Ein buddhistisches Yogalehrbuch. [1]: Textband

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Ein buddhistisches Yogalehrbuch. [1]: Textband

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Bnoblenen Im Akademie-Verlas GmbH, Berlin W 8, Lelpalger Straße M Copyright 196' by Akademie-Verlas, GmbH Lbenmummer: 100/81/M Geaamtheratellung: IV/1/1'. VEB Werkdruck Grifenhalnlchen • !089 Beatellnummer: 2018/69 • BS 7 L • Prell: 116,- DH

HERRN PROFESSOR p

.

FRitDRICH WELLER ZUM 22. 7. 1964 GEWIDMET

INHALT.

EINLEITUNG A. Zur Textgeschichte Fundort und Restauration der Birkenrindenhandschrift - Schreibfehler und Spracheigentümlichkeiten - Ergänzende Papierhandschriften •

9

B. Zum Inhalt Der dogmatische und mythologische Hintergrund - Die grundlegenden Medita.tionserlebnisse und ihre dogmatische Sinngebung - Die ethische Haltung . •

26

TEXT UND 'ÜBERSETZUNG Vorbemerkungen

Z1,llil

Text • • • • • • •

58

1. 'Übung der HäLUichkeitengCalubhaprayoga)

59

II. Entfaltung der Atmungsachtsamkeit {iJni.ipiJnaamrtibhl.ltxmä) •

63

III. 'Obung der Elemente (dhatuprayoga) • • • •

85

IV. Betrachtung der Gruppen (skandhaparilc,a) •

96

V.

Betr~htung

der Bereiche (ayatanaparik1a) • • • • • •

104

VI. Betrachtung des Entstehens in Abhängigkeit (P,.aatyaaamutpadaparilc,a)

111

1 '•



1

1

VII-X. Die Unermeßlichkeiten (apramatui) • VII. Güte (maitri) • •

„ 'J;I

118

1

VIII. Mitleid (karutüJ) IX. Freudigkeit (muditä) 1

115

134 149

I

X .. Gleichmut (upelc,iJ) . XI. Meditationen über den Buddha, die Lehre, die Gemeinde, die Tugend und die Gottheiten (buddha-, dharma-, aarp.gna-, Bila-, devatänuamrti) • •

156 173

WÖRTERVERZEICHNIS • • • • . . • • • • • . .

190

ABK'ORZUNGS- UND LITERATURVERZEICHNIS • •

256

EINLEITUNG

A. Zur Textgeschichte Auf der dritten deutschen „Turfan"-Expedition 1 berichtete ALBERT VON LE CoQ jn ejnem Brief vom 8. April l 906 an das Berliner Museum für Völk.erkunde2 über Handsohriftenfunde in der alten Mönchssiedlung bei Kyzil, 36 km nordwestlich von Kutscha: „Bartus3 ist auf eine Bibliothek geatoßen, aus der eine Anzahl Birkenrinde-Mss. zu Tage gekommen sind - einige größere St1J,eke, viele kalbe B lätter in brauchbarem Zustande' zu seinem und unserem großen Kummer fand sich der Boden dea kl( einen) Raumea s und das aus Stein gehauene B1J,ekerregal 6 dickt bedeckt mit dickten Bekiekten gänzlich vermoderter „potkis" - meist mit centralasiat(iscker) Brakmi, einige aber auch in Gupta oder einer zwi,schen echtem Gupta-Brakmi stehenden Übergangsform 7 - ea ist miserabel, sokhe Grufte aufdecken zu m1l8sen."

Dieser Brief ist die einzige, aber ganz sicheres Erwähnung des Fundortes der unserer Text-

1 Die dritte Deutsche ( = zweite Preußische) Turfan-Expedition (16. Sept. 1905 bis Juni 1907) veranste.ltete in der U m gebung von Kutsche. Grab ungen in Kumt ura, Kyzil und Kirisch. 2 Der Brief ist unter den Akten der deutschen Turfe.n-Expeditionen im Museum für Völkerk unde zu Berlin aufbewahrt. Ich danke Herrn Dr. HEBBEBT HÄBTEL, mir die Durcharbeitung dieser Akten ermöglicht zu haben. 3 THEODOR BABTUS, 1857-1941, der technische Mitarbeiter der Expedition. ' Diese Angabe bezieht sich wohl auf die rechten und linken Eckstücke der Blätter 130- 136, 148-1/i:J u . e.., die freilich nicht die Hä.Ute, sondem weniger als den vierten Teil der Blätter darstellen. 5 Die Reste des ersten und des letzten erhaltenen Blattes der H andschrift (Blatt 170), sowie eine Anze.hl kleiner Fragmente waren zusammengeballt und mit Lehm verschmiert; wahrscheinlich gehören diese Stücke zu den Teilen der Handschrift, die auf den Boden gefallen und dort durch Feuchtigkeit der Zerstörung in besonders hohem Maße ausgesetzt waren. 6 GRÜNWEDEL, Kultstätten, S. 86, erwähnt ein Bücherregal aus Holz in einem Bibliothekare.um in Kyzil; in 'Soröuq wurden Handschriften in .den Füßen der Kultbilder gefunden (ebenda, S. 196, 198 u. 208). 7 Zu den verschiedenen Schrifttypen der in Berlin aufbewahrten Birkenrindenhandschrilten vgl. ScHLINGLOFF, Birkenrindenhandschriften, S. 122. 8.In dem angeführten Brief schreibt A. VON LE CoQ weiterhin, er habe die Photographie eines Blattes a.n Geheimrat PIBCHEL gesandt; die Negativplatte dieser Photographie, - es handelt sich um Blatt 169 V orderaei'te, - ist im Museum für Völkerkunde erb,alten. In einem ebenfalls in den Akten der Turfanexpeditionen aufbewahrten Antwortschreiben an A. VON LECOQ bedankt sich PrscaEL für die Zusendung der Photographie, ohne aber auf den Inhalt einzugehen. ·

JO

Dieter Schlinglo.ff, Ein buddhistisches Y ogalehrbuch

edition zugrunde liegenden Birkenrindenhandschrüt. Diese entstammt also denselben „Mingöi" von Kyzil, denen wir die wertvollsten indischen Palmblatthandsohriften 1, sowie eine überaus große Zahl zentr11.lasiatischer Papierhandschriften verdanken. Hier in Kyzil blühte die zum Hinayäna gerechnete Mönchsschule der Sarvästivädin. Weiter nach Osten, in Sorcuq und in der Umgegend von Turfan, lassen sich neben den Sarvästivädin Anhänger der Schule der Miilasarvästivädin nachweisen 2, die auch mahäyänistische Texte verbreiteten 3. In Kyzil dagegen wurde keine einzige Mahäyänaschrift gefunden.' Auch unser Text geht in seinen dogmatischen und mythologischen Grundlagen nicht über die bekannten Lehren der Sarvästivädin hinaus.5 Um so überraschender ist seine ethische Haltung, die das BodhisatvaIdeal wide1·spiegelt6, das in den Schriften des Mahäyäna im Zentrum de1· Betrachtung steht. Durch die leichte Brüchigkeit der ausgetrockneten Birkeminde war unsere Handschrift in zahllose Fragmente zerfallen, die mit den Bruchstücken anderer Birkenrindenhandschriften vermengt in der Berliner Akademie aufbewahrt wurden. Die Fragmente unterschieden sich von denen der anderen Handschriften dadurch, daß sie nicht in einer Fo1·m der indischen Schrift beschrieben waren, sondern in der durch die Papierhandschriften geläufigen späteren zentralasiatischen Brähmi. Sie konnten deshalb leicht gesondert und einzeln unter Glas gelegt werden; ihre Zusammensetzung erschien jedoch hoffnungslos, bis dann eine eigentümliche Beobachtung den Schlüssel zur Wiederherstellung der Handschrift lieferte: Mehrere Fragmente ließen sich zu Gruppen zusammenstellen, die sich jeweils in ihrem Aussehen, vor allem im Verlauf der für die Birkenrinde charakteristischen dunkleren Luftkanäle (Lentizellen) haargenau glichen. Die Hersteller des Handschriftenmaterials hatten also dickere Rindenstücke von den Birken gelöst, diese in der Form der Handschrift zurechtgeschnitten und dann die einzelnen Lagen der Rinde voneinander getrennt 7, wodurch sie aus einem Stück manchmal bis zu sechs Blätter gewannen. s Um die Handschrift zusammenzusetzen, genügte

1 Vgl. LÜDEBS, Buddh. Dramen, S. 1; Ke.Ipanimai;u;titiki, S. 1; Da.s Zeichen für 70, S. 121 ( = Phil. Ind., S. 723-724); Kite.ntra und Kaum.iralita, S. 502 ( = Phil. Ind., S. 681); Das Säriputraprakara'tla, S. 388 (= Phil. Ind., S. 191); SoHLINGLOFF, Chandoviciti, S. 10, Anm. 1-3. · 2 Fragmente aus dem Vinaya der MUlasarvastividins fanden· sich in Sä.ngim, 36 km östlich von Turfan; vgl. HÄBTEL, Karm.e.vicani, S. ö02:ff.; RosEN, Vinayavibhailga, S. 230ff,; dazu kommen eine Reihe bisher unpublizierter Fragmente aus derselben Gegend. Zu vergleichen sind auch die Inschriften über den Prar,ridhi-Bildem im neunten Tempel von Bä.zä.klik bei Murtuq, die nach HuBEB, Etudes bouddhiques, S. 11, ebenfallS dem Vinaya der Mülaearvastividine entstammen. 3 So fanden sich in Soröuq Fragmente des Dalabhümikaaatra (Kate.log-Nr. 507) und anderer mahiyinistischer Sütra.s. Aus Soröuq stammt auch die Handschrift einer Prajnäparamitä (vorl. Kate.log-Nr. 1) in älterer Schrift im Großformat (Höhe 24,5 cm!); in Turfan wurden gedruckte Blätter der Sataaaliasrikä Prajnapäramitä (ebenfalls im Großformat: 65x19,3 cm) gefunden. ' Vgl. auch Scm.INGLOFF, Buddh. Stotra.s, S. 16: „Bemerkenswert ist, daß das (Rä)hulaatava, da.s einen stark mahä.yä.nistischen Charakter zeigt, sich in keiner der in Kyzil gefundenen Handschriften findet." Ebenso ist das Guf)IJparyantaato'tra nur in Soröuq belegt; s. ebenda S. 5 Anm. 1 u. S. 21 (Katalog-Nr. 1246). 5 Vgl. zur Dogmatik unten, S. 26 ff.; sowie die Vorbemerkungen zu den einzelnen Kapiteln; zum mythologischen Weltbild vgl. unten S. 31 ff. 6 Vgl. unten S. 54ff. 7 Nur in einem Falle (Blatt 122-26) wurden die Lagen erst voneinander gelöst und dann die Blätter einzeln zurechtgeschnitten. s Jeweils folgende Blätter stammen von dem gleichen Rindenstück: 115; 116-17; 118; 119; 120;

121;122-26;127;128-31;132-36;137-39;140-43;144-47;148-51; 152-53;154-56;157;158-63; 164; 165-69 (au.fler 166); 170.

Einleitung

A. Zur Textgeschichte •

J1

es also, daß ein Blatt einer Gruppe hinreichend bestimmt war; es ließen sich dann auch kleine und kleinste Fragmente der übrigen Blätter dieser Gruppe nach ihrer:Lage im Blatt genau festlegen und dadurch oft lückenlos aneinanderpassen. Die Aufeinanderfolge der Blätter konnte dann durch Spuren von Schriftabdrücken sicher bestimmt werden.! So war es möglich, im Laufe der Zeit mit geringen Ausnahmen alle Bruchstücke, die zu unserem Text gehören, zu bestimmen und zu ordnen.2 Hatte ich jedoch anfangs gehofft, auf diese Weise die Hands'Chrift vollständig wiederzugewinnen, mußte ich bald zu meiner Enttäuschung sehen, daß sich zwar eine Anzahl von Blättern aus vielen Fragmenten zusammensetzen ließ3, andere Blätter aber

1 Auf einigen Blättern sind die Abdrücke so deutlich, daß sich die Schrift mit einem Spiegel lesen läßt. Leider finden sich fast nur Abdrücke solcher Blattstücke, die selbst erhalten sind, der Abdruck wird also erst nach der ersten Zerstörung der Handschrift während der je.brhundertele.ngen aufein· andergepreßten Lage erfolgt sein. 2 Diese Arbeit war um so schwieriger, als die Bearbeitung der Fragmente ihrer ~ußerordentlichen Brüchigkeit wegen nur zwischen gerahmten Glasplatten vorgenommen werden konnte. Bei der Identifizierung mußte auch bei kleinsten Fragmenten jedesmal eine neue Re.hmung des Blattes durchgeführt werden, bei welcher oft die vorher eingeordneten Fragmente völlig durcheinanderfi.elen. Bei dieser le.ngwierigen Arbeit konnte ich mich der Hilfe meiner Frau erfreuen; ihrer Geduld und Geschicklichkeit ist die Identifizierung zahlreicher Fragmente zu verdanken. Es ist unmöglich, im einzelnen über die Kriterien, die zur Bestimmung der Blätter geführt haben, Rechenschaft zu geben. An dem Beispiel der Blätter 115-127 sei hier das Zusammenwirken verschiedener Methoden zur Bestimmung der Blattzusammengehörigkeit gezeigt: Die erste sicher erhaltene Blattzahl ist die des Blattes 128; durch die gleichen Bruchstellen ist ein weiteres Blatt als 127 festgelegt. Drei rechte Eckstücke zeigen die gleichen Bruchformen wie die rechten Eckstücke der Blätter 127 und 128; es handelt sich also um die Blätter 124, 125, 126, deren Aufeinanderfolge durch Spuren von Schriftabdrücken sichergestellt ist. Diese drei Blätter sind aus demselben Rindenstück geschnitten, zu dem auch noch kleine Fragmente zweier weiterer Blätter, der Blätter 122 und 123 also, gehören. Thre Aufeinanderfolge ist nur aus dem Inhalt zu bestimmen: die Kategorie (sarvakll)yapratisatp.(vedanllytim) auf der Rückseite des einen Fragmentes geht der Kategorie (p)r(a)srabdkakllyasa'lfl-Bktl(ratayllm) auf der Vorderseite des anderen Blattes voraus (vgl. S. 65). Um die vorhergehenden Blätter zu bestimmen, müssen wir von der Beobachtung ausgehen, daß a.lle Blattzahlen des ersten Teiles unserer Handschrift auf der helleren, am Stamm der Birke nach außen gekehrten Seite der Blätter stehen; im zweiten Teil ist umgekehrt die dunklere Seite die Rückseite mit der Blattzählung. Nun trägt das erste Blatt, das zu dem Kapitel über die Entfaltung der Atmungsachtsamkeit gehört, die Blattzahl 11[8] oder 11[9] noch auf der hellen Seite. Außerdem fanden sich zwei kleine linke Eckstücke, die gleichmäßig gebrochen sind, also aufeinandergelegen haben. Auf beiden Blättern ist von der Blattzahl nur das Zeichen für 100 erhalten. und zwar auf dem einen Blatt auf der hellen Seite wie im ersten, auf dem anderen Blatt auf der dunklen Seite wie im zweiten Teil der Handschrift. Dieses zweite Blatt bringt also den Wechsel der Blattzählung von der hellen zur dunklen Seite der Blätter. Da. diese beiden linken Eckstücke keine Fortsetzung des Textes der rechten Eckstücke von BI. 12211. enthalten, können sie also nur zu den Blättern 119, 120 oder 120, 121 gehören. Inhaltlich gehören zu dem Kapitel aber noch zwei große Fragmente eines Blattes, die nach ihrer Lage zu keinem der bisher behandelten Blätter gehören können; es muß sich also um Reste des 121. Blattes handeln. Da.mit sind die beiden linken Eckstücke als BI. 1(19) und 1(20) und das erste Blatt des Kapitels als 11[8] bestimmt. Zu dem vorhergehenden Kapitel der Hä.ßlichkeiten gehören drei Fragmente von verschiedenen Blättern, von denen zwei aufeinanderliegende Stücke zwar nicht von demselben Rindenstück, aber von der Rinde desselben Baumes wie Blatt 11[8] stammen. Da. das hintere der beiden Fragmente auch inhaltlich an den Schluß der "Übung gehört, kann man mit einiger Sicherheit annehmen, daß die beiden Stücke zu Blatt 116 und 117 gehören. Aus der Parallelhandschrift 458 (vgl. S.12f.) läßt sich berechnen, daß der Text in unserer Handschrift kaum vor dem 114. Blatt begonnen haben kann. Das dritte zu dieser "Übung gehörende Fragment stammt also wahrscheinlich aus dem 115. Blatt. 3 Von folgenden Blättern sind die Blattzahlen ganz oder teilweise erhalten: 11[8], 1(19), 1(20), [1](27), 128, 129, 130, (1)31, 1(36), (1)[4]2, (1)43, [1]44, 146, [1](47), 148, 1[49], 1(50), [1]52, 1(58), [15](9), 160, 161, 162, 1[6](5), 166, 167, 169.

12

Dieter Schlinglo.ff, Ein buddhistisches Y ogalehrbuoh

nur durch wenige Fragmente vertreten sind.1 Insgesamt ist etwa 42 % unseres Textes erhalten 2; ob die anderen Stücke der Handschrift schon vor dem Eintreffen der Expedition verschleppt, oder ob sie so zerstört waren, daß die Expeditionsteilnehmer die Mitnahme der kleinen Fragmente für zwecklos hielten, bleibt ungewiß. Die Lücken lassen sich jedoch soweit überbrücken, daß wir ein einigermaßen getreues Bild des Inhaltes der Handschrift gewinnen können. Bei de1· DUI·chsicht der Fragmente zeigte sich sehr bald, daß die Handschrift zwei Texte enthielt , die in ihrer Diktion so verschieden voneinander sind, daß sich auch ~eine Bruchstücke mit Sicherheit dem ersten oder dem zweiten Text zuordnen lassen. Die beiden Werke wurden wohl nur deshalb in einer Handschrift vereinigt, weil sie beide denYoga zum Thema haben. Im Gegensatz zu dem zweiten Text behandelt der erste dieses Thema aber rein theoretisch: philosophische Lehrsätze (Siitras) werden kommentiert. Die Herausgabe dieses Werkes, dessen Name Y ogatJidhi in mehreren Kolophonen belegt ist, bleibt einer gesonderten Publikation vorbehalten. a Der Yogamdhi endet in unserer Handschrift etwa auf dem 114. Blatt.' Der anschließende Text, der die folgenden Blätter bis zum Ende der Handschrift kurz nach dem 170. Blatt umfaßt, ist in der vorliegenden Publikation bearbeitet.

Um die größtmögliche· Treue gegenüber dem handschriftlichen Befund zu wahren, ist dieser Text sowohl in der Textwiedergabe, als auch im Wörterverzeichnis und in den Anmerkungen mit all seinen Schreibfehlern und Schreibeigenheiten genau wiedergegeben. Wir müssen uns dabei vor Augen halten, daß dieses uns vorliegende Textbild nur das zufällig erhaltene Glied einer langen schriftlichen 'Oberlieferungskette ist. Es vereint in sich Elemente verschiedenster Herkunft: die Sprache der Verfasser und der mündlichen Tradition; die Sprache, das Textverständnis und die Gestaltungstendenzen der verschiedenen Sohreiberschulen und -generationen. Eine einzige fragmentarisch erhaltene Handschrift reicht freilich nicht aus, um die Textgeschichte von ihren Ursprüngen an zu rekonstruieren; einige HauptJinien lassen sich jedoch sicher nachzeichnen. Unser Werk ist in klassischem Sanskrit abgefaßt; der uns vorliegende Text ist jedoch von zahlreichen Fehlern und Verstößen gegen die Regeln der Grammatiker durchsetzt. Unter den Fehlern sind die falsch geschriebenen Konsonanten von besonderem Interesse: t statt

H

H:

tirudhyata 147V4; abahumatat 166V 6; paramrsatl 134V3; Osamaparmatl 131R4. statt t: jvalintJ,n 134V3.

statt d: trsyarp,nte 162V6; Oprasvasa.t va.o 127V1. d statt t: arp,darmulcha 121V6. tm statt ntn: anyajatmilcarp, 16 8R6. f,

ty statt t&y : yogavityfJIJa 147V4. dhy statt ty: balaoaritaradhy(u)pek(11)a 169V6. mJ,1" statt dd,h, : upanibat1dha0 153V5, 156R2.

Der gesamte 'l.1ext, -sein Umfang beträgt etwa. 70% der Länge des Ma.hiparinirv~a.sütra., - umfaßte ca.. 40000 Aki,.; de.von sind ca. 17000 A~. erhalten. Die Zahl der zu dem ersten Text (BI. 1-114) erhaltenen Fragmente ist geringer, so de..ß von der gesamten Handschrift etwas weniger als der vierte Teil erhalten ist. 2 Schwerwiegende Lücken enthalten besonders die Kapitel I „ thmng der Hä.ßlichkeiten ", VI „Be · tra.chtung des Entstehens in Abhängigkeit" und VII „Güte". a Vgl. SoHLINGLOFF, Yoge.vidhi, S. 146ff. ' Vgl. S. 11, Anm. 2 unten. 1

Einleitung 8 statt g: (lc)'fll4Stirai 166R4. pt statt f lh: po.dl!'rp,gupte 136R6.

t statt v: to.me 162V 3;

13

A. Zur Textgeschichte

tejaatino 163V1; tathaita 134R1. V statt f: 81JlJBVW'IJßPCJrYaqi.kaa 143R4. v statt d : · 04vtyamafJtf,a'lo0 124V 2.

v statt p: yugavao 146R3; avandamo.naflt 133V1. p statt m: paratitJpanayanaqi. 144R5. I& statt n: aarviJhy asuci,0 130V 1.

Die Liste zeigt, daß die verwechselten Konsonanten in den meisten Fällen keine .Ähnlichkeit in ihrem Lautwert aufweisen. In Ostturkistan wurden liturgische Texte nach der Rezitation oder dem Gedächtnis aufgezeichnet und enthalten deshalb Ton- und Aspirationsfehler .1 Dagegen liegen in unserem Text reine Abschreibefehler vor. Die ~as t ( 6 ), n (

„)

und d(3), tm(f,) und nm (.,,), ty(IJ) undny("J),8(/))undg eingesetzt. Satztrennungen und Kapitelgliederungen sind zur Erleichterung der Übersicht eingefügt. In der Übersetzung stehen Ergänzungen in runden ( ), erklärende Zusätze in eckigen Klammem [ ]. In den Textlücken entsprechen dem Punktpaar für ein fehlendes .Aqare. drei Einzelpunkte. In den Anmerkungen wird durch „Lies:" auf die korrekte Sanskritschreibung hingewiesen, unabhängig davon, ob die Abweichung auf einem Schreibversehen, einer Schreibeigentümlichkeit oder einer sprachlichen Besonderheit beruht. (Die Schreibung des N a.sa.ls teils als Klassennasal, teils als Anusvira, ist nicht besonders vermerkt.) „ Vgl.": weist auf ähnliche Textstellen hin, die zur Ergänzung des Wortlautes oder zum Verständnis des Sinnes beitragen; „Erg. :" bezeichnet Ergänzungen, deren Wort1a.ut so unsicher ist, daß er nicht in den Text aufgenommen wurde.

I. Übung der Häßlichkeiten (a8ubhaprayoga) Vorbemerkung Der Name dieses erBten Kapite'lB, "°""dem nur einige kleine Fragmente erkalten Bind, iBt aUB der Bemerkung (asu)bhidiprayoge:r.ia, „durch die Übung, die mit den Häßlichkeiten beginnt" in 166V2/3 erBchloBBen.1 Die Übung beruht auf den Leichenbetrachtungen des 8atip~fhiina­ Sutta2, in denen der Mönch Beinen eigenen Körper mit einem Leichnam gleickBetzt. Dieser Leichnam wird in tJerBchiedenen DekompoBitionszUBtänden tJorgestellt: „aufgedunsen" (vyidhmitaka, p. uddhumitaka), ·„blauverfärbt" (vinilaka), „faulig" (vipüyaka, vipütika, p. vipubbaka),

„zerfressen" (khidyamina,p. khajjamina) und a'lB „Knochengerippe'' (asth.iBaipkaliki, -saipkalikä, p. atthikasa:ökhalika)3, daB allmählich zerfällt und Bich in Staub auflöat. Diese Begriffe wurden Bp/Uer in den LiBten der „neun Leichenfeldbetrachtungen" (nava sivathikä) oder der

t In der Liste der Hs. 906 (s. oben S. 27) ist der Name der ersten Kategorie asubhti{i, „Die Hä.ßlichkeiten". 2 D. II, S. 295: puna ca para'fl-, bhikkhatJe, bhikkhu aeyyath4 pi paaaeya. aa.rira'!'- Bivathika,ya. ohcJ44ita.'!'ekahamata'fl- va dvihamatcJ'fl- va tiha.matcJ'fl- vtJ, uddhumata.ka.'fl- vinilaka'fl- vipubbakaja.ta.,,,,., so ima.m eva ka.ya'fl- upaaa.,,,,.ha.rati: ayam pi kko kayo eva.'ff'dhammo eva.'fl-bha.vi etJQ,'fl-Gnatito ti. , ,Weiterhin, ihr Mönche, als sähe der Mönch einen auf ein Leichenfeld geworfenen Leib, der einen, zwei oder drei Tage tot ist, der aufgedunsen, blauverfärbt und faulig geworden ist, ebenso stellt er sich diesen [seinen] Körper vor: Auch dieser Körper ist von solcher Art, ist in solchem Zustand und ist solchem unentrinnbar." Anschließend wird die Vorstellung auf die weiteren Zerfallszustände der Leiche ausgedehnt. ~in wesentlicher Unterschied der Sanskritparallele ($~. 8. 210f.) besteht darin, daß in dieser an eine wirkliche Betrachtung der Leichen gedacht ist : punar apara.'fl-, aubhute, bodhiaatva'fl, smasllnagata'fl, pasyati nanarüpa.tii mrta.sarirlltii smasllne 'paviddha.ni, „Weiterhin, Bubhüti, sieht der zur Leichenstätte gegangene Bodhisatva auf die Leichenstätte geworfene tote Leiber in verschiedenen Formen'' usw . • Auch andere Bearbeitungen der Stelle (etwa. Vism. S. 145ff.) denken an eine tatsächliche Betrachtung. Man vergleiche auch den AbhdhKVy. S. 526, 19ff. zitierten Sanskritvers:

1JO bhaven na.vako bhik,u'(I, saikl)o '8G'ff'1WD.ptamanaaal,1. 1 gaoohw aaau sivipathikll'fl- Mf!Ü'U'f!6 rtJgatfl. yadioohati 11 ta.to vinilaka'ff' pa,Syet ta.ta[1. paiyed vip'ilyaka.'f{6 1 ta.to vyäd1"1nfJta.kaf!i paiyed aatkiSa'fl-kaJ,ikllm aplti 11

„Wer als Mönch neu ist, ein Schüler, noch ohne geistige Reife, der gehe zum Leichenfeld, wenn er die Leidenschaft abtöten will. Dann sehe er sich eine ble.uverfärbte [Leiche] an und eine faulige; dann eine aufgedunsene und auch ein Knochengerippe." Diese beiden Verse werden auch auf einem Ha.ndschriftenblatt aus den Turfe.nhe.ndschriften zitiert und erklärt (vorl. Nr. 446). 3 In unserem Text ist die Form 8a'fl-kal4 belegt (186V1, V2, V8, V6); zu den anderen Schreibungen vgl. BHSD.

60

Dieter Schlingloff, Ein buddhistisches Yogalehrbuch

(neun oder zekn) „Hä.ßliohkeiten" (a8ubha, p. asubha) 1 um einige weitere VorBtellungen vermehrt: „verwurmt" (vipall-· ' Vgl. 1 ö8R4: ratnaprtJBtJd(Jrptargatarp. 5 Vgl. 146R4: btuldho bhagavantall- prabhobhir Zokam avabhtJBya ti,fharptCti; 166Rl: tajjanmadharmasarirani~UJbhill- prabhobhir (Einl. S. 4:2). &

I

Vgl. Einl. S. 53f.

V2

X. Gleichmut (upeklJä) Vorbemerlcung Der Begriff des Gleichmutes wi,rd im B'lll1ßhiamUB nicht nur in der Reihe der Unermeßlicklceiten, sondern auch in der alten dhyäna-Formel und in anderen ZUBammenMngen verwendet,· dementsprechend hat die spätere Systematik mehrere Arten des Gleichmutes, im Pali zehn Forment, zUBammengestellt. Die SarvastiviüUn-Überlieferung2 nennt drei Formen des Gleichmute&: 1. „Gleichmut gegenüber der Empfindung"

(veda.nope~)

2. „Gleichmut gegenüber den Gestaltungskräften"

(sa:rpskirope~)

3. „Gleichmut als Unermeßlichkeit" (apramiI).opeqi). a

Auch umer Text /1lhrt die Übung nicht nur an Hand des zu erwartenden Gleichmutes ala Unermeßlichlceit durch, sondern behandelt auch die anderen Arten des Gleichmutes mit. Statt der drei sind in den Kolophonen sechs Formen angegeben: 1. „Gleichmut gegenüber den Sinnesobjek.ten" (~ayope~i) 156V-158V2; 2. „Gleichmut gegenüber der Empfindung" (vedayitope~i) 158V2-R5; 3. „Gleichmut gegenüber der Lust am kindischen Lebenswandel" (bilaca.ritaratyupeqi) 158R5-159V6; 4. „Gleichmut gegenüber den Gliedern des Werdens" (bhaviip.gope~i) 159V6-160V1; 5. „Gleichmut gegenüber der Einbildung einer Seele" (itmaparikalpopeqi) 160V1-161R1; 6. („Gleichmut als Unermeßlichkeit" (apramiI).opeqi)) 161R1-163R.

In dieser Reihe, die eine woklillurchdachte Ent'Wi,c/clung t1om Konkreten zum .Abstralcten darstellt, entspricht das 2., 5. und 6. Glied den obigen drei Formen. Die !Mte zeigt, daß ein Verständnis des Gleichmutes im Sinne einer Gleic'JqJ1lltiglceit gegen1lber dem Schiclcsal der Wesen aUBgeschlossen werden soll; eine sokhe .Auf/asBUng wird ala Hartherziglceit (nairghroya) a'U8dr1lcklich t1erworfen.' Dementsprechend werden die Übungen in der Weise durc'luJe/11,hrt, daß der Y ogin jede Form dea Gleichmutes zuerst /11,r sich selbat t1erwirklicht, um dann auch den Wesen,

t Vism. S. 129, 156: (1) chaJai&gu,pekkhlJ, „Gleichmut gegenüber den sechs Gliedern [der das eigene Selbst betreffenden Bereiche]"; (2) brahmatJih4ru,pekkh4, „Gleichmut als Wandel in [der Welt] Brahmas"; (3) bojfhangwpekkhil., „Gleichmut als Erleuchtungsglied"; (4) tJiriyu,pekkhiJ, „Gleichmut als Energie"; (6) sai&khiJrupekkhil., „Gleichmut gegenüber den Gestaltungskräften"; (6) tJWanu,pekkhil., „Gleichmut gegenüber der Empfindung"; (7) tJipassanu,pekkhiJ, „Gleichmut als Durchschauen"; (8) fßtramajjhattupekkhil., „Gleichmut als gegenwärtige Neutralität"; (9) jhiJnupekkhiJ, „Gleichmu1>--