktfreieren, reibungslosen Produktion. 121 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Verglichen mit IG Farben waren die freiwilligen Sozialaufwendungen bei Siemens niedriger. Bei IG Farben machten sie 1935/36 gemessen an Löhnen und Gehältern 21,3 % aus, im Verhältnis zu den gesetzlichen Leistungen 367,0 %. Die Siemens-Schuckert-Werke kamen im selben Jahr nur auf 10 % bzw. 142 %. 38 Eine andere Berechnung ermöglichte den Vergleich mit Krupp. Nach dieser Gegenüberstellung lag Siemens mit seinen freiwilligen Leistungen mit 12,0 % im Vergleich zur Lohnsumme vor Krupp mit nur 7,2 %. 39 Die modernen Industrien hatten demnach einen großen Vorsprung vor der Schwerindustrie. Ihre Personalpolitik war ebenso modern. Sie nutzten die Möglichkeiten materieller Anreize und Verlockungen gegenüber den Arbeitern, ohne, wie im Fall Siemens, den patriarchalischen Bindungsfaktor zu vernachlässigen. Die modernen Industrien boten eine reale Gegenleistung - und konnten dies aufgrund ihrer Ertragslage tun - bevor sie von ihren Beschäftigten Betriebsbindung und Loyalität einforderten. Damit wäre das Thema Krupp und die dort praktizierte, davon abweichende Sozialpolitik schon angesprochen. d) Krupp: Mikrokosmos Familienbetrieb Krupp war ein patriarchalisch strukturierter Familienbetrieb mit langer sozialpolitischer Tradition. Diese Tradition war jedoch bestimmt von der autoritär-kompromißlosen Haltung des eigentlichen Firmenbegründers Alfred Krupp, der seinen Beschäftigten strenge Pflichten auferlegt hatte. Auf die Frage angesprochen, warum er keine Gewinnbeteiligung der Arbeiter einführen würde, antwortete er: »Wie ich den Verlust allein tragen muß, so ist auch der Gewinn mein von Rechts wegen, denn ich habe ihn erworben mit meiner Kraft und meiner Sorge.«40 Dieser autoritär-patriarchalische Geist wirkte bei Krupp nach. Die betriebliche Sozialpolitik betraf hauptsächlich Infrastruktur- und Fürsorgemaßnahmen. Dies reichte von geschlossenen Werkssiedlungen über Bierhalle, Konsumanstalt, Sparkasse, Pensions- und Betriebskrankenkasse bis hin zu Fürsorge- und Erholungseinrichtungen, dem Kulturprogramm und der Werkszeitung.41 Der gesamte Lebensbereich, von der Wiege bis zur Bahre, konnte bei Stammarbeitern durch das Kruppsche Wohlfahrtswesen geprägt sein. Der Versuch, bei Krupp nach dem Ersten Weltkrieg eine Arbeiteraktie einzuführen und damit in einen neuen Bereich der Sozialpolitik vorzustoßen, scheiterte nicht zuletzt wegen der Inflation. Er war aber auch infolge einer nur minimalen Beteiligung der Arbeiterschaft nicht erfolgversprechend. Der Betriebsrat hatte diese Aktie abgelehnt, da der Einfluß auf das Unternehmen gleich Null sei und damit nur die Arbeitersolidarität durchbrochen würde. Im Grunde hatte Krupp mit dieser Aktie den Forderungen 122 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

nach Sozialisierung entgegenwirken wollen. Der Versuch wurde schließlich 1925 abgebrochen, die Kruppsche Treuhand, die den Bestand hätte verwalten sollen, wurde aufgelöst.42 Direkte Gewinnbeteiligung und Prämien waren bei Krupp ein Fremdwort. Erst zum Jahresende 1934 wurde dem von anderen Unternehmungen geübten Brauch, Weihnachtsprämien oder -Zahlungen zu gewähren, gefolgt, wie die Sozialpolitische Abteilung berichtete: »Um die Gefolgschaft an dem besseren wirtschaftlichen Ergebnis der Arbeit im abgelaufenen Geschäftsjahr teilnehmen zu lassen, wurde den Werksangehörigen des Gesamtunternehmens vor Weihnachten 1934 einmalig eine besondere Zahlung zugewiesen, deren Höhe sich nach der Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Firma richtete.«43 Die besondere Zahlung zur Weihnachtszeit, das Wort Prämie wurde tunlich vermieden, belief sich für Arbeiter auf 10 bis 40 Μ und für Angestellte auf 10-25 % des Monatseinkommens.44 Bei einer einmaligen Ausgabe blieb es nicht, auch in den Folgejahren wurde eine geringfügig erhöhte Weihnachtszuwendung ausbezahlt. Es handelte sich um keine an der Dividendenzahlung orientierte Erfolgsprämie, sondern um ein vom Firmenchef gewährtes Weihnachtsgeschenk, dessen Höhe nicht von wirtschaftlichen oder Leistungsgesichtspunkten beeinflußt wurde. Im Vergleich zu Siemens und IG Farben blieb der Weihnachtsbetrag gering. Der Kruppsche Bildungsverein, dessen Mitglied man durch 1 Μ Jahres­ beitrag werden konnte und der sich der Pflege gehobener Kulturgüter vom Konzert bis zum Unterhaltungsabend widmete, klagte in den zwanziger Jahren über die Konkurrenz anderer Einrichtungen, wie Volkshochschulen, Theatergemeinde usw., in denen »mehr das Trennende der Weltanschauung oder der Parteigesinnung, als das Gemeinsame im Volke« betont werde. Trotz der Bemühungen, in den Krupp-Siedlungen für die ›Werksgemeinschaft‹ zu werben, litt der Bildungsverein immer mehr an personeller Auszehrung. Kommunale Kulturangebote und neue Massenmedien liefen dem wirtschaftsfriedlich ausgerichteten Verein den Rang ab. Immerhin waren im Oktober 1926 von 2377 Mitgliedern des Bildungsvereins 1120 Arbeiter-zumeist ältere, national gesinnte, wie zu vermuten steht.45 Während das auf ideologische Vereinnahmung angelegte Kulturangebot kaum durchschlagend wirkte, erfreute sich die Bücherhalle anhaltender Beliebtheit. Noch Ende der dreißiger Jahre wuchs die Leserschaft, und es wurden pro Tag 675 Bände ausgeliehen.46 Mit der NS-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹, einer Teilorganisation der Deutschen Arbeitsfront, trat ein Konkurrent auf den Plan, der das Kulturprogramm in den Betrieben immer mehr an sich zog. Grundsätzlich ließen das die Unternehmensleitungen auch zu, denn die Energien der DAF konnten damit auf einen becriebspolitisch weniger wichtigen Bereich gelenkt werden.47 Eine zentrale Rolle im Kruppschen Wohlfahrtsbereich spielte das Wohnungswesen. Daß zur Herstellung einer Bindung an den Betrieb und zur Auszeichnung einer Stammarbeiterschaft die Werkswohnungen sich als 123 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

nützliches Instrument erwiesen, hatte schon der ansonsten wenig philanthropische Alfred Krupp erkannt. 1925 war jeder zehnte Essener in einer Wohnung von Krupp untergebracht.48 Die Mieten waren günstiger als in Vergleichswohnungen auf dem freien Markt, zudem waren bei der vorherrschenden Siedlungsbauweise noch Nutzgärten vorhanden, die besonders in Krisenzeiten lebenswichtig werden konnten. Die Siedlungen bildeten geschlossene Einheiten, es konnte sich auch in der Freizeit eine Zusammengehörigkeit der Krupparbeiter untereinander entwickeln.49 1935 entfielen auf die Belegschaft der Gußstahlfabrik 9546 Werkswohnungen. Das hieß, auf 100 Beschäftigte kamen 23 Werkswohnungen. Bis 1939 verschlechterte sich diese Relation auf 15.50 Zählt man noch die über Genossenschaften errichteten Wohnungen hinzu, ergaben sich für 1939 14151 Wohnungen bei rund 60000 Beschäftigten. Ein Stamm von Arbeitern gewissermaßen Arbeiter-Beamten - war demnach Nutznießer der firmeneigenen Wohnungspolitik.51 Die Kruppsche Betriebskrankenkasse trug sich, was die laufenden Ausgaben für die Mitglieder anging, aufgrund der Beiträge der Versicherten weitgehend selbst. Die nötigen baulichen und personellen Voraussetzungen für die Kasse, die Heilstätten und Heime mußte das Werk übernehmen. Die Entwicklung der Krankheitsfälle und der Erkrankungsdauer zeigte einen ähnlichen Verlauf wie bei IG Farben. Allerdings lagen dort die Ausgaben der Kasse pro Mitglied durchgehend etwas höher. Mehr als Leverkusen gab die Kruppsche Kasse pro Mitglied für Krankengeld und Zahnbehandlung aus, deutlich weniger für ärztliche Behandlung und für Arzneien.52 Die Betriebskrankenkassen waren attraktiv, weil ihre Leistungen über denen der Ortskrankenkassen lagen. Ständigen Anlaß zur Klage bot jedoch die ungleiche Behandlung gegenüber den Angestellten bei der Bezahlung des Krankengeldes, das erst nach drei Karenztagen gewährt wurde, so daß Fragen auftauchten, »ob der Arbeiter aufgrund der 3 Karenztage 3 Tage nichts zu essen« brauche.53 Noch häufiger wurde in den betriebsinternen Stimmungsberichten das Problem der Altersversorgung angesprochen. Der Anteil der Pensionszahlungen an den freiwilligen Sozialausgaben insgesamt war von über 60 % in der ersten Hälfte der dreißiger Jahre überproportional deutlich auf 35 % (1938/39) gefallen.54 Die Leistungen waren bei Krupp im Gefolge der steuerrechtlichen Änderungen, die bereits im Falle Siemens angesprochen wurden, rigoros beschnitten worden. Die Klagen, daß die Altersversorgung viel zu wünschen übrig lasse, waren deshalb wohlbegründet und ebbten nicht ab: »Die älteren Arbeitskameraden schauen noch immer sorgenvoll in die Zukunft. Immer erneut wird die Forderung nach einer Altersversorgung erhoben, die den alten Kameraden einen sorgenvollen Lebensabend verbürgt.«55 Es machte die besondere, prägende Kraft der Kruppschen Sozialeinrichtungen aus, daß der fast in alle Lebensbereiche ausgreifende Kruppsche 124 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Mikrokosmos ein eigenständiges Sozialmilieu bildete. Die enge Beziehung zwischen Arbeiter und Unternehmen versprach Existenzsicherung, aber auch die Arbeiter untereinander waren in diesem Netz sozialer Bindungen verknüpft. Dies nahm dem Begriff des ›Kruppianers‹ die einseitige Ausrichtung auf den Unternehmer und fügte die Komponente des WirGefühls, des gemeinsamen Lebensschicksals hinzu. Nicht die Höhe der Leistungen war letztendlich entscheidend - IG Farben und Siemens wurden niemals erreicht -, sondern der umfassende Anspruch der betrieblichen Versorgungsmaßnahmen. Außerdem ließ sich der Kruppsche Mikrokosmos gleichsam mit symbolischem Gehalt in den Mitgliedern der Familie Krupp personifizieren, was auch darin Ausdruck fand, daß zahlreiche Arbeiter sich mit Bitten, Klagen und Denunziationen an Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und seine Frau, die eigentliche Firmenerbin, wandten. Ausgeschlossen oder am Rande blieben die Nicht-Stammarbeiter, doch damit wurde das Privileg ›Kruppianer‹ zu sein, nur noch deutlicher herausgestrichen.56 Über den materiellen Kern und auch den besonderen Charakter der betrieblichen Sozialpolitik bei Krupp gibt die Entwicklung der gesamten Wohlfahrtsausgaben Aufschluß. Allein der Name Wohlfahrtsausgaben anstatt freiwilliger Sozialleistungen war für Krupp schon bezeichnend. Die Ausgaben stiegen bis zum Krisenjahr 1931/32 absolut an und verdoppelten sich im Verhältnis zu den angegebenen Vergleichsindikatoren (s. Tab. 22). Der signifikante Anstieg in der Krisenperiode war das Kennzeichen der patriarchalisch orientierten betrieblichen Sozialpolitik, die nicht von primär ökonomischen Faktoren geprägt war, sondern von der Fürsorge für die Werksangehörigen, die in soziale Notlage geraten waren. Wie begrenzt dieser soziale Impetus immer noch war, wird daran erkennbar, daß die freiwilligen Sozialleistungen, die bei Siemens-Schuckert 1932/33 pro Beschäftigten anfielen (383,27 M), weit über dem Kruppschen Wert lagen.57 Der Ausgabenanstieg ging in erheblichem Maße auf das Konto karitativer Leistungen für langjährige Krupp-Arbeiter, die entlassen werden mußten. Sie stellten gewissermaßen eine Kompensation dafür dar, daß die Krupp-Stammarbeiterstelle sich nicht als sicher erwiesen hatte. Eine Zuweisung aus der Arbeiter-Unterstützungskasse erhielten die Arbeiter mit einer Dienstzeit von mindestens 30 Jahren und mit 52 oder mehr Lebensjahren. Ältere Arbeiter mit Dienstzeiten ab 25 Jahren erhielten eine »jederzeit widerrufliche Unterstützung« von 12 Μ im Monat. Wer eine Werks­ wohnung innehatte, durfte nach der Entlassung für ein halbes Jahr bei gleicher Miete in der Wohnung bleiben. Andere langjährige Arbeiter erhielten, falls »Bedürftigkeit« vorlag, Einzelunterstützungen. Ebenso wurde das infolge der Entlassung entgangene Urlaubsgeld zu zwei Dritteln erstattet. Zudem wurden viele ältere Arbeiter in der Krise vorzeitig pensioniert. Kamen 1928/29 noch 26 Pensionsempfänger auf 100 Arbeiter, so waren dies auf dem Spitzenstand 1931/32 56 pro hundert Arbeiter.58 Mit 125 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

126

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4372 150 2,25

5,51

4469 156 2,19

5,66

5,82

4806 168 2,50 8,49

5038 227 3,53 12,86

5396 306 5,57

12,74

5385 286 4,87

8,59

5664 203 3,11

6,09

5613 152 2,06

6,00

6383 155 1,94

8,50

10301 225 2,82

7,87

10982 215 2,61

1927/28 1928/29 1929/30 1930/31 1931/32 1932/33 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 1937/38

Quelle: HA Krupp, Statistisches Handbuch der Fried. Krupp AG, Okt./Dez. 1942.

Wohlfahrtsausgaben in 1 000 RM je Kopf in % des Umsatzes in % der Lohn- u. Gehaltssumme

Tab. 22: Wohlfahrtsausgaben in der Krupp-Gußstahlfabrik 1927/28-1937/38

Sachmitteln wurde Kurzarbeitern unter die Arme gegriffen. Wer zwei und mehr Feierschichten abzuleisten hatte, kam in den Genuß von »Speckgutscheinen«. 1932 wurden insgesamt 68 944 solcher Gutscheine ausgegeben. 59 Einen Beitrag zur sozialen Unterstützung leistete Gustav Krupp von Bohlen und Halbach höchstpersönlich. Kinderreichen Familien stellte er im Dezember 1933 mit patriarchalischem Gestus »die Strecke einer Drückjagd« (366 Kaninchen) zur Verfügung. 60 Dies entsprach aber durchaus der persönlichen Bindung, die altgediente Kruppianer der Familie Krupp entgegenbrachten. Die Ehefrau eines Gußhauers im Schmiedepresswerk richtete im Mai 1933 einen persönlichen Hilferuf an Gustav Krupp von Bohlen und Halbach: »Die Verzweiflung wollte mich heute packen, da kam mir wie eine Stimme von oben der Gedanke, Ihnen zu schreiben und Ihnen unsere Not ans Herz zu legen. Ich nehme an, Sie wissen nichts davon, wie groß die Not unter der Arbeiterschaft der Firma Krupp A.G. ist. . . . Jahrelang schon leiden wir unter der vielen Kurzarbeit und trotzdem zu hoher Abzüge. Jahrelang schon kämpfe ich mit aller Kraft gegen Verbitterung und Verzweiflung. Aber nun bin ich bald zu Ende mit ihr. Wir Kruppschen Arbeiterfamilien wollen gern Entbehrungen auf uns nehmen, wenn es für die Allgemeinheit notwendig ist, wir tun es ja auch schon jahrelang. Aber daß nun dem Arbeiter noch nicht die Margarine auf dem Brot bleibt daß ist doch wohl das Allerletzte. Wir wollen ja gern deutsche Landbutter essen, aber auch die ist unerschwinglich. . . . Die Familie Krupp hat allzeit für ihre Arbeiter gesorgt, das beweisen die Stiftungen alle, aber ich bin der Ansicht, die ausführenden Organe sind nicht richtig auf dem Posten. . . . Nun bete ich nur, daß dieser Brief richtig in Ihre Hände kommen möge und Gott Ihnen den rechten Geist zum Lesen und Verstehen gebe. . . «61 Mit der beginnenden wirtschaftlichen Erholung des Unternehmens - sie setzte bereits in der ersten Jahreshälfte von 1933 ein - gingen die Wohlfahrtsausgaben gemessen an den Indikatoren kontinuierlich zurück und lagen schließlich auf dem Ausgangsniveau vor der Wirtschaftskrise. Ab 1936 erfolgte wieder ein sprunghafter Anstieg der Ausgaben, so daß die Kruppschen Wohlfahrtsausgaben nun über denen der zwanziger Jahre lagen. Als Hauptursache dafür dürfte zu nennen sein, daß die Firma in dieser Phase qualifizierte Arbeitskräfte nur durch attraktivere Sozialleistungen in Konkurrenz mit anderen Unternehmen anlocken und halten konnte. Der Bereich der direkten Geldzuwendungen, wie Trennungs- und Wegegeld, Übersiedlungskosten, erfuhr in dieser Zeit auch tatsächlich eine beträchtliche Ausweitung. 6 2 Die Lage auf dem Arbeitsmarkt erzwang eine teilweise Abkehr von den Prinzipien der patriarchalisch-fürsorgerischen hin zu einer mehr investiven betrieblichen Sozialpolitik. Im Vergleich zu den anderen Montankonzernen konnte sich Krupp gut sehen lassen. Jeweils ausgehend vom Geschäftsjahr 1934/35 machten die freiwilligen Sozialausgaben im Bochumer Verein 1,8% der Lohn- und Gehaltssumme aus, bei den Vereinigten Stahlwerken insgesamt 3 , 8 % und 127 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

bei der Gutehoffnungshütte 4,1 %. Auf jeden Beschäftigten entfielen demnach bei der Vestag 82,40 Μ und bei der GHH 92,30 M. Die Kruppsche Gußstahlfabrik lag im selben Jahr mit 6,09 % und 152 Μ darüber.63 e) Die Betonung der ideologischen Komponente im Ruhrbergbau Im Ruhrbergbau allein lagen die Sätze noch niedriger als in den gemischten Werken. Die Gelsenkirchener Bergwerks AG gab 1929/30 1,2 % der Lohnsumme für freiwillige Sozialleistungen aus. Dieser Satz stieg in der Krise auf 3,5% an, um danach wieder zurückzugehen. In der Phase ab 1936 zogen die Leistungen jedoch wieder an, wie bei Krupp, wenn auch nicht im selben Ausmaß (s. Tab. 23). Dieses Zurückbleiben des Bergbaus hatte strukturelle Gründe. Die gesetzlichen Sozialabzüge waren höher als in anderen Branchen. Die Knappschaftsversicherung übernahm Funktionen, wie z. Β. die Altersversor­ gung, die sonst ein Hauptbestandteil der freiwilligen betrieblichen Sozial­ politik war. 64 Die Leistungen der Knappschaftsversicherung waren keine freiwillig gewährten Zahlungen fürsorgerlicher oder vorausschauender Unternehmer, sondern wurden von den Schwerindustriellen immer mehr als unerträglich hohe Kostenbelastung angesehen. Der Ruf nach Reichshilfe zur Entlastung des Bergbaus war in den zwanziger und dreißiger Jahren ständig zu vernehmen.65 Wenn daneben das Ideal »einer gesund angelegten, aber auch gesund begrenzten Sozialpolitik«66 mit Hinweis auf die eigenen freiwilligen Einrichtungen beschworen wurde, so offenbarte dies ein gutes Stück Unverfrorenheit. Der Bergbau war traditionell auf eine durch staatliche Maßnahmen abgestützte Sozialpolitik fixiert. Aus dem hohen Maß an gesetzlicher sozialer Absicherung folgten sowohl die niedrigeren freiwilligen Sozialausgaben im Bergbau als auch die insgesamt härtere sozialpolitische Einstellung der Bergbauunternehmer. Der Spielraum, um durch freiwillige materielle Leistungen die ›Werksverbundenheit‹ der Arbeiter zu beeinflussen, war im Bergbau demnach kleiner. Die Mittel, die anderen Betrieben und Branchen zu Gebote standen, fehlten oder wären von den Zechen vielmehr nie aufgewendet worden. Das System der Gewinnbeteiligung oder besonderer Prämien stand im Bergbau nicht ernsthaft zur Debatte.67 Lediglich ein Weihnachtsgeld wurde ab 1936 von etlichen Zechen gewährt. Es blieb aber minimal und schwankte je nach Zeche, Familienstand und Dienstalter zwischen 3 und 25 RM. 68 Dem geringeren Gewicht materieller Zuwendungen entsprach andererseits eine stärkere Betonung der ideologischen Komponente. Der »Kampf um die Seele des Arbeiters« hatte materielle Defizite wettzumachen und wurde zum Synonym für die betriebliche Sozialpolitik im Ruhrbergbau. Nicht von ungefähr lag die Keimzelle des ›Deutschen Instituts für techni128 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 23: Die freiwilligen Sozialleistungen der Gelsenkirchener Bergwerks AG 1929/30-1937/38 in Mill. RM in % der Lohnsumme

1929/30 2,3 1,2

1930/31 2,4 2,1

1931/32 2,4 3,5

1932/33 2,4 3,4

in Mill. RM in % der Lohnsumme

1934/35 2,0 2,2

1935/36 2,9 2,8

1936/37 5,0 4,0

1937/38 6,1 4,4

1933/34 2,1 2,7

Quelle: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 213.

sche Arbeitsschulung‹ (Dinta) in der Gelsenkirchener Bergwerks AG, nahm das Werkzeitungswesen - der vermeintliche Schlüssel zur ›Seele‹ des Arbeiters - im Revier derartige Ausmaße an. Aber abgesehen von den konkreten Maßnahmen sowohl zur Ausbildung als auch zur Indoktrination des Bergbaunachwuchses blieb der Wettbewerb um die ›Seele‹ des Arbeiters in Beschwörungsformeln stecken.69 Der Eindruck wäre aber falsch - dies muß einschränkend angemerkt werden -, daß im Ruhrbergbau keinerlei betriebliche Sozialpolitik betrieben worden wäre. Die Werkswohnungen gehörten zu den Aktivposten. Die Zechen hatten auf diesem Gebiet Pionierarbeit zu leisten, anders hätte eine solche große Zahl von Arbeitskräften nicht auf Dauer im Ruhrgebiet seßhaft gemacht werden können. Neben die direkt von den Zechen errichteten Wohnungen traten nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund einer veränderten staatlichen Wohnungsbauförderung die über Bau- und Siedlungsgenossenschaften errichteten Wohnungen, hinter denen aber auch zum Teil die Werke standen. Die Zahl der von den Zechen errichteten oder gemieteten Wohnungen betrug 1929 162529. 23,19% dieser Wohnungen waren allerdings von Werksfremden bewohnt. Bei einer Belegschaft von 375 000 war dies immer noch eine eindrucksvolle Bilanz, zumal da nach Erfahrungswerten eine Werkswohnung im Schnitt von 1,25 auf der Zeche beschäftigten Personen - einschließlich Familienmitglieder und Kostgänger - bewohnt wurde. Ob die Größe und Qualität der Wohnungen dieser eindrucksvollen Bilanz entsprach, sei dahingestellt.70 Auf die HiberniaZechen entfielen im August 1929 bei einer Belegschaft von 14 259 Personen 4004 Werkswohnungen und 125 angemietete Wohnungen. Bis August 1934 hatte sich die Anzahl der eigenen Werkswohnungen auf rund 4290 erhöht, die Beschäftigtenzahl war jedoch auf 9377 zurückgegangen. Die Relation hatte sich also verbessert.71 In der Wirtschaftskrise stiegen die freiwilligen Sozialleistungen gemessen an der Lohnsumme an, wie am Beispiel der Gelsenkirchener Bergwerks AG zu sehen war. Die Leistungen für die eigentliche Fürsorge, für Notstandseinrichtungen wurden erhöht, um unmittelbare Notlagen zu mil129 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

dern. So wurden Kinderspeisungen von den Werken veranstaltet, über neue Fonds wurden Kleidung und Lebensmittel ausgegeben, und auch Arbeitslose kamen nun - vielleicht weil sie jetzt Zeit zur Lektüre hatten - in den Genuß der Werkszeitungen.72 Alles in allem waren dies karitative Maßnahmen, die zum Minimalbestand der auch in anderen Branchen gewährten Krisenhilfen gehörten. Leistungen der betrieblichen Sozialpolitik im Ruhrbergbau, die es schon in den zwanziger Jahren zum Teil in Ansätzen gab, die aber in den dreißiger Jahren weiter ausgebaut wurden, waren Freizeit- und Sporteinrichtungen, die Gründung von Betriebssportvereinen - in bewußtem Gegensatz zu den Arbeitersportvereinen -, vermehrt Jubilarehrungen, Gemeinschaftsveranstaltungen, Vorträge, Filme. Diese Maßnahmen fanden mit dem Ziel der Erziehung zur ›Betriebsgemeinschaft‹ statt. Die Werksfürsorge richtete sich an die Familien der Bergleute, an die Frauen und Kinder und band diese z. B. in hauswirtschaftlichen Kursen und Kindergärten in den Zechenbereich ein. Wie an der Aufstellung der Gelsenkirchener Bergwerks AG zu sehen war, lagen die freiwilligen Sozialausgaben in den dreißiger Jahren über denen vor der Krise. Dies war aber wohl weniger Ausdruck einer bewußten, materiell orientierten Arbeiter- und Sozialpolitik als eines Nachholbedarfs in puncto sozialer Betriebsgestaltung.73 f) Die NS-Organisationen ›Kraft durch Freude‹ und ›Schönheit der Arbeit‹ Mit der betrieblichen Sozialpolitik aller vier genannten Branchen eng verknüpft, zugleich aber über den Betrieb hinaus angelegt, waren die Maßnahmen im Rahmen von ›Kraft durch Freude‹ (KdF) und ›Schönheit der Arbeit‹, beides Teilorganisationen der DAR Begründet und der DAF als ureigenstes Betätigungsfeld zugewiesen wurden beide 1933/34. Die Organisation ›Kraft durch Freude‹, nach dem italienischen Vorbild der faschistischen Freizeitorganisation ›dopolavoro‹ konzipiert, hatte die Aufgabe, Freizeit und Feierabend der Arbeiternehmer zu gestalten. Durch ein umfassendes Angebot an kulturellen und sportlichen Aktivitäten, an Fahrten und Reisen sollten die Beschäftigten betreut und über die Arbeit hinaus eingebunden werden. Freizeit und Erholung hatten der Pflege der geistigen und physischen Kräfte der Beschäftigten und damit ihrer Leistungssteigerung zu dienen. Um die Arbeitskraft ging es und nicht um den Menschen selbst. Das dahinter stehende leistungsbezogene Kalkül wurde unverhohlen ausgesprochen: »KdF überholt gewissermaßen jede Arbeitskraft von Zeit zu Zeit, genauso wie man den Motor eines Kraftwagens nach einer gewissen, gelaufenen Kilometerzahl überholen muß. «74 Trotzdem war das Amt ›Kraft durch Freude‹ die wohl populärste NSOrganisation und wohl auch die einzige, die ohne Druck und Zwang auskam, alleine auf der Basis von Freiwilligkeit. Es zeigte sich, daß die 130 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Aufgabenbereiche der KdF-Organisation, ungeachtet des ideologisch begründeten Anspruchs auf totale Erfassung des Menschen auch in der Freizeit, einem echten »Bedürfnis der Arbeiterschaft nach besserer Freizeitgestaltung, Bildungsmöglichkeit und kultureller Anteilnahme«75 entsprachen. Um die Notwendigkeit einer umfassenden Freizeitorganisation zu belegen, wurde in der Anfangsphase des Amtes, im Winter 1933/34, bei Siemens in Berlin eine Umfrage nach den Freizeitgewohnheiten innerhalb der Belegschaft durchgeführt. Die 42000 beantworteten Fragebogen ergaben folgendes Bild: Kino oder Theater besuchten über 80 % der Befragten nie oder höchst selten. Knapp die Hälfte unternahm zwar Ausflüge in der Umgebung Berlins, aber nur annähernd ein Drittel hatte mehrtägige Reisen gemacht. Obwohl 50 % irgendeiner sportlichen Betätigung nachgingen, gehörten doch nur 8,3 % einem Sport- oder Turnverein an. Als Hauptfreizeitbeschäftigung wurde von 88,1 % die Gartenarbeit genannt.76 Die ›Kraft-durch-Freude‹-Organisation hatte sich binnen weniger Jahre ein breites Betätigungsfeld erschlossen, das weite Bevölkerungsschichten erfaßte. Das Amt ›Feierabend‹ mit Konzerten, Theateraufführungen und Vergnügungsabenden, das ›Deutsche Volksbildungswerk‹ mit weiterbildenden Kursen, die Sportprogramme, das Amt ›Reisen, Wandern, Urlaub‹ mit Fahrten und Ausflügen bis hin zu den spektakulären Schiffsreisen, dies waren Aktivitäten, die bei der Arbeiterschaft ankamen und - so die ›Deutschland-Berichte‹ der Exil-SPD - »als wirklich anerkennenswerte Leistung des Nationalsozialismus«77 gewertet wurden. Aus dem vielfältigen Programm von KdF wurden die Auslandsreisen auf den KdF-Hochseeschiffen immer als besondere Attraktion hervorgehoben, auch wenn das Gros der mehrtägigen Fahrten die Inlandsreisen ausmachten und schließlich etwa4/5der Teilnehmer am gesamten ›KdF-Tourismus‹ nur Eintagestouren absolvierten.78 Die propagandistische Wirkung der Schiffsreisen war jedoch weitaus größer als der Kreis der an diesen Reisen partizipierenden Arbeiter. Die meisten Teilnehmer an diesen Reisen kamen aus den Mittelschichten, waren Angestellte, Beamte, Handwerker und Freiberufler. Arbeiter waren, wie Wolfhard Buchholz herausfinden konnte, nur zu 17% beteiligt.7 Von diesen war wiederum der weitaus größte Teil verdiente Funktionäre des NS. Dies bewiesen auch Zahlen aus der Kruppschen Gußstahlfabrik, die die Sozialpolitische Abteilung bekanntgab: »Auf Wunsch des hiesigen Bezirksleiters der DAF hatte sich die Firma bereit erklärt, 13 Gefolgschaftsmitglieder der Gußstahlfabrik (Mitglieder der NSDAP unter [Mitgl. Nr. - W.Z.] 100000 und langjährige Werksangehörige) für die Teilnahme an den von der NS-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹ der DAF, am 10. 3. und 2. 4. 1935 veranstalteten Auslandsfahrten nach Madeira und den Azoren 3 Wochen mit Lohnzahlung unter Anrechnung des tariflichen Erholungsurlaubs zu beurlauben. Außerdem hat sie die Kosten der Seefahrt im Betrage von zusammen 1066 Μ übernommen.«80 131 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Drei Jahre später nahmen wiederum 17 Beschäftigte der Gußstahlfabrik teil. Eine verschwindend kleine Gruppe kam in den Genuß der KdFSchiffsreisen. Bezogen auf das gesamte KdF-Reiseprogramm waren die Arbeiter - mit Ausnahme der unteren Einkommensgruppen - mehr vertreten. Hier war »ca. jeder dritte bis vierte KdF-Urlauber Arbeiter«.81 In das weniger spektakuläre, aber dafür weitreichende Angebot der Organisation ›Kraft durch Freude‹ zur Freizeitgestaltung wurde die Arbeiterschaft stärker einbezogen. Es überschnitt sich zum Teil mit den betriebsinternen sozialpolitischen Maßnahmen. Die Freizeitaktivitäten von KdF entwickelten sich in Konkurrenz mit den Betrieben, die sich auf diesem Gebiet bereits hervorgetan hatten, und sie regten solche dort an, wo sie bisher vernachlässigt worden waren. Deshalb verschwammen häufig auch die Grenzen der Finanzierung dieser Aktionen zwischen den Betrieben und der DAR Die finanzielle Beteiligung der Arbeiter wurde grundsätzlich niedrig gehalten - mit Ausnahme der großen Reisen, die nicht zuletzt deshalb nur von wenigen Arbeitern genutzt werden konnten, es sei denn die Reise wurde vom Betrieb oder von NS-Gliederungen bezahlt. Das auch für Arbeiter leicht zugängliche KdF-Programm erstreckte sich auf Ausflüge, kleinere Reisen innerhalb Deutschlands, Kultur- und Vergnügungsabende, Sportkurse, Theater und Filmveranstaltungen und ähnliches. Die Veranstaltungen von KdF wurden in den Betrieben auf Anschlagtafeln angekündigt. Ehrenamtliche Mitarbeiter waren als KdF-Betriebs-, -Block-, -Zellenwarte tätig, stellten den Kontakt zur Belegschaft her, machten Werbung, verteilten die Karten und hatten dafür zu sorgen, daß »Unwürdige und wirtschaftlich Bessergestellte«82 von den Reisen ausgeschaltet blieben, was ihnen aber offensichtlich wohl nicht durchgehend gelang. Neben den regulären Reisen von KdF fanden bei Siemens eigene Wochenend- und Urlaubsfahrten für die Beschäftigten und besondere Unternehmungen für Jugendliche statt, die unter organisatorischer Betreuung durch das KdF-Amt standen. »Um das Zusammengehörigkeitsgefühl aller im Haus Siemens tätigen Arbeitskameraden zu fördern und die geistige Verbundenheit zu pflegen«,83 wurden Wochenendfahrten der in den übrigen deutschen Siemens-Betrieben Beschäftigten nach Berlin-Siemensstadt durchgeführt. Die dabei ausfallende Arbeitszeit mußte aber nachgeholt werden. Von 1935 bis 1937 fanden 19 solcher Fahrten statt, an denen 18 300 Beschäftigte teilnahmen.84 Daß dabei nicht immer alles zur Zufriedenheit verlief, die KdF-Organisation zu wünschen übrig ließ, wurde bei einer Fahrt besonders schmerzlich kundgetan. Die Mehrzahl der Eisenbahnwagen war nicht geheizt, so klagten Teilnehmer einer Fahrt; außerdem müssen Waggons ältester Bauart verwendet worden sein, die nicht einmal wasserdicht waren. Die Folge davon war »daß die Fahrtteilnehmer tatsächlich Erkältungen davongetragen haben, obwohl Mäntel, Schlafanzüge usw. über der normalen Kleidung getragen wurden«.85 132 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Es blieb nicht allein bei solch gelegentlichen Spannungen zwischen Siemens und dem Amt ›Kraft durch Freude‹. Dem Bestreben der DAFOrganisation, auch andere Bereiche der betrieblichen Sozialpolitik bei Siemens unter ihre Kontrolle zu bekommen, wie den Betriebssport, die Bildungsarbeit und die Einrichtung der Betriebspflegerinnen, setzte die Firma entschiedenen, während des Krieges hinhaltenden Widerstand entgegen. Eine wohl als Rechtfertigung nach 1945 verfaßte betriebsinterne Untersuchung zum Verhältnis des Hauses Siemens zur DAF nannte den Grund, warum sich das Unternehmen gegen die zunehmende parteiliche Überorganisation und das wachsende Geltungsbedürfnis der Amtsträger stellte: »Wenn das Haus Siemens nicht wesentliche Einflußgebiete seiner Fürsorge für die Gefolgschaft preisgeben wollte, so mußte es hier zu den Parteistellen in Gegensatz treten.«86 Das Amt ›Schönheit der Arbeit‹, ebenfalls 1933 begründet und von Albert Speer als Reichsleiter geführt, hatte den Zweck, die Arbeitsplätze und die Arbeitsumgebung ansprechender zu gestalten, um damit mehr Arbeitsfreude und Arbeitssicherheit und zugleich höhere Arbeitsleistung zu erreichen. Zu diesem Zweck wurden Publicity-trächtige Kampagnen gestartet unter dem Motto »Saubere Menschen im sauberen Betrieb«, »Grün in die Betriebe«, »Kampf dem Lärm«, »Gutes Licht - Gute Arbeit«, »Gesunde Luft im Arbeitsraum« und »Warmes Essen im Betrieb«. Das Amt ›Schönheit der Arbeit‹ konnte die Betriebe besichtigen, hatte aber im Gegensatz zur Gewerbeaufsicht keine Exekutivbefugnisse. Es konnte säumige Betriebe, die den Verbesserungsvorschlägen des Amts nicht nachkamen, öffentlich anprangern, den vorbildhaften dagegen besondere Publizität verschaffen. Es gab Steueranreize für ›Verschönerungsmaßnahmen‹. Das Amt verwies die Unternehmen auch beständig auf den wirtschaftlichen Nutzen, den eine verbesserte Beleuchtung, ein erträglicherer Lärmpegel, Sauberkeit und Hygiene im Betrieb bringen konnten. Sofern die Bauund Renovierungsmaßnahmen auch versprachen, durch eine günstigere Arbeitsumgebung die Leistung der Beschäftigten zu steigern und zu mehr Unfallsicherheit zu führen, wurden die Anregungen des Amtes auch von vielen Unternehmen aufgegriffen.87 Doch bei den Bestrebungen des Amtes ›Schönheit der Arbeit‹ galt in noch viel stärkerem Maße als bei denen von ›Kraft durch Freude‹, daß sie keine nationalsozialistische Erfindungen waren. Was den Zusammenhang von ansprechender Arbeitsumgebung und insgesamt verbessertem Ertrag der menschlichen Arbeit betraf, konnte in dieser Zeitphase bereits auf internationale Erfahrungen und Erkenntnisse hingewiesen werden. Besonders Betriebe aus modernen Branchen, wie Siemens und IG Farben, achteten bereits in den zwanziger Jahren auf die Gesichtspunkte, die später vom Amt ›Schönheit der Arbeit‹ propagiert wurden. Diese Betriebe waren aber auch im Vorteil, da viele ihrer Produktionsanlagen in den zwanziger Jahren neu entstanden. Sie waren gegenüber der ›schmutzigen‹ Industrie, 133 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

besonders der Schwerindustrie, auch produktionsbedingt bevorzugt. Das Schaltwerk der Siemens-Schuckert-Werke in Berlin wies, gemessen an baulichen, beleuchtungstechnischen und hygienischen Bedingungen, bereits alles auf, was zur ›Schönheit der Arbeit‹ gehörte. Im Kleinbauwerk wurden die Arbeitsräume bereits mit Lautsprechern versehen, über die eine musikalische Hintergrundberieselung überspielt werden konnte. Als Erfolge des Amtes publizierte Maßnahmen im Wernerwerk von Siemens und Halske waren nachweislich bereits schon vor 1933 eingeführt.88 Auch ab 1933 konnte sich Siemens rühmen, den Richtlinien des Amtes ›Schönheit der Arbeit‹ besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Neue Speise-, Wasch- und Aborträume wurden geschaffen. Verschiedene Werkstätten wurden als »vorbildliche Arbeitsräume« hergerichtet. Ob Siemens dabei besondere zusätzliche Kosten entstanden sein dürften, scheint fraglich, da mit dem Wachsen der Belegschaft Um- und Neubauten ohnehin notwendig geworden waren. Siemens bezifferte seine Gesamtausgaben für Zwecke der ›Schönheit der Arbeit‹ im Zeitraum von 1934 bis 1937 auf ca. 5,4 Mio. RM. 89 Krupp ging längst nicht so bereitwillig auf die Forderungen des Amtes ein, da die Einflußnahme außerbetrieblicher Organisationen auf den Betrieb prinzipiell gegen den ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt der Unternehmensspitze verstieß. Innerbetriebliche Anregungen aus Kreisen des Vertrauensrates und auch solche aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner wurden, was Aufenthalts-, Wasch- und Toilettenräume betraf, durchaus bereitwillig aufgenommen.90 Für den Bergbau wurde erst 1937 eine Sonderaktion des Amtes gestartet, um »menschenwürdige Arbeitsstätten und gesunde und ordentliche Wasch- und Aufenthaltsräume«91 zu erhalten. Diese Aktion mußte im Zusammenhang mit den Arbeitskräfteproblemen des Bergbaus zu Beginn des Vierjahresplans gesehen werden. Betriebsverbesserungen, die größere Umbauten und Investitionen erfordert hätten, wurden auch aufgrund dieser Aktion von den Zechen nicht in Angriff genommen. Was kleinere Verbesserungsmaßnahmen anging, rannte das Amt ›Schönheit der Arbeit‹ offene Türen ein, da diese Maßnahmen ohnehin bereits getätigt worden waren oder aus Gründen der Grubensicherheit bereits anstanden. Da eine verbesserte Grubenbeleuchtung die Unfallrate senken konnte, stieß diese keineswegs neue Forderung nicht auf Widerstand. Auch die Schaffung von Grünanlagen und die Renovierung der Gebäude war nichts Neues und wurde, sofern es ohnehin fällig war, eben auf das Konto ›Schönheit der Arbeit‹ gebucht.92 Die beiden Organisationen ›Kraft durch Freude‹ und ›Schönheit der Arbeit‹ waren massenpsychologisch geschickte Aktionen, die Bedürfnisse der Arbeiterschaft anzusprechen und Verständnis für ihre Arbeitssituation zu zeigen. Schöne Grünanlagen zwischen den Fabrikhallen und saubere Toiletten waren sicher ein begrüßenswerter Beitrag, aber dies prägte die 134 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Arbeitserfahrung nur in geringerem Maße, besonders wenn man gestiegene Arbeitsanforderungen, Leistungsdruck und lange Arbeitszeiten dagegen hält. Viel stärker wog da der Reiz, den die KdF-Fahrten ausüben konnten. Sie eröffneten Arbeitern erstmals Zugang zu Freizeitaktivitäten, die zuvor nur höheren Schichten zugänglich gewesen waren.93 Eine allzu kritiklose Übernahme der NS-Volksgemeinschafts-Ideologie wäre es jedoch, daraus auf eine Verbürgerlichung der Arbeiter und damit ihre gesellschaftliche Integration zu schließen, wie Wolfhard Buchholz94 dies tut. Die gewiß werbewirksamen KdF-Aktionen waren doch ein eher sekundärer Bestandteil des Arbeiterlebens im ›Dritten Reich‹. Wichtig war allerdings, daß KdF Fluchtmöglichkeiten aus dem harten Arbeitsalltag anbot, die bereitwillig genutzt wurden, so daß die KdF-Veranstaltungen vielfach weniger mit ideologischer Überzeugungsarbeit zu tun hatten als mit »einer reinen Rummelbewegung«.95 Die Tatsache, daß dieses Fluchtventil bestand, hatte andererseits wieder Auswirkungen auf den Betrieb, da den in ihm ausgeübten Zwängen im privaten Freizeitbereich entronnen werden konnte, diese Zwänge sich nicht mehr als völlig unausweichlich darstellten. Es klingt paradox: Die von Betriebsseite gewährten Angebote und Leistungen sozialpolitischer Art und die von einer NS-Organisation verantwortete Freizeitplanung schufen erst den institutionellen Rahmen für die Flucht ins Private, die für das Verhalten der Arbeiter im ›Dritten Reich‹ so typisch erscheint. Der Ausbau der betrieblichen Sozialpolitik und die komplementäre staatlich protegierte Variante von Sozialpolitik, die die DAF einbrachte, begründeten zusammen eine neue Qualität. Unternehmen mit sozialpolitischen Defiziten wurden damit unter Druck gesetzt, ihre eigenen ›freiwilligen‹ Leistungen zu erhöhen. In der Phase des Arbeitskräftemangels sahen sich die Unternehmen einer zwischenbetrieblichen Konkurrenz auch auf sozialpolitischem Gebiet ausgesetzt. Die betriebliche Sozialpolitik hatte immer mehr die Rolle einer Kompensation für gestiegene Arbeitsanforderungen, zurückbleibende Löhne, für Gängelung und Repression zu erfüllen. Ein Instrument zur Herstellung des sozialen Friedens war die betriebliche Sozialpolitik jedoch kaum. Dazu waren die Leistungen und Aufwendungen in den meisten Betrieben zu gering. Loyalität ließ sich auf diesem Wege nicht erkaufen. Die Leistungen wurden von den Arbeitern einfach mitgenommen und waren, wo sie längere Zeit gewährt wurden, ohnehin selbstverständlich, mithin ein sozialer Besitzstand, der die Verpflichtung zu einer besonderen Gegenleistung auf Seiten der Arbeiter nicht mehr vermitteln konnte. Zur Förderung einer rein funktionalen Bindung an den Betrieb waren die betrieblichen Sozialleistungen aber durchaus von Bedeutung. In Verbindung mit der patriarchalischen Struktur traditioneller Familienbetriebe konnte bei einem beträchtlichen Stamm von Arbeitern sogar sich eine stärkere Identifikation mit dem Unternehmen ergeben. Der 135 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Funktionswandel der betrieblichen Sozialpolitik zeigte jedoch, daß es den Unternehmen nur vordergründig um die Förderung der ›Betriebsgemeinschaft‹, um das Konzept einer Klassenharmonie im Betrieb ging. Entscheidend war vielmehr die dahinter stehende »Vision eines neuen technokratischen Kapitalismus«,96 die technische Effizienz und erhöhte Arbeitsproduktivität mit einer auf den ›menschlichen Fakto‹ bezogenen Betreuungsaufgabe kombinierte.

2. Betriebliche Herrschaft und ›Betriebsgemeinschaft‹ Die betriebliche Herrschaft war auf straffe Über- und Unterordnung aufgebaut, beruhte auf Befehl und Gehorsam. Goetz Briefs nannte die »Betriebsdisziplin . . . das Lebensprinzip der Betriebshierarchie«.97 Der Betrieb war der Ort, an dem die Arbeiterschaft ihre existentielle Abhängigkeit unmittelbar spüren und Herrschaft und Ungleichheit direkt erfahren konnte. Die Unterscheidung zwischen körperlicher Arbeit auf der einen und Planungs-, Anweisungs- und Kommandostellen auf der anderen Seite machte den trennenden Gegensatz im Industriebetrieb immer wieder aufs neue augenfällig. Auf diesem Herrschaftsverhältnis, dem Anteil oder Ausschluß von Herrschaft, beruhte die generelle Konfliktlage im Betrieb. Die gegensätzlichen Interessen zwischen Kapital und Arbeit waren Ausdruck der Herrschaftsverhältnisse im Betrieb und damit nicht aufhebbar.98 Die Betriebs- und Sozialverfassung der Weimarer Demokratie, die einer Institutionalisierung des Interessenkonflikts im Betrieb den Weg zumindest eröffnete, leugnete diesen Konflikt nicht und versuchte ihn in geregelte Bahnen zu lenken. Aus der Sicht der Unternehmer wurde damit ein betriebsfremdes und störendes Element, das ›Klassenkampfdenken‹, in die Betriebe hineingetragen. Um den Betrieb von den Spannungen und Konflikten wieder frei zu machen, die im Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit begründet waren, beschworen die Unternehmer mit unterschiedlicher Intensität, wovon noch zu berichten sein wird, den Betrieb als geschlossene Einheit, in der ›industrieller Friede‹ auf der Basis einer harmonischen Gemeinschaft zwischen Leitung und Beschäftigten möglich sei. 99 Da nach Unternehmerauffassung »der vollen Auswirkung der wirtschaftlichen Vorteile der Rationalisierung . . . vielfach die Werksfremdheit der heutigen Arbeiterschaft«100 entgegenstehe, erhielt die Propagierung der ›Werks- oder Betriebsgemeinschaft‹ eine zusätzliche aktuelle Dimension. Denn die betrieblichen Maßnahmen zur Rationalisierung und Leistungssteigerung schufen neue Spannungen und Reibungsflächen. Die Betriebssoziologie der zwanziger Jahre lieferte das methodische, quasi wissenschaftliche Rüstzeug für den ›Kampf um die Seele des Arbeiters‹. An dem 1928 eröffneten ›Institut für Betriebssoziologie und soziale 136 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Betriebslehre‹ an der Technischen Universität Berlin wurde unter der Leitung von Goetz Briefs das Programm der ›sozialen Betriebsführung‹ entwickelt, das den menschlichen Beziehungen im Betrieb eine neue Basis geben sollte und auf einen Ausgleich der sozialen Spannungen im Betrieb zielte.101 Die Schaffung einer harmonischen ›Betriebsgemeinschaft‹ wurde vor allem über eine neu abgestimmte Personalpolitik angestrebt. Die Kernpunkte dieser Personalpolitik formulierte der Berliner Betriebssoziologe und Assistent von Goetz Briefs, Adolf Geck, folgendermaßen: »Verbesserung der Betriebsatmosphäre, Schaffung eines Werksgeistes, Hebung der Arbeitsfreude, freundliche Ausgestaltung der Arbeitsräume, Veredelung des Menschenumgangs und des Verkehrstones im Betrieb.«102 Der ›menschliche Faktor‹ sollte demnach nicht nur durch betriebliche Sozialeinrichtungen und materielle Anreize beeinflußt werden, sondern auch durch eine soziale Betriebsführung im weitesten Sinne. Wenn Faktoren wie das Betriebsklima, der Umgangston zwischen Vorgesetzten und Arbeitern, die Betriebsatmosphäre insgesamt Berücksichtigung fänden, die Menschenwürde des Arbeiters beachtet würde, müßten sich Arbeitsfreude, der Abbau von Spannungen, ein gemeinschaftliches Verbundenheitsgefühl gleichsam automatisch einstellen. a) Das ›Dinta‹ und die ›Seele desArbeiters‹im Bergbau Eine Institution, die den ›Kampf um die Seele des Arbeiters‹ unmittelbar in der Betriebspraxis zu führen versuchte, war das ›Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung‹ (Dinta). Das Dinta war eine Schöpfung der Ruhrschwerindustrie. Es wurde 1925 vom Verein Deutscher Eisenhüttenleute gegründet. Der Vorsitzende dieses Vereins und spätere Generaldirektor der Vestag, Albert Vögler, umriß dabei die Aufgabenstellung des Dinta. Es sollte die Einstellung der Arbeiter gegenüber dem Werk, dem sie feindlich und fremd gegenüberstanden, beeinflussen, so daß sie auch innerlich an ihrer Arbeit teilnehmen könnten.103 Die treibende Kraft innerhalb des Dinta war der ehemalige Offizier und Oberingenieur für das Ausbildungswesen beim Schalker Verein der Gelsenkirchener Bergwerks AG, Karl Arnhold. Beim Dinta ging der Übergang ins ›Dritte Reich‹ geradezu bruchlos vonstatten; 1934 wurde es als ›Amt für Berufserziehung und Betriebsführung‹ in die Deutsche Arbeitsfront eingegliedert. Das ›Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung‹ führte den Kampf um die › Seele des Arbeiters‹ mit neuen psychologischen Methoden der Menschenführung im Industriebetrieb. Ziel war ein Arbeiter, der vom Betrieb völlig abhängig und dessen Leben ganz im Werk verwurzelt war mithin ein entpolitisierter Arbeiter. Der Betrieb selbst sollte eine ›Werksgemeinschaft‹ darstellen. Zur Verwirklichung dieses eigentlichen Erziehungs137 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ziels entwickelte und praktizierte das Dinta ein konkretes Programm. Zu diesem Programm gehörten die psychotechnische Auswahl der Beschäftigten, die Ausbildung und Indoktrination der jugendlichen Arbeiter in Lehrwerkstätten, Schulen, bei Sport und Freizeit, die Anlernung ungelernter Arbeitskräfte, die ideologische Erfassung durch Werkszeitungen, Alters- und Invalidenfürsorge und schließlich die »Entsorgung des Arbeiters daheim«, das hieß die Einbeziehung der Frauen und Kinder in besondere Werksinstitutionen.104 Die Gelsenkirchener Bergwerks AG entwickelte sich zur Keimzelle der ideologischen Offensive, die die Montanindustriellen über das Dinta auf die Arbeiterschaft starteten. Daß diese Offensive durchaus auch auf bewußte militärische Analogien zielte, brachte Arnhold selbst zum Ausdruck. Betriebsführung hing für ihn eng mit militärischen Kategorien zusammen, lief auf eine »Felddienstordnung für den Industriebetrieb« hinaus. Als Vorbild für die systematische Heranbildung der Unternehmerpersönlichkeit schwebte ihm die Führerschulung des deutschen Generalstabs vor.105 Lehrwerkstätten und Werkszeitungen waren die beiden Aktivposten des Dinta, über die auch die ideologischen Vorstellungen transportiert werden konnten. Ab Ende 1925 konnte das Dinta mit der Einrichtung einer Lehrwerkstatt für den zuvor unbekannten ›Berglehrling‹ auf der Zeche Centrum in Wattenscheid im Bergbau Fuß fassen und die Ausbildung des Bergarbeiternachwuchses maßgebend bestimmen. 1926 fanden sich Lehrwerkstätten nach Dinta-Prinzipien bereits in zehn Stein- und in sechs Braunkohleunternehmungen sowie in sieben Hüttenfirmen. Eine große Zahl von Werkszeitungen wurde zentral durch das Dinta herausgegeben und zwar vorwiegend im Bergbau. 106 Daß der Bergbau an der Ruhr zum eigentlichen Hort des Dinta wurde, kam nicht von ungefähr. Die Zechenbesitzer und ihre Managementtruppe, die Bergassessoren, waren die kompromißlosesten Verfechter eines autoritären Führungsstils im Betrieb. Sie hatten sich nie damit abgefunden, daß die Gewerkschaften als Tarifpartei anerkannt worden waren und durch das Betriebsrätegesetz einen institutionellen Zugang in die Betriebe gefunden hatten. Die Zechenleitungen pochten auch in der Weimarer Demokratie ungebrochen auf ihren ›Herrnim-Haus‹-Standpunkt. Die Mischung aus militärisch geprägter Führungsideologie und moderner psychologischer Massenbeeinflussung, die das Dinta entwickelt hatte, kam den Vorstellungen der Bergbauunternehmer entgegen. Zudem entsprach sie auch der Arbeitsatmosphäre in den Zechen. Dort herrschte ein rauher, autoritärer Kommandoton, der sprichwörtliche Grubenmilitarismus. Das rigide hierarchische Betriebssystem beruhte auf umfassenden Straf- und Disziplinarmaßnahmen. Dabei fungierten die Steiger als verlängerter Arm der Zechenleitung vor Ort.107 Die straffen Autoritätsbeziehungen hingen sicher mit den bergbautypischen Arbeitsbedingungen und -gefahren zusammen, waren dadurch allein aber nicht zu erklären. Hinzu kam, daß die Zechenbelegschaften vielfach bunt zusammengewür138 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

felt waren, darunter Polen und Masuren, denen die Zechenbeamten oft mit der Attitüde von ›Herrenmenschen‹ entgegentraten. Letztlich ausschlaggebend war der Führungsstil, den die Zechenunternehmer und -manager pflegten und der auch auf die alltägliche Arbeitsatmosphäre in den Zechen abfärbte. Die Führungskräfte des Ruhrbergbaus rekrutierten sich bis in das ›Dritte Reich‹ hinein aus einer »sozial und regional ungewöhnlich homogenen Management-Gruppe . . ., die durch verwandtschaftliche Beziehungen, soziale Stellung und bergmännische Ausbildung eine ungewöhnlich hohe Geschlossenheit aufwies«.108 Der industrielle Führungsstil des 19. Jahrhunderts mit seinen ausgeprägt hierarchischen, autoritär-reaktionären Zügen, noch verstärkt durch die traditionell enge Bindung des Ruhrbergbaus an den preußischen Staatsapparat, konnte so ungebrochen bis fast in die Mitte des 20. Jahrhunderts hineinwirken. Die Anpassung an eine kooperativer ausgerichtete Betriebsverfassung wurde damit verzögert. Die Bergbauindustriellen weigerten sich beharrlich, die Gewerkschaftsverbände als Tarifpartner anzuerkennen. Dem Prinzip des Tarifvertrages konnte erst unter staatlichem Druck Geltung verschafft werden. Ohne die staatliche Zwangsschlichtung lief im Bergbau an der Ruhr nichts. In der Arbeitszeitfrage gab die Bergbauunternehmerschaft immer wieder neue Proben ihrer kompromißlosen Haltung ab. Schon vor Beginn der Weltwirtschaftskrise begann der Bergbau massiv an den Grundpfeilern des Weimarer Sozialstaats zu rütteln, indem er eine heftige Agitation gegen das Schlichtungswesen, den ›politischen Lohn‹ und den angeblichen Einfluß der Gewerkschaften entfachte.109 Ein Mittel, den Gewerkschaften das Wasser abzugraben, bestand in der Förderung des Gedankens ›der Werksgemeinschaft‹ und der sogenannten ›wirtschaftsfriedlichen‹ Bewegung. Zum Teil geschah dies von seiten der Unternehmer über eine direkte Unterstützung solcher Organisationen. Doch die vor dem Ersten Weltkrieg angewandte Strategie, mit wirtschaftsfriedlich ausgerichteten ›gelben‹ Verbänden, die sogenannten ›Kampfgewerkschaften‹ direkt zu attackieren, blieb in der Weimarer Republik marginal. Die Ruhrunternehmer setzten mehr, wie schon das Dinta-Konzept zeigte, auf die Erziehung und indirekte ideologische Beeinflussung der Belegschaft. Sie bedienten sich lieber der bildungspolitischen Bemühungen der Werksgemeinschaftsbewegung, als daß sie organisatorische Hilfen beim Aufbau einer ›gelben‹ Gegengewerkschaft gaben. Denn eine eigenständige wirtschaftsfriedliche Organisation in den Betrieben hätte, schon um sich gegenüber den anderen Gewerkschaften zu profilieren, leicht außer Kontrolle geraten können. In betrieblichen Sozialleistungen und ideologischer Erziehungsarbeit sahen die Unternehmer ihre Interessen besser gewährleistet. Denn es ging um die ›Seele‹ des Arbeiters und seine Einbindung in die ›Betriebsgemeinschaft‹.110 Was die Bergbauunternehmer unter ›Betriebsgemeinschaft‹ verstanden, 139 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

wurde in der Wirtschaftskrise vollends deutlich. Nun setzte ein Generalangriff auf Löhne, Arbeitsbedingungen, Tarif- und Schlichtungswesen und auf die Gewerkschaften ein. Gestützt wurde diese Offensive durch ein immer unverhüllteres Eintreten für autoritäre, diktatorische Regierungen. Die Beschwörung der ›Betriebsgemeinschaft‹ zielte nur darauf ab, die Schutzrolle der Gewerkschaften auszuschalten, um auf Betriebsebene die sozialpolitischen Maximalpositionen der Zechenleitungen ohne Einschränkung durchsetzen zu können. Diese Maximalforderungen, die auf eine Rückkehr zu frühindustriellen Arbeitsbeziehungen hinausliefen, wurden vom Zechenverband im August 1932 der Regierung Papen präsentiert. Der Zechenverband forderte die »weitgehendste Ausschaltung staatlicher Eingriffe auf dem Gebiete der Regelung der Arbeitsbedingungen, insbesondere Löhne und Arbeitszeit«. Die Löhne seien »in erster Linie auf die besonderen Verhältnisse der einzelnen Betriebe abzustellen«. Der Tarifvertrag sollte lediglich das Existenzminimum garantieren, die Löhne seien an die Sätze der Arbeitslosenversicherung anzupassen, die je nach Lage der einzelnen Werke, individueller Arbeitsleistung und konjunktureller Situation überschritten werden könnten. Auch in der Arbeitszeit wurden elastischere Regelungen gefordert und zwar nicht, um, wie in der Krise anzunehmen wäre, die Arbeitszeit zu verkürzen, sondern um die Möglichkeit freiwilliger Überarbeit zu schaffen. Komplettiert wurde dieser Katalog noch durch die Forderung, die Kohlenwirtschaftsgesetze zu beseitigen und die staatliche Aufsicht bei der Grubenkontrolle einzuschränken.111 Dieses Verständnis von ›Betriebsgemeinschaft‹ ging völlig zu Lasten der Beschäftigten, brachte keine »innere Annäherung und Überbrückung sozialer Gegensätze«,112 sondern war vielmehr Klassenkampf von oben in extremster Ausprägung. Die angepeilte Stärkung der Betriebsebene hieß Schwächung, ja Entrechtung der Belegschaften. Eine moderne psychologische Menschenführung, sofern diese über bloße Lippenbekenntnisse hinaus in den Zechen überhaupt praktiziert wurde, erschien angesichts dieses massiven Angriffs auf den sozialpolitischen Minimalkonsens vollends unglaubwürdig. Eher drängte sich der Schluß auf, daß die Forderungen des Zechenverbandes ein getreues Abbild der Herrschaftspraxis in den Bergbaubetrieben vermittelten. b) Krupp: ›Zuckerbrot und Peitsche‹ Die betrieblichen Herrschaftsverhältnisse bei Krupp unterschieden sich von denen im Ruhrbergbau durch den sozialpatriarchalischen Charakter, der die Mittel von ›Zuckerbrot und Peitsche‹ einschloß. Den hohen Anforderungen an Arbeitsmoral und -disziplin und der für die Schwerindustrie typischen Befehlsstruktur standen sozialpolitisches Engagement und eine insgesamt kooperativer ausgerichtete Form der Betriebsverfassung gegen140 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

über. Die Bindung an das Werk war, wie schon die Bezeichnung ›Kruppianer‹ besagte, hoch entwickelt. Die ›Geborgenheit‹ des eigenen Kruppschen Sozialmilieus vermochte wohl auch einer allzu autoritären Betriebsatmosphäre etwas die Schärfe zu nehmen. Daß die Betriebsverfassung bei Krupp mehr kooperative Elemente enthielt als die des Ruhrbergbaus, hieß nicht, daß Krupp nun voll bejahend auf dem Boden der Weimarer Betriebsverfassung stand. Ein Mindestmaß an Beteiligung seitens der Belegschaft war aber durchaus institutionell verankert. Seitdem im Vaterländischen Hilfsdienstgesetz von 1916 erstmals gewerkschaftliche Interessenvertreter in den Betrieben tätig werden durften, bestand bei Krupp unterhalb der damals geschaffenen Arbeiterausschüsse ein Unterbau von Vertrauensmännern aus den einzelnen Abteilungen. Nach Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes wurde dieses Vertrauensmänner- oder Betriebsvertretersystem - wie es nun hieß - beibehalten. Es gab demnach einen Betriebsrat nur für die Gußstahlfabrik insgesamt, einzelne Abteilungen wurden zu Sprecherbezirken zusammengelegt, die jeweils von einzelnen Betriebsratsmitgliedern betreut wurden. Diese wiederum dienten als Ansprechpartner für die Betriebsvertreter aus den Abteilungen. Die Betriebsvertreter wurden gemeinsam mit den Betriebsräten von der Belegschaft gewählt. Dieses System brachte für die Firma mehrere Vorteile mit sich. Es gab nur einen zentralen Betriebsrat, miteinander konkurrierende Betriebsratsversammlungen in den einzelnen Abteilungen entfielen. Soziale Konflikte, Beschwerden, Anliegen konnten auf unterster Ebene abgefangen und zwischen den Vertrauensleuten und den Abteilungsleitungen vor Ort geklärt werden. Kam keine Einigung zustande, so wurden die Sprecher eingeschaltet, die schließlich in einem weiteren Instanzenweg als Mitglieder des Betriebsrates diesen selbst mit der Angelegenheit befassen konnten. Das System der Betriebsvertreter bzw. Vertrauensmänner gewährleistete, daß abteilungsinterne Gesichtspunkte Beachtung fanden. Die Vertrauensleute unterstanden der direkten sozialen Kontrolle ihrer Vorgesetzten, es fehlte ihnen der unmittelbare organisatorische Rückhalt, den ein Betriebsrat in seinem Gremium finden konnte. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, daß der Betriebssoziologe Rudolf Schwenger - auch er ein Mitglied des Berliner Instituts von Goetz Briefs - das Kruppsche System wohlwollend beschrieb: »Die Verhandlungen in diesen beiden unteren Instanzen haben . . . nur selten einen politischen Anstrich . . . Die Aussprachen und Verhandlungen in den Betrieben besitzen meist mehr einen beruflich-fachlichen als einen politischen Charakter, da sie unmittelbar zwischen den beteiligten Fachkennern beider Seiten im Betrieb stattfinden.« 113 Indessen schien dieses abgestufte System auch der Interessenlage der Arbeiterschaft entgegengekommen zu sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es in sämtlichen Hüttenwerken des Ruhrgebiets eingeführt. Das Krupp-Archiv überliefert allerdings kein Material über die Arbeit der 141 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Betriebsvertreter. Nur die Ergebnisse der Betriebsvertreterwahlen belegten eine hohe personelle Kontinuität und eine vom Ergebnis der parallel ablaufenden Betriebsratswahlen abweichende Konstanz. Das hieß z. B., daß auch in Abteilungen, in denen die kommunistische Betriebsratsliste die Mehrheit erhielt, freigewerkschaftliche Betriebsvertreter gewählt wurden. Der persönliche Aspekt überwog dabei wohl den politisch-organisatorischen. Allerdings stand auch zu vermuten, daß der kommunistischen Liste gar nicht so viele Kandidaten zur Verfügung standen oder ihre Mitglieder aus Angst vor Repressalien - nicht bereit waren, als Betriebsvertreter zu kandidieren.114 Einer Entfremdung zwischen dem Betriebsrat und der Belegschaft konnte das System der Betriebsvertreter mit seinen unmittelbaren persönlichen Bindungen vorbeugen. Zugleich fügte es sich in das Netz der sozialen Beziehungen der ›Kruppianer‹ untereinander ein. Gab es auf dem Felde alltäglicher Arbeiterangelegenheiten noch ein eingespieltes Maß an Kooperation, so schlug bei betriebswichtigen Fragen und auf dem Gebiet der Arbeitsdisziplin der ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt voll durch. Für die Geschäftsleitung war der nach §71 Betriebsrätegesetz vorgeschriebene Vierteljahresbericht an den Betriebsausschuß, dem führende Betriebsratsmitglieder angehörten, nur eine lästige Pflichterfüllung. Wirklich substantielle Informationen wurden diesem Gremium vorenthalten. Selbst auf relativ belanglose Fragen wurde dem Betriebsausschuß unverbindlich oder ausweichend geantwortet. Die von den Belegschaftsvertretern angestrebte Transparenz geschäftlicher Entscheidungen wurde von der Firmenleitung mit allen Mitteln verhindert.115 Die Strafbestimmungen bei Verstößen gegen die Arbeitsordnung waren umfassend. Die Strafordnung der Gußstahlfabrik vom 24. Februar 1930 sah für mehrmaliges Zuspätkommen im Kalendermonat Geldstrafen zwischen 0,15 und 1,00M vor. Verbotswidriges Stempeln im Straßenanzug, Umkleiden und Waschen in anderen als den zugewiesenen Räumen, Verweilen abseits der Arbeitsstelle, Nichtbeachten des Rauchverbots oder das Verlassen des Werkes auf nicht vorgeschriebenem Wege und dergleichen wurde mit Strafen bis zu 1 Μ geahndet. Noch teurer kamen der Genuß von Branntwein, der private Handel im Werk und die Verunreinigung von Arbeitsstelle oder Sanitärräumen. Der zuständige Betriebsvertreter war monatlich von den Strafen in Kenntnis zu setzen, bei schwerwiegenden Verstößen war er zu konsultieren. Die Betriebsvertreter, die fast ausschließlich langjährige Kruppsche Facharbeiter waren, hatten die geforderte Arbeitsdisziplin schon längst verinnerlicht. Bei Verstößen, die ihrem eigenen hohen Arbeitsethos zuwider liefen, waren sie sicher nicht weniger konsequent als die Betriebsleitungen.116 Die strenge Betriebsordnung war als Gegenstück zu den Wohlfahrtsmaßnahmen der unverzichtbare Bestandteil eines sozialpatriarchalisch geführten Betriebes vom Range Krupps. Auf die Aktivitäten des Dinta brauchte die Essener Firma nicht zurück142 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zugreifen, da die Betriebsbindung unter der Stammbelegschaft bereits hoch entwickelt war, eine systematische Nachwuchspflege und umfassende Sozialeinrichtungen bereits existierten. Was die Ablehnung der sozialen Errungenschaften der Weimarer Demokratie und die Frontstellung zur Demokratie insgesamt betraf, befand sich Krupp auf einer Linie mit der übrigen Schwerindustrie. Doch beim Generalangriff der Ruhrindustriellen auf das Schlichtungswesen, namentlich das Institut der staatlichen Zwangsschlichtung, während des Ruhreisenstreits 1928 schien es Gustav Krupp von Bohlen und Halbach durchaus bewußt gewesen zu sein, daß sich ein allzu massives und kompromißloses Vorgehen zu Lasten der Arbeiterschaft nicht mit dem sozialpatriarchalischen Nimbus seines Unternehmens vertrug. Er hatte sich der Aussperrungsaktion nur widerstrebend angeschlossen und ergriff gegen den Widerstand namhafter Industrieller, wie Paul Reusch von der GHH, die Initiative zur Beilegung des Konflikts. Eine in ihrem Ausgang ungewisse, rücksichtslose Konfrontation wollte er vermeiden.117 Anläßlich einer Jubilarehrung vom 22. Februar 1929 kam Krupp nochmals auf den Ruhreisenstreit zu sprechen und gab zu erkennen, daß die Aussperrungsaktion durchaus einen Schatten auf die anstehende Feier werfe. Um Verständnis werbend wies er auf die geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Unternehmens hin. Es sei um die »grundsätzliche Auseinandersetzung über die ferneren Bestandsmöglichkeiten der deutschen Wirtschaft überhaupt« gegangen. »Früher stand unsere Firma in Vielem völlig selbständig da in wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Beziehung und konnte ihren Angehörigen einen starken Schutz gewähren gegen die meisten Stürme, die draußen wehten. Das gab denn auch allen denen, die in den Kruppschen Werken Arbeit gefunden hatten, die viel gerühmte . . . Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz. Heute hat dies darüber müssen wir uns klar sein - in vielerlei Beziehungen aufgehört und unser Werk ist heute ein Industrieunternehmen wie jedes andere in Deutschland auch.« Deshalb sei um so mehr ein »Vertrauens- und verständnisvolles Zusammenarbeiten« nötig.118 Dieser Appell verhallte in dem Essener Unternehmen nicht nur in bloßen Beschwörungsformeln, er traf bei dem großen Stamm langjähriger Krupparbeiter wohl auf Resonanz. Der ›Kruppianer‹ unterwarf sich festen Regeln, akzeptierte die sozialen Verhaltensnormen des Betriebes und war unabhängig von seiner politischen Einstellung - ein »ordentlicher Arbeiter«, so das Resümee, das Ulrich Herbert aus der Befragung altgedienter ›Kruppianer‹ zog. 119 Die Entwicklung einer besonderen Verbundenheit mit dem Unternehmen wurde nicht nur von der Krupp-Leitung als Anspruch an die Beschäftigten herangetragen, diese Verbundenheit entsprach auch dem Sicherheitsbedürfnis der wenig mobilen und disziplinierten Stammarbeiter. Daß diese Gruppe keine Minderheit darstellte, zeigen die Daten der Dienstalterspyramide bei Krupp (s. Tab. 24). 1929, also noch vor der 143 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Gußstahlfabrik einschl. Werk in Bremen und Wuppertal

38,9 26,6 22,1 11,0 1,4

24252

1929

29,9 30,6 24,6 13,0 1,9

20810

1930

24,3 30,6 29,0 14,1 2,0

14928

1931

Quelle: HA Krupp WA 41/3-740 a, b: Sozialpolitische Abteilung-Tätigkeitsberichte.

1

40,6 26,0 22,6 9,6 0,9

23729

(abs.)

Gesamtarbeiterbelegschaft 1

bis zu 5 Jahren über 5-10 Jahre bis zu 10 Jahren über 10-20 Jahre " 20-30 " " 30-40 " " 40 "

1928

(jeweils am 1. 10.)

28,8 30,4 28,2 11,1 1,5

26934 29,6 11,6 41,2 25,8 22,2 9,5 1,3

17414

12758 22,1 31,1 31,6 13,4 1,8

1934

1933

1932

Tab. 24: Dienstalter der Arbeiterschaft in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1928-1937

-

33235 44,3 13,1

1935

16,9 14,2 8,6 1,4

35775 45,9 13,0

1936

16,6 12,9 8,4 1,7

39340 47,9 12,5

1937

Wirtschaftskrise, in der die Jüngeren, nicht zum Stamm Gehörigen zuerst entlassen wurden und damit diese Statistik beeinflußten, waren 61,1 % der Beschäftigten über 10 Jahre im Werk beschäftigt und zählten damit eindeutig zur Stammbelegschaft. Die persönliche Orientierung und die soziale Bindung, die das sozialpatriarchalisch geprägte Unternehmen vermittelte, milderte zumindest subjektiv den harten Charakter der betrieblichen Herrschaft. c) »Rein sachliche Gemeinschaftsarbeit« bei Siemens Eine moderne Personalpolitik prägte bei Siemens die betriebliche Herrschaftsstruktur. Arbeitsdisziplin und Arbeitsantrieb waren nicht Ergebnis eines fast militärischen Kommandosystems wie in der Schwerindustrie. Technische Abläufe diktierten den Arbeitsrhythmus und führten zu einer Versachlichung der Autoritätsbeziehungen. Die Kommandogewalt der Meister wurde im Sinne der rationalisierten und zentralisierten Betriebsführung durch die Tätigkeit der Arbeitsbüros ersetzt. Der Meister hatte sich, wie die Beschäftigten, nach den Vorgaben des Arbeitsbüros zu richten. Das Arbeitsbüro orientierte sich an den Zwängen der Wirtschaftlichkeit und der Technik. Da die Zeiten für die einzelnen Fertigungsschritte genau kalkuliert waren, konnte die individuelle Arbeitsleistung ständig gemessen und korrigiert werden. Dieses System ermöglichte eine quasi ›wissenschaftliche‹ Leistungsüberwachung. Betriebliche Anordnungsmacht und Disziplin hingen damit nicht mehr unmittelbar an Personen, diese konnten vielmehr auf die übergeordneten Betriebszwänge verweisen.120 Zur Beeinflussung der Arbeitsmotivation und -disziplin bestand daneben ein ausgefeiltes System von Leistungsanreizen über Löhne. Die Betriebsatmosphäre war bei Siemens in hohem Maße durch die Rationalisierungsmaßnahmen und die Prinzipien der modernen, unmittelbar produktivitätsorientierten Menschenführung geprägt. Das Gegenstück zu dieser an Sachzwängen ausgerichteten Führung bildete die Anknüpfung an die patriarchalische Tradition des Hauses Siemens - oder in den Worten von Carl Friedrich von Siemens: »Der Weltruf der Firma hängt von der Güte der Fabrikate ab. Um diese auf größter Höhe zu halten, reicht die Kontrolle nicht aus; sondern sie hängt ab von dem Geist der Arbeiter, von ihrem Verantwortungsgefühl und ihrer Freude.«121 Mittel, diese Einstellung zu wecken, waren die betrieblichen Sozialeinrichtungen, die Jahresprämien und insgesamt der Appell an das Gemeinschaftsbewußtsein, den »Korpsgeist«122 aller Mitglieder des Siemens-Konzerns. Personalführung verlangte auch eine sozialpsychologische Komponente, wie ein Personalmanager von Siemens festhielt: »Die Aufgabe der heutigen Personalpolitik muß . . . darin bestehen, den die friedliche Zusammenarbeit im Betriebe störenden, von außen auf ihn eindringenden Einflüssen aus 145 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

dem Betriebe heraus entgegenzuwirken mit dem Ziel, den Gedanken der Verbundenheit aller am gleichen Werke Schaffenden neu zu beleben, den Geist der Arbeitsgemeinschaft wieder herzustellen.«123 Die »zersetzenden Mächte«, die die Wirtschaftlichkeit des Betriebes gefährdeten, wurden auch und gerade in den gewerkschaftlichen und politischen Einflüssen und der Betonung der sozialen Interessengegensätze ausgemacht. Mit der Beschwörung der isolierten ›Betriebsgemeinschaft‹, die, von äußeren Einflüssen frei, nur nach internen Erfordernissen gestaltet werden sollte, war indirekt das Problem angesprochen, welche Form der Beteiligung im Betrieb der Belegschaft unter diesen Verhältnissen noch zugestanden werden sollte, um ihre eigenen Interessen zu vertreten. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte Siemens eine dezidiert antigewerkschaftliche Politik verfolgt. Es gelang auch mit einem subventionierten ›gelben‹, wirtschaftsfriedlichen Hausverband, dem Unterstützungsverein Siemens-Werke, die Gewerkschaften bis zum Vaterländischen Hilfsdienstgesetz 1916 aus dem Unternehmen zu drängen. Der Unterstützungsverein war aber nur deswegen erfolgreich, weil derjenige, der bei Siemens eingestellt werden wollte, gezwungen war, diesem Verband beizutreten und gewerkschaftlich organisierte Arbeiter entlassen wurden. Ein großer Teil der Arbeiter, besonders die qualifizierten, konnte deshalb nur nach außen hin für die Ziele des Werkvereins gewonnen werden.124 Eine Rückkehr zu solchen Verhältnissen mochte wohl auch in der Weimarer Republik das Ziel führender Siemens-Manager gewesen sein, wenn sie den Gemeinschaftsgeist im Betrieb beschworen. Allerdings hatte die Siemens-Leitung wenig Grund, die Arbeit des freigewerkschaftlich geführten Betriebsrates mit ›stÖrenden Einflüssen‹ gleichzusetzen. Das Internationale Arbeitsamt hob in seiner 1930 erschienenen Siemens-Untersuchung, von der schon im Zusammenhang mit den betrieblichen Sozialleistungen berichtet wurde, hervor, daß die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf dem Gebiet des Betriebsrätewesens sich »glatt und stetig« gestalteten. Das Arbeitsamt nannte als Gründe dafür das aufrichtige Streben der Sozialpolitischen Abteilung und die personelle Beständigkeit unter den Betriebsräten.125 Der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates bei Siemens, Erich Lübbe vom Deutschen Metallarbeiterverband, füllte dieses Amt von 1920 bis 1933 aus. Zugleich war er Arbeitnehmer-Mitglied im Aufsichtsrat. In einer Besprechung mit Carl Friedrich von Siemens berichtete er im November 1927 über seine Vernehmung vor dem Enquete-Ausschuß, bei der es um die Art der Zusammenarbeit mit der Betriebsleitung ging: »Er habe für unsere Firmen aussprechen können, daß die Arbeitnehmer-Mitglieder im Aufsichtsrat zu dem Herrn Vorsitzenden volles Vertrauen hätten und daß ein Zusammengehörigkeitsgefühl vorhanden wäre. Herr von Siemens machte Herrn Lübbe darauf aufmerksam, daß er mit dieser Feststellung kaum seine prinzipielle Haltung als Gewerkschaftsvertreter in Einklang bringen 146 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

könne. Herr Lübbe erwiderte hierauf, daß die Gewerkschaften nicht in ihrer grundsätzlichen Kampfstellung gegenüber dem Unternehmertum beharren könnten; sie müßten nach seiner Meinung vielmehr versuchen, durch die Verbindung mit den Vertretern der Arbeitnehmerschaft in den Aufsichtsräten stärkeren direkten Einfluß zugunsten der Arbeitnehmerschaft geltend zu machen.« Dem engen persönlichen Kontakt zu Carl Friedrich von Siemens sei es zu verdanken, so Lübbe, daß Hindernisse von Seiten der Verwaltung aus dem Weg geräumt werden könnten.126 Die Betriebsräte bei Siemens waren auch, was Räumlichkeiten, Ausstattung und Freistellung von der Arbeit anging, in einer günstigeren Position als die anderer vergleichbarer Unternehmen.127 Die Institutionalisierung des industriellen Klassenkonflikts war bei Siemens weit fortgeschritten. Soziale Interessenkonflikte auf betrieblicher Ebene liefen nicht mehr als primär politische Konflikte um Emanzipation und Beteiligung ab, die Anerkennung als Interessenvertretung mußte nicht mehr ständig neu erkämpft werden. Erich Lübbe hatte wohl die Verhältnisse bei Siemens im Auge, wenn er konstatierte: »Die Mehrzahl der Betriebsräte hat erkannt, daß das Betriebsrätegesetz nicht der Boden ist, auf dem die Klassenkämpfe ausgetragen werden, wenn es vielleicht bei der Schaffung desselben auch viele gewünscht haben. Sie haben aber erkannt, daß neben den parteipolitischen Kämpfen . . ., die oftmals erst in weiter Zukunft ausgetragen werden oder in weiter Zukunft erst Erfolge zeitigen, doch in der Gegenwart Menschen leben mit ihren vielseitigen großen und kleinen Sorgen, die behoben werden sollen und die auch oftmals gerade durch die Tätigkeit der Betriebsvertretungen behoben werden können. «128 Die relativ günstige Bewertung der Betriebsrätearbeit bei Siemens ließ sich mit der Einstellung der Geschäftsleitung gegenüber den Gewerkschaften auf überbetrieblicher Ebene kaum vereinbaren. Die Vermutung liegt nahe, daß durch das gezielte Entgegenkommen bei den Betriebsräten eine betriebszentrierte Einstellung gefördert werden sollte. Wenn man die freien Gewerkschaften schon nicht aus dem Betrieb fernhalten konnte, wollte man wenigstens ihre Betriebsvertreter in das Unternehmen fest einbinden, ein Versuch, der nicht ohne Erfolge geblieben war, wie man den Ausführungen Lübbes entnehmen konnte. Solange zudem die freigewerkschaftlichen Betriebsräte die Gewähr dafür boten, kommunistische Einflüsse innerhalb der Belegschaft einzudämmen, erfüllten sie eine wichtige Funktion im Betrieb. Der Ton verschärfte sich von seiten der Unternehmensleitung, als kommunistische Listen in einzelnen Siemens-Betrieben Zulauf erhielten. Im Geschäftsbericht der Sozialpolitischen Abteilung für 1930/31 wurde vor dem Hintergrund kommunistischer Erfolge bei den Betriebsratswahlen die Stärke des »marxistischen Block(s)« von Kommunisten und freien Gewerkschaften beklagt.129 Die Integrationsfunktion der freigewerkschaftlichen Betriebsräte schien nicht mehr gewährleistet. Den Betrieb als ›politikfreien‹ Raum zu erhalten, war aber oberster Grundsatz.130 147 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Die Siemenssche Vorstellung einer autonomen Betriebssphäre unterschied sich von der schwerindustriellen Betriebsgemeinschaftskonzeption, die im Grunde auf eine kaum verhüllte autoritäre Betriebsführerschaft hinauslief Der Typus von Betriebsverfassung, wie ihn Carl Friedrich von Siemens vertrat, war - subjektiv zumindest - von ideologischen Prämissen frei und war ganz auf »rein sachliche Gemeinschaftsarbeit« ausgerichtet. Im Februar 1933, als für die meisten Unternehmer bereits die Zähmung bzw. Ausschaltung der Gewerkschaften auf dem Programm stand, erinnerte Siemens an die Zentralarbeitsgemeinschaft zu Beginn der Republik, in der die Überzeugung von der gegenseitigen Abhängigkeit zum Ausdruck gekommen sei. Aus der gegenwärtigen sozialen und wirtschaftlichen Notlage leitete er die Schlußfolgerung ab, »daß jeder Weg gemeinsamer Arbeit wieder versucht werden sollte. . . . Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten daher auch versuchen durch gemeinsame Anstrengungen die Wirtschaft und sich selbst vor weiterem Schaden zu bewahren«. 131 Ein ausschlaggebender Faktor für die Beschwörung der Zentralarbeitsgemeinschaft dürfte gewesen sein, daß Unternehmen und Gewerkschaften bzw. Arbeiter ein gemeinsames Interesse hatten: Die Ablehnung des NS-Programms zur wirtschaftlichen Autarkie, die ein solch exportabhängiges Unternehmen wie Siemens in der Substanz gefährdete. Die gewerkschaftlichen Betriebsvertreter waren bei Siemens, soweit sie zur Erhaltung des sozialen Friedens beitrugen, die wirtschaftlichen Interessen des Betriebes mitverfolgten, ja sogar eine Bindung an den Betrieb erkennen ließen, in einer im Vergleich zu anderen Industrien günstigeren Position. Die moderne Personalpolitik des Unternehmens nutzte die Integrationswirkungen, die von einem begrenztem Entgegenkommen auf dem Felde der Interessenvertretung der Arbeiter ausgehen konnten. d) IG Farben: Funktionale Zwänge In den Werken der IG Farben wirkten noch die heftigen sozialen Spannungen und Konflikte aus der Nachkriegs- und Inflationszeit nach. Eine ungelernte, stark fluktuierende Arbeiterschaft reagierte in dieser Phase mit Aufsäßigkeit, Streiks und Unruhen auf die Bestrebungen der Arbeitgeber, die Errungenschaften der Revolution - besonders den Achtstundentag - zu revidieren und zu den Arbeitsverhältnissen der Vorkriegszeit zurückzukehren. Mit harten Maßnahmen versuchten die Unternehmer wieder ihren alten ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt durchzusetzen. Die chemischen Werke in Ludwigshafen, Oppau, Leverkusen und Leuna waren der Schauplatz erbitterter Arbeitskämpfe und kompromißloser Aussperrungsaktionen. Es ging dabei nicht nur um Fragen von Lohn und Arbeitszeit, sondern auch um den rigorosen Herrschaftsanspruch der Unternehmensleitungen, der das Konfliktpotential noch verschärfte. 148 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Die Arbeitsbedingungen und die Betriebsatmosphäre in den neu entstehenden Werken der Großanlagenchemie mit einer Vielzahl neuer, heterogener Arbeitskräfte waren alles andere als angenehm. Das Wort von der »Chemiehölle« in Leuna oder der »Anilinhölle« in Ludwigshafen wurde zum stehenden Begriff. Unmenschliche und gefährliche Arbeitsplätze forderten ihren Tribut, wie bei der verheerenden Explosionskatastrophe in Oppau 1921, die 640 Menschen das Leben kostete.133 Nur durch harten ökonomischen Druck und schärfste Disziplinarmaßnahmen konnte der ›Arbeitsfriede‹ wieder hergestellt werden. Auf Seiten der Arbeiterschaft waren Konfliktregelungsmechanismen nicht verankert. Die Arbeiter handelten spontan, ohne Einschaltung oder auch gegen den erklärten Willen der Gewerkschaft, des Fabrikarbeiterverbandes, und zum Teil auch gegen den der Betriebsvertretungen. Oft waren eigentlich geringfügige Anlässe, wie Sperren und Kontrollen an den Werkstoren, der Auslöser für langwierige Konflikte, sie besaßen jedoch für die Arbeiterschaft einen hohen symbolischen Gehalt, da in ihnen der ungebrochene Herrschaftsanspruch der Betriebsleitung zum Ausdruck kam. 134 Daß ab 1925 in den Werken der IG Farben von größeren Arbeitskämpfen und Unruhen nichts zu berichten war, hieß nicht, daß das Betriebsklima und die Arbeitsverhältnisse nun den Wünschen der Arbeiterschaft entsprochen hätten. Die Chemiearbeiterschaft verharrte vielmehr in Resignation, die leidvolle Erfahrung von Ohnmacht und Einflußlosigkeit machte sie betriebspolitisch indifferent, zumal sie sich für kontinuierliche politische Mobilisierung und gewerkschaftliche Organisation kaum gewinnen ließ. Dem Herrschaftsanspruch und der ökonomischen Macht des IG Farbenkonzerns hatte sie nichts entgegenzusetzen.135 Der durch massiven Unternehmerdruck hergestellte Arbeitsfriede war jedoch nur ein Aspekt der Arbeitsbeziehungen in dem Chemiekonzern. In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre verfolgte der Konzern eine moderne, kompromißbereitere Personalpolitik. Diese Personalpolitik war nicht sozialpatriarchalisch ausgerichtet, wie schon im Zusammenhang mit den freiwilligen Sozialleistungen zu sehen war, sie war unmittelbar zweckorientiert und zielte funktional auf die Erfordernisse der Produktion. Der anfällige, technisch komplizierte chemische Produktionsapparat erforderte einen großen Stamm erfahrener, eingespielter Arbeitskräfte. Hohe Fluktuation und ein nur auf ökonomischer Gewalt beruhendes Betriebsklima schufen Reibungen und Spannungen, die dem eigentlichen Produktionsziel zuwiderliefen.136 Die Mittel, mit denen die IG sich um die Bindung und Gewinnung der Arbeiterschaft bemühte, waren materieller Art. Der Chemiekonzern zahlte hohe Löhne, wobei besonders die Leistungszulagen deutlich zu buche schlugen, wies die höchsten Sozialleistungen auf und besaß auch auf dem Gebiet der Jahresprämien eine Vorreiterrolle. In der ausgeprägten Leistungsorientiertheit der Löhne kam wieder das allein ökonomische Kalkül 149 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

der Arbeiterpolitik im Chemiekonzern zum Ausdruck. Die Beschäftigungspolitik wurde nicht von sozialen Erwägungen bestimmt, sondern vom jeweiligen konjunkturellen Bedarf. Nicht zum Belegschaftsstamm gehörige Arbeiter wurden als beliebige Manövriermasse eingesetzt und hatten bei nachlassender Konjunktur mit sofortiger Kündigung zu rechnen. Eine Belegschaftsreserve wurde im Betrieb nicht gehalten. Die Fluktuationsrate war aber für die zweite Hälfte der zwanziger Jahre insgesamt im Vergleich zur Vor- und unmittelbaren Nachkriegszeit deutlich zurückgegangen. Die langfristige Stammbelegschaft hatte sich demnach vergrößert.137 Daß die IG den Arbeiter mehr mit materiellen Anreizen zu beeinflussen suchte, als daß sie sich um seine ›Seele‹ bemühte, zeigt die Einstellung des Chemiekonzerns zur Arbeit des Dinta. Der praktische Nutzen des Dinta-Konzepts wurde mit größter Skepsis betrachtet, und 1929 lehnte IG Farben die Aufforderung, der ›Gesellschaft der Freunde des Dinta‹ beizutreten, eindeutig ab. 138 Zur Versachlichung der Autoritätsbeziehungen im Betrieb, wie sie schon bei Siemens festgestellt wurde, mochte beitragen, daß die betriebliche Kontrolle durch Meister und ähnliche Vorgesetzte in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre kontinuierlich abnahm. Kamen 1924 noch 149 Meister, Hilfsmeister und Vorkalkulatoren auf 1000 Arbeiter, so waren dies 1930 nur noch 91. 1 3 9 Produktionsvorgaben und selbsttätige Anlagen bestimmten den Arbeitsrhythmus und machten eine intensivere persönliche Arbeitskontrolle weniger notwendig. Im Unterschied zu den frühen zwanziger Jahren - und auch besonders zur Schwerindustrie - verfolgte die IG in ihrer Arbeiterpolitik nunmehr eine »weichere Linie«, wie Helmuth Tammen in seiner kritischen Analyse des Farbenkonzerns feststellte. Der produktionswichtige Faktor ›Arbeitsfriede‹ war allein durch frontales Vorgehen nicht zu erreichen. Die Befriedung der Arbeiterschaft erforderte eine langfristig angelegte Strategie der Bindung an den Betrieb. Neben die rein materiellen Zugeständnisse hatten »ethische« Maßnahmen zu treten. Jedoch anders als beim Dinta spielten dabei kooperative Elemente eine Rolle. Dies betonte besonders der geschäftsführende Vorsitzende des Vereins zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie, Pietrkowski, und er sprach damit sicher auch im Sinne der IG: »Was soll nun von der Arbeitgeberseite geschehen, um diese Umstellung bei der Arbeiterschaft zu fördern, ohne die die Atmosphäre des Vertrauens nicht geschaffen werden kann. . . . Zunächst muß sie sich vorbehaltlos auf den Boden des heutigen Staates und seiner Grundlagen stellen. . .« Den »gesunden Kern des Werkgemeinschaftsgedankens« sah Pietrkowski in der verbesserten Nachwuchs- und Fachausbildung und der Verkürzung der Entfernung zwischen Vorgesetzten und Arbeitern. Bestrebungen, den Arbeiter über die ›Werksgemeinschaft‹ jedoch ideologisch beeinflussen zu wollen, bezeichnete er als Utopie. »Ich bekenne offen, daß nach meiner Überzeugung für die Schaffung des sozialen Friedens die 150 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Zerschlagung der heutigen Interessenvertretung der Arbeiter, nämlich der Gewerkschaften, keineswegs Voraussetzung ist. Im Gegenteil, wenn die Gewerkschaften nicht beständen, müßten sie mit Hilfe der Arbeitgeber geschaffen werden.« Die Kooperation war aber an Bedingungen geknüpft. Diese lauteten: Absage an »Klassenkampferinnerungen«, Verzicht auf ständig neue sozialpolitische Forderungen, Beachtung der »Tragfähigkeit der Wirtschaft« und Bereitschaft für eine individuellere Gestaltung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage der persönlichen Arbeitsleistung und des Ertrags eines Betriebes. Die »praktischen Methoden« zur Durchführung einer solchen Politik hießen »Ethik mit einem Einschuß von Brachialgewalt«. 140 Übersetzte man »Ethik« mit Beeinflussung des ›menschlichen Faktors‹ und »Brachialgewalt« mit betrieblicher Herrschaftspraxis, erhielt man die beiden Komponenten, aus denen sich die Arbeiterpolitik der IG Farben zusammensetzte. In der beginnenden Wirtschaftskrise 1930 war die IG an abgestimmten Maßnahmen mit den Gewerkschaften interessiert und versuchte den Geist der Zentralarbeitsgemeinschaft aus der Frühphase der Weimarer Republik wiederzubeleben. In seiner Heidelberger Privatwohnung führte der Vorstandsvorsitzende Carl Bosch Gespräche mit dem ADGB-Vorsitzenden und dem wirtschaftspolitischen Sprecher des ADGB, mit Theodor Leipart und Fritz Tarnow. Carl Bosch regte dabei die Gründung eines gemeinsamen Forschungsinstituts an, das Vorschläge zur Lenkung der Wirtschaft konzipieren sollte. Konsequenzen ergaben sich aus dem Gespräch jedoch keine, da die Gewerkschaftsführer verlauten ließen, sie könnten aus taktischen Gründen nicht auf diese Pläne eingehen, außerdem würde die Arbeiterschaft einen solchen Schritt nicht verstehen.141 Die Haltung der IG zur betriebsinternen Interessenvertretung der Arbeiterschaft war ambivalent und nicht durch eine ›gedeihliche‹ Zusammenarbeit wie bei Siemens gekennzeichnet. Gegenüber den von kommunistischen Listen beherrschten Betriebsvertretungen verfolgten die Werksleitungen einen kompromißlosen Konfrontationskurs. Sofern sich die geringste Handhabe bot, wurden solche Betriebsräte sofort entlassen. Auf der anderen Seite bemühten sich die Werksleitungen, die freigewerkschaftlichen und christlichen Betriebsvertreter als Alternative aufzubauen und führten mit diesen, unter Umgehung des offiziellen Betriebsrates, informelle Gespräche, da von diesen eine nachgiebigere Haltung zu erwarten war. 142 Die Arbeit der nunmehr freigewerkschaftlich bestimmten Betriebsräte in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre bestätigte diese Erwartung. Sie konnten auf keine bestehende Tradition geregelter Konfliktaustragung im Betrieb zurückgreifen und orientierten sich in kooperativer Haltung stark am jeweiligen Betriebsinteresse. Eine kämpferische Betriebspolitik hätte auch angesichts des geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrades in den IG-Werken kaum Rückhalt gehabt. Eine aus der Erfahrung der Macht151 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

losigkeit resultierende betriebspolitische Indifferenz in weiten Teilen der Belegschaft kam noch hinzu. In realistischer Einschätzung gab der Fabrikarbeiterverband die Weisung aus, bei der Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse von den bestehenden Machtverhältnissen auszugehen und keine illusorischen, rein propagandistischen Forderungen zu stellen. Wie die materiellen Zugeständnisse des Chemiekonzerns zeigten, hatten der Fabrikarbeiterverband und seine Betriebsräte mit dieser kooperativen Linie durchaus Erfolge zu verzeichnen. Der ›weicheren‹ Gangart der IG kam das Verhalten der Betriebsvertretungen entgegen, zumal die Betriebsvertretungen die grundlegenden Machtverhältnisse im Betrieb nicht in Frage stellten.143 In der Wirtschaftskrise nahm die IG unter maßgeblicher Mitwirkung der Betriebsvertretungen eine Vorreiterrolle bei der Verkürzung der Arbeitszeit ein. Die generelle Einführung der 40-Stunden-Woche war das sozialpolitische Instrument des Farbenkonzerns in der Krise, um Entlassungen noch größeren Ausmaßes zu vermeiden. Aus der Sicht der IG Farben war dieser Schritt folgerichtig, da die Entlassungswelle nun auch in die wichtige Stammbelegschaft große Lücken riß. Den Betriebsvertretungen gelangen damit erste größere Erfolge im Kampf um die Verkürzung der Arbeitszeit im gesamtindustriellen Maßstab. Dieser Schritt war von Zurückhaltung auf dem Gebiet der Löhne begleitet, denn, so der stellvertretende Vorsitzende des Fabrikarbeiterverbandes, Großmann, »Krisenzeiten bringen stets eine Unterbrechung erfolgreicher Lohnbewegungsphasen«.144 In den Betrieben der IG Farben hatte sich im Vergleich zur unmittelbaren Nachkriegszeit eine Wandlung vollzogen. Kooperation und faktische Anerkennung der betrieblichen Herrschaft änderten den Charakter der sozialen Konflikte und ihre Ausdrucksformen. Die Strategie der kleinen Schritte stieß bei den Arbeitern, soweit festzustellen war, nicht auf offene Ablehnung. Ausbleibende Proteste waren nicht nur der Apathie zuzuschreiben. Die mit ökonomischem Druck und materiellen Anreizen agierende Arbeiterpolitik des Farbenkonzerns diente der Bindung eines breiten Arbeiterstamms an das Werk. Die hohe Attraktivität chemischer Arbeitsplätze, die in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre festzustellen war, und die gegebenen Qualifikationsmöglichkeiten für die weitgehend ungelernten Arbeitskräfte der Chemie stützten diesen langfristigen Integrationsprozeß. e) Die Bedeutung der Betriebsatmosphäre für die Arbeiterschaft Wie reagierten nun die Arbeiter auf die ideologische Offensive der Unternehmer, auf die Neuentdeckung des menschlichen Faktors, auf die Versuche der psychologischen Beeinflussung, die je nach Branche und Betrieb verschieden ausgeprägt waren? Am augenfälligsten war die Abfuhr, die die Arbeiter wirtschaftsfriedlich ausgerichteten Verbänden und Betriebsver152 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

einigungen bei den Betriebsratswahlen erteilten. Nennenswerte Erfolge konnten diese Gruppen in der Weimarer Republik nicht verzeichnen. Der Versuch, wirtschaftsfriedliche Verbände zu reaktivieren, war ein Fehlschlag. Nur im mitteldeutschen Braunkohlerevier konnten die ›Gelben‹ bemerkenswerte Erfolge erzielen. Sie erreichten dort 1930 62 Betriebsratssitze gegenüber 156 der freien Gewerkschaften. Dies war mit den besonderen Bedingungen des dortigen Braunkohlebergbaus zu erklären. Er expandierte erst während des Krieges und danach, als auf der Basis der Braunkohle ein umfassendes mitteldeutsches Industriegebiet entstand. Die Braunkohlebetriebe waren weit über das Land verstreut, die Arbeitskräfte waren ländlich geprägt und wurden aus dieser Prägung infolge der engen Nachbarschaft zum Werk auch nicht herausgelöst. Sie besaßen weder die hohe Qualifikationsstruktur, noch die lange Berufstradition der Steinkohlenbergleute. Möglicherweise stellte im stark mechanisierten Tagesabbau die enge Werksbindung einen Ersatz für die fehlende Berufstradition dar, die im agrarisch-ständisch geprägtem Milieu als deutlicher Bruch empfunden werden mußte. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad war gering. Vor diesem Hintergrund war es zu verstehen, daß ein beträchtlicher Teil der Belegschaft nicht um die Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen kämpfen wollte, sondern Einkommens- und Arbeitsplatzsicherheit in ausschließlicher Bindung an das Werk anstrebte. Die ›heile Welt‹ der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Werksleitung und Belegschaft schien diese Ziele am ehesten garantieren zu können.145 Die ideologische Offensive der Unternehmer zielte aber nicht auf eine Renaissance der ›gelben‹ Verbände ab, wie am Bergbau zu sehen war, sondern strebte die Weckung des Werkgemeinschaftsgedankens an über Bildung, Werkszeitungen, Schulung und Ausbildung. ›Werksgemeinschaft‹ bedeutete nicht die institutionelle oder verbandliche, sondern die »organische Eingliederung aller am Produktionsprozeß beteiligten« und lief damit auf eine rational nicht faßbare, »wesenhafte Verbundenheit«146 hinaus. Ob diese ideologische Indoktrination auf das Arbeiterbewußtsein tatsächlich einwirken konnte, läßt sich konkret kaum belegen. Mit dem Soziologen Ferdinand Tönnies lassen sich aber überzeugende Argumente anführen, die schon die grundsätzliche Wirksamkeit der Idee der ›Werksgemeinschaft‹ ausschließen: Dieser Gedanke werde immer nur im Interesse der Unternehmer sich geltend machen und auch »nur so von den Arbeitern verstanden werden«. Er kann »den Interessenkampf nicht beseitigen . . . Der Idee und dem Wesen des Großbetriebes . . . entspricht eine solche illusorische Vorstellung nicht. . . . Das materielle Interesse an einem möglichst friedlichen Zustande wird der Besonnene (Arbeiter - W, Z.) gern anerkennen, ohne sich dadurch in seinem Streben beirren zu lassen, die besonderen Interessen, worin Kapital und Arbeit gegeneinander stehen, mit aller notwendigen Schärfe geltend zu machen.«147 Die unterschiedliche Interessenlage im Betrieb konnte nicht aufgehoben werden. Unreflektierte 153 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Harmonievorstellungen, die allzu deutlich erkennen ließen, daß sie nur auf eine Bestärkung des unternehmerischen Anspruchs auf alleinige betriebliche Herrschaftsgewalt hinausliefen, konnten bei den Arbeitern keine positive Resonanz erwarten. Allerdings war im Hinblick auf die Art und Weise, wie innerhalb dieses Interessengegensatzes die Lohn- und Arbeitsbedingungen festgelegt wurden, eine partielle Zusammenarbeit durchaus vorstellbar. In der Krise gab es Beispiele dafür, daß Arbeiter, weil sie der Erhaltung des Betriebes und damit der Wahrung des Arbeitsplatzes Vorrang einräumten, aus Gründen des Betriebsinteresses Lohnsenkungen zustimmten. Doch wäre es zynisch, aus diesem von ökonomischer Ausweglosigkeit und existenziellem Druck bestimmten Verhalten, auf eine ›organische‹ Betriebsharmonie zu schließen.148 Von dem grundsätzlichen Interessengegensatz gingen - neben den kommunistischen und sozialdemokratischen Organisationen - schließlich sogar die christlichen Gewerkschaften aus, und somit die Gruppen, die bei den Betriebsratswahlen den Löwenanteil der Stimmen erhielten.149 Die Organisation des Dinta machte sich im Bergbau durch ihre an das Militärische erinnernde Attitüde selbst unglaubwürdig, zumal da die sozialreaktionäre Betriebspolitik der Zechenunternehmer das Gemeinschaftsideal völlig pervertierte. Doch trotzdem hatten die Gewerkschaften keinen Grund, die Arbeit des Dinta und damit insgesamt alle Bestrebungen, eine ›Betriebsgemeinschaft‹ herzustellen, auf die leichte Schulter zu nehmen. Einer der nachhaltigsten Kritiker des Dinta, der Leiter der Berliner Gewerkschaftsschule, Fritz Fricke, wies nicht ohne Grund auf die Gefährlichkeit des Dinta hin. Es sei »beileibe nicht alles schlecht«, was von der Arbeit des Instituts ausgehe. Das Dinta versuche nicht allein, die Arbeiter zu erziehen, sondern auch die Meister, Ingenieure und Betriebsleiter, »dies lag ja im Rahmen der arbeitspsychologischen Bestrebungen, wenn sie mit Erfolg betrieben werden sollten«. Deshalb sei der große »Umfassungsangriff der deutschen Unternehmerschaft auf die Seele des deutschen Arbeiters, . . . (der Versuch), einer völligen Umbildung der Geisteshaltung von Millionen von Arbeitern und Arbeiterinnen«, nicht ohne Substanz.150 Dem Gedanken der Werkstreue entsprangen, über die Organisation des Dinta hinaus, eine Vielzahl von Maßnahmen, die auch eindeutig im Interesse der Arbeiterschaft lagen: Betriebliche Sozialleistungen, Veränderungen der Arbeitsorganisation, der Lehrlings- und Fachausbildung, der Rolle des Vorgesetzten, des Betriebsklimas, die durchaus auch als Vorstufe zur ›Humanisierung der Arbeitswelt‹ verstanden werden konnten, wenn man die ideologischen Prämissen außer Betracht ließ. Die modernere Variante der Personalpolitik, der sich in den zwanziger Jahren viele Unternehmen zuwandten, war deshalb so gefährlich, weil sie die Gewerkschaften an ihrem schwachen Punkt traf, ihrer auffälligen Betriebsferne. Es wäre zu einfach, die mangelnde Betriebsorientierung gewerkschaftlicher Politik und Strategie einfach damit zu erklären, daß für Betrieb und 154 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Gewerkschaft jeweils unterschiedliche politische Betätigungsfelder zu gelten hätten und somit das Auseinanderklaffen beider Bereiche gleichsam apriorisch sei.151 Denn gewerkschaftliche Politik hatte sich gerade in ihrer Rückwirkung auf den Betrieb zu messen, der Betrieb war schließlich die prägende Instanz des Arbeiterlebens. Wer anders als die Mitgliederbasis in den Betrieben, war der eigentliche Adressat gewerkschaftlicher Politik? Der strukturelle Wandel im Betrieb, die soziale Betriebs- und moderne Personalpolitik der Unternehmen stellte die Gewerkschaften vor ein Dilemma. Sie konnten diese Maßnahmen nicht beeinflussen, konnten sie aber auch nicht rundweg verdammen, da sie der Interessenlage der Beschäftigten in gewissem Maße entgegenkamen. Nur mit Appellen an ihre Mitglieder konnten die Gewerkschaften auf die unternehmerischen Maßnahmen reagieren.152 Welch hoher Stellenwert Fragen des Betriebsklimas für die Arbeiterschaft zukam, war nicht zu übersehen. Hier konnten die unternehmerischen Maßnahmen den Erfahrungsbereich der Arbeiter unmittelbar beeinflussen. Der belgische Sozialist Hendrik de Man hatte bei seiner an der Frankfurter Akademie der Arbeit erstellten Untersuchung über die »Arbeitsfreude« ein durchgängiges Motiv angetroffen, das die Äußerungen der befragten Arbeiter durchzog, die zentrale Bedeutung der Betriebsatmosphäre und -hierarchic »Schlagwortartig könnte man sagen: nicht die Maschine, der Vorgesetzte gilt dem Arbeiter als der schlimmste Feind. Unter allen Ursachen der Arbeitsunlust überwiegen die sozialen über die technischen, und unter den sozialen Ursachen steht die autokratische Betriebshierarchie an erster Stelle. . . . Das schlimmste an diesem Zustande ist weniger, daß diese disziplinarische Gewalt im Betriebe ausgeübt wird, als daß sie sich in einer Person oder in einer Reihe von Personen mit den Funktionen der arbeitstechnischen und betriebsorganisatorischen Führung verbindet.«153 Diese »Vermischung der Produktionsdisziplin mit der Sozialdisziplin« sei besonders auf der Ebene der unmittelbaren Vorgesetzten, Meister, Ingenieure usw., besonders unerträglich. Das gemeinsame proletarische Solidaritätsgefühl beruhe, so de Man, sowohl auf dem »Bewußtsein eines der Klasse gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses« als auch gerade in der »gemeinsamen Auflehnung gegen die Betriebsautorität«. Für de Man war es frappierend festzustellen, wie »typische Klassenkämpfer« mit »gesteigerter Aggressivität gegen soziale Überlegenheit« angingen, »andererseits aber auf die geringste und unverbindlichste Sympathieäußerung (ihrer) Vorgesetzten mit gerührter Bereitwilligkeit zur Unterordnung« reagierten.154 Als Mensch und nicht als austauschbare Nummer in der Produktion behandelt zu werden, war ein zentrales Anliegen der Betriebsarbeiter. In einer industriesoziologischen Untersuchung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung aus den fünfziger Jahren zum »Betriebsklima«, die in 155 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

verschiedenen Grundstoff- und Verarbeitungswerken der Mannesmann AG durchgeführt worden war, ergab sich eine aufschlußreiche Rangfolge der Faktoren, die in der Einschätzung der Arbeiter über das Betriebsklima und damit ihre Einstellung zum Werk entschieden. An erster Stelle stand die Sicherheit des Arbeitsplatzes, danach kam jedoch schon die Behandlung durch die Vorgesetzten und erst recht spät folgten die Zufriedenheit mit der Bezahlung und die betrieblichen Sozialleistungen. In der untersuchten Mannesmann-Zeche rangierte die Behandlung durch die Vorgesetzten sogar an der Spitze.155 Wenn man sich vergegenwärtigte, welch autoritärer Kommandoton im Bergbau herrschte, war diese Präferenz auch nicht verwunderlich. Die Ergebnisse dieser Umfrage hingen sicher von den spezifischen Arbeitsbedingungen des Untersuchungszeitraums ab. Was jedoch die zentrale Bedeutung des Betriebstones, der persönlichen Ausdrucksformen betrieblicher Herrschaftsgewalt betraf, konnten sie wohl verallgemeinert werden. Sie ließen sich mit den Untersuchungsergebnissen Hendrik de Mans dreißig Jahre zuvor auf erstaunliche Weise in Einklang bringen. Das Prinzip der Subordination im Betrieb wurde nicht grundsätzlich in Frage gestellt, soweit es sich mit den Arbeits- und Produktionszwängen selbst begründen ließ, die totale Subordination jedoch, die sich im militärisch-rauhen Umgangston besonders von seiten der unmittelbaren Vorgesetzten äußerte, wurde als entwürdigend empfunden.156 Auf diesem Felde nun konnte die unternehmerische Politik der Beachtung des ›menschlichen Faktors‹ ansetzen. Appelle an die betrieblichen Vorgesetzten allein, sich als wahrhafte Führungspersönlichkeiten in den »Dienst der industriellen Menschenführung«157 zu stellen und damit ein persönliches Vertrauensverhältnis in der entfremdeten Betriebsatmospäre wieder herzustellen, waren wohl, wenn sie tatsächlich ernst gemeint waren, kaum in der Lage, einen grundlegenden Wandel herbeizuführen. Der Versuch, in modernen, notwendigerweise bürokratisch geleiteten Großbetrieben ein persönlich geprägtes Führungs- und Abhängigkeitsverhältnis nach dem Vorbild des alten Handwerks wiederzubeleben, war nur ein Stück rückwärtsgewandter Sozialutopie. Es lassen sich auch genügend Beispiele dafür anführen, daß Arbeiter gerade die unpersönliche Atmosphäre des Großbetriebes der engen persönlichen Bindung und damit auch sozialen Kontrolle in Klein- und Handwerksbetrieben vorzogen, in der Anonymität des Großbetriebes also mehr persönliche Freiräume fanden.158 Die Heranbildung von ›Führern und Unterführern‹ in den Dinta-Schulungszentren war schon konkreter, da sie der betrieblichen Praxis erwuchs und in der Lehrlingsausbildung ein Betätigungsfeld hatte, auf dem die Erziehungsprinzipien des Dinta Anwendung finden konnten. Doch waren auch die Vorwegnahme des nationalsozialistischen Führerprinzips und die Maßnahmen zur ideologischen Indoktrination der Arbeiterschaft keine geeigneten Mittel, die Betriebsatmosphäre tatsächlich und nachhaltig zum besseren zu beeinflussen.159 156 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Der grundlegende Wandel der betrieblichen Autoritätsbeziehungen lag nicht in einer veränderten Gesinnung der betrieblichen Führungs- und Anordnungsinstanzen begründet, sondern in Veränderungen der Arbeitsorganisation, die im weitesten Sinne mit der Rationalisierung zusammenhingen. Schon am Beispiel von Siemens und IG Farben wurde berichtet, wie technische und organisatorische Zwänge sowohl den Arbeitsrhythmus als auch die Arbeitsdisziplin bestimmten, wie die tradtionelle Meisterwirtschaft abgelöst wurde und wie sich damit die Autoritätsbeziehungen im Betrieb versachlichten. Derselbe Vorgang war, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, im Bergbau zu beobachten. Die unmittelbare Anordnungsmacht des Steigers, der als verlängerter Arm der Zechenleitung absolute Kommandogewalt über seinen Grubenbereich ausgeübt hatte, der die ausschlaggebende Instanz im bergbautypischen Gedingelohnsystem gewesen war, wurde geschwächt. Er verlor seine diktatorische Stellung. Die Annäherung an die Bedingungen der Fabrik setzte anonyme, technische Zwänge und Kontrollmechanismen in Kraft. Ein neuer, moderner Führungsstil konnte sich aber im Bergbau nur sehr schwer durchsetzen. Auch hier, wie auf so vielen anderen Gebieten, hinkte der Bergbau hinter der Entwicklung in anderen Industrien her. Es hing vom persönlichen Charakter des jeweiligen Steigers ab, ob der traditionelle Grubenmilitarismus oder ein moderner Führungsstil praktiziert wurde. 160 Mit gleichsam symbolischem Gehalt verdeutlichte ein kleines Beispiel aus dem Siemens-Konzern, wie nunmehr sachlichen Zwängen die Aufgabe zufiel, Ordnung und Arbeitsdisziplin zu garantieren. Ein neuer Werktisch im Siemens-Schaltwerk ließ sich nur schließen, wenn die Werkzeuge ordnungsgemäß in ihm abgelegt waren. Seit der Einführung des Werktisches war ausnahmslos »mustergültige Ordnung auf den Arbeitsplätzen vorhanden«.161 Zusätzlich hingen an zahlreichen Stellen im Schaltwerk zur Demonstration Bilder aufgeräumter und unordentlicher Arbeitsplätze aus. Das Ordnungsgebot wurde nicht mehr als willkürlicher Akt verfügt, sondern konnte mit den Argumenten größerer Effizienz und besseren Unfallschutzes inhaltlich begründet werden. Ein weiterer Faktor, der die Autoritätsbeziehungen auf eine fast sachliche Ebene hob, war in Akkordund Leistungslohnsystemen zu sehen. Der Anreiz, mehr zu verdienen, schuf einen gleichsam verinnerlichten Leistungsimpuls, einen institutionalisierten Leistungsdruck. Dieses Verfahren, den Arbeiter an höheren Leistungen selbst zu interessieren, konnte, sofern es transparent gestaltet wurde und nicht ständig die sog. ›Akkordschere‹ angesetzt wurde, an die Stelle der ›Antreiberei‹ durch unmittelbare Vorgesetzte treten.162 Die Veränderung des betrieblichen Erlebnisbereichs, der Betriebsatmosphäre, des Betriebstones war ein ungemein langwieriger Prozeß, und es spricht nichts dafür, daß ein moderner, leistungsorientierter Führungsstil die traditionellen, quasi militärischen Autoritätsbeziehungen in der Zwischenkriegszeit völlig abgelöst hatte. Aber entscheidende Fortschritte wa© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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ren besonders in den modernen Industrien erreicht worden. Wenn man neben diese gewandelte Personal- und Führungspolitik im engeren Sinne die innerbetrieblichen Wandlungen, die auf dem Gebiet der Ausbildung und der Sozialpolitik stattfanden, hinzurechnete, ergaben sich Ansätze zu einer verstärkten Integration der Arbeiterschaft in das betriebliche Umfeld. Die Normen und Anforderungen des Betriebes prägten sich tiefer ein. Die Verinnerlichung eben dieser betriebsnotwendigen Normen und der zugrundeliegenden Arbeitsmoral war der eigentliche Kern der hier angesprochenen Integration.163 Der reale Hintergrund der Vorstellungen von einer ›Betriebsgemeinschaft‹ bestand darin, daß die Arbeiter zumindest auf funktionale Weise in den betrieblichen Bereich stärker eingebunden waren. Der grundsätzliche Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit war damit aber nicht aufgehoben. Aus der engeren Einbindung in den Betrieb resultierte vielmehr das gesteigerte Bedürfnis nach betrieblicher Interessenvertretung. Die Aufspaltung des Klassenkonflikts in einen industriellen und einen politischen Bereich wurde dadurch gefördert. Das Bewußtsein vom industriellen Klassenkonflikt war Wurzel eines Gewerkschaftsbewußtseins, das nunmehr auch auf Arbeitergruppen übergriff, denen gewerkschaftliches Handeln zuvor fremd gewesen war. 164 Eine zumindest funktionale Betriebsbindung läßt sich auch den verfügbaren Daten über die Fluktuation der Arbeiterschaft entnehmen. Die hohen Fluktuationsraten der Vorkriegszeit, als die Betriebe vielfach ›Taubenschlägen‹ glichen, waren in den späten zwanziger Jahren nicht mehr anzutreffen. In hohem Maße waren dafür wohl arbeitsmarktspezfische Gründe ausschlaggebend; denn die Arbeitslosigkeit war schon vor der Weltwirtschaftskrise sehr hoch. Als Ergebnis war aber doch eine größere ›Betriebstreue‹ zu verzeichnen.165 f) Entsolidarisierung in der Wirtschaftskrise In der Weltwirtschaftskrise klammerten sich die Beschäftigten notwendigerweise noch mehr an ihren Arbeitsplatz. Freiwillige Kündigungen kamen kaum noch vor und wenn, dann wohl eher, weil den Betreffenden ein freiwilliges Ausscheiden nahegelegt worden war. 166 Eine Aufstellung der Kruppschen Gußstahlfabrik, der die Gründe für das Ausscheiden von Arbeitern zu entnehmen waren, überlieferte eindeutige Fakten (s. Tab. 25). Auf »Wunsch« schieden von einer Belegschaft von ca. 15 000 1931 nurmehr 205 Arbeiter aus. Die Entscheidungsgründe Arbeitsmangel und Arbeitsunfähigkeit - eine Eigenschaft, die nunmehr besonders eng ausgelegt wurde drängten sich in der Krise rapide in den Vordergrund. Kontraktbrüchig wurde nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Arbeiter, auch mit andauernder Krankheit wagten nur noch wenige aufzufallen, das gleiche 158 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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1435 141 38 181 2036 43 18 37 162 48 86

19 101 498 52 10 61 150 37 92

1928 23729

1 404 136

1927 23416

Gußstahlfabrik einschl. Werke in Bremen u. Wuppertal

Quelle: HA Krupp WA 41/6-58.

1

aufWunsch auf Veranlassung des Betriebes wg. Diebstahls, Betrugs od. Unterschlagung Kontraktbruch Arbeitsmangel wg. Beendigung der Lehre od. Praktikantenzeit nach Außenwerken überwiesen zum Besuch von Fachschulen wg. andauernder Krankheit od. weil ungeeignet Arbeitsunfähigkeit gestorben

Art des Ausscheidens

Gesamtarbeiterbelegschaft1

173 139 105

17 17 62

41 114 2131

959 85

1929 24252

118 609 103

58 5 71

33 55 6551

554 108

1930 20810

56 455 65

145 4 55

16 11 4469

205 53

1931 14928

46 266 50

117 11 67

10 9 2469

159 57

1932 12758

60 77 76

47 5 66

23 7 572

264 70

1933 17414

Tab. 25: Gründe für das Ausscheiden von Arbeitern aus der Kruppschen Gußstahlfabrik 1927-1935

83 70 88

30 5 79

24 61 38

547 93

1934 26934

93 56 128

37 4 82

43 92 44

471 142

1935 33 135

Tab. 26: Altersaufbau der Arbeiterbelegschaft in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1929-1937 (in %) jeweils am 1. 10.

1929

1930

1931

1932

1933

1934

1935

1936

1937

14-20 Jahre alt 20-30 " " 30-40 " " 40-50 " " 50-60 " " über 60" "

10,5 22,1 20,5 24,9 19,6 2,4

9,7 17,4 20,9 26,7 22,7 2,6

10,0 12,1 20,8 29,0 26,0 2,1

10,1 11,3 21,1 28,6 26,7 2,25

10,4 18,6 22,5 24,4 21,8 2,3

10,3 26,2 23,8 19,8 17,6 2,3

-

10,9 25,6 26,7 17,5 15,8 3,5

12,3 23,6 27,6 17,3 15,1 4,1

27,2 25,8 18,2 16,1

-

Quelle: HA Krupp WA 41/3-740 a, b: Sozialpolitische Abteilung-Tätigkeitsberichte.

galt für betriebliche Eigentumsdelikte. Die Angst um den Arbeitsplatz wurde zum bestimmenden Verhalten in der Krise. Langgediente und ältere Arbeiter, die zwischen 40 und 60 Jahre alt waren, hatten, wie am Beispiel Krupp zu sehen war, noch die besten Chancen um eine Entlassung herumzukommen (s. dazu Tab. 24 und Tab. 26). Neue Arbeitskräfte wurden bei Krupp in der Krise nur mit dreitägiger Kündigungsfrist befristet eingestellt und zwar abweichend von der Arbeitsordnung. 1930 wurden auf diese Weise 4809 Arbeiter eingestellt, die jedoch fast alle nach kurzer Beschäftigung wieder entlassen wurden. »Nur ein kleiner Teil konnte nach der mit dem Arbeiterrat getroffenen Regelung nach neunmonatiger Beschäftigung in das vierzehntägige Kündigungsverhältnis überführt werden . . .« 167 Eine Gruppe von Arbeitern minderen Rechts, gewissermaßen auf Abruf, wurde dadurch geschaffen. Schon an diesem Beispiel war das zentrale Phänomen des Arbeiterverhaltens in der Krise festzustellen - die Entsolidarisierung. Die Arbeitsbedingungen für einzelne Arbeiter und einzelne Werksteile wichen nun deutlich voneinander ab. Wurden im August 1932 in der Gießerei 2 von Krupp nur 24,7 Stunden pro Woche gearbeitet, so kam die Gießerei 8 in derselben Woche auf 60,57 Stunden.168 Daß daraus unterschiedliche Interessenlagen und auch Spannungen entstanden, war nur zu verständlich. Es gab jedoch auch Betriebe, wie die 2. mechanische Werkstatt, in der sich die Arbeiter weiterhin solidarisch verhielten und die hohe Ausfallzahl des März 1931 (vier Feierschichten wöchentlich) einem weiteren Abbau von Arbeitern vorzogen. Allerdings handelte es sich dabei um einen relativ überschaubaren Betrieb mit homogener Arbeiterstruktur. 86 speziell eingearbeiteten Facharbeitern standen am 30. September 1931 21 Hilfsarbeiter gegenüber, also knapp 20 %. 169 Für den Vorgang der Entsolidarisierung lassen sich aber viel mehr Belege finden. Nur noch der einzelne schien durch Zufall, Wohlverhalten oder langjährige Betriebszugehörigkeit seine Position erhalten zu können. Kollektive Aktionen gefährdeten diese eher. Die Individualisierung des Beschäftigungsverhältnisses läßt sich auch dem Erinnerungsbericht eines 160 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Siemens-Arbeiters aus dem Nürnberger Werk entnehmen: »Da habn mir alle Freitag zittert, ob mir net auch dabei sind. Weil alle Freitag hat's geheißen . . . vor ins Personalbüro. Und da is einem gesagt worden: ›Wir müssen Sie leider entlassen, geht net anders. ‹ . . . Von Woche zu Woche hat mer immer a weng zittert, ob mer net aa dabei war.« 1 7 0 In der Krise häuften sich bei Krupp Briefe, die Arbeiter anonym an die Krupp-Betriebsleitung schickten und in denen andere Arbeiter denunziert wurden. Sogar Hinweise wurden gegeben, in welchen Werken zu wenige Arbeiter entlassen worden seien. Manch einer ging von dem unerfreulichen Motiv aus, daß, wenn er schon entlassen sei, andere dies noch viel mehr verdienten. Einige besonders typische Beispiele seien nachstehend zitiert: Folgendes Schreiben vom 5. Juni 1931 ging der Abteilung Kesselanlagen zu. »Kesselanlagen. Mit der Bitte um Kenntnisnahme. In den Kesselanlagen beschäftigen Sie einen Arbeiter namens Georg R. Selbiger arbeitet auf Wechselschicht. Scheinbar verdient der sein Geld mit Schlafen; denn nach der Nachtschicht ist der Mann den ganzen Tag ununterbrochen in seinem Garten arbeiten. Meiner Meinung nach hält ein älterer Mann welcher Nachts tüchtig arbeiten muß das auf die Dauer nicht voll. Es ist an der Zeit, das dort einmal aufgeräumt wird denn es sind jüngere Leute auf die Straße gekommen, welche ihre Pflicht der Firma gegenüber ganz und gar erfüllt haben. Herr R. versteht sich sicherlich sehr gut mit seinem Meister, denn das Schmusen steht im sehr gut. In dem seinem Alter ist es auch an der Zeit sich im Ruhestand zu setzen, denn es gibt sehr viele jüngere Familienväter die kein Einkommen haben während R. noch drei Kinder am verdienen hat.« Eine »Mutter die es betrifft« schrieb am 5. April 1931 an das Krupp-Direktorium: »Erlaube mir folgendes zu unterbreiten im Betrieb Eisenbahn scheint es mit den Kündigungen nicht zu stimmen es werden Väter genommen wo Töchter und Söhne arbeitslos. Aber Rücksicht nimmt Herr J . auf Leute wo Söhne und Töchter in hohem Verdienst sind und die können bleiben zum Beisp. ein Weichensteller G., Sohn Stadtsekretär Gehalt 250 Mark eine Tochter in einem hies. Kaufhaus 110 Mark alle beide zu Hause der Vater noch bei seinem Sohn . . . (unleserlich, W. Z.) ›Doppelverdiener‹ wo bleibt da die Gerechtigkeit, die Firma bitte ich recht vor recht walten zu lassen den in diesem Fall könnte ein Familienvater ein alleiniger Verdiener durch diesen Fall vor Elend und Not gerettet werden. «171 Es war bezeichnend für die Betriebsatmosphäre während der Krise, daß die Firma diesem Hinweis nachging. G., so wurde in Erfahrung gebracht, gehörte zu den wichtigsten Weichenwärtern, deshalb wurde ihm abweichend nicht gekündigt, außerdem könne seine Tochter ohnehin bald mit ihrer Kündigung rechnen. Erstaunlich viele Briefe denunzierten gewerkschaftlich aktive Arbeiter und beklagten, daß nationalgesinnte Arbeiter nicht bevorzugt behandelt würden. Ein Schreiber vom August 1931, der sich zu erkennen gab, als »Ein abgebauter Arbeiter, weil er national gesonnen und Mitglied des Kriegervereins war, mußte er aufs Pflaster« nutzte seinen Brief zu einer Generalabrechnung an »Gewerkschaftsbonzen und Parteiklüngels«: 161 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

»Erlaube mir der Firma ein Fingerzeigen zu geben über das ganze Betriebsräte Sistem, da man im letzten Jahre genug gesehen und gehört hat. Nimmt man z. Β. Kündigung. Immer Leute die in keiner Gewerkschaft noch Partei waren mußten immer am ersten raus . . . Wenn die Firma sich wieder freie Bahn machen wolle wird sie wohl müssen das ganze Werk stillsetzen und dann andere gesinnte Leute reinholen die auch Intrese am Wirtschaftsleben, und an Deutschland Gedeih und Gröse (haben), natürlich Partei Lumpen haben das nicht. Es sind eine ganze Anzahl Leute, die bei der Firma nichts tun die im Arbeiter- und Betriebsrat sitzen, nur Politik betreiben, dafür werden sie gut bezahlt, bleiben in Arbeit und gute Arbeiter fliegen raus. Hoffentlich kommt die Firma bald zur Einsicht und zeigt diesen Gesellen die Tore, denn anders wird die Firma die Geister nicht los denn das kann kein Unternehmer ertragen oder vertragen, darum raus mit den Partei und Gewerkschaftsbonzen, hier ist die Feier zu Ende. Mann möchte sich freuen, wenn diesen Gesellen mal das Handwerk gelegt würde.«172 Den Verfechtern der Betriebsgemeinschaftsideologie arbeitete die Angst um den Arbeitsplatz in die Hände. Diese Angst übte einen disziplinierenden Zwang auf die Beschäftigten aus und förderte ihre persönliche Unterordnung unter die betriebliche Herrschaft. Nicht von ungefähr stieg in der Krise die Arbeitsleistung pro Beschäftigten an, sanken die Krankheitsziffern. Die drohende Arbeitslosigkeit band die Beschäftigten noch stärker an den Betrieb, von dessen Ertragslage auch ihre wirtschaftliche Existenz abhing. Der Syndikus des DMV, Ernst Fraenkel, hatte recht, wenn er 1931 darauf hinwies, daß die Betriebsebene infolge der Massenarbeitslosigkeit für die Arbeiter neue und zentrale Bedeutung erlangt habe: »Die Belegschaft ist in Zeiten . . . in denen die Arbeitslosigkeit kein vorübergehendes Übel, sondern eine Strukturerscheinung der Wirtschaft ist, an den Betrieb gebunden. Darum ist das Schicksal des Unternehmens das Schicksal der Belegschaft sehr viel mehr, wie es das Schicksal des Unternehmers ist.« 173 Die Beschäftigten zogen jedoch aus der krisenbedingten Betriebsbindung keineswegs den Schluß, den Fraenkel angedeutet hatte, nämlich vermehrte volkswirtschaftliche Kontrolle des Betriebes durch die Arbeiterschaft und ihre Organe, sondern sie verfolgten vielfach betriebsegoistische Ziele, die sich mit den Interessen der Unternehmensleitungen deckten. Nicht nur daß sie den Entscheidungen der Arbeitgeber in Hinsicht auf Beschäftigungsund Verdienstmöglichkeiten restlos ausgeliefert waren, sie erklärten sich häufig auch freiwillig dazu bereit, einen Beitrag zur Erhaltung des Betriebes zu leisten. Im Stickstoffwerk Piesteritz, einem Chemiewerk, das ähnlich Leuna zu Beginn der zwanziger Jahre ein Schauplatz erbitterter Arbeitskämpfe gewesen war, stimmte 1930 die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten in geheimer Wahl für eine Arbeitszeitverkürzung (40-Stunden-Woche) ohne Lohnausgleich. Der Forderung nach Lohnausgleich unter Anwendung des Streiks konnten sich nur wenige anschließen, da dies die Stillegung des Werkes auf längere Zeit bedeutet hätte.174 162 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Einen deutlichen Hinweis, daß das Ziel, Erhaltung des Arbeitsplatzes, absoluten Vorrang genoß, gaben drei Fälle. Ihr besonderer, auch in der Öffentlichkeit ausgiebig diskutierter Symbolgehalt bestand darin, daß Arbeiter und z. Τ. Betriebsräte sich offen gegen den gewerkschaftlichen Interessenstandpunkt aussprachen und individuelle Abmachungen mit den jeweiligen Betriebsleitungen zu erreichen trachteten, die auf eine Preisgabe des Tarifvertrages hinausliefen. Das Stahlwerk Becker in Willich bei Krefeld, in einem ländlichen Gebiet gelegen, sollte 1930 stillgelegt werden, damit die Stahlproduzenten an der Ruhr die ihm zustehenden Quoten im Rahmen der Kartellvereinbarung übernehmen konnten. Die Erhaltung des Werkes wurde schließlich nur dadurch gesichert, daß sich die Mehrheit der Belegschaft bereit erklärte, einen ca. 15%igen Lohnabbau hinzunehmen. Diesem Vorschlag hatten der Christliche Metallarbeiter-Verband, die christlichen Betriebsräte und fünf von sieben freigewerkschaftlichen Betriebsräten zugestimmt - diese gegen den Widerstand ihres Verbandes.175 Der Fall der Hütte Ruhrort-Meiderich, die zur Vestag gehörte, ein Jahr später, fand einen anderen Ausgang. Um die Stillegung der Hütte zu verhindern, machte der Duisburger Oberbürgermeister Jarres den Vorschlag, die Löhne um 20 % zu senken. Die freien Gewerkschaften und mit ihnen — in geheimer Abstimmung - zwei Drittel der Beschäftigten sprachen sich mit dem Argument der Unabdingbarkeit des Tarifvertrages gegen diesen Vorschlag aus. Eine zweite, von Jarres initiierte briefliche Abstimmung, bei der auch 2000 ehemalige, inzwischen arbeitslose Werksangehörige einbezogen wurden, erbrachte eine knappe Mehrheit für die Lohnsenkung. Dieses Ergebnis, zumal es unter Einbeziehung von Arbeitslosen zustande gekommen war, veränderte die Haltung der Gewerkschaft nicht, da diese berechtigterweise fürchtete, damit das Signal für einen generellen Sturm auf den Tarifvertrag zu geben. Der durch Lohnsenkung erreichte Ökonomische Standortvorteil wäre außerdem nur auf Kosten der benachbarten Hütten gegangen, hätte mithin die Verlagerung des Stillegungsrisikos von einem Betrieb auf den anderen bedeutet. Da die freien Gewerkschaften dem Lohnverzicht nicht zustimmten, wurde die Hütte für wenige Monate stillgelegt, nahm aber im Mai 1931 mit erheblich reduzierter Belegschaft den Betrieb wieder auf.176 Der dritte Fall bestand aus einem ernsthaften Konflikt zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten, zu dem es zu Beginn des Jahres 1932 in der Zeche Caroline in Holzwickede kam, einer ohnehin benachteiligten südlichen Randzeche. Auf einer Belegschaftsversammlung im Februar machte ein ›christliches‹ Betriebsratsmitglied den Vorschlag, die Belegschaft solle einen 25%igen Lohnabbau auf sich nehmen, wenn damit tatsächlich die Schließung der Zeche verhindert werden könne. Bei einer Abstimmung zwei Tage später sprach sich eine Mehrheit von 65,69% für diesen Vorschlag aus. Der Arbeiterrat lehnte den Lohnabbau jedoch mit knapper 163 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Mehrheit ab, unterbreitete im März aber das Gegenangebot, drei Schichten jeden Monat ohne Entgelt zu verfahren. Die Zechenleitung ging darauf ein. Die beiden Bergarbeiterverbände, der freigewerkschaftliche und der christliche, wollten aber bei diesem freiwilligen Lohnverzicht nicht mitmachen, und sie wandten sich in einem gemeinsamen Flugblatt an die Caroline-Bergleute: »Kameraden! bedenkt, daß man euch mißbrauchen will! Lehnt alle Anforderungen, euch mit einer Lohnsenkung einverstanden zu erklären, ab! Übt Solidarität! Denkt an eure Arbeitsbrüder und deren Familien!« Doch dieser Appell nutzte nichts. Knapp zwei Drittel der Belegschaft nahmen die Arbeit zu den neuen Bedingungen auf, darunter auch acht von zehn Mitgliedern des Arbeiterrats. Militante Aktionen der Kommunisten, die bis zu gewalttätigen Übergriffen auf Arbeitswillige reichten, konnten nicht verhindern, daß die Zahl der einfahrenden Kumpel weiter zunahm. Auch die Gewerkschaften ließen nicht locker und versuchten, die Caroline-Betriebsvereinbarung durch den Antrag, den geltenden Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, zu Fall zu bringen. Der Betriebsrat der Zeche legte dagegen jedoch Widerspruch ein und hatte damit beim Reichsarbeitsministerium Erfolg. Die Betriebsautonomie hatte über die Verbandsdisziplin den Sieg davongetragen.177 Dem Krisenphänomen Entsolidarisierung, sowohl unter den Beschäftigten als auch zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen,178 war eine weitere Variante hinzugefügt worden, die zwischen Zechenbelegschaft bzw. Betriebsrat und Gewerkschaften auf der anderen Seite. Der Hinweis auf die prinzipielle Bedeutung des Tarifvertrages für alle Ruhrarbeiter hatte die Kumpel auf Caroline nicht zu einer betriebsübergreifenden Klassensolidarität veranlassen können. Die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes wog schwerer. Das Verhalten der Bergleute in Holzwickede kam den unternehmerischen Vorstellungen einer ›Werksgemeinschaft‹ recht nahe. Doch wäre es zynisch, aus diesem Fall auf eine Harmonie zwischen Kapital und Arbeit zu schließen. Nur die Angst vor Arbeitslosigkeit und existentieller Not hatte die Bergleute zu diesem Schritt gezwungen. Die Arbeitslosigkeit in dieser Region war bereits sehr hoch. Kurz zuvor war die Belegschaft schon von 800 auf ca. 500 Mann reduziert worden. Die Caroline-Bergleute »waren bodenständige Leute, die zum größten Teile ein eigenes Haus mit etwas Garten« hatten, konnten deshalb einen Lohnabzug durch eigene Lebensmittelversorgung mildern. Eine »Einheitsliste zur Erhaltung des Betriebes« aus freien und christlichen Gewerkschaften hatte 1931 alle Sitze im Betriebsrat errungen.179 Es waren durchaus eigene Gründe - und nicht die Idee der ›Werksgemeinschaft‹ -, von denen die Bergleute geleitet wurden. Das Festhalten der Gewerkschaften am Prinzip des Tarifvertrages hatte es aus der Sicht der Betroffenen nicht vermocht, die massiven Lohnsenkungen in der Krise zu verhindern. Die gewerkschaftliche Defensivposition konnte damit keine Lösungsperspektive bieten. Mangels anderer Alternati164 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ven waren deshalb die Belegschaften vielfach isoliert und auf den Betrieb angewiesen, wenn sie der Arbeitslosigkeit entgehen wollten. Der damalige Linkssozialist Paul Sering, d. i. Richard Löwenthal, nannte die Konsequenzen, die aus dem betriebsautonomen Verhalten der Arbeiter erwuchsen: »Das gemeinsame Interesse (von Bourgeoisie und Proletariat - W. Z.) an der Aufrechterhaltung des Betriebes wirkt hier als reale Schranke der Entfaltung des Klassenkampfes und als die proletarische Klasseneinheit erschwerende Konkurrenztendenz. «180 Die Fixierung auf den Betrieb, der nachdrücklich unterstrichene Vorrang des Arbeitsplatzes, wirkte kollektiven Ansätzen zur Interessenwahrnehmung entgegen. Der Betrieb gab den Rahmen vor, innerhalb dessen sich die Interessen der Belegschaft konkretisieren konnten. Dabei befand sich die Betriebsleitung in der stärkeren Position. Die ›Betriebsgemeinschaft‹, die schwerindustrielle Stimmen mit der Caroline-Vereinbarung verwirklicht sahen, war eine ausgeprägte Zwangsgemeinschaft. g) NS-›Betriebsgemeinschaft‹: Mythos oder Realität Das durch die Krise verstärkte Grundbedürfnis nach Sicherung des Arbeitsplatzes war der zentrale Faktor, den der Nationalsozialismus zur Gewinnung der Arbeiterschaft für sich nutzen konnte. Die ›DeutschlandBerichte‹ der Exil-SPD urteilten im Juni 1935: »Die Krise ist nicht ohne Einfluß auf die Einstellung des Arbeiters zum Arbeitsverhältnis geblieben. Vor der Krise interessierte den Arbeiter am Arbeitsverhältnis in erster Linie der Lohn. Im Verlaufe der Krise aber änderte sich das allmählich. Immer weitere Schichten von Arbeitslosen und Betriebsarbeitern wurden von der Vorstellung erfaßt, daß das wichtigste sei, überhaupt Arbeit zu haben. Das Interesse an hohen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen wurde von der Sorge um den Arbeitsplatz zurückgedrängt. Die Nationalsozialisten haben sich diese Umstellung im Denken der Arbeiterschaft zunutze gemacht.«181 Die Erfahrung der Krise und der Vorrang der Arbeitsplatzsicherheit prägten während des ›Dritten Reiches‹ das Verhalten der Arbeiterschaft. Das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« (AOG), das am 20. Januar 1934 erlassen wurde, machte die ›Betriebsgemeinschaft‹ zum Kern des neuen sozialpolitischen Grundgesetzes. Es zielte auf die Schicksalsverbundenheit aller im Betrieb Tätigen. An der Spitze dieser »Vertrauensgemeinschaft« stand der Unternehmer als »Betriebsführer«. Die Beschäftigten als »Gefolgschaft« hatten ihm Treue und Gehorsam zu leisten. Dem Betriebsführer war die Sorge für das Wohl seiner »Gefolgschaftsmitglieder« übertragen. Er hatte das Recht zur Entscheidung in allen betrieblichen Angelegenheiten, besaß eine nahezu unbeschränkte innerbetriebliche Herrschaftsgewalt über die Arbeiter. Richtschnur seiner Entscheidungen, 165 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und darin kam seine unumschränkte wirtschaftliche Verfügungsmacht zum Ausdruck, waren die besonderen Verhältnisse des Betriebes, der nicht näher präzisierte »Betriebszweck«. In deutschtümelnden Phrasen wurde der Betriebsführer an die »sittlichen« Pflichten des Eigentums erinnert, sowohl im Interesse der Allgemeinheit, der »Volksgemeinschaft«, als auch in der Fürsorge für die Gefolgschaft. Im Gegensatz zu den wirtschaftlichen Zielsetzungen des Gesetzes, die klar und unmißverständlich sich aufgrund des Weisungsrechts der Arbeitgeber im Einzelfall konkretisieren konnten, blieb die Schutz- und Fürsorgefunktion eher ein unverbindlicher, moralischer Appell und von seiten der Arbeiter kaum einklagbar. Die Treuepflicht der Gefolgschaft begründete sich nicht nur darin, daß der Arbeiter gegen Entgelt seine Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung stellte, sondern ergab sich aus dem umfassenden persönlichen Unterordnungsverhältnis unter den Betriebsführer. Goetz Briefs sah darin 1934 beschönigend nur die »Anerkennung der Zwangsläufigkeit der Betriebsdisziplin . . . Daß die Arbeiterschaft ›Gefolgschaft‹ ist, bedeutet zunächst ihre seelische Einschaltung in den Betrieb, der ihr jetzt nicht mehr etwas Fremdes oder gar Feindliches, sondern ihr Betrieb sein soll, demgegenüber sie bewußt bestimmte Pflichten zu übernehmen hat«. 182 Daß diese Pflichten aber im Gegensatz zu der unternehmerischen Fürsorgepflicht viel schwerer wogen, war der Bestimmung zu entnehmen, daß jeder Betriebsführer für seinen Betrieb gesonderte Betriebsordnungen zu erlassen hatte, in denen die Arbeitsbedingungen betriebsintern genau gefaßt sein sollten. Im Betrieb sollten demnach auch Fragen der individuellen Entlohnung, der Arbeitszeit und dergleichen entschieden werden. Als Lohnmaßstab galt die Fürsorgepflicht des Unternehmers. Das Arbeitsverhältnis war seines vertraglichen Charakters entkleidet. Die per Gesetz verordnete friedliche ›Arbeits- und Betriebsgemeinschaft‹ sollte dazu dienen, betriebliche Konflikte zu überspielen und nicht manifest werden zu lassen. Daß es solche gab, wurde nicht in Abrede gestellt. Um so mehr mußte eine streng hierarchische, nach dem Führerprinzip aufgebaute betriebliche Herrschaftsstruktur die Gewähr dafür bieten, daß die Konflikte sich nicht in den Vordergrund spielten und ein Ausmaß erreichten, das sowohl das Erscheinungsbild der harmonisch ausgleichenden ›Betriebsgemeinschaft‹ als auch den eigentlichen Betriebszweck beeinträchtigt hätte. Nur als Zwangsgemeinschaft - insoweit waren die Nationalsozialisten durchaus realistisch - konnte die ›Betriebsgemeinschaft‹ funktionieren. Zusätzlich war für den Fall, daß die vom Gesetz angestrebte Harmonie zwischen Führer und Gefolgschaft sich nicht herstellen ließ, ein Ventil eingebaut, über das soziale Spannungen kanalisiert werden sollten. Der Vertrauensrat hatte die Aufgabe, den Arbeitsfrieden zu sichern. Auch wenn er ganz dem Betriebsführer untergeordnet war, der ihm auch vorstand, konnte er grundsätzlich interne Streitfälle nach außen tragen und die 166 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

staatlichen Treuhänder der Arbeit einschalten. Verstieß ein Betriebsführer »böswillig« gegen seine »sozialen Pflichten«, konnten Soziale Ehrengerichte angerufen werden, denen das Recht zustand, Strafen zu verhängen. Doch auch hier waren die Gewichte ungleich verteilt. Arbeiter, die den Arbeitsfrieden oder den Gemeinschaftsgeist störten, und Vertrauensmänner, die sich »unzulässige Eingriffe in die Betriebsführung« anmaßten, waren der Sozialen Ehrengerichtsbarkeit in viel weiterem Maße ausgesetzt. Der Deutschen Arbeitsfront waren im AOG keinerlei Eingriffsmöglichkeiten auf die ›Betriebsgemeinschaft‹ zugesprochen.183 Das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« konnte sich in mehrfacher Hinsicht auf einen Grundkonsens zwischen Nationalsozialismus und konservativer Industrie berufen. Konsens bestand in der Stärkung der Stellung des Arbeitgebers, der Zurückdrängung klassenkämpferischer Einstellungen auf seiten der Arbeiterschaft, in der Vorstellung von einer wirtschaftsfriedlich geprägten Klassenharmonie zwischen Kapital und Arbeit, in der Notwendigkeit zur Individualisierung der Arbeitsbeziehungen und -bedingungen und schließlich in der Überzeugung, daß der störungsfreie Ablauf der Produktion und damit das Gelingen des nationalsozialistischen Wirtschaftsprogramms nur auf der Basis eines durch Zwang hergestellten Arbeitsfriedens möglich sei.184 Tim Mason hat herausgearbeitet, daß das AOG »moderne« und »archaische« Elemente vereinte. Der von altdeutsch feudaler Begrifflichkeit durchsetzten Führer- und Gemeinschaftskonzeption entsprachen auf der anderen Seite nüchterne industriewirtschaftliche Ziele: »Wie in den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft erst recht deutlich wurde, standen hinter einem zunächst archaisch anmutenden Vokabular oft durchaus moderne Konzepte, die in einer neuen und zukunftsträchtigen Manipulationstechnik ihre nur allzu reale Grundlage besaßen. . . . Die praktische Durchführung betriebsgebundener sozialpolitischer Maßnahmen (bildete) einen nüchternen, zweckrationalen und somit zwingenden Ansatz, um in der Epoche der krisenbedingten Rationalisierung die Rentabilität der Industrie zu erhöhen und die Militanz der Arbeiterbewegung zu zähmen.«185 Eine grundsätzliche Abkehr von den neuen Managementstrategien, die anhand der vier Betriebe und Branchen bereits beschrieben wurden, bedeutete das AOG nicht. Den Einsatz der Mittel, die auf die Beeinflussung der Arbeiterschaft, ihrer Leistungsmotivation und ihre zumindest faktische Betriebsbindung zielten, nämlich betriebliche Sozialpolitik, produktionsorientierte Ausbildung, Leistungsanreize und -zwänge und die arbeitswissenschaftlich und personalpolitisch begründete Beachtung des ›menschlichen Faktors‹, ermöglichte das AOG in einem gleichsam störungsfreien Raum. Es beseitigte die Hindernisse, die sich aus der Sicht der Unternehmer ihrer industriellen Modernisierung in den Weg gestellt hatten. Nicht von ungefähr nahm der Begriff des »Betriebszwecks« im AOG 167 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zentrale Bedeutung ein. Er bezeichnete technische und wirtschaftliche Effizienz. Diesem Ziel hatten sich die Beschäftigten absolut unterzuordnen. Auf dieses Ziel liefen auch die romantisierend umschriebenen sozialen und moralischen Pflichten des Betriebsführers hinaus. Die ›Betriebsgemeinschaft‹ war auf die produktionsbedingten Sachzwänge hin ausgerichtet und band ihre Mitglieder an die vorgegebenen Erfordernisse des Betriebes. »Die ›Betriebsgemeinschaft‹ erhob damit auf der Ebene der am Produktionsprozeß Beteiligten zur Rechtspflicht, was der ›Sachzwang‹ der Ökonomie erforderte.«186 Auch wenn die Festsetzung der Arbeitsbedingungen den Betriebsordnungen vorbehalten blieb, bestimmte das AOG in § 29 entgegen den sonstigen Gemeinschaftsbekundungen eindeutig und unmißverständlich, daß die Löhne sich am Leistungsprinzip auszurichten hatten. Es waren »Mindestsätze mit der Maßgabe aufzunehmen, daß für die seinen Leistungen entsprechende Vergütung des einzelnen Betriebsangehörigen Raum bleibt«. 187 Die wirtschaftlichen Sachzwänge bestimmten die betriebliche Wirklichkeit des ›Dritten Reiches‹ in hohem Maße. Die bestehenden Ansätze zur innerbetrieblichen Rationalisierung und produktionstechnischen Modernisierung aus den zwanziger Jahren wurden weiterverfolgt. Ab 1935/36 war schließlich ein regelrechter Rationalisierungsschub auszumachen, der alle verarbeitenden Industrien erfaßte und besonders in den rüstungswichtigen Bereichen zu einer breit angelegten Modernisierung der Fertigung führte.188 Proteste gegen die Rationalisierungsmaßnahmen, die noch in der ersten Phase der NS-Herrschaft aus Kreisen der Partei, der NSBO und aus einzelnen Betrieben laut geworden waren, verstummten angesichts des raschen Abbaus der Massenarbeitslosigkeit.189 Unter dem Primat der Rüstung hieß die Devise industrieller Fortschritt. Der ›Vierjahresplan‹ erhob schließlich die Rationalisierung zur Wirtschaftspflicht.190 Die Betriebe rationalisierten und modernisierten. Sie paßten das Arbeitskräfte- und Qualifikationspotential den Produktionserfordernissen an. Sie zahlten Leistungs- und Bindungslöhne, wenn man die sozialen Zulagen und besonderen Zuwendungen so bezeichnen will. Die betrieblichen Sozialleistungen wurden ausgebaut, und sie erhielten eine wichtige Funktion im Rahmen des materiellen Interessenausgleichs und der sozialen Befriedung. Der ›soziale Friede‹ war zudem eine produktionspolitisch zentrale Bedingung des nationalsozialistischen Wirtschafts- und Rüstungskonzepts. Die Prinzipien moderner Personalführung im betrieblich-technischen Bereich, die in den zwanziger Jahren besonders in den modernen Industrien aufgegriffen worden waren, wurden ebendort weitergeführt. Hier wirkten sowohl die Versachlichung durch technische Abläufe und funktionale Betriebszwänge - der Rationalisierungsprozeß lief weiter - als auch die im AOG angesprochenen ›moralischen‹ Führereigenschaften zusammen. Doch begnügte sich die industrielle Führungsschicht nicht mit der Überzeugungskraft der ökonomisch-technischen Effizienz und materiellen 168 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und sozialen Verlockungen. Als ›Herr im Haus‹, als Inhaber der alleinigen betrieblichen Herrschafts- und Verfügungsmacht konnte diese Schicht zudem noch auf das Mittel von Sanktionen zurückgreifen, hinter denen gewissermaßen als letzte Drohung die staatliche Repression, der offene Terror standen. Arbeiterpolitik im ›Dritten Reich‹ gestaltete sich so im Zusammenspiel von betrieblichen und staatlichen Herrschaftsträgern, denen ein breites, abgestuftes Instrumentarium zur Verfügung stand: Integration und Entsolidarisierung, Verlockung und Isolation, Sachzwänge und Repression. Die ›Betriebsgemeinschaft‹ war also eine Zwangsgemeinschaft mit primär wirtschaftlichen Zielsetzungen, deren ausgeprägter Herrschaftscharakter durch nebulös klingende Begriffe verbrämt war. Die ideologische Umarmung der Beschäftigten im Sinne des NS-Gemeinschaftsideals gab der industriellen Herrschaft aber eine über die ökonomische Begründung hinausreichende nationale Sinndeutung. Nur wenige Tage nach Erlaß des AOG hatte sich Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, anläßlich einer Rede vor der Krupp-Hauptversammlung, bereits mit den neuen Sprachregelungen angefreundet. Verblüffend, wie der durch und durch wilhelminisch geprägte, monarchistisch gesinnte Großindustrielle, der noch im Oktober 1932 es abgelehnt hatte, dem Führer der NSDAP zu begegnen, und der eine durchweg nüchterne Persönlichkeit war, nun völlig neue Zeiten anbrechen sah: »Der Nationalsozialismus hat den deutschen Arbeiter aus den Klauen einer Doktrin befreit, die im Grunde ebenso arbeiterfeindlich wie unternehmerfeindlich war. Adolf Hitler hat den Arbeiter seinem Volkstum zurückgegeben, er hat ihn zu einem disziplinierten Soldaten der Arbeit und damit zu unserem Kameraden gemacht. Wenn auf der anderen Seite der neue Staat dem Unternehmer die Rolle des Führers im Wirtschafts- und Arbeitsprozeß zuspricht, so wissen wir: Führertum verpflichtet! Der Unternehmer und seine leitenden Beamten sind die Treuhänder der materiellen Wohlfahrt unseres Volkes. Sie sollen auch die Vorkämpfer der eben gekennzeichneten Wirtschaftsgesinnung sein; sie sollen im besonderen im Arbeiter den deutschen Menschen ihres Blutes, ihren Mitarbeiter sehen und ihn als solchen achten.«191 Die heile Welt der ›Betriebsgemeinschaft‹, die Gustav Krupp von Bohlen und Halbach hier beschwor, stellte sich aber in Wirklichkeit doch wohl anders dar. Die Betriebsatmosphäre gerade in der Schwerindustrie war immer noch autoritär und von militärischer Barschheit. Bereits im Sommer 1933 hatte das Krupp-Direktorium »die Herren Betriebsführer und Vorsteher«, die meinten, den ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt nun auch für sich beanspruchen zu können, ermahnen müssen, »sich im Verkehr mit Untergebenen . . . stets einer korrekten, den guten Ton nicht verletzenden Umgangsform zu bedienen«. Anlaß für diese Mahnung boten »unliebsame Vorkommnisse« auf der Gußstahlfabrik. Im »Interesse des gedeihlichen Zusammenarbeitens mit den Belegschaftsmitgliedern und deren Vertretern 169 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und zur Sicherung des Arbeitsfriedens« sah sich das Direktorium zu diesem Schritt gezwungen.192 Dieser Vorgang bewies allerdings, daß auch der nur propagandistische Gebrauch der Formel von der ›Betriebsgemeinschaft‹ eine eigene Dynamik in Gang zu setzen vermochte. Die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit konnte nicht mehr gänzlich ignoriert werden. Im Bergbau war ein moderner Führungsstil in den dreißiger Jahren höchstens in Einzelfällen anzutreffen. Rüder Befehlston und autoritäres Verhalten der Vorgesetzten waren an der Tagesordnung. Die DAF, Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau, klagte 1936 in einem Schreiben, daß »die Behandlung der Gefolgschaftsmitglieder im Bergbau auf allen Schachtanlagen noch nicht so ist, wie sie im Interesse einer vorbildlichen Betriebsgemeinschaft zu fordern ist«. 193 Das schlechte Betriebsklima im Bergbau, nicht zuletzt bedingt durch die ungünstige Wirtschafts- und Einkommenslage, führte zu ständigen Interventionen der DAF. Meßbare Erfolge waren jedoch selten. Die Belegschaften mußten schon zu streikähnlichen Aktionen greifen, um ihrem Protest gegen das Arbeitsklima wirksam Ausdruck zu geben, wie einem Vorfall bei der Niederrheinischen Bergwerks-AG in Neukirchen um die Jahreswende 1935/36 zu entnehmen war. Dort hatte der Betriebsführer D. den Schlepper W. »beschimpft und gestoßen«. Da das Verhalten des Betriebsführers schon häufiger Anlaß zur Klage geboten habe, waren die einzelnen Schichten in den folgenden Tagen nur durch Vermittlung des DAF-Kreiswalters in Moers mit Verspätung zur Anfahrt zu bewegen. Aufgrund der anhaltenden Unruhe fand eine Vertrauensratssitzung statt, im Beisein des DAFGauwalters Essen, Johlitz, des stellvertretenden Treuhänders der Arbeit, von Gestapo- und SS-Führern, um die Ruhe wieder herzustellen. Johlitz, vormals Kraftfahrer in der Kruppschen Kraftwagenhalle, redete in einer tags darauf anberaumten Gefolgschaftsversammlung den Anwesenden ins Gewissen: »Wenn wir einen jener Menschen, die mit absoluter Böswilligkeit gegen dieses Gesetz verstoßen und somit gegen einen Arbeitskameraden sich vergehen, bestrafen wollen, dann müssen wir in jedem Fall absolute Ruhe, Entschlossenheit und Disziplin bewahren. . . . Ich verlange aber eins, daß ihr mir den Zeitpunkt für das Durchgreifen in einzelnen Fällen persönlich überlaßt. Denn sonst fallt ihr mir in den Rücken. . . . Dann schlage ich um mich. . . . Es wird schon was unternommen, aber nicht eher, bis der Krug zerbrochen ist. Dann aber auch rücksichtslos und wenn dabei auch eine Existenz zugrunde geht, dafür aber Tausende den Arbeitsfrieden haben.«194 Die Situation wurde als so konfliktträchtig eingestuft, daß schon die regionale NS-Prominenz anreisen mußte, um die Wogen zu glätten und die Arbeitsdisziplin wieder herzustellen. Der Betriebsführer D. wurde anschließend von dem Sozialen Ehrengericht zu einer Geldstrafe von 415 RM verurteilt, das Urteil in einer Belegschaftsversammlung bekanntgegeben. 170 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Solche Konsequenzen ergaben sich aber nur in Einzelfällen. Sie zeigten exemplarisch auf, daß von einer harmonischen ›Betriebsgemeinschaft‹ keine Rede sein konnte. Klagen über die schlechte Behandlung durch Vorgesetzte waren im Bergbau ein immer wiederkehrendes Problem.195 Die Betriebsordnungen, die nach dem AOG für den einzelnen Betrieb erlassen werden mußten, wobei der Vertrauensrat zwar angehört werden konnte, der Betriebsführer jedoch entschied, waren rigoroser abgefaßt als die alten Arbeitsordnungen. Sie hatten Ordnung und Disziplin im Betrieb zu sichern. Schon im AOG waren Bußen bei Verstößen gegen die Betriebsdisziplin bis zu einem vollen Tagesverdienst bestimmt worden. In den Betriebsordnungen machten die Unternehmen ausgiebig Gebrauch von dem ihnen zustehenden Disziplinierungsinstrument, und sie verhängten sogar Bußen bei nicht »einwandfreiem Benehmen« gegenüber Vorgesetzten oder bei unbefriedigender Arbeitsleistung. Aus den Reihen der DAF waren deshalb kritische Stimmen zu vernehmen: »Was man in dieser Hinsicht manchmal zu lesen bekommt, legt einem die Frage nahe, ob diese Betriebe nicht etwa Tummelplatz wildgewordener Gesellen und losgelassener Verbrecher sind, und nicht Betriebe, in denen deutsche Arbeiter ihre Pflicht tun.« 196 Des weiteren hatte das AOG das Kündigungsschutzrecht derart gelokkert, daß künftig politisch motivierte und diskriminierende Kündigungen auf legalem Wege möglich waren. Daß nach §36 AOG die Anrufung der Sozialen Ehrengerichte möglich war, wenn Arbeiter »den Arbeitsfrieden im Betrieb durch böswillige Verhetzung der Gefolgschaft« gefährdeten oder sonst den »Gemeinschaftsgeist innerhalb der Betriebsgemeinschaft böswillig« störten oder wenn Vertrauensmänner sich »unzulässige Eingriffe« erlaubten, hatte für die betriebliche Realität wenig Bedeutung, da einschlägige Bestimmungen bereits in die Betriebsordnungen aufgenommen wurden - mit entsprechenden Strafandrohungen - und Gestapo und Strafjustiz in politisch motivierten Fällen sofort einschritten.197 Ein Beispiel für eine von solch nationalsozialistischem ›Geist‹ völlig erfüllte Betriebsordnung bildete diejenige der Concordia Bergbau AG, Oberhausen. Dem § 1, der die betrieblichen Machtverhältnisse im Sinne und in der Diktion des AOG klarstellte, folgte in §2 die Bestimmung, daß grundsätzlich nur solche Volksgenossen in die ›Betriebsgemeinschaft‹ aufgenommen werden sollten, die »vom nationalsozialistischen Standpunkt aus als zuverlässig« erschienen. Bei Disziplinverstößen war ein abgestuftes System von Sanktionen vorgesehen. Es reichte von mündlichen Verwarnungen über Bußen und öffentliche Verweise durch Aushang bis hin zum zeitweisen oder endgültigen Ausschluß aus der ›Betriebsgemeinschaft‹. Unter den Gründen, die eine sofortige, fristlose Entlassung rechtfertigten, befanden sich auch u. a. neben dem groben Ungehorsam gegenüber dem Betriebsführer und den Beamten die schwammigen Passagen des AOG, nämlich der Verleumdung, »böswilligen Verhetzung« und »ungerechtfer171 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

tigten Kritik« (§31). »Das Band, das alle bindet«, war wohl nicht »das Gesetz der sozialen Ehre« (§40, Schlußbestimmungen), sondern massiver Zwang, Einschüchterung und Unterordnung.198 Die Betriebsordnung der Firma Krupp vom 21. September 1934 war dagegen bemerkenswert nüchtern abgefaßt. In der neuen Betriebsordnung vom Juli 1953 mußten nur die Begriffe Betriebsführer durch Betriebsleiter, Vertrauensrat durch Betriebsrat, Gefolgschaftsmitglied durch Belegschaftsmitglied, der Hilfsvertrauensmann durch den Betriebssprecher ersetzt und der Hinweis auf militärische Geheimnisse und geänderte Strafrechtsbestimmungen (Hoch- und Landesverrat) gestrichen werden. Ansonsten wurde die Betriebsordnung von 1934 unverändert übernommen ein bemerkenswertes Stück Kontinuität betrieblicher Normsetzung. Das AOG wurde nur kurz im, später natürlich gestrichenen, einleitenden Satz erwähnt. Das Wort ›Betriebsgemeinschaft‹ tauchte nicht auf. Bei Verleumdung und »böswilliger Verhetzung«, also »ehrlosem und gemeinschaftsfeindlichem Verhalten« war aber eine fristlose Kündigung vorgesehen. Auch dieser Passus überlebte die Neufassung 1953 fast unverändert. Im Gegensatz zu anderen Betriebsordnungen war ein fristloses Kündigungsrecht des Arbeiters ausdrücklich vorgesehen bei »böswilliger Nichtbeachtung« der Unfallverhütungsvorschriften durch den Unternehmer und »tätlicher Mißhandlung durch einen Mitarbeiter«.199 Die Kruppsche Strafordnung vom 7. Juni 1934 lehnte sich eng an die bereits beschriebene vom 24. Februar 1930 an. Einige Verstöße, besonders das Zuspätkommen, wurden nun aber mit höheren Bußgeldzahlungen verbunden. Das Zuspätkommen ›kostete‹ jetzt je nach Häufigkeit1/8bis ½ des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes anstatt 0,15 bis 1,00 M. 200 Mit vollmundigen Beschwörungen der ›Betriebsgemeinschaft‹ wurden die betrieblichen Normen und Disziplinarbestimmungen nicht verbrämt. Der Ordnungsrahmen war schlichtweg betriebsnotwendig und unabdingbar, so daß es einer zusätzlichen Rechtfertigung im Rahmen der ›Betriebsgemeinschaft‹ nicht mehr bedurfte. Außerdem konnte die Firma Krupp davon ausgehen, daß bei vielen ihrer Beschäftigten eine Bindung an das Betriebsmilieu schon bestand, Beschwörungsformeln damit überflüssig waren. Die langjährige Bindung an das Werk konnte auch in gewisser Hinsicht einen Schutz darstellen für Arbeiter, die offenkundig sich nationalsozialistischen Ansprüchen nicht beugen wollten. Zwei Mitglieder des Vertrauensrates strengten im Sommer 1934 ein Verfahren gegen den Vertikalfräser K. an, weil er bei der Totenehrung für Hindenburg sich nicht von seinem Platz erhoben habe, sich weigere, die NS-Presse zu lesen und den ›Hitler-Gruß‹ mißachte. Die Firma erwog deshalb, K., geboren 1875, 23½ Dienstjahre bei Krupp, zu pensionieren. Da er dann aber nicht in den Genuß der Werksrente gekommen wäre, wurde er in eine andere Betriebsabteilung überwiesen. Dasselbe Verfahren wurde bei einem ›alten Kämpfer‹ ange172 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

wandt, der, nach mehrmaliger Disziplinlosigkeit verwarnt, entlassen werden sollte. Der Vertrauensrat setzte sich in diesem Fall für die Rücknahme der Kündigung ein, da der Betreffende »durch die jahrelange aufreibende Tätigkeit für die Bewegung die Nerven verloren habe«.201 Der ›alte Kämpfen mußte sich daraufhin mit der Kündigung einverstanden erklären und wurde einen Monat später von einer anderen Abteilung neu eingestellt. Der Beteiligung an den verschiedenen NS-Sammelaktionen, besonders für das Winterhilfswerk (WHW), konnten sich die Belegschaftsmitglieder kaum entziehen, da sie davon ausgehen mußten, daß die Zeichnungslisten nachkontrolliert werden würden. Der übliche Spendensatz betrug 10% der Lohnsteuer. Bei Krupp wurden die Spenden direkt vom Lohn abgezogen, die Spendenplaketten lagen in der Lohntüte bei. Auch bei Siemens wurde der Betrag ab 1936 vom Lohn einbehalten. Ein Druck werde nicht ausgeübt, bemerkte das Büro für Arbeiterangelegenheiten von Krupp. Als der Vertrauensrat 1936 Einsicht in die Spendenlisten verlangte, lehnte die Betriebsleitung ab mit dem Hinweis, daß sich bereits 81,4% der Arbeiter gegen 65 % im Vorjahr beteiligt hätten und ein besonderer Druck nur zu unnötigen Schwierigkeiten im Betrieb führen würde. 202 Ein solcher Druck wurde aber doch ausgeübt, wie sich zwei Jahre darauf herausstellen sollte. 1938 beteiligte sich die gesamte Krupp-Arbeiterschaft bis auf sechs Personen am WHW. Die sechs Spendenverweigerer wurden persönlich darauf hingewiesen, daß sie nach vorliegenden Arbeitsgerichtsentscheidungen mit Entlassung rechnen könnten, wenn sie trotz ihres guten Lohns nicht dem WHW spendeten. Ein Verweigerer, der Walzer Peter S., der bis 1929 Arbeiterratsmitglied gewesen war und danach die DMV-Ortsgruppe geleitet hatte, erfand eine einleuchtende Erklärung für sein Verhalten. Er sei zweimal verhaftet gewesen und nur unter der Bedingung freigelassen worden, sich keinesfalls politisch zu betätigen, das WHW sei aber eine politische Organisation. Als ihm die Firmenleitung nach Rücksprache mit der Staatspolizei zusicherte, dies würde nicht als politische Betätigung angesehen, erklärte S. sich bereit, fortan zu spenden. Wollte er nicht seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzen, der ihm immerhin rund 350 Μ pro Monat einbrachte, mußte der Walzer S. sich notgedrungen am WHW beteiligen.203 Die Mitgliedschaft in der Deutschen Arbeitsfront war offiziell freiwillig, dies wurde von verschiedenen Instanzen klargestellt. Doch was von dieser Freiwilligkeit zu halten war, konnte man einer Rede des DAF-Leiters, Robert Ley, vor Mitgliedern seiner Organisation in Berlin-Siemensstadt entnehmen: »Man zwinge niemanden, der Arbeitsfront beizutreten. Derjenige, der nicht in die Arbeitsfront hineingehen wolle, kennzeichne sich selbst als asoziales Element, da er die Gemeinschaft leugne und sich in Opposition zum neuen Deutschland bringe.« Die Mitgliederzahlen übermittelten deshalb auch ein anderes Bild. Dem anhaltenden Druck, der DAF beizutreten, hatten bis Januar 1938 nur 5,58% der Gesamtbelegschaft der 173 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Kruppschen Gußstahlfabrik standhalten können. Der Beitrag zur DAF wurde auch, ebenso wie die WHW-Spende, direkt vom Lohn durch die Firma einbehalten.204 Die Idee des DAF-Leiters Ley, in den Betrieben statt der Stempelkarten und Stechuhren einen Betriebsappell einzuführen, um die Anwesenheit festzustellen, blieb eine wenig durchdachte Forderung mit geringer Resonanz. Ley wollte damit deutlich machen, daß der Arbeiter keine beliebige Nummer mehr sei, die nur das Lohnbüro interessiere. Es war nun reichlich absurd, den Arbeiter über militaristische Zählappelle auf dem Werkshof wieder zur Persönlichkeit machen zu wollen, zumal die Arbeiter dazu vor und nach der Arbeit länger im Werk bleiben mußten. Um diese Idee entzündete sich im IG Farben-Werk Leverkusen eine aufschlußreiche Debatte, so daß dieses Thema hier doch angeschnitten werden muß. Mehrfach trat der Vertrauensrat in Leverkusen Ende 1934 für die Abschaffung der Kontrolluhren ein, um »dem Arbeiter das Minderwertigkeitsgefühl zu nehmen«.205 Der Werksleiter lehnte dieses Ansinnen immer wieder ab, weil die Stempelkarten für die Lohnerrechnung unverzichtbar seien und weil eine Abschaffung wohl sinkende Arbeitsleistungen verursachen würde. Ein weiteres Argument, das der Werksleiter vorbrachte, gab exemplarisch Aufschluß über die personalpolitischen Führungsprinzipien bei IG Farben. »Die Stechuhr ist ja auch nicht dazu da, den Arbeiter zu kontrollieren, es soll lediglich den Meistern usw. die Kontrolle entzogen werden, da Irrtümer bei der Kontrolle durch Personen unvermeidlich sind, wogegen die Kontrolluhr neutral ist.« 206 Die Versachlichung, man könnte fast sagen Objektivierung, der Arbeitskontrolle entsprach dem Führungsstil, der bei IG Farben im betrieblich-produktionstechnischen Bereich gepflegt wurde. Genauso wie die Produktion auf der Zuverlässigkeit der Technik basierte, hatte auch die Bereitstellung des ›menschlichen Faktors‹ auf der Ebene gleichsam sachnotwendiger, funktionaler Zwänge zu erfolgen. Die Kontrolluhren wurden deshalb nicht abgeschafft. Im Gegenzug verfügte die Werksleitung aus Gründen der Gleichbehandlung, daß nunmehr jeder Beschäftigte dem Pförtner beim Eintritt seinen Ausweis unaufgefordert vorzeigen müsse. Daraufhin richtete sich der ganze Unmut der Belegschaft auf die DAF bzw. den Vertrauensrat, die beide mit dem Thema Kontrolluhren den Stein erst ins Rollen gebracht hatten.207 Klagen über die unterschiedliche Behandlung von Arbeitern und Angestellten waren, ähnlich wie vor 1933, häufig anzutreffen. Ein besonders krasser Fall von Benachteiligung war im Eisenlager der Kruppschen Gußstahlfabrik zu konstatieren. Ein dort 1938 errichteter Klosettneubau wies getrennte Abteilungen auf, für Angestellte »mit waagrechter aufklappbarer Sitzfläche und für die Arbeiter mit schräger Sitzgelegenheit«.208 Ein Mitglied des Vertrauensrates bemerkte dazu, daß »es nicht angebracht sei, hierbei Unterschiede zwischen Angestellten und Arbeitern zu machen«. 209 Den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner bei Krupp war zu 174 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

entnehmen, daß die Ungleichbehandlung im Vergleich mit den Angestellten ein immer aktuelles Thema war, sei es in Fragen des Kindergeldes, bei der Ausstattung von Werkswohnungen oder weil Angestellte in den Werksbussen kostenlos fahren durften. Bei Siemens gelang es 1935 immerhin durchzusetzen, daß Arbeiter im Wernerwerk denselben Ein- und Ausgang wie die Angestellten benutzen konnten.210 Auch sonst war man bei Siemens, was den Abbau der krassen Benachteiligung der Arbeiter gegenüber den Angestellten anging, aufgeschlossener als bei Krupp. Das Krupp-Direktorium beharrte demonstrativ auf der Unterscheidung beider Gruppen von Beschäftigten. Bei Siemens, dem moderneren Unternehmen, war die Bereitschaft, Arbeiter und Angestellte einander anzugleichen, größer. Zum Beispiel wurde ein gemeinsamer Speisesaal für beide Gruppen errichtet, auch bei den Sanitäranlagen wurde mehr auf gleiche Standards geachtet.211 Der symbolische Gehalt solcher an sich geringfügigen Korrekturen im Arbeiter-Angestellten-Unterschied war groß. Michael Prinz konnte nachweisen, daß solche Statusfragen im ›Dritten Reich‹ nicht von ungefähr immer häufiger auf die Tagesordnung gesetzt wurden. Die vielfältigen Bemühungen der Deutschen Arbeitsfront, den Angestelltensonderstatus einzuebnen212, fanden ihre Entsprechung in der nationalsozialistischen Ideologie der ›Betriebsgemeinschaft‹. Im AOG war nicht mehr von einzelnen Statusgruppen im Betrieb die Rede, sondern insgesamt von den »Gefolgschaftsmitgliedern«. Indem die Vertrauensräte von Krupp und Siemens solche eklatanten Fälle von Ungleichbehandlung anprangerten, beriefen sie sich auf den ›egalitären‹ Anspruch des immer wieder beschworenen Gemeinschaftsideals. Daß die Arbeitsfront bei der Verringerung der sozialen Kluft zwischen Angestellten und Arbeitern auf überbetrieblicher Ebene mehr als nur symbolische Erfolge erzielen konnte, in der Urlaubsfrage, bei der Bezahlung von Feiertagen,213 gab den innerbetrieblichen Gleichstellungsbemühungen größere Schubkraft. Allerdings muß auch Michael Prinz einräumen, daß die Angleichung beider Gruppen sich nur auf Teilaspekte der allgemeinen Arbeitsbedingungen bezog.214 Auch wenn die Arbeiterschaft wie die Arbeitsfront Forderungen auf der Basis der Gemeinschaftsideologie erhoben, ist eine realistische Einschätzung der Grenzen solcher Gleichstellungsbemühungen angebracht. Die von der DAF und den Vertrauensräten angestoßene Debatte über die Sonderrechte der Angestellten konnte zwar ein entsprechendes Problembewußtsein schaffen, in der betrieblichen Realität konnten die unvermeidlichen Mißerfolge und Rückschläge aber gerade den gegenteiligen Effekt bewirken und den Arbeitern den Eindruck vermitteln, daß den Worten keine Taten folgten. Die Arbeiter mußten z. B. bei Siemens - trotz der aufgeschlossenen Haltung der Firma - beim Betreten des Werksgeländes weiterhin ihre Kontrollmarke herzeigen und die Stechuhr betätigen, während bei Angestellten der Eintrag in Anwesenheitslisten ausreichte.215 175 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Die Betriebsleitungen waren nicht bereit, die gewachsenen hierarchischen Strukturen in den Betrieben aufzugeben, da sie sich in ihren Augen als Konstanten der industriellen Herrschaft bewährt hatten. Der Herrschaftsanspruch der Unternehmer, den das AOG eindeutig festgeschrieben hatte, und die wirtschaftlichen Zielsetzungen sowohl der Industrie als auch des Nationalsozialismus genossen absoluten Vorrang vor sozialen Experimenten in den Betrieben. Die ›Betriebsgemeinschaft‹, die das AOG oder die Betriebsordnung der Concordia Bergbau AG so vollmundig beschworen hatten, war in der Praxis nicht egalitär. Benachteiligte Gruppen innerhalb der Arbeiterschaft versuchten aber aus ihr einen Anspruch auf Gleichbehandlung zu begründen. In einem anonymen Schreiben an das Reichsarbeitsministerium vom 23. Juli 1936 klagten Hilfsarbeiter der Kruppschen Stahlformerei über die Lohnbenachteiligung gegenüber anderen Hilfsarbeitern: »Da wir hier doch kein Recht bekommen, so wenden wir uns vertrauensvoll an Sie. Es handelt sich nämlich um die Lohnfrage und wie es kommt, daß die Hilfsarbeiter verschiedenen Stundenlohn bekommen, da doch alle die gleiche Arbeit machen. Unser Betrieb wird nicht als vollwertiger Feuerbetrieb angesehen, aber vollwertige Arbeit müssen wir leisten. Aber die Herren Beamten bekommen vollwertigen Lohn, und wir bekommen 67 Pfg. die Stunde. Andere wieder 95, 86 und 92 Pfg. pro Stunde. Daß die meisten kein Interesse am Arbeiten haben, wird Ihnen wohl einleuchten, denn jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, und wir glauben auch nicht, daß dies im Sinne des Führers ist, denn wir leben im Dritten Reich und sollten endlich das Alte fallen lassen. Es ist weiter nichts als Unterdrückung vom Betrieb. . . . Mit deutschem Gruß! Heil Hitler!«216 Die Hilfsarbeiter aus der Stahlformerei hatten die Gemeinschaftspropaganda beim Wort genommen, dabei aber übersehen, daß die ›Betriebsgemeinschaft‹ die Ausrichtung der Löhne am Leistungsprinzip und damit »lohnpolitische Segmentierungen«217 ausdrücklich guthieß. Die Lohnhöhe orientierte sich weiterhin grundsätzlich am Qualifikationsstand und an der arbeitsmarktpolitischen Lage. Die Beobachtungen auf der Lohnseite lassen sich verallgemeinern. Hinter der Beschwörung des nationalsozialistischen Ideals der ›Volks- bzw. Betriebsgemeinschaft‹ stand das Bestreben, den reibungslosen Ablauf der Produktion und rational-technische Effektivität zu gewährleisten, um die umfassenden Ziele der Überwindung der Wirtschaftskrise und der Aufrüstung sicherzustellen. Alle Maßnahmen - auch die ideologische Komponente - wurden darauf hin ausgerichtet. Der Arbeitsfriede mußte demzufolge auch, wenn nötig, mit offen terroristischen Mitteln hergestellt werden. Eine industrielle Produktion jedoch, deren Funktionieren nur von Unterdrückung und Zwang abhängig gewesen wäre, hätte angesichts des technischen Entwicklungsstandes in Deutschland nicht einen solchen Wachstumspfad beschreiten können. Die Zerstörung des proletarischen Solidaritätsbewußtseins war bereits eine Erbschaft aus der Zeit vor 1933. Mit zunehmender wirtschaftlicher 176 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Erholung war im ›Dritten Reich‹ durchaus wieder ein Anwachsen solidarischer Verhaltensformen auf der Basis schlichter Interessenwahrnehmung zu beobachten - allerdings auf dem räumlich eng begrenzten Feld des Betriebes bzw. einzelner Abteilungen.218 Die Orientierung auf die Betriebsebene, die eine Folge der Krise, der nationalsozialistischen ›Arbeitsverfassung‹ und des Fehlens überbetrieblicher Organisationen der Arbeiter war, wirkte einer umfassenderen Interessenartikulation entgegen. Ein in Zeiten günstiger Konjunktur probates Mittel individueller Interessenwahrnehmung - der Wechsel des Arbeitsplatzes - war angesichts der Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise verständlicherweise zunächst nicht gegeben. Die Quote der auf eigenen Wunsch aus den Betrieben Ausscheidenden blieb bis 1936 gering. In der Kruppschen Gußstahlfabrik wählten 1935 1,4% der Beschäftigten diesen Weg, während es 1928 noch 6% gewesen waren. 219 Ab 1936 nutzten viele Arbeiter die verbesserte Arbeitsmarktlage und versuchten durch zwischenbetrieblichen Wechsel höhere Löhne und günstigere Arbeitsbedingungen zu erzielen. Die vielfältigen Versuche des Reichsarbeitsministeriums und der Arbeitsämter, die Fluktuation über Zuzugssperren, durch Einführung des Arbeitsbuches und andere staatliche Lenkungsmaßnahmen einzudämmen, belegen diesen neuen Trend zum Betriebswechsel.220 Nach einer Schätzung von Michael Prinz erreichte die Fluktuationsrate in den späten dreißiger Jahren ein weit höheres Maß als vor der Wirtschaftskrise. Er stützt sich dabei unter anderem auf eine Äußerung des Präsidenten der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Friedrich Syrup, der anläßlich einer Tagung im Februar 1939 festgestellt hatte, daß »im Jahre 1938 die Wanderbewegung der werktätigen Bevölkerung . . . weitaus stärker gewesen sei als jemals in den konjunkturell meistbegünstigten Jahren der Vorkriegszeit«.221 Die Feststellung Syrups ist jedoch auf den industriellen Bereich bezogen nicht haltbar. Ein zeitgenössischer Kritiker hat Syrup dahingehend auch heftig widersprochen. 222Die Zahlen der Reichsanstalt - so der Kritiker - könnten kein wahres Bild der Fluktuationsbewegung darstellen, da in ihnen die Beschäftigten in der Landwirtschaft und saisonal gebundenen Landwirtschaftsbetrieben überproportional hoch vertreten seien. Am Beispiel eines Arbeitsamtsbezirks im Ruhrrevier lassen sich die sektoralen Differenzierungen verdeutlichen:223 Wanderbewegung in % *

Landwirtschaft Baugewerbe Eisenschaffende und verarbeitende Industrie Bergbau ungelernte Arbeitskräfte

260 100 20 unter 20 über 100

* Zu- und Abgänge bezogen auf den jeweiligen Gesamtbestand an Arbeitsplätzen

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Anhand dieser Daten läßt sich die Äußerung Syrups relativieren: »Nicht die ausgesprochenen Industriearbeiter, sondern die in der Landwirtschaft Berufstätigen, zu denen im übrigen noch die in den Haushalten Beschäftigten treten, (waren) die Hauptträger der Fluktuation.«224 Von einer generellen und besorgniserregenden Fluktuationswelle in der Industrie konnte man demnach nicht sprechen. Durch Anlernung, innerbetriebliche Qualifikationsmaßnahmen und damit den Aufstieg zum Angelernten bot sich auch die Chance, das bei Ungelernten übliche Maß an Fluktuation einzudämmen.225 Die expandierenden rüstungswichtigen Betriebe sorgten mit ihrem Arbeitskräftebedarf und ihren besseren Einkommensperspektiven ohne Zweifel für einen vermehrten Belegschaftswechsel. Krupp und Siemens gelang es aber, die Anzahl der (nicht erwünschten) Abgänge in Grenzen zu halten.226 Die erhöhte Fluktuation war ein normales und notwendiges Phänomen einer konjunkturell günstigen Arbeitsmarktsituation. Ein bestimmtes Maß an Fluktuation galt sogar als erwünscht, um die im Sinne des industriellen Strukturwandels erforderlichen Umschichtungen vollziehen zu können.227 Fluktuationsraten wie vor und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg gab es nicht mehr. Das Fluktuationsverhalten hatte sich, vom Stand einer hochentwickelten Wirtschaft her gesehen, eher normalisiert. Die Attraktivität der Arbeitsplätze in der Rüstungs- und Investitionsgüterindustrie mit höheren Löhnen, umfassenden betrieblichen Sozialleistungen und Möglichkeiten innerbetrieblicher Qualifizierung war mit ausschlaggebend - so kann jedenfalls nur vermutet werden-, daß ein Großteil der Arbeiter eine längerfristige Bindung an das Unternehmen einging. In der Ausnahmesituation am Ende des Zweiten Weltkriegs konnte diese Bindung durchaus in eine ›Werksverbundenheit‹ mit recht pragmatischen Zügen umschlagen: Vielfach widersetzten sich die Belegschaften unter Lebensgefahr dem Hitlerschen Befehl der Zerstörung der industriellen Infrastruktur Deutschlands und konnten so ihre Werke vor den Sprengkommandos der SS und der Wehrmacht retten.228

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IV. Betriebsratswahlen in der Wirtschaftskrise Die Arbeiterschaft ist bisher aus der Perspektive der betrieblichen Herrschaft mehr als Objekt denn als Subjekt thematisiert worden. Deshalb soll im folgenden das politische Verhalten der Arbeiter anhand der Betriebsratswahlen näher analysiert werden. Anknüpfend an die durch Jürgen Falter angestoßene Debatte über den Arbeiteranteil an den NSDAP-Wahlerfolgen1 können die Betriebsratswahlen Aufschluß über die Feinstruktur des politischen Verhaltens in der Arbeiterschaft geben. Aus der Resonanz der einzelnen Gewerkschaftsrichtungen bei diesen Wahlen läßt sich schließen, ob es den gemäßigten Arbeiterorganisationen, sozialdemokratischer und christlicher Provenienz, gelang, die Betriebsarbeiterschaft unter den Bedingungen der Weltwirtschaftskrise an sich zu binden oder ob Erosionsprozesse einsetzten, die schließlich auch auf den politischen Bereich durchschlugen. Das politische Verhalten von Arbeitern im Betrieb muß nicht notwendigerweise mit ihrer politischen Orientierung im Sinne von Parteipräferenzen und allgemeinpolitischer Einstellung deckungsgleich sein. Betriebliche Entscheidungsgründe konnten als vordringliches Motiv eine Rolle spielen. Interne Gründe, wie z. Β. die Verärgerung über Maßnahmen der Betriebsleitung, konnten so zu einem eher vorpolitischen Protestverhalten bei den Betriebsratswahlen führen. Nicht zu unterschätzen war auch der Aspekt der persönlichen Bindung an Betriebsvertreter sowie der Einsatzbereitschaft, die sie an den Tag legten. Der Einstellung der Arbeiterschaft zu Betrieb, Arbeit und eigener Interessenvertretung, die in den Betriebsratswahlen zum Ausdruck kam, ist aber doch ein darüber hinausreichender Aussagewert beizumessen. Es lassen sich daran die politischen Auswirkungen der Krise sowie die Differenzierungslinien innerhalb der Betriebsarbeiterschaft ausmachen. Zudem kann erschlossen werden, welche Gruppen von Arbeitern sich - schon vor 1933 - gegenüber dem Nationalsozialismus als nicht resistent erwiesen bzw. welche Gruppen mit einer stabilen politischen Orientierung aufwarten konnten. Im Zusammenhang mit den Betriebsratswahlen muß auch das Mobilisierungs- und Protestpotential der Beschäftigten in der Krise beleuchtet werden. Als exemplarischer Fall eignet sich dafür der Arbeitskampf, der sich anläßlich der Akkordkürzung des Sommers 1930 in der Kruppschen Gußstahlfabrik - und nicht nur dort - abspielte. 179 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

1. Die Arbeiter der Kruppschen Gußstahlfabrik Der Deutsche Metallarbeiter-Verband hatte für den Bezirk der rheinischwestfälischen Eisenindustrie zum 30. Juni 1930 den Rahmentarifvertrag gekündigt und damit der Unternehmerschaft die Möglichkeit gegeben, bei den Verhandlungen über einen neuen Rahmentarifvertrag den Startschuß zur Senkung der Löhne zu geben - und zwar der Akkordlöhne. Ein Schiedsspruch des neuen Reichsarbeitsministers Stegerwald vom Zentrum beseitigte die Akkordsicherungsklausel des alten Rahmentarifvertrags und gab den Weg frei zur Senkung der Akkordlöhne um durchschnittlich 7,5%. Für die Unternehmer war dieser Oeynhausener Schiedsspruch ein voller Erfolg, verschaffte er ihnen doch einen ersten Einbruch in das System der ›politischen Löhne‹.2 In der Durchführung des Schiedsspruchs, dessen Verbindlichkeit von Unternehmerseite beantragt und von Stegerwald erklärt worden war, spielten die Betriebe eine besondere Rolle. Jede Akkordänderung mußte nach den Bestimmungen des Rahmentarifvertrages vorher mit den Betriebsräten vereinbart werden. Wenn eine Einigung nicht zustande kam, konnte diese Akkordänderung auf dem Kündigungswege erfolgen. Deshalb kündigten die einzelnen Betriebe des Bezirks auf Weisung des Arbeitgeberverbandes Nordwest vorsorglich ihren Belegschaften am 16. Juni 1930 zum Monatsende. Zu den neuen Akkordbedingungen sollte sodann die Arbeit am 1. Juli wieder aufgenommen werden. Dies war die unmittelbare Vorgeschichte des nun in einzelnen Betrieben der Ruhreisenindustrie einsetzenden Arbeitskampfes. Noch während der laufenden Tarifverhandlungen fand am 2. Juni 1930 eine Versammlung der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) für die Beschäftigten der Kruppschen Gußstahlfabrik statt. Auf ihr waren jedoch nur 65 Personen anwesend. Der Versammlungsleiter, ein Mitglied des Arbeiterrates der Gußstahlfabrik und Dreher in der Abteilung Apparatebau, stellte fest, daß die Arbeiterschaft sich offensichtlich des Ernstes der Lage noch nicht bewußt sei. Mit dem Ziel der Mobilisierung zum Streik ab 1. Juli wurde die Zusammenarbeit von noch zu bildenden Kampfausschüssen mit Erwerbslosen und Unorganisierten angekündigt und die Forderung nach Lohnerhöhungen um 20 Pfg. pro Mann und Stunde erhoben.3 Eine Versammlung der christlichen Gewerkschaften wenige Tage später, die besser besucht war, ließ wachsenden Unmut unter den Anwesenden erkennen. Am 18. Juni, zwei Tage nachdem die Betriebsleitung die Kündigung zum Monatsende publik gemacht hatte, konstatierte der Oberwachdienst eine »Besorgnis erregende Stimmung« unter den Anhängern aller Gewerkschaftsrichtungen, und er befürchtete, daß die Bewegung im Sinne der RGO sich entwickeln würde. Besonders die Christlichen seien über die Passivität ihrer Funktionäre besonders erbost. In Versammlungen der Gießerei 5/7 und 3 vom Vortag, die, durch die RGO einberufen, von über einem Drittel der Belegschaft besucht worden waren, wurden Kampfaus180 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

schüsse gewählt. Mehrere gut besuchte Zusammenkünfte anderer Abteilungen faßten unter der Leitung von DMV-Betriebsräten keine Beschlüsse. Der Vorsitzende des Kruppschen Arbeiterrates, der Elektriker Wöhler (DMV), riet von eigenmächtigem Vorgehen ab, empfahl die genauen Kürzungsvorschläge der Firma erst abzuwarten und auf die Lohnkommission zu vertrauen. »Die Arbeiter sollten sich von der Opposition nicht einfangen lassen, sondern am 1. Juli zur Arbeit gehen.« Andere Betriebsversammlungen mußten unter tumultartigen Szenen abgebrochen werden. Die Stimmung gegen den Lohnabbau war allenthalben deutlich zu spüren. Doch der Oberwachdienst wußte auch anderes zu berichten: »Hört man einzelne Arbeiter, auch solche von der Opposition, so erfährt man, daß diese sich gewissermaßen von einem Streik nichts versprechen und schon mit einem Lohnabbau in mäßigen Grenzen sich abgefunden haben.«4 Eine regionale DMV-Konferenz faßte dementsprechend auch keine Kampfbeschlüsse, auch wenn der Oeynhausener Schiedsspruch aufs schärfste verurteilt wurde. Sie empfahl Verhandlungen in den Betrieben, zum Streik wurde nicht aufgerufen.5 Eine in den Lowa-Betrieben von der RGO einberufene Versammlung fand mangels Zuspruch nicht statt, während die von freien und christlichen Gewerkschaftlern anberaumte gut besucht war. Als ein Nicht-Kruppianer für die RGO sprechen wollte, wurde die Versammlung unter Tumult abgebrochen. Auch in anderen Betrieben fanden RGO-Versammlungen grundsätzlich geringes Interesse. Doch konnten sich die anderen Gewerkschaften ihrer Anhängerschaft nicht sicher sein, denn ihre Versammlungen verliefen keineswegs ruhig und endeten häufig in heftigen Szenen. Um den 25. Juni wurden die Akkordverhandlungen mit der Firma Krupp ergebnislos abgebrochen. Der DMV rief daraufhin nicht zum Streik auf, sicherte aber den Streikenden volle Unterstützung zu. Der Christliche Metallarbeiterverband empfahl eindringlich, am 1. Juli in die Betriebe zu gehen und auf das Verhalten der Arbeitgeber zu warten, denn ein Streik sei ein »gewagtes Stück«. Unter »allgemeiner Erregung« verließ sodann ein Teil der Anwesenden die Versammlung des christlichen Verbandes. Der von der RGO gelenkte zentrale vorbereitende Kampfausschuß tagte am 30. Juni. Seine größten Hoffnungen setzte er auf Unorganisierte. In zuversichtlicher Kampfstimmung war aber auch dieses Gremium nicht. Ein Delegierter befand sich schon auf der Rückzugslinie: »Wenn es doch zu einer Lohnsenkung kommen sollte, dann solle man wenigstens eine Arbeitszeitverkürzung erreichen.«6 Zur Streiktaktik wurde beschlossen, daß Frauen, Kinder und Erwerbslose vor den Werkstoren aufmarschieren sollten. Am selben Tag fanden in vielen Abteilungen Belegschaftsversammlungen statt. Im Maschinenbau 7 und der Gießerei 5/7 wurde der Streik einstimmig beschlossen und kurz darauf die Arbeit sofort niedergelegt. Im Martin werk 6 sprachen sich die jüngeren Arbeiter für Streik, die älteren für Weiterarbeit aus. In den Schmieden stimmten 9 von 260 Mann für Streik. 181 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Im Hochofen-, Walz- und Martinwerk 7, mit ca. 1100 Beschäftigten ging die allgemeine Stimmung gegen den Streik, da »die Leute befürchteten, daß sie später nicht wieder eingestellt würden«. 7 In den anderen Betrieben blieb es ruhig, oder es wurden keine Entscheidungen gefällt. Den Hauptunruheherden Maschinenbau 7 und Gießerei 5/7, statteten noch am selben Nachmittag DMV-Funktionäre ihren Besuch ab und wiesen sie darauf hin, daß die sofortige Arbeitsniederlegung ein schwerer taktischer Fehler gewesen sei, auch wenn sie ihrer klaren Entscheidung den Respekt nicht versagen könnten. Der erste Streiktag, der 1. Juli, zeigte, daß eine geschlossene Streikfront nicht zu erzielen war. Die Abteilungen, die bereits am Vortag ihre Streikbereitschaft bekundet hatten, blieben zum Großteil der Arbeit fern, andere nahmen die Arbeit erst mit Verzögerung auf. Aber auch in den Streikbetrieben waren die Hilfsarbeiter zur Arbeit erschienen, da sie als Zeitlöhner von den Akkordkürzungen nicht betroffen waren. In manchen Betrieben fehlten nur spezielle Facharbeitergruppen. Nach Informationen der ›Metallarbeiter-Zeitung‹ waren in der Gußstahlfabrik 3007 Arbeiter ausständig, bei annähernd 20 000 Beschäftigten keine überwältigende Ziffer.8 Schon ab dem folgenden Tag begann die Zahl der Streikenden abzunehmen. Die Akkordarbeiter von Maschinenbau 9 nahmen die Arbeit wieder auf, nachdem ihnen Verhandlungen über die Akkordsätze zugesagt worden waren. Auch in einem der Hauptstreikherde, Maschinenbau 7, wurde am 2. Juli der Streik schon als aussichtslos angesehen. Die Aufforderung eines christlichen und eines freigewerkschaftlichen Betriebsvertreters, weiter durchzuhalten, stieß nur noch auf müde Resonanz. Am Tag darauf war der Streik praktisch erledigt.9 Die Arbeiter, die geglaubt hatten, daß sich auch andere Abteilungen und Unternehmen ihnen anschließen würden, sahen sich im Stich gelassen. Eine breite Proteststimmung gegen die Akkordkürzungen hatte zwar bestanden, eine umfassende Mobilisierung zum Streik fand dagegen nicht statt. Der Streik war nur von bestimmten Facharbeitergruppen getragen, die von den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise noch nicht voll erfaßt waren und die auf erste Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft auf Seiten der Geschäftsführung wieder die Arbeit aufnahmen. Der Erfolg des Streiks bestand darin, daß wenigstens einige Härten bei den Akkordkürzungen abgewendet werden konnten. Die RGO, die sich zur eigentlichen Führerin des Streiks erklärt hatte, konnte sich der Streikteilnehmer nicht sicher sein. Das alleinige, von kommunistischer Parteitaktik bestimmte Vorgehen der RGO fand kaum Resonanz. Die RGO hing sich an die Unzufriedenheit unter den Akkordarbeitern an und mußte erleben, daß hieraus keine weitergehende Massenmobilisierung erwuchs. Die Streikenden hatten begrenzte betriebspolitische Ziele. Die Arbeiterschaft war sich ihres beschränkten Handlungsspielraums in der Krise bewußt, wollte aber das unvermeidlich Erscheinende nicht widerspruchslos hinnehmen. 182 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Warum gerade in zwei Abteilungen der Streik besonders weite Kreise zog, läßt sich einmal damit erklären, daß die RGO in ihnen über beträchtlichen Anhang verfügte. Aber noch andere Faktoren wirkten mit. Die Belegschaftsziffer der Gießerei 5/7 lag am 30. September 1930 über der des Stichtages vom Vorjahr. Das Thema Entlassungen konnte deshalb im Sommer 1930 noch nicht akut gewesen sein. Danach sank allerdings die Belegschaft innerhalb eines Jahres rapide von 806 auf 393. Die von den Lohnkürzungen des Sommers 1930 betroffenen Akkord- und Prämienarbeiter waren in dieser Gießerei eindeutig in der Mehrheit. Ihre Anzahl betrug 1930 774 bei nur 15 reinen Hilfsarbeitern. Die Betroffenheit war also groß. Der Streik war deshalb als Folge interner betrieblicher Gründe Ausdruck ureigenster Interessenvertretung von Betroffenen und im Sinne der politischen Zielsetzung der RGO nicht ausdeutbar.10 Im Kruppschen Arbeiterrat, das war die Vertretung unter Ausschluß der Angestellten, besaßen freie und christliche Gewerkschaften traditionell die Mehrheit. Ab 1929 trat eine kommunistische ›Rote Betriebseinheitsliste‹ auf und konnte auf Kosten der freien Gewerkschaften 1/6 der Sitze im Arbeiterrat erringen. Die Mitglieder des Arbeiterrates waren im gesamten Zeitraum fast ausschließlich Facharbeiter. Nur im wirtschaftsfriedlichnationalen ›Deutschen Arbeiterbund‹ (DAB) gab es einen Kassenarbeiter, auf der kommunistischen Liste zwei Hilfsarbeiter. Was die Zusammensetzung der Wählerschaft betraf, erlaubte dieses Indiz allein kaum Schlußfolgerungen. Die doch konstante Stärke der christlichen Gewerkschaften war mit dem konfessionellen Faktor zu erklären. Das im Vergleich zu anderen Unternehmungen relativ beachtliche Ergebnis des DAB zeigte, daß etliche ältere Arbeiter aus der Erfahrung von Krieg und Ruhrbesetzung nationalen Parolen gegenüber empfänglich waren. Bemerkenswert war der Anstieg der Nationalsozialisten 1933, der, vergleicht man ihn mit der Entwicklung der anderen Gewerkschaften, wohl auf den ersten Blick auf das Konto der kommunistischen Liste gehen mußte. Denn die Wahlbeteiligung war 1933 mit 91,4 % nur 1,3 % höher als 1931.11 Glücklicherweise sind von der Gußstahlfabrik die Wahlergebnisse aus den einzelnen Betriebsabteilungen erhalten, so daß auf der unteren Ebene das Wahlverhalten genauer analysiert werden kann (s. dazu - als Auswahl Tab. 28). Vorab ist zu bemerken, daß die folgenden Beobachtungen nur einen ungefähren Trend widerspiegeln können, da die Ergebnisse in den einzelnen Abteilungen nun doch zu widersprüchlich waren, um auf einen einheitlichen Nenner gebracht werden zu können. Besonders gut schnitten die freien Gewerkschaften 1931 ab in den elektrischen Anlagen, einer Abteilung mit fast ausschließlich Facharbeitern, in Kleinbau 1, wo die Belegschaft zu knapp1/5aus Frauen bestand und kein hoher Qualifikationsstandard verlangt war, und im Martinwerk 7 mit überwiegend angelernten Kräften. Schlecht lagen die freien Gewerkschaften in den Gießereien, in 183 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

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18 10 2 -

12 11 2 5 -

1929 12 11 2 5 -

1930 10 10 2 7 1

(31,74) (33,34) ( 6,89) (22,43) ( 4,47)

1931 12 10 1 7 (24,71)

(37,45) (31,72) ( 6,12)

1933

Hochofenwerk Martinwerk 7 3 Walzwerk 1/3 2 Blechwalzwerk Stahlformerei (+ Martinw. 6 u. Gießerei 8)

141 273 193 345 161 533 469

Wahlberechtigte

37,9 47,1 32,7 28,5 32,0 34,4 28,1

freie Gew. 16,9 31,7 32,1 23,1 30,7 48,3 31,4

christl. Gew. 0,8 2,7 15,8 10,2 1,9 3,6 8,2

DAB

1931

0,8 0,3 2,9 3,8 3,2 1,0 3,1

H.-D. 40,3 15,3 15,8 32,1 28,8 12,1 17,4

komm. Liste

Wahlberechtigte 199 321 163 354 258 602 414

NS 3,2 2,7 0,6 2,2 3,2 0,6 11,8

33,1 38,3 37,6 49,0 53,4 26,5 20,2

freie Gew.

6,6 26,8 28,3 24,4 32,2 42,6 22,2

christl. Gew.

1933

3,9 1,3 7,1 2,6 4,6 1,4 2,7

DAB

56,3 33,5 26,9 23,8 9,7 29,5 54,9

NS

Tab. 28: Ergebnisse der Betriebsratswahlen 1931 und 1933 in einzelnen Abteilungen der Krupp-Gußstahlfabrik (in %)

Quelle: HA Krupp WA 41/3-740 a, b: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsberichte.

Freie Gewerkschaften Christi. Gewerkschaften Deutscher Arbeiterbund Rote Betriebseinheitsliste Nationalsozialisten

1928

Tab. 27: Betriebsratswahlen in der Kruppschen Gußstahlfabrik 1928-1933 bzw. Zusammensetzung des Arbeiterrats - Anzahl der Sitze (Stimmanteile in %) -

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185

310 110 133 35 193 72 278 280 103 83 169 567 159 584 349 748 139 133 524 111 68

34,0 37,7 35,5 13,7 24,5 15,3 11,0 37,5 22,4 37,5 29,7 23,1 33,1 25,3 23,7 32,6 67,9 36,3 49,0 36,8 34,4

freie Gew. 26,7 37,7 29,7 58,6 37,1 38,4 25,3 33,4 42,6 25,0 41,1 24,3 30,5 22,3 28,1 23,1 25,9 34,7 24,9 58,2 16,3

christl. Gew. 5,5 9,4 10,7 6,9 6,0 9,2 6,9 7,1 4,4 7,4 5,8 3,0 4,4 21,0 0,7 2,4 3,3 0,9 1,6

DAB 2,5 0,8 0,6 1,2 1,9 0,6 0,3 2,8 0,8 0,8 0,6 -

H.-D. 23,3 15,1 21,5 13,8 30,5 36,9 52,6 17,6 32,5 36,1 19,6 41,3 29,2 44,2 43,0 17,6 3,8 23,9 15,7 2,9 9,8

komm. Liste 7,8 1,6 6,9 1,2 2,8 2,2 2,2 1,4 4,4 3,4 1,3 2,3 0,6 4,7 1,5 1,6 4,4 0,9 37,7

NS 325 91 102 40 167 77 210 204 132 71 190 227 122 393 307 346 133 131 374 126 56

Wahlberechtigte 39,0 37,3 39,3 18,2 41,2 32,8 32,2 38,5 36,1 37,3 27,7 41,5 59,3 48,3 46,1 22,5 63,7 52,0 58,6 37,1 22,9

freie Gew. 23,6 32,5 19,1 69,6 38,4 41,1 31,1 36,9 48,7 34,3 41,6 27,0 32,4 20,0 33,1 22,8 24,2 32,8 24,6 52,5 20,8

christl. Gew.

1933

Quelle: HA Krupp WA 41/6-190.

DAB = Deutscher Arbeiterbund, H. D. = Gewerkverein Hirsch-Duncker, komm. Liste = Rote Betriebseinheitsliste, NS = Nationalsozialisten

Hammerwerk I Schmiedepreßw. II Federnwerkstatt Gießerei 2 " 3 " 4 Glühhaus 1. mech. Werkst. Rep. Werkst. 4 Werkzeugmacherei Maschinenbau 21 7 " 2 Gießerei 5/7 Lokomotivbau Kleinbau 2 " 1 " 4 Elektr. Anlagen Widia-Anlage Kraftwagenhallen

Wahlberechtigte

1931

5,5 9,6 4,2 3,0 7,0 5,4 12,7 12,8 2,9 9,8 6,0 1,8 2,3 2,2 20,6 3,2 4,8 3,5 0,8 2,1

DAB

31,7 20,4 37,2 9,1 13,2 20,5 24,0 11,7 15,1 25,4 20,8 25,5 6,5 29,4 18,6 34,1 8,9 10,4 13,3 9,5 54,2

NS

denen die christlichen Gewerkschaften eindeutig an der Spitze standen und im Glühhaus einer Abteilung mit wenig qualifizierter Belegschaft, in der die kommunistische Liste ihr bestes Ergebnis erzielen konnte. Die ›Christen‹ schnitten am besten ab im Blechwalzwerk, der Gießerei 2, der Reparaturwerkstatt 2, die einen minimalen Hilfsarbeiteranteil aufwies (1932/33 5,0%), in Maschinenbau 21, wo 1931 42% zu den Unproduktivarbeitern (Hilfsarbeitern) zählten, und in der Widia-Anlage. Da es sich dabei um unterschiedlich strukturierte Abteilungen handelte, dürfte für die Stärke der christlichen Gewerkschaften eine günstige konfessionelle Zusammensetzung ausschlaggebend gewesen sein. Der ›Deutsche Arbeiterbund‹ hatte in Kleinbau 2 seine Hochburg. In Abteilungen mit hohem Qualifikationsgrad erreichte der DAB nur minimale Resultate. Die kommunistische Liste schnitt in Abteilungen mit besonders harten Arbeitsbedingungen und niedriger Qualifikation mit am besten ab, wie dem Hochofenwerk und dem Glühhaus. Die gewerkschaftliche Bindung war bei solchen Arbeiter- und Funktionsgruppen am schwächsten ausgeprägt. Auch in den beiden Abteilungen, die sich schon beim Streik im Vorjahr hervorgetan hatten - Maschinenbau 7 und Gießerei 5/7 - konnten die Kommunisten Erfolge verbuchen. Die Gießerei 5/7 verzeichnete einen minimalen Hilfsarbeiteranteil, hatte also unter den Akkordkürzungen des Vorjahres besonders zu leiden gehabt. Die anderen Gießereien, in denen die kommunistische Liste schwächer blieb, hatten einen Hilfsarbeiteranteil zwischen 30 und 50 %. Bei der Wahlentscheidung gaben häufig abteilungsinterne Gründe den Ausschlag. Daß eben nicht nur unorganisierte Hilfsarbeiter die kommunistische Liste wählten, war auch an der Werkzeugmacherei zu sehen, in der ihr Stimmanteil ungefähr doppelt so hoch lag, wie der Hilfsarbeiteranteil. Bemerkenswert schwach blieben die Kommunisten in Kleinbau 1, der Abteilung mit der wohl körperlich leichtesten Arbeit in der Gußstahlfabrik, in der Schrauben und Muttern hergestellt wurden, und in der Widia-Anlage, einem Aktivposten von Krupp auch in der Wirtschaftskrise. Denn in dieser Anlage wurde ein technologisches Spitzenprodukt von Krupp hergestellt - ein speziell gehärtetes Sintermetall. Wahrscheinlich hatte die Firma dort eine Auswahl ihrer besten Hüttenarbeiter versammelt. Für die Nationalsozialisten waren die Kraftwagenhallen 1931 ein absoluter Sonderfall. Unter den Kraftfahrern befanden sich vermutlich zahlreiche ehemalige Angehörige der Reichswehr oder von Wehrverbänden. Hier arbeitete der spätere DAF-Gauwalter in Essen, Fritz Johlitz, der auch Inhaber des einzigen Mandats im Arbeiterrat war, das die Nationalsozialisten 1931 erringen konnten.12 Die Stärke der Kommunisten in den Betrieben der Hüttenindustrie, besonders den unmittelbaren Feuerbetrieben, war in anderen schwerindustriellen Unternehmungen des Ruhrgebiets noch stärker ausgeprägt. In der zum Krupp-Konzern gehörenden Friedrich-Alfred-Hütte in Rheinhausen erreichte die RGO bereits 1930 mit 2187 Stimmen weit mehr als die freien 186 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und christlichen Gewerkschaften mit 1285 bzw. 1485 Stimmen. Ähnlich gut schnitt sie z. B. beim Bochumer Verein oder bei der Mannesmann AG ab. 13 Die kommunistischen Stimmen kamen hautpsächlich von Unorganisierten, die angesichts von Arbeitslosigkeit» Feierschichten und Lohnabbau sich von den traditionellen Gewerkschaften nicht mehr vertreten fühlten. In der Hüttenindustrie überwogen angelernte Arbeiter. Die Mitgliederstruktur des freigewerkschaftlichen DMV bestimmten jedoch eindeutig die Facharbeiter. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Ruhreisenindustrie war gering. Der Bezirk Essen des DMV, der 1921 als Folge der Novemberrevolution den minimalen Mitgliederstand der Vorkriegszeit auf über 143000 verbessern konnte, verzeichnete 1930 nur noch 51 000 Mitglieder. Die anderen hatten den Verband bereits bis 1924 verlassen. Der Organisationsgrad im Gesamtbezirk der nordwestlichen Gruppe der Metallindustrie betrug etwa ein Drittel.14 In den reinen Hüttenwerken an der Peripherie des Ruhrgebiets lag er noch weit darunter. Um so erstaunlicher war es, daß der DMV im Gesamtbezirk Nordwest 1931 52,9 % der Sitze im Arbeiterrat für sich behaupten konnte, der christliche Metallarbeiterverband 23% und die kommunistischen Listen nur 12% erzielen konnten. Die Stärke der Kommunisten war ein lokales Phänomen einzelner Großbetriebe der Eisenindustrie des Bezirks.15 Welche Rückschlüsse aus den kommunistischen Erfolgen auf die Einstellung der Arbeiterschaft zur gewerkschaftlichen Interessensvertretung zu ziehen waren, wird am Ende dieses Kapitels zusammenfassend behandelt. Die Betriebsratswahlen 1932 fielen aufgrund einer Verordnung des Reichsarbeitsministers aus. Eine Notverordnung vom Dezember 1931 hatte ihm die entsprechende Rechtsgrundlage dafür gegeben. Die nächsten Betriebsratswahlen fanden im März 1933 statt - unter veränderter politischer Situation. Kommunistische Listen traten häufig nicht mehr an. Im Bochumer Verein bewarb sich 1933 nochmals die RGO, sie konnte aber nur 4,76 % der Stimmen erzielen (1930 = 34,78 % ) , während die Nationalsozialisten auf 42,86 % der Stimmen kamen.16 In der Kruppschen Gußstahlfabrik war die Zahl der Wahlberechtigten von 17027 (1931) auf 14322 (1933) zurückgegangen. Da ungelernte und vorrangig jüngere Arbeiter am ehesten entlassen worden waren, verringerte sich wohl das ehemalige Wählerpotential der Kommunisten am stärksten. Im Januar 1933 wurden noch fünf kommunistische Betriebsratsmitglieder wegen »politischer Agitation und Aufforderung zu Kampf und Streit« fristlos entlassen.17 Ein genauer Vergleich mit den Wahlergebnissen von 1931 war in manchen Fällen dadurch erschwert, daß die personelle Zusammensetzung der einzelnen Abteilungen durch Entlassungen und Zusammenlegungen verändert war. Deutlich über ihrem Gesamtergebnis von 37,45 % blieben die freien Gewerkschaften 1933 in den Walzwerken, Maschinenbau 2, Gießerei 5/7, Lokomotivbau, Kleinbau 4 und den elektrischen Anlagen, wo sie auf 187 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ehemals kommunistische Stimmen zählen konnten. Thesenhaft zugespitzt läßt sich daraus schließen: Wo qualifizierte Arbeiter vor 1933 für die kommunistische Liste gestimmt hatten, entschieden sie sich 1933 überwiegend für die freien Gewerkschaften. In Kleinbau 1 hielten die ›Freien‹ ihre überragende Position. Größere Gewinne im Vergleich zu 1931 erzielten sie auch in den Gießereien, dem Glühhaus, der Reparaturwerkstatt 4 und Maschinenbau 7. Schmerzliche Verluste erlitten sie im Hochofenwerk, Martinwerk 7, Blechwalzwerk, der Stahlformerei, Kleinbau 2 und den Kraftwagenhallen. Dies waren, abgesehen von dem letzteren Sonderfall, durchweg Abteilungen mit niedriger Qualifikationsstruktur, in denen die Kommunisten mit Ausnahme des Hochofenwerks 1931 schwach abgeschnitten hatten. Die Verluste gingen voll auf das Konto der Nationalsozialisten. Auch die christlichen Gewerkschaften konnten in etlichen Abteilungen von ehemals kommunistischen Stimmen profitieren, wie in der Gießerei 2, dem Glühhaus, der Reparaturwerkstatt 4 und der Werkzeugmacherei. An die Nationalsozialisten in erheblichem Maße abgeben mußten sie, ähnlich den freien Gewerkschaften, in Abteilungen mit geringer Qualifikation (Hochofenwerk, Stahlformerei), jedoch auch in der Federnwerkstatt, die 1931 einen 18%igen Hilfsarbeiteranteil aufwies. Welche Rolle bei der Wahlentscheidung der angelernte Status ausübte, ist nicht zu eruieren, da die Betriebsberichte, wenn überhaupt, neben den Hilfsarbeitern nur entweder die Bezeichnung Akkordarbeiter, Facharbeiter oder Produktivarbeiter verwendeten und Angelernte nicht gesondert aufgeführt wurden. Der ›Deutsche Arbeiterbund‹ konnte sich bei der Wahl 1933 behaupten und wurde von den Nationalsozialisten nicht aufgesogen. Traditionell wirtschaftsfriedlich eingestellte Arbeiter sahen in den Nationalsozialisten keine Alternative. Sie agierten ihnen zu kämpferisch, im Klartext, klassenkämpferisch. Daraus kann man schließen, daß diejenigen Arbeiter, die den Nationalsozialisten ihre Stimme gaben, nicht unbedingt eine harmonische ›Betriebsgemeinschaft‹ mit den Arbeitgebern anstrebten und daß die nationalsozialistische Betriebsratsliste diesen Eindruck auch nicht erweckte. Die Nationalsozialisten schnitten auf breiter Front gut ab. Über 50 % erreichten sie im Hochofenwerk, der Stahlformerei und den Kraftwagenhallen. Bei der letztgenannten Abteilung handelte es sich, wie bereits erwähnt, um einen Sonderfall. Die Gewinne im Hochofenwerk kamen zum großen Teil von den ehemals kommunistischen Wählern, in der Stahlformerei dagegen zu gleichen Teilen von allen Gruppierungen. Blickt man auf die Gießereien, so waren die Nationalsozialisten dort am stärksten, wo der höchste Qualifikationsgrad vorlag, nämlich in der Gießerei 5/7. Diese Abteilung war schon zuvor durch eine ausgeprägte Konfliktbereitschaft aufgefallen, und diese Disposition ließ die Belegschaft in hohem Maße nicht zu den traditionellen Gewerkschaften, sondern zu den Nationalsozialisten abwandern. Unter den Abteilungen mit hohem NS-Anteil 188 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

war - trotz des gegenteiligen Befundes bei der Gießerei 5/7 - das Kriterium niedrige Qualifikationsstruktur im allgemeinen aber häufiger anzutreffen. Allein ausschlaggebend war es jedoch nicht. Schwach blieben die Nationalsozialisten in einigen hochqualifizierten Betrieben, wie den elektrischen Anlagen und der Widia-Anlage, aber auch im Kleinbau 1, in denen die Kommunisten 1931 nur geringe Resonanz gefunden hatten. Die Gleichung hoher kommunistischer Stimmenanteil 1931 gleich hohe nationalsozialistische Gewinne 1933 ging nicht immer auf. Den Nationalsozialisten gelangen Einbrüche auch in die Wählerschaft der freien und christlichen Gewerkschaften, mit Einschränkung auch bei qualifizierten Arbeitergruppen. 18 Daß die Arbeiter, die auf betrieblicher Ebene für die Nationalsozialisten gestimmt hatten, nun überzeugte Anhänger der NSDAP und ihrer Ziele geworden waren, ist nicht zu vermuten. Man versprach sich, so war wohl anzunehmen, von nationalsozialistischen Betriebsvertretern entweder einen erfolgversprechenderen Einsatz für bessere Arbeitsbedingungen oder eine Rückversicherung gegen Arbeitslosigkeit, da die neue Regierung weitreichende Schritte auf diesem Gebiet angekündigt hatte, oder man drückte damit nur seine Protesthaltung gegenüber den traditionellen Gewerkschaften aus, die es nicht vermocht hatten, Sozial- und Lohnabbau und Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Die Arbeitergruppe, die bei den Kruppschen Betriebsratswahlen 1933 die Nationalsozialisten wählte, war uneinheitlich und ließ sich nicht auf das NS-Wählerreservoir verengen, das Herbert Kühr und Richard Hamilton innerhalb der Essener Arbeiterschaft bei den politischen Wahlen ausgemacht haben, nämlich Arbeitslose und überwiegend protestantische ältere Arbeiter, die zuvor DNVP und DVP gewählt hatten und agrarische Bindungen aufwiesen.19 Dieses Reservoir hatten Nationalsozialisten und Deutscher Arbeiterbund bereits 1931 ausgeschöpft. Zudem entschieden auf Betriebsebene andere Faktoren als bei den politischen Wahlen. Der bodenständige, langjährige Krupparbeiter, der respektable Facharbeiter, war unter den Wählern der NS-Liste 1933 ebenso zu finden, wie der jüngere Ungelernte. Nur mit der Gewinnung einer speziellen Arbeiterschicht waren die NS-Erfolge in den verschiedensten Abteilungen nicht zu erklären. Der gemeinsame Nenner aller NS-Wähler bei Krupp bestand in fehlender Gewerkschaftsbindung und - speziell für katholische Arbeiter, so steht jedenfalls zu vermuten - fehlenden kirchlichen Bindungen.20 Über zwei Drittel der Arbeiter blieben dagegen auch 1933 den christlichen und freien Gewerkschaften treu. Daß der Rest sich schon auf dem zielstrebigen Marsch ins ›Dritte Reich‹ befand, kann bezweifelt werden, wenn man bedenkt, daß gerade auch konfliktbereite Arbeiter aus dem ehemaligen Lager der ›Roten Betriebseinheitsliste‹ zu den Nationalsozialisten übergeschwenkt waren. 189 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

2. Radikalisierung im Ruhrbergbau Die Symptome der politischen Radikalisierung waren bei den Betriebsratswahlen im Ruhrbergbau noch viel deutlicher zu erkennen als bei Krupp. Der Vertrauensverlust des freigewerkschaftlichen Bergarbeiterverbandes, des ›Alten Verbandes‹, im gesamten Ruhrbergbau war in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre immens und wurde nur von 1926 bis 1929 kurzzeitig unterbrochen, um dann in der Wirtschaftskrise wieder voll durchzuschlagen. Noch 1925 hatte die kommunistische ›Union der Hand- und Kopfarbeiten im Ruhrbergbau 29,1 % der Stimmen erzielen können, gegenüber 40,5 der freien und 23,3 % der christlichen Gewerkschaften.21 Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Ruhrbergleute war gering. Im Frühjahr 1927 waren von rund 415 000 Bergarbeitern ca. 60 000 im freigewerkschaftlichen Alten Verband organisiert. Davon waren 1949 KPD-Mitglieder. Die Organisationsquote verbesserte sich leicht bis 1930 - infolge eines neuen Mitgliederzuwachses und infolge des krisenbedingten Abbaus der Belegschaften - auf 19 %. 22 Diese Ziffern waren noch regional zu differenzieren. Vor allem in den Großzechen des nördlichen und westlichen Ruhrgebiets, die erst kurz vor der Jahrhundertwende oder danach entstanden waren und deren Belegschaften sich überwiegend aus Zugewanderten aus den östlichen Teilen des Reiches rekrutierten, hatten die Bergleute bis zum Ersten Weltkrieg kaum Anschluß an die Gewerkschaften oder die Sozialdemokratie gewonnen. Die Politisierung im Gefolge der Novemberrevolution führte diese Bergleute in das Lager syndikalistischer und kommunistischer Gruppierungen, da sie die kompromißbereite Haltung der freigewerkschaftlichen und christlichen Verbände aus ihrer unmittelbaren Erfahrungssituation heraus nicht nachvollziehen konnten. Die Prägung durch die Streiks und Kampfaktionen zu Beginn der Weimarer Republik bestimmte die politische Grundeinstellung dieser Bergleute und führte sie unter den Anzeichen der verschärften politischen und wirtschaftlichen Krise der Revolutionären Gewerkschaftsopposition zu, die nunmehr im Gefolge einer neuen kommunistischen Gewerkschaftstaktik bei den Betriebsrätewahlen antrat.23 Die RGO und ihr Ableger, der Einheitsverband der Bergarbeiter Deutschlands, konnten bei den Betriebsratswahlen 1931 auf Kosten des Alten Verbandes 29,0% der Stimmen erringen, überrundeten damit den christlichen Verband und kamen nahe an den Alten Verband heran (s. Tab. 29). Noch größere Gewinne konnten die Kommunisten in den bereits erwähnten Großzechen des westlichen und nördlichen Ruhrgebiets erzielen. In der Schachtanlage Friedrich Thyssen 4/8 der Vestag in DuisburgHamborn, die schon in den revolutionären Kämpfen der frühen Republik eine besondere Rolle gespielt hatte, erreichte die RGO 72,0% der Stimmen. Der Alte Verband und die ›Christen‹ wurden mit 6,6 bzw. 9,8 % fast zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Besser schnitt da noch die NSBO mit 190 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 29: Betriebsrätewahlen im Ruhrbergbau 1929-1933 abgegebene Stimmen freie Gewerkschaften christl. Gewerkschaften Hirsch-Duncker Poln. Berufsvereinigung Syndikalisten RGO wirtschaftsfriedl. Arbeiterverbände Nationalsozialisten Sonstige

1929

1930

1931

1933

296 100 57,7% 25,7% 1,3% 0,2% 1,1% 10,0% 3,0% 1,0%

295400 43,6% 26,3% 1,1% 0,1% 1,5% 23,3% 3,0% 1,1%

224100 36,4% 24,2% 0,8% 0,1% 0,6% 29,0% 4,0% 4,2% 0,9%

151200 30,6% 23,0% 0,0% 9,3% 4,0% 30,9% 2,4%

Quelle: Martin Martiny, Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr vom Scheitern der Räte- und Sozialisierungsbewegung bis zum Ende der letzten parlamentarischen Regierung der Weimarer Republik (1920-1930), in: Jürgen Reulecke (Hg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen, Wuppertal 1974, S. 241-273, 253.

Tab. 30: Betriebsratswahlen bei der Concordia Bergbau AG, Oberhausen 1930-1933 Wahlberechtigte Wahlbeteiligung Alter Verband Christi. Verband Hirsch-Duncker Kommunisten Nationalsozialisten

(%) (%) (%) (%) (%) (%)

1930 4168 88,1 36,8 30,9 32,3 -

1931 3605 88,8 30,6 29,1 1,4 38,9 -

1933 2314 92,9 23,5 34,5 17,4 24,6

Quelle: WWA, F 26 Nr. 390. (Ergebnisse der Schachtanlagen 2/3 und 4/5).

10,4% ab. Im Schacht Neumühl, ebenfalls ein klingender Namen aus Zeiten der Roten Ruhrarmee, verbuchte die RGO 54,7% der Stimmen.24 Nicht nur in Hamborn konnte die RGO große Erfolge erzielen, auch Zechen in Oberhausen und Recklinghausen lassen sich als Beispiel anführen. Bei der Bergwerks AG Recklinghausen erreichte die RGO 1930 33 Betriebsratssitze gegen 22 der freien und 25 der christlichen Gewerkschaften.25 Auf 38,9% der Stimmen kam die RGO 1931 bei der Concordia Bergbau AG und damit ebenfalls über den Gesamtdurchschnitt im Ruhrbergbau (s. Tab. 30). Im allgemeinen unter dem Durchschnitt lag die RGO dementsprechend bei den älteren Zechen, die entlang der Ruhrlinie und im östlichen Ruhrgebiet lagen und in denen ein Bergarbeitertypus mit längerer Berufstradition 191 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

vorherrschte. In der am südlichen Rand des Ruhrgebiets gelegenen Zeche Caroline in Holzwickede, die durch den bereits beschriebenen freiwilligen Lohnverzicht von sich reden machte, hatte die RGO nichts zu melden. Die bodenständig verwurzelte Bergarbeiterschaft der Zeche Caroline schickte 1931 sechs Freigewerkschaftler und zwei ›Christen‹ in den Betriebsrat, die auf einer ›Einheitsliste zur Erhaltung des Betriebes‹ kandidiert hatten. Die Nationalsozialisten, die sich ebenfalls beworben hatten, erhielten keinen Sitz.26 Die drohende Arbeitslosigkeit führte bei dieser Zeche nicht zur politischen Radikalisierung, sondern zum gemeinsamen Vorgehen mit der Betriebsleitung. Auf den Tagesanlagen der Zechen waren die Verhältnisse zum Teil völlig anders. In der Zentralkokerei, die zur Schachtanlage Friedrich Thyssen 4/8 in Hamborn gehörte, erreichten die freien Gewerkschaften die Mehrheit, die RGO trat nicht an. In der Hafenanlage des Bergwerks AG Recklinghausen schnitt die Gewerkschaftsopposition schwach ab. 27 Diese Beobachtung weist auf die besondere Bedeutung der Arbeitsbedingungen und Solidaritätsbeziehungen untertage hin. Im Zusammenhalt der Gedingekameradschaften untertage konnte sich ein eigenständiges, auf gemeinsamem Erleben beruhendes entschiedenes Unrechtsbewußtsein entfalten. Die Annäherung an die Bedingungen der Fabrik, der damit einhergehende Statusverlust des Hauers, die Arbeitsintensivierung, daneben die weit reichende Unsicherheit des Arbeitsplatzes und der reaktionäre Kurs der Zechenunternehmer wurden insgesamt aus diesem Bewußtsein heraus beurteilt. Besonders bei den aus dem Osten zugewanderten Bergleuten, die keinerlei Gewerkschaftsbindung aufwiesen und für die das defensive Verhalten der traditionellen Gewerkschaftsverbände nicht mit der eigenen klassenspezifisch geprägten Konflikterfahrung in Einklang zu bringen war, entwickelte sich eine Affinität zu radikalen Positionen, die in Krisenzeiten verhaltensprägend wirken konnte. Im Unterschied zur Situation im Ruhrgebiet zu Beginn der Republik blieb aber in der Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre eine Protestund Mobilisierungsbereitschaft, die über die bloße Stimmabgabe hinausreichte, begrenzt. Die Angst vor Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Not und die rigoros gehandhabten Disziplinierungsinstrumente der Zechenleitungen waren ein wirksames Gegenmittel. Jeweils zu neuen Tarifverhandlungen bzw. Lohnabbaurunden rief die RGO die Bergleute zu Massenstreiks auf, die jedoch wegen mangelnder Beteiligung nach ein bis zwei Tagen zusammenbrachen. Zu ›selbstmörderischen‹ Aktionen waren nur wenige Bergleute bereit, auch wenn sie bei den Betriebsratswahlen ihre Stimme der RGO gegeben hatten. Das Höchstmaß an Mobilisierung erreichte die RGO bei ihrem Streik in den ersten Januartagen des Jahres 1931, der sich gegen die rigiden Lohnabbauforderungen der Unternehmer wandte. Der Streik fand gegen den ausdrücklichen Willen der freien und christlichen Gewerkschaften statt, die 192 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

sich von weiteren Schlichtungsverhandlungen ein besseres Ergebnis erhofften. An dem Streik beteiligten sich etwa 15% der Ruhrbergarbeiter. Vor allem im Duisburger Raum dauerten die Streikaktionen mit bis zu 80%iger Beteiligung eine ganze Woche an. Bei der Bergwerks AG Recklinghausen zeigten sich die Belegschaften der Schachtanlagen, in denen kommunistische Betriebsratsmitglieder in der Mehrheit waren, besonders streikbereit. Nach drei Tagen wurde jedoch die Zahl der Streikenden immer geringer. Bei der Bergwerksgesellschaft Hibernia streikten nur in zwei Schachtanlagen 5 bzw. 177 Bergleute. Der Streik brach rasch zusammen, als 15 Bergleute, die zum Streik aufgerufen hatten, darunter 7 Betriebsräte, fristlos entlassen wurden. Die geographische Herkunft der Entlassenen bestätigt die größere Protestbereitschaft der ins Ruhrgebiet Zugewanderten. Von den 15 Entlassenen waren 8 in Ostpreußen, Schlesien und Posen geboren und jeweils einer in Lothringen und in Österreich.28 Auf der Schachtanlage 4/5 der Concordia Bergbau AG versuchten Erwerbslose die Anfahrt der Bergleute zu verhindern. Einem ehemaligen wahrscheinlich freigewerkschaftlichen - Betriebsratsmitglied gelang es, die Belegschaft zur Arbeit zu bewegen. Auf dem Schacht 2/3 konnte der dortige kommunistische Betriebsratsvorsitzende nur durch persönlichen Einsatz, der seine sofortige Entlassung zur Folge hatte, eine Streikbeteiligung von 22 % erzielen. Am zweiten Tag waren es jedoch nurmehr 6,7 %, nachdem allen Streikenden die Entlassung angedroht worden war. 31 Mann wurden schließlich auf beiden Schachtanlagen als »Rädelsführer« entlassen. Der Concordia-Generaldirektor Dechamps konnte seinem Aufsichtsratsvorsitzenden das Ende des Streiks mitteilen und mit Genugtuung feststellen, »daß unsere gesprächsweise Mitteilung, einige hundert Bergleute baldigst abbauen zu müssen, zu dem schnellen Erlöschen des Streiks beigetragen hat«.29 Die RGO konnte ihre Wahlerfolge nicht in eine zielbewußte Kampfbereitschaft umsetzen. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wog schwerer als die soziale Unzufriedenheit. Mit ihrem Wahlverhalten gaben im Jahre 1931 fast 30% der Ruhrbergleute ihrem Protest gegen die nichtkommunistischen Verbände zwar Ausdruck, aber sie erteilten der RGOPolitik kein Mandat. Die kommunistischen Verbände waren organisatorisch schwach, litten unter hoher Fluktuation und zählten überwiegend Erwerbslose in ihren Reihen. Die wahre Stärke bzw. Schwäche der kommunistischen Verbände spiegelten die Betriebsratswahlen des Jahres 1931 nicht wider. Die RGO-Politik konzentrierte sich immer mehr auf ihren erklärten Hauptgegner, den Sozialfaschismus, nämlich die Sozialdemokratie und die freien Gewerkschaften, und erhob die Zerschlagung der Gewerkschaften zum Programm. Die erwarteten großen Erfolge in der Revolutionierung der Massen blieben aus, die Aktivitäten liefen ins Leere, dienten nur noch dem Selbstzweck der Organisation oder brachten als einziges Resultat den Verlust des Arbeitsplatzes mit sich. Dies verstärkte 193 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

die Fluktuation und auch Frustration innerhalb der Mitglieder- und Wählerschaft der RGO.30 Daß die RGO ihren Zenit überschritten hatte, bewiesen einzelne Betriebsratswahlen, die Ende 1931 und 1932 wiederholt werden mußten, und weitere Streikaufrufe, die geringe Resonanz fanden. Am 1. Oktober 1931 legten aus Protest gegen eine neuerliche Notverordnung zum Abbau der Löhne nur 6,25% der Zechenbelegschaften des Ruhrgebiets die Arbeit nieder. Eine Betriebsratswahl auf der Zeche de Wendel in Hamm vom Dezember 1931 erbrachte der RGO 46,3% der Stimmen gegen 53,8% im Frühjahr. Der Alte Verband konnte sich von 24,1 auf 34,6% verbessern. Ein erneutes Aufflackern betrieblicher Streiks im Herbst 1932 ging an den Zentren des RGO-Einflusses vorbei. Dort blieb alles ruhig.31 Bei nachgeholten Betriebsratswahlen in einzelnen Zechen Ende 1932 und Anfang Januar 1933 verlor die RGO selbst in ihren Hochburgen. Auf der Schachtanlage Beeckerwerth in Duisburg, die erst 1923 die Förderung aufgenommen hatte, sanken die Kommunisten von 61 auf 35,9% der Stimmen ab, während die freien Gewerkschaften von 22 auf 36 % anstiegen. Die erstmals antretenden Nationalsozialisten konnten 10,3 % erzielen.32 Die Betriebsratswahlen vom März 1933 erbrachten deutliche Verschiebungen. Der Abwärtstrend der RGO setzte sich fort. Selbst wenn man bedenkt, daß Kommunisten vorrangig entlassen worden waren, der Wahlkampf für die kommunistischen Kandidaten sehr erschwert war und sie erhebliche persönliche Risiken eingingen, ließen sich diese Verluste nicht allein durch restriktive Bedingungen erklären. Ehemals kommunistische Wähler schwenkten zu den Nationalsozialisten über, die nunmehr zur stärksten Gruppierung wurden. Doch auch der Alte Verband verlor erheblich an die Nationalsozialisten, wenn man berücksichtigt, daß ein Teil der RGO-Wähler zum freigewerkschaftlichen Verband zurückkehrte (s. dazu Tab. 29 und 30). Die Wählerschaft der Nationalsozialisten war durchaus heterogen. Anfällig waren ›Protestwähler‹, die zuvor für die RGO gestimmt hatten. Sicher spielte auch ein opportunistisches Kalkül eine gewichtige Rolle, denn die NSBO schien jetzt die Gewerkschaft werden zu können. Unter bodenständigen, traditionellen Bergleuten, besonders mit agrarischer Bindung, an der Peripherie des Ruhrgebiets, konnten die Nationalsozialisten ebenfalls Erfolge erzielen. Eine ausgeprägte bergbauständische Tradition kam den Nationalsozialisten entgegen, da sie selbst einer Ständeideologie anhingen. Auf der Zeche Caroline in Holzwickede erhielt die NSBO 1933 35,8% der Stimmen. Dem Betriebsrat der Zeche Lohberg in Dinslaken gehörten 1933 sieben Mitglieder der NSBO an, neben je zwei der christlichen und freien Gewerkschaften. Ein weiterer Einzugsbereich waren die Ungelernten in den Tagesbetrieben. In den Betriebsräten der Kokereien, die zu den Schachtanlagen Friedrich Thyssen 3/7 und 4/8 in Hamborn gehörten, saßen mehrheitlich NSBO-Mitglieder.33 194 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Für den Erfolg der NSBO, der »nicht sehr überwältigend ausfiel«, machte Klaus Wisotzky die »Anpassung an den vermeintlichen Sieger sowie die Furcht vor Repressalien«34 verantwortlich. Diese Interpretation berücksichtigt jedoch nicht, daß das Wahlergebnis im Vergleich zu anderen Branchen herausragend war. Die genannten Bergarbeitergruppen wiesen eben doch eine gewisse Anfälligkeit für den Nationalsozialismus auf. Die NSBO konnte durchaus auf bewußte Zustimmung stoßen. Mit klassenkämpferisch-antikapitalistischer Phraseologie sprach sie weitverbreitete Ressentiments an. Die alltägliche Konkurrenzsituation zu anderen Gewerkschaften drängte sie zu verstärktem Engagement in der unmittelbaren Betriebspolitik. In der Situation des Frühjahrs 1933 mochte die NSBO manchen Arbeitern, die keine engere Gewerkschaftsbindung aufwiesen, als Alternative erscheinen. In der Praxis rutschte die NSBO jedenfalls, wie Hans-Gerd Schumann beobachtet hat, in der zweiten Hälfte des Jahres 1932 nach links. Angesichts der aussichtslosen Lage auf dem Arbeitsmarkt bot die NSBO und damit das nationalsozialistische Programm der Arbeitsbeschaffung zumindest einen Hoffnungsschimmer.35

3. Protest und Anpassung bei IG Farben In der chemischen Industrie war eine ähnlich schwach ausgeprägte Gewerkschaftsbindung wie im Ruhrbergbau anzutreffen. Ungelernter Status, ländliche Herkunft und hohe Fluktuation bestimmten die Arbeiterschaft bis in die zwanziger Jahre. Dies waren Faktoren, die einer gewerkschaftlichen Organisierung geradezu entgegenstanden. Im Gefolge der Novemberrevolution konnte der Fabrikarbeiterverband seinen Mitgliederbestand zwar mehr als versechsfachen, von rund 110 500 (1917) auf 730000 (1922), danach sackte er jedoch wieder auf den Tiefstand von 325 700 (1924) ab. Er erholte sich bis 1928 davon nur in begrenztem Maße auf etwa 477 700, um in der Krise wieder leicht an Boden zu verlieren.36 Die umfassenden und massiven Arbeitskämpfe in den Werken des späteren IG Farbenkonzerns zu Beginn der zwanziger Jahre hatten die Belegschaften kurzzeitig politisch mobilisieren können, eine langfristige gewerkschaftliche Bindung entwickelte sich daraus nicht. Die unterschiedlichen Konfliktstrategien des Fabrikarbeiterverbandes, der auf Kompromisse im Rahmen des Möglichen bedacht war, und eines Großteils der Chemiearbeiterschaft, die oft aus geringfügigen Anlässen zu einer sprunghaft aufflakkernden Protestbereitschaft neigte, ließen sich nicht vereinbaren. Ein recht einprägsames Schema für den Verlauf solcher Arbeitskonflikte in der Chemie zu Beginn der Weimarer Republik wußte der Fabrikarbeiterverband in einer 1930 erschienenen Festschrift zu beschreiben: 195 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

» . . . zunächst wüste Agitation gegen die ›klassenverräterische‹ Verbandsleitung, Hineinwerfen irgendwelcher Parolen in die durch die wüste Agitation aufgeregten Arbeitermassen, Aufpeitschung der Leidenschaften bis aufs Äußerste, Massenstreik aus kleinen Anlässen unter Bruch des Tarifvertrags, unter Ausschaltung der verantwortlichen Verbandsleitung und unter Außerachtlassung aller Grundregeln des gewerkschaftlichen Kampfes, Falschmeldungen über Sympathiestreiks zur bewußten Täuschung der irregeleiteten Streikenden, Parolen zur Steigerung des Kampfes zum Generalstreik in der gesamten chemischen Industrie bis zum Einheitskampf des gesamten Proletariats und zur Weltrevolution. Das war die Schablone, nach der sich alle wilden Streiks in jener Zeit abspielten, die alle mit schweren Niederlagen der Arbeiterschaft, mit der Stärkung der Unternehmerposition, mit der Zertrümmerung der örtlichen Gewerkschaftsorganisation, aber auch mit zurückgehendem Einfluß der Kommunistischen Partei endeten.«37 Die Entfremdung zwischen der Gewerkschaft und weiten Kreisen der Chemiearbeiterschaft war Folge der unterschiedlichen Auffassungen vom Ablauf industrieller und sozialer Konflikte. Gewerkschaftlich organisiert waren deshalb in den Werken der IG Farben nur wenige Arbeiter. Unter diesen befanden sich hauptsächlich nur Handwerker, die auch die Betriebsratskandidaten der freien Gewerkschaften stellten. Auf den kommunistischen Listen waren dagegen ungelernte Betriebsarbeiter zu finden. Die gewerkschaftliche Bindung folgte damit den innerbetrieblichen Statusgrenzen, die durch den Qualifikationsstand vorgegeben waren. 20% der Beschäftigten waren 1926 im Werk Hoechst gewerkschaftlich organisiert. Wie gering dabei der Anteil der ungelernten Chemiearbeiter war, läßt sich nach dem Gesagten erschließen. Gewerkschaftliche Organisationsdisziplin war innerhalb der Chemiearbeiterschaft kaum vorhanden.38 Die Erfahrung, daß die Chemiearbeiter schwer zu organisieren waren, mußte auch der kommunistische ›Industrieverband der chemischen Industrie‹ machen. Die Arbeiter, die den Kommunisten bei den Betriebsratswahlen 1924 große Erfolge beschert hatten, ließen sich in die zentralistisch und hierarchisch aufgebaute Organisation nicht einbinden. Sie bevorzugten den direkten Weg des spontanen Protests, um ihre Interessen zu verfolgen.39 Die Erfolglosigkeit konkreter kommunistischer Betriebsarbeit, die Aussichtslosigkeit des Kampfes gegen die überlegene Macht des IG Farbenkonzerns, aber auch die konjunkturelle Besserung führten zu einem Rückgang des kommunistischen Stimmenanteils ab 1925. In Ludwigshafen trat ab 1926 keine Oppositionsliste mehr an (dazu und zum folgenden s. Tab. 31 und 32). Ab 1929 tauchten kommunistische Bewerber wieder bei den Betriebsratswahlen des pfälzischen Chemiewerks auf- ein neuer Gewerkschaftskurs der KPD war beschlossen-, an die Erfolge zu Beginn der Republik konnten die Kommunisten jedoch nicht mehr anknüpfen. Selbst 1931 verblieben sie auf dem für sie mageren Stand von 23,8 %. Im Leuna-Werk traten die Kommunisten 1929 erstmals wieder als Opposition zur Wahl an, nachdem sie in den Jahren zuvor eine Listenverbindung 196 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 31: Betriebsratswahlen bei IG Farben - Werk Leuna 1924-1933 (in %) Wahlbeteiligung freie Gewerkschaften christl. Gewerkschaften Kommunisten Werkverein Stahlhelm Nationalsozialisten Wahlberechtigte 1

1924

1925

1929

1930

1931

19331

92,3 27,1 71,2 9509

92,1 25,6 58,0 15,3 9508

92,7 32,8 3,3 51,3 9,6 19579

93,2 37,1 5,3 34,8 16,1 14755

93,4 30,9 5,3 35,9 6,2 4,7 10,9 10456

39,4 3,7 11,7 13,8 27,1 -

4,3 % der Stimmen müssen 1933 wahrscheinlich ungültig gewesen sein.

Quelle: Kämpfendes Leuna, S. 355 (nicht immer zuverlässig); Willibald Kater, Der Riese Leuna - ein kapitalistischer Gigant, in: Der Klassenkampf, Jg. 5, 1931, S. 137-147, 140; Die Betriebsrätewahl im Leunawerk, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 20, 16. 5. 1931; Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 12, 1.4. 1933. Die Wahlergebnisse berücksichtigen nur die Stimmen der Arbeiter.

Tab. 32: Betriebsratswahlen bei IG Farben - Werk Ludwigshafen 1924-1931 (in %) Wahlbeteiligung freie Gewerkschaften christl. Gewerkschaften Kommunisten NSBO

1924

1926

1928

1929

1930

1931

72,3 21,9 8,2 69,5 -

69,8 87,8 12,2 -

70,0 87,7 12,3 -

71,7 64,2 16,0 19,8 -

80,3 60,0 15,9 17,9 6,2

80,5 53,1 15,8 23,8 7,3

Quelle: Schiffmann, Revolution, S. 474 (Tab. 25). (nur die Arbeiterstimmen sind berücksichtigt)

mit den freien Gewerkschaften eingegangen waren. Sie verloren jedoch im darauffolgenden Jahr ihre Mehrheit und konnten sich bei der Wahl 1931 prozentual kaum verbessern. Da die Zahl der Wahlberechtigten von 1929 bis 1930 um fast 5000 abgenommen hatte, könnte man diesen Umstand für die Verluste der Opposition verantwortlich machen. In der Tat wurden kommunistische Betriebsräte, sofern sich nur die geringste Handhabe bot, umgehend entlassen. Bei der allgemeinen Belegschaftsverminderung wurden sicher werksbekannte Kommunisten zuerst bedacht. Der große Stimmenverlust war damit allein jedoch nicht zu erklären. Die KPD-Zelle und die RGO-Zelle im Leuna-Werk waren mit 40 bzw. 55 Mitgliedern nach Angaben des Leiters der Organisationsabteilung im ZK der KPD, Creutzburg, nur kleine sektiererische Gruppen und, nach Angaben Herbert 197 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

198

© 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

44,1 18,4 27,6 7,4

5703 65,0

Mai 1931

35,5 21,1 37,2 -

6977 77,9

67,0 33,0 -

Leverkusen März 19312

1930

Quelle: Bayer-Archiv 214/10 (Hoechst, Leverkusen); Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 254 (Leverkusen 1930).

2

40,2 16,0 35,4 6,6

5516 85,1

Hoechst März 1931

Von der Sozialabteilung fälschlich mit 31,4% angegeben. Ungültige Stimmen im März 1931 6,2%, im Aug. 1931 1,3%.

37,41 16,2 36,4 8,2

freie Gewerkschaften christl. Gewerkschaften Kommunisten Nationalsozialisten

1

6504 81,3

Wahlberechtigte Arbeiter Wahlbeteiligung

1930

Tab. 33: Betriebsratswahlen bei IG Farben - Werke Hoechst und Leverkusen 1930, 1931 I + II (in %)

32,9 20,1 32,5 13,2

7360 70,8

August 1931

Wehners, isoliert von der Masse der Belegschaft.40 Zu Beginn der zwanziger Jahre bildeten solche politisch motivierten Entlassungen häufig das Fanal für eine spontane Solidarisierung innerhalb der Belegschaft, sie konnten also gerade das Gegenteil bewirken und die Stimmung in den Betrieben aufheizen. Ein Blick auf zwei andere Werke der IG Farben gibt zu erkennen, daß die kommunistischen Verluste im Zusammenhang mit der RGO-Politik in den Betrieben zu sehen waren. In Hoechst und Leverkusen verloren die Kommunisten 1931 deutlich, obwohl die Belegschaften dort nicht solchen Veränderungen ausgesetzt waren (s. Tab. 33). In beiden Werken mußte die Märzwahl 1931 wiederholt werden, und in beiden waren die Kommunisten in der zweiten Wahl des Jahres die Verlierer. Bei der Maiwahl war die Wahlbeteiligung in Hoechst um 20 % niedriger als zwei Monate zuvor. Den Kommunisten gelang es nicht, ihre Wähler zu mobilisieren. Auch in Leverkusen war die Wahlbeteiligung niedriger, wenn auch nicht so ausgeprägt. Die eigentlichen Ursachen für die Verluste der Kommunisten waren in ihrer Politik zu suchen. Die RGO konnte für den Protest der Chemiearbeiter zwar eine Tribüne darstellen, den Anspruch auf eine wirksame Betriebspolitik konnte sie jedoch nicht erfüllen. Die Aktionen der RGO liefen ins Leere, sie konnten nicht einlösen, was sie zu versprechen vorgaben. Dem Urteil eines DDR-Historikers ist im Grundsatz zuzustimmen, wenn er diese RGO-Politik heftig kritisiert: So »entsprach die Arbeit der KPD in den Betrieben nicht den Anforderungen. Die verräterische Politik der Rechtssozialisten hat bei Mitgliedern der KPD und RGO zu sektiererischen Fehlern in der Arbeit geführt. So lehnten beispielsweise Mitglieder der RGO den Kampf um die Tagesinteressen der Werktätigen ab und orientierten (sich) nur auf das Endziel der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats.«41 Die Mehrheit der RGO-Mitglieder bestand aus Arbeitslosen, und diese prägten das Erscheinungsbild und die Politik der Organisation. Den Interessen der Beschäftigten entsprach vorrangig der Kampf gegen Entlassungen und Lohnabbau, für die Erhaltung des Arbeitsplatzes. 1930 verloren in Leuna die Kommunisten die Wahl, weil sie als Mehrheitsgruppe des amtierenden Betriebsrates die Massenentlassungen nicht hatten verhindern können. 1931 erlitten dagegen die freien Gewerkschaften Verluste, weil sie - nun in der Führung des Betriebsrates - ebenso machtlos den Entlassungen gegenüberstanden.42 Die Streikaktionen, zu denen die RGO in der chemischen Industrie, besonders in Leuna, aufrief, waren ein völliger Fehlschlag. In der Filmfabrik Wolfen ›streikten‹ einige wenige Arbeiter im Januar 1932, indem sie nach dem Besuch einer RGO-Versammlung zwei Stunden später zur Arbeit erschienen. Ähnlich war die Lage im Stickstoffwerk Piesteritz, wo viele Arbeiter noch am Vortag von einem Streikaufruf gar nichts wußten, 199 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

wie die KPD selbstkritisch feststellen mußte. In der DDR-Firmengeschichte des Leuna-Werks werden solche gescheiterten Aktionen dann in Streiks umgemünzt. Daß die Aktion im Leuna-Werk ein völliger Fehlschlag war, wird immerhin zugestanden. Eines zynischen Kommentars konnte sich das Organ des freigewerkschaftlichen Fabrikarbeiterverbandes angesichts der ›RGO-Streiks‹ nicht enthalten: »Man muß also schon annehmen, die KPD wollte den Unternehmern die Arbeit der Entlassung abnehmen.«43 Bezeichnend für die Stimmungslage in der Arbeiterschaft war, daß es in Ludwigshafen vom 19. Mai 1924 bis 1933 keine einzige Streikaktion mehr gab. In Ludwigshafen blieben die Kommunisten deutlich hinter ihren früheren Erfolgen zurück. Neben der organisatorischen Schwäche und betriebspolitischen Konzeptionslosigkeit der RGO stand eine veränderte Interessenlage der Beschäfigten. Einen doch noch gut bezahlten Arbeitsplatz und die betrieblichen Sozialleistungen des Chemiebetriebs wollte niemand mutwillig aufs Spiel setzen. Die Proteststimme bei den Betriebsratswahlen konnte der Unternehmensleitung deutlich machen, daß man nicht gewillt war, ihre Entlassungspolitik völlig widerspruchslos hinzunehmen. Für die alltägliche Interessenpolitik im Betrieb, für Fragen der Arbeitsbedingungen, der sozialen Absicherung, der Verkürzung der Arbeitszeit, also für konkrete Maßnahmen, um die Krisenfolgen zumindest abzumildern, war die kompromißbereitere, vorsichtigere Haltung der freien Gewerkschaften viel aussichtsreicher. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen konkreten Betriebspolitik, die auch schmerzliche Zugeständnisse einschloß, war bei einer Mehrzahl der Beschäftigten vorhanden.44 Die Betriebsratswahlen des Jahres 1931 in der Chemie waren auch nach einer anderen Richtung hin bemerkenswert. In einigen Großbetrieben der Chemie konnten die Nationalsozialisten im Vergleich zu anderen Betrieben und Branchen günstig abschneiden. In Leverkusen erhielten sie bei der zweiten Wahl, die deshalb stattfand, weil sie zur ersten nicht zugelassen worden waren, 13,2% der Stimmen, in Leuna 10,9%, bei Agfafilm Wolfen 13,0%, in Ludwigshafen und Hoechst 7,3 bzw. 7,4%. ›Der Arbeitgeben, die Zeitschrift der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, fand dies besonders auffällig, da die Nationalsozialisten erst im selben Jahr eine systematische Betriebsarbeit aufgenommen hätten und der Boden für die nationalsozialistischen Ideen in der Industriearbeiterschaft nicht sehr günstig sei.45 In der Tat hatten die Nationalsozialisten z. B. bei Krupp 1931 erst 4,47 % der Stimmen erreicht. Die Ergebnisse in den chemischen Großbetrieben waren wirklich untypisch. Die Ursachen dafür mußten deshalb in der Struktur der Chemiearbeiterschaft selbst zu suchen sein. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad war gering, besonders unter den ungelernten Chemiearbeitern. Der Ungelerntenstatus war m. E. jedoch allein nicht entscheidend. Aus ihm wäre eher auf eine Affinität zu den Kommunisten 200 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zu schließen. Zudem waren es auch qualifizierte Bergarbeiter, die im Ruhrgebiet ebenfalls nationalsozialistisch wählten. Entscheidender waren agrarisch-konservativea Sozialisationsfaktoren, wie sie schon im mitteldeutschen Braunkohlebergbau als Bedingung für die Stärke wirtschaftsfriedlicher Gruppierungen herausgestellt wurden. Aus diesen Faktoren resultierte nicht notwendigerweise eine Affinität für politisch rechtsstehende Betriebsratslisten, aber diese Faktoren konnten bewirken, daß die Politisierung im industriellen Milieu nur an der Oberfläche stattfand. Pendler, die jeden Tag aus ihrer agrarisch-ländlichen Umgebung in die Fabrik fuhren, waren dafür besonders typisch. Unter extremen Verhältnissen, wie sie die Weltwirtschaftskrise darstellte, konnte diese ›anpolitisierte‹ Oberfläche wieder aufbrechen. Die neu angenommenen Politikmuster, seien es solche der traditionellen Gewerkschaften, seien es solche der kommunistischen Verbände, schienen keine Alternative mehr zu bieten. Dann fielen viele solcher Arbeiter in die früher gewohnten Verhaltens- und Denkmuster zurück. Da die Sicherung des Arbeitsplatzes und der Existenz unmittelbaren Vorrang genoß, wählten diese Arbeiter Gruppierungen, die ihrem Sicherheitsdenken am ehesten entsprachen. Dies waren Verbände, die nicht den Kategorien des Klassenkonflikts anhingen, sondern die seine Aufhebung versprachen, nämlich die Wirtschaftsfriedlichen und die Nationalsozialisten. Im Leuna-Werk war der Stimmenanteil des wirtschaftsfriedlichen Werkvereins 1930 mit 16,1 % bereits signifikant angestiegen. 1931 verlor er zwar an die Stahlhelm-Liste und die Nationalsozialisten, aber alle drei Gruppierungen zusammen kamen nun auf 21,8% der Stimmen. Das Wahlergebnis war Ausdruck der Inhomogenität der Leuna-Arbeiterschaft. Die Anzahl der Pendler aus der weiteren Umgebung war im Leuna-Werk recht hoch. Die Industrialisierung der Region hatte erst im Ersten Weltkrieg und danach eingesetzt. Die Nähe zum agrarisch-ländlichen Milieu war sowohl geographisch als auch biographisch unmittelbar vorhanden. Die freigewerkschaftliche ›Metallarbeiter-Zeitung‹ sprach in ihrer Analyse des Wahlergebnisses im Leuna-Werk diese Gegebenheiten an: »Bei der Beurteilung der politischen Gesinnung der Belegschaft ist nicht die Zerstreutheit ihres Wohnens außer acht zu lassen. Sie verteilte sich im Jahre 1929 auf nicht weniger als 1114 Orte. Die Arbeiter müssen den Weg zwischen Werk und Wohnort, mitunter 70 Kilometer voneinander entfernt, Tag für Tag zurücklegen. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl der so weit voneinander wohnenden und tagtäglich rasch auseinander hastenden Menschen kann sich kaum bilden. Das Maß dieses Mißstandes wird bestimmt von dem Vorhandensein von Arbeiterorganisationen in den Wohnorten.«46 Die schillernde Vieldeutigkeit des Nationalsozialismus verbietet es jedoch, ihre Wähler auf einen Typus festzulegen. Die Nationalsozialisten sprachen mit ihrer Gemeinschaftsideologie harmoniegläubige, entpolitisierte Arbei201 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ter an, sie erfüllten aber auch mit ihren verbalen Kampfposen die Erwartungen eines Teils von Arbeitern, die, durch die Krise radikalisiert, von einem diffusen Antikapitalismus erfüllt und von den Kommunisten nach kurzem Gastspiel enttäuscht waren. Die mit dem Image der Tatkraft auftretende NS-Bewegung konnte für solche Enttäuschte einen Rettungsanker verkörpern.47 Die Betriebsratswahlen in Leuna vom März 1933 brachten für die Kommunisten einen völligen Einbruch, die freien Gewerkschaften konnten erheblich gewinnen, der Stahlhelm und die Nationalsozialisten erreichten zusammen mit 40,9% zwar nicht die Mehrheit, aber doch einen innerhalb der Industriearbeiterschaft bemerkenswerten Erfolg. Die RGO erhielt 2 Sitze im Arbeiterrat, die freien Gewerkschaften erhielten 10, der Stahlhelm 3 und die Nationalsozialisten 7.48 Die Anklage der DDRFirmengeschichte, daß die »rechten Gewerkschaftsfunktionäre eine Einheitsfront mit der RGO gegen die Nazis« abgelehnt hätten, ist irreführend. Im Betriebsrat bestand unter Hinzuziehung der Angestelltenvertreter ein Stimmenpatt. Durch Losentscheid wurde ein Nationalsozialist Betriebsratsvorsitzender. Auf das Gerede von der Einheitsfront konnten die freien Gewerkschaften auch nicht vertrauen. Betriebsratsvorsitzender war 1931 ein RGO-Mann unter Mithilfe der Nationalsozialisten geworden, und freigewerkschaftliche Anträge zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen wurden von der gleichen ›Koalition‹ abgelehnt. Die freien Gewerkschaften hatten also denkbar schlechte Erfahrungen machen müssen.49 In den nationalen und sozialen Parolen der beiden rechtsstehenden Gruppierungen sahen viele Leuna-Arbeiter 1933 eine Alternative, da die anderen Verbände ihre Interessen nicht hatten wirksam vertreten können. Anpassung und Erwartungshaltung angesichs des ›nationalen Aufbruchs‹ von 1933 waren die beiden Motive, die das Wahlverhalten beeinflußten.

4. Die Berliner Siemens-Betriebe Bei Siemens in Berlin war der freigewerkschaftliche DMV der beherrschende Verband. Mit dem Wegfall der Gewerkschaftshemmnisse in den Betrieben mit dem Ende des Ersten Weltkrieges konnte er im Bereich der Berliner Metallindustrie besonders unter den Arbeiterinnen Boden gutmachen. Diese Verbreiterung der Organisationsbasis war jedoch nicht dauerhaft. Mitte der zwanziger Jahre fiel die Organisationsquote in Berlin anders als in anderen Bezirken - unter das Vorkriegsniveau. Ein Grund dafür lag sicher auch im starken Einfluß der Kommunisten auf den Berliner DMV, der damit keinen geschlossenen Eindruck erwecken konnte und eher durch innerverbandliche Spannungen von sich reden machte. Gegen Ende der Weimarer Republik waren nur 22,7% der in der Berliner 202 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Metallindustrie Beschäftigten DMV-Mitglieder. Das Rückgrat des DMV bildeten die männlichen qualifizierten Metallarbeiter. Zwischen 1924 und 1932 stellten sie drei Viertel der Berliner DMV-Mitgliedschaft. Frauen und geringer qualifizierte männliche Metallarbeiter konnten vom DMV kaum neu erfaßt werden, bzw. verließen den Verband. Rund die Hälfte der Mitglieder des DMV waren solche mit einer bereits langjährigen Mitgliedschaft.50 Da Siemens aufgrund seiner besonderen Produktpalette einen höheren Anteil an weiblichen und sowohl an ungelernten als auch an angelernten männlichen Arbeitskräften aufwies, lag der Organisationsgrad hier unter dem Gesamtdurchschnitt der Berliner Metallindustrie. Dieser Umstand ist bei der Analyse der Wahlergebnisse zum Betriebsrat bei Siemens zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Betriebsratswahlen in den einzelnen Berliner Siemens-Betrieben wichen erheblich voneinander ab. Es mußten also betriebsinterne Faktoren die Stimmabgabe beeinflußt haben. Zur Qualifikationsstruktur der einzelnen Betriebe sind keine detaillierten Informationen überliefert. Der jeweilige Frauenanteil kann jedoch annähernden Aufschluß über die Qualifikationsanforderungen geben. Im Kleinbauwerk, in dem 1931 52,2% der Beschäftigten Frauen waren, stellte sich von 1928 bis 1930 nur eine Liste - die freigewerkschaftliche - zur Wahl, die auch widerspruchslos gewählt wurde. Wahrscheinlich waren auf dieser Liste auch kommunistische Freigewerkschaftler vertreten. 1931 trat eine getrennte kommunistische Liste an, die in diesem Betrieb mit niedriger Qualifikationsstruktur mehr als ein Drittel der Stimmen erringen konnte. In einem Betrieb mit geringem Frauenanteil, dem Schaltwerk mit 14,4% Frauen, konnten die Kommunisten 1931 ihr bestes Ergebnis bei Siemens überhaupt erzielen, die Frauen mußten deshalb an den kommunistischen Stimmen nicht überdurchschnittlich beteiligt sein (s. dazu und zum folgenden Tab. 34 und Tab. 8). Im Wernerwerk waren etwa 43 % der Beschäftigten Frauen. Erstaunlich war hier die kontinuierliche Abnahme der Kommunisten von 44% (1929) auf 25% (1931). Eine besonders chaotische Arbeit der kommunistischen Betriebsräte könnte dafür verantwortlich gemacht werden. Aber eine andere Erklärung liegt wohl näher. Kommunistisch engagierte Facharbeiter konnten sich insbesondere mit dem antigewerkschaftlichen Kurs, den die RGO zu Beginn der dreißiger Jahre verfolgte, nicht identifizieren. Sie hielten im betrieblichen Bereich eher den freien Gewerkschaften die Treue oder rückten nun von der als zerstörerisch erkannten Politik der RGO ab. 51 Ein ähnliches Verhalten gerade von Facharbeitern im Wernerwerk mochte den Abwärtstrend der Kommunisten mitverursacht haben. Andere, vermutlich ungelernte Arbeiter wanderten 1930 von den Kommunisten zu den Nationalsozialisten ab, die auf einen für diese Zeit erstaunlichen Wert von 9% kamen. Im Dynamowerk, einem Betrieb mit insgesamt höherem Qualifikationsgrad, verschlechterte sich die Position der Kommunisten 203 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

204

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mit Metallgießerei

62 38 -

1928

75 17 8 -

53 31 7 9

-

100

65 23 12 -

Dynamowerk 1929 1930

47 44 6 3 -

84 16 -

1931

63 25 4 2 6

1931

1931 48 32 5 15

Elmowerk1 1929 1930

21 -

79

1928

57 22 21 17 3 -

80

11 4 7

15 -

14 1 7

1931 34 35 11 8 12

78

78

Kabelwerk 1929 1930

85

1928

Quelle: SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1930/31, Teil I.

1

freie Gewerkschaften Kommunisten Vaterländischer Arbeiterverein christl. Gewerkschaften Wirtschaftsfriedliche Nationalsozialisten

freie Gewerkschaften Kommunisten Vaterländischer Arbeiterverein christl. Gewerkschaften Wirtschaftsfriedliche Nationalsozialisten

1928

Wernerwerk 1929 1930

100 -

1928

6 -

94

1928

100 -

100 -

Kleinbauwerk 1929 1930

12 -

62 38 -

1931

43 45 7 5

46 43 11 88

1931

Schaltwerk 1929 1930

Tab. 34: Betriebsratswahlen in den Berliner Siemens-Betrieben 1928-1931 (in % - nur Arbeiterstimmen)

ebenfalls, so daß sie 1931 nicht mehr antraten. Andererseits gelang es den Kommunisten, 1931 im Schaltwerk und im Kabelwerk zur stärksten Gruppierung zu werden. Das Kabelwerk hatte eine eindeutig niedrige Qualifikationsstruktur. Es beschäftigte rund 28 % Frauen, auch die männlichen Arbeitskräfte waren dort überwiegend un- oder angelernt. Eine Parallele zum anderen Betrieb mit offensichtlich niedrigem Qualifikationsniveau, dem Kleinbauwerk, ergab sich. In beiden Betrieben bestand noch 1930 eine gemeinsame Liste der Freigewerkschaftler und Kommunisten. Erst 1931 traten sie getrennt an. Doch nur im Betrieb mit niedrigerem Frauenanteil schnitten die freien Gewerkschaften 1931 sehr schwach ab. Das hieße, höchst vereinfachend und hypothetisch dargestellt, daß Frauen eher freigewerkschaftlich stimmten, männliche Ungelernte dagegen stärker kommunistisch. Über die Konfliktbereitschaft der Siemens-Beschäftigten gab der Arbeitskampf in der Berliner Metallindustrie vom Herbst 1930 Aufschluß. Nachdem der Oeynhausener Schiedsspruch vom Sommer 1930 den Startschuß für die Senkung der übertariflichen Löhne im Gebiet der nordwestlichen Gruppe der Metallindustrie gegeben hatte, übernahm der Verband der Berliner Metallindustriellen die Aufgabe, bei den anstehenden Tarifverhandlungen im Herbst den Einstieg in Tariflohnsenkungen zu erreichen. Ein Schiedsspruch des Sonderschlichters Völckers verkündete dementsprechend auch im Oktober 1930 eine Senkung der Tariflöhne um 8%. Der DMV lehnte den Spruch ab. Eine von ihm veranstaltete Urabstimmung in den Berliner Metallbetrieben, an der sich auch die Unorganisierten beteiligten, erbrachte eine Mehrheit von 85 % für sofortigen Streik. Die RGO rief nun einen Tag vor dem Beginn des Streiks am 15. Oktober ihrerseits zum Streik auf. Doch nur 2000 Arbeiter folgten ihrem Aufruf Der Streik, der am 15. Oktober begann, wurde massenhaft befolgt und erfaßte die gesamte Berliner Metallindustrie. Auch die Gauleitung der NSDAP unter Goebbels hatte den Streik gebilligt und Streikbrechern den Parteiausschluß angedroht. Bei Siemens weitete sich die Streiktätigkeit zunächst sehr zögerlich aus. Am ersten Tag kamen noch 51 % der Belegschaft zur Arbeit, da man wohl erst abwarten wollte, wie sich die Streiklage entwickeln würde. Zwei Tage später, am 17. arbeiteten 33%, am 20. nur noch 19 %. Der Streik dauerte zwei Wochen und dokumentierte durch die fast geschlossene Beteiligung der Metallarbeiterschaft, daß sie gewillt war, auch unter Opfern den Lohnabbau zu verhindern. Der massive Einsatz von Streikposten an den Werkstoren tat ein übriges. Da nur die Organisierten eine Streikunterstützung erhielten und der gewerkschaftliche Organisationsgrad - besonders bei Siemens - gering war, mußten die Arbeiter schon spürbare Opfer bringen. Mit den Stimmen von SPD, KPD und NSDAP kam ein Reichstagsbeschluß zustande, der das Reichsarbeitsministerium aufforderte, den Schiedsspruch nicht für verbindlich zu erklären. Lange konnten der DMV 205 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und die Unorganisierten den Streik aus finanziellen Gründen nicht durchhalten. Deshalb stimmte der DMV einem Kompromiß zu, die Arbeit zu den alten Bedingungen wieder aufzunehmen und die Entscheidung einem Schiedsgericht von drei Unparteiischen zu übertragen. Daraufhin wurde die Arbeit bei Siemens am 30. Oktober wieder aufgenommen. In anderen Betrieben ergab eine neuerliche Urabstimmung keine Mehrheit für die Fortsetzung des Streiks. Das Schiedsgericht verfügte eine 6%ige Lohnsenkung in zwei Stufen, 3% ab 17. November und weitere 3% ab 19. Januar 1931. Der Streik hatte damit zwar den 8%igen Schiedsspruch, aber nicht generell den Tariflohnabbau verhindert.52 Die Empörung über dieses Resultat - übrigens auch im DMV - nutzte die RGO, den ›Einheitsverband der Metallarbeiten zu gründen. Nach anfänglichen Erfolgen unmittelbar nach der Lohnsenkung entwickelte sich dieser Verband unter der Regie der KPD zu »einer vom Gros der Berliner Metallarbeiter isolierten Sekte«.53 Die Berliner Metallarbeiter hatten gezeigt, daß sie auch unter den schwierigen Bedingungen der Wirtschaftskrise zur Wahrnehmung ihrer Interessen bereit waren, zur Waffe des Streiks zu greifen. Unkontrollierten Aktionen und illusionären Zielen, wie sie die RGO vertrat, erteilten sie eine entschiedene Absage. Da die Kommunisten bei den darauffolgenden Betriebsratswahlen im Jahre 1931 in den Siemens-Betrieben zum Teil verloren, zum Teil gewannen, kam der Streik vom Herbst 1930 keiner Gruppe eindeutig zugute. Auch ist nicht zu eruieren, inwieweit beim Stimmverhalten der Berliner Siemens-Beschäftigten im Betrieb auch außerbetriebliche Faktoren eine Rolle spielten. Immerhin wohnten 1927 96% der Beschäftigten in der Stadt Berlin und dort vorwiegend in den traditionellen Arbeitervierteln.54 Die politische Prägung durch das Wohnmilieu beeinflußte das betriebliche Stimmverhalten wahrscheinlich doch stärker als spezifische Betriebsfaktoren. In der gesamten Berliner Metallindustrie erhielten die freien Gewerkschaften 1931 63,3 % der Stimmen, die Kommunisten 29,7 %. Die Verluste des DMV hielten sich trotz des unbefriedigenden Ergebnisses des Streiks vom Herbst 1930 in Grenzen. Das Abschneiden der Kommunisten bei Siemens mit 28 % lag im Trend. Ein schlechteres Ergebnis erreichten die freien Gewerkschaften bei Siemens, nämlich 55 %.55 Verantwortlich dafür war eine im Vergleich zur gesamten Berliner Metallindustrie überproportional hohe Stimmenzahl für nationale und wirtschaftsfriedliche Gruppierungen. Ihr Anteil war besonders im Kabelwerk mit 15 % und im Elektromotorenwerk mit 21 % schon 1928 herausragend. Die Tradition des ›gelben‹ Verbandes, der vor dem Krieg bei Siemens eine von Unternehmerseite gestützte Monopolstellung innegehabt hatte, wirkte hier sicherlich nach. Da vor dem Krieg eine bewußte Zustimmung zu den ›Gelben‹ vorrangig bei Ungelernten anzutreffen war, sprach alles dafür, daß die Wählerschaft des Vaterländischen Arbeitervereins Ende der zwanziger Jahre unter älteren 206 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Ungelernten zu suchen war. Vermutlich waren dies Zugewanderte aus den östlichen Reichsteilen in der ersten Generation, die noch vom dortigen Sozialverhalten geprägt waren. 56 Die patriarchalische Tradition des Hauses Siemens, die eine ausgeprägte Werksbindung förderte und diese noch durch umfangreiche betriebliche Sozialmaßnahmen stützte, gab den ›Gelben‹ Rückhalt und half, den Schock der Entwurzelung bei den Zugewanderten zu mildern. Die Anziehungskraft der Wirtschaftsfriedlich-Nationalen nahm mit Beginn der Massenentlassungen zu. Im Schaltwerk konnte der Anteil 1929 auf 12% verdoppelt werden, im Dynamowerk wurde 1930 auf Anhieb der gleiche Prozentsatz erreicht. Ein kleiner Teil der Arbeiter erblickte darin eine Rückversicherung gegen den Verlust des Arbeitsplatzes. Auch ein Stück Nostalgie mochte mitspielen: Verklärung der Arbeitswelt vor 1914, die nicht durch Massenarbeitslosigkeit und institutionalisierte soziale Konflikte gekennzeichnet gewesen war. Im Kabelwerk mit seiner überwiegend niedrig qualifizierten Belegschaft kamen Vaterländischer Arbeiterverein, Wirtschaftsfriedliche und Nationalsozialisten 1931 zusammen auf 31 % der Stimmen. Dieser Betrieb lag am weitesten an der Peripherie Berlins, in Gartenfeld.57 Der Anstieg der Wirtschaftsfriedlichen und Nationalsozialisten ging zu Lasten der Kommunisten und freien Gewerkschaften. Auch im Wernerwerk konnten die Nationalsozialisten, wie bereits geschildert, besonders von den Kommunisten gewinnen. Doch diese Einbrüche in das Lager der ›Linken‹ waren nur Ausnahmen. Im Elektromotorenwerk konnten die Nationalsozialisten nur die Wähler des Vaterländischen Arbeitervereins zu sich herüberziehen, im Schaltwerk die der Wirtschaftsfriedlichen. Im Dynamo- und im Kleinbauwerk traten sie erst gar nicht an. Für die NSBO war Siemens ein Schwerpunkt ihrer Betriebsarbeit in Berlin. Die NSBO Siemens verfügte über eine eigene Geschäftsstelle in Berlin-Siemensstadt, ihre Zelle war die stärkste innerhalb der NSBO des Gaus GroßBerhn.58 Neben dieser gezielten Arbeit begünstigten zwei Faktoren die NSBO bei Siemens, die geringe Verankerung der Gewerkschaften und die schon ungewöhnliche Stärke nationaler und wirtschaftsfriedlicher Gruppierungen. Doch mit nicht einmal 5 % der Stimmen in allen Berliner SiemensWerken waren die Nationalsozialisten, wie die Sozialpolitische Abteilung schlußfolgerte, »noch nicht fühlbar in Erscheinung getreten«. In der gesamten Berliner Metallindustrie blieben sie 1931 mit 2,5% der Stimmen ein zu vernachlässigender Faktor.59 Im Jahre 1933 sind für Siemens keine Betriebsratswahlen überliefert. Gruppen von Nationalsozialisten besetzten im März die Betriebsratszimmer, wodurch sie - so die Sozialpolitische Abteilung - »die freigestellten Betriebsratsmitglieder in ihrer Amtstätigkeit ablösten. Diese Vorgänge liefen im allgemeinen verhältnismäßig ruhig ab. . . . Mit dem Gesetz über Betriebsvertretungen und wirtschaftliche Vereinigungen vom 4. 4. 1933 207 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

wurde dann dieser herbeigeführte Zustand legitimiert.«60 Die Reaktion der Arbeiter auf diese Vorgänge war von Resignation gekennzeichnet. Nur der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Erich Lübbe, versuchte seine Stellung zu behaupten, er mußte aber der Gewalt weichen.61 Von da an gab es nur noch nationalsozialistische Betriebsräte.

5. Resümee Die Betriebsratswahlen in der Endphase der Weimarer Republik hatten gezeigt, daß von einer revolutionär zugespitzten Situation keine Rede sein konnte. Selbst dort, wo Kommunisten in der Mehrheit waren, konnten Massenstreiks, die von der RGO als revolutionäres Fanal genutzt werden sollten, nicht durchgeführt werden. In Berlin fand 1930 dagegen unter der Führung des DMV ein zwar kontrollierter, aber doch durchschlagender Streik statt. Versuche der KPD, in der Krise Massenaktivitäten mit bewußt antigewerkschaftlicher und von der Parteitaktik bestimmter Stoßrichtung zu organisieren, stießen bei den Betriebsarbeitern auf Widerspruch und scheiterten kläglich. Viele Arbeiter wandten sich zwar in der Krise aus Protest von den traditionellen Gewerkschaften ab, auf eine eigenständige Vertretung ihrer Interessen im Betrieb wollten sie jedoch nicht verzichten. Diesem Anspruch hatten sich auch die Kommunisten zu stellen. Erfolgreich waren deshalb RGO-Betriebsgruppen, die sich konkreten Betriebsanliegen mit großem Engagement verschrieben hatten und deren Betriebsräte in puncto Einsatzbereitschaft und Persönlichkeit überzeugten. In der Anknüpfung an die Belegschaftsdemokratie, in der harten und kompromißlosen Interessenvertretung im Betrieb lagen die Hauptursachen für kommunistische Mehrheiten. Zudem hatten es die Kommunisten als erklärte Opposition unter solch extremen Bedingungen leichter, entsprechend zu agieren. Je ferner die freien Gewerkschaften der betrieblichen Praxis standen, desto ungefährdeter konnten die Kommunisten eine betriebszentrierte Politik verfolgen.62 Bei den Betriebsratswahlen orientierten sich die Belegschaften durchaus an ihren Interessen, und diese waren häufig rein betrieblicher Natur. Konnten die freien Gewerkschaften Massenentlassungen und soziale Verschlechterungen nicht verhindern, so suchten viele Betriebsarbeiter ihre Interessen über andere Gruppierungen zu verfolgen. Offenbarten diese jedoch ihre Inkompetenz allzu deutlich, wurde ihnen das gegebene Mandat wieder entzogen. Vielfach konnten die Nationalsozialisten als neue, noch ›unverbrauchte‹ Kraft davon profitieren. Die RGO-Stimmen bei den Betriebsratswahlen waren kein Ausdruck von stabiler Zustimmung. Die RGO war überwiegend ein Verband von Erwerbslosen und in den Betrieben organisatorisch kaum verankert. Bei 208 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Krupp in Essen hatte die RGO 1930 86 Mitglieder, in ihrer Hochburg, dem Leuna-Werk, nur 55. Die Belegschaften äußerten zwar ihre Unzufriedenheit mit den Zuständen im Betrieb und mit den traditionellen Gewerkschaften, sie identifizierten sich aber kaum mit den Zielen der Kommunisten. Von der Wahl kommunistischer Betriebsräte konnte man weder auf ein gesteigertes Klassenbewußtsein noch auf einen bewußten Kampfeswillen schließen. Die Wählerschaft der RGO bildete ein Sammelbecken von Unzufriedenen und Unorganisierten, das für betriebsfremde Zwecke, die außerhalb der unmittelbaren eigenen Interessen lagen, nicht zu mobilisieren war. Dem Urteil des Industriellenorgans ›Ruhr und Rhein‹ war in diesem Fall nur zuzustimmen: »Die Anziehungskraft der RGO ist um so stärker, je weniger sie Gelegenheit zur Erprobung ihrer Arbeit in der Praxis bisher hatte.«63 Die Bedeutung, die der Belegschaftsdemokratie und der konkreten Betriebsarbeit in den Augen der Arbeiter zukam, ließ darauf schließen, daß sich der Wunsch nach kontinuierlicher betrieblicher Interessenvertretung, das Bedürfnis nach Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse in der Arbeiterschaft weitgehend durchgesetzt hatten. Dies konnte als ein in der spezifischen Ausdrucksform zwar variables, aber doch durchgängiges Gewerkschaftsbewußtsein interpretiert werden. Betriebliche Interessenvertretung im Sinne einer eigenständigen Betriebspolitik war zu einem Anliegen der Arbeiterschaft geworden. Selbst die Stimmengewinne der Nationalsozialisten standen dieser Grundeinstellung nicht entgegen, sondern bestätigten sie vielmehr, da sich zeigte, daß erste größere Erfolge der NSBO diese in der Praxis nach ›links‹ drängten.64 Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, die drohende existentielle Not bremsten auch auf seiten der beschäftigten Arbeiter die Bereitschaft, radikale Protestformen in der Praxis anzuwenden. Die Anpassungszwänge in der Wirtschaftskrise erwiesen sich als stärker.

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V. Zum betrieblichen Verhalten der Arbeiterschaft ab 1933 1. Gleichschaltung auf Betriebsebene Nicht in allen Betrieben konnten im Frühjahr 1933 Betriebsratswahlen stattfinden. Bei Siemens wurden, wie bereits geschildert, Ende März die amtierenden Betriebsräte durch NSBO-Mitglieder aus ihren Räumen vertrieben. Massive Proteste gegen dieses Vorgehen auf Betriebsebene sind nicht überliefert. Zwei Betriebsräte des Wernerwerks teilten der Firmenleitung am 28. März 1933 per Einschreiben mit, »daß sie sich unbeschadet der am 27. erfolgten gewaltsamen Behinderung in der Ausübung ihrer gesetzlichen Befugnisse ausdrücklich als zu Recht im Amt befindlich« betrachteten. Die Firmenleitung antwortete jedoch in einer kurzen Notiz mit dem lapidaren Hinweis, daß sie sich außerstande sehe, »von ihrem Hausrecht gegenüber den Gesetzesverletzern Gebrauch zu machen«. Sie lehnte »jede Verantwortung für irgendwelche Schäden, die den Angehörigen der Belegschaft durch die ungesetzlichen Zustände erwachsen«, ab.1 Die Firmenleitung hielt sich aus der ganzen Angelegenheit heraus, als ob es sie nichts angehe, und stützte damit durch ihre Duldung das Vorgehen der NSBO. Einen Monat zuvor hatte Carl Friedrich von Siemens auf der Generalversammlung seines Konzerns noch für eine neue ›Zentralarbeitsgemeinschaft‹ plädiert. Der eher kleinlaute Einspruch der abgesetzten Betriebsratsmitglieder erwies sich als gegenstandslos, nachdem die Reichsregierung am 4. April 1933 das »Gesetz über Betriebsvertretungen und über wirtschaftliche Vereinigungen« erlassen hatte. Es sanktionierte das eigenmächtige Vorgehen der NSBO nachträglich und setzte die noch fälligen Betriebsratswahlen bis zum 30. September 1933 aus, was im Klartext hieß, daß solche Wahlen nicht stattfinden sollten. Weiter lieferte das Gesetz die Handhabe, solche Betriebsräte zu entlassen, die »im Staats- und wirtschaftsfeindlichen Sinne eingestellt« waren. Die oberste Landesbehörde konnte an ihrer Stelle neue Mitglieder ernennen. Nach einem Runderlaß des preußischen Innenministers vom 12. April 1933 konnten »marxistische Betriebsvertretungsmitglieder abgesetzt werden, selbst wenn eine Betätigung im Staats- oder wirtschaftsfeindlichen Sinne im einzelnen nicht nachweisbar« war.2 Auf eine Eingabe der NSBO hin ordnete das Preußische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit am 11. April 1933 an, daß die Mitgliedschaft der 210 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Freigewerkschaftler im Siemens-Betriebsrat erloschen sei. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erich Lübbe erhob daraufhin Einspruch beim Preußischen Ministerpräsidenten, wies den Vorwurf der Staats- und Wirtschaftsfeindlichkeit zurück, gab zu bedenken, daß er nicht von ungefähr seitens der Kommunisten der gehaßteste Arbeitnehmervertreter des Konzerns sei und berief sich dabei auf »das Zeugnis des Herrn Dr. Fritz Thyssen, Mülheim/ Ruhr, welcher mich seit mehr als 10 Jahren persönlich kennt«. Seine Motive erläuterte er in einem Schreiben an Carl Friedrich von Siemens. Taktische Gründe hätten ihn bewogen, Fritz Thyssen als Zeugen zu benennen. Seine persönliche Ehre habe ihn veranlaßt, zumindest Einspruch gegen die Absetzung und die dabei genannten Gründe zu erheben. Der geäußerte Protest besaß für ihn selbst nur symbolischen Gehalt. »Ich habe nicht die Auffassung, daß mein Vorgehen den Erfolg haben wird, daß meine Zugehörigkeit zur Betriebsvertretung wieder festgestellt wird. «3 Lübbe richtete sich auf den endgültigen Abschied vom Siemens-Betriebsrat ein. An der Reaktion aller abgesetzten Betriebsräte konnte man ermessen, wie ausgeprägt die Desorientierung, Rat- und Hilflosigkeit der Funktionäre der freien Gewerkschaften im Frühjahr 1933 war. Auch auf das geschwächte Widerstandspotential der Gewerkschaftsbasis in den Betrieben war daraus zu schließen. Die Betriebsräte ließen es bei formalen Protesten bewenden, in den Betrieben rührte sich kein massiver Widerspruch. Der beginnende Terror gegen die Gewerkschaften und ihre Funktionsträger und die lähmenden Erfahrungen der langjährigen, katastrophalen Wirtschaftskrise zeigten nun Wirkung. Die Gewerkschaften versuchten sich mit wachsender Selbstverleugnung an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Als oberste Priorität galt, von der Organisation zu retten, was noch zu retten war. Ohnmacht und Mutlosigkeit kennzeichneten nicht nur das Verhalten der freien Gewerkschaften, sondern auch vielfach die Situation in den Betrieben.4 Die Schwäche der Gewerkschaften wurde konsequent ausgenutzt. Kompromisse wurden nicht geschlossen. Eine Vorschlagsliste der NSBO wurde durch den Berliner Polizeipräsidenten bestätigt, damit befanden sich endgültig nur noch Nationalsozialisten im Siemens-Betriebsrat. Das Gesetz vom 4. April 1933 ermöglichte nicht nur die Absetzung »marxistischer« Betriebsräte, sondern auch deren Entlassung aus der Firma. Auch andere »politisch unzuverlässige« Belegschaftsmitglieder konnten entlassen werden. Davon machte das Unternehmen auf Betreiben der NSBO ausgiebigen Gebrauch. Mit dem Gespür für soziale Symbolik schlug die NSBO im Wernerwerk vor, älteren Entlassenen eine Übergangsbeihilfe zu gewähren. Der ›revolutionäre‹ Akt der Absetzung und Entlassung prominenter Freigewerkschaftler war damit vollzogen. Mit Genugtuung konnte die Sozialpolitische Abteilung des Unternehmens vermelden, daß »das Zusammenarbeiten mit den neuen Betriebsvertretungsmitgliedern . . . im allgemeinen ohne Reibung« verlaufe.5 211 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Bei Krupp hatten die Betriebsratswahlen am 24. März 1933 noch stattgefunden. Die Nationalsozialisten konnten etwa ein Viertel der Stimmen auf sich vereinigen. Mit Unterstützung der christlichen Betriebsräte wurde ein Nationalsozialist, Fritz Johlitz, zum Vorsitzenden des höchsten Gremiums, des Betriebsausschusses, gewählt. Auch im Vorsitz des Arbeiterrats gingen die Freigewerkschaftler leer aus, obwohl sie die stärkste Fraktion bildeten. Nach dem 4. April wurden die freigewerkschaftlichen Mitglieder ihrer Funktionen enthoben. Nur für die Besetzung der fünfzehn Sprecherbezirke, einer Kruppschen Besonderheit, die die Arbeit der Betriebsvertreter bzw. Vertrauensleute aus den einzelnen Abteilungen koordinierte, reichte die Anzahl der nationalsozialistischen und christlichen Betriebsräte nicht aus. Deshalb wurde kurzerhand die Zahl der Sprecherbezirke auf acht reduziert. Von den am 24. März parallel gewählten 166 Betriebsvertretern wurden Anfang Mai die freigewerkschaftlichen durch nationalsozialistische und christliche ersetzt, Ende September 1933 wurden schließlich auch die christlichen abgelöst. Die völlige Kapitulation der ›Christen‹ hatte ihnen zwar einen zeitlichen Aufschub verschafft, doch den Verlust der letzten und im Grunde bedeutungslosen Positionen in den Betrieben konnten sie damit nicht verhindern.6 Nicht überall wurde die Gleichschaltung des Betriebsrates so reibungslos vollzogen. Bei der Concordia-Bergbau-AG hatten die NSBO-Betriebsratsmitglieder Ende März noch zwei Freigewerkschaftler in den Betriebsausschuß mitgewählt. Aufgrund einer Weisung ihrer Zentrale in Essen vom 3. April bemühten sie sich nun, ihre Wahlentscheidung rückgängig zu machen und sie forderten die Zechenleitung auf, den von ihnen gewählten Betriebsausschuß nicht anzuerkennen. Der Generaldirektor Dechamps lehnte es ab, in die »interne Angelegenheit« der Belegschaft einzugreifen. Mit dem am Tag darauf erlassenen Gesetz waren die NSBO-Vertreter aus der selbstgeschaffenen Lage befreit, der Absetzung der Freigewerkschaftler stand nichts mehr im Wege.7 Eine gänzlich andere Situation ergab sich auf der Zeche Prinz Regent in der Gruppe Bochum der Vestag. Dort wandte sich der NSBO-Betriebsratsvorsitzende gegen die Kündigung kommunistischer Belegschaftsmitglieder, da sie erklärt hätten, sich der neuen Regierung anschließen zu wollen. Die Zechenleitung mußte gegen ihren Willen die Kündigungen zurücknehmen, da NSDAP-Funktionäre der NSBO beisprangen und die Zeche den offenen Konflikt scheute.8 Die Gleichschaltung auf Betriebsebene war kaum auf Widerstand gestoßen. Die Belegschaften verharrten in Resignation und klammerten sich an ihren Arbeitsplatz. Die Betriebsvertretungen waren von ›marxistischen Elementen‹ gesäubert worden. Überwiegend wurden dabei zugleich Entlassungen ausgesprochen. Manche von ihnen fanden erst nach Jahren wieder Anstellung im alten Betrieb.9 Massenpsychologisch geschickt gingen die Nationalsozialisten vor, als 212 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

sie den traditionellen Ehrentag der internationalen Arbeiterbewegung, den 1. Mai, erstmals zum staatlichen Feiertag, zum »Tag der nationalen Arbeit«, erklärten. An ihm beteiligten sich alle Gewerkschaftsrichtungen. Dieser propagandistische Schachzug mochte durchaus seinen Zweck erfüllt haben, weite Kreise der Arbeiterschaft für die neue Regierung einzunehmen und sie über die wahren Absichten der Nationalsozialisten zu täuschen. Am Tag darauf wurden die freien Gewerkschaften zerschlagen.10 Die Hoffnungen der NSBO, nun an deren Stelle zu einer großen nationalsozialistischen Massengewerkschaft heranwachsen zu können, wurden nicht erfüllt. Mit der Gründung der Deutschen Arbeitsfront am 10. Mai 1933 wurde deutlich, daß die NS-Führung keine eigenständige NS-Gewerkschaft schaffen wollte. Die DAF vereinigte unter ihrem Dach die Arbeiterschaft, den Mittelstand und die Unternehmerschaft. Die NSBO mußte sich der DAF ein- und unterordnen, damit wurde ihre allmähliche Entmachtung eingeleitet. Die DAF hatte somit nicht nur die organisatorische und ideologische Klammer für Arbeitnehmer aller Schattierungen und Arbeitgeber zu bilden, sie sollte auch die NSBO-Basis zähmen, die mit ihrer antikapitalistisch-klassenkämpferischen Phraseologie für erhebliche Unruhe in den Betrieben und unter den Unternehmern sorgte. Die ›nationale‹ Revolution sollte nicht zur ›sozialen‹ weitergetrieben werden.11 NSBO-Angehörige versuchten aber weiterhin als Funktionäre der gleichgeschalteten Gewerkschaften und als amtierende Betriebsräte auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen Einfluß zu nehmen. Stellvertretend für viele Vorfälle sei ein wenig spektakuläres Beispiel aus der Concordia-Bergbau-AG vom Juli 1933 angeführt. Der Generaldirektor Dechamps berichtete seinem Aufsichtsratsvorsitzenden, daß die Leistung in letzter Zeit abgenommen habe und eine Welle von Unruhe durch die ganze Belegschaft gehe. »Man glaubt jetzt vielfach, sich an mißliebigen Vorgesetzten reiben zu können.« Dechamps berichtete auch von Versuchen der örtlichen NSBO, Einfluß auf die Auswahl der neu einzustellenden Arbeiter zu gewinnen. Erst die Drohung, dann niemanden mehr einzustellen, konnte die NSBO bremsen.12 Um diesen Eingriffen Einhalt zu gebieten und auf massive Interventionen des Reichswirtschaftsministers und führender Industrieller hin, wurde am 19. Mai 1933 das Gesetz zur Einführung der staatlichen Treuhänder der Arbeit erlassen. Die Treuhänder hatten in Arbeitsstreitigkeiten und Tariffragen zu entscheiden und sollten den Arbeitsfrieden aufrecht erhalten. Der NSBO, die auf gewerkschaftliche Legitimität drängte und die sich vor der Arbeiterschaft als Interessenvertreter profilieren wollte, wurde damit dieses Betätigungsfeld beschnitten. Die Spannungen verlagerten sich nun häufig auf die Ebene zwischen den Treuhändern und der NSBO, ein Teil des Druckes, der gegenüber den Unternehmen in Fragen von Lohnerhöhungen oder Einstellungen ausgeübt wurde, konnte durch die Treuhänder abgefangen werden.13 213 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Schließlich wurde im November 1933 die Deutsche Arbeitsfront in ihre Schranken gewiesen. Reste gewerkschaftlicher Organisationsstrukturen, die sich in ihr noch hatten halten können, wurden beseitigt. Die DAF hatte sich vorrangig den Problemen der Erziehung und Schulung zur nationalsozialistischen Gesinnung zu widmen. Materielle Fragen des Arbeitslebens sollten in ihr - nach dem Willen Hitlers - nicht entschieden werden.14 Die Konturen der Arbeitsverfassung im ›Dritten Reich‹ wurden durch diese Maßnahmen schon erkennbar. Aber erst das »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« regelte das Feld der Arbeitsbeziehungen im nationalsozialistischen Sinne. Da die Grundzüge des Gesetzes bereits beschrieben worden sind,15 kann hier das Schwergewicht auf die Umwandlung der Betriebsräte in Vertrauensräte gelegt werden. Die noch ausstehenden Betriebsratswahlen des Jahres 1933, die bereits bis zum 30. September ausgesetzt worden waren, erfuhren einen weiteren Aufschub bis zum 31. Dezember. Danach wurden sie stillschweigend gänzlich gestrichen. Selbst die schon erheblich eingeschränkten Befugnisse der NSBO-Betriebsräte ließen diese Institution dennoch als erheblichen potentiellen Unsicherheitsfaktor erscheinen. 2. Die Vertrauensratswahlen von 1934 und 1935 Das AOG vom 20. Januar 1934, der grundlegende Entwurf, die Arbeitsbeziehungen im nationalsozialistischen Sinne zu regeln, sah Betriebsräte nicht mehr vor. An ihre Stelle trat der Vertrauensrat, der laut §6 des AOG die Pflicht hatte, »das gegenseitige Vertrauen innerhalb der Betriebsgemeinschaft zu vertiefen«. Dem Vertrauensrat fielen nur noch beratende Aufgaben zu und zwar an erster Stelle bei Maßnahmen, »die der Verbesserung der Arbeitsleistung« dienten, sowie bei »der Gestaltung und Durchführung der allgemeinen Arbeitsbedingungen, insbesondere der Betriebsordnung, der Durchführung und Verbesserung des Betriebsschutzes«. Seine Funktionen waren im wirtschaftsfriedlichen Sinne umschrieben. Er hatte auf die »Beilegung aller Streitigkeiten innerhalb der Betriebsgemeinschaft hinzuwirken«. Seine Tätigkeit sollte sich »der Stärkung der Verbundenheit aller Betriebsangehörigen untereinander und mit dem Betriebe und dem Wohle aller Glieder der Gemeinschaft« widmen. Der Vertrauensrat war Organ der »Betriebsgemeinschaft« und quasi Erfüllungsgehilfe des »Betriebszwecks«, einem der zentralen Begriffe des AOG. Während der Betriebsrat die Interessen der Arbeiter und Angestellten dem Arbeitgeber gegenüber zu vertreten hatte, war der Vertrauensrat verpflichtet, die Interessen des Betriebes insgesamt zu verfolgen. Partikularinteressen konnte und durfte es auf der Basis der ›Volks- und Betriebsgemeinschaft‹ nicht mehr geben, da alle, Arbeiter, Angestellte, Unternehmer, zum »gemeinen Nutzen von Volk und Staat«16 arbeiteten. 214 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Diesem Ziel entsprach auch die Zusammensetzung des Vertrauensrates. Er sollte alle Gruppen im Betrieb repräsentieren. An der Spitze des Vertrauensrates stand der Betriebsführer. Er leitete seine Zusammenkünfte. Entscheidungen fällte nur er allein. Die anderen Mitglieder des Gremiums mußten lediglich angehört werden. War aber die Mehrheit des Vertrauensrates mit einer betrieblichen Entscheidung des Betriebsführers nicht einverstanden, konnte der Treuhänder der Arbeit eingeschaltet werden, der dann jedoch erfahrungsgemäß im Sinne der Betriebsleitung entschied. Stellten sich die Beschwerden der Vertrauensmänner als unbegründet heraus, konnten sie unter Umständen sogar dafür belangt werden. Der Vertrauensrat hatte damit die Aufgabe, Wünsche und Mißstimmungen innerhalb der Belegschaft rechtzeitig aufzufangen und Spannungen, deren Vorhandensein nicht geleugnet wurde, zu kanalisieren. Eingriffe in die Betriebsführung waren den Vertrauensmännern untersagt und zogen Sanktionen nach sich. Desgleichen durften die Vertrauensmänner auch nicht in Abwesenheit des Betriebsführers zusammenkommen. Die Vertrauensmänner wurden von der Belegschaft gewählt. Es gab jedoch nur eine Wahlliste. Das AOG sprach auch nicht von Wahl, sondern von Abstimmung. Die Belegschaft konnte nur zur vorgelegten Liste Stellung beziehen bzw. zustimmen oder ablehnen. Die Tatsache, daß ein Abstimmungsverfahren vorgesehen war, die Vertrauensmänner nicht einfach von vornherein ernannt wurden, ließ sich mit der integrativen Aufgabe dieses Gremiums erklären. Sie erforderte ein Mindestmaß an Legitimation vor der Belegschaft. Am Zustandekommen der Liste, die je nach der Größe des Betriebes bis zu zehn Vertrauensmänner und ebensoviele Stellvertreter aufwies, waren der Betriebsführer und der Betriebszellenobmann der NSBO bzw. der Betriebswalter der DAF beteiligt. Konnten sich beide nicht auf eine Liste verständigen oder wurde die Liste in der Abstimmung nicht gebilligt, konnte der Treuhänder der Arbeit die Vertrauensmänner berufen. Betriebsfremde Funktionäre von NSBO und DAF durften auf die Liste keinen Einfluß nehmen. Die Vertrauensratswahl war demnach für die Besetzung des Vertrauensrates letztendlich nicht entscheidend. Als Barometer für die Stimmung und Einstellung der Belegschaften war die Abstimmung aber durchaus von Interesse - für die Betriebsleitung und für die NS-Führung. Auf der Vertrauensratsliste sollte nur erscheinen, wer Mitglied der DAF war und die Gewähr bot, »jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat«17 einzutreten. In der Kruppschen Gußstahlfabrik in Essen fand die erste Vertrauensratswahl am 4. April 1934 statt. Auf der vorgelegten Liste standen zehn Vertrauensmänner und zehn Stellvertreter, darunter jeweils drei Angestellte. Unter den Arbeitern befanden sich nur Facharbeiter. Von neun der zwanzig Vertrauensmänner ließen sich Lebensdaten ermitteln, da sie noch 1938 als Vertrauensmänner fungierten und aus diesem Jahr eine detaillierte Aufstellung existierte. Sie waren zwischen 31 und 56 Jahre alt, drei von 215 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ihnen waren Mitglieder der NSDAP seit 1925/26, sechs seit ca. 1930, allesamt gehörten sie der DAF seit 1933 an. Von den anderen war ebenfalls anzunehmen, daß sie langjährige und überzeugte Nationalsozialisten waren. Auf Überläufer aus dem linken Lager brauchte man im Gegensatz zu kleineren Betrieben nicht zurückzugreifen. Drei der Vertrauensmänner waren bereits im März 1933 als Betriebsvertreter in ihrer Abteilung gewählt worden.18 An der Abstimmung vom 4. April 1934 beteiligten sich 88,8% der 26579 Wahlberechtigten, Arbeiter und Angestellte. Dies bewegte sich im Rahmen der Beteiligung an den früheren Betriebsratswahlen. Es stand, wie gesagt, nur eine Liste zur Abstimmung. 71,0% der Stimmzettel wurden unverändert abgegeben. Bei 9,4% der Stimmzettel wurden einzelne Namen gestrichen. 11,5% der abgegebenen Stimmen wurden als ungültig gewertet, wohl weil sie mit irgendwelchen Kommentaren und dergleichen versehen waren. 8,1 % der Stimmzettel waren ganz durchgestrichen. Letztere wurden aber den gültigen Stimmen zugezählt (s. Tab. 35). Es gab also mehrere Möglichkeiten, seine Ablehnung der vorgelegten Liste kundzutun. Man konnte der Wahl fernbleiben, ein Verhalten, das bei Krupp, zieht man einen bestimmten Prozentsatz notorischer Nichtwähler und z. Β. wegen Krankheit Fehlender ab, nicht besonders ausgeprägt war. Zudem ließen sich die Abstimmungsverweigerer anhand der Wählerlisten leicht kenntlich machen. Aus Angst vor möglichen Sanktionen wagten diesen Schritt nicht viele. Man konnte ungültige und ganz durchgestrichene Stimmzettel abgeben und dadurch seine Ablehnung aussprechen. (Im Gegensatz zur werksinternen Zählweise werden im folgenden beide Arten als eindeutig ablehnende Stimmen zusammengefaßt.) Schließlich konnten noch einzelne Namen der Liste gestrichen werden. Da sich die Streichungen besonders bei den ersten Namen der Vertrauensratsliste häuften und davon die prominentesten Nationalsozialisten des Betriebes betroffen waren, war diesem Verhalten überwiegend eine Ablehnung der gesamten Liste zu entnehmen. Der auf Platz zwei der Krupp-Liste stehende Techniker Robert L., ein geltungssüchtiger Nationalsozialist, Pg. seit 1930, der schon 1913 bei Krupp eingetreten war, erhielt die geringste Stimmenzahl mit 76,9% der abgegebenen Stimmen. 1935 rückte er auf den ersten Platz der Liste und schnitt im Vergleich zu den anderen ›Kandidaten‹ noch schlechter ab - mit 74,9% der Stimmen (der Vertrauensmann mit dem zweitschlechtesten Ergebnis kam immerhin schon auf 76,4%, der Formermeister Richard H.). Unter den Vertrauensmännern konnten sich 1934 noch diejenigen mit am besten halten, die 1933 bereits als Betriebsvertreter in ihrer Abteilung gewählt worden waren. Bei ihnen konnte man aufgrund eigener Erfahrung absehen, ob sie bereit waren, sich für die Interessen der Beschäftigten einzusetzen. Gemeinsames Merkmal aller vorliegenden Abstimmungslisten - nicht 216 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Tab. 35: Gesamtergebnis der Vertrauensratswahl 1934 in der Kruppschen Gußstahlfabrik Abstimmungsberechtigte abgegebene Stimmen davon gültig " ungültig von den gültigen Stimmen waren: ganz durchgestrichen unverändert gelassen durch Streichung einzelner Namen geändert

26579 23604 20887 2717

=

88,8 %

=

11,5 %

1 903 16755

= =

8,1 % 71,0 %

2229

=

9,4 %

Vertrauensmänner 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Oskar K., Schlosser, Reparaturwerkstatt 2 Robert L., Techniker, Verkauf 1 Wilhelm S., Schlosser, Kraftwagenbau Heinrich T., Dreher, Reparaturwerkstatt 2 Ludwig B., Betriebsbuchh., Betab 4 Werner B., Gas-Vorarbeiter, Hochofenwerk Eugen J . , Schlosser, Reparaturwerkstatt 2 Heinrich W., Konsum-Vorst., Konsum-Anstalt August K., Former, Stahlformerei Oskar K., Kraftfahrer, Kraftwagenhalle

(Stimmen) 18374 18150 18432 18153 18320 18367 18405 18244 18450 18433

Stellvertreter 1. Fritz H., Walzer, Walzwerk 2 2. Eugen K., Meister, Kleinbau 4 3. Otto S., Glüher, Gießerei 5/7 4. Max B., Eisenbahner, Eisenbahn 5. Erich C., Korrespondent, Verkauf 1 6. Ernst P., Kraftfahrer, Konsum-Anstalt 7. Erich K., Elektriker, Elektr. Anlagen 8. August B., Techniker, Kraftwagenbau 9. Adam H., Schreiner, Graph. Anstalt 10. Franz L., Former, Stahlformerei Quelle: HA Krupp WA 41/6-205.

18 648 18451 18618 18583 18652 18518 18633 18642 18665 18609

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nur bei Krupp - war, daß die Stellvertreter grundsätzlich mehr Stimmen auf sich vereinigen konnten als die Vertrauensmänner. Viele Arbeiter machten sich anscheinend nur die Mühe, die ersten Namen auf der Liste zu streichen und gaben damit deutlich zu erkennen, was sie von der ganzen Prozedur hielten. Bei der Wahl, die im Jahr 1935 stattfand, ließ sich exakt nachvollziehen, wie viele Stimmen jeder Vertrauensmann bzw. Stellvertreter in den einzelnen Abteilungen erhalten hatte. Bis auf eine Ausnahme erhielten alle ›Kandidaten‹ in der Abteilung, in der sie arbeiteten, bedeutend weniger Stimmen als der Rest. Der Formermeister Richard H. erhielt z. Β. in seiner Abteilung, der Stahlformerei, nur 423 Stimmen, während der unmittelbar vor ihm auf der Liste Stehende 528 Stimmen auf sich verbuchen konnte. Die einzige Ausnahme bildete der Walzer Fritz H., der in seinem Walzwerk 2 die höchste Stimmenzahl aller ›Kandidaten‹ erringen konnte. Persönliche Gründe beeinflußten das Stimmverhalten. Viele Arbeiter nutzten die Wahl für eine gezielte Meinungsäußerung.19 Immerhin waren bei Krupp 1934 71,0 % der Stimmen unverändert für die Liste abgegeben worden, 1935 bei erheblich gewachsener Belegschaftszahl 69,1 %. 88,8 % bzw. 92,9 % der Stimmberechtigten hatten sich an der Abstimmung beteiligt. Konnte man daraus schließen, daß sich die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten mit dem Nationalsozialismus und dem Vertrauensrat identifizierte? Konnte die Abstimmung wirklich ein korrektes Bild der Stimmungslage im Betrieb vermitteln? Die historische Forschung hat lange Zeit die Vertrauensratswahlen des Jahres 1934 zumeist als völligen Fehlschlag für die Nationalsozialisten bezeichnet, die besseren Ergebnisse des folgenden Jahres im Reichsschnitt dagegen als plumpe und grobe Fälschung herausgestellt. Äußerungen des DAF-Leiters Robert Ley und eine interne Parteikorrespondenz der NSDAP wurden dafür meist als Belege angeführt. Robert Ley hatte auf einer Maikundgebung 1935 bekanntgegeben, daß sich an den Vertrauensratswahlen des Vorjahres nur 40% der Abstimmungsberechtigten beteiligt hätten. Einem Schreiben Martin Bormanns, Stabsleiter beim Stellvertreter des Führers, an die Reichskanzlei konnte entnommen werden, daß der hohe Prozentsatz an Zustimmung 1935 nur mit höchster Vorsicht zu genießen sei, da Enthaltungen und ungültige Stimmen nicht berücksichtigt worden seien, wie Bormann aufgrund einiger vorliegender Einzelergebnisse schloß.20 Die in den Betriebsarchiven erhaltenen, internen Ergebnisse, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, sprechen aber eine andere Sprache. Sie überliefern eine hohe Beteiligung an der Abstimmung und überwiegend Zustimmung zur vorgelegten Liste. Für den gesamten Ruhrbergbau konnte Klaus Wisotzky ebenfalls detaillierte Angaben nachweisen, die mit dem in der Forschung nachgezeichneten Bild nicht übereinstimmen. Die Wahlbeteiligung lag weit über der von Ley genannten Marke. Die Ergebnisse in den einzelnen Zechen vermitteln einen höchst differenzierten 218 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Gesamteindruck von Ablehnung und Zustimmung.21Wieder andere Ergebnisse bestätigten aber deutlich den bekannten Forschungsstand.22 Trotz der unterschiedlichen Interpretationen kann davon ausgegangen werden, daß die betriebsinternen Daten aussagekräftig sind und die Vertrauensratswahlen eine wichtige Quelle für das Verhalten der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹ darstellen. Die von Martin Bormann geäußerten Bedenken widersprechen dieser Einschätzung nicht. Das von ihm herangezogene Material bezog sich nur auf einige Hamburger Betriebe. Deren Ergebnisse konnten deshalb innerhalb der NS-Führung für so viel Aufregung sorgen, weil sie die Ängste zu bestätigen schienen, die man, entgegen aller Propagandabeteuerungen, in Bezug auf die Arbeiterschaft hegte. Die »Erbschaft der Novemberrevolution« bestimmte, wie Tim Mason nachweisen konnte, als ständiges Trauma die Psyche und das Verhalten der NS-Machthaber.23 Klaus Wisotzky hat schließlich zu bedenken gegeben, daß Robert Ley in seiner Mairede 1935 das Ergebnis der Abstimmung vom Vorjahr bewußt niedriger angesetzt haben konnte, um den Erfolg des Jahres 1935 in ein noch glänzenderes Licht zu stellen.24 Nicht auszuschließen ist, daß die Ergebnisse der Vertrauensratswahlen in bestimmten Großbetrieben, auf die sich die Tätigkeit der Nationalsozialisten besonders konzentrierte und in denen der gewerkschaftliche Organisationsgrad vor 1933 schwach gewesen war, von denen vor allem in den zahlreicheren Klein- und Mittelbetrieben abwichen. Lassen sich die für die Nationalsozialisten günstigen Ergebnisse durch Fälschung, Manipulation und Zwang erklären? Belege dafür bieten sowohl die historische Forschung als auch die ›Deutschland-Berichte‹ der ExilSPD. Abstimmungen mit fast 100 %iger Beteiligung und über 90 %iger Zustimmung lassen sich anders nicht erklären.25 Wahlkabinen konnten fehlen, oder die NSBO konnte demonstrativ dazu auffordern, die Kabinen nicht zu benutzen. Doch Näheres ist über die Durchführung der Abstimmung kaum bekannt. Gegen eine systematische Fälschung und Manipulation sprach jedoch, daß in vielen Betrieben die vorgelegte Liste schlecht abschnitt. Wären die Ergebnisse generell gesteuert worden, hätten sich solche Pannen vermeiden lassen. Der Ansicht Klaus Wisotzkys ist zuzustimmen, daß die Abstimmungen - von Ausnahmen abgesehen - unter relativ unbehinderten Bedingungen stattfanden. Die differenzierten Resultate, die Wisotzky für den Ruhrbergbau vorlegen konnte, stützen diese Sicht. Der umfangreiche Verwaltungsaufwand, den die Zechen für die Abstimmung betrieben, wäre für reine Scheinwahlen nicht notwendig gewesen.26 Zudem existieren in manchen Betriebsarchiven penibel geführte Ergebnislisten, die für den internen Gebrauch bestimmt waren und die deshalb das Abstimmungsverhalten wohl korrekt widerspiegeln. Auch bei Krupp läßt sich das Ergebnis bis in alle Abteilungen hinein verfolgen. Gerade die dabei zutage tretenden erheblichen Abweichungen 219 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

zwischen einzelnen Abteilungen sprechen für die Korrektheit des Ergebnisses. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß das Abstimmverhalten auf alleiniger, freier Entscheidung der Beschäftigten beruhte. Von den einzelnen Faktoren und Motiven, die dieses Verhalten möglicherweise beeinflußten, wird noch die Rede sein. Die Beteiligung an der Vertrauensratswahl lag im allgemeinen sehr hoch. Die Abteilungen Walzwerk 1/3 und Maschinenbau 21 ragten 1934 als Ausnahmen mit 79,1 bzw. 67,5% heraus (s. Tab. 36). Eine hohe Beteiligung allein bedeutete noch nicht massive Zustimmung zur vorgelegten Liste. In den beiden Bezirken des Elektrostahlwerks wurden nur 37,9 bzw. 28,8% der Stimmzettel unverändert abgegeben, d. h. von 197 Abstimmungsberechtigten stimmten nur 58 eindeutig für die vorgelegte Liste. Bei den Wahlen zum Betriebsrat 1933 hatten die freien Gewerkschaften hier mit 52,1 % sehr gut abgeschnitten, die Kommunisten hatten 1931 im Werksschnitt gelegen. In der Stahlformerei belief sich die eindeutige Zustimmung nur auf 46,3%, obwohl hier bei der Betriebsratswahl 1933 die Nationalsozialisten 54,9% der Stimmen erhalten hatten. Bemerkenswert war in der Stahlformerei die hohe Anzahl von Streichungen einzelner Namen, was damit zusammenhing, daß sich zwei Former aus dieser Abteilung auf der Liste befanden. Abteilungen, die 1933 einen sehr hohen freigewerkschaftlichen Stimmanteil gehabt hatten, ragten auch in puncto Ablehnung 1934 heraus. Weitere Beispiele hierfür waren die Gießerei 5/7, Kleinbau 1 und die elektrischen Anlagen. Auch in der Widia-Anlage, deren Belegschaftsziffer sich nur unwesentlich geändert hatte, ließen sich die Ablehnungen und Streichungen mit dem ehemals freigewerkschaftlichen Anteil in Einklang bringen. Dagegen stand die Abteilung Maschinenbau 2, in der 1933 die freien Gewerkschaften 59,3% erzielen konnten, die Abstimmung 1934 jedoch den Spitzenwert an Zustimmung ergab. Der Schluß liegt nahe, daß es bei der ›Wahl‹ hier nicht mit rechten Dingen zugegangen sein konnte. Damit wären auch die Grenzen einer Analyse der Vertrauensratswahl vor dem Hintergrund der Betriebsratswahlen erreicht.27 Ungeklärt bleibt auch, welchen Effekt die allgemeine Belegschaftsvermehrung ab 1933 auf das Abstimmungsverhalten hatte. Ca 25% der Neueinstellungen entfielen 1933 auf Mitglieder von NS-Organisationen, darunter besonders viele jüngere Arbeiter. In erster Linie wurden jedoch ehemalige Werksangehörige eingestellt. Insgesamt ergab sich dadurch eine Verjüngung der Belegschaft.28 Da bei jüngeren Arbeitern im allgemeinen eine geringere Gewerkschaftsbindung anzutreffen war und die lange Arbeitslosigkeit eine stabile politische Orientierung auch nicht gefördert haben konnte, ergaben sich für die Nationalsozialisten in dieser Arbeitergruppe am ehesten Gewinnchancen. Allein die Erfahrung, endlich wieder über einen Arbeitsplatz zu verfügen, konnte den Nationalsozialisten zugute kommen.29 Am Beispiel der Abteilung Kraftwagenbau läßt sich dies gut nachvollziehen. Diese Abteilung profitierte besonders stark vom wirt220 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

schaftlichen Aufschwung. Gab es im Frühjahr 1933 hier nur zwei Produktionsbezirke, so waren es ein Jahr später sechs. In den Bezirken Kraftwagenbau 1 und 2, denen höchstwahrscheinlich noch die alte Belegschaft angehörte, erbrachte die Wahl 1934 ein hohes Maß an Ablehnung. Nur 68,5 bzw. 59,7% stimmten ohne Änderung der vorgelegten Liste zu. Die Bezirke 3 bis 6, in denen entsprechend die neueingestellten Kräfte konzentriert sein mußten, stimmten mit 83,4 bis 94,3 % für die Vertrauensratsliste. 30 Die zweite Wahl zum Vertrauensrat vom April 1935 stand unter dem Eindruck des großen Erfolges, den das ›Dritte Reich‹ bei der Saar-Abstimmung im Januar 1935 gerade auch unter den Saar-Arbeitern errungen hatte. Gegen die Zugkraft der nationalen Parole und des deutschen Wirtschaftsaufschwungs hatten die linken Parteien im Saargebiet trotz intensivster Wahlpropaganda wenig ausrichten können.31 Die Vertrauensratswahlen desselben Jahres sollten den Beweis dafür erbringen, daß die Arbeiterschaft sich nun völlig in das ›Dritte Reich‹ eingegliedert habe. Offiziell wurde im gesamten Reich eine Zustimmung von 82 % bekanntgegeben. Das Ergebnis in der Kruppschen Gußstahlfabrik entsprach diesem Trend jedoch nicht. Das Resultat des Vorjahres wurde nicht verbessert, es trat eine geringe Verschlechterung ein. Die Beteiligung war zwar gestiegen, die Zustimmung aber gesunken.32 Die Tatsache, daß sich bei Krupp die Ergebnisse in einigen Abteilungen deutlich verschlechterten, belegt erneut, daß die interne Tabelle das Resultat der Abstimmung wohl unverfälscht wiedergab. Einen hohen Anteil an Ablehnung verzeichnete weiterhin das Elektrostahlwerk. In Maschinenbau 21 bewegte sich die Beteiligung nun im Werksschnitt, die schon zuvor niedrige Zustimmung ging weiter zurück. Erhebliche Rückschläge für die Liste ergaben sich auch in der 1. mechanischen Werkstatt, in Maschinenbau 7 und 2, im Lokomotivbau und in den Bezirken des Kraftwagenbaus, die 1934 noch durch hohe Zustimmung aufgefallen waren. In einer Reihe von Abteilungen, besonders im Hüttenbereich, erhöhte sich der Prozentsatz unverändert abgegebener Stimmzettel erheblich. Auch im Kraftwagenbau 1 und in der WidiaAnlage konnte die Vertrauensratsliste nun erfolgreich abschneiden. Ein einheitliches Abstimmungsverhalten war nicht festzustellen. Abteilungsinterne Gründe, die nur schwer nachvollzogen werden können, scheinen dabei eine gewichtige Rolle gespielt zu haben.33 Vergleicht man die Vertrauensratswahlen, mit den Resultaten der allgemeinen Volksabstimmungen im ›Dritten Reich‹, die jeweils annähernd 100 %ige Erfolge vorzuweisen pflegten, so wird deutlich, daß in den Betrieben immer noch die Möglichkeit bestand, sich gegenüber dem nationalsozialistischen Wahlzwang zu behaupten und daß etwa ein Drittel der Belegschaften sich nicht scheute, ihrer Unzufriedenheit und Ablehnung Ausdruck zu geben. In den Werken der IG Farben war ein hohes Maß an Zustimmung zu den 221 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

222

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Hochofenwerk Elektrostahlw. I II Martinwerk 7 3 Walzwerk 1/3 Stahlformerei mit Martinwerk 6 Hammerwerk I Schmiedepreßw. II Federnwerkstatt Gießerei 3 4 und Modellschreinerei Gießerei 5/6/7 Glühhaus

91,1 82,4 91,7 90,0 88,9 79,1

93,5 87,9 89,8 93,4 94,8

94,5 88,2 89,4

416 626 176 136 349

309 847 407

Beteiligung (in %)

269 125 72 402 232 392

Stimmberechtigte

81,8 62,2 57,4

46,3 58,0 63,9 66,9 69,5

61,2 37,9 28,8 62,4 63,1 74,2

unverändert

Wahl 1934

8,2 13,6 4,9

27,0 9,3 0,6 15,0 4,5

3,7 6,8 7,6 2,8 7,3 21,0

Streichung einzelner

9,9 24,1 37,6

26,7 32,7 35,4 18,1 26,0

35,1 55,3 63,6 34,8 29,6 4,8

Ablehnung1

Tab. 36: Vertrauensratswahlen Krupp-Gußstahlfabrik 1934 und 1935: Ergebnisse aus einzelnen Abteilungen

96,4 93,0 94,1

96,1 92,2 98,1 95,5 91,6

669 523 214 154 477 445 1201 555

95,5 93,6 95,7 94,0 95,4 90,4

(in % )

Beteiligung

223 125 234 414 238 645

Stimmberechtigte

91,4 80,7 68,8

61,0 63,5 61,9 72,1 70,5

79,8 52,1 61,2 76,3 62,1 82,8

unverändert

Wahl 1935

2,3 12,1 10,2

21,9 5,0 22,9 8,2 11,2

15,0 6,8 7,6 9,5 4,8 10,3

Streichung einzelner

6,3 7,2 26,1

17,1 31,5 15,2 19,7 18,3

5,2 41,0 31,3 14,1 33,0 6,9

Ablehnung1

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223

89,9 95,2 97,8 67,5 98,0 90,4 93,0 95,2 94,6 94,1 95,0 96,0 87,5 96,6 88,8

Beteiligung (in %)

71,0

77,5 80,4 93,8 65,1 90,0 93,9 76,8 68,5 94,3 86,5 63,7 80,6 60,6 67,4

unverändert

Wahl 1934

14,2 17,4 3,9 27,5 7,2 6,1 16,0 29,4 1,0 8,8 23,4 15,7 21,3 20,8 19,6

8,2 2,2 2,3 7,4 2,8 7,2 2,0 4,7 4,7 12,9 3,7 18,1 19,8 9,4

-

Ablehnung1

Streichung einzelner (in % )

95,1 97,9 96,3 90,3 97,0 97,4 95,5 94,5 95,4 96,0 95,8 94,3 95,6 95,7 92,9

387 190 244 434 569 312 425 255 298 50 355 350 827 233 35334

Beteiligung

Stimmberechtigte 6,5 9,7 2,6 25,5 6,2 2,3 6,4 8,7 11,2

57,3 81,2 92,3 53,8 84,2 78,6 56,2 80,1 81,8 97,9 61,2 79,7 65,7 89,7 69,1

5,3 5,8 7,7 2,2 11,2

-

Streichung einzelner

unverändert

Wahl 1935

36,1 9,1 5,1 20,7 9,6 19,1 37,4 11,2 7,0 2,1 33,5 14,5 26,5 8,1 19,1

Ablehnung1

Als Ablehnung sind hier gewertet: ungültige Stimmzettel und ganz durchgestrichene Stimmzettel (die letzteren wurden in der Werkstatistik den gültigen Stimmen zugezählt).

297 145 180 339 397 199 343 207 203 662 261 225 530 149 26579

Quelle: HA Krupp WA 41/6-205.

1

Gußstahlfabrik

1. mech. Werkstatt Rep. Werkstatt 4 Werkzeugmacherei Maschinenbau 21 7 2 Lokomotivbau 1 Kraftwagenbau 1 6 Kleinbau 2 1 4 Elektr. Anlagen Widia-Anlage

Stimmberechtigte

vorgelegten Vertrauensratslisten festzustellen. Allein die Wahlunterlagen sind nicht so detailliert wie bei Krupp, deshalb werden die Ergebnisse hier nur kurz, der Vollständigkeit halber, erwähnt. In Leverkusen nahmen 1934 87,6 % an der Abstimmung teil. Ungültig waren nur 0,7 % der Stimmen. Dies war ungewöhnlich. Vermutlich wurde hier zum Mittel der Manipulation gegriffen. Auf den ersten Namen der Liste entfielen nur 66,8 % der Stimmen, der letzte, ein Arbeiter, konnte 81,9% erreichen. 1935 konnte ein nichtnationalsozialistischer Tariffachmann, der als Nummer 20 auf der Liste stand mit 84,7 % am besten abschneiden. Der Listenführer kam nun auf immerhin 82,7 %. 34 Noch deutlicher fiel die Zustimmung 1935 im Werk Hoechst aus. Bei einer Beteiligung von 92 % entfielen auf die einzelnen ›Kandidaten‹ zwischen 84,3 und 85,5%. Der Anteil an ungültigen Stimmen wurde mit 1,1% angegeben. Die ›Deutschland-Berichte‹ sprachen dagegen von 30 % ungültigen Stimmen und von einem »starken Terror«, der bei der Abstimmung, die in der Kantine stattfand, ausgeübt wurde.35 Für Siemens in Berlin sind keinerlei werksinterne Zahlen überliefert, ein Umstand, der angesichts der Datenlage in anderen Großbetrieben skeptisch stimmt. Nur in der Werkszeitschrift, den ›Siemens-Mitteilungen‹, erschien im Mai 1935 eine kurze Notiz, daß die Abstimmung 1935 bei einer Beteiligung von 89,9 % 87,3 % Ja-Stimmen erbracht habe.36 Man kann nur spekulieren, daß ungültige Stimmen bei dieser Berechnung nicht berücksichtigt wurden. Ab 1936 fanden keine Vertrauensratswahlen mehr statt. Die Amtsdauer der Vertrauensräte wurde von da ab jeweils durch Gesetz um ein weiteres Jahr verlängert. Nötige Umbesetzungen wurden durch die Werksleitungen im Zusammenspiel mit den Treuhändern der Arbeit vorgenommen. Daraus schloß die historische Forschung fast einhellig, daß die Nationalsozialisten sich der Haltung der Arbeiterschaft unsicher waren und weitere Wahldebakel befürchteten. Die Arbeiter sollten keine Gelegenheit mehr haben, ihre vom NS-Kurs abweichende Meinung zu äußern. Der Verzicht auf weitere Wahlen konnte als Eingeständnis einer Niederlage für den Nationalsozialismus gewertet werden. Der harte Kern der Arbeiterschaft war nicht zu gewinnen. Davon abweichend hat Wolfgang Franz Werner eine neue Überlegung in die Debatte eingebracht: Die NS-Führung habe »sich inzwischen so fest etabliert (gehabt), daß sie auf akklamative Bestätigung durch die Arbeiterschaft verzichten konnte; der Verzicht auf weitere Wahlen bedeutet also auch ein Zeichen von Stärke«. 37 Der gewichtigste Grund war aber wohl ein interner. Mit Erreichen der Vollbeschäftigung hatte sich die Lage der Arbeiterschaft gewandelt. Wirtschaftliche Druckmittel griffen nicht mehr. Auch stand zu befürchten, daß ein Vertrauensrat, der sich dem Votum der Belegschaft zu stellen hatte, unter Erfolgsdruck gesetzt war und auf diese Weise unwillkürlich in das Fahrwasser der früheren Betriebsräte zu geraten drohte. Zudem versuchte die Deutsche 224 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Arbeitsfront über die Vertrauensräte immer stärker Einfluß auf die Betriebe zu gewinnen. Darin lagen für die NS-Führung unkalkulierbare Risiken.38 Aus den vorliegenden detaillierten Unterlagen besonders bei Krupp und im Ruhrbergbau kann geschlossen werden, daß bei den Abstimmungen selbst - von Ausnahmen abgesehen - ein direkter Zwang nicht ausgeübt wurde. Geht man von dieser Einschätzung aus, dann überrascht doch das Maß an Zustimmung, das den nationalsozialistischen Vertrauensratslisten entgegengebracht wurde. Fragt man nach den Motiven, die einen großen Teil der Arbeiter dazu veranlaßten, der nationalsozialistischen Institution ihre Stimme zu geben, wird man zuerst die Umstände der ›Wahl‹ berücksichtigen müssen. Nur eine Liste lag vor, die Arbeiter konnten sich nicht sicher sein, ob nicht doch massive Repressionen zu befürchten waren und das Wahlgeheimnis auf irgendeine Weise gebrochen würde. Die Angst, aufzufallen und den Arbeitsplatz zu gefährden, saß bei manchem sicher tief. Nur Zwang alleine kann jedoch nicht ausschlaggebend gewesen sein, denn trotzdem sprach sich ein Drittel der Arbeiter, wie bei Krupp, gegen die Liste aus, ohne daß sich Nachteile für sie daraus ergeben hätten - zumindest ist nicht ein einziger Fall aktenkundig. Als weiteres Motiv nannten die »Deutschland-Berichte« im April 1935 die »Grundstimmung der Gleichgültigkeit«. »Die Arbeiter - und darin stimmen alle Berichte überein - haben diese Wahlen nicht ernst genommen; es war ihnen in den meisten Fällen wurscht, ob gewählt wurde, wie gewählt wurde und wer gewählt wurde. Sie entzogen sich der Abstimmung, wo es ohne Gefahren möglich war, und sie beteiligten sich, wo der Wahlterror sie dazu zwang.« 39 Da sich ohnehin 1934 herausstellte, daß Vertrauensräte, die in der Abstimmung eindeutig abgelehnt worden waren, nachträglich durch die Treuhänder der Arbeit doch in ihr Amt eingesetzt wurden, konnten sich viele Arbeiter mit Recht fragen, warum sie diese Wahlfarce ernst nehmen sollten. Die Berichterstatter der Sopade warnten auch davor, in Wahlenthaltung und Ablehnung eine politische »Demonstration gegen das Regime« 40 zu sehen. Politisches Desinteresse, Entpolitisierung, Rückzug ins Private, dies waren Verhaltensweisen, die sicher ein Teil der Arbeiter als persönlichen Schutzwall gegen die totalitären Ansprüche des Nationalsozialismus errichtet hatte. Der Prozentsatz der Arbeiter, die durch den Nationalsozialismus gewonnen wurden und die sich der Bindung an die Arbeiterbewegung entfremdeten, dürfte nicht gering zu veranschlagen sein. Wiederum lassen sich die ›Deutschland-Berichte‹ als Quelle anführen, die im Frühjahr 1934 aus Südwestdeutschland und Berlin entsprechendes zu vermelden hatten: »Stimmungsmäßig verfügt der Nationalsozialismus über den meisten Anhang in der Arbeiterschaft und hier besonders bei den früheren Unorganisierten. . . . Weiter ist zu beobachten, daß sich die Arbeiterschaft viel stärker dem Terror beugt und sich dann schließlich beeinflussen läßt. . . . Nach wie vor sind größere Teile der Arbeiterschaft gewonnen. Besonders der Glaube 225 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

an Hitler ist noch erstaunlich stark.«41 Der vielbeschworene und weit verbreitete Hitler-Mythos, die integrative Klammer des Nationalismus, die in den außenpolitischen Erfolgen des Regimes immer wieder stärker gefestigt wurde, und die beginnende wirtschaftliche Erholung, gepaart mit gezielten sozialpolitischen Zugeständnissen, waren Faktoren, die der Gewinnung der Arbeiterschaft Vorschub leisteten. Auch die Bedeutung propagandistischer Formeln, in denen Begriffe der ›Linken‹ in nationalsozialistischer Verpackung angesprochen wurden, darf nicht vernachlässigt werden. Das Schlagwort vom ›nationalen Sozialismus‹ konnte zumindest bei ideologisch nicht gefestigten Arbeitern haften bleiben. Die NS-Propaganda verfuhr nicht ohne psychologisches Geschick, wenn sie, »Massenstimmungen ausnutzend, den Arbeiter umwarb«. 42 Die Niederlage der Arbeiterbewegung 1933 war so verheerend gewesen, daß sie in weiten Kreisen jeglichen Kredit verloren hatte und kaum den Halt geben konnte, der es ermöglicht hätte, der Welle des ›nationalen Aufbruchs‹ konsequent standzuhalten. Betriebsinterne Gründe konnten unterhalb der Ebene politischer Einstellungen das Abstimmungsverhalten bei den Vertrauensratswahlen beeinflussen, wie schon bei den Wahlen zum Betriebsrat. Zustimmung zur Liste mußte nicht unbedingt Einverständnis mit dem Nationalsozialismus signalisieren und Ablehnung nicht automatisch Protest gegen die Politik des ›Dritten Reiches‹. Diese Vorbehalte wurden auch, wie bereits erwähnt, in den ›Deutschland-Berichten‹ ausgesprochen. Persönliche Gründe gaben auf betrieblicher Ebene häufig den Ausschlag. Geltungssüchtige NS-Funktionäre, denen der Geruch des neuen ›Bonzentums‹ anhaftete, zogen ebenso Ablehnung auf sich wie Angestellte oder unmittelbare Vorgesetzte, die auf der Vertrauensratsliste standen. Andererseits konnten Nationalsozialisten, von denen man wußte, daß sie bereit waren, sich rückhaltlos für die Interessen der Belegschaft einzusetzen, auch unter Nicht-Nationalsozialisten auf Zustimmung rechnen. Nicht selten wurden auch ehemalige freigewerkschaftliche oder christliche Betriebsräte auf die Listen gesetzt, um den Grad an Zustimmung zu erhöhen. Auf der Schachtanlage 4/5 der Concordia Bergbau AG nahm z. Β. der ehemalige christliche Betriebsratsvorsit­ zende den ersten Platz der Stellvertreterliste ein. Er konnte 1935 mit 991 weit mehr Stimmen erringen als der erste Vertrauensmann mit 933.43 Ein Flugblatt des ZK der KPD rief 1935 sogar dazu auf, bei den Wahlen zum Vertrauensrat eine abgestufte Strategie zu verfolgen und keine generelle Ablehnung auszusprechen. Die Arbeiter sollten vielmehr versuchen, bei der Aufstellung der Kandidatenliste Einfluß zu nehmen, einzelne Kollegen sollten sich ohne Skrupel auf die offizielle Liste setzen lassen, »auch dann, wenn einzelne Unternehmerknechte auf der Liste oder an der Spitze stehen«. In Betrieben, in denen sich »Vertrauensleute der Belegschaft«44 (nicht nur Anhänger der ›Linken‹ waren damit gemeint) auf der Liste befanden, sollte die Wahl dieser Kollegen propagiert werden. 226 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Solche Wahlparolen konnten zwar nur wenige Arbeiter erreichen, die Wahlempfehlungen der Exilleitungen von SPD und KPD blieben nur Randerscheinungen im Kommunikationsmonopol der Nationalsozialisten, sie sprachen aber ein wichtiges Motiv für das Abstimmungsverhalten der Arbeiter an - die Interessenvertretung im Betrieb. Der hohe Stellenwert, den eine solche Interessenvertretung im Bewußtsein der Arbeiterschaft einnahm, ist bereits für die Zeit vor 1933 angeführt worden. Die Gewerkschaften waren zerschlagen, die Betriebsräte abgeschafft, und an ihre Stelle war der Vertrauensrat getreten. Über das direkte Ansprechen des Vorgesetzten oder Meisters hinaus gab es in den Betrieben des ›Dritten Reiches‹ kaum andere Möglichkeiten der Interessenwahrnehmung - zumindest hätten sie ein hohes persönliches Risiko bedeutet. Der Vertrauensrat erhielt deshalb, da sich sonst kaum andere Alternativen boten, eine Vermittlungsfunktion, um Forderungen nach Verbesserung der Arbeitsbedingungen Gehör zu verschaffen. Die Betriebsebene war das letzte Reservat, in dem im ›Dritten Reich‹ Arbeiterinteressen zumindest rudimentär von den Betroffenen selbst vertreten werden konnten. Ein gemeinsamer Nenner vereinigte antikapitalistisch eingestellte Funktionäre von NSBO und DAF und Anhänger der Arbeiterbewegung, das Bewußtsein vom ökonomischen Interessenkonflikt, von der Notwendigkeit des Kampfes um Löhne und Arbeitsbedingungen.45 Auch bei Krupp waren es häufig ›alte Kämpfen der SA und antikapitalistisch eingestellten Parteigenossen, die bei betrieblichen Protesten in vorderster Reihe zu finden waren. Für eine streikähnliche Aktion, die 1938 in der Lowa-Abteilung stattfand, wurde zum Beispiel der treibende Einfluß eben dieses Personenkreises verantwortlich gemacht.46 Bei der Stimmabgabe für die Vertrauensratsliste war dieses im eigentlichen Kern gewerkschaftliche Bewußtsein nicht gering zu achten. Die Alternative zum Vertrauensrat, dem Restbestand an Interessenvertretung, hieß entweder Individualisierung oder völlige Rechtlosigkeit. Es war deshalb nur zu verständlich, wenn Arbeiter sich an diesen letzten Rest betrieblicher ›Mitwirkung‹ klammerten.

3. Die Funktion der nationalsozialistischen Vertrauensräte Fraglich war, ob der Vertrauensrat diesen Anspruch auch erfüllen konnte. Die bereits beschriebenen Funktionen, die ihm das AOG zuwies, ließen Gegenteiliges vermuten. Der Vertrauensrat hatte mit dem Betriebsrat nur noch sehr wenig gemein. Entscheidungen konnte er nicht treffen, dieses Privileg war dem Betriebsführer und damit dem Arbeitgeber vorbehalten. Der Vertrauensrat spielte lediglich eine beratende Rolle, seine Funktion war die eines Stimmungsbarometers oder, mit den Worten Wolfgang Spohns, die eines »institutionalisierten Frühwarnsystems«. Tim Mason weist ihm 227 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

eine »kümmerliche Existenz am Rande der wichtigsten sozialpolitischen Entwicklungen« zu. Das AOG hatte den ›Herr-im-Haus‹-Standpunkt gefestigt und der Arbeiterschaft keine durchsetzbaren Rechte zuerkannt. Dies ist der einhellige und wohl auch insgesamt zutreffende Tenor der Forschung.47 Verfolgt man jedoch die betriebliche Praxis, so ergibt sich ein differenzierteres Bild. Die Vertrauensräte begnügten sich vielfach nicht mit dem ihnen gesetzten engen Rahmen, sondern sie versuchten sich die Tätigkeit des früheren Betriebsrates zum Vorbild zu nehmen. Die Spannungen, die dadurch in dieses Gremium hineingetragen wurden, gaben zu erkennen, daß das pauschale Verdammungsurteil dem Verhalten und der Zielsetzung vieler Vertrauensräte allein nicht gerecht wird. In der Kruppschen Gußstahlfabrik bildete der Vertrauensrat mehrere Fachausschüsse, die auch beim früheren Betriebs- und Arbeiterrat schon bestanden hatten, den Unfall- und Gesundheitsausschuß, den Konsumausschuß, den Wohnungsausschuß, den Lehrlingsausschuß, den Ausschuß für Kriegs- und Unfallbeschädigte und - eine Neuerung - den Vertrauensmann der Schwerbeschädigten. Ein zentrales Arbeitsgebiet des früheren Arbeiterrats, die Lohnkommission, erhielt im Vertrauensrat kein Äquivalent.48 Die Tatsache, daß dieser Schlüsselbereich der Betriebspolitik bei der Verteilung der Fachausschüsse keine Berücksichtigung fand, war kennzeichnend für die neue Rolle, die der Vertrauensrat zu spielen hatte. Er war nur beratendes Organ. Jeder Anschein sollte vermieden werden, als fungiere er als natürlicher Widerpart der Betriebsleitung. Ein Verhandlungspartner bei der Festlegung von Löhnen und Akkorden war der Vertrauensrat nicht. In der Praxis ließ sich allerdings nicht vermeiden, daß Lohnfragen immer wieder auf der Tagesordnung der Vertrauensratssitzungen standen. Der eigenständige, personenbezogene Charakter der Kruppschen Betriebsverfassung wurde auch im ›Dritten Reich‹ gewahrt. Unterhalb des Vertrauensrates, der für die gesamte Gußstahlfabrik zuständig war, wurde ein Netz von Hilfsvertrauensmännern für die einzelnen Abteilungen geschaffen, wie es zu Zeiten des Betriebsrates in der Form der AbteilungsVertrauensleute bestanden hatte. Diese Hilfsvertrauensmänner und ihre Stellvertreter wurden vom Betriebsführer »im Benehmen mit dem Vertrauensrat« ernannt. Sie hatten »aus der Gefolgschaft vorgebrachte Wünsche und Forderungen aus den allgemeinen Arbeitsbedingungen« aufzufangen und »im Falle ihrer Berechtigung« dem Leiter der Dienststelle (d. h. der Abteilung -W. Z.) vorzutragen. Ebenso waren sie bei der Verhängung von Bußen zu hören. Verfolgte man die betriebsinternen Richtlinien für die Hilfsvertrauensmänner weiter, so ergab sich verblüffenderweise kaum ein Unterschied zur vergleichbaren Einrichtung vor 1933. »Die Leiter der Dienststelle haben sie bei der Ein- und Durchführung von Gehalts-, Lohnund Akkordregelungen zu hören, Neueinstellungen und Entlassungen mit ihnen durchzuberaten.«49 Waren sie mit der Entscheidung, die der Leiter 228 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

getroffen hatte, nicht einverstanden, so konnten sie die Angelegenheit an den Vertrauensrat weitergeben. Informationen zur Arbeit der Hilfsvertrauensmänner sind leider nicht überliefert, so daß nicht nachzuprüfen ist, welche betrieblichen Belange damit schon im Vorfeld geklärt werden konnten. Vorhanden sind Stimmungsberichte, die die Hilfsvertrauensmänner in den Jahren 1937/38 zusammenstellten und aus denen deutlich wird, daß die Belegschaft diesen Personenkreis tatsächlich als Anlaufstelle für Beschwerden, Klagen und Anregungen nutzte. Von den im Jahre 1934 ernannten 170 Hilfsvertrauensmännern und Stellvertretern gehörten 26 der NSBO nicht an. 35 waren schon vor 1933 Mitglieder der NSBO geworden. 105 von ihnen gehörten auch der NSDAP an, davon 10 bereits vor 1930 und 45 vor 1933. Damit war die Gewähr gegeben, daß die Hilfsvertrauensmänner und ihre Stellvertreter auch im nationalsozialistischen Sinne zuverlässig waren.50 Die Sozialpolitische Abteilung stellte den Vertrauensmännern in einer ersten Wertung schlechte Noten aus und ließ durchblicken, daß sie überfordert seien und gelegentlich Übereifer an den Tag legten: Eine »ersprießliche, nutzbringende Arbeit in den ersten 5 Monaten des Bestehens des Vertrauensrats (ist) nicht festzustellen«. Der ›Betriebsführer‹ Goerens war mit diesem Urteil nicht einverstanden und fügte dem Geschäftsbericht eine handschriftliche Bemerkung hinzu: »M. E. ist die Tatsache, daß wir Ruhe in den Betrieben hatten, mindestens zum Teil auf die ausgleichende Tätigkeit des V. R. zurückzuführen.«51 Insoweit hatte der »Übereifer« der Vertrauensmänner, ihre verbale Kraftmeierei durchaus eine integrative Funktion. Sie konnten innerbetriebliche Spannungen kanalisieren und so einen wichtigen Beitrag zum ›Arbeitsfrieden‹ leisten. In den Sitzungen des Vertrauensrates kamen vor allem Fragen der betrieblichen Sozialpolitik, Maßnahmen im Rahmen des Programms ›Schönheit der Arbeit‹, die Beteiligung an NS-Organisationen und -Sammlungen, schwerwiegende disziplinarische Verstöße und Lohnprobleme zur Sprache. Gerade bei den Themen, die nicht direkt die Lohn- und Arbeitsbedingungen betrafen, konnten die Vertrauensmänner mit ihren Wünschen und Anregungen Erfolge erzielen. Doch auch, was das Feld der Löhne betraf, war ihr Vorgehen nicht immer vergeblich. Ζ. Β. wurde ein Antrag des Vertrauensrates vom 20. Mai 1936, die unterschiedliche Entlohnung der Kraftfahrer bei Krupp, die Anlaß zur Unzufriedenheit geboten hatte, zu vereinheitlichen, im Wortlaut von der Firmenleitung akzeptiert. Forderungen nach Lohnerhöhung wurden dagegen in der Regel abschlägig beschieden. Die Firma verfolgte die Taktik, dem Vertrauensrat begrenzte Erfolgserlebnisse zu vermitteln, um die wirklich zentralen und betriebswichtigen Fragen dann um so ungestörter in eigener Machtvollkommenheit entscheiden zu können.52 Ein Resümee der zweijährigen Arbeit der nationalsozialistischen Betriebsvertretung zog der Krupp-›Betriebsführer‹ Goerens 1936: »Ich selbst 229 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

kann aus meinen eigenen Beobachtungen sagen, daß wir mit dem, was bei uns geschieht, sehr wohl zufrieden sein können. Ich glaube nicht, daß von den kleinen Differenzen, die der Tag bringt, sehr viele außerhalb unserer Arbeitsgemeinschaft bei Gerichten und sonstigen Instanzen entschieden zu werden brauchen. Das ist schon sehr viel. Wir können unsere Wäsche allein waschen.«33 Anlaß zur Klage bot ihm jedoch der Aufwand, den zahlreiche Konflikte erforderten. »Wenn irgendeine Unzufriedenheit ist, irgendeiner sich ungerecht behandelt dünkt, laufen sie nicht gleich zum Vertrauensrat.«54 Solche Probleme sollten auf dem kürzesten Wege schon an der Arbeitsstätte bereinigt werden. Des weiteren beklagte er den Ton, in dem die Verhandlungen des Vertrauensrates stattfänden. Dieser Darstellung war zu entnehmen, daß der Vertrauensrat sich mit einer Vielzahl von Forderungen aus der Belegschaft auseinanderzusetzen hatte, daß diese Einrichtung genutzt wurde, um Forderungen aus der Arbeiterschaft Gehör zu verschaffen. Auf der anderen Seite hatte sich die Pufferfunktion des Vertrauensrates zur Zufriedenheit der Firmenleitung bewährt, scheinen konfliktträchtige Konfrontationen ausgeblieben zu sein. Eine ausgeprägt kämpferische Tradition hatte den Kruppschen Betriebsrat vor 1933 auch schon nicht ausgezeichnet. Verblüffend waren die Parallelen zu früher in dem personenbezogenen System der Hilfsvertrauensmänner. Das Urteil von der Einflußlosigkeit der Vertrauensräte kann leicht dazu verführen, die Möglichkeiten der früheren Betriebsräte zu idealisieren. Das Gewicht der Vertrauensräte im ›Dritten Reich‹ hing eng zusammen mit der Rolle, die die Betriebsräte im jeweiligen Betrieb schon zuvor repräsentiert hatten. Auf den einzelnen Zechen und Schachtanlagen des Ruhrbergbaus agierten die Vertrauensräte mit unterschiedlichem Einsatz und Erfolg. Bei der Concordia Bergbau AG wurde der ehemalige christliche Betriebsratsvorsitzende zur Unterstützung des Betriebszellenobmannes mit der Verwaltung der sozialen Einrichtungen und der Abhaltung der Sprechstunden beauftragt. Auf seine großen sozialpolitischen Erfahrungen konnte der Vertrauensrat nicht verzichten. Auch der Zechenleitung war es anscheinend nicht unlieb, einen kompetenten Ansprechpartner zu haben, der auch innerhalb der Belegschaft eher Rückhalt besaß. Denn die Vertrauensratswahl 1934 hatte besonders in der Schachtanlage 2/3 der vorgelegten Liste ein Debakel beschert. Ihr schlechtes Abschneiden schienen die Vertrauensmänner der Concordia durch ein besonders kämpferisches Auftreten kompensieren zu wollen. Bei ihrer ersten Zusammenkunft forderten sie mehr Zeit, um die einzelnen Reviere befahren zu können und um Streitigkeiten vor Ort nachzugehen. Die Betriebsleitung lehnte mit dem Hinweis ab, dafür seien primär die Steiger zuständig.55 Bei der Beratung der Betriebsordnung versuchte der Vertrauensrat, seine Befugnisse zu erweitern. Er konnte zusätzlich erreichen, daß er bei Strafen für unentschuldigtes Fehlen zuvor beratend herangezogen wurde, ebenso bei der Regelung der betrieb230 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

lichen Pausen. Die Forderung, in die Betriebsordnung den Passus aufzunehmen, »durch Verhandlung mit dem Vertrauensrat kann die Arbeitszeit günstiger geregelt werden«, wurde von Generaldirektor Dechamps höchstpersönlich abgelehnt. Der Vertrauensrat übe nicht die Funktion des Betriebsrates aus, könne also keine Vereinbarungen mit der Verwaltung herbeiführen. Außerdem sei diese Frage der »Tarifordnung« vorbehalten.56 Dem Entgegenkommen in einzelnen Punkten stand die Ablehnung in entscheidenden Fragen gegenüber. Auch bei Siemens war festzustellen, daß Vertrauensräte schon bei der Beratung der Betriebsordnung ihre Kompetenzen zu erweitern suchten. Im Wernerwerk Μ wurde eine Ergänzung der Betriebsordnung verlangt, die besagte, daß »alle Einstellungen, Beförderungen, Entlassungen sowie Änderungen in den Bezügen sämtlicher Gefolgschaftsmitglieder bzw. ganzer Abteilungen zuvor in einer Vertrauensratssitzung beraten werden«. Diese Passage wurde als Eingriff in die Rechte des Betriebsführers bezeichnet und abgelehnt.57 Hier zeigte sich deutlich auch ein in anderen Betrieben zu beobachtendes Phänomen: Wo der Betriebsrat vor 1933 eine einflußreiche Stellung eingenommen hatte, suchten nun auch die Vertrauensräte ihre Position zu verbessern. Aus der gemeinsamen Verbundenheit zwischen Führer und Gefolgschaft, die das AOG verordnet hatte, leiteten die Vertrauensräte ihrerseits Mitwirkungsrechte ab - gerade auch in betriebswichtigen Fragen. Eine, wenn auch nur begrenzte, Autonomie wurde beansprucht. Doch der Versuch, die ›Betriebsgemeinschaft‹ zu einer zweiseitigen Angelegenheit zu machen, mußte scheitern. Die Sitzungen des Vertrauensrates der Concordia Bergbau AG dokumentierten immer wieder neue Spannungen zwischen den Vertrauensmännern und der Zechenleitung. Drei tödliche Arbeitsunfälle nutzte der Vertrauensrat im September 1935, um den immer unerträglicher werdenden Arbeitsdruck zu beklagen. Der Vertrauensmann, der die betreffenden Äußerungen getan hatte, wurde von Dechamps verwarnt, der dem Vertrauensrat die Anwendung alter Methoden des Betriebsrates vorwarf.58 Im Dezember 1935 spitzten sich die Spannungen noch zu. In dieser Sitzung klagten die Vertrauensmänner erneut über ständige Leistungssteigerungen und »daß dauernd, sobald die Leute auf den Lohn gekommen wären, das Gedinge gekürzt würde«. Dabei fielen auch heftigere Worte wie »unsozial, schweinemäßig und dergl.«. Der stellvertretende Betriebsführer Meuthen wies dies kategorisch zurück und erwiderte auf Vorhaltungen, daß es ganz normal sei, wenn man am Ende der Schicht ermüdet sei.59 Dieser Zynismus brachte das Faß zum Überlaufen. Für den Vertrauensrat war dies drei Tage später der Anlaß, jede weitere Zusammenarbeit mit Meuthen abzulehnen und im Beisein von Dechamps eine Wiederholung der Sitzung mit derselben Tagesordnung zu verlangen. Unter Vermittlung des Kreiswalters der DAF Oberhausen wurde eine erneute Besprechung angesetzt, in deren Vorfeld der Vertrauensrat und namentlich der Betriebszellenobmann ihre 231 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Anschuldigungen zurücknahmen. Der Vorgang wurde damit als erledigt angesehen. In der Besprechung wurde aber dem Betriebszellenobmann vorgehalten, »daß er nicht nur nach oben Rückgrat zeigen müsse gegenüber der Führung, sondern mindestens ebenso nach unten gegenüber der Gefolgschaft«.60 Kein Einzelfall war, was die Zeche Werne 1935 dem Treuhänder der Arbeit zu berichten wußte. Der Steiger H., ein Vertrauensmann, so war dem Schreiben zu entnehmen, lege eine ganz und gar »klassenkämpferische Gesinnung« an den Tag. Er spalte den Vertrauensrat in zwei Gruppen und mache Front gegen die Maßnahmen der Betriebsführung. Innerhalb der Gefolgschaft werde gehetzt und Unzufriedenheit geschürt. »Durch seine Machenschaften hat er sich bei einem großen Teil der Gefolgschaftsmitglieder großen Anhang verschafft. Es handelt sich m. E. um solche Leute, die kommunistische Ideen verfolgen.«61 Der Vertrauensmann H., der einflußreiche Fürsprecher in der DAF hatte, wurde vom Treuhänder aber nicht abberufen, er erhielt nur eine ernste Verwarnung. Doch nicht auf allen Zechen verfolgten die Vertrauensräte einen solch konfliktbetonten Kurs. Auf der Schachtanlage Recklinghausen II erwies sich der Betriebszellenobmann dagegen als Bremser von Arbeiterforderungen und weigerte sich, in deren Interesse tätig zu werden.62 Auf der Zeche ›Friedrich der Große‹ wurde dem Vertrauensrat nach einer »schwungvollen Anfangsphase«, in der er sich für größere Befugnisse im Rahmen der Betriebsordnung einsetzte, für Entscheidungsrechte in Fragen von Arbeitsbedingungen und Löhnen stark machte, das Rückgrat gebrochen. Die engagierten Vertrauensmänner gaben auf. Der neue Vertrauensrat zeichnete sich nur noch durch Lethargie aus. Ein Steiger der Zeche beschwerte sich deshalb bei der DAF über die mangelnde Einsatzbereitschaft von Vertrauensrat und Betriebszellenobmann, die beide nicht das Vertrauen der Belegschaft genössen.63 In der Phase des Rüstungsbooms im Bergbau konnte der Vertrauensrat nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse erlangen. Lohnerhöhungen konnte er nur bei eng begrenzten, hoch qualifizierten Belegschaftsgruppen durchsetzen und auch nur, weil die Zechenleitung darin ein Mittel sah, sie angesichts der Vollbeschäftigung am Arbeitsplatzwechsel zu hindern. Trotzdem verfolgten die Bergbauunternehmer die Entwicklung in den Betrieben mit Sorge. Der Vorsitzende des Bergbau-Vereins, Ernst Brandi, zeichnete in einem Schreiben an den Geschäftsführer des Vereins, Hans von und zu Löwenstein, vom 7. Januar 1937 ein in seinen Augen erschreckendes Bild, der Vertrauensratsarbeit. Der Betriebszellenobmann, der meistens auch Mitglied des Vertrauensrates war, sehe sich immer mehr als Leiter bzw. Geschäftsführer des Vertrauensrates an, der demzufolge als Vertretung der Gefolgschaft gegenüber dem Betriebsführer erscheine. In vielen kleinen Industrien sei es schon gang und gäbe, »daß die Gefolgschaftsmitglieder des Vertrauensrates getrennt vom Führer tagen und wirken im 232 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Sinne des früheren Betriebsrates«. Den Vertrauensräten, so Brandi weiter, müßten wieder nachdrücklich die Bestimmungen des AOG vorgehalten werden, die besagten, daß dieses Gremium eine beratende Instanz für den Betriebsführer sei und unter dessen Vorsitz tage. Auch hätten sich in Angelegenheiten des Vertrauensrats Behörden, Partei oder DAF nur an den Betriebsführer zu wenden.64 Die Vertrauensräte begnügten sich vielfach nicht mit den ihnen zustehenden beschränkten Befugnissen. Versuchten die Vertrauensräte, die Wünsche und Forderungen der Belegschaften ernsthaft zu verfolgen, stießen sie schnell an die ihnen gesetzten Grenzen. Doch trotz dieser Hemmnisse konnte der Vertrauensrat durchaus ein Eigenleben entwickeln, aber nur, wenn er in außerbetrieblichen Instanzen eine Stütze fand - in der Partei oder der DAF. Gerade im Bergbau trachtete die DAF danach, auf Löhne und Arbeitsbedingungen Einfluß zu nehmen, und als selbsternannter Vertreter von Arbeiterinteressen tätig zu werden. Bei der Bewertung der Arbeit der Vertrauensräte besonders im Bergbau sollte berücksichtigt werden, daß ihnen über die DAF die Möglichkeit geboten wurde, das weiterzuverfolgen, was ihnen im Betrieb versagt blieb.65 Die Wertung Klaus Wisotzkys, »daß die Vertrauensräte keine für die Belegschaften wirksame Tätigkeit entfalten konnten«,66 geht zumindest von bestreitbaren Prämissen aus. Der Vertrauensrat war eben nicht mehr der Betriebsrat. Dafür hatte das AOG gesorgt. Dem Vertrauensrat waren enge Grenzen gesetzt. Recht plausibel scheint die These, daß der Vertrauensrat dort im allgemeinen völlig bedeutungslos blieb, wo auch schon die Betriebsräte wenig zu melden gehabt hatten.67 Erfolge konnte der Vertrauensrat besonders auf dem Felde der betrieblichen Sozialpolitik verzeichnen und punktuell auch auf dem Lohnsektor, wenn er seine Lohnforderungen auf kleine Gruppen von Arbeitern beschränkte. Die Betriebsleitungen verfolgten bei ihrem Nachgeben eine recht gezielte Taktik und ließen sich dabei von den betrieblichen Notwendigkeiten leiten. Wenn die betriebsinterne Unzufriedenheit ein leistungsgefährdendes Ausmaß zu erreichen drohte, konnten durch ein begrenztes Entgegenkommen Spannungen abgebaut und dem Vertrauensrat Erfolgserlebnisse vermittelt werden. In der Phase der Vollbeschäftigung traf sich das Interesse der Betriebsleitung, über materielle Anreize Impulse zur Mehrleistung zu geben und Arbeitskräfte anzuwerben, mit den Intentionen des Vertrauensrates. Unter veränderten ökonomischen Bedingungen konnte er deshalb erfolgreicher agieren.68 Schenkt man den ›Deutschland-Berichten› der Exil-SPD vom April 1936 Glauben, so genoß der Vertrauensrat kein hohes Ansehen innerhalb der Arbeiterschaft. »Die Stellung zu den Vertrauensräten ist in Berlin heute ganz allgemein ablehnend. Man hat gesehen, daß die Vertrauensräte, selbst wenn sie etwas für die Arbeiterschaft tun wollen, es nicht tun können. Die Illusionen, daß die Vertrauensräte Betriebsräte-Ersatz seien, sind darum völlig verschwunden. « 69 233 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Abgesehen von dem Eingeständnis, daß es solche Illusionen innerhalb der Arbeiterschaft gegeben hatte, kam darin das Dilemma des Vertrauensrates zum Ausdruck. So sehr sich manche Vertrauensräte auch mühten, nach dem Vorbild der Betriebsräte Anliegen der Arbeiterschaft zu verfolgen, mußten sie doch anerkennen, daß ihre realen Möglichkeiten durch die Allmacht der Betriebsleitungen beschnitten wurden, die ängstlich darauf bedacht waren, Autonomieansprüche des Vertrauensrates schon im Keim zu ersticken. Vergegenwärtigt man sich jedoch, daß Vertrauensräte versuchten, ihren Wirkungskreis zu erweitern, und manchmal sogar Ansätze einer konfliktbetonten Interessenpolitik zu beobachten waren, kann den Vertrauensmännern eine andere Bedeutung zugeschrieben werden. Da sie sich nicht widerspruchslos in das verordnete betriebliche Harmonieideal einfügten, sondern auf die vorhandenen sozialen Spannungen reagierten, waren sie ein stetiger Beweis für das Fortbestehen des industriellen Klassenkonflikts. In die Rolle eines »institutionalisierte(n) Widerpart(s) der materiell privilegierten Unternehmerseite«70 konnte der Vertrauensrat schon dadurch gedrängt werden, daß es ihn in einer totalitären Diktatur überhaupt gab. Der Vertrauensrat war Glied einer ›Betriebsgemeinschaft‹ und wies doch zugleich über sie hinaus. Die weiterbestehenden Spannungen in den industriellen Arbeitsbeziehungen machten den Vertrauensrat aus der Sicht der Unternehmer zu einem potentiellen Unsicherheitsfaktor. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre verlagerte sich das Schwergewicht zusehends von den Vertrauensräten auf die ›Amtswalter‹ der DAF in den Betrieben. Diese fanden Rückhalt in ihrer überbetrieblichen Großorganisation und konnten bei ihrer Tätigkeit das politische Gewicht der DAF auf die Waagschale legen.71 So gering die Resonanz des Vertrauensrates auch war, so beschränkt seine Durchsetzungsfähigkeit, konnte er doch als einzig verbliebener Interessenvertreter in den Betrieben Ansätzen kollektiver Aktionen eine Orientierung bieten und überhaupt ein entsprechendes Problembewußtsein schaffen. Die Vertrauensräte hatten nicht nur Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen aus der Belegschaft abzufangen und zu kanalisieren, sondern sie konnten überhaupt gewährleisten, daß solche, im Kern gewerkschaftliche Positionen, institutionell leidlich abgesichert, im ›Dritten Reich‹ artikuliert und ausgeübt werden konnten. Sie schufen damit einen Widerpart zur völligen Individualisierung der Arbeitsbeziehungen und zur Atomisierung der Arbeiterschaft.72

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4. Arbeiterschaft und Interessenvertretung Folgt man dieser Interpretation, dann ist auch das soziale Verhalten der Arbeiterschaft in der betrieblichen Wirklichkeit des ›Dritten Reiches‹, das in der sozialhistorischen Forschung als Widerstand, Opposition, Resistenz oder Nonkonformität bezeichnet wird, einzubeziehen.73 Die Einbindung der Arbeiterschaft in den Betrieb schließt ein gewerkschaftliches Bewußtsein nicht aus, sondern bedingt es gerade. Dieses Bewußtsein konnte auf verschiedenen Ebenen Ausdruck finden. Im Rahmen der Wahlen zum Vertrauensrat und der Arbeit dieses Gremiums waren Grundelemente des Prinzips gewerkschaftlicher Interessenvertretung durchaus anzutreffen. Unter dem Druck der Belegschaft zeigten manche Vertrauensräte ein recht hohes Maß an Konfliktbereitschaft. Die Erfahrung jedoch, daß die Vertrauensräte in Wirklichkeit einflußlos waren, oder die generelle Abneigung gegen diese nationalsozialistische Institution führte zu davon unabhängigen Aktionsformen von Arbeitern im Betrieb, die unter den Bedingungen des ›Dritten Reiches‹ nur in isolierter Form ablaufen konnten - nämlich an der Arbeitsstätte, in der Abteilung, innerhalb der Funktionsgruppe, soweit sich eben ein begrenzter Zusammenhang auf der Basis unmittelbarer Betroffenheit herstellen ließ. Stellvertretend für unzählige Beispiele sei an die Gußputzer in der Kruppschen Stahlformerei erinnert, die sich mit ihrer Arbeit bewußt zurückhielten, um eine günstigere Akkordregelung erzwingen zu können.74 Der individuelle Weg, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten, bestand im direkten Ansprechen des Vorgesetzten oder im Arbeitsplatzwechsel. Dabei konnten sich die Arbeiter zumindest indirekt auf Publikationen der DAF und Äußerungen von DAF-Funktionären berufen, die immer wieder nachdrücklich darauf hinwiesen, daß die Löhne mit den gestiegenen Arbeitsanforderungen nicht mehr in Einklang stünden, und Verständnis für die Leistungsverweigerung an den Tag legten. Der Monatsbericht der Wehrwirtschafts-Inspektion Nürnberg vom Juni 1939 suchte dementsprechend die Schuld auch bei der DAF: »Einzelne Vertreter der DAF haben in ihren Ausführungen geradezu aufhetzend gewirkt.« 75 Die unerläßliche Vorbedingung für solche Verhaltensformen war das Erreichen der Vollbeschäftigung. Die wirtschaftliche Lage bestimmte den Verhaltensspielraum der Arbeiterschaft. Diese Beobachtung war während der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre nicht nur in Deutschland zu machen, sondern zur selben Zeit auch in Großbritannien. War das Risiko, arbeitslos zu werden, gering und stellte es keine Drohung mehr dar, verhielten sich Arbeiter ›marktkonform‹. Die Arbeitsdisziplin ließ nach, und man wagte mehr, um die eigenen Interessen zu verfolgen. Die Erscheinungsformen der Arbeiteropposition im Betrieb, wie ›Blaumachen‹, Leistungszurückhaltung, Arbeitsplatzwechsel und Lohnforderungen, waren Konsequenz der ökonomischen Lage und für Phasen der Hochkonjunktur keineswegs 235 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

untypisch. Ein bewußter politischer Protest gegen den Nationalsozialismus war damit nicht notwendigerweise verbunden. Allerdings mußten die NSMachthaber in diesem Verhalten eine Gefährdung der eigenen wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen sehen. In dieser Wirkung auf die NSFührung mußte die eigentliche Brisanz der Arbeiteropposition im Betrieb gesehen werden. Die durch das Novembersyndrom stets wachgehaltene Angst, daß von der inneren ›Front‹ her ein ›Dolchstoß‹ in den Rücken der NS-Kriegsrüstung erfolgen könne, ließ den Nationalsozialismus auf solche Verhaltensformen überempfindlich reagieren. Sie bekamen damit erst ihren systemgefährdenden und destabilisierenden Charakter. Neuere Untersuchungen von Klaus Wisotzky, Wolfgang Franz Werner und Beatrix Hochstein konnten belegen, daß eine allzu selektive Auswahl der Quellen - auf der Basis von polizeilichen Stimmungsberichten und Exilpublikationen - zu einer Überinterpretation des Arbeiterprotests in den Betrieben geführt hat. Nonkonformes Verhalten war eher die Ausnahme denn die Regel. Im Ruhrbergbau lag 1938 weder die Kranken- noch die Fehlziffer höher als 1928. Es konnte keine Rede davon sein, daß sich ein erbitterter Grabenkampf zwischen Arbeitern und Unternehmern bzw. NSStaat auf der anderen Seite abspielte. Die Formen der Opposition im Betrieb waren ein Mittel der Arbeiterschaft, einen Positionsgewinn zu erzielen und von der wirtschaftlichen Prosperität zu profitieren.76 Gestützt wurde dieses Verhalten durch parallele Aktionen der DAF und von Vertrauensräten, die sich zum Teil nicht scheuten, Arbeitern, die wegen solcher Disziplinverstöße bestraft worden waren, ihre Hilfe angedeihen zu lassen. Vor allem die Rolle der DAF-Rechtsberatungsstellen muß hierbei beachtet werden. Ihre Aktivitäten waren für die Unternehmerschaft ein stetiger Stein des Anstoßes.77 Die DAF strebte nach Anerkennung als sozialpolitischer Interessenwahrer und wollte damit ihre Stellung innerhalb der NS-Polykratie stärken. Im Zusammenspiel der Bemühungen der DAF mit den individuellen und begrenzt kollektiven Protestformen der Arbeiterschaft ließen sich die Konturen eines Kampfes um Löhne und Arbeitsbedingungen erkennen, eines Kampfes, der im Kern auf ein gewerkschaftliches Bewußtsein hindeutete. Der als gewerkschaftlich zu klassifizierende Interessenstandpunkt besaß seine Eigengesetzlichkeit und ließ sich nicht durch ein von oben verordnetes Gemeinschaftsideal bannen. Soziale Spannungen waren nicht zu vertuschen, sie verschafften sich auch unter den Bedingungen des ›Dritten Reiches‹ Geltung. Das Bild einer aufsässigen Arbeiterschaft in den Betrieben sollte allerdings nicht überzeichnet werden. Nonkonformes Verhalten blieb eher die Ausnahme. Ulrich Herbert hat darauf hingewiesen, daß für die erfahrungsgeschichtliche Perspektive von Arbeitern eine »Arbeiteropposition« in den Betrieben nicht relevant war. Vielmehr »begannen seit etwa 1935 zwei neue Aspekte auf das Leben der Ruhrarbeiterschaft einzuwirken . . .: die für viele 236 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

neuartige Erfahrung eines über Jahre stabilen Arbeitsplatzes und die sozialpolitische Offensive der Nationalsozialisten«.78 In den von der Rüstungskonjunktur bevorzugten Großbetrieben konnten die Beschäftigten in bestimmten Teilbereichen während des ›Dritten Reiches‹ durchaus positive Erfahrungen machen. In anderen benachteiligten Sektoren der Industrie überwogen dagegen negative Erfahrungen. Arbeiter auf den Großbaustellen des Reiches, insbesondere beim Autobahnbau, wiesen zum Beispiel ein hohes Protest- und Unruhepotential auf. Harte Arbeitsbedingungen, schlechte Unterkunft und Verpflegung, ein hoher Prozentsatz an zwangsverschickten ehemaligen Sozialdemokraten und Kommunisten, dies waren Faktoren, die am ehesten eine offene Feindschaft zum Nationalsozialismus bedingten. Ein weiterer Beleg für den Faktor ökonomische Zufriedenheit: Unter den Personen, die zwischen 1937 und 1938 vor bayerischen Sondergerichten angeklagt waren, waren vor allem vier Gruppen auszumachen Arbeitslose, Autobahnarbeiter, soziale Absteiger und der harte Kern der früheren Arbeiterbewegung.79 Die relative Ruhe in den Großbetrieben der Rüstungsindustrie hatte mit deren privilegierter Stellung zu tun. Die dort gewährten Kompensationen, wie innerbetriebliche Qualifizierung und Arbeitsplatzsicherheit, hohe Löhne und umfangreiche betriebliche Sozialleistungen, konnten Unzufriedenheit mit den politischen Verhältnissen auffangen. Dies bedeutete jedoch nicht, daß die Arbeiterschaft in den Rüstungsbetrieben saturiert war. Sie äußerte ihre Forderung nach ökonomischer Besserstellung auf geschicktere Weise, nutzte die Spielräume rudimentärer gewerkschaftlicher Strategien und versuchte, ihre besondere Stellung auf dem Arbeitsmarkt auf die Waagschale zu legen.80

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Schluß: Die Stellung der Arbeiterschaft im »Dritten Reich« 1. Die Faktoren, die auf die Arbeiterschaft im Betrieb einwirkten und ihre Widerstandskraft gegenüber den Ansprüchen und Zwängen des ›Dritten Reiches‹ schwächten, sollen im folgenden noch einmal zusammenfassend hervorgehoben werden. Neben den Erfahrungsebenen der Weltwirtschaftskrise und des ›Dritten Reiches‹ sind die Wirkungsfaktoren eines langfristigen Entwicklungsprozesses zu berücksichtigen, um das Verhalten der Arbeiterschaft zu bewerten: Soweit das NS-Regime sich auf die Loyalität von Arbeitern stützen konnte, wurde es auch Nutznießer dessen, was die vorangegangenen Systeme, namentlich die Weimarer Republik, an Integration in die Industriegesellschaft geleistet hatten. In diesem Sinne stand das ›Dritte Reich‹ in der Kontinuität eines langfristigen Modernisierungsprozesses im industriellen Bereich. In der Zwischenkriegszeit erlebte die deutsche Industrie einen mit dem Begriff Rationalisierung nur unzureichend beschriebenen Wandel der Produktionsstruktur. Gerade die modernen Sektoren der Industrie, wie die Chemie und die Elektrotechnik, konnten mit Basisinnovationen aufwarten. Die technologischen Neuerungen wurden schon von Beobachtern des Instituts für Sozialforschung aus dem amerikanischen Exil mit einer industriellen Revolution gleichgesetzt. Dem Kapitalismus wurde wieder eine neue Dynamik attestiert.1 Dies bewirkte eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitsanforderungen. Das Qualifikationsprofil der Arbeitskräfte und die Ausgestaltung der Berufe mußten sich diesem Wandel anpassen. Spezialisierung und Berufsausbildung wurden zum Gegenstand systematischer Förderung durch Staat und Industrie. Innerbetriebliche Aufstiegs- und Qualifikationschancen - vom Ungelernten zum Angelernten und von diesem zum Facharbeiter - konnten in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre genutzt werden. Die berufliche Perspektive band an den Betrieb und bot Kompensationen für den verschärften Leistungsdruck. Das ›Drittc Reich‹ förderte diese Tendenzen bewußt, da sie den Erfordernissen der (Rüstungs-) Produktion entgegenkamen und überdies den Arbeitern die Möglichkeit boten, durch Identifikation mit der eigenen ›Wertarbeit‹ Berufsstolz zu entwickeln. Die Möglichkeit des Aufstiegs im Betrieb vermochte so auch als Ventil für gesellschaftliche Spannungen zu dienen. Auf dem Feld der Löhne konnten die Arbeiter der untersuchten Betriebe in den späten dreißiger Jahren Positionsgewinne verbuchen. Besondere 238 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Bedeutung erlangten dabei über- oder außertarifliche Zulagen und Prämien. Die individuelle Leistungsentlohnung, die im Effekt entsolidarisierend wirken konnte, ist speziell als Disziplinierungsinstrument und generell als ein modernisierungstypisches Phänomen zu verstehen. Individualisierung und Dezentralisierung waren wichtige Merkmale der Lohnentwicklung im ›Dritten Reich‹. Von der Tendenz her folgten die Löhne immer mehr einem normalen konjunkturellen Verlaufsschema. In der Phase vor 1936 hatte die Lebens- und Einkommensperspektive von Arbeitern trotz niedriger Löhne wieder an Sicherheit gewonnen. Die Löhne vor der Krise mußten nicht notwendigerweise als Maßstab gelten. In anderen, nicht durch die Rüstungskonjunktur privilegierten Unternehmen waren die Verdienstaussichten ungünstiger, blieben die niedrigen Krisenlöhne ausschlaggebend. Man kann also von einer gespaltenen Einkommenssituation innerhalb der Arbeiterschaft sprechen, die auch die ambivalente Arbeiterpolitik des Nationalsozialismus schlaglichtartig beleuchtet. Die in der Krise erlebte Angst um den Arbeitsplatz wirkte sich dahingehend aus, daß zugunsten der Arbeitsplatzerhaltung manche Arbeiter bereit waren, soziale und tarifliche Nachteile in Kauf zu nehmen. Die entsolidarisierenden Wirkungen der Krise, die Erfahrungen von Arbeitslosigkeit, Existenzangst und Perspektivlosigkeit bildeten die Vorbelastungen, auf deren Basis das nationalsozialistische Lösungskonzept bei vielen Arbeitern zumindest durchsetzbar war. Das verstärkte Gewicht des Betriebes, das aus der Ausnahmesituation der Weltwirtschaftskrise resultierte, wurde zusätzlich durch die ideologische Umarmungsstrategie von seiten der Unternehmer unter der Parole ›Betriebsgemeinschaft‹ akzentuiert. Der ideologischen Ausrichtung kamen aber auch reale Entwicklungen auf dem Gebiet der Betriebspolitik entgegen. Die Erfordernisse einer fortgeschrittenen, arbeitsteiligen Produktion verlangten Maßnahmen, die dem ›menschlichen Fakto‹ Rechnung trugen und die in ihrer Wirkung auf eine faktische Betriebsbindung, auf eine Integration in die Normen und Zwänge des Betriebes hinausliefen. Diese Maßnahmen bezogen sich auf eine moderne betriebliche Sozial- und Personalpolitik sowie berufliche Qualifikation und Spezialisierung. Hinter den ideologischen Beschwörungsformeln der ›Betriebsgemeinschaft‹ waren die Konturen eines technokratischen Konzepts industrieller Modernisierung zu erkennen, einer Modernisierung, die defensive Züge aufwies. Denn Mitwirkungsrechte der Arbeiterschaft waren in diesem Konzept nicht vorgesehen. Die Ansätze - mehr oder weniger begrenzter - institutionalisierter Konfliktregelung, die die Weimarer Demokratie eröffnet hatte, wurden im ›Dritten Reich‹ bis auf wenige Reste - in der ambivalenten Stellung des Vertrauensrats - zurückgedrängt. Das Ziel des Arbeitsfriedens, das die ›Betriebsgemeinschaft‹ garantieren sollte, schloß die Anwendung von Zwang und offener Gewalt ein. Die Konfliktlagen im Betrieb blieben unter dem Deckmantel der aufgezwungenen ›Harmonie‹ bestehen. Wenn Arbei239 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

ter unter Berufung auf die ›Betriebsgemeinschaft‹ z. Β. Gleichbehandlung mit den Angestellten einklagten, zeigten sie, daß diese Idee sich durchaus in konkrete Ansprüche umsetzen ließ. Die besondere Form der betrieblichen Herrschaft vertrug sich jedoch nicht mit egalitären Bestrebungen. Die Gemeinschaftsideologie mußte hinter dem auf Spaltung und Differenzierung zielenden Leistungsprinzip, hinter der Individualisierung der Arbeitsverhältnisse zurückstehen. Die funktionale Einbindung der Arbeiterschaft in den Betrieb bedeutete noch nicht deren gesellschaftliche Integration. Die Probleme einer antagonistischen Gesellschaftsordnung konnten nicht allein dort gelöst werden, wo sie am schärfsten zum Ausdruck kamen - im Betrieb. Eine Verkürzung der gesamtgesellschaftlichen Perspektive auf den Betrieb würde in Gefahr geraten, selbst ein Stück Betriebsideologie zu werden.2 Die vorliegende Untersuchung sieht den Betrieb aber als Transmissionsriemen des durchgängigen industriellen Klassenkonflikts an. Die Einbindung in die Normen und Zwänge des Betriebes bedeutete nicht das Aufgehen in der ›Gemeinschaft‹, sondern führte zu einer Bestätigung interessengebundener Konfliktlagen im Betrieb auf der Basis eines grundsätzlichen Gewerkschaftsbewußtseins.3 Da aber eine organisierte, kollektive Interessenwahrnehmung im ›Dritten Reich‹ nicht möglich war, blieb nur der Ausweg, den vorhandenen geringen Spielraum entweder individuell oder über den Vertrauensrat bzw. DAF-Stellen auszuloten. Daß ab 1936 die Fälle von »Arbeiteropposition« in den Betrieben anwuchsen, belegt nur, daß dieser Spielraum unter dem Vorzeichen der Vollbeschäftigung größer geworden war. Da es im ›Dritten Reich‹ keine wirklich selbständigen Organisationen der Arbeiterschaft gab, läßt sich das Verhalten und die Stellung der Arbeiterschaft, gestützt auf verläßliche Quellen, nur auf der betrieblichen Ebene detaillierter untersuchen. Der Betrieb als ›Betriebsgemeinschaft‹ sollte erklärtermaßen die ›Volksgemeinschaft‹ im Kleinen verkörpern. Die Wechselwirkung der Mechanismen von Terror und Zwang, Individualisierung und Neutralisierung, Kompensation und Befriedung im Betrieb weist auch auf die Herrschaftsmethoden des Nationalsozialismus im gesamtgesellschaftlichen Gefüge hin. Der Betrieb war Schauplatz einer technokratisch ausgerichteten Modernisierung, die, obwohl sie die Mitsprache von Seiten der Belegschaft weitestgehend ausschloß, eine Anziehungskraft auf die Arbeiterschaft ausüben konnte. Aufstiegshoffnungen und -chancen, wirtschaftliche Konsolidierung und Arbeitsplatzsicherheit konnten jenseits aller ideologischen Einflüsse als sozialer Fortschritt erfahren werden. Nicht von ungefähr war in den veralteten Industrien, speziell dem Steinkohlenbergbau mit seinen begrenzten Perspektiven, ein hohes Maß an Unzufriedenheit anzutreffen. Besonders bei jungen Arbeitern konnte die für die NS-Zeit typische Mischung aus Aufstiegs- und Leistungsbewußtsein, aus Individualisierung und dem Aufbrechen traditioneller Milieus wirken. 4 240 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Das Verhalten der jugendlichen Arbeiter zeigt aber auch die Kehrseite dieser defensiven Modernisierung. Sie schuf Spielräume für individuelles Fortkommen, weckte aber zugleich Ansprüche und fast unbekümmertes Selbstbewußtsein und gefährdete das traditionell hoch entwickelte Arbeitsethos. Es gibt Hinweise dafür, daß gerade junge Arbeiter in ihrer Einstellung zur Arbeit sich von den Älteren unterschieden, für die Sekundärtugenden wie Zuverlässigkeit und verinnerlichte Leistungsbereitschaft typisch waren. Die Jungen ordneten sich dagegen den Zwängen des Betriebes nicht mehr vorbehaltlos unter.5 Die Mobilisierung des technischen Fortschritts, die den langfristigen politischen Zielsetzungen des Regimes diente, hatte soziale Folgen, wie das abnehmende Arbeitsethos bei Jugendlichen, die stärkere Verhandlungsposition der Arbeiter in der Phase der Vollbeschäftigung, aus denen eine Gefahr für ebendiese politischen Ziele erwachsen konnte. Der Versuch, dieses defensive Modernisierungskonzept durch eine ideologische Umrahmung abzusichern, mußte scheitern. Dieses Modernisierungskonzept gelang, nicht weil an die nationale Ehre appelliert und der ›deutsche Arbeiten beschworen wurde, sondern weil die Krisenerfahrungen - Arbeitsplatzangst, Entsolidarisierung, Unsicherheit im persönlichen Lebenszuschnitt und Desorientierung - der Arbeiterschaft zugesetzt hatten. Angesichts dieser Erfahrungen mußten den Arbeitern die wiedergewonnene Arbeitsplatzsicherheit, kontinuierliches Einkommen, innerbetriebliche Sozial- und Ausbildungsmaßnahmen und insgesamt die längerfristig berechenbare und stabilisierte Lebensperspektive als entscheidender Fortschritt erscheinen. Für die politischen Ziele des ›Dritten Reiches‹ waren die Arbeiter damit aber noch nicht gewonnen. Vielmehr verblaßten die Krisenerfahrungen in den späten dreißiger Jahren mehr und mehr. Eine verstärkte Konfliktbereitschaft machte sich bemerkbar. Die Bestrebungen, die Arbeiterschaft im nationalsozialistischen Sinne zu politisieren, führten zu Rückzugsbewegungen in die Nischen der Privatsphäre, der Freizeit.6 Die Rolle des Betriebes im durchschnittlichen Arbeiterleben wurde dadurch reduziert bzw. - gemessen an den Krisenerfahrungen - auf ein normales Maß gebracht. Die Kombination von industrieller Modernisierung mit einer im Kern antimodernistischen Gemeinschaftsideologie war der Versuch, ein Teilmodernisierungskonzept im Hinblick auf genuin nationalsozialistische politische Ziele zu verwirklichen, in dem die sozialen Folgen unter Kontrolle gehalten und Mitspracherechte von seiten der Arbeiter gänzlich ausgeschlossen werden sollten. Das in der NS-Führung kursierende »Novembersyndrom«,7 die Angst vor einem systembedrohenden Verhalten der Arbeiterschaft, erforderte nicht nur Unterdrückungs- und Terrormaßnahmen, sondern auch eine Politik, die auf Gewinnung der Arbeiter abzielte. Nicht durch die Aufnahme in die ‹nationale Gemeinschaft‹ konnten die Arbeiter zumindest äußerlich für das ›Dritte Reich‹ gewonnen werden, es waren vielmehr die ökonomischen und sozialen Perspektiven im Rüstungs241 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

und Investitionsgütersektor, mithin die eigentlich nicht erwünschten sozialen Folgen der Teilmodernisierung, die dem Nationalsozialismus zugute geschrieben wurden. 2. Das politische Verhalten der Arbeiterschaft im ›Dritten Reich‹ konnte sich in vielfältigen Formen äußern: in apathischem Desinteresse an der Politik und damit im Rückzug in private Schutzbereiche; in opportunistischer Anpassung an den NS-Staat; in der Akzeptierung des Regimes oder zumindest von Teilaspekten des Nationalsozialismus; in der Haltung äußerer Loyalität, die teilweise mit einer inneren Emigration einherging; in partieller positiver Identifikation mit dem ›Dritten Reich‹ und schließlich auch in der völligen Gewinnung durch das Regime. Die Bedeutung der einzelnen Verhaltensschattierungen ist nicht quantitativ zu bestimmen. Sicher gab es im Laufe der NS-Herrschaft erhebliche Schwankungen zwischen den einzelnen Verhaltenstypen und fließende Übergänge.8 Eines steht aber fest: Die in oppositioneller Ablehnung des Nationalsozialismus vereinte Arbeiterschaft war im ›Dritten Reich‹ nicht anzutreffen. Der politische Widerstand der Arbeiterschaft, ihre bewußte Verweigerung war eher ein Randproblem und betraf hauptsächlich den kleinen, aber harten Kern der vor 1933 schon politisch aktiven Mitglieder der Arbeiterbewegung, der ideologisch unbeirrbar und politisch standfest geblieben war. Einschränkend wäre allenfalls auf den Widerstand von Jugendlichen und jungen Arbeitern hinzuweisen. Doch war diese Form eng mit dem Generationskonflikt verbunden und resultierte vorwiegend aus der Ablehnung des totalitären Mobilisierungszwangs im ›Dritten Reich‹.9 Diejenigen Teile der Arbeiterschaft, die mit der Rüstungskonjunktur begrenzte positive Erfahrungen verbinden konnten, brachten dem Regime, bei allen Vorbehalten im einzelnen, das für sein Funktionieren erforderliche Maß an Loyalität entgegen. Das typische Arbeiterbewußtsein vor wie nach 1933 war nicht revolutionär, sondern allenfalls ›gewerkschaftlich‹. Je näher Deutschland der Vollbeschäftigung kam, desto mehr gewannen auch wieder überlieferte gewerkschaftliche Aktionsformen an Boden. Natürlich war das nur in bescheidenen Ansätzen, innerhalb der von der nationalsozialistischen Diktatur gesetzten Grenzen möglich. Aber immerhin: Die Betriebsebene bildete das letzte Reservat, in dem sich Arbeitern im ›Dritten Reich‹ Ansätze zur eigenen Interessenvertretung boten.10 3. Dem Nationalsozialismus standen darüber hinaus besondere gesellschaftliche Integrationsmittel und Identifikationssymbole zur Verfügung: Der Nationalismus stellte eine verbindende Klammer dar, die durch die außenpolitischen Erfolge des Regimes nachhaltig gefestigt wurde. Wie stark der Führermythos, das Vertrauen in die Person Hitlers auch in 242 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Arbeiterkreisen verwurzelt war, haben die Forschungen von Ian Kershaw gezeigt. Nicht minder ansteckend dürften, angesichts der traditionellen deutschen Vorbelastungen, militärische Ausdrucksformen und obrigkeitsstaatliche Ordnungsvorstellungen gewirkt haben. Der Begriff der Ordnung und militärischen Zucht ist in der rückblickenden Bewertung des NS ein ständig wiederkehrender Topos. Soziale Kompensationen, die der NSStaat gewährte, spielten ebenfalls eine Rolle. Staatliche und betriebliche Sozialmaßnahmen, die »Vielfalt und Allgegenwart ›fürsorgliche‹ Programme und Organisationen«,11 die attraktiven Verlockungen, für die besonders die Institution ›Kraft durch Freude‹ stand, waren ungeachtet ihres tatsächlichen materiellen Gehalts schon in ihrer propagandistisch angelegten Dichte eindrucksvoll. Daneben standen die Mechanismen des Zwangs, der Repression, des jederzeit abrufbaren Terrors und der Ausschluß jeglicher Alternativen, an denen die Arbeiterschaft sich hätte orientieren können. Das ›Dritte Reich‹ beruhte ebensosehr auf der teils offenen, teils verhaltenen Loyalität eines Großteils der ›Volksgenossen‹ und ›Gefolgschaftsmitglieder‹, wie auf einem umfassenden Unterdrückungssystem im gesamtgesellschaftlichen und betrieblichen Bereich. Es war die Gleichzeitigkeit beider Komponenten, die den Alltag im nationalsozialistischen Deutschland bestimmte. Die oft gebrauchte Formel vom sozialen Fortschritt im Gefolge des technokratischen Modernisierungskonzepts erscheint unter diesen Rahmenbedingungen zumindest problematisch, zumal der bereits erreichte Stand auf anderen Gebieten im NS-Staat zurückgedrängt und abgebaut wurde. Es sei nur an die politische Partizipation und an die gesellschaftliche Autonomie erinnert. Die industrielle Teilmodernisierung im ›Dritten Reich‹ war in den langfristigen Entwicklungstrend einer fortgeschrittenen kapitalistischen Gesellschaft eingebettet, doch ohne die aktive Unterstützung durch das NS-Regime, dies hat Rüdiger Hachtmann überzeugend herausgearbeitet,12 wäre es nicht zu einem solchen Modernisierungsschub in den rüstungsrelevanten Sektoren gekommen. Die Privilegierung des für die politischen Ziele der Nationalsozialisten besonders wichtigen Teils der Industrie ging zu Lasten vor allem des Verbrauchsgütersektors und der dort Beschäftigten. Diese Schieflage wäre unter anderen politischen Vorzeichen wohl nicht so kraß ausgefallen. Zurecht kann man trotz des Rüstungsbooms von nicht ausgeschöpften Wachstumspotentialen in der Wirtschaft des ›Dritten Reiches‹ sprechen.13 Der Nationalsozialismus war in seinen Wirkungen auf die Modernisierung ambivalent. Soziale Fortschritte bildeten die Kompensation für Versagungen und Repressionsmaßnahmen im politischen Bereich. Nichts änderte sich jedoch daran, daß die Masse der Arbeiterschaft sich am unteren Ende der Sozialskala befand, daß außerhalb rüstungsrelevanter Sektoren der Lebensstandard auf niedrigem Niveau verharrte. Von »Chancengleichheit«, von einer »sehr progressiven sozialen Neuordnungskonzeption«, wie dies neuere biographische Studien zur NS243 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Zeit sehen wollen,14 war das ›Dritte Reich‹ weit entfernt. Antimodernistische Visionen, politische und kulturelle Archaismen, gewalttätige, menschenverachtende Herrschaftstechniken kennzeichneten die andere Seite des Nationalsozialismus. Dort entfaltete er seine eigentliche, zerstörerische Dynamik. Folgerichtig waren die wirkungsvollsten Beiträge des Nationalsozialismus zur Modernisierung der deutschen Gesellschaft die Folgen seines Zusammenbruchs im Jahre 1945.15 4. Die Gesellschaft des ›Dritten Reiches‹ war keine schichtübergreifende Massengesellschaft, sie hob die klassenspezifischen Schranken nicht auf, wie dies zeitgenössischen Beobachtern im Exil erscheinen mochte.16 Klassenspannungen und Interessenkonflikte bewiesen ihr Eigengewicht. Klassengeprägte Konfliktlagen erwiesen sich sogar für regimeinterne Spannungen - besonders über die NSBO und die DAF - als konstitutiv und bestimmten die soziale Wirklichkeit des ›Dritten Reiches‹. Unterdrückung und soziale Kompensation gingen eine enge Symbiose ein. Die ›Volksgemeinschaft‹ überlagerte die klassengesellschaftlichen Strukturen, hob sie aber nicht auf. In neueren Untersuchungen wird von einer »partiell existent gewordene(n) Volksgemeinschaft«17 gesprochen und davon, daß sie »weit mehr als eine Phrase«18 gewesen sei. Das grundlegende Dilemma bleibt jedoch, daß das propagandistische Selbstbild, das der Nationalsozialismus von sich selbst entwarf, und die Erscheinungsformen der »partiell existierenden Volksgemeinschaft« ineinander verschwimmen. Propaganda, Mythos und Realität der ›Volksgemeinschaft‹ lassen sich kaum voneinander unterscheiden und bieten damit ein weites Feld für Spekulationen. Die ideologische Überzeugungsarbeit, mit der die Nationalsozialisten die Arbeiter zu gewinnen suchten, war umfassend und voller Symbolik, wie der 1. Mai 1933 zeigte. Die Arbeiterschaft konnte sich gemessen an anderen sozialen Gruppen in der NS-Propaganda als »umworbener Stand«19 fühlen. Nach der hier vertretenen Ansicht waren es aber nicht die statuserhöhenden und den ‹nationalen Arbeiter‹ umwerbenden Phrasen der ›Volksgemeinschaft‹, die der Gewinnung der Arbeiterschaft Vorschub leisteten, sondern vorrangig, aber nicht ausschließlich, der Faktor ökonomische Zufriedenheit. Durch Entwicklungen, wie innerbetriebliche Aufstiegschancen, Lohnsteigerungen zumindest gegenüber dem Tiefstand der Krisenjahre, abnehmende Angst um den Arbeitsplatz beziehungsweise Wertschätzung der Tatsache, daß es wieder Arbeit gab, konnten positive Erfahrungen vermittelt werden. All dies trug durchaus zur Hebung des Statusbewußtseins in weiten Teilen der Arbeiterschaft bei, so daß vielen Zeitgenossen die ›Volksgemeinschaft‹ als real erscheinen mochte. Berücksichtigt man die Herrschaftstechniken der Spaltung und Differenzierung - in Arbeiter, die von der Rüstungskonjunktur profitierten und solche, die leer ausgingen -, der Individualisierung und Neutralisie244 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

rung, der Lähmung und des Zwangs stellt sich aus dem Blickwinkel der Arbeiterschaft die ›Volksgemeinschaft‹ doch mehr als Mythos denn als Realität dar. Integrative und desintegrierende Prozesse überschnitten sich im ›Dritten Reich‹ - sie konnten auch nur in dieser Kombination wirken. Durch die ›Volksgemeinschaft‹ wurden in der Bevölkerung weitverbreitete Bedürfnisse nach gesellschaftlicher Harmonie angesprochen, die in der durch Klassenspannungen geprägten und schließlich gescheiterten Weimarer Republik ihre Wurzel hatten. Die ›Volksgemeinschaft‹ war die nationalsozialistische Lösungsvariante für die Probleme einer im Entstehen begriffenen Massengesellschaft. Für die ›Volksgemeinschaft‹ war eine Form der politischen Herrschaft charakteristisch, in der, um ein Wort Walter Benjamins zu verwenden, »die Massen zu ihrem Ausdruck«, aber nicht »zu ihrem Recht« kamen.20

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Anmerkungen Einleitung 1 Matthias Murko, »Ich hab mich halt so durchgeschlagen«. Vom Arbeiterleben in den zwanziger Jahren, in: Arbeitererinnerungen. Begleitheft zur Ausstellung, hg. v. Centrum Industriekultur, Nürnberg 1984, S. 123-125, 124. 2 Ulrich Herbert, Zur Entwicklung der Ruhrarbeiterschaft aus erfahrungsgeschichtlicher Perspektive, in: Lutz Niethammer u. Alexander v. Plato (Hg.), »Wir kriegen jetzt andere Zeiten«. Auf der Suche nach der Erfahrung des Volkes in nachfaschistischen Ländern, Berlin 1985, S. 19-52, 20 sowie ders., »Die guten und die schlechten Zeiten«. Überlegungen zur diachronen Analyse lebensgeschichtlicher Interviews, in: Lutz Niethammer (Hg.), »Die Jahre weiß man nicht, wo man heute hinsetzen soll«. Faschismuserfahrungen im Ruhrgebiet, Berlin 1983, S. 67-96, 84 f. 3 Zur sozialen Lage der Arbeiter in der Krise und den Wirkungen der Arbeitslosigkeit: Heinrich August Winkler, Der Weg in die Katastrophe. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 bis 1933, Berlin 1987, S. 19 ff. Ein insgesamt höchst anregender Versuch, die sozialpsychologischen Folgen der Krise zu analysieren: Peter Brückner, Psychologie und Geschichte. Vorlesungen im ›Club Voltaire‹ 1980/81, Berlin 1983, S. 84 ff. 4 Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade) 1934-1940, 7 Bde., ND Frankfurt 1980: Januar 1935, S. 137. 5 Ebd., Juli 1935, S. 884. 6 Timothy W. Mason, Sozialpolitik im Dritten Reich. Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, Opladen 2. Aufl. 1978; Ulrich Herbert, Arbeiterschaft im »Dritten Reich«. Zwischenbilanz und offene Fragen, in: GG, Jg. 15, 1989, S. 320-360, 321. 7 Den letztgenannten Aspekt betont besonders eine jüngst erschienene Studie: Rüdiger Hachtmann, Industriearbeit im »Dritten Reich«. Untersuchungen zu den Lohn- und Arbeitsbedingungen in Deutschland 1933-1945, Göttingen 1989, S. 15. Der Begriff Modernisierung ist nur im engen Rahmen der Perfektionierung des industriellen Systems gemeint. Zur Problematik der Modernisierung in diesem Kontext: Hans-Ulrich Wehler, Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975, bes. S. 61 und in der Verbindung mit dem Nationalsozialismus: Horst Matzerath u. Heinrich Volkmann, Modernisierungstheorie und Nationalsozialismus, in: Jürgen Kocka (Hg.), Theorien in der Praxis des Historikers. Forschungsbeispiele und ihre Diskussion, Göttingen 1977, S. 86-102. 8 Martin Broszat u. Elke Fröhlich, Alltag und Widerstand - Bayern im Nationalsozialismus, München 1987, S. 29 f.; ders, u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Band 1: Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte. München 1977. S. 207 ff.; Gerhard Hetzer, Industriestadt Augsburg. Eine Sozialgeschichte der Arbeiteropposition, in: Martin Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Band 3: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt. Teil B. München 1981, S. 1-233, 129; Wolfgang Franz Werner, »Bleib übrig!« Deutsche Arbeiter in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft, Düsseldorf 1983, S. 30ff.; Gunther Mai, Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Zum Verhältnis von Arbeiterschaft und Nationalsozialismus, in: VfZ, Jg. 31, 1983. S. 573-613: ders., »Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?« Zur Rolle der Deutschen Arbeitsfront im Herrschaftssystem des Dritten Reiches, in: GG, Jg. 12, 1986, S. 212-234; Jürgen W. Falter,

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Anmerkungen zu S. 13-15 Warum die deutschen Arbeiter während des «Dritten Reiches« zu Hitler standen, in: GG, Jg. 13, 1987, S. 217-231. 9 David Schoenbaum, Die braune Revolution. Eine Sozialgeschichte des Dritten Reiches, München 1980, sowie weit weniger differenziert, von der Quellenbasis her sogar fragwürdig: John R. Gillingham, Die Ruhrbergleute und Hitlers Krieg, in: Hans Mommsen u. Ulrich Borsdorf (Hg.), Glück auf, Kameraden! Die Bergarbeiter und ihre Organisationen in Deutschland, Köln 1979, S. 325-343; Herbert, Entwicklung S. 47, Anm. 28. 10 Timothy W. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft. Dokumente und Materialien zur deutschen Arbeiterpolitik 1936-1939, Opladen 1975; ders., Sozialpolitik; ders., Arbeiteropposition im nationalsozialistischen Deutschland, in: Detlev Peukert u. Jürgen Reulecke (Hg.), Die Reihen fast geschlossen. Beiträge zur Geschichte des Alltags unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1981, S. 293-313. 11 Timothy Mason, Die Bändigung der Arbeiterklasse im nationalsozialistischen Deutschland. Eine Einleitung, in: Carola Sachse u.a., Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 11-53, 34. 12 Diese Komplexität betont besonders Mason (ebd.). 13 Darauf hat Ulrich Herbert (Arbeiterschaft, S. 321 f.) hingewiesen auch unter Berücksichtigung der Erwartuneshaltung der Historiker. 14 Jürgen Kocka, Klassen oder Kultur? Durchbrüche und Sackgassen in der Arbeitergeschichte, in: Merkur, Jg. 36, 1982, S. 955-965, 965 sowie Winkler, Weg (mit weiterführender Lit.). 15 Erich Fromm, Arbeiter und Angestellte am Vorabend des Dritten Reiches. Eine sozialpsychologische Untersuchung, bearb. u. hg. von Wolfgang Bonß, Stuttgart 1980. Zur Geschichte der Fromm-Enquête s. die Einleitung von W. Bonß (ebd.) und Horst Kern, Empirische Sozialforschung. Ursprünge, Ansätze, Entwicklungslinien, München 1982, S. 149, 156 f.; Heinrich August Winkler, Der Schein der Normalität. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1924 bis 1930, Berlin 1985, S. 146 ff. und mit grundsätzlicher Kritik: Brückner, Psychologie, S. 93 ff. 15 Jürgen W. Falter u. Dirk Hänisch, Die Anfälligkeit von Arbeitern gegenüber der NSDAP bei den Reichstagswahlen 1928-1933, in: Aß, Jg. 26, 1986, S. 179-216; ders., Warum die deutschen Arbeiter; Mason, Sozialpolitik, S. 66 ff. 17 Josef Mooser, Arbeiterleben in Deutschland 1900-1970. Klassenlagen, Kultur und Politik, Frankfurt 1984, S. 29; s. auch Winkler, Schein, S. 13 ff. 18 Mooser, Arbeiterleben, S. 45. 19 Winkler, Schein, S. 25. In Städten zwischen 10000 und 100000 Einw. waren es 14%. 20 Statistik des Deutschen Reichs, Bd. 462/2: Volks-, Berufs- und Betriebszählung vom 16. Juni 1933: Die gewerblichen Niederlassungen, ihr Personal und die vorhandene motorische Kraft, Berlin 1935, S. 15. (Der Band 567 mit den Ergebnissen der Betriebszählung 1939 nach Größenklassen ist nicht erschienen.) Daten zu den gewerblichen Arbeitsstätten und ihrem Personal nach Größenklassen 1939 enthält jedoch: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, hg. v. Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets, München 1949, S. 238-245: Von 14602529 Beschäftigten in Industrie und Handwerk waren 1939 6393756 (= 43,8 %) in Betrieben mit über 200 Personen tätig. 21 Auf die zentrale Bedeutung der Arbeit und des Betriebes für das Arbeiterbewußtsein weisen hin: Alexander v. Plato, »Ich bin mit allen gut ausgekommen« oder war die Ruhrarbeiterschaft vor 1933 in politische Lager gespalten?, in: Lutz Niethammer (Hg.), »Die Jahre weiß man nicht. . .« S. 31-65, 57; Horst Kern u. Michael Schumann, Industriearbeit und Arbeiterbewußtsein. Eine empirische Untersuchung über den Einfluß der aktuellen technischen Entwicklungen auf die industrielle Arbeit und das Arbeiterbewußtsein, Frankfurt 1970, S. 23 ff. Die Kritik, daß diese Sichtweise den Betrieb isoliert zu Lasten der gesellschaftlichen Totalität: Sebastian Herkommer, Das Elend der Industriesoziologie, in: Sozialistische Politik, Jg. 4, 1972, Nr. 16, S. 71-87. Ähnliche Einwände erhob in den zwanziger Jahren bereits

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Anmerkungen zu S. 15-19 Theodor Geiger, Zur Soziologie der Industriearbeit und des Betriebes, in: Die Arbeit, Jg. 6. 1929, S. 673-689, 766-781. 22 Herbert, Entwicklung, S. 25 f. 23 Eva Cornelia Schock, Arbeitslosigkeit und Rationalisierung. Die Lage der Arbeiter und die kommunistische Gewerkschaftspolitik 1920-28, Frankfurt 1977; Uta Stolle, Arbeiterpolitik im Betrieb: Frauen und Männer, Reformisten und Radikale, Fach- und Massenarbeiter bei Bayer, BASF und in Solingen (1900-1933), Frankfurt 1980; Dieter Schiffmann, Von der Revolution zum Neunstundentag. Arbeit und Konflikt bei BASF 1918-1924, Frankfurt 1983; Helmuth Tammen, Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft (1925-1933): ein Chemiekonzern in der Weimarer Republik, Berlin 1978; Rudolf Tschirbs, Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918 bis 1933, Berlin 1986; die Studie eines Schweizer Betriebes: Rudolf Vetterli, Industriearbeit, Arbeiterbewußtsein und gewerkschaftliche Organisation. Dargestellt am Beispiel der Georg Fischer AG (1890-1930), Göttingen 1978. 24 Gustav-Hermann Seebold, Ein Stahlkonzern im Dritten Reich. Der Bochumer Verein 1927-1945, Wuppertal 1981; Klaus Wisotzky, Der Ruhrbergbau im Dritten Reich. Studien zur Sozialpolitik im Ruhrbergbau und zum sozialen Verhalten der Bergleute in den Jahren 1933 bis 1939, Düsseldorf 1983; Hetzer, Augsburg; Hisashi Yano, Hüttenarbeiter im Dritten Reich. Die Betriebsverhältnisse und soziale Lage bei der Gutehoffnungshütte Aktienverein und der Fried. Krupp AG 1936 bis 1939, Stuttgart 1986. Yano wendet sich zwar dem Hüttenbereich von Krupp in den späten dreißiger Jahren zu, richtet seine Untersuchung jedoch auf eine gänzlich andere Fragestellung aus. Im Vordergrund steht bei ihm die Auseinandersetzung mit der These, daß eine soziale und ökonomische Systemkrise am Ende der dreißiger Jahre dem Nationalsozialismus gewissermaßen als Flucht nach vorn die Entscheidung zum Krieg aufgezwungen haben (ebd., S. 1). Material zu Krupp und Siemens enthält auch Michael Prinz, Vom neuen Mittelstand zum Volksgenossen. Die Entwicklung des sozialen Status der Angestellten von der Weimarer Republik bis zum Ende der NS-Zeit, München 1986. Klaus Tetifelde, Proletarische Provinz. Radikalisierung und Widerstand in Penzberg/Oberbayern 1900 bis 1945, in: Martin Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Band 4: Herrschaft und Gesellschaft im Konflikt, Teil C, München 1981, S. 1-382; Gunther Mai, Die Geislinger Metallarbeiterbewegung zwischen Klassenkampf und Volksgemeinschaft 1931-1933/34, Düsseldorf 1984.

I. Qualifications- und Berufsmuster von Arbeitern zwischen Wirtschaftskrise und Rüstungskonjunktur 1 Zu den Ursachen der Weltwirtschaftskrise: Dietmar Petzina, Die deutsche Wirtschaft in der Zwischenkriegszeit, Wiesbaden 1977, bes. S. 17 f.; Gilbert Ziebura, Weltwirtschaft und Weltpolitik 1922/24-1931. Zwischen Rekonstruktion und Zusammenbruch, Frankfurt 1984; Wolfram Fischer, Die Weltwirtschaft im 20. Jahrhundert, Göttingen 1979; ders., Deutsche Wirtschaftspolitik 1918-1945, 3. Aufl. Opladen 1968; Knut Borchardt, Zwangslagen und Handlungsspielräume in der großen Wirtschaftskrise der frühen dreißiger Jahre: Zur Revision des überlieferten Geschichtsbildes, in: Bayerische Akademie der Wissenschaften. Jahrbuch 1979, München 1979, S. 85-131; ders., Wachstum und Wechsellagen 1914-1970, in: Hermann Aubin u. Wolfgang Zorn (Hg.), Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, 2Bde., Stuttgart 1976, Bd. 2, S. 685-720; Charles P. Kindleberger, Die Weltwirtschaftskrise 1929-1939, München 1973; Gottfried Plumpe, Wirtschaftspolitik in der Weltwirtschaftskrise. Realität und Alternativen, in: GG, Jg. 11, 1985, S. 326-357, bes. 333 f.; Harold James, Deutschland in der Weltwirtschaftskrise 1924-1936, Stuttgart 1988.

248 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

Anmerkungen zu S. 19-24 2 Wolfram Fischer, Bergbau, Industrie und Handwerk 1914—1970, in: Aubin/Zom, Handbuch, Bd. 2, S. 812; ders., Wirtschaftspolitik, S. 108, Tab. 12. 3 Ders., Bergbau, S.819 f.; Petzina, Wirtschaft, S. 54; Volker Hentschel, Wirtschafts- und sozialhistorische Brüche und Kontinuitäten zwischen Weimarer Republik und Drittem Reich, in: ZUG, Jg. 28, 1983, S. 39-80, 55 f. 4 Peter Czada, Die Berliner Elektroindustrie in der Weimarer Zeit. Eine regionalstatistischwirtschaftshistorische Untersuchung, Berlin 1969, S.65 f., 148 ff.; Heidrun Homburg, Die Neuordnung des Marktes nach der Inflation. Probleme und Widerstände am Beispiel der Zusammenschlußprojekte von AEG und Siemens 1924—1933 oder: »Wer hat den längeren Atem?«, in: Gerald D. Feldman (Hg.), Die Nachwirkungen der Inflation in Deutschland 1924-1933, München 1985, S. 117-156, 148; Wilfried Feldenkirchen, Zur Unternehmenspolitik des Hauses Siemens in der Zwischenkriegszeit, in: ZUG, Jg. 33, 1988, S. 22-57, bes. 24 ff. 5 Georg Siemens, Geschichte des Hauses Siemens, 3 Bde., Bd. 3, Freiburg 1952, S. 148 ff. 6 Czada, Elektroindustrie, S. 192. 7 1929: 820 Mill. RM, 1930: 799 Mill. RM. Homburg, Neuordnung, S. 154. Zum Export Czada, Elektroindustrie, S. 137. 8 Hanf, Möglichkeiten, Tab. 22 (Anhang). 9 Die Gefahren der vorgezogenen Rüstungsinvestitionen wurden in einer Aufsichtsratssitzung 1936 angesprochen: ebd., S.93 f. Die Bandbreite rüstungsrelevanter Produkte und Innovationen ist aufgeführt bei Siemens, Geschichte, Bd. 3, S. 311 ff. 10 Heidrun Homburg, Scientific Management and Personnel Policy in the Modern German Enterprise 1918-1939: The Case of Siemens, in: Howard F. Gospel u. Craig R. Littler (Hg.), Managerial Strategies and Industrial Relations. An Historical and Comparative Study, London 1983, S. 137-156, 154; dies., Arbeitsmarkt und Organisation. Arbeitsmarktstruktur, Gewerkschaften und Unternehmen in der Berliner Metallindustrie 1890-1933, phil. Diss. (MS), Bielefeld 1982, S. 239 ff. 11 Ebd., S. 239 f. und SAA 68/Li 83: Chronik der Zentralwerksverwaltung, II. Teil, Ära Köttgen 1920-30, S. 164 ff. 12 Ebd., S. 169 f. 13 S. dazu die Beschreibung der Fertigung im Siemens-Schaltwerk: Hans Dominik, Das Schaltwerk - Fabrikhochhaus und Hallenbau - der Siemens-Schuckert-Werke A.G. Berlin, Berlin 1929, S. 42 ff. 14 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Schaltwerk 1931/32. 15 Zur Leistungssteigerung im Kleinbauwerk: 1926-28 41,7 %; im Dynamowerk 1926-28 25,5 %. Czada, Elektroindustrie, S. 189. Zum Lohnkostenanteil bei den genannten Elektrogeräten s. die Graphik F-Preissenkung wichtiger Fabrikate in: SAA 15/Lg 562: Werksberichte Siemens-Elektrowärme Gesellschaft 1929/30. 16 Ebd., Werksberichte SSW-Schaltwerk 1932/33. 17 Ebd., Elmowerk 1933/34, 1935/36, 1936/37; Dynamowerk 1934/35; Kleinbauwerk 1934/ 35; SAA 68/Li 83 Chronik, Teil II, S. 312 ff. und Dominik, Schaltwerk, 2. neubearb. Aufl. Leipzig 1938, S. 15 ff. Zum Vordringen der Fließarbeit allgemein Hachtmann, Industriearbeit, S. 67 ff. 18 Hanf, Möglichkeiten, S. 159 u. Anm. 84 (S. 284). 19 Robert A. Brady, The Rationalization Movement in German Industry. Α Study in the Evolution of Economic Planning, Berkeley 1933, S. 239 f.; Die deutsche Chemische Industrie. Hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1930, S.111f.; Schiffmann, Revolution, S. 370; Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 123. 20 Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 87 ff. (dort auch die zugrunde gelegte Umsatztabelle), 140f. 21 Die deutsche Chemische Industrie, S. 157. 22 Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 87, 113, 144.

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Anmerkungen zu S. 24-27 23 Ebd., S. 140 ff. u. Gottfried Plumpe, Industrie, technischer Fortschritt und Staat. Die Kautschuksynthese in Deutschland 1906-1944/45, in: GG, Jg. 9, 1983, S. 564-597, 576 f. 24 Ebd., S. 584; Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 319 ff.; Die Erholung (Bayer WerksZeitung) Nr. 4, April 1934: »Der Beginn der Arbeitsschlacht am 21. März«. 25 Fischer, Bergbau, S. 820 (Produktionsziffern) ebenso Plumpe, Industrie, S. 587 f., 592; Hans-Erich Volkmann, Die NS-Wirtschaft in Vorbereitung des Krieges, in: Wilhelm Deist u. a., Ursachen und Voraussetzungen der deutschen Kriegspolitik, Stuttgart 1979, S. 175-368. 285 f., 303 ff.; Dieter Petzina, Autarkiepolitik im Dritten Reich. Der nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968, S. 97 ff., 118 ff. und - nur gestützt auf die Dokumente des Nürnberger Militärtribunals - Joseph Borkin, Die unheilige Allianz der IG Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, Frankfurt 1979, bes. S. 71 f. Peter Hayes, Industry and Ideology. IG Farben in the Nazi Era, Cambridge 1987. 26 Zur wirtschaftlichen Lage bei Krupp nach 1918 bes. Renate Köhne-Linaenlaub, Die Familie Krupp, in: NDB, Bd. 13, 1982, S. 128-145, 139 f.; Norbert Mühlen, Die Krupps. Frankfurt 1960, S. 126; William Manchester, Krupp. Chronik einer Familie, München 1978. S. 328 und HA Krupp WA 41/2-167: Krupp-Jahresbericht 1926/27 sowie Lothar Burchardt, Zwischen Kriegsgewinnen und Kriegskosten: Krupp im Ersten Weltkrieg, in: ZUG, Jg. 32. 1987, S. 71-123. 27 Die Rationalisierung in der Eisen schaffenden Industrie, in: MdW, Jg. 6. 1930. S. 1846-1851, 1848 (Hochofenleistung); Krisenursachen der Hüttenindustrie. Belegschaftsabbau durch Rationalisierung, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 8, 21. 2. 1931; HA Krupp WA 41/ 2-167: Krupp-Jahresbericht 1926/27, 1927/28; Brady, Rationalization, S. 112 ff.; Seebold, Stahlkonzern, S. 34 ff.; Bernd Weisbrod, Schwerindustrie in der Weimarer Republik. Interessenpolitik zwischen Stabilisierung und Krise, Wuppertal 1978, S. 55 ff.; Die deutsche eisenerzeugende Industrie, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1930. Zu den technischen Abläufen in der Hüttenindustrie: Gemeinfaßliche Darstellung des Eisenhüttenwesens, Düsseldorf 195316. 28 HA Krupp WA 41/2-167: Krupp-Jahresberichte 1926/27 bis 1929/30; WA 41/3-856: Betriebsberichte - Stahlformerei 1930/31. Eine Durchsicht aller mir zugänglichen Betriebsberichte zeigt, daß Neuanlagen im Maschinenbaubereich kaum in nennenswertem Umfang vorgenommen wurden. Allgemein zur Rationalisierung in der Maschinenbauindustrie jedoch für Krupp nicht typisch -Brady, Rationalization, S. 139 ff. 29 HA Krupp WA 41/2-167: Krupp-Jahresbericht 1929/30. 30 Ebd., WA 41/3-856: Betriebsberichte - Gießerei 2 1930/31: Der Rückgang der Selbstkosten je t Erzeugung gegenüber dem Vorjahr von 1202,03 auf 813,09 RM wurde ausdrücklich Fortschritten in der Fabrikation zugeschrieben. Von der Wirtschaftskrise war hier noch nichts zu spüren, die durchschnittliche Monatserzeugung hatte sogar noch zugenommen. WA 41/3-807: Betriebsberichte - 2. mechanische Werkstatt: Daß die Selbstkosten im gleichen Zeitraum angestiegen waren, wurde hier mit den sehr großen und veralteten Maschinen begründet. Daten zu den Selbstkosten aus der Zeit vor 1929/30 waren in den Betriebsberichten leider nicht zu finden. Um die Einflüsse der Weltwirtschaftskrise auszuschalten, führe ich nur Beispiele an, in denen der technische Stand der Anlagen explizit für die Höhe der Selbstkosten verantwortlich gemacht wurde. 31 Die Absatzpolitik der deutschen Schwerindustrie, in: MdW, Jg. 4, 1928, S. 837-840; Moritz Julius Bonn, Rationalisierung und Handelspolitik, in: ebd., S. 768-772; ders., Das Schicksal des deutschen Kapitalismus, Berlin 19302; Fritz-Ullrich Fack, Die deutschen Stahlkartelle in der Weltwirtschaftskrise. Untersuchung über den ökonomisch-politischen Einfluß ihres Verhaltens und ihrer Marktmacht auf den Verlauf der großen deutschen Staats- und Wirtschaftskrise, wirtschafts- und sozialwiss. Diss. F. U. Berlin 1957, bes. S. 78 f.; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 34 ff.; Winkler, Normalität, S. 32 ff. Im internationalen Vergleich: David S. Landes, Der entfesselte Prometheus. Technologischer Wandel und industrielle Entwicklung in Westeuropa von 1750 bis zur Gegenwart, München 1983, S. 423 ff.

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Anmerkungen zu S. 27-31 32 Köhne-Lindenlaub, Familie Krupp, S. 140; HA Krupp WA 41/3-167: Krupp-Jahresberichte 1929/30 bis 1931/32. 33 Detlev Peukert, Ruhrarbeiter gegen den Faschismus. Dokumentation über den Widerstand im Ruhrgebiet 1933-1945, Frankfurt 1976, S. 158 (Kruppscher Jungprolet); Volkmann, NS-Wirtschaft, S. 242 (Schlepperprogramm); Betriebsberichte 1930/31: HA Krupp WA 41/ 3-807, -927; Köhne-Lindenlaub, Familie Krupp, S. 141 (Rüstungsforschung). 34 HA Krupp WA 41/2-167: Krupp Jahresberichte 1933/34 bis 1935/36; Kruppabschluß, in: Ruhr und Rhein, Nr. 17, 1936, S. 70 f. 35 Landes, Prometheus, S. 442 ff. (zur Stagnation); HA Krupp WA 41/3-948: Betriebsberichte - Martinwerk 3, Elektrostahlwerk 1936/37; Gemeinfaßliche Darstellung, S. 28 (Rennverfahren). S. auch die ähnlichen Ergebnisse bei Seebold, Stahlkonzern, S. 119 ff. Zur Wirtschaftsentwicklung im Hütten- und Walzwerksbereich Yano, Hüttenarbeiter, S. 16ff. 36 Allgemein Krupp-Betriebsberichte und insbesondere HA Krupp WA 41/3-812: Grobblechwerkstatt 1935/36; -812: Maschinenbau 21 1935/36. S. auch -931: Grobblechwalzwerk 1 1934/35; -800: Maschinenbau 9/6/11; weitere Baumaßnahmen sind auch im Bericht der Baubetriebe aufgeführt (-906: 1934/35). 37 Köhne-Lindenlaub (Familie Krupp, S. 141) nennt für das Jahr 1937/38 als Umsatzziffer in der Rüstungsproduktion 52,4 Mill. RM, ein Betrag, der m. E. die Definition von Rüstungsgütern sehr eng auslegt. 38 Natürlich darf bei dieser Leistungsentwicklung nicht der Anstieg der Arbeitszeit vernachlässigt werden. Leider waren nur Daten für die Gußstahlfabrik insgesamt verfügbar. Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug demnach: 1932/33 43

1933/34 45,6

1934/35 48,4

1935/36 48,7

1936/37 49,4

Stunden

Quelle: WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung. Tätigkeitsberichte Der Nutzen einer verbesserten Auslastung ist bei den Kruppschen Gas- und Wasserwerken zu beobachten. Die Unkosten pro 100 Mark Produktivlöhne waren hier von 57,98 (1929/30) auf 77,01 (1931/32) gestiegen, um dann auf 37,00 Μ (1935/36) abzufallen: WA 41/3-892: Betriebsberichte - Versorgungsbetriebe 1936/37. 39 Ebd., WA 41/5-800: Kleinbau 1 1936/37. 40 Ebd., WA 41/3-807: Grobblechwerkstatt, 1. mechanische Werkstatt 1935/36. Allgemein zum Problem nachlassender Produktivität ab 1937 Mason, Sozialpolitik, S. 217, 280 f. Jürgen Kuczynski errechnet für 1937 in der Eisen- und Stahlindustrie - untypisch für die Gesamtindustrie - einen Rückgang der Leistung pro Arbeiter von (1932 = 100) 149 (1936) auf 144: ders., Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus: Bd. 6, Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1933 bis 1945, Berlin (O) 1964, S. 177. 41 Zum Vorstehenden Hans Henche, Die Zechenstillegungen und Betriebszusammenfassungen im Ruhrbezirk nach dem Weltkriege unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1924—1929, staatswirtsch. Diss. München 1930, S. 11; Hans Mommsen, Der Ruhrbergbau im Spannungsfeld von Politik und Wirtschaft in der Zeit der Weimarer Republik, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte, Bd. 108, 1972, S. 160-175, 162 ff.; ders., Sozialpolitik im Ruhrbergbau, in: ders., u. a. (Hg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, 2 Bde., Kronberg 1977, Bd. 1, S. 303-321, 307 f.; Fack, Stahlkartelle, S. 140 und die in Anm. II/31 zit. Literatur. Als zeitgenössische Untersuchung noch: Georg Berger, Die Arbeitslosigkeit im deutschen Steinkohlenbergbau, in: Manuel Saitzew (Hg.), Die Arbeitslosigkeit der Gegenwart, 4 Teile, Teil II, München 1932, S. 1-31, 15 ff.; Carl Wilhelms, Die Übererzeugung im Ruhrkohlenbergbau 1913 bis 1932, Jena 1938; Die Zukunft der Ruhrkohle, in: MdW, Jg. 5, 1929, S. 297-299 (Substanzverlust infolge der Schließung von Zechen durch Neuanlagen ersetzt). 42 Wolfram Fischer, Herz des Reviers. 125 Jahre Wirtschaftsgeschichte des Industrie- und Handelskammerbezirks Essen, Mülheim, Oberhausen, Essen 1965, S. 307.

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Anmerkungen zu S. 31—35 43 Rudolf Tschirbs, Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918 bis 1933, phil. Diss. (MS) Bochum 1983, S. 319 (Betriebsgrößenklassen; in der Druckfassung derselben Arbeit - Berlin 1986 nicht angeführt!); Brady, Rationalization, S. 74. 44 Berger, Arbeitslosigkeit, S. 24; Henche, Zechenstillegungen, S. 35; Friedrich Wilhelm Wedding, Die Organisation des Grubenbetriebs im Steinkohlenbergbau, in: Ernst Herbig u. Ernst Jüngst (Hg.), Bergwirtschaftliches Handbuch, Berlin 1931, S. 151-163, 152 f.; Werner Kieckebusch, Betriebsüberwachung, in; ebd., S. 164-180, 173 f.; Harpen - ein Beispiel für die Rationalisierung im Ruhrbergbau, in: MdW, Jg. 5, 1929, S. 851-853; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 321 f. und zum Typus der Verbundbergwerke ebd., S. 450. 45 Vgl. die zahlreichen Befunde, die im Enqueteausschuß zur Sprache kamen: Die Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau in den Jahren 1912 bis 1926, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1928, S. 67 f., 225, 255 ff. Statistische Zahlen zur Mechanisierung in Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 140 und die grundsätzliche Wertung bei Hans Mommsen, Soziale und politische Konflikte an der Ruhr 1905 bis 1924, in: ders., (Hg.), Arbeiterbewegung und industrieller Wandel. Studien zu gewerkschaftlichen Organisationsproblemen im Reich und an der Ruhr, Wuppertal 1980, S. 62-94 (bes. Anm. 44). Zur Arbeit mit dem Abbauhammer, den Arbeitsbedingungen untertage insgesamt und zu den bergmännischen Fachausdrücken: Gabriele Unverferth u. Evelyn Kroker, Der Arbeitsplatz des Bergmanns in historischen Bildern und Dokumenten, Bochum 19812. Dazu auch Michael Zimmermann, Schachtanlage und Zechenkolonie. Leben, Arbeit und Politik in einer Arbeitersiedlung 1880-1980, Essen 1987, S. 138 ff. 46 Ziffern nach Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 140 und Georg Spackeier, Mechanisierung der Kohlengewinnung, in: Ernst Herbig u. Ernst Jüngst (Hg.), Bergwirtschaftliches Handbuch, Berlin 1931, S. 233-243, 238 f. Zum langfristigen technischen Wandel im Bergbau s. auch: Irmgard Steinisch u. Klaus Tenfelde, Technischer Wandel und soziale Anpassung in der deutschen Schwerindustrie während des 19. und 20. Jahrhunderts, in: AfS, Jg. 28, 1988, S. 27-74, bes. 33 ff. 47 Friedrich Herbst, Die wirtschaftliche Bedeutung der unterirdischen Förderung, in: Herbig/Jüngst (Hg.), Bergwirtschaftliches Handbuch, S. 244-268, 246 ff.; Carl Hellmut Fritzsche, Der Bergeversatz, in: ebd., S. 286-297, 292; Fischer, Herz des Reviers, S. 328. 48 Lohnkosten je t Förderung 1925 = 100, 1930 = 92,7. Leistung der bergmänn. Belegschaft: 1925 = 100, 1930 = 145,14 - Ernst Jüngst, Die Arbeitskosten im Ruhrbergbau, in: Ernst Herbig u. Ernst Jüngst (Hg.), Bergwirtschaftliches Handbuch, Berlin 1931, S. 497-517, 502 und insgesamt zum Vorstehenden Rudolf Tschirbs, Tarifpolitik im Ruhrbergbau 1918-1933, Berlin 1986, S. 365 f. (Lohnkosten), 440 ff. (Belastung durch Rationalisierung). 49 Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 140 (Abbaubetriebspunkte); s. auch Tabellen 2 und 3; zu den Investitionen in der Weltwirtschaftskrise Henche, Zechenstillegungen, S. 20; Fack, Stahlkartelle, S. 149; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 476 f., 560 (Anlagenzugänge bei Harpen 1930/31 30,9 Mill. RM). 50 BBA 13/2261 (Bd. 841): Arbeitslosigkeit im Ruhrbergbau. Zu den Förderziffern s. Tab. 2. 51 BBA 15/236 (Bd. 89): Bezirksgruppe Ruhr der Fachgruppe Steinkohlenbergbau, Stimmungsbericht vom 1. Januar 1936. 52 S. Tab. 2 und Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 131; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 116 ff. 53 S. Tab. 3; Fischer, Herz des Reviers, S. 358; Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 140: Anteil der Hand- und Schießarbeit 1932 = 3,10, 1933 = 4,0. 54 S. Tab. 2; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 73 ff. enthält leider nur wenig Material zum Thema Rationalisierung. 55 HA Krupp WA 41/2-167: Krupp-Jahresberichte 1933/34 bis 1935/36; s. auch Fritz Κarpa, Die Gründe der Krise 1931/32 im Ruhrbergbau und ihre Überwindung, wirtschaftswiss. Diss. Bochum 1939, S. 56. 56 Werner Abelshauser, Der Ruhrkohlenbergbau seit 1945. Wiederaufbau, Krise, Anpas-

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Anmerkungen zu S. 35-38 sung, München 1984, S. 16 f. Wiel, Wirtschaftsgeschichte (S. 140) enthält ein weiteres Indiz für die Bedeutungslosigkeit neuer Verfahren im Ruhrbergbau vor 1945. 1956 - im ersten Jahr mit wieder verfügbaren Daten - belief sich der Anteil vollmechanischer Gewinnung an der Ruhr auf 11,53%. Vor 1945 tauchte dieser Begriff in der Statistik zur Mechanisierung nicht auf. Wenigstens dem Urteil über die Rationalisierung im Bergbau ist zuzustimmen bei John Gillingham, Die Ruhrbergleute und Hitlers Krieg, in: Hans Mommsen u. Ulrich Borsdorf (Hg.), Glück auf, Kameraden! Die Bergarbeiter und ihre Organisationen in Deutschland, Köln 1979, S. 325-343, 329f. Vgl. auch Unverferth/Kroker, Arbeitsplatz, S. 87 (»Schälende Gewinnungsmaschinen [Kohlenhobel] erlangten erst in den 1940er Jahren Betriebsreife.«), S. 80 (»Die Mechanisierung der Ladearbeit durch Lademaschinen setzte in größerem Umfang aber erst 1939 ein.«) 57 Zur Schichtleistung s. Tab. 2. Weiter zum Vorstehenden Ernst Buskühl, Ausweitung der Steinkohlenwirtschaft, in: Der Vierjahresplan, Jg. 3, 1939, S. 25-29, 27; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 231 ff.; ders., Der Ruhrbergbau am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Vorgeschichte, Entstehung und Auswirkung der »Verordnung zur Erhöhung der Förderleistung und des Leistungslohnes im Bergbau« vom 2. März 1939, in: VfZ, Jg. 30, 1982, S. 418-461, 422; Ahelshauser, Ruhrkohlenbergbau, S. 17. Daß die Gründe für die nachlassende Leistung sowohl mit dem Faktor Arbeitskraft als auch mit den technisch bedingten Leistungsmöglichkeiten zusammenhingen, betont Renate Kappenstein, Probleme um die Beschäftigung im Steinkohlenbergbau und ihre Entwicklung im Ruhrgebiet seit 1900, Diss. rer. pol. München 1956, S. 116 ff. Zur Unzufriedenheit der Bergleute s. auch Kap. II.4. 58 Ahelshauser, Ruhrkohlenbergbau, S. 18f. 59 Zit. nach Fritz Naphtali, Rationalisierung und Arbeiterschaft, in: Der Betriebsrat. Zeitschrift für Betriebsräte und Betriebsobleute des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands (Volkswirtschaftliche Beilage), Nr. 8, 24. 8. 1929. 60 Charles S. Maier, Gesellschaftspolitik im Zeichen industrieller Rationalität in den zwanziger Jahren in Europa, in: Michael Stürmer (Hg.), Die Weimarer Republik. Belagerte Civitas, Königstein 1980, S. 188-213; John Willet, Explosion der Mitte. Kunst und Politik 1917-1933, München 1981, S. 98 ff. Zum Rationalisierungskonsens Winkler, Normalität, S. 467. 61 S. den knappen, informativen Überblick bei Jürgen Bönig, Technik, Rationalisierung und Arbeitszeit in der Weimarer Republik, in: Technikgeschichte, Bd. 47, 1980, S. 303-324, 313 und die umfassende zeitgenössische Studie des Sekretärs im Arbeitsleistungsausschuß der deutschen Industrieenquete, Otto Lipmann, Lehrbuch der Arbeitswissenschaft, Jena 1932 sowie Peter Hinrichs, Um die Seele des Arbeiters. Arbeitspsychologie, Industrie- und Betriebssoziologie in Deutschland 1871-1945, Köln 1981, S. 124 ff., 188 ff. 62 Der Deutsche Metallarbeiter. Wochenschrift des Christlichen Metallarbeiterverbandes Deutschlands, Nr. 15, 13. 4. 1929; Die Arbeitsleistung in Stahl- und Walzwerken und ihre Abhängigkeit von Arbeitszeit, Arbeitslohn und anderen Faktoren, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1930, S. 81 f. 63 Das Zitat in ebd., S. 81. Frieda Wunderlich, Der Einfluß der Rationalisierung auf die Arbeitnehmer nach den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1927, Teil II, in: SP, Jg. 37, 1928, Sp. 1029-1032. Zahlreiche Klagen über eine gesteigerte Arbeitshetze sind enthalten in: Die 40-Stunden-Woche, S. 88 ff. 64 Die Positionen der Arbeitswissenschaftler finden sich in: Die sozialen Auswirkungen der Rationalisierung. Einführende Studien, Genf 1932 (= Internationales Arbeitsamt. Studien und Berichte, Reihe Β Nr. 18), S. 299 ff.; Die 40-Stunden-Woche, S. 98ff. Das Zitat in: Der Deutsche Metallarbeiter, Nr. 16, 20. 4. 1929 (»Rationalisierung und Schutz der Lebenskraft des Arbeiters«). S. auch die Beobachtungen von Gewerbeaufsichtsbeamten: »I n Berlin ist beobachtet worden, daß sich die Arbeitskräfte zur Bandarbeit drängen. Nur wenige Menschen geben die Bandarbeit freiwillig auf, weil sie sich an die Zeitbindung nicht gewöhnen

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Anmerkungen zu S. 38-42 können, ganz vereinzelt Arbeiterinnen, weil das Auge das dauernd laufende Band störend empfindet, niemand wegen zu starker Intensität oder Einförmigkeit der Arbeit.« Wunderlich, Einfluß Sp. 1032 (wie Anm. 63). Zur Reaktion der Arbeiter auch: Alf Lüdtke, »Deutsche Qualitätsarbeit«, »Spielereien« am Arbeitsplatz und »Fliehen« aus der Fabrik: industrielle Arbeitsprozesse und Arbeiterverhalten in den 1920er Jahren - Aspekte eines offenen Forschungsfeldes, in: Friedhelm Boll (Hg.), Arbeiterkulturen zwischen Alltag und Politik. Beiträge zum europäischen Vergleich in der Zwischenkriegszeit, Wien 1986, S. 155-197. 65 »Ist Bandarbeit uns nachteilig?«, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 4, 26. 1. 1929. 66 Ebd., Nr. 11, 16.3. 1929. 67 »Das fesselnde Fließband«, in: ebd., Nr. 27, 6. 7. 1929. Zur Einstellung der Gewerkschaften zur Rationalisierung: Brady, Rationalization, S. 325 ff.; Theodor Leipart, Gewerkschaften und Rationalisierung, in: Jahrbuch für Sozialpolitik 1931, Berlin 1931, S. 84-91, 86; Udo Mayer u. Ulla Ralfs, Rationalisierung und Rationalisierungsschutz, Neuwied 1981, S. 52ff.; Elisabeth Schalldach, Rationalisierungsmaßnahmen der Nachinflationszeit im Urteil der deutschen freien Gewerkschaften, wirtschaftswiss. Diss. Jena 1930; Werner Wobbe, Das Verhalten der freien Gewerkschaften (ADGB und DMV) zur Rationalisierung der Arbeit in der Weimarer Republik, soziologische Magisterarbeit an der TU Hannover 1976, S. 118ff.; Richard Vahrenkamp, Wirtschaftsdemokratie und Rationalisierung. Zur Technologiepolitik der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, in: GMH, Jg. 34, 1983, S. 722-735, 727ff.; Gunnar Stollberg, Die Rationalisierungsdebatte 1908-1933. Freie Gewerkschaften zwischen Mitwirkung und Gegenwehr, Frankfurt 1981, S. 13 f.; Horst Kern, Der Betrieb als gewerkschaftliches Praxisfeld, in: Ulrich Borsdorf u. a. (Hg.), Gewerkschaftliche Politik: Reform aus Solidarität. Zum 60. Geburtstag von Heinz O. Vetter, Köln 1977, S. 337-352; Mary Nolan, The Infatuation with Fordism: Social Democracy and Economic Rationalization in Weimar Germany, in: Wolfgang Maderthaner u. Helmut Gruber (Hg.), Chance and Illusion. Studien zur Krise der westeuropäischen Gesellschaft in den dreißiger Jahren. (Labor in Retreat), Wien 1988, S. 151-184. 68 Die Arbeitsleistung in Stahl- und Walzwerken, S. 266. 69 Ebd., S. 80f., 95; Hinrichs, Seele des Arbeiters, S. 131 ff. Zu den Veränderungen im Lohnsystem s. Kap. II. 70 »Behebung des Facharbeitermangels«, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 34, 24. 8. 1929; ebd., Nr. 37, 14. 9. 1929 (Leserbriefe). 71 Das Zitat Lübbes in: Protokoll vom 19. ordentlichen Verbandstag des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Berlin vom 18. bis 23. August 1930, Berlin o. J . , S. 219f. Belege sowohl zur Statusbedrohung durch die Maschine als auch zur »Requalifizierung durch die Maschine« auf der Grundlage von Arbeiterbefragungen finden sich bei de Man, Arbeitsfreude, S. 202 f. 72 Otto Neuloh, Die Deutsche Betriebsverfassung und ihre Sozialformen bis zur Mitbestimmung, Tübingen 1956, S. 223, auch Heinrich Husmann, Lebensformen und ihr Wandel beim Arbeiter in Hamborn. Beiträge zur Volkskunde des Industriearbeiters, phil. Diss. (MS) Mainz 1952, S. 44. Zur Arbeitserleichterung in der chemischen Industrie Brady, Rationalization, S. 239f. 73 De Man, Arbeitsfreude, S. 55. 74 Ebd., S. 57; s. auch Schalldach, Rationalisierungsmaßnahmen, S. 119ff. 75 Tschirbs, Tarifpolitik, S. 331 f. (Zitat), 384. 76 Die 40-Stunden-Woche. Untersuchungen über Arbeitsmarkt, Arbeitsertrag und Arbeitszeit, hg. im Auftrag des ADGB von Theodor Leipart, Berlin 1931, S. 98f.; Die Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau, S. 268f.; Georges Friedmann, Der Mensch in der mechanisierten Produktion, Köln 1952, S. 264. 77 Als zeitgenössische Stimmen beispielsweise Fritz Giese, Auswahl und Verteilung der Arbeitskräfte, in: Johannes Riedel (Hg.), Arbeitskunde, Leipzig 1925, auszugsweise abgedruckt in: Peter Hinrichs u. Lothar Peter, Industrieller Friede? Arbeitswissenschaft, Rationali-

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Anmerkungen zu S. 42—49 sierung und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik, Köln 1976, S. 208-213, 212 sowie in der Forschung besonders ausgeprägt Roth, Arbeiterbewegung u. Stollberg, Rationalisierungsdebatte, S. 58 f. 78 Dazu Schock, Arbeitslosigkeit, S. 169; Helmut Kubitschek, Zur kapitalistischen Rationalisierung und ihrer Auswirkung auf die Qualifikationsstruktur der Arbeiterklasse in Deutschland (vom Übergang zum Imperialismus bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts), wirtschaftswiss. Habil. (MS), Berlin (O) 1965, S. 111 ff.; Dahrendorf, Klassen, S. 46f. 79 Handbuch der Berufe, Teil I, 3. Band (Berufsgruppe VII-XI), hg. v. Reichsanstalt für Arbeitervermittlung und Arbeitslosenversicherung, Leipzig 1933, S. 7. 80 Ebd., S. 7-20, 28f. (Ausbildungsgang); Otto Lindemann, Die Arbeitsverhältnisse und die Arbeiterpolitik in der chemischen Industrie, rechts- u. seaatswiss. Diss. Hamburg 1928, S. 19ff.; Eduard Gartmayr, Angestellte und Arbeiter der deutschen chemischen Industrie, staatswirtsch. Diss. München 1929, S. 33 ff.; Die deutsche Chemische Industrie, S. 49 ff. 81 Vgl. Tabelle 9 bei Schiffmann, Revolution, S. 463. 82 So Lindemann, Arbeitsverhältnisse, S. 20. Tatsächlich war der Anteil der übertariflichen Lohnbestandteile bei chemischen Betriebsarbeitem besonders signifikant: Hauptergebnisse der zweiten amtlichen Lohnerhebung in der chemischen Industrie, in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 12, 1932. S. 177-181, S. dazu auch Kap. II. 1. 83 Die Kategorie Angelernte bezeichnet die Heizer und Maschinisten vorwiegend in Hilfsbetrieben. 84 Schiffmann, Revolution, S. 461. 85 Ebd., S. 79ff.,371. 86 Zum Oppauer Wachstumstrend ebd., S. 73 u. 460. 87 Karl Holdermann, Im Banne der Chemie. Carl Bosch. Leben und Werk, Düsseldorf 1953, S. 264. S. auch Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 80a. 88 Stolle, Arbeiterpolitik, S. 27, 102ff.; Rainer Balluf Die Geschichte der Arbeiterbewegung in Leverkusen in der Weimarer Republik, soziologische Diplomarbeit, Univ. Köln 1979, S. 58. Balluf (S. 53) vernachlässigt den unterschiedlichen Modernisierungsgrad in den einzelnen Fertigungsbereichen und gelangt deshalb zu einer falschen Einschätzung der Qualifikationsanforderungen. 89 Die deutsche Chemische Industrie, S. 62. 90 So Eva Herfarth, Strukturwandlungen im Verbande der Fabrikarbeiter Deutschlands, staatswiss. Diss. Kiel 1929, S. 51 ff. 91 Tarifstundenlohn für Ungelernte am 1. Juli 1928 im Bergbau 75,5 Pfg., in der Metallindustrie 72,6 Pfg., Chemie 84,7 Pfg.: Gartmayr, Angestellte, S. 39. Bruttostundenlohn der Ungelernten im August/September 1935 in der Chemie 86 Pfg., in der metallverarbeitenden Industrie 65,7 Pfg.: Fendt, Industriearbeiter, S. 72. Über die Zulagen informieren die amtlichen Lohnerhebungen in der chemischen Industrie 1931 und 1934 in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 12, 1932, S. 177-181 u. Jg. 15, 1935, S. 606-608. 92 Zur betrieblichen Ausbildung bei Bayer: Bayer-Archiv 74/1 (Lehrlingswesen Nr. 1, Presse-Information zu 75 Jahre Ausbildung bei Bayer 1976). Handbuch der Berufe, Teil I, Bd. 3, S. 3 ff., 18, 29. Kubitschek, Rationalisierung, S. 155. Zur geringeren Fluktuation: Herfarth, Strukturwandlungen, S. 53; Die deutsche Chemische Industrie, S. 52. Zur betrieblichen Sozialpolitik s. unten Kapitel III/1b. 93 Bayer-Archiv 74/1 (Lehrlingswesen Nr. I). 94 Ebd., 214/6 (Arbeitsrecht - Fabrikkontorausschuß): Niederschrift über die Besprechung betreffend Laboratoriumspersonal usw. am 10. April 1935 und Anlagen. 95 SP, Jg. 46, 1937, Sp. 547 f. 96 Reichstarifordnung für die gewerblichen Gefolgschaftsmitglieder in der chemischen Industrie vom 1. Okt. 1939, in: Reichsarbeitsblatt, Jg. 31, 1939, S. VI/1609 ff. 97 Beschreibungen der »Hölle« Leuna oder des »Leuna-Zuchthauses« Finden sich in: Der Proletarier. Organ des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands, Nr. 52, 24. 12. 1927

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Anmerkungen zu S. 49-55 (»Aufregung im Leunawerk. Warum?«); Willibald Kater, Der Riese Leuna - ein kapitalistischer Gigant, in: Der Klassenkampf, Jg. 5, 1931, S. 137-147; Kämpfendes Leuna. Die Geschichte des Kampfes der Leuna-Arbeiter, Teil I, 1. u. 2. Halbbd. (1916-1933), Berlin (O) 1961, S. 322. Zur Rangskala der Arbeitsplätze: Hanf, Möglichkeiten, S. 101 f. 98 Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 480, S. 185 99 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 72. 100 Handbuch der Berufe, Teil I, 2. Bd. (Berufsgruppe V/VI), hg. v. der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, Leipzig 1930, S.6ff. (Metallarbeiter), 178ff. (Schweißer), 377ff. (Fräser); Homburg, Arbeitsmarkt, S. 69; Kubitschek, Rationalisierung, S. 161 ff. 101 Handbuch der Berufe, Teil I, 2. Bd., S. 533 ff. (Elektriker), 539ff. (Universalwickler). 102 Ebd., S. 8. 103 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Dynamowerk 1927/28; ebd., Schaltwerk 1935/ 36; SAA 68/Li 83 Chronik der Zentralwerksverwaltung III. Teil, S. 331 (Kleinbauwerk 1935/ 36). Daß der Facharbeitermangel auch mit den niedrigeren Geburtenziffern während des Ersten Weltkrieges zu tun hatte, war zeitgenössischen Stimmen zu entnehmen: Der Ausfall der Kriegsgeburten und seine Bedeutung für das Essener Wirtschaftsleben, in: Ruhr und Rhein, Nr. 14, 5. 4. 1929; Facharbeitermangel und seine Behebung, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 27, 7. 7. 1928 und auch 1934: Facharbeitermangel und Facharbeiternachwuchs, in: SP, Jg. 43, 1934, Sp. 875-879. Zum Facharbeitermangel in der Metallindustrie ab 1935 auch Hanf, Möglichkeiten, S. 77 ff. Zum neuen Typ des »Industriefacharbeiters« Homburg, Arbeitsmarkt, S. 69. 104 Handbuch der Berufe, Teil I, 2. Bd., S. 181 (Elektroschweißer, Punktschweißer), 541 (Ankerwickler). 105 SAA 11/Lg 694 v. Buol: Vertrauensrat WWF, Anlage vom 20. 5. 1937. 106 Gustav Leifer, Organisatorische und technische Maßnahmen zur Hygiene der Frauenarbeit in Betrieben, unter besonderer Berücksichtigung der Metallindustrie, in: Fritz Ludwig (Hg.), Der Mensch im Fabrikbetrieb. Beiträge zur Arbeitskunde, Berlin 1930, S. 144-181, 145. Zu den psychotechnischen Prüfungen: SAA 68/Li 83 Chronik der Zentralwerksverwaltung, II. Teil, S. 166; Homburg, Scientific Management, S. 154f. Zum Standort Berlin: Czada, Elektroindustrie, S. 102 f.; Homburg, Arbeitsmarkt, S. 99. 107 Ebd. 108 Zum Expansionspotential durch Frauenarbeit: Angelika Willms, Modernisierung durch Frauenarbeit? Zum Zusammenhang von wirtschaftlichem Strukturwandel und weiblicher Arbeitsmarktlage in Deutschland, 1882-1939, in: Toni Pierenkemper u. Richard Tilly (Hg.), Historische Arbeitsmarktforschung. Entstehung, Entwicklung und Probleme der Vermarktung von Arbeitskraft, Göttingen 1982, S. 37-71, 57. In der Elektrobranche stieg der Frauenanteil besonders rasch im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts: 1895 1907 1925 1933 17,4 % 27,7 % 28,0 % 11,3 % Quelle: Reinhard Stockmann, Gewerbliche Frauenarbeit in Deutschland 1875-1980. Zur Entwicklung der Beschäftigtenstruktur, in: GG, Jg. 11, 1985, S. 447-475, 469. 109 Zur Krisenfestigkeit der Frauenarbeit im Konsumgüterbereich Gabriele Wellner, Industriearbeiterinnen in der Weimarer Republik: Arbeitsmarkt, Arbeit und Privatleben 1919-1933, in: GG, Jg. 7, 1981, S. 534-554, 541. Zur Einstellung der Fließfertigung 1932 s. Kap. I.1a. 110 S. dazu Dörte Winkler, Frauenarbeit im »Dritten Reich«, Hamburg 1977, S. 46f. 111 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Kleinbauwerk I + II 1935/36. 112 Berechnet nach D. Winkler, Frauenarbeit, S. 197. 113 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 76 ff., 82. 114 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW-Kleinbauwerk 1935/36 u. 1936/37; SAA 68/Li 83: Chronik der Zentralwerksverwaltung, III. Teil, S. 332 (Schaltwerk 1936/37).

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Anmerkungen zu 5. 55-58 115 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Elmowerk 1936/37: »Um den nötigen Arbeiterstamm zu schaffen, wurden im vergangenen Jahr in Neustadt etwa 120 Frauen aus der Bauernbevölkerung der Rhön ausgewählt und zu Wicklerinnen angelernt. Die Anlernzeit dauerte zwar etwas länger als in Berlin . . .«; Kleinbauwerk I + II 1935/36. Zur Nachfragekonkurrenz der Berliner Branchen Homburg, Arbeitsmarkt, S. 108. 116 Gustav Leifer, Der Einfluß des planmäßigen Arbeitseinsatzes auf die Leistung der Betriebe, in: Der Vierjahresplan, Jg. 3, 1939, S. 666-670, 667 f. Die dafür erforderliche technische Umrüstung der Produktion durch Vorbereitungsarbeiten, Zusammenbau- und Prüfeinrichtungen und ständige Überwachung und Wartung konnte ohne qualifizierte Facharbeiter nicht vonstatten gehen. Deshalb sprach Leifer auch nicht vom »Ersatz«, sondern von der Entlastung des gelernten Facharbeiters (S. 667). Der Spezialarbeiter wurde hierbei wohlgemerkt nicht zu den Facharbeitern gerechnet, um die dargestellte Erfolgsbilanz nicht zu gefährden. Zur Person Gustav Leifers, der sich vom Metallarbeiter allmählich zum Vorstandsmitglied bei Siemens hochdiente: Siemens, Geschichte, Bd. 3, S. 265. 117 Hanf, Möglichkeiten, S. 274, Anm. 640: Zusammensetzung der Arbeiterschaft im WWF (bzw. WWM) (in %) 1. 10. 1936 1. 10. 1937 1. 10. 1938 Facharbeiter Angelernte Ungelernte Frauen

23 8 14 55

(47) (10) ( 9) (34)

21 9 15 55

(34) (14) (10) (42)

20 10 12 58

(26) (16) (12) (46)

Da die von Hanf genannten Zahlen nicht mit denen der Belegschaftsberichte (SAA 29/Lr 500) übereinstimmen, handelt es sich hier wohl um Daten aus einzelnen Abteilungen und nicht um die Gesamtarbeiterbelegschaft der beiden Werksteile. Die Vermutung liegt nahe, daß die von Hanf angeführte Quelle diejenigen Beispiele herausgreift, in denen eine Umstrukturierung der Belegschaft besonders erfolgreich vonstatten ging. Auch Leifer, Einfluß, S. 669 (s. Anm. 116) nennt einen »größeren Betrieb der Siemens & Halske AG«, in dem der Facharbeiteranteil 1934-1938 von 40 auf 25 % gesenkt wurde. Vergleiche mit der Belegschaftsstatistik ergeben ohne Zweifel, daß hier nur ein Fertigungsbereich herausgegriffen wurde. 118 Hans Dominik, Das Schaltwerk der Siemens-Schuckert-Werke AG Berlin-Siemensstadt, 2. Aufl. Leipzig 1938, S. 44, 50. Zum Nürnberger Werk Hanf Möglichkeiten, Tab. 12 (Anhang). Zur Arbeiterzahl bei Siemens + Halske D. Winkler, Frauenarbeit, S. 197. 119 Dazu Hanf Möglichkeiten, S. 82 und z. Β. SAA 68/Li 83: Chronik der Zentralwerks­ verwaltung, I I I . Teil, S.332ff. (Schaltwerk); 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Ge­ schäftsbericht 1936/37, I. Teil, S. 59 ff. (Beschreibung der Auf- und Umschulungskurse für Facharbeiter und »befähigte Gefolgschaftsmitglieder«) und Dominik, Schaltwerk, 2. Aufl., S. 69 ff. (Nachwuchsausbildung). 120 Handbuch der Berufe, Teil I, 2. Bd., S. 108 ff. (Presser), 175 ff. (Nieter), 5 ff. (Metallarbeiter). HA Krupp WA 41/3-812: Betriebsberichte - Grobblechwerkstatt 1935/36. Allgemein Homburg, Arbeitsmarkt, S. 68. 121 Handbuch der Berufe, Teil I, 2. Bd., S. 37 ff. (Former, Kernformer, Gießer). HA Krupp WA 41/6-58: Belegschaftsstatistik: Kleinbau 1: Dez. 1928 37 Frauen = 15,3%, Dez. 1936 70 Frauen = 16,3 %. (Fortsetzung s. nächste Seite)

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Anmerkungen zu S. 58-61 Altersstruktur in Kleinbau 1 am 30. 9. 1937 (in %) männlich weiblich

14-20

20-30

30-40

40-50

50-60

20,8 44,8

31,4 52,2

15,5 1,5

14,5 1,5

15,9

-

60-70 2

-

Quelle: HA Krupp WA 41/3-800: Betriebsberichte - Kleinbau 1 1936/37. 122 HA Krupp WA 41/6-57 u. 58: Belegschaftsstatistik. Zum Dienstalter der Beschäftigten finden sich bei Krupp nur Daten für die Gußstahlfabrik insgesamt. Um den abweichenden Trend in den Hüttenwerken zu illustrieren, sei eine typische Hochofenbelegschaft aus den Enqueteberichten angeführt: Dienstalter der Arbeiter (in %) Krupp-Gußstahlfabrik am 1. 10. 19281 10-20 bis 10 Jahre 40,6;

26,0;

über 20 Jahre

33,4

Westofen II 19262 bis 3Jahre 71,4;

16,5;

über 20Jahre

12,1

10-20

Quellen: 1 HA Krupp WA 41/3-740a: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsbericht 1928/ 29. 2 Arbeitszeit, Arbeitslohn und Arbeitsleistung im Hochofenbetriebe, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Berlin 1929, S. 25. 123 Zum vorstehenden Handbuch der Berufe, Teil I, 1. Band (Berufsgruppen I—IV), hg. v. Landesarbeitsamt Sachsen-Anhalt, Magdeburg 1927, S. 207 ff. (Hochofenarbeiter), 211 ff. (Stahlwerksarbeiter), 217 ff. (Walzwerksarbeiter). 124 Ebd., S. 219 und Krupp-Betriebsberichte, HA Krupp WA 41/3-927: 1930/31, 1934/35. 125 Peter William Musgrave, Technical Change, the Labour Force and Education, Oxford 1967, S. 151. Zur Gutehoffnungshütte Yano, Hüttenarbeiter, S. 58 ff. 126 Zur internen Qualifizierung der Facharbeiter bei Krupp: Toni Pierenkemper, Interne Arbeitsmärkte in frühen Industrieunternehmen - Das Beispiel Krupp, in: Soziale Welt, Jg. 32, 1981, S. 3-18, 16 (Anm. 50); Johannes Marcour, Arbeiterbeschaffung und Arbeiterauslese bei der Firma Krupp, rechts- u. staatswiss. Diss. Münster 1925, S. 110 ff. (HA Krupp WA IV 1501). Zum Lehrwesen bei Krupp und dem Prüfungswesen allgemein: Hans Hövische, Ausbildung und Prüfung der gewerblichen Lehrlinge in der Industrie, in: Ruhr und Rhein H. 49, 6. 12. 1935, S. 837-840; Musgrave, Change, S. 153. Zu DATSCH und Dinta s. ebd., S. 152 f.; Hinrichs, Seele des Arbeiters, S. 128, 271 ff.; Kubitschek, Rationalisierung, S. 181 ff. und Kapitel III/2a. Zum Streit über die gewerbliche Berufsausbildung unter Einschluß des Handwerks: Heinrich August Winkler, Der entbehrliche Stand: Zur Mittelstandspolitik im »Dritten Reich«, in: ders., Liberalismus und Antiliberalismus. Studien zur politischen Sozialgeschiente des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1979, S. 110-114. 122 ff. 127 Herbert, »Die guten und die schlechten Zeiten«, S. 90. Zur Verhinderung der gezielten Ausbildung angelernter Arbeiter: Kubitschek, Rationalisierung, S. 178 f. 128 Beim verbleibenden Restanteil handelt es sich ausdrücklich um Facharbeiter. 129 HA Krupp WA 41/3-812: Betriebsberichte - 1. mechanische Werkstatt 1935/36. S. auch die Lebensgeschichte des kommunistischen Arbeiters Knut T., der 1937 als Dreher bei Krupp umgeschult wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die er als Angelernter mit den gelernten Drehern hatte, zog er doch allmählich im Lohn mit den Gelernten gleich und wurde als qualifizierte Fachkraft auf Grund seiner Leistung akzeptiert: Ulrich Herbert, Vom Kruppianer zum Arbeitnehmer, in: Lutz Niethammer (Hg.), »Hinterher merkt man, daß es richtig war, daß es schiefgegangen ist«. Nachkriegserfahrungen im Ruhrgebiet, Berlin 1983, S. 233-276, 242.

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Anmerkungen zu S. 61-67 130 Heinrich Cuntz, Planvolle Arbeiterumschulung. Grundsätzliches und praktische Erfahrungen eines industriellen Großbetriebes, in: Der Vierjahresplan, Jg. 3, 1939, S. 868-870, 870. 131 HA Krupp WA 41/3-863: Betriebsberichte -Gießerei 2 u. 3 1937/38. 132 Handbuch der Berufe, Teil I, 1. Bd., S. 163 ff. (Bergmann); Die Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau, S. 205; Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 82; Rudolf Schwenger, Die betriebliche Sozialpolitik im Ruhrkohlenbergbau, in: Goetz Briefs (Hg.), Die betriebliche Sozialpolitik einzelner Industriezweige, Teil I, München 1932, S. 45 ff. 133 Eine genaue Beschreibung der Ausbildung findet sich im Resümee Frieda Wunderlichs nach den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten für das Jahr 1929, in: SP, Jg. 39, 1930, Sp. 824-826. 134 S. dazu auch Tenfelde, Provinz, S. 305. Daß 1930 53 % der Untertagearbeiter nach den neuen Ausbildungsgrundsätzen geschult waren, wie John R. Gillingham, Industry and Politics in the Third Reich. Ruhr Coal, Hitler and Europe, Stuttgart 1985, S. 26, mit Hinweis auf Schwenger, Sozialpolitik im Ruhrkohlenbergbau, S. 68 f., behauptet, stimmt weder mit den Tatsachen überein noch mit den Ausführungen Schwengers und ist nur durch allzu flüchtige Lektüre von Schwenger (S. 73) zu erklären. 135 Zum Altersaufbau der Zechenbelegschaften: Kappenstein, Probleme, S. 90 u. 111 ff.; BBA 15/236 (Bd. 89): Altersaufbau der aktiven Pensionskassenmitglieder im Ruhrbergbau; Abelshauser, Ruhrkohlenbergbau, S. 17. Zu den finanziellen und technischen Grenzen des Bergbaus s. Kap.I.1d. 136 Dr. Müller, Die Berufsnot der Jugendlichen im Ruhrgebiet, in: Ruhr und Rhein, Nr. 50, 13. 12. 1935 und BBA 15/236 (Bd. 89): Bezirksgruppe Ruhr der Fachgruppe Steinkohlenbergbau, Stimmungsbericht vom 1. April 1936: Zu diesem Zeitpunkt belief sich der Anteil der Berufsschüler an der Gesamtbelegschaft im Ruhrbergbau auf 4,46 %, 1935 auf 3,87 %. 137 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 196. Dort auch allgemein zum Konflikt zwischen DAF und Bergbauindustriellen. 138 Michael Zimmermann, Ausbruchshoffnungen. Junge Bergleute in den dreißiger Jahren, in: Lutz Niethammer (Hg.), »Die Jahre weiß man nicht, wo man die heute hinsetzen soll«. Faschismuserfahrungen im Ruhrgebiet, Berlin 1983, S. 97-132, 119 ff. 139 Tschirbs, Tarifpolitik, S. 258 f. und auch Berger, Arbeitslosigkeit, S. 24. S. auch Kap. I/ 1d. 140 Zahlen bei Henche, Zechenstillegungen, S. 41; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 244. Die gegenteilige Argumentation von Schock (Arbeitslosigkeit, S. 80) läßt sich nicht belegen. 141 Diese ideologische Komponente war im Dinta besonders ausgeprägt. Dieselben Ausbildungsziele unterstreicht Schwenger, Sozialpolitik im Ruhrkohlenbergbau, S. 38 f. 142 BBA 13/1028 (Bd. 487): Schreiben der DAF-Gaubetriebsgemeinschaft Bergbau vom 17. 12. 1936. S. auch Zimmermann, »Ein schwer zu bearbeitendes Pflaster«, S. 76; Gillingham, Ruhrbergleute, S. 330; Wisotzky, Ruhrbergbau am Vorabend, S. 423 (dort auch zur Lohndifferenz zu den Hüttenarbeitern). Die fehlende Attraktivität des Bergbaus galt auch nach 1945: Brepohl, Industrievolk, S. 299; Husmann, Lebensformen, S. 31 f. Zur Anknüpfung an berufsständische Traditionen: Julius Merz, Der Bergmann im Dritten Reich, in: Arbeitertum v. 1. 3. 1934, S. 6-8; Tenfelde, Provinz, S. 282 f., 309 f. Zur Ständeideologie im Nationalsozialismus allgemein: Avraham Barkai, Das Wirtschaftssystem des Nationalsozialismus. Der historische und ideologische Hintergrund 1933-1936, Köln 1977, S. 92 ff. 143 Gillingham, Ruhrbergleute, S. 343. Dazu die Kritik von Wisotzky, Ruhrbergbau am Vorabend, S. 448 ff. und ders., Ruhrbergbau, S. 217ff. 144 Zimmermann, Ausbruchshoffnungen, S. 120f. 145 Karl Martin Bolte, Die Berufsstruktur im industrialisierten Deutschland - Entwicklungen und Probleme, in: ders. u.a., Beruf und Gesellschaft, Opladen 1970, S. 32-149, 87; Friedrich Edding, Ökonomie des Bildungsprozesses. Lehren und Lernen als Haushalt und als Investition, Freiburg 1963, S. 88; Kubitschck, Rationalisierung, S. 143. Die These Kubitscheks

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Anmerkungen zu S. 67-71 (S. 144), daß seit 1933 der Facharbeiteranteil zurückgehe, ist angesichts der dünnen Materialdecke der von ihm herangezogenen Erhebungen und auch auf Grund seiner noch zuvor differenzierteren Argumentation nicht zu halten. 146 Hachtmann, Industriearbeit, S. 54-63. Die Arbeit von Helmut Kubitschek hat Hachtmann nicht zur Kenntnis genommen. 147 Friedrich-Wilhelm Henning, Das industrialisierte Deutschland 1914 bis 1976, Paderborn 19784, S. 106. 148 Dahrendorf, Klassen, S. 47 und ebenso Kubitschek, Rationalisierung, S. 169, der auch auf die Ausdehnung des Schulwesens hinweist, aus der eine Erhöhung des allgemeinen Wissensniveaus der Arbeiterschaft resultiere. 149 Gerhard Adelmann, Die berufliche Ausbildung und Weiterbildung in der deutschen Wirtschaft 1871-1918, in: Hans Pohl, (Hg.), Berufliche Aus- und Weiterbildung in der deutschen Wirtschaft seit dem 19. Jahrhundert, Stuttgart 1979, S. 9-52 und Wolfgang Muth, Berufsausbildung in der Weimarer Republik, Stuttgart 1985, bes. S. 317 ff. 150 Albin Gladen, Berufliche Bildung in der deutschen Wirtschaft 1918-1945, in: Hans Pohl (Hg.), Berufliche Aus- und Weiterbildung in der deutschen Wirtschaft seit dem 19. Jahrhundert, Stuttgart 1979, S. 53-73, bes. S. 56 ff.; Muth, Berufsausbildung, S. 318f. Zum Beschäftigtenüberhang am Beispiel der Eisen schaffenden Industrie: Heinrich Niebuhr, Die Arbeitslosigkeit in der deutschen Eisen schaffenden Industrie, in: Manuel Saitzew (Hg.), Die Arbeitslosigkeit der Gegenwart, 2. Teil, München 1932, S. 33-79, 36. 151 Käthe Gaebel, Braucht die Industrie noch Facharbeiter?, in: SP, Jg. 42, 1933, Sp. 1177-1181; 1213-1216; 1231-1235; dies., Eine Lanze für den Ungelernten!, in: ebd., Jg. 45, 1936, Sp. 594-600. Daß die Arbeitslosen nach 1933 unterqualifiziert waren, belegen u. a. Friedmann, Mensch, S. 256f. (in internationaler Perspektive); Birgit Wulf, Arbeitslosigkeit und nationalsozialistische Arbeitsbeschaffungsprogramme in Hamburg 1933/34, in: Arno Herzig u. a. (Hg.), Arbeiter in Hamburg. Unterschichten, Arbeiter und Arbeiterbewegung seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, Hamburg 1983, S. 529-539, 529 u. 532. 152 Friedmann, Mensch, S. 247 f. 153 Gladen, Bildung, S. 85 (Diskussionsbemerkung); Theo Wolsing, Untersuchungen zur Berufsausbildung im Dritten Reich, Kastellaun 1977. Zum Konflikt um die Berufsausbildung bes. Winkler, Der entbehrliche Stand, S. 122 ff. Zur Lenkung des Arbeitseinsatzes bes. Mason, Sozialpolitik, S. 269ff.; Neumann, Behemoth, S.398 ff.; Volkmann, NS-Wirtschaft, S. 290 ff.; Tilla Siegel, Lohnpolitik im nationalsozialistischen Deutschland, in: Carola Sachse u. a., Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 54-139, 84 ff. 154 Gladen, Berufliche Bildung, S. 65, 85 (Diskussionsbemerkung). 155 Werner, »Bleib übrig!«, S. 91 f. 156 Günther Dehn, Proletarische Jugend. Lebensgestaltung und Gedankenwelt der großstädtischen Proletarierjugend, Berlin o. J . (1929), z. B. S. 64, 89, dazu auch Heinz Kluth, Arbeiterjugend - Begriff und Wirklichkeit, in: Helmut Schelsky (Hg.), Arbeiterjugend Gestern und Heute. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen, Heidelberg 1955, S. 16-174, 55 f., 66. 157 Herbert, Die guten und die schlechten Zeiten, S. 88. Zu den Intentionen des Projekts s. die Einl. des Hg. 158 Ebd., S. 89; Murko, »Ich hab mich halt so durchgeschlagen«, S. 125. 159 Herbert, Die guten und die schlechten Zeiten, S. 90. Zur Arbeitszufriedenheit der Qualifizierten: De Man, Arbeitsfreude, S. 147. S. auch die ähnlichen Ergebnisse bei Kern/ Schumann, Industriearbeit, S. 187. 160 Speziell für die Angelernten: Husmann, Lebensformen, S. 31; aus nationalsozialistischer Sicht: Eberhard Koehler, Die Ausbildung Jugendlicher zu Spezialarbeitern, in: Der Vierjahresplan,Jg.2, 1938, S. 739-742. 161 S. dazu Kap. I. 3a.

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Anmerkungen zu S. 71-76 162 Herbert, Entwicklung, S. 25, 28f. Dazu auch Mason, Bändigung, S. 46f. Zum Integrationseffekt partieller positiver Identifikation mit einzelnen Aspekten des NS bei grundsätzlicher politischer Ablehnung ebd., S. 46 f.

II. Aspekte der Lohnentwicklung 1 Wichtige Gesamtbewertungen bieten vor allem folgende (z. T. neuere) Untersuchungen: Gerhard Bry, Wages in Germany, 1871-1945, Princeton 1960; Rainer Skiba u. Hermann Adam, Das westdeutsche Lohnniveau zwischen den beiden Weltkriegen und nach der Währungsreform, Köln 1974; E. H. Phelps Brown, Levels and Movements of Industrial Productivity and Real Wages Internationally Compared, 1860-1970, in: Economic Journal, Bd. 83, 1973, S. 58-71; Winkler, Normalität, S. 46 ff.; Hanf, Möglichkeiten; Siegel, Lohnpolitik; Hachtmann, Industriearbeit sowie ders., Lebenshaltungskosten und Reallöhne während des »Dritten Reiches«, in: VSWG, Bd. 75, 1988, S. 32-73. 2 Schiffmann, Revolution, S. 112 (BASF). Zur chemischen Industrie insgesamt: Wirtschaft und Statistik, Jg. 9, 1929, S. 150-158 (amtliche Lohnerhebung); Gartmayr, Angestellte, S. 40. Zum Kostenanteil der Löhne: Otto Jellinek, Probleme der chemischen Industrie, in: MdW 1930 II, S. 1712-1716, 1713; Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 194. Zur Lohnspanne: Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 125; Die deutsche Chemische Industrie, S. 57 (Gegenüberstellung auf der Basis der Tariflöhne). 3 Nach der amtlichen Lohnerhebung in der Berliner Metallindustrie belief sich der durchschnittliche Wochenverdienst der Facharbeiter im besonders anspruchsvollen Bereich Feinmechanik/Optik im Oktober 1928 auf 60 RM, d. i. 60 x 4,33 = rd. 260 RM im Monat. SP, Jg. 38, 1929, Sp. 793 f. 4 Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 19.5. 1931. 5 Schiffmann, Revolution, S. 471 (Tab. 21). Vgl. Tab. 12. 6 Borchardt, Zwangslagen. Einen Überblick zur Diskussion um die Thesen Borchardts bietet GG, Jg. 11, 1985, Heft 3 und - auf dem Stand von 1983/84 Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, München 1984, S. 183, 204. Die volkswirtschaftliche Abteilung der IG Farben konstatierte 1932 rückblickend, daß in den rationalisierten Industrien die Erhöhung der Löhne hinter der Leistungssteigerung je Arbeitsstunde zurückgeblieben sei - so jedenfalls zitiert Claus-Dieter Krohn, »Ökonomische Zwangslagen« und das Scheitern der Weimarer Republik, in: GG, Jg. 8, 1982, S. 415-426, 419. Informationen zum übertariflichen Lohnzuschlag in anderen Branchen enthält Hilde Oppenheimer, Was verdient der deutsche Arbeiter?, in: MdW 1930 I, S. 548-552. 7 Schiffmann, Revolution, S. 106f.; Stolle, Arbeiterpolitik, S. 42. 8 Schiffmann, Revolution, S. 107; Vetterli, Industriearbeit, S. 74 f. 9 Dazu Burkart Lutz, Krise des Lohnanreizes. Ein empirisch-historischer Beitrag zum Wandel der Formen betrieblicher Herrschaft am Beispiel der deutschen Stahlindustrie, Frankfurt 19752, S. 148 f. Beispiele zum Alltag der Akkordermittlung bei Bayer/Leverkusen aus der örtlichen Arbeiterpresse enthält Balluf, Geschichte, S. 73 ff. 10 Zur »Normalleistung«: Heinrich Wirtz, Die Werksfremdheit der Arbeiter und ihre Überwindung. Eine Untersuchung über das innere Verhältnis der Arbeiter zum Betriebe in der Schwerindustrie und die neueren Bestrebungen zur Verbesserung des Arbeitsverhältnisses, phil. Diss. Gießen 1929, S. 34; Lutz, Krise, S. 66. Zur neuen »Refa«-Methode der Zeitermittlung insgesamt Rudi Schmiede u. Edwin Schudlich, Die Entwicklung der Leistungsentlohnung in Deutschland, Frankfurt 19772, S. 256 ff., 268 f. (»Normalleistung«). Zur grundsätzlichen Zustimmung der Arbeiterschaft: Stollberg, Rationalisierungsdebatte, S. 117; Vetterli, Industriearbeit, S. 105.

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Anmerkungen zu S. 77-82 11 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, I. Teil, S.30f. und Hanf, Möglichkeiten, S. 164ff.; Hachtmann, Industriearbeit, S. 163ff. 12 Vel. Tab. 12 und Balluf, Geschichte, S. 102. 13 S. Tab. 12. Ein weiteres Beispiel aus der elektrotechnischen Industrie: Im SiemensSchaltwerk wurden 1931/32 die bisher im Stundenlohn ausgeführten Einrichtearbeiten auf Akkordarbeit umgestellt. Nach kurzer Zeit steigerte sich die Leistung pro Person, so daß die Anzahl der Einrichter verringert werden konnte. Die dadurch ermöglichte Kostenverringerung erbrachte eine bessere Konkurrenzfähigkeit: SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW Schaltwerk 1931/32. 14 S. dazu Schmiede/Schudlich, Entwicklung, S. 293. 15 Zur Tariflohnsenkung: Wirtschaft und Statistik, Jg. 12, 1932, S. 177-181, 180; Jg. 15, 1935, S. 606-608, 608. Zur Arbeitszeitverkürzung: Bayer-Archiv 214-6: Bericht über die Sitzung des Fabrikkontorausschusses am 21. Mai 1931; Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben. Sitzung vom 16. 4. 1931; Tammen, I.G. Farbenindustrie, S. 83f. (Ende 1932 arbeiteten in der IG 96,3% der Arbeiter verkürzt, das hieß in der Regel zwischen 40 u. 42 Stunden). Zur langfristigen Entwicklung der Arbeitszeit in der Chemie: Ruth Meinert, Die Entwicklung der Arbeitszeit in der deutschen Industrie 1820-1956. wirtschaftswiss. Diss. Münster 1958, S. 91 ff. Zur Kurzarbeiterzulage: Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 16. 12. 1931. 16 Bayer-Archiv 214/6: Niederschrift über die Besprechung betr. Laboratoriumspersonal vom 10. 4. 1935, Anlagen. Zur Beliebtheitsskala und zur Einschränkung der Freizügigkeit s. Kapitel I/3a. 17 Hanf, Möglichkeiten, S. 123 und ebd. Tab. 14 (Anhang): Chemie Gesamtind.

1933

1938

2135 1586

2331 1909

(in RM)

18 Bayer-Archiv 214/10: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates am 18. 10. 1936. 19 Ebd.: Notiz der Abt. Akkordbüro vom 19. 6. 1934 (Zitate). Informationen zu den Akkord- und Prämienregelungen finden sich in ebd. 215/1: Ausführungen vom 17. 10. 1939 über die Konsequenzen der neuen Reichstarifordnung für die chemische Industrie. Zu dieser Tarifordnung s. Kap. I/3a. 20 Bayer-Archiv 214/10: Mitteilungsblatt der Betriebsgemeinschaft IG Farben Werk Oberrhein, Nr. 7, Heuert (Juli) 1935 («Akkord«). 21 Ebd. Das Problem der Akkordbemessung blieb ein »heißes Eisen«: Zur Frage des Akkordlohnes, in: SP, Jg. 44, 1935, Sp. 1245 f. Beispiele für den Widerstand von NSBO- und DAF-Vertretern gegen die »Stoppuhr« und Zeitkalkulatoren in den ersten Monaten der NSZeit bringt Hachtmann, Industriearbeit, S. 178. 22 Hanf, Möglichkeiten, S. 33. 41, 49. Zum §29 AOG auch Karl Korsch, Zur Neuordnung der deutschen Arbeitsverfassung, in: ders., Politische Texte, Frankfurt 1974, S. 271-297, 291; Siegel, Lohnpolitik, S. 125 f.; Andreas Kranig, Lockung und Zwang. Zur Arbeitsverfassung im Dritten Reich, Stuttgart 1983, S. 51; Hachtmann, Industriearbeit, S. 163. 23 Werner Mansfeld, Grundsätze der Lohngestaltung, in: Der Vierjahresplan, Jg. 2, 1938, S. 520-522. 24 Ebd. Vgl. Volkmann, NS-Wirtschaft, S. 296. Zum Maßstab der »Höchstlöhne« auch Hanf, Möglichkeiten, S. 33; Hachtmann, Industriearbeit, S. 115. 25 Volkmann, NS-Wirtschaft, S. 296; zur Situation im Krieg: Werner, »Bleib übrig«!, S. 224ff. Zu den leistungsunabhängigen Zulagen am Beispiel Siemens: Hanf, Möglichkeiten, S. 158 und Kap. II.2; Siegel, Lohnpolitik. S. 126f.

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Anmerkungen zu S. 84—87 26 SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Schaltwerk 1928/29. Zur Einführung des Zeitakkords Homburg, Arbeitsmarkt, S. 240. 27 Zur Preissenkung: SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - SEG 1929/30. Reallohnvergleich: SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1930/31, Teil I, S. 11: Vergleich für unverheiratete Arbeiter bei 48 Stunden Arbeitszeit, 1913/14 gegenüber Juli/ August 1931: Brutto-Stundenlohn 1913/14 50 Pfg. 1931 78 Pfg. Sozialabgaben pro Woche 1913/14 0,82 Μ 1931 5,05 Μ Netto-Stundenlohn 1913/14 48,3 Pfg. 1931 67,5 Pfg. Steigerung um 39,8 % Lebenshaltungskosten 1913/14(100) zu Juli 1931: 137,4 Lebenshaltungskosten 1913/14 (100) zu Aug. 1931: 134,9 Es verbleibt nach dieser Berechnung eine Steigerung des Real-Nettoverdienstes pro Stunde um 1,7% (Juli 1931) und 3,2% (Aug. 1931). Diesem Vergleich war der Tarifstundenlohn eines angelernten Arbeiters zugrunde gelegt und nicht der tatsächliche Stundenverdienst, was aber nicht ausdrücklich vermerkt wurde. Mit der Tauglichkeit solcher Reallohnvergleiche setzt sich kritisch auseinander: Weisbrod, Schwerindustrie, S. 137 ff. 28 S. dazu Kap. I/1a. Zu den Zielen der Lohnpolitik bei Siemens: Homburg, Arbeitsmarkt, S. 199. 29 Berechnet nach den Gesamtarbeitsstunden in: SAA 29/Ls 774. Zur Tariflohnsenkung: SP, Jg. 41, 1932, Sp. 1106 f. 30 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 29. 31 Ebd., 1934/35, Teil I, S. 26 (Zitat); 1936/37, Teil I, S. 29f. und SAA 11/Lg 699 v. Buol: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates des WWZ am 26. März 1936. 32 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1934/35, Teil I, S. 26 u. 1936/37, Teil I, S. 30 (Zitat). Dazu auch Hanf, Möglichkeiten, S. 149. 33 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1937/38, Teil I, S. 41. 34 Hanf, Möglichkeiten, S. 158. Von «außerordentlich« hohen Löhnen im Nürnberger Werk von Siemens sprechen die ›Deutschland-Berichte‹ (März 1938, S. 303): »Außerordentlich hoch sind zum Teil die Löhne bei Siemens-Schuckert in Nürnberg. Die Elektroschweißer kommen im Akkord bis auf 2,60 RM die Stunde. Sie können 12 Stunden arbeiten und bekommen dann auch ihren Überstundenzuschlag. Viele verdienen 150,- RM in der Woche«. 35 Hanf, Möglichkeiten, S. 195. 36 Ebd., S. 198 ff. S. dazu auch mit Beispielen Christoph Conrad, Erfolgsbeteiligung und Vermögensbildung der Arbeitnehmer bei Siemens (1847-1945), Stuttgart 1986, S. 76 ff. 37 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung -Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 36ff. 38 S. dazu den historisch angelegten Überblick des Leiters der sozialpolitischen Abteilung, Karl Burhenne, Wie beteiligt das Haus Siemens seine Gefolgschaft am Produktionsergebnis?, in: SP, Jg. 47, 1938, Sp. 83-90. Zu den Weihnachtszuwendungen bei Siemens und in anderen Unternehmen »Deutschland-Berichte«, Juli 1937, S. 1022ff. Zur Gewinnbeteiligung allgemein Rudolf Henzler, Gewinnbeteiligung der Gefolgschaft, Frankfurt 1937. 39 Von der Wirkung der Sonderzuwendungen innerhalb der Arbeiterschaft sprechen die ›Deutschland-Berichte‹ (Januar 1936, S. 63) z. B. aus Sachsen: »Ein ganz beträchtlicher Teil der Arbeiter betrachtet diese Dividende tatsächlich als ein Geschenk der Nazis und der Betriebsleitung.«

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Anmerkungen zu S. 88-93 40 Hauptergebnisse der amtlichen Lohnerhebung in der eisen- und stahlerzeugenden Industrie, in: Wirtschaft und Statistik, Jg. 10, 1930, S. 141-147. Vgl. auch Tab. 16. 41 HA Krupp WA 41/6-280: Schreiben der Leitung der Gießerei 5/6/7 an die Direktion vom 8. 3. 1937 mit dem Ziel, die Verdienstbeschwerde der Schmelzer zu widerlegen. Zu anderen Systemen der Prämienermittlung: Die Arbeitsleistung in Stahl- und Walzwerken, S. 62 ff. und Lutz, Krise, bes. S. 122 ff. 42 Wirtschaft und Statistik, Jg. 12, 1932, S. 376. Zum Vorstehenden auch Tab. 16. Zum Vergleich die auf anderer Materialbasis beruhenden langfristigen Einkommensreihen bei Fritz Poth, Die Entwicklung der Löhne im Steinkohlenbergbau, in der eisenschaffenden Industrie und im Baugewerbe seit 1924, Köln 1950, S. 27. 43 HA Krupp WA 41/6-122: Antworten auf einem Fragebogen des Arbeitgeberverbandes Nordwest vom 19. 1. 1929. Die Gesamtbelegschaft betrug im Oktober 1928 22900 Arbeiter, von denen 45 % nach großzügigen Bemessungskriterien als Facharbeiter angeführt werden. 44 HA Krupp WA 41/6-122: Schreiben des Krupp-Direktoriums an die Betriebe vom 14. 6., 26. 6. und 27. 6. 1930. Ebd.: Rundschreiben des Arbeitgeberverbandes Nordwest vom 12. 6. 1930. Im Mülheimer Werk von Siemens kam es aus diesem Anlaß zu einem mehrtägigen Streik der Arbeiter, der schließlich mit der Annahme der neuen Bedingungen endete: SAA 15/ Lg 562: Werksberichte SSW - Mülheimer Werk 1929/30. Dazu auch Hans-Hermann Hartwich, Arbeitsmarkt, Verbände und Staat 1918-1933, Berlin 1967, S. 162f. 45 HA Krupp WA 41/6-122: Rundschreiben des Krupp-Direktoriums an die Betriebe vom 7. 8. 1931, 23. 12. 1931, 22. 11. 1932 und SAA 15/Lg 562: Werksberichte SSW - Mülheimer Werk 1931/32. 46 HA Krupp WA 3/740a, b: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsberichte 1929/30 bis 1932/33 und WA 41/6-84: Arbeitszeit der Betriebsteile im Aug./Sept. 1932. 47 HA Krupp WA 41/6-122: Rundschreiben des Direktoriums an die Betriebe vom 6. 1. 1932: Vereinbarung mit dem Arbeiterrat. 48 HA Krupp WA 41/6-102, 103: Zusammenstellung der Kosten der wichtigsten Lebensbedürfnisse einer Einzelperson im Stadtbezirk Essen für eine Woche (Verkaufspreise der Kruppschen Konsumanstalt). Diese Tabelle wurde nach 1933 nicht mehr weitergeführt: Der Warenkorb enthielt Lebensmittel entsprechend dem Wochenbedarf eines erwachsenen Arbeiters von rund 21000 Kalorien (z. B. 1750g Brot, 6000 g Kartoffeln, Rindfleisch I 250g, Speck 300g, Schmalz 200g usw.), ferner z. B. Herrenanzug 1/100 Kaufpreis, 1/25 Wollstrümpfe, 1 Zentner Kohlen, Miete für eine nicht-kruppsche Wohnung usw. Das ergab am 1. 7. 1930 in der Woche 4,65 RM für Lebensmittel und 12,93 RM für sonstiges, also insgesamt 17,58 RM, am 1. Juli 1932 insgesamt 15,32 RM. 49 HA Krupp WA 41/6-280: Schreiben der Ehefrau an Gustav Krupp von Bohlen und Halbach vom 12. 5. 1933 und die anliegende Lohnauflistung der Betriebsleitung. 50 Dazu HA Krupp WA 41/3-812, 931: Betriebsberichte - Grobblechwerkstatt 1935/36, Walzwerk 2 1934/35: Der Betriebsbericht der Abteilung Maschinenbau 15 sprach auch von der Erhöhung des Lohnes bestimmter Hilfsarbeitergruppen: WA 41/3-800 (1936/37). Im Steinwerk wurden 1934/35 die Akkordsätze so geändert, daß der Durchschnittslohn pro Kopf und Stunde um 5,3% höher war als im Vorjahr: WA 41/6-208: Antwort des Betriebsleiters im Steinwerk v. 2. 12. 1935 auf die in der Vertrauensratssitzung vom 13. 11. 1935 angeregte Staubzulage für die Steinwerksarbeiter. Die Staubzulage wurde mit Hinweis auf die bereits stattgefundene Erhöhung der Löhne nicht gewährt. In zwei Betrieben der Gußstahlfabrik läßt sich anhand der Gesamtlohnsumme und der Gesamtarbeiterzahl das Monatseinkommen errechnen und dies auch für das Geschäftsjahr 1929/30:

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Anmerkungen zu S. 93-95 1929/30

1930/31

1933/34

Werkzeugmacherei Monatslohn 173,4 136,9 142,0 0,91 Stundenlohn 0,83 0,75 44,0 Wochenstunden 43,7 38,1 1. mech. Werkst. Monatslohn 162,9 209,2 172,4 1,04 Stundenlohn 0,84 0,96 46,1 41,3 Wochenstunden 44,3 Quelle: HA Krupp WA 41/3-807, 812 (Betriebsberichte)

1934/35

1935/36

158,6 0,40 45,6

172,8 0,86 46,3

180,0 0,89 46,8

191,5 0,91 48,8

In der 1. mechanischen Werkstatt stieg von 1934/35 bis 1935/36 das durchschnittliche Monatseinkommen je Akkord- bzw. Facharbeiter von 190 auf 210 RM, das der Hilfsarbeiter als Schichtlöhner, deren Anteil gering war, von 130 auf 155 RM (ebd.) Der Vorkrisenstand war in beiden Betriebsteilen 1935/36 noch nicht erreicht. Zur Einkommensentwicklung in anderen Stahlunternehmungen s. Seebold, Stahlkonzern, S. 189ff. und Yano, Hüttenarbeiter, S. 177 (Gutehoffnungshütte). Die Berechnungen von Poth, Entwicklung (S. 27, 53), die besagen, daß der Wochenverdienst nominal erst während des Zweiten Weltkrieges den Stand von 1928 erreichte, real dagegen schon um 1938/39, beruhen auf der Materialbasis von drei Hüttenwerken, u. a. dem Kruppschen Hüttenwerk in Rheinhausen. In Rheinhausen verlief die Verdienstkurve völlig untypisch. Der Stand von 1930/31 wurde erst 1937/38 knapp überschritten, und das Einkommen des Stahlwerksbereichs der Gußstahlfabrik in Essen von 213,8 RM (1937/38) erreichte Rheinhausen bei etwas besserer Ausgangsbasis (1930/31 = 193 RM gegen 190,8 RM Stahlwerk/Gußstahlfabrik) mit 212 erst 1941/42: HA Krupp WA Fried. Krupp AG, Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942, S. 91. Allgemein zu den Löhnen in der Metallindustrie Rüdiger Hachtmann, Beschäftigungslage und Lohnentwicklung in der deutschen Metallindustrie 1933-1939, in: Historical Social Research = Historische Sozialforschung (Quantum Information), Nr. 19, 1981, S. 42-68. 51 Lutz, Krise, S. 139; Yano, Hüttenarbeiter, S. 113. 52 HA Krupp WA 41/6-207: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik am 21. 4. 1937. Zahlreiche Beispiele zur Einschaltung des Treuhänders der Arbeit bei Lohndifferenzen ab dem 24. 8. 1937 enthält der Bestand WA 41/6-104. Einen Fall daraus, bei dem ein Arbeiter nach der Versetzung in eine andere Abteilung seinen Verdienstausfall erstattet bekommen wollte, zitiert Yano, Hüttenarbeiter, S. 111. 53 HA Krupp WA 41/6-10: Vertrauensrat der Fried. Krupp AG. Auszüge aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner - September 1937, November 1937. Die Erhöhung der Zeitlöhne erfolgte anläßlich einer Neugestaltung des Zeitlohnsystems. Nunmehr wurden feste Stundenlöhne bezahlt anstatt der früheren Kombination aus Tariflohn + Ü Prämie + feste Zulage + Werkszulage: WA 41/6-125: Rundschreiben des Direktoriums vom 24. 11. 1938. 54 HA Krupp WA 41/6-181: Vertrauliches Schreiben der Firmenleitung an die Leitung des Walzwerks II vom 5. 12. 1938, in dem die genannten Arbeiter wegen ihrer Nichtbeteiligung am Winterhilfswerk namentlich gerügt wurden. 55 HA Krupp. Fried. Krupp AG, Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942, S. 102 (Wohlfahrtsausgaben); »Wahrer sozialer Tradition: Siemens und Krupp«, in: SP, Jg. 45, 1936, Sp. 233-236; Yano, Hüttenarbeiter, S. 119 ff. und Kap. III/1 d. 56 Winkler, Normalität, S. 48 f.; Werner Retzlaff, Das Lohngefüge im deutschen Steinkohlenbergbau von 1886 bis 1956, wirtschaftswiss. Diss. Freiburg 1958, Tab. S. 202; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 296, 450 ff.

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Amnerkungen zu S. 96-103 57 Retzlaff, Lohngefüge, S. 130; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 296. 58 Die Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau, S. 103; Mommsen, Der Ruhrbergbau im Spannungsfeld, S. 71; Retzlaff, Lohngefüge, S. 58f. 59 Tschirbs, Tarifpolitik, S. 298. 60 Ebd., S. 384 (Zitat); Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 80 f.; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 169. 61 WWA F 26 Nr. 390: Niederschrift über die Vertrauensratssitzung für die Schachtanlage 2/3 der Concordia BergAG am 7. 12. 1935; BBA 13/1028 (Bd. 487): Schreiben der DAFGaubetriebsgemeinschaft Bergbau an sämtliche Betriebszellenobleute des Gaus Essen vom 17. 12. 1936. 62 Zu den Verhandlungen des Jahres 1936: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 170 ff. 63 BBA 13/1203 (Bd. 528): Kurzfassung der Denkschrift des stellvertretenden Gauleiters von Westfalen-Süd (1938). Ein Beispiel von Arbeitszurückhaltung aus einem 1938 verfertigten Untergrundbericht: Peukert, Ruhrarbeiter, S. 224f. 64 Zur Diskussion und zur Verordnung von 1939: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 175ff., 245ff.; ders., Ruhrbergbau am Vorabend. Die Gedingeauseinandersetzungen weiteten sich aber 1939 aus (ebd., S. 447). Die Ablehnung der Verordnung durch die Arbeiter überraschte selbst die Initiatoren. 65 Zu den Lohnkosten: Ernst Jüngst, Die Arbeitskosten im Bergbau, in: Ernst Herbig u. Ernst Jüngst (Hg.), Bergwirtschaftliches Handbuch, Berlin 1931, S. 497-517, 502; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 358 ff. u. 445 (für die Abt. Bergbau der Vereinigten Stahlwerke). 66 Paul Osthold, Die Geschichte des Zechenverbandes 1908 bis 1933. Ein Beitrag zur deutschen Sozialgeschichte, Berlin 1934, S. 326 ff., 428; SP, Jg. 40, 1931, Sp. 1384-1386; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 403. 67 Ebd., S. 454. 68 Osthold, Geschichte, S. 416. 69 BBA 32/839: Material für eine Besprechung der Hibernia BergAG mit Ministerialrat Sitzler vom Arbeitsministeriuni am 6. 11. 1931. 70 BBA 13/1203 (Bd. 528): Material für einen Bericht zur Lage des Ruhrbergbaus (1938). S. 4; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 81. 71 Hilfsaktionen für Bergarbeiter, in: Ruhr und Rhein, H. 33, 16. 8. 1935, S. 547. 72 Weitere Bergarbeiterunterstützungen, in: ebd., H. 37, 13. 9. 1935, S. 613; dazu auch Wisotzky, Ruhrbergbau, S.88f. Die Kurzarbeiterziffern in: BBA 15/236 (Bd. 89): Bezirksgruppe Ruhr der Fachgruppe Steinkohlenbergbau. Stimmungsbericht vom 1. 1. 1936. 73 Ebd., Stimmungsbericht vom 1. 1. 1938. Zur Entstehung des Reformgesetzes Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 161 ff. u. Martin H. Geyer, Die Reichsknappschaft. Versicherungsreformen und Sozialpolitik im Bergbau 1900-1945, München 1987, S. 327. 74 BBA 13/1203 (Bd. 528): Aufzeichnungen über die Besprechung von Zechenvorständen mit dem Gauleiter von Essen, Terboven, am 26. 10. 1938; ebd.: Material für einen Bericht zur Lage des Ruhrbergbaus (1938), S. 5 f. 75 Ebd.: Schreiben des Direktors der GHH, Oberhausen, Kellermann, an den Generaldirektor Vögler (Vereinigte Stahlwerke) vom 21. 10. 1938. 76 Bei jüngeren, noch leistungsfähigeren Bergleuten stieß die Verordnung auf Zustimmung, eröffnete sie doch den Weg zu höheren Einkünften. Ältere Bergleute waren dem intensivierten Leistungsdruck weniger gewachsen: Zimmermamm, »Ein schwer zu bearbeitendes Pflaster«, S. 82. Zur Lohnentwicklung im Krieg: Werner, »Bleib übrig!«, S. 122f u. Poth, Entwicklung, S. 52. 77 S. oben Kap. I.2. 78 W. Neumayer u. R. Schwenger, Von arbeitstechnischer zu lohntechnischer Rationalisierung, in: MdW 1930 I, S. 131-137, 131 (Sperrung im Original). 79 Grundsätzlich dazu Adolf Löwe, Lohnabbau als Mittel der Krisenbekämpfung?, in: NBS, Jg. 1, 1930, S. 289-295; Emil Lederer, Technischer Fortschritt und Arbeitslosigkeit. Eine Untersuchung der Hindernisse des ökonomischen Wachstums, (Genf 1938) Neuausgabe

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Anmerkungen zu S. 103-106 Frankfurt 1981, bes. S.77f., 241 f. und Winkler, Normalität, S. 730 ff. Zur These von den zu hohen Löhnen in den zwanziger Jahren: Borchardt, Zwangslagen. Kritisch äußert sich dazu: Carl-Ludwig, Holtfrerich, Zu hohe Löhne in der Weimarer Republik?, in: GG, Jg. 10, 1984, S. 122-141; ders., Arbeitslosigkeit, Sozialabbau, Demokratieverlust. Ergebnis zu hoher Löhne in der Weimarer Republik?, in: GMH, Jg. 34, 1983, S. 714-722. 80 Alexander v. Plato, «Der Verlierer geht nicht leer aus«. Betriebsräte geben zu Protokoll, Berlin 1984, S. 47: Die Lebensgeschichte des Bergarbeiters Hermann K.: »Von 1927 bis 1932 arbeitete er sogar für 180 Mark im Monat bei einer Baufirma. Dann machte die Firma Konkurs: ›Und da war es mit dem Arbeiten aus. Da trat für mich die große Krise ein.‹« ›Deutschland-Berichte‹ vom Juli 1935, S. 882: »Vor der Krise interessierte den Arbeiter am Arbeitsverhältnis in erster Linie der Lohn. Im Verlaufe der Krise aber änderte sich das allmählich. Immer weitere Schichten von Arbeitslosen und von Betriebsarbeitern wurden von der Vorstellung erfaßt, daß das Wichtigste sei, überhaupt Arbeit zu haben. Das Interesse an hohen Löhnen und guten Arbeitsbedingungen wurde von der Sorge um den Arbeitsplatz zurückgedrängt.« Ebd., Mai/Juni 1934, S. 107: » . . . und wenn sie auch nur eine geringe Summe Löhnung mehr erhalten als vorher Unterstützung, so sehen sie darin, daß sie wieder in Arbeit gekommen sind, doch einen Fortschritt oder eine Besserung, die ihnen eine gewisse Anerkennung entschlüpfen läßt.« Daß die Phase der zwanziger Jahre bis Mitte der dreißiger Jahre durchgehend als Zeit der Arbeitslosigkeit, der Armut empfunden wurde und erst danach Stabilität und Sicherheit eintrat, betont Herbert, Entwicklung, S. 20. 81 Plato, Verlierer, S. 47ff.: »Und das war schon ein Haufen Geld für die damalige Zeit. Und ich werd' nie vergessen: Restlohn 1936 zu Weihnachten, bekam ich 90 Mark. Meine Frau, die sprang so hoch, so viel Geld auf einmal hatte sie in unseren Ehejahren noch gar nicht in der Hand gehabt.« (Bergarbeiter Hermann K.) ». . . Und dann fingen die Leute hier mit einem kleinen Stundenlohn an. Wenn man so drei, vier Jahre auf der Straße war, dann war man froh, wenn man wieder in Arbeit war . . . Da wurde etwas geschafft für den armen Mann, aus dem Nichts.« (Hüttenarbeiter Klaus W.) Zum individuellen Einkommensbezugspunkt auch Prinz, Mittelstand, S. 181 f. 82 Knut Borchardt, Trend, Zyklus, Strukturbrüche, Zufälle: Was bestimmt die deutsche Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts?, in: VSWG, Bd. 64, 1977, S. 145-178, 174; Phelps Brown, Levels. Zur Entwicklung der Lohnquote: Skiba/Adam, Lohnniveau, S. 186. 83 Hachtmann, Industriearbeit, S. 114; Volkmann, NS-Wirtschaft, S. 294 ff.; Hanf, Möglichkeiten, bes. S. 95 ff.; Yano, Hüttenarbeiter, S. 96 ff. 84 Nach Dietmar Petzina u.a., Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch III. Materialien zur Statistik des Deutschen Reiches 1914-1945, München 1978, S. 98. 85 Prinz, Mittelstand, S. 184; Hachtmann, Lebenshaltungskosten, S. 68. 86 Mason, Sozialpolitik, S. 153. 87 Hachtmann, Lebenshaltungskosten; ders., Industriearbeit, S. 154 ff. 88 Ebd., S. 158 u. ebd., Tab. auf S. 159 sowie ders., Lebenshaltungskosten, S. 69. 89 Hachtmann, Industriearbeit, S. 158f. 90 Ebd., S. 125, 153; D. Winkler, Frauenarbeit, S. 73 ff.; Ludwig Eiber, Arbeiter unter der NS-Herrschaft. Textil- und Porzellanarbeiter im nordöstlichen Oberfranken 1933-39, München 1979. 91 Hachtmann, Industriearbeit, S. 114 (am Beisp. des Maschinen- und Apparatebaus). 92 ›Deutschland-Berichte‹, Nov. 1936, S. 1441 f.; Sept. 1936, S. 1192 - Beispiel Siemens und Michael Voges, Klassenkampf in der »Betriebsgemeinschaft«. Die »Deutschland-Berichte« der Sopade (1934—1940) als Quelle zum Widerstand der Industriearbeiter im Dritten Reich, in: A ß , Jg. 21, 1981, S. 329-383, 347 f. 93 Siegel, Lohnpolitik, S. 138; auch dies., Rationalisierung statt Klassenkampf Zur Rolle der Deutschen Arbeitsfront in der nationalsozialistischen Ordnung der Arbeit, in: Hans

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Anmerkungen zu S. 106-111 Mommsen u. Susanne Willems (Hg.), Herrschaftsalltag im Dritten Reich. Studien und Texte, Düsseldorf 1988, S. 97-143, 122 ff. 94 Siegel, Lohnpolitik, S. 133. 95 Z. B. bei Lutz, Krise, S. 144. 96 ›Deutschland-Berichte‹, März 1937, S. 322; s. auch oben Anm. 81.

III. ›Betriebsgemeinschaft‹ und Unternehmerverhalten 1 Dazu und zum folgenden Roland Reichwein, Funktionswandlungen der betrieblichen Sozialpolitik. Eine soziologische Analyse der zusätzlichen betrieblichen Sozialleistungen, Köln 1965, S. 75 ff. Zu den betrieblichen Sozialleistungen und ihren historischen Wurzeln u. a.: Horst Buhl, Ausgangspunkte und Entwicklungslinien der freiwilligen sozialen Leistungen in industriellen Unternehmungen, wirtschafts- und sozialwiss. Diss., Berlin 1965; L. H. Adolf Geck, Grundfragen der betrieblichen Sozialpolitik, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Werkspolitik, 3. Teil, München 1935, S. 1ff.; ders., Die sozialen Arbeitsverhältnisse im Wandel der Zeit. Eine geschichtliche Einführung in die Betriebssoziologie, Berlin 1931; ders., Soziale Betriebsführung, München 1938; eher enttäuschend: Hans Pohl (Hg.), Betriebliche Sozialpolitik deutscher Unternehmen seit dem 19. Jahrhundert, Stuttgart 1978; eine kritische Sicht der Betriebssoziologie in der Weimarer Republik bei: Günther Wachtier, Humanisierung der Arbeit und Industriesoziologie. Eine soziologische Analyse historischer Vorstellungen humaner Arbeitsplatzgestaltung, Stuttgart 1979, S. 86 ff. 2 Z. B. bei Krupp: Herbert, Kruppianer, S. 239. Ein Schmied beschreibt dort den Bindungszwang, der durch eine Kruppsche Wohnung ausgeübt wurde. Die Mieterschutzgesetzgebung der zwanziger Jahre führte jedoch dazu, daß viele Werkswohnungen von Werksfremden bewohnt waren: Rolf Spörhase, Wohnungsbau als Aufgabe der Wirtschaft. Förderung des Wohnungsbaus durch Wirtschafts-Unternehmungen. Methoden und Leistungen, Stuttgart 1956, S. 161. 3 Dazu Herbert, Kruppianer, S. 247 f. 4 Kurt Brigl-Matthiaß, Das Betriebsräteproblem in der Weimarer Republik, in: R. Crusius u. a. (Hg.), Die Betriebsräte in der Weimarer Republik. Von der Selbstverwaltung zur Mitbestimmung, 2 Bde., Bd. 2, Berlin 1978, S. 159 ff.; Reichwein, Funktionswandlungen, S. 34 f., 142. 5 Theodor Geiger, Zur Soziologie der Industriearbeit und des Betriebes, in: Die Arbeit, Jg. 6, 1929, S. 673-689 u. 766-781, hier S. 777 f. Kritisch reagierten darauf ein Mitglied bzw. der Leiter des Berliner Instituts für Betriebssoziologie: Walter Jost, Grundlagen der betrieblichen Sozialpolitik, in: Ruhr und Rhein, Nr. 43, 24. 10. 1930; Goetz Briefs, Betriebsführung und Betriebsleben in der Industrie. Zur Soziologie und Sozialpsychologie des modernen Großbetriebs in der Industrie, Stuttgart 1934, S. 124f. 6 »Zu dem Kapitel: Spar- und Jahresprämiensystem der IG-Farbenindustrie«, in: Der Proletarier, Nr. 35, 27. 8. 1927 und »Werkspensionskassen?«, in: ebd., Nr. 10, 10. 3. 1928. 7 Theodor Leipart, Gewerkschaften und Rationalisierung, in: Jahrbuch für Sozialpolitik 1931, Berlin 1931, S. 84-91, 90. 8 Ein vernichtendes Urteil gegen betriebsdemokratische Einrichtungen: Geiger, Zur Soziologie der Industriearbeit, S. 689. Erfahrungsbericht des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden bei Siemens: Erich Lübbe, Betriebsrat und soziale Betriebspolitik, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Betriebspolitik, Berlin 1930, S. 79-89. Dazu ebenfalls Reichwein, Funktionswandlungen, S. 34 und umfassend Max Wittgen, Die Einstellung der Gewerkschaften zur sozialen Betriebsführung, rechts- und staatswiss. Diss., Bonn 1956.

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Anmerkungen zu S. 112-115 9 Eduard Heimami, Soziale Betriebsarbeit, in: Neue Blätter für den Sozialismus, Jg. 1, 1930, S. 220-226; Ilse Ganzert, Soziale Betriebsarbeit, in: ebd., S. 213-220 (Erfahrungsbericht einer Sozialen Betriebsarbeiterin). S. dazu auch Carola Sachse, Hausarbeit im Betrieb. Betriebliche Sozialarbeit unter dem Nationalsozialismus, in: dies., u. a., Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 209-274, 217 ff. u. D. Winkler, Frauenarbeit, S. 78f. Zum Einstellungswandel in den Gewerkschaften: Hans Mars, Von der negativen zur positiven Einstellung der freien Gewerkschaften zur sozialen Betriebspolitik, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Betriebspolitik, Berlin 1930, S. 90-132; ders., Neue gewerkschaftliche Aufgaben, in: Die Arbeit, Jg. 7, 1930, S. 381-390 sowie Reichwein, Funktionswandlungen, S. 40. 10 Zum Faktor »Mensch«, der »Menschenökonomie« und dem Vorbild USA: Geck, Soziale Betriebsführung, S.28f., 37ff.; ders., Grundfragen, S.5f.; Peter C. Bäumer, Das Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Werkspolitik, 1. Teil, München 1930, S. 122ff.; Friedmann, Mensch, S.62 ff.; ders., Zukunft der Arbeit. Perspektiven der industriellen Gesellschaft, Köln 1953, S. 88. Speziell zum Funktionswandel: Buhl, Ausgangspunkte, S.39ff.; Reichwein, Funktionswandlungen, S. 165 ff. 11 Dazu bes. Briefs, Betriebsführung, S. 44, 113f.; Buhl, Ausgangspunkte, S. 41. Eine detaillierte Beschreibung der Organisation und der Befugnisse der Sozialpolitischen Abteilung von Siemens findet sich in: Studien über die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Genf 1930 (= Internationales Arbeitsamt. Studien und Berichte, Reihe A Nr. 33, S. 1-64: Die Siemenswerke in Siemensstadt), bes. S. 8 ff. 12 Herbert Studders, Sozialpolitik in Betrieben, in: Der wirtschaftliche Wert der Sozialpolitik. Schriften der Gesellschaft für Soziale Reform, H. 84/85 (Bd. 13), Jena 1931, S. 124-147. 13 S. dazu die kritische Bestandsaufnahme bei Willibald Kater, Der Riese Leuna - ein kapitalistischer Gigant, in: Der Klassenkampf, Jg. 5, 1931, S. 137-147, 144ff.; Balluf, Geschichte, S. 86 f. 14 Else Fuldat, Arbeitsverhältnisse in der chemischen Großindustrie der Frankfurter Gegend, wirtschafts- und sozialwiss. Diss., Frankfurt 1926, S. 33 (Anm. 1); Balluf, Geschichte, S.53f.; Stolle, Arbeiterpolitik, S. 319; Schiffmann, Revolution, S. 76 u. 461. Zur saisonalen Wanderung s. die Aussage eines Maschinenarbeiters bei de Man, Kampf um die Arbeitsfreude, S. 76. Zur Fluktuationsentwicklung s. auch unten S. 150. 15 Gartmayr, Angestellte, S. 42. 16 Fuldat, Arbeitsverhältnisse, S. 40; Balluf, Geschichte, S. 86. Für den geschäftsführenden Vorsitzenden des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands, Edmund Pietrkowski, war die Schaffung des sozialen Friedens weniger ein Weltanschauungsproblem als ein Verteilungsproblem »zwischen dem Finanzkapital und sämtlichen Werksangehörigen«. Er plädierte für eine Verteilung des Produktionserfolges: »Ein in seiner Betätigung durch höhere Rücksicht auf die Gemeinschaft gezügelter, also sozialer Kapitalismus, ist keine contradictio in adjecto.« E. Pietrkowski, Wirtschaftsprobleme. Rückblick und Ausblick, in: Die Chemische Industrie, Bd. 50, 1927, Nr. 8, S. 233-240, 239. 17 Holdermann, Im Banne der Chemie, S. 252. Bis 1935 war Carl Bosch Vorstandsvorsitzender der IG Farben. 18 Ebd. Nach Angaben der kommunistischen »Bergischen Arbeiterstimme«, Nr. 40, 1929, betrug die Prämie nur 50 bis 100 RM. Zit. nach Balluf, Geschichte, S. 87. 19 Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 19. 5. 1931. Zur Fabrik-Sparkasse der BASF vor und nach dem Ersten Weltkrieg: Schiffmann, Revolution, S. 57. 20 Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 19. 5. 1931 u. 27. 4. 1932. Ein Rechenbeispiel: Ein Arbeiter mit einem angenommenen Jahreseinkommen von 2000 RM und 5 Dienstjahren kam demnach 1932 auf eine Prämie von 35,50 RM - mithin ein Wochenverdienst von Ungelernten.

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Anmerkungen zu S. 115-120 21 Ebd., Sitzung vom 9. 3. 1931. 22 Tammen, IG Farbenindustrie, S. 73: Summe der Sozialaufwendungen bei der IG (in Mill. RM) 1929 1930 1932 1931 56,1 46,4 45,3 50,8 Diese in % der Lohn- und Gehaltssumme 15,4 16,9 19,3 26,2 Sozialaufwendungen pro Beschäftigtem (RM) 574,2 635 680,9 681,2 Zu Krupp s. unten Kap. III/1 d. 23 Holdermann, Im Banne der Chemie, S.254f. Zur 40-Stunden-Woche auch Tammen, IG Farbenindustrie, S. 82ff. 24 S. dazu Bayer-Archiv: Die Erholung. Zeitschrift für die Betriebsgemeinschaft Niederrhein der IG Farbenindustrie A. G., Nr. 7/8, Juli/Aug. 1934 und zur Siedlung in MannheimRheinau: Hoechst-Archiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 26. 5. 1933. 25 Bayer-Archiv 214/10: Was leistete die Betriebskrankenkasse der IG Farbenindustrie AG Leverkusen in den Jahren 1932-1936. 26 Zu Werkszeitschriften insgesamt: Adalbert Klein, Die Werkzeitschrift als Teil der betrieblichen Sozialpolitik, phil. Diss., Leipzig 1940; Heinz-Günther Klein, Die deutsche Werkzeitschrift - ein betriebswirtschaftliches Problem, rechts- und staatswiss. Diss., Bonn 1960. 27 Studien über die Beziehungen, S. 62. S. auch Siemens, Geschichte, 3. Bd., S. 302 f. 28 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 33, 36. 29 Studien über die Beziehungen, S. 58 f.; SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung Geschäftsbericht 1932/33, Teil II, S. 23ff. (Arbeitersiedlung); ebd., 1936/37, Teil II,S.712 (Wohnungsbestand) und Gerhard Starcke, Das Problem der Kurzarbeitersiedlung und seine Lösung in den Siemens-Siedlungen, in: Arbeitertum v. 1. 11. 1933. Siemens leistete einen Zuschuß von 500 RM pro Siedlerstelle. Ein Vergleich von vier deutschen Großunternehmungen vom Jan. 1941 machte deutlich, daß bei Siemens nur für 3 % der Belegschaft Werkswohnungen oder -Siedlungen zur Verfügung standen, bei IG Farben für 20,3 % und bei Krupp für 23,2 %: Conrad, Erfolgsbeteiligung, S. 121. 30 Aufwendungen für die Altersversorgung bei Siemens (RM) und deren Anteil an den freiwilligen Sozialleistungen: 1928/29

1930/31

1931/32

1935/36

1936/37

6221000 57,4 %

9308903 66,3 %

11688029 69,6 %

11816604 62,4%

12061478 57,1 %

Daten errechnet nach: Studien über die Beziehungen, S. 60 (wohl für das Jahr 1928/29, ebd., S. 51 zur Zahlungsweise); Carl Friedrich von Siemens, Wirtschaftsfragen der Gegenwart, in: Siemens-Mitteilungen Nr. 142, April 1933, S. 2-5; SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil II, S. 53 (S. 9f. allgemein zur Pensionskasse). S. dazu auch den Bericht von Julius Fries über die Siemens-Generalversammlung in der Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 5, 1. 2. 1930, der auf die Probleme der Pensionskasse eingeht und bei aller Kritik eine gewisse Sympathie für den Firmenchef Carl Friedrich von Siemens und seinen Einsatz für die Sozialpolitik nicht verhehlen kann. Zu den Pensionskassen bei Siemens auch detailliert Conrad, Erfolgsbeteiligung, S. 111 ff. 31 Hanf, Möglichkeiten, S. 210f. 32 Dazu insgesamt der Teil II der jährlichen Geschäftsberichte der Sozialpolitischen Abteilung (SAA 15/Lc 774), Zahlen nach 1936/37, Teil II, S. 53; ebenso Ludwig Preller, Was wird für

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Anmerkungen zu S. 120-124 die betriebliche Sozialpolitik ausgegeben?, in: SP, Jg. 47, 1938, Sp. 27-36, 33 f. Zu den Weihnachts- und Abschlußprämien s. Kap. II.2. 33 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 244. 34 Carl Friedrich von Siemens, Wirtschaftsfragen der Gegenwart, in: Siemens-Mitteilungen, Nr. 142, April 1933, S. 2-5, 5. 35 Hachtmann, Industriearbeit, S. 270. 36 SAA 11/Lg 699 v. Buol: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates des Wernerwerkes Ζ am 10. 1. 1935. 37 Karl Burhenne (Leiter der Sozialpolitischen Abteilung von Siemens), Wie beteiligt das Haus Siemens seine Gefolgschaft am Produktionsergebnis?, in: SP, Jg. 47, 1938, Sp. 83-90, 90. 38 S. Tab. 20 und 21. Denselben Trend lassen dort die Angaben zu 9 Betrieben der Maschinen-, Werkzeug- und Elektroindustrie erkennen, unter denen Siemens auch enthalten ist (Tab. 20). 39 Zahlen für 1934/35. In der Ziffer von Siemens war die Gewinnbeteiligung mit einbezogen - das wären 2,4% mehr: Wahrer sozialer Tradition: Siemens und Krupp, in: SP, Jg. 45, 1936, Sp. 233-236. S. auch die Aufstellung zu den Sozialaufwendungen einzelner Industriezweige bei Hachtmann, Industriearbeit, S. 262. 40 Zit. nach Karl Burhenne, Wie beteiligt das Haus Siemens seine Gefolgschaft am Produktionsergebnis?, in: SP, Jg. 47, 1938, Sp. 83-90, 84. Zu Alfred Krupp besonders die aus unabhängiger Warte geschriebenen Firmengeschichten von Mühlen, Die Krupps und Manchester, Krupp. 41 Zu den Kruppschen Sozialeinrichtungen vor dem Ersten Weltkrieg Paul Ludwig Jaeger, Die Bindung des Arbeiters an den Betrieb, unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Fried. Krupp A.-G. in Essen, staatswiss. Diss. Hamburg 1929. Eine trefflichironische Schilderung der Werkszeitung findet sich in dem Krupp-Schlüsselroman von Erik Reger (d. i. Hermann Dannenberger), Union der festen Hand, Hamburg 1979 (erschienen 1931), S. 486f.; dazu auch ders., Die wirkliche Arbeiterpresse, in: Die Weltbühne, Bd. 25, 1929 I, S. 366-372. 42 Jaeger, Bindung, S. 35ff. 43 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1934/35. 44 Ebd. 45 Ebd.: Bericht des Vorsitzenden des Kruppschen Bildungsvereins v. Glümer (!) vom 7. 4. 1927. 46 Yano, Hüttenarbeiter, S. 129. 47 Zur NS-Gemeinschaft KdF s. unten Kap. III/1 f. 48 Ferdinand Bertrams, Wohlfahrtseinrichtungen in der Industrie, Bielefeld 1927, S. 21. 49 S. das Beispiel bei Herbert, Kruppianer, S. 238. Dort insgesamt auch persönliche Eindrücke zur Kruppschen Sozialpolitik. Zur Wohnungspolitik kritisch Joachim Schlandt, Die Kruppsiedlungen - Wohnungsbau im Interesse eines Industriekonzerns, in: Hans G. Helms u. Jörn Janssen (Hg.), Kapitalistischer Städtebau, Neuwied 1970, S. 95-111. 50 Yano, Hüttenarbeiter, S. 137. 51 Herbert, Kruppianer, S. 246. Zu den Kurzarbeitersiedlungen bei Krupp, bes. im GrusonWerk Magdeburg, und auch bei Siemens: Walter Bolz (Hg.), Nebenerwerbssiedlungen für Kurz- und Vollarbeiter, Berlin 1934. 52 Dazu umfassend und detailliert Wilhelm Vossiek, Hundert Jahre Kruppsche Betriebskrankenkasse 1836 bis 1936, Berlin 1937, bes. Tafeln VII, X (Leistungen der Kasse). Zu Leverkusen s. Kap. III/1 b. (Fortsetzung s. nächste Seite)

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Anmerkungen zu S. 124-127 Zahlen jeweils für 1936 Leverkusen 92,92 Μ Ausgaben pro Mitglied 27,58 Μ davon Krankengeld Zahnbehandlung 3,77 Μ 20,39 Μ ärztl. Behandlung 13,60 Μ 1 Arzneien u. sonst. Heilmittel 1 Ein niedrigerer Wert hätte auch wenig Vertrauen in die eigenen

Krupp 89,38 Μ 29,56 Μ 6,31 Μ 16,30 Μ 7,31 Μ Produkte bewiesen.

Zur Kruppschen Betriebskrankenkasse und bes. zur Kinderfürsorge: Rudolf Schwetiger, Die betriebliche Sozialpolitik in der westdeutschen Großeisenindustrie, in: Goetz Briefs (Hg.), Die betriebliche Sozialpolitik einzelner Industriezweige, 2. Teil, München 1934, S. 122 f. Zur Entwicklung der Krankenziffer nach 1936: Yatto, Hüttenarbeiter, S. 86 ff. 53 HA Krupp WA 41/6-10: Auszüge aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner für September und Oktober 1937. 54 HA Krupp, Statistisches Handbuch der Fried. Krupp AG, Okt./Dez. 1942, S. 102f. 55 HA Krupp WA 41/6-10: Auszüge aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner, Oktober 1937. S. auch September u. November 1937. 56 Dazu Herbert, Kruppianer, S.247ff. Ein umfangreicher Bestand persönlich adressierter Arbeiterbriefe findet sich im Krupp-Archiv (HA Krupp WA 41/6-181). In Kap. III. 2.f sind einige aufgeführt. S. auch Anm. III/61. 57 S. dazu Tab. 21. 58 HA Krupp WA 41/3-740a: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsbericht 1930/31; Fried. Krupp AG, Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942: Die Zahl der Pensionäre aus der Arbeiterunterstützungskasse stieg kontinuierlich von 3849 (1928/29) auf den Höchststand von 4835 (1933/34), um danach wieder abzunehmen: 4407 (1936/37); 3781 (1941/42). 59 HA Krupp WA 41/2-157: Direktoriums-Rundschreiben vom 22. 1. 1932: »Auf diese Speckgutscheine wird in der Fleischwaren-Verkaufsstelle unserer Konsum-Anstalt 1½ Pfund frischer fetter oder frischer magerer Speck je nach Wahl verabfolgt.« Dazu gehörte ein internes Circular der Betriebsführer: »Hierbei herrscht Übereinstimmung, daß nur solche Leute in die Listen aufgenommen werden dürfen, deren monatlicher Bruttoarbeitsverdienst weniger als 75 Μ nach dem Durchschnitt der Monate Okt.-Dez. 1931 betragen hat, ohne Einrechnung der Kurzarbeiterunterstützung.« Ausnahmen darüber hinaus waren nicht ausgeschlossen. S. auch Schwenger, Großeisenindustrie, S. 169. 60 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1933/34. 61 HA Krupp WA 41/6-280: Schreiben von Frau S. an Krupp von Bohlen und Halbach vom 12. 5. 1933 (Der Brief wurde unverändert zitiert). Ein Sohn schrieb im April 1931 für seinen an der Hand verletzten Vater (»Ein treuer sehr gut bekannter alter ausgesperrter Arbeiter Ihrer Firma Krupp von Bohlen und Halbach Meine Dienstzeit war bei Ihnen 29 Jahre«.) an die »Liebe Frau Krupp v. Bohlen und Halbach«. Anlaß des Schreibens war die erfolgte Einstellung eines jungen Arbeiters: »Jetzt gerade vor den Festtagen kommt man fast zur Verzweiflung, wenn man so über alles nachdenkt. Jetzt sitzt man da mit Frau ist schon zu alt für Arbeit zu krigen und hungert buchstäblich. Gerade das nackte Brot hath man noch, und so muß man erfahren, daß gelegenheit gewesen ist. Für eine ältere Person die sich doch wenigstens noch etwas verdienen konnte. Ich und noch viele meiner Mitbrüder haben 20 Jahre und noch länger Ihre Firma treu gedient und in der Pangsion bezahlt und heute erfährt man das an uns nicht mehr zurück gedacht wird. . . . Liebe Frau von Bohlen. Sie sind Frau und Mutter. Stellen Sie sich in unsere Lage ob da nicht die Lust entsteht zum Sterben, wenn man da solche Ungerechtigkeit sieht, dies ist doch immer von älteren Männern gemacht worden (die Arbeit für die ein Junger eingestellt wurde - W. Z.). warum muß jetzt in dieser ernsten Zeit solch Ärgernis gegeben

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Anmerkungen zu S. 127-130 werden. Es sind ausgesperrte ältere Arbeiter die dieses Amt noch lange Jahre verrichten können . . . Liebe Frau Bohlen und Halbach sollten Sie da nicht ihre Milde und güte zu Ihren früheren Arbeitern zeigen dadurch das Sie da Ihre gütige Hand ins Werk legen denn der Zorn unter den Entlassenen wird sich legen wenn wir sehen das einer von diesen Arbeitern Gerechtigkeit ausgeübt wird. In vollster erwartung das Sie gütige Frau Krupp von Bohlen und Halbach, nebst Ihr Gemal auch diese Ungerechtigkeit aus dem Wege schaffen um so wenigstens kein öffentliches Ärgernis gegeben wird.« (Ebd.) 62 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung-Tätigkeitsbericht 1937/38, 1938/ 39. 63 Seebold, Stahlkonzern, S. 129f. Der Vergleich der einzelnen Montankonzerne bei Weisbrod (Schwerindustrie, S. 71, Anm. 123) ist irreführend. Die Zahlen belegen nur, daß der Anstieg der freiwilligen Sozialleistungen in den anderen Konzernen zwischen 1926 und 1930 stärker ausfiel als bei Krupp. Damit ist aber nichts über die jeweilige Höhe der Ausgaben ausgesagt. Wahrscheinlich hatten die anderen Konzerne, ausgehend von einem niedrigeren Niveau, einen Nachholbedarf. Vgl. auch Tab. 20. 64 Vgl. Tab. 20. Die gesetzlichen waren höher als die freiwilligen Sozialleistungen - im Bergbau- und Hüttenbereich. 65 Geyer, Reichsknappschaft, S. 183ff., 378ff. 66 Osthold, Geschichte, S. 408. 67 Dies wäre auch gegen den zu optimistischen Artikel einzuwenden von Franz Schürholz, Beginnt der Ruhrbergbau mit der Gewinnbeteiligung?, in: SP, Jg. 41, 1932, Sp. 312-315. S. auch WWA, F 26 Nr. 72: Schreiben Albert Vögler (Vestag) an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Concordia Bergbau AG, Berckemeyer, vom 14. 4. 1934 (vertraulich): Vögler weist darin auf die »größten Widerstände beim Unternehmer« gegen Pläne zur Gewinnbeteiligung hin. 68 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 147f. Eine Ausnahme bildeten die Zechen der MannesmannRöhrenwerke und die von Stinnes. In ihnen wurde 1937 eine Sonderzuwendung ausbezahlt, die einer begrenzten Gewinnbeteiligung gleichkam. 69 Dazu Hinrichs, U m die Seele des Arbeiters, S. 271 ff.; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 495; Winkler, Schein, S. 617 u. 618 (Anm. 115). Zu den Werkszeitungen des Dinta: A. Klein, Werkzeitschrift, S. 20. Wie das unternehmerische Ideologiekonzept bei den Arbeitern ankam, behandelt unten Kap.III. 2. a. 70 Zahlen nach: Zur Siedlungstätigkeit im Ruhrkohlenbergbau, in: Ruhr und Rhein v. 9. 5. 1930. Husmann, Lebensformen, S. 25ff.; Franz-Josef Brüggemeier, Leben vor Ort. Ruhrbergleute und Ruhrbergbau 1889-1919, München 1983 und die anderen dort genannten Veröffentlichungen desselben Autors; Winkler, Schein, S. 76 f. Leider wenig ergiebig: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 207. Ein Drittel aller Werkswohnungen in Deutschland waren im Besitz der Ruhrkohlengesellschaften. 71 BBA 32/505: Wie viele dieser Wohnungen fremdbelegt waren oder von arbeitslosen ehemaligen Werksangehörigen, ist nicht überliefert. 72 Zur Sozialpolitik des Bergbaus in der Krise Schwenger, Ruhrkohlenbergbau, S. 220ff. 73 Zu den einzelnen Maßnahmen Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 199ff. S. auch die ähnliche Entwicklung im Penzberger Bergbau in Oberbayern: Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 304 f. 74 Gerhard Starcke, Die deutsche Arbeitsfront, Berlin 1940, S. 11. Allgemein zu KdF: Buchholz, »Kraft durch Freude«; Wolfgang Scheur, Einrichtungen und Maßnahmen der sozialen Sicherheit in der Zeit des Nationalsozialismus, Diss. Köln 1967; Hans Joachim Reichhardt, Die Deutsche Arbeitsfront. Ein Beitrag zur Geschichte des nationalsozialistischen Deutschlands und zur Struktur des totalitären Herrschaftssystems, phil. Diss. FU Berlin 1956, S. 160ff.; Hasso Spode, »Der deutsche Arbeiter reist«. Massentourismus im Dritten Reich, in: Gerhard Huck (Hg.), Sozialgeschichte der Freizeit. Untersuchungen zum Wandel der Alltagskultur in Deutschland, Wuppertal 1980, S. 281-306; ders., Arbeiterurlaub im Dritten Reich, in: Carola Sachse u. a., Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 275-328; allgemein zur Rolle der DAF: Jochen Eck-

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Anmerkungen zu S. 130-135 hardt, Deutsche Arbeitsfront, Arbeiterklasse, imperialistische Sozialpolitik in Betrieben und forcierte Aufrüstung 1936-1939, in: Jahrbuch für Geschichte, Jg. 27, 1983, S. 75-107. 75 Hans-Gerd Schumann, Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der »Deutschen Arbeitsfront«, Hannover 1958, S. 139; auch Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 112. 76 Karl Burhenne, Was treiben unsere Siemens-Kameraden in ihrer Freizeit?, in: SiemensMitteilungen, Nr. 151, Juli 1934, S. 113; Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 20f.; Chup Friemert, Produktionsästhetik im Faschismus. Das Amt »Schönheit der Arbeit« von 1933 bis 1939, München 1980, S. 78ff. 77 ›Deutschland-Berichte‹, Juli 1936, S. 881. Über seine Resonanz berichtete das Amt KdF in der Zeitschrift ›Soziale Praxis‹, Jg. 45, 1936, Sp. 1433f.; Jg. 46, 1937, Sp. 805 f. 78 Spode, Arbeiterurlaub, S. 297f. 79 Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 367. 80 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1934/35, 1938/ 39. S. auch Mason, Sozialpolitik, S. 185ff.; zum Bergbau Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 101; zum Bochumer Verein Seebold, Stahlkonzern, S. 261. 81 Spode, Arbeiterurlaub, S. 304. 82 Die Organisation der NSG »Kraft durch Freude« in den Siemenswerken - Gau GroßBerlin, in: Siemens-Mitteilungen, Nr. 163, Juli 1935, S. 112; Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 116; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 102f. 83 SAA Meine-Nachlaß, KdF-Fahrten 1936: Bekanntmachung. 84 Ebd. Die Kosten der Fahrten betrugen 1935 und 1936 insgesamt (einschl. Lohnausfall und Fahrtkostenzuschuß) 144887 RM = 13172 je Fahrt und 14 RM je Teilnehmer; auch Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 51. 85 SAA Meine-Nachlaß, KdF-Fahrten 1936: Schreiben der sozialpolitischen Abteilung von Siemens an die DAF NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude. Reichsamt »Reisen und Wandern im Urlaub«, Berlin, vom 13. 5. 1936. 86 SAA 49/Ls 81: Das Verhältnis des Hauses Siemens zur Deutschen Arbeitsfront, S. 13; vgl. dazu auch D. Winkler, Frauenarbeit, S. 77ff. Auch in Leverkusen gab es Spannungen und Irritationen zwischen der Werksleitung und KdF: Bayer-Archiv 214/10: Stimmungsbericht der DAF-Ortsverwaltung Leverkusen-Wiesdorf vom 1. 2. 1935. 87 Friemert, Produktionsästhetik; Rabinbach, Ästhetik; Jürgen Reulecke, Die Fahne mit dem goldenen Zahnrad: der »Leistungswettkampf der deutschen Betriebe« 1937-1939, in: Detlev Peukert u. Jürgen Reulecke (Hg.), Die Reihen fast geschlossen. Beiträge zur Geschichte des Alltags unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1981, S. 245-269, 248. 88 Zu Siemens: Dominik, Schaltwerk (Ausgabe 1929); Friemert, Produktionsästhetik, S. 162; Geck, Arbeitsverhältnisse, S. 131, Anm. 2. Allgemein hierzu Preller, Sozialpolitik, S. 141; Friedmann, Mensch, S. 123ff.; Friemert, Produktionsästhetik, S. 148 (amerikanische Erfahrungen). 89 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 44. 90 HA Krupp WA 41/6-10: Auszüge aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner Sept. bis Nov. 1937; WA 41/6-207: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik vom 25. 11. 1938. Zu den Verhältnissen im Bochumer Verein, der anscheinend aufgeschlossener war, Seebold, Stahlkonzern, S. 252ff. 91 Rundschreiben der DAF-Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau vom 23. 2. 1937, zit. nach Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 183; Friemert, Produktionsästhetik, S. 238ff. 92 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 184f. 93 Vgl. dazu die ›Deutschland-Berichte‹, Febr. 1938, S. 172, die aus Berlin vermelden: »›Kraft durch Freude‹ ist sehr populär. Die Veranstaltungen kommen der Sehnsucht des kleinen Mannes entgegen, der auch einmal herauskommen und an den Genüssen der ›Großen‹ teilnehmen will. Es ist eine geschickte Spekulation auf die kleinbürgerlichen Neigungen der unpolitischen Arbeiter.«

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Anmerkungen zu S. 135-139 94 Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 387. 95 So Goebbels, zit. nach Mason, Sozialpolitik, S. 186. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommen auch die ›Deutschland-Berichte‹ vom Febr. 1938, S. 165: »Im allgemeinen ist festzustellen, daß zwar weite Kreise der Bevölkerung die KdF-Vergünstigungen ausnützen, daß aber dadurch ihre Stellung zum Regime doch nicht wesentlich beeinflußt wird.« 96 Timothy Mason, Zur Entstehung des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934: Ein Versuch über das Verhältnis »archaischer« und »moderner« Momente in der neuesten deutschen Geschichte, in: Hans Mommsen u. a. (Hg.), Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik, Düsseldorf 1974, S. 322-351, 339. 97 Goetz Briefs, Das gewerbliche Proletariat, in: Grundriß der Sozialökonomik, Bd. 9, 1, Tübingen 1926, S. 142-240, 158. 98 Ralf Dahrendorf, Soziale Klassen und Klassenkonflikte in der industriellen Gesellschaft, Stuttgart 1957, S.203ff.; Reinhard Bendix, Herrschaft und Industriearbeit. Untersuchungen über Liberalismus und Autokratie in der Geschichte der Industrialisierung, Frankfurt 1960, S. 1; Vetterli, Industriearbeit, S. 19f 99 Hinrichs, Kampf um die Seele des Arbeiters, bes. S. 121 f.; Hinrichs/Peter, Industrieller Friede, S. 66 ff. 100 Wirtz, Werksfremdheit, S. 10. 101 Geck, Die sozialen Arbeitsverhältnisse, S. 120f.; ders., Soziale Betriebsführung, S. 53; Wachtier, Humanisierung, S. 85 ff.; Hinrichs, Kampf um die Seele, S. 264 ff. 102 L. H. Adolf Geck, Staatliche Sozialpolitik - Gesellschaftspolitik - Betriebliche Sozialpolitik, in: SP, Jg. 40, 1931, Sp. 46-51, 82-87, hier 51. 103 Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 109 f. 104 Bäumer, Dinta (S. 87 zum Begriff der »Entsorgung«); Fritz Fricke, Die Rechtfertigung des Dinta, in: Die Arbeit, Jg. 5, 1928, S. 291-299; ders., Dintageist - Wirtschaftsbürger. Eine Streitschrift, Köln 1950; Hinrichs, Kampf um die Seele, S. 273 ff.; Hinrichs/Peter, Industrieller Friede, S. 70 ff.; Eckhard Fuhr, Preußentum und Psychotechnik. Das Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung (Dinta) 1925-1934. Vorläufer nationalsozialistischer Arbeiterpolitik, Magisterarbeit (MS), Freiburg 1980. 105 Briefs, Betriebsführung, S. 122; Fuhr, Preußentum, S. 47f., 81. Originalton Arnhold: »Wir sollten doch endlich lernen, daß wir in Deutschland auch heute noch im Schützengraben leben, wenn auch der eigentliche Krieg längst zu Ende ist. Der Geist der Schicksalsverbundenheit, der Führer wie Geführte in den Jahren gemeinsamer Gefahr beseelte, muß auch heute wieder wach werden. . . . So ist die industrielle Führerschaft im Sinne des DINTA die Verkörperung opferbereiten Führertums, getragen von einer neuen Wirtschaftsethik.« Carl Arnhold, Industrielle Führerschaft im Sinne des Deutschen Instituts für technische Arbeitsschulung (DINTA), in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Betriebspolitik, Berlin 1930, S. 11-17. 16f. 106 Schock, Arbeitslosigkeit, S. 110. Zur Ausbildung im Bergbau s. Kap.I/3d. 107 Zum Verhältnis Steiger-Bergleute in den zwanziger Jahren: Helmuth Trischler, Steiger im deutschen Bergbau. Zur Sozialgeschichte der technischen Angestellten 1815-1945, München 1988, S. 245ff. 108 H. Mommsen, Soziale und politische Konflikte, S. 67. 109 Ebd.; ders., Sozialpolitik, S. 307; ders., Ruhrbergbau, S. 170f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 429, 462; Heinrich August Winkler, Unternehmerverbände zwischen Ständeideologie und Nationalsozialismus, in: ders., Liberalismus und Antiliberalismus. Studien zur politischen Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1979, S. 175-194, 191; Michael Schneider, Vom »Herrn-im-Hause« zum »Sozialpartner«? Grundzüge der unternehmerischen Reaktion auf die gewerkschaftlichen Forderungen nach Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung, in: Ulrich Borsdorf u. a. (Hg.), Gewerkschaftliche Politik: Reform aus Solidarität. Zum 60. Geburtstag von H. O. Vetter, Köln 1977, S. 271-292. Auch in den preußischen Staatszechen fand in den zwanziger Jahren keine Republikanisierung statt. Sie paßten sich

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Anmerkungen zu S. 139-145 vielmehr der sozialreaktionären Haltung des Zechenverbandes an: Hans-Joachim Winkler. Preußen als Unternehmer 1923-1932. Staatliche Erwerbsunternehmen im Spannungsfeld der Politik am Beispiel der Preussag, Hibernia und Veba, Berlin 1965, S. 121. 110 Tschirbs, Tarifpolitik, S.339ff.; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 494f.; Klaus Mattheier. Die Gelben. Nationale Arbeiter zwischen Wirtschaftsfrieden und Streik, Düsseldorf 1973. S. 305; ders., Werkvereine und wirtschaftsfriedlich-nationale (gelbe) Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen, Wuppertal 1974, S. 173-204. 199 ff.; Bernd-Jürgen Wendt, Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft in der Weimarer Republik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Β 26, 1969, S. 27-46, 39ff. 111 BBA 13/841 (Bd. 405): Sonderforderungen des Ruhrbergbaus vom August 1932. S. auch Tschirbs, Tarifpolitik, S. 456f. 112 BBA 13/841 (wie Anm. 111). 113 Schwenger, Großeisenindustrie, S. 99. Zum System der Betriebsvertreter bei Krupp ebd., S. 97ff. und Neuloh, Betriebsverfassung, S. 159f. Neuloh beschreibt das System zwar zutreffend, die Bezeichnung Betriebssprecher findet sich jedoch nicht mehr in der Kruppschen Betriebsordnung vom 21. 9. 1934, wie er fälschlicherweise annimmt (S. 158), sondern erst wieder in der nur wenig veränderten vom Juli 1953: HA Krupp WA X a 3,13 (1934) und 4,234 (1953). 114 1931 saßen 10 Freigewerkschaftler, 10 ›Christen‹, 2 Wirtschaftsfriedliche, 7 Kommunisten und 1 Nationalsozialist im Arbeiterrat, dem Gremium ohne die Angestellten. Von den Betriebsvertretern waren dagegen 86 Freigewerkschaftler, 78 ›Christen‹, 15 Kommunisten und jeweils 2 Wirtschaftsfriedliche, Nichtorganisierte und Nationalsozialisten. Im Hochofenwerk und im Drahtwalzwerk stimmte z. Β. die Mehrheit für die kommunistische Betriebsratsliste, Betriebsvertreter waren jedoch jeweils 2 Freigewerkschaftler: HA Krupp WA 41/ 6-190. Zu den Betriebsratswahlen s. ausführlicher Kap. IV/1. 115 Als Beispiel HA Krupp WA 41/6-192: Niederschrift über die Besprechung mit dem Betriebsausschuß vom 7. 8. 1931. Ein von dieser Sitzung kaum abweichendes Szenario entwirft Erik Reger in seinem Krupp-Schlüsselroman, Union der festen Hand, S. 375 ff. 116 HA Krupp WA 41/2-155: Bestimmungen über die Festsetzung von Strafen bei Verstößen gegen die Arbeitsordnung u. Strafordnung der Krupp-Gußstahlfabrik vom 24. 2. 1930. Die Bedeutung der betrieblichen Straf- und Disziplinargewalt betont insgesamt Roth, Die »andere« Arbeiterbewegung. 117 Zur Rolle Krupps und zum Ruhreisenstreit insgesamt (mit weiterer Literatur) Weisbrod, Schwerindustrie, S. 440 ff.; Ernst Fraenkel, Der Ruhreisenstreit 1928-1929 in historischpolitischer Sicht, in: ders., Reformismus und Pluralismus. Materialien zu einer ungeschriebenen politischen Autobiographie, Hamburg 1973, S. 145-167, 164; Winkler, Schein, S. 566f. u. 558 (Anm. 46). 118 HA Krupp FAH IV C 176: Rede Gustav Krupp v. Bohlen und Halbach auf einer Jubilarehrung vom 22. 2. 1929. 119 Herbert, Kruppianer, S. 246. William Manchester (Krupp, S. 660) zitiert das SPDVorstandsmitglied Fritz Heine mit einer Äußerung nach 1945: »Die ganze Stadt ist immer noch von Krupp fasziniert. Es ist einmalig, erstaunlich; selbst unsere eigenen Leute sind davon eingefangen. Die Arbeiter sind mit beiden verheiratet - mit Krupp und mit der SPD. Ich weiß nicht, wie sie das schaffen, aber sie schaffen es.« 120 Briefs, Betriebsführung, S. 41 ff.; Homburg, Arbeitsmarkt, S. 238. Zum Abbau der willkürlichen Meistermacht und zur Entstehung einer an Sach- und Leistungszwängen orientierten betrieblichen Herrschaft am Beispiel Siemens s. auch Jürgen Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 1847-1914. Zum Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie in der deutschen Industrialisierung, Stuttgart 1969, S. 556ff. 121 Das Zitat von C. F. v. Siemens, in: Julius Fries, Die Siemens-Generalversammlung, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 5, 1. 2. 1930.

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Anmerkungen zu S. 145-150 122 Das Ziel des »Korpsgeistes« nennt der Leiter der Sozialpolitischen Abteilung von Siemens, Karl Burhenne, Wie beteiligt das Haus Siemens seine Gefolgschaft am Produktionsergebnis?, in: SP, Jg. 47, 1938, Sp. 83-90, 90. 123 Zit. nach Homburg, Arbeitsmarkt, S. 234. 124 1912 waren ca. 8 0 % der Belegschaft Mitglieder des Unterstützungsvereins: Mattheier, Die Gelben, S.71ff., 139; Heidrun Homburg, Externer und interner Arbeitsmarkt: Zur Entstehung und Funktion des Siemens-Werkvereins 1906-1918, in: Toni Pierenkemper u. Richard Tilly (Hg.), Historische Arbeitsmarktforschung. Entstehung, Entwicklung und Probleme der Vermarktung von Arbeitskraft, Göttingen 1982, S. 215-248, bes. S. 237; dies., Arbeitsmarkt, S. 226 ff.; Hermann Schäfer, Die ›Gelben Gewerkschaften‹: am Beispiel des Unterstützungsvereins der Siemens-Werke, Berlin, in: VSWG, Bd. 59, 1972, S. 41-76. 125 Die Siemenswerke in Siemensstadt, in: Studien über die Beziehungen, S. 20. 126 SAA 4/Lf 549: Vertrauliche Aktennotiz über eine Besprechung des Herrn C. F. v. Siemens mit Herrn Lübbe am 1. Nov. 1927, 4 Uhr nachm., Ende 5 Uhr 15. Erich Lübbe (1891-1977) erfüllte wichtige Funktionen im Ortskartell des DMV in Berlin, war von 1930-1933 SPD-Reichstagsabgeordneter, mußte 1933 seine Tätigkeit bei Siemens beenden und stand von 1934-1935 unter Polizeiaufsicht. Von 1935-1939 war er als Radiotechniker bei der Heliowattwerke Elektrizitäts AG Charlottenburg beschäftigt. Als Mitglied der Widerstandsgruppe des Berliner DMV-Vorsitzenden Urich war er vom 1. 9. 1939 bis 1945 im KZ Sachsenhausen inhaftiert. Nach dem Krieg gehörte er zu den entschiedensten und kämpferischsten Gegnern einer Zwangsvereinigung von SPD und KPD. 127 Brigl-Matthiaß, Betriebsräteproblem, S. 81. 128 Erich Lübbe, Betriebsrat und soziale Betriebspolitik, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Betriebspolitik, Berlin 1930, S. 79-89, 83. 129 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1930/31, Teil I, S. 34. Zu den Betriebsratswahlen insgesamt Kapitel IV/4. 130 SAA 4/Lf 549 C. F. v. Siemens: Aktennotiz über ein Gespräch zwischen Lübbe und dem Siemens-Vorstandsmitglied v. Witzleben vom 23. 3. 1932: Lübbe wies auf NS-Agitatoren unter den Angestellten hin. Witzleben sicherte zu - mit Bezug auf ein Schreiben von C. F. v. Siemens -, diese bedenkliche politische Agitation zu untersagen. »Selbstverständlich gälte das für jede politische Agitation, also auch für die kommunistische und sozialdemokratische.« Die Firma würde gegen jede Art »energisch eingreifen, um den Willen des Herrn v. Siemens geltend zu machen«. 131 Rede C. F. v. Siemens auf der Siemens-Generalversammlung v. 28. 2. 1933, in: Siemens-Mitteilungen, Nr. 142, April 1933. 132 S. dazu die Aktennotiz über eine Besprechung von C. F. v. Siemens mit Erich Lübbe am 1.3. 1933 (SAA 4/Lf 549 C. F. v. Siemens): »Zunächst sprach Herr Lübbe Herrn v. Siemens seinen lebhaften Dank für seine gestrige Rede in der Generalversammlung aus, und für den Nachdruck, mit dem er die Interessen der Exportindustrie, die sich auch mit den Interessen der Arbeiterschaft deckten, vertreten habe.« Zur Rede von Siemens und den Motiven auch Reinhard Neebe, Unternehmerverbände und Gewerkschaften in den Jahren der Großen Krise 1929-33, in: GG, Jg. 9, 1983, S. 302-330, 327. 133 Schiffmann, Revolution, bes. S. 392ff.; Holdermann, Im Banne der Chemie, S. 162f.; Stolle, Arbeiterpolitik, S. 113ff.; Schock, Arbeitslosigkeit, S. 133ff., ebd., S. 126 zur »Chemiebzw. Anilinhölle«. 134 Schiffmann, Revolution, S. 397. 135 Dazu ebd., S. 373, 402f.; Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 138; Stolle, Arbeiterpolitik, S. 95f 136 S. dazu Kap. III.1.b; Schiffmann, Revolution, S. 397 spricht von einer Rückkehr »zu einer etwas modernisierten Variante . . . (der) sozialpatriarchalischen Arbeiterpolitik der Vorkriegszeit«, womit er m. E. das Neue an der ›human factor‹-Orientierung übersieht. 137 Zur Konjunkturarbeiterschaft: Die deutsche chemische Industrie, S. 498: Ausführun-

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Anmerkungen zu S. 150-153 gen des Vertreters des Fabrikarbeiterverbandes (Betriebsratsvorsitzender Sparre aus Leverkusen): »(Die IG) entläßt Arbeiter bei Stockungen und stellt sie bei Bedarf wieder ein.« Stolle, Arbeiterpolitik, Tab. VII auf S. 319; Balluf, Geschichte, S. 54; Schiffmann, Revolution, S. 373. Zur insgesamt abnehmenden Fluktuation: Die deutsche chemische Industrie, S. 52; Schiffmann, Revolution, S. 78f., 371 f.; Stolle, Arbeiterpolitik, S. 105 f. 138 Bayer-Archiv 74/1: Auszug aus dem Protokoll der Sitzung der Sozialkommission der IG Farben vom 29. 10. 1926: »Auswertung des Vortrages von Herrn Oberingenieur Arnhold für die IG. Herr Bertrams berichtet über die Besichtigung der von Obering. Arnhold geschaffenen Einrichtungen und über die von Leverkusen in Aussicht genommenen Maßnahmen, die in erster Linie die Erziehung der jugendlichen Arbeiter betreffen. . . . Die Soko ist einstimmig der Auffassung, daß in dieser Frage die größte Vorsicht geboten ist, namentlich mit Rücksicht auf den Umstand, daß die Besichtigung einen erheblichen Unterschied zwischen theoretischen Ausführungen und den praktischen Erfolgen ergeben hat.« (Hervorhebung im Original) Der Vortrag fand am 12. 8. 1926 statt: Tammen, IG Farbenindustrie, S. 401 (Anm. 198). Ebd.. S. 197 zur Ablehnung des Beitritts 1929. 139 Schiffmann, Revolution, Tab. 29 auf S. 476. 140 Edmund Pietrkowski, Wirtschaftsprobleme. Rückblick und Ausblick (Vortrag auf der Generalversammlung des Vereins am 24. 1. 1927), in: Die Chemische Industrie, Bd. 50, 1927, S. 233-240, 239f. Nicht zufällig dürfte die enge zeitliche Nähe zur Dresdner Rede des Braunkohlenindustriellen Silverberg 1926 sein, auf der dieser auch begrenzte Kompromißbereitschaft signalisierte. S. dazu Winkler, Schein, S. 510ff. Zu den ›gelben‹ Werkvereinen bei Bayer und BASF vor dem Krieg, an deren Wiedererstehung der IG Farbenkonzern sich nun nicht mehr interessiert zeigte: Mattheier, Die Gelben, S. 82f. (Anm. 23, 37), 135f. 141 Dazu Holderntann, Im Banne der Chemie, S. 251; Udo Wengst, Unternehmerverbände und Gewerkschaften in Deutschland im Jahre 1930, in: VfZ, Jg. 25, 1977, S. 99-119, 100 (dort auch zu den detaillierteren Gesprächen zwischen den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden); Tammen. IG Farbenindustrie, S. 198f. 142 Stolle, Arbeiterpolitik. S. 100. 143 Schiffmann, Revolution, S. 389f.; Zur Weisung des Verbandes: Protokoll über die Verhandlungen des 15. ordentlichen Verbandstages des Fabrikarbeiterverbandes in Leipzig 1925, Hannover 1925, S. 108ff. (Verbandsvorsitzender August Brey). Der Fabrikarbeiterverband präsentierte 1931 stolz seine sozialpolitische Bilanz: Steigerung der tariflichen Wochenlöhne in der Chemie zwischen 1924 und 1931 bei Handwerkern um 99,8%, bei Betriebsarbeitern um 86,2%, »wesentliche Verkürzungen der Arbeitszeit, Erhöhungen der Überstundenzuschläge, sonstige Verbesserung der Rahmentarife, durch welche die allgemeinen Arbeitsbedingungen günstiger gestaltet wurden«: Der Fabrikarbeiterverband in der Wirtschaftskrise. Matehalsammlung und Vortragsdisposition. Hannover. Mai 1931, S. 29f. 144 Zur Arbeitszeitverkürzung: ebd., S. 39; Tammen, IG Farbenindustrie, S. 84 und Kap. II. 1. Das Zitat Großmanns in: Protokoll der 12. Tagung des Verbandsbeirates des Fabrikarbeiterverbandes vom 28. bis 30. 6. 1930, Hannover 1930, S. 22. Daß die Zusammenarbeit zwischen Betriebsräten und Chemiearbeitgebern auch taktische Hintergründe hatte, ließ der Arbeitgeberverband der chemischen Industrie in einem Rundschreiben vom 27. 8. 1931 erkennen. In ihm wurden die Betriebe ermahnt, die Arbeitszeitverkürzung freiwillig in Kooperation mit dem Arbeiterrat in Angriff zu nehmen, da dies einer sonst zu erwartenden schematischen staatlichen Regelung vorzuziehen sei und damit größere Flexibilität garantiere: Hoechst-Archiv IV 3.4/4: Arbeitgeberverband der chemischen Industrie, Sektion VII (Frankfurt/M), Rundschreiben vom 27. 8. 1931. 145 Dazu Herbert Edel, Der Einfluß der wirtschaftsfriedlichen Arbeiterbewegung Deutschlands auf die industriellen Arbeitsbeziehungen, Diss. ΤΗ Berlin 1934, bes. S. 95ff.; H. Studders, Strukturwandlungen der Belegschaften in den Betrieben des mitteldeutschen Braunkohlebergbaus, in: SP. Jg. 39, 1930, Sp. 633-638. 657-660; Willi Strauß, Die Arbeitslosigkeit im deutschen Braunkohlebergbau. in: Manuel Saitzew (Hg.), Die Arbeitslosigkeit der

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Anmerkungen zu S. 153-155 Gegenwart, Teil II, München 1932, S. 155-201; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 200. Untypisch war auch das Abschneiden des wirtschaftsfriedlichen ›Deutschen Arbeiterbundes‹ in der Krupp-Abteilung Kleinbau 2. Er erreichte dort bei der Betriebsratswahl 1931, 21,0% der Stimmen (6,9% Gußstahlfabrik insgesamt) und damit immerhin 150 Stimmen. Gute Ergebnisse in anderen Abteilungen können wegen der jeweils geringen Belegschaftszahl vernachlässigt werden. In Kleinbau 2 wurden Registrierkassen hergestellt. Ca. ¼ der Belegschaft waren Hilfsarbeiter. Es läßt sich nur vermuten, daß in Kleinbau 2 viele ältere Arbeiter beschäftigt waren - hier herrschte körperlich leichtere Arbeit vor -, die den wirtschaftsfriedlichnationalen Verband wählten. Von den drei Betriebsvertretern (also Vertrauensmännern) des Kleinbau 2 gehörte einer zum Deutschen Arbeiterbund, der auch 1933 wiedergewählt wurde, was auf persönliche Hintergründe hinweisen würde. Als Ergänzungsmitglied gehörte dem Arbeiterrat der Gußstahlfabrik 1931 ein Mitglied des Deutschen Arbeiterbundes aus Kleinbau 2 an, nämlich der Kassenarbeiter Wilhelm S. Ungelernte Arbeiter waren im Arbeiterrat sonst nur noch z. T. bei der RGO anzutreffen. Daran ließe sich die Hypothese anschließen, daß der DAB von älteren, ungelernten Arbeitern mit womöglich langen Dienstzeiten bei Krupp gewählt wurde. Dazu HA Krupp WA 41/6-190 (Ergebnisse der Betriebsrats- und Betriebsvertreter-Wahlen 1931, 1933). Ein detaillierter Betriebsbericht zu Kleinbau 2 liegt leider nicht vor. Zum günstigen Abschneiden nationaler und wirtschaftsfriedlicher Gruppierungen bei Siemens s. unten Kap. IV/4. 146 K. Vorwerck, Werksgemeinschaft, in: SP, Jg. 37, 1928, Sp. 144-151, 151. 147 Ferdinand Tönnies, Gemeinschaft und Werkgemeinschaft, in: ebd., Sp. 151-154. Dazu auch Wachtier, Humanisierung, S. 97. 148 S. dazu Kap. III/2f. 149 Zur Position der christlichen Gewerkschaften Schneider, Die Christlichen Gewerkschaften, S. 574, 579. Daß auch die NSBO vor wie nach 1933 einen »gesunden Klasseninstinkt« an den Tag legte, dürfte auch kaum zu bestreiten sein: Mai, »Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?« S. 213, 216; ders., Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation, S. 593 und Volker Kratzenberg, Arbeiter auf dem Weg zu Hitler? Die Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation. Ihre Entstehung, ihre Programmatik, ihr Scheitern 1927-1934, Frankfurt 1987, S. 99ff., 132ff. 150 Fricke, Dintageist, S. 33; ders., Sie suchen die Seele! Die neue psychologische Arbeiterpolitik der Unternehmer, in: Vierteljahreshefte der Berliner Gewerkschaftsschule, H. 3, 1926, S. 89-112. zit. nach Hinrichs, Um die Seele des Arbeiters, S. 289f., s. ebd. auch S. 276f. Zur Reaktion der Arbeiter auf das Dinta im Bergbau: Zimmermann, Schachtanlage, S. 150f. 151 So die Kritik an meinem Beitrag »Gewerkschaften und Betriebsdemokratie am Ende der Weimarer Republik« zur Tagung »Gesellschaft und Wirtschaft in der Weimarer Republik« im Oktober 1985 in Berlin. S. dazu den Tagungsbericht von Brigitta Seidel, in: IWK 1985, S. 500-512, 510. 152 So Fuhr, Preußentum, S. 62; Winkler, Schein, S.617f. Zur Vernachlässigung der Betriebsebene durch die Gewerkschaften s. Mommsen, Staatliche Sozialpolitik, S. 72f.; Tschirbs, Tarifpolitik, S. 473f. Aufschlußreich für die Haltung der Gewerkschaften ist eine Äußerung des Vorstandssekretärs beim DMV, Heinrich Schliestedt, mit der er die Aufforderung eines AEG-Betriebsrates, die Gewerkschaften sollten sich für eine Verbesserung des Betriebsräterechts stark machen, entschieden zurückwies: »Der Satz ist falsch; es muß heißen: Arbeiter macht die Gewerkschaften und die politische Vertretung der Arbeiter stark, damit der Weg zur Verbesserung des Rechtes der Arbeiter frei gemacht wird.« Die Präferenzen konnten nicht deutlicher ausgedrückt werden. Protokoll der 11. Konferenz des Reichsbeirats der Betriebsräte und Konzernvertreter der Metallindustrie, abgehalten am 28. u. 29. Dezember 1931 in Berlin, Berlin o. J . , S. 33. 153 De Man, Kampf um die Arbeitsfreude, S. 275, 287. 154 Ebd., S. 170, 264.

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Anmerkungen zu S. 156-158 155 Betriebsklima. Eine industriesoziologische Untersuchung aus dem Ruhrgebiet (Leitung der Studie Ludwig von Friedeburg), Frankfurt 1955, S. 31 ff.; dazu auch Buhl, Ausgangspunkte, S. 199; Reichwein, Funktionswandlungen, S. 105 f., 128. 156 Vgl. die Befragung älterer Hüttenarbeiter, die ihre Erfahrungen mit dem Verhalten der Vorgesetzten zum Gegenstand hatte: Neuloh, Betriebsverfassung, S. 186ff. 157 Zur Führungsideologie im Betrieb: Wirtz, Werksfremdheit, S. 13f., 50 ff.; Erich Sommerfeld, Der persönliche Umgang zwischen Führung und Arbeiterschaft im deutschen industriellen Großbetrieb, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Werkspolitik, 2. Teil, München 1935; Geck, Soziale Betriebsführung, S. 58 (12 »Führerthesen«) und als besonders abschreckendes Beispiel: Rexford B. Hersey, Seele und Gefühl des Arbeiters. Psychologie der Menschenführung, Leipzig 1935, bes. S. 65ff. 158 Speziell dazu Theodor Geiger, Zur Soziologie der Industriearbeit und des Betriebes, in: Die Arbeit, Jg. 6, 1929, S. 673-689 u. 766-781, 771; Marie Jahoda u. a., Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch mit einem Anhang zur Geschichte der Soziographie, Allensbach 1960 2 (1. Aufl. Leipzig 1933), S. 38; Else Opitz, Ilses Eintritt in die Fabrik, in: Richard Klucsarits u. Friedrich G. Kürbisch, Arbeiterinnen kämpfen für ihr Recht. Autobiographische Texte rechtloser und entrechteter »Frauenspersonen« in Deutschland, Österreich und der Schweiz des 19. und 20. Jahrhunderts, Wuppertal o. J . , S. 161-164; Homburg, Arbeitsmarkt, S. 106. 159 Skeptisch zur Arbeit des Dinta auch Briefs, Betriebsführung, S. 34f.; zur DintaFührerschulung Fuhr, Preußentum, S. 80ff.; Bäumer, Dinta, S. 125ff.; Hinrichs, U m die Seele des Arbeiters, S. 287. Zu dieser nationalsozialistischen ›Menschenführung‹ am Beispiel eines Betriebes: Martin Rüther, Zur Sozialpolitik bei Klöckner-Humboldt-Deutz während des Nationalsozialismus. »Die Masse der Arbeiterschaft muß aufgespalten werden«, in: ZUG, Jg. 33, 1988, S. 81-117. 160 Zu den Bemühungen um den Abbau des »Grubenmilitarismus«: Trischler, Steiger, S. 335f.; Zimmermann, Ausbruchshoffnungen, S. 113ff. 161 Dominik, Schaltwerk (Ausg. 1929), S. 22. 162 S. auch Geck, Arbeitsverhältnisse, S. 114ff.; W. Neumayer u. R. Schwenger, Von arbeitstechnischer zu lohntechnischer Rationalisierung, in: Magazin der Wirtschaft 1930 I, S. 131-137. 163 Zu dieser Variante von Integration Friedmann, Mensch, S. 347 ff.; Reichwein, Funktionswandlungen, S. 159, 164. Zur Einschätzung der Arbeitsmoral und dem Stolz auf die eigene Arbeit: Herbert, »Die guten und die schlechten Zeiten«, S. 88 ff.; v. Plato, »Der Verlierer geht nicht leer aus«, S. 25f. 164 Grundsätzlich dazu Anthony Giddens, Die Klassenstruktur fortgeschrittener Gesellschaften, Frankfurt 1979, S. 249ff, 354; Gerhard Beier, Elemente einer Theorie der gewerkschaftlichen Entwicklung. Autonomie, Funktion, Struktur und Aktion, in: Ulrich Borsdorf u. a. (Hg.), Gewerkschaftliche Politik. Reform aus Solidarität. Zum 60. Geb. von Heinz O. Vetter, Köln 1977, S. 191-218, 204. 165 Zur Dienstalterspyramide bei Krupp s. Tab. 24. Zur größeren Seßhaftigkeit anhand von zwei Betrieben der GHH (Vergleich 1914 mit 1926): Reif, Soziale Lage, S. 14. Zur abnehmenden Fluktuation bei IG Farben s. Kap. III. 2.d. Zum Bergbau: H. Mommsen, Soziale und politische Konflikte, S. 73; Kappenstein, Probleme, S. 89f., 111f. Die Überalterung im Bergbau war ein Indiz für abnehmende Fluktuation. S. auch Werner, Bleib übrig!, S. 25 und Wiel, Wirtschaftsgeschichte, S. 138. Zur niedrigeren Mobilität der qualifizierten Metallarbeiter in Berlin: Homburg, Arbeitsmarkt, S. 53. Zur niedrigeren Fluktuation angelernter Spezialarbeiter, die durch ihren Spezialberuf an den Betrieb gebunden sind: Jaeger, Bindung des Arbeiters, S. 13. Eine Untersuchung aus den fünfziger Jahren ergab, daß Angelernte weniger häufig den Betrieb wechselten als besonders Ungelernte und Facharbeiter: Burkart Lutz u. Friedrich Weltz, Der zwischenbetriebliche Arbeitsplatzwechsel. Zur Soziologie und Sozioökonomie der Berufsmobilität, Frankfurt 1966, S. 23. Zur abnehmenden Fluktuation in den

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Anmerkungen zu S. 158-163 zwanziger Jahren insgesamt und allgemein zu Problemen der Fluktuation von Arbeitern: Vetterli, Industriearbeit, S. 120 ff. u. 208 sowie unter dem Blickwinkel der geographischen Mobilität: Rudolf Heberle u. Fritz Meyer, Die Großstädte im Strome der Binnenwanderung. Wirtschafts- und bevölkerungswissenschaftliche Untersuchungen über Wanderung und M o bilität in deutschen Städten, Leipzig 1937, S. 92, 142ff. und Winkler, Schein, S. 114f. 166 So Lippmann, Lehrbuch, S. 128. 167 HA Krupp WA 41/3-740a: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1929/30. 168 HA Krupp WA 41/6-84. 169 HA Krupp WA 41/3-807: Betriebsberichte - 2. mechanische Werkstatt 1930/31. Im Sommer 1931 machten die Feierschichten nur noch etwa 10 % der Arbeitsschichten aus. Der Betrieb stellte Schwungräder für den Schiffbau und Wellen und Kesselteile für den Motorenbau her. 170 Aus: Murko, »Ich hab mich halt so durchgeschlagen, S. 124. 171 Das »Doppelverdienertum« war besonders vielen Arbeitern ein Dorn im Auge, wie aus einer Postkarte vom 13. 1. 1931 mit dem Absender »Einer für viele« hervorging: »Möchte Ihnen mitteilen das der Schlosser Peter W. bei Ihnen noch voll beschäftigt ist und seine Frau bei A. Essen auch beschäftigt ist. Möchte Sie hiermit bitten Herrn W. zu entlassen andernfalls ich weitere Schritte unternehme, den laut Beschluß darf kein Doppelverdienst stattfinden.« HA Krupp WA 41/6-181. Die Namen wurden in den Briefen selbstverständlich vollständig genannt. Alle Briefe werden im übrigen in Interpunktion und Rechtschreibung unverändert zitiert. 172 »Einer Ihrer ergebensten Arbeiter« schrieb am 9. 9. 1931 mit demselben Tenor, wenngleich drastischer, an Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. In dem Brief hieß es u. a.: ». . . diese Lumpen müßten alle raus aus der Fabrik die gegen den Fabrikherrn und alles deutsche hetzen und schüren, die können sich Brot bei den Moskowitern und Franzosen holen wo sie mit halten. Wenn Arbeiter angenommen werden haben die Roten gleich Spürnasen, sagen den andern bescheid und wenn dann echte deutsche nationale Arbeiter kommen, sind die Stellen schon von Roten besetzt, hier müßte die Arbeiterannahme mal erst nach dem Parteibuch fragen und diese Kerle besser besehen, denn Lumpen haben wir genug in der Fabrik. . . . Bei den vielen Entlassungen trifft es immer echte, nationale deutsche Männer und so wird es auch nächstens wieder sein, Männer, die dem Franzmann in den schwersten Schlachten standhielten, die den Heimatboden vor den schwarzen braunen und gelben Bestien mit ihren Leibern schützten und ihr Blut verspritzten müssen wieder gehen. Die roten Feiglinge aber, die das tapferste Heer der Welt und auch unseren Fabrikherrn beschimpfen und reklamiert waren, die keinen Schützengraben, Dreck, Laus und Elend gesehen, auch kein Trommelfeuer von 3000 Geschützen gehört haben, die bleiben dann wieder in der Fabrik und hetzen weiter.« Ebd. 173 Protokoll der 11. Konferenz des Reichsbeirats der Betriebsräte und Konzernvertreter der Metallindustrie, abgehalten am 28. u. 29. Dezember 1931 in Berlin, Berlin o. J . , S. 15. Zu den Auswirkungen der Angst um den Arbeitsplatz: Lippmann, Lehrbuch, S. 324 f. 174 Verband der Fabrikarbeiter Deutschlands. Für geschlossene Front. Gegen Spaltung und Schwächung der Gewerkschaften, Hannover November 1930, S. 20 f. Der Fabrikarbeiterverband begrüßte auf bemerkenswerte Weise diesen Schritt, ein weiteres Beispiel für seine Verbandspolitik unter Beachtung der realen Machtverhältnisse. 175 Der Fall Stahlwerk Becker, in: Der deutsche Metallarbeiter, Nr. 16, 19. 4. 1930; Das Willicher Abkommen, in: Ruhr und Rhein, Nr. 16, 18. 4. 1930. Zum Ende des Geschäftsjahres 1931/32 wurde das Stahlwerk schließlich doch stillgelegt. Erst im Sommer 1934 wurde es teilweise wieder in Gang gesetzt. Ruhr und Rhein, Nr. 4, 25. 1. 1935. 176 Tarifvertrag oder Arbeitsplatz? Zur Stillegung der Hütte Ruhrort-Meiderich, in: SP, Jg. 40, 1931, Sp. 299-304; Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 7, 14. 2. 1931; Hütte Ruhrort-Meiderich arbeitet wieder, in: ebd., Nr. 20, 16. 5. 1931; Ruhrort-Meiderich, in: Der Klassenkampf, Jg. 5, 1931, S. 217f.; Arbeit und Brot, in: Ruhr und Rhein, Nr. 9, 27. 2. 1931 sowie Weisbrod, Schwerindustrie, S. 489.

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Anmerkungen zu S. 164—168 177 Der Fall Caroline ist minutiös dokumentiert: WWA, F 19 Nr. 61. Wie wenig der Bericht im kommunistischen ›Ruhr-Echo‹ mit den tatsächlichen Abläufen übereinstimmte, war bezeichnend: »Die Streikfront der Kumpels der Schachtanlage ›Karoline‹ steht nach wie vor unerschüttert. . . . Von allen Bergarbeitern der Schachtanlage wird das revolutionäre Eingreifen des EVBD (Einheitsverband der Bergarbeiter Deutschlands - W.Z.) und der RGO anerkannt und begrüßt. . . . Die überwältigende Mehrheit beharrt nach wie vor im Streik . . .« Ruhr-Echo, Nr. 65, 4. 4. 1932 (ebd.). Die ablehnende Haltung des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter war auch der Sitzung seines Hauptvorstandes am 30. 4. 1932 in Essen zu entnehmen: »Das Vorgehen der Zeche bringt eine große Gefahr für die Gesamtlage der Arbeiter im Ruhrgebiet mit sich.« Am 13. 6. 1932 beschloß der Gewerkverein, seinen Mitgliedern, die die Arbeit auf der Zeche Caroline nicht wieder aufgenommen hatten und keine Erwerbslosenunterstützung erhielten, eine Sondervergütung zu zahlen. Es stellte sich heraus, daß dafür nur ein Mitglied in Frage kam: Protokolle der Sitzungen des Hauptvorstandes des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter, in: DGB-Archiv, Nl. Heinrich Imbusch 2. 178 Dazu Wolfgang Zollitsch, Einzelgewerkschaften und Arbeitsbeschaffung: Zum Handlungsspielraum der Arbeiterbewegung in der Spätphase der Weimarer Republik, in: GG, Jg. 8, 1982, S. 87-115, 102. 179 S. dazu WWA, F 19 Nr. 61: Schreiben des Betriebsrates der ›Caroline‹ an das Reichsarbeitsministerium vom 12. 5. 1932, in dem die Beweggründe dargestellt wurden. Bei den Betriebsratswahlen erhielten 1930 der freigewerkschaftliche Alte Verband 6 und die ›Christen‹ 2 Sitze. 1931 errang die ›Einheitsliste‹ der beiden alle 8 Sitze, der zweite Wahlvorschlag, die Nationalsozialisten, keinen Sitz (ebd., Nr. 60). 180 Paul Sering, Der Faschismus, in: Zeitschrift für Sozialismus, Bd. 2, Nr. 24/25, Sept./ Okt. 1935, S. 765-787, 770. 181 ›Deutschland-Berichte‹, Juli 1935, S. 882f. Eine Untersuchung aus den fünfziger Jahren wies darauf hin, daß die Fixierung auf die Betriebsebene die Arbeiter zu konservativ Agierenden mache: Lutz/Weltz, Arbeitsplatzwechsel, S. 132ff. u. Lutz, Krise, S. 41. 182 Briefs, Betriebsführung, S. 139 (Hervorhebung im Original). Zum AOG: Korsch, Neuordnung; Mason, Entstehung; Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 105ff.; Krauig, Lokkung, S. 38ff.; Wolfgang Spohn, Betriebsgemeinschaft und innerbetriebliche Herrschaft, in: Carola Sachse u. a., Angst, Belohnung, Zucht und Ordnung. Herrschaftsmechanismen im Nationalsozialismus, Opladen 1982, S. 140-208, 143ff. 183 Kranig, Lockung, S. 44, 46; Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 161; Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 32f. Auf die Funktion des Vertrauensrates wird in Kapitel V. 2 u. 3 näher eingegangen. 184 Zu den Motiven für die Zusammenarbeit zwischen Industrie und NS: Heinrich August Winkler, Die »neue Linke« und der Faschismus. Zur Kritik neomarxistischer Theorien über den Nationalsozialismus, in: ders., Revolution, Staat, Faschismus. Zur Revision des historischen Materialismus, Göttingen 1978, S. 65-117, 95; Mason, Entstehung, S. 335ff. und Henry A. Turner, Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985. 185 Mason, Entstehung, S. 340f. 186 Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 154 sowie S. 160. 187 Zit. nach ebd., S. 165. S. dazu auch Kap. II. 1. 188 Hachtmann, Industriearbeit, S. 75f. 189 Zu den Protest der Phase 1933/34: Wisotzky, Ruhrbergbau. S. 74; Carl Knott, Erinnerungen eines alten RKW- und Refamannes, in: Produktivität und Rationalisierung Chancen, Wege, Forderungen, hg. v. Rationalisierungskuratorium der deutschen Wirtschaft, Frankfurt 1971, S. 156-158; Martin Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 1: Soziale Lage und politisches Verhalten der Bevölkerung im Spiegel vertraulicher Berichte, Teil II: Lage der Arbeiterschaft, Arbeiteropposition, Aktivität und Verfolgung der illegalen Arbeiterbewegung 1933-1944, München 1979, S. 193-325, 228 (Proteste im Werk MAN); Anson G. Rabbibach,

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Anmerkungen zu S. 168-173 Die Ästhetik der Produktion im Dritten Reich, in: Ralf Schnell (Hg.), Kunst und Kultur im deutschen Faschismus, Stuttgart 1978, S. 57-85, 77; Prinz, Mittelstand, S. 201. 190 Georg Seebauer, Leistungssteigerung durch Rationalisierung, in: Der Vierjahresplan, Jg. 2, 1938, S. 523-525, 523. Wie sehr das amerikanische Vorbild des Taylorismus und der Massenfertigung wieder im Vierjahresplan zu Ehren kam, belegt die Rede von Georg Thomas, dem Leiter des Wehrwirtschaftsstabes im Reichskriegsministerium, auf der 5. Tagung der Reichsarbeitskammer am 24. November 1936, abgedruckt bei Mason, Arbeiterklasse, S. 185 f. 191 Zit. nach: Der deutsche Unternehmer im neuen Staat, in: Ruhr und Rhein, Nr. 5, 2. 2. 1934 (Rede vom 26. 1. 1934); auch in ›Krupp. Zeitschrift der Kruppschen Betriebsgemeinschaft‹, Jg. 25, 1. 2. 1934, S. 130-133. Am 20. 10. 1932 lehnte Krupp die Einladung Fritz Thyssens ab, auf dessen Landhaus mit Hitler zusammenzukommen: HA Krupp FAH IV Ε 1129. Zur Persönlichkeit Gustav Krupps: Manchester, Krupp; Mühlen, Die Krupps. 192 HA Krupp WA 41/2-158: Direktoriums-Rundschreiben an die Betriebsführer, Abteilungs- und Bürovorsteher vom 22. 6. 1933. 193 BBA 13/1670 (Bd. 676): Schreiben der DAF. Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau an den Leiter der Bezirksgruppe Ruhr der Fachgruppe Steinkohlenbergbau, Dr. Brandi, vom 14. 10. 1936. Beispiele für ›modernen‹ und ›traditionellen‹ Führungsstil bringt Zimmermann, Ausbruchshoffnungen, S. 114ff. Von ausschließlich »rüdem Ton« spricht derselbe Autor an früherer Stelle (»Ein schwer zu bearbeitendes Pflaster«, S. 79). 194 BBA 15/236 (Bd. 89): Bericht über den Vorfall am 28. 12. 1935, die sich anschließenden Vertrauensratssitzungen und die Gefolgschaftsversammlung vom 3. 1. 1936. Ein anderer Fall (ebd.): Brief der Hauptverwaltung der Gelsenkirchener Bergwerks AG an den Leiter der Bergbaugruppe Hamborn, Hueck, vom 19. 12. 1935: Der Betriebsführer Z. der Schachtanlage 2/5 der Gesellschaft in Hamborn geriet wegen »Schikanierung der Beamten und Arbeiter und Mangel an nationalsozialistischer Gesinnung« sogar in Haft, aber erst, nachdem sich Hueck geweigert hatte, ihn zu beurlauben und Demonstrationen drohten. Wiederum hatte auch Johlitz seine Hand im Spiel. 195 S. das Schreiben der DAF Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau in Anm. 193. Zur Praxis der Sozialen Ehrengerichte Kranig, Lockung, S. 235ff. 196 Heinrich Schulz u. Karl Steinbrink, Ratgeber für den Leistungskampf der deutschen Betriebe im Baugewerbe, Berlin 1939, S. 132, zit. nach Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 169, ebd., S. 168 zur Bußbestimmung des § 28 AOG. 197 Kranig, Lockung, S. 44, 47, 236. 198 WWA, F26 Nr. 388: Betriebsordnung für die Schachtanlagen I/II/III/Vl und IV/V der Concordia Bergbau AG, Oberhausen vom 22. 9. 1934. Eine - beschönigende - Übersicht über zahlreiche Betriebsordnungen gibt Ludwig Preller, Die neue Betriebsordnung, in: SP, Jg. 45, 1936, Sp. 98-108. Dazu auch insgesamt Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 137ff.; Seebold, Stahlkonzern, S. 219ff.; Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 161 ff. 199 HA Krupp WA X a 3,13: Betriebsordnung für die Arbeitergefolgschaft der Fried. Krupp AG, Gußstahlfabrik, Essen, vom 21. 9. 1934; X a 4,234: Betriebsordnung für Arbeiter vom Juli 1953. 200 HA Krupp WA 41/2-158: Strafordnung der Gußstahlfabrik vom 7. 6. 1934. Zur Strafordnung vom 24. 2. 1930 s. Kap. III. 2. b. 201 HA Krupp WA 41/6-212: Notizen vom 31. 8. 1934, 26. 10. 1934; handschriftliche Notiz des Betriebsführers der Grobblechwerkstatt vom 8. 10. 1934 (Fall K.); 41/6-214: Niederschrift der Sitzung des Vertrauensrates vom 12. 6. 1934. Bis 1936 legte der Vertrauensrat in 19 Fällen Einspruch gegen Kündigungen ein, in 17 erfolglos, bei 2 erfolgte eine Versetzung in eine andere Abteilung, weil «alter Kämpfer« oder NSBO-Kassierer. (s. den Aktenbestand ebd.) 202 HA Krupp WA 41/6-208: Auszug aus der Niederschrift der Sitzung des Vertrauensrates am 5. 10. 1936, darunter Vermerk für Prof. Goerens vom 4. 12. 1936 sowie den Vermerk des

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Anmerkungen zu S. 173-178 Büros für Arbeiterangelegenheiten vom 14. 10. 1936. Zum WHW auch Yano, Hüttenarbeiter, S. 153f.; Seebold, Stahlkonzern, S. 266; SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 51. 203 HA Krupp WA 41/6-181: Vertrauliches Schreiben der Firmenleitung an die Leitung des Walzwerks 2 vom 5. 12. 1938 und deren Antwort vom 8. 12. 1938. Im Anhang findet sich eine Aufstellung der Monatsverdienste der sechs Verweigerer. S. dazu auch Kap. II. 3. 204 Rede von Robert Ley beim Mitgliederappell der DAF-Siemensstadt am 11. 12. 1935, in: Siemens-Mitteilungen, Nr. 169, Januar 1936, S. 14. Zur Freiwilligkeit der DAF-Mitgliedschaft s. SAA 49/Ls 81: Schreiben der Reichsgruppe Industrie an die einzelnen Wirtschaftsund Bezirksgruppen vom 24. 7. 1935. DAF-Mitglieder bei Krupp: HA Krupp WA 41/6-207: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik am 4. 3. 1938. Zur Einbehaltung des Beitrags vom Lohn: SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1936/37, Teil I, S. 50. Zum Gesamtmitgliederbestand der DAF: Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 62f. 205 Bayer-Archiv 214/10: Stimmungsbericht der DAF-Ortsleitung Leverkusen-Wiesdorf vom 1. 2. 1935. 206 Ebd. 207 Ebd. Nach einer zeitgen. Untersuchung zogen Arbeiter die ›Objektivität‹ der Stechuhr vor: Prinz, Mittelstand, S. 201. Wie unbeliebt überhaupt Propagandaveranstaltungen in den Betrieben waren, berichtet am Beispiel Bayern Ian Kershaw, Popular Opinion and Political Dissent in the Third Reich: Bavaria 1933-1945. Oxford 1983. S. 77. 208 HA Krupp WA 41/6-207: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik am 2. 8. 1938. 209 Ebd. 210 HA Krupp WA 41/6-10: Auszüge aus den Stimmungsberichten der Hilfsvertrauensmänner, Sept., Okt. 1937, Mai 1938; SAA 11/Lg 699 v. Buol: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates des Wernerwerks Ζ am 5. 12. 1934 u. am 10. 1. 1935. 211 Prinz, Mittelstand, S. 223f. 212 Ebd., S. 138 ff. 213 Ebd., S. 190 ff. 214 Ebd., S. 194. 215 Ebd., S.222f. 216 HA Krupp WA 41/6-181. 217 Den bestimmenden Grundzug der NS-Lohnpolitik sieht darin: Siegel, Lohnpolitik. 218 S. dazu unter Kap. V. 4. 219 Berechnet nach Tab. 25. 220 Hachtmann, I ndustriearbeit, 42ff. 221 Zit. nach W. Mende, Grenzen für Wanderlustige in den Betrieben, in: Der deutsche Volkswirt, Jg. 13, 1939, Nr. 31, S. 1511-1513, 1511; Prinz, Mittelstand, S. 152 Anm. 165. 222 Mende, Grenzen (s. Anm. 221). Prinz (Mittelstand, S. 152 Anm. 165) zitiert zwar die Äußerung Syrups nach dieser Quelle, unterschlägt jedoch die Tatsache, daß die Botschaft: dieses Artikels auf eine Widerlegung der These von Syrup hinzielt. 223 Mende, Grenzen, S. 1511. 224 Ebd., 1512. Eine differenzierte Sicht der Fluktuationsbewegung auch bei Rüdiger Hachtmann, Arbeitsmarkt und Arbeitszeit in der deutschen Industrie 1929 bis 1939, in: AfS. Jg. 27, 1987, S. 177-227, 206f. 225 So Mende, Grenzen, S. 1512. 226 So auch Yano, Hüttenarbeiter, S. 47 f. Schieden 1928 rund 600 Arbeiter auf eigenen Wunsch aus der Abteilung Stahlwerk (incl. Verarbeitung) aus bei einer Arbeiterzahl in dieser Gruppe von ca. 15500, so betrug diese Ziffer 1938 672 bei rund 28300 Beschäftigten im Stahlwerk: Ziffern aus ebd., S. 171 (Tab. 16); Belegschaftsstatistik HA Krupp WA 41/6-58 (1928) und Fried. Krupp AG. Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942, S. 72f. Für Siemens

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Anmerkungen zu S. 178-189 Hanf, Möglichkeiten, S. 108 sowie Hachtmann, Arbeitsmarkt, S. 206 Anm. 138: Im Wernerwerk F von Siemens betrug der Anteil der ausgeschiedenen Arbeiter gemessen an der mittleren Belegschaftsstärke 1928/29 ca. 8 0 % , 1937/38 nur 3 3 % . 227 In diesem Sinn begründet die »erwünschte Fluktuation«: Erich Mangels, Kräftemangel und Fluktuation, in: Monatshefte für NS-Sozialpolitik, Jg. 4, 1937, H. 21, S. 481-486. 228 Werner, Bleib übrig!, S. 356f.

IV. Betriebsratswahlen in der Wirtschaftskrise 1 Falter/Manisch, Anfälligkeit; Falter, Warum die deutschen Arbeiter. 2 Preller, Sozialpolitik, S. 409, 413. S. auch Kap. II. 3. 3 HA Krupp WA 41/6-170: Vertraulicher Bericht des Oberwachdienstes von Krupp an die Direktion vom 2. 6. 1930. Die Schilderung der folgenden Abläufe stammt ebenfalls aus dieser Quelle. Die Berichte waren höchst detailliert mit genauen Orts- und Zeitangaben, Namensnennungen und Beteiligungsziffern. Sie enthielten Flugblätter und zusammengefaßte Redeprotokolle und waren in nüchterner Sprache abgefaßt. Eine kurze Beschreibung des Arbeitskampfes in der Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 32, 9. 8. 1930 (»Abwehrkampf an der Ruhr beendet«) läßt erkennen, daß die Berichte des Oberwachdienstes die Vorgänge im wesentlichen korrekt wiedergaben. Von 100 Mitgliedern des Oberwachdienstes wählten 1931 bei der Betriebsratswahl 29,2 freie, 32,6 christliche und 15,7 kommunistische Verbände: HA Krupp WA 41/6-190. 4 HA Krupp WA 41/6-170: Bericht vom 20. 6. 1930. 5 Essener Allgemeine Zeitung, Nr. 172 v. 23. 6. 1930. Ausschnitt im Krupp-Archiv ebd. 6 HA Krupp WA 41/6-170: Vertraulicher Bericht des Oberwachdienstes an die Direktion vom 30. 6. 1930. 7 Ebd., Meldungen über Belegschaftsversammlungen am 30. 6. 1930. 8 Abwehrkampfan der Ruhr beendet, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 32, 9. 8. 1930. 9 Zum Vorstehenden HA Krupp WA 41/6-170: Vertrauliche Berichte des Oberwachdienstes von Krupp an die Direktion sowie WA 41/3-740a: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsbericht 1929/30. 10 HA Krupp WA 41/3-856: Betriebsberichte - Gießerei 5/6/7 1930/31. 11 S. Tab. 27 und HA Krupp WA 41/6-190. 12 Dazu die Tab. 28 und die entsprechenden Betriebsberichte: HA Krupp WA 41/3-800ff. 13 Ergebnisse in: Eine ernste Betrachtung zur Betriebsrätewahl, in: Der Deutsche Metallarbeiter, Nr. 20, 17. 5. 1930; Seebold, Stahlkonzern, S. 49; Hochstein, Ideologie, S. 128. 14 Schock, Arbeitslosigkeit, S. 144ff., Tab. S. 246ff.; Lutz, Krise, S. 109ff.; Irmgard Steinisch, Die gewerkschaftliche Organisation der rheinisch-westfälischen Arbeiterschaft in der eisen- und stahlerzeugenden Industrie 1918 bis 1924, in: Hans Mommsen (Hg.), Arbeiterbewegung und industrieller Wandel. Studien zu gewerkschaftlichen Organisationsformen an Rhein und Ruhr, Wuppertal 1980, S. 117-139, 135; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 124. 15 Ebd., S. 122. 16 Seebold, Stahlkonzern, S. 49. Für relativ unbeeinflußt und frei hält die Betriebsratswahl 1933 Gunther Mai, Arbeiterschaft und Nationalsozialismus in der Phase der Machtergreifung, in: Klaus Malettke (Hg.), Der Nationalsozialismus an der Macht. Aspekte nationalsozialistischer Politik und Herrschaft, Göttingen 1984, S. 83-109, 98. 17 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1932/33. 18 S. Tab. 28. Die Wahlbeteiligung, dies sei nochmals betont, lag 1933 mit 91,4% nur 1,3% höher als 1931: HA Krupp WA 41/6-190.

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Anmerkungen zu S. 189-194 19 Herbert Kühr, Parteien und Wahlen im Stadt- und Landkreis Essen in der Zeit der Weimarer Republik. Unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses von Sozialstruktur und politischen Wahlen, Düsseldorf 1973, S. 146; Richard F. Hamilton, Who voted for Hitler? Princeton 1982, S. 159f., 537 (Anm. 17). Die mangelnde Resonanz der Nationalsozialisten auf Betriebsebene, allerdings ohne die Betriebsratswahlen von 1933 mit einzubeziehen, beschreibt Wilfried Böhnke, Die NSDAP im Ruhrgebiet 1920-1933, Bonn 1974, S. 173f. 20 Zur Resistenz bewußt katholischer Arbeiter: Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 712. 21 Martin Martiny, Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr vom Scheitern der Räte- und Sozialisierungsbewegung bis zum Ende der letzten parlamentarischen Regierung der Weimarer Republik (1920-1930), in: Jürgen Reulecke (Hg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen, Wuppertal 1974, S. 241-273, 252. 22 Schock, Arbeitslosigkeit, S. 118; Weisbrod, Schwerindustrie, S. 125. 23 Dazu Detlev Peukert, Die KPD im Widerstand. Verfolgung und Untergrundarbeit an Rhein und Ruhr 1933 bis 1945, Wuppertal 1980, S. 46; Martiny, Arbeiterbewegung, S. 259; Winkler, Schein, S. 690ff. sowie Schock, Arbeitslosigkeit, S. 96. 24 Hochstein, Ideologie, S. 128. Die übrigen Verbände erhielten auf Neumühl: Freie 15,9%, ›Chnsten‹ 16,1%, NSBO 13,2%. Zur Situation 1918-1920: Lucas, Arbeiterradikalismus. 25 BBA 32/292. 26 WWA, F 19 Nr. 60. S. auch Anm. III/179. 27 Zentralkokerei Friedrich Thyssen 4/8; freie 57,2, christliche Gewerkschaften 29,7, NSBO 13,1%. Hochstein, Ideologie, S. 128. Berg AG Recklinghausen - Hafen: freie 1 Betriebsratssitz, christl. Gewerkschaften 4, RGO 1. BBA 32/292. 28 BBA 32/4290 (Hibernia, Berg AG Recklinghausen, Gesamtbeteiligung im Ruhrgebiet); Tschirbs, Tarifpolitik, S. 395, zitiert die Essener Volkszeitung, Nr. 7, 7. 1. 1931 mit ihren Angaben über den Streik im Duisburger Raum. S. auch Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet, in: SP, Jg. 40, 1931, Sp. 45 f. 29 WWA, F 26 Nr. 58: Schreiben des Concordia-Generaldirektors Dechamps an den Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Berckemeyer, (von den Vereinigten Kokswerken und chemischen Fabriken) vom 2. 1. 1931, 3. 1. 1931 u. 6. 1. 1931. Zu den Begleitumständen des Streiks: »Die hiesige Schutzpolizei hat sich einwandfrei benommen und ist von vornherein scharf gegen Streikhetzer und -posten vorgegangen, so daß eine Belästigung der Arbeitswilligen auf wenige Fälle beschränkt werden konnte. Lediglich eine Anzahl Bergleute, die in der Nähe der Nachbarzeche Neumühl wohnen, haben um Urlaub gebeten, um ihre Familien schützen zu können. Es ist richtig, daß dort in Hamborn und weiter westlich beiderseits des Rheins bis jetzt noch ein übler Terror ausgeübt wird, an dem sich Frauen beteiligen, und dessen Zielscheibe die Frauen und Kinder der Arbeitswilligen sind.« (Ebd.) 30 Dazu bes. Peukert, KPD, S. 61 f. und Kap. IV. 5. 31 Tschirbs. Tanfpolitik, S. 418, 427f.; Peukert, KPD, S. 62. 32 Tschirbs, Tarifpolitik, S. 465f. 33 WWA, F19 Nr. 60 (Caroline); HStAD, Regierung Düsseldorf 33626: Schreiben der Vereinigten Stahlwerke Abt. Bergbau Gruppe Hamborn an den Regierungspräsidenten vom 6. 5. 1933: Lohberg: 7 NSBO, 2 ›Christen‹, 2 freie Gewerkschaften (Betriebsratssitze); Zentralkokerei Friedrich Thyssen 3/7: 1 christl., 1 freie Gewerkschaften, 5 NSBO; Zentralkokerei Fr. Thyssen 4/8: 4 NSBO, 2 freie, 1 christl. Gewerkschaften. Der Betriebsrat der Schachtanlage Friedrich Thyssen 4/8 blieb dagegen in kommunistischer Hand: 8 RGO, 1 christl., 1 freie Gewerkschaften, 2 NSBO. Zur Ständeideologie: Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 201. Daß das Resultat für die Nationalsozialisten 1933 im Ruhrbergbau »wenig schmeichelhaft« (Tschirbs, Tarifpolitik, S. 466) ausfiel, diese Einschätzung ist schwer nachzuvollziehen. Dagegen Zimmermann, Schachtanlage, S. 175, der darauf hinweist, daß den Nationalsozialisten der Einbruch in das Bergarbeiter-Milieu gelang. In seiner Domäne, dem östlichen Ruhrgebiet.

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Anmerkungen zu S. 195-202 konnte sich der Alte Verband behaupten. Er erreichte im Bergrevier Dortmund II 52% der Stimmen: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 32. 34 Ebd. 35 Hans-Gerd Schumann, Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung. Die Vernichtung der deutschen Gewerkschaften und der Aufbau der »Deutschen Arbeitsfront«, Hannover 1958, S. 38; Max H. Kele, Nazi and Workers. National Socialist appeals to German Labor 1919-1933, Chapel Hill 1972, S. 198ff.; Mason, Sozialpolitik, S. 71; Mai, NSBO, S. 593, 598f.; Kratzenberg, Arbeiter, S. 225ff. sowie Joachim Bons, Der Kampf um die Seele des deutschen Arbeiters. Zur Arbeiterpolitik der NSDAP 1920-1933, in: IWK, Jg. 25, 1989, S. 11-41. 36 Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 244f. (Tab. 12). 37 Festschrift zur Erinnerung an die Gründung und den 40jährigen Kampf des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands, o. O. o. J . (Hannover 1930), S. 17. 38 Fuldat, Arbeitsverhältnisse, S. 42 (Anm. 2). Allgemein zu den Organisationsbedingungen der Chemiearbeiter: Stolle, Arbeiterpolitik, S. 44ff., 70ff.; Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 131 ff.; Schiffmann, Revolution, S. 138ff., 473 (Tab. 24). 39 Schiffmann, Revolution, S. 318, 373f. 40 Herbert Wehner, Zeugnis, hg. v. Gerhard Jahn, Köln 1982, S. 43. Die Angaben August Creutzburgs werden zitiert in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 8, 20. 2. 1932. Beispiele für die Entlassung kommunistischer Betriebsräte finden sich in: Kämpfendes Leuna, S. 507; HoechstArchiv: Protokolle der Sozialkommission der IG Farben, Sitzung vom 17. 3. 1930 (ebenfalls für Leuna). 41 Rudolf Pfretzschner, Zum Kampf der KPD um die Herstellung der Einheitsfront der deutschen Arbeiterklasse in den Leuna-Werken und in Magdeburg vor dem Machtantritt des Faschismus in Deutschland, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Jg. 12, 1963, Gesellschafts- und Sprachwissenschaftliche Reihe, S. 241-251, 248. Grundsätzlich: Lore Heer-Kleinert, Die Gewerkschaftspolitik der KPD in der Weimarer Republik, Frankfurt 1983, S. 360ff. 42 Diesen Grund für die Verluste seines Verbandes nennt der Merseburger Funktionär des Fabrikarbeiterverbandes, H. Fischer, Der Kampf um Leuna, in: Der Proletarier, Nr. 15, 11.4. 1931. 43 Eine kommunistische Lohnbewegung, in: Der Proletarier, Nr. 10, 7. 3. 1931 (Zitat, Piesteritz); Folgen der kommunistischen Streikparole, in: ebd., Nr. 15, 9. 4. 1932 (Bericht über die Arbeitsgerichtsverhandlung in Bitterfeld wegen der Aktion in Wolfen); Kämpfendes Leuna, S. 553; Schiffmann, Revolution, S. 368 (Ludwigshafen). 44 Ebd., S. 380ff., 391. S. auch die Tab. 32. 45 Betriebsrätewahlen, in: Der Arbeitgeber, Nr. 21, 1931, S. 526-529. Die dort genannten Wahlergebnisse stimmen mit den in den Tab. 31 bis 33 angeführten nicht immer ganz überein. Deshalb sind - bis auf Agfa - die eigenen Ergebnisse zitiert. In Leverkusen waren bei der ersten Wahl 1931 6,2% ungültige Stimmen abgegeben worden. Die Nationalsozialisten hatten dazu aufgerufen. 46 Die Betriebsrätewahl im Leunawerk, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 20, 16. 5. 1931. Den wirtschaftsfriedlichen Typus in Leuna beschreibt Alexander Graf Stenbock-Fermor (Deutschland von unten. Reisen durch die proletarische Provinz 1930, Luzern [ND der 1931 ersch. Ausg.], S. 121) so: »Nun gibt es genug Arbeiter, besonders unter den älteren Familienvätern, die sich ihre Existenz unbedingt sichern wollen. Um sich bei den Vorgesetzten beliebt zu machen, verbergen sie ihre wirklichen Ansichten und werden Mitglied des Stahlhelms und ›wirtschaftsfriedlicher‹ Verbände.« Zum Aufbrechen einer nur ›anpolitisierten‹ Haltung s. auch Balluf, Geschichte, S. 192. 47 So Schock, Arbeitslosigkeit, S. 140. Ein sicherlich zu pauschales Urteil fällte die sozialdemokratische ›Rheinische Zeitung‹ (Nr. 205, 28. 8. 1931. Wie in Leverkusen gewählt wurde. Ausschnitt im Bayer-Archiv 214/10), wenn sie von einem »Hin und Her in den ultraradikalen

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Anmerkungen zu S. 202-206 Heerhaufen« sprach. Die Annahme von Uta Stolle (Arbeiterpolitik, S. 107), daß die NSErfolge in Leverkusen bei der zweiten Wahl 1931 durch die Neueinstellung von Hunderten von NS-Anhängern zu erklären sei, muß widersprochen werden. Von März bis August 1931 nahm die Gesamtzahl der Arbeiter zwar von 7138 auf 7925 zu, von den Neueingestellten waren viele aber noch nicht wahlberechtigt. Außerdem war die Wahlbeteiligung im August geringer. Die Zahl der abgegebenen Stimmen lag im August mit 5209 sogar niedriger als im März mit 5435: Bayer-Archiv 214/10. Das Bemühen der NSBO, sich als kompromißloser Vertreter der Arbeiterinteressen zu profilieren, war einem Bericht der NSBO-Zelle bei IG Farben, Werk Ludwigshafen, zu entnehmen: Wo sitzen die Söldlinge des Kapitalismus?, in: Arbeitertum v. 1. 3. 1932. 48 Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 12, 1. 4. 1933; Neuwahl und Umbildung der Betriebsräte, in: SP, Jg. 42, 1933, Sp. 527-530. Daß die freien Gewerkschaften und RGO zusammen über 60 % der Stimmen erhalten hätten, wie die offizielle DDR-Firmengeschichte behauptet, kann nicht stimmen: Kämpfendes Leuna, S. 642. In den anderen Werken der IG Farben fanden 1933 wahrscheinlich keine Wahlen statt. In den Archiven waren hierzu keine Unterlagen erhältlich. 49 Ebd. Zur ›Koalition‹ von Links- und Rechtsradikalen: Die Betriebsrätewahl im Leunawerk, in: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 20, 16. 5. 1931; Hexenkessel Leuna. Nationalsozialistisch-kommunistische Brüderschaft, in: Der Proletarier, Nr. 28, 11. 7. 1931. 50 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 127, 130ff., 161 ff. 51 Besonders typisch waren dafür die Metallfacharbeiter bei Bosch in Stuttgart. Dort hatte die ›rechte‹ Kommunistische Partei Opposition eine ihrer Hochburgen: Stolle, Arbeiterpolitik, S. 213ff. 52 Wehner, Zeugnis, S. 38 (Zitat). Zum Arbeitskampf 1930 in Berlin allgemein: Der Streik in der Berliner Metallindustrie, in: SP, Jg. 39, 1930, Sp. 1011-1013; Der Schiedsspruch in der Berliner Metallindustrie, in: ebd., Sp. 1074f.; Hartwich, Arbeitsmarkt, S. 168ff. (ich folge im wesentlichen dieser Darstellung). Dokumente hierzu enthält Frank Deppe u. Witich Roßmann, Wirtschaftskrise, Faschismus, Gewerkschaften. Dokumente zur Gewerkschaftspolitik 1929-1933, Köln 1981, S. 77ff. Willy Mann, Berlin zur Zeit der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur Erforschung der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung der deutschen Hauptstadt, Berlin (O) 1957, S. 152 (macht die RGO und Walter Ulbricht zu den Führern des Streiks). Zu den Beteiligungsziffern bei Siemens: SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung Geschäftsbericht 1930/31, Teil I, S. 6. Dazu auch Johannes W. Bahr, Staatliche Schlichtung in der Weimarer Republik, Berlin, S. 304 ff. 53 Wehner, Zeugnis, S. 38. 54 Homburg, Arbeitsmarkt, S. 36. S. auch die Tabelle über die Entfernung zwischen Wohnort und Betrieb, den die Siemens-Beschäftigten in Berlin zurückzulegen hatten, aus den zwanziger Jahren in: DGB-Archiv, Nl. Erich Lübbe III: 97,7% hatten eine Entfernung von bis zu 15 km zum Werk zurückzulegen, bis zu 10 km 82,8%. 55 Betriebsratswahlergebnisse 1931 in der Berliner Metallindustrie insgesamt, Daten nach dem DMV-Jahrbuch, zit. nach Homburg, Arbeitsmarkt, S. 295 (Anm. 27): freie Gewerkschaften christl. Gewerkschaften Hirsch-Duncker

RGO

Syndikalisten NSBO Stahlhelm Gelbe Unorganisierte

63918

712 116

30005

80

2500

612

2495

561

Stimmen

= = = = = = = = =

63,3 % 0,7 % 0,1 % 29,7 % 0,08% 2,5 % 0,6 % 2,5 % 0,5 %

Die Ergebnisse der Berliner Metallindustrie in: Der Arbeitgeber, Nr. 21, 1931, S. 526-529

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Anmerkungen zu S. 206-211 (Betriebsrätewahlen) beziehen sich nur auf die Verteilung der Betriebsratssitze, bei der die RGO mit 1 9 % schlechter abschnitt. Das Gesamtergebnis für Siemens 1931: SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1930/31, Teil I, S. 33. Es ist außerdem zu berücksichtigen, daß im Dynamowerk keine kommunistische Liste antrat. Zur NSBO bei Siemens auch Kratzenberg, Arbeiter, S. 207ff., 249. 56 S. dazu Kap. III. 2. c. 57 Czada, Berliner Elektroindustrie, S. 118. 58 Der Kampf der Untergruppe Siemens des Gaues Groß-Berlin der NSBO, in: Arbeitertum v. 15. 6. 1932. Ihre Arbeit stieß auf Wohlwollen bei etlichen Angestellten. Politische Agitation im Betrieb wurde ihr jedoch, wie den anderen Gruppierungen, von der Firmenleitung und namentlich C. F. v. Siemens strikt untersagt: SAA 4/Lf 549 C. F. v. Siemens: Aktennotiz über ein Gespräch zwischen dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Erich Lübbe und Siemens vom 23. 3. 1932. 59 Vgl. Tab. in Anm. 55 und SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsbericht 1930/31, Teil I, S. 33. 60 Ebd., 1932/33, Teil I, S. 19f. 61 Dazu auch Kap. V. 1, S. 211. 62 Beispiele hierfür u. a. in Penzberg: Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 205; im Bergarbeiterort Hochlarmark bei Recklinghausen: Zimmermann, »Ein schwer zu bearbeitendes Pflaster«, S. 68. 63 Ein Jahr kommunistischer Gewerkschaftspolitik, in: Ruhr und Rhein, Nr. 36, 4. 9. 1931. Stärke der Betriebszellen der RGO: Metallarbeiter-Zeitung, Nr. 8, 20. 2. 1932; Rudolf Schneider, Die KPD und die Gewerkschaften, in: Der Klassenkampf, Jg. 5, 1931, S. 654-659; Wehner, Zeugnis, S. 43; Hans-Josef Steinberg, Widerstand und Verfolgung in Essen, Hannover 1969, S. 95. Allgemein zur Schwäche der RGO: Bernhard Düwell, Der »Vortrupp« der Unorganisierten, in: Der Klassenkampf, Jg. 3, 1929, S. 294-299; Schöck, Arbeitslosigkeit, S. 177ff.; Siegfried Bahne, Die KPD im Ruhrgebiet in der Weimarer Republik, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen, Wuppertal 1974, S. 315-353, 347f.; ders., Die Erwerbslosenpolitik der KPD in der Weimarer Republik, in: Hans Mommsen u. Winfried Schulze (Hg.), Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung, Stuttgart 1981, S. 477-496, 489; Hochstein, Ideologie, S. 131 f.; Heer-Kleinen, Gewerkschaftspolitik, bes. S. 360ff. und Frank Deppe u. Witich Roßmann, Kommunistische Gewerkschaftspolitik in der Weimarer Republik, in: Erich Matthias u. Klaus Schönhoven (Hg.), Solidarität und Menschenwürde. Etappen der deutschen Gewerkschaftsgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart, Bonn 1984, S. 209-231, 226 ff. 64 Mai, NSBO, S. 593; Kratzenberg, Arbeiter, S. 99ff.

V. Zum betrieblichen Verhalten der Arbeiterschaft ab 1933 1 SAA 4/Lf 549 C. F. v. Siemens: Notiz vom 29. 3. 1933. 2 Neuregelung in der Interessenvertretung der Arbeitnehmer, in: SP, Jg. 42, 1933, Sp. 469-471; Neuwahl und Umbildung der Betriebsräte, in: ebd., Sp. 528-530; Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 26; Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 172f. 3 SAA 4/Lf 549 C. F. v. Siemens: Schreiben Erich Lübbe an den Preußischen Ministerpräsidenten vom 25. 4. 1933; Schreiben Lübbe an C. F. v. Siemens vom 26. 4. 1933: Ein versöhnlicher Ton schwang beim Abschied Erich Lübbes mit: »Nachdem mein Ausscheiden aus der Betriebsvertretung danach aber zu einer Tatsache geworden ist, habe ich das Bedürfnis, Ihnen noch auf diesem Wege dafür zu danken, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, tiefe

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Anmerkungen zu S. 211-218 Einblicke in das Wirtschaftsgefüge des Konzerns zu tun. Dadurch ist mir aber auch Gelegenheit gegeben worden, die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge des Staates kennen zu lernen, was mir sonst wohl nicht in dem Umfange möglich gewesen wäre.« (Lübbe war auch Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat) Zu den Lebensdaten Lübbes s. oben Anm. III/126. 4 Aus der neuesten Literatur zum Verhalten der Gewerkschaften 1933: Manfred Scharrer, Anpassung bis zum bitteren Ende. Die freien Gewerkschaften, in: ders., (Hg.), Kampflose Kapitulation. Arbeiterbewegung 1933, Hamburg 1984, S. 73-120; Henryk Skrzypczak, Die Ausschaltung der Freien Gewerkschaften im Jahre 1933, in: Erich Matthias u. Klaus Schönhoven (Hg.), Solidarität und Menschenwürde. Etappen deutscher Gewerkschaftsgeschichte von den Anfingen bis zur Gegenwart, Bonn 1984, S. 255-270 (dort weitere Literatur); Helga Grebing, Gewerkschaftliches Verhalten in der politischen Krise der Jahre 1930-1933, in: dies., Arbeiterbewegung und politische Moral. Aufsätze, Kommentare und Berichte zur Geschichte und Theorie der deutschen Arbeiterbewegung, Göttingen 1985, S. 109-156, 138ff. 5 SAA 15/Lc 774: Sozialpolitische Abteilung-Geschäftsbericht 1932/33, Teil I, S. 20f. 6 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsbericht 1932/33; WA 41/6-190: Zusammensetzung des Betriebsausschusses. Noch am 30. 5. 1933 unterzeichnete ein christlicher Gewerkschaftler als Vorsitzender des Arbeiterrats eine Einladung an die Betriebsvertreter, am 29. 6. 1933 zeichnete der Nationalsozialist Johlitz: WA 41/6-196. Zur Rolle der Christlichen Gewerkschaften 1933 s. Schneider, Christliche Gewerkschaften, S. 728ff., 761 f. Zum System der Betriebsvertretung bei Krupp s. Kap. III. 2. b. 7 WWA, F 26 Nr. 69: Schreiben Dechamps an den Aufsichtsratsvorsitzenden vom 3. 4. 1933; Nr. 390: Aktennotiz über ein Gespräch zwischen Dechamps und den Betriebsausschüssen von Schacht 2/3 u. 4/5 und zwei Mitgliedern der NSBO am 3. 4. 1933 (ein freigewerkschaftliches Mitglied war »unbekannt wohin verreist«). 8 Tschirbs, Tarifpolitik (phil. Diss. [MS]), S. 588. Zur Situation im Bergbau insgesamt Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 33ff. 9 In Leverkusen wurde 1937 über die Einstellung des ehemaligen freigewerkschaftlichen Betriebsratsvorsitzenden Sparre im Vertrauensrat beraten: Bayer-Archiv 214/12. Niederschrift über die Besprechung des Vertrauensrates am 6. 3. 1937. Überliefert ist, daß sich Zechenleitungen gegen die Entlassung selbst kommunistischer Belegschaftsangehöriger wandten, weil sie als erfahrene Hauer schwer zu ersetzen waren: Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 35. 10 Schumann, Nationalsozialismus, S. 69f.; Martin Broszat, Der Staat Hitlers. Grundlegung und Entwicklung seiner inneren Verfassung, München 19787, S. 182f. 11 Schumann, Nationalsozialismus, S. 76ff., 87ff.; Broszat, Staat Hitlers, S. 184f., 192f.; Mason, Sozialpolitik, S. 99ff.; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 40ff.; Mai, NSBO, S. 608ff.; Kratzenberg, Arbeiter, S. 126ff. 12 WWA, F26 Nr. 70: Schreiben Dechamps an den Vorsitzenden des Aufsichtsrats vom 31. 7. 1933. 13 Broszat, Staat Hitlers, S. 185ff.; Mason, Sozialpolitik. S. 102f.; Kranig, Lockung, S. 168ff.; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 42 f. 14 Broszat, Staat Hitlers, S. 192f.; Mason, Sozialpolitik, S. 115f. 15 S. Kap. III. 2. g. 16 Vom Betriebsrat zum Vertrauensrat, in: SP, Jg. 43, 1934, Sp. 519-524, 524. 17 Ebd., Sp. 522. Schumann, Nationalsozialismus, S. 125 ff.; Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 116ff.; Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 175ff.; Kranig, Lockung, S.42ff.; ausführlich zur Begründung der Vertrauensratswahlen insgesamt auch Wolfgang Zollitsch, Die Vertrauensratswahlen von 1934 und 1935. Zum Stellenwert von Abstimmungen im »Dritten Reich« am Beispiel Krupp, in GG, Jg. 15, 1989, S. 361-381. 18 HA Krupp WA 41/6-205; WA 41/6-190 (Betriebsvertreterwahl 1933). Betriebsvertreter waren gewesen Werner B., Eugen J . , Oskar K. S. dazu Tab. 35. 19 HA Krupp WA 41/6-205: Detailliertes Ergebnis der Vertrauensratswahl 1935 aus allen Abteilungen.

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Anmerkungen zu S. 218-221 20 Theodor Eschenburg, Streiflichter zur Geschichte der Wahlen im Dritten Reich, in: VfZ, Jg. 3, 1955, S. 311-316 (Dokumentenanhang); Schumann, Nationalsozialismus, S. 128f.; Günter Plum, Die Arbeiterbewegung während der nationalsozialistischen Herrschaft, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Arbeiterbewegung an Rhein und Ruhr. Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung in Rheinland-Westfalen, Wuppertal 1974, S. 355-383, 368; Mason, Sozialpolitik, S. 192; Michael Voges, Klassenkampf in der »Betriebsgemeinschaft«. Die ›DeutschlandBerichte‹ der Sopade (1934—1940) als Quelle zum Widerstand der Industriearbeiter im Dritten Reich, in: A ß , Jg. 21, 1981, S. 329-383, 354; Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 184 (Anm. 184); Günther Gross, Zum antifaschistischen Widerstandskampf der deutschen Gewerkschaftler während der faschistischen Vertrauensräte-Wahlen 1934, in: ZfG, Jg. 4, 1956, S. 230-245; ders., Der gewerkschaftliche Widerstandskampf der deutschen Arbeiterklasse während der faschistischen Vertrauensräte-Wahlen 1934, Berlin (O) 1962, S. 52ff. Die Äußerungen von Ley und Bormann werden in all diesen Arbeiten als Beleg genannt. Gross zitiert zusätzlich noch Einzelergebnisse, die in Emigrationszeitschriften erschienen sind. Diese Ergebnisse sind, soweit sie sich durch Betriebsakten bei Krupp und im Bochumer Verein nachprüfen lassen, nachweislich falsch. Auch Peukert (Ruhrarbeiter, S. 136) folgt den bei Gross angeführten Quellen und gibt an, daß der Spitzenkandidat der NSBO im Bochumer Verein bei einer 10000 Mann starken Belegschaft nur 36 Stimmen erhalten habe. Erstens erhielt die NSBO in diesem Betrieb 1933 schon 42,86% der Stimmen bei den letzten Betriebsratswahlen, zweitens überliefern die Betriebsakten für 1934 ein überwiegend zustimmendes Resultat: Seebold, Stahlkonzern, S. 49, 215. Zur Ablehnung der Vertrauensratsliste in einer Porzellanfabrik in Weiden/Oberpfalz Kershaw, Popular Opinion, S. 76. 21 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 105ff., 273ff. (Auflistung der Einzelergebnisse). Zu Krupp s. Tab. 35 und 36; zu IG Farben, Werke Leverkusen und Hoechst s. unten S. 224; zum Bochumer Verein Seebold, Stahlkonzern, S. 215; zum GHH-Hüttenbereich Yano, Hüttenarbeiter, S. 144. 22 Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 320f. (Grube Penzberg); Hetzer, Augsburg, S. 111 (MAN-Augsburg) und die Ergebnisse, die durch die Mittelmänner den ›DeutschlandBerichten‹ der Sopade zugingen. Allerdings waren auch diese Berichte nicht immer zutreffend, wie Wisotzky (Ruhrbergbau, S. 308, Anm. 8) an einem konkreten Beispiel nachweisen konnte. Daß die Ablehnung der Liste kein durchgängiges Phänomen war, ließen auch die ›Deutschland-Berichte‹ durchblicken, indem sie zu bedenken gaben, »daß die allgemeine politische Bedeutung dieser Wahlen nicht überschätzt werden darf. Nur die politisch gut geschulten Arbeiter waren sich darüber klar, daß diese Wahlen eine Demonstration gegen das Regime bedeuten konnten. Die meisten wählten nach engen Betriebsgesichtspunkten, und die Persönlichkeit auch der NSBO-Kandidaten blieb nicht ohne Einfluß auf das Ergebnis.« ›Deutschland-Berichte‹, April/Mai 1934, S. 39. Zur Berichterstattung der ‹Deutschland-Berichte‹: Voges, Klassenkampf, S. 354ff. 23 Mason, Sozialpolitik, S. 15 ff. 24 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 104 f. 25 Belege dafür: Ebd., S. 105; Hetzer, Augsburg, S. 112; z. B. ›Deutschland-Berichte‹, April/Mai 1934, S. 36ff., Mai/Juni 1934, S. 136 ff., April 1935, S. 443. 26 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 105 u. 308 (Anm. 9). 27 S. dazu Tab. 28 und HA Krupp WA 41/6-190. 28 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung -Tätigkeitsbericht 1932/33, 1933/ 34. Dazu auch Tab. 26. 29 S. dazu oben S. 165. 30 Dazu Tab. 36 und HA Krupp WA 41/6-205. 31 Patrik von zur Mühlen, »Schlagt Hitler an der Saar!« Abstimmungskampf, Emigration und Widerstand im Saargebiet 1933-1945, Bonn 1979, S. 227ff.; Erich Matthias, Sozialdemokratie und Nation. Ein Beitrag zur Ideengeschichte der sozialdemokratischen Emigration in der Prager Zeit des Parteivorstandes 1933-1938, Stuttgart 1952, S. 130f.

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Anmerkungen zu S. 221-227 32 Ein ähnliches Ergebnis ergab sich 1935 in der Grube Penzberg (Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 321). Von Ablehnungen im Ruhrbergbau berichtet auch Wisotzky (Ruhrbergbau, S. 109f.). Zum Gesamtergebnis 1935 im Reich Schumann, Nationalsozialismus, S. 128. 33 S. Tab. 26. 34 Zu den Berufen der Vertrauensmänner: Die Erholung (Werkszeitschrift IG Farben, Leverkusen), Nr. 4, April 1934. Es ›kandidierten‹ 8 Angestellte, 1 Meister, 7 Facharbeiter bzw. Handwerker und 4 Arbeiter. Abstimmungsbeteiligung 1935 88,0%, ungültige Stimmen 0 , 5 % . Bayer-Archiv 214/10. 35 Ebd.; ›Deutschland-Berichte‹, Mai 1935, S. 546f. Eine neue Variante ergab sich im Leuna-Werk. Dort wurden 1934, so die offiziellen Zahlen, bei einer hohen Beteiligung von 97,4%2/3der Stimmzettel unverändert abgegeben. Kurz nach der ›Wahl‹ wurde der Vertrauensrat wieder abgelöst, da einige seiner Mitglieder in Unterschlagungen verwickelt waren. Daraufhin wurde durch den Treuhänder der Arbeit ein neuer Vertrauensrat eingesetzt. Für die ›Wahl‹ 1935 wurde eine Beteiligung von 94,4% genannt, unverändert abgegebene Stimmen 7 6 , 2 % . Kämpfendes Leuna, S. 699f., 705. Zu Ludwigshafen: ›Deutschland-Berichte‹, Mai/ Juni 1934, S. 138. 36 Siemens-Mitteilungen, Nr. 161, Mai 1935, S. 76. Die Sozialpolitische Abteilung ging in ihren Geschäftsberichten darauf nicht ein. Auch die ›Deutschland-Berichte‹ enthalten keinerlei Informationen. 37 Werner, Bleib übrig!, S. 17. Die Entscheidungssituation innerhalb der NS-Führung beschreibt Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 187ff. 38 Zu den Intentionen der NS-Führung auch Zollitsch, Vertrauensratswahlen, S. 375f. 39 ›Deutschland-Berichte‹, April 1935, S. 434. 40 Ebd., S. 505. 41 Ebd., April/Mai 1934, S. 29. Zur anpassungsbereiten Haltung der Arbeiterschaft: »Wir haben die Masse viel zu viel idealisiert.« Ebd., Januar 1935, S. 25. S. dazu auch die auf der Auswertung dieser und anderer Exilpublikationen beruhende Untersuchung von Gisela Berglund, Deutsche Opposition gegen Hitler in Presse und Roman des Exils. Eine Darstellung und ein Vergleich mit der historischen Wirklichkeit, phil. Diss. Stockholm 1972, S.86ff.; Werner, Bleib übrig!, S. 16f. 42 Dazu Matthias, Sozialdemokratie und Nation, S. 151 ff.; Berglund, Opposition, S. 89 (Einschätzung der ›Neuen Weltbühne‹); Ian Kershaw, Der Hitler-Mythos - Volksmeinung und Propaganda im Dritten Reich, Stuttgart 1980. Ein Beispiel für sozialpolitische Zugeständnisse der Nationalsozialisten war die Urlaubsfrage. Dazu Buchholz, »Kraft durch Freude«, S. 92ff.; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 92ff. 43 WWA, F 26 Nr. 390. Beispiele auch bei Cross, Zum antifaschistischen Widerstandskampf, S. 241. 44 HA Krupp WA 41/6-205: KP-Flugblatt vom 1. 2. 1935: »Für einheitliches Handeln bei der Wahl der Belegschaftsvertrauensräte«. Von der geringen Resonanz solcher Wahlparolen spricht Voges, Klassenkampf, S. 355 sowie Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 108. 45 Zum Bewußtseinsstand der ›alten Kämpfer‹ und der NSBO: Voges, Klassenkampf, S. 356; Mai, NSBO, S. 609f.; Hetzer, Augsburg, S. 111 f. 46 Es ging um die Einführung der 10-Stunden-Schicht in der Lowa-Abteilung. Sie stieß nicht auf grundsätzliche Abneigung unter den Beschäftigten, wohl weil man das höhere Einkommen ganz gut gebrauchen konnte. Unzufrieden waren die Arbeiter mit dem Schichtbeginn um 7 Uhr. Sie verlangten, daß die Schicht um eine Stunde vorverlegt werden sollte. Aus diesem Grund verließen etwa 50 % der Belegschaft aus der Abteilung Lokomotivbau den Betrieb eine Stunde früher. Die Aktion war vorher abgesprochen worden, denn die zweite Schicht hatte sich ebenfalls eine Stunde früher eingefunden. Eine interne Untersuchung der betrieblichen NS-Instanzen ergab, daß Parteigenossen und SA-Mitglieder die treibende Kraft hinter der Aktion gewesen sein mußten. »Arbeitskameraden, welche außerhalb der Bewegung standen, (hätten) niemals den Mut aufgebracht . . ., den Betrieb zu verlassen.« HA

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Anmerkungen zu S. 228-232 Krupp WA 41/6-161: Schreiben des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik an den Gauobmann der DAF, Johlitz, vom 27. 5. 1938. Weitere Beispiele bei Hanf, Möglichkeiten, S. 112; Mason, Arbeiteropposition, S. 301; Kershaw, Popular Opinion, S. 87. 47 Spohn, Betriebsgemeinschaft, S. 117; Mason, Entstehung, S. 327; Kranig, Lockung, S. 43; Seebold, Stahlkonzern, S. 217ff.; Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 212. 48 HA Krupp WA 41/6-194. 49 HA Krupp WA 41/6-210: Direktoriums-Rundschreiben v. 15. 5. 1934 und Richtlinien für die auf der Gußstahlfabrik eingesetzten Hilfsvertrauensmänner v. 7. 6. 1934. 50 Ebd. sowie Stimmungsberichte der Hilfsvertrauensmänner: WA 41/6-10. 51 HA Krupp WA 41/3-740b: Sozialpolitische Abteilung-Tätigkeitsbericht 1933/34. Zwei Vertrauensmänner waren für ihre Tätigkeit von der Arbeit freigestellt. Die Kosten der unproduktiven Stunden der ›Arbeitervertreter‹, in denen sie ihren Obliegenheiten nachgingen, hatten vor 1933 0,12 bis 0,19% der Gesamtlohnsumme ausgemacht, 1934 sanken sie auf 0 , 0 7 % . Den Vertrauensmännern stand damit eindeutig weniger Zeit zur Verfügung (ebd.). Die Vertrauensmänner erhielten den ihnen zustehenden Lohn, der durch die Lohnkasse auf den jeweiligen Spitzenlohn ihrer Qualifikationsgruppe aufgestockt wurde: HA Krupp WA 41/ 6-193: Vertrauliche Mitteilung der Werksleitung vom 3. 9. 1934. Ein Vertrauensmann, der seine Arbeitsstelle nur noch sporadisch aufsuchte, wurde deswegen ermahnt: WA 41/6-200: Schreiben des Betriebsführers der Krawa-Instandsetzung an die Firmenleitung vom 22. 5. 1934. Den Spitzenverdienst ihrer Abteilung bzw. Gruppe erhielten die Vertrauensmänner auch bei Siemens (die Betriebsräte hatten eine 25 %ige Entschädigung erhalten): SAA 11/Lg 694 v. Buol: Protokoll über die 1. Sitzung des Vertrauensrates im WWF am 30. 5. 1934. In Leverkusen erhielten die Vertrauensmänner einen Wochenlohn, der ihren bisherigen Bezügen entsprach, wobei eine Aufrundung anerkannt wurde: Bayer-Archiv 214/12: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates am 29. 10. 1935. Weitere Unterlagen zur Tätigkeit des Vertrauens rates bei IG Farben sind leider nicht erhalten. 52 HA Krupp WA 41/6-207 und 208: Niederschriften der Sitzungen des Vertrauensrates der Gußstahlfabrik. Z. B. Sitzung vom 20. 5. 1936 (Entlohnung der Kraftfahrer); Sitzung vom 13. 11. 1935 (abgelehnte Lohnforderung für die Arbeiter des Steinwerks); 207: Sitzung vom 21. 4. 1937 (Ablehnung allgemeiner Lohnerhöhungen). 53 HA Krupp WA 41/6-217: Niederschrift über die Zusammenkunft der Gefolgschaftsführer, der Abteilungsvorsteher, des Vertrauensrats, ihrer Stellvertreter und der Hilfsvertrauensmänner am 26. Juni 1936. 54 Ebd. 55 WWA, F 26 Nr. 390: Protokoll der Sitzung des Vertrauensrates am 7. 5. 1934. Zum Ergebnis der Vertrauensratswahl s. oben S. 226 und Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 107. 56 WA, F 26 Nr. 390: Sitzung des Vertrauensrates vom 18. 9. 1934. 57 SAA 11/Lg 667 v. Buol: Niederschrift über die Vertrauensratssitzung des WWM am 23. 7. 1934; s. auch ebd.: Protokoll über die Sitzung des Vertrauensrates der Abteilung für Elektrochemie am 29. 6. 1934. 58 WWA, F 26 Nr. 390: Sitzung des Vertrauensrates vom 3. 10. 1935. 59 Ebd.: Niederschrift über die Vertrauensratssitzung für die Schachtanlage 2/3 am Samstag, dem 7. 12. 1935. Die Tagesordnung der Sitzung war höchst umfangreich: »Verstoß des Steigers S. gegen die Betriebsgemeinschaft; Lohn in der östlichen Sohlbahn; Bestrafungen; Verbandsstoff; Zurückversetzung der Gedingearbeiter in den Schichtlohn; Kündigung der Verletzten und Kranken; Benachrichtigung des Vertrauensrates bei Kündigung und Einstellung; Brennholz; Waschkaue; Seilfahrtsordnung; Verstoß gegen die Marschordnung; Fall De./ Fahrsteiger Di.; Leistungssteigerung ohne Ende; Weihnachtshilfe; Signale über Tage; 9. Stunde über Tage; Nagelbrett für das WHW; Schichtregelung für Weihnachten und Silvester; Berufskleidung.« 60 Notiz über die Besprechung mit den Mitgliedern des Vertrauensrats der Schachtanlage

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Anmerkungen zu S. 232-235 2/3 in Anwesenheit des Kreiswalters der DAF und des Kreisbetriebsgemeinschaftswalters K. am 27. 12. 1935. Dazu auch Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 210 f. 61 BBA 13/1168 (Bd. 519): Schreiben der Klöckner-Werke AG, Zeche Werne an den Treuhänder der Arbeit, Westfalen vom 1. 3. 1935. 62 Zimmermann, »Ein schwer zu bearbeitendes Pflaster«, S. 79f. 63 Michael Zimmermann, »Betriebsgemeinschaft« - der unterdrückte Konflikt. Aus den Protokollen des Vertrauensrats der Zeche »Friedrich der Große«, in: Lutz Niethammer u. a. (Hg.), »Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst«. Einladung zu einer Geschichte des Volkes in NRW, Berlin 1984, S. 171-174. 64 BBA 13/1028 (Bd. 487): Schreiben von Ernst Brandi an Dr. v. Löwenstein vom 7. 1. 1937. 65 S. dazu auch Kap. II. 4. Als Nachhilfe in›Klassenkampf‹und Antikapitalismus konnten manche Versammlungen der DAF mit Vertrauensmännern im Ruhrbergbau bezeichnet werden: BBA 13/1166 (Bd. 519): Bericht über den Schulungsabend für Vertrauensräte und Gefolgschaftsführer des Landkreises Recklinghausen am 10. 12. 1934 (der Bericht wurde von drei anwesenden Bergassessoren der Gewerkschaft Auguste Victoria/Hüls angefertigt): »Als zweiter Redner trat der bei der Reichsbetriebsgemeinschaft Bergbau tätige Referent S. auf. Er führte aus, daß die Betriebsgemeinschaft Bergbau von unten her auf den Betrieben aufgebaut sei. Die Betriebswalter hätten der Arbeitsfront ständig Material zur Unterrichtung und als Unterlage für die Beurteilung der Betriebe zu liefern. Durch einen ständigen Vertreter beim Treuhänder der Arbeit habe die Arbeitsfront Gelegenheit, auch hier dafür zu sorgen, daß Mißstände beseitigt würden. In erster Linie seien monatliche Stimmungsberichte einzureichen, in denen über die Mißstände im Betriebe und über das Verhalten des Gefolgschaftsführers wahrheitsgemäß Mitteilung zu machen sei. . . . Von den Betriebswaltern müßte eine stolze Haltung verlangt werden. Die Zeiten müßten vorbei sein, in denen beim Erscheinen des Gefolgschaftsführers der Vertrauensrat ›in die Hose machte‹ oder mit ›schlotternden Knien‹ dastünde. Vielmehr wären die Zeiten heute so, daß jeder Gefolgschaftsführer, der sich nach wie vor als ›liberalistischer Schweinehund‹ zeige, und von den früheren Gewohnheiten der ›Ausnutzung der Arbeiter‹ nicht abließe, von dem Vertrauensrat gemeldet werden müsse. . . . Die Wirtschaftsführer hätten nicht ihr eigenes Vermögen in den Werken zu verwalten, sondern alles wäre Volkseigentum, an denen die Arbeiter ebenso Anteil hätten, wie der Führer des Betriebes.« Mit ähnlichem Tenor s. auch BBA 13/1649 (Bd. 670): Bericht über eine Arbeitsfront- und Betriebsgemeinschaftsversammlung am 3. 10. 1934 in Gelsenkirchen. Zu Eingriffen der DAF auf den Vertrauensrat: Hetzer, Augsburg, S. 113f. Zu gewerkschaftsähnlichen Aktivitäten der DAF: Kranig, Lockung, S. 107ff. (bes. 116). 66 Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 212. 67 So Mai, Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?, S. 216. 68 Schumann, Nationalsozialismus, S. 130; Hetzer, Augsburg, S. 113; z. B. auch SAA 11/Lg 699 v. Buol: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates des WWZ am 26. 3. 1936. 69 ›Deutschland-Berichte‹, April 1936, S. 487. Dazu auch Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 335. 70 Heinrich August Winkler, Vom Mythos der Volksgemeinschaft, in: AfS, Jg. 17, 1977, S. 484-490, 486. 71 Mai, Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?, S. 218; Siegel, Rationalisierung, S. 112. 72 Vgl. auch Mai, Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?, S. 219. 73 Aus der reichhaltigen Literatur: Mason, Arbeiteropposition, S. 293-313; Detlev Peukert, Der deutsche Arbeiterwiderstand 1933-1945, in: Karl Dietrich Bracher u. a. (Hg.), Nationalsozialistische Diktatur 1933-1945. Eine Bilanz, Düsseldorf 1983, S. 633-654; Martin Broszat, Resistenz und Widerstand, in: ders. u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 4. München 1981, S. 691-709; Peter Hüttettberger, Vorüberlegungen zum »Widerstandsbegriff«, in: Jürgen Kocka

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Anmerkungen zu S. 235-240 (Hg.), Theorien in der Praxis des Historikers, Göttingen 1977, S. 111-139; Klaus Tenfelde, Soziale Grundlagen von Resistenz und Widerstand, in: Jürgen Schmädeke u. Peter Steinbach (Hg.), Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Die deutsche Gesellschaft und der Widerstand gegen Hitler, München 1985, S. 799-812; Hans-Josef Steinberg, Die Haltung der Arbeiterschaft zum NS-Regime, in: ebd., S. 867-874. 74 HA Krupp WA 41/6-207: Niederschrift über die Sitzung des Vertrauensrates am 21. 4. 1937. Weitere Beispiele: Klaus Mammach, Die Betriebe - Hauptfeld des Widerstandes der Arbeiter. Zum antifaschistischen Kampf 1936-1941, in: Jahrbuch für Geschichte, Jg. 27, 1983, S. 201-227; Peukert, Ruhrarbeiter; Voges, Klassenkampf; Gillingham, Ruhrbergleute, S. 333ff.; Mason, Arbeiteropposition. 75 Zitat in: Martin Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 1, S. 284; sowie Wisotzky, Ruhrbergbau, S. 240f.; Mai, Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?, S. 223f. 76 Wisotzky, Ruhrbergbau, S.238ff.; ders., Der Ruhrbergbau am Vorabend, S. 427ff.; Werner, Bleib übrig!, S.22ff.; Hochstem, Ideologie, S. 177ff. Ebenso zur ökonomischen Wurzel des Arbeiterverhaltens: Winkler, Mythos der Volksgemeinschaft, S. 488; Tenfelde, Proletarische Provinz, S. 335; Hanf, Möglichkeiten, S. 111 ff.; Hochstem, Ideologie, S. 166ff.; Kershaw, Popular Opinion, S. 108ff.; Herbert, »Die guten und die schlechten Zeiten«, S. 94f. (Anm. 7). Einen quantitativen Überblick über Arbeitskonflikte im NS-Staat versucht Günter Morsch, Streik im »Dritten Reich«, in: VfZ, Jg. 36, 1988, S. 649-689. Die Relevanz der Daten wird allerdings kaum hinterfragt. S. dazu kritisch Herbert, Arbeiterschaft, S. 341. 77 Mai, Warum steht der deutsche Arbeiter zu Hitler?, S. 224; Reichhardt, Deutsche Arbeitsfront, S. 158 f. Ein Beispiel für die Klage der Industrie über die Arbeit der Rechtsberatungsstellen der DAF: BBA 13/1690 (Bd. 682): Schreiben der Bezirksgruppe Ruhr der Fachgruppe Steinkohlenbergbau an die DAF, Rechtsberatungsstelle Dortmund vom 22. 10. 1937. 78 Herbert, Entwicklung, S. 25f.; ders., »Die guten und die schlechten Zeiten«, S. 94 Anm. 7. 79 Eiber, Arbeiter, S. 193 sowie Broszat u. a. (Hg.), Bayern in der NS-Zeit, Bd. 1: Einführung Broszats zu Teil II: Lage der Arbeiterschaft, Arbeiteropposition, Aktivität und Verfolgung der illegalen Arbeiterbewegung 1933-1944, S. 199 f.; Kershaw, Popular Opinion, S. 82, 101 (Autobahnbau); Hetzer, Augsburg, S. 124. 80 Hochqualifizierte Arbeiter in der Siemens-Abteilung Versuchsmechanik konnten ihren Akkordlohn von 1,05 auf 1,20 Μ in die Höhe schrauben: ›Deutschland-Berichte‹, September 1936, S. 1192; dazu auch Voges, Klassenkampf, S. 347.

Schluß 1 Franz Neumann, Behemoth. Struktur und Praxis des Nationalsozialismus 1933-1944, Köln 1977, S. 331; Arkadij R. L. Gurland, Technologische Entwicklung und Wirtschaftsstruktur im Nationalsozialismus, in: Max Horkheimer u. a., Wirtschaft, Recht und Staat im Nationalsozialismus. Analysen des Instituts für Sozialforschung 1939-1942, Frankfurt 1981, S. 235-283, bes. 235ff. u. 241 ff.; Gerhard Mensch u. Reinhard Schnopp, Stalemate in Technology, 1925-1935. The Interplay of Stagnation and Innovation, in: Wilhelm Heinz Schröder u. Reinhard Spree (Hg.), Historische Konjunkturforschung, Stuttgart 1981, S. 60-74. 2 Vgl. dazu Betriebsklima. Eine industriesoziologische Untersuchung aus dem Ruhrgebiet, Frankfurt 1955, S. 14; Mason, Entstehung, S. 339f. 3 Zur Integration der Arbeiterschaft in die Industriegesellschaft und zur Definition des industriellen Klassenkonflikts: Giddens, Klassenstruktur, bes. S. 249ff.; Dahrendorf, Soziale

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Anmerkungen zu S. 240-244 Klassen, S. 70ff. Zu einzelnen Sozialisationstypen: Mooser, Arbeiterleben, S. 160ff.; Barnngton Moore, Ungerechtigkeit. Die sozialen Ursachen von Unterordnung und Widerstand, Frankfurt 1982, bes. S. 627 ff. Den Vorgang der verfassungs- und sozialpolitischen Integration beleuchtet Josef Mooser, Abschied von der »Proletarität«. Sozialstruktur und Lage der Arbeiterschaft in der Bundesrepublik in historischer Perspektive, in: Werner Conze u. M. Rainer Lepsius (Hg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik, Stuttgart 1983, S. 143-186, 185. Zur Integrationsthese im weiteren Rahmen: Bendix, Herrschaft, S. 563 f. 4 v. Plato, »Der Verlierer geht nicht leer aus«, S. 193, 196f.; Inge Marßolek, Arbeiterbewegung nach dem Krieg (1945-1948). Am Beispiel Remscheid, Solingen, Wuppertal, Frankfurt 1983, S. 209; Zimmermann, Ausbruchshoffnungen. 5 Vgl. Zimmermann, Ausbruchshoffnungen, S. 104. 6 Herbert, Entwicklung, S. 25 f. 7 Mason, Sozialpolitik, S. 15 ff. 8 Mason, Bändigung, S. 34; Jürgen Franzke u.a., Der Zusammenbruch der Weimarer Republik als biographisches Ereignis, in: Martin Kohli u. Günther Robert (Hg.), Biographie und soziale Wirklichkeit. Neue Beiträge und Forschungsperspektiven, Stuttgart 1984, S. 261-283. 9 Mammach, Betriebe, S. 226; Peukert, Arbeiterwiderstand; Steinberg, Haltung; Tenfelde, Soziale Grundlagen. Zum politischen Widerstand bes. von Krupp-Arbeitern: Hans-Josef Steinberg, Widerstand und Verfolgung in Essen, Hannover 1969, S. 111 f., 260ff., 339 (Berendonk, Neuroth: ehemalige KP-Betriebsräte bei Krupp). Im Firmenarchiv fand dieser Widerstand keinen Niederschlag. Zur Haltung der Jugendlichen: Detlev Peukert, Volksgenossen und Gemeinschaftsfremde. Anpassung, Ausmerze und Aufbegehren unter dem Nationalsozialismus, Köln 1982, S. 172 ff. 10 Daß sich die Betriebsräte in ihrer »ausgeprägten Betriebsbezogenheit« nach 1945 an den Erfahrungen der NS-Zeit orientierten, darauf weist eine neue Untersuchung hin: Michael Fichter, Aufbau und Neuordnung: Betriebsräte zwischen Klassensolidarität und Betriebsloyalität, in: Martin Broszat u. a. (Hg.), Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, München 1988, S. 469-549. 11 Mason, Bändigung, S. 40, der selbstkritisch diesen speziellen Aspekt besonders hervorhebt. Zu Ian Kershaw s. seinen ausgezeichneten Überblick: Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Überblick, Reinbek 1988, S. 144. 12 Hachtmann, Industriearbeit, S. 302. 13 Knut Borchardt, Die Bundesrepublik in den säkularen Trends der wirtschaftlichen Entwicklung, in: Werner Conze u. M. Rainer Lepsius (Hg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik, Stuttgart 1983, S. 20-45, 31; Walt W. Rostow, Stadien wirtschaftlichen Wachstums. Eine Alternative zur marxistischen Entwicklungstheorie, Göttingen 1960, bes. S. 104ff.; Werner Abelshauser u. Dietmar Petzina, Krise und Rekonstruktion. Zur Interpretation der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands im 20. Jahrhundert, in: Wilhelm Heinz Schröder u. Reinhard Spree (Hg.), Historische Konjunkturforschung, Stuttgart 1981, S. 75-114. 14 Rainer Zitelmann, Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs, Hamburg 1987, S. 455, 466 (ein krasses Beispiel textimmanenter Hitler-Deutung ohne Bezug zur realhistorischen Ebene); im Urteil abgewogener Ronald Smelser, Hitlers Mann an der »Arbeitsfront«: Robert Ley. Eine Biographie, Paderborn 1989, S. 299ff. 15 Vgl. dazu Kershaw, NS-Staat, S. 288 und die Einleitung von Martin Broszat, in: ders. u. a. ( H g ) , Von Stalingrad zur Währungsreform, S. XXV-XLIX. 16 Zur Sichtweise der Massengesellschaft: Emil Lederer, Ende der Klassengesellschaft? Zur Analyse des Faschismus, in: ders., Kapitalismus, Klassenstruktur und Probleme der Demokratie in Deutschland 1910-1940, hg. v. Jürgen Kocka, Göttingen 1979, S. 239-252; Gurland, Technologische Entwicklung, S.248ff., 273 (Anm. 53) sowie in der Forschung nach 1945: Schoenbaum, Revolution; Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München, 19775, S. 415ff.

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Anmerkungen zu S. 244-245 17 Norbert Frei, Der Führerstaat. Nationalsozialistische Herrschaft 1933 bis 1945, München 1987, S. 167. 18 Prinz, Mittelstand, S. 336. 19 So der Titel einer Studie, die die »ideologische Vergesellschaftung der deutschen Arbeiterschaft« untersucht, aber sozialgeschichtlich kaum neue Erkenntnisse zu vermitteln vermag: Eberhard Heuel, Der umworbene Stand. Die ideologische Integration der Arbeiter im Nationalsozialismus 1933-1935, Frankfurt 1989, S. 28. 20 Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt 1977, S. 136-169, 167.

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Abkürzungsverzeichnis ADGB AEG Aß AOG ASS BASF BBA DAB DAF DATSCH Dinta DMV DNVP DVP FAH GG GHH GMH HA H.-D. HStAD IG IWK KdF KPD MAN MdW NBS NDB NS NSBO NSDAP NSG RGO RKW SA SAA SP SPD SS SSW SuH Vestag VfZ

Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft Archiv für Sozialgeschichte Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Badische Anilin- und Soda-Fabrik Bergbau-Archiv, Bochum Deutscher Arbeiterbund Deutsche Arbeitsfront Deutscher Ausschuß für technisches Schulwesen Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung Deutscher Metallarbeiter-Verband Deutschnationale Volkspartei Deutsche Volkspartei Familienarchiv, Hügel (Krupp) Geschichte und Gesellschaft Gutehoffnungshütte Gewerkschaftliche Monatshefte Historisches Archiv (Krupp) Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine Hauptstaatsarchiv Düsseldorf Interessengemeinschaft Internationale wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Kraft durch Freude Kommunistische Partei Deutschlands Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Magazin der Wirtschaft Neue Blätter für den Sozialismus Neue Deutsche Biographie Nationalsozialisten Nationalsozialistische Betriebszellen-Organisation Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistische Gemeinschaft Revolutionäre Gewerkschaftsopposition Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit Sturmabteilung Siemens-Archiv-Akte Soziale Praxis Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Siemens-Schuckert-Werke Siemens und Halske Vereinigte Stahlwerke Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte

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VSWG WA WHW WWA WWF WWM WWZ ZfG ZUG

Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Werksarchiv (Krupp) Winterhilfswerk Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund Wernerwerk Fernmeldetechnik (Siemens u. Halske) Wernerwerk Meßtechnik (Siemens u. Halske) Wernerwerk Zentrale (Siemens u. Halske) Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmensgeschichte

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Quellen- und Literaturverzeichnis I. Archivalien Bayer-Archiv, Leverkusen 74/1 214/6 Arbeitsrecht - Fabrikkontorausschuß 214/10 214/12 215/1

Bergbau-Archiv beim Deutschen Bergbau-Museum Bochum (BBA) 13 Bergbau-Verein/Zechenverband/Bezirksgruppe Ruhr, Essen 15 Fachgruppe/Wirtschaftsgruppe Bergbau, Berlin 32 Bergwerksgesellschaft Hibernia AG, Herne DGB-Archiv, Düsseldorf Nl. Heinrich Imbusch Nl. Erich Lübbe Hauptstaatsarchiv, Düsseldorf (HStAD) Regierung Düsseldorf Hoechst-Archiv, Frankfurt-Hoechst Protokolle der Sozialkommission der IG Farben IV 3.4/4 Arbeitgeberverband der chemischen Industrie, Sektion Frankfurt/M Historisches Archiv der Fried, Krupp GmbH, Essen (HA) Werksarchiv 41 (WA): Zentralregistratur Circulare 2-155f 2-167 Krupp-Jahresberichte 3-740 a, b Sozialpolitische Abteilung - Tätigkeitsberichte 3-800ff. Betriebsberichte Belegschaftsstatistik 6-57f 6-10 Stimmungsberichte der Hilfsvertrauensmänner 6-84 Papen-Verordnung 6-102ff. Löhne 6-122ff. Tarifverträge, Tarifordnungen 6-161 Forderungen, Streiks 6-170 Streiks, Aussperrung 1928 6-181 Arbeiterangelegenheiten, allgemein 6-190ff. Betriebsrat 6-200 Vertrauensrat, Persönliches 6-205 Vertrauensratswahl Vertrauensratsangelegenheiten 6-207ff. 6-280 Lohnwesen 41-73-275b Kruppscher Bildungsverein Xa 3,13 Betriebsordnung Xa 4,234 Betriebsordnung

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Fried. Krupp AG, Statistisches Handbuch, Okt./Dez. 1942 Familienarchiv Hügel (FAH) IV C 176 Wirtschaft 1925-1937 IV Ε 1129 Beziehung zu Fritz Thyssen Werner-von-Siemens-Institut für Geschichte des Hauses Siemens, München (SAA) Meine-Nachlaß, KdF-Fahrten 4/Lf549 C. F. v. Siemens 11/Lg 667 v. Buol Vertrauensrat WWM 11/Lg 694 v. Buol Vertrauensrat WWF 11/Lg 699 v. Buol Vertrauensrat WWZ 15/Lg 562 Werksberichte SSW 15/Lc 774 Sozialpolitische Abteilung - Geschäftsberichte 29/Lr 500 Belegschaftsberichte 49/Ls 81 Das Verhältnis des Hauses Siemens zur Deutschen Arbeitsfront 68/Li 83 Chronik der Zentralwerksverwaltung Teil II, III Westfälisches Wirtschaftsarchiv, Dortmund (WWA) F 19 Gewerkschaft Caroline-Holzwickede F 26 Concordia Bergbau AG - Oberhausen

II. Zeitgenössische Periodika Die Arbeit Arbeitertum Der Arbeitgeber Der Betriebsrat. Zeitschrift für Betriebsräte und Betriebsobleute des Verbandes der Fabrikarbeiter Deutschlands Die Chemische Industrie Der Deutsche Metallarbeiter Der deutsche Volkswirt Deutschland-Berichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (Sopade), ND Frankfurt 1980 Die Erholung (Werkszeitschrift Leverkusen) Der Klassenkampf Magazin der Wirtschaft Metallarbeiter-Zeitung Monatshefte für NS-Sozialpolitik Neue Blätter für den Sozialismus Der Proletarier Reichsarbeitsblatt Ruhr und Rhein Siemens-Mitteilungen Soziale Praxis Der Vierjahresplan Wirtschaft und Statistik

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III. Protokolle und Materialsammlungen Protokoll der 11. Konferenz des Reichsbeirats der Betriebsräte und Konzernvertreter der Metallindustrie, abgehalten am 28. u. 29. Dezember 1931 in Berlin, Berlin o. J . Protokoll des 19. ordentlichen Verbandstages des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes in Berlin vom 18. bis 23. August 1930, Berlin o. J . Protokoll über die Verhandlungen des 15. ordentlichen Verbandstages des Fabrikarbeiterverbandes in Leipzig 1925, Hannover 1925. Protokoll der 12. Tagung des Verbandsbeirates des Fabrikarbeiterverbandes vom 28. bis 30. 6. 1930, Hannover 1930. Verband der Fabrikarbeiter Deutschlands. Für geschlossene Front. Gegen Spaltung und Schwächung der Gewerkschaften. Materialsammlung und Vortragsdisposition, Hannover Dezember 1930. Der Fabrikarbeiterverband in der Wirtschaftskrise. Materialsammlung und Vortragsdisposition, Hannover Mai 1931.

IV. Sonstige Quellen und Literatur vor 1945 Die Arbeitsleistung in Stahl- und Walzwerken und ihre Abhängigkeit von Arbeitszeit, Arbeitslohn und anderen Faktoren, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungsund Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Bd. IV/7, Berlin 1930. Die Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau in den Jahren 1912 bis 1926, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Bd. IV/2, Berlin 1928. Arbeitszeit, Arbeitslohn und Arbeitsleistung im Hochofenbetrieb, hg. v. Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft, Bd. IV/ 4, Berlin 1929. Arnhold, Carl, Industrielle Führerschaft im Sinne des Deutschen Instituts für technische Arbeitsschulung (DINTA), in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Betriebspolitik, Berlin 1930, S. 11-17. Die sozialen Auswirkungen der Rationalisierung. Einführende Studien, Genf 1932 (= Internationales Arbeitsamt. Studien und Berichte, Reihe Β Nr. 18). Bäumer, Peter C., Das Deutsche Institut für technische Arbeitsschulung, in: Goetz Briefs (Hg.), Probleme der sozialen Werkspolitik, 1. Teil, München 1930. Benjamin, Walter, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: ders., Illuminationen. Ausgewählte Schriften, Frankfurt 1977, S. 136-169. Berger, Georg, Die Arbeitslosigkeit im deutschen Steinkohlenbergbau, in: Manuel Saitzew (Hg.), Die Arbeitslosigkeit der Gegenwart, 4 Teile, Teil II, München 1932, S. 1-31. Bertrams, Ferdinand, Wohlfahrtseinrichtungen in der Industrie, Bielefeld 1927. Bolz, Walter (Hg.), Nebenerwerbssiedlungen für Kurz- und Vollarbeiter, Berlin 1934. Bonn, Moritz Julius, Das Schicksal des deutschen Kapitalismus, Berlin 19302. Brady, Robert Α., The Rationalization Movement in German I ndustry. Α Study in the Evolution of Economic Planning, Berkeley 1933. Briefs, Goetz, Betriebsführung und Betriebsleben in der Industrie. Zur Soziologie und Sozialpsychologie des modernen Großbetriebs in der Industrie, Stuttgart 1934. -, Das gewerbliche Proletariat, in: Grundriß der Sozialökonomik, Bd. 9,1, Tübingen 1926, S. 142-240. Brigl-Matthiaß, Kurt, Das Betriebsräteproblem in der Weimarer Republik, in: R. Crusius u. a. (Hg.), Die Betriebsräte in der Weimarer Republik. Von der Selbstverwaltung zur Mitbestimmung, 2 Bde., Bd. 2, Berlin 1978. Dehn, Günther, Proletarische Jugend. Lebensgestaltung und Gedankenwelt der großstädtischen Proletarierjugend, Berlin o. J . (1929).

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Namen- und Sachregister Agfa-Wolfen 23, 199 f. Akademie der Arbeit 155 Akkord, Akkordlöhne 73-82, 84f., 88-94, 180 »Alter Verband« 190f., 194 Angestellte 174f., 216, 240 Arbeiter - angelernt 43-52, 56-58, 61, 66f., 257 - ungelernt 43-49, 51 f., 57f., 61 f., 66f., 69, 176, 196 Arbeiterbewußtsein 11, 14, 37-41, 60, 70f., 103, 124f., 127, 153-155, 165, 267 Arbeiterinnen 43, 45f., 49, 52-56, 105, 203, 256 Arbeiteropposition 13, 235-237, 240, 242 Arbeitgeberverband Nordwest 180 Arbeitslosenversicherung 100 f., 140 Arbeitslosigkeit 11, 34, 199 Arbeitsplatzangst 11, 37, 160-165, 209, 239 Arbeitsproduktivität 22f., 29, 31-35, 55, 84 Arbeitszeit 78, 80, 84f., 89-91, 98-100, 116, 152, 160, 251 Arnhold, Carl 137 f. Ausbildung (Anlernung) 46-48, 50-52, 55, 57f., 61, 63-65, 68-71, 138 Autobahnbau 237 Bad Neustadt an der Saale 22 BASF 23, 43f., 72 Bayer 23, 45-47 Benjamin, Walter 245 Benzinsynthese 24 f. Bergbau (s. Steinkohlenbergbau) Bergmännischer Beruf 34f., 40f., 63-66, 95 Bergwerks AG Recklinghausen 191-193, 232 Berlin 20, 49, 52, 55, 119, 132, 137, 202-207, 224f., 233, 288 Berufsbewußtsein 66, 70 f. Betriebliche Sozialpolitik 108-113, 132-136, 168, 229 - Bergbau 128-130, 163 f. - IG Farben 114-118, 122, 270 - Krupp 95, 122-128, 183, 272 - Siemens 86f., 119-122, 145, 270

Betriebsappell 174 »Betriebsgemeinschaft« 109, 121, 136 f., 139f., 146, 148, 150 f., 153-158, 165-172, 175f., 178, 214, 231, 234, 239f. Betriebsklima 109-111, 137 f., 149, 153-157, 169f. Betriebsordnung 166, 170 f. Betriebsrat 40, 109-111, 228, 230 - IG Farben 151 f. - Krupp 141 f., 212, 216, 228, 230 - Siemens 146-148, 210f. Betriebsratswahlen 153, 179, 208-210, 214, 288 - Bergbau 190-195 - IG Farben 195-202 - Krupp 183-189, 212, 220 - Siemens 203-207, 210 Betriebssoziologie 136f. Betriebszählung 14f., 67 Bochumer Verein 127, 187 Bormann, Martin 218f. Bosch, Carl 115, 151 Brandi, Ernst 232 f. Braunkohleindustrie 153 Briefs, Goetz 136f, 141, 166 Buchholz, Wolfhard 131, 135 Bunaherstellung 24 f. Christliche Gewerkschaften, Christlicher Metallarbeiterverband 37f., 180, 182, 184-192, 194, 212, 226 Concordia Bergbau AG 97, 171, 191, 193, 212f., 226, 230f. Creutzburg, August 197 Cuntz, Heinrich 61 Daimler-Benz AG 16 Dechamps, Gustav 193, 212 f., 231 Denunziationen 161 f., 281 Deutsche Arbeitsfront (DAF) 64, 66, 97f., 104 f., 130-133, 167, 170 f., 173-175, 213-215, 225, 227, 231-236 Deutsche Volkspartei (DVP) 189 Deutscher Arbeiterbund (DAB) 183-186, 188f., 279

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Deutscher Ausschuß für technisches Schulwesen (DATSCH) 60 Deutscher Metallarbeiter-Verband (DMV) 40, 146, 163, 173, 181 f., 184-189, 202-206, 208 Deutsches Institut für technische Arbeitsschulung (Dinta) 60, 63 f., 111, 128 f., 137-139, 142, 150, 154, 156 »Deutschland-Berichte« 11 f., 104f., 107, 131, 165, 219, 224-226, 233 Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 189 Dinslaken 194 Dormagen 47 Duisburg 163, 190, 192-194

Gewinnbeteiligung 115, 120f., 123, 128 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) 81, 165-169, 171 f., 175f., 214f., 227f., 233 Gillingham, John 66 Gleichschaltung auf Betriebsebene 207 f., 210-214 Goebbels, Joseph 205 Goerens, Paul 229 Großbritannien 104, 235 Großmann, Ernst 152 »Grubenmilitarismus« 138 f., 157, 170 Gutehoffnungshütte (GHH) 59, 102, 128, 143

Elektroindustrie 20-23, 49-57 Enquete-Ausschuß 37, 39, 46 Entsolidarisierung 160-165 Essen 25f., 124, 187, 212 Export 20, 24, 27

Hachtmann, Rüdiger67, 104f., 243 Hamburg 219 Hamilton, Richard 189 Hamm 194 Handwerker 43-45, 196 Hanf, Reinhardt 48 Harpener Bergwerks AG 33 Heidelberg 151 Heimann, Eduard 111 Herbert, Ulrich 13, 143, 236 Hibernia Bergwerksgesellschaft 100, 129, 193 Hitler, Adolf 169, 214, 226, 242 Hochstein, Beatrix 236 Hoechst 23, 114, 196, 198-200, 224 Holzwickede 163 f., 192, 194 Homburg, Heidrun 49 Hüttenindustrie 26, 58f., 88-91, 186f.

Fabnkarbeiterverband Deutschlands 42, 110, 149, 152, 195f., 200 Facharbeiter 67-71 - Bergbau 34f., 40f., 63-66, 95 - Metallindustrie 49-53, 55-61, 85f., 182f., 257 Facharbeitermangel 30, 34, 39, 51, 55f., 61, 67-69, 86, 93 Facharbeiterprüfungen 60, 63f., 69f. Faktor »Mensch« 36, 102, 112f., 118, 136f., 156, 167, 174, 239 Falterjürgen 14, 179 Feierschichten 34, 98, 100 Fließtechnik, Fließband 21 f., 26, 38, 51-53 Fluktuation 47, 58, 114, 143f., 149f., 158f., 177f., 284 Ford, Henry 21 Fraenkel. Ernst 162 Freizeit 131 f., 135 Fricke, Fritz 154 Friedmann, Georges 69 Friedrich-Alfred-Hütte 186 Fromm, Erich 14 Geck, Adolf 137 Gedinge 96-98 Geiger, Theodor 110 Gelsenkirchener Bergwerks AG 128-130, 137f. Gewerkschaften 109-112, 139f., 147, 151, 154f., 163f, 190-194, 196, 202-205, 211 f. Gewerkschaftsbewußtsein 158, 209, 227, 234-236, 240, 242

IG Farben 20, 23-25, 43-48, 72-82, 110, 114-118, 122, 148-152, 174, 195-202, 221, 224 Inflation 26, 68 Internationales Arbeitsamt 119, 146 Investitionsgüterindustrie 19 Jahresprämien 73 Jarres, Karl 163 Johlitz, Fritz 170, 186, 212 »Kampf um die Seele des Arbeiters« 128f., 137, 139 Kartellierung 27, 30, 103 Kellermann, Hermann 102 Kershaw, Ian 243 Knappschaft 100, 128 Köttgen, Carl 21 Kommunisten, KPD-Betriebsratslisten 142, 147, 183-200, 202-209, 226 f. Konsumgüterindustrie 19, 105

318 © 2011, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN E-Book: 978-3-647-35751-5

»Kraft durch Freude« (KdF) 123, 130-135, 243 Krupp, Alfred 122, 124 Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav 26, 125. 127, 143, 169 Krupp 19f., 25-30, 35, 57-63, 88, 95, 109, 122-128, 131, 134, 140-145, 158-161, 169, 172-178, 180-189, 209, 212, 215-224, 227-229, 258, 272f., 279, 281 - einzelne Betriebsteile 57-59, 61-63, 91-94, 160. 180-189, 217f., 220-223, 227 »Kruppianer« 124f., 127, 141-143 Kühr, Herbert 189 Lebenshaltungskosten 91, 104f., 263 Lehrwerkstätten, Lehrlinge 43, 46, 51, 59, 63, 68, 70, 138 Leipart, Theodor 111, 151 Leistungslöhne 73f., 76-82, 84-94, 96-98, 104,. 106, 168, 239 Leuna 23-25, 48, 114, 148 f., 196f., 199-202, 209 Leverkusen 45, 47, 78, 80, 114, 117, 148, 174, 198-200, 224 Ley, Robert 88, 174, 218f. Löhne 102-107, 229, 238f., 267 - Bergbau 95-102 - Chemie 46 f., 72-82, 262 - Elektroindustrie 82-87, 263 - Krupp 88-95, 176, 229, 264 f. Löwenthal, Richard 165 Löwenstein, Hans von und zu 232 Ludwigshafen 43 f., 114f., 148f., 196 f., 200 Lübbe, Ench 40, 146f., 208, 211, 277 Maifeiertag 213 de Man, Hendrik 155f. Mannesmann AG 156, 187 Mannheim-Rheinau 116 Mansfeld, Werner 81 Mason, Timothy 13, 104, 167, 219, 227 Metallarbeiter-Zeitung 38f., 182, 201 Modernisierung 13, 167f., 238-241, 243f. Moers 170 Nationalsozialistische Betriebsratslisten 183-186, 188f., 191, 194, 200-203, 208f., 211 f. Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation (NSBO) 66, 80f., 116f., 168, 190, 194f., 207, 209-214, 219, 227, 229 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 131, 189, 205, 212f., 215, 218f., 226, 229

Neukirchen 170 Niederrheinische Bergwerks AG 170 Novemberrevolution 190, 195, 219 Nürnberg 11, 20, 56, 161, 235 Oberhausen 191, 231 Oeynhausener Schiedsspruch 180f., 205 Oppau 24, 44, 114f., 148f. Pensionswesen 115-117, 119f., 124 f. Piesteritz 162, 199 Pietrkowski, Edmund 150 Preller, Ludwig 117 Prinz, Michael 175, 177 Privatsphäre 15, 135, 225 Quahfikationsprofil 30, 41 f., 67-71, 238 - Bergbau 63-66 - Chemie 42-49 - Elektroindustrie 49-57, 257 - Krupp 57-63 Rationalisierung 21-23, 26f., 30-41, 52, 65, 95-97, 102f., 157, 168 Reichsarbeitsministerium 98, 176f., 187, 205 Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit 36 Reichswirtschaftsministerium 213 Renn-Verfahren 28 Reusch, Paul 143 Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) 180-183, 190-194, 197, 199f., 202f., 205f., 208f. Rheinhausen 186 Rüstungspolitik 25, 27-29 »Ruhr und Rhein« 101, 209 Ruhrbergbau (s. Steinkohlenbergbau) Ruhreisenstreit 143 Saargebiet 221 Schachtanlage Beeckerwerth 194 - Friedrich Thyssen 190, 192, 194 Schoenbaum, David 13 »Schönheit der Arbeit« 130, 133f., 229 Schumann, Hans-Gerd 195 Schwenger, Rudolf 141 Schwerindustrie 20, 26f., 60, 122, 169 Siemens, Carl Friedrich v. 120, 145-148, 211 Siemens 20-23, 40, 49-57, 82-87, 118-122, 131-134, 145-148, 157, 175, 178, 202-208, 210f., 224, 231 - einzelne Betriebsteile 22, 51, 53-55, 57, 86, 121, 203-207, 210f. Sonneberg 55 Speer, Albert 133

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Spohn, Wolfgang 227 Ständeideologie 66, 194 Stahlhelm 201 f. Stahlwerk Becker 163 Stegerwald, Adam 180 Steiger 96 f., 157, 230 Steinkohlenbergbau 19, 30-36, 40 f., 63-66, 95-102, 128-130, 134, 138-140, 170 f., 190-195, 230-232, 237 Strafordnung 142-172 Streik 180-183, 192-196, 199f., 205 f., 227 Studders, Herbert 119 Syrup, Friedrich 177 f. Tammen, Helmuth 116, 150 Tarifordnung, Tarifwesen 48, 78, 90, 100, 139, 163f., 180 Tarnow, Fritz 151 Taylor, Frederick Winslow 21, 112 Terboven, Josef 101 Thyssen, Fritz 211 Tönnies, Ferdinand 153 Treuhänder der Arbeit 82, 105, 167, 213, 215, 232 Tschirbs, Rudolf 41, 65

- Krupp 94, 172-175, 228-230 - Siemens 121, 175, 231 Vertrauensratswahlen 214 f., 218-221. 224-227 - Bergbau 218 f., 230 - IG Farben 221, 224 - Krupp 215-224 - Siemens 224 Vierjahresplan 25, 34, 69, 101, 104, 168 Vögler, Albert 137 Völckers, Carl 205 Volks- und Berufszählung 14 f. Volksgemeinschaftsideologie 135, 166, 214 240 f., 244 f.

Unternehmer 136 f., 213 - im Bergbau 30 f., 64, 101 f., 128, 137-140, 232 f. Urlaub 86, 114 USA 112

Walzwerke 40, 58 f., 88 f. Wattenscheid 63, 138 Wehner, Herbert 199 Weihnachtsprämie 86 f., 96, 103, 120 f , 123 128 Werksgemeinschaft (s. Betriebsgemeinschaft) Werkswohnungen 109 f., 114, 116 f., 119 123f., 129 Werner, Wolfgang Franz 224, 236 Widerstand 235 f., 242 Willich 163 Winterhilfswerk (WHW) 173 Wirtschaftsfriedliche Bewegung 139, 146 152 f., 183-185, 191, 201, 206 f., 279 Wisotzky, Klaus 195, 218 f., 233, 236

Vaterländischer Arbeiterverein 204, 206f. Vaterländisches Hilfsdienstgesetz 141, 146 Vereinigte Stahlwerke (Vestag) 26, 127 f., 163, 190, 212 Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 113, 200 Vertrauensrat 166, 214 f., 226-236 - Bergbau 97, 230-233 - IG Farben 80

Zeche Caroline 163-165, 192, 194 - Friedrich der Große 232 - Lohberg 194 - Prinz Regent 212 - de Wendel 194 - Werne 232 - Zentrum 63, 138 Zeitstudien 39 Zentralarbeitsgemeinschaft 148, 151

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