Geschichte beschreiben, Geschichte erklären: Eine Untersuchung fachsprachlicher Konzepte und fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit von Gesamtschüler*innen der Sekundarstufe I [1 ed.] 9783737014519, 9783847114512

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Geschichte beschreiben, Geschichte erklären: Eine Untersuchung fachsprachlicher Konzepte und fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit von Gesamtschüler*innen der Sekundarstufe I [1 ed.]
 9783737014519, 9783847114512

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Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik

Band 27

Herausgegeben im Auftrag der Konferenz für Geschichtsdidaktik vom Vorstand: Michele Barricelli, Martin Lücke, Monika Fenn, Markus Bernhardt und Christine Gundermann

Charlotte Husemann

Geschichte beschreiben, Geschichte erklären Eine Untersuchung fachsprachlicher Konzepte und fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit von Gesamtschüler*innen der Sekundarstufe I

Mit 21 Abbildungen

V&R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Gefördert durch die Konferenz für Geschichtsdidaktik e.V. Die vorliegende Publikation wurde an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen als Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades vorgelegt und erfolgreich verteidigt. Tag der mündlichen Prüfung: 20. 09. 2021 Gutachter:innen: Prof. Dr. Markus Bernhardt und Prof. Dr. Saskia Handro. © 2022 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: © Jessica Weber Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2198-5391 ISBN 978-3-7370-1451-9

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Grundlagen der Funktionalen Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Annäherung an die Grundbegriffe der Funktionalen Pragmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Sprachliche Fähigkeiten im Fokus . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Konzepte und Bedingungen der Sprachbildung . . . . . . . 2.1.4 Definition der Sprachhandlungen aus linguistischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.2 Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.3 Möglichkeiten der Abgrenzung von Beschreiben und Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht . . . . . . . . . . . 2.2.1 Von der Fachsprache zur Sprachbildung – Fachliche Grundlagen sprachlichen Lernens . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 (Schreib-)Aufgaben und Textproduktion im Fach . . . . . . 2.2.3 Definition der Sprachhandlungen aus fachdidaktischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Das Historische Sachurteil . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3 Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Entwurf einer fachsprachlichen Schreibförderung: Der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus aus fachlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Konzeptentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3. Ziele und Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Qualitative Erhebung . . . . . . . . . . . . 4.2 Beschreibung der Qualitativen Stichprobe . 4.3 Quantitative Erhebung . . . . . . . . . . . . 4.4 Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

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5. Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Operatorenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1 Untersuchung der Konzepte der Sprachhandlung . . . . . 5.3.2 Vergleich der Konzepte (Gruppenanalyse) . . . . . . . . . 5.3.3 Zusammenhang zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . 5.3.4 Entwicklung der Konzepte durch die Intervention . . . . . 5.3.5 Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit durch die Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Untersuchung der Konzepte der Sprachhandlung . . . . . 5.4.2 Zur Unterscheidung von Beschreiben und Erklären . . . . 5.4.3 Vergleich der Konzepte (Gruppenanalyse) . . . . . . . . . 5.4.4 Zusammenhang zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . 5.4.5 Entwicklung der Konzepte durch die Intervention . . . . . 5.4.6 Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit durch die Intervention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Fazit der qualitativen Erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Vorüberlegungen zur Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Explorative Datenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit . . . . . . . . . 6.4.1 Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben . . .

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Inhalt

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7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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8. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6.4.2 Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären . . . . 6.4.3 Zusammenhänge zwischen der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären 6.5 Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen . . . . . . 6.5.1 Hinführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Lesefertigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4 Wortschatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.5 Fachwissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.6 Fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit . . . . . . 6.5.7 Mehrsprachigkeit und Migrationshintergrund . . . . . . 6.5.8 Geschlecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.9 Kulturelles Kapital . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.10 Fachliche Motivation und Selbstkonzept . . . . . . . . . 6.6 Regressionsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.1 Beschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6.2 Erklären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Analyse der Interventionseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.7.1 Explorative Datenanalyse des Post-Tests . . . . . . . . . 6.7.2 Interventionseffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8 Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Online-Anhang (Kategoriensystem, Transkripte der Schüler*inneninterviews, Erhebungsinstrumente Schreibaufgabe, Kategoriensystem zur Auswertung der fachlichen Schreibaufgabe) ist verfügbar unter: http://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/husemann_geschichte (unter Downloads) Passwort: WKnsZvQtHj

Vorwort

Bevor Geschichte beschrieben und erklärt wird, möchte ich meinen Dank ausdrücken. Meiner Familie, meinen Kolleg*innen und meinen Freunden möchte ich mich für ihre andauernde und umfangreiche Unterstützung bedanken. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Markus Bernhardt, der das Entstehen meiner Dissertation begleitet hat. Der Bezeichnung Doktorvater ist er mehr als gerecht geworden. Eine bessere Begleitung im Entstehungsprozess hätte ich mir nicht wünschen können. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. Saskia Handro für die Übernahme des Zweitgutachtens. Der »Konferenz für Geschichtsdidaktik. Verband der Geschichtsdidaktikerinnen und Geschichtsdidaktiker Deutschlands e.V.« danke ich herzlich für die Aufnahme in die Reihe »Beihefte zur Zeitschrift für Geschichtsdidaktik« und den großzügigen Druckkostenzuschuss. Julia Schwanke und Madlen Engelke vom Verlag V&R gilt mein Dank für die Zusammenarbeit bei der Drucklegung der Arbeit. Die Entstehung der Arbeit wäre ohne die bereichernde Zusammenarbeit im Projekt SchriFT nicht möglich gewesen. Im vielfältigen Austausch konnte ich mein Vorhaben weiterentwickeln und über mich hinauswachsen. Für die drei gemeinsamen Jahre möchte ich mich herzlich bei Prof. Dr. Heike Roll, Sinan Akın, Nur Akkus¸, Anıl Çıklas¸ahin, Christine Enzenbach, Claudia Forkarth, Jana Kaulvers und Christian Steck bedanken. Besonderer Dank gilt Mareike-Cathrine Wickner, die als Kollegin nicht nur die Arbeit im Projekt sondern auch am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen bereichert hat. Von zentraler Bedeutung für das Gelingen meiner Dissertation waren darüber hinaus die Schüler*innen und Lehrkräfte an den Gesamtschulen in Köln, Düsseldorf, Duisburg, Moers und Oberhausen. Ohne sie wäre diese Arbeit ergebnislos geblieben. Für die Teilnahme und die Einblicke in Wissen, Können und Unterricht danke ich ihnen sehr. Auch dem Team des Lehrstuhls für Didaktik der Geschichte an der Universität Duisburg-Essen möchte ich für die Begleitung während der vergangenen vier Jahre danken. Die gemeinsamen Kolloquien und der fachliche Austausch aber

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Vorwort

auch die persönlichen Gespräche waren wesentliche Gelingensbedingungen meiner Arbeit. Mein Dank gilt hier Marcel Ebers, Dana Maria Kier, Sven Alexander Neeb und Dr. Sabrina Schmitz-Zerres. Ganz besonders möchte ich Lena Liebern und Dr. Björn Onken danken: Für Lob und Kritik, Kaffee und geteiltes Essen, gemeinsames Erfolgefeiern und Tränentrocknen. Ohne sie wäre die Forschung nur halb so schön. Schließlich gilt mein Dank meiner Familie. Sie gibt mir das Gefühl, alles schaffen zu können, was ich mir vornehme. Auch wenn sie sich vielleicht mehr über Kuchen freuen würden, widme ich ihnen diese Arbeit.

1.

Einleitung

Warum Sprache und Geschichte? Einen thematischen Einstieg in eine Arbeit zu formulieren, die sich mit Sprache und Geschichte beschäftigt, ist nicht leicht. Nicht etwa, weil es keine Anknüpfungspunkte gäbe – ganz im Gegenteil, »die Beschäftigung mit Sprache im Fach hat Konjunktur« (Wickner 2019, S. 129). Vielmehr gibt es zahlreiche Argumentationslinien, die die Hinwendung zur Sprache immer wieder als zentrale Fragestellung der Geschichtsdidaktik charakterisieren und aus denen es auszuwählen gilt. Als Praxisbezug drängen sich die Ergebnisse vergangener Schulleistungsstudien auf, die nicht nur »einen engen Zusammenhang zwischen bildungssprachlichen Kompetenzen und schulischem Erfolg« (Beschluss Der Kultusministerkonferenz 2019, S. 2) belegen, sondern auch darauf hinweisen, dass die Ausbildung eben dieser bildungssprachlichen Kompetenzen bisher eine erhebliche Herausforderung für das deutsche Schulsystem darstellt. In zehn Grundsätzen bestimmt die Kultusministerkonferenz die Sprachliche Bildung deshalb zur »Querschnittsaufgabe aller an schulischer Bildung Beteiligten und durchgängiges Unterrichtsprinzip in allen Fächern« (Beschluss Der Kultusministerkonferenz 2019, S. 4). Zugleich verweist das Schulministerium des Landes Nordrhein-Westfalen in seinem Internetportal darauf, dass die Förderung der deutschen Sprache »für Lehrkräfte nicht-sprachlicher Fächer zunächst eine Herausforderung, der sie sich nicht unbedingt immer gewachsen fühlen« sei (QUALiS NRW 2020). Hier kann es als Aufgabe der Geschichtsdidaktik verstanden werden, Bedingungen des Sprachsensiblen Geschichtsunterrichts zu untersuchen, Potenziale zu erschließen und Chancen für den Fachunterricht zu eröffnen. Handro (2020) stellt heraus, dass die Sprache im Fach, bedingt durch migrationsbedingte Veränderungsprozesse, eine Neubewertung verlange. Der Anteil von Schüler*innen mit Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 2019 auf 38,2 % gestiegen, besonders hoch ist der Anteil in Städten im

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Einleitung

Ruhrgebiet, wie z. B. in Duisburg (54,9 %) oder Gelsenkirchen (53,3 %) (Landesbetrieb IT.NRW 2020). An Gesamtschulen1 in den Großstädten Köln, Düsseldorf, Duisburg und Essen weisen mehr als die Hälfte der Schüler*innen eine Zuwanderungsgeschichte auf, deutlich mehr als in der Stadt Münster oder dem Kreis Coesfeld (unter 20 %) (Landesbetrieb IT.NRW 2020). Damit sehen sich, was die von Handro benannten migrationsbedingten Veränderungsprozesse angeht, Schulen in Ballungsräumen mit einer besonderen Herausforderung konfrontiert. Der Migrationshintergrund von Lernenden darf allerdings nicht als singulärer Faktor, der Einfluss auf den Erwerb sprachlicher Kompetenzen nimmt, betrachtet werden. Auch für Lernende aus sozial schwächeren Familien stellen schulische Sprachbarrieren eine Hürde in Bildungsprozessen dar. Hinzu kommt der steigende Anteil von Schüler*innen mit Bedarf an sonderpädagogischer Förderung, die Regelschulen besuchen, der in Nordrhein-Westfahlen im Schuljahr 2019/20 bei rund 43,9 % lag (Landesbetrieb IT.NRW 2020b). Anzunehmen ist, dass die sukzessive Schließung der Hauptschulen zu einem Zuwachs an Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Gesamtschulen geführt hat. Aus diesen Faktoren lässt sich folgern, dass die Lernenden heterogene Voraussetzungen in den Geschichts- bzw. Gesellschaftslehreunterricht2 einbringen. Umso wichtiger ist es, sprachbildenden Fachunterricht zu untersuchen, Gelingensbedingungen zu erschließen und diese konstruktiv umzusetzen. Bereits im Jahr 2010 hat sich Hilke Günther-Arndt dezidiert der Frage gewidmet, wie »Sprache« aus fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Perspektive betrachtet wird. Sie hebt hervor, dass Sprache »das wichtigste Werkzeug von Historikern auf der Erkenntnis-, Darstellungs-, und Diskursebene« (S. 19) sei und somit kein Novum in der Disziplin darstelle. Hans-Jürgen Goertz (1995, S. 147f) fokussiert ebenfalls die Bedeutung der Sprache für das historische Lernen, wenn er formuliert »Geschichte ist nicht Sprache, und doch existiert sie für uns nur, indem sie zur Sprache gebracht wird«. Geschichtsdidaktische Ursprünge der Auseinandersetzung mit Sprache verortet Günther-Arndt bei Rüsen (1982), der den Begriff des »Historischen Erzählens« geprägt hat. Auch Saskia Handro bezeichnet die sprachliche Verfasstheit des Gegenstands als »Schlüsselproblem des Geschichtsunterrichts« (2013), folgert aber einige Jahre später, dass »den sprachlichen Kompetenzen Lernender [..] bislang zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt [wurde]« (2020, S. 93). 1 Gesamtschulen umfassen die Jahrgänge 5 bis Q2, integrieren jedoch die Bildungsgänge der Haupt- und Realschule und des Gymnasiums zu einem Gesamtangebot, in dem alle allgemeinbildenden Abschlüsse der Sekundarstufe I und II erworben werden können (Statistisches Landesamt NRW 2018, S. 6). 2 Der Lernbereich Gesellschaftslehre umfasst die Fächer Erdkunde, Politik und Geschichte. An Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen wird das Fach Gesellschaftslehre als Verbundfach in der Sekundarstufe I unterrichtet (QUA-LiS NRW 2020b).

Einleitung

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Sowohl aus dem politischen als auch aus dem praxeologischen und theoretischen Diskurs lassen sich dementsprechend Überlegungen ableiten, die Aktualität des Zusammenhangs von Sprache und Fach unterstreichen. Wie kann nun ein Beitrag zu dieser Debatte geleistet werden? Den Gegenstand der Arbeit erschließen In den vergangenen Jahren wurde der sprachsensible und sprachbildende Geschichtsunterricht durch Publikationen unterschiedlicher Schwerpunktsetzung mehr und mehr erschlossen. Studien zum Textverständnis von Schüler*innen wurden von Mehr/Werner (2012) und Köster (2013) durchgeführt, die Kommunikation im Geschichtsunterricht wurde von Henke-Bockschatz (2007) und Wenzel (2015) untersucht. Zunehmend rückte auch die Ausbildung schriftlicher Fähigkeiten in das Interesse der empirischen Geschichtsdidaktik. Josef Memminger (2007) setzte sich mit kreativen Schreibaufgaben auseinander, während Olaf Hartung (2013, 2015, 2016) sich den Vorzügen des generischen Lernens in der Entwicklung konzeptionellen Schreibhandelns widmete. Die textsortenbasierte Schreibförderung machten zudem Hallet (2013) und Wickner (2018, 2019) zum Gegenstand ihrer Forschung. Wegweisend sind die Überlegungen von Michele Barricelli (2002, 2005, 2016), der die zentrale Bedeutung narrativer Kompetenz als Ziel des Geschichtsunterrichts hervorhebt. Der enge Fokus auf Erzählhandlungen wurde durch Bernhardt/Wickner (2015, S. 290) erweitert, die forderten, »die narrative Kompetenz vom Kopf auf die Füße zu stellen«. Zuletzt haben Publikationen aus dem Feld der Aufgabenkultur im Geschichtsunterricht, aber auch Impulse aus dem Bereich Deutsch als Zweitsprache und der Linguistik Einfluss auf die empirische Auseinandersetzung mit mündlichem und schriftlichem Sprachhandeln im Geschichtsunterricht genommen. Auch die internationale Geschichtsdidaktik hat den Forschungsdiskurs nachdrücklich beeinflusst. Als deutlichen Fingerzeig verstehen dies Brauch/Mierwald (2019, S. 104f), die hervorheben, dass »das Fach Geschichte [in der englischsprachigen Forschung] explizit als literale Disziplin verstanden [würde], in der es darum geht, durch die Anbahnung und Förderung fachspezifischer Schreibfähigkeiten« historische Kompetenzen weiterzuentwickeln. Hier sei beispielsweise auf die Arbeiten von Veel/Coffin (1996) bzw. Coffin (2006) hingewiesen, die ausgehend von dem Begriff der sprachlichen Register untersuchen, wie Schüler*innen fachsprachliche Kompetenzen auf- und ausbauen können, aber auch auf die Überlegungen von Drie/Boxtel (2008), die den Versuch unternehmen, das Geschichtsbewusstsein (historical reasoning) bis auf die sprachliche Ebene herunterzudeklinieren. Besonders gewinnbringend wird in der deutschsprachigen Geschichtsdidaktik der Einbezug linguistischer Grundlagen betrachtet. Die funktional-pragma-

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Einleitung

tische Linguistik definiert Einheiten unterschiedlicher Größe, die als Anknüpfungspunkt für sprachliche Lernprozesse im Fach genutzt werden können. Neben Textsorten bzw. -mustern wurden bereits die Begriffe der sprachlichen Handlungen (Wickner 2019, Schrader 2021) und Prozeduren (Brauch/Heine/ Bramann 2020) für die Geschichtsdidaktik nutzbar gemacht. Sprachliche Handlungen, die als »gesellschaftlich entwickelte Formen des Handelns« in »wiederholt auftretende[n] Mangellagen« (Becker-Mrotzek 2004, S. 19) zur Verfügung stehen, werden im Fachunterricht häufig durch operatorengestützte Aufgaben repräsentiert und initiiert. Frequenzanalysen zum Einsatz von Operatoren (z. B. Altun/Günther 2015) dienen als Eckpunkte für die Bestimmung des Forschungsfelds. Innerhalb des durch Fachdidaktik und Linguistik bestimmten Rahmens wurden bereits Erhebungen zu unterschiedlichen Sprachhandlungen durchgeführt. Dem Argumentieren widmeten sich Bühring (2017), Brauch/ Mierwald (2015, s. a. Mierwald/Brauch 2019), Peters (2015) und Waldis/ Nitsche/Gollin (2020), das Erzählen wurde von Viola Schrader (2013) differenziert und dem Erklären widmeten sich neben Wickner (2019) auch Brauch/Heine/Bramann (2020). Wenngleich die Untersuchungen bereits einen erheblichen Beitrag zur Bestimmung der Fachsprache sowie zur Messung, Ausbildung und Förderung fachsprachlicher Kompetenzen geleistet haben, bleiben zahlreiche Forschungsfragen offen. Die Fragen, wie narrative Kompetenz entwickelt, Geschichtsbewusstsein bzw. historical reasoning auch in schriftlichen Textprodukten nachgewiesen werden und fachliche Sprachhandlungsfähigkeit aufgebaut werden kann, bedürfen weiterer Studien. So konstatieren Bramann/Brauch: »Trotz der Schlüsselfunktion, die Aufgaben zur Initiierung fachsprachbildender Lernprozesse zuerkannt wird, existieren bislang kaum Ansätze zu sprachbildenden Aufgaben für das Fach Geschichte« (2020, S. 124). Aus diesem Grund fordern sie, dass prototypische Sprachhandlungen ausdifferenziert und ihre »impliziten sprachlichen Markierungen« (S. 133) explizit gemacht werden. Sprachliche Handlungen sowie textsortenbasierte Modelle der Schreibförderung können, ausgehend von bereits vorliegenden Arbeiten, als besonderes gewinnbringende Aspekte zur Entwicklung sprachsensiblen Geschichtsunterrichts betrachtet werden. Ihr Potenzial soll in der vorliegenden Arbeit genauer erschlossen werden. Zielsetzung und Aufbau der Arbeit Die explorative Studie, die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt wurde, ist aus dem BMBF-Projekt SchriFT II (»Schreiben im Fachunterricht der Sekundarstufe I unter Einbeziehung des Türkischen«), das unter dem Förderkennzeichen 01JM1405 in den Jahren 2017–2020 an der Universität Duisburg-Essen durchgeführt wurde, hervorgegangen. Ausgehend von Schreibmodellen der Textproduktion (Vgl. Hayes/Flower 1980; Bachmann/Becker-Mrotzek 2017), die

Einleitung

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Textsorten- bzw. Sprachhandlungswissen als wesentlichen Bestandteil des Schreibprozesses ausmachen, wird der Einfluss fachlichen Sprachhandlungswissens auf die Textproduktion erforscht. Neben den mentalen Konzepten, die fachliche und sprachliche Bedingungen der Sprachhandlungen umfassen, wird die produktive fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen untersucht. Als für den Gesellschaftslehreunterricht an Gesamtschulen wesentliche sprachliche Handlungen werden das Beschreiben und das Erklären betrachtet. Beide Sprachhandlungen werden als Bestandteile der Textsorte Historisches Sachurteil als Lerngegenstand im Fachunterricht verortet. Durch eine nach dem Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus gestaltete Intervention wird der Annahme nachgegangen, dass sich sowohl die Konzepte der Schüler*innen als auch ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit durch eine gezielte fachliche Schreibförderung weiterentwickeln lassen. Aus den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen Datenanalysen soll zudem ein holistisches Messmodell entwickelt werden, dass die Einschätzung und Bewertung von schriftlichen historischen Beschreibungen und Erklärungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht ermöglicht. Somit leistet die Arbeit nicht nur einen Beitrag zu der Frage, wie die Fachsprache zu definieren und vermitteln sei, sondern eröffnet auch konkrete, praxisbezogene Perspektiven. Die theoretischen Grundlagen der Arbeit werden im ersten Kapitel beleuchtet. Dabei werden zunächst grundlegende Überlegungen der funktional-pragmatischen Linguistik dargelegt, die es ermöglichen, die sprachliche Dimension fachlicher Lehr-Lern-Prozesse genauer zu erschließen. Es folgt die Erarbeitung geschichtsdidaktischer Grundbedingungen, die sowohl die Aufgabenkultur als auch den Aspekt des sprachsensiblen Geschichtsunterrichts in den Blick nehmen. In beiden Kapiteln werden die Bedeutung von Textsorten und sprachlichen Handlungen dargestellt, sowie Besonderheiten der Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären expliziert. Neben den sprachlichen und fachlichen Überlegungen, die den Ausgangspunkt der Arbeit markieren, werden Grundlagen der LehrLern-Psychologie in die Entwicklung der Konzepte einbezogen. Die Bestimmung des Konzeptbegriffs unter Berücksichtigung kognitionspsychologischer Erkenntnisse, die Überlegungen zu den Schreibprozessmodellen der Textproduktion verbunden werden, bildet den Kern des dritten Kapitels und schließt die theoretische Fundierung der Arbeit ab. Ausgehend von den theoretischen Grundlagen entwickeln sich die zentralen Fragestellungen der Arbeit. Leitend sind dabei die Fragen, über welche Konzepte Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht zu den Operatoren Beschreiben und Erklären im Geschichtsunterricht verfügen und in welchem Zusammenhang diese Konzepte zur schriftlichen fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit der Lernenden stehen. Darüber hinaus wird dem Einfluss der fachlichen Schreibförderung auf den Aufbau der Konzepte sowie die Entwicklung der

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Einleitung

Sprachhandlungsfähigkeit nachgegangen. Es folgen methodologische Überlegungen, die sowohl das Vorgehen der Arbeit reflektieren. Zudem werden die Spezifika der Stichprobe(n) beleuchtet. Neben der Erhebung leitfadengestützter Interviews, die mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet werden (n = 23; 12), werden die Resultate der quantitativen Erhebung (n = 357) differenziert betrachtet. Die kategoriengestützte Auswertung von Schreibaufgaben, die durch die Operatoren Beschreiben und Erklären initiiert wurden, gibt Aufschluss über die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen der Sekundarstufe I an Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen. Neben den Interventionseffekten wird datengestützt den Faktoren nachgegangen, die auf die Entwicklung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit einwirken. Dabei wird auch der Mehrwert des qualitativen bzw. quantitativen Zugangs für die Beantwortung der Forschungsfragen reflektiert. Zudem wird der Versuch unternommen, datengestützt ein holistisches Messmodell zur Bewertung von historischen Beschreibungen und Erklärungen im Fachunterricht der Sekundarstufe I zu entwickeln. Chancen und Grenzen der Arbeit werden in der abschließenden Diskussion der Ergebnisse aufgezeigt. Aus den im Verlauf der Erhebung herausgearbeiteten offenen Fragen ergeben sich Perspektiven zur Weiterentwicklung des sprachsensiblen Geschichtsunterrichts.

2.

Theoretische Grundlagen

2.1

Grundlagen der Funktionalen Pragmatik

2.1.1 Annäherung an die Grundbegriffe der Funktionalen Pragmatik Hinführung Insbesondere im Hinblick auf einen von und durch Sprache geprägten Gegenstand wie den Geschichtsunterricht ist es unerlässlich, neben fachwissenschaftlichen und -didaktischen Perspektiven, die linguistisch-sprachliche Perspektive in den Blick zu nehmen. Um einen Beitrag zur Operationalisierung handlungsinitiierender Verben im Rahmen des Geschichtsunterrichts zu leisten, gilt es zunächst wesentliche Begrifflichkeiten, die das sprachliche Handeln prägen, genauer zu untersuchen. Denn auch das schriftliche und sprachliche Kommunizieren im Fach Geschichte kann als sprachliches Handeln bezeichnet werden. Neben den Begriffen Text und Textsorte wird deshalb der Begriff der sprachlichen Handlungen genauer betrachtet. Außerdem wird ein Blick auf die Erkenntnisse der Schreibforschung und der in diesem Zusammenhang entwickelten Schreibmodelle geworfen, bevor konkrete Überlegungen zum Beschreiben und Erklären aufgeführt werden. Dabei besteht das Ziel weniger in einer theoretisch-methodologischen Darstellung der linguistischen Grundlagen, sondern vielmehr in einer auf die folgende Untersuchung fokussierte Klärung zentraler Begriffe. Eine Handlungstheorie von Sprache Die Ausführungen basieren auf den Erkenntnissen der Funktionalen Pragmatik (FP), einem sprachtheoretischen Ansatz, der Sprache als etwas Funktionales, in dessen Mittelpunkt Zwecke stehen, betrachtet. Statt sprachliche Einzelhandlungen zu betrachten, nimmt die FP Diskurs- bzw. Textstrukturen ganzheitlich in den Blick (Rehbein 2006). Sprecher3 und Hörer bzw. Schreiber und Leser werden 3 Bei der Verwendung linguistischer Begriffe wird, zur besseren Lesbarkeit, die männliche Form verwendet. Die weibliche Form wird dabei stets mitgedacht.

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Theoretische Grundlagen

in diesem Zusammenhang als Handelnde in einer kommunikativen Gemeinschaft begriffen. Durch die Betrachtung des sprachlichen Handelns als Interaktion zwischen Sprecher und Hörer rückt der Handlungscharakter von Sprache in den Vordergrund (Ehlich 2007, 1991), was die FP zu einer »Handlungstheorie von Sprache« (Redder 2008, S. 10) macht. Das gesamtheitliche, funktionale Herangehen dieser Sprachtheorie betrachtet »Sprache als Mittel und Resultat des Handelns von miteinander in der Kommunikation interagierender« (Redder 2008, S. 47) und sieht die Rekonstruktion von Sprache als Handlung zugleich als Rekonstruktion von Sprache als ein gegliedertes Handlungs- bzw. Kommunikationssystem (Ehlich 2007, S. 120). Sprachliche Handlungen stellen Teile menschlichen Handelns dar. Menschliche Handlungen, so Becker-Mrotzek, sind »gesellschaftlich entwickelte Formen des Handelns« zur »Bewältigung wiederholt auftretender Mangellagen« (2004, S. 19). Diese Mangellagen entstehen, wenn sogenannte »Konstellationen der Wirklichkeit nicht mit den menschlichen Bedürfnissen übereinstimmen« (Becker-Mrotzek 2004, S. 19). Das als Defizienz bezeichnete Missverhältnis drängt auf eine Veränderung der Wirklichkeit hin zu einer Befriedigung des menschlichen Bedürfnisses. Es soll in eine Suffizienz überführt werden. Wie alle menschlichen Tätigkeiten greifen dementsprechend auch sprachliche Handlungen in die Wirklichkeit ein und verändern sie (Becker-Mrotzek 2005, S. 19; Ehlich/Rehbein 1979, S. 243). Die Wirklichkeit entspricht beim Sprachhandeln einer Kommunikationssituation. Dabei versteht Ehlich die Kommunikation als »eine spezifische Form der Interaktion« (1984, S. 10; Becker-Mrotzek 2004, S. 13). Die Kommunikation »dient dazu, die Tätigkeiten einzelner Individuen im Kontext eines übergeordneten gemeinschaftlichen Tätigkeitszusammenhangs zu koordinieren« (Ehlich 1984, S. 10). Diese Form der Interaktion findet innerhalb einer raumzeitlich bestimmten Situation, der sogenannten Sprechsituation statt. Sie »verbindet Sprecher und Hörer in einem Raum gemeinsamer sinnlicher Gewissheit« (Ehlich 1984, S. 16), schafft also einen geteilten Wahrnehmungsrahmen für das sprachliche Handeln zwischen Sprecher und Hörer. Sprachliche Handlungen folgen in der Sprechsituation in spezifischer, nämlich zweckbezogener Weise, aufeinander. Zwar sei gesellschaftliche Kommunikation nicht zwangsläufig an Sprache geknüpft, doch zögen »alle komplexeren Kommunikationen […] Sprache ein«, so Ehlich (2007, S. 120). Zunächst lässt sich Sprache also definieren als gemeinsame Interaktion zwischen Sprecher (S) und Hörer (H) in einer Sprechsituation (P). Zwecke und Muster Das gemeinsame Handeln wird durch die bereits genannte Kategorie des Zwecks bestimmt. Die Ausrichtung der Kommunikation an einem spezifischen Zweck ist für Ehlich dabei ein zentrales Merkmal der Unterscheidung von menschlicher

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und tierischer Kommunikation. Zwecke lassen sich charakterisieren als kollektive Absichten, mit denen sprachliche Handlungen vollzogen werden. Sie treten verallgemeinert und wiederkehrend als strukturierendes Moment in der SprecherHörer-Kommunikation auf (Vgl. Redder 2008, S.10). Damit lassen sie sich von den individuellen Zielen, die Sprecher und Hörer in den Kommunikationsraum einbringen, unterscheiden (Vgl. Rehbein 2006, S. 558). Deutlich wird der Zweck in der Verbindung mit den bereits benannten Begriffen der Defizienz und Suffizienz, denn Zwecke »beziehen [..] sich auf die spezifischen Relationen zwischen Bedürfnissen und Konstellationen« (Ehlich/Rehbein 1979, S. 245). Der Zweck entspricht der Absicht, durch eine sprachliche Handlung die Defizienz in eine Suffizienz umzuwandeln bzw. das zu befriedigende Bedürfnis zu erfüllen. Durch den Zweck einer sprachlichen Handlung wird seine Struktur bestimmt. Unterschieden werden können sprachinterne und sprachexterne Zwecke. Während die sprachinternen Zwecke die Bearbeitung sprachlicher Kommunikation an sich, beispielsweise die Umwandlung gedanklicher in akustische Formen, umfassen, bilden die sprachexternen Zwecke die Illokution bzw. den Illokutiven Akt der Sprecher-Hörer-Kommunikation ab (Ehlich 2007, S. 118f). Realisiert werden die durch Zwecke geprägten kommunikativen sprachlichen Handlungen in Form von Mustern. Muster sind definiert als »gesellschaftliche Strukturen, die der Bearbeitung von gesellschaftlich rekurrenten Konstellationen dienen« (Ehlich 2007, S. 14). Sie sind »für bestimmte Konstellationen und Bedürfnisse ausgebildet und durch bestimmte Zwecke charakterisiert« (Hoffmann 2016, S. 28). Muster können also als Schema verstanden werden, nach dem die Kommunikation zwischen S und H in einer spezifischen Situation organisiert und abgewickelt wird. Sie sind nicht nur auf eine Äußerung reduziert, sondern komplex und können Ketten von Handlungen bzw. Handlungssequenzen umfassen (Hoffmann 2016, S. 28). Da nur wenige Handlungen rein sprachlich ablaufen, liegen Muster auch in nichtsprachlichen Formen für die Interaktion vor. Vielmehr bestehen sie aus unterschiedlichen Typen von Handlungen, die neben sprachlichen auch mentale Handlungen und Aktionen sein können (Rehbein 2006). Die enge Verknüpfung der Begriffe Muster und Zweck resultiert aus ihrem wechselseitigen, funktionalen Bezug. Sprachhandelnde bedienen sich Muster, um konkrete Zwecke zu realisieren. Im Prozess des Spracherwerbs werden Muster dafür zunächst erarbeitet und internalisiert, sodass sie schließlich vom Sprecher entsprechend des zu realisierenden Zwecks eingesetzt werden können (Ehlich/Rehbein 1979; BeckerMrotzek 2014). Da Sprachhandelnde wiederholt mit ähnlichen Herausforderungen bzw. Defizienzen konfrontiert werden, müssen sie stets ähnliche sprachliche Handlungen vollziehen, um diese zu beseitigen. Diese Muster können dementsprechend mit Problemlösestrategien verglichen werden, die in gesellschaftlich ausgearbeiteter Form für spezielle Konstellationen vorliegen. Dabei handelt es sich

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nicht um starre Gebilde, die lediglich einem Zweck zuzuordnen sind. Bei einem Muster handelt es sich vielmehr um eine »Folie« (Hoffmann 2014, S. 60), also eine flexible Vorlage, für die Planung einer sprachlichen Handlung. Akte, Prozeduren, Sprachhandlungen »Sprachliches Handeln erfolgt in Einheiten unterschiedlicher Größenordnung«, so Redder (2008, S. 12) weiter. Als größte Einheiten betrachtet die Funktionale Pragmatik Diskurs und Text, die sich aus verschiedenen Sprachhandlungen (bzw. sprachlichen Handlungen) zusammenfügen. Die Sprachhandlungen selbst werden aus Akten (Vgl. Searle 1971) zusammengesetzt und ihrerseits durch die kleinste Einheit, die Prozeduren, bestimmt. Diese drei Bestandteile sprachlicher Handlungsmuster bezeichnen Ehlich/Rehbein (1979) als Pragmeme. Aus funktionalpragmatischer Perspektive spielen nicht die Zeichen an sich eine entscheidende Rolle, sondern ihre Funktion. Der Begriff der Prozeduren umfasst die kleinsten Handlungseinheiten. Ehlich hält fest, dass Prozeduren »in eigenen Einheiten, in Morphemen, in Positionsvariationen (z. B. Satzformen unterschiedlichen Typs) und auf andere Weise realisiert sein« können (2007, S. 23). Charakteristisch ist jedoch die Beziehung zwischen den Prozeduren und den bühler’schen Feldern, wobei sich die Wortarten mit deutlichen Schwerpunkten verteilen. Prozedur Feld Bereich des Sprechers (:S)

Realisierungsformen der sprachlichen Prozeduren Satz- NVK Ak- mentaler Bereich Einhei- Mor- Intotion des Hörers (:H) ten/ pheme nation form Einzeli. w. S. wörter

expressiv Malexpeditiv Lenkdeiktisch Zeignennend

Symbol

operativ

Operations-

x x

x

x

x

x x

x

x

x

x

Tabelle 1: Prozeduren und Felder nach Rehbein (2006, S. 566)

Involvierung in Atmosphärisches Unmittelbarer Eingriff in d. Handlungsprozess v. H Fokussierung des H auf Objekte in verschied. Räumen Aktualisierung von Wissen-KonzeptWirklichkeit Verarbeitung von Sprache als Sprache (im sprachlichen Wissen)

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Während das Symbolfeld nennende Prozeduren wie Nomen, Verben, Adjektive und Präpositionen umfasst, durch die eine Verbindung zur Wirklichkeit (P) hergestellt werden kann, dienen die deiktischen Prozeduren des Zeigfeldes der Organisation der Aufmerksamkeit von S und H innerhalb der Sprechsituation bzw. des (geteilten) Wahrnehmungsraumes. In das operative Feld, in dem die Äußerungsbedeutung konstruiert wird, fallen beispielsweise Artikel und Konjunktionen, die zur Verarbeitung des sprachlichen Wissens bei H beitragen. Demgegenüber sind Interjektionen und Vokative als expeditive Prozeduren dem Lenkfeld zuzuordnen, durch das ein direkter Eingriff in den Handlungsprozess des Hörers ermöglicht wird. Das Malfeld wird im Deutschen hauptsächlich durch die Betonung zum Ausdruck gebracht (Ehlich 2007; Hoffmann 2006, S. 40ff; Rehbein 2006, S. 565f). Das Zusammenfügen von Prozeduren formt die nächstgrößere funktionalpragmatische Einheit, die der Akte. Becker-Mrotzek hält fest, dass es sich bei Akten um »Tätigkeiten, die der einzelne alleine, d. h. ohne Beteiligung eines Aktanten, ausführen kann«, handelt (2004, S. 22f). Beispielhaft führt er den Äußerungsakt an und erklärt, die Äußerung von Lauten sei auch ohne einen weiteren Aktanten möglich. Dieses Beispiel wirft, durch die Bezugnahme auf den Äußerungsakt, unmittelbar die Frage nach der Typisierung von Akten auf. In Anlehnung an Austin (1972) und Searle (1971) werden drei Typen von Akten unterschieden: illokutive, propositionale und Äußerungsakte. Wie das Beispiel bereits deutlich gemacht hat, handelt es sich bei dem Äußerungsakt um das lautliche Hervorbringen einer Äußerung bzw. eines Wortes. Im propositionalen Akt wird zunächst auf ein Element der Wirklichkeit Bezug genommen und unmittelbar daran angeknüpft eine Aussage über eben diesen Ausschnitt der Wirklichkeit gemacht. Illokutive Akte bezeichnen schließlich die kommunikative Kraft einer Äußerung, sie spiegeln die Zwecke der Kommunikation wider (Becker-Mrotzek 2004, S. 22f). Als Ergänzung der drei durch S vollzogenen Sprechakte wurde der perlokutionäre Akt ergänzt, der die hörerseitigen Bedingungen des sprachlichen Handelns umfasst (Vgl. Maas/Wunderlich 1972). Grundlagen der Kommunikation zwischen S und H können nicht für jede Kommunikationssituation neu ausgehandelt werden. Aus diesem Grund berufen sich die Sprachhandelnden auf gesellschaftlich bewährte Formen, die bereits erwähnten Muster, die aus Konstellation und Zweck der Sprechsituation hervorgehen. Die sprachlichen Handlungen werden durch Äußerungen realisiert, die Wörter, Wortgruppen oder Sätze umfassen können. Dabei ist jeder Äußerung eine spezifische Illokution, d. h. ein Zweck, zugewiesen (Hoffmann 2016, S. 32). Die sprachlichen Handlungen stellen tatsächliche Handlungen dar, da sie über die sprachliche Wirklichkeit (p) hinaus Auswirkungen auf die außersprachliche Wirklichkeit (P) haben können. Das zeigt sich beispielsweise an sprachlichen Handlungen wie Versprechen oder Taufen, die Illokution und Tätigkeit zugleich

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sind. Die sprachlichen Handlungen sind eingebunden in praktische Tätigkeitszusammenhänge und wie eingangs beschrieben eine spezifische Klasse menschlicher Handlungen. Im Gegensatz zu den Akten handelt es sich nicht um Tätigkeiten, die allein vollzogen werden können, sondern um »Tätigkeiten, die gemeinsam mit anderen Handelnden ausgeführt werden« (Becker-Mrotzek 2004, S. 23), also interaktional sind. Das sprachliche Handeln umfasst deshalb nicht nur die sprecherseitigen Akte, sondern ebenso das hörerseitige Handeln. Erst durch den Mitvollzug der sprachlichen Handlung gelingt dem Hörer die »Rekonstruktion des Sprecherplans« (Rehbein 2006, S. 563). Diese »Rekonstruktion« bezeichnet im Kern das Verstehen der sprachlichen Handlung. Im Zuge der Kompetenzorientierung (von der Input- zur Output-Steuerung) in Schulen sind sprachliche Handlungen in der Institution Schule mehr und mehr instrumentalisiert worden. Als Operatoren geraten sprachliche Handlungen wie Beschreiben, Definieren, Erklären, Argumentieren, Deuten und Begründen in den Blick, die auch im Rahmen dieser Arbeit eine entscheidende Rolle spielen. Diese, für den Unterricht mehr oder weniger operationalisierten sprachlichen Handlungen, gewinnen ihre Bedeutung sowohl fachübergreifend – als besondere Charakteristika der sprachlichen Interaktion im Unterricht – als auch fachspezifisch – durch ihre besondere fachliche Prägung (Vgl. Gogolin/ Lange 2011). Bevor die sprachlichen Handlungen des Beschreibens und Erklärens genauer untersucht werden, soll der Fokus allerdings zunächst zurück auf die größten von der FP definierten Einheiten gelenkt werden: Text und Diskurs. Text und Diskurs Ehlich bezeichnet Diskurse als die wesentliche Weise, in der sich sprachliche Handlungen verbinden (2007, S. 18). In charakteristischer Form fügen sich in Diskursen Sprechhandlungen entweder als Sequenzen oder Verkettungen zusammen. Während die Sprechhandlungssequenzen einen systematischen Sprecherwechsel implizieren, handelt es sich bei Sprechhandlungsverkettungen um Aneinanderreihungen von sprachlichen Handlungen ohne systematischen Sprecherwechsel (Ehlich 2007, S. 37). Diskurse werden definiert als »über den Zusammenhang von Zwecken konstituierte Musterfolgen, die sich an der sprachlichen Oberfläche als Abfolge sprachlicher Handlungen darstellen« (Ehlich 1991, S. 135). Diskurse können verschiedene Muster umfassen, die zweckgebunden als sprachliche Handlungen aufeinanderfolgen. Prägendes Merkmal des Diskurses ist die »konkrete Kopräsenz von Interaktanten in eine[m] gemeinsamen Wahrnehmungsraum« (Ehlich 2007, S. 33; vgl. auch Rehbein 2006, S. 557) und die daraus resultierende Mündlichkeit. Der gemeinsame Wahrnehmungsraum erlaubt es den Interaktanten auf außersprachliche Objekte zu verweisen und durch deiktische Prozeduren die Aufmerksamkeit des Hörers zu lenken.

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Neben den deiktischen und expressiven Prozeduren ist es S auch möglich, non-verbale Handlungen wie Gestik und Mimik einzusetzen. H kann unmittelbar auf das Gesagte reagieren, sodass ein dynamischer Wissensaustausch entstehen kann. Der Zweck der Kommunikation wird durch die gewählten Muster und ihre Realisierung in sprachlichen Handlungen unmittelbar bearbeitet (Hoffmann 2014, S. 56ff). Diese spezifischen Besonderheiten stellen wesentliche Unterscheidungsmerkmale zwischen Diskurs und Text dar. Frühe Definitionen der Textlinguistik (Vgl. Brinker 2001) verstanden Text als eine »Kombination von mindestens zwei Sätzen« (Ehlich 1991, S. 135). Die Aspekte der Verbundenheit und des Zusammenhangs von Sätzen zu einer übersatzmäßigen Einheit standen bei dieser Definition im Vordergrund. Schnell wurde jedoch deutlich, dass die Fokussierung auf die Länge einer (schrift-)sprachlichen Äußerung als einziges Bestimmungsmerkmal nicht ausreicht (Ehlich 1984, S. 11f). Als weiteres Merkmal wurde der Aspekt der Schriftlichkeit zur Definition des Textbegriffs herangezogen. Bei der Transposition des Modells wurden Sprecher und Hörer zu Schreiber und Leser. Zwar muss ein Text nicht zwangsläufig mit Schrift verbunden sein, wie z. B. Märchen zeigen, die traditionell in gleicher Form mündlich weitergegeben wurden, doch ist er stets geprägt durch eine zerdehnte Sprechsituation (Ehlich 1991, S. 135f; Ehlich 2007, S. 19). Die Sprechsituation als wesentlicher Rahmen sprachlichen Handelns entfällt, sodass für Text wesentlich »die Ruptur, die als das Zerbrechen des gemeinsamen Wahrnehmungsraumes zu beschreiben ist« (Ehlich 1984, S. 19), angenommen wird. Der unmittelbare Vollzug der Interaktion zwischen S und H wird gebrochen. S wird zum Autor, der gezwungen ist, auf die Verbindlichkeit eines geteilten Wahrnehmungsraumes zu verzichten. Durch den Text muss dementsprechend die Flüchtigkeit der Sprechsituation überwunden werden, sodass der Text seinen Zweck in der Überlieferung gewinnt. Äußerungen müssen so getätigt werden, dass sie nicht in die Sprechsituation eingebunden sind, sondern losgelöst von ihr wiederholt und verstanden werden können. Damit weist das funktional-pragmatische Textverständnis Parallelen zum Modell von Koch/Oesterreicher (1986) auf, das zwischen Sprache der Nähe und Sprache der Distanz unterscheidet. In dem Modell wird ein Kontinuum zwischen konzeptionell bzw. medial mündlichen oder schriftlichen Realisierungen aufgezeichnet. Koch/Oesterreicher entwickeln aus dem konzeptionellen Kontinuum verschiedene Parameter, die sich für die Abgrenzung zwischen geschriebener und gesprochener Sprache eignen. Beispielsweise halten sie die Rollenverteilung (spontan – festgeschrieben), die Art der Interaktion (face-to-face – raumzeitlich getrennt) und den Planungsaufwand (spontan – reflektiert) fest (Koch/Oesterreicher 1986, S. 19). Dementsprechend lassen sich Texte den konzeptionell (sowie medial) schriftlichen Realisierungen zuordnen, während Diskurse die Merkmale konzeptionell (sowie medial) münd-

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Sprechsitua$on Sprecher

Produk$on

Sprechakt

Rezep$on

Hörer

Situierung des Textes Autor

Produk$on

Text Rezep$on

Leser

Abbildung 1: Sprechakt und Text im Modell. Eigene Bearbeitung (Vgl. Ehlich 1984, S. 13, 18)

licher Realisierungen umfassen. Als wesentliche Kommunikationsmerkmale gelten für Texte neben der Situationsentbindung – bzw. raumzeitlichen Trennung der Aktanten – die Aspekte der Monologizität, Reflektiertheit und Objektivität. Diese führen auf Ebene der Versprachlichungsstrategien zu einer höheren Informationsdichte, der Kompaktheit und Komplexität des sprachlichen Realisats sowie seiner Planung und elaborierten Ausführung durch den Produzenten (Koch/Oesterreicher 1986, S. 21ff). -

- Monolog - Fremdheit [..] - raumzeitliche Trennung - […] - Reflek$ertheit - ›Objek$vität‹

Dialog Vertrautheit [..] face-to face-Interak$on […] Spontaneität Expressivität

Sprache der Nähe

- Prozessha"igkeit - Vorläufigkeit

graphisch phonisch

Sprache der Distanz

- ›Verdinglichung‹ - Endgül$gkeit

Abbildung 2: Reduziertes Kommunikationsmodell (Vgl. Koch/Oesterreicher 1994, S. 23)

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Schrift dient in diesem Zusammenhang als »Mittel zur Verdauerung des in sich flüchtigen sprachlichen Grundgeschehens« (Ehlich 1994, S. 18). Ein weiteres Merkmal des Textbegriffs entspringt der Charakterisierung als »Konnexion und Kohärenz« (Ehlich 1984, S. 11). Die sprachlichen Handlungen, die einen Text durch ihre Verkettung konstituieren, bedürfen einer spezifischen, eben musterhaften Organisation, um den Zweck des Textes einzulösen. Sie müssen in einem kohärenten Zusammenhang stehen, sodass die kommunikative Funktion des Textes deutlich werden kann (Hoffmann 2014, S. 55ff). Obwohl Texte, wie Märchen oder traditionelle Erzählungen, auch mündlich vorliegen können, ist Schrift die »exemplarische Form« (Ehlich 1984, S. 20). Durch seine Niederschrift wird der Text aus seiner Entstehungssituation heraushebbar und den (möglichen) Lesern in einer Vielfalt von Rezeptionssituationen zugänglich. Schrift stellt das Speichermedium dar, das die Herauslösung der sprachlichen Handlung aus der Sprechsituation erlaubt. Außerdem dient der geschriebene Text der Speicherung von Wissen und stellt über Generationen hinweg die Möglichkeit der »historisch-gesellschaftlichen Überlieferung« (Redder 2008; Hoffmann 2014) dar. Über die funktional-pragmatische Sichtweise hinaus halten Bachmann/Becker-Mrotzek fest, dass Texte »multimediale Handlungsformen bzw. Handlungsprodukte« (2017, S. 26) sind, die nicht ausschließlich aus sprachlichen Anteilen bestehen, sondern ebenso Bilder, Abbildungen, Tabellen usw. enthalten können. Wickelt man das soeben skizzierte Modell der funktional-pragmatischen Betrachtungsweise von Sprache erneut ab, zeigt sich, dass Texte ihrerseits prototypische Muster nutzen und dementsprechend aus spezifischen sprachlichen Handlungen zusammengefügt sind. Für unterschiedliche Zwecke stehen in der raumzeitlich getrennten Kommunikationssituation ebenso prototypische Formulierungen (Prozeduren) und Verknüpfungen nach spezifischen Mustern bereit, wie für die mündliche Kommunikation kopräsenter Aktanten im Diskurs (Bachmann/Becker-Mrotzek 2017, S. 29f). Zwischenhalt Festzuhalten ist, dass die funktional-pragmatische Perspektive Texte und sprachliche Handlungen in den Blick nimmt, die durch Sprachhandelnde in konkreten Situationen spezifisch vollzogen werden. Die Muster, die der mündlichen und schriftlichen Realisierung der sprachlichen Handlungen zu Grunde liegen, sind geprägt durch die Konstellation der Sprachhandlungssituation sowie die Zwecke, die durch den Vollzug der Sprachhandlung umgesetzt werden sollen. Das Musterwissen kann dementsprechend charakterisiert werden als Problemlösewissen, das zum sprachlichen Handeln befähigt.

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Textsorten Vor der Hinwendung zu spezifisch textbezogenen Fähigkeiten und ihrer Didaktisierung verlangt ein weiterer Begriff unsere Aufmerksamkeit: Der Textsortenbegriff. Nicht ganz deutlich abgrenzbar ist er von den Begriffen Textmuster und Genre, zum Teil werden die Begriffe synonym gebraucht (Vgl. Bachmann/ Becker-Mrotzek 2017, zum Genre-Begriff Hallet 2013). Dies zeigt beispielsweise die Definition von Brinker, der Textsorten als »konventionell geltende[..] Muster für komplexe sprachliche Handlungen« (2001, S. 135) versteht. Bachmann/Becker-Mrotzek (2017) stellen einige Herleitungen des Textmusterbegriffs vor, die Klarheit ins Dunkel bringen sollen. Aus den unterschiedlichen Definitionen lassen sich wesentliche Bestimmungen des Begriffs ableiten. Wie auch die nicht-schriftlichen Muster entstehen Textmuster durch Repetition (Vgl. dazu Schneuwly 1995; Bourdieu 2001) und gehen in das kollektive Wissen der Sprachteilnehmer ein. So dienen sie als »dauerhaft verfügbare Ressource für die sprachliche Tätigkeit« (Bachmann/Becker-Mrotzek 2017, S. 30; Barton 2007). Als Rahmen oder Makrostruktur von Texten stellen sie Pragmeme bereit, um kommunikative Absichten (Zwecke) zu realisieren. Zum daraus resultierenden Textmusterwissen zählen drei Ebenen. Auf der Ebene der Textstruktur ist das Wissen über die formale Ordnung des Textmusters verankert. Dies umfasst Wissen zur inhaltlich-thematischen und kausallogischen Verknüpfung (Kohärenz) des Textganzen. Das Wissen über die Textfunktion schlägt sich auf die Bereiche der pragmatischen und kommunikativen Intentionen des Textes nieder. Erst durch ausreichendes Wissen über die Textfunktion gelingt es dem Schreiber durch sein Textprodukt Einfluss auf Wissen, Erkennen und Handeln des Rezipienten zu nehmen. Das Wissen über Textprozeduren ermöglicht schließlich die Realisierung bestimmter sprachlicher Handlungen (Bachmann/Becker-Mrotzek 2017). Die Autoren fokussieren in besonderer Weise auf die Textprozeduren, die sie als »textkonstituierende sprachgebundene Einheiten, die den Schreib- und Leseprozess strukturieren« (S. 30) verstehen. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Schreiber ebenso über Wissen zu den sprachlichen Handlungen auf der den Prozeduren übergeordneten Ebene verfügen muss, um Textsorten zu realisieren. Auch im Fachunterricht spielen Textsorten eine besondere Rolle. Wer erinnert sich beispielsweise nicht an das Versuchsprotokoll aus dem Physik- oder Chemieunterricht oder die Lösung einer Textaufgabe im Mathematikunterricht? Textsorten stellen also einen »Ausdruck fachlicher Systematik und spezifischer Denk- und Erkenntnisformen« (Beese/Roll 2015, S. 52) dar. Entsprechend ihres spezifischen Aufbaus und der daraus resultierenden sprachlichen Gestaltung dienen Textsorten der fachlichen Wissensorganisation. Sie repräsentieren dementsprechend fachliche Denk- und Erkenntnisformen, die an spezifische Kommunikationssituationen, Zwecke und

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Methoden des Fachs geknüpft sind. Textsorten verlangen die Umsetzung spezieller sprachlicher Strukturen und Mittel, die Ausdruck fachlicher Zusammenhänge sind. Zum Darstellen dieser fachlichen Zusammenhänge fehlen Schüler*innen weniger die kognitiven Fähigkeiten, sondern vielmehr die erforderlichen sprachlichen Fähigkeiten (Beese/Benholz 2013, S. 47). Aus didaktischer Perspektive eignen sich Textsorten und die sie konstituierenden sprachlichen Handlungen deshalb in besonderer Weise als Hebel zur Sprachbildung (Beese/ Roll 2015, S. 51). Durch die kleinschrittige Analyse und (Re-)Produktion der Textsorten lässt sich die Struktur der sprachlichen Handlungen, die den Gesamttext konstituieren, vermitteln und mit Fachkonzepten und -inhalten verknüpfen. Zwar lässt sich eine Aneignung sprachlichen Handlungswissens, auch im Sinne der durchgängigen Sprachbildung, übergreifend schulisch organisieren, doch muss die explizite Vermittlung der spezifischen Systematik im Fachunterricht vollzogen werden (Beese/Roll 2015, S. 51).

2.1.2 Sprachliche Fähigkeiten im Fokus Kompetenzen oder Fähigkeiten? Weinert fasst Kompetenzen in seiner vielzitierten Definition als »die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können« (2001, S. 27f). Kompetenzen umschreiben also erwerbbare Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Problemlösen, die an motivationale, volitionale und soziale Bereitschaften geknüpft sind. Auch in Bezug auf die spezifischen Prozesse des Schreibens bzw. der Textproduktion besteht kein begrifflicher Konsens. Becker-Mrotzek/Roth (2017) sprechen sich für den Begriff der Schreibkompetenz aus, der die sprachlich korrekte Herstellung einer unbegrenzten Anzahl von Formulierungen bzw. Sätzen in einer Sprache bezeichnen soll. Demgegenüber entspräche der Begriff der Sprachfähigkeit der universell gegebenen und stabilen menschlichen Eigenschaft der Produktion und Rezeption von Sprache. Im Folgenden soll somit entwickelt werden, weshalb in der vorliegenden Studie statt des Kompetenzbegriffs die Formulierungen »Textsortenfähigkeit« und »fachliche Sprachhandlungsfähigkeit« genutzt werden. Definition Der Kompetenzbereich Schreiben, wie im Kernlehrplan für das Fach Deutsch (Ministerium Für Schule, Jugend Und Kinder Des Landes NordrheinWestfalen, 2004) beschrieben, umfasst vier Felder:

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1) Schreiben als Prozess, der neben äußeren Kriterien des Schreibprodukts die Orthographie und Zeichensetzung und Aspekte des Aufgabensettings sowie der Materialrecherche und -auswahl umfasst; 2) Texte schreiben, das sich auf die Kenntnis und Umsetzung formaler Textsorten sowie ihrer Dekonstruktion in Form von Analysen und Interpretationen bezieht; 3) Produktionsorientiertes Schreiben, das kreative und produktive Schreibformen in den Mittelpunkt stellt und 4) Methoden und Arbeitstechniken. Vielfach überschneiden sich die Definitionen der Begriffe Schreib- und Text(sorten)kompetenz (hier: -fähigkeit). Einen breiten Bogen spannen Bachmann/ Becker-Mrotzek, wenn sie von Schreibkompetenz als einer »im Wesentlichen sprachliche[n] Fähigkeit« sprechen. Die Kompetenz beziehe sich auf die Fähigkeit »sich mithilfe von geschriebenen Texten in einer über Raum und Zeit hinweg zerdehnten Kommunikation (Ehlich 1983) mit anderen zu verständigen« (2017, S. 26). Bereits einige Jahre zuvor wurde Schreibkompetenz von Knopp/BeckerMrotzek/Grabowski als »komplexe Fähigkeit, die der Herstellung funktional angemessener Texte dient« (2013, S. 269) definiert. Auch Steinhoff schließt daran an, indem er Schreibkompetenz als »Fähigkeit […], gesellschaftsrelevante Texte korrekt und leseradäquat zu verfassen« (2014, S. 331) bezeichnet. In diesen Definitionen wird ein enger Bezug der Schreibkompetenz zum Textbegriff deutlich. Peter Sieber verzichtet auf diesen Bezug, wenn er Schreibkompetenz in Anlehnung an Bereiter als »vollausgereifte Schreibfähigkeit« (2003, S. 210) bezeichnet. Dafür bleibt seine Definition weitestgehend bedeutungsleer, werden lediglich die Begriffe »Kompetenz« und »Fähigkeit« als Synonyme verwendet. Es lohnt zunächst einen Schritt zurückzutreten und Schreiben als solches zu betrachten. Antos (1996) definiert die Tätigkeit als: »Sammelbezeichnung für die Koordination von verschiedenen, aufeinander beziehbaren, kognitiven, kommunikativen, sprachlich-semiotischen, motorischen, sozialen und sonstigen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die Erlernung, Entfaltung und Habitualisierung der Interaktion dieser verschiedenen deklarativen wie prozeduralen Wissensbestände ist ein auf Integration angelegter komplexer Vorgang« (S. 191).

Eine Annäherung an diese Fähigkeiten und Fertigkeiten erfolgt in der Schule schrittweise. »Im Unterschied zur mündlichen Kommunikationsfähigkeit, […] ist der Erwerb schriftlicher Kommunikationsfähigkeit nicht artspezifisch vorgegeben«, stellen Augst/Faigel (1986, S. 13) ihren Überlegungen zur Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten voran. Schriftliche Sprachfähigkeit entwickelt sich also nicht wie das mündliche Pendant »von selbst«. Stattdessen beginnt die Entwicklung angeleitet beim Eintritt in die Schule.

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Das Schreiben stellt eine komplexe Handlung dar, die verschiedene Fähigkeiten voraussetzt. Aus der Komplexität des Sachverhalts ist eine Vielzahl unterschiedlicher Modelle entsprungen, die wesentliche Merkmale und Voraussetzungen der Schreibkompetenz bzw. -fähigkeit benennen wollen. Wrobel (2014) führt in Anlehnung an Feilke/Augst (1989) unter anderem Weltwissen, Kommunikations- und Kommunikationsnormenwissen, mikro- und makrostrukturelles sprachliches Wissen und Schreibwissen als Voraussetzung für die Schreibfähigkeit an. Abraham et al. (2007) benennen in Anlehnung an Bereiter (1980) verschiedene Teilkompetenzen für die Schreibproduktion: 1) das flüssige Produzieren von geschriebener Sprache, 2) das Generieren von Ideen, 3) die Beherrschung von Schreibkonventionen, 4) die Fähigkeit zur Leserantizipation, 5) die Entwicklung literalen Verständnisses und Unterscheidungsvermögen und 6) die Fähigkeit reflexiven Denkens im Schreibprozess. Damit gestaltet sich Schreiben als ein zunehmend ausdifferenzierter, aber auch komplexer Prozess. Die ebenfalls von Abraham et al. adaptierte Gliederung der Schreibkompetenz in fünf Modi, die Baurmann/Ludwig 1986 vorgelegt haben, skizziert den Prozess des Schreibenlernens vom assoziativen bis zum epistemischen Schreiben, dem hier ein eigenes Unterkapitel gewidmet wird. In dem Modell entwickeln sich die Fähigkeiten und Fertigkeiten ausgehend von der basalen Ebene des assoziativen Schreibens, auf der geschriebene Sprache mit der Fähigkeit, Ideen zu generieren, verbunden wird, über die Einhaltung von Schriftsprachkonventionen (normbewusstes Schreiben), die Berücksichtigung des Lesers (kommunikatives Schreiben), die kritische Reflexion über das eigene Schreibprodukt (vereinigtes bzw. authentisches Schreiben) bis hin zum Schreiben als Denk- und Erkenntnisprozess an sich. Das dreischrittige Modell von Kruse/Jakobs (1999) macht Wissen, Sprache und deren norm-, genre- und adressatengerechten Gebrauch sowie Kommunikation als wesentliche Komponenten des Schreibens aus (Vgl. Sieber 2003, S. 209f). Bereiter (1980) orientiert sich an den Fähigkeiten, die ein Schreiber entwickeln muss. Neben den Fähigkeiten, eigene Gedanken schriftlich zu formulieren und anderen zu kommunizieren, betrachtet er die Fähigkeit, Gedanken im Medium zu generieren und weiterzuentwickeln als zentralen Aspekt der Schreibfähigkeit (Vgl. Sieber 2003, S. 210). In einem größeren Rahmen betrachtet Ludwig (1995; vgl. Sieber 2003, S. 209) die Dimensionen des Schreibens. Die Niederschrift von Zeichen an sich bezeichnet er als technologische Dimension, ergänzt durch die semiotische Funktion derselben. Als linguistische Funktion beschreibt er das Schreiben als Produktion sprachlicher Handlungen, das schließlich in die operative Funktion des Schreibens mündet. Diese Funktion umfasst die Integration des Schreibens in einen Handlungszusammenhang, beispielsweise im Rahmen der Textproduktion. Bei eingehender Betrachtung der Modelle können trotz unterschiedlicher

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Theoretische Grundlagen

Begriffsverwendung und Kategorisierung einige wesentliche Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden. Als grundlegende Komponenten der Schreibfähigkeit sind demzufolge anzuführen: – Inhaltliches Wissen: Wissen zum Schreibanlass bzw. zur Textproduktion sowie die Fähigkeit zur Generierung und Weiterentwicklung von Ideen – Kommunikatives Wissen und Fähigkeiten: Genrewissen, dass die Fähigkeit zur Leserantizipation (z. B. in Form von Textstrukturierung und Adressatenwissen) mit einbezieht – Sprachliches Wissen und Fähigkeiten: Fähigkeiten zur Produktion von geschriebener Sprache sowie die Beherrschung von Schreibkonventionen – Schreibwissen und -fähigkeiten: Entwicklung eines literalen Verständnisses und der Fähigkeiten zum reflexiven und epistemischen Schreiben Anschließend an die Überlegungen zur Entwicklung der Schreibfähigkeiten soll der Fokus im Folgenden jedoch nicht auf dem Schreiben als Prozess, sondern auf der Textproduktion liegen. Hufeisen versteht diese als »das zielgerichtete Schreiben von bestimmten Textsorten«, (2007, S. 97) das sowohl Textmusterwissen als auch Methodenkompetenz voraussetzt. In der hier vorliegenden Studie spielen vor allem die kooperative und eigenständige Produktion von Texten eine entscheidende Rolle. In Bezug auf den Fremdsprachenunterricht hält Christ fest, dass verschiedene Domänen (Denken, Sprache(n), Kultur(en)), Aktionsformen (Aktion, Interaktion, Kommunikation), Sozialbezüge (Person, Partner, Gemeinschaft), Anschauungsformen (Raum, Zeit) und Textformen (mündlich, schriftlich) die Textproduktion beeinflussen (2007, S. 50). Bei der Textproduktion handelt es sich dementsprechend um eine komplexe, vielschichtige Tätigkeit. Sie wird von Bachmann/Becker-Mrotzek weiter als »eine spezifisch sprachliche Handlung, die im Kern auf die selbstständige Produktion von kommunikativ angemessenen und inhaltlich bedeutungsvollen Texten abzielt« (2017, S. 27) definiert. Um Texte zu produzieren, bedarf es einer spezifischen, Fähigkeit, die über die Schreibfähigkeit hinausgeht. Selbstverständlich müsste ein umfassender Begriff der textspezifischen Schreibfähigkeit sowohl Textproduktion als auch -rezeption umfassen. Bei der hier umrissenen Fähigkeit handelt es sich jedoch, im Hinblick auf die Ausrichtung der Studie unbedingt zu schärfende, produktive Textsortenfähigkeit. Eine solche Textsortenfähigkeit verstehen Yilmaz Woerfel/Riehl als eine »Kompetenz im Bereich der Schriftlichkeit«, die die »Fähigkeit, Texte unterschiedlicher Zwecke und Strukturen selbstständig, sachbezogen und adressatenorientiert zu verfassen« (2016, S. 306), beschreibt. Da Schüler*innen Texte unter verschiedenen Frage- und Aufgabenstellungen, der Berücksichtigung unterschiedlicher Adressaten, Inhalte und fachlicher Spezifika verfassen müssen, benötigen sie »an Textfunktionen orientierte grammatische und stilistische«

Grundlagen der Funktionalen Pragmatik

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Fähigkeiten (Abraham et al. 2007, S. 11). Hufeisen betrachtet Textsortenfähigkeit als bewusstes Verfügen »über ein angemessenes Textmusterwissen in möglichst vielen Textsorten« (2007, S. 97) sowie die kontextbezogene Anwendung und Reflexion dieses Wissens. Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. beschreiben Textsortenfähigkeit als »die Fähigkeit, einen präzisen, strukturierten und vollständigen Text sprachlich und inhaltlich korrekt verfassen zu können, der einen spezifischen fachlichen Inhalt darstellt« (2019, S. 36). Durch die Verbindung sprachlicher und fachsprachlicher Elemente hat diese Definition eine besondere Relevanz für die vorliegende Arbeit, da stets die Dualität von Sprache und Fach Beachtung finden soll. Ähnliches findet sich bei Oleschko (2007, S. 311), der mentale Modelle zum Sprachhandeln auf das Wissen zum Schreibprozess, das Fach- und das Sprachwissen zurückführt. In Anlehnung an die vorgestellten Definitionen wird fachliche Sprachhandlungsfähigkeit verstanden als Fähigkeit, sprachliche Handlungen in schriftlicher Form orientiert an den Zwecken der Sprachhandlung sprachlich und fachlich angemessen und korrekt verfassen zu können. Die Mehrheit der vorgestellten Charakterisierungen der Sprachhandlungsfähigkeit zeigt eine enge Anbindung an die Begriffe der Funktionalen Pragmatik. Wer kompetent in der Produktion von Texten bzw. Sprachhandlungen ist, scheint über ein Wissen zu den Zwecken (bzw. Funktionen) eines Textes und darüber hinaus über die Beherrschung von Mustern, mit denen diese erfüllt werden können, zu verfügen. Orientiert am vorgestellten Musterbegriff können die Aspekte der Inhaltsstrukturierung und Adressatenorientierung ebenfalls zum Musterwissen gezählt werden, da sie vom Schreiber in der für die Textsorte typischen Weise realisiert werden müssen. Hinzu treten die grammatischen und stilistischen Fähigkeiten. Unter Berücksichtigung des bereits skizzierten Begriffs der Schreibfähigkeit bietet es sich jedoch an, diese Fähigkeiten nicht der Textsortenfähigkeit (bzw. Sprachhandlungsfähigkeit), sondern vielmehr der allgemeinen Schreibfähigkeit unterzuordnen. Zwar wird von einem »fähigen« Schreiber stets auch grammatikalische und orthographische Korrektheit des Textprodukts erwartet werden, doch kann ein Text seine Funktion durchaus auch ohne die vollständige Korrektheit dieser Merkmale erfüllen. Diese Einschränkung erhält im Folgenden vor allem bei der Betrachtung des Kategoriensystems zur Klassifizierung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit Gewicht. Dort stellen eben nicht grammatikalische oder orthographische Korrektheit leitende Kriterien der Textbewertung dar, sondern funktionale Kategorien, die sich auf den zu realisierenden Zweck der Texte beziehen.

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Theoretische Grundlagen

Schreibprozessmodelle Um den Prozess der Textproduktion und die Entwicklung einer daran geknüpften Textsorten- bzw. Sprachhandlungsfähigkeit besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Schreibprozessmodelle. Unter den Begriff des Schreibprozesses fallen nach Baurmann/Weingarten »Ereignisse, denen eine Funktion im Rahmen der Produktion eines schriftlichen Textes zugeordnet werden kann« (1995, S. 14). Das wohl bekannteste Modell stammt von Hayes/Flower (1980). Aufgabenumfeld Schreibau"rag -

bisher geschriebene Texte

Thema Adressat Mo$va$on Schreibprozess

Langzeitgedächtnis -

Wissen zum Thema Wissen über Adressat Vorhandene Pläne

Planen Strukturieren Generieren

Überarbeiten Formulieren

Ziele setzen

Lesen Revidieren

Kontroll-/Steuerungsinstanz

Abbildung 3: Modell des Schreibprozesses (Vgl. Hayes/flower 1980)

Ihr Modell identifiziert und organisiert die Subprozesse des Schreibprozesses. Diese Subprozesse verlaufen teilweise parallel oder reflexiv und wirken wechselseitig aufeinander ein (Vgl. wrobel 2000, S. 459). Das Aufgabenumfeld (task environment) umfasst alle Einflussfaktoren (exklusive des Schreibers), die aus der Schreibumgebung auf den Prozess einwirken. Dazu zählen der Schreibauftrag und die bisher geschriebenen Textteile. Das Langzeitgedächtnis des Schreibers stellt einen weiteren Subprozess dar. Aus dem Langzeitgedächtnis werden Wissen zum Thema und Adressat abgerufen, außerdem kann auf vorhandene Schreibpläne zugegriffen werden. Der Schreibprozess als Zentrum des Prozessmodells umfasst das Planen, Formulieren und Überarbeiten des Textes. Unter den Subprozess der Planung fallen das Erzeugen und Organisieren schreibrelevanten Wissens und die Festlegung von Zielen für den Schreibprozess. Die Ebene der Übersetzung umfasst die Übertragung dieser Informationen in schriftsprachliche Äußerungen und unter dem Subprozess des Überprüfens werden textkorrigierende Handlungen subsummiert. So wird beispielsweise das aus dem

Grundlagen der Funktionalen Pragmatik

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Langzeitgedächtnis abgerufene Wissen unter Berücksichtigung des Schreibplans verschriftlicht und abschließend anhand bekannter Schreibkonventionen überprüft. Gesteuert wird der Prozess durch eine Kontrollinstanz, den sogenannten monitor (hayes/flower 1980). Als Kritik an diesem Modell wurde unter anderem die Ausrichtung auf »Expertenkönnen« hervorgebracht. Ein Modell, in dem Schreiber*innen bereits ausgefeilte mentale Konzepte einbringen, sei nicht ohne weiteres auch auf Schreibnoviz*innen übertragbar. Darüber hinaus sei das Modell zu eng auf ausgewählte Subprozesse fokussiert (sieber 2003, S. 213). bachmann/becker-mrotzek (2017) entwerfen im Drei-Kreise-Modell der Textproduktion ein Prozessmodell, dass den Textmustern bzw. -sorten besondere Aufmerksamkeit widmet. Ausgehend von der konkreten Schreibaufgabe und dem Abgleich mit bereits bekannten, prototypischen Schreibaufgaben werden prototypische Textsorten für die Aufgabenlösung getriggert. Diese Textsorten dienen als Referenzpunkt für die weitere Bearbeitung der Schreibaufgabe. Aus dem Langzeitgedächtnis wird explizit Textsortenwissen abgerufen und mit dem Wissen zu Aufgabentypen verknüpft. In Verbindung mit dem aktivierten Textsortenwissen wird Wissen über Textziele, -funktionen und inhaltliche sowie sprachliche -bausteine bereitgestellt. Bei der Verschriftlichung entsteht so eine adaptierte Version der Textsorte. Die weiteren Subprozesse bleiben identisch mit denen von hayes/flower skizzierten. Auch dieses Modell setzt voraus, dass der/ die Schreibende bereits Textsortenwissen erworben hat. Ausreichendes Wissen über die Textsorte ist, folgt man dem Drei-Kreise-Modell, eine wesentliche Gelingensbedingung des Schreibprozesses. Das Abrufen von Wissen über sprachliche Mittel reicht nicht aus, wenn es nicht mit textsortenspezifischen Zwecken verknüpft wird, durch die der Text konzipiert und strukturiert werden kann. Eine Gelingensbedingung von Schreibförderung im Fach ist deshalb die Vermittlung spezifischen Textsorten- bzw. Sprachhandlungswissens. Mit deutlichen Parallelen zu den Modellen der Schreibentwicklung haben baurmann/pohl (2009) Entwicklungsphasen der Textproduktion vorgeschlagen. Orientiert am assoziativen Schreiben sind assoziative Texte auf der ersten Stufe der Textproduktion geprägt von dem persönlichen Zugang des Verfassers zum Schreibgegenstand und der daraus resultierenden emotionalen Qualität des Textes. In verketteten Texten geht das assoziative Moment zurück. Stattdessen rückt eine Sachverhaltsbeziehung in das Zentrum des Textes, die die Textkohäsion und -kohärenz bedingt. In gegliederten Texten werden Textteile darüber hinaus in besonderer Weise eingeleitet und sprachlich gestaltet. Doch erst textsortenfunktionale Texte werden vom Verfasser konsequent von ihrem funktionalen Ziel aus geplant und so umgesetzt, dass die Textfunktion deutlich wird. Für die Textproduktion im Unterricht, folgert Hufeisen, müssen deshalb »konstitutive Textteile bekannt und bewusst gemacht werden« (2007, S. 102).

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Theoretische Grundlagen

Die Konzeptbildung, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit vorgenommen wird, erfolgt orientiert an dem Basis- und Kreismodell von Bachmann/BeckerMrotzek (2017). Das Modell erlaubt zunächst, den Prozess der Ausbildung fachlicher Sprachhandlungs- und Textsortenfähigkeit genauer zu bestimmen. Des Weiteren ermöglicht das Modell, Einflussfaktoren auf den Schreibprozess zu bestimmen. Diese Einflussfaktoren werden als Kontrollvariablen erhoben und bezüglich ihrer Rolle als Prädiktoren für die Schreibleistung der Schüler*innen genauer untersucht. Modellierung und Messung Verschiedene Studien widmen sich der Modellierung und Messung der Textsortenfähigkeit von Schüler*innen. So zeigen Augst/Faigel (1986) mit ihrer Untersuchung von 120 Texten (Textsorte: Persönlicher Brief) von gymnasialen Schüler*innen der Jahrgänge 7, 10 und 12, dass kommunikatives Wissen und Fähigkeiten über die Jahrgangsstufen hinweg zunehmen. Besonders heben sie die Fähigkeit zur Planung und Textorganisation sowie die Leserantizipation hervor. Auch Blatt/Ramm/Voss (2009) werfen verschiedene Fragen zur Modellierung und Messung der Textsortenfähigkeit auf. Neben theoretischen und didaktisch sinnvollen Kriterien zur Messung von Textsortenfähigkeit gehen sie der Frage nach, inwiefern es sich um eine globale oder differentielle Fähigkeit handelt, bei der sich unterschiedliche Niveaustufen ausweisen lassen. Zudem betrachten sie, ob und welche Zusammenhänge zu anderen schriftsprachlichen Kompetenzen (Lesen, Rechtschreibung) bestehen. Neben Überlegungen zum Züricher Textanalyseraster (Nussbaumer/Sieber 1994) und dem Stufenmodell von Augst et al. (2007) betrachten die Studie die Ergebnisse der DESI-Erhebung (Neumann 2007). Die Dimensionalitätsprüfung der dort eingesetzten Kategorien spricht für eine zweidimensionale Modellierung der Textsortenfähigkeit, aufgeteilt in formal-inhaltliche sowie sprachsystematische (Sprache, Orthografie, Grammatik, Stil) Fähigkeiten. Durch Regressionsanalysen konnten eine geringe Differenzierung der Aufgabenschwierigkeit hinsichtlich formal-inhaltlichen Kriterien, jedoch größere Unterschiede in den weiteren Kategorien festgestellt werden. Diese Ergebnisse weisen auf die Schwierigkeiten der Schüler*innen hin, sich der jeweiligen Textfunktion gemäß angemessen auszudrücken (Neumann 2007, S. 58). Zur Beantwortung der weiteren Forschungsfragen wurden rund 215 Schüler*innen-Texte der Iglu-E Aufsatzstudie herangezogen, die mittels Qualitativer Inhaltsanalyse sowie Faktorenanalyse untersucht wurden. Grundkategorien der Betrachtung waren Inhalt, Aufbau, sprachliche Gestaltung sowie die schriftliche Darbietung. Durch explorative Faktorenanalyse und Latent Class Analyse (LCA) konnten drei unterschiedliche Typen der Aufgabenbewältigung sowie Leistungsniveaus beschrieben werden. Diese sind orientiert am Modell von Bereiter und bilden Teilfä-

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higkeiten einer voll ausgebildeten Schreibkompetenz ab (1980, S. 59ff). Eine eigene Erhebung von 431 Schüler*innen-Texte (Persönlicher Brief) bildet den Abschluss der Studie. Überprüft wurden neben Aufgabenschwierigkeit (Lösungshäufigkeit 25–95 %, M = 55 %, SD = 4; RASCH WMNSQ 0.8–1.2) und Reliabilität (0.19–0.9) auch Trennschärfe (0.43–0.9) und Konsistenz (α = 0.85) der verwendeten Kategorien. Die Korrelation der Rechtschreibung und Grammatik mit der Gesamtlösung liegt im mittleren Bereich (r = 0.54***), wie auch die Korrelation zwischen Schriftbild und Schreibleistung (r = 0.64***). Es lassen sich also Zusammenhänge zu anderen schriftsprachlichen Fähigkeiten ausmachen. Die Modellprüfung mittels Rasch-Analyse zeigt höhere Zusammenhänge aller Items miteinander, sodass ein globales Modell der Textsortenfähigkeit angenommen wird (Bereiter 1980, S. 72ff). Wie Merz-Görtsch (2001) zeigen konnte, schätzen Schüler*innen die Anforderungen des Texteschreibens sehr hoch ein. Augst et al. (2007) konnten zudem nachweisen, dass Textsortenfähigkeiten zum Teil parallel, allerdings separat erworben werden. Zwar belegte die Pisa-Studie (2002) empirisch, dass die Sprache auch in vermeintlich sprachärmeren Fächern eine wesentliche Rolle spielt (Vgl. Grießhaber 2010), doch bisher weisen Unterrichtssettings, vor allem in den Fächern Geschichte und Gesellschaftslehre, eine Dominanz des schreibarmen, lehrergesteuerten fragend-entwickelnden Unterrichts auf. Konkrete Schreibanlässe werden lediglich durch Tafelabschriften, Lückentexte oder Stichpunkte geschaffen (Beese/Roll 2015, S. 52). Zudem dominieren monologisierende Unterrichtsgespräche, die Schüleräußerungen auf die Nennung von Begriffen reduziert (Vgl. Chlosta/Schäfer 2008). Darüber hinaus seien geschlechterspezifische Unterschiede und unterschiedliche Schreibmotivation in die Planung von Schreibprozessen im Unterricht einzubeziehen (Baurmann/Pohl 2009, S. 88f). Die schulische Praxis steht also vielmals in Opposition zu den Erkenntnissen der schreibdidaktischen Forschung, die zeigen konnten, dass das Schreiben im Unterricht »ein individuell vertieftes Verständnis von fachlichen Fragestellungen« ermöglicht (Baurmann/Pohl 2009, S. 53). Schreibendes Lernen funktioniert durch die Verlangsamung des Denkens als »Denkwerkzeug«, dass vertiefte Reflexion über Inhalte sowie Abstraktionsprozesse ermöglicht. Die Schüler*innen lernen Wissen zu ordnen, in Beziehung zu setzten, zu gewichten, generalisieren oder in Anweisungen umzusetzen (Baurmann/Pohl 2009). Einen besonderen Einfluss auf die Realisation bestimmter Aspekte der Textsortenfähigkeit nimmt die Aufgabenstellung. Besonders in die soziale Interaktion eingebundene, gut strukturierte Aufgabenstellungen zeigen positive Effekte auf die Ausdifferenzierung von Textsortenfähigkeiten. Diesen Effekten sind auch Rüßmann et al. (2016) in der SimO-Studie nachgegangen. Anhand eines Samples von n = 216 Schüler*innen an verschiedenen Gymnasien und Gesamtschulen (Jgst. 6) sollte eine Interventionsstudie mit Prä-

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Theoretische Grundlagen

Post-Erhebungsdesign Aufschluss über die Wirksamkeit des wiederholten Einsatzes verschiedener Schreibarrangements geben. Wiederholt wurden dazu unterschiedliche sprachliche Hilfen mit dem Fokus auf die Textprozeduren (zum Begriff Prozedur s. o.) eingesetzt. Die Aufgabenstellungen wurden orientiert an den von Bachmann/Becker-Mrotzek (2010) erarbeiteten Kriterien zu »Aufgabenstellungen mit Profil« erstellt. Neben der Verdeutlichung der Funktion der Textsorte wurde darauf geachtet, die Aufgabenstellung in eine Interaktionssituation einzubinden, in der auch die Gelegenheit gegeben ist, die Wirkung auf den Rezipienten zu überprüfen. Zudem muss das Welt- und Sprachwissen der Schüler*innen vorhanden sein, um die Aufgabenstellung zu bearbeiten. Berücksichtigt wurden in der Auswertung der Studie nicht nur das fertige Textprodukt, sondern ebenso die Entwicklung des Textprodukts (Textform) und die Prozessebene. Die Ergebnisse der Studie sprechen für eine Nutzung profilierter Aufgabensettings. Funktional-pragmatische Schreibfähigkeiten werden in der stärker profilierten und in einen expliziten Handlungskontext eingebundenen Aufgabenstellung besser realisiert. So werden z. B. musterspezifische sprachliche Mittel umfangreicher und besser angewandt (Bachmann/Becker-Mrotzek 2010, S. 203f). Wenngleich die Ergebnisse der Studie für eine genaue Profilierung von Schreibsettings sprechen, darf dies nicht zurück zu einer Reduzierung und »Schließung« des Formats führen. Offene Aufgabenstellungen führen zu komplexeren schriftsprachlichen Äußerungen und leiten die Schüler*innen zur Verlangsamung des Denkprozesses zu Gunsten von Reflexion und gezielter Auseinandersetzung mit Schreibprodukt und Inhalten an (Beese/Benholz 2013). Epistemisches Schreiben Diese besondere Form des Schreibens im (Fach-)Unterricht ist das epistemische Schreiben. Epistemisches Schreiben wird von Bereitner (1980) sowie Baurmann (1996) als höchste zu erreichende Stufe bei der Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten betrachtet. So gelingt es ›kompetenten‹ Schreibexpert*innen im Schreibprozess neues Wissen zu generieren. Beim epistemischen Schreiben handelt es sich um »eine bewusst und zielgerichtet eingesetzte Problemlösestrategie zur Strukturierung und Erweiterung von Weltwissen« (Steinhoff 2014, S. 333f). Neben der Erweiterung des Weltwissens können auch die Bereiche des Sprach- und metakognitiven Wissens durch epistemisches Schreiben weiterentwickelt werden. Somit wird sprachliches Wissen im Schreibprozess nicht nur angewandt, sondern durch Denk- und Erkenntnisprozesse verändert und weiterentwickelt (Steinhoff 2014). Durch eben diesen Zusammenhang wird Schreiben zu einem ›Denkwerkzeug‹, das eine Fokussierung auf (fachliche(s)) Wissen und Inhalte ermöglicht (Beese/Roll 2015, S. 53). Insbesondere im Fachunterricht kann das epistemische Schreiben eine wesentliche Rolle spielen, da der reflexive, verlangsamte Schreibprozess die Ordnung, Konnexion

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und Gewichtung fachlichen Wissens erlaubt (Boubakri et al. 2017). Aufbauend auf das epistemische Schreiben und das Modell kommunikativer Handlungsprobleme (Feilke/Augst 1989) versteht Steinhoff Schreiben als einen komplexen Problemlöseprozess, der sich aus vier Dimensionen zusammenfügt. Die textuelle Problemdimension fokussiert die medialen Bedingungen des Schreibens. Im Sinne des epistemischen Schreibbegriffs werden die Aspekte der Verlangsamung des Denkens und der Reflexion des Schreibprodukts und seines Inhalts in den Vordergrund gerückt. Hinzu tritt die expressive Problemdimension, die durch die Verbalisierung von Gedanken und Ideen das Potential zur Aneignung sprachlichen und verbalen Wissens eröffnet. Die kognitive Problemdimension hingegen erweitert den Problemlöseprozess um die Aneignung und Aktivierung sprachlich-hermeneutischen Wissens. Die vierte und letzte Dimension, die soziale Problemdimension, umfasst die Interaktion zwischen Autor und Leser durch den Text und manifestiert sich in der Antizipation und Verbalisierung von Erwartungen, Bedürfnissen und Reaktionen des Lesers (Steinhoff 2014, S. 334f). Im Unterricht kann das epistemische Schreiben insbesondere durch die Produktion fachtypischer Textsorten evoziert werden. Die systematische Verbindung von sprachlichen Handlungen und Mitteln mit fachlichen Inhalten und kognitiven Funktionen ermöglicht ein verlangsamtes, schreibendes Lernen. »Epistemisches […] Schreiben kann dadurch bereits in einer frühen Phase des fachlichen Lernens angebahnt werden« (Beese/Roll 2015, S. 52).

2.1.3 Konzepte und Bedingungen der Sprachbildung Bildungs-, Schul- und Fachsprache Bevor die Überlegungen zu den sprachlichen und sprachdidaktischen Grundlagen dieser Arbeit abgeschlossen werden können, muss der Blick zurück auf eine Frage gelenkt werden, die schon so manchen Dissens im wissenschaftlichen Diskurs erzeugt hat. Es geht um die Frage der Abgrenzung verschiedener sprachlicher Register, vor allem in Hinblick auf die Bildungs- und Fachsprache. Sprachliche Register (Vgl. Halliday 1978, 1994) stellen für einen Kontext spezifische Teile der allgemeinen Sprachfähigkeit dar. Als Konzept lässt sich das Register der Bildungssprache bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Seit circa 80 Jahren wird der Begriff in der deutschsprachigen Literatur verwendet (Vgl. Berendes et al. 2013). Die Unterscheidung der sprachlichen Register im schulischen Kontext geht auf die Begriffe Bics und Calp von Jim Cummins (1979) zurück. Die Basic Interpersonal Communicative Skills wurden zuvor schon als public language (Bernstein 1959) oder Umgangssprache (Habermas 1977) bezeichnet. Für das Konzept der Cognitive Academic Language Proficiency sind

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Theoretische Grundlagen

im deutschsprachigen Raum u. a. die Begriffe Sprache der Schule und akademische Sprache (Schleppegrell 2001, 2004) verbreitet gewesen, ehe der Begriff der Bildungssprache als Standardformulierung geprägt wurde. Der Begriff der Bildungssprache bezeichnet ein Register, das seine Relevanz vor allem in Kontexten formaler Bildung gewinnt (Gogolin/Lange 2011). Bildungssprachliche Fähigkeiten umfassen »mündlich oder schriftlich realisierte sprachliche Fähigkeiten, die das (Wissen, Denken oder Erleben 1) einer höheren qualitativen Stufe repräsentieren […], 2) methodisch einer höheren Stufe zuführen können [… und] 3) im Sinne eines komplexen Handlungsmusters systematisch erschließen« (Beese/Roll 2015, S. 54). Durch die formalen Bestimmungen des Registers entsteht – auch im Mündlichen – eine enge Anbindung an den Schriftsprachgebrauch. Angelehnt an das oben dargestellte Modell von Koch/Oesterreicher, ist das Register der Bildungssprache im konzeptionell schriftlichen Raum verankert. Dadurch unterscheidet sich das Register auf lexikalischer, morphosyntaktischer, textueller und diskursiver Ebene von anderen Sprachregistern. Die lexikalischen Unterschiede zeigen sich beispielsweise im hohen Abstraktionsniveau des sprachlichen Registers, einem erheblichen Anteil von Nominalisierungen, Präpositionen und Adverbien sowie der Verwendung von Präfixverben, z. B. »sich beziehen«. Auf syntaktischer Ebene treten vor allem explizite Markierungen der Textkohäsion (z. B. durch temporale oder kausale Verknüpfungen), Satzgefüge und unpersönliche Konstruktionen (Nebensatz- und Passivstrukturen) und Funktionsverbgefüge als bildungssprachliche Merkmale auf. Auch auf textueller Ebene manifestieren sich die Besonderheiten der Bildungssprache. Sprachliche Handlungen wie Beschreiben, Erklären, Vergleichen, Analysieren und Erörtern sind typische Bestandteile von Textsorten, die im bildungssprachlichen Register eine besondere Rolle spielen (Feilke 2012). Als diskursive Merkmale der Bildungssprache lassen sich beispielsweise eine klare Festlegung von Sprecherrollen und -wechsel und ein hoher Anteil monologischer Formen, wie Lehrervorträgen, Referaten und Aufsätzen, festmachen (Gogolin/Lange 2011; Eine Übersicht über die verschiedenen lexikalischen und syntaktischen Unterscheidungsmerkmale von Alltags- und Bildungssprache bietet zudem Feilke 2013). Über schulischen Bildungserfolg entscheidet nunmehr weniger die allgemeine, alltägliche Sprachkompetenz, sondern der Besitz bildungssprachlicher Fähigkeiten. In diesem Zusammenhang weisen Forschungsergebnisse darauf hin, dass der sozio-ökonomische Status und formale Bildungsstand der Familie nachhaltigere Auswirkungen auf den Erwerb der Bildungssprache durch Schüler*innen haben als die gesprochene Familiensprache (Gogolin/Lange 2011; Becker-Mrotzek/Roth 2017). Die einschneidende Bedeutung von Bildungssprache bei der Produktion und Rezeption (schrift-)sprachlicher Äußerungen in der Schule stellt eine Hürde für sprachliches und fachliches Lernen dar. Kritisiert

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wird, beispielsweise von Feilke (2012), dass die Schule die Beherrschung der Bildungssprache voraussetzt, aber nicht lehrt, obwohl ein wachsender Anteil der Schüler*innen die entsprechenden Sprachfähigkeiten nicht – quasi vererbt – mitbringt. Überschneidungen bestehen zu den Begriffen der Schul- bzw. Fachsprache. Feilke (2013) unterscheidet die Schulsprache als Register, das primär schulisch bzw. didaktisch hergestellt wird, von der Bildungssprache, die an explizit bildungsrelevante Sprachformen und -funktionen gebunden ist. Schulsprache und Bildungssprache sind in diesem Fall keineswegs synonym zu verwenden. Die Schulsprache dient vielmehr als »Instrument zur Erziehung zur Bildungssprache« (Feilke 2013, S. 117). Durch spezielle Praktiken, Normen, Lerngegenstände und Formen bestimmt, sei die Schulsprache ein »Gefüge der institutional geschaffenen und auf die institutionalen Zwecke gerichteten Sprachgebrauchsformen« (Feilke 2013, S. 117). Gogolin/Lange präzisieren, dass die Schulsprache lediglich das sprachliche Repertoire umfasst, dass »rein auf den Kontext der Schule bezogen ist« (2011, S. 112). Fachsprache ist demgegenüber »an die Verwendung eines bestimmten sprachlichen Teil- oder Subsystems durch Fachleute« gebunden (Grießhaber 2010, S. 38) und entwickelt ihre Spezifik durch den Bezug auf fachliche Gegenstände und Handlungen. Am Beispiel des Wortschatzes zeigt sich eine Besonderheit der Fachsprache, da jedes Fach seine eigene Begrifflichkeit umfasst (Feilke 2013). Neben dem Allgemeinwortschatz (zum Teil mit veränderter Wortbedeutung, Bsp. Quelle im Geschichtsunterricht) kommt es zu einer Häufung von fachbezogenen lexikalischen Elementen bzw. Fachwörtern (Grießhaber 2010). Wickner kritisiert, dass »was historische Fachsprache konkret ist und was ihre zentralen Merkmale sind, [..] bisher nicht in der notwendigen (linguistischen) Detailtiefe geklärt« (2020, S. 70) wurde. Festzuhalten ist zunächst, dass die Bildungssprache Elemente beider Register, sowohl der Schul- als auch Fachsprache, enthält, allerdings nicht mit ihnen gleichzusetzen ist. Für diese Arbeit gewinnt die Unterscheidung besonders im Hinblick auf die Konzepte und fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen an Bedeutung. Sofern ihre bildungssprachlichen Fähigkeiten nicht ausreichend entwickelt sind, um die sprachlichen Handlungen, die operatorengestützte Schreibaufgaben von ihnen verlangen, zu realisieren, können sie diese lediglich in alltagssprachlicher Form umsetzen. In Anlehnung an das Modell von Koch/Oesterreicher (1986) ist davon auszugehen, dass die Schreibprodukte dann eher orientiert an konzeptioneller Mündlichkeit sind, obwohl sie medial schriftlich realisiert werden. Auch die Ausbildung bildungssprachlicher Fähigkeiten befähigt die Schüler*innen nur bedingt zur angemessenen Bearbeitung operatorengestützter Schreibaufgaben im Fach. Zwar sind sie, sofern sie über bildungssprachliche Fähigkeiten verfügen, in der Lage, strukturelle Merkmale

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und sprachliche Mittel von Sprachhandlungen und Textsorten zu realisieren, doch fehlt ihnen fachspezifisches Sprachhandlungswissen, um beispielsweise historische Beschreibungen oder Erklärungen zu produzieren. Durchgängige Sprachbildung Die theoretische Herleitung der funktional-pragmatischen Grundlagen, die Überlegungen zu Schreib- und Textsortenfähigkeiten sowie zur Bildungs- und Fachsprache verlangen nach einer Hinwendung zu sprach- bzw. schreibfördernden Konzepten für Schule und Unterricht. Sprachliche Bildung ist die Aufgabe aller Bildungsinstitutionen in Bezug auf alle Schüler*innen (BeckerMrotzek/Roth 2017). Eingebettet sind die Überlegungen deshalb in das Konzept der durchgängigen Sprachbildung. Dieses Konzept versteht Sprachbildung als eine Aufgabe, die der Koordination über Institutionen, Jahrgangsstufen und Fächer hinweg bedarf (Gogolin/Lange 2011). Besonders die bildungsbiographischen Übergänge (vertikale Verbindungsstellen), z. B. von der Grundschule in die Sekundarstufe I, sowie horizontale Verbindungsstellen zwischen den Fächern, aber auch über die institutionellen Grenzen hinweg, stellen Schlüsselstellen für die durchgängige Sprachbildung dar. Das Konzept verfolgt das Zusammenwirken aller Verantwortlichen des Bildungsprozesses. »Um Schulerfolg und gesellschaftliche Partizipationsfähigkeit zu gewährleisten, muss schulische Sprachbildung umfassend – horizontal über die Fächer und vertikal über die Bildungsphasen vernetzt – […] konzipiert werden«, folgern Thürmann/Vollmer (2017, S. 299). Die Förderung sprachlicher Kompetenzen ist damit nicht nur Aufgabe des Deutschunterrichts, sondern aller Fächer. Herausforderungen, mit denen sich das Konzept konfrontiert sieht, sind unter anderem die Berücksichtigung von Mehrsprachigkeit, der Bildungsstand und die Schriftorientierung des Elternhauses. Besonders Lernende aus Familien mit niedrigem sozio-ökonomischem Status bringen Schwierigkeiten im Umgang mit der in Lehr-Lernprozessen verwendeten Sprache mit (Thürmann/Vollmer 2013; Beese/Benholz 2013). Als Ursachen führen Gogolin/Lange (2011) einen geringen formalen Bildungsstand der Familie bzw. einen Mangel an Schriftorientierung des Elternhauses an. Auch Schüler*innen, die eine andere Familiensprache als Deutsch sprechen, sehen sich beim Erwerb schulsprachlicher Register mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. So hat das Projekt BiSpra (Berendes et al. 2013, S. 30ff) wesentliche Unterschiede im rezeptiven Wortschatz von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund zeigen können. Zu bedenken ist bei der Betrachtung mehrsprachiger Schüler*innen allerdings, dass Hürden beim schulischen Lernen nicht zwangsläufig auf mangelnde Fähigkeiten in Alltags- und Umgangssprache zurückgeführt werden können, sondern vielmehr aus dem Umgang mit Bildungs- und Fachsprache resultieren (Roll/ Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 22).

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Wie die Ergebnisse der ersten Förderphase des Projekts SchriFT zeigen konnten, bestehen hohe Zusammenhänge zwischen fachlichen und fachsprachlichen Aspekten der Textproduktion. Für das Fach Geschichte liegt die Korrelation bei r = .60*** (Roll/Berhnardt/Enzenbach et al. 2019, S. 34). Auf Grund der Daten wird angenommen, dass das Verknüpfen fachlicher und fachsprachlicher Fähigkeiten eine besondere Rolle bei der Entwicklung einer Textsortenfähigkeit einnimmt. Auf der anderen Seite zeigen sich verhältnismäßig geringe Korrelationen zwischen fachsprachlicher und fachübergreifender Textsortenfähigkeit (r = .35*** für das Fach Geschichte). Dieser Vergleich führt zu der Annahme, dass die im Deutschunterricht vermittelten Fähigkeiten nicht ausreichen, um fachlich strukturierte und fachsprachlich angemessene Texte zu verfassen. Dementsprechend lässt sich schlussfolgern, dass Textsorten im Fachunterricht explizit behandelt, vermittelt und eingeübt werden müssen, um fachsprachliche Fähigkeiten zu entwickeln (Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 36). Diese Erkenntnisse sprechen wiederum für eine besondere Hinwendung zur sprachfördernden Gestaltung des Fachunterrichts, nicht zuletzt da die Beherrschung der für schulische Lehr- und Lernprozesse prägenden Sprache einen der wesentlichen Schlüssel für den Bildungserfolg im Allgemeinen darstellt (Gogolin/Lange 2011; Thürmann/Vollmer 2013). Im Gegensatz zur Sprachförderung, die gezielte Fördermaßnahmen bei diagnostizierten Schwierigkeiten bzw. Entwicklungsverzögerungen anbietet, ist die Aufgabe der durchgängige Sprachbildung systematische Sprachentwicklungsprozesse aller Schüler*innen über die gesamte Bildungsbiografie hinweg anzuregen (Becker-Mrotzek/Roth 2017; Gogolin/Lange 2011). Mit der Idee der durchgängigen Sprachbildung sind verschiedene Anforderungen an das Konzept verbunden. Neben der Berücksichtigung des Bildungsstands und der Schriftorientierung des Elternhauses soll auch die Mehrsprachigkeit als Voraussetzung und Ressource in den Bildungsprozess einbezogen werden. Von den Lehrkräften erfordert das Konzept sprachliche Sensibilität und die Ermutigung der Schüler*innen im Umgang mit Sprache. Sprachliche Register und die mit ihnen einhergehenden Textsorten und sprachlichen Handlungen müssen explizit thematisiert werden, damit das Konzept der durchgängigen Sprachbildung gelingen kann (Gogolin/Lange 2011, S. 120). Dies spricht für eine durchgängige Sprachförderung (in allen Fächern und allen Bildungsphasen) auf der Makro-, sowie für eine explizite Förderung von Textsorten- bzw. Sprachhandlungsfähigkeit im Unterricht auf der Mikroebene. Der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus Ein schreibdidaktisches Modell, dass in den vergangenen Jahren besondere Aufmerksamkeit gewinnen konnte, ist das des Genre-Cycle. Ziel des Modells ist die Vermittlung von Genres bzw. Genrewissen. Dabei sind Genres vergleichbar

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mit (fachtypischen) Textsorten. Neben textstrukturellen Merkmalen werden besonders die soziale Kontextgebundenheit und Zweckorientierung der Textsorten hervorgehoben (zum Genre-Begriff: Hallet 2013). Aus verschiedenen Gründen wird eine besondere Eignung des Modells für die Gestaltung sprachbildenden, schreibfördernden Fachunterrichts angenommen. Zunächst weist die Fokussierung auf die Funktion und Zwecke der Textsorten eine enge Anbindung an das linguistische Modell der Funktionalen Pragmatik auf. Neben der Förderung von Textsorten als Großform bietet der Lehr-Lern-Zyklus die Möglichkeit, sprachliche Handlungsmuster und sprachliche Mittel, die eine Textsorte konstituieren, explizit zu thematisieren und zu fördern. So benötigen Schüler*innen zum Verfassen fachspezifischer Textsorten nicht nur bildungssprachlichen Fähigkeiten im Allgemeinen, sondern auch lexikalische und grammatische Formen, Fachbegriffe und typische Strukturen fachlichen Ausdrucks im Speziellen. Zudem bietet die Hervorhebung des Kontextes die Möglichkeit, fachtypische Textsorten im Hinblick auf ihren Einsatz und Nutzen zu vermitteln. Grundlage der Einbindung des Modells in den Fachunterricht ist also die Annahme, dass die Vermittlung von Textsorten und sprachlichen Handlung an Fachkonzepte geknüpft ist und eine systematische Vermittlung deshalb an das fachliche Lernen gebunden sein muss. Durch die Verknüpfung epistemischen Schreibens und fachlichen Lernens kann die Textproduktion zur Aneignung fachlicher Konzepte genutzt werden (Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 23). Viele Konzepte der fachlichen Sprachbildung sind nicht über die Fächergrenzen hinweg übertragbar. Beese/Benholz kritisieren, dass sprachbildende Modelle, die in einem Fach zur Förderung eingesetzt werden, »ineffizient oder undurchführbar« in einem anderen Fach sein können (2013, S. 44) und so die durchgängige Sprachbildung vor große Herausforderungen stellen. Zwar bietet sich der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus als Modell zur fachsprachlichen Schreibförderung an, doch ermöglicht der Zyklus dennoch Ansätze zur überfachlichen Koordinierung. So können z. B. überfachliche Parallelen zwischen Textsorten und sprachlichen Handlungen aufgezeigt werden. In Betracht der zwar geringeren, dennoch nicht zu vernachlässigenden Korrelationen zwischen fachsprachlicher und fächerübergreifender, also im Deutschunterricht entwickelter, Textsortenfähigkeiten bietet das Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus die Möglichkeit, die Schnittstellen von Deutsch-, Sprach- und Sachfachunterricht optimal zu nutzen. Die erste Variante des Modells entspringt dem Projekt Dsp-Language and Social Power aus dem Jahr 1989. Dieses erste Modell umfasste drei Hauptphasen: Das Modelling, in dem der Beispieltext mit seiner Funktion, Struktur und sprachlichen Besonderheiten im Fokus steht, die Joint Construction, bei der Schüler*innen und Lehrkraft gemeinsam einen Text konstruieren und schließlich die Independent Construction, die der eigenständigen Textproduktion ge-

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widmet ist (Martin 2006, S. 126). Der Unterricht kann an jedem Punkt des Kreislaufs einsetzten und ist so individuell auf die Schüler*innen anpassbar. Das im Jahr 1992 veröffentlichte überarbeitete Modell umfasste eine Verschiebung des Fokus von kreativem Schreiben zur Einhaltung sprachlicher Regeln und Normen in der Phase der Independent Construction. Außerdem wurde die Bedeutung des sozialen Kontextes in der Phase der Deconstruction (vormals: Modelling) weiter gestärkt. Die Hervorhebung des sozialen Kontextes wurde in der dritten Überarbeitung des Modells weiter vorangetrieben (Rothery/Stenglin 1994, S. 131). Nach weiteren Überarbeitungen liegt mittlerweile eine Ausdifferenzierung des Zyklus in fünf Phasen vor. Die Modellierung von Kontext (setting the context/building the filed) und Textsorte (modelling & deconstruction) wurde in zwei eigenständige Phasen differenziert. Zu Joint und Independent Construction tritt die Bezugnahme zu anderen Texten (relating to other texts) hinzu. So entwickelte sich der Zyklus zu einem umfassenden Modell zur Unterrichtsplanung (Gürsoy 2018, Enli 2015). Um eine bewusste Distanz zu den verschiedenen Modellen, vor allem in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Genre und Textsorte, zu schaffen, soll in der vorliegenden Arbeit der Begriff des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus verwendet werden. Die Entscheidung fällt zudem zu Gunsten eines dreiphasigen Modells aus.

Selbstständiges Schreiben

Kontext & Textsorte modellieren

Gemeinsame (Re-) Konstruk$on

Abbildung 4: Der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus

In der ersten Phase wird zunächst der kommunikative und soziale Kontext der Textsorte und Schreibsituation erörtert. Leitende Fragen, mit denen die soziale Dimension der Textsorte erarbeitet werden können, sind z. B. Wer schreibt den

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Text? Aus welchem Grund schreibt jemand den Text? Wer liest den Text? In welcher Situation? Anschließend wird die Textstruktur anhand eines Modelltextes erarbeitet. Die Funktionen einzelner Textteile können herausgestellt werden, sodass der Textaufbau rekonstruiert werden kann. Auch sprachliche Mittel, durch die die Funktion der einzelnen Textteile auf der sprachlichen Oberfläche realisiert wird, können in den Blick genommen werden. Durch die spezifische Funktion der Textsorte können sprachliche und fachliche Mittel, die konstitutiv für die Textsorte sind, gleichermaßen behandelt werden. Insbesondere der Nachvollzug am prototypischen Modell wird als gewinnbringend betrachtet (Vgl. Wissinger/ De La Paz 2016). Die anschließende Phase der gemeinsamen (Re-)Konstruktion widmet sich dem kooperativen Abfassen eines Textes. Dazu können Übungen in Gruppen oder im Plenum eingesetzt werden. Das sprachliche und fachliche Wissen der Schüler*innen soll in dieser Phase sukzessive erweitert werden (Gürsoy 2018). Zur Anleitung des sprachlichen Lernens bietet sich in diesem Zusammenhang vor allem das Konzept des Scaffoldings (Hammond/Gibbons 2005, Gibbons 2002) an. Das grundlegende Prinzip des Scaffoldings ist charakterisiert durch das Bereitstellen sprachlicher Gerüste (engl. »scaffold«) zur Bewältigung von Aufgaben, die leicht über dem aktuellen Kompetenzniveau der Schüler*innen liegen. Angebunden an die Anforderungen und Inhalte einer Aufgabenstellung, die das Kompetenzniveau zwar übersteigt, aber nicht demotivierend wirkt, kann mittels Scaffolds ein erfolgreicher Lernprozess initiiert werden (Beese/Benholz 2013, S. 40). Sofern es die Konstellation der Schüler*innen-Gruppe erlaubt, kann in der Phase der Joint Construction auf Translanguaging-Ansätze zurückgegriffen werden. In Kleingruppen ist es den Schüler*innen dann erlaubt, in einer anderen Sprache als der Unterrichtssprache, z. B. auf Türkisch oder Arabisch, zu kommunizieren. Die Schüler*innen können zwar zum Gebrauch ihrer L1 ermutigt werden, jedoch sollte weder ein Zwang bestehen, noch sollten Gruppen auf Grund sprachlicher Gemeinsamkeiten zusammengesetzt werden, wenn dies der Neigung der Schüler*innen widerspricht. Wie Bachmann/Becker-Mrotzek zeigen konnten, korrelieren Textfunktion (hier: Textmuster) und funktionalpragmatische Schreibfähigkeiten in hohem Maße (2010, S. 207). Die in der Joint Construction fokussierte verknüpfte Vermittlung sprachlicher Mittel und Muster gewinnt auf Grund dieser Erkenntnisse besondere Bedeutung. Erst in der Phase des selbstständigen Schreibens wird der Schwerpunkt auf die eigenständige Formulierung eines Textes verlagert. Fachliche Kenntnisse und sprachliche Strukturen, die in den vorherigen Phasen erarbeitet und erworben wurden, sollen nun eingesetzt werden. Angepasst an das Niveau der Schüler*innen kann der Arbeitsauftrag ähnlich oder komplexer formuliert werden. Außerdem können weiterhin sprachliche Hilfen, z. B. in Form von Checklisten oder Peer-Feedback angeboten werden (Gürsoy 2018).

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Sprachbildung und Mehrsprachigkeit Wenngleich auf besondere Schwierigkeiten von Schüler*innen mit Migrationshintergrund beim Erwerb und im Umgang mit Bildungssprache hingewiesen wurde, soll Mehrsprachigkeit in dieser Untersuchung nicht als Hindernis, sondern als Chance verstanden werden. Dabei ist die Situation für mehrsprachige Schüler*innen häufig doppelt herausfordernd: Einerseits wird die Umgebungssprache nicht zwingend auch im familiären Umfeld gebraucht, andererseits wird die Mehrsprachigkeit der Schüler*innen im schulischen Rahmen kaum als Ressource genutzt (Terhart/Dewitz 2017, S. 147). Anders als lange Zeit angenommen sind nicht nur sprachliche Kompetenzen im Deutschen, fachliche Konzepte und Fachwissen wesentliche Einflussfaktoren auf das sprachliche Lernen in der Schule, sondern ebenso die sprachlichen Kompetenzen in der L1 (Beese/Benholz 2013, S. 39). Für die Fokussierung auf eine Sprache, nämlich die Umgebungssprache, in der Institution Schule wurde der Begriff des monolingualen Habitus geprägt (Gogolin 2017, S. 37). Die Monolingualität ist keineswegs ein naturgegebener Zustand, sondern wurde argumentativ bereits im 19. Jahrhundert erzeugt. Neben nationalen Zielen haben vor allem funktionale Zwecke (Verständigung, Teilhabe an der Öffentlichkeit) zur Fokussierung auf eine Sprache geführt. Auch sprachbildende und -fördernde Konzepte wurden dem monolingualen Habitus untergeordnet. Wie Cummins (1981) zeigen konnte, können Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Lernende in einer Sprache erwerben und die durch entsprechende Förderung weiterentwickelt werden, auf den Erwerb und das Lernen weiterer Sprachen übertragen werden, da Schüler*innen Sprachsysteme vernetzt und verbunden erwerben und nicht etwa isoliert voneinander (InterdependenzHypothese, vgl. dazu auch Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 27; Gogolin 2017, S. 37). Rehbein (2011) stellt die Hypothese auf, dass er Gebrauch der L1 für Schüler*innen im Grundschulbereich einen Vorteil für problemlösendes Lernen bietet. Die L1 habe die Funktion einer »Denksprache«, die das Aushandeln, Prozessieren und Weitergeben von Wissen ermögliche und als Ergänzung zur »Arbeitssprache« Deutsch verstanden werden könne. Ergebnisse seiner Studie zeigen, dass trotz geringem Gebrauch während der Arbeitsphasen Deutsch als Sprache für das Problemlösen wahrgenommen wird. Die betrachtete L1 Türkisch sei eher im Begleitdiskurs und im Bereich des Codeswitching zu verorten. Dennoch zeige sich, dass produktiv-kreative Planbildung vor allem in der L1 stattfinde. Auch Baake/Hoppe (2016) zeigen, dass mehrsprachige Schüler*innen sprachliches Wissen und Routinen übertragen und erfolgreich im Schreibprozess einsetzten können. Darüber hinaus weisen psycho- und neurolinguistische Studien positive kognitive Effekte der Mehrsprachigkeit nach, wie z. B. ein stärker ausgebildetes Arbeitsgedächtnis oder die Steigerung exekutiver Gehirn-

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funktionen (dazu: Roll/Berhnardt/Enzenbach et al. 2019, S. 27f). Die Nutzung aller sprachlicher Ressourcen der Schüler*innen bietet somit erhebliches Potential für die Gestaltung sprachbildender Unterrichtssettings.

2.1.4 Definition der Sprachhandlungen aus linguistischer Perspektive 2.1.4.1 Beschreiben Anschließend an die Klärung wesentlicher linguistischer Grundbegriffe und die Darlegung von Konzepten und Bedingungen sprachbildenden Unterrichts, sollen nun Spezifika der Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären – zunächst durch einen funktional-pragmatischen Zugang – erschlossen werden. Das Beschreiben ist eine häufig anzutreffende sprachliche Handlung. Dabei sind Wegbeschreibungen oder die Beschreibung von Personen nach ihren äußeren Merkmalen typische alltagssprachliche Beschreibungen, während die Beschreibung von Sachverhalten (z. B. einem Versuchsaufbau oder einem historischen Ereignis) oder Objekten (z. B. einem Bild oder im weiteren Sinne auch Diagramme, Grafiken, usw.) vermehrt im schulischen Kontext auftreten und eine Realisierung im bildungssprachlichen Register erfordern. Eingebunden ist das Beschreiben im (Sach-)Fach meist in fachtypische Textsorten. Beschreibungen sind beispielsweise Teile wissenschaftlich-erklärender, narrativer und instruierender Texte. Typische Formen sind die Vorgangs-, Gegenstands- (z. B. Tiere, Pflanzen, Räume) und Bildbeschreibungen sowie Charakterisierungen. Komplexere sprachliche Handlungen wie Berichten, Vergleichen, Überzeugen und Erzählen beinhalten häufig beschreibende Elemente, sodass nicht immer eine eindeutige Abgrenzung der sprachlichen Handlungen möglich ist (Zifonun/Hoffmann/Stecker 1997, S. 130, Ossner 2014, S. 253, Hoffmann 2016, S. 535). In nahezu allen Fächern werden Beschreibungen zudem losgelöst von einer spezifischen Textsorte als Antwort auf den Operator »Beschreibe« verlangt. Es ist also anzunehmen, dass das Beschreiben eine basale sprachliche Handlung in alltäglicher und schulischer Kommunikation darstellt. Ossner (2014) bemerkt, dass der Ausdruck »Beschreiben« selbst auf die Schriftlichkeit der sprachlichen Handlung hinweist. Dennoch können Beschreibungen sowohl mündlich als auch schriftlich produziert werden. Anstelle der Bezeichnungen Sprecher/Schreiber und Hörer/Leser sollen deshalb die Begriffe Produzent und Rezipient verwendet werden, um beide medialen Formen bedienen zu können. Sofern es sich um explizit schriftliche Formen handelt, werden die entsprechenden Formen verwendet.

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Zweck Der Zweck des Beschreibens ist zunächst die sprachliche Fixierung eines Sachverhalts (Ossner 2014, S. 252). Dieser Sachverhalt wird dargestellt »in seiner Oberflächenform, insbesondere seiner räumlichen Dimension, so dass der Adressat sich eine Vorstellung von seiner Gestalt und Situierung machen kann« (Zifonun/Hoffmann/Stecker 1997, S. 130f). Nach erfolgreichem Vollzug einer Beschreibung soll der Rezipient in der Lage sein, den Sachverhalt im eigenen Wissen zu Rekonstruieren. Zur sprachlichen Fixierung eines Sachverhalts in der außersprachlichen Wirklichkeit treten also die Weitergabe von Informationen über einen Sachverhalt, das sprachliche (Wieder-)erkennen und die Konstruktion eines gemeinsamen Vorstellungsraums als weitere Zwecke hinzu. Eine Beschreibung bietet dem Rezipienten dementsprechend einen Ersatz für die unmittelbare Wahrnehmung oder Erfahrung eines Sachverhalts (Feilke 2005, Ossner 2005, 2014, Hoffmann 2016). Übersetzung einer Wahrnehmungserfahrung Das Beschreiben bezieht sich auf einen Sachverhalt im außersprachlichen Wahrnehmungsraum, ist also immer verbunden mit vergangener, erneuter oder neuer Wahrnehmung eines Sachverhalts (Klotz 2005, S. 79). Rehbein verweist darauf, dass der Sachverhalt räumlich und/oder zeitlich außerhalb der gegenwärtigen Sprechsituation läge (1984, S. 68). Ähnlich äußert sich Hoffmann, wenn er davon spricht, dass sich Beschreibungen nicht nur auf den Wahrnehmungs- sondern auch auf einen Vorstellungsraum beziehen können, den der Produzent für die sprachliche Handlung eröffnet (2016, S. 536). Führt man sich jedoch verschiedene alltagssprachliche (z. B. »Der Mann dort hinten ist groß, trägt ein blaues Hemd…«) und bildungssprachliche (z. B. »Auf dem Bild sieht man einen Mann, der ein Schwert hält,…«) Beschreibungen vor Augen, so wird deutlich, dass das referierte Objekt lediglich außerhalb des Wahrnehmungsraumes des Rezipienten liegen darf, sich aber im Wahrnehmungsraum (reale Situation, Erinnerung, Vorstellung) des Sprechers befinden muss. Entscheidend ist also, dass der Sachverhalt ein »Element im Wissen des [Produzent]« (Rehbein 1984, S. 68f) ist bzw. wird. Ein Sprecher kann durchaus auf Gegenstände und Materialien im außersprachlichen Wahrnehmungsraum verweisen, während Schreiber sich auf die Weitergabe des Sachverhalts durch sprachliche Mittel beschränken müssen. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um die »Übersetzung einer Wahrnehmungserfahrung« (Klotz 2005, S. 88) in das Medium Sprache. Durch den Vollzug der sprachlichen Handlung des Beschreibens wird der Sachverhalt in den Wahrnehmungsraum des Rezipienten gerückt, sein Orientierungsbedürfnis konstituiert demzufolge die Sprechsituation. Dennoch hat der Rezipient zunächst keinen unmittelbaren Einfluss auf das gespeicherte Wissen.

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Erst in der Sprechsituation wird das Wissen weitergegeben. Die Beschreibung wird nur selten mit einer einzigen Äußerung vollzogen, sondern erfolgt als Sequenz von sprachlichen Äußerungen. Insbesondere bei komplexen Sachverhalten findet beim Beschreiben nur wenig wechselseitige Interaktion zwischen Sprecher und Hörer statt. Stattdessen handelt es sich beim Beschreiben um eine längere sprachliche Tätigkeit eines Sprechers, die als verkettete Abfolge sprachlicher Handlungen realisiert wird. Durch die Verbalisierung des Wissens beginnt beim Rezipienten der Rekonstruktionsprozess, der den Sachverhalt im eigenen Wissen verankert. In einer zerdehnten Sprechsituation dient der Text als Wissensspeicher, um das in der Beschreibung festgehaltene Wissen über den Sachverhalt vom Schreiber an den Leser weiterzugeben (Klotz 2005; Hoffmann 2016). (Zerdehnte) Sprechsitua!on

Rekonstruk$on des Sachverhalts

Weitergabe des Wissens

Speicherung des Wissens

Produzent

Rezipient

Abbildung 5: Ablauf der sprachlichen Handlung Beschreiben

Gang durch den Vorstellungsraum Der Sachverhalt, auf den die Beschreibung referiert, besitzt meist einen räumlichen Charakter. Deshalb wird das Muster der Beschreibung auch als »Gang durch den Vorstellungsraum« (Rehbein 1984, S. 79) verstanden. Auch bei nichträumlichen Sachverhalten sind es die »räumlichen Aspekte« die die Beschreibung prägen. Damit sind vor allem sichtbare, äußere bzw. oberflächliche Aspekte gemeint. Für diesen »Gang durch den Vorstellungsraum« bietet die Beschreibung ein sprachliches Handlungsmuster, dass die Strukturierung des Text- bzw. Handlungsaufbaus erleichtert (Ossner 2014, S. 253). Zu Beginn wird für diesen Gang ein Ausgangspunkt festgelegt. Dieser kann vom Produzenten entsprechend des zu beschreibenden Sachverhalts, dessen Dimensionen und Komplexitätsgrad sowie des adressatenseitigen Vorwissens gewählt werden. (Hoffmann 2016, S. 539). Zur Festlegung des Ausgangspunkts zählen beispielsweise die Benennung des Themas der Beschreibung, die Lokalisierung (z. B. räumlich oder zeitlich) des Sachverhalts sowie der Einbezug von Vorwissen und -erwartung des Rezipienten. Während Vorwissen und Erwartungen zwischen Sprecher und Hörer unmittelbar behandelt werden können, erfordert eine schriftliche Beschreibung eine genaue Antizipation des (potenziellen oder spezifischen) Lesers und seiner Bedürfnisse. Der Produzent beginnt seine Beschreibung deshalb bei dem Teil des

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Sachverhalts, von dem er annimmt, dass der Rezipient ihn am besten in sein Vorwissen integrieren kann. Auf dem gewählten Ausgangspunkt liegt der Fokus des Rezipienten so lange, bis er vom Produzenten weitergeführt wird (Rehbein 1984, S. 78). Auch die weiteren Schritte der Beschreibung werden vom Produzenten im Hinblick auf das angenommene Interesse des Rezipienten ausgewählt. Zum Nachvollzug der Beschreibung muss der Produzent dem Rezipienten Möglichkeiten zur Orientierung im Vorstellungsraum bieten. Erst durch symbolische Orientierungspunkte wird der Vorstellungsraum beim Rezipienten aufgebaut (Rehbein 1984, S. 76f, Zifonun/Hoffmann/SteckeR 1997, S. 130f, Hoffmann 2016, S. 539). Diese Orientierungspunkte können Teilstrukturen oder einzelne Merkmale des Sachverhalts sein. Der Gang durch den Vorstellungsraum muss dabei nicht zwangsläufig linear verlaufen, sondern ist bestimmt durch die Fokussierung der Beschreibung und die durch den Produzenten getroffenen Auswahl. Prinzipien, die diese Auswahl beeinflussen, können die Benennung spezifischer Oberflächen-Strukturen oder die Angabe eines bestimmten Verhältnisses (z. B. durch das Herstellen von Zusammenhängen) zu Objekten im Vorstellungsraum sein. Entscheidend ist, dass sich eine für den Rezipienten nachvollziehbare Struktur ergibt. Sprachliche Bedingungen Rehbein verweist zudem auf die Leitung der Verbalisierung durch die grice’schen Maximen und hebt vor allem Kürze und Detailliertheit hervor (1984, S. 79). Um die Nachvollziehbarkeit des Sachverhalts zu gewährleisten, ist es besonders wichtig, dass sich der Produzent präzise und genau ausdrückt. Dazu zählt auch die Verwendung eines dem Sachverhalt angemessenen Wortfelds, das sich im Fachunterricht durch spezifische Fachbegriffe fassen lässt. Das Wortfeld ist jedoch nicht nur durch den Sachverhalt und die Fachspezifik bestimmt, sondern ebenso abhängig von der angestrebten Genauigkeit der Beschreibung, der Konstellation und dem Ziel der sprachlichen Handlung. Beschreibungen, die an Adressaten mit geringem Vorwissen gerichtet sind, erfordern beispielsweise weit anschaulichere und assoziativere Begriffe als solche sprachlichen Handlungen, die z. B. auf Experten zugeschnitten sind. Nicht bekannte Begriffe müssen in einer Beschreibung umschrieben oder durch Vergleiche erläutert werden, um das Herstellen einer Suffizienz im Sinne einer Wissensrekonstruktion zu gewährleisten. Weitere typische sprachliche Mittel sind vor allem bei explizit räumlichen Beschreibungen Präpositionalkonstruktionen. Hinzu treten Kohäsionsmarker, wie z. B. kausale und kontrastive Konstruktionen, die dem Herstellen von Zusammenhängen dienen. Auch Aufzählungen von wesentlichen Bestandteilen eines Sachverhalts sind häufig Teil einer Beschreibung. Durch die Fokussierung auf den Sachverhalt und die Loslösung von der Person des Beschreibenden kommt es zudem zu einer Häufung von unpersönlichen Formu-

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lierungen wie Passivstrukturen und Nominalisierungen. Die An- und Weiterleitung des Rezipienten im Wahrnehmungsraum gelingt – vor allem beim mündlichen Beschreiben – durch Perzeptionsverben und deiktische Prozeduren. Diese umfassen neben den Präpositionen auch raum- und zeitdeiktische Ausdrücke. Das für eine Beschreibung typische Tempus ist das Präsens, das die »Zeitlosigkeit« der Beschreibung suggerieren soll. So können auch vergangene Ereignisse im Präsens beschrieben werden, da die Ereigniszeit unwesentlich ist und die Betrachtungszeit nicht weiter spezifiziert werden muss (Rehbein 1984, S. 81ff, Zifonun/Hoffmann/Strecker 1997, S. 133, Ossner 2014, S. 255). Auch wenn bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck einer »objektiven« Beschreibung entstehen kann, weisen die vorgestellten Merkmale eindeutig auf die subjektive Gewichtung der sprachlichen Handlung hin. Durch die Auswahl und ebenso die Auslassung bestimmter Elemente eines Sachverhalts gewinnt die Beschreibung stets eine subjektive Prägung (Klotz 2005, S. 92). Das Ende einer Beschreibung ist nicht in gleicher Weise markiert wie ihr Anfang. Stattdessen beendet der Produzent seine Beschreibung, wenn er davon ausgeht, dass der Sachverhalt ausreichend in das Wissen des Rezipienten übertragen werden konnte und der Rezipient in der Lage ist, den Sachverhalt zu rekonstruieren (Rehbein 1984, S. 80, Ossner 2014, S. 257). Den gesamten Gang fasst Rehbein (1984) folgendermaßen zusammen: »Die Beschreibung führt also den [Rezipienten (sic!)] von der Fokusetablierung am Beginn kontinuierlich über charakteristische und symbolisierte (schematisierte) Raumpositionen (und deren Umgebung) ›am Phantasma‹ [d. h. des zu (re-)konstruierenden Sachverhalts] über die Oberfläche des Sachverhalts entlang. Die Operation der Verkettung und Wiedergabe bewirkt also diese Fokusführung des [Rezipienten] am symbolisierten Sachverhalt entlang« (S. 80).

Aus den angeführten Überlegungen zum Beschreiben ergeben sich verschiedene Aspekte, die bei einer Betrachtung der Textqualität aus sprachlicher Perspektive Berücksichtigung finden sollen. Auf der Ebene des Musters handelt es sich um die Auswahl eines Ausgangspunktes, der einen Anker für den Gang durch den Vorstellungsraum bietet, und in einem Einleitungssatz festgehalten werden muss, sowie die Nennung aller relevanten Merkmale bzw. Eigenschaften des Sachverhalts. Auf der Ebene der sprachlichen Mittel sind Bezüge (z. B. temporal, kausal oder konsekutiv), unpersönliche Formulierungen sowie das (zeitlose) Präsens als Zeitform festzuhalten. Wie bereits angemerkt, bestehen Überschneidungen bzw. Verwandtschaften zu anderen sprachlichen Handlungen. Besonders auffällig werden diese beim Erklären, welches im Folgenden detaillierter vorgestellt werden soll. Erst im Anschluss werden Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen den sprachlichen Handlungen beleuchtet.

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2.1.4.2 Erklären Beschreiben und Erklären treten in Textsorten und Unterrichtssettings häufig verknüpft bzw. aufeinander aufbauend auf. Nachdem durch die Beschreibung eine grundlegende gemeinsame Wissensbasis zwischen Produzent und Rezipient geschaffen wurde, dient das Erklären in der Schule der Expansion von Wissen über ein basales Vorverständnis hinaus und dem Darstellen von Zusammenhängen. Aus diesem Grund nimmt die sprachliche Handlung eine zentrale Stellung beim schulischen Lernen ein. Schmölzer-Eibinger/Fanta bezeichnen die Schule sogar als »Erklär-Institution« (2014, S. 157; Vgl. auch Grasser/ Redder 2011, S. 57). Nicht nur von Lehrkräften wird die Fähigkeit, angemessen und verständlich erklären zu können, erwartet, sondern auch von Schüler*innen. Gebrauch und Situierung Das Erklären umfasst grundlegende Fähigkeiten zum Erschließen, Entwickeln und Weitergeben von Wissen und zählt deshalb zu einer »Basiskompetenz« in der Schule und darüber hinaus. Zur Realisierung der sprachlichen Handlung bedarf es in besonderer Weise bildungs- bzw. fachsprachlicher Fähigkeiten, weshalb es wenig überraschend ist, dass nicht alle Schüler*innen im gleichen Maße über die Zugänge zum Erklären verfügen (Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014). Nicht nur die schulische Kommunikation, sondern auch (alltägliche) Textsorten wie Lexika, Gebrauchsanweisungen und die wissenschaftliche Kommunikation sind von Erklärungen geprägt. Trotz der Relevanz der sprachlichen Handlung bleibt die Frage, was eine Erklärung ist und wie sie sein sollte. Diese Frage lässt sich im wissenschaftstheoretischen Diskurs bis in die Antike zurückverfolgen. Bereits Aristoteles hielt fest, dass sich Erklärungen auf WarumFragen beziehen und typische Antworten deshalb mit »weil…« eingeleitet würden (Achinstein 1983, S. 5). Bezogen ist die sprachliche Handlung der Wortherkunft her auf das Konzept von Klarheit (lat. claritas). Durch die Vorsilbe »er-« erhält die Handlung zudem ihren Prozesscharakter, der die »Überführung von einem Nicht-Vorhandenen zu einem Vorhandenen« umfasst (Ehlich 2009, S. 12). Zifonun/Hoffmann/Strecker verstehen unter einer Erklärung »eine Folge von Assertionen, die ein Objekt über einen übergeordneten Funktionsbzw. Wirkungskomplex einordnen, aus dem heraus seine Existenz, Entstehung, äußere Beschaffenheit, lokale Strukturiertheit usw. verständlich werden« (1997, S. 131f). Zweck des Erklärens scheint deshalb, Wissen für einen oder mehrere Rezipienten zugänglich zu machen. Durch die Weitergabe von Wissen soll das Verstehen eines spezifischen Sachverhalts ermöglicht werden. Ein zu (er-)klärender Sachverhalt kann z. B. ein Ereignis, ein Funktionszusammenhang oder eine Ursache bzw. ein Umstand

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einer Handlung sein (Vgl. Hoffmann 2016). Die Weitergabe von Wissen ist nur der erste Schritt einer Erklärung, ihr Kern liegt im Schaffen von »Klarheit« und dem Erzeugen von Verständnis, sodass der Rezipient die weitergegebenen Wissensbestandteile kognitiv verarbeiten, in sein Wissen einordnen und ggf. anwenden kann. Die Konstellation zwischen Produzent und Rezipient ist deshalb asymmetrisch. Der Produzent ist der »Wissende«, der sein Wissen »klar macht«, d. h. sinnstiftend an einen »unwissenden« Rezipienten vermittelt. Auf diese Weise gewinnt der Rezipient neues Wissen, Erkenntnisse bzw. Einsichten. Erklären ist dementsprechend ein Prozess der Sinnübertragung, der die »Weitergabe einer Sinnerfahrung, die auf Seiten des [Produzenten] gemacht wurde und für ihn vorhanden ist, auf einen [Rezipienten], der diese Erfahrung so noch nicht gemacht hat« (Ehlich 2009, S. 16f), umfasst. Sowohl im Alltag als auch im institutionellen Kontext können Erklärungen durch Fragen wie: Wie, Was, Warum, Weshalb und Wozu evoziert werden, die ein Wissensdefizit des Fragenden offenbaren, dass durch eine Erklärung geschlossen werden kann. Das Erklären wird deshalb auch als eines der »zentrale[n] kognitive[n] und sprachliche[n] Verfahren der Welterschließung« (Ehlich 2009, S.8) bezeichnet, das »der diskursiv-reflexiven Aneignung von Wissen und Bildung« (SchmölzerEibinger/Fanta 2014, S. 158) dient. Obwohl die sprachliche Handlung direkt auf einen Rezipienten bezogen ist, handelt es sich beim Erklären nicht um ein perlokutives Verb. Zwar liegt die Absicht vor, einen »Aha-Effekt« auszulösen, doch muss diese Absicht beim Adressaten nicht zwangsläufig erfüllt werden. Sofern keine Sinnübertragung stattfindet, ist die Erklärung zwar gescheitert, doch impliziert dies kein Verwendungsverbot für die sprachliche Handlung. Aus diesem Grund ist Erklären, wie auch Beschreiben, ein illokutives Verb (Klein 2009, S. 27; Ehlich 2009, S. 17). Das Gelingen der Erklärung hängt vom bereits vorhandenen Sachwissen von Produzent und Rezipient ab, dass die Weitergabe und Integration des neuen Wissens beeinflusst. Neben Erklärungen, die an eine andere Person gerichtet sind, gibt es allerdings auch solche, mit denen der/die Erklärende sich selbst einen Sachverhalt oder Zusammenhang deutlich macht (Klein 2009, S. 27; Hoffmann 2016, S. 541). Ein Beispiel für eine solche selbstgerichtete Erklärung kann z. B. das Nachvollziehen einer Mathematik-Aufgabe und der durchzuführenden Rechenschritte anhand einer anderen, bereits gelösten Aufgabe sein. Jahr fasst verschiedene Zwecke für eine Erklärung zusammen. Neben der Informationsweitergabe durch das Anführen von Ursprüngen, Ursachen und Folgen eines Sachverhalts, kann eine Erklärung auch zum Zweck der Handlungsrechtfertigung realisiert werden. Darüber hinaus nennt sie die Absicht, ein zukünftiges Adressatenverhalten zu erwirken (z. B. wenn man einem Kind erklärt, warum es wichtig ist, das Butterbrot nicht über die Sommerferien in der

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Schultasche zu lassen) und den Zweck, Abhängigkeitszusammenhänge zu verdeutlichen (2000, S. 386). Systematisierung Eine grobe Systematisierung der sprachlichen Handlung in zwei Klassen ist die Unterscheidung des alltäglichen und wissenschaftlichen Erklärens (Vgl. Heil 1988; Jahr 2000; Helms 2006). Während Alltagserklärungen praktische Anweisungen, kausale Erklärungen aber auch theoretische Begründungen umfassen können, sollen wissenschaftliche Erklärungen eine Tatsache, also einen »Sachverhalt, der wirklich [und aus beschreibbaren Aspekten] besteht« theoretisch erklären (Heil 1988, S. 43). In Alltagserklärungen greift der Produzent vor allem auf Gründe zurück, die der Rezipient mit bereits bekannten und akzeptierten Erfahrungen und Kenntnissen verknüpfen kann. Sie können elliptisch sein und häufig reicht es aus, wenige Gründe zur Erklärung anzuführen. Wissenschaftliche Erklärungen sind demgegenüber komplexer und erfordern mehrere Aussagen sowie den Einbezug von Fachkonzepten, zum Beispiel um Fachtermini zu erklären (Jahr 2000, S. 390ff). Klein (2009) differenziert für beide Klassen drei Typen von Erklärungen: Erklären, was umfasst die Erklärungen von Begriffsbedeutungen, also semantische Erklärungen. Erklären, wie dient als Kategorie für funktionale Erklärungen, die zum Beispiel die Wirkweise eines Gegenstandes verdeutlichen können. Als Erkläre, warum werden schließlich kausale Erklärungen typisiert, die Gründe für verschiedene Dinge und Sachverhalte anführen. In wissenschaftlicher und schulischer Kommunikation am weitesten verbreitet ist das Erkläre, warum. Es scheint sich also um eine bildungs- bzw. fachsprachliche Handlung zu handeln. Das Erkläre, warum »besteht darin, das Zustandekommen eines Sachverhaltes […] in seinen entscheidenden Bedingungen […] zu explizieren« (Klein 2009, S. 30), es handelt sich also um eine kausale Erklärung. Abhängig davon, ob der zu erklärende Sachverhalt in der Verantwortung einer Person liegt oder nicht, können Intentionen (Rechtfertigungen) oder Gründe und Ursachen als Explanans angeführt werden. Anders als das Erkläre, wie, das auf gestisches Zeigen, haptisches Demonstrieren oder ikonische Elemente zurückgreifen kann, ist das Erkläre, warum fast ausschließlich von Sprache dominiert. Aus diesem Grund sind kausale Erklärungen auf umfangreichere sprachliche Handlungen bzw. Texte angewiesen, die z. B. Nominalisierungen und Konjunktionen als sprachliche Mittel einbeziehen (Klein 2009, S. 30ff). Medialität und Vollzug der Sprachhandlung Anders als beim Beschreiben lassen sich wesentliche Unterschiede zwischen der mündlichen und schriftlichen Realisierung der sprachlichen Handlung aufzeigen. Da der Adressatenbezug beim mündlichen Erklären direkt hergestellt

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werden kann, indem z. B. das Verständnis durch Nachfragen überprüft wird und der Hörer selbst unmittelbar Rückmeldung über sein Verständnis geben kann, verläuft die sprachliche Handlung interaktiv und dialogisch. Anders verhält es sich beim schriftlichen Erklären. Dort verläuft die sprachliche Handlung monologisch. Ein Kontext für die Generierung von Verständnis und den Nachvollzug der Erklärung muss erst vom Schreiber konstruiert werden. Zudem müssen die Bedürfnisse des Lesers genau antizipiert werden, damit die schriftliche Erklärung ihren Zweck erfüllen kann. Gemeinsamkeit des mündlichen und schriftlichen Erklärens ist also der systematische Einbezug des Rezipienten (Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014, Hoffmann 2016). Redder definiert die Erklärung als »verbale Wissensentfaltung gemäß Sachstruktur zwecks gemeinsamer Einschätzbarkeit des darin liegenden Handlungspotentials« (2012, S. 118). Schmölzer-Eibinger/Fanta charakterisieren umfassender: »Beim Erklären handelt es sich somit um eine asymmetrische, medial geprägte Kommunikationssituation, die pragmatisch situiert, in diskursive Zusammenhänge eingebettet und auf eine Wissensgegenstand bezogen ist. Es setzt beim Erklärenden Sachkenntnis sowie sprachliche, kommunikative und pragmatische Kompetenzen voraus« (2014, S. 158). Die für wissenschaftliche Erklärungen etablierte »Idealform« geht zurück auf Hempel/Oppenheim (1948). Nach diesem Modell verbindet der Produzent im Verlauf einer Erklärung ein erklärendes Element (lat.: »explanans«) mit einem zu erklärenden Element (lat.: »explanandum«). Durch die vom Produzenten verbalisierte Verbindung zwischen Explanandum und Explanans kann der Rezipient einen Zusammenhang herstellen, der zum Verständnis des Explanandum führt. Eine Erklärung muss also aus mindestens zwei Propositionen bestehen, die wiederum eine Unterscheidung zwischen Explanans und Explanandum zulassen. Als Explanans werden allgemeine Gesetzmäßigkeiten betrachtet, die durch Bedingungen für ihre Anwendbarkeit, sogenannte Antecedensaussagen, ergänzt werden (Vgl. auch Hempel 1977, S. 6f). Insbesondere bei wissenschaftlichen Erklärungen wird häufig mehr als ein Sachverhalt (Explanans) zur Erklärung herangezogen. Durch die Verknüpfung mit den Antecedensaussagen wird die Erklärung in eine Gesamtmitteilung eingebettet. Während in alltagssprachlichen Erklärungen die Antecendensaussagen als dritte Proposition häufig weggelassen werden, müssen sie in wissenschaftlichen Erklärungen explizit gemacht werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass in wissenschaftlicher Kommunikation keine unvollständigen, rudimentären oder lediglich vagen Erklärungen vorkommen (Heil 1988, S. 45; Jahr 2000, S. 386; Klein 2009, S. 32; Helms 2016, S. 14). Diese Erklärungen erfüllen jedoch nicht die vier Gültigkeitsbedingungen, die auf den Explanans einwirken: Erstens muss das Argument korrekt sein, zweitens mindestens ein allgemeines Gesetzt enthalten, drittens empirischen Gehalt besitzen

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und viertens wahr bzw. gut bestätigt sein. Sind diese Bedingungen erfüllt, handelt es sich um eine deduktiv-nomologische Erklärung (Heil 1988, S. 45). Beim schriftlichen Erklären hat der Schreiber zudem die Aufgabe, den Erklärungszusammenhang deutlich zu machen und einen adressatengerechten Komplexitätsgrad der Erklärung einzuhalten. Kann der Produzent lediglich auf statistische Gesetz- bzw. Regelmäßigkeiten referieren, handelt es sich um eine induktiv-statistische Erklärung. Als weiteren Typ von Erklärungen nennt Hempel (1977, S. 170f) die genetische Erklärung, die nicht aus Gesetzmäßigkeiten und ihren Antecendensbedingungen zusammengefügt wird, sondern das Endglied einer Entwicklungsreihe abbildet und wiederum auf einzelne Entwicklungsstufen zurückgeführt werden kann (Vgl. auch Heil 1988, S. 48). Dabei ist somit nicht die zeitliche Abfolge der Ereignisse entscheidend, sondern die Verknüpfung der Entwicklungsstufen, die das Zustandekommen des nächsten Stadiums ermöglichen. Die nomologischen Verknüpfungen, die auch im Idealtyp von Erklärungen umgesetzt werden, bleiben dementsprechend erhalten und werden durch eine Beschreibung des Anfangszustands eines Sachverhalts ergänzt (Hempel 1977, S. 172). Schließlich verweist Hempel auf dispositionelle Erklärungen, die menschliche Entscheidungen und Handlungen auf Absichten, Charakterzüge und Einstellungen der Aktanten zurückführen, sowie auf Erklärungen, die durch Begriffe realisiert werden. Die Begriffe repräsentieren in dieser Form von Erklärungen die allgemeinen Gesetze in reduzierter Form (1977, S. 182f). Abweichend vom Idealbegriff werden darüber hinaus elliptische Erklärungen, die bestimmte Gesetzmäßigkeiten auslassen, und partielle Erklärungen, die nicht alle Aspekte des Explanandum einbeziehen, betrachtet. Sprachliche Merkmale Nicht in allen Wissenschaften lassen sich strikte Gesetzte ausmachen. Stattdessen werden Generalisierungen oder allgemeine Muster als Explanans herangezogen (Helms 2006, S.15). Die beste Erklärung, so führt Helms weiter aus, basiere auf der Abduktion, also dem Schluss auf die beste Erklärung. Nachdem verschiedene Theorien abgewogen und beurteilt wurden, entscheidet sich der Produzent für die »beste« Erklärung. Was als gute Erklärung angesehen wird, hängt dabei vom (theoretischen) Hintergrund und davon ab, wie gut die Erklärung sich in das Überzeugungssystem des Rezipienten einpasst (2006, S. 11f). Verknüpft werden können verschiedene Aussagen, die als Explanans herangezogen werden, durch Konjunktionen, Adverbien und Präpositionen. Diese »Ausdrücke stehen für den Appell an die Einsicht in die formulierten Sachzusammenhänge« (Jahr 2000, S. 392). Abgeschlossen ist eine Erklärung, wenn das geteilte Wissen vom Rezipienten als nachvollziehbar und plausibel aufgenommen und in den eigenen Wissensbestand integriert wurde (Hoffmann 2016, S. 543). Zur Messung der Textqualität können im Falle des Erklärens aus sprachlicher Sicht besonders die

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Theoretische Grundlagen

Einführung in die Fragestellung (Einleitungssatz) und das abschließende Fazit (Schlusssatz) als Bestandteile des Textmusters herangezogen werden. Was als Grund gilt und wie Gründe dargestellt werden, bestimmt die fachspezifische Ausrichtung der Erklärung. Dementsprechend können sowohl Präsens als auch Perfekt genutzt werden, um eine Erklärung anzufertigen. Auf der Ebene sprachlicher Mittel können insbesondere kausale, finale, konsekutive und konzessive Bezüge betrachtet werden. Gegenstände schulischer Erklärungen In der Institution Schule müssen vor allem Begriffe, Sachverhalte und Zusammenhänge erklärt werden. Zudem müssen Schüler*innen Erklär-Hypothesen bilden, da sie zuweilen nicht in der Lage sind, ad hoc sachlich (bzw. sprachlich) korrekte Erklärungen zu liefern und die Erklärung als solche im Unterricht entwickelt werden muss. Zudem merken Schmölzer-Eibinger/Fanta (2014) an, dass beim schulischen Erklären nur selten ein Wissensdefizit auf Seiten des Adressaten, d. h. der Lehrkraft besteht. Stattdessen werden Erklärungen mit einer konkreten Erwartungshaltung eingefordert. Es handelt sich also um didaktisierte, aber zugleich entfunktionalisierte Erklärungen. Umso wichtiger wird deshalb die Situierung der Aufgabenstellung, da durch die Entfernung der sprachlichen Handlung von ihrem eigentlichen Zweck ein wesentlicher Antrieb zur Umsetzung verloren geht. Das schriftliche Verfassen von Erklärungen erfordert von Schüler*innen ein größeres Maß an Explizitheit, Kohärenz und Präzision. Durch einen epistemischen Schreibprozess kann das Erklären schriftlich besser geschult werden als mündlich (Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014, S. 160). Studien zu Erklärungen von Schüler*innen Empirische Studien wie die von Kronenberg/Souvignier (2005) oder Sandoval/Millwood (2005) zeigen, dass Schüler*innen häufig Schwierigkeiten beim Erklären haben. Inhaltlich bleiben Erklärungen unvollständig, den Erklärungstexten fehlt oft die logische Struktur und Aussagen werden sprachlich nicht miteinander verknüpft (dazu: Helms 2006, S. 5f). Auch beim Rezipieren von Erklärungen kommt es zu Herausforderungen, da Schwierigkeiten bei der Identifikation von Kausalbeziehungen (Differenzierung von Bedingungs- und Konsequenzteil) auftreten können (Jahr 2000, S. 392; Maichle 1992). In einer Studie zur Schreibförderung mit besonderem Fokus auf Textprozeduren haben Schmölzer-Eibinger/Fanta (2014) die Entwicklung der Fähigkeiten von Schüler*innen beim schriftlichen Erklären untersucht. Beide Klassen, sowohl die Interventions- als auch die Kontrollgruppe, erhielten eine Liste mit Routineausdrücken zum Erklären. In der Interventionsgruppe wurde die Liste explizit thematisiert. Die Studie zeigt nicht nur einen vermehrten Gebrauch von

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Routineausdrücken in den Texten der Interventionsgruppe (Gesamtzahl 32, M = 5.3; demgegenüber KG: Gesamtzahl 19, M = 3.8), sondern auch die korrekte Verwendung aller Ausdrücke und die qualitative Steigerung der Textqualität. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine Schreibförderung der sprachlichen Handlung Erklären durchaus gewinnbringend verlaufen kann, konkrete Bezüge zum fachlichen Lernen im Geschichtsunterricht bleiben jedoch weiterhin offen. 2.1.4.3 Möglichkeiten der Abgrenzung von Beschreiben und Erklären Eine Unterscheidung von Beschreibung und Erklärung ist nicht immer eindeutig möglich. Zifonun/Hoffmann/Strecker charakterisieren eine Erklärung beispielsweise als »Folge von Assertionen, die ein Objekt über einen übergeordneten Funktions- bzw. Wirkungskomplex einordnen, aus dem heraus seine Existenz, Entstehung, äußere Beschaffenheit, lokale Strukturiertheit usw. verständlich werden« (1997, S. 131f). Zwar wird in dieser Definition deutlich, dass es sich nicht lediglich um die Beschreibung eines Sachverhalts handelt, sondern darüber hinaus um die Aufdeckung und das Nachvollziehbarmachen von Funktionen, Zusammenhängen und Wirkungen des Sachverhalts. Doch greifen diese sprachlichen Teilhandlungen auch auf das Darstellen der »äußeren Beschaffenheit« und »lokalen Strukturiertheit« zurück, die der Produzent auch beim Beschreiben aufzeigen muss. Grasser/Redder argumentieren ähnlich, wenn sie den Funktionszusammenhang als wesentlichen Kern des Handlungsmusters und Übergang vom funktionalen Beschreiben zum Erklären darstellen (2011, S. 60). Je nach Sachverhalt erfordert eine Erklärung also das Einbinden sprachlicher Teilhandlungen, die als Beschreibung charakterisierbar sind, um davon ausgehend einen Sachverhalt zu durchdringen, zu analysieren und zu abstrahieren. Eine Erklärung ist ohne beschreibende Teilhandlungen nicht realisierbar, ebenso greifen Beschreibende auf erklärende Sprachhandlungen zurück (SchmölzerEibinger/Fanta 2014, S. 162). Die Parallele zwischen den sprachlichen Handlungen hebt auch Feilke hervor, wenn er davon spricht, dass das Beschreiben »ein Erklären vor dem Hintergrund des sprachlich Bekannten« (2005, S. 54) sei und die Sprachhandlungen nicht einfach nebeneinander existieren, sondern einander konstitutiv bedingen. Den Übergang zum Erklären bildet also die Orientierung auf den Zusammenhang der Teile (Rehbein 1984, S. 116). Überschneidungen der sprachlichen Handlung Erklären führt Ehlich zudem zum Erläutern, Begründen, Argumentieren und Vergleichen auf. Während Erklärung und Erläuterung gemeinsam auf das Konzept der Klarheit, Reinheit und der Aufklärung von Unklarheiten referieren, ist der Erklärung und der Argumentation die praktische Relevanz für die alltägliche Wirklichkeit gemein (2009, S. 13).

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2.2

Theoretische Grundlagen

Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht

2.2.1 Von der Fachsprache zur Sprachbildung – Fachliche Grundlagen sprachlichen Lernens Durchgängige Sprachbildung im Fach Das zuvor beleuchtete Konzept der durchgängigen Sprachbildung überträgt die Verantwortlichkeit für die Sprachbildung der Schüler*innen auf alle Fächer. Die Gestaltung sprachsensibler Unterrichtssettings wird somit auch Aufgabe des Geschichts- und Gesellschaftslehreunterrichts. Doch auch ohne diese »von außen« an die Fächer herangetragene Forderung sind Sprache und Geschichte unmittelbar miteinander verbunden. Zwar sei das Geschichtslernen »nicht Sprachlernen, doch im Geschichtsunterricht bilden das Changieren zwischen den Sprache(n) der Vergangenheit und Gegenwart und damit verbunden die Analyse und Konstruktion historischer Erzählungen das Fundament historischen Lernens und didaktischen Handelns« reflektiert Handro (2015, S. 5). Die Beschäftigung mit Geschichte erlaubt also nicht nur, sondern verlangt vielmehr eine Hinwendung zur Sprache. Eine Auseinandersetzung mit Geschichte ohne Sprache wäre undenkbar, ebenso die Reflexion über Geschichtskultur. Sprache stellt einen wesentlichen Gegenstand der Betrachtung und des historischen Lernens dar. Sprache als Gegenstand und Medium Doch Sprache bedingt den Geschichtsunterricht nicht nur in der Funktion des Lerngegenstandes, sondern stellt zugleich das Medium dar, dass die Verhandlung über vergangene Sachverhalte und das historische Lernen ermöglicht. »Ohne Sprache«, so Hartung, »könnte es Geschichte nicht geben, weil dann kein Medium zur Speicherung historischen Wissens vorhanden wäre. Erinnerung könnte dann nicht mehr in der Gegenwart präsent sein. […] Geschichte als soziale Praxis lässt sich nur durch das Medium der Sprache organisieren, konzentrieren und verändern« (2013, S. 55). Nicht nur wissenschaftliche Diskurse über historische Ereignisse und Sachverhalte werden »sprachlich« geführt; Sprache ermöglicht ebenso das historische Lernen in der Schule, wie sie die alltägliche Verständigung über Geschichte und geschichtskulturelle Produkte zulässt. In diesem Sinne argumentiert auch Oleschko, wenn er festhält, dass »ohne Sprache [..] kein historischer Lernprozess initiiert, in Gang gehalten, gesichert und reflektiert werden [kann]« (2015, S. 89). Die sprachliche Bedingtheit von Geschichte manifestiert sich auf unterschiedlichen Ebenen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die »Objekti-

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vierung subjektiver Erfahrungen« von Zeitgenoss*innen ohne Sprache nicht möglich gewesen wäre (Handro/Schönemann 2010, S. 3). Quellen repräsentieren somit vergangene Sprachhandlungen (Handro 2013, S. 321). Wenngleich das sprachliche Produkt kein Abbild der historischen Wirklichkeit ist, erlaubt es doch, historische Entwicklungen, Sachverhalte und Ereignisse zu rekonstruieren. Eben dieser Prozess, die Rekonstruktion der Vergangenheit in Form einer Erzählung, ist seinerseits an Sprache gebunden und wird von Handro als »Repräsentation gegenwärtiger Sprachhandlungen« bezeichnet (2013, S. 321). Die bei der Versprachlichung historischer Denk- und Erkenntnisprozesse entstehenden Erzählungen sind unter dem Begriff der Narration bekannt. Auch die Analyse solcher Narrationen macht vom Medium Sprache Gebrauch. Dabei fließen sowohl die Schülersprache als auch die Fachsprache in den Prozess des historischen Lernens im Unterricht ein. Somit sind alle Ebenen der Beschäftigung mit Geschichte, vom Verfassen einer Quelle zur Auseinandersetzung mit eben dieser, vom Festhalten einer Narration bis zur Dekonstruktion dieser Darstellung bis hin zum gegenwärtigen Diskurs durch Sprache bestimmt (Handro/Schönemann 2010, S. 5f). Im Rahmen der angeführten Überlegungen verlangt die Narration besondere Aufmerksamkeit, stellt sie als »Sinnbildung über Zeiterfahrung« (Rüsen 2008, S. 30) den wesentlichen Kern des Geschichtsunterrichts dar. Handro hebt die Verzahnung sprachlichen und fachlichen Lernens im Hinblick auf die Entwicklung narrativer Fähigkeiten besonders hervor, wenn sie annimmt, dass »narrative Kompetenz sich im sukzessiven Erwerb und Gebrauch fachspezifischer grammatikalischer, lexikalischer und syntaktischer Mittel, kulturell tradierter Textmuster, diskursiver Akzeptabilitätsstandards, adressaten- und mediengerechter Sprachregister und Textfortsetzungsregeln entwickelt« (2013, S. 324). Sprachsensibler Geschichtsunterricht Bei der Konzeptionierung sprachsensibler Unterrichtssettings im Fach Geschichte spielt der Aspekt der Schriftlichkeit eine entscheidende Rolle. Seit der Entwicklung der Schrift ermöglichen Texte die Überwindung der zerdehnten Sprechsituation (Vgl. Ehlich 1991). Für die Beschäftigung mit Geschichte bedeutet dies, dass Informationen und Wissen ebenso wie subjektive Ansichten und Meinungen über Raum und Zeit hinweg weitergegeben werden können. Schriftliche Quellen und Darstellungstexte bedingen den Erkenntnisgewinn im Geschichtsunterricht. Lange Zeit wurden Texte deshalb vor allem als Inhaltsspeicher betrachtet. Textproduktion und die Anleitung eigenständiger Schreibprozesse spielten lediglich eine untergeordnete Rolle (Hartung 2013, S. 46). Dabei gewinnt das epistemische Schreiben für den Geschichtsunterricht eine besondere Funktion. Die Verlangsamung des Denkens im Schreibprozess erlaubt nicht nur die Organisation und Strukturierung der zu verschriftlichenden In-

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Theoretische Grundlagen

halte, sondern ermöglicht die Vergegenwärtigung von Vergangenem (Hartung 2013, S. 11). Ebenso lassen sich Teilschritte des Schreib- und historischen Erkenntnisprozess verbinden, sodass Wissensstrukturen sukzessive aufgebaut, modifiziert und erweitert werden können (Hartung 2015a, S. 204). Ein besonderes Potential des Schreibens im Geschichtsunterricht liegt in der Möglichkeit, die Auseinandersetzung mit vergangenen Ereignissen zu intensivieren. So verlangt die Verschriftlichung von Erkenntnissen und Einsichten nach genauen Formulierungen; ein Zwang, der wiederum die Fähigkeit zur Begriffsbildung fördert und fordert (Hinrichs 2010, S. 224; Hartung 2015a, S. 204). Neben begrifflicher Präzision erfordert die schriftliche Ausformulierung der Ergebnisse von Analyse und Urteilsbildung die Herstellung einer logischen Gliederung. Die typische Charakteristik der zerdehnten Sprechsituation verlangt nach einer gezielten Leserantizipation, die sich in Kohärenz und logischer Textgliederung niederschlägt. Der resultierende Zwang zu genauer Reflexion über Inhalte und ihre Zusammenhänge bedingt den Erkenntniswert des Textproduktes (Hartung 2015a, S. 205). Zugleich wird im Schreibprozess selbst eine Distanz zwischen Schreiber und historischem Sachverhalt aufgebaut, die die »Vergegenständlichung« und emotionale Verarbeitung von letztgenanntem gestattet. Die Distanzierung zu den eigenen Gefühlen und Werten eröffnet den Raum für Alteritätserfahrungen und Fremdverstehen (Hinrichs 2010, S. 224; Hartung 2013, S. 13, S. 21f; 2015a, S. 205). Die Titulierung des selbstständigen Schreibens als »Königsweg der Erkenntnis« durch Günther-Arndt (2010, S. 35) scheint in diesem Zusammenhang durchaus berechtigt. Trotz des hervorgehobenen Zusammenhangs zwischen sprachlichem und fachlichem Lernen im Geschichtsunterricht bieten die Kernlehrpläne keine exakten Vorgaben oder Erläuterungen zu sprachlichen Anforderungen des Fachs. Stattdessen liegt Sprache dem Geschichtsunterricht als implizite Struktur zu Grunde (Handro 2013, S. 320; Hartung 2015, S. 202). Nicht zuletzt auf diesen Mangel ist es zurückzuführen, dass der Geschichtsunterricht trotz seines hohen Bedarfs an Schrift und Schriftlichkeit weitestgehend mündlich konzipiert und durchgeführt wird. Erfordern Aufgaben eine eigenständige Verschriftlichung, so geschieht dies nur selten mit epistemischer Absicht, vielmehr steht die instrumentelle Funktion des Schreibens im Zentrum. So müssen Schüler*innen beispielsweise Tafelbilder abschreiben, Stichworte notieren, Tabellen oder Lückentexte ausfüllen oder Plakate gestalten. Das Potential, das verschiedene Lern- und Schreibformate für den historischen Erkenntnisgewinn bieten, wird nur selten ausgeschöpft (Hartung 2013, S. 50; 2015, S. 202). Gleichwohl fordern zahlreiche Stimmen den Ausbau schreiborientierter Ansätze. Pandel (2005) und Hasberg (1999) plädieren für einen strukturorientierten Ansatz, der die Herstellung von Textprodukten an strukturierende Fragen knüpft. Barricelli (2008) verweist auf die Förderung explizit narrativer Fä-

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higkeiten, während Memminger (2009) die Bedeutung kreativer Schreibsettings und freier Textgestaltung hervorhebt. Dem individuellen Ansatz stellen Gemmecek-Stenzel (1997) und Bernhardt (1997) die Forderung nach materialgeleiteten Schreibanlässen, die zu einem wissenschaftspropädeutischen Arbeiten hinführen soll, gegenüber (Vgl. zur Debatte Hartung 2015a, S. 205ff). Überlegungen zum Narrationsbegriff – Grundlagen und Bedeutung Die Narration und die damit einhergehende sprachliche Handlung des Erzählens wurden lange Zeit als zentrale Elemente des historischen Lernens begriffen. Unter der Annahme, dass Sinnbildung über Zeiterfahrung nur durch die Sprachhandlung des Erzählens vollzogen werden könne, wurde die Narration zugleich wesentlich für Sinnbildungs- und Darstellungsstruktur des Geschichtsunterrichts (Rüsen 2008, S. 30). Insgesamt sei »die ganze Fülle der Vergegenwärtigung der Vergangenheit […] als Erklären [zu] charakterisieren« (Rüsen 1996, S. 501), formuliert der Geschichtsdidaktiker bereits einige Jahre zuvor. Die historische Erzählung versteht er dabei als die »alltägliche sprachliche Form, in der Geschichte artikuliert wird, also Geschichtsbewusstsein sich manifestiert« (Rüsen 1997a, S. 57). Gegenstand einer Erzählung kann nur sein, »was in Zeit und/oder Raum fern liegt […]. Anwesendes und Gegenwärtiges lässt sich nicht erzählen«, fügt HansJürgen Pandel (2015, S. 15) den Überlegungen zum Narrationsbegriff an. Die Besonderheit einer historischen Narration, die entsteht, wenn der Produzent einen solchen vergangenen Zeitverlauf vergegenwärtigt, liegt im Aspekt der Sinnbildung, da der Zeitverlauf in einen aus der Gegenwart heraus relevanten Zusammenhang eingebunden wird. Durch eine historische Erzählung gelingt es demzufolge, verschiedene Zeitebenen zu verknüpfen und »die Zeiterfahrung der Vergangenheit so [zu deuten], dass gegenwärtig erfahrene zeitliche Veränderungen verstanden und Zukunft in Form einer Handlungsperspektive erwartet werden kann« (Rüsen 1997a, S. 58). Eine Erzählung ist dementsprechend genau dann fachspezifisch, »wenn der gemeinte Sinn einen erzählbaren Zusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und (tendenziell) auch der Zukunft betrifft, in dem die Erfahrung der Vergangenheit so gedeutet wird, dass Gegenwart verstanden und Zukunft erwartet werden kann« (Rüsen 1996, S. 513). Neben der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins stellte die Ausbildung narrativer Kompetenz eines der grundlegenden Ziele des Unterrichts in den Fächern Geschichte und Gesellschaftslehre dar. Sie wird von Pandel definiert als »Fähigkeit, aus zeitdifferenten Ereignissen durch Sinnbildung eine kohärente Geschichte herzustellen und mit erzählter Geschichte umzugehen« (2015, S. 15). Ähnlich ist die Definition Barricellis, der narrative Kompetenz als »Fähigkeit […], mit erzählter und zu erzählender Geschichte sinnvoll umzugehen« (2002, S. 73) betrachtet.

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Theoretische Grundlagen

Kritik am Narrationsbegriff Wenngleich Rüsen bereits in seinen grundlegenden Überlegungen zur »Historische[n] Sinnbildung durch Erzählen« (1996, S. 503) anmerkt, dass das Narrativitätsparadigma nicht mit »Argumentationsroutinen vermittelt, in denen es um konkrete Lernprozesse geht, und schon gar nicht […] in seiner grundsätzlichen Bedeutung unterrichtsmethodisch entfaltet« sei, wurde lange an der Narration als genuin und wesentlich historischer Darstellungsform festgehalten. Dabei differenziert bereits Droysen in seiner Vorlesung Historik neben der erzählenden Darstellung vier weitere Formen der Auseinandersetzung mit Geschichte: die untersuchende, didaktische und diskussive Darstellung. Die erzählende Form fokussiert die Darstellung der Entwicklung und des Verlaufs von Geschichte (1977, S. 282ff), wohingegen die didaktische Darstellung den Versuch unternimmt, die Gestaltwerdung der Gegenwart durch die Geschichte zu erklären (1977, S. 299ff). Der diskussiven Darstellung kommt hingegen die Funktion zu, durch verstehenden Nachvollzug anzuleiten, die Gegenwart zukunftsorientiert zu gestalten (1977, S. 310ff). Die untersuchende Darstellung nimmt vielmehr das forschende Vorgehen der Historiker selbst, als die Früchte ihrer Arbeit in den Blick (1977, S. 274ff). Auch Rüsen selbst wendet sich nicht-narrativen Elementen des historischen Lernens und Denkens zu. Er bestimmt beispielsweise die Erfahrung und Wahrnehmung historischer Sachverhalte, aber auch die Quellenarbeit als prä-narrative Elemente im Geschichtsunterricht, die zentral für das historische Lernen sind (Rüsen 1996, S. 530f). Darüber hinaus charakterisiert er den Einbezug verschiedener Erklärungsmodi als nicht-narrative Elemente der historischen Deutung (1996, S. 531). In diesem Zusammenhang konstatiert Rüsen (1996): »Zwar sind es die narrativen Optionen, die die empirisch gegenwärtigen Tatsächlichkeiten der Vergangenheit temporal verknüpfen und damit der Erfahrung der Vergangenheit die Signatur des Historischen verleihen, aber in diese Signatur schreiben sich durchaus auch nicht-narrative Züge ein« (S. 532).

Diese nicht-narrativen Elemente werden hilfsweise in Narrationen eingebunden. Darüber hinaus gäbe es auch bei der Präsentation historischer Deutungen nichtnarrative Formen. Dazu zählen beispielsweise die Beschreibung kultureller Konfigurationen und die systematisch-ordnende Darstellung von Themen. Der erzählende Charakter der Geschichte, so Rüsen, würde bei diesen Produkten der Geschichtsschreibung nicht umgesetzt, müsse aber implizit »als Voraussetzung […] und Bedingung ihres Verständnisses […] wahrgenommen werden« (1996, S. 535). In aktuelleren Publikationen wurde die Frage nach anderen Formen der Darstellung wieder aufgegriffen (Vgl. Bernhardt/Conrad 2018, S. 4). Oleschko gibt zu bedenken, dass sich die narrative Struktur zwischen informierend-er-

Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens

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klärenden und erzählenden Texten unterscheide, sodass »die strukturelle Organisation historischer Aussagen in verschiedenen Textformen genauer zu untersuchen [sei]« (2015, S. 94). Diese Trennung lässt darauf schließen, dass die Narration an sich nicht als Textsorte zu verstehen ist, sondern historische Sinnbildung in verschiedenen Textsorten vollzogen werden kann (Hartung 2015a, S. 208). Wie die Auseinandersetzung mit funktional-pragmatischen Überlegungen zu Texten und Textsorten ergeben hat, bestehen Textsorten nicht aus einer einzelnen sprachlichen Handlung. So handelt es sich auch bei Textsorten im Fach Geschichte um Großformen, die aus unterschiedlichen sprachlichen Handlungen zusammengefügt sind. Diese Texthandlungen haben »nicht nur ›erzählende‹ sondern auch beschreibende, argumentierende, analysierende und wertende Funktionen« (Hartung 2016, S. 189). Ähnlich argumentiert Hilke GüntherArndt (2014, S. 27), die betont, dass diskursive und argumentative Sprachhandlungen als Teil historisch-narrativer Erzählungen zu betrachten seien. Die Anerkennung diskursiver Sprachhandlungen gilt dabei nicht nur für das schulische Lernen, sondern gleichermaßen für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Geschichte. Denn insbesondere in der Kontroverse, im Umgang mit Geschichte in Diskussionen mit anderen, in Rezensionen und im mündlichen Streitgespräch, spielen beschreibende und erörternd-argumentative Sprachhandlungen eine wesentliche Rolle (Pandel 2009, S. 62). Somit unterschlage das Narrativitätsparadigma, »dass die spezifische Wissenschaftlichkeit der Geschichtsschreibung nun gerade nicht auf deren narrativer Struktur beruht, sondern auf den diskursiven Begründungen, die in diese Struktur eingewoben sind« (Bernhardt/Conrad 2018, S. 5). Dennoch geht Barricelli so weit zu konstatieren, dass die Erzählhandlungen im Fach »ausschließlich durch den Operator ›Erzähle‹ angeregt« werden können (2016, S. 49). Dabei führen weder die Einheitlichen Prüfungsanforderungen noch der Operatorenkatalog des Landes NRW den Operator Erzählen, der unmittelbar zum Verfassen einer Narration anregen sollte. Durch die Aufforderung zur Einordnung eines Sachverhalts in seinen Kontext werden mit Übergang zur Sekundarstufe II vermehrt Erzählhandlungen eingefordert, in der Sekundarstufe I dominieren jedoch diskursive Sprachhandlungen und Textsorten den Aufgabenhorizont des Faches. So finden sich in beiden Aufschlüsselungen eine Vielzahl diskursiver Operatoren wie Beschreiben, Erläutern und Beurteilen (Bernhardt/Conrad 2018, S. 4f). Auch zum Erzählen synonym verwendete Operatoren wie Darstellen führen nicht zwangsläufig zu einem narrativen Text. Darüber hinaus, so die Überlegungen Barricellis, ließen historisch triftige Erzählungen keine Verbesserungen, sondern lediglich Veränderungen oder Umgestaltungen zu, sodass das Unterfangen, den Zuwachs narrativer Kompetenz im Unterricht zu messen, nur sehr eingeschränkt möglich sei (2016, S. 47ff).

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Theoretische Grundlagen

Obwohl das von Pandel vorgelegte Schema die Progression narrativer Kompetenz abbilden soll, widerspricht es nicht der These Barricellis. Statt einer umfassenden narrativen Kompetenz erfasst das Modell die empirische (durch Fußnoten und Belege) und normative (durch Auswahl und Begründung der Ereignisse) Triftigkeit. Auch narrative Plausibilitätskriterien fließen in das Modell ein (z. B. Verbindung der Ereignisse; Begründung der Erzählung), doch es wird nicht deutlich, wie die Qualität der Erzählung an sich beurteilt werden kann (Pandel 2015, S. 39). Eine triftige Narration, die zur Sinnbildung des Produzenten oder Rezipienten beiträgt, kann demzufolge zwar durch multiperspektivische Zugänge verändert oder das Heranziehen weiterer Motive und Ursachen erweitert werden, zwangsläufig »besser« wird sie deshalb allerdings nicht. Wenig überraschend scheint deshalb, dass trotz der einzigartigen Bedeutung narrativer Fähigkeiten für das historische Lernen keine eindeutigen Ergebnisse bezüglich der Frage, wie Schüler*innen überhaupt Narrativieren lernen, getätigt werden können (Nitsche/Buchsteiner 2016, S. 4). Die vorgestellten Überlegungen sowie der Einwand, nicht alle Narrationen lägen in Form einer historischen Erzählung vor (Handro 2013, S. 328), fordern eine Erweiterung des Narrationsbegriffs. Durch die neuen Zugänge der Sozialund Wirtschaftsgeschichte entwickelten sich im geschichtswissenschaftlichen Diskurs bereits um 1960 neue Darstellungsformen, die sich von den narrativen Erzählungen über Personen- und Ereignisgeschichte absetzten. Wenngleich auch in Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Ereignisse dargestellt und Zeitverläufe tradiert werden mussten, so verlangten die neuen Schwerpunkte in hohem Maß nach der Darstellung von Strukturen und Zuständen. Neben das traditionelle Erzählen treten demzufolge beschreibende und erklärende – eben diskursive – Sprachhandlungen und Textformate (Onken 2016, S. 75ff). Ausgehend von diesen Überlegungen plädiert Rüsen für einen neuen Erzählbegriff, der »dann das Ensemble derjenigen mentalen Operationen [ist], in denen über Zeiterfahrung orientierte Sinnbestimmung der menschlichen Lebenspraxis gebildet werden« (Rüsen 1993, S. 114), wobei diese Operationen eben nicht nur narrative Sprachhandlungen umfassen. So betrachtet schließlich auch Pandel die Narration als »eine durch diskursive Elemente angereicherte Narration« (2015, S. 39). Keineswegs soll also die Narration und mit ihr die Sinnbildung als höchste Stufe historischen Denkens in Frage gestellt werden. Doch kann eine komplexe fachsprachliche Handlung, wie die des historischen Erzählens, erst am Ende des Lernprozesses stehen (Handro 2013, S. 325). Wie auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Geschichte, der historischen Methodik, gehen die Analyse, Kritik und Interpretation vergangener Sachverhalte der Darstellung und Erzählung über dieselben voraus. Um diese Stufe des elaborierten Umgangs mit Geschichte und der argumentativ-narrativen Darstellung historischer Ereignisse und Sachverhalte zu erreichen, müssen zunächst fachinhaltlich, aber auch

Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens

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fachsprachlich, andere Sprachhandlungen vollzogen werden – nämlich diskursive. Schüler*innen müssen sich anderer Werkzeuge bedienen, bis schließlich sprachliche Fähigkeiten und historisches Wissen zu einer triftigen Erzählung verknüpft werden können. Bedingungen der Fachsprache Wie die angeführten Überlegungen gezeigt haben, sind Sprache und darüber hinaus Schriftsprachlichkeit wesentliche Komponenten historischen Lernens. Auch der Narrationsbegriff wurde diskutiert und für eine Hinwendung zu diskursiven und explikativen Sprachhandlungen als Ausgangspunkt fachsprachlicher Bildung plädiert. Unbeantwortet bleibt jedoch die Frage: Was ist die domänenspezifische, also historische Fachsprache? Im Rahmen der linguistischen Annäherung wurde bereits festgehalten, dass sprachliches Handeln, unter anderem das Produzieren von Textsorten, bestimmt ist von der Konstellation, in der die Sprachhandelnden aufeinandertreffen, und den Zwecken, die dem Vollzug sprachlicher Handlungen zu Grunde liegen und in der konkreten Sprachhandlungssituation umgesetzt werden sollen. Das sprachliche Handeln im Geschichtsunterricht soll deshalb nicht losgelöst von diesen Überlegungen, sondern als konkrete Konstellation betrachtet werden, in der Schüler*innen über spezifisches Musterwissen verfügen müssen, um fachsprachliche Handlungen adäquat produzieren und rezipieren zu können. Die innerhalb des Fachunterrichts verwendeten Textsorten liefern einen Rahmen, der den fachspezifischen Zweck der sprachlichen Handlungen und somit den Aufbau der Textstruktur sowie die Verwendung sprachlicher Mittel bestimmt. Das Musterwissen kann also genauer charakterisiert werden als domänenspezifisches Problemlösewissen, das zum fachsprachlichen Handeln befähigt. Die Deklination der Fachsprache über die Großform der Narration reicht aus diesem Grund nicht aus, um sprachliche Kompetenzziele zu formulieren und fachsprachlich fordernde und fördernde Aufgabensettings zu gestalten. Die Entwicklung sprachsensiblen Geschichtsunterrichts bleibt sowohl auf der Mikroals auch auf der Makroebene durch das Narrativitätsparadigma verstellt. Stattdessen lohnt sich der Blick auf weitere, eben diskursive sprachliche Handlungen und die sprachlichen Mittel, derer es zur Realisierung bedarf, um die Fachsprache auf die Ebenen der Syntax und Lexik herunterzubrechen. Leitende Überlegungen hat Saskia Handro im Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht (2013, 2020, S. 101) aufgestellt, dass die Verbindung spezifischer Sprachhandlungen mit den epistemischen Schritten der historischen Methode zulässt. Das Modell zeigt, dass diskursive Sprachhandlungen wesentlich zum Erkenntnis- und Kommunikationsprozess beitragen. Während im Rahmen der inneren und äußeren Quellenkritik benennende, beschreibende und zusam-

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Theoretische Grundlagen

Epistemische Funk$on des Sprachhandelns

Historische Deutungen und Werturteile disku$eren: argumen$eren, erörtern

Erklärung (Analy!k) als Anwendung fachspezifischer Theorien, Konzepte und Begriffe

Historische Sach- und Werturteile erklären und begründen; in Bezug auf Tri"igkeit, Theorien, Werte, Normen

Darstellung Erkenntnispräsenta$on und -reflexion

Historische Narra$onen im Diskursporzess

Historisches Erzählen: adressaten-, ga#ungs- und situa$onsgerecht (als u.a. Vortrag, Zeitungsar$kel)

Strategien historischen Denkens

Beurteilen, vergleichen Kausale, temporale Zusammenhänge, Mo$ve erklären, Theorien, Fachbegriffe anwenden, Tri"igkeiten benennen

Interpreta!on Erkenntnisstrukturierung und Sinnbildung

Quellen- und Darstellungsaussagen in Bezug auf historische Frage u.a.

Historische Methode

Ga#ungsmerkmale, situa$ven Kontext nennen, beschreiben Quellenaussagen nennen und beurteilen (Perspek$vität, Inten$on, sprachlicher Mi#el)

Verstehen (Hermeneu!k) als gegenwartsgebundener Deutungsakt

Darstellungen und Quellen recherchieren

Quellenkri!k Erkenntnisproduk$on und methodische Reflexion

Narra$vieren als historischer Sinnbildungs- und Erkenntnisprozess

Vorwissen darstellen, Hypothesen formulieren

Heuris!k Erkenntnisini$a$on und Recherche

Historische Fragen formulieren

Abbildung 6: Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht (Handro 2020, S. 101)

menfassende Sprachhandlungen vollzogen werden müssen, kommen argumentative, deutende und beurteilende Sprachhandlungen im Bereich von Interpretation und Ergebnisdarstellung zum Tragen. Ausgehend von diesen konkreten Sprachhandlungen lassen sich sprachliche Mittel bestimmen, die historische Sprache grundlegend charakterisieren.

Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens

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Besonderheiten der Fachsprache Als allgemeine Besonderheiten der historischen Sprache wurden bereits Synonyme (Mehr/Werner 2012), Metaphern (Demandt 1987) sowie weitere begriffsspezifische Besonderheiten (Historizität von Begriffen, Begriffsinhalte, Bedeutungskontext) für die Ebene der Lexik herausgestellt. Auch auf Ebene der Syntax konnten basale Charakteristika historischer Sprache benannt werden. Dazu zählen die fachspezifischen Formen der Textkohäsion, die durch die Sinnrichtung von Nebensätzen und die Bedeutung von Konjunktionen und Adverbien evoziert werden (Vgl. dazu Mehr/Werner 2012; Bernhardt/Conrad 2018, S. 6f). Durch die additive oder adversative, kausale, konditionale oder temporale Verknüpfung von Motiven, Anlässen, Ursachen oder Folgen wird historischem Wissen eine spezifische Struktur verliehen, die den Sinnbildungsprozess abbildet bzw. beeinflusst (Hartung 2013, S. 339f; Veel/Coffin 1996, Coffin 2006). Die empirische Triftigkeit von Aussagen lässt sich darüber hinaus durch Modalwörter und graduierende Formulierungen wie z. B. »vielleicht«, »möglicherweise« oder »Es könnte sein, dass…« bestimmen (Pandel 2015, S. 128f). Auch der gezielte Einsatz des Konjunktivs und der verschiedener Tempi zählen zu den grundlegenden Merkmalen historischer Fachsprache. Der Gebrauch dieser sprachlichen Mittel stellt Lernende vor erhebliche Herausforderungen. Sprachliche Hürden, die das historische Lernen wesentlich behindern, gilt es nicht nur für Schüler*innen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die aus bildungsfernen Milieus stammen, zu überwinden, sondern für eine Vielzahl der Lernenden (Handro 2014, 2015). Bernhardt/ Wickner konstatieren mangelnde Fähigkeiten beim Umgang mit Konnektoren, der Zeitenbildung und der Verwendung des Konjunktivs sowie dem korrekten Gebrauch von Dativ- und Genitiv-Formulierungen (2015, S. 282). Schönemann/ Thünemann/Zülsdorf-Kersting stellen bei der Evaluation von Abiturklausuren die fehlende sprachliche Distanzierung zu in Quellen und Darstellungen implizierten Aussagen heraus und kritisieren die allgemeine Inkohärenz der verschriftlichten Sach- und Werturteile (2011, S. 124). Auch bei der angeführten Skizzierung einiger für historisches Lernen und Denken relevanter sprachlicher Mittel konnte der Anspruch, dieselben entsprechend ihrer zweckgebundenen Verwendung präzise herauszuarbeiten, nicht eingehalten werden. Die Betrachtung des »allgemeinen« sprachlichen Handelns ist, berücksichtigt man die Aspekte der spezifischen Rahmung von Texten und sprachlichen Handlungen durch Konstellation und Zwecke, für die Gestaltung sprachbildender Lehr-Lern-Settings jedoch nur eingeschränkt zielführend. Die Förderung fachsprachlicher Kompetenzen erfordert demzufolge klar umrissene Sprachhandlungen und Textsorten sowie fachspezifische Förderkonzepte. Dies soll im Folgenden für die Textsorte des Historischen Sachurteils und die ihr

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Theoretische Grundlagen

immanenten Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären erfolgen. Beide Sprachhandlungen treten im Geschichtsunterricht in Form von Operatoren auf, weshalb der Blick in einem kurzen Exkurs auch auf Aufgabensettings gelenkt wird.

2.2.2 (Schreib-)Aufgaben und Textproduktion im Fach Aufgaben im Geschichtsunterricht Um ein Verständnis für fachsprachliches Handeln und den daran gebundenen Gebrauch von Operatoren im Geschichtsunterricht zu gewinnen, werden an dieser Stelle einige Überlegungen zur Konstruktion von fachlichen Aufgaben angestellt. Köster/Bernhardt/Thünemann bestimmten Aufgaben als Instrumente zur Gestaltung von Lehr-Lernprozessen, die der Operationalisierung bestimmter Fragestellungen dienen. Dabei fungieren Aufgaben als Werkzeuge zur Wissensvermittlung, ermöglichen darüber hinaus auch die Regulierung des Anforderungsniveaus von Unterrichtssettings (2016, S.3). Seit der kompetenzorientierten »Neu«-Ausrichtung des Faches nehmen Aufgaben eine Schlüsselrolle in Lehr-Lernprozessen des Geschichtsunterrichts ein (Günther-Arndt 2015, S.18). Thonhauser (2008) bezeichnet die Aufgaben als »Katalysatoren«, also ein Moment des Fachunterrichts, der die »Reaktion« von Schüler*innen auf die Lehrkraft, den Unterrichtsgegenstand und die Zielsetzung des Unterrichts erheblich erhöht. Indem Barricell/Gautschi/Körber (2012) Aufgaben als »Rückgrat« des kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts bezeichnen, weisen sie ihnen eine ebenso tragende wie unterstützende Rolle zu. Auch Adamski betrachtet Aufgabenstellungen als entscheidende Faktoren für gelingende Lernprozesse, bieten sie den »Schlüssel für die Bewältigung fachlicher Anforderungen, die ein Unterrichtsthema stellt, um Lösungen für Probleme zu finden.« (2017, S. 44). An die von Wenzel (2010) gebrauchte Formulierung der »Ball- oder Staffelübergabe« knüpft Thünemann (2016) an, wenn er Aufgaben als das Moment charakterisiert, dass Lehrer*innen- und Schüler*innenkompetenzen ineinandergreifen lässt. Dabei liegt das Augenmerk bei diesen Zuweisungen vielmehr auf kompetenzorientierten Aufgaben, die die Anwendung und Weiterentwicklung historischer Kompetenzen fördern sollen (Köster/Bernhardt/ Thünemann 2016, S.2), und weniger auf Aufgabenformulierungen, die die Reproduktion deklarativen Wissens erfordern. Als Unterscheidungsmerkmal dieser Aufgabenformate sei an dieser Stelle zunächst die Formulierung mittels Operatoren einerseits und W-Fragen andererseits genannt (Vgl. Altun/Günther 2015, S.2f).

Sprache und Geschichte – Grundlagen fachsprachlichen Lernens

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Typologisierung Heuer und Wenzel unterscheiden drei Typen von Aufgaben: Lern-, Diagnoseund Prüfungs- bzw. Leistungsaufgaben (Vgl. Köster/Bernhardt/Thünemann 2016, S. 3). Lernaufgaben bilden dabei den größten Teil des in der Sekundarstufe I verwendeten Aufgabenmaterials. Sie sollen fachspezifische Lernprozesse anregen und unterstützen und so zum Wissens- und Kompetenzerwerb der Schüler*innen beitragen. Ausgehend von Diagnoseaufgaben, mittels derer bereits erworbene Fertigkeiten sowie der aktuelle Fachwissensstand erhoben werden, können Lehr-Lernprozesse und individuelle Förderung geplant werden. Am Ende eines Lernprozesses stehen wiederum die Prüfungs- bzw. Leistungsaufgaben, die Erlerntes überprüfen und abbilden sollen. Während bei der Gestaltung von Lernaufgaben unterstützende Elemente (Scaffolds) also durchaus mitgedacht und eingebracht werden müssen, steht bei Leistungsaufgaben das Ziel einer möglichst genauen Beurteilung der Fertigkeiten und des Wissensstands der Lernenden im Vordergrund. Eine tragende Rolle spielen deshalb im Vorfeld festgelegte Lösungserwartungen, sogenannte Bezugsnormen, die die Bewertung der Aufgabenbearbeitung und -lösung ermöglichen (Köster/Bernhardt/Thünemann 2016, S. 8f). Im schulischen Kontext mündet die Leistungsmessung in der Regel in die Vergabe von Noten am Ende einer Unterrichtseinheit oder des Schul(halb)jahres. Die Auseinandersetzung mit dem Feld der Diagnoseaufgaben sei, so Adamski/Bernhardt (2017, S. 401f), noch unzureichend umrissen – vor allem im Hinblick auf die Unterscheidung evaluierender und diagnostizierender Verfahren. Unter Diagnoseaufgaben fassen sie die punktuelle Analyse von Lernvoraussetzungen und Lernständen der Schüler*innen »mit dem Ziel, Förderpläne bzw. Pläne zur Binnendifferenzierung und Individualisierung des Lernprozesses zu entwickeln« (S. 404). Aufgabenformate Neben der Differenzierung der Aufgabentypen in Lern-, Leistungs- und Diagnoseaufgaben, lassen sich auch die Aufgabenformate, in denen sie vorliegen, weiter unterteilen. Während fachliche Wissenstests häufig in geschlossenen bzw. durchstrukturierten Formaten (z. B. Multiple Choice) vorliegen, sind besonders offene Fragen geeignet, um historische Denkprozesse zu initiieren. Die Möglichkeit, ausgehend von einer historischen Problemstellung eigene, triftige Lösungswege zu finden, besteht ebenso für Lern-, wie für Leistungs- und Diagnoseaufgaben, wenngleich sie vermehrt im erstgenannten Aufgabentyp Anwendung finden. Der Einsatz offener Aufgabestellungen in Leistungs- und Diagnoseaufgaben entspringt dem Wunsch, tatsächlich Kompetenzen statt Wissen messbar zu machen. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass auch offenen Aufgabenstellungen eine verbindliche Skala zur Beurteilung des Niveaus zu Grunde liegen muss, sodass von den festgelegten Erwartungen abweichende Lösungswege nur

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Theoretische Grundlagen

schwer beurteilt werden können. Außerdem steht die Qualität der Aufgabenbearbeitung im engen Zusammenhang mit der Motivations- und Tagesform der Schüler*innen und dem »Rategeschick« was die von der Lehrkraft erwartete Antwort betrifft (Adamski/Bernhardt 2017, S. 421). Dementsprechend ergibt sich die Frage, ob überhaupt Kompetenzen oder vielmehr eine momentgebundene Performance bzw. domänenspezifische Fähigkeiten messbar gemacht werden können – ein Problem, welches in der Auseinandersetzung mit den konkreten Messinstrumenten der Studie erneut aufgegriffen werden wird. Zwischen den offenen und geschlossenen Aufgabenformaten befinden sich halboffene bzw. anstrukturierte Aufgabenstellungen, denen zwar ein konkreter Lösungsweg zu Grunde liegt, die dennoch die Möglichkeit zur selbstständigen Entscheidung für und gegen relevante Elemente einer Lösung bieten (Adamski 2017, S. 46f). Kompetenzorientierte Aufgaben Kompetenzorientierte Aufgaben, wie die Geschichtsdidaktik sie fordert, sind im Kontext Schule kein Novum. Bereits 2009 hat Elmar Drieschner wesentliche Merkmale kompetenzorientierter Aufgaben zusammengefasst. In Bezug auf die Aufgabenstellung an sich hebt er vor allem die offene Formulierung hervor, wichtiger scheint jedoch die Anwendungssituation. Diese wird charakterisiert durch komplexe Anforderungen auf der einen und eine klare, transparente Zielorientierung auf der anderen Seite. Schüler*innen werden durch die Bearbeitung kompetenzorientierter Aufgaben also in die Lage versetzt, ausgehend von authentischen Kontexten, ihrem bereits erworbenen Wissen und erlernten Fähigkeiten eigenständige Lösungswege zu erarbeiten (Drieschner 2009, S. 93). Neben Heuer (2011; 2012) und Hodel/Fink/Waldis (2012) haben auch Wenzel (2010) und Adamski (2017) Arbeiten zu Gütekriterien und Merkmalen von Aufgaben im Geschichtsunterricht vorgelegt. Als allgemeindidaktische Anforderungen an Aufgabenstellungen fallen dabei besonders die Aspekte der Verständlichkeit und Differenzierung ins Gewicht. Wenzel fordert beispielsweise kurze und prägnante Formulierungen, den Rückgriff auf bereits bekanntes Wortmaterial und die Reduzierung komplexer Aufgabenstellungen, z. B. in Teilaufgaben oder der Differenzierung für unterschiedliche Lernniveaus. Komplexe Formulierungen und umfangreiche Aufgabenstellungen, so die Didaktikerin, führen zu Resignation und Demotivation der Lernenden. Zudem seien die Offenlegung konkreter Erwartungen (Umfang und Art der Aufgabenlösung, Zeit) sowie ein, durch den Zugriff auf Bekanntes und Interessantes, motivierender Zugang wesentliche Gelingensbedingungen. Insbesondere durch aktive, individuelle und kreative Aufgaben würde Wissen im Gehirn neu erschaffen und verankert (2010, S. 78, 81). Adamski unterstreicht die Kompetenz- und Pro-

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blemorientierung als wesentliche Kriterien zur fächerübergreifenden Aufgabengestaltung (2017, S. 44). Die Qualität einer Aufgabe geht allerdings nicht nur aus ihrer Formulierung hervor, sondern ebenfalls aus der Einbindung in das Unterrichtsetting. Dies betrifft z. B. die Materialauswahl, den Aspekt der Bearbeitungszeit, Unterstützung und Anleitung zur Aufgabenlösung sowie die Ergebnisreflexion und -diskussion im Anschluss an die Aufgabenbearbeitung (Köster/Bernhardt/ Thünemann 2016, S.8). Als fachliche Kriterien zur Aufgabengestaltung nennen sowohl Adamski (2017, S. 44) als auch Köster/Bernhardt/Thünemann (2016, S. 6; in Anlehnung an Thünemann 2013) historische Fragen als Lernimpuls, die den Lernprozess anstoßen und als »roter Faden« durch ihn hindurchleiten. Die fachspezifische Besonderheit der historischen Frage ist dementsprechend die Verbindung der drei Zeitdimensionen Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft. Ausgehend von den in Aufgabenstellungen implizierten Leitfragen sollen Schüler*innen in die Lage gebracht werden, eigenständige Argumentationen und Erzählungen über Geschichte zu erstellen. Angestrebt ist dabei der von Jeismann bekannte Dreischritt aus Sachanalyse, Sachurteil und Werturteil. Wenzel verbindet das Kriterium der historischen Fragen mit den Forderungen an Aufgabenstellungen, den Erwerb historischer Erkenntnisformen und des historischen Denkens und Verstehens zu fördern, sowie den Schüler*innen die Orientierung in Vergangenheit und Gegenwart zu ermöglichen (2010, S. 82). Die Ausrichtung historischer Lernaufgaben auf das Ziel der Sach- und Werturteilsbildung ergibt sich aus dem zuvor genannten Lernimpuls. Dabei bleibt die Sachurteilsbildung nicht auf die Nennung historischer Fakten beschränkt, sondern umfasst die Sinnbildung im Horizont von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. »Sinngebung und Bedeutungsgenerierung« (Wenzel 2010, S. 82) sind dementsprechend weitere fachliche Kriterien guter Aufgabenstellungen. Adamski unterstreicht die Bedeutung dieses Moments der Aufgabenstellung, indem er festhält, Kriterium einer fachlichen Lernaufgabe sei es, in ein narratives Produkt zu münden (S. 44). Tatsächlich lässt sich diese Forderung wohl eher als übergeordnetes Ziel der Gesamtheit der Aufgaben im Geschichtsunterricht ansehen, denn als spezifisches Kriterium einer Aufgabenstellung, bezeichnet Wenzel (2010, S. 82) doch im gleichen Zusammenhang die Anleitung zu Tätigkeiten des Fragens, Untersuchens, Prüfens, Vergleichens, Erklärens, Kritisierens und Beurteilens als Merkmale historischer (Lern-)Aufgaben. Diese Tätigkeiten können aus fachwissenschaftlicher Perspektive vielmehr der Heuristik zugeordnet werden, stellen neben der narrativen Sinnbildung jedoch ebenfalls einen entscheidenden Faktor historischen Lernens im Geschichtsunterricht dar. Als drittes fachliches Kriterium folgt die Anregung zur historischen Reflexion (Köster/Bernhardt/Thünemann 2016, S.6; Wenzel 2010, S. 82). So sollen historische (Lern-)Aufgaben zur Entwicklung und Reflexion des eigenen

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Theoretische Grundlagen

Geschichtsbewusstseins anregen und die Auseinandersetzung mit Geschichte, Geschichtsprodukten und historischen Kontroversen ermöglichen. Voraussetzungen zur Auseinandersetzung mit historischen Aufgaben sind also deklaratives Wissen über historische Ereignisse und Methoden auf der einen Seite und prozedurales Wissen zur Aufgabenbearbeitung auf der anderen Seite. In der Verbindung beider Elemente können Aufgabenstellungen im Geschichtsunterricht den Wissens- und Kompetenzerwerb anleiten, um ein kritisches Geschichtsbewusstsein der Schüler*innen anzubahnen.

ak$viert

Geschichte als Konstrukt

ak$viert

vorhandenes fachliches und fachübergreifendes prozedurales Wissen

Aufgaben und ihre Lösung

Vorhandenes historisches Gegenstands- und Erkenntniswissen

bereichert Deutung und Konstruk$on von Geschichte; Integra$on von Wissen in die individuelle bereichert

Abbildung 7: Aufgaben im Lernprozess von Schüler*innen (Vgl. Wenzel 2010, S. 80)

Gütekriterien für Aufgabenstellungen Neben den allgemeinen und fachspezifischen Kriterien zur Gestaltung von Aufgaben im Geschichtsunterricht werden an die Leistungs- und Diagnoseaufgaben zudem die Gütekriterien der Objektivität, Reliabilität und Validität herangetragen. Das Gütekriterium der Objektivität bezieht sich auf die Unabhängigkeit des Messergebnisses von der messenden Person. Handelt es sich im schulischen Alltag dabei zumeist um die Lehrkraft, ist das Gütekriterium in der vorliegenden Studie auf die Rater der Schüler*innen-Texte zu beziehen. Zur Überprüfung der Objektivität kann an entsprechender Stelle die Ermittlung der Interraterreliabilität mittels Cohens Kappa bzw. der Intra-Klassen-Korrelation (Icc) herangezogen werden. Das Merkmal der Validität bezieht sich auf die Übereinstimmung dessen, was gemessen werden soll, mit dem, was gemessen wird. Bei der Erhebung von z. B. Fachwissen durch einen entsprechenden MCTest gilt es daher, beispielsweise die Wirkung von Einflussfaktoren wie der Lesekompetenz und den Wortschatz der Schüler*innen einzuschätzen, sodass die Ergebnisse möglichst exakte Rückschlüsse auf das eigentlich zu messende Konstrukt liefern. Das Gütekriterium der Reliabilität bezieht sich schließlich auf

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die Genauigkeit der Messung, auch bei Wiederholungen (Vgl. dazu: Adamski/ Bernhardt 2017, S. 403). In dieser Arbeit stehen vor allem anstrukturierte Leistungsaufgaben im Zentrum der Betrachtung. Sie werden in den Schreibaufgaben zur Messung der fachsprachlichen Schreibfähigkeiten eingesetzt. Die Erkenntnisse, die aus der empirischen Untersuchung gewonnen werden, sollen jedoch nicht nur auf Leistungsaufgaben, sondern auch auf Lernaufgaben bezogen werden können, um lernförderliche Aufgabensettings für den Geschichtsunterricht zu entwerfen. Operatoren – Theoretische Grundlagen Operatoren, die im Rahmen dieser Arbeit eine besondere Rolle einnehmen, befinden sich an der Schnittstelle zwischen fachlichen und fachübergreifenden Anforderungen, die Aufgaben an Schüler*innen stellen. Durch die Einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Fach Geschichte sind Operatoren definiert als »handlungsinitiierende Verben, die signalisieren, welche Tätigkeiten beim Lösen von Prüfungsaufgaben erwartet werden« (Epa 2005, S.7). Der Einsatz von Operatoren in Aufgabenstellungen soll »vordefinierte und eintrainierte Handlungsweisen zur Bearbeitung einer gestellten Aufgabe auslösen« (Kühberger 2011, S. 14). Erweitert man die, auf Diagnose- und Leistungsaufgaben fokussierte, Definition der Einheitlichen Prüfungsanforderungen (Epa) um den Aspekt der Lernaufgaben, so zeigt sich, dass operatorengestützte Aufgabensettings den Aufbau von Kompetenzen anregen sollen. Bei Operatoren handelt es sich um handlungsinitiierende Verben, die aus Sicht der funktionalen Pragmatik als sprachliche Handlungen verstanden werden können. Die Bearbeitung einer operatorengestützten Aufgabe erfordert somit die Realisierung des Musters, welches an die sprachliche Handlung geknüpft ist. Die mündliche oder schriftliche Bearbeitung der Aufgabe setzt Musterwissen sowie die Kenntnis sprachlicher Mittel, die zur Realisierung des Musters umgesetzt werden müssen, voraus. Mit Blick auf sprachbildende Zusammenhänge folgert Bramann (2020, S. 170), dass »durch Operatoren evozierte Handlungen […] verschiedene […] Denk- und Sprachhandlungen verlangen«. Fehlt eine konkrete Handlungsanweisung bzw. spezifisches Musterwissen, werden Aufgaben ungenau oder gar nicht bearbeitet (Wenzel 2010, S. 78; Kühberger 2011, S. 14). Statt Eindeutigkeit und Transparenz stiften operatorengestützte Aufgaben in diesem Fall vielmehr Verunsicherung. Erwartungen, die an das Endprodukt gestellt werden, müssen somit entweder durch die Aufgabenstellung konkretisiert oder im Vorfeld explizit verdeutlicht und eingeübt werden. Im Sachfachunterricht werden diese Anforderungen durch fachsprachliche und fachinhaltliche Fähigkeiten ergänzt, die die Schüler*innen zur Bearbeitung der jeweiligen Aufgabe einsetzen müssen. Auch die fachlichen Denkprozesse, die von Schüler*innen zum erfolgreichen Bearbeiten der Aufga-

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Theoretische Grundlagen

benstellung gefordert werden, müssen durch die Vermittlung fachspezifischer Konzepte offengelegt werden (Kühberger 2011, S. 14). Operatoren – Praxisbezogene Überlegungen Die Epa für das Fach Geschichte umfassen insgesamt 32 Operatoren, die auf die Anforderungsbereiche I (Reproduktion; neun Operatoren), II (Reorganisation und Transfer; elf Operatoren) und III (Reflexion und Problemlösung; neun Operatoren) verteilt sind. Darüber hinaus sind drei übergeordnete Operatoren (Interpretieren, Erörtern, Darstellen), die Leistungen in allen drei Anforderungsbereichen verlangen, in den Prüfungsanforderungen verankert. Der Anforderungsbereich I verlangt das Wiedergeben von Sachverhalten unter Einsatz reproduktiver Arbeitstechniken, wie z. B. das Nennen von Informationen, die aus Quellenmaterial oder Darstellungen entnommen wurden. Im Anforderungsbereich II sind Schüler*innen zum selbstständigen Erklären, Strukturieren und Bearbeiten von Informationen mittels bekannter Methoden aufgefordert. So müssen Materialien beispielsweise systematisch gegenübergestellt (Vergleiche) oder Sachverhalte kriteriengeleitet untersucht (Analysiere) werden. Im Anforderungsbereich III werden Schüler*innen schließlich mit neuen Problemkonstellationen, die die selbstständige Auswahl von Methoden zum Interpretieren, Begründen und Bewerten historischer Sachverhalte erfordern, konfrontiert. Sie müssen Stellungsnahmen entwickeln und zu fundierten Sach- und Werturteilen gelangen. Der Operator Beschreiben findet sich im Anforderungsbereich I, der die Wiedergabe von Sachverhalten unter rein reproduktivem Einsatz erlernter Arbeitstechniken fordert. Er zählt zu den in Schulbüchern der Sekundarstufe I und II mit Abstand am häufigsten gebrauchten Operatoren. Beschreiben wird als »Universal«- bzw. »Einstiegsoperator« genutzt, um basale Wissensbestände bezüglich eines Sachverhaltes zu aktivieren, auf den in folgenden Aufgabenstellungen weiterführend referiert wird (Altun/Günther 2015, S. 5f, S. 12f). Im Anforderungsbereich II der Epa, Reorganisation und Transfer, wird der Operator Erklären in der Sekundarstufe I besonders häufig verwendet. Dabei liegt das Anforderungsprofil des Erklärens hauptsächlich im Bereich der (Sach-)Analyse historischer Quellen und Darstellungen. Neben dem hermeneutischen Verstehen zählen das Interpretieren, Darstellen und Erklären historischer Zusammenhänge und Sachverhalte zu den grundlegenden Strategien historischer Forschung (Handro 2015b). Es handelt sich somit um eine nicht nur im Unterricht, sondern auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Geschichte wesentliche sprachliche und fachliche Handlung.

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Fächerübergreifender Vergleich der Operatoren Fach

Operator

Deutsch

Geschichte

Textaussagen oder Sachverhalte in eigenen Worten strukturiert und fachsprachlich richtig darstellen

historische Sachverhalte unter Beibehaltung des Sinnes auf Wesentliches reduzieren

Politik

wesentliche Aspekte eines Sachverhaltes im logischen ZusamBeschreiben menhang unter Verwendung der Fachsprache wiedergeben Textaussagen, Sachhistorische Sachver- Sachverhalte durch verhalte auf der Basis halte durch Wissen Wissen und Einsichvon Kenntnissen und und Einsichten in ten in einen ZusamEinsichten differeneinen Zusammenmenhang (Theorie, ziert darstellen und Erklären hang (Theorie, MoModell, Regel, Gesetz, durch zusätzliche In- dell, Regel, Gesetz, Funktionszusamformationen und Funktionszusammenhang) einordnen Beispiele veranschau- menhang) einordnen und deuten und begründen lichen Tabelle 2: Operatoren und ihre fachspezifischen Besonderheiten

Vergleicht man die Operatoren verschiedener Fächer zeigt sich, dass die Definitionen der Epa fachliche Unterschiede hervorheben. Betrachtet seien hier der Deutschunterricht, auf Grund seiner prägenden Rolle als sprachliches Hauptfach und der Politikunterricht, dessen fachliche Parallelen nicht zuletzt auf das Fach Gesellschaftslehre Einfluss nehmen. Das Beschreiben fordert von Schüler*innen im Deutschunterricht die strukturierte und fachsprachlich richtige Darstellung eines Sachverhalts, während der Operator im Geschichtsunterricht vielmehr im Sinne einer Zusammenfassung (»auf Wesentliches reduzieren«) verstanden wird. Im Politikunterricht, der in er Schule wohl die größte Nähe und Ähnlichkeit zum Geschichtsunterricht aufweist, wird der Sachverhalt ähnlich wie im Fach Geschichte auf »wesentliche Aspekte« reduziert, darüber hinaus jedoch um die Einbettung in einen logischen Zusammenhang erweitert. Fachsprachliche Richtigkeit, die sowohl für das Fach Deutsch als auch für den Politikunterricht hervorgehoben wird, ist in der Definition für das Fach Geschichte nicht genannt. Im Deutschunterricht ist zudem gefordert, Sachverhalte »in eigenen Worten« darzustellen, eine Anforderung, die sich für den Geschichts- und Politikunterricht durchaus annehmen lässt, die jedoch nicht in der Definition des Operators explizit gemacht wird. Trotz grundlegender Überschneidungen sehen sich Lehrende und Lernende mit divergierenden Anforderungen konfrontiert. Ein ähnlich uneinheitliches Bild zeigt sich beim Operator Erklären, der von Schüler*innen im Deutschunterricht nicht nur die differenzierte Darstellung von Einsichten und Kenntnissen zu einem Sachverhalt erfordert, sondern darüber hinaus die Erläuterung durch zusätzliche Informationen und Beispiele umfasst.

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Theoretische Grundlagen

Die sehr ähnlichen Auslegungen des Operators für die Fächer Geschichte und Politik fordern die Einordung eines Sachverhalts in einen Zusammenhang, ohne deutlich zu machen, inwiefern dies ebenfalls den Einbezug von zusätzlichen Informationen und Beispielen erfordert. Während im Politikunterricht Sachverhalte im Zuge des Erklärens gedeutet werden müssen, erfordert eine historische Erklärung per Definition der Epa eine Begründung des historischen Sachverhalts – womöglich seiner Ursachen und Folgen. Fachinterner Vergleich der Operatoren Neben den überfachlichen Unterschieden zeigen sich auch Differenzen innerhalb des Fachs. Während die Epa beim Operator Beschreiben die Reduktion historischer Sachverhalte auf Wesentliches fordern, heißt es in den Anforderungen für das Zentralabitur in NRW die Schüler*innen sollen »Merkmale/Aspekte eines Sachverhaltes oder eines Materials detailliert darstellen« (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2011). Die Forderungen nach einer detaillierten Darstellung gegenüber der Reduzierung auf Wesentliches wirft die Vermutung auf, dass die Arbeit mit Operatoren im Geschichtsunterricht eher verwirrend denn erhellend verlaufen kann. Eine dritte Formulierung findet sich in den Epa zum verwandten Operator Schildern, der verlangt, »historische Sachverhalte, Probleme oder Aussagen [zu] erkennen und zutreffend [zu] formulieren« (2005, S. 6). Diese Definition weist zwar eine größere Nähe zum sprachlichen Handlungsmuster Beschreiben auf, wird jedoch durch einen anderen Operator eingefordert. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch beim Operator Erklären. Der Operator bleibt in der Aufschlüsselung der nordrhein-westfälischen Prüfungsanforderungen für das Fach Geschichte ungenannt. Stattdessen finden sich ähnliche Anforderungen, wie die von der Epa festgeschriebenen, in der Definition des Operators Erläutern, der durch den Zusatz »und durch zusätzliche Informationen und Beispiele verdeutlichen« (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2011) ergänzt wird. Erhebliche Parallelen zeigen sich demzufolge zwischen dem Erklären im Deutsch- und dem Erläutern im Geschichtsunterricht. Kritik an den Operatoren Operatoren verlangen von Lernenden komplexe kognitive, fachliche und fachsprachliche Leistungen (Bramann/Brauch 2020, S. 129). Die Betrachtung der Operatoren zeigt jedoch erhebliche Leerstellen in der bisherigen Profilierung und Ausschärfung der handlungsinitiierenden Verben für das historische Lernen. Zunächst wird deutlich, dass die Anforderungen der Operatoren weder vollkommen einheitlich – wie die unterschiedlichen Definitionen auf Landesund Bundesebene zeigen – noch klar umrissen sind. Es handelt sich, wie Günther/Altun (2015, S. 2f) kritisieren, nicht um eindeutige und explizite Hand-

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lungsanweisungen. Zum Teil kommt es zu Überschneidungen sprachlicher Handlungen (z. B. von Deuten bzw. Begründen und Erklären in den Fächern Politik und Geschichte), an anderer Stelle ist die Definition an sich einer anderen sprachlichen Handlung als der durch den Operator geforderten (z. B. Zusammenfassen statt Beschreiben in Geschichte) zuzuordnen. Die Spannbreite der inhaltlichen Lösungsformate kann je nach Auslegung eines Operators also zwischen einer Zusammenfassung, einer Reproduktion oder einer eigenständigen Darstellung eines Sachverhalts variieren. Darüber hinaus zeigt sich beim Vergleich zwischen den Fächern ein heterogenes Bild. Unter dem oberflächlich gleichen Operator werden zuweilen vollkommen unterschiedliche Teilanforderungen summiert. Schüler*innen, die kompetent im Umgang mit einem Operator im Deutschunterricht sind, können im Sachfachunterricht ggf. ins Straucheln geraten, wenn ihnen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Anforderungen, die Aufgaben an sie stellen, nicht geläufig sind. Zur Bearbeitung und Bewertung operatorengestützter Aufgaben müssen Schüler*innen sowie Lehrkräfte eindeutig auf die Anforderungen, die sprachlich, fachlich und fachsprachlich an den Operator geknüpft sind, schließen können (Altun/Günther 2015, S. 3). Noch grundlegender als die Kritik an der Diffusität der Operatoren ist die Frage, inwiefern Schüler*innen überhaupt in der Lage sind, alle 32 Operatoren und ihre Anforderung zu kennen. Durch die Fülle handlungsinitiierender Verben, die in Aufgaben verwendet werden, könne ihre Signalwirkung beeinträchtigt werden, vermuten Schönemann/Thünemann/Zülsdorf-Kersting (2011, S. 17). Zudem sei die Zuordnung zu den Anforderungsbereichen und die Systematisierung in spezifische und übergeordnete Operatoren wenig sinnvoll. Betrachtet man beispielsweise verschiedene Beschreibe-Aufgaben und die daran gekoppelten Lösungserwartungen ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie gemessen an Komplexität und geforderten Fähigkeiten und Fertigkeiten bisweilen sowohl dem ersten Anforderungsbereich als auch dem zweiten und dritten Anforderungsbereich zuzuordnen sein könnten. So bringen nicht nur Schüler*innen »unterschiedliche Assoziationen in Bezug auf die Bedeutung« von Operatoren in den Unterricht ein, sondern »auch auf Lehrerseite [existieren] individuelle Vorstellungen« über die Anforderungen, die an einen Operator geknüpft sind (Kiliç 2019, S. 43). Aus dieser Kritik ergeben sich drei zentrale Herausforderungen beim Einsatz von Operatoren in Lern- und Leistungsaufgaben im Geschichtsunterricht: Erstens verlangen die Operatoren sprachliche und fachliche Handlungen, die den Schüler*innen kaum (und den Lehrkräften womöglich ebenso wenig) transparent sein dürften; zweitens werden die Operatoren fachimmanent – und das gilt in besonderer Weise für den Gesellschaftslehreunterricht, in dem Anforderungen der Fächer Geschichte, Politik und Geographie aufeinandertreffen – unter-

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schiedlich verwendet, zum Teil sogar durch ungleiche Definitionen bestimmt; drittens kommt es zu fächerübergreifenden Bedeutungsveränderungen der Operatoren, die den Aufbau fächerübergreifender Konzepte behindern können. Besonders für sprachschwache Schüler*innen erwachsen daraus hohe Verständnishürden.

2.2.3 Definition der Sprachhandlungen aus fachdidaktischer Perspektive 2.2.3.1 Das Historische Sachurteil Lassen sich die sprachlichen Bedingungen der Handlungen und Muster durch die funktionale Pragmatik plausibel nachvollziehen und begründen, bleibt die geschichtsdidaktische Auseinandersetzung mit Operatoren weitestgehend auf Aufgabensettings beschränkt. Wie können die Grundlagen und Bedingungen der sprachlichen Handlungen für den Geschichtsunterricht dennoch plausibel herausgearbeitet werden? Angelehnt an die funktional-pragmatischen Überlegungen des ersten Teils dieser Arbeit bietet sich der Blick auf das »große Ganze« an. Statt einer direkten Hinwendung zu den sprachlichen Handlungen sollen deshalb zunächst die Anforderungen der Textsorte, in die Beschreibung und Erklärung im Geschichtsunterricht eingebettet sind, charakterisiert werden: Das Historische Sachurteil. Praxisbezogene Überlegungen Das Historische Sachurteil stellt den Kerngegenstand des Geschichtsunterrichts in Nordrhein-Westfalen in der Sekundarstufe I dar. Wenngleich eine explizite Nennung der Textsorte ausbleibt, fordert der Kernlehrplan Gesellschaftslehre aus dem Jahr 2011 in allen vier Kompetenzbereichen Teilkompetenzen, die die Sachurteilsbildung bedingen. Im Bereich der Sach- und Methodenkompetenz manifestiert sich die Sachurteilsbildung beispielsweise durch »die Darstellung von Geschichte als durch Quellen gestützte Deutung« in sprachlich angemessener Weise und »unter Verwendung relevanter Fachbegriffe«. Ein besonderer Fokus auf der Urteilsbildung liegt, wie anzunehmen, im Bereich der Urteilskompetenz. Im Kernlehrplan Gesellschaftslehre werden das »selbstständig[e], begründet[e], auf Kriterien und Kategorien gestützt[e], reflektierend[e] Beurteilen«, das Einnehmen eines eigenen Standpunkts sowie das argumentative Abwägen von Argumenten im Diskurs als wesentliche Teilaspekte der Urteilskompetenz betrachtet (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2011, S. 14). Die offene Formulierung ist der Ausrichtung auf den Fächerverbund aus Geschichte, Geografie und Politik geschuldet. Der Kernlehrplan für das Fach Geschichte an Gymnasien umreißt die Urteilskompetenz spezifischer als »Be-

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fähigung zum Formulieren und argumentativen Vertreten von Sachurteilen und Werturteilen« unter »Identifizierung und Einnahme unterschiedlicher Perspektiven« (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2019, S. 15). Theoretische Herleitung Auch in geschichtsdidaktischen Modellen liegt zuweilen ein Fokus auf der Urteilsbildung, Zülsdorf-Kersting (2016, S. 197) bezeichnet den Prozess sogar als »Herzstück des Faches Geschichte«. Im Modell von Bernhardt/Gautschi/ Meyer findet sich die Sachurteilsbildung im Zentrum der Interpretationskompetenz. Durch Analyse, Deutung und Interpretation werden Schüler*innen in diesem Modell zur Darstellung von Sachurteilen befähigt (2011, S. 9f). Pandel (2013) und die Fuer-Gruppe um Waltraud Schreiber (Vgl. Schreiber 2008) fokussieren sich auf die Narration als wesentliche Darstellungsform des Geschichtsunterrichts und beziehen die Sachurteilsbildung nur rudimentär ein, weshalb auch der Begriff der Urteilskompetenz nicht gebraucht wird. Im Kernlehrplan gewinnt die Urteilsbildung im Rahmen der Handlungskompetenz an Bedeutung, die Schüler*innen zum Vertreten eigener Urteile im (schul-)öffentlichen Raum anregt. Somit ist die Fähigkeit, Sachurteile zu fällen, allgegenwärtig. Durch die Anbahnung der Urteilskompetenz sollen Schüler*innen zum Beurteilen grundlegender fachbezogener Sachverhalte angeleitet werden. Aus der Betrachtung des Kernlehrplans geht hervor, dass es sich bei der Ausbildung von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Urteilsbildung um ein zentrales Anliegen des Geschichtsunterrichts handelt (Becker 2010, S. 131). Doch was ist ein historisches Urteil konkret und welche Charakteristika sind der Textsorte Historisches Sachurteil zuzuschreiben? Historisches Urteilen kann einleitend verstanden werden »als Denkoperation oder Kommunikation [..], bei der Menschen historische Sachverhalte, Handlungen und Strukturen deuten oder mit Sinn versehen und Bewertungen vornehmen« (Dzubil/Giesing 2014, S. 702f). Historische Ereignisse und Phänomene werden im Prozess der Sachurteilsbildung kontextualisiert, in Beziehung zu anderen Sachverhalten gesetzt und gedeutet (Winklhöfer 2021, S. 17). Es handelt sich somit um eine komplexe Tätigkeit, die darstellende (Benennen, Beschreiben), erläuternde und deutende (Erklären, Argumentieren, Deuten, Erläutern) sowie bewertende (Stellung nehmen, Bewerten, Beurteilen) und narrative fachsprachliche Handlungen fordert. Das Sachurteil als Textsorte Das Historische Sachurteil, als basale, dem Werturteil vorausgehende Komponente der Urteilsbildung, wird als eine »rational-begründete Stellungnahme zu einer historischen Fragestellung« (Becker 2010, S. 132) bezeichnet. Ausgehend von einem historischen Gegenstand werden unter einer gezielten Fragestellung

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Theoretische Grundlagen

»dessen Bedingtheiten, vorhandene Vorausurteile und zugehörige leitende Wertbegriffe reflektiert« (Kayser/Hagemann 2010, S. 16) sowie mit der Fragestellung verknüpfte Sachverhalte, Prozesse und Ereignisse auf Ursachen, beispielsweise »soziale, politische und mentale Strukturen, […] Beziehungsgeflechte, [… und] Figurationen« (Conrad 2011, S. 2) zurückgeführt. Coffin (2006, S. 47, 67) verortet solche erklärenden Texte (explaining genres) als typische Form der Textsorten im Geschichtsunterricht der Jahrgangsstufen Neun bis Zehn und hebt ihre Bedeutung für das fachliche Lernen neben Narrationen (recording genres) und Argumentationen (arguing genres) hervor. Im Fachunterricht stoßen typischerweise Warum-Fragen den Prozess der Sachurteilsbildung an. Dabei unterscheidet sich die historische Sachurteilsbildung von erörternden Schreibprozessen im Deutschunterricht, denn nicht Meinungsstreit, Kommunikationssituationen oder literarische Wertungen stehen im Zentrum, sondern »die Frage, ob sich Aussagen mit den empirischen Triftigkeiten vereinbaren lassen« (Pandel 2009, S. 63). Unter der von Pandel benannten Triftigkeit werden der Wahrheitsgehalt und der Geltungsanspruch historischer Sach- und Werturteile verstanden. Rüsen unterscheidet zwischen vier Ebenen: der empirischen, theoretischen, normativen und narrativen Triftigkeit. Die empirische Triftigkeit bezieht sich insbesondere auf den Wahrheitsanspruch historischer Sinnbildungen: »Empirisch triftig sind Geschichten, wenn die in ihnen behaupteten Tatsachen durch Erfahrungen gesichert sind« (Rüsen 1983, S. 82; 2013, S. 57f). Die historischen »Fakten« müssen nicht nur durch Quellenbelege nachzuvollziehen sein, sondern auch durch wissenschaftliche Theorien und Kategorien gestützt werden können, sodass sie theoretische Plausibilität gewinnen. Zu den historischen, wissenschaftlichen Einsichten treten Normen hinzu, die der Urheber (nicht Erzähler wie bei Rüsen, denn die Triftigkeiten sollen ihren Geltungsanspruch auch und vor allem in nicht-narrativen Texten einlösen) hinzuzieht, um zu einem Sach- oder Werturteil zu gelangen. Normativ triftig sind demzufolge die Texte, in denen Behauptungen »durch geltende Normen gesichert sind« (Rüsen 1983, S. 83). Als viertes Kriterium führt Rüsen die narrative Triftigkeit an, die den Aspekt der Sinnbildung in besonderer Weise fokussiert. Ein historisches Sachurteil muss, schriftlich fixiert als diskursive Textsorte, ebenfalls den Anforderungen der Triftigkeit entsprechen. Dies bedeutet nicht nur, dass die Textsorte im Sinne empirischer Triftigkeit fachlich richtig und angemessen den Forschungsstand bzw. die Ergebnisse der Quellenanalyse wiedergeben muss, sondern auch, dass im Hinblick auf normative Triftigkeit gesellschaftlich verankerte Wertevorstellungen in den Prozess der Urteilsbildung einbezogen werden. Darüber hinaus erfordert ein triftiges historisches Sachurteil eine logische fachsprachliche Darstellung der Zusammenhänge und somit die Herstellung narrativer Triftigkeit (Kühberger 2009; Conrad 2011; Winklhöfer 2021).

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Tatsächlich lassen sich auf den ersten Blick fast keine fachspezifischen Textsorten ausmachen. Stattdessen werden im Geschichtsunterricht etablierte Formen behandelt, die typisch für den Bereich der Wissenschaft im Allgemeinen sind, wie beispielsweise Fachaufsätze, Kommentare oder Ausschnitte aus Monografien. Das Historische Sachurteil ist dementsprechend eine konstruierte Textsorte, die den zuvor skizzierten Prozess der Urteilsbildung an ein spezifisches Textformat knüpft. Die Textsorte umfasst die Analyse und Deutung eines historischen Sachverhaltes in sprachlich angemessener Form, die Problematisierung und Prüfung von Sachzusammenhängen sowie die Verknüpfung des dargestellten Ereignisses mit Erkenntnissen und Einsichten zu dem jeweiligen Erklärungszusammenhang (Vgl. Hartung 2015, S. 53f; 2016, S. 190ff). Das Historische Sachurteil wird in einem Dreischritt aus Historischer Einordung, Analyse und Schlussfolgerung umgesetzt. Wie Bernhardt/Conrad erläutern, liegen den einzelnen Abschnitten »epistemische Funktionen zugrunde, denen sprachliche Handlungsmuster zugeordnet sind« (2018, S. 6). Die entsprechenden Handlungsmuster fordern von den Schüler*innen beispielsweise das Positionieren und Vertreten eines Standpunktes, das Aufstellen von Hypothesen, Anführen von Gründen und die Vermittlung von Erkenntnissen. Die Sprachhandlungen des Beschreibens und Erklärens werden in der Einleitung, im Hauptteil und im Schlussteil des Historischen Sachurteils vollzogen. Das Historische Sachurteil verlangt von den Schüler*innen die Verwendung entsprechender sprachlicher Mittel in spezieller, nämlich fachspezifischer Art und Weise, um die intendierten sprachlichen Handlungen und somit die Textsorte zu realisieren (Bernhardt/Conrad 2018, S. 6). Historisches Sprachliche Fachlich-kognitive Sachurteil Handlungsmuster Handlungsebene z.B. z.B. Einleitung Behaupten Einleitungssatz Beschreiben

Problem darlegen

Erklären

Positionierung

Folgern

Gründe angeben

Hauptteil

Schluss

Begründen Urteilen

Ebene sprachlicher Mittel (z. B.) z.B. historisch richtige Zeitform historisch sinnhafte Verknüpfungen Verwendung des Konjunktivs Verwendung unpersönlicher Formen

Fachwortgebrauch

Tabelle 3: Sprachliche Handlungsmuster und sprachliche Mittel in der Textsorte Historisches Sachurteil

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Theoretische Grundlagen

Trotz seiner immensen Bedeutung für den Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht ist die sprachliche Seite der Urteilskompetenz von Schüler*innen kaum untersucht. Aus diesem Grund sind nur wenige Rückschlüsse auf die eigenständige mündliche oder schriftliche Urteilsbildung möglich (Michler/ Mägdefrau/Jonas et al. 2014, S. 66). Verwiesen sei an dieser Stelle erneut auf die Entwicklung historischer Kompetenzen (Vgl. Borries 2002), deren basale Stufe die Wahrnehmung von Geschichte als Abbild einer vergangenen Wirklichkeit repräsentiert. Erst mit wachsenden historischen Denk- und Lernfähigkeiten sind Schüler*innen in der Lage, die Perspektivgebundenheit und den Konstruktionscharakter von Geschichte zu begreifen. Wenig verwunderlich scheint aus diesem Grund, dass die Sachurteilsbildung im Anfangsstadium durch »EbenWeil«-Antworten geprägt ist, in denen Schüler*innen Ereignisse ohne logische Zusammenhänge darstellen (Conrad 2011, S. 4). 2.2.3.2 Beschreiben Grundlegende Überlegungen Die Beschreibung stellt eine der grundlegenden Darstellungsformen des Geschichtsunterrichts dar. So betrachtet Oleschko das Beschreiben als zentrale Sprachhandlung für informierend-erklärendes Schreiben (2015, S. 94), die als Basis für weitere fachsprachliche Handlungsprozesse (z. B. Erklärungen, Begründungen) vollzogen werden muss. Handro ordnet die fachsprachliche Handlung des Beschreibens neben dem Benennen dem jeismann’schen Schritt der Analyse zu (2013, S. 323). Im Zusammenhang mit den bereits angestoßenen Überlegungen zum Narrativitätsparadigma sei zudem angeführt, dass die Beschreibung als spezifizierende Sprachhandlung innerhalb einer Erzählung verstanden werden kann. Es besteht somit eine enge Verbindung von Erzählung und Beschreibung, doch keineswegs wird die Beschreibung als narratives Element an sich betrachtet. Vielmehr können Beschreibungen nach ihrem Vollzug im Textoder Diskursverlauf zu Sachverhalten (und somit wiederum zum genuinen Teil einer Narration) werden (Stempel 1973, S. 335). Als Gegenstand einer Beschreibung können im Geschichtsunterricht historische Zustände und Strukturen ausgemacht werden. Der Begriff Strukturen bezieht sich in diesem Fall nicht auf gesellschaftliche Strukturen oder die Strukturform einer spezifischen Darstellung (z. B. Tabelle oder Grafik), sondern beispielsweise auf Bilder, Objekte oder Textinhalte, die dargestellt und wiedergegeben werden (Hinrichs 2010, S. 225). Je nach Gegenstand und Ausrichtung einer Beschreibung handelt es sich nicht um eine lediglich reproduktive Sprachhandlung, vielmehr können durch die Aufforderung zum Beschreiben auch reorganisierende Leistungen des AFB II gefordert werden. Trotz der basalen Funktion einer Beschreibung stellt sie

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komplexe Anforderungen an Schüler*innen. Bei wahrnehmungsbasierten Beschreibungen, die als Bildbeschreibungen häufig im Geschichtsunterricht eingefordert werden, müssen Schüler*innen lediglich subjektive Wahrnehmungen weitergeben, wohingegen wissensbasierte Beschreibungen die Realisierung erklärender und argumentativer Teilhandlungen und die Ergänzung von Wissensstrukturen, die außerhalb des gegenwärtigen Wahrnehmungsraums liegen, einfordern (Oleschko/Schmitz 2016, S. 221). Auf Grund der Vielfalt von Beschreibungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht – genannt seien nur Schaubild- und Bildbeschreibungen4, die Beschreibungen verschiedener statischer Sachverhalte wie Gesellschaftsaufbau und politischer Systeme, Textaussagen, usw. – ist die sprachliche Handlung nur schwer zu fassen und kaum ein eindeutiger Prototyp abzubilden. Spezifika der Sprachhandlung Wie auch in der funktional-pragmatischen Definition der Sprachhandlung geben fachdidaktische Publikationen jedoch die Aspekte der Genauigkeit und angestrebten Sachlichkeit sowie den Zweck der Informationsweitergabe als Merkmale einer Beschreibung an (Oleschko/Schmitz 2016, S. 223). Neben dem Aspekt der Genauigkeit fordern historische Beschreibungen ein hohes Maß an Abstraktion. Stets soll der Versuch unternommen werden, eine Beschreibung möglichst sachlich und »richtig« anzufertigen (Hinrichs 2010, S. 225). Im Gegensatz zu den Beschreibungen anderer Fächer (z. B. der Beschreibung eines Versuchsaufbaus im Fach Physik oder einer Wegbeschreibung im Deutschunterricht) ist bei historischen Beschreibungen häufig kein fester Rahmen vorgegeben. Reihenfolge und Anknüpfungspunkte müssen vom Produzenten selbst ausgewählt werden. Auch die Vollständigkeit einer Beschreibung muss vom Verfasser selbst bestimmt werden, können beispielsweise bei einem historischen Sachverhalt Folgen in einer unterschiedlichen zeitlichen Rahmung aufgezeigt werden. Umso wichtiger ist es, die Beschreibung in Abhängigkeit vom Vorwissen des Rezipienten zu gestalten und den Verwendungszusammenhang und das Erkenntnisinteresse des Gegenübers einzubeziehen (Hinrichs 2010, S. 226). Beurteilung von Beschreibungen In seiner Studie zur domänenspezifischen Sprachdiagnostik stellt Oleschko acht Kategorien vor, mit denen die fachsprachliche Qualität einer Beschreibung gemessen werden kann. Neben einer Überschrift und Eröffnungsprozedur am 4 Besonders in der Kunstgeschichte hat die Beschreibung von Bildern eine lange Tradition und wird als Erkenntnismethode genutzt, vgl. z. B. Boehm, Gottfried/Pfotenhauer, Helmut (Hrsg.): Beschreibungskunst – Kunstbeschreibung. Ekphrasis von der Antike bis zur Gegenwart, München 1995.

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Theoretische Grundlagen

Anfang der Beschreibung führt die Studie die Kategorien der Themenentfaltung und Nominalphrasen sowie der Konnektoren, Verben und der finalen Schließungsprozedur an. Alle Kategorien erreichten Kappa-Werte zwischen .91 und 1.00 (2015, S. 98). Die Korrelation ausgewählter Merkmale (Konnektoren, Verben, Schließungsprozedur) mit der Themenentfaltung zeigt statistisch signifikante Zusammenhänge (r = .420** - .429**). Die Ergebnisse weisen auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen historischem Lernen und Sprachfähigkeit hin und charakterisieren zudem grundlegende fachsprachliche Bestandteile der Sprachhandlung Beschreiben im Geschichtsunterricht (Oleschko 2015, S. 102f). Veel/Coffin (1996, S. 203f, auch Coffin 2006, S. 26), die sprachliche Besonderheiten historischer Textsorten untersuchen, stellen die Temporalität zur Organisation von Ereignissen in zeitlichen Strukturen als weiteres Merkmal historischer Texte heraus. Darüber hinaus verweisen sie auf »cause-and-effectlinks«, also kausale Marker, aber auch unerwartete Marker wie »aber« als Verknüpfungswörter. Die sprachlichen Mittel sind nicht explizit für das historische Beschreiben dargelegt, lassen sich jedoch auch zu den Charakteristika der Sprachhandlung zählen. Hinweise zur Entwicklung eines Messmodells Als fachspezifische Kategorien der Beschreibung von Textaussagen werden in dieser Arbeit somit auf textstruktureller Ebene der Einleitungssatz, die vollständige Schilderung der in der Textgrundlage enthaltenen Theorien bzw. Positionen sowie der Problemstellung und das Schließen durch ein beschreibendes Fazit betrachtet. Zur Herstellung der Textkohärenz werden kausale, finale und konsekutive Bezüge gewertet. Ebenso werden sprachliche Mittel zur Abgrenzung von Positionen und Argumenten (z. B. durch Konjunktionen wie »aber« oder Präpositionen wie »auf der einen/anderen Seite«) betrachtet. Darüber hinaus stehen die Verwendung der angemessenen Zeitform (zeitloses Präsens als Zeitform der sprachlichen Handlung; abgelöst durch Perfekt/Präteritum zur Markierung »vorzeitlicher« Ereignisse) und des Konjunktivs als Mittel zur Distanznahme und zum Aufstellen von Hypothesen im Zentrum der Betrachtung. Auch graduierende Formulierungen, mit denen eine abwägende Haltung eingenommen werden kann, werden als fachsprachliche Mittel untersucht.

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2.2.3.3 Erklären Erklären und Verstehen Die Beschäftigung mit der Frage, was unter einer Erklärung zu verstehen ist, ist in der Geschichtswissenschaft und -didaktik Gegenstand einer langjährigen Debatte, die ihren Höhepunkt in den 70er Jahren gefunden hat. Schwerpunkt des sich intensivierenden Forschungsdiskurses war die Abgrenzung von Verstehen und Erklären (Vgl. dazu Faber 1972) als grundlegende Methode des Faches. Muhlack (1998) beschreibt, dass die zentralen Überlegungen dazu auf Droysen zurückzuführen sind, der die Selbstständigkeit der Disziplin und damit einhergehend, die fundierte Abgrenzung zu anderen Wissenschaften, vorantreiben wollte. Zur Herausarbeitung der Spezifik der Geschichtswissenschaft hat er den in der philologischen Hermeneutik verwurzelten Begriff des »Verstehens« und den naturwissenschaftlich geprägten Begriff des »Erklärens« herangezogen (Muhlack 1998, S. 110ff). Als Konsequenz der Trennung wurde die Untersuchung kausaler Zusammenhänge zunächst aus dem Forschungsfeld der Historiker verdrängt. In der Weiterentwicklung der Begriffe, z. B. durch Friedrich Meinecke und Max Weber bleibt der Dualismus aufrechterhalten, wenngleich das Erklären zur kausalen Herleitung von Sachverhalten neuerlich als Erkenntnisweise der Disziplin verstanden wird (Vgl. Muhlack 1998, S. 116). Werner Conze und Theodor Schieder, die sich intensiv strukturgeschichtlichen Zusammenhängen zuwandten, nutzten erklärende Zugangsweisen schließlich, um strukturelle und kollektive Sachzusammenhänge zu verdeutlichen (Vgl. Welskopp 1998, S. 146f). Dauerhaft ergab sich aus der Trennung der Begriffe somit kein System, dass die historische Forschung ausreichend abbilden konnte. Auch Erklärungen wurden als »Ursachenanalysen, die ohne Identifikation mit dem Gegenstand auskommen« (Welskopp 1998, S. 134), in die historische Methode eingeschlossen. Dem Verstehen wurde nun die Funktion zugeschrieben, die Aspekte der Geschichte nachvollziehbar zu machen, die nicht durch kausallogische Erklärungen hergeleitet werden können (Muhlack 1998, S. 123f). Während das Verstehen in diesem Diskurs also eine gegenwartsgebundene, subjektive Annäherung an Geschichte beschreibt, wird beim Erklären der Versuch unternommen, die Subjektivität zu überwinden und sich objektiv überprüfbaren Faktoren historischen Wandels zuzuwenden. Der Zugang des Verstehens, ein Sich-Hineinversetzen und Übersetzen kultureller Andersartigkeit aus dem zeitgenössischen in den gegenwärtigen Horizont, wird beim Erklären einem zeit- und standortgebundenen Beschreiben von Bedingungen und Umständen menschlichen Handelns gegenübergestellt. Durch ihre komplementäre Annäherung an historische Sachverhalte sind Erklären und Verstehen untrennbar miteinander verknüpft und bilden die wesentlichen Methoden historischer Erkenntnis (Handro 2015b, S. 38f; Mayer 2009, S. 195).

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Neben interpretativen und narrativen zählen erörternd-argumentative Sprachhandlungen zu den wesentlichen Elementen der Beschäftigung mit der Vergangenheit und der Generierung historischen Wissens (Pandel 2009, S. 62). Die Erklärung dient deshalb nicht nur im Rahmen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Geschichte, sondern auch beim schulischen Lernen als »Verfahren, um alle Aspekte und Implikationen einer Theorie, einer These, eines Problems auszuloten, um die Geltungsansprüche (Angemessenheit, Stichhaltigkeit, Praktikabilität etc.) von Thesen, Aussagen, Wertungen festzustellen und zu prüfen« (Pandel 2009, S. 62). Erklärungstypen in der Geschichte Die deduktiv-nomologische Erklärung entsprechend des von Hempel/Oppenheim (1948) entwickelten Schemas galt und gilt in diesem Zusammenhang als einzig wissenschaftliche und rationale Erklärungsart und warf die Fragen, auf welche Art und Weise historische Erklärungen konstruiert werden und wie sie ihre wissenschaftliche Bedeutung behaupten können, umso drängender auf. Neben deutschsprachigen Publikationen zum Erklären hat das Feld der explanation im englischen Sprachraum an Gewicht gewonnen. Auch in diesen Zugängen steht allerdings nicht die Didaktisierung im Vordergrund; stattdessen behandeln die Publikationen die Herleitung von Gründen für spezifische Sachverhalte und deren Einbettung in narrative Texte (z. B. Burston 1954; Byrant 1994; Wisdom 1976; Atkinson 1971). Wie bereits angedeutet, finden sich deduktiv-nomologische Erklärungen nur selten in geschichtswissenschaftlichen Texten. Sofern auf Gesetzmäßigkeiten zur Erklärung historischer Sachverhalte zurückgegriffen wird, handelt es sich meist um spezifische, statische Ereignisse und nicht um Zeitverläufe oder Ereignisketten. Die Gesetzmäßigkeiten, die in diesem Fall zur Erklärung herangezogen werden, fallen in den Zuständigkeitsbereich anderer Wissenschaften, beispielsweise der Geografie, Naturwissenschaft oder Soziologie (Rüsen 1997b, S. 166). Dennoch müssen für historische Erklärungen eben solche Bedingungen gelten, wie für jede andere wissenschaftliche Erklärung (Vgl. Heil 1988, S. 46). Um historische Erklärungen zu klassifizieren, wird also ein anderes Schema benötigt. Da auch induktiv-statistische Erklärungen nicht den Kern geschichtswissenschaftlicher Erklärungen treffen, soll an dieser Stelle zunächst das intentionale (bzw. hermeneutische oder motivationale) Erklären betrachtet werden. Dieses Schema führt menschliches Handeln auf die Beweggründe und Absichten der Handelnden zurück und erlaubt schlüssige Erklärungen, ohne dass allgemeine oder statistische Gesetzmäßigkeiten herangezogen werden müssen. Vergleichbar ist das intentionale Erklären also mit der bereits skizzierten Erkenntnismethode des Verstehens (Vgl. Muhlack 1998), Parallelen bestehen jedoch auch zum Typus der dispositionellen Erklärung, die von Hempel (1977, S. 183) definiert

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wird. Das Explanandum, zuvor der Sachverhalt an sich, wird in eine Handlung, die ein Subjekt ausführt, transformiert. Die Gesetzmäßigkeit wird ersetzt durch die vorangegangenen Handlungsschritte: Das Subjekt will in einer Handlungssituation ein spezifisches Ziel erreichen; dies gelingt nur durch den Vollzug der Handlung (Explanans). Die Gesetzmäßigkeit der deduktiv-nomologischen Erklärung wird in diesem Schema also durch eine »subjektive ›Sinn‹-Vorstellung« ersetzt (Rüsen 1997b, S. 166f; Gessmann 2009, S. 206f; Jacott/López-Manjón/ Carretero 1998). Chapman (2016, S. 2) differenziert den Typus weiter in empathische Erklärungen (empathetic explanations), die darauf Bezug nehmen, wie Zeitgenoss*innen ihre Welt verstanden, was ihre Absichten waren und wie sie handelten, um diese umzusetzen und kausale Erklärungen (causal explanations), die auch unintendierte Folgen von menschlichen oder nicht-menschlichen Akteuren in den Blick nimmt. Bei kritischer Auseinandersetzung mit dem Schema intentionaler Erklärungen stellt sich nicht nur Chapman die Frage, ob und inwiefern historische Sachverhalte und Entwicklungen eben da fachspezifisch sind, wo sie nicht als unmittelbare Folge subjektiver, expliziter und gezielter Beweggründe erläutert werden können (Vgl. dazu Lübbe 1977, 1979). Es muss demzufolge weitere Schemata geben, die auf historische Erklärungen angewandt werden können, ohne Gesetzmäßigkeiten oder Absichten ins Feld zu führen. Ein solches Schema ist das narrative Erklären, das die Narration selbst als Erklärungsform betrachtet. Das Explanandum wird in diesem Schema in die Annahme einer zeitlichen Veränderung, »also die Tatsache das [der Sachverhalt] in einer früheren Zeit [..] andere Eigenschaften [..] hatte, als in einer späteren Zeit« (Rüsen 1997b, S. 167), überführt. Als Explanans wird die historische Erzählung der Ereignisse zwischen den beiden Zeitpunkten herangezogen; der Sachverhalt der Veränderung wird nunmehr durch den Vorgang der Veränderung erklärt. Rüsen setzt das Explanans in diesem Zusammenhang mit historischen Theorien gleich, die die Struktur plausibler, narrativer Konstrukte aufweisen (1997b, S. 168). Ruck/Memminger (2019, S. 146) stellen in Anschluss an Rüsen heraus, dass das Erklären in diesem Typus »gewissermaßen im Erzählen aufgegangen« sei. Die einen zeitlichen Verlauf beschreibenden, narrativen Erklärungen unterscheiden sich von den Erklärungstypen anderer Wissenschaften nur insofern, als dass die narrativen bzw. beschreibenden Passagen nicht weiter ausgeführt und erklärt werden. Ein solcher Explanans innerhalb einer historischen Erklärung nimmt den Platz wissenschaftlicher Gesetzte ein. Fehlt eine solche Struktur, und so schließt sich der Kreis wiederum hin zum Paradigma der Narrativität, liegt keine Erklärung, sondern eine historische Erzählung vor (Heil 1988, S. 48). Im Hinblick auf die von Hempel (1977, S. 172) skizzierten Erklärungstypen weist die narrative Erklärung erhebliche Überschneidungen zur genetischen Erklärung auf, die ebenfalls aufeinanderfolgende Entwicklungsstufen als Explanans heranzieht.

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Als fachspezifischen Typus der Umsetzung verschiedener Erklärungsformen heben Ruck/Memminger schließlich das instruktionale Erklären hervor. Diese Form der Erklärung sei »als weitgehend monologischer Kommunikationsprozess auf die Initiierung eines Verstehensprozesses bei seinen Adressat*innen« angelegt (2019, S. 147). Realisiert werden instruktionale Erklärungen somit hauptsächlich von der Lehrkraft. Merkmale einer gelungenen instruktionalen Erklärungen, die Ruck/Memminger in ihrer Studie herausarbeiten, sind vor allem musterbewusste Begründungsweisen und die nachvollziehbare Strukturierung der Sprachhandlung (2019, S. 165). Fachliche Entwicklungsmodelle von Kausalerklärungen Das Verfassen bildungs- bzw. fachsprachlicher Erklärungen stellt Schüler*innen vor erhebliche Herausforderungen, weshalb es wenig überraschend ist, dass nicht alle im gleichen Maße über die Zugänge zum Erklären verfügen, wie SchmölzerEibinger/Fanta (2014) konstatieren. Kausales Schreiben stelle Lernende deshalb vor Herausforderungen, weil »fachliche und sprachliche Wissensbestände miteinander verbunden werden müssen«, stellen Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 141) heraus. Nach Chapman (2016, S. 4f) gestaltet sich insbesondere der Einbezug verschiedener Gründe in kausale Erklärungen als herausfordernd. Schüler*innen würden Gründe vielfach wie eigenständige Sachverhalte, nicht wie Zusammenhänge zwischen historischen Ereignissen betrachten und sie zudem in einem unilinearen, mechanischen und kumulativen Zusammenhang darstellen. Somit begreifen sie historische Sachverhalte als unweigerliche und alternativlose Folgen der von ihnen bestimmten Ursachen oder aber als reinen Zufall (Vgl. Ruck/Memminger 2019). Darüber hinaus würden Lernende Institutionen häufig personalisieren, d. h. ihnen Intentionen und Einstellungen von Individuen zuschreiben, ohne systemische, gesellschaftliche bzw. institutionelle Einflussfaktoren zu betrachten. Kinder der unteren Klassen seien durch die zuweilen vielfältig angeführt und beleuchteten Gründe in Erklärungen überfordert, ebenso wie durch die strukturellen Bedingungen, die kausale Erklärungen in Produktion und Rezeption an sie stellen, folgert von Borries (2002, S. 112ff, S. 119). Brauch/Mierwald (2015, S. 220f) verweisen darauf, dass es Lernenden besonders schwer falle, beim Verfassen argumentativer Texte die eigene Position herauszuarbeiten, Gegenargumente einzubeziehen und eine sinnvolle Gegenüberstellung von Argumenten vorzunehmen. Auch auf sprachlicher Ebene seien erklärende Texte für Lernende herausfordernd, wie Chapman (2016, S. 6) festhält. Neben dem Gebrauch von abstrakten Nomen und Verben, die Rollen, Strukturen, Prozesse und Handlungen abbilden, stellen zeitliche Darstellungen, Ursache-Wirkungs-Verknüpfungen und Formulierungen zur Gewichtung von Gründen Hürden beim Verfassen fachlicher Erklärungen dar. Dennoch könnten Schüler*innen durch konkrete fachsprachliche Hilfestellungen beim Verfassen

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von Texten, die kausale Darstellungen implizieren, unterstützt werden (Brauch/ Heine/Bramann 2020, S. 142). Schüler*innen in unterschiedlichen Jahrgangsstufen aber auch innerhalb einer Klasse weisen allerdings sehr heterogene Lernstände und kognitive Voraussetzungen, beispielsweise im Hinblick auf Intelligenz und Wissen, aber auch auf Arbeitstempo, Motivation und bereits erworbene Fähigkeiten, auf (Vgl. Borries 2002). Die Entwicklung von Moral- und Selbstbewusstsein sowie die Zunahme an Lebens- und Sozialerfahrung führen zu unterschiedlichen Zugängen und Ausprägungsstufen der Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Historischen Lernen und Denken. Aus diesem Grund gewinnen entwicklungspsychologische Modelle wie Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung (1976) oder das von Lawrence Kohlberg (1996) entwickelte Modell zur Entwicklung des moralischen Urteils für historische Erklärungen im Fachunterricht an Bedeutung. Piaget unterscheidet konkrete und formale Operationen, wobei die formalen Handlungen, die sich unmittelbar auf das Denken beziehen, als besonders relevant für den historischen Erkenntnisprozess erachtet werden können (Vgl. Borries 2011, S. 120). Entscheidend für die Entwicklung einer fachlichen »Erklärfähigkeit« sind das konkret-operationale und formal-operationale Stadium der Entwicklung. Im konkret-operationalen Stadium, dass Kinder im Alter zwischen sieben und zwölf Jahren erreichen, gelangen sie in die Lage, logische Denkprozesse zu durchlaufen. Ihnen gelingt es, »Objekte [..] in zusammenhängende Klassen [zu] gruppieren« und – das ist für das historische Erklären besonders entscheidend – zu verstehen, »dass Ereignisse häufig von mehreren Faktoren und nicht nur von einem beeinflusst werden« (Siegler/Eisenberg/De Loache/Saffran 2016, S. 131). Schlussfolgern über hypothetische Situationen und systematische Denkprozesse bleiben für Individuen, die diese Ebene erreicht haben, jedoch weiterhin schwierig (Siegler/Eisenberg/De Loache/Saffran 2016, S. 128). Alternativen zu bestehenden Systemen können erst Jugendliche und Erwachsene entwickeln, die auf die Stufe formal-operationalen Denkens übergegangen sind. Systematische, aber auch spekulative Denkprozesse ermöglichen ihnen nicht nur, wissenschaftlich-logisch zu denken, sondern auch historische Zusammenhänge zu verstehen. Kritik erfuhr das Modell, da es altersspezifische Entwicklungsfaktoren fokussiere, die individuelle Verfügbarkeit von Wissen und Lernstrategien jedoch außer Acht ließe (Vgl. Klose 2004, S. 49). Erhoben wurde darüber hinaus, dass die Stufe formal-operationalen Denkens nicht von allen Menschen erreicht wird. Anders als Klose entwickelt Borries aus diesem Umstand keine Kritik, sondern konstatiert: »Solange man gut mit ›konkreten Operationen‹ und ohne ›historisches Denken‹ auskommt, wird genauso verfahren« (Borries 2011, S. 121). Kohlberg bestimmt in seinem Modell zur Entwicklung des moralischen Urteils präkonventionelle, konventionelle und post-konventionelle Phasen des

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Denkens. Während Kinder, die sich in der ersten Phase befinden, ihre Urteile vor allem in Bezug auf Autoritäten sowie eigene Interessen und Präferenzen entwickeln, gelingt es Jugendlichen, die das zweite Niveau erreicht haben, einen sozialen Bezugsrahmen für ihre Urteile heranzuziehen. Sie überwinden die Orientierung an ausschließlich eigenen Interessen und berücksichtigen im Zuge der Urteilsbildung Erwartungen sozialer Einheiten, aber auch Gesetzesvorschriften. Das dritte Niveau erreichen, ähnlich wie im Entwicklungsmodell von Piaget, nur wenige Jugendliche und Erwachsene. Sofern Individuen die Phase postkonventionellen Denkens erreichen, sind sie in der Lage, universell geltende Rechte (z. B. Menschenrechte) als Maßstab zur Urteilsbildung heranzuziehen, sich allerdings zugleich reflexiv mit den gesetzten Maßstäben auseinanderzusetzen (Vgl. Becker 2011, S. 22). Hervorzuheben ist, dass alle drei Stufen die Fähigkeit umfassen, vollständig zu Urteilen zu gelangen, wenngleich diese nicht als voll entfaltet gelten können. »Auf historisches Denken übertragen bedeutet dies, dass sowohl Anfänger als auch fortgeschrittene Lerner durchaus zu einem historischen Denken fähig sind, mit dem sie ihr Handeln in der Gesellschaft orientieren können«, resümiert Körber (2007, S. 453). Dagmar Klose (2004, S.75), die die Modelle von Kohlberg und Piaget in einem eigenen Modell der Entwicklung historischen Denkens zusammenführt, kritisiert gerade diesen Umstand, da Lernende bei fehlender Methodenkompetenz lediglich ahistorische Deutungen und Urteile entwickeln könnten. Erst mit dem kognitiv-emotionalen Entwicklungsniveau ändere sich auch das Niveau der Sinnbildung sowie die Strukturierung und Verfügbarkeit des deklarativen und prozeduralen historischen Wissens, so die Geschichtsdidaktikerin (2004, S. 41). Auch Borries (2011, S. 125) folgert, dass Geschichte erst auf höheren Moralstufen reflektiert werden kann: »Wer […] nicht die höheren Niveaus [..] kennt und ausübt, kann den historischen Prozess der letzten Jahrhunderte […] nicht voll begreifen«. Der Geschichtsdidaktiker geht so weit anzunehmen, dass die Entwicklung des moralischen Urteils die Anbahnung von Geschichtsbewusstsein in der Sekundarstufe I weitgehend ausschließt. Wenngleich durchaus angenommen werden kann, dass eine Weiterentwicklung des Geschichtsbewusstseins auch über die Sekundarstufe I weiter vorangetrieben werden kann und soll, so weisen Untersuchungen, die sich spezifisch geschichtsdidaktischen Erklärungsprozessen zugewandt haben, doch darauf hin, dass einige Lernende der Jahrgangsstufen Fünf bis Zehn durchaus in der Lage sind, zu reflektierten historischen Sach- und Werturteilen zu gelangen. Brauch/Heine/Bramann (2020) beziehen das von Körber (2007) entwickelte Niveaustufenmodell der Kompetenzen historischen Denkens auf die sprachlich-konzeptionelle Umsetzung von Erklärungen. Dem basalen, a-konventionellen Niveau werden Lernende zugeteilt, die nicht über »Konzepte, Kategorien, Operationen und Verfahren historischen Denkens« verfügen, »sondern

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stattdessen situativ-eigene, spontan entwickelte und nicht zu Systematiken verbundene [Konzepte] aufweisen« (Körber 2007, S. 459). Die Lernenden scheitern beim Versuch, historische Erklärungen zu formulieren »bereits an der Unkenntnis sprachlicher Konzepte« (Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 149). Schüler*innen, die dem intermediären (d. h. konventionellen Niveau) zuzuordnen sind, gelingt es, die »idealtypischen Ausprägungen der Kategorien und Konzepte« (Körber 2007, S. 458) anzuwenden. Sie sind dementsprechend in der Lage, historische Erklärungen unter der »Nutzung gesellschaftlich vorgegebener Begriffe, Konzepte und Erfahrungen« zu formulieren (Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 149). Erst die Lernenden, die das elaborierte, transkonventionelle Niveau erreicht haben, sind in der Lage, reflektiert und (selbst-)reflexiv mit Geschichte umzugehen und die Konzepte und Kategorien nicht nur anzuwenden, sondern ihre Bedeutung einzuschätzen und sie zu adaptieren, umzuformen und zu kritisieren (Körber 2007, S. 459f). Auch in historischen Erklärungen werden Begriffe, Konzepte und Verfahren dann nicht nur genutzt, sondern auch kritisch reflektiert (Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 149). Der altersspezifischen Entwicklung historischer Kausalerklärungen hat sich Bodo von Borries (2002) in Anlehnung an die Modelle von Lee (1998) und Dickinson (1998) und Lee/Dickinson/Ashby (1997) gewidmet. Deuten die Ergebnisse der Chata-Studie (Lee/Ashby 2000) darauf hin, dass bis zur achten Jahrgangsstufe nur eine Minderheit die wesentlichen Kriterien eines kritischen Umgangs mit Geschichte erfasst, so lässt sich annehmen, dass diese Ergebnisse, bedingt durch den von Sprache geprägten Charakter des Lerngegenstandes, besonders für sprachschwache Lerngruppen zutrifft. Lee/Asbhy (2000, S. 212) stellen in ihrem Modell zu den Vorstellungen von Schüler*innen über historische Darstellungen und ihr Verhältnis zur Vergangenheit heraus, dass Lernende die Geschichte vielfach als gleichbedeutend mit der Vergangenheit betrachten. Als zweite Ebene der Schüler*innenvorstellung differenzieren sie die Betrachtung der Vergangenheit als unzugänglich, erst auf der dritten Ebene wird deutlich, dass Geschichte(n) durch die zur Verfügung stehenden Informationen bedingt werden. Diese Ebene erreichen, folgt man Drie/Boxtel (2008, S. 97ff), lediglich ein Viertel der Schüler*innen. Schüler*innenvorstellungen der vierten Ebene, die hauptsächlich ab der Jahrgangsstufe 12 erreicht wird, nehmen die Geschichte als tendenziöse, möglicherweise durch Lügen oder Übertreibungen verzerrte Darstellung der Vergangenheit wahr, während Lernende auf der fünften Ebene Einsicht in den Konstruktcharakter von Geschichte gewinnen. Sie betrachten Intentionen der Autor*innen als maßgeblichen Einflussfaktor, der auf die Entstehung kontroverser Deutungen einwirkt, während Lernende der sechsten, elaboriertesten Stufe die Verschiedenheit historischer Erzählungen als Spezifikum fachlicher Narrationen begreifen.

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Theoretische Grundlagen

Bereits zwei Jahre zuvor hat Lee (1998, S. 250) ein Entwicklungsmodell kausallogischer Erklärungen entworfen, in der Formen der Addition von Gründen (einzeln – vielfältig), der Narrativierung (unstrukturiert – strukturiert) und der Analyse (linear – systematisch – reziprok) gegenüberstellt. Er nimmt davon Abstand, mit dem Modell eine Phasierung der Entwicklungsschritte von Schüler*innen abbilden zu wollen, sondern fokussiert vielmehr Herausforderungen, mit denen sich Lernende auf dem Weg zum historischen Erklären konfrontiert sehen. Neben der Überforderung durch mehrere Gründe und strukturelle Zusammenhänge stellt er heraus, dass individuelle Motive besser nachvollzogen und abgebildet werden könnte, als institutionelle, systemische Prozesse. Domínguez/Pozo entwerfen im selben Jahr ein Modell zur progressiven Nivellierung von historischen Kausalerklärungen, dass diese Entwicklung genauer in den Blick nehmen soll. Das Modell zeigt, wie Lernende zu elaborierten historischen Erklärungen gelangen. Die erste Niveaustufe bildet dabei Erklärungen ab, die die Ursachen historischer Erklärungen nicht reflektieren, sondern sie als gegebene Fakten annehmen (Vgl. Chapman 2016). Erreichen Schüler*innen hingegen die fünfte und höchste Niveaustufe, sind sie in der Lage, historischen Sachverhalte kontextualisiert darzulegen und verschiedene Gründe zum Nachvollzug einzubeziehen (Lee 1998, S. 350f). Niveau Beschreibung 1 keine Ursachen, nur Fakten 2 3

bloße Serie (Kette) von undifferenzierten Fakten partielle Verbindung zwischen Ursachen

4 5

vollständige Verbindung zwischen Ursachen Erklärung verbunden mit einem interpretativen Rahmen und eingeordnet in den historischen Kontext

Tabelle 4: Niveaustufen von Kausalerklärungen in der Geschichte (Borries 2002, S. 121)

Gemein ist den Modellen, dass sie fachliche Handlungen wie das Erklären als Komponente des domänenspezifischen Denkens und Handelns (Drie/Boxtel 2008, 2018) verorten. Definiert werden die in der deutschsprachigen Geschichtsdidaktik unter dem Begriff des Geschichtsbewusstseins subsummierten Denk- und Erkenntnisprozesse als historical reasoning, »an acitvity in which a person organizes information about the past in order to descibe, compare, and/ or explain historical phenomena« (Drie/Boxtel 2008, S. 89).5 Fokussiert wird 5 Beide Begriffe, sowohl der des Geschichtsbewusstseins, als auch die Formulierung des historical reasonings, finden in der Arbeit Verwendung. Der deutsche Begriff wird dabei vorwiegend genutzt, um bereits vorhandene Fähigkeiten der Schüler*innen zu beschreiben, während das historical reasoning den Erwerbsprozess historischer Denk- und Erkenntnisfähigkeiten fokussiert.

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dabei vor allem der Umstand, dass historisches Wissen nicht nur erworben, sondern vor allem genutzt werden muss, um kohärente Erzählungen über die Vergangenheit zu formulieren. Nicht die Fähigkeit, sondern die Aktivitäten der Lernenden stehen somit im Fokus der Aufmerksamkeit. Diese können sowohl mündlich als auch schriftlich vollzogen werden (Drie/Boxtel 2018, S. 151). Die Autorinnen beschreiben die sechs wesentlichen Komponenten des historical reasoning als 1) die Formulierung historischer Fragen, 2) die Nutzung historischer Quellen, 3) die Kontextualisierung historischer Phänomene, 4) die Verwendung historischer Begriffskonzepte (fist order concepts) sowie 5) die Verwendung historischer Metakonzepte (second order concepts) und schließlich 6) das Argumentieren, welches sowohl für die vorliegende Studie als auch für die skizzierten Entwicklungsmodelle von besonderer Bedeutung ist. Die Auseinandersetzung mit Argumentationen fließt sowohl als produktive als auch als rezeptive Komponente in das Modell ein, wobei in Erklärungen first und second order concepts einbezogen werden. Als Kriterien für die Ebene des Argumentierens im Prozess des historical reasoning schlagen sie vor, den Fragen nachzugehen, wie akzeptabel und sachverhaltsbezogen Argumente bzw. Gründe sind und in welchem Umfang Gegenargumente berücksichtigt werden. Außerdem seien die Einnahme einer Perspektive und die Kontextualisierung des historischen Sachverhalts in Raum und Zeit wesentliche Beurteilungskriterien (Drie/ Boxtel 2018, S. 152). Feste Kategorien für verschiedene Ebenen der Sinnbildung festzulegen sei hingegen nicht zweckgemäß, da der Prozess immer relativ zum Erkenntnisgegenstand verlaufe (Drie/Boxtel 2008, S. 90). Hinweise zur Entwicklung eines Messmodells Als fachspezifische Kategorien der Erklärung auf der Ebene der Textstruktur werden der Einleitungssatz, die Reproduktion der Ursache für den zur Frage gestellten Sachverhalt, der Transfer bzw. die Differenzierung der Ursache durch Verallgemeinerung oder das Anführen von Beispielen und das Schließen durch ein erklärendes Fazit betrachtet. Zur Herstellung der Textkohärenz werden kausale, finale und konsekutive Bezüge gewertet, die bereits als Marker historischer Sprache herausgearbeitet wurden (Vgl. Veel/Coffin 1996, Coffin 2006). Insbesondere das Herstellen kausaler Beziehungen wird dabei als typisch für das historische Erklären erachtet (Vgl. Klose 2004, S. 70). Darüber hinaus werden sprachliche Mittel zur Gliederung, Abgrenzung und Präzisierung von Positionen und Argumenten betrachtet. Darunter fallen beispielsweise präpositionale Gefüge (»zum Beispiel«, »mit Hilfe«), Adjektive (»zusätzlich«, »abschließend«) und Adverbien (»erstens, zweitens«, »ferner«). Wie auch beim Beschreiben werden die Verwendung der angemessenen Zeitform (zeitloses Präsens für Beschreibungen in der Gegenwart als Teilelemente der Erklärung; Präteritum, um vergangene Zusammenhänge und Strukturen zu erklären) und des Konjunktivs als Mittel zur

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Theoretische Grundlagen

Distanznahme und zum Aufstellen von Hypothesen betrachtet. Diese sprachlichen Mittel bezeichnen Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 144) als »zentrale epistemologische Marker der Sprache des historischen Erzählens«, übertragen lassen sie sich jedoch auch auf diskursive und argumentative Sprachhandlungen. Deshalb werden graduierende Formulierungen, zum Aufstellen von Hypothesen und Vermutungen und zur Distanznahme als fachsprachliche Mittel untersucht.

2.2.4 Entwurf einer fachsprachlichen Schreibförderung: Der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus aus fachlicher Perspektive Insbesondere im Geschichtsunterricht, in dem Texte komplexe Herausforderungen an Schüler*innen stellen, bedürfen Lernende konkreter Schreibstrategien und Textmuster, die das Gelingen der eigenständigen Textproduktion grundlegend beeinflussen (Hartung 2013, S. 20; 2015b, S. 47). Unabhängig von der Frage, inwiefern die im Geschichtsunterricht vorliegenden Textsorten spezifisch historisch oder vielmehr Entlehnungen anderer Wissenschaften sind, muss der eigenständigen Textproduktion die Vermittlung angemessener Textmuster vorausgehen (Hartung 2015a, S. 208; Veel/Coffin 1996, S. 191; Waldis/Nitsche/Gollin 2020). Orientiert auf das Ziel, Sinnbildung über Zeiterfahrung anzuleiten, also Schüler*innen zur Herstellung eigener Narrationen zu befähigen, ist das Wissen über Muster, die sprachlichen Handlungen und Textsorten zu Grunde liegen, unerlässlich (Hartung 2016, S. 187). Aus der fachspezifischen Perspektive ist in diesem Zusammenhang auch die Gattungskompetenz als Argument für den Einsatz des textsortenbasierten LehrLern-Zyklus anzuführen. Hans-Jürgen Pandel fasst Gattungskompetenz als Fähigkeiten und Fertigkeiten »Unterschiede der verschiedenen schriftlichen […] Gattungen, in denen Historisches dargestellt wird, in ihrem Aussagenwert zu erkennen und mit den unterschiedlichen Gattungserwartungen umzugehen«. Dazu gehört »[d]ie verschiedenen Text[…]sorten, die sich auf Geschichte beziehen unterscheiden«, ihren »Aussagewert bestimmen« sowie »gattungsspezifische Diskurse führen« zu können (Pandel 2013, S. 222, 227). Der Begriff der Gattungskompetenz umfasst auf rezeptiver Seite somit die kritische Überprüfung von Darstellungstexten auf ihre Triftigkeit, z. B. durch die Untersuchung der verwendeten Quellenlage. Im Fokus steht nun jedoch die Ausbildung produktiver Gattungskompetenz, die durch den textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus unterstützt werden kann. »Eine […] erweiterte Gattungskompetenz umfasst die Fähigkeiten, […] selbst strukturierte Texte und Äußerungen herstellen zu können«, folgert Hartung (2016, S. 192) und unterstreicht, dass die Ausbildung produktiver Gattungskompetenz im Wesentlichen durch die Beherrschung sprachlicher Handlungsmuster und Textsorten charakterisiert werden kann.

Konzeptentwicklung

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Durch die sprachliche Bedingtheit des Gegenstandes und der Funktion von Sprache als Medium der Auseinandersetzung mit diesem Gegenstand ist der Geschichtsunterricht in besonderer Weise durch die spezifische Funktionalität der sprachlichen Mittel und ihrem Zusammenhang im Textganzen gekennzeichnet (Hartung 2016, S. 190). Ohne die Verbindung von Wissen zum Textbzw. Sprachhandlungsmuster und historischem Wissen kann Diskurs- und Interaktionsfähigkeit im Fach nicht entwickelt werden. Die theoretischen Überlegungen werden von empirischen Untersuchungen gestützt, die den Zusammenhang zwischen Textsortenfähigkeiten und schriftlichen Leistungen hervorheben und gezielt ausbilden (Vgl. Hartung 2015b, S. 48; 2015a, S. 212; Waldis/ Nitsche/Gollin 2020). Dieser »Wechselzusammenhang zwischen historischer Kompetenz und formbezogener Performanz« (Hartung 2015b, S. 48) verlangt nach Konzepten, die neben fachlichen auch fachsprachliche Fähigkeiten thematisieren und fördern. Einen solchen Zugang bietet der Einsatz des textsortenbasierten Lehr-LernZyklus, in dessen Rahmen fachliche Schemata für die Produktion fachsprachlicher Texte erlernt, eingeübt und angewandt werden können. Wie auch im Unterricht anderer (Sach-)Fächer, bestimmen fachspezifische Besonderheiten die Themenstruktur und -entfaltung von Texten und damit einhergehend wesentliche Eigenschaften der Textsorten. Welche sprachlichen Handlungen in den verschiedenen Textteilen, wie z. B. Einleitung, Hauptteil und Schluss, vorkommen, ist abhängig davon, an welchen – fachspezifischen – Zweck die Textsorte gebunden ist (Hartung 2013, S. 339f). Im Prozess der historischen Sachurteilsbildung müssen dabei nicht nur Verknüpfungen auf der Textebene hergestellt werden, sondern Vorwissen und Informationen in spezifischer Weise eingebunden werden. Durch fördernde Lernsettings und entsprechende Aufgabenstellungen werden Schüler*innen zunehmend befähigt, »konzeptionell über Geschichte zu schreiben, ihre Texthandlungen am kommunikativen Zweck des Textziels auszurichten und dabei auf Basis von Ausgangstexten und Vorwissen selbstständig Wissensstrukturen über historische Zusammenhänge zu generieren« (Hartung 2013, S. 342).

2.3

Konzeptentwicklung

Um der Frage nachzugehen, über welche Konzepte der fachlichen Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären Schüler*innen verfügen, müssen verschiedene Zugänge einbezogen werden. Neben Überlegungen der Linguistik und Schreibdidaktik, die sich in Modellen der Textproduktion widerspiegeln, werden dabei Erkenntnisse der Kognitionspsychologie und der Fachdidaktik berücksichtigt. Die Zusammenführung dieser Theorien erfolgt in dem folgenden Kapitel.

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Theoretische Grundlagen

Bereits in der Darstellung der linguistischen Grundlagen, die für diese Arbeit herangezogen werden, wurden Überlegungen zu Schreibprozessmodellen vorgestellt. Als Ausgangspunkt wurde zunächst das Modell von Hayes/Flower (1980) identifiziert, in dem Subprozesse des Schreibprozesses herausgestellt werden. Zentrale Instanzen des Modells sind das Langzeitgedächtnis, das Aufgabenumfeld und der monitor, der die Steuerung des Prozesses übernimmt. Das Schreiben selbst wird im Modell als Problemlösen verstanden. Es charakterisiert somit einen Prozess, der durch den Rückgriff auf mentale Operationen dazu führt, Lösungswege für Problemstellungen zu finden (Vgl. Mandl/Friedrich/ Hron 1993, S. 191). Weiter ausdifferenziert wurde der Prozess von Hayes (2012) im sogenannten Drei-Ebenen-Modell, in welchem Ressourcen, Kontroll- und Schreibprozesse als wesentliche Komponenten der Textproduktion bestimmt werden. Adaptionen und Erweiterung des grundlegenden Modells von Hayes/ Flower sind auch aus Überlegungen von Baurmann/Pohl (2009) und Bachmann/Becker-Mrotzek (2017) hervorgegangen. Das letztgenannte Modell nimmt für die vorliegende Arbeit eine besondere Rolle ein, da die sprachlichen Ressourcen der Textproduzent*innen besondere Berücksichtigung finden. Dabei werden nicht nur die Schreibstrategien der Lernenden betrachtet, sondern auch die sprachlichen und textuellen Handlungsmuster, auf die sie im Rahmen der Textproduktion zurückgreifen. Der von den Autoren verwendete Begriff des »Textmusters« verweist auf Schemata des textsprachlichen Handelns, die durch sogenannten »Textprozeduren« konstituiert werden (Bachmann/BeckerMrotzek 2017, S. 29). Synonym zum Begriff des »Textmusters« kann die Formulierung »Textsorten« verwendet werden, die im Rahmen dieser Arbeit bereits eingeführt wurde, während zwischen den sprachlichen Handlungen und Textprozeduren wesentliche Unterschiede bestehen. Der Begriff »Textprozeduren« bezeichnet »textkonstituierende sprachgebundene Einheiten«, die »auf lokaler und mittlerer Ebene sprachliche Teilhandlungen mit einem prototypischen sprachlichen Ausdruck verbinden« (Bachmann/Becker-Mrotzek 2017, S. 29). Sie konstituieren die nächstgrößeren Akte (Searle 1971), die sich wiederum zu Sprachhandlungen zusammenfügen lassen. Auch wenn sich deutliche Überschneidungen zwischen den Begriffen zeigen, so werden zur Einhaltung der inhaltlichen Konsistenz der Arbeit auch in der Modellierung der Textproduktion die Begriffe »Textsorte« und »sprachliche Handlungen« genutzt. Das Modell von Bachmann/Becker-Mrotzek (2017, S. 42ff) besteht aus einem Basis- und drei Kreismodellen. Das Basismodell umfasst die stabilen Bedingungen des Prozesses, wie beispielsweise Ko-Aktanten und den konkreten Schreibanlass, das Langzeit- und Arbeitsgedächtnis sowie den Monitor, der als kognitive Komponente, die Strukturierung, Initiierung und Evaluation der Textproduktion übernimmt.

Konzeptentwicklung

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Abbildung 8: Das Basismodell der Textproduktion (Vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017, S. 42)

Die Textproduktion wird in diesem Modell nicht nur als Problemlösung betrachtet, sondern »als ein adaptiver und ressourcengeleiteter Prozess, in dessen Verlauf Textmuster für die Bewältigung konkreter kommunikativer Aufgaben genutzt werden« (Bachmann/Becker-Mrotzek 2017, S. 42). Den Textmustern bzw. -sorten wird damit eine wesentliche Rolle im Schreibprozess zugeschrieben, ebenso wie dem dazu notwendigen Textsortenwissen und der daraus resultierenden Sprachhandlungsfähigkeit. Als Bedingungen fließen der selbst- oder fremdgesetzte Schreibanlass, Ko-Aktanten und die Motivation in den Schreibprozess ein. Das Langzeitgedächtnis stellt eine Ressource mit »Werkzeugcharakter« dar, die Welt-, Strategie und Sprachwissen bereitstellt. Für Schreibprozesse im Geschichts- und Gesellschafslehreunterricht ist dem Langzeitgedächtnis auch das Fachwissen zuzuordnen. Dem Monitor werden kognitive Komponenten zugeordnet, die die Auswahl, Adaption und Modifizierung der aus dem Langzeitgedächtnis abgerufenen Informationen in Bezug auf die Bedingungen des Schreibanlasses bestimmen. Das im inneren Dreieck verortete Arbeitsgedächtnis

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Theoretische Grundlagen

ist dafür zuständig, prototypische Schreibaufgaben, Sprachhandlungen und Textsorten im Langzeitgedächtnis zu aktivieren und für die Bearbeitung der Schreibaufgabe nutzbar zu machen. Durch die sprachlichen Prozesse des Lesens und Schreibens wird der Text konstruiert. Dem Rückgriff auf das Textsorten- und Sprachhandlungswissen sowie dessen Adaption und Anwendung in der konkreten kommunikativen Situation wird auch in den Kreismodellen besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei nehmen die Kreise gezielt Elemente des Basismodells genauer in den Blick. Für die Untersuchung der Konzepte der Schüler*innen und ihrer Fähigkeiten, diese auf fachliche Schreibaufgaben zu adaptieren, dienen die ersten beiden Kreise des Modells. Der erste Kreis stellt die Aufgabentypisierung und Textsortenauswahl dar, der zweite Kreis nimmt die kommunikative Situation und Adaption der Textsorte in den Blick. Werden Schüler*innen im Geschichts- oder Gesellschaftslehreunterricht mit einer operatorengestützten Schreibaufgabe, beispielsweise unter Verwendung der Operatoren Beschreiben und Erklären, oder aber der Aufforderung zur Produktion einer Textsorte (wie z. B. das Historische Sachurteil) konfrontiert, so rufen sie zunächst einen Prototyp aus dem Langzeitgedächtnis ab. Ausgehend von dem im Hinblick auf den Aufgabentyp verfügbaren Repertoire werden mögliche Vorschläge in das Arbeitsgedächtnis überführt und auf ihre Passung überprüft. Hier dürfte es im Fach beispielsweise zu Herausforderungen kommen, wenn Lernende, die sprachliche Handlungen im Fachunterricht in der Regel lediglich mündlich vollziehen, angehalten sind, schriftliche Aufgabenbearbeitungen vorzulegen (Vgl. Oleschko 2017, S. 307). Auch konkrete Anforderungen, die die Operatoren stellen, müssen bereits in diesem Zusammenhang verfügbar sein, um die Textproduktion zu initiieren. Sofern ein Aufgabentyp gewählt ist, wird dieser auf die Aufgabenstellung adaptiert. Zur Bearbeitung dieser ist es nun entscheidend, auch Textsortenwissen aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. Wie im Hinblick auf die linguistischen Grundlagen dargestellt, umfassen Textsortenwissen und Sprachhandlungsfähigkeit das Wissen über Ziele und Zwecke von Sprachhandlungen und Textsorten sowie über sprachliche Handlungen und Mittel, die zur Realisierung dieser notwendig sind. Nachdem das entsprechende Textsortenwissen aus dem Langzeit- in das Arbeitsgedächtnis überführt wurde, kann die Textsorte als Bezugsrahmen für weitere Bearbeitungsschritte im Rahmen der Textproduktion genutzt werden. Verfügen Schüler*innen nicht über Wissen zur Textsorte und zu den sprachlichen Handlungen, so kann der Bezugsrahmen nicht hergestellt werden. Sofern die Aufgaben überhaupt bearbeitet werden, erfolgt dies willkürlich. Handlungsbedingungen wie Ziele und Zwecke der sprachlichen Handlungen werden nicht in den Schreibprozess einbezogen, weshalb auch die Auswahl sprachlicher Mittel nicht fach- und sprachhandlungsspezifisch erfolgen kann. Vergleichbare Hinweise liefert der zweite Kreis des Modells. In der kommunikativen Situation

Konzeptentwicklung

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sind die Lernenden aufgefordert, eine Schreibaufgabe mit entsprechender Situierung in der konkreten Unterrichtssituation zu bearbeiten. Zunächst aktivieren sie dazu Elemente des konstitutiven Wissens zur Textsorte, welches Informationen über Textziele, -funktionen, -bausteine und -muster umfasst. Sofern dieses Wissen nicht im Langzeitgedächtnis verfügbar ist, können die Verknüpfungen nicht oder nur unzureichend aktiviert werden. In diesem Fall steht den Schüler*innen im Arbeitsgedächtnis keine prototypische Textsorte bzw. kein Muster einer sprachlichen Handlung zur Verfügung. Auch der Abgleich mit prototypischen Schreibaufgaben stellt die Lernenden unter Umständen vor Herausforderungen. Da Aufgaben im Geschichtsunterricht häufig mündlich realisiert werden und Schreibaufgaben vielfach lediglich reproduktive und nicht epistemische Funktion besitzen (Vgl. Hartung 2013), ist anzunehmen, dass Schüler*innen lediglich über unzureichendes Wissen zu Schreibaufgaben verfügen und deshalb nur begrenzt in der Lage sind, die Anforderungen, die operatorengestützte Aufgaben an sie stellen, zu bestimmen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass Lernende im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht nicht in der Lage sind, eine Adaption der Textsorte bzw. Sprachhandlung umzusetzen. Eine sinnvolle Aufgabenbearbeitung ist, ohne Abruf der wesentlichen Komponenten aus dem Langzeitgedächtnis, nicht möglich. Die Konzepte, die Schüler*innen in die Bearbeitung operatorengestützter Schreibaufgaben zum Beschreiben und Erklären im Fach Geschichte einbringen, bilden das Sprachhandlungswissen ab, auf das Bachmann/Becker-Mortzek in beiden Kreisen ihres Modells verweisen. Von Konzepten ist deshalb die Rede, da sich das Sprachhandlungswissen aus deklarativem und prozeduralem Wissen zusammensetzt. Um die Ergebnisse der durchgeführten Analysen also genauer einordnen zu können, bietet es sich an, auch Grundlagen der Kognitionspsychologie einzubeziehen. Wesentlich ist hier zunächst die Unterscheidung von zwei Wissenstypen: deklarativem und prozeduralem Wissen. Das deklarative Wissen, auch Sachwissen genannt, ist explizit verfügbar und kann sprachlich ausgedrückt werden. Dazu zählen beispielsweise Fakten und Begriffe, die im Fachunterricht erworben werden. Lernende können bewusst auf ihr deklaratives Wissen zugreifen und dieses verbalisieren (Mandl et al. 1993, S. 147). Das prozedurale Handlungswissen liegt demgegenüber häufig nur implizit als Problemlösewissen, also »Wissen, wie man etwas tut«, vor (Edelmann/Wittmann 2012, S. 111). Prozedurales Wissen kann häufig nicht verbalisiert werden, zeigt sich jedoch in der Ausführung von Tätigkeiten und Handlungen. Für die Betrachtung der Konzepte von Schüler*innen bedeutet dies, dass Einsichten zum deklarativen Wissen aus den Interviews gewonnen werden können, für den Einblick in prozedurales Wissen jedoch die Auswertung von Schreibprodukten oder Aufgaben, die mit

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Theoretische Grundlagen

konkrete Schreibaufgabe

Abruf des Prototyps

a) Beschreibe-Teilaufgabe b) Erkläre-Teilaufgabe

prototypische Schreibaufgabe Auswahl Prototyp

Abgleich mit ähnlichen, aus dem GL- und Geschichtsunterricht bekannten Schreibaufgaben

prototypische Textsorte/Sprachhandlung

Auswahl Textsorte

Historisches Sachurteil a) historische Beschreibung b) historische Erklärung

Arbeitsgedächtnis Textsorte Historisches Sachurteil

Ak!vierung und Überprüfung von Vorschlägen

Aufgabentyp Historisches Sachurteil

Langzeitgedächtnis

Abruf der Textsorte

Repertoire »Textmuster«

Repertoire »Aufgabentypen«

Ressourcen

kommunika$ve Situa$on Verfassen der situierten Schreibaufgabe im GL- bzw. Geschichtsunterricht

prototypische Schreibaufgabe

Langzeitgedächtnis

Arbeitsgedächtnis

adap$erte Textsorte

prototypische Textsorte

Elemente des kons$tu$ven Wissens zum Textmuster

Abbildung 9: I. und II. Kreis des Modells von Bachmann/Becker-Mrotzek (2017), adaptiert auf sprachliches Handeln im Geschichtsunterricht

Hilfe von Methoden wie dem Lauten Denken durchgeführt werden, notwendig sind. Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 145f) verweisen im Zusammenhang mit der Entwicklung des CRH-Modells (»Causal Reasoning in History«, angelehnt an

Konzeptentwicklung

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das von Coffin (2006) definierte arguing genre) auf den Einfluss von prozeduralem, deklarativem, strategischen und metakognitiven Wissen auf den Schreibprozess. Als Teil des fachspezifisch auszubildenden prozeduralen Wissens verstehen sie, unter Berücksichtigung der von Kühberger (2016) bestimmten Grundlagen, epistemische, historische und gesellschaftliche Basiskonzepte. Die historischen Basiskonzepte, die Zeitpunkte, -verläufe und -einteilungen umfassen und auch die gesellschaftlichen Basiskonzepte, die nach Günther-Arndt als »Denkzeuge« verstanden werden können, nehmen für die Bestimmung der sprachlichen Konzepte eine eher untergeordnete Rolle ein. Die Relevanz beider Bezugsgrößen für historische Denkprozesse konnte jedoch durch die von Drie/Boxtel (2008) geprägten Begriffe der First und Second Order Concepts eindrucksvoll herausgestellt werden. Größere Bedeutung kommt dem epistemischen Basiskonzept zu, das die Auswahl von Einsichten und Argumenten, den Aufbau und die Strukturierung sowie die Perspektivität und Belegbarkeit historischer Darstellungen im Sinne der Evidenz beschreibt (Brauch/ Heine/Bramann 2020, S. 147). Auch aus fachdidaktischer Perspektive lässt sich Textsorten- und Sprachhandlungswissen, dass Schüler*innen in die Lage versetzt, entsprechende operatorengestützte Schreibaufgaben zu realisieren, als Teil des prozeduralen Wissens bestimmen. Thematisch zusammengehörige Wissenseinheiten bilden sogenannte Schemata. Ein Schema stellt ein »ausgrenzbares konzeptuelles Teilsystem in einem Netzwerk dar, in dem aufgrund von Erfahrungen typische Zusammenhänge eines Realitätsbereichs verallgemeinert repräsentiert sind« (Mandl et al. 1993, S. 150). Es handelt sich somit um ein »Wissensbündel«, in dem alle Informationen zu einem Begriff zusammengefasst sind (Bednorz/Schuster 2002, S. 153). Leerstellen in den Schemata können, durch aktuelle Erfahrungen der Lernenden, vorläufig gefüllt werden (Mandl et al. 1993, S. 151). Sofern Schüler*innen also nicht in der Lage sind, das Schema einer Sprachhandlung vollständig aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, füllen sie mögliche Leerstellen durch Informationen, die sie sich aus der Aufgabenstellung und dem zur Verfügung stehenden Material erschließen. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass die Lernenden bereits alltagsnahe, bzw. in anderen Fächern erworbene Vorstellungen der Sprachhandlungen einbringen. Diese Alltagsvorstellungen (Vgl. Krüger 2007, S. 81) ziehen sie zur Bearbeitung operatorengestützter Schreibaufgaben heran. Die Weiterentwicklung der Konzepte durch eine fachliche Schreibförderung entspricht somit einem conceptual change, also einem Wechsel von Alltagsvorstellungen zu fachwissenschaftlich begründeten Vorstellungen durch die Reorganisation vorhandenen Wissens (Mandl et al. 1993; Posner/Strike 1982). Anknüpfen lassen sich die conceptual-change-Theorien an die entwicklungspsychologischen Ideen von Piaget. Hier ist vor allem der Begriff der Akkomo-

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Theoretische Grundlagen

dation hervorzuheben, der auf das Ersetzen bzw. Umorganisieren von Vorstellungen, das durch kognitive Konflikte ausgelöst wird, verweist (Mandl et al. 1993; Schnotz 2006). Für die Konzepte der Sprachhandlungen lässt sich der conceptual change also als Überführung der alltagssprachlichen, fachunspezifischen Konzepte in Schemata, die fachspezifisches, historisches Sprachhandlungswissen umfassen, verstehen. Die Schemabildung erfolgt, indem zunächst bekannte Schemata modifiziert werden (mandl et al. 1993, S. 160). Bei der Vermittlung der Textsorte Historisches Sachurteil können Analogien zu bekannten Textsorten hergestellt werden, die modifiziert werden, um die neue Textsorte in das Schema einzuordnen. Ebenso können bekannte Sprachhandlungen modifiziert werden, wenn Schemata zu den Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären aufgebaut werden. Die Konzepte zum Beschreiben und Erklären können dementsprechend als fachspezifisches Sprachhandlungswissen definiert werden, welches sich aus deklarativem und prozeduralem Wissen zusammensetzt. Das Schemata der Sprachhandlungen umfasst Wissen über den kommunikativen Kontext, in dem die Sprachhandlungen vollzogen werden, sowie über die Ziele und Zwecke, die sich daraus ergeben. Als prozeduraler Bestandteil der Schemata bzw. Konzepte können fachsprachliche Mittel betrachtet werden, die zur Realisierung der Sprachhandlungen umgesetzt werden müssen. Zentrale Komponente des Wissens zum situativen Kontext sind darüber hinaus fachliche Anforderungen, die an historische Beschreibungen und Erklärungen gestellt werden. Die Konzepte können durch Interviews, sowie die Betrachtung der Schreibprodukte und Aufgaben zum Lauten Denken sichtbar gemacht werden.

3.

Ziele und Hypothesen

Zur Realisierung fachsprachlicher Handlungen bedarf es nicht nur fachlichen Wissens und sprachlicher Fähigkeiten. Wesentliche Bedingung zum Verfassen fachlicher Textsorten ist die Verknüpfung entsprechenden Wissens über die Muster, die den Textsorten bzw. sprachlichen Handlungen zu Grunde liegen, mit dem Fachwissen und den Prinzipien des Fachs. Ein solches Konzept, das der Realisierung fachsprachlicher Handlungen zu Grunde liegt, ist als wesentliche Gelingensbedingung zur Lösung operatorengestützter Aufgaben im Fach zu betrachten. Die Bearbeitung einer operatorengestützten Aufgabe hängt von den Konzepten ab, über die Schüler*innen zu eben diesem Operator verfügen. Aus diesen Annahmen ergeben sich folgende Fragestellungen und Hypothesen: 1. Welche Konzepte haben Schüler*innen zu den Operatoren Beschreiben und Erklären im Fach Geschichte, die sie in die sprachliche Beantwortung operatorengestützter Aufgabenstellungen einbringen? Anzunehmen ist, dass Schüler*innen Konzepte, die durch alltäglichen Sprachgebrauch geprägt sind, zur Bewältigung der sprachlichen und fachlichen Anforderungen des Beschreibens und Erklärens einbringen. Des Weiteren wird angenommen, dass Schüler*innen fachübergreifendes Musterwissen aus dem Deutschunterricht einbringen, jedoch nicht über eine spezifische Vorstellung verfügen, wie Beschreiben und Erklären in historischen Texten umgesetzt werden. Die Differenziertheit der Konzepte wird dabei als Spektrum antizipiert, in dem sprachlich und fachlich starke Schüler*innen die differenziertesten Konzepte zeigen, wohingegen sprachschwächere Schüler*innen mit geringen fachlichen Kompetenzen lediglich über undifferenzierte Konzepte verfügen. Verbunden ist die Frage mit der Annahme, dass Schüler*innen zur erfolgreichen Bearbeitung operatorengestützter Aufgabenstellungen über spezifisch fachliche sowie über fachsprachliche Konzepte verfügen müssen. Zur Überprüfung der Hypothese werden halbstandardisierte Leitfadeninterviews durchgeführt, die es erlauben, die Konzepte der Schüler*innen genauer abzubilden.

104

Ziele und Hypothesen

2. In welchem Zusammenhang stehen die schriftliche fachliche Sprachhandlungs- bzw. Textsortenfähigkeit und die Konzepte der Schüler*innen zu den ausgewählten Operatoren? Zur Beantwortung dieser Fragestellung werden die Summenscores der erhobenen Teilaufgaben der Schreibaufgabe zur Textsorte Historisches Sachurteil, die durch die Operatoren Beschreiben und Erklären initiiert werden, sowie die Ergebnisse des Fachwissenstests mit den Interviewdaten der Schüler*innen in Verbindung gesetzt. 3. Können die Konzepte der Schüler*innen durch eine fachliche Schreibförderung nach dem Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus ausdifferenziert und weiterentwickelt werden? Es wird vermutet, dass die Konzepte der Schüler*innen durch die sprachliche, fachliche und fachsprachliche Förderung im Rahmen einer gezielten Intervention, die orientiert am textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus aufgebaut ist, weiterentwickelt werden können. Die Ausdifferenzierung der Konzepte wird angelehnt an kognitionspsychologische Überlegungen als conceptual change verstanden, in dem alltagssprachliche, fachunspezifische Konzepte in fachspezifisches, historisches Sprachhandlungswissen überführt werden. Aus der Entwicklung der Konzepte resultiert, in Anlehnung an die zweite Hypothese, zudem ein nachweislicher Zuwachs an fachlicher Sprachhandlungs- und Textsortenfähigkeit der Schüler*innen. Es ist also anzunehmen, dass die Ausdifferenzierung der Konzepte während der Intervention zu besseren schriftlichen Leistungen im Fach führt. 4. Welche Aspekte schriftlicher fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit von Schüler*innen lassen sich aus den Schreibprodukten zu den operatorengestützten Schreibaufgaben zum historischen Beschreiben und Erklären bestimmen? Durch eine explorative Datenanalyse werden zur Beantwortung dieser Forschungsfrage, die mit Hilfe der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgaben gewonnenen Daten differenziert betrachtet. Verschiedene Aspekte, die aus der funktional-pragmatischen und geschichtsdidaktischen Theorie abgeleitet wurden, werden dabei besonders in den Blick genommen, sodass die schriftliche fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Gesamtschüler*innen der Jahrgangsstufen Sieben und Acht bestimmt werden kann. 5. Lässt sich aus den im Projekt SchriFT erhobenen Daten ein holistisches Messmodell zur Beurteilung der Qualität von Schüler*innentexten zu den

Ziele und Hypothesen

105

Operatoren Beschreiben und Erklären in didaktischen Settings des Fachs Geschichte entwickeln? Ausgehend von den erhobenen Schreibaufgaben soll nach umfangreicher Analyse ein holistisches Messmodell entwickelt werden, das die Diagnose und Evaluation der Fähigkeiten von Schüler*innen beim historischen Beschreiben und Erklären ermöglicht. Das im Projekt SchriFT entwickelte Kategoriensystem bildet die fachsprachlichen Handlungen des Beschreibens und Erklärens zwar differenziert ab, eignet sich allerdings auf Grund seines Umfangs und der Komplexität nur bedingt für den Einsatz im Unterricht. Aus diesem Grund schließt sich an die Auswertung der Schreibaufgaben der quantitativen Stichprobe die theorie- und datengestützte Entwicklung eines holistischen Modells an, dass beispielhaft Anforderungen, die an die Operatoren Beschreiben und Erklären im Fach Geschichte (bzw. dem Schwerpunkt Geschichte im Verbundfach Gesellschaftslehre) gestellt werden, umreißt und die Textqualität messbar macht. 6. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen den Variablen, die Einfluss auf den Schreibprozess nehmen, und der Leistung in den operatorengestützten Schreibaufgaben zum Beschreiben und Erklären? Ausgehend von dem Schreibmodell der Textproduktion von Bachmann/Becker-Mrotzek (2017) wurden verschiedene Einflussfaktoren, die auf den Schreibprozess einwirken, bestimmt. Dazu zählen beispielsweise kognitive Fähigkeiten, Fachwissen und sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten. Dazu kommen sozio-ökonomische und bildungsbiographische Faktoren, die in vergleichbaren Studien als wesentliche Prädikatoren für Schreib- und Sprachfähigkeiten bestimmt wurden. Mit entsprechenden Analysemethoden sollen diese in Zusammenhang mit der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit gebracht werden. Zudem kann bestimmt werden, inwiefern sich die Resultate der Erhebung auf die Einflussfaktoren zurückführen, bzw. durch diese voraussagen lassen. 7. Kann die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen im Beschreiben und Erklären durch eine fachliche Schreibförderung nach dem Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus ausdifferenziert und weiterentwickelt werden? Es wird vermutet, dass neben den Konzepten auch die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen durch die fachliche Schreibförderung, die orientiert am textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus aufgebaut ist, weiterentwickelt werden kann. Anhand quantitativer Verfahren, die Lernzuwachs sichtbar

106

Ziele und Hypothesen

machen können, wird überprüft, inwiefern von einem Zuwachs an fachlicher Textsorten- und Sprachhandlungsfähigkeit ausgegangen werden kann. Zur Beantwortung der zuvor dargestellten Fragestellungen und Überprüfung der daraus folgenden Hypothesen werden sowohl qualitative als auch quantitative Zugänge gewählt. Neben der unterschiedlichen Stichprobengröße und der daraus resultierenden Aussageebenen (Beschreibung des Einzelnen gegenüber Formulierung des Allgemeinen), bieten die Verfahren unterschiedliche Potentiale zur Beantwortung der Forschungsfragen (Mayring 2015, S. 20). Um die Präkonzepte der Schüler*innen genauer zu untersuchen, werden halbstandardisierte Interviews durchgeführt. Die Methode bietet die Möglichkeit, tiefere Einsichten in ihre Konzepte zu gewinnen. Das Verfahren steht damit unmittelbar in der Tradition qualitativer Forschung, die sich der »wissenschaftlichen Rekonstruktion von Handlungsmustern auf der Grundlage von alltagsweltlichen, realen Handlungsfiguren« (Lamnek 2010, S. 285) nähert. Die qualitative Perspektive erlaubt es, individuelle Prozesse wie den Zuwachs von Wissen und die Entwicklung eines Konzeptes abzubilden. Darüber hinaus soll der Blick auf die Schreibprodukte der gesamten Stichprobe (n = 357) ermöglichen, ein holistisches Messmodell zur Einschätzung der historischen Beschreibungen und Erklärungen zu entwickeln. Neben den theoretischen Annäherungen können auf diese Weise Schülervorstellungen in die abschließende Standardisierung der Operatoren eingebunden werden und durch die Entwicklung tragfähiger Konzepte Schüler*innen bei der Entfaltung ihrer fach(sprach)lichen Kompetenzen gezielter gefördert werden. Alle Daten wurden im Rahmen des Projekts SchriFT II generiert. Das Projekt umfasst eine quasi-experimentelle Interventionsstudie, die im Zeitraum von Januar bis Juli 2019 in Klassen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht an vier Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde. Vor und nach der Intervention wurden fachliche und fachsprachliche Textsortenfähigkeiten, Fachwissen sowie verschiedene Kontrollvariablen erhoben. Instrumente und Vorgehen werden im Kapitel, das sich der quantitativen Erhebung widmet, genauer erläutert. Die Intervention ist nach dem Modell des textsortenbasierten LehrLern-Zyklus aufgebaut und umfasst insgesamt zehn Unterrichtseinheiten à 90 Minuten. In jeweils drei Blöcken (3x90 Minuten) werden die sprachlichen Handlungen Beschreiben, Erklären und Begründen6 aus fachspezifischer Perspektive gefördert. Die Interventionen werden im Klassenverband durchgeführt. An jeder teilnehmenden Schule werden zusätzlich die Leistungen von Schü6 Das Begründen wird im Rahmen dieser Studie nicht untersucht, da lediglich eine geringe Stichprobe die Schreibaufgabe im Prä- und Post-Test bearbeitet hat und die operatorenbezogene fachliche Schreibförderung nur in zwei der teilnehmenden Interventionsklassen durchgeführt wurde. Einblicke in die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit und die Analyse der Interventionseffekte finden sich in Husemann (2022).

Ziele und Hypothesen

107

ler*innen erhoben, die nicht an der Intervention, sondern am Regelunterricht teilnehmen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Ergebnisse auf die fachliche Förderung und nicht auf andere, externe Einflüsse (wie kognitive Entwicklung o.Ä.) zurückzuführen sind.

4.

Methode

4.1

Qualitative Erhebung

Methode und Vorgehen Zur Erhebung von Daten, die die Einsicht in Konzepte der Schüler*innen zu den Operatoren Beschreiben und Erklären im Geschichtsunterricht ermöglichen sollen, wurden leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Die Datenerhebung ist also an eine Situation gebunden, die die Interaktion zweier Personen in einer festgelegten Rollenverteilung als Interviewer und Befragter umfasst (Friebertshäuser/Langer 2010, S. 438). Angelehnt an Überlegungen zu Interviewerhebungen, wie sie Jensen anführt, wird das Interview als soziale Gesprächssituation verstanden (2008, S. 255; Vgl. auch Atteslander 2008, S. 104, der Menschen und Umgebung als Komponenten der Situation betrachtet). Fragender und Befragter sind als Akteure Teil einer durch Unmittelbarkeit und Wechselseitigkeit geprägten Kommunikationssituation. Bei der Durchführung der Interviews und der Auswertung der Daten müssen dementsprechend Einflüsse auf die Kommunikationssituation bedacht werden. Zunächst ist festzuhalten, dass man »nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick/Weakland/Fisch 1974, S. 51) kann. Der Befragte nimmt neben den (Rück-)Fragen des Interviewenden auch dessen Intonation, Mimik und Gestik wahr und passt ggf. seine Antworten im Hinblick auf das Wahrgenommene an. So kann beispielsweise ein Nicken als Zustimmung zu einer Aussage betrachtet werden, die dann entsprechend weiter ausgeführt wird. Da die Interviewenden in der vorliegenden Studie als Wissenschaftler*innen einer Universität hervortreten, die das schulische Lernen untersuchen wollen, ist anzunehmen, dass Antworten von sozialer Erwünschtheit beeinflusst sein können. Andererseits erlaubt das Setting direkte Nachfragen, zum Beispiel zur Klärung von Verständnisfragen, sowie den Einsatz unterstützender Materialien (Atteslander 2008, S. 106f; Trautmann 2010, S. 66). Die Befragung ist als Leitfaden-Interview konzipiert. Durch die zugrundeliegenden Fragen wird die Befragung als solche und mit ihr der Horizont möglicher

110

Methode

Antworten vorstrukturiert. Anhand des im Vorfeld der Datenerhebung entwickelten Leitfadens können sprachliches und fachliches Handlungswissen präzise und zielgerichtet erfragt werden, zugleich besteht jedoch die Möglichkeit, während des Interviews flexibel Fragen zu ergänzen bzw. auszulassen (Friebertshäuser/Langer 2010, S. 437). Neben der Strukturierung der Interviewsituation stellt der Leitfaden auch einen Rahmen zur Datenauswertung dar, da die in den Einzelinterviews erhobenen Daten in vergleichbarer Form vorliegen. Der angewandte Leitfaden ist möglichst offen gestaltet, um die Beeinflussung und Lenkung der Antworten zu reduzieren. Zudem versuchen die Interviewer Bewertungen der Antworten zurückzuhalten. Diese Zurückhaltung kann ggf. zu Lasten der Antwortgenauigkeit und -passung ausfallen, wird jedoch zu Gunsten einer möglichst objektiven Befragung eingehalten (Flick 2010, S. 196). Bei Interviews handelt es sich stets um »einmalige, nicht wiederholbare Situationen der gemeinsamen Verfertigung von Texten« (Jensen 2008, S. 255), in denen die Beteiligten Daten gemeinsam generieren. Auch dieser Aspekt und die daraus resultierenden unterschiedlichen Antworten der Befragten müssen bei der Datenauswertung bedacht werden. Die Einhaltung der Kriterien für die Interviewgestaltung ist wünschenswert, hängt jedoch von der spezifischen Interviewsituation und ihrem Verlauf ab. Zudem muss bei der Analyse und Interpretation der Daten bedacht werden, dass es sich um eine qualitative Methode handelt. Die anhand einer geringen Stichprobe erhobenen Daten müssen in ihrer Verlässlichkeit kritisch betrachtet werden und können möglicherweise nicht auf die Gesamtheit der Lernenden an Gesamtschulen übertragen werden. Die Leitfäden für die Interviews wurden anhand einer kleinen Stichprobe (n = 3) pilotiert. Im Anschluss an die Pilotierung wurden die Fragen präzisiert und erweitert, sodass eine Anleitung durch die Fragen des Interviewenden möglich ist, die Antworten der Schüler*innen allerdings nicht vorweggenommen oder eingeschränkt werden. Sowohl in der Pilotierung als auch in der Haupterhebung (Prä und Post) wurden die Fragen unmittelbar nach der Durchführung einer Schreibaufgabe erhoben, die von den Proband*innen das Verfassen einer historischen Beschreibung, Erklärung und Begründung erfordern. Da es sich bei dem Projekt um eine quasi-experimentelle Feldstudie handelt, wurden die Schüler*innen am Lernort Schule interviewt. Alle Interviews wurden am Vormittag (zwischen 8:30 und 12:30) durchgeführt. Die kognitiven Anforderungen, denen sich die Schüler*innen im Vorfeld ausgesetzt sahen sowie ihre Motivation ist aus diesem Grund vergleichbar einzuschätzen. Die Dauer der Interviews liegt zwischen vier und elf Minuten.

111

Qualitative Erhebung

Schülercode GEHGDu7a-10

Datum Prä

GEHGDu7a-16 GEHGDu7b-06 GEHGDu7b-16 GEHGDu7b-22

21.01.

GEHGDu7d-01 GEHGDu7d-07

Beginn 12:24

Dauer 04:31

12:18 09:17

04:27 05:22

08:44 08:55

05:52 07:11

10:05 11:13

05:28 04:12

GEDFDd7d-02 GEDFDd7d-06

08.01.

11:29 12:03

08:12 06:48

GEDFDd7d-16 GEDFDd7d-20

11.01.

11:47 09:55

05:58 04:12

GEDFDd8c-07 GEDFDd8c-20

10.01.

09:39 09:32

05:05 05:42

08:26 09:07

03:37 06:40

08:52 11:14

06:49 04:14

10:57 13:22

06:03 05:08

11:32 11:25

05:52 07:09

GEDFDd8c-25 GEKHKo8e-06 GEKHKo8e-10 GEKHKo8f-04

14.01.

GEKHKo8f-08 GEKHKo8f-16 GEKHKo8c-04 GEKHKo8c-09

05.02.

Datum Post

Beginn

Dauer

02.07.

08:36

03:34

07.06.

09:31 10:00

06:39 07:58

09:22

05:01

11:05

04:21

10:59 10:52

05:08 04:19

08:38 08:46

03:38 05:36

03.06.

26.06.

GEKHKo8c-23 11:14 06:21 09:36 04:48 Tabelle 5: Erhebungstermin und Dauer der Interviews (Prä und Post). Alle Interviews wurden im Jahr 2019 durchgeführt

Die Schüler*innen wurden, da es sich um Einzelinterviews handelt, in separaten Räumen befragt. Auf diese Weise kann eine Beeinflussung bzw. die Ablenkung durch Mitschüler*innen vermieden werden (Trautmann 2010, S. 87). Aufgenommen wurden die Interviews mit dem Audiorekorder eines Smartphones. Während ein Aufnahmegerät oder eine Kamera die Nervosität bzw. Befangenheit der Befragten hätten verstärken können, ist das Smartphone ein Alltagsgegenstand, der in der Interviewsituation schnell in Vergessenheit geriet. So konnte eine natürliche Gesprächsatmosphäre evoziert werden. Die Qualität der Tonaufnahmen ist für den angestrebten Gebrauch vollkommen ausreichend. Die Interviews wurden von zwei Personen durchgeführt. Fast alle Interviews wurden von der Autorin selbst durchgeführt, wenige Interviews der Post-Erhebung wurden von einer im Vorfeld durch Einweisung in den Fragebogen, Auseinandersetzung mit den Prä-Daten und Übungen mit Kolleg*innen geschulten Hilfskraft erhoben. Beide Durchführende achteten besonders darauf, möglichst

112

Methode

wenig einzugreifen, neutral aufzutreten und die eigene Position gegenüber den Fragen bzw. Antworten nicht zum Ausdruck zu bringen. Aufbau des Interviews Interviewleitfaden Einstieg 1) Denk an deinen Gesellschaftslehreunterricht: Hast du im GL-Unterricht schon einmal von Operatoren [oder auch Schlüssel-, Hinweis- oder Signalwörtern] gehört? JA: Kannst du mir sagen, was mit dem Begriff gemeint ist? NEIN: Kennst du den Begriff Operator aus anderen Fächern, zum Beispiel dem Deutschunterricht? NEIN: Kannst du dir vorstellen, was mit dem Begriff gemeint ist? Hauptteil Beschreiben 2) Was bedeutet für dich Beschreiben? 3) Kannst du dich an eine Aufgabe aus dem GL- Unterricht erinnern, bei der du etwas beschreiben solltest? 4) Wem beschreibst du häufiger etwas? 5) Wenn du eine Beschreibung machst: Schreibst du sie dann auf, oder beschreibst du eher mündlich? 6) Ich habe dir eine Aufgabe mitgebracht: »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter.« Stell dir vor, ein*e Mitschüler*in versteht die Aufgabe nicht und bittet dich um Hilfe. Was muss sie/er tun, um die Aufgabe zu lösen? Erklären 7) Was bedeutet für dich Erklären? 8) Kannst du dich an eine Aufgabe aus dem GL- Unterricht erinnern, bei der du etwas erklären solltest? 9) Wem erklärst du häufiger etwas? 10) Wenn du eine Erklärung machst: Schreibst du sie dann auf, oder erklärst du eher mündlich? 11) Hier ist noch eine zweite Aufgabe für dich: »Erkläre, warum sich im Mittelalter viele Menschen in der Nähe einer Burg ansiedelten. ›Ansiedeln‹ bedeutet so viel wie ›wohnen‹ oder ›leben‹.« Auch hier braucht dein*e Mitschüler*in Hilfe. Was muss sie/er tun, um die Aufgabe zu lösen? 12) Wie kann man eine Beschreibung und eine Erklärung unterscheiden? Ende 13) Wir sind mit dem Interview hier am Ende. Vielen Dank für deine interessanten Antworten. Möchtest du noch etwas sagen oder fragen, dass dir wichtig ist? Tabelle 6: Aufbau und Fragen des Leitfadeninterviews

Qualitative Erhebung

113

Eingeleitet wurde das Interview mit einer kurzen Information zu Inhalt, Ziel und Ablauf der Befragung. Den Schüler*innen wurde die Gelegenheit zu Rückfragen gegeben. So soll den Befragten die Möglichkeit eröffnet werden, sich in die Interviewsituation einzufinden. Wie bei leitfadengestützten Interviews üblich, orientieren sich die Fragen vom Allgemeinen zum Speziellen. Nach den eröffnenden Fragen zum Operatorenbegriff schließen sich die Fragen zum Beschreiben und Erklären an, abschließend wird der Vergleich zwischen den beiden Operatoren in den Blick genommen. Auch innerhalb der thematischen Blöcke werden die Fragen zunehmend spezifisch. Die erste Frage: Hast du schon mal von Operatoren gehört? zielt einerseits auf den Umgang mit den Begriffen ab, soll die Teilnehmer*innen aber auch für den Kern des Interviews sensibilisieren (Vgl. Atteslander 2008, S. 129). Durch die Einführung des Operatorenbegriffs wird der Fokus des Interviews auf sprachliche Handlungen im Unterricht gelenkt. Sofern den Befragten der Begriff Operator bekannt ist, schließt sich die Frage: Kannst du mir sagen, was mit dem Begriff Operator gemeint ist? an. Im Verlauf der Befragung wurde deutlich, dass der Begriff des Schlüssel-, Signal- bzw. Hinweiswortes in der Sekundarstufe I geläufiger ist, weshalb das Interview um die Frage nach diesen Wörtern ergänzt wurde. Bei einer zutreffenden Vorstellung über die Begriffsbedeutung, wird die Frage: Welche Operatoren kennst du? angeschlossen. Bei Verneinung der ersten Frage, stößt die Folgefrage: Kannst du dir vorstellen, was mit dem Begriff gemeint ist? die Hypothesenbildung an. In Anbindung an die Antworten wird weiter zur Erklärung des Begriffs angeregt. Bei von der Begriffsbedeutung abweichenden Hypothesen erfolgt eine Erläuterung des Begriffs Operator. Anschließend wird mit dem Hinweis: Wir wollen über zwei Operatoren sprechen: Beschreiben und Erklären. Wir schauen uns zunächst das Beschreiben genauer an zum Hauptteil des Interviews übergeleitet. Die Frage: Was bedeutet für dich Beschreiben? zielt auf die Erläuterung der grundlegenden Eigenschaften einer Beschreibung. Um das Musterwissen genauer erfassen zu können, folgt die Frage: Wem beschreibst du häufiger etwas? Durch die genannte Frage wurden Einblicke in das Wissen zu Konstellation und Zwecken der sprachlichen Handlung gewonnen werden, die wesentliche Merkmale des Musterwissens darstellen. Im Zuge der Erhebung wurden, resultierend aus den Äußerungen der Schüler*innen, die Fragen: Kannst du dich an eine Aufgabe aus dem GL-Unterricht erinnern, bei der du etwas beschreiben solltest? und Wenn du eine Beschreibung machst, schreibst du sie dann auf, oder beschreibst du eher mündlich? ergänzt. Durch die drei Fragen sollen der Adressatenbezug und die spezifische Kommunikationssituation, in der eine Beschreibung angefertigt wird, zusätzlich genauer umrissen werden. Außerdem versuchen die Fragen den (fach-)inhaltlichen Grundlagen bzw. zu beschreibenden Objekten bzw. Sachverhalten (Bild, Text, Person, Ereignis…) nachzugehen. Die

114

Methode

letzte Frage widmet sich zudem der medialen Konzeptionierung der sprachlichen Handlung. Um die Teilschritte, die beim Beschreiben vollzogen werden müssen, abzubilden, wurde die Frage: Ich habe dir eine Aufgabe mitgebracht: »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter.« Stell dir vor, ein Mitschüler versteht die Aufgabe nicht und bittet dich um Hilfe. Was muss er tun, um die Aufgabe zu lösen? verwendet. Diese Frage zielt nicht auf eine inhaltliche Bearbeitung durch den Befragten ab. Vielmehr geht es darum, das Vorgehen, also die zu absolvierenden Teilschritte beim Anfertigen einer Beschreibung, zu exemplifizieren.7 Neben der mündlichen Formulierung der Fragestellung durch die/den Interviewer lag die Aufgabe den Schüler*innen auch schriftlich vor, sodass sie gegebenenfalls konkreten Bezug zur Formulierung nehmen konnten. Ein ähnlich konzipierter Fragenblock schließt sich zum Erklären an. Die einzige Unterscheidung liegt in der beispielhaft zu erklärenden Fragestellung, die lautet: »Erkläre, warum sich im Mittelalter viele Menschen in der Nähe einer Burg ansiedelten.« Die Aufgabe wurde ergänzt durch den Hinweis: »Ansiedeln heißt so viel wie ›wohnen‹ oder ›leben‹, also warum lebten Menschen im Mittelalter in der Nähe einer Burg.« Auch diese Aufgabe wurden den Schüler*innen mündlich vorgetragen und lag zusätzlich in schriftlicher Form vor. Der letzte thematische Schwerpunkt des Interviews widmet sich der Unterscheidung von Beschreibung und Erklärung. Hier wurde die Frage: Wie kann man eine Erklärung und eine Beschreibung unterscheiden? eingesetzt, die Aufschluss über die Möglichkeiten der Abgrenzung zwischen den sprachlichen Handlungen geben soll. Am Ende des Interviews besteht für die Befragten die Möglichkeit, zusätzliche Anmerkungen oder Rückfragen einzubringen. Auswertung der Interviews Anhand der Antworten werden die Vorstellungen, die die Schüler*innen aus sprachlicher und fachlicher Sicht zum Beschreiben und Erklären in den Unterricht einbringen, analysiert. Es empfiehlt sich ein inhaltsanalytisches Vorgehen. Dazu werden die Interviews zunächst transkribiert. Eine mögliche Methode zur Transkription stellt das Gesprächsanalytische Transkriptionssystem (GAT) dar, deren Vorteile in ihrer Fokussierung auf die Inhaltsebene und den einfachen Nachvollzug der Transkripte liegen. Die Transkripte verzichten auf eine phonetische Umschrift, erfassen aber die relevanten Phänomene der Interviewsituation. Die Interviews werden auf der Stufe eines Minimaltranskripts verschriftlicht, sodass die Daten für inhaltsanalytische Verfahren genutzt werden 7 Während der Durchführung der Interviews wurde deutlich, dass die Mehrheit der Befragten nicht in der Lage war, Handlungsanweisungen zum Bearbeiten der Aufgabe zu erteilen. Die Schüler*innen wurden stattdessen gebeten, die Aufgabe selber zu lösen. Ihre Überlegungen sollten sie dabei mündlich, angelehnt an die Methode des Lauten Denkens (Vgl. Konrad 2020) wiedergeben.

Qualitative Erhebung

115

können (Selting/Auer/Barden et al. 1998; Selting/Auer/Barth-Weingarten et al. 2009). Es ergibt sich dementsprechend eine vollständige und wörtliche Transkription der Interviews. Genutzt wurde in der vorliegenden Untersuchung das Transkriptionsprogramm Maxqda. Anschließend erfolgt die inhaltsanalytische Auswertung der Interviews. Da eine umfassende Menge halbstrukturierter Interviews so zusammengefasst werden soll, dass aus den Daten zentrale Informationen (zur Kategorienbildung) herausgefiltert werden können, bietet sich die Qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring an. Besonderheiten der Inhaltsanalyse sind, dass sie sich auf fixierte, im konkreten Fall also transkribierte Kommunikation bezieht. Das Material ist Teil des Kommunikationsprozesses und erlaubt Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte, in der vorliegenden Arbeit also zum Musterwissen der Schüler*innen und ihren sprachlichen Konzepten. Das Vorgehen erfolgt systematisch, sowie regel- und theoriegeleitet (Mayring 2015, S. 12f). Als Aufgaben Qualitativer Inhaltsanalyse nennt Mayring die Theorie- und Hypothesenprüfung (2015, S. 22ff), weshalb sich das Vorgehen für die vorliegende Studie besonders anbietet. Im Zuge einer zusammenfassenden Analyse wird das Material zunächst anhand der theoretisch entwickelten Kategorien analysiert. Als Analyseeinheiten dienen dabei einzelne Äußerungen, wie beispielsweise »ich schreibe« oder »dir«, bis hin zu syntaktischen Verknüpfungen aus mehreren Sätzen. Die inhaltstragenden Textstellen werden je nach Abstraktionsgrad paraphrasiert und anschließend anhand der grundlegenden Kategorien strukturiert. Nicht alle Auswertungskategorien können vor der Analyse bestimmt werden. Es ist möglich, dass sich weitere Kategorien aus dem erhobenen Material entwickeln (Vgl. Schmidt 2010, S. 474). Die sich aus dem Material neu ergebenen bzw. weiter ausdifferenzierten Kategorien werden schließlich am Ausgangsmaterial rücküberprüft. Die Kategorienbildung erfolgt zunächst deduktiv, die Schärfung der Kategorien ergibt sich jedoch induktiv aus dem erhobenen Material. Der so entwickelte Kodierleitfaden besteht aus den Über- und ausdifferenzierten Unterkategorien, sowie Definitionen und Ankerbeispielen, die zur Auswertung herangezogen werden können. Um die Verständlichkeit und Angemessenheit des Instruments zu gewährleisten, wurde das Kategoriensystem nach Abschluss der induktiven und deduktiven Kategorienbildung zwei externen Personen zur Prüfung vorgelegt.

116

Methode

Frageblock Kategorie Kenntnis Hypothese I

II & III nur II

Beispiel

Deklaratives Wissen und Vorstellungen zum Gegenstand der Sprachhandlung Gegenstandsbeschreibung Präzisierung der Gegenstandsbeschreibung, z. B. bei Bildern oder Gegenständen: Ebene der Beschreibung

Struktur Medialität Funktion (Medialität) Einflussfaktor (Medialität) Adressat/Bezug Personen (Bezug) bestimmter Personenbezug (Bezug)

nur III

II & III

Abfrage von deklarativem bzw. metakognitivem Wissen zum Begriff »Operator« Beispiel für einen Operator durch konkrete Nennung, Funktionsbeschreibung oder Beschreibung einer Aufgabenstellung

Gegenstand

Teilschritte

II & III

Definition Abfrage der Begriffskenntnis

Handlungsschritte, die beim Beschreiben/Erklären vollzogen werden; zu realisierende Bestandteile und sprachliche Mittel Strukturelle Merkmale der Sprachhandlung, formaler Aufbau Vollzug der Sprachhandlung (mündlich – schriftlich) sofern Kategorie Medialität erfüllt ist: Epistemisches Schreiben als leitendes Moment zur schriftlichen Produktion der Sprachhandlung sofern Kategorie Medialität erfüllt ist: Faktoren, die die Medialität (mündliches bzw. schriftliches Verfassen der Sprachhandlung) beeinflussen Situativer Kontext bzw. Bezugsrahmen, in dem die Sprachhandlung initiiert wird sofern Kategorie Adressat/Bezug erfüllt ist: Spezifizierung des Adressatenbezugs sofern Kategorie Personen (Bezug) durch einen bestimmten Personenbezug erfüllt ist: Spezifizierung des Adressaten

Produzent Aktanten

Produzent(en) der Sprachhandlung Sprachhandelnde, die am Vollzug der Sprachhandlung im situativen Kontext teilnehmen

Zweck Formalia/Bedingungen

Zweck der sprachlichen Handlung (Sprachliche) Besonderheiten bzw. Formalia, die für das Verfassen der Sprachhandlung gelten (differenziert in Umfang und Modus)

Fachliche Anbindung/ Fachkonzept Beispiel GL/GU

Anbindung der sprachlichen Handlung an fachliche Inhalte und Konzepte Beispiel für fachliche Anbindung an den Gesellschaftslehre-/ Geschichtsunterricht

Qualitative Erhebung

117

(Fortsetzung) Frageblock Kategorie Fähigkeit/Selbstkonzept nur III II & III

Konzeptgleiche Sprachhandlung

Definition Selbstkonzept zur Sprachhandlung im Hinblick auf die Fähigkeiten, die zum Vollzug benötigt werden Sprachliche Handlungen, die konzeptgleich/ähnlich zum Beschreiben bzw. Erklären betrachtet werden

Block I: Fragen zu Operatoren Block II: Fragen zum Operator Beschreiben Block III: Fragen zum Operator Erklären Tabelle 7: Übersicht über die induktiv und deduktiv erarbeiteten Kategorien zur Auswertung der Interviews

Erhebung der Schreibprodukte Zusätzlich zu den Interviews werden die Schreibprodukte der Schüler*innen, die sie zu Erhebungszeitpunkten vor und nach der Interventionsphase erstellt haben, in das Forschungsvorhaben einbezogen. Im Rahmen der Schreibaufgabe zur Textsorte Historisches Sachurteil wurden die Schüler*innen mit vier Aufgabenstellungen zum Benennen, Beschreiben, Erklären und Begründen konfrontiert. Die Bearbeitungszeit für die Aufgaben betrug 45 Minuten. Die Einführung zur Schreibaufgabe, aber auch zu allen weiteren eingesetzten Instrumenten, erfolgte durch Wissenschaftler*innen und Wissenschaftliche Hilfskräfte des Projekts SchriFT. Genutzt wurden standardisierte Einführungstexte, die zum spezifischen Testzweck entwickelt wurden. Die Durchführenden gaben sich als Mitarbeiter*innen der Universität zu erkennen, deren Anliegen es ist, das Schreiben im Fachunterricht zu erforschen und Materialien für einen sprachsensiblen Fachunterricht zu entwickeln. Als Materialgrundlage für die Aufgabenbearbeitung dienten ein Darstellungstext sowie ein kurzer Quellenausschnitt. Zur Reduzierung der Komplexität wurde der Darstellungstext durch grafische, sachverhaltsbezogene Darstellungen ergänzt. Die Schreibaufgabe zum Thema »Der Bau der Pyramiden« lehnt sich eng an die von Wickner entwickelte Schreibaufgabe an (2019, S. 133), unterscheidet sich jedoch durch den Einbezug des Quellenmaterials, die Erweiterung der Begründe-Aufgabe sowie die Wahl des Operators Beschreiben statt Schildern. Die Schreibaufgabe »Die Olympische Spiele« wurde für eine gekreuzte Testung im Prä-Post-Design neu entwickelt. Beide Varianten sind in Umfang und Komplexität vergleichbar. Es ist anzunehmen, dass die Inhalte der Schreibaufgaben bereits aus dem GL-Unterricht der fünften bzw. sechsten Jahrgangsstufe bekannt sind, da sie den Inhaltsfeldern Eins (Frühe Kulturen und erste Hochkulturen) und Zwei (Antike Lebenswelten – Griechische Poleis und Imperium Romanum) des Kernlehrplans Gesellschafts-

118

Methode

lehre für das Land Nordrhein-Westfalen zuzuordnen sind (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2011). Zudem wird durch beide Themen ein motivierender Zugang zur Schreibaufgabe geschaffen. Die Aufgabenstellung zum »geheimnisumwobenen« Pyramidenbau fokussiert den Aspekt des Rätselhaften, der für Schüler*innen der Sekundarstufe I eine besonders interessengenerierende Funktion einnehmen kann. Die Beschäftigung mit den Olympischen Spielen nutzt den Gegenwartsbezug und die Interessenslage von Schüler*innen an sportlichen Wettkämpfen als Mittel, um die Motivation zum Schreiben zu erhöhen (Vgl. Sauer 2012, S. 90ff). Der Bau der Pyramiden Wie wurden die Steinblöcke auf die Pyramide gebracht? Benenne die Vorrich1 tung in einem Satz. Der Darstellungstext hilft dir.

Die Olympischen Spiele Bei welchem Wettbewerb traten die Sportler gegeneinander an? Benenne den Wettbewerb in einem Satz. Der Darstellungstext hilft dir.

Die Forscher streiten darüber, wie die Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unter-schiedlich. Beschreibe Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in ei- in einem Text genau und in eigenen genen Worten die verschiedenen Theori- Worten die verschiedenen Urteile der 2 en der Forscher. Schreibe so, dass jeZeitgenossen. Schreibe so, dass jemand mand, der den Darstellungstext nicht der den Darstellungstext nicht kennt, die kennt, die Positionen nachvollziehen Positionen nachvollziehen kann. (Darkann. (Darstellungstext) stellungstext) Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt wer3 den? Erkläre ausführlich. (Darstellungstext + Quelle) Manchmal kritisieren Forscher historische Quellen. Welche der beiden Aussagen hältst du für richtig? Begründe ausführlich. (Darstellungstext + Quelle) 4 A: Kennt sich Herodot wirklich so gut aus? A: Es reicht, die Quelle von Lukian zu kennen, denn Sport ist toll! Ich habe Zweifel an der Quelle. B: Herodot sagt immer die Wahrheit! Ich B: Kennt sich Lukian wirklich so gut aus? verlasse mich auf die Quelle. Ich lese auch andere Quellen. Tabelle 8: Schreibaufgaben

Die Benenne-Aufgabe wird nicht ausgewertet, sondern dient der kognitiven Aktivierung und gedanklichen Vorbereitung auf die anschließenden Teilaufgaben. Die Beschreibe-Aufgaben werden durch den Zusatz »Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann. (Darstellungstext)« ergänzt. Die Formulierung wurde im Hinblick auf die Überlegungen von Bachmann/Becker-Mrotzek angefügt, die der Profilierung von Aufgabenstellungen eine besondere Bedeutung beimessen. Die Autoren heben die Einbindung von Schreibaufgaben in »einen Kontext sozialer Interaktion« durch Adressaten- und Zielorientierung als besondere Bedingung schreibdidaktischer Settings hervor (2010, S. 195).

Qualitative Erhebung

119

Genau wie bei dem zugrundeliegenden Material wurde auch bei der Konzeptionierung der Schreibaufgaben besonderes Gewicht auf Vergleichbarkeit gelegt. Aus diesem Grund fordern die Aufgabenstellungen von den Proband*innen die Beschreibung von jeweils zwei unterschiedlichen Positionen unter Berücksichtigung des Darstellungstextes. Als besonderes Fachspezifikum wurde der Aspekt der Multiperspektivität (Vgl. Sauer 2012, S. 81ff) fokussiert. Die ErkläreAufgabe lautet: »Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich. (Darstellungstext + Quelle).« Während die Erklärung im Rahmen der Pyramidenbau-Aufgabe vor allem quellenkritische Gründe und den Verweis auf Kontroversität zulässt (z. B. dass widersprüchliche Theorien im Forschungsdiskurs präsent sind; dass Herodot erst 2000 Jahre nach dem Bau der Pyramiden in Ägypten war; dass Herodot unterschiedliche Darstellungen des Pyramidenbaus zugetragen wurden), erfordert die Lösung der Aufgabe zu den Olympischen Spielen eine Erklärung, die Multiperspektivität ins Zentrum stellt. Gefordert ist jeweils eine kausale Erklärung (causal explanation, vgl. Chapman 2016). Herangezogen werden können intentionale sowie narrative Erklärungsansätze. Auch die Begründe-Aufgaben sind möglichst vergleichbar formuliert. Beide Aufgaben beginnen mit der Aufgabenstellung: »Manchmal kritisieren Forscher historische Quellen. Welche der beiden Aussagen hältst du für richtig? Begründe ausführlich. (Darstellungstext + Quelle)«. Zwei fiktive Schüler*innen bieten Aussagen an, denen sich die Proband*innen anschließen können. Die Positionen dienen als Scaffold, um die kognitive Belastung beim Bearbeiten der Schreibaufgabe zu reduzieren (Vgl. Sweller 2011). Die Schreibaufgaben wurden zunächst qualitativ (n = 3) mittels Lautem Denken pilotiert. Bei den Teilnehmer*innen der Pilotierung handelt es sich um Schüler*innen, die am Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund an der Universität Duisburg-Essen teilnehmen. Während der Aufgabenbearbeitung wurden die Proband*innen aufgefordert, ihre Gedanken und Überlegungen zum Verständnis der Aufgabenstellung, zum Vorgehen und zu inhaltlichen und sprachlichen Hürden offenzulegen. Neben begrifflichen Überarbeitungen und der Vereinfachung der Textstruktur wurden die Aufgabenstellungen weiter geschärft. Darüber hinaus erfolgte eine quantitative Pilotierung (n = 108) der Schreibaufgaben an fünf Gesamtschulen im Ruhrgebiet und der angrenzenden Region. Der Operator Schildern wurde zu Gunsten des Operators Beschreiben verworfen. Die Anpassung dient der Vereinheitlichung der Schreibaufgaben zwischen den am Projekt SchriFT beteiligten Fächern (Vgl. Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019) sowie der Annäherung an die in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen und im Zentralabitur NRW verwendeten Operatoren. Auch die Situierung der Aufgabenstellung wurde durch den impliziten Verweis auf eine*n Leser*in weiter geschärft. Als alternative Erkläre-

120

Methode

Aufgabe wurde in Rahmen der Schreibaufgabe zu den Olympischen Spielen die Formulierung »Erkläre in mehreren Sätzen, warum die Olympischen Spiele auch als »Wettkampf für die Götter« bezeichnet wurden. Der Darstellungstext hilft dir.« erprobt. Um eine möglichst hohe Vergleichbarkeit zwischen den Schreibaufgaben zu erzielen, wurde die Variante jedoch verworfen und die oben vorgestellte Aufgabenstellung gewählt. Auswertung der Schreibaufgaben Die Auswertung der Schreibprodukte erfolgt anhand eines Kategoriensystems, welches im Rahmen des Projekts SchriFT entwickelt wurde. Grundlegende Überlegungen zum Kategoriensystem entspringen dem Zürcher Textanalyseraster (Nussbaumer/Sieber 1995) und dessen Adaption und Weiterentwicklung im Rahmen der ersten Förderphase des Projekts SchriFT (Wickner 2019, S. 136f). Das Kategoriensystem umfasst Aspekte der fachinhaltlichen sowie fachsprachlichen Textsortenfähigkeit. Neben Kategorien zur Erfassung der fachlichen Struktur des Sprachhandlungsmusters (z. B. Einleitungssatz, Schilderung von Theorien, Anführen von triftigen Gründen), wird der fachliche Gebrauch sprachlicher Mittel (z. B. Tempus, Konjunktionen, Konjunktiv) betrachtet. Die Kategorien umfassen dabei sowohl fachübergreifende Spezifika der sprachlichen Handlungen, wie zum Beispiel den Aspekt der Präzision für das Beschreiben (Vgl. Rehbein 1984) oder die besondere Gewichtung der Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit für das Erklären. Zudem fließen fachspezifische Besonderheiten in die Kategorien ein. So ist beim Anführen von Gründen nicht nur die Vollständigkeit und Strukturierung zwecks Leserlenkung im Allgemeinen zu beachten, sondern auch empirische und normative Triftigkeit im Besonderen zu berücksichtigen. Auch der für die Textsorte Historisches Sachurteil und damit für Beschreibung und Erklärung charakteristische Gebrauch des Tempus, Konjunktivs oder sprachlicher Distanzierungsmittel (Unpersönliche Formulierungen durch Passiv oder Passiv-Ersatzformen, graduierende Formulierungen) wurden bei der Kategorienbildung berücksichtigt. Für das Beschreiben konnten 16 Kategorien herausgearbeitet werden, von denen elf in den Summenscore einfließen, der zur Bewertung der Textsortenfähigkeit der Schüler*innen herangezogen wird. Bei den fünf nicht für den Summenscore relevanten Kategorien handelt es sich um realverteilte Subkategorien, die im Rahmen der Auswertung zusammengeführt und umcodiert werden. Für das Erklären enthält das Kategoriensystem 18 Kategorien, von denen wiederum zehn in den Summenscore einfließen. Einige Kategorien wiederholen sich in beiden Schreibaufgaben. Alle Kategorien, die in den Summenscore eingehen, werden anhand einer dreistufigen Skala (0 = nicht erfüllt; 1 = teilweise erfüllt; 2 = vollständig erfüllt) geratet. Ausnahmen stellen die Items »Konjunktiv« und »Graduierende Formulierungen« dar, die lediglich im System 0 – 2 geratet wurden. Der für das Rating verwendete Code setzt sich aus dem Fachkürzel (ge),

121

Qualitative Erhebung

dem Instrument (sa), dem Zeitpunkt der Erhebung (t1; t2) und der Bezeichnung der Kategorie (z. B. de für Einleitungssatz) zusammen. Kategorien Beschreiben Itemcode gesat12de gesat12t1

Item Einleitungssatz Schilderung I

Erfassen:

gesat12t2 gesat12pb

Schilderung II Problematisierung

gesat12df geasat12ak

Sachgerechtes Fazit Bezüge: Zusammengesetzt aus kausalen, finalen und konsekutiven Bezügen

Vollständigkeit; Präzision; empirische & normative Triftigkeit

gesat12kxk Konnexion: Kontrast gesat12tp Tempus gesat12ug gesat12koj

Unpersönlichkeit Konjunktiv

adressatenorientierte; kohärenzstiftende; fachsprachliche Mittel

gesat12gf Graduierende Formulierungen Tabelle 9: Übersicht der Kategorien zur Teilaufgabe Beschreiben im Fach Geschichte Kategorien Erklären Itemcode gesat13de

Item Einleitungssatz

gesat13ru gesat13te

Reproduktion der Ursache Transfer-Erklärung

gesat13df geasat13ak

Erklärendes Fazit Bezüge: Zusammengesetzt aus kausalen, finalen und konsekutiven Bezügen

gesat13kxk Konnexion: Gliederung, Präzisierung, Kontrast gesat13tp Tempus gesat13ug gesat13koj

Unpersönlichkeit Konjunktiv

Erfassen: Vollständigkeit; Nachvollziehbarkeit; empirische & normative Triftigkeit

adressatenorientierte; kohärenzstiftende; fachsprachliche Mittel

gesat13gf Graduierende Formulierungen Tabelle 10: Übersicht der Kategorien zur Teilaufgabe Erklären im Fach Geschichte

Die Sicherung und Auswertung der Daten erfolgte mittels SPSS. Zur Überprüfung der Testinstrumente wurde die Übereinstimmung unterschiedlicher Bewerter*innen (Interrater-Reliabilität) ermittelt. Der Cohens-Kappa-Koeffizient liegt bei den für den Summenscore relevanten Kategorien bei κ > .60 , sodass angenommen werden kann, dass das Instrument die Textqualität mit ausreichender Genauigkeit misst (Vgl. zum Grenzwert Bortz/Döring 2016). Einige Werte liegen unter dem Grenzwert einer guten Beurteiler-Übereinstimmung, in der Lite-

122

Methode

ratur finden sich jedoch unterschiedliche Angaben zur Beurteilung des CohensKappa-Koeffizienten. So schlagen sowohl Greve/Wentura (1997) als auch Landis/Koch (1977) vor, auch κ-Werte zwischen .40 – .60 als annehmbar zu betrachten. In diesen Bereich fällt beispielsweise die Kategorie der eigenen Wortwahl (gesat12ew), bei der κ = .43 beim Beschreiben und κ = .45 beim Erklären beträgt. Ebenso verhält es sich mit der Kategorie »Unpersönliche Formulierungen«. Unter dem akzeptablen Schwellenwert liegt die Kategorie »Tempus« die beim Beschreiben κ = .23 und beim Erklären κ = -23 entspricht. Anzunehmen ist, dass es sich um eine komplexe Kategorie handelt, die mehrere Auswertungsebenen umfasst. Die Rater*innen müssen nicht nur feststellen, welche Tempi verwendet, sondern auch, ob diese historisch korrekt eingesetzt wurden. Das Rating gliedert sich in 0 = durchgängig falscher Tempusgebrauch, 1 = z.T. richtiger Tempusgebrauch und 2 = durchgängig richtiger Tempusgebrauch. Es bietet sich an, die Kategorie zu reduzieren und aufzuteilen, um so den Tempusgebrauch differenzierter zu betrachten. Die Konstruktvalidität wurde mittels Cronbachs Alpha erfasst. Die entsprechenden Werte liegen für die Beschreibe-Aufgabe (α = .691) sowie die Erkläre-Aufgabe (α = .657) in einem zufriedenstellenden Bereich (Vgl. Lienert/Raatz, 2011). Die Betrachtung der interviewten Stichprobe stützt sich jedoch nicht ausschließlich auf die Summenscores, sondern unterzieht die Textprodukte der Schüler*innen einer qualitativen Betrachtung. Auf diese Weise können qualitative Zusammenhänge zwischen den Interviewäußerungen und den Schreibaufgaben, beispielsweise hinsichtlich der Textstruktur, der Realisierung der sprachlichen Handlung und dem Referenzrahmen der Aufgabenstellung aufgezeigt werden. Obwohl die Schreibaufgaben thematisch Inhaltsfelder aufgreifen, die bereits im Gesellschaftslehreunterricht der fünften und sechsten Jahrgangsstufe im Kernlehrplan verankert sind, ist nicht davon auszugehen, dass die Schüler*innen überdurchschnittlich hohe Summenscores in den Teilaufgaben erreichen werden. Wie bereits dargelegt, kommt es im Geschichtsunterricht nur in begrenzter Weise zu konzeptionellem Schreiben. Es ist anzunehmen, dass die Herstellung eines kohärenten Textprodukts einen großen Teil der Stichprobe (sowohl qualitativ als auch quantitativ) vor erhebliche Herausforderungen stellt. Nicht alle Schüler*innen sind wohl in der Lage, den komplexen sprachlichen Anforderungen im Vorfeld der Intervention gerecht zu werden, zumal ihnen wesentliche Bestandteile der Textsorte sowie der sprachlichen Handlungen nicht geläufig sein könnten. Durch die Gestaltung des Kategoriensystems unter Berücksichtigung der Förderung durch den textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus ist es möglich, die Entwicklung der schriftsprachlichen Fähigkeiten beim Beschreiben und Erklären abzubilden.

123

Qualitative Erhebung

Weitere Instrumente Da im Projekt SchriFT bereits signifikante Zusammenhänge zwischen fachlichen und fachsprachlichen Textsortenfähigkeiten und Fachwissen (r = .45***; r = .38***) herausgestellt werden konnten, lohnt der Einbezug der Variable in die Betrachtung der Schüler*innentexte sowie ihrer Konstrukte zum Beschreiben und Erklären (Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 34ff). Neben den Schulnoten im Fach wurde deshalb ein Test zur Messung des Fachwissens durchgeführt. Bei dem Instrument handelt es sich um eine überarbeitete Version des von Wickner in Anlehnung an Gautschi entwickelten Testformats (Wickner 2019, S. 135). Die Aufgabenstellungen umfassen 49 Items, die sich in Multiple-Choice sowie true-false-Aufgaben unterteilen lassen. Alle Items greifen Inhalte des NRW-Kernlehrplans Gesellschaftslehre für die fünfte und sechste Jahrgangsstufe auf. Eine Auseinandersetzung mit den abgefragten Inhalten konnte in diesem Fall nicht sicher vorausgesetzt, aber dennoch angenommen werden. Durch die vorgenommenen Änderungen wurde der Fachwissenstest einer erneuten Pilotierung (n = 149) unterzogen. Die Verteilung der Summenscores entspricht mit wenigen Ausreißern bei 18 und 23 Punkten der Normalverteilung. Der Cronbachs Alpha liegt bei α = .794, was für eine gute Konstruktvalidität spricht.

Summenscores Fachwissenstest 10

Proband*innen (in %)

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Score

(max. 48 Punkte)

Abbildung 10: Prozentuale Punkteverteilung (Summenscore) der Pilotierung des Fachwissenstests (n = 149)

Die Bearbeitungszeit für den Fachwissenstest betrug 30 Minuten. Neben dem Wissen zu historischen Namen und Begriffen (insgesamt 14 Items) umfasst der Fachwissenstest Fragen zur Chronologie historischer Ereignisse (11 Items) sowie zu historischen Behauptungen (10 Items). Zudem wird deklaratives Wissen mit

124

Methode

dem Schwerpunkt Geschichtsrekonstruktion bzw. Methodenkompetenz erhoben, z. B. durch Fragen zu Text- und Bildquellen und Kartenmaterial. Das Instrument erlaubt so die Einschätzung deklarativen historischen Wissens. Um verschiedene Einflüsse auf die Schreibleistung gesondert betrachten zu können, wurden zudem relevante Kontrollvariablen erhoben. Neben der Messung allgemeinsprachlicher Fähigkeiten wie Leseverständnis (Salzburger Lesescreening), Wortschatz (C-Test, im Rahmen des Projektes entwickelt von Jana Kaulvers) und fachübergreifender Textsortenfähigkeit (Schreibaufgabe Bauanleitung), wurden kognitive Fähigkeiten mittels ausgewählter Skalen des CFT20R gemessen. Die sozio- und sprachbiographischen Daten sowie Selbsteinschätzungen zum fachlichen Lernen und zur Motivation wurden mit Hilfe von Fragebögen erhoben. Die Relevanz dieser Daten ergibt sich aus den vorgestellten Überlegungen zu den Schreibprozessmodellen der Textproduktion. Der im Projekt SchriFT, in Anlehnung an bereits vorliegende Studien (Vgl. Oecd 2006), entwickelte Fragebogen erlaubt neben Hintergrunddaten wie Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit auch die Beschreibung des Migrationshintergrunds, Spracherwerbstyps und die Selbsteinschätzung der Schüler*innen zum Sprechen und Schreiben sowie zu Einstellungen gegenüber dem fachlichen Lernen (Interesse & Motivation) (Uluçam-Wegmann/Akin/Akkus¸ et al. 2019, S. 64). Zur Messung fachübergreifender Textsortenfähigkeiten wurde neben der fachlichen Schreibaufgabe eine weitere, an den Deutschunterricht angelehnte Schreibaufgabe eingesetzt. Die instruktive Textsorte Bauanleitung wurde ebenfalls in vier Teilaufgaben (Benennen, Beschreiben, Erklären und Begründen) gegliedert. Die Testzeit lag, um Vergleichbarkeit zur fachlichen Schreibaufgabe zu gewährleisten, ebenso bei 45 Minuten. Die Auswertung der Schreibaufgabe erfolgt mit Hilfe eines Kategoriensystems, welches eng an das fachliche Instrument zur Messung der Textsortenfähigkeit angelehnt ist. Da anders als bei der fachlichen Schreibaufgabe kein explizites Fachkonzept als Grundlage in die Auswertung der Schreibaufgabe eingeflossen, allerdings eine hohe Überschneidung der sprachlichen Mittel nachzuweisen ist, wird das Testinstrument als Schreibaufgabe zur Messung der fachübergreifenden Textsortenfähigkeit betrachtet (Vgl. Roll/Bernhardt/Enzenbach et al. 2019, S. 32). Wie Ergebnisse des Projekts SchriFT zeigen konnten, lassen sich signifikante korrelative Zusammenhänge zwischen den fach(sprach)lichen und fächerübergreifenden Textsortenfähigkeiten (Schreibaufgabe Fach – Schreibaufgabe Bauanleitung) nachweisen, für das Fach Geschichte r = .35*** (n = 605). Für die Betrachtung der interviewten Stichprobe wird, wie auch im Falle der fachlichen Schreibaufgabe, nicht nur der Summenscore herangezogen, sondern zusätzlich eine qualitative Analyse der Textprodukte durchgeführt. Auf diese Weise können inhaltliche Zusammenhänge zwischen den Texten, aber auch den in den Interviews getätigten Äußerungen, hergestellt werden.

Qualitative Erhebung

125

Um weitere Einblicke in die sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten der Schüler*innen gewinnen zu können, wurden Erhebungen zum Leseverständnis und Sprachstand durchgeführt. Die Lesefertigkeiten der Schüler*innen wurden mit Hilfe des Salzburger Lese-Screenings (SLS; Mayringer/Wimmer 2005) erhoben. Das Instrument dient als Screening für eine basale Lesefähigkeit. Der sich aus dem Instrument ergebende Lesequotient (LQ) ermöglicht die Beurteilung der Lesefähigkeiten von Schüler*innen relativ zur statistischen Bezugsnorm. Wie auch bei dem Intelligenztestquotienten liegt der Mittelwert der Normierungsstichprobe bei 100 und wird entsprechend der Altersstufe angepasst. Als Instrument zur Erfassung des Sprachstands wurde ein C-Test eingesetzt, der von den Proband*innen das sinnvolle Füllen von Lücken (Tilgung der Hälfte jedes dritten Wortes beginnend beim zweiten Satz eines Textes) gefordert ist (Grotjahn 2002). Durch den Zusammenhang zwischen kognitiven Fähigkeiten und der Entwicklung, Speicherung und dem Einsatz von Wissen (hier: fachliches Musterwissen zum Beschreiben und Erklären) auf der einen und Sprachhandlungsfähigkeit auf der anderen Seite, ist es unerlässlich auch die Grundintelligenz als Kontrollvariable einzubeziehen. Zur Bestimmung der kognitiven Fähigkeiten der Schüler*innen wurden dem CFT-20R entnommene Skalen zum figuralen Denken genutzt. Mit Hilfe des Instruments können die kognitiven Fähigkeiten sprachfrei erfasst werden (Weiß 2006). Interventionsmodell Die Intervention wurde im Zeitraum von Januar bis Juli 2019 durchgeführt und folgt dem bereits aus linguistischer und fachdidaktischer Perspektive beleuchteten Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus. Wesentliches Moment der Schreibförderung ist die Ausrichtung auf das Erreichen fachlicher Lernziele und den Ausbau fachlicher Kompetenzen. Die Förderung umfasst zehn neunzigminütige Einheiten. Je nach Stundenmodell der teilnehmenden Schulen, wurden die Einheiten in zwei Einzelstunden (45 Minuten) oder einer Doppelstunde umgesetzt. Im Rahmen einer ausführlichen Schulung erhielten die Lehrkräfte bereits mehrere Wochen vor Beginn der Interventionsphase alle für die Durchführung notwendigen Unterlagen, darunter detaillierte Stundenverlaufspläne und alle für die Unterrichtsgestaltung notwendigen Materialien. Auch während der Interventionsphase wurden die Lehrkräfte betreut. Als Treatmentcheck fanden stichprobenartig Hospitationen des Unterrichts sowie Videographien statt. Für die siebte Jahrgangsstufe lag der Schwerpunkt der Intervention auf dem Inhaltsfeld Sieben: »Europa wandelt sich« (Ministerium Für Schule Und Weiterbildung NRW 2011, S. 95) und der inhaltliche Fokus damit auf Absolutismus, Revolution und Nationalstaatsgründung in Frankreich. Für die achte Jahrgangsstufe wurde ebenfalls das Inhaltsfeld Sieben gewählt, der inhaltliche Schwerpunkt verlagerte sich jedoch auf die Zeit des Vormärz und der deutschen

126

Methode

Nationalstaatgründung. Beide Schwerpunktgebiete wurden von den Lehrkräften im Vorfeld als relevant für die jeweiligen Jahrgangsstufen bezeichnet. Im Zentrum des entwickelten und eingesetzten Materials stehen die Historikerin Frau Schlau und ihr Sohn Cem. Cem möchte mehr über die Arbeit seiner Mutter erfahren, die gegenwärtig an der »Enzyklopädie der Geschichte« arbeitet, einem Sammelwerk, welches Sachurteile zu unterschiedlichen historischen Ereignissen umfasst. Diese Rahmung bildet den Einstieg in die Intervention. Eine detaillierte Modellierung des Kontextes der Textsorte Historischen Sachurteils erfolgte in der ersten Einheit. Mit Hilfe von schüler*innengerechten Materialien (z. B. Comics) wurden die Bedeutung von Schriftlichkeit und Urteilen in der Geschichte erarbeitet sowie die Funktion und Zielgruppe der Textsorte bestimmt. In diesem Zusammenhang wurden die sprachlichen Handlungen Beschreiben, Erklären und Begründen als textsortenspezifische Handlungsmuster herausgearbeitet. Für jede der drei sprachlichen Handlungen wurde der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus in einem drei Einheiten umfassenden Block vollzogen, sodass der Zyklus am Ende der Interventionsphase drei Mal vollständig durchgeführt wurde. Die Modellierung der sprachlichen Handlungen wurde spielerisch, beispielsweise durch ein Puzzle oder Memory, in dem Funktionen und Textausschnitte zusammengefügt und in die richtige Reihenfolge gebracht werden müssen, angeleitet. Zur Sicherung und als Grundlage für die folgenden Einheiten wurde am Ende der Modellierungseinheit ein Lernplakat erstellt, sodass die wesentlichen fachsprachlichen Merkmale des Beschreibens, Erklärens bzw. Begründens gut sichtbar und für die Schüler*innen präsent im Klassenraum platziert werden konnten. Ein besonderes Augenmerk lag auch auf dem Aspekt des Textverständnis, welcher durch gezielte Wortschatzübungen und die Aufarbeitung schriftlicher Quellen in Form kleiner Hörspiele Eingang in die Interventionsphase gefunden hat. Im Rahmen der anschließenden Gemeinsamen Rekonstruktion wurde beispielsweise die Reflexion über den Einsatz der Zeitformen, des Konjunktivs und sprachlicher Distanzmittel angestoßen. Neben der Betrachtung dieser Metaebene erfolgte die Anbahnung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit und der ihr übergeordneten Textsortenfähigkeit durch das gemeinsame Überarbeiten von Fehlertexten oder das Verfassen eines Textes anhand vorstrukturierten Materials im Plenum oder in Kleingruppen. Ergänzt wurde die Phase der Gemeinsamen Rekonstruktion durch Scaffolds wie Satzanfänge, Wortgitter und Wortlisten (zum Einsatz von Scaffolds in fachlichen Lernprozessen vgl. Handro/Kilimann 2019; Kaestner/Wehen 2020; Waldis/Nitsche/Gollin 2020). Beim Selbstständigen Schreiben, der abschließenden Phase des Lehr-LernZyklus, durften die Schüler*innen auf das zuvor erarbeitete Material zurückgreifen. Die Kontrolle und Überarbeitung der Textprodukte erfolgten mit Hilfe von Checklisten, die die Schüler*innen eigenständig nutzten. Binnendifferen-

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

127

ziertes Material wurde in Form von Sprinteraufgaben sowie vertiefenden Übungen zu grundlegenden fachsprachlichen Inhalten angeboten.

4.2

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

Sozio-biographische Daten Die Erhebung der Interviews erfolgte zwischen Januar und März 2019 (Prä-Test) sowie im Zeitraum von Ende Juni bis Anfang Juli (Post-Test) des selben Jahres. Die Stichprobe umfasst 23 Schüler*innen der siebten und achten Jahrgangsstufe an drei Gesamtschulen im Regierungsbezirk Düsseldorf. Sie sind Teil der Probandengruppe, die im Rahmen der Erhebung der zweiten Förderphase des Projektes SchriFT untersucht wurde. Bei der Zielgruppe des Interviews, Schüler*innen zwischen 12 und 15 Jahren, handelt es sich also um Befragte, die besondere Merkmale und Eigenschaften in die Kommunikationssituation einbringen. Bei der Erstellung und Auswertung der Leitfadeninterviews wurden den spezifischen Denk- und Verarbeitungsmechanismen der Jugendlichen bestmöglich Rechnung getragen. Jugendliche werden als soziale Akteur*innen und Expert*innen ihrer Lebenswelt betrachtet, die ihre eigenen Denkprozesse offenlegen und bewerten können und die an sie herangetragenen Konzepte und Modelle verstehen (Vgl. Trautmann 2010, S. 46f). Die Auswahl der interviewten Schüler*innen erfolgte zufällig, es handelt sich um eine Gelegenheitsstichprobe. Von Überlegungen, Schüler*innen anhand ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten im Fach auszuwählen (z. B. durch Noten oder Einschätzungen der Lehrkräfte) wurde Abstand genommen, um Effekte durch Zusatzinformationen seitens des Interviewers auszuschließen. Im Vorfeld der Intervention wurden 23 Schüler*innen interviewt. Im Anschluss an die Interventionsphase, die im Fachunterricht stattgefunden hat, wurden die Schüler*innen erneut zu ihrem Musterwissen befragt. Die Stichprobe reduzierte sich auf zehn Schüler*innen. Sowohl Prä als auch Post sind drei Schüler*innen der Kontrollgruppe (GEKHKO8c) zuzuordnen, die statt an der Intervention am Regelunterricht teilgenommen haben. Auch mit diesen Lernenden wurden Interviews durchgeführt, um zu betrachten, inwiefern es sich bei der möglichen Ausdifferenzierung von Konzepten zum Beschreiben und Erklären um eine Entwicklung handelt, die auch ohne die Förderung eingetreten sein könnten. Zwar erlaubt der Umfang der Stichprobe keine generalisierenden Aussagen oder den Rückschluss auf Lerneffekte, dennoch ist eine Differenz zwischen den Schüler*innen, die eine fachsprachliche Förderung durchlaufen haben, und den Lernenden, die am Regelunterricht teilgenommen haben, anzunehmen. Die Tabelle zeigt eine Übersicht über wesentliche Merkmale der Schüler*innen der Stichprobe, die im Folgenden genauer beschrieben werden.

12 12

12 13

13 14

13 13

15 13

HGDu7d-07 *DFDd7d-02

*DFDd7d-06 *DFDd7d-16

DFDd7d-20 DFDd8c-07

DFDd8c-20 DFDd8c-25

KHKo8e-06 KHKo8e-10

m w

w m

m m

w m

w w

w w

13 14

HGDu7b-22 HGDu7d-01

8 8

8 8

7 8

7 7

7 7

7 7

7

ja nein

nein nein

ja nein

nein ja

nein nein

ja ja

nein

2. Gen 2. Gen

2. Gen kein MiHi²

1. Gen 2. Gen

2,5 Gen 2. Gen

2,5 Gen 1. Gen

2. Gen kein MiHi2

2,5 Gen

keine Angabe 12 w

*HGDu7b-06 HGDu7b-16

nein

1. Gen

7

e)

keine Angabe 13 m

DaZ2 BL1

BL1 ML1/BL1

DAZ2³ BL1

BL1 BL1

BL1 DaZ2

BL1 ML1/BL1

DaZ2

DaZ21

f)

Ku Ro,Sr, Alb

Ar, Es Tr

Ar, Tr Sr,Alb

Ar, Fr, Nl Tr

Ar Ku

En, Yo Tr

Tr

Ar

g)

gesprochene Sprachen (neben Deutsch) Summenscore Fachwissenstest (Max. 48) Lesequotient (LQ) Intelligenzquotient (IQ)

HGDu7a-10 HGDu7a-16

g) h) i) j)

Alter Geschlecht Klasse Klassenwiederholung Migrationshintergrund Spracherwerbstyp (mono- bzw. bilingualer Erstspracherwerb (ML1, BL1); früher kindlicher Zweitspracherwerb (DaZ1); später kindlicher Zweitspracherwerb (DaZ2)) Code a) b) c) d)

a) b) c) d) e) f)

31 27

25 15

15 23

21 21

31 26

10 6

25 22

27 23

h)

71 81

90 90

k.A. 85

k.A. 79

92 84

69 66

93 84

k.A. k.A.

i)

j)

69 71

114 140

k.A. 66

72 88

82 72

78 60

90 92

k.A. 88

128 Methode

14 13

14 13

*KHKo8f-08 *KHKo8f-16

*KHKo8c-04 *KHKo8c-09

8

8 8

8 8 nein nein

ja nein

nein

2. Gen

2. Gen 2,5 Gen

2. Gen 2,5 Gen

BL1

BL1 BL1

BL1 BL1

Tabelle 11: Übersicht der qualitativen Stichprobe (ausgewählte Daten)

*KHKo8c-23 keine Angabe 1 = Lerner seit 2 Jahren 2 = evtl. dritte Generation oder Türkisch als Zweitsprache erworben (Vgl. h)) 3 = Lerner seit dem 7. Lebensjahr Die mit einem Sternchen (*) markierten Schüler*innen wurden Prä und Post befragt.

w w

w w

keine Angabe 14 m

KHKo8e-16 *KHKo8f-04

Ku,Tr En,Pt

Tr Tr

Tr

28

31 28

20 33

21 22

k.A.

94 68

68 72

94 93

114

73 91

99 99

68 79

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

129

130

Methode

Zur differenzierten Betrachtung der Ergebnisse der Interviewstudie werden fünf Gruppen gebildet, die das Leistungsspektrum der Stichprobe repräsentieren. Durch die Gruppierung der Lernenden soll insbesondere die erste Forschungsfrage beantwortet werden. Als leitende Hypothese wurde formuliert, dass sprachlich und fachlich starke Schüler*innen über fachbezogene, deutlich ausdifferenzierte Konzepte verfügen, schwächere Lernende jedoch eher über alltagssprachlich geprägtes Sprachhandlungswissen. Die Ausdifferenzierung und Fachspezifik der Konzepte werden dabei als Spektrum beschrieben. Die Gruppeneinteilung erfolgt anhand der erhobenen Kontrollvariablen. Zur Bestimmung der fachlichen Leistung wird der Gesamtscore des Fachwissenstest herangezogen. Als Schüler*innen mit durchschnittlichen Fähigkeiten werden dabei die Proband*innen betrachtet, deren Gesamtscore im Rahmen einer halben Standardabweichung um den Mittelwert (MFWT +/- 0,5* SD) verteilt liegt. Schüler*innen, die einen deutlich geringeren Gesamtscore erzielten, werden der unterdurchschnittlichen Gruppe zugeteilt; diejenigen Lernenden, deren Punktzahl deutlich über dem Mittelwert der Gesamtstichprobe lag, werden zum überdurchschnittlichen Teil der Stichprobe gezählt. Zur Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten werden das Lesescreening, der C-Test sowie die Beschreibe- und Erkläre-Teilaufgabe der fachübergreifenden Schreibaufgabe herangezogen. Auch hier wird der Mittelwert der Stichprobe als Maßstab zur Gruppeneinteilung herangezogen, zudem werden für die standardisierten Instrumente wie SLS und CFT-20R die normierten Vorgaben berücksichtigt. Aus der Einteilung gehen fünf Gruppen hervor: Zur ersten Gruppe zählen Lernende mit, gemessen an der gesamten Stichprobe, unterdurchschnittlichen sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten. Der zweiten Gruppe werden Schüler*innen mit fachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten, die lediglich über geringe sprachliche Kompetenzen verfügen, zugeteilt, bei der dritten Gruppe ist das Gegenteil der Fall. Die vierte Gruppe umfasst die Proband*innen mit fachlich und sprachlich gleichermaßen durchschnittlichen Fähigkeiten, wohingegen die stärksten Lernenden, die sowohl in den fachlichen als auch in den sprachlichen Erhebungsinstrumenten überdurchschnittliche Leistungen gezeigt haben, der fünften Gruppe zugeordnet werden. Um Redundanz zu vermeiden, werden jeder Gruppe lediglich zwei bis drei Schüler*innen zugeordnet. Die Stichprobe, die zur Beantwortung der Frage, inwiefern sich die Konzepte der Lernenden unterscheiden betrachtet wird, reduziert sich somit auf 12 Proband*innen.

131

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

Gruppe fachlich und sprachlich unterdurchschnittliche Leistungen fachlich überdurchschnittliche und sprachlich unterdurchschnittliche Leistungen fachlich unterdurchschnittliche und sprachlich überdurchschnittliche Leistungen

befragte Schüler*innen GEHGDu7d-01, GEDFDd7d-20, GEDFDd7d-02 GEHGDu7b-06, GEKHKo8c-23 GEKHKo8f-16, GEDFDd7d-06

GEDFDd7d-16, GEKHKo8f-04 GEKHKo8f-08, fachlich und sprachlich überdurchschnittliche Leistungen GEKHKo8c-04, GEKHKo8c-09 Tabelle 12: Gruppeneinteilung – Einordnung der befragten Schüler*innen im Leistungsspektrum fachlich und sprachlich durchschnittliche Leistungen

Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, wurden Schüler*innen aus drei Gesamtschulen in NRW (Duisburg, Düsseldorf, Köln) ausgewählt. Exakt die Hälfte der Befragten entstammt der Jahrgangsstufe Sieben, die andere Hälfte ist Teil des achten Jahrgangs. Das Alter der Teilnehmer*innen liegt zwischen 12 und 15 Jahren, wobei die Mehrheit der Schüler*innen (9 von 23) 13 Jahre alt ist. Sechs der Probanden mussten bereits eine Jahrgangsstufe wiederholen, woraus sich die dementsprechend größere Altersspanne ergibt. Es wurden sieben männliche und 12 weibliche Teilnehmer*innen befragt, drei Schüler*innen machten keine Angabe über ihr Geschlecht. Zwar könnte das Geschlecht aus den Audiodateien abgeleitet werden, doch soll aus moralischen Gründen darauf verzichtet werden. Gemessen am Landesdurchschnitt ist die Zahl der Schüler*innen, die aus einem sozioökonomisch eher schwachen Elternhaus stammen an den ausgewählten Schulen überdurchschnittlich hoch. Zudem weisen die Schulen einen hohen Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund auf. Als Person mit Migrationshintergrund wird in dieser Studie gemäß der Grundlage des Statistischen Bundesamtes definiert, wer »selbst oder [wessen…] Elternteil [mind. ein Teil] die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt« (2018, S. 4). Wie in Pisa und ähnlichen Vergleichsstudien wird unterschieden zwischen selbst eingewanderten Schüler*innen (1. Generation), Schüler*innen, deren Elternteile beide im Ausland, sie selbst aber in Deutschland geboren wurden (2. Generation) und Schüler*innen, bei denen dies lediglich für einen Elternteil zutrifft (2,5 Generation). 14 Schüler*innen haben die deutsche Staatsangehörigkeit, drei Schüler*innen (GEHGDu7a-16, GEDFDd7d-02, GEDFDd7d-20) gaben eine andere Staatsangehörigkeit an (Syrisch; Irakisch), über fünf der Teilnehmer*innen kann diesbezüglich keine Aussage getroffen werden. Nicht alle Schüler*innen wurden in Deutschland geboren, zwei Teilnehmer*innen (GEDFDd7d-02, GE-

132

Methode

DFDd7d-20) geben an, mit vier Jahren nach Deutschland gekommen zu sein, ein weiterer Schüler (GEHGDu7a-16) erst mit elf Jahren. Neben den drei Schüler*innen, die der 1. Generation von Migrant*innen zuzuordnen sind, ist ein Großteil der Befragten in die 2. bzw. 2,5 Generation von Zugewanderten einzuordnen. Lediglich bei zwei Schüler*innen sind beide Elternteile in Deutschland geboren, alle anderen Schüler*innen stammen aus Familien, in denen mindestens ein Elternteil einen Migrationshintergrund hat. Neben dem Deutschen nutzen die Schüler*innen im Umgang mit der Familie zahlreiche weitere Sprachen. Besonders häufig werden das Türkische und Arabische genannt, einige der Befragten sprechen zudem Englisch, Albanisch, Romani, Portugiesisch und Niederländisch mit ihren Familienmitgliedern. Deutsch haben fast alle Schüler*innen als L1 im Alter zwischen 0–3 Jahren erworben. Zwei Schüler*innen und ein Schüler (GEHGDu7b-16, GEKHKo8e-16, GEDFDd7d-02) geben an, Deutsch erst im Kindergarten (zwischen 4–6 Jahren) gelernt zu haben. Der Schüler mit syrischer Staatsangehörigkeit, der im Alter von vier Jahren nach Deutschland gekommen ist, verortet den Zeitpunkt des Deutscherwerbs in der Grundschule (7–10 Jahre) und der ebenfalls syrische Schüler, der mit elf Jahren zugewandert ist, gibt eben dieses Alter als Beginn des Deutscherwerbs an. Nur bei einem geringen Teil der Stichprobe ist es möglich, Aussagen über den Beruf und Schulabschluss der Eltern zu treffen, um so Rückschlüsse auf den ökonomischen Status der Familien ziehen zu können. Mehrheitlich handelt es sich um Geringverdiener und Selbständige, die ihre Schullaufbahn mit einem Realoder Hauptschulabschluss abgeschlossen haben. Von den befragten Schüler*innen geben vier (GEHGDu7d-01, GEKHKo8e-06, GEDFDd7d-20, GEHGDu7a-16) einen Förderschwerpunkt an, ohne weiter zu spezifizieren, um welchen es sich handelt. Aus der Stichprobenbeschreibung geht hervor, dass es sich um eine heterogene Stichprobe handelt. Aussagen über Lernende an anderen Schulformen, Jahrgangsstufen und Lernvoraussetzungen werden nicht möglich sein. Dennoch können Rückschlüsse auf die Gesamtstichprobe des Projekts SchriFT II gezogen werden, das vor allem Lernende an Gesamtschulen, an denen die Schülerschaft einen geringen sozioökonomischen Status und einen hohen Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund aufweist, in den Blick nimmt. Auch die Geschlechter- und Jahrgangsverteilung bildet die Gesamtstichprobe des Projekts ab. Fachliche Fähigkeiten Bei den Befragten handelt es sich um eine Gruppe, die bisher gute bis mittlere Noten im Regelunterricht im Fach Geschichte erzielt hat. Die Spannweite der Zensuren liegt zwischen sehr gut (1) und mangelhaft (5), der Median bei gut (2) und der Mittelwert bei 2,68 (Std.-Abw. 1,086), was in etwa der Note noch befriedigend (3+) entspricht. Auch das Fachinteresse der Schüler*innen scheint

133

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

hoch zu sein. 16 der befragten Schüler*innen geben an, die im Gesellschaftslehreunterricht behandelten Themen seien für sie interessant, 19 Schüler*innen bestätigen, dass ihnen die Beschäftigung mit Geschichte Spaß macht.

Fachliches Interesse und Motivation Proband*innen

12 10 8 6 4 2 0 trifft ganz zu

trifft eher zu

trifft eher nicht zu

trifft gar nicht zu

Zustimmung Ich finde die Themen interessant, die wir im Fach GL behandeln. Mich mit dem Fach GL zu beschäftigen, macht mir Spaß

Abbildung 11: Fachliches Interesse und Motivation im Fach Gesellschaftslehre

Neben den Schulnoten im Fach wurde deshalb ein Test zur Messung des Fachwissens durchgeführt. Alle Schüler*innen der betrachteten Stichprobe haben den Fachwissenstest bearbeitet. Ihnen gelingt es durchschnittlich etwa die Hälfte der Items richtig zu lösen (M = 22.43 (SD = 6.66); Median 23). Das Minimum liegt bei sechs Punkten (GEHGDu7d-01), das Maximum bei 33 richtigen Antworten (GEKHKo8f-16). Auch im Bereich des Fachwissens repräsentiert das Leistungsspektrum der Teilstichprobe die Gesamtstichprobe. Die durchschnittliche Fähigkeit der Proband*innen liegt, wie durch die RaschAnalyse mit Winsteps (Boone/Staver/Yale 2013, S. 164) ermittelt, leicht unter der durchschnittlichen Itemschwierigkeit des für das Fach Geschichte konzipierten Fachwissenstests. Auch bei der Gesamtstichprobe liegt die Personenfähigkeit leicht unter der Itemschwierigkeit. Unterschiede zwischen den Proband*innen mit dem Maximum an richtigen Antworten und der höchsten Personenfähigkeit ergeben sich aus der Gewichtung der Aufgabenstellung, die im Rahmen der Rasch-Analyse vorgenommen wird. Obwohl GEKHKo8f-08 weniger Aufgaben richtig beantwortet hat als GEKHK08f-16, erreicht der erstgenannte Proband eine höhere Personenfähigkeit, weil die gelösten Aufgaben als schwieriger gewichtet wurden. Auf Seiten der Personen zeichnet sich in etwa eine Normalverteilung ab, die sowohl Schüler*innen mit ausgeprägtem als auch mit basalem Fachwissen umfasst. Es handelt sich bei der verringerten Stichprobe also um eine repräsentative Auswahl der Gesamtstichprobe.

134

Methode

Sprachliche Fähigkeiten In der Stichprobe liegt der Lesequotient8 zwischen 66 (GEHGDu7d-01) und 94 (GEKHKo8c-04, GEKHKo8e-16). Über fünf Teilnehmer*innen der Interviewerhebung lassen sich bezüglich der Lesefertigkeiten keine Aussagen treffen. Nahezu die Hälfte der Schüler*innen erreicht einen LQ, der bei unter 90 liegt; vier Schüler*innen dieser Gruppe (GEHGDu7b-22, GEKHKo8c-09, GEKHKo8f-08) bleiben bei unter 70 Punkten. Somit befinden sich lediglich sieben Schüler*innen (GEDFDd8c-20, GEDFDd8c-25, GEHGDu7b-06, GEHGDu7d-07, GEKHKo8f-04) im Normbereich. Die Lesefertigkeit der Proband*innen bedarf bei der Auswertung der Schreibprodukte dementsprechend einer besonderen Berücksichtigung. Zur Interpretation des C-Tests werden der Richtig/Falsch-Wert (R/F-Wert) sowie der Worterkennungswert (WE-Wert) herangezogen. Der R/F-Wert ergibt sich aus dem Gesamtwert der semantisch, grammatikalisch und orthographisch richtig gefüllten Lücken. Demgegenüber setzt sich der WE-Wert aus den semantisch korrekt ergänzten Lücken zusammen, Grammatik und Orthographie werden nicht berücksichtigt. Die Differenz zwischen R/F- und WE-Wert lässt so Rückschlüsse auf das Verhältnis der produktiven und rezeptiven Sprachfertigkeiten der Schüler*innen zu (Baur/Goggin/Wrede-Jackes 2013, S. 9). Der maximal erreichbare Wert liegt bei je 100 Punkten. Vier Schüler*innen, davon zwei Lernende der Interventionsgruppe (GEDFDd7d-02, GEKHKo8f-08) und zwei der Kontrollgruppe (GEKHKo8c-04, GEKHKo8c-09) liegen im oberen Punktebereich und weisen nur eine geringe bis mittlere Differenz zwischen den Werten auf. Sie verfügen über eine gute allgemeine Sprachkompetenz. Über 50 Punkte in beiden Werten erreichen zudem die Schüler*innen mit dem Code GEDFDd7d-06, GEDFDDd8c-20 und GEKHKo8f-08. In einer leichten Streuung um den Mittelwert (mind. ein berücksichtigter Wert) von 50 Punkten liegen neun Schüler*innen (GEDFDd8c-07, GEDFDd8c-25, GEHGDu7b-06, GEHGDu7b-22, GEHGDu7d-07, GEKHKo8e-06, GEKHKo8e-10, GEKHKo8e-16, GEKHKo8f-04). Vier Schüler*innen dieser Gruppe (GEDFDd8c-25, GEHGDu7b-06, GEKHKo8e-06 und GEKHKo8f-04) weisen eine hohe Differenz zwischen R/F- und WE-Wert auf, sodass zwar ein durchschnittliches Textverständnis, aber auch Schwierigkeiten bei der formalsprachlich korrekten Umsetzung anzunehmen sind. Die Ergebnisse von fünf Schüler*innen (GEDFDd7d-16, GEDFDd7d-20, GEHGDu7a- 16, GEHGDu7b-16, GEHGDu7d-01) liegen im niedrigen Punktebereich (mind. ein Wert unter 30 Punkten), weisen jedoch eine geringe Differenz auf. Dieses Abschneiden weist auf fehlendes Textverständnis und eine geringe allgemeine Sprachkompetenz hin. Über zwei Schüler*innen (GEHGDu7a-10, GEKHKo8e-23) sind keine 8 Wie auch bei dem Intelligenztestquotienten liegt der Mittelwert der Normierungsstichprobe bei 100.

Beschreibung der Qualitativen Stichprobe

135

Aussagen möglich. Auch im Hinblick auf durch den C-Test erfassten Sprachstand handelt es sich bei der Stichprobe um eine heterogene Gruppe. Kognitive Fähigkeiten Der Intelligenzquotient liegt bei der qualitativen Stichprobe zwischen 140 (GEDFDd8c-25) und 60 (GEHGDu7d-01). Bei den beiden Extremwerten, die das Minimum bzw. Maximum der Stichprobe markieren, ist eine Verfälschung der Daten, z. B. durch Aufreißen der Bögen bzw. unzureichender Bearbeitung des Testinstruments nicht auszuschließen. Die Werte müssen bei der Interpretation der Ergebnisse deshalb kritisch betrachtet werden. Zwei weitere Schüler*innen (GEDFDd8c-20, GEKHKo8c-23) liegen über dem Mittelbereich der durchschnittlichen Intelligenz, vier Schüler*innen (GEDFDd8c-07, GEHGDu7d-01, GEKHKo8e-06, GEKHKo8e-16) deutlich darunter. Der Großteil der Stichprobe liegt in einem Bereich des unterdurchschnittlichen bzw. leicht unterdurchschnittlichen IQ; fünf der 23 Proband*innen erreichen den Normbereich. Über zwei Teilnehmer*innen der Interviewstudie lassen sich keine Aussagen treffen. Es zeigt sich, dass sowohl Schüler*innen mit hohen kognitiven Fähigkeiten als auch Lernende mit geringem IQ Teil der untersuchten Gruppe sind. Somit bildet die beschriebene Teilstichprobe auch im Bereich der Intelligenz die Verteilung der Gesamtstichprobe ab. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Stichprobe eine gleichmäßige Verteilung von männlichen und weiblichen Schüler*innen im Alter von 12–15 Jahren, die die Jahrgangsstufen Sieben und Acht besuchen, umfasst. Auffällig sind der besonders hohe Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund sowie die Vielfalt gesprochener Sprachen. Es ist anzunehmen, dass es sich um Lernende aus sozio-ökonomisch schwächeren Familienverhältnissen handelt. Nicht über alle Schüler*innen sind umfängliche Aussagen bezüglich der Kontrollvariablen möglich. Da die Testungen an unterschiedlichen Tagen (mind. zwei Testtermine pro Gruppe) durchgeführt wurden, kam es zu Fehlzeiten während der Erhebung. Sowohl Lernende mit hohen kognitiven, sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten sind Teil der Untersuchung als auch Schüler*innen die in allen Erhebungen nur im durchschnittlichen bzw. unterdurchschnittlichen Messbereich eingeordnet werden konnten. Es handelt sich um eine insgesamt heterogene Stichprobe, die jedoch als repräsentativ für die in der quantitativen Erhebung betrachtete Gesamtstichprobe angesehen werden kann.

136

4.3

Methode

Quantitative Erhebung

Methode und Vorgehen Neben der Betrachtung der qualitativen Interviewstichprobe widmet sich diese Arbeit der empirischen Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit und den Interventionseffekten, die aus der fachlichen Schreibförderung resultieren. Zudem werden Effekte der beschriebenen Kontrollvariablen auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit untersucht. Darüber hinaus besteht die Zielsetzung, ausgehend von den vorliegenden Daten ein holistischen Messmodell zu entwickeln, das eine ganzheitliche, d. h. sprachliche und fachliche Beurteilung von Beschreibungen und Erklärungen im Fachunterricht ermöglicht. Das Instrument soll Lehrkräften erlauben, einen auf die spezifische Aufgabenstellung angepassten Erwartungshorizont für Schüler*innentexte anzulegen und die Textprodukte zu bewerten. Als Datengrundlage dienen die erhobenen Schreibprodukte der Schüler*innen aus Prä- und Posttest, die mit Hilfe des vorgestellten Kategoriensystems ausgewertet wurden. Um eine vermeintliche Steigerung der Textsortenfähigkeit durch die doppelte Bearbeitung derselben Aufgabenstellung zu vermeiden, wurden die zuvor vorgestellten Schreibaufgaben zum Bau der Pyramiden und den Olympischen Spielen überkreuz getestet. Schüler*innen, die im Prätest die Aufgabe zum Pyramidenbau bearbeitet haben, erhielten im Posttest somit die Aufgabe zu den Olympischen Spielen. Im Anschluss an die Dateneingabe in SPSS wurde eine Bereinigung der Daten vorgenommen. Schüler*innen, die die Schreibaufgaben nicht oder nur unvollständig bearbeitet haben, wurden aus dem Datensatz ausgeschlossen. Beibehalten wurden nur die Schüler*innen bei denen die Kategorie Bearbeitung der Aufgabenstellung mit dem Wert Zwei geratet wurde.9 Für eine differenziertere Betrachtungen ist auch der Einbezug der Schüler*innen wünschenswert, die die Aufgaben im Prätest nicht oder nur unvollständig bearbeitet haben. Allerdings soll die vollständige Bearbeitung der Aufgabenstellung zur Entwicklung des Messmodells herangezogen werden, da insbesondere die unteren Ebenen eines solchen Messmodells durch die Teilbearbeitung verzerrt werden könnten. Die Konstrukte allgemeinsprachliche Fähigkeiten (C-Test Deutsch), kognitive Fähigkeiten (Skalen des CFT-20R), Lesefertigkeiten (SLS), kulturelles Kapital, Geschlecht und Teilnahme an der Intervention wurden ebenfalls mit SPSS ausge9 Im Rahmen der explorativen Datenanalyse wurden die Schüler*innen betrachtet, die die Schreibaufgabe im Prä-Test bearbeitet haben (gesat12gb = 2; gesat13gb=2). Um Interventionseffekte abbilden zu können, wurde als zusätzliches Kriterium die Bearbeitung der Schreibaufgabe im Post-Test gesetzt (gesat22gb = 2; gesat23gb = 2). Für die Kontrollvariablen gilt ebenfalls die Bedingung, dass die Instrumente bearbeitet sein müssen. Hinweise zu fehlenden Werten werden explizit in den entsprechenden Unterkapiteln kommuniziert.

Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

137

wertet und auf Vollständigkeit überprüft. Für zusätzliche Analysen wurde das Statistikprogramme Winsteps (Rasch) herangezogen.

4.4

Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

Sozio-biographische Daten Die Grundlage der quantitativen Analyse dieser Arbeit stellt eine Stichprobe (n = 364) von Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht an Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen dar. Die Schüler*innen stammen aus 14 Kassen (davon neun Klassen (n = 226) Interventions- und fünf Klassen Kontrollgruppe (n = 131)) aus vier Gesamtschulen. Bei der betrachteten Stichprobe handelt es sich um eine Gelegenheitsstichprobe. Bei der Akquise wurden gezielt Gesamtschulen im Ruhrgebiet und Rheinland angefragt, die Herkunftssprachenunterricht im Fach Türkisch anbieten. Das Auswahlkriterium erklärt die Zusammensetzung der Stichprobe, in der alle Schulen einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund aufweisen. Die Einteilung in Interventions- und Kontrollgruppe wurde durch schulinterne Kriterien (z. B. Zustimmung der Lehrkräfte, Einteilung durch die Schulleitung) bestimmt und nicht durch die Durchführenden beeinflusst. Als Einflussfaktor auf den Interventionserfolg ist dementsprechend die Motivation der Lehrkräfte zu betrachten, die jedoch nicht mit erhoben werden konnte. Die Stichprobe setzt sich aus 53.2 % weiblichen und 46.8 % männlichen Proband*innen zusammen. Die Altersspanne liegt zwischen 12 und 16 Jahren, das Durchschnittsalter beträgt 13.36 Jahre (SD = .880). Einen Migrationshintergrund besitzen rund 82.4 % der Schüler*innen. Damit ist der Anteil fast doppelt so hoch wie die für Nordrhein-Westfalen (43.6 %) bzw. die Sekundarstufe I an Gesamtschulen in NRW (44.1 %) angegebenen Werte (Ministerium Für Schule Und Bildung Des Landes NRW 2019). Angelehnt an die bereits vorgestellte Definition des Migrationshintergrundes und die Unterscheidung der 1., 2. und 2,5. Generation lässt sich folgende Verteilung der Stichprobe ausmachen: 33,8 % lassen sich der ersten Generation zuordnen, 22,4 % der Schüler*innen gehören zur 2.5. Generation. Die größte Gruppe lässt sich der 2. Generation zuordnen (43,8 %). Die Schüler*innen, die der 1. Generation angehören, sind im Alter von ein bis dreizehn Jahren nach Deutschland gekommen (M = 7.68, SD = 2.836). Rund 58,7 % der Schüler*innen können darüber hinaus als monolingual bezeichnet werden, 41,3 % sind mehrsprachig aufgewachsen. Hinsichtlich ihres Erwerbstypus, der Sprachnutzung und ihren Fähigkeiten in den verschiedenen Sprachen handelt es sich bei den mehrsprachigen Schüler*innen um eine heterogene Gruppe (Riehl 2006, S. 16f). Die an dieser Stelle vorgenommene dichotome Teilung der Gruppe ist deshalb zu Recht kritisch zu

138

Methode

betrachten. Eine gesonderte Betrachtung unterschiedlicher Gruppen bleibt jedoch ein Desiderat, das diese Arbeit nicht einlösen kann. Stichprobengröße 243 Schüler*innen haben die Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test bearbeitet, 216 Lernende die Erkläre-Teilaufgabe. Die Stichprobe, die zur Betrachtung der Interventionseffekte herangezogen wird, reduziert sich nach Bereinigung und Ausschluss der Fälle für das Beschreiben auf n = 156 (davon n = 88 als Teilnehmer*innen der Intervention) und n = 139 (davon n = 77 als Teilnehmer*innen der Intervention) für die Erkläre-Teilaufgabe. Lediglich 106 Schüler*innen haben beide Teilaufgaben in Prä- und Posttest bearbeitet (IG = 59, KG = 47). Die Stichprobengrößen, die sich für die Berechnung der Korrelationen und Regressionen aus der Bearbeitung der weiteren Erhebungsinstrumente ergeben, werden in den entsprechenden Unterkapiteln kommuniziert. Fachliche Fähigkeiten 277 Schüler*innen haben den Fachwissenstest im Prä-Test bearbeitet, 259 davon über die Hälfte der Aufgaben gelöst. Die Schüler*innen, die weniger als die Hälfte der Items bearbeitet haben, werden aus der betrachteten Stichprobe ausgeschlossen, da nicht differenziert werden kann, inwiefern mangelndes Fachwissen oder aber Motivation und Zeit als Einflussfaktoren auf die Aufgabenbearbeitung gewirkt haben. Die maximal erreichte Punktzahlt liegt bei 41 von 48 Punkten, das Minimum der bereinigten Stichprobe bei 6 Punkten (12,5 %) und der Mittelwert bei M = 22.59 Punkten (SD = 6.62). Die Stichprobe der Schüler*innen, die beide Teilaufgaben und den Fachwissenstest bearbeitet haben, umfasst 93 Schüler*innen (IG = 58, KG = 35). Zwischen Interventions- und Kontrollgruppe besteht im Prätest kein signifikanter Unterschied, sodass das Fachwissen beider Gruppen zu Beginn der Interventionsphase vergleichbar eingeschätzt werden kann. Zur Betrachtung des fachlichen Interesses und der Motivation werden ausgewählte Fragen aus dem Fragebogen betrachtet. Die dort eingesetzten Fragen sind entnommen aus bzw. angelehnt an die Erhebungsinstrumente des Projekts GanzIn (Pfänder/Schurig/Bos 2018; Bos/Schurig/Pfänder 2018) und werden im entsprechenden Unterkapitel, dass sich den Korrelationseffekten widmet, genauer dargestellt. Anhand einer vierstufigen Likert-Skala (1 = trifft ganz zu, 2 = trifft eher zu, 3 = trifft eher nicht zu, 4 = trifft gar nicht zu) sind die Schüler*innen zunächst aufgefordert, eine Selbsteinschätzung des schulischen Lernens abzugeben. Die drei entsprechenden Items lauten: »In den meisten Schulfächern lerne ich schnell« (kvimt11a), »In den meisten Schulfächern schneide ich in Klassenarbeiten gut ab« (kvimt11b) und »Ich bin in den meisten Schulfächern gut« (kvimt11c). Die Verteilung der Häufigkeiten zeigt, dass die Mehrheit der Schüler*innen ein positives Selbstbild aufweist. In allen drei Items

139

Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

geben lediglich 2 % der Befragten an, in der Schule nicht gut abzuschneiden bzw. nur langsam zu lernen. Variable

Absolute und prozentuale Kategorienhäufigkeit 1 2 3 4

fehl. Werte

kvimt11a

n 66

% 24.1

n 133

% 48.5

n 70

% 25.5

n 5

% 1.8

n 83

kvimt11b kvimt11c

43 64

16 23.5

125 138

46.5 50.7

95 64

35.3 23.5

6 6

2.2 2.2

88 85

Tabelle 13: Kategorienhäufigkeit Selbsteinschätzung

Die Selbsteinschätzung der Schüler*innen spiegelt sich in den GL-Noten wider. Lediglich ein*e Proband*in gibt an, die letzte Zeugniszensur sei Ungenügend (6) gewesen. 11 Schüler*innen (3.1 %) geben Mangelhaft (5) als letzte Zeugnisnote im Fach an. Die Mehrheit der Schüler*innen gibt an, die letzte GL-Note läge zwischen Gut (2; 70) und Ausreichend (4; 48). 92 Schüler*innen (25,8 %) hatten die Note Befriedigend (3) als Zensur für das Fach Gesellschaftslehre auf dem letzten Zeugnis. Lediglich 23 Schüler*innen (6,4 %) erreichten die Note Sehr gut (1). Der Mittelwert liegt bei M = 2.82 (SD = 1.023). Auffällig ist, dass über 112 Proband*innen, also fast ein Drittel der Stichprobe, keine Aussagen möglich sind. Die Aussagen wurden z. T. verweigert, es wurden falsche Angaben gemacht oder das Fach Gesellschaftslehre wurde im vorangegangenen Halbjahr nicht besucht. Das fachbezogene Selbstkonzept wird ebenfalls mittels unterschiedlicher Items, die mit Hilfe der bereits beschriebenen Ratingskala beantwortet werden, erhoben (Vgl. Pfänder/Schurig/Bos 2018; Bos/Schurig/Pfänder 2018). Neben den Aussagen »Im Fach GL lerne ich schnell« (kvimt14b) und »Das Fach GL gehört zu meinen besten Fächern« (kvimt14d) werden die Aussagen »Ich finde die Themen interessant, die wir im Fach GL behandeln« (kvimt14j), »Mich mit dem Fach GL zu beschäftigen, macht mir Spaß« (kvimt14l) und »Wenn ich mich mit dem Fach GL beschäftige, vergesse ich alles um mich herum« (kvimt14m) zur Zustimmung bzw. Ablehnung aufgeführt. Variable

Absolute und prozentuale Kategorienhäufigkeit 1 n

%

2 n

%

3 n

%

4 n

%

fehl. Werte n

kvimt14b kvimt14d

63 45

24 17.2

112 68

42.7 26

73 91

27.9 34.7

14 58

5.3 16.2

95 95

kvimt14j kvimt14l

76 66

28.5 24.6

99 112

37.1 41.8

63 64

23.6 23.9

29 26

10.9 9.7

90 89

33

96

kvimt14m 19 7.3 54 20.7 102 39.1 86 Tabelle 14: Kategorienhäufigkeit Fachspezifisches Selbstkonzept

140

Methode

Obwohl das Fach GL bei der Mehrheit der Schüler*innen nicht zu den besten Fächern zählt, weisen sie überwiegend positive Selbsteinschätzungen auf. Die erste Frage des Blocks zeigt eine Normalverteilung, die darauf schließen lässt, dass die Stichprobe sowohl Lernende mit einer schnellen Auffassungsgabe für fachspezifische Inhalte umfasst als auch Schüler*innen, denen das fachliche Lernen eher schwerfällt. Die Items zum Spaß und Interesse am Fach GL erfahren insgesamt eine hohe Zustimmung. Über zwei Drittel der Befragten stimmen den Aussagen ganz oder eher zu. Trotz der positiven Einstellung gegenüber dem Fach versenken sich nur wenige Schüler*innen komplett in die Inhalte. Lediglich 7.3 % geben an, alles andere zu vergessen, wenn sie sich mit dem Fach GL beschäftigen, bei fast 40 % der Stichprobe stellt sich dieses Gefühl eher nicht ein. Neben den allgemeinen Fragen zum Unterrichtsfach Gesellschaftslehre werden Aussagen zum Interesse am Lerngegenstand Geschichte aufgestellt, zu denen mit Hilfe der dargestellten Ratingskala ebenfalls Zustimmung bzw. Ablehnung ausgedrückt werden sollte. Neben Aussagen zum Interesse an historischen Sachverhalten (»Zuhause lese ich oft über Geschichte« (kvimt14r), »Ich freue mich, wenn etwas im Fernsehen über Geschichte kommt« (kvimt14s), »Ich möchte unbedingt mehr über Geschichte erfahren« (kvimt14t)) werden Einschätzungen zur Bedeutung historischen Wissens für den Alltag (»Etwas über Geschichte zu lernen, hilft mir im täglichen Leben« (kvimt14u), »Ich brauche Geschichte, um in anderen Schulfächern etwas lernen zu können« (kvimt14v)) erhoben. Variable

Absolute und prozentuale Kategorienhäufigkeit 1 2 3 4

fehl. Werte

kvimt14r

n 33

% 12,6

n 42

% 16

n 87

% 33,2

n 100

% 38,2

n 95

kvimt14s kvimt14t

35 45

13,5 17,3

57 89

21,9 34,2

77 78

29,6 30

91 48

35 18,5

97 97

kvimt14u kvimt14v

39 35

15,2 13,7

75 71

29,2 27,7

93 96

36,2 37,5

50 54

19,5 21,1

100 101

Tabelle 15: Kategorienhäufigkeit Interesse und Motivation Lerngegenstand Geschichte

Bezieht man die Ergebnisse der ebenfalls erhobenen »Bücherfrage« (n = 255) mit ein, lassen sich die Antworten zum Item kvimt14r aussagekräftiger interpretieren. Lediglich 6 Schüler*innen geben an, in einem Haushalt zu leben, der über 200 oder mehr Bücher verfügt. Rund 36.1 % der Schüler*innen verfügen über keine oder sehr wenige Bücher. Sie zählen zu den 88.6 % der Proband*innen, in deren Familien weniger als ein Regalmeter mit Büchern gefüllt ist. Somit ist nicht nur das Interesse, zuhause etwas über Geschichte zu lesen, begrenzt, sondern auch der Zugriff auf das Medium limitiert. Die Schüler*innen, die kein Interesse

Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

141

daran haben, etwas über Geschichte zu lesen, nutzen Bücher im Alltag womöglich auch seltener, um ihr Wissen in anderen Gebieten zu erweitern. Da das Interesse an im Fernsehen vermittelter Geschichte etwas höher liegt, kann die angeführte Überlegung als Erklärung herangezogen werden. Dennoch zeigt sich auch bei dem Items kvimt14s und kvimt14t ein heterogenes Bild, das darauf hinweist, dass die Stichprobe sowohl Lernende mit ausgeprägtem als auch mit geringem Interesse an historischem Lernen umfasst. Die Bedeutung von Geschichte für den Alltag wird höher eingeschätzt als der Nutzen historischen Wissens für das schulische Lernen. Während dem Item kvimt14u die Mehrheit – zumindest teilweise – zustimmt, wird die zweite Aussage (kvimt14v) mehrheitlich abgelehnt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Stichprobe sowohl Schüler*innen mit hohem fachlichem Interesse und ausgeprägtem Selbstkonzept umfasst, als auch Lernende mit geringem Interesse am Fach Gesellschaftslehre und dem Schwerpunkt Geschichte. Spekulativ bleiben muss, warum die Schüler*innen dem Fach positiv und aufgeschlossen gegenüberstehen. Möglicherweise sind sie tatsächlich interessiert an den Themen, die im Gesellschaftslehreunterricht behandelt werden. Angenommen werden kann aber auch, insbesondere im Hinblick auf die im Durchschnitt guten Fachnoten, dass die Schüler*innen leichter als in anderen Fächern an gute Zensuren gelangen oder sie allgemein die fachliche »Atmosphäre« (d. h. keine Leistungsaufgaben, nur wenige Schreibanlässe, vorstrukturierte Lehr-Lern-Arrangements) gefällt. Kognitive Fähigkeiten Der Intelligenzquotient liegt bei der Stichprobe (n = 267) bei 84.66 und damit an der unteren Grenze des angenommenen Mittelwerts der Normalverteilung (85– 115). Die Standardabweichung liegt bei SD = 14.78. Nahezu die Hälfte der Stichprobe (45.6 %) befindet sich innerhalb des Normbereichs. Fünf Schüler*innen liegen leicht über dem Mittelbereich und erreichen einen IQ von 117–120, bei dem von überdurchschnittlicher Intelligenz gesprochen werden kann. Vier Schüler*innen weisen in der Testung auffällige Werte im überdurchschnittlichen Bereich auf (130–140). Es ist nicht auszuschließen, dass sie die Testergebnisse, z. B. durch Aufreißen der Bögen und Einsicht in die Lösung, verfälscht haben könnten; jedoch ist auch eine Hochbegabung als Erklärung für die Werte in Betracht zu ziehen. Ebenso kritisch zu betrachten sind die Ergebnisse von rund 50,9 % der Stichprobe, die zum Teil deutlich unter dem Normbereich liegen. 16 Schüler*innen erreichten lediglich einen IQ von unter 60, der auf eine geistige Behinderung schließen lässt. Tatsächlich umfasst die Stichprobe eine nicht unbedeutende Zahl an Lernenden des Förderschwerpunkts Geistige Entwicklung, der nicht immer durch die Lehrkräfte oder Schüler*innen selbst kommuniziert wurde. Zudem ist nicht bei allen Schüler*innen, die Teil der Stichprobe sind, ein Förderbedarf durch

142

Methode

unabhängige Testungen im Vorfeld der Studie diagnostiziert worden. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass das Zustandekommen der Werte auf einen Mangel an Motivation bei der Testbearbeitung zurückzuführen ist. Der Großteil der Stichprobe liegt in einem Bereich des unterdurchschnittlichen bzw. leicht unterdurchschnittlichen IQ. Zwischen den Jahrgangsstufen besteht hinsichtlich des IQ kein signifikanter Unterschied, ebenso wenig zwischen den Klassen bzw. zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Es ist demzufolge nicht davon auszugehen, dass Unterschiede innerhalb der Gruppen in Bezug auf die Schreibfähigkeit bzw. die Wirksamkeit der Intervention auf die Intelligenz der Schüler*innen zurückzuführen sind. Lediglich 16 Schüler*innen der Stichprobe geben einen Förderschwerpunkt an (12,5 % Emotional-soziale Entwicklung, 37,5 % Lernen, 50 % Sprache). Bei genauerer Betrachtung der Angaben wird jedoch deutlich, dass einige Schüler*innen möglicherweise nicht genau wissen, was unter einem Förderschwerpunkt zu fassen ist. So haben zahlreiche Schüler*innen die Förderschwerpunkte LRS, DaZ oder Mathe angegeben. Es ist anzunehmen, dass ein höherer Teil der Stichprobe einen sonderpädagogischen Förderbedarf hat, als aus den Daten ableitbar ist. Sprachliche Fähigkeiten Der Lesequotient liegt bei M = 81,86 (SD = 12,20; n = 203), der minimal erreichte Wert bei 62, das Maximum bei 126. 18,2 % der Stichprobe erreichen einen LQ von unter 70, 73,9 % liegen im Bereich von 70–100, lediglich 16 Schüler*innen erreichen einen LQ von über 100. Auch bezüglich des Lesequotienten sind keine signifikanten Unterschiede zwischen den Jahrgangsstufen (M7 = 83,35, SD = 13.39 n = 129; M8 = 81,90, SD = 12.12, n = 98, t(225) = .842, p = .401) festzustellen. Der mit Hilfe des C-Test erhobene R/F-Wert gibt Auskunft über die allgemeine Sprachfähigkeit der Schüler*innen. Der Mittelwert der Stichprobe (n = 282) liegt bei M = 42.99 (SD = 21.377). Die Standardabweichung aber auch die minimalen (1) und maximalen (97) Werte zeigen die immense Streuung der Stichprobe. Der Mittelwert liegt etwa bei der Hälfte der erreichbaren Punktzahl. Zur Übersichtlichkeit wurden die Ergebnisse gruppiert in Zehnerschritten dargestellt. Das Diagramm zeigt, dass die Ergebnisse annähernd normalverteilt sind. Die Proband*innen, die in der Stichprobe betrachtet werden, weisen somit zum Teil nur einen geringen Wortschatz auf, dennoch lassen sich stärkere Schüler*innen ausmachen. Bei einigen Instrumenten (Fragebogen zu Interesse und Motivation, soziobiographischer Fragebogen, Skalen des Intelligenztests CFT-20R, Lesescreening) wurde auf Auffälligkeiten verwiesen, die aus der deskriptiven Betrachtung der Daten hervorgegangen sind. Dazu zählt beispielsweise ein hoher Anteil fehlender

Beschreibung der Quantitativen Stichprobe

143

Schüler*innen (in %)

R/F-Wert (C-Test) 20 15 10 5 0 0-9

10-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70-79 80-89 90-100

Score Abbildung 12: R/F-Wert der Schüler*innen im C-Test

Werte bzw. das schwache Abschneiden eines großen Teils der Stichprobe, dem einige überdurchschnittliche Ausreißer gegenüberstehen. Die Resultate lassen sich auf unterschiedliche Faktoren zurückführen, die im Nachgang der Studie nur unzureichend überprüft werden können. Möglicherweise sind die Instruktionen zur Bearbeitung der Instrumente, die mündlich und schriftlich an die Proband*innen weitergegeben wurden, nicht ausreichend präzise und nachvollziehbar für die spezifische Gruppe untersuchter Schüler*innen gewesen. Anzunehmen ist auch, dass die Einstellung der Lernenden gegenüber dem schulischen Lernen im Allgemeinen und der Erhebungssituation im Spezifischen zu einer Nicht-Bearbeitung der Instrumente geführt hat. Zentraler als die Ursachen ist für die vorliegende Arbeit jedoch der Hinweis auf die Einschränkungen, die beim Einsatz der erhobenen Daten zu beachten sind. Wenngleich korrelative Zusammenhänge und Regressionen mit Hilfe der Daten berechnet werden sollen, ist darauf hinzuweisen, dass diese bei einer gründlicheren und vollständigen Bearbeitung der Testinstrumente durch alle Proband*innen weitgehendere Aussagen zulassen würden, als nun möglich. Insgesamt handelt es sich bei der betrachteten Gesamtstichprobe um eine heterogene Schülerschaft. Es wird eine Stichprobe betrachtet, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund sowie eine Vielzahl unterschiedlicher Familiensprachen umfasst. Geschichtsdidaktische Publikationen haben Gesamtschüler*innen, Schüler*innen aus sozial schwachen Milieus sowie mehrsprachige Schüler*innen bisher weitestgehend an die Peripherie der Forschungslandschaft verdrängt. Mehrheitlich stehen gymnasiale »Normschüler« im Fokus der Betrachtung (Vgl. Bernhardt 2021, S. 24). Die hier betrachtete Stichprobe weist somit andere Merkmale und Eigenschaften auf als die typischerweise untersuchten Proband*innengruppen. Die besondere Zusammensetzung der Stichprobe ist einerseits mit Herausforderungen bezüglich der Entwicklung von Messinstrumenten, der Datenauswertung und der

144

Methode

Entwicklung von Materialien zur textsortenbasierten Lehr-Lern-Förderung im Fach konfrontiert, ermöglicht allerdings auch die Chance, Zugang zu einem bisher weitgehend unbestellten Feld des »Historischen« Lernens zu gewinnen.

5.

Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

5.1

Hinführung

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Interviewbefragung der Schüler*innen der siebten und achten Jahrgangsstufe dreier Gesamtschulen in NordrheinWestfalen vorgestellt. Alle Teilnehmer*innen wurden am Lernort Schule im Rahmen der Prä- und Post-Erhebung aller Testinstrumente interviewt. Ausgehend von der Gesamtheit der Interviews (n = 23) werden die fachsprachlichen Konzepte der Schüler*innen analysiert und orientiert an den Leitfragen des Interviews dargestellt. Dementsprechend werden zunächst die Ergebnisse des einleitenden Frageblocks zum Operatorenbegriff überblicksartig dargelegt. Es folgen die Einblicke, die sich aus dem Frageblock zum Beschreiben ergeben. Der Vergleich fachlich überdurchschnittlicher, durchschnittlicher und unterdurchschnittlicher Proband*innen wird angeschlossen. So kann die Hypothese, dass die Differenziertheit der Konzepte als Spektrum betrachtet werden kann, in dem sprachlich und fachlich starke Schüler*innen differenziertere Konzepte verbalisieren können als sprachschwächere Lernende mit geringen fachlichen Kompetenzen, überprüft werden. Betrachtet werden dazu die Befragungen der zehn Schüler*innen, die sowohl im Vorfeld als auch nach Abschluss der Intervention an dem Interview teilgenommen haben, sowie die Interviews zweier weiterer Schüler*innen (GEHGDu7d-01, GEDFDd7d-20), die das Spektrum sprachlich sowie fachlich überdurchschnittlicher, durchschnittlicher und unterdurchschnittlicher Proband*innen ergänzen. Darüber hinaus wird der zweiten Forschungsfrage nachgegangen, die beantworten soll, in welchem Zusammenhang die schriftliche Sprachhandlungsfähigkeit und die Konzepte der Schüler*innen stehen. Vorgestellt werden knappe Analysen der Schreibprodukte, durch die Zusammenhänge zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit abgebildet werden. Schließlich ermöglicht die Analyse der Interviews und Schreibprodukte, die zu zwei Messzeitpunkten (vor Beginn und nach Abschluss der Intervention) erhoben wurden, die Beantwortung der Frage, inwiefern die Konzepte der Schüler*innen durch eine Intervention mit

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

dem Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus ausdifferenziert und weiterentwickelt werden können. Gleiches wird für die sprachliche Handlung Erklären vollzogen.

5.2

Operatorenbegriff

Bei Operatoren handelt es sich um Verben, die die Aufgabenbearbeitung in einer Form einer spezifischen Sprachhandlung initiieren sollen. Neben dem Begriff Operator sind in der Sekundarstufe I die Begriffe Hinweis-, Schlüssel- oder Signalwort als Synonyme gebräuchlich. Es ist anzunehmen, dass Schüler*innen, denen diese Begriffe geläufig sind, auch über Wissen zum Zweck von Operatoren verfügen. Um dieser Hypothese nachzugehen wurde das Interview mit den Fragen: »Hast du schon einmal von Operatoren (bzw. Schlüssel-, Hinweis- oder Signalwörtern) gehört?« und »Kannst du dir vorstellen, was mit dem Begriff gemeint ist?« eingeleitet. Da der Operatorenbegriff an sich keinen Teil der fachspezifischen Schreibförderung in der Interventionsphase darstellt und somit keine Veränderungen im Antwortverhalten der Schüler*innen zu erwarten sind, entfallen diese Fragen im Post-Test. Mehrheitlich ist der Begriff den Schüler*innen der Stichprobe unbekannt. Einige Schüler*innen geben zwar an, das Wort zu kennen, können dem Begriff allerdings keine Bedeutung und somit auch keine funktionale Handlung zuordnen. Die Bejahung der Frage: »Hast du schon mal von Operatoren gehört?« trotz fehlender Bedeutung kann auf den Umstand zurückgeführt werden, dass es sich um die Einstiegsfrage in das Interview handelt (Vgl. Atteslander 2008). Möglich ist auch, dass der Begriff oder eines der Synonyme zwar im Unterricht verwendet wird, allerdings von den Lehrkräften nicht umfänglich eingeführt und erläutert wurde. Auf den nur oberflächlichen Umgang mit den Begriffen Operator bzw. Signalwörtern verweist die Antwort des Probanden GEHGDu7a-10, der angibt, die Wörter in der fünften Klasse behandelt zu haben. Nun, in der siebenten Klasse läge das zu weit zurück: »Also das hab’ ich vergessen« (Pos. 6). Wenigen Schüler*innen gelingt es, einem der Begriffe eine Bedeutung oder Funktion zuzuschreiben. GEHGDu7b-22 vermutet, es handle sich um eine Tätigkeit »von Leuten, die Sachen operieren« (Pos. 2). Mit dem Hinweis auf den Begriff Schlüsselwort nähern sich ihre Überlegungen der Bedeutung von Operatoren an. Sie vermutet, dass »Leute das [genutzt haben,] um einen Code aufzuvermitteln« (Pos. 8). Die Wörter könnten dementsprechend eingesetzt werden »wenn man Hilfe brauchte […], damit andere Leute den dann mit helfen« (Pos. 8). Wenngleich die Schülerin nicht in der Lage ist, die Bedeutung von Operatoren für den schulischen Kontext zu rekonstruieren, so ist ihr doch geläufig, dass es sich um Wörter handelt, die dem Leser einen besonderen Hinweis

Operatorenbegriff

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zum Lösen einer Aufgabe geben. Auch die Schülerin GEKHKo8e-10 vermutet, dass Operatoren der Hilfestellung dienen. Der Begriff ist ihr zwar unbekannt, auf die Frage nach einer Vermutung zur Wortbedeutung gibt sie an, es könne ein »Gerät, der helfen kann oder sowas« (Pos. 4) sein. Eine besondere Hilfestellung sieht auch GEKHKo8f-04, der vermutet ein Signalwort könne sein »wenn der dir was wichtiges sagt, oder so kann« (Pos. 6). Genauer nähert sich GEKHKo8c-23 der Wortbedeutung an. Seine/Ihre10 Vermutung lautet, es handle sich um »ein Wort, das erstmal den Text erklärt. Also nicht ganz erklärt. Also das man unterstreichen sollte« (Pos. 8). Es wird deutlich, dass ein solches Schlüsselwort mit einer besonderen Bedeutung für das Textverständnis versehen ist. Unklar bleibt allerdings, ob es sich bei den Texten um Darstellungstexte oder Aufgaben handelt. Eine ähnliche Hypothese stellt auch GEHGDu7b-16 auf. Zwar sind der Schülerin die Begriffe nicht bekannt, allerdings vermutet sie, dass es sich um »besondere Wörter, die im Text markiert […] also die meist dick geschrieben sind« (Pos. 10), handeln könnte. Ähnlich wie die benannte Schülerin stellen weitere Proband*innen, denen der Begriff und seine Bedeutung nicht geläufig sind, Hypothesen zur Begriffsbedeutung auf und versuchen, die Funktion des Begriffs zu konstruieren. Sie vermuten, es handle sich um Gegenstände, beispielsweise »solche Bausachen« (GEDFDd7d-02, Pos. 12) oder Dinge, die »man im Operationsbereich benutzt« (GEKHKo8e-06, Pos. 6). Andere Schüler*innen vermuten, Operatoren bezeichnen Begriffe, die ähnlich wie Artikel (GEKHKo8c09, Pos. 6) »irgendwo steh[en]« (GEDFDd8c-20, Pos. 4) oder einen besonderen Hinweis geben »wie so ′ne rote Ampel? Wie Stopp oder so?« (GEHGDu7d-07, Pos. 6). Dabei wird deutlich, dass die vermeintlichen Schlüsselwörter zunächst als solche identifiziert werden müssen. So hebt GEKHKo8c-04 hervor, dass in den entsprechenden Wörtern mehrere Bedeutungen, »noch irgendwas anderes drinne« (Pos. 6) stecken könne. Es zeigt sich, dass nur wenige Schüler*innen über Wissen zur Wortbedeutung oder zum Zweck eines Operators verfügen. Ein großer Teil der Befragten ist jedoch in der Lage, den Begriff zumindest teilweise zu erschließen und wesentliche Merkmale herauszustellen. So lassen sich der Aspekt der Hilfestellung bzw. Hervorhebung von etwas besonders Wichtigem ausmachen. Naheliegend scheint für die Schüler*innen eine Tätigkeit wie Operieren und Bauen oder ein direkter Hinweis, ähnlich eines Stopp-Schildes. Diese Überlegungen orientieren sich nah an dem Wortfeld, dass durch die Begriffe Operator bzw. Hinweiswort aufgerufen wird. Ein konkretes Beispiel für einen Operator kann keine*r der befragten Schüler*innen einbringen. Lediglich die Schüler*innen, die ihre Hypothesen auf die Hervorhebung wichtiger Informationen und den Zusammenhang mit Texten 10 Die Frage nach dem Geschlecht wurde im sozio-biographischen Fragebogen nicht beantwortet.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

lenken, nähern sich der Begriffsbedeutung an. Die Schüler*innen der qualitativen Stichprobe, die über die konkreteste Vorstellung zu den Operatoren verfügen – hier seien GEKHKo8f-04, GEKHKo8e-10 sowie GEHGDu7b-22 angeführt – erreichen in der kategoriengestützten Auswertung der Schreibprodukte nur durchschnittliche oder sogar unterdurchschnittliche Scores. Auf qualitativer Ebene zeigt sich demnach kein Zusammenhang zwischen der Kenntnis des Operatorenbegriffs und der Bearbeitung operatorengestützter Leistungsaufgaben. Obwohl die Funktion von Operatoren für Aufgabenstellungen in zahlreichen Publikationen (Vgl. Buchsteiner/Lorenz/Must/Scheller 2018; Kühberger 2011; Wenzel 2010) hervorgehoben wird und die Verben eine handlungsleitende Funktion einnehmen sollen, scheint der Mehrheit der befragten Schüler*innen der Begriff und seine Funktion weitgehend unbekannt. Sofern die Schüler*innen verschiedene handlungsinitiierende Verben im Unterricht nicht beispielhaft in den Blick nehmen und ihre Bedeutung für die entsprechenden Aufgabenstellungen behandeln, scheint es also fraglich, ob und inwiefern die handlungsinitiierenden Verben in Aufgabenstellungen ihren Zweck umfänglich erfüllen können. Durch die anschließenden Fragen zu den Operatoren Beschreiben und Erklären, sowie den Einbezug der entsprechenden Schreibprodukte soll weitergehen überprüft werden, ob und inwiefern die Schüler*innen in der Lage sind, implizit mit Operatoren funktional richtig umzugehen.

5.3

Beschreiben

5.3.1 Untersuchung der Konzepte der Sprachhandlung Grundlagen und Bedeutung der Sprachhandlung Um das deklarative und metakognitive Wissen zum Operator Beschreiben zu erfragen, wurde zunächst die Frage: Was bedeutet Beschreiben für dich? an die Schüler*innen gerichtet. Als Gegenstand einer Beschreibung geben 18 Proband*innen, also die deutliche Mehrheit, Gegenstände und Objekte an. Häufig wird dies spezifiziert bzw. ergänzt durch den Verweis auf Bilder, Text oder Wahrnehmungen. Einige Schüler*innen können den Gegenstand, den sie als Zentrum einer Beschreibung sehen, ohne weiteres benennen. Bei anderen erschließt sich zunächst kein Konzept, wie das Beispiel von GEDFDd7d-20 zeigt, der als Beschreibung betrachtet, »was die Lehrer an die Tafel schreiben, so« (Pos. 26). Der Gegenstand wird erst durch weitere Fragen herausgearbeitet. Zunächst greifen die Schüler*innen alltägliche Gegenstände auf, zu denen ihnen ad hoc Beschreibungen gelingen. Hierzu zählen beispielsweise Blumen (GEHGDu7b-16, Pos. 14), Tiere (GEHGDu7a-16, Pos. 8) oder Objekte wie eine Was-

Beschreiben

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serflasche, Kopfhörer (GEDFDd7d-16, Pos. 12, 16) oder ein Feuerlöscher (GEDFDd8c-20, Pos. 8). Besonders häufig werden Bildbeschreibungen benannt (7x), die zumeist unspezifisch sind (»wie [..] gerad’ ’n Bild aussieht«, GEDFDd7d-06, Pos. 23; »so in Buch, so’n Bild«, GEHGDu7a-16, Pos. 12) oder alltägliche bzw. gegenwärtige Wahrnehmungen (z. B.: »der Mann auf dem Bild«, GEDFDd7d-02, Pos. 18; »hier dieses Bild«, GEDFDd8c-07, Pos. 46) in den Vordergrund rücken. Personenbeschreibungen werden von sechs Schüler*innen benannt. Darunter fallen alltagssprachliche Beschreibungen, bspw. von einem Menschen den GEDFDd7d-06 »auf der Straße gesehen« (Pos. 27) hat, aber auch bildungssprachlich verfasste Beschreibungen, die »das Aussehen der Person, wie die Person handelt […], halt so ist, was sie auszeichnet« (GEDFDd8c-07, Pos. 12) berücksichtigen. Die Beschreibungen können sich dabei sowohl auf reale Persönlichkeiten beziehen als auch auf Figuren in Geschichten (Vgl. GEKHKo8e-10, Pos. 8). Neben der Beschreibung von Personen werden auch Handlungsbeschreibungen, die hohe Überschneidungen mit Erklärungen aufweisen, von den befragten Schüler*innen genannt. Text wird nur von vier Schüler*innen als Gegenstand einer Beschreibung angeführt und dementsprechend im Fachunterricht verhältnismäßig selten beschrieben. Mit der gleichen Häufigkeit werden Wahrnehmungsbeschreibungen genannt (Vgl. Feilke 2005; Ossner 2005). Als Beispiel dafür sei hier der von GEDFDd7d-16 dargelegte situative Kontext einer Beschreibung angeführt: »man sieht etwas und das beschreibt man dann« (Pos. 12). Es handelt sich also um aktuelle Wahrnehmungen, wie der Schüler weiter ausführt, denn man beschreibt das, »was man gerad’ gesehen hat« (Pos. 42). Einige Schüler*innen erklären zudem, dass Worte Gegenstand einer Beschreibung sein können. Dazu zählt z. B. »was das Wort generell ist. Oder wann man das benutzt«, (GEHGDu7b-06, Pos. 52) aber auch beim Lernen von Fachwörtern bzw. »Vokabeln […] wie das Binnenmeer« (GEKHKo8c-09, Pos. 16) fertigen die Schüler*innen im Gesellschaftslehreunterricht Beschreibungen an. GEKHKo8c-04 ergänzt, dass als Beschreibung betrachtet werden kann »zum Beispiel, wenn ich dir den Weg beschreibe« (Pos. 46). Auffällig ist, dass die Mehrheit der Befragten unterschiedliche Elemente – in der Regel mindestens zwei, teilweise sogar vier – benennt, die als Gegenstand einer Beschreibung betrachtet werden können. Als erstes Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass die Schüler*innen nur selten auf genuin fachspezifische Sachverhalte Bezug nehmen. Sofern Sie auf fachliche Strukturen (z. B. Bilder, Objekte oder Text) verweisen geschieht dies sowohl durch wahrnehmungs- als auch durch wissensbasierte Beschreibungen (Vgl. Oleschko/Schmitz 2016). Historische Sachverhalte und Ereignisse werden hingegen nicht als Gegenstand einer Beschreibung benannt. Fast alle Proband*innen, die Gegenstände oder Objekte als Gegenstand einer Beschreibung nennen, verweisen darauf, dass äußere bzw. innere Merkmale

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

genannt werden müssen. Realisiert werden kann die Merkmalsbeschreibung beispielsweise durch die Nennung von Adjektiven (Vgl. GEHGDu7d-07, Pos. 8). Der Hinweis auf äußere Merkmale, nämlich »wie das alles aussieht« (GEHGDu7a-16, Pos. 12) und »wie lang, groß, breit und so weiter« (GEDFDd8c-25, Pos. 18) etwas ist, überwiegt dabei mit 16 Nennungen dem auf innere Merkmale (z. B. »wie die Person handelt, […] was sie auszeichnet«, GEDFDd8c-07, Pos. 12), wobei letztgenannte in den Ausführungen häufig additiv, also als Ergänzung zur Beschreibung äußerer Merkmale, benannt werden. Auch im Hinblick auf Bildbeschreibungen, die als typisch für den Gesellschaftslehreunterricht betrachtet werden, akzentuieren die Schüler*innen das Beschreiben äußerer und innerer Merkmale. Dazu zählt beispielsweise »aus welchem Jahr es [Anm.: das Bild] gekommen ist«, wie GEDFDd7d-06 (Pos. 25) ausführt. Berücksichtigt man die häufige Nennung von Balladen und Gedichten als Gegenstand einer Beschreibung im Deutschunterricht (Vgl. z. B. GEDFDd7d-06, Pos. 19), so lässt sich annehmen, dass die Unterscheidung innerer und äußerer Merkmale auf die Analyse lyrischer Texte zurückzuführen ist. Im Kernlehrplan Deutsch für die Gesamtschule (Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen) ist die Auseinandersetzung mit lyrischen Formen wie Balladen und Gedichten Inhalt der Jahrgangsstufe Sieben und Acht (Ministerium Für Schule, Jugend Und Kinder Des Landes Nordrhein-Westfalen 2004, S. 37). Möglicherweise haben die Schüler*innen, die auf diese Textformen verweisen, diese zum Zeitpunkt der Erhebung im Deutschunterricht behandelt, und übertragen die Berücksichtigung innerer und äußerer Merkmale nun auf das historische Lernen. Da nicht alle Schüler*innen auf die Beschreibung lyrischer Texte verweisen, ist darüber hinaus anzunehmen, dass die Unterscheidung äußerer und innerer Merkmale als Teil der Quellenkritik betrachtet werden kann. Damit zeigt sich eine Überschneidung zwischen dem von Saskia Handro (2013, 2020) aufgestellten Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht und den Schüleräußerungen. In beiden Fällen wird das Beschreiben als Sprachhandlung definiert, die erkenntnisgewinnende Funktion im Vollzug der Quellenkritik einnimmt. Abgrenzung zu anderen Sprachhandlungen Des Weiteren gelingt es nicht allen Befragten, die sprachliche Handlung Beschreiben eindeutig von anderen Sprachhandlungen abzugrenzen. Diese Erkenntnis ist wenig überraschend, da bereits in der theoretischen Herleitung der Arbeit Überschneidungen zwischen dem Beschreiben und Erklären bzw. Erzählen herausgearbeitet wurden. Besonders häufig fallen den Befragten Überschneidungen zum Erklären auf, die im weiteren Verlauf der Arbeit noch genauer thematisiert werden sollen. Drüber hinaus lassen sich Überschneidungen zum Deuten sowie zum Benennen und Begründen nachweisen. GEDFDd8c-20 argu-

Beschreiben

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mentiert beispielsweise, dass die Zwecknennung eines Feuerlöschers (»wenn ein Feuer ausbricht, dass ich das dann dafür einsetzten kann«, Pos. 8) oder einer Fernbedienung (»Zum Beispiel Menü, was das bedeutet«, »wofür ist das«, Pos. 16) als Beschreibung zu betrachten seien. Deutlich wird hier, dass die Auswahl und damit die Klassifikation der Sprachhandlung als Beschreibung nicht wie in der funktionalen Pragmatik vorgesehen vom situativen Kontext bzw. den Bedürfnissen des Rezipienten festgelegt (Vgl. Rehbein 1984), sondern durch das Wissen und die Fähigkeiten des Produzenten bestimmt wird. Ein Sachverhalt, der sich dem Produzenten intuitiv erschließt, erfordert somit keine Erklärung oder Begründung, sondern kann als Beschreibung, in der scheinbar kanonisches Wissen reorganisiert wird, betrachtet werden. Ähnlich verhält es sich mit der Äußerung von GEDFDd8c-07, bei einer Bildbeschreibung anzugeben »was das Bild zum Beispiel für’n Sinn hat« (Pos. 18). Die fachliche Trennung zwischen Sachanalyse und Sachurteil (Vgl. Jeismann 2000) verschwimmt hier, möglicherweise weil sie im Fachunterricht noch nicht angeleitet worden ist. Fachspezifik Um fachspezifische Gegenstände einer Beschreibung fokussieren zu können, wurden die Fragen: »Kannst du dich an eine Aufgabe aus dem GL-Unterricht erinnern, bei der du etwas beschreiben solltest?« ergänzt. Bleiben die Antworten bei der ersten, offen gestellten Frage noch eher an alltäglichen Gegenständen orientiert, wird der Fokus durch die Frage auf fachspezifische Gegenstände, die in einer Beschreibung aufgegriffen werden, gelenkt. Auffallend vielen Schüler*innen gelingt es, einen Bezug zum GL-Unterricht herzustellen bzw. ein Beispiel für eine Beschreibung aus dem GL-Unterricht anzuführen. Dazu zählen der Verweis auf ein Medium oder Material, wie ihn GEDFDd7d-06 vornimmt, die sich erinnert im GL-Unterricht zu beschreiben »wie zum Beispiel gerad’ ein Bild aussieht« (Pos. 23). Insgesamt werden Bilder besonders häufig als fachspezifischer Gegenstand einer Beschreibung benannt. Auch hier decken sich die Äußerungen der Schüler*innen mit den bereits reflektierten Zugängen der Geschichtsdidaktik (Vgl. Hinrichs 2010). Die Arbeit mit Bildern scheint im Gesellschaftslehreunterricht besonders beliebt. So gibt GEDFDd7d-02 beispielsweise im Hinblick auf die exemplarische Aufgabe: »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter« an, sie würde sich »halt so’n Bild raussuchen aus’m Buch, weil wir haben sehr viele Bilder vom Mittelalter« (Pos. 28). Auch GEDFDd8c-07 würde »irgendein Gemälde« (Pos. 46) zur Aufgabenlösung heranziehen. Neben Bildern werden im Gesellschaftslehreunterricht aber auch Gegenstände wie ein Krug (Vgl. GEKHKo8c-04, Pos. 20) oder ein Kompass (GEKHKo8e-16, Pos. 12) sowie komplexe historische Sachverhalte wie die Steinzeit (Vgl. GEKHKo8c-04, Pos. 20) beschrieben. Zudem geben die Schüler*innen Hinweise auf konkrete Inhalte wie »diesen Christenver- oder

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Columbus oder so […]. Da war so ne Aufgabe« (GEDFDd8c-20, Pos. 9–10). Inhaltlich nimmt auch GEHGDu7b-16 auf das historische Lernen Bezug, wenn sie davon spricht, dass die Schüler*innen im Gesellschaftslehreunterricht »die Stadt von früher. Wie das so aussah« (Pos. 18) beschreiben mussten. Ähnlich lässt sich der Verweis auf »die alten Zeiten« (GEDFDd8d-25, Pos. 22) interpretieren, worunter auch »das alte Haus von Versailles« (GEDFDd8d-25, Pos. 22) fällt. Abschließend sei die Antwort von GEHGDu7b-22 angeführt, die sich an eine Beschreibung »bei diese Ägypter« erinnert. Dort wurde gefordert den Ort »wo die Mumien hinkommen, wenn die gestorben sind, wo die dann reinkommen« (Pos. 16) zu beschreiben. Besondere Aufmerksamkeit gebührt bei dem Versuch, die Fachspezifik des historischen Beschreibens aus den Schüler*innenbefragungen herauszuarbeiten, der Äußerung von GEHGDu7a-10, der bei der Frage nach einer exemplarischen Beschreibe-Aufgabe anführt: »Erzähle was – Erzähle was, was im – in der Ver- in der früheren Zeit gemacht haben. Zum Beispiel was über Ägypten gemacht haben« (Pos. 16). In dieser imaginierten Aufgabenstellung, die so nicht wörtlich aus dem Gesellschaftslehreunterricht entnommen sein kann, wird deutlich, dass der Schüler Beschreiben und Erzählen synonym gebraucht. Auch seine Überlegungen zu den Teilschritten, die beim Verfassen einer Beschreibung zu beachten sind, stützen diese Annahme. Dort erklärt er, nachdem das Nachdenken über einen historischen Sachverhalt und das Anfertigen vorläufiger Notizen abgeschlossen sind, könne »man das berichten« (Pos. 28). Da die Aufgabenstellung auf einen historischen Sachverhalt bezogen ist, ist kaum anzunehmen, dass er für den Mathematik- oder Physikunterricht eine ähnliche Aufgabe formulieren würde (»Erzähle, wie das Dreieck im Koordinatensystem liegt« scheint beispielsweise keine sinnvolle Aufgabe). Schließlich fügt er eine ähnliche Aufforderung im Hinblick auf seinen Alltag an, nämlich die Bitte der Mutter vom Schultag, also »was du im Unterricht gemacht hast« (Pos. 24) zu berichten. Die Beschreibung eines zeitlich strukturierten Sachverhalts wird, sowohl im Alltag als auch beim historischen Lernen, gleichermaßen als Erzählung und Beschreibung verstanden. Ein Hinweis auf die chronologische, narrative Struktur von historischen Beschreibungen gibt auch die Antwort von GEDFDd8c-07 auf die Beispielaufgabe, die folgendermaßen gelöst werden könnte: »Halt beschreiben, was der Bauer gemacht hat, zum Beispiel: Er ist morgens aufgestanden, ist dann aufs Feld gegangen und hat gearbeitet« (Pos. 26). Auch hier wird deutlich, dass die Beschreibung historischer Sachverhalte durchaus in narrativer Form umgesetzt werden kann.

Beschreiben

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Aufbau und Vollzug der Sprachhandlung Das Benennen von Teilschritten, die zur Realisierung einer Beschreibung vollzogen werden müssen, wurde bei einigen der Befragten bereits durch die in den Frageblock einleitende Frage initiiert. Deutlicher herausgearbeitet werden sollten die Teilschritte durch die Auseinandersetzung mit der exemplarischen Aufgabe: »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter« und daran anschließend den Auftrag: »Stell die vor, ein Mitschüler versteht die Aufgabe nicht und bittet dich um Hilfe. Was muss er tun, um die Aufgabe zu lösen?«. Auch wenn die Schüler*innen über prozedurales, implizit verfügbares Wissen zur Sprachhandlung verfügen, gelingt es ihnen nur selten, den eigentlichen Aufbau einer Beschreibung explizit zu benennen. Es wird deutlich, dass die Beschreibungen zum Teil unstrukturiert aufgebaut sind, oder aber einem chronologisch-erzählendem Aufbau folgen. Einzelne Proband*innen (z. B. GEKHKo8c-09) verweisen auf einen Aufbau, der vom Allgemeinen zum Speziellen führt. Stellvertretend für seine Mitschüler*innen kann hier die Äußerung GEHGDu7a-16 betrachtet werden, der sagt: »Ich könnte versuchen ihm [Anm.: dem fiktiven Mitschüler] das zu erklären, aber nicht genau. […] So genau weiß ich jetzt gerad nicht. Da müsste ich ’n bisschen länger nachdenken« (Pos. 24–26). Die Vorstellung eines »Ganges durch den Vorstellungsraum« (Rehbein 1948, S. 79), die in der funktionalpragmatischen Annäherung an die Sprachhandlung umrissen wurde, lässt sich in den Äußerungen der Schüler*innen nicht wiederfinden. Wie im Hinblick auf die Abgrenzung einer Beschreibung von anderen Sprachhandlungen gezeigt, scheinen strukturelle Umsetzung und inhaltliche Ausdifferenzierung des Beschreibens weniger durch das Vorwissen des Rezipienten als vielmehr durch den Wissensstand des Produzenten der Sprachhandlung gekennzeichnet. Rund 12 Proband*innen verweisen zunächst auf Teilschritte, die vor der eigentlichen Beschreibung durchgeführt werden müssen. Dazu zählt die fünf Mal benannte Sichtung der Aufgabenstellung (Vgl. die Empfehlung von GEDFDd7d06, vor Beginn des Schreibprozesses »die Aufgabe nochmal genauer […zu] lesen« (Pos. 29)), die meist implizit angeführt wird, wie das Beispiel von GEHGDu7a-10 zeigt, der/die den Ablauf der Beschreibung folgendermaßen einleitet: »Sie geben mir eine Aufgabe. Und da steht was bedeutet eine Tür oder was macht man mit Tür« (Pos. 14). Teilweise wird der Schreibprozess lediglich durch den Operator initiiert, ohne dass eine kontextualisierende Aufgabenstellung formuliert wird. Dann hat man »ein Bild vor sich, da steht nichts« und »man muss dazu so was aufschreiben« (GEKHKo8e-06, Pos. 14). Das Aktivieren von Vorwissen wird acht Mal als Teilschritt benannt, beispielsweise von GEDFDd7d-02, die erklärt, der fiktiven Mitschülerin zunächst offenzulegen »was so im Mittelalter passiert ist, früher« (Pos. 28) oder von GEDFDd7d-06, die empfiehlt, »zuhause erstmal das so worüber wir mehr über Bauern geredet haben« (Pos. 29) zu wiederholen. Ebenso muss die Entnahme von Informationen aus dem gegebenen Material vor der

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Produktion einer Beschreibung vollzogen werden, worauf GEHGDu7b-16 hinweist, denn »wenn er [Anm.: der Mitschüler, der die Aufgabe lösen soll] einen Text bekommen hätte dafür, dann würd ich erstmal sagen: Lies den Text, markier die Stelle, wo Bauern vorkommen und danach kannst du […] diesen Satz in eigenen Wörtern beschreiben« (Pos. 28–30). Auch die Entnahme von Informationen aus dem Material wird, insgesamt sechs Mal, als Teilschritt benannt, der vor der Produktion einer Beschreibung vollzogen werden soll. Besonders große Einigkeit besteht darüber, dass in einer Beschreibung Elemente von oder Informationen über einen Sachverhalt sowie Merkmale eines Gegenstandes genannt werden müssen. In Bezug auf eine Person kann das beispielsweise sein »was er gemacht hat. Und wie er es halt gemacht hat« (GEDFDd8c-07, Pos. 22). Zur Beschreibung eines Objekts kann man allerdings auch Adjektive nutzen. So beschreibt GEKHKo8c-04 in einem selbst gewählten Beispiel einen Krug durch die Worte »es ist braun, man kann Sachen reintun« (Pos. 20). Einige Schüler*innen, wie beispielsweise GEDFDd8c-07, der erklärt, bei einer Bildbeschreibung sei unter anderem anzugeben »was an dem Gemälde so besonders ist« (Pos. 14) und »was das Bild zum Beispiel für’n Sinn hat« (Pos. 18), erläutern, dass das Aufstellen von Hypothesen bzw. die Interpretation oder Deutung eines Sachverhalts zur Beschreibung gehört. Während einige Schüler*innen in diesem Zusammenhang explizite Deutungen und Bewertungen in eine Beschreibung einfließen lassen (z. B. GEKHKo8c-09, die erklärt, man müsse beschreiben »was man von einer Sache hält […] oder denkt«, Pos. 14), nutzen andere das Aufstellen von Hypothesen dann, wenn das Fachwissen nicht ausreicht, um eine nachvollziehbare Beschreibung anzufertigen (Vgl. GEDFDd7d16, der seine Sätze bei der Bearbeitung der exemplarischen Aufgabe wiederholt mit »glaub ich« einleitet). Auch die Zwecknennung, beispielsweise zur Beantwortung von Fragen wie »wofür ist das« (GEDFDd8c-20, Pos. 16) oder »welche Funktion hat das« (GEKHKo8c-09, Pos. 16), scheint ein wesentlicher Bestandteil dessen zu sein, was Schüler*innen unter einer Beschreibung fassen. Besonders auffällig im Hinblick auf das historische Lernen ist die Nutzung von Vergleichen im Rahmen einer Beschreibung. Diese Vergleiche nutzen den Gegenwartsbezug, um die Beschreibung an die Wissensbasis des Rezipienten anzuknüpfen. GEKHKo8e-06 erläutert, man müsse, um die Arbeit eines Bauern im Mittelalter zu beschreiben, zunächst »überlegen, was ein Bauer heute macht. Und das dann halt aufschreiben. Also nicht ganz, was ein Bauer heute macht, nur halt das, was ein Bauer schon immer macht« (Pos. 24). Die Beschreibung gelingt dann, wenn »typische Aufgaben […] sowie auch Unterschiede [.. zu dem] was Bauern heutzutage machen« (Pos. 28) dargestellt würden. An das Vorwissen und den Erwartungshorizont des Rezipienten knüpft auch GEKHKo8c-23 seine Beschreibung an, indem er die Gegenüberstellung armer und reicher Familien in das Zentrum einer exemplarischen Bildbeschreibung rückt. Für Schüler*innen

Beschreiben

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der Sekundarstufe I scheint also gerade die Anbindung einer historischen Beschreibung an die eigene Wissensbasis ein wesentliches Merkmal eines gelungenen Textproduktes zu sein. Vereinzelt werden der Einbezug von Beispielen (Vgl. GEDFDd8c-07), eines eigenen Standpunkts (Vgl. GEKHKo8c-09) und besonders wichtiger Details (Vgl. GEKHKo8f-08) als Elemente der Sprachhandlung benannt. Insbesondere bei den Aspekten, die nicht von allen Schüler*innen angeführt werden, kann es sich um Elemente handeln, die von den jeweiligen Fachlehrkräften als Teil der Bearbeitung einer Beschreibe-Aufgabe eingefordert und deshalb besonders vermittelt werden. Zwischenhalt Bereits an dieser Stelle lässt sich festhalten, dass die interviewten Schüler*innen nicht über ein konkretes, geschweige denn ein fachspezifisches Konzept der Sprachhandlung Beschreiben verfügen. Ihnen ist nicht bewusst, dass eine Beschreibung einer spezifischen Struktur folgt und zwar bestimmten sprachlichen Teilhandlungen, wie das Benennen eines Zweckes oder die Erklärung eines Grundes enthalten kann, während sie andere, wie das Interpretieren oder Deuten, exkludiert. Darüber hinaus wird die Sprachhandlung synonym zu anderen sprachlichen Handlungen wie Erzählen, Erklären oder Berichten verstanden. Insbesondere die Schüler*innen, die Beispiele historischer Beschreibungen anführen können und über ein ausgeprägteres Konzept der Sprachhandlung verfügen, fassen den Rahmen einer Beschreibung oft zu weit. So fließen fachliche und sprachliche Elemente ein, die im Rahmen der Sachanalyse bzw. Sachurteilsbildung nicht gefordert sind, sondern vielmehr einen Teil urteilsbildender fachlicher Sprachhandlungen darstellen. Kontext und Situierung der Sprachhandlung Um das fachliche und fachsprachliche Handlungswissen genauer abbilden zu können, wurde anschließend die Frage: »Wenn du eine Beschreibung machst, schreibst du sie dann auf, oder beschreibst du eher mündlich?« formuliert. Die Mehrheit der Schüler*innen gibt an, eine Beschreibung vorwiegend mündlich zu verfassen. Mündlich sei das Ausdrucksvermögen besser (Vgl. GEHGDu7a-16, Pos. 20, 22), zudem fordere die Lehrkraft häufig mündliche Beschreibungen ein (Vgl. GEKHKo8c-04, Pos. 26). Viele der Befragten weisen allerdings auch darauf hin, dass sie die sprachliche Handlung sowohl schriftlich als auch mündlich realisieren. Einige Proband*innen heben hervor, dass sie Beschreibungen vorwiegend schriftlich anfertigen. GEHGDu7b-06 erläutert, dass er besser im Heft beschreiben könne als im Kopf (Vgl. Pos. 26). Auch GEHGDu7b-22 erläutert die Wahl der Schriftlichkeit umfassend: »Ich persönlich finde schriftlich einfacher. Weil ich […] kann nicht wirklich so gut beschreiben, deswegen finde ich schriftlich besser. […] Also wenn ich schreibe hört sich das viel besser an«

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

(Pos. 22, 26). Auch drei weitere Schüler*innen, die sowohl mündlich als auch schriftlich beschreiben (GEHGDu7b-06, GEHGDu7b-22, GEKHKo8c-09) verweisen darauf, dass das Schreiben ihren Erkenntnisgewinn bzw. Denkprozess beeinflusst und betonen damit die epistemische Funktion des schriftlichen Sprachhandelns (Vgl. Steinhoff 2014; Beese/Roll 2015). Als Einflussfaktor auf die Entscheidung, eine Beschreibung mündlich bzw. schriftlich zu verfassen, geben die Schüler*innen die spezifische Adressierung der Beschreibung bzw. die Aufgabenstellung an. Dabei begründen vor allem die Schüler*innen, die mündlich und schriftlich gleichermaßen beschreiben die Wahl der Medialität. Dem situativen Kontext, in dem eine Beschreibung verfasst wird, wird durch die Frage: »Wem beschreibst du häufiger etwas?« erschlossen. Einen solchen Bezugsrahmen stellen in der Mehrzahl der Äußerungen Beschreibungen dar, die gegenüber einem konkreten Adressaten getätigt werden. Dazu zählen neben Familienmitgliedern (vor allem neugierige Mütter) auch Lehrkräfte und Freunde. Initiiert wird die Sprachhandlung in alltäglichen Situationen, aber auch beim schulischen Lernen häufig durch Fragen wie die des Großvaters von GEDFDd8c20, der sich für die Funktion der TV-Fernbedienung interessiert (Vgl. Pos. 16). Neben bestimmten Rezipienten wie Lehrkräften, Familienmitgliedern oder Freunden im schulischen und außerschulischen Kontext wird auch der Selbstbezug von Beschreibungen angeführt. So antwortet GEDFDd7d-20 auf die Frage, wem gegenüber er Beschreibungen anfertige kurzum mit »Alleine« (Pos. 32). Zur Adressatenorientierung tritt die Lenkung durch Aufgaben, die die sprachliche Handlung initiieren. Im Unterricht wird so häufig ohne eine konkrete Zweckorientierung der situative Kontext für eine Beschreibung eröffnet. Veranlasst wird eine Beschreibung dann, wenn die Lehrkraft dazu auffordert (Vgl. GEDFDd7d-02, Pos. 18). Da es sich um eine in alltagssprachlichen Zusammenhängen häufig vorkommende Sprachhandlung handelt, ist davon auszugehen, dass die Schüler*innen das Beschreiben auch jenseits des Unterrichts nutzen. Da sie nicht über ein Konzept der Sprachhandlung verfügen, scheint ihnen jedoch nicht bewusst zu sein, dass sie Beschreibungen anfertigen. Darauf lassen verschiedene Äußerungen schließen (»Nein, ich [beschreibe] nicht«, GEHGDu7b-06, Pos. 20; »Im Alltag mache ich das nicht so«, GEKHKo8e-06, Pos. 22; außerhalb des Unterrichts beschreibe ich »eigentlich nicht«, GEHGDu7a16, Pos. 18). Nur wenige Schüler*innen können den situativen Kontext einer außerunterrichtlichen Beschreibung formulieren. Exemplarisch sind hier die Äußerungen von GEDFDd7d-16 (»ich spiele meistens und dann sage ich meinen Freunden immer…«, Pos. 16; »man sieht etwas und das beschreibt man dann«, Pos. 12) zu betrachten. Rund 13 der 23 befragten Schüler*innen können die Beschreibung mit einem konkreten Zweck verbinden. Bei den Schüler*innen, die eine Aussage über den Zweck einer Beschreibung treffen, kommt es z. T. zur Mehrfachnennung von

Beschreiben

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Antworten. Unter den Antworten befinden sich die Verständnisgenerierung, denn eine Beschreibung wird beispielsweise dann für Mitschüler angefertigt, »wenn die was nicht verstanden haben« (GEHGDu7b-16, Pos. 20). Ähnlich, allerdings mit einem Selbstbezug ist die Antwort von GEDFDd8c-07 zu verstehen, der angibt ihm »selbst wird auch was beschrieben, wenn ich das halt nicht verstehe« (Pos. 18). Durch das Beispiel »mein Opa fragt mich halt immer wofür ist das« (GEDFDd8c-20, Pos. 16) wird deutlich, dass durch eine Beschreibung auch eine konkrete Fragestellung beantwortet werden kann. Darüber hinaus beziehen die Schüler*innen den Zweck der Sprachhandlung auf die Weitergabe einer Wahrnehmung, denn etwas könne beschrieben werden »damit ein anderer, ein Blinder das vielleicht erkennt« (GEKHKo8c-04, Pos. 10). Die Weitergabe einer Wahrnehmung ist in vier von acht Fällen auch an die Wahrnehmungsbeschreibung als Gegenstand einer Beschreibung gebunden. Schließlich wird der Zweck des Beschreibens auch als Grundlage für weitere Sprachhandlungen offengelegt. Nur wenige Befragte führen formale Besonderheiten einer Beschreibung an. Dazu zählt die Antwort von GEKHKo8c-09, die erklärt Beschreiben bedeute für sie, »wenn man etwas genauer erklären soll« (Pos. 18) und damit den Aspekt der Präzision und Genauigkeit als Merkmal einer Beschreibung hervorhebt. In einem ähnlichen Zusammenhang ist die Äußerung von GEKHKo8f-08 zu verstehen, die betont, sie beschreibe »halt generell einfach alles«, »die kleinsten Details auch« (Pos. 10, 18, 28) und damit neben der Genauigkeit auch die Vollständigkeit von Beschreibungen unterstreicht. Zudem sei es wichtig, die Beschreibung »in eigenen Wörtern« (GEHGDu7b-16, Pos. 30) zu verfassen. Es handelt sich dementsprechend nicht um eine Abschrift einer Textgrundlage, sondern um eine eigenständige Auseinandersetzung mit den Inhalten des zu Grunde liegenden Materials. Zwischenhalt An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass die befragten Schüler*innen vereinzelt auf fachspezifische Sachverhalte Bezug nehmen. Bei genauer Nachfrage verweisen die Befragten auf Medien und Materialien wie Bilder und Gegenstände, an denen sie die Sprachhandlung im Gesellschaftslehreunterricht vollziehen. Sie nennen dann auch konkrete Inhalte, beispielsweise historische Sachverhalte wie »die Stadt von früher« oder das Leben der Ägypter, die als Gegenstand einer Beschreibung betrachtet werden können. Dabei realisieren die Schüler*innen üblicherweise sowohl wahrnehmungsbasierte Beschreibungen, bei denen sie auf unmittelbar im Wahrnehmungsraum befindliche Objekte referieren, als auch wissensbasierte Beschreibungen, in denen ein Vorstellungsraum zwischen Produzent und Rezipient eröffnet wird, in den der zu beschreibende Sachverhalt eingebettet wird. In der Zuordnung der Sprachhandlung zur Quellenkritik spiegeln die Äußerungen der Proband*innen die Annahmen aus Handros

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht (2013, 2020) wider. Mehrheitlich gelingt es den Befragten jedoch nicht, das Beschreiben eindeutig von anderen Sprachhandlungen abzugrenzen. Vielfach zeigen sich dabei Überschneidungen zwischen Beschreiben und Erklären bzw. Erzählen. Damit einhergehend verschwimmt zum Teil die fachliche Trennung zwischen Sachanalyse und Sachurteil, da das Beschreiben beiden Operationen zugeordnet wird. Auch im Hinblick auf die sprachliche Umsetzung der Beschreibung zeigen sich konzeptionelle Schwächen. Die Gestaltung der Sprachhandlung wird von den Schüler*innen weniger am Vorwissen des Rezipienten als vielmehr am eigenen Kenntnisstand orientiert. Eine Strukturierung, beispielsweise durch das Entwerfen eines gemeinsamen Vorstellungsraums, wird nicht formuliert. Allenfalls zeichnet sich eine chronologische Strukturierung der Sprachhandlung ab. Einigkeit besteht hingegen darüber, dass in einer Beschreibung hauptsächlich Elemente oder Informationen über einen Sachverhalt oder Gegenstand zusammengetragen werden. Weitere Aspekte der Textstrukturierung werden von einzelnen Schüler*innen angeführt. Es ist davon auszugehen, dass es sich um textuelle Merkmale handelt, die von den jeweiligen Lehrkräften der Schüler*innen als besonders wichtig vermittelt und bei der Produktion der Sprachhandlung eingefordert werden. Das schriftliche Verfassen einer Beschreibung scheint hingegen nicht in allen Klassen üblich. Während einige Schüler*innen sogar die epistemische Funktion des schriftlichen Beschreibens betonen, verdeutlichen andere, dass sie die Sprachhandlung vorwiegend mündlich realisieren. Im Überblick über die Schüler*innenbefragung zeigt sich, dass die Schüler*innen nicht in der Lage sind, ein konkretes fachspezifisches Konzept der Sprachhandlung Beschreiben zu verbalisieren. Grundlegende Teilhandlungen, die zum Vollzug einer Beschreibung notwendig sind, sind der Mehrheit der Schüler*innen bekannt, insgesamt lässt sich jedoch keine Struktur der Sprachhandlung nachzeichnen.

5.3.2 Vergleich der Konzepte (Gruppenanalyse) Zur Gruppe der Lernenden, die über fachlich und sprachlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen (Gr. I), zählen die Schülerinnen GEHGDu7d01, GEDFDd7d-02 und der Schüler GEDFDd7d-20. Statt mit der sprachlichen Handlung assoziiert GEDFDd7d-20 den Operator Beschreiben mit der Tätigkeit des Schreibens. Er verweist nicht auf die eigenständige Textproduktion, sondern auf das Abschreiben dessen, »was die Lehrer an die Tafel schreiben, so« (Pos. 16). Die Schülerin GEHGDu7d-01 bezieht sich in der Interviewbefragung zunächst

Beschreiben

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auf Personenbeschreibungen und, relativ unspezifisch, auf Dinge (Pos. 14). Ihre weiteren Äußerungen (Pos. 18–20) zeigen, dass sie die sprachliche Handlung hauptsächlich in alltagssprachlichen, nicht aber in bildungssprachlichen Zusammenhängen realisiert. Ähnlich unspezifisch und im alltagssprachlichen Referenzraum bleibt GEDFDd7d-02. Für die Schülerin bezieht sich eine Beschreibung auf einen realen, von allen an der Kommunikationssituation Beteiligten wahrnehmbaren Gegenstand, »etwas« (Pos. 48) »was da ist« (Pos. 18). Als besonderen Typus für die schulische Kommunikation hebt sie Bildbeschreibungen hervor (Pos. 18). Befragt nach Spezifika des GL-Unterrichts äußert GEHGDu7d01 »man [könne] die Bücher beschreiben« (Pos. 16), ohne genauer zu erläutern, welche Bücher gemeint sind. Offen bleibt deshalb, ob sie mit ihrer Äußerung auf Elemente aus dem Schulbuch verweisen will, wie das angehängte »die Menschen beschreiben von GL« vermuten lässt (Pos. 16), oder ob sie tatsächlich das Beschreiben von Textelementen, wie beispielsweise Quellenausschnitten, hervorheben möchte. Aus den Ausführungen zur Beispielaufgabe und den Erläuterungen zum Operator können einige Teilschritte herausgearbeitet werden, die von den Schüler*innen als wesentlich für eine Beschreibung betrachtet werden. GEDFDd7d-02 benennt als Ausgangspunkt eine konkrete Fragestellung, von der ausgehend (Vor-)Wissen aktiviert wird. Implizit wird aus ihren Äußerungen deutlich, dass die fachliche Sprachhandlung, anders als alltagssprachliche Beschreibungen, eine Kontextualisierung und historische Einordnung des Referenzobjekts erfordert. Anknüpfend an das selbst gewählte Beispiel der Bildbeschreibung führt GEDFDd7d-02 weiter aus, sei vor allem die Nennung äußerer Elemente zentraler Bestandteil der Sprachhandlung. Bei einer Beschreibung sage man dementsprechend »wie’s aussieht« (Pos. 48). Eine Besonderheit ist darüber hinaus der Aspekt der Genauigkeit, den die Schülerin mehrfach hervorhebt. Zunächst spricht sie davon, dass Beschreiben bedeute »etwas genauer [zu] erklären« (Pos. 18), anschließend verweist sie darauf, »genau« (Pos. 22) angeben zu müssen, welche Farbe das Referenzobjekt habe. Die präzise Weitergabe der Wahrnehmungen (Vgl. Rehbein 1984) tritt somit als wesentlicher Aspekt des Beschreibens hervor. Neben der Beantwortung einer Fragestellung, die im Alltag oder Unterricht geäußert wird und eine Beschreibung verlangt, betrachtet die Schülerin die Verständnisgenerierung bzw. das Ausräumen eines Wissensdefizits als Zweck der Beschreibung. Für GEHGDu7d-01 ist die Beschreibung hingegen nicht an einen konkreten Zweck gebunden. Der Aufbau der Sprachhandlung bleibt, da die Schülerin nicht über das Konzept der sprachlichen Handlung verfügt, in ihren Antworten oberflächlich. Die Schüler*innen mit fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten (Gr. I) verbalisieren in den Interviews rudimentäre, alltagssprachliche

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Konzepte der Sprachhandlung. In den Äußerungen spiegelt sich fehlendes Sprachhandlungswissen zum Gegenstand, Aufbau und zur Strukturierung von Beschreibungen. Zur Gruppe der Schüler*innen, die in der Erhebung der fachlichen Fähigkeiten überdurchschnittliche, in der Messung der allgemeinen, fachübergreifenden Sprachfähigkeit allerdings eher unterdurchschnittliche Leistungen zeigten (Gr. II), zählen die Proband*innen GEHGDu7b-06 und GEKHKo8c-23. Für GEHGDu7b-06 stellen Worte den Gegenstand der Sprachhandlungen dar. GEKHKo8c-23 geht bei der Beantwortung der Einstiegsfrage »Was bedeutet Beschreiben für dich?« weniger konkret vor. Bereits aus seiner ersten Antwort geht hervor, dass der Schüler nicht eindeutig zwischen Beschreibung und Erklärung differenziert. Er führt an, Beschreiben bedeute »das man etwas erklärt. Also einer anderen, andere Person erklärt, was sie noch nicht weiß« (Pos. 12). Anschließend ergänzt er, dass es sich vor allem um Dinge handle, die diese Person »noch nicht gesehen hat« (Pos. 14). Im Hinblick auf das historische Lernen ist ihm zudem geläufig, dass Bilder beschrieben werden können. Wie die Schüler*innen der ersten Gruppe betont GEKHKo8c-23 die zentrale Bedeutung einer Materialgrundlage oder Ressourcen, die aus dem Vorwissen abgerufen werden können. Ohne eine solche Grundlage sei es, so die Kernaussage seiner Überlegungen, nicht möglich, eine Beschreibung anzufertigen. Dem Schüler ist bewusst, dass Beschreibungen im GL-Unterricht zunächst den Prozess des Erkenntnisgewinns über einen historischen Sachverhalt voraussetzen. Erst wenn genügend Erkenntnisse über den Sachverhalt zur Verfügung stehen, kann eine Beschreibung verfasst werden. GEHGDu7b-06 skizziert in der Auseinandersetzung mit der Beispielaufgabe, dass historische Sachverhalte durch die Nennung von Informationen beschrieben werden können (vgl. Pos. 28). Eine eigenständige Benennung von Teilschritten der Sprachhandlung gelingt dem Probanden nicht. Im Gegensatz zu den Befragten der ersten Gruppe gelingt es den Schüler*innen mit fachlich überdurchschnittlichen und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten (Gr. II) den Gegenstand fachlicher Beschreibungen einzugrenzen. Ableiten können sie sich diesen, ebenso wie grundlegende Schritte zum Vollzug der Sprachhandlung, womöglich aus ihrem Fachwissen. Dennoch gelingt es ihnen nicht, das Beschreiben eindeutig von anderen Sprachhandlungen abzugrenzen oder ein konkretes Handlungsmuster zu verbalisieren. Der Gruppe der Lernenden mit fachlich unterdurchschnittlichen, aber sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten (Gr. III) werden die Schüler*innen GEKHKo8f-16 und GEDFDd7d-06 zugeordnet. Trotz der überzeugenden Bearbeitung der Beschreibe-Teilaufgabe in der fachübergreifenden Schreibaufgabe, gelingt es GEKHKo8f-16 weder, ihr Sprachhandlungswissen zu explizieren, noch die Beispielaufgabe »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter«

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exemplarisch zu lösen. Was Beschreiben bedeute, das könne sie nicht erklären (Vgl. Pos. 10, Pos. 12), auch fachspezifische Sachverhalte sind ihr nicht geläufig. GEDFDd7d-06 betrachtet das Beschreiben der äußeren bzw. inneren Form eines Sachverhalts als charakteristisches Merkmal der Sprachhandlung (Pos. 19). Für den Fachunterricht verweist sie auf Bilder und berichtet, dass auch im Alltag Beschreibungen angefertigt werden (Vgl. Pos. 27). Als wesentliche Elemente einer Beschreibung charakterisiert die Schülerin die eigene Kenntnis des (fachspezifischen) Sachverhalts und die (ver-)gegenwärtigung entsprechenden (Vor-)Wissens. Ausgeführt wird die Sprachhandlung, wie lediglich implizit deutlich wird, vor allem mündlich und in alltagssprachlichen Handlungszusammenhängen. Wie auch in der Befragung der ersten und zweiten Gruppe weisen die befragten Schüler*innen der dritten Gruppe ein eher unspezifisches, alltagssprachliches Konzept der Sprachhandlung auf. Teilschritte können in Grundzügen benannt werden, allerdings bleibt das Konzept in den Erläuterungen weitgehend unvollständig. Der vierten Gruppe, die Lernende, die sowohl in den fachlichen als auch in den sprachlichen Instrumenten durchschnittliche Leistungen gezeigt haben umfasst, werden GEKHKo8f-04 und GEDFDd7d-16 zugeordnet. Den Gegenstand einer Beschreibung leitet GEDFDd7d-16 aus alltagssprachlichen Kommunikationszusammenhängen her. Erst durch vertieftes Nachfragen wird deutlich, dass Worte (Pos. 20) als fachspezifische Gegenstände beschrieben werden können. GEKHKo8f-04 benennt keinen Gegenstand, skizziert jedoch den Aspekt der Hilfestellung als wesentlichen Zweck der Sprachhandlung, die initiiert würde, wenn ein an einer Kommunikationssituation beteiligter Sprecher etwas nicht weiß oder nicht versteht (Vgl. Pos. 10, 12). Über die Textstruktur trifft der Schüler keine Aussagen, sondern hält fest, diese könne er nicht erklären (Vgl. Pos. 12). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass er sein Sprachhandlungswissen nicht zu einem Konzept verknüpft hat, welches er aus dem Gedächtnis abrufen und verbalisieren kann. Aus den alltäglichen Beispielen, die GEDFDd7d-16 anführt, geht hervor, dass das Beschreiben vor allem das Nennen äußerer Merkmale umfasst. Im Hinblick auf die zu erläuternde Beispielaufgabe wird jedoch deutlich, dass die Aufgabenstellung nicht nur durch die Informationsnennung, sondern auch durch das Aufstellen von Hypothesen, die mit »glaube ich« (Vgl. Pos. 22, Pos. 24) eingeleitet werden, gelöst werden können. Fehlt Fachwissen zum Beschreiben eines Sachverhaltes, so reicht es also aus, Vermutungen aufzustellen, um die Sprachhandlung auszuführen. Darüber hinaus können erklärende Elemente einbezogen werden (»meine Kopfhörer [sind] kaputt [..], weil die auf den Boden gefallen sind«, Pos. 16) um einen Sachverhalt nachvollziehbar zu beschreiben.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Die Schüler der Gruppe mit durchschnittlichen fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten (Gr. IV) sind nicht in der Lage, ein fachspezifisches Konzept der Sprachhandlung auszuformulieren. Ihnen gelingt es jedoch, das Beschreiben an einen Zweck anzubinden. Implizit verweisen die Lernenden zudem auf Textelemente, die beim Beschreiben realisiert werden müssen. Zu der überdurchschnittlich starken Gruppe (Gr. V) gehören die Schüler*innen GEKHKo8f-08, GEKHKo8c-04 und GEKHKo8c-09. Auf die Frage: »Was bedeutet Beschreiben für dich?« antwortet GEKHKo8f-08 zunächst intuitiv mit: »Beschreiben bedeutet für mich, etwas zu erklären« (Pos. 8). Anschließend führt sie jedoch aus, der Operator verlange darzustellen, »wie etwas aussieht oder wie etwas ist« (Pos. 8). Ihre eigene Überlegung, dass Beschreiben auch bedeute, zu sagen, »wie etwas getan werden kann oder wie etwas heißt« verwirft sie mit den Worten »nee, das halt nicht, aber von der Art« (Pos. 8). GEKHKo8e-04 führt hauptsächlich Objekte als Gegenstand, der im Rahmen fachlicher Beschreibungen behandelt wird, an. Anhand des Interviews mit GEKHKo8c-09 lässt sich eines der differenziertesten Konzepte zur Sprachhandlung abbilden. Obwohl der Beschreibung Zwecke und Teilelemente zugeschrieben werden, die sowohl den situativen Kontext als auch die textuellen Merkmale der Sprachhandlung überschreiten, zeichnet sie ihre Vorstellungen von einer Beschreibung als fachsprachliche Handlung genau nach. Gefragt nach der Bedeutung des handlungsinitiierenden Verbs erklärt die Schülerin eine Beschreibung fasse, »wenn man sich, beziehungsweise man selber, beziehungsweise erklärt, was man von der Sache hält oder was diese Sache ist, wie man über diese Sache denkt, was diese Sache sein könnte« (Pos. 14). Aus ihrer vielschichtigen Antwort geht hervor, dass das Bestimmen und Benennen eines Gegenstandes oder Sachverhaltes (»was diese Sache ist«) neben der Darstellung einer eigenen Position, (»was man von der Sache hält, […] wie man über diese Sache denkt«) und dem Aufstellen von Hypothesen (»was diese Sache sein könnte«) in eine Beschreibung einfließen. Durch den von ihr angedeuteten Selbstbezug einer Beschreibung ist das Aufstellen von Hypothesen weniger als Deutung, sondern vielmehr als Erschließung eines unbekannten Sachverhalts zum eigenständigen Erarbeiten einer Wissensbasis zu verstehen. In diesem Sinne ist auch die subjektive Positionierung nicht nur als Darlegung eines eigenen Standpunktes zu betrachten, denn dieser Aspekt wäre nicht als Teil der Sprachhandlung zu verstehen. Vielmehr lässt sich davon ausgehen, dass die Schülerin auf die subjektive Darstellung eines Sachverhaltes, also die Prägung der Beschreibung durch die Sichtweise des Produzenten, hinweisen will. Hier lassen Parallelen zu dem von Klotz (2005, S. 92) formulierten Hinweis auf die subjektive Gewichtung von Beschreibungen, die immer auf den Produzent zurückgeht, aufzeigen. Verdeutlicht wird dies durch die Abgrenzung zum Erklären, die die Schülerin am Ende des Interviews vornimmt und bei der sie hervorhebt, beim Beschreiben sage »man nur das Aussehen« (Pos. 32). Auffällig ist an der Her-

Beschreiben

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vorhebung der Sichtweise darüber hinaus, dass die Klassenkameradin GEKHKo8c-04 diese als Teil einer Erklärung betont. Möglicherweise ist die Darlegung der eigenen Sichtweise als Element verschiedener Sprachhandlungen auch ein Fokus, den die entsprechende Lehrkraft im Fachunterricht, den beide Schüler*innen besuchen, setzt. In den exemplarischen Beschreibungen, die GEKHKo8c-04 zu einem Krug und einem Fußball anfertigt (Vgl. Pos. 16) nutzt sie neben der Nennung äußerer Merkmale die Präzision durch Vergleiche (»es hat Flecken, nicht Flecken, sondern so Vierecke da drauf«, Pos. 16) bzw. die indirekte Verbindung von Merkmalen und Zwecken (»man kann Sachen reintun«, Pos. 20). Das nicht nur äußere Merkmale wie Farbe und Größe eines Gegenstandes oder Bildelementes beschrieben werden müssen (Vgl. Pos. 10, Pos. 34), zeigt der Anspruch von GEKHKo8f-08 zu beschreiben, »wie etwas ist« (Pos. 8), der auf die Beschreibung innerer Merkmale schließen lässt. Aus dem individuellen Beispiel der Bildbeschreibung, aber auch aus den Erläuterungen zur Beispielaufgabe geht hervor, dass die Sprachhandlung zunächst die Auseinandersetzung mit dem Material bzw. die Aktivierung von Vorwissen erfordert. Aus diesem Grund würde die Schülerin, wenn sie einen fiktiven Mitschüler bei der Erarbeitung der Aufgabe »Beschreibe die Arbeit eines Bauern im Mittelalter« helfen würde, zunächst fragen, »ob er weiß was das ist, ein Bauer im Mittelalter. Wenn er es nicht wüsste, würde ich schon sagen, was es ist, was ein Bauer macht und so« (Pos. 18). GEKHKo8c-09 verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung eines geplanten und strukturierten Vorgehens. Zunächst würde sie »erstmal nochmal nachdenken, wie das damals war« (Pos. 28), also Vorwissen zur Aufgabenstellung aktivieren. Anschließend empfiehlt sie, die typischen Aufgaben der Bauern zu beschreiben und dabei auch Unterschiede zu dem, »was Bauern heutzutage machen und was sie da machen« (Pos. 28) zu berücksichtigen. Wie bereits im Überblick über die Stichprobe angedeutet, nutzt GEKHKo8c09 den Gegenwartsbezug, um den zu beschreibenden Gegenstand umfassend zu erschließen, aber auch um die Beschreibung an den Wissenshorizont des Rezipienten anzubinden (Vgl. Hinrichs 2010). Ihre Beschreibung strukturiert die Schülerin, indem sie vom Allgemeinen zum Speziellen vorgeht. Auf diese Weise eröffnet sie einen gemeinsamen Wahrnehmungsraum, der dem Rezipienten den Nachvollzug der Beschreibung und die Speicherung des Wissens ermöglicht. Als weitere Gesichtspunkte der Beschreibung führt sie an »wie die Kleidung war«, denn es sei wichtig »generell einfach alles« zu beschreiben (Pos. 28). Mit dieser Äußerung hebt GEKHKo8c-09 Ausführlichkeit und Präzision als wesentliche Merkmale der Sprachhandlung hervor (Vgl. Rehbein 1984). Auch GEKHKo8f-08 unterstreicht, dass »kleinste Details« (Pos. 10, Pos. 18) aufgeführt werden müssen, um eine gelungene Beschreibung anzufertigen. Auffällig ist, dass

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

die Schülerin in beiden Beispielen die Grenze zur Interpretation überschreitet. Statt den betreffenden Sachverhalt möglichst objektiv darzustellen, nimmt sie eine Bewertung vor. Das Leben der Bauern bewertet sie als »sehr schwer« (Pos. 18), im Folgenden ergänzt sie in der Beschreibung eines Gegenstandes »es ist schön« (Pos. 34). Deutlich wird, dass die sprachlich und fachlich überdurchschnittlich starken Schüler*innen der fünften Gruppe über differenziertere Konzepte der Sprachhandlung verfügen als die befragten Proband*innen der anderen Gruppen. Zwischenhalt Die Schüler*innen der ersten Gruppe verfügen lediglich über unspezifische, alltagssprachliche und wenig differenzierte Konzepte der sprachlichen Handlung Beschreiben. Demgegenüber benennen die Schüler*innen, die über fachlich überdurchschnittliche und sprachlich eher unter- bzw. durchschnittliche Fähigkeiten verfügen (Gr. II), Worte, Sachverhalte, Wahrnehmungen und Bilder als Gegenstand von alltagssprachlichen und fachlichen Beschreibungen. Sie identifizieren Material und Vorwissen als entscheidende Basis für den Vollzug der Sprachhandlung und verorten sie damit teilweise im historischen Erkenntnisprozess (Vgl. Handro 2020). Dennoch zeigt sich, dass die Konzepte der Schüler*innen eher im Register der Alltagssprache verortet werden können. Fachliche Bezüge fallen ungenau aus, Spezifika der Sprachhandlung können nicht herausgearbeitet werden. Darüber hinaus besteht eine deutliche Überschneidung zwischen den Überlegungen zum Beschreiben und Erklären, die darauf hinweist, dass die Schüler die Sprachhandlungen nicht eindeutig voneinander abgrenzen können. Anhand der Äußerungen von GEDFDd7d-06 lässt sich das Sprachhandlungswissen der dritten Gruppe nachzeichnen. Die Schülerin transferiert ihr alltagssprachliches, in Teilen durch fachübergreifendes Textsortenwissen aus dem Deutschunterricht geprägtes Konzept der Sprachhandlung auf den Fachunterricht. Weder im prozeduralen noch im deklarativen Sprachhandlungswissen von GEKHKo8f-16 lassen sich fachliche Strukturen und Spezifika nachweisen. Insgesamt verfügen die Schüler*innen mit fachlich unterdurchschnittlichen, aber sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten also nicht über ein fachspezifisches Konzept der Sprachhandlung. Gleiches gilt für die Schüler der vierten Gruppe. Auch wenn es ihnen gelingt, Merkmale der Sprachhandlung zu benennen, bleibt ihr Konzept lückenhaft und zeigt wenig fachliche Spezifik. GEKHKo8c-09 (Gr. V) verfügt über eines der differenziertesten Konzepte zur Sprachhandlung Beschreiben. Der Schülerin gelingt es, eine nachvollziehbare Struktur einer Beschreibung herauszuarbeiten, die den Gang durch den Vorstellungsraum vom Allgemeinen zum Speziellen leitet und dabei den Gegen-

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wartsbezug nutzt, um eine für den Rezipienten zugängliche Wissensbasis zu schaffen. Ihre Mitschülerin GEKHKo8c-04 verbalisiert ein weniger differenziertes Konzept der Sprachhandlung. Obwohl sie, den Einschätzungen der Lehrkraft folgend, die sich in der Fachnote niederschlagen, zu den stärksten Proband*innen der Stichprobe zählt und über ausgeprägte fachliche und sprachliche Fähigkeiten verfügt, fehlt der Schülerin scheinbar konkretes Sprachhandlungswissen. Im Hinblick auf das Beschreiben lässt sich festhalten, dass Schüler*innen mit fachlich und sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten über fachspezifisch differenziertere Konzepte verfügen als Schüler*innen mit fachlich und sprachlich weniger ausgebildeten Fähigkeiten. Die Lernenden, die in den fachlichen und sprachlichen Erhebungsinstrumenten unterdurchschnittliche Leistungen gezeigt haben, verbalisieren lediglich rudimentäre, alltagssprachliche Konzepte der Sprachhandlung. Es ist anzunehmen, dass sie nicht in der Lage sind, fachliche Schreibaufgaben angemessen zu lösen, da sie nicht über die Vorstellung eines Prototyps der Sprachhandlung verfügen. Dieser Vermutung wird im Folgenden weiter nachgegangen.

5.3.3 Zusammenhang zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit Code Aufgabe

GEHGDu7d-01 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

GEDFDd7d-20 GEDFDd7d-02 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Textprodukt Sie wäre so lang gewor- Dabei kamen hunderte Manche sagten das den, das es viel zu lange junger Männer zusam- Klugheit viel besser als gedauert hätte, die ein- men, um sich im Stärke ist und dass den zelne stein blöcke von sportliche wettkämpfe Göttern nicht gefallen unten nach oben auf zu messen. würde was sie da madie Pyramide zu brinchen gen. Tabelle 16: Gruppe I – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Den Lernenden, die über fachlich und sprachlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen gelingt es nicht, alle Teilaufgaben der fachlichen und fachübergreifenden Schreibaufgabe zu bearbeiten. Ein möglicher Grund dafür ist die Überforderung mit den Aufgabenstellungen, die fachliche und sprachliche Herausforderungen vereinen. GEDFDd7d-20 realisiert statt einer Beschreibung im Prä-Test eine Zwecknennung, die beispielsweise Antwort auf die Frage: Wozu kamen die Menschen in der Stadt Olympia zusammen? geben könnte. Im Textprodukt seiner Mitschülerin GEDFDd7d-02 spiegelt sich das nur in Teilen ausdifferenzierte Konzept der sprachlichen Handlung wider. Einleitungs- und Schlusssatz der Beschreibung fehlen. Die sprachliche Handlung ist anhand des Textprodukts kaum erkennbar, da lediglich eine der im Text dargestellten Theorien wiedergegeben wird. Zudem erfolgt die Beschreibung ohne Kontextualisierung oder Anbindung an die Fragestellung. Ähnliche Schwächen weist das Textprodukt von GEHGDu7d-01 auf. Die Beschreibung beginnt, ohne Einleitung, unmittelbar mit der Beschreibung der ersten Theorie. Sowohl strukturell als auch inhaltlich fehlen wesentliche Elemente zur Textrahmung. So bleibt beispielsweise unklar, worauf sich »Sie« bezieht. Hervorzuheben ist, dass es ihr gelingt, die erste Theorie zum Bau der Pyramiden in Grundzügen darzustellen. Sprachliche Mittel, die als charakteristisch für die sprachliche Handlung betrachtet werden, wie etwa Tempus und unpersönliche Formulierungen, werden korrekt umgesetzt. Textkohärenz kann allerdings kaum abgebildet werden, da das Textprodukt lediglich einen Satz umfasst und wesentliche Informationen, die zur Vollständigkeit der Beschreibung erforderlich gewesen wären, fehlen. Auch in dem Schreibprodukt aus der Feder von GEDFDd7d-02 sind kaum sprachliche Mittel nachweisbar, die als maßgeblich für eine Beschreibung betrachtet werden. Somit kann die Beschreibung weder als fachliche noch als sprachliche Handlung als solche charakterisiert werden. Beide Schüler*innen erzielen in der Bewertung der Beschreibe-Teilaufgabe dennoch prozentuale Gesamtscores von über 30 % (GEDFDd7d-20: 36.36 %, GEHGDu7d-01: 31.82 %). Die Beispiele verdeutlichen, dass Textprodukte, in denen die geforderte sprachliche Handlung nicht realisiert wird, trotz ihrer Schwächen durchschnittlich hohe Scores in der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgaben erhalten. Da sprachliche Mittel grundsätzlich umgesetzt wurden – wenngleich nicht durchgehend oder um die Sprachhandlung zweckgebunden zu formulieren – und die verschiedenen Positionen zumindest angerissen und schematisch gengenübergestellt wurden, erreichen die Schüler*innen prozentuale Gesamtscores, die höher sind als die anderer Proband*innen (Vgl. GEHGDu7b-06), die die fachsprachlichen Besonderheiten der Beschreibung in ihren Textprodukten deutlicher umgesetzt haben. Daraus lässt sich schließen, dass die geforderte Verbindung von sprachlichen und fachlichen Merkmalen des

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Beschreiben

Textes durch das Rating einzelner Kategorien nicht immer ausreichend abgebildet werden kann. Anschließen lässt sich auch an das von Veel/Coffin (1996, S. 224) herausgearbeitete Dilemmata, dass Texte, die sprachlich zufriedenstellend sind, nicht auch historisch korrekt sein müssen. Sofern Lernende nicht über ein Konzept der Sprachhandlung verfügen, setzen sie sprachliche Mittel um, »ohne dass ihr funktional zielführender Einsatz zur Realisierung der entsprechenden Bedeutungszusammenhänge gelingt« (Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 158). Die Schwächen der Textprodukte sind auf verschiedene Faktoren zurückzuführen: Erstens verfassen die Schüler*innen Beschreibungen im GL-Unterricht vorwiegend mündlich. Fallen diese nicht präzise genug aus oder fehlen zentrale inhaltliche Aspekte, können die Ausführungen – angeleitet durch Nachfragen der Lehrkräfte oder Mitschüler*innen – angepasst, korrigiert und erweitert werden. Eine kohärente Beschreibung müssen die Schüler*innen in diesem Fall nicht produzieren, stattdessen reicht es aus, einzelne Assertionen vorzubringen. Zweitens ist ihnen der Zweck der Sprachhandlung im fachlichen Kontext nicht geläufig. Wie in der funktional-pragmatischen Grundlegung dieser Arbeit hergeleitet, bestimmt insbesondere die Zweckorientierung von Textsorten und sprachlichen Handlungen jedoch die Auswahl und Umsetzung sprachlicher Mittel sowie die Form der Textstrukturierung. Da das Konzept der Lernenden die Zwecke der Sprachhandlung nicht inkludiert, gelingt es ihnen nicht, fachsprachliche Mittel gezielt einzubeziehen. Eine Parallele zeigt sich zum dritten Faktor, der Fachspezifik. Wie aus den Interviews hervorgeht, verfügen die Schüler*innen über ein vornehmlich in alltagssprachlichen Kommunikationssituationen aufgebautes Konzept der Sprachhandlung. Die Gegenstände (Bilder, Schulbuch), auf die sie sich beziehen, werden von ihnen nicht mit fachlichen Denkprozessen verknüpft. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass es ihnen bisher nicht gelungen ist, fachspezifische Anforderungen, die bei der Bearbeitung operatorengestützter Beschreibe-Aufgaben im GL-Unterricht herangetragen werden, in ihre Konzepte zu integrieren. Anzunehmen ist, dass das fachliche Sprachhandeln im Fachunterricht, den die Schüler*innen besuchen, nicht ausreichend angeleitet wurde, um den Aufbau sprachlicher Konzepte zu initiieren. Code Aufgabe

GEHGDu7b-06 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

GEKHKo8c-23 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

(Fortsetzung) Code GEHGDu7b-06 Textprodukt Viele personen beurteilten damit das die jungen Männer Stark und Schlau wurden das heißt das die mutig, ausdauernd und Kräftig wurden das half ihren im Krieg. Die andere Seite beurteilte damit das die Sportler die gewannen im Faustkampf einen Ehrenplatz bei der Veranstaltungen bekam und Kostbare Geschenke bekam Sie meinten sie hätten es Verdient, weil wichtiger ist als die Kraft von sportlern.

GEKHKo8c-23 Die Forscher streiten darüber wie die Pyramiden erbaut wurden sind, weil es zwei Theorien gibt. Eine Theorie geht davon aus, dass es eine große und gerade Rampe gab. Über die Rampe wurden dann die Steinblöcke immer weiter nach oben gebracht. Dan hätte aber die Rampe mit der Pyramide mitwachsen müssen. Die andere Theorie geht davon aus, dass es mehrere Rampen herum der Pyramide gebaut wurden. Die Rampen waren kleiner aber hatten die gleichen Funktionen, wie die große. Aber dan hätten die Rampen oben, an der wo sie schmaler wird, auch steiler werden müssen. Angeblich so steil das sie keiner mehr nach oben ziehen oder schieben konnte. Tabelle 17: Gruppe II – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

In Ermangelung von Schreibanlässen, die eine (historische) Beschreibung erwarten, ist es wenig überraschend, dass GEHGDu7b-06 sowohl in der fachübergreifenden als auch in der fachlichen Schreibaufgabe eine nur unzureichende Schreibleistung aufweist. Es scheint, als würden Beschreibungen lediglich als Grundlage für andere Sprachhandlungen angefertigt werden, ohne der sprachlichen Handlung einen Mehrwert im historischen Denk- und Erkenntnisprozess (Vgl. Handro 2013; 2015b, 2020) zuzusprechen. Insgesamt wird deutlich, dass es sich bei dem Textprodukt von GEHGDu7b-06 um eine Beschreibung der Meinung der Zeitgenoss*innen handelt (6 Punkte/ 27,27 %), die Textrahmung ist allerdings nur unvollständig. Eine Einleitung erfolgt durch den Satzteil »Viele personen beurteilten«, der unmittelbar in die erste Position einführt. Zur Beschreibung der Meinungen werden sowohl der Darstellungstext als auch die Quelle berücksichtigt. Die Meinungen der Zeitgenoss*innen werden zwar verglichen, jedoch nicht richtig identifiziert. Statt Befürwortung und Ablehnung des körperlichen Kräftemessens herauszustellen, werden verschiedene Teilaspekte gegenübergestellt. Zudem sind die Meinungen nicht vollständig und präzise beschrieben, sondern geben nur einige der im Material enthaltenen Aspekte wieder. Die für das Beschreiben wesentliche Eröffnung eines »Vorstellungsraumes« (Rehbein 1984, S. 79) bleibt aus. Durch die fehlerhafte Zuordnung der Teilaspekte zu den Positionen ist auch der wesentliche Kern der geforderten Beschreibung, nämlich die multiperspektivische Betrach-

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tung eines historischen Sachverhalts durch Zeitgenoss*innen, nicht im Textprodukt erkennbar. Die von GEKHKo8c-23 realisierte Beschreibung (17 Punkte/ 77,27 %) ist deutlich stringenter und deshalb besser nachzuvollziehen. Ein Einleitungssatz, der in die Thematik der Beschreibung einführt, ist vorhanden. Die Theorien werden nicht ganz vollständig, aber kohärent beschrieben. Die Problemstellung wird in Grundzügen deutlich, offen bleibt jedoch, weshalb die erste Theorie nicht stimmen könnte. Beide Schüler nutzen zur Herstellung der Textstruktur kausale und konditionale Marker, zudem werden die verschiedenen zeitgenössischen Positionen durch die Formulierungen wie »viele Personen« und »die andere Seite« oder aber »Die eine Theorie« – »Die andere Theorie« abgegrenzt. Einschränkungen, aus denen sich die Mängel der Theorien ergeben, leitet GEKHKo8c-23 darüber hinaus mit »aber« ein und strukturiert sie durch »Wenn…, dann«-Konstruktionen. Grundlegende sprachliche Mittel der Beschreibung werden umgesetzt. In der Beschreibung von GEKHKo8c-23 erfolgt eine sprachliche Distanzierung an den Stellen, die auch im Darstellungstext mit kritischer Distanznahme verbunden sind. Eine eigenständige Ausweitung der sprachlichen Hervorhebung kritischer Distanz findet nicht statt. Anders als das Interview vermuten lässt, scheint der Schüler grundsätzlich in der Lage sich kritisch mit historischen Sachverhalten auseinanderzusetzen, wie die graduierenden Formulierungen (z. B. »angeblich«) zeigen. Es wird deutlich, dass der Proband in der Lage ist, eine historische Beschreibung fachlich und sprachlich vollständig und nachvollziehbar umzusetzen. Auch GEHGDu7b-06 gelingt es, die geforderte Beschreibung in Grundzügen zu realisieren. Die Qualität des Textprodukts lässt annehmen, dass der Schüler im Interview nicht auf sein konzeptualisiertes Wissen zugreifen kann, jedoch über prozedurales Handlungswissen verfügt, welches ihn befähigt, die Beschreibung zu verfassen. Berücksichtigt man die erfolgreiche Bearbeitung der Erkläre-Aufgabe (s. u.), so lassen sich die strukturellen Schwächen des Textprodukts auf das eher alltagssprachliche und fachunspezifische Konzept der Sprachhandlung Beschreiben zurückführen. Möglicherweise gelingt es dem Schüler nicht, einen geeigneten fachlichen Prototyp zur Bearbeitung der durch den Operator Beschreiben initiierten Schreibaufgabe aus dem Langzeitgedächtnis (Vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017) abzurufen. Die Analyse der Schreibprodukte zeigt, dass den Schülern der zweiten Gruppe der Zugriff auf deklaratives Sprachhandlungswissen im Rahmen des Interviews schwerfällt, ihnen die Realisierung der Beschreibung aber deutlich besser gelingt. Die Textprodukte sind als Beschreibung erkennbar und insgesamt nachvollziehbar. Einschränkungen zeigen sich im Hinblick auf Präzision und Vollständigkeit, wohingegen die sprachlichen Anforderungen der Teilaufgabe nahezu

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vollständig korrekt umgesetzt werden. GEKHKo8c-23 gelingt es sogar, sprachliche Distanzmittel in die Beschreibung einzubeziehen und so die Textqualität zu steigern. Wenngleich die Schüler über eher unterdurchschnittliche sprachliche Fähigkeiten verfügen, lässt sich der Einfluss ihrer fachlichen Fähigkeiten nachweisen. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Gruppe. Code Aufgabe

GEKHKo8f-16 GEDFDd7d-06 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Textprodukt Einige waren stolz, wenn die Athleten aus ihrer Stadt siegten. Sie nutzen die Zeit′um Freundschaften zu schließen. und aufzufrischen. Die Feindschaften ruhten untereinander.

Es gab zwei Schriftsteller die nicht einer Meinung waren der eine sagte: Man muss stark und schlau sein das würden denen helfen, im Krieg. Doch der andere sagte: »Meine Meinung ist das man nur die Weisheit braucht und die Stärke. Tabelle 18: Gruppe III – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

Obwohl GEKHKo8f-16 versucht die Beschreibung angemessen zu realisieren, weist das Textprodukt einige Schwächen auf. Eine Einleitung in die Thematik bleibt aus. Zudem wird lediglich eine zeitgenössische Position beschrieben. Die Problemstellung wird deshalb für den fiktiven Leser nicht nachvollziehbar. Da die sehr kurzen Sätze lediglich aneinandergereiht wurden, fehlen sprachliche Bezüge. Anzunehmen ist, dass die Schwächen des Textprodukts auf fehlende fachliche Fähigkeiten, die in engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins stehen, zurückzuführen sind. Der Schülerin ist es bisher nicht gelungen, ein fachliches Konzept der Sprachhandlung zu entwickeln. Mit welchem Zweck historische Beschreibungen im Gesellschaftslehreunterricht angefertigt werden und welche sprachlichen und inhaltlichen Anforderungen sich aus diesem Zweck ergeben, ist ihr nicht geläufig. Sofern ihr das Kontextwissen fehlt, kann sie keine Einblicke in Anknüpfungspunkte, die zur Weiterentwicklung des Textprodukts genutzt werden können, gewinnen. GEDFDd7d-06 erreicht 50 % des Gesamtscores. Die Rahmung des Textes ist in Grundzügen vorhanden, wenngleich der Einleitungssatz inhaltlich nicht korrekt in die Thematik einführt. Statt einem Verweis auf die unterschiedlichen Meinungen der Zeitgenoss*innen anzuführen, nimmt die Probandin explizit Bezug auf die Positionen der »Schriftsteller«, womit wohl die in der Quelle dargestellten Charaktere bezeichnet werden sollen. Beide Positionen werden in Grundzügen dargestellt, sodass sie für einen fiktiven Leser erkennbar werden, jedoch fehlen zahlreiche Informationen, mit denen die Beschreibung weiter ausdifferenziert

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und präzisiert werden könnte. Möglicherweise ist dieses Defizit durch den Materialbezug zu erklären. Anders als in der Aufgabenstellung gefordert, greift der Text nicht die Informationen aus dem Darstellungstext auf, sondern bezieht sich auf den Quellentext. Betrachtet man lediglich die Quelle als Grundlage der Beschreibung, so gibt das Textprodukt die Positionen treffend wieder. Die Positionen werden durch die Formulierungen »der eine« und »Doch der andere« klar voneinander abgegrenzt. Auch der Tempusgebrauch trägt zur fachsprachlichen Angemessenheit bei. Vor allem durch die Nutzung der wörtlichen Rede, aber auch durch das einführende »Es gab«, gewinnt der Text den Charakter einer Erzählung. Ähnlich wie in der im Interview skizzierten Beschreibung, die als Orientierungsrahmen für fiktive Mitschüler*innen angefertigt wurde, gleicht die sprachliche Handlung mehr einer Aufzählung bzw. Redewiedergabe als der geforderten Beschreibung. Die Beschreibung ist damit konzeptionell eher mündlich realisiert, wenngleich sie als Textprodukt schriftlich umgesetzt wurde (Vgl. Koch/Oesterreicher 1994). Die Positionen werden so reduziert dargestellt, dass sie für die Leser kaum nachvollziehbar sein dürften. Wenngleich der Schülerin also bewusst ist, dass der Nachvollzug der Sprachhandlung eine Anbindung an das Wissen des Rezipienten erfordert, gelingt ihr nicht, diese Anforderung sprachlich umzusetzen. Auch dieses Ergebnis lässt sich auf fehlende Einsichten zu den fachlichen Anforderungen, die die operatorengestützte Schreibaufgabe an sie stellt, sowie auf die mangelnde Ausbildung des Geschichtsbewusstseins zurückführen. GEKHKo8f-04 Aufgabe Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann. Einige waren besonders stolz wen die Athleten aus ihrer Stadt, ein sieg galt als zeichen für die Gunst der Götter. sie lobten es mit einem gemeinsamen gebet Ander kritisierten Z. B. das brutale vorgehen der Sportler und sagten die Athleten seien verück Möglicherweise befürchten sie das dass Treiben den Götter nich gefiel. Tabelle 19: Gruppe IV – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

Stellvertretend für die Gruppe IV versucht sich GEKHKo8f-04 an der Bearbeitung der Teilaufgabe. Dabei zeigt sich, dass der Schüler in der Lage ist, eine fachliche Beschreibung zu realisieren (13 Punkte/59,09 %), wenngleich das Textprodukt einige, vor allem orthographische Schwächen aufweist. Durch die fehlende Textrahmung wird der Inhalt der Beschreibung für den fiktiven Leser nicht nachvollziehbar. Beide Positionen werden beschrieben, allerdings nicht detailliert und vollständig. Durch die Formulierungen »Einige« und »ander« wird deutlich, dass es sich um konträre Positionen handelt und die Problemstellung

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nachvollzogen werden kann. Da wesentliche Stichworte wie »Olympische Spiele« oder »Zeitgenossen« fehlen, kann der historische Sachverhalt nicht umfänglich situiert werden. Zudem wird die Textstruktur nicht immer ausreichend durch sprachliche Mittel unterstützt. Es fehlen Kohäsionsmarker, darüber hinaus behindern Satzabbrüche die Leserorientierung. Durch die Formulierung »Möglicherweise« wird eine sprachliche Graduierung eingefügt, die die kritische Distanzierung zu der beschriebenen Position erlaubt. Wenngleich der Text nicht durchgehend leserorientiert verfasst ist, sind die sprachliche und fachliche Umsetzung der Beschreibung ausreichend. Es zeigt sich, dass der Schüler über prozedurales Wissen zur Sprachhandlung verfügt, welches er im Interview jedoch nicht verbalisieren kann oder will. Wie auch bei den anderen Testinstrumenten ist zu berücksichtigen, dass motivationale Aspekte in das Antwortverhalten im Rahmen des Interviews eingeflossen sein können, die zum geringen Umfang der Äußerungen beigetragen haben. GEDFDd7d-16 verfasst weder im Prä- noch im Post-Test eine Beschreibung. GEKHKo8f-04 fehlt das notwendige Wissen zum Sprachhandlungsmuster und den sprachlichen Mitteln, die notwendigerweise in einer Beschreibung realisiert werden müssen. Sein durchschnittliches Abschneiden in der fachübergreifenden Schreibaufgabe sowie im Fachwissenstest weisen darauf hin, dass der Schüler im Rahmen des Schreibprozesses nicht in der Lage ist, ein prototypisches Textmuster aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. Aus der Analyse der Interviews und des Schreibprodukts geht die zentrale Bedeutung von Interesse und Motivation für fachliche Schreib- und Lernprozesse hervor. Zwar verfügen beide Schüler der Gruppe IV über ein alltagssprachliches, unspezifisches Konzept der Sprachhandlung, doch bearbeitet nur GEKHKo8f-04, der dem Fach mit größerem Interesse gegenübersteht, die Teilaufgabe der Schreibgabe. Somit ist der Aspekt der Motivation neben fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten als zentraler Einflussfaktor auf die Bearbeitung fachlicher Schreibaufgaben auszumachen. Code Aufgabe

GEKHKo8f-08 GEKHKo8c-04 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

GEKHKo8c-09 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

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(Fortsetzung) Code GEKHKo8f-08 Textprodukt Am letzten Tag versamelten sich alle im Tempel des Gottes Zeus. Manche ware stolz darauf wenn die Athleten aus ihrer Stadt gewannen. Sie nutzten die Zeit um Freundschaften zu schließen. Ein Sieg war ein zeichen für die gunst der Götter. An dem Tag beteten alle das es Frieden bald gäbe. Andere fanden das schrecklich und brotal sie Krierizierten das Sportfest und befürchteten das, dass ganze den Göttern nicht gefallen könnte.

GEKHKo8c-04 Xenophanes sag das Dichter es viel mehr verdient hätten gelobt zu werden.

GEKHKo8c-09 In der ersten Theorie heißt es sie hätten eine Rampe gebaut. Mit der die Steine nach oben gebracht wurden. Allerdings hätte die Rampe dann mit der Pyramide mit wachsen müssen. Und es viel zu lange gedauert hätte die ganzen Steine nach oben zu bringen. Die zweite Theorie besagt dass es um die Pyramide merere Rampen gab. Wobei diese Rampen mit der Höhe der Pyramide immer steiler werden mussten. So steil das es unmöglich wäre die Steine auf diese weise nach oben zu befördern. Herodot der Man der 2000 Jahre nach den Bau der Pyramiden sagt dass Mann die Pyramide stufig aufgebaut hatte. Und die Steine mit einen gerüst aus Holzstangen nach oben transportiert wurde dass man leicht bewegen kann. Das hat man ihm zumindest erzählt. Tabelle 20: Gruppe V – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

Die im Interview geäußerten Überlegungen der Schülerin GEKHKo8f-08 (Gr. V) spiegeln sich in der Aufgabenbearbeitung wider. Die Einleitung der Beschreibung (12 Punkte/ 54,55 %) verleiht dem Textprodukt den Charakter einer Erzählung. Neben der Formulierung »Am letzten Tag«, stellt im weiteren Verlauf die Formulierung »An dem Tag« ein narratives Element dar. Durch die Beschreibung wird der zeitliche Verlauf des historischen Ereignisses selbst als Sachverhalt herausgearbeitet (Vgl. Stempel 1973). Die Positionen der Zeitgenoss*innen werden umfangreich und präzise beschrieben. Ihr Wissen zur Textsorte, nämlich, dass auch »kleinste Details« genannt werden sollen, setzt die Schülerin in der Beschreibung gelungen um. Auch die Problemstellung wird

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deutlich, nicht zuletzt durch die sprachliche Hervorhebung durch »Manche« und »Andere«. Durch die intratextuellen Bezüge, beispielsweise durch »Andere fanden das schrecklich«, wird deutlich, dass das Textprodukt als Ganzes geplant und durchdacht wurde. Auch aus der Einleitung, in der GEKHKo8f-08 auf »alle« verweist, wird die Durchdringung des Themas deutlich: Die beschriebenen Positionen stellen die Meinungen verschiedener Zeitgenoss*innen zu einem historischen Sachverhalt dar. Einige Teile des Textproduktes wurden aus dem Darstellungstext übernommen, sodass in Frage gestellt werden kann, inwiefern z. B. der Gebrauch des Konjunktivs als eigenständige Leistung betrachtet werden kann. Sprachliche Bezüge werden, auf Grund der parataktischen Struktur des Textprodukts, nur wenige verwendet, allerdings hat der Mangel nur geringen Einfluss auf die Textverständlichkeit. Die Sprachhandlung wird somit eng am vorliegenden Material realisiert, insgesamt jedoch leserorientiert umgesetzt und sprachlich angemessen gestaltet. Da die Schülerin ihr Konzept recht exakt verbalisieren kann und über fachliche sowie sprachliche Fähigkeiten zur Realisierung einer Beschreibung verfügt – wie sich im Textprodukt widerspiegelt – ist davon auszugehen, dass sie ihr Sprachhandlungswissen im (Fach-)Unterricht erworben und das entsprechende Sprachhandlungsmuster sukzessive aufgebaut hat. Wenngleich es überrascht, dass dieses Konzept eher erzählende als beschreibende Strukturen und sprachliche Mittel umfasst, versetzt es sie dennoch in die Lage, die Aufgabenstellung angemessen zu bearbeiten. GEKHKo8c-04 gelingt es im Prä-Test nicht die sprachliche Handlung angemessen umzusetzen, in der kategoriengestützten Auswertung erreicht die Schülerin nur 31,82 %. Sie gibt lediglich eine einzelne, dekontextualisierte Aussage aus dem Quellentext wieder. Wenngleich auf Grund der Kürze des Textes kaum Aussagen über die sprachlichen Fähigkeiten der Schülerin möglich sind, ist hervorzuheben, dass es ihr gelingt, den Konjunktiv sinnstiftend zu verwenden. Obwohl die Schülerin über ausreichende Lesefertigkeiten und einen ausgeprägten Wortschatz verfügt und zudem in der fachübergreifenden Schreibaufgabe eine überzeugende Bearbeitung der Teilaufgabe präsentiert, gelingt es ihr im Fach nicht, die Beschreibung zu realisieren. Es lässt sich annehmen, dass dieser Umstand auf ein fehlendes Konzept zur Sprachhandlung zurückzuführen ist, ohne dass die fachliche Beschreibung nicht realisiert werden kann. Eine Einleitung in die Thematik der Beschreibung ist nicht Teil des Textprodukts von GEKHKo8c-09, jedoch kann der historische Sachverhalt, auf den Bezug genommen wird, aus dem Text erschlossen werden. Obwohl die Textstruktur eng am Darstellungstext orientiert ist, handelt es sich doch um eine eigenständig ausgearbeitete und formulierte Aufgabenlösung. Beide im Darstellungstext enthaltenen Theorien zum Bau der Pyramiden werden umfassend beschrieben, zudem wird die Quelle, durch den Verweis auf Herodots Theorien, miteinbe-

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zogen. Auch die Überlegungen von Herodot werden umfangreich beschrieben. Die Gegenüberstellung der Positionen wird durch die Formulierungen »In der ersten Theorie« und »die zweite Theorie besagt« eingeleitet. Einschränkungen werden durch Formulierungen wie »allerdings«, »wobei« und »zumindest« vorgenommen. Darüber hinaus wird die Quelle einer kritischen Reflexion unterzogen. Obwohl die Auseinandersetzung mit dem Material weit über die Fähigkeiten zum historischen Denken, die sich bisher in der betrachteten Stichprobe abzeichnen, hinausgehen und die Schülerin auch in der kategoriengestützten Auswertung einen hohen Gesamtscore (63,64 %) erreicht, ist anzumerken, dass die kritischen Ausführungen nicht als Teil der sprachlichen Handlung gefordert sind. Vielmehr soll die kritische Auseinandersetzung mit der Quelle durch den Operator Erklären initiiert werden. Das Tempus wird richtig verwendet, außerdem fließt der Konjunktiv in die Beschreibung ein. Es wird deutlich, dass die Probandin in der Lage ist, sich beispielsweise von den Aussagen der Quelle zu distanzieren und diese als hypothetisch zu betrachten. Die Beschreibung ist weitgehend unpersönlich verfasst, auffällig ist lediglich die Formulierung »Herodot […] sagt«, die an wörtliche Rede erinnert, wohl aber dazu dient, explizit die Position des »Zeitzeugen« hervorzuheben, während die Vertreter der anderen Theorien anonym und ungenannt bleiben. Auf Grund ihres ausgeprägten Konzepts zur Sprachhandlung Beschreiben ist GEKHKo8c-09 in der Lage, die Teilaufgabe angemessen zu realisieren. Das weniger differenzierte Konzept von GEKHKo8c-04 spiegelt sich ebenfalls im Schreibprodukt wieder. Das Abschneiden der Schülerin in der Erhebung weist darauf hin, dass die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit gezielt aufgebaut werden muss. Sprachliche und fachliche Fähigkeiten der Schüler*innen versetzten diese nicht automatisch in die Lage, operatorengestützte Aufgaben angemessen zu realisieren. Vielmehr müssen die Anforderungen dieser Aufgaben, die textstrukturelle Elemente und den Einsatz zweckgebundener sprachlicher Mittel umfassen, eingebettet in fachspezifische Handlungssituationen vermittelt werden.

5.3.4 Entwicklung der Konzepte durch die Intervention Aus der Gruppe der Schüler*innen mit fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten hat lediglich die Schülerin GEDFDd7d-02 an einem Interview nach Abschluss der Intervention teilgenommen. Nach der Interventionsphase fokussiert die Schülerin weiterhin Bilder und Bildelemente als Gegenstand einer Beschreibung, auch in ihren weiteren Äußerungen zeigen sich deutliche Parallelen zur ersten Befragung. Die Wiederholung von Beispielen, die sie im ersten Interview angeführt hat, verdeutlicht, dass sie ihr sprachlichen

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Handeln durchaus als Beschreiben betrachtet. Sie ist nicht mehr in der Lage, einen konkreten Bezug zum GL-Unterricht herzustellen. Anzunehmen ist, dass die Ausrichtung der Intervention einen wesentlichen Einfluss auf die Beantwortung der Frage haben dürfte. Während GEDFDd7d-02 Bilder als primären Gegenstand von Beschreibungen betrachtet, wurde in den rund sieben absolvierten Einheiten der Intervention die Beschreibung historischer Sachverhalte unter besonderer Berücksichtigung von Darstellungstexten und Textquellen fokussiert. Auch Äußerungen zur Zweckorientierung und zu Teilschritten zum Vollzug der sprachlichen Handlung zeigen, dass sich das Konzept der Schülerin wenig verändert hat. Es scheint sich um eine gefestigte Vorstellung des Idealtyps einer Beschreibung zu handeln. Im Rahmen der Intervention gelingt es GEDFDd7d-02 somit nicht, ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit weiterzuentwickeln. Da anzunehmen ist, dass es sich bei den Konzepten zu den Sprachhandlungen um kognitive Schemata handelt, die »alle Kenntnisse und Informationen zu einem Begriff« (Bednorz/Schuster 2002, S. 153) bündeln, erfordert dessen Erweiterung das Herstellen neuer Zusammenhänge und deren Integration in das bestehende Schema. In diesem komplexen Prozess muss Wissen nachvollzogen, integriert und schließlich erneut abgerufen werden (Mandl/Friedrich/Hron 1993, S. 160). Möglicherweise erlaubte der Umfang der Schreibförderung, in der lediglich drei Lerneinheiten gezielt das Beschreiben fokussierten, nicht die Integration neuen Wissens in das Konzept der Sprachhandlung, sodass im Rückblick kein konkreter Bezug hergestellt werden kann. Die Weiterentwicklung des Konzepts im Sinne eines conceptual change konnte dementsprechend nicht erfolgreich vollzogen werden. Möglicherweise haben sich die bisher verwendeten Alltagskonzepte der Schülerin als ausreichend erwiesen, um Lernaufgaben im Fach zu bearbeiten, sodass keine Notwendigkeit zur Veränderung der Konzepte besteht. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die drei Proband*innen der ersten Gruppe über geringe kognitive Fähigkeiten verfügen. Entsprechend der Modellierung kognitiver Entwicklungsstadien, die Piaget vorgenommen hat, lassen sich die Proband*innen dem konkret-operationalen Stadium zuordnen. Ihnen gelingen grundlegende logische Denkprozesse, doch sind sie nicht in der Lage, die Textaussagen ausreichend zu abstrahieren, um daraus eine eigene Beschreibung zu entwickeln. Aus diesem Grund kann nicht ausgeschlossen werden, dass GEDFDd7d-02 die Inhalte der Intervention nicht hinlänglich verstanden hat, sodass sie diese nicht in ihre Konzepte integrieren konnte (Vgl. Schnotz 2006). GEHGDu7b-06 (Gr. II) gelingt es, sein Konzept im Rahmen der Intervention zu festigen und auszubauen. Nach Abschluss der Intervention ist er in der Lage, ein basales Konzept zur Sprachhandlung zu verbalisieren. Wenngleich es ihm

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weiterhin misslingt, Teilschritte zu benennen, verdeutlicht er doch, dass die Beschreibung eine spezifische Struktur, bestehend aus »Einleitung, danach der Hauptteil und dann der Schluss« (Pos. 16) aufweist. Die Vorstellung, eine Beschreibung vor allem als Grundlage für weitere Sprachhandlungen anzufertigen, bleibt bestehen, denn: »erst […] soll man mit Beschreibung anfangen und dann Erklärung« (Pos. 14). Einen konkreten Bezug zum Gesellschaftslehreunterricht oder einem historischen Sachverhalt kann der Befragte weiterhin nicht feststellen. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass er nicht in der Lage ist, eine fachtypische Beschreibung eines historischen Sachverhalts von einer Beschreibung, die beispielsweise im Deutschunterricht angefertigt werden muss, zu unterscheiden, denn »eine Beschreibung sieht eigentlich immer gleich aus« (Pos. 18). Durch die Intervention ist es dem Schüler gelungen, ein basales Konzept der Sprachhandlung zu verbalisieren, dennoch bleiben Gegenstand und sprachliche Merkmale einer Beschreibung diffus. Als fachtypischen Gegenstand einer Beschreibung verweisen GEKHKo8f-16 und GEDFDd7d-06 (Gr. III) im zweiten Interview auf Bilder. Darüber hinaus gibt GEDFDd7d-06 an, dass auch die eigene Meinung beschrieben werden könne, wobei sich eine Überschneidung zum Begründen zeigt (»Also zum Beispiel seine eigene Meinung begründen, das ist ja auch so wie Beschreiben«, Pos. 4). Da eine fachsprachliche Förderung des Begründens in der Klasse, die die Schülerin besucht, nicht durchgeführt wurde, muss diese Aussage für die Schülerin aus Inhalten der ersten Interventionsblöcke hervorgegangen sein. Möglicherweise ist die Annahme, beim Beschreiben solle auch die eigene Meinung begründet werden, auf die multiperspektivische Auseinandersetzung mit Quellen, die die kritische Reflexion über historische Ereignisse anleitet und einen ersten Schritt der Sachurteilsbildung darstellt, zurückzuführen. Diese Aspekte der didaktischen Textsorte Historisches Sachurteil wurden in der Intervention besonders in das Zentrum des fachlichen Lernens gerückt. Die Ausdifferenzierung innerer bzw. äußerer Merkmale, die im Rahmen einer Beschreibung wiedergegeben werden, findet, anders als im vorangegangenen Interview, nun nicht mehr statt. Auch diese Veränderung lässt sich durch die Schwerpunktsetzung der Intervention herleiten. Da der Fokus nicht auf der sonst für das historische Lernen im Gesellschaftslehreunterricht scheinbar typischen Form der Bildbeschreibung lag, sondern hauptsächlich schriftliche Quellenaussagen in Beziehung gesetzt und beschrieben werden mussten, verliert die Unterscheidung zwischen äußeren und inneren Merkmalen für die Schülerin hier an Bedeutung. Weiterhin verweist GEDFDd7d-06 darauf, dass man »sich zuallererst die Aufgabe vielleicht mehrmals durchlesen« sollte (Pos. 18), genauso wie »die Buchseite« (Pos. 20), auf der sich Informationen zum betreffenden Sachverhalt

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

finden lassen. Anders als in der ersten Befragung gelingt es der Schülerin nun, eine abstrakte Erklärung für das Anfertigen einer Beschreibung vorzutragen. Unter Rückgriff auf die in der Interventionsphase behandelten Themen greift die Schülerin nicht mehr auf Alltagskonzepte (frühes Aufstehen, wenig Pausen) zurück, sondern beschreibt das Leben der Bauern exemplarisch anhand eines Vergleiches zwischen Bauern und »anderen Stände[n]«, um so erneut die herausfordernden Lebensbedingungen mittelalterlicher Bauern hervorzuheben. Explizit äußert sie sich nun auch zu der Frage, ob eine Beschreibung mündlich oder schriftlich realisiert würde. Wenngleich sie für den Gesellschaftslehreunterricht kein Beispiel anführt, wird deutlich, dass das Schreiben epistemische Funktion gewinnen kann: »Ich glaub, ich kann, ja besser schreiben anstatt reden, also das so zu machen […], weil […] ich schreibe es und dann fallen mir so bessere Sachen ein und dann kann man das ja zum Beispiel auch immer wieder anders formulieren« (Pos. 14–16). Auch die Zweckorientierung, die GEDFDd7d-06 der Beschreibung zuschreibt, hat sich wesentlich verändert. Statt den Vollzug der Sprachhandlung an einer konkreten Person aus familiärem oder schulischem Umfeld, an die die Lernende ihre Beschreibung richtet, festzumachen, hebt sie nun hervor, dass die Sprachhandlung an die Person gerichtet wird, die »etwas nicht weiß« (Pos. 2). Die Sprachhandlung dient somit der Verständnisgenerierung bei einem Wissensdefizit des Gegenübers, wobei die Aspekte der Genauigkeit und Adressatenorientierung eine besondere Rolle spielen (Vgl. Pos. 2). Im zweiten Interview mit der Schülerin GEKHKo8f-16 lassen sich keine derartigen Veränderungen nachweisen. Es gelingt ihr weiterhin nicht, eine konkrete Struktur oder sprachliche Besonderheiten der Sprachhandlung herauszuarbeiten. Sie hält jedoch fest, dass sie Beschreibungen schriftlich verfasst (»Ich schreibe es auf«, Pos. 18). Ferner gelingt es ihr nicht zwischen Beschreibung und Erklärung zu unterscheiden, wie ihre das Interview schließende Aussage: »Also, wenn ich das jetzt so sehe, sehe ich irgendwo keine Unterschiede« (Pos. 49) verdeutlicht. Im Rahmen der Intervention gelingt es GEDFDd7d-06 ein fachliches Konzept der Sprachhandlung aufzubauen. Angenommen werden kann, dass die Entwicklung der Sprachhandlungsfähigkeit mit der Weiterentwicklung ihres Geschichtsbewusstseins zusammenhängt. Für den Fachunterricht ist deshalb abermals hervorzuheben, dass sprachliches Handlungswissen und Fachwissen gemeinsam vermittelt werden müssen. Insbesondere der Ausbildung und Weiterentwicklung von Geschichtsbewusstsein kommt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zu. Der unterschiedliche Einfluss der Intervention auf die Konzeptbildung und die Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit der Lernenden ist

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abermals durch motivationale Aspekte und das Interesse am Fach zu begründen (Vgl. Schnotz 2006). Während GEDFDd7d-06 angibt, dem Fach mit regem Interesse gegenüberzustehen, trifft dies auf GEKHKo8f-16 nicht zu. Sofern die letztgenannte Schülerin nicht motiviert ist, sich historischen Lerngegenständen zuzuwenden, gelingt es ihr weder, ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit weiterzuentwickeln, noch ist anzunehmen, dass ihrerseits daran überhaupt Interesse besteht. Nach Abschluss der Intervention hebt GEDFDd7d-16 (Gr. IV) die Beschreibung als Weitergabe einer Wahrnehmung (Vgl. Pos. 2, Pos. 6, Pos. 54) hervor. Zudem benennt der Schüler Bilder als fachtypischen Gegenstand einer Beschreibung, der jedoch ebenfalls die Darlegung dessen »was man da alles sieht« (Pos. 56) erfordert. Diese Wahrnehmungen können als Merkmale des Gegenstandes »aufgesagt« (Vgl. Pos. 26) werden, um eine Beschreibung zu realisieren. Anders als im ersten Interview scheint das Fachwissen für den Schüler an Bedeutung gewonnen zu haben. Hat er zuvor noch Hypothesen formuliert, mit denen das Leben der Bauern im Mittelalter beschrieben werden könnten, verweist er nun darauf, dass der Produzent einer solchen Beschreibung wissen muss, »was ein Bauer ist« (Pos. 24). Eine konkrete Struktur der Sprachhandlung kann er allerdings weiterhin nicht nachzeichnen. Wenngleich die mündlich bzw. schriftliche Umsetzung einer Beschreibung für den Probanden durch die Aufgabenstellung bedingt wird (Vgl. Pos. 14), wird deutlich, dass das Schreiben im Verlauf der Intervention epistemische Funktion gewonnen hat. Der situative Kontext, in dem der Schüler die Sprachhandlung verortet, bleibt gleich. Zudem lassen sich weder auf der Ebene des Zwecks, noch im Hinblick auf Textstruktur oder sprachliche Mittel Veränderungen des Konzepts durch die Intervention nachweisen. Aus dem zweiten Interview mit GEKHKo8f-04 (Gr. IV) geht hervor, dass der Schüler ebenfalls kein fachliches Konzept der Sprachhandlung entwickeln konnte. Weiterhin lässt sich der Gegenstand einer Beschreibung nur implizit aus seinen Äußerungen erschließen. Die Erläuterung der Beispielaufgabe zeigt, dass das Nennen notwendiger Informationen zu einem historischen Sachverhalt unstrukturiert erfolgt und der Versuch, einen Wahrnehmungsraum für den Rezipienten zu schaffen, ausbleibt. Gleiches gilt für GEDFDd7d-16. In beiden Fällen findet kein conceptual change statt. Für die vierte Gruppe bleibt der Interventionserfolg auf Ebene der Konzeptbildung damit marginal. Da die Schüler*innen GEKHKo8c-04 und ihre Klassenkameradin GEKHKo8c09 nicht an der Intervention teilgenommen haben, ist nicht davon auszugehen, dass sich das Konzept bzw. die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit, die sich im Textprodukt widerspiegelt, weiterentwickelt hat. Untersucht werden deshalb, stellvertretend für die fünfte Gruppe, die Ergebnisse der Befragung von GEKHKo8f-08.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Auch in diesem Fall weisen das erste und zweite Interview eine hohe Überschneidung auf. Als Gegenstand einer Beschreibung benennt die Schülerin weiterhin Objekte und Bilder unter der besonderen Berücksichtigung äußerer Merkmale. In den Äußerungen zur Strukturierung der Sprachhandlung bildet sie exakt das Vorgehen ab, das sie auch in der ersten Befragung skizziert. Dies betrifft nicht nur die durchzuführenden Teilschritte, sondern auch den Verweis auf die Genauigkeit als besondere formale Eigenschaft einer Beschreibung. Eine Textstrukturierung wird nicht deutlich, allerdings geht aus den Äußerungen hervor, dass die Beschreibung erst auf der Basis ausreichenden Vorwissens oder der Erarbeitung einer Materialgrundlage verfasst werden kann. Ins Auge fällt der Hinweis auf Schriftlichkeit als Merkmal der Beschreibung (Pos. 18). Zurückzuführen ist dies möglicherweise auf die Intervention, in der sich die Schüler*innen vermehrt dem schriftlichen Beschreiben gewidmet haben. Auf der Ebene der Konzeptbildung zeigen sich insgesamt nur geringfügige Veränderungen.

5.3.5 Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit durch die Intervention Keine/r der drei Proband*innen der ersten Gruppe hat die Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test bearbeitet. Weitere Aussagen über die Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit sind dementsprechend nicht möglich. Anzunehmen ist, dass eine Schreibförderung, die sprachlich und fachlich schwächere Lernende in die Lage versetzt, sich im Fach angemessen auszudrücken, eine engere Verzahnung des Deutsch- und Fachunterrichts anbahnen muss. Bevor sprachliche Mittel eingeübt werden, müssen die Zwecke, die sprachliches Handeln leiten, noch deutlicher herausgearbeitet werden, um die Struktur der Beschreibung und textuelle Merkmale wie die Leserorientierung umsetzen zu können. Erst dann können sprachliche Mittel sinnvoll angewandt werden. Ohne eine ausreichende Basis fachlichen Wissens sowie sprachlicher Fähigkeiten scheint es nicht möglich, die Textsorten- bzw. Sprachhandlungsfähigkeit weiter zu entwickeln. Zudem ist es erforderlich, auf Seiten der Lernenden einen kognitiven Konflikt zu erzeugen, der den Wunsch initiiert, die Konzepte der Sprachhandlungen überhaupt aufzubauen und domänenspezifisch einzusetzen.

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Code Aufgabe

181 GEHGDu7b-06 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Textprodukt Ein Theorie geht davon aus das eine eine gerade große rampe gebaut um düruber immer Schwere Steinblöcke transportiert wurden es soll die rampe mit der pyramide zusammengewachsen sein und sie immer länger seinen bis es viel zu lange wäre die schweren Steinblöcke nach oben zu stransporien. Die ander Theorie geht davon aus das viele rampen um die pyamide erbaut wurden die rampen sollten viel kürzer sein als eine lange rampe aber die gleiche Funktion hatten wie eine große rampe die Rampen sollten das oben war wo die pyramide schmaller wurde die rampen sollen immer Steiler sein dass es kaum Jemand irgendwannmal nach oben zuziehen oder transportieren. Tabelle 21: Gruppe II – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test

Im Textprodukt von GEHGDu7b-06 zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Textqualität von Prä- zu Post-Test, wobei die Nähe zum vorgegebenen Material berücksichtigt werden muss. Zwar ist die Textrahmung weiterhin unvollständig und der Einstieg in die Beschreibung im Post-Test eng an den Formulierungen des Darstellungstexts orientiert, doch handelt es sich um ein überzeugendes Textprodukt (17/77,27 %). Alle Teilaspekte der Theorien werden vollständig und nachvollziehbar beschrieben. Durch die Verwendung konsekutiver Bezüge und Formulierungen zur Gegenüberstellung (»Ein Theorie« – »Die ander Theorie«) wird die Beschreibung kohärent aufgebaut. Auffällig ist dabei die enge Orientierung am Darstellungstext. Aus der stringenten Beschreibung der Theorien ergibt sich logisch die Problemstellung, dass beide Konzepte Schwachstellen aufweisen. Tempus und Unpersönlichkeit wurden korrekt eingehalten, auch der Konjunktiv wurde der fachsprachlichen Handlung entsprechend genutzt. Eingeschränkt werden die Überlegungen sprachlich beispielsweise durch das Adverb »kaum«, durch das eine Graduierung vorgenommen wird. Es kann angenommen werden, dass eine fachliche Schreibförderung für Schüler*innen, die bereits über fachliche Fähigkeiten verfügen, Potenzial birgt. Die sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden können weiterentwickelt werden und durch gezielte Förderung gelingt es, Prototypen der Sprachhandlung im Langzeitgedächtnis zu verankern, die bei der Bearbeitung von operatorengestützten Schreibaufgaben abgerufen werden können (Vgl. Bachmann/BeckerMrotzek 2017). Die Lernenden werden so in die Lage versetzt, ihr fachliches Wissen in angemessener, fachsprachlicher Form zu formulieren.

182 Code Aufgabe

Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

GEKHKo8f-16 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

GEDFDd7d-06 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Einige Zeitgenossen waren sehr stolz das im Sport die Männer gewinnen aus ihrer Stadt, den so konnte sie auch freundschaften schließen. Andere Zeitgenossen kritisierten alle Menschen die jubelten und den Athleten sie meinten das Klugheit besser ist als Stärke. Tabelle 22: Gruppe III – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test Textprodukt Es wurde eine gerade große Rampe errichtet. Über diese Rampe wurden die schweren Steinblöcke immer weiter nach oben transportiert. Es wurden mehrere Rampen umherum gebaut.

Im Post-Test fehlen in der Beschreibung von GEKHKo8f-16 (Gr. III) die Textrahmung und wesentliche Teile der Beschreibung, sodass der Text für Leser nicht nachvollziehbar ist. Die Thematik der Beschreibung wird nicht deutlich, da die Anbindung an den historischen Sachverhalt nicht vorhanden ist. Zudem geht aus dem Text nicht hervor, dass es sich um Theorien handelt, da weder der Begriff oder ein entsprechendes Synonym Verwendung findet, noch entsprechende sprachliche Mittel genutzt werden. Stattdessen werden die beschriebenen Inhalte tatsachengleich dargestellt. Beide Theorien werden gleichermaßen mit »Es wurde(n)« eingeleitet, wobei für den fiktiven Leser unklar bleiben dürfte, ob die zweite Theorie eigenständig oder als Ergänzung zu den ersten beiden Sätzen zu verstehen ist. Präpositionen wie »umherum« sind zwar sinnstiftend für die Funktionsweise der Rampen, können durch die fehlende Anbindung an den historischen Sachverhalt jedoch nicht ohne Kenntnis des Darstellungstexts verstanden werden. Da die Schwachstellen nicht benannt werden, fehlen der Beschreibung darüber hinaus wesentliche Inhalte, die das Nachvollziehen der Problemstellung ermöglichen würden. Auch sprachlich wird keine Textkohärenz hergestellt, stattdessen stehen die Sätze lediglich unverbunden nebeneinander. Nicht nur die qualitative Auswertung des Textprodukts, sondern auch der kategoriengestützte Zugriff (4 Punkte/ 18,18 %) zeigt, dass sich bei der Schülerin kein Leistungszuwachs im Hinblick auf die Beschreibe-Teilaufgabe feststellen lässt. Die zweite Schülerin der dritten Gruppe, GEDFDd7d-06, hat sowohl im Präals auch im Post-Test die Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« bearbeitet, sodass Entwicklungen besonders genau nachvollzogen werden können. Anders als im Prä-Test wird nicht durch einen Einleitungssatz in die Beschreibung

Beschreiben

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eingeführt. Eine direkte Anbindung zur Fragestellung wird nicht deutlich, zudem weist die Beschreibung inhaltliche Leerstellen auf. Es ist anzunehmen, dass der Text für einen Leser, der den zu Grunde liegenden Darstellungstext nicht kennt, nur unzureichend nachzuvollziehen wäre. Hervorzuheben ist jedoch, dass in der an die Interventionsphase anschließende Erarbeitung der Schreibaufgabe eine Verbindung von Informationen aus Quellen- und Darstellungstext vorgenommen wird. Die Positionen werden umfangreicher und präziser beschrieben als im Vorfeld der Interventionsphase. Statt dem undifferenzierten Verweis auf den einen oder anderen Schriftsteller werden nun die Formulierungen »Einige Zeitgenossen« und »Andere Zeitgenossen« gewählt, um die Positionen gegenüberzustellen. Die Wortwahl ist zwar eindeutiger, jedoch auch näher am Darstellungstext orientiert. Durch kausale Bezüge wird versucht, eine nachvollziehbare Textstruktur herzustellen, wenngleich die Sätze historisch nur bedingt sinnvoll sind. Von den 22 möglichen Punkten erreicht die Schülerin in der kategorialen Auswertung lediglich 10 (45,45 %). Wenngleich das Textprodukt auch im Post-Test einige Schwächen aufweist, so lassen sich doch Veränderungen feststellen, die für den Aufbau eines fachlichen Konzepts der Sprachhandlung sprechen. Handelte es sich im Vorfeld der Intervention um eine erzählende Redewiedergabe, so stellt der Text nun vielmehr eine Zusammenfassung als eine Beschreibung dar. Die sprachlichen Anforderungen, die durch den Zweck der Sprachhandlung bestimmt werden, sind im zweiten Schreibprodukt dementsprechend angemessener erfüllt worden. Den Lernenden mit fachlich unter- und sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten gelingt es teilweise, die Schreibaufgabe umfangreicher und fachlich präziser zu lösen als im Prä-Test. Insgesamt erweist es sich allerdings nicht ausreichend, die aus dem Deutschunterricht bekannten Strukturen, die im prozeduralen Wissen zur Verfügung stehen, auf das Fach zu adaptieren. Anzunehmen ist, dass sprachlich starke Schüler*innen mit geringem Fachwissen von einer Schreibförderung profitieren könnten, die gezielt fächerverbindende, aus dem Deutschunterricht bekannte Elemente einbezieht. Außerdem müssen fachliche Denkprozesse – im Sinne des historical reasoning – eingeübt werden, damit die Realisierung fachlicher Sprachhandlungen gelingen kann. Code Aufgabe

GEKHKo8f-04 Die Forscher streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Textprodukt Es wurden große rampen als beilage benutz also die schweren blöcke die zu der pyramide gehören wurden einfach auf die rampe transportiert. Eine andere vermutung ist die Blöcke wurden wie eine Treppe gestapelt. Tabelle 23: Gruppe IV – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Im Post-Test schneidet GEKHKo8f-04 (Gr. IV) deutlich schlechter ab als im PräTest. Der Schüler erzielt nur 27,27 % (6 Punkte), also knapp die Hälfte des in der ersten Erhebung erreichten Gesamtscores. Obwohl die Beschreibung im PostTest einige Schwächen aufweist, so wird der Versuch des Probanden deutlich, einen kohärenten und nachvollziehbaren Text zu entwerfen. Eine thematische Einordnung lässt sich nicht nachweisen, ebenso fehlt die Einschätzung, dass es sich auch bei der ersten angeführten Überlegung lediglich um eine Theorie handelt. Da der Konjunktiv an den entsprechenden Stellen nicht verwendet wird, weist auch die sprachliche Umsetzung nicht darauf hin, dass es sich um Vermutungen handelt. Implizit wird dies erst durch die Formulierung »Eine andere vermutung« deutlich, mit der die zweite Theorie eingeführt wird. Statt die Theorien aus dem Darstellungstext gegenüberzustellen, werden diese mit Aussagen aus dem Quellenausschnitt kontrastiert. Schwachstellen der Theorien zum Pyramidenbau werden nicht deutlich. Nachvollzogen werden kann allerdings der Prozess des epistemischen Schreibens. Hätte die Situierung des Sachverhalts, nämlich der Bau der Pyramiden, den textstrukturellen Anforderungen der Beschreibung folgend der ersten Theorie vorangestellt werden sollen, so wird der Verweis, dass die Blöcke zu der Pyramide gehören, hier der Theorie angehängt. Möglich ist, dass die Schwachstelle des Textes, nämlich das wesentliche Informationen zum Nachvollzug fehlen, dem Schreiber während der Textproduktion aufgefallen sind und er diese angehängt hat. Ebenso verhält es sich mit der Erkenntnis, dass es sich um Vermutungen handelt, die erst in der Beschreibung der zweiten Theorie deutlich wird. Da GEDFDd7d-16 die Teilaufgabe zu keinem der Erhebungszeitpunkte bearbeitet hat, lässt sich keine Veränderung feststellen. Eine Förderung, die den Schülern der vierten Gruppe dazu verhilft, ein Konzept der Sprachhandlung aufzubauen, hätte sich womöglich noch ausführlicher und grundlegender dem Beschreiben historischer Sachverhalte widmen und ihre Bedarfe gezielter in den Blick nehmen müssen. Berücksichtigt man das deutlich schwächere Abschneiden des Schülers GEKHKo8f-04 in der Schreibaufgabe, so lassen sich zwei Vermutungen aufstellen: Einerseits können das Antwortverhalten im Interview sowie die Bearbeitung der Schreibaufgabe mit motivationalen Aspekten zusammenhängen, die dazu geführt haben, dass die Bereitschaft des Schülers, sich den Aufgaben zu widmen, zurückgegangen ist. Andererseits ist es möglich, dass der Schüler die Schreibaufgabe zum Bau der Pyramiden schwieriger empfunden hat, als die im Prä-Test bearbeitete Aufgabe zu den Olympischen Spielen und sich daraus eine Verunsicherung entwickelt hat, die sich in der anschließenden Interviewbefragung widerspiegelt. Darüber hinaus ist es wichtig hervorzuheben, dass fachliche Lernprozesse nur dann fruchtbar und gewinnbringend verlaufen können, wenn sie an die Interessen der Schüler*innen anknüpfen und sie motivieren. GEDFDd7d-16, der

Beschreiben

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durchaus über fachliches Wissen und sprachliche Fähigkeiten verfügt, steht dem Gesellschafslehreunterricht eher ablehnend gegenüber. Das Potenzial der Schreibförderung erreicht den Schüler in diesem Fall nicht. Code Aufgabe

GEKHKo8f-08 Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen. Schreibe so, dass jemand der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann.

Textprodukt Es gibt zwei Theorien die erste Theorie ist, dass eine große lange Rampe gebaut wurde umso höher die Pyramide wurde um so länger war die Rampe. das Problem dahinter war wenn die Rampe immer länger wurde brauchte man auch länger die steine Hoch zu bringen. Die zweite Theorie ist, dass um die Pyramide herum mehrere Rampen gebaut wurden leider hat diese Theorie auch ein Problem unswar das umso schmaler die Pyramide wird umso kürzer aber auch steiler wurden die Rampen Tabelle 24: Gruppe V – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test

Bei dem Textprodukt von GEKHKo8f-08 (Gr. V) handelt es sich um eine stringent und nachvollziehbar formulierte Beschreibung. Die Schülerin erreicht mit ihrem Textprodukt 72,73 % (16 Punkte) des möglichen Gesamtscores von 22 Punkten und verbessert sich im Hinblick auf den Prä-Test deutlich. Eine Einleitung in den Text ist durch die Formulierung »Es gibt zwei Theorien« gegeben, doch fehlen wesentliche Informationen zum historischen Sachverhalt, die erst im folgenden Teil der Beschreibung erschlossen werden können. Obwohl das Textprodukt eng am Darstellungstext orientiert ist, kann die sprachliche Ausarbeitung als eigenständige Leistung betrachtet werden. Die erste Theorie wird umfassend beschrieben, die Schwachstelle wird herausgearbeitet, allerdings nicht vollständig ausgeführt. Auch die zweite Theorie wird nachvollziehbar beschrieben. Hier wird die Schwachstelle ebenfalls explizit benannt, jedoch nicht in Gänze dargelegt. Dennoch erfolgt eine kohärente Beschreibung, aus der sich die Schwachstellen beider Theorien und damit die wesentliche Problemstellung ergeben. Sprachlich ist der Text sehr strukturiert und kohärent. Nicht nur die Gegenüberstellung der Theorien wird durch sprachliche Mittel angezeigt, auch die Schwachstellen werden sprachlich markiert. Die Variation konditionaler, konsekutiver und finaler Kohäsionsmittel trägt weiterhin zur Textqualität bei. Durch die Formulierung »leider« wird deutlich, dass keine der beiden Theorien als vollkommen plausibel betrachtet werden kann. Zwar spiegelt sich die Entwicklung des Konzepts nicht im deklarativen Wissen der Schülerin GEKHKo8f-08 wider, welches sie im Rahmen des Interviews abrufen kann, doch wird deutlich, dass von einem Zuwachs an prozeduralem Wissen auszugehen ist. Fernández-Corte/Gracia-Madruga (1998), die die Entwicklung von Denkstrukturen über Geschichte untersuchten, haben her-

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

ausgearbeitet, dass der höchste Lernzuwachs bei der stärksten Gruppe festzustellen sei. Das hier untersuchte Beispiel der Schülerin GEKHKo8f-08 lässt sich an diese These anschließen. Die Schülerin ist im Post-Test in der Lage, ein kohärentes und leserorientiertes Textprodukt zu verfassen und die wesentlichen Merkmale einer fachlichen Beschreibung umzusetzen, obwohl es ihr nicht gelingt, das Konzept zur Sprachhandlung zu verbalisieren. Zwischenhalt Für die Gruppe der Schüler*innen mit fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten lässt sich im Hinblick auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit keine Entwicklung nachzeichnen. Anders verhält es sich mit der zweiten Gruppe. Die Schüler*innen, die über fachlich überdurchschnittliche und sprachlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen, verfassen im Post-Test durchschnittlich bessere Beschreibungen. Deutlich wird das besondere Potenzial der textsortenbasierten Schreibförderung. Die Förderung erlaubt den Schüler*innen, sprachliches Musterwissen aufzubauen und bei der Bearbeitung der Schreibaufgabe ein Prototyp abzurufen. Wenngleich sich der Wissenszuwachs nur begrenzt im Interview abbilden lässt, ist von einem Zuwachs an prozeduralem Sprachhandlungswissen auszugehen. Die Resultate der dritten Gruppe (fachlich unter-/sprachlich überdurchschnittliche Fähigkeiten) fallen heterogen aus. Möglicherweise müssen die Fähigkeiten des historical reasoning zunächst weiter ausgebaut werden, bevor sprachliche Handlungen fachspezifisch umgesetzt werden können. Die Ergebnisse der Gruppe der Schüler*innen mit durchschnittlichen fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten heben die Bedeutung von Interesse und Motivation hervor. Eine Weiterentwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit lässt sich kaum nachweisen, möglicherweise da die Lernenden schlichtweg kein Interesse am fachlichen Lernen aufbringen konnten. Anhand der Ergebnisse der fünften und letzten Gruppe lässt sich erneut das Potenzial der Schreibförderung verdeutlichen. Während die Veränderungen im Sprachhandlungswissen eher gering ausfallen zeigt sich in den Schreibprodukten ein Zuwachs an fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit.

5.4

Erklären

5.4.1 Untersuchung der Konzepte der Sprachhandlung Grundlagen und Bedeutung der Sprachhandlung Der Gegenstand einer Erklärung sollte, im dritten Frageblock des Interviews, zunächst durch die Frage: »Was bedeutet Erklären für dich?« herausgearbeitet werden. Er scheint schwerer zu fassen als der Gegenstand einer Beschreibung.

Erklären

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Sieben Schüler*innen können (fast) kein Konzept wiedergeben bzw. sind erst durch tiefergehende Fragen in der Lage, den Gegenstand einer Erklärung zu benennen. Stellvertretend für diese Schüler*innen sind die Äußerungen von GEHGDu7a-16 zu betrachten, die erst ihre Überforderung ausdrückt – »Schon wieder so’n Wort, was ’n bisschen schwierig zu erklären ist. – Erklären erklären. – Das kann ich nicht erklären« (Pos. 28) – und auch an der Beispielaufgabe scheitert (»Also das kann ich nicht, also ich weiß noch, was das bedeutet, aber ich kann’s jetzt nicht erklären«, Pos. 32). Folgt man den Überlegungen von Brauch/ Heine/Bramann (2020, S. 149), so lässt sich diese Schülerin dem a-konventionellen Niveau historischen Denkens zuordnen, da ihr Erklärungsversuch bereits an der Unkenntnis des sprachlichen Konzepts der Erklärung scheitert. Andere Schüler*innen versuchen zwar, mögliche Gegenstände einer Erklärung zu erschließen, ihre Antworten bleiben dennoch unpräzise. GEHGDu7b-22 überlegt beispielsweise, Erklären sei, »wenn du innerlich hereingehst« (Pos. 56), ohne offenzulegen, an welchen Sachverhalt und in welcher Form dieses Herangehen zu verstehen ist. Obwohl anzunehmen ist, dass auch diese Schüler*innen im Unterricht regelmäßig mit der Produktion oder Rezeption von Erklärungen konfrontiert werden (Vgl. Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014, S. 57 die Schule sogar als »Erklär-Institution« bezeichnen), gelingt es ihnen scheinbar nicht, ein Konzept der Sprachhandlung abzurufen. Bei den Befragten, die in der Lage sind, den Gegenstand einer Erklärung zu benennen, kommt es häufig zu Mehrfachantworten. Genannt werden vor allem Aufgaben, die im Fachunterricht bearbeitet werden sollen. Dabei handelt es sich sowohl um Aufgaben, in denen die Erklärung durch den entsprechenden Operator initiiert wird, als auch um die Erklärung der Aufgabenstellung selber, beispielsweise gegenüber Mitschüler*innen, die diese nicht verstanden haben (Vgl. GEDFDd7d-06, Pos.33; GEDFDd7d-16, Pos. 26; GEDFDd8c-25, Pos. 40, GEHGDu7a-10, Pos. 30). Darüber hinaus kommt es zu einer häufigen Nennung von Erklärungen, die zur Durchführung verschiedener Handlungen und Tätigkeiten ermächtigen sollen. Dazu »sagt man […], wie man das machen soll« (GEDFDd7d-02, Pos. 48) oder »wie’s geht« (GEDFDd8c-07, Pos. 46) und eröffnet damit »halt ’n einfachen Weg« (GEDFDd7d-16, Pos. 26) zur erfolgreichen Durchführung der Tätigkeit. Diese Erklärungen beziehen sich häufig auf alltägliche Sachverhalte, wie beispielsweise den Gebrauch eines Handys »oder irgendwas, was ich täglich die ganze Zeit benutze« (GEKHKo8c-09, Pos. 42). Die Befragten greifen damit die von Hoffmann (2016) umrissenen Gegenstände einer Erklärung, nämlich Funktionszusammenhänge bzw. Umstände einer Handlung, auf. Es handelt sich um den als Erkläre, wie bezeichneten Typus der Sprachhandlung, im Zuge dessen funktionale Erklärungen realisiert werden (Vgl. Klein 2009). Eine fachspezifische Perspektive auf die Sprachhandlung eröffnet sich bei der Erklärung verschiedener Sachverhalte. Diese Sachverhalte

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

werden repräsentiert durch komplexere Themen (Vgl. GEKHKo8c-09, Pos. 34), wie z. B. »die Religionen. Also wie die gelebt haben und so« (GEHGDu7d-07, Pos. 30). Neben den Erklärungen fachspezifischer Sachverhalte kommt es im Gesellschaftslehreunterricht häufig zum Verfassen von Worterklärungen. Die spezifische Form der Erklärung bezieht sich auf die Klärung von Fachbegriffen und kann sowohl durch die Lehrkraft als auch durch die Schüler*innen selbst produziert werden. Im Rahmen der Worterklärung wird die Wortbedeutung erschlossen (Vgl. GEHGDu7b-06, Pos. 30, GEKHKo8c-09, Pos. 16), um ein vertieftes Verständnis des Begriffs zu gewinnen. Diese Form der Erklärung lässt sich, nach der auf Klein (2009) zurückgehenden Typisierung, als Erkläre, was charakterisieren. Dieser Typus der Erklärung umfasst die Klärung von Begriffsbedeutungen in Form semantischer Erklärungen. Zu den »schweren Wörtern« (GEKHKo8e-06, Pos. 28), die im Gesellschaftslehreunterricht erklärt werden müssen, zählen nicht zwangsläufig komplexe Fachbegriffe, sondern Wörter, die im historischen Kontext eine Bedeutungsveränderung erfahren. GEKHKo8e-06 führt hier das Beispiel »Schloss« an. Dabei handelt es sich um einen Alltagsbegriff, der im Gesellschaftslehreunterricht eine andere bzw. spezifische Bedeutung trägt und Schüler*innen damit vor besondere Herausforderungen stellt (Vgl. Degner 2006, S. 33; Sauer 2015, S. 6). Aus anderen Fächern leiten die Schüler*innen die Erkenntnis ab, dass die Erklärung von Wörtern ihnen beim Erschließen fachlicher Sachverhalte helfen kann. GEDFDd7d-06 schreibt beispielsweise im Chemieunterricht »Begriffe auf die […] selber jemanden helfen könnten […], weil das ist ja auch eine Erklärung dann für mich« (Pos. 47). Zunächst wird somit deutlich, dass die Schüler*innen in der Befragung sowohl Alltags-, als auch fachbezogene Erklärungen anführen (Vgl. Heil 1988). Dabei ist auffällig, dass sowohl die Erklärung alltäglicher Handlungszusammenhänge als auch die klärende Auseinandersetzung mit historischen Sachverhalten nicht dem von Hempel/Oppenheim (1948) entwickelten Schema der deduktiv-nomologischen Erklärung entsprechen. Zurückzuführen ist das auf den Umstand, dass die Schüler*innen auf Erklärungen des Typus Erkläre, wie und Erkläre, was verweisen, nicht jedoch auf den Typus Erkläre, warum. Kausale Erklärungen, die Gründe für verschiedene Sachverhalte beleuchten und sowohl in der schulischen als auch in der spezifisch fachlichen Kommunikation als besonders weit verbreitet gelten (Vgl. Klein 2009; Rüsen 1997b), werden von den Lernenden nicht benannt. Aus diesem Grund verweisen die Schüler*innen in der Befragung keinesfalls auf Gesetzmäßigkeiten, sondern erschließen den zu erklärenden Sachverhalt auf andere Weise. Im Hinblick auf die Erklärung von Handlungen und Tätigkeiten lassen sich die Schemata des intentionalen und narrativen Erklärens anführen. Während die alltäglichen Handlungen hauptsächlich intentional beschrieben werden dürfen, ist davon auszugehen, dass fachliche Erklärungen eher narrativ ablaufen, da die Schü-

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ler*innen die Beweggründe und Absichten der Handelnden womöglich (noch) nicht erschließen können und deshalb die zeitliche Veränderung an sich als Erklärung anführen (Vgl. Rüsen 1997). Abgrenzung zu weiteren Sprachhandlungen Neben Überschneidungen zum Beschreiben und Benennen von Zwecken zeigen sich auch Parallelen zum Begründen. GEKHKo8c-04 (Vgl. Pos. 30) führt aus, sie erkläre ihre Sicht auf die zu erklärenden Sachverhalte und bezieht damit begründende Elemente, die nicht als Teil der fachspezifischen Sprachhandlung verstanden werden, in die Erklärung ein. Aufbau und Vollzug der Sprachhandlung Auch im Hinblick auf die Teilschritte, die zum Anfertigen einer Erklärung erforderlich sind, wird deutlich, dass einige Lernende ein nur unzureichendes Konzept der sprachlichen Handlung verbalisieren können. Neben der einleitenden Frage: »Was bedeutet Erklären für dich?« wurde die Aufgabe: »Ich habe dir eine Aufgabe mitgebracht: ›Erkläre, warum sich im Mittelalter viele Menschen in der Nähe einer Burg ansiedelten.‹ Stell dir vor, ein Mitschüler verstehet die Aufgabe nicht und bittet dich um Hilfe. Was muss er tun, um die Aufgabe zu lösen?« an die befragten Schüler*innen gerichtet. Während einigen Schüler*innen (Vgl. GEDFDd7d-16, Pos. 27–28; GEHGDu7a-10, Pos. 43–44) weder eine Erklärung noch das Benennen von Teilschritten des sprachlichen Handlungsmusters gelingt, skizzieren andere ihr Vorgehen recht genau. Als vorbereitende Schritte werden die Aktivierung von Vorwissen sowie die Sichtung der Aufgabenstellung angeführt. Zunächst müsse sich der Produzent einer Erklärung »die Aufgabe durchlesen« und »gucken, was beschreibe oder erkläre bedeutet« (GEKHKo8e-06, Pos. 40). Hier zeigt sich, dass der Produzent als der »Wissende« betrachtet wird, der seine Einsichten und Kenntnisse an den Rezipienten weitergibt (Vgl. Ehlich 2009). Der Verweis auf die handlungsinitiierenden Verben verdeutlicht, dass dem Schüler bewusst ist, dass die Operatoren unterschiedliche Textprodukte erfordern und das Vorgehen bei der Aufgabenbearbeitung dementsprechend anzupassen ist. Wesentlich relevanter erscheint den anderen Schüler*innen jedoch die fachliche Dimension der Aufgabenstellung. Das notwendige Wissen kann durch Nachdenken über den Sachverhalt (»was dieses Wort ist, erst nachdenken, was das sein könnte«, GEKHKo8c-09, Pos. 16) aktiviert oder aus vorliegendem oder bereits erarbeitetem Material erschlossen werden. Die Befragten verweisen dabei auf Buchstellen (GEHGDu7a16, Pos. 34) bzw. Texte, die die Aufgabenstellung ergänzen (GEKHKo8e-10, Pos. 28). Wenn ältere Aufzeichnungen (GEKHKo8c-23, Pos. 54; GEHGDu7b-16, Pos. 50) keine ausreichende Wissensbasis zum Verfassen einer Erklärung bereitstellen, empfiehlt GEHGDu7b-16 (Pos. 42) den Lehrer zu fragen, der über

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

ausreichendes Wissen zur Beantwortung der historischen Fragestellung verfügen sollte. Anders als beim Beschreiben reicht es also nicht aus, Wahrgenommenes weiterzugeben. Stattdessen erfordert eine Erklärung eine tiefergehende Auseinandersetzung mit einem historischen Sachverhalt. Auffällig ist auch, dass nicht Bilder als typische Quellen angeführt werden, sondern Text. Es ist anzunehmen, dass den Schüler*innen implizit auf die Erschließung und Kontextualisierung eines Sachverhaltes verweisen, der nur durch die umfangreiche Erarbeitung einer Materialgrundlage gelingen kann. Gestützt werden kann diese Annahme durch den Hinweis der Schülerin GEKHKo8c-09, die davon berichtet, zur Erklärung eines historischen Sachverhalts im Rahmen einer Gruppenarbeit im Gesellschaftslehreunterricht zunächst eine Recherche durchgeführt zu haben (Vgl. Pos. 34). Einige Schüler*innen merken an, dass die Erklärung auf anderen Sprachhandlungen, wie beispielsweise dem Beschreiben (Vgl. GEKHKo8f-08: »damals gab es schon diesen Text von einer Beschreibung«, Pos. 24), oder dem Zusammenfassen (Vgl. GEKHKo8e-16: »dass er den [Text] nochmal zusammenfasst«, Pos. 30) aufbauen. Als wesentlichen Teil einer Erklärung führen die befragten Schüler*innen die Nennung von Gründen für eine Sachverhalt bzw. Teilschritten einer Handlung an. Wenn man etwas erklärt, verdeutliche man, »wie man das macht, also in Schritten«, denn Erklären bedeute »immer in Schritten zu reden« und Informationen zum Vorgehen »in Schritten weiter[zu]geben« (GEDFDd7d-02, Pos. 32). In Bezug auf die Lösung einer Aufgabe bedeutet das beispielsweise zu »sagen, was man auch da drin macht. Oder wie [..] man da vorgeht. Also wie man […] das lösen kann« (GEKHKo8e-10, Pos. 20). Erneut greifen die Befragten hier vor allem auf das Erkläre, wie zurück und reflektieren Alltagserklärungen und Arbeitsaufträge im schulischen Kontext. In welcher Form Erklärungen das Darlegen von Gründen für einen historischen Sachverhalt verlangen, geht aus den Erläuterungen zur Aufgabe »Erkläre, warum sich im Mittelalter viele Menschen in der Nähe einer Burg ansiedelten« hervor. Den Schüler*innen gelingt es kaum, das Vorgehen bei der Aufgabenlösung, ähnlich dem Verfahren des Lauten Denkens (Vgl. Konrad 2020) für einen fiktiven Mitschüler zu explizieren. Stattdessen formulieren sie selbst eine Erklärung. Im Wesentlichen nennen die Proband*innen dabei Sicherheit, Arbeit und den Zugriff auf Ressourcen als Gründe für das Leben in der Nähe einer Burg. Ausführlich erklärt GEDFDd8c-07: »Um Schutz zu haben. – Weil zum Beispiel eine Burg halt, wenn man zum Beispiel im Wald oder so, halt in einem Dorf, ist es halt einfacher da anzugreifen als auf in einer Burg. Weil in einer Burg ist halt, die ist halt gesichert und es gibt’s auch oben diese Wachmänner, die halt Pfeil, Bogen, oder was auch immer haben, um die Person halt schnell zu erkennen und die Person halt zu vernichten oder so.« (Pos. 42)

Erklären

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An dem Erklärungsversuch zeigt sich, dass der Schüler Sicherheit und Schutz als zentrale Gründe betrachtet. Seine Erklärung ergänzt er, damit sie verständlich und nachvollziehbar wird, mit Vergleichen (Leben im Wald – Leben bei und auf der Burg), Beispielen für die Sicherheit (Wachmänner) und Details (Ausstattung mit Waffen wie Pfeil und Bogen). Die Gründe werden so sinnstiftend dargelegt und ermöglichen die Herstellung einer gemeinsamen Wissensbasis zwischen Produzent und Rezipient. Somit zählen Beispiele (Vgl. auch GEHGDu7d-07: »so etwas sagen, glaub ich, so Beispiele geben und so«, Pos. 26) zu einem weiteren Element von Erklärungen. Kürzer fällt die Erklärung von GEHGDu7b-06 aus: »Weil es da sicherer ist. Weil da auch nicht zum Beispiel Feinde reinkönnen. Erst wenn das Tor offen ist, kann man da rein. Zack« (Pos. 44), die auf den Einbezug von Details und Beispielen zur Verständnisgenerierung verzichtet. Aus den verschiedenen Ideen zur Bearbeitung der Erkläre-Aufgabe geht hervor, dass zu Gründen nicht nur Ursachen für einen Sachverhalt zählen, sondern auch Zwecke und Folgen (»um zu überleben«, GEDFDd8c-25, Pos. 42) für eine Erklärung genutzt werden können. Zuordnen lassen sich die produzierten Erklärungen und Erklärungsversuche dem Typus intentionaler Erklärungen (Rüsen 1997b), da der Sachverhalt im Wesentlichen auf Beweggründe und Intentionen verschiedener historischer Akteure zurückgeführt wird. Zudem zeigt sich, dass die Erklärung eines historischen Sachverhalts lediglich eine Auswahl möglicher Gründe abbilden kann. Nicht alle möglichen Ursachen, Folgen, Zwecke und Einflussfaktoren eines Sachverhalts können einbezogen werden (Vgl. Schreiber et al. 2006, S. 21; Körber/ Borries 2008, S. 296). Die Schüler*innen verdeutlichen dies häufig implizit, indem sie ihre Erklärungsversuche mit »zum Beispiel« einleiten (Vgl. GEDFDd7d-02, Pos. 42). Zudem zeigt sich, dass sich die Erklärungsversuche der Schüler*innen am ehesten als intentionale Erklärungen beschreiben lassen. Als Gründe für das Leben in der Nähe einer Burg werden die Intentionen der Handelnden, hauptsächlich die Inanspruchnahme von Schutz und Sicherheit sowie die Versorgung mit Nahrungsmitteln, angeführt. In den intentionalen Erklärungen (Vgl. Gessmann 2009; Rüsen 1997) werden die dargestellten Beweggründe der gesamten Gruppe der Menschen zugeschrieben ohne die Ursachen weiter zu differenzieren. Ein weiteres, von den Befragten benanntes Element von Erklärungen ist das Aufstellen von Hypothesen. Wie auch beim Beschreiben werden Wissenslücken durch das Aufstellen von Hypothesen, eingeleitet z. B. durch das Adverb »vielleicht« (GEDFDd7d-16, Pos. 38) oder Formulierungen wie »Ich persönlich glaube, dass…« (GEKHKo8c-09, Pos. 48), gefüllt. Sofern das Wissen nicht ausreicht, um eine Erklärung anzufertigen, entwerfen die Schüler*innen Erklärungsversuche, indem sie Vermutungen als Gründe anführen. Deutlich werden Parallelen zur Bildwahrnehmung von Schüler*innen, die Bernhardt (2007)

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

darstellt. Er hebt die Fähigkeit des Formulierens von Hypothesen über die Gesamtbedeutung eines Bildes als Merkmal der dritten und damit höchsten skizzierten Kompetenzstufe der Bildwahrnehmung hervor (S. 431). Ein Beispiel für die Hypothesenbildung ist der Erklärungsversuch der Schülerin GEKHKo8c-04, die überlegt: »Vielleicht weil es mehr Sicherheit gab? In Burgen leben doch so die etwas Höheren, vielleicht wenn die überfallen werden, dass die dann so ein bisschen in Sicherheit haben?« (Pos. 44), ein anderes die Annahme von GEKHKo8c-09: »Ich glaub das konnten sich damals auch so im Mittelalter nicht alle leisten, oder?« (Pos. 48). Es handelt sich somit nicht um eine vollständige Erklärung, sondern vielmehr um einen Erklärungsversuch (Vgl. Ehlich 2009), der den Prozess der Sinnbildung nur unzureichend abdeckt. Beim Erklären historischer Sachverhalte scheint es dementsprechend möglich, die sprachliche Handlung ohne das benötigte Fachwissen zu realisieren. Damit wird der Zweck einer Erklärung – das Schaffen einer gemeinsamen Wissensbasis zwischen Sprecher und Hörer bzw. Leser und Schreiber – ad absurdum geführt. Dennoch ist anzunehmen, dass Erklärungen im Gesellschaftslehreunterricht auf diese Weise angefertigt werden. Statt einer Auseinandersetzung mit dem sprachlichen Handlungsmuster und der eigenständigen Erarbeitung des notwenigen Sachwissens liefern die Lehrkräfte als Antwort auf die Erklärungsversuche die »richtige« Erklärung und festigen damit das Verständnis von Geschichte als Abbild der Vergangenheit. Eine Hypothese, die in weiteren Studien überprüft werden müsste, ist in diesem Zusammenhang, dass die mangelnde Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten und fehlendes Fachwissen dazu führen, dass die Entwicklung der Fähigkeiten zum historischen Denken verstellt bleibt. Wie auch beim Beschreiben stellt der Gegenwartsbezug ein weiteres Element von Erklärungen dar, durch das es den Schüler*innen gelingt, den entsprechenden Sachverhalt zu erschließen und die sprachliche Handlung zu realisieren. Durch den Vergleich historischer und gegenwärtiger Sachverhalte verlassen die Schüler*innen die Ebene der fachlichen Reflexion und entwickeln ihre Erklärungen aus Alltagswissen heraus. So erklärt GEHGDu7d-01 z. B.: »Damals hatten die kein Haus, Wohnung und die, die mussten immer soetwas bauen, weil die kein Wohnung hatten« (Pos. 44) und auch GEKHKo8c-09 leitet ihre Erklärung aus ihrem Alltagswissen ab, wenn sie sagt: »es ist wie hier, wenn du in der Stadt wohnst ist es anders wie als wenn du auf dem Land wohnst. Weil wenn du auf dem Land wohnst, dann braucht der Krankenwagen oder die Notärzte viel länger zu dir als hier in der Stadt. Und da [Anm.: in der Nähe der Burg] bist du sozusagen das Zentrum, alles ist um dich rum und wenn du weiter weg wohnst, hast du halt ’n größeres Problem« (Pos. 48). Erneut wird deutlich, dass eine historische Erklärung scheinbar ohne Fachwissen angefertigt werde kann, ohne dass die Schüler*innen dies selbst kritisch beurteilen.

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Schließlich führen einzelne Schüler*innen aus, dass eine Erklärung die eigene Positionierung und Begründung dieser Position erfordere. So antwortet GEKHKo8c-04 beispielsweise auf die Einstiegsfrage: »Erklären ist zum Beispiel, wenn ich das jemand anderen Leuten wiedergebe, die das nicht verstanden haben. Aber halt meiner Sicht und das nochmal anders formuliere, also erkläre« (Pos. 30). Ob die Schülerin die eigene Positionierung durch die Erarbeitung der Sprachhandlung im Unterricht oder hervorgehend aus ihrem alltagssprachlichen Konzept in das Sprachhandlungsmuster integriert hat, muss offenbleiben. Festzuhalten ist jedoch, dass die Positionierung bzw. Begründung einer Meinung kein Element fachspezifischer Erklärungen darstellt. Die Schülerin weitet hier also das Konzept, über die Grenzen der Sprachhandlung hinweg, aus. Zwischenhalt Als knappes Zwischenfazit ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Mehrheit der Befragten nicht in der Lage ist, eine eindeutige Struktur einer Erklärung zu benennen. Stattdessen scheint die Erklärung bei den meisten Befragten unstrukturiert zu verlaufen. Bezug genommen wird in eigenen Äußerungen vor allem auf Erklärungen des Typus Erkläre, wie und Erkläre, was. Dabei greifen die Schüler*innen sowohl Alltags- als auch wissenschaftliche Erklärungen auf. Als wesentliche Teilschritte zum Vollzug einer Erklärung betrachten die Befragten den Rückgriff auf Vorwissen, ohne dass die Produktion der Sprachhandlung nicht möglich sei. Aus der Bearbeitung der Beispielaufgabe geht hervor, dass die Schüler*innen auch mit dem Erkläre, warum-Typus von Erklärungen vertraut sind. Sie formulieren Antworten, die nach der Typologie Rüsens (1997b) als intentionale Erklärungen betrachtet werden können, da sie Intentionen und Beweggründe historischer Akteure als Gründe für den zu erklärenden Sachverhalt anzunehmen. Es ist anzunehmen, dass die Schüler*innen im Hinblick auf den Operator über prozedurales Wissen verfügen, welches sie allerdings nicht unmittelbar formulieren können. Deklaratives Wissen zu Erklärungen beschränkt sich somit hauptsächlich auf die weniger fachspezifischen Formen des Erkläre, wie und Erkläre, was. Sofern die Schüler*innen nicht in der Lage sind, plausible Gründe für den zu erklärenden historischen Sachverhalt anzuführen, behelfen sie sich, indem sie Hypothesen aufstellen. Einige Proband*innen führen weitere textuelle Merkmale auf, die jedoch aus fachlicher und linguistischer Perspektive nicht als Teil der Sprachhandlung betrachtet werden. Kontext und Situierung der Sprachhandlung Zur Medialität, der mit der Frage: »Wenn du eine Erklärung machst, schreibst du sie dann auf, oder beschreibst du eher mündlich?« nachgegangen wurde, äußern sich lediglich 14 Schüler*innen der befragten Stichprobe. Sieben Proband*innen

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

geben an, eine Erklärung mündlich anzufertigen, lediglich zwei Schüler*innen (GEDFDd7d-06, GEKHKo8f-08) heben hervor, vornehmend schriftlich zu erklären. Fünf Schüler*innen arbeiten sowohl mündlich als auch schriftlich. Eine Funktion weisen die Schüler*innen der Medialität nicht zu. Anders als beim Beschreiben nehmen nicht nur die Schüler*innen zu der Frage Stellung, welche Einflussfaktoren sie zum mündlichen bzw. schriftlichen Verfassen einer Erklärung bewegen, die beide Formen der Produktion gleichermaßen nutzen. Auch die Lernenden, die eindeutig Mündlichkeit präferieren, geben Auskunft über ihre Beweggründe. Die Zeit, die zum Verfassen der Erklärung zur Verfügung steht, spielt dabei eine entscheidende Rolle. GEHGDu7b-22 berichtet: »Wenn ich was erkläre schriftlich, dann dauert das immer sehr viel länger, als wenn ich das mündlich mache« (Pos. 50). Weiter führt die Schülerin aus, dass ihr dann »immer so viele Wörter einfallen, mit was was erklärt [werden] kann«. Wenn sie hingegen mündlich erklärt, »dann kommt das einfach raus« (Pos. 52). Obwohl sie auf die Funktion des epistemischen Schreibens hindeutet, empfindet sie das Mehr an Wörtern nicht als Gewinn. Möglicherweise bietet der Unterricht schlichtweg nicht genug Zeit, um lange über eine Erklärung nachzudenken und diese zu verfassen. Insbesondere da das schriftliche Erklären ein hohes Maß an Explizitheit, Kohärenz und Präzision erfordert (Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014, S. 160), ist es wichtig, für die Produktion der Sprachhandlung ausreichend Zeit einzuräumen. Da das Lernen im Geschichtsunterricht vorwiegend mündlich ausgerichtet ist (Vgl. Hartung 2015), überrascht es wenig, dass auch GEKHKo8c-23 (Vgl. Pos. 50–52) angibt, es bliebe keine Zeit etwas aufzuschreiben, wenn die Lehrkraft eine Frage ans Plenum richte. Insbesondere bei sprachlichen Handlungen wie dem Erklären, die zum historischen Erkenntnisgewinn genutzt werden können (Vgl. Pandel 2009, S. 62), bleibt die Funktion des epistemischen Schreibens ungenutzt. Wenn die Schüler*innen Erkläre-Aufgaben schriftlich bearbeiten, so wird die Funktion der Schriftlichkeit von den Lehrkräften nicht hervorgehoben. GEHGDu7a-10 fügt in diesem Zusammenhang hinzu, dass eine schriftliche Aufgabenbearbeitung lediglich durch die Aufforderung »Nicht reden« (Pos. 42) initiiert würde. Schreiben und Denken wird in dieser Lehr-Lern-Situation nicht verknüpft. Auch Aufforderungen wie »Erklär’s mir auf einem Blatt Papier« (GEHGDu7a-16, Pos. 42) die Gleichaltrige an die Schüler*innen richten, nehmen als Teil des situativen Kontext Einfluss auf die medial mündliche oder schriftliche Umsetzung der Sprachhandlung. GEKHKo8c-09 differenziert darüber hinaus, auf welchen Gegenstand die Erklärung Bezug nimmt. Bei Alltagserklärungen, wie beispielsweise der der Funktionsweise eines Handys oder einer Sache die sie »täglich die ganze Zeit benutze« (Pos. 42), muss die Schülerin nichts aufschreiben. Anders sei dies bei komplexen Sachverhalten, bei denen es ihr helfe, »ein paar kleine Stichpunkte zu haben« (Pos. 42).

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Der situative Kontext wird, zusätzlich zu den bereits erwähnten Fragen, mit der Frage: »Wem erklärst du häufiger etwas?« erschlossen. Zum situativen Kontext der Sprachhandlung zählen die Hörer*innen bzw. Leser*innen der Erklärung, die den Befragten zufolge sowohl konkret bestimmt (z. B. Lehrkräfte, Freunde, usw.) als auch unbestimmt (z. B. jemand, der eine Frage hat) sein können. Darüber hinaus können Erklärungen auch mit einem Selbst- bzw. Sachbezug angefertigt werden. Hier lassen sich die Schüleräußerungen an die Überlegungen von Klein (2009) und Hoffmann (2016) anschließen, die ebenfalls den Selbstbezug von Erklärungen herausarbeiten. Auffällig ist, dass alle Schüler*innen die Sprachhandlung in einen situativen Kontext einordnen können. Im schulischen Kontext spielt sich die sprachliche Handlung jedoch hauptsächlich unter Freund*innen bzw. Mitschüler*innen ab (Vgl. GEDFDd7d06: »Ja, also Freunden [..] zum Beispiel gerade auch in der Bücherei. Also ja Klassenkameraden (-) Kameradinnen« (Pos. 35)), denn Unterrichtsbeispiele werden seltener thematisiert. Im außerschulischen Kontext des eigenen Freundeskreises finden Erklärungen ebenfalls weniger statt. Deshalb ist anzunehmen, dass es sich um eine schulische Sprachhandlung (Vgl. »Erklär-Institution« Schule; Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014, S. 157) handelt, die für die Schüler*innen im Fachunterricht jedoch nicht konkret situiert und thematisiert wird. Sowohl im Unterricht als auch im Alltag wird die Sprachhandlung durch direkte Fragen (»Guck mal, was ist das?«, GEDFDd7d-02, Pos. 36; »Erkläre dieses Wort«, GEKHKo8e-06, Pos. 36) oder einer Bitte um Hilfestellung initiiert. Zum Teil wird das Bedürfnis nach einer Erklärung antizipiert, beispielsweise von GEHGDu7b-06, der häufig seinem Sitznachbarn hilft, denn »der kann nicht so gut Deutsch und dem erkläre ich zum Beispiel, wenn er was nicht weiß« (Pos. 34). Zu Erklärungen im Plenum kommt es, wenn Mitschüler*innen »an der Tafel« erklären (GEDFDd7d-02, Pos. 32), nachdem die Lehrkraft dazu aufgefordert hat oder im Rahmen eines Referats (GEHGDu7b-22, Pos. 40). Aufgabenstellungen, die eine Erklärung verlangen, wirken für die Schüler*innen augenscheinlich oft unspezifisch. GEKHKo8e-06 beschreibt die Aufgaben folgendermaßen: »Bei Erkläre ist halt nur ein Wort oder da steht einfach nur die Aufgabe« (Pos. 42) und auch der Hinweis seiner Mitschülerin GEKHKo8e-10, sie erkläre, »wenn etwas passiert, also wenn ich eine Situation habe« (Pos. 26), lässt keine genauen Rückschlüsse auf den situativen Kontext einer Erklärung zu. Den Schüler*innen gelingt es somit nicht, den situativen Kontext von Erkläre-Aufgaben im Gesellschaftslehreunterricht herauszuarbeiten. Es lässt sich annehmen, dass Erklärungen nicht zweckgebunden und ohne Anbindung an Textsorten realisiert werden, sodass sich das Ziel der Aufgabenbearbeitung für die Schüler*innen nicht erschließt. Dementsprechend erschließen sie den situativen Kontext, in den die Sprachhandlung eingebettet ist, aus alltagssprachlichen Zusammenhängen.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Aus einigen Schüleräußerungen wird deutlich, wie sich die Beziehung zwischen Sprecher und Hörer bzw. Leser und Schreiber bei der Realisierung der Sprachhandlung gestaltet. Neben einzelnen Produzenten wird, wie beim Verweis auf die Referategruppe, auch ein Kollektiv aus Produzenten bzw. Rezipienten einer Erklärung erwähnt. Die Schüler*innen explizieren, anders als beim Beschreiben, dass sich die Erklärung unmittelbar an einen Hörer bzw. Leser richtet. Die Erklärung einer Aufgabe müsse »zu diesem anderen weiter« (GEHGDu7a-10, Pos. 30) gerichtet verlaufen, aber auch eine schriftlich verfasste Erklärung muss an Mitschüler weitergegeben werden (GEHGDu7a-10, Pos. 42). Zentral ist dabei, dass der Produzent der »Wissende« ist, der seine Kenntnisse an den »unwissenden« Rezipienten weitergibt, um so Sinn zu übertragen (Vgl. Ehlich 2009, S. 16f). Die Beziehung zwischen Produzent und Rezipient wird auch deutlich, wenn die Schüler*innen erwähnen, dass Erklärungen an sie gerichtet werden. Verstehen sie eine Aufgabe nicht, so unterstützt die Lehrkraft sie häufig durch weitere Erklärungen (Vgl. GEHGDu7b-16, Pos. 46). Eine Ausnahme stellt zudem die Antwort von GEDFDd7d-06 dar, die darauf verweist, dass sie sich Wörter, die sie nicht kann, selbst erklären würde (Pos. 47) und damit verdeutlicht, dass die Erklärung auch mental im Selbstbezug (Vgl. Klein 2009; Hoffmann 2016) realisiert werden kann. Fast alle Schüler*innen stellen im Verlauf des Interviews den konkreten Zweck einer Erklärung heraus. Die Mehrheit führt den Zweck der Verständnisgenerierung an, denn eine Erklärung wird dann verfasst, »wenn einer was nicht versteht« (GEDFDd8c-25, Pos. 32; Vgl. auch GEDFDd7d-16, Pos. 26; GEDFDd7d-02, Pos. 32). Darüber hinaus können die Rezipienten durch eine Erklärung zum Ausführen einer Tätigkeit befähigt werden, weil die Sprachhandlung auch dann realisiert wird, wenn man sagt, »wie man das machen soll« (GEDFDd7d-02, Pos. 48; Vgl. auch GEKHKo8f-08, Pos. 34). Allgemein verweisen die Schüler*innen auch auf die Hilfestellung, die durch eine Erklärung geleistet werden kann (Vgl. z. B. GEDFDd7d-06, Pos. 33, Pos. 47; GEDFDd7d-16, Pos. 42; GEHGDu7b-22, Pos. 38). Dabei steht deutlicher der Aspekt der Informationsweitergabe als die Absicht, ein Adressatenverhalten zu erzielen, im Vordergrund (Vgl. Jahr 2000). Deutlich wird dabei auch, dass die Schüler*innen vielfach den von Ruck/Memminger skizzierten Typus der intentionalen Erklärung realisieren. Sie führen damit einen »monologischen Kommunikationsprozess« aus, der »auf die Initiierung eines Verstehensprozesses« angelegt ist (2019, S. 147). Die Schüler*innen verstehen sich dabei als Träger des Wissens, welches für die Aufgabenbearbeitung notwendig ist. Dieses Wissen kann sowohl Sachwissen als auch Metawissen, welches auf Prozesse, die zur Bearbeitung aktiviert werden müssen, umfassen. Für den Gesellschaftslehreunterricht und historische Erklärungen spielt die Weitergabe von Wissen als Zweck einer Erklärung eine besondere Rolle (Vgl. Pandel 2009). Somit ist die Überlegung von GEDFDd8c-25 grundlegend,

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der resümiert: »Erklären ist, wenn man was erklärt, was einer nicht weiß oder ja« (Pos. 44). Das kann beispielsweise ein Wort sein »womit nicht jeder weiß, was das bedeutet« (GEKHKo8e-06, Pos. 28). Nur wenige Äußerungen berücksichtigen formale Bedingungen, die beim Erklären berücksichtigt werden müssen. Die Äußerung von GEKHKo8c-04, beim Erklären sei das Formulieren in eigenen Worten (Pos. 30) besonders wichtig, verweist auf die sprachliche Loslösung von einer möglichen Textvorlage. Die Wortwahl spielt auch für GEDFDd8c-07 eine entscheidende Rolle, denn er betont, dass der Rezipient die Erklärung dann besser verstehen könne, wenn man sie »in andren Wörtern« (Pos. 28) verfasst. Die eigene Wortwahl dient nicht nur der Textwiedergabe, sondern ermöglicht auch den kritischen und reflexiven Umgang mit historischen Sachverhalten. Darauf lässt auch die Äußerung von GEKHKo8c-04 schließen, die eine Erklärung erst durch ihre »Sicht« anders ausformuliert (Vgl. Pos. 30). Ihre Mitschülerin GEKHKo8c-09 hebt hingegen besonders den Aspekt der Ausführlich- und Genauigkeit hervor, indem sie ausführt die sprachliche Handlung sei »mehr auch so die Funktion und ausgiebiger noch« (Pos. 32). GEKHKo8e-10 unterfüttert diesen Aspekt, indem sie anmerkt, dass man beim Erklären – ganz im Gegensatz zum Beschreiben – »alles ausführlich« (Pos. 32) darlegen müsse. Fachspezifik Weniger als ein Drittel der Schüler*innen ist in der Lage, ein Beispiel bzw. einen Bezug zum Fach herzustellen. Auf die Frage: »Kannst du dich an eine Aufgabe aus dem GL-Unterricht erinnern, bei der du etwas erklären solltest?« antworten zahlreiche Schüler*innen deshalb schlichtweg mit »Nein« (Vgl. GEDFDd8c-07, Pos. 30; GEDFDd8c-25, Pos. 34). Der Mangel an fachtypischen Beispielen ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen. GEKHKo8c-04 erklärt, dass in ihrer Klasse im vorangegangenen Schulhalbjahr kein Gesellschaftslehreunterricht stattgefunden habe (Pos. 34), GEDFDd8c-07 führt die fehlende Erinnerung an konkrete Aufgaben darauf zurück, dass er selbst nicht so viel erklärt (Pos. 38). GEHGDu7a-10 (Pos. 34) sowie GEHGDu7b-16 (Pos. 40) haben die Aufgaben schlichtweg vergessen. Fünf Schüler*innen ziehen Vergleiche zu anderen Fächern. Sofern ein Fachbezug stattfindet, beziehen sich die Schüler*innen vor allem auf Inhalte, wie die Klärung von Sachverhalten wie »die Religionen. Also wie die gelebt haben« (GEHGDu7d-07, Pos. 30) oder »wie es damals war, ein Haus zu bauen« (GEKHKo8f-08, Pos. 24) und Fragen wie »was zum Beispiel Bauern waren« (GEHGDu7b-06, Pos. 32). Zum Teil wird auch auf Methoden verwiesen, wie das Beispiel von GEHGDu7b-22 zeigt, die erklärt: »Wir mussten, herausfinden, was das [Anm.: die Renaissance] ist. Und dann mussten wir ein Referat machen« (Pos. 40). Eine ähnliche Erläuterung fügt GEKHKo8c-09 an, indem sie beschreibt,

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

in einer Gruppenarbeit einen Aufsatz zu einem Thema erarbeiten zu müssen und dabei das Erklären von Sachverhalten einbezieht (Pos. 34). Lediglich GEKHKo8e16 stellt mit dem Hinweis auf Texte (Vgl. Pos. 30) einen medialen Bezug her. Selbstkonzept Aus den Antworten der Befragten geht außerdem hervor, dass eine Erklärung vielfach mit einer Einschätzung der eigenen Fähigkeiten verbunden ist. Dabei wird vor allem die Selbstzuschreibung einer globalen »Erklärfähigkeit« benannt. GEDFDd7d-02 gibt beispielsweise an, sie sei »nicht die Beste im Erklären« (Pos. 32). Anders als das Beschreiben erfordert das Erklären also eine spezifische Fähigkeit, die das Verfassen der sprachlichen Handlung ermöglicht. Diese Sprachhandlungsfähigkeit kann von den Schüler*innen zwar nicht in Bestandteile zerlegt werden, doch wird deutlich, dass Erklärungen sowohl fachliche als auch sprachliche Fähigkeiten verlangen, um angemessen realisiert zu werden. Dazu zählt unter anderem Sachwissen, ohne welches eine historische Erklärung – wie oben dargestellt – nur auf das Aufstellen von Vermutungen reduziert wird. Der Zusammenhang zwischen Sachwissen und fachlichen Erklärungen ist den Schüler*innen durchaus bewusst, wie die Äußerung von GEKHKo8c-23 verdeutlicht, die sich bei einer Erkläre-Aufgabe im Unterricht zurückhält, da sie im Vorfeld »nicht so aufmerksam« (Pos. 40) war. Die Spezifik historischen Denkens kann für Schüler*innen durchaus als herausfordernd betrachtet werden. GEDFDd8c-07 erklärt z. B., er verstehe die entsprechenden Sachverhalte »auch nicht direkt am Anfang« (Pos. 40). Sein Hinweis er benötige erst Zeit, um fachspezifische Sachverhalte zu verstehen, lässt sich unter Berücksichtigung der Ausführungen zur Medialität der Erklärungen kritisch betrachten. Sofern den Schüler*innen im Gesellschaftslehreunterricht tatsächlich zu wenig Zeit zur Verfügung steht, um Erklärungen schriftlich zu formulieren und sich dementsprechend ausführlich mit historischen Sachverhalten zu beschäftigen, ist zu befürchten, dass der Erkenntnisgewinn, der durch das Erklären angestrebt werden kann, nicht erreicht wird. Zwischenhalt Die Äußerungen der Schüler*innen, die als Ausschnitt aus ihrem deklarativen Wissen zur Sprachhandlung zu betrachten sind, zeigen, dass von erheblichen Leerstellen in der Konzeptualisierung einer Erklärung auszugehen ist. Die Befragten verweisen zunächst auf Erklärungen, die sich den Typen Erkläre, wie und Erkläre, was zuordnen lassen. Einsichten zu dem insbesondere im Geschichtsund Gesellschaftslehreunterricht relevanten Typus des Erkläre, warum, der in der Bearbeitung der Aufgabenstellung als intentionale Erklärung (Vgl. Rüsen 1997b) charakterisiert wird, können lediglich aus der Bearbeitung der Beispielaufgabe gezogen werden. Im Hinblick auf die eigenständige Verbalisierung des

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Konzepts wird deutlich, dass die Schüler*innen sowohl Alltagserklärungen als auch wissenschaftliche, d. h. fachliche Erklärungen anführen. Eine Einbettung in den situativen Kontext des Unterrichtsfachs gelingt ihnen jedoch nicht. Möglicherweise werden die Erklärungen dort nicht zweckgebunden und ohne Anbindung an Textsorten realisiert, sodass Ziele der Aufgabenbearbeitungen für die Lernenden nicht transparent sind. Aufschlüsse über die Situierung der Sprachhandlung bietet lediglich der Bezugsrahmen, der als Teil des situativen Kontextes festgelegt wird. Neben einer wechselseitigen Beziehung zwischen »wissendem« Produzenten und »unwissendem« Rezipienten arbeiten die Befragten den Selbstbezug einer Erklärung heraus. Auch im Hinblick auf die Teilschritte, die zur Produktion einer Erklärung vollzogen werden müssen, zeigt sich ein heterogenes Bild. Einige Lernende weisen ein nur unzureichendes Konzept auf und verfügen kaum über deklaratives Wissen zur Sprachhandlung. Als zentrale Komponenten des Erklärens lassen sich jedoch der Rückgriff auf Vorwissen sowie das Anführen von Gründen festhalten. Sofern die Lernenden nicht über ausreichendes (Fach-) Wissen verfügen, um eine Erklärung anzufertigen, behelfen sie sich, indem sie Hypothesen aufstellen, die die Gründe ersetzen. Einige Proband*innen führen weitere Merkmale von Erklärungen an; nicht alle gelten allerdings als Bestandteile der Sprachhandlung. Als Zweck einer Erklärung stellen sie die Verständnisgenerierung sowie die Weitergabe von Informationen heraus. Insbesondere der letztgenannten Funktion wird dabei eine besondere Rolle für den Geschichtsunterricht zugewiesen. Insgesamt werden jedoch nur wenige Fachbezüge hergestellt. Sofern auf das historische Lernen Bezug genommen wird, geschieht das durch den Verweis auf Inhalte, die die Erklärung allerdings nicht in einen konkreten Zusammenhang rücken. Schließlich lässt die Befragung Einsichten über die Medialität von Erklärungen zu. Die Schüler*innen produzieren diese sowohl mündlich als auch schriftlich. Das Schreiben wird dabei jedoch – bedingt durch das Gefühl des Zeitmangels – eher als Herausforderung, denn als Chance im Hinblick auf die Entfaltung der epistemischen Funktion betrachtet.

5.4.2 Zur Unterscheidung von Beschreiben und Erklären Mit der abschließenden Frage: »Kann man eine Beschreibung und eine Erklärung unterscheiden?« soll der Vorstellung von der Unterscheidung beider Operatoren nachgegangen werden. Eine Unterscheidung der fachsprachlichen Handlungen gelingt nicht allen Schüler*innen. Einige Proband*innen äußern, dass sie die beiden Sprachhandlungen synonym verwenden. GEHGDu7a-10 beispielsweise antwortet: »Beschreiben ist das doch gleich wie Erklären« (Pos. 48) und auch sein Mitschüler GEHGDu7a-16 behauptet, er könne Beschreibungen und Erklärungen nicht unterscheiden (Pos. 52). Die ein Jahr ältere Schülerin GEKHKo8c-04

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

vermutet ebenfalls, dass beide Sprachhandlungen »dasselbe« bezeichnen und sie »da keine Unterschiede jetzt rausfinden« könne (Pos. 46) und auch der gleichaltrige GEKHKo8f-04 nimmt an, dass zwischen den Sprachhandlungen und ihren jeweiligen Zwecken »eigentlich keine Unterschiede« bestünden (Pos. 40). Es zeigt sich, dass die Konzepte der Sprachhandlungen nicht durch zunehmendes Alter oder gebunden an eine Jahrgangsstufe erworben werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Konzepte nur durch gezielte Vermittlung eingeübt und im deklarativen bzw. prozeduralen Wissen verankert werden können. Einige Schüler*innen bemühen sich, die beiden Sprachhandlungen voneinander abzugrenzen, wenngleich die Äußerungen in den vorangegangenen Frageblöcken des Interviews zeigen, dass ihnen eine Unterscheidung nicht durchweg gelingt. So definiert GEDFDd7d-02 zunächst, Beschreiben bedeute »wenn man etwas genauer erklären soll« (Pos. 18), revidiert ihre Aussage anschließend aber und korrigiert: »Beschreiben ist halt nicht so wie Erklären« (Pos. 48). Beide Sprachhandlungen weisen der Schülerin zufolge eine hohe Schnittmenge auf, sodass beschreibende Elemente – z. B. »wie’s aussieht, wie’s ist« – in Erklärungen einfließen können. Letztgenannte Sprachhandlung soll den Sachverhalt jedoch nicht nur abbilden, sondern darüber hinaus dazu anleiten, »wie man das machen soll« (Pos. 48). Umgekehrt können aber auch erklärende Aussagen in eine Beschreibung einfließen, um diese leser- bzw. hörerorientiert zu gestalten. Deutlich wird dies am Beispiel von GEDFDd7d-16, der seinen Freunden in einer alltagssprachlichen Kommunikationssituation beschreibt, dass seine Kopfhörer defekt sind und dazu auch auf die Ursache (»weil die auf den Boden gefallen sind«, Pos. 16) eingeht. Ob eine Sprachhandlung als Erklärung oder Beschreibung betrachtet wird, hängt für die Schüler*innen darüber hinaus mit dem eigenen Wissen zum thematisierten Sachverhalt zusammen. Erklärungen, wie die der Funktion einer TVFernbedienung (Vgl. GEDFDd8c-20, Pos. 16), einer Tür (Vgl. GEHGDu7a-10, Pos. 14) oder auch des Vorgehens bei einer Aufgabe (Vgl. GEHGDu7b-16, Pos. 22), werden als Beschreibungen verstanden, weil die Produzenten sich diesen Sachverhalt nicht eigenständig erschließen müssen. Ihnen gelingt es, die Tätigkeit intuitiv zu beschreiben. Die Klassifikation der Sprachhandlung nehmen sie dementsprechend nicht anhand der kommunikativen Zwecke vor, sondern orientieren sie an ihrem eigenen Wissensbestand. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang beispielsweise die Überlegungen zur Bildwahrnehmung von Schüler*innen (Bernhardt 2007), so ist es wenig überraschend, dass die Schüler*innen lediglich die Elemente des Bildes, die sie durch die »ökologische Bildwahrnehmung« sofort wiedererkennen, beschreiben. Eine ausführlichere Beschäftigung mit dem Bild, das Wahrnehmen unbekannter Bilddetails, die Fragen aufwerfen könnten, würde aus Perspektive der Schüler*innen wohl als Erklärung verstanden werden.

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Wenige Schüler*innen unternehmen den Versuch, die Sprachhandlungen deutlicher voneinander abzugrenzen. GEKHKo8f-08 ist der Annahme, Erklären sei »ja ganz anders als Beschreiben, sozusagen. Also [..] schon ähnlich, aber auch anders« (Pos. 22) und dementsprechend handle es sich um »verschiedene Sachen« (Pos. 34). GEKHKo8e-06 unterscheidet die operatorengestützten Aufgaben anhand der verfügbaren Materialgrundlage. Im Gesellschaftslehreunterricht sei bei einer Beschreibung »immer ein Beispiel, ein Bild oder so dabei«. Beim Erklären hingegen stehe »halt nur ein Wort oder […] einfach nur die Aufgabe« (Pos. 42). Wie die Auswertung der vorangegangenen Frageblöcke gezeigt hat, werden Bilder als typische Quellen zur Auseinandersetzung mit historischen Sachverhalten im Fach Gesellschaftslehre genutzt. Demgegenüber erfolgen Erklärungen meist mündlich, initiiert durch die Fragen der Lehrkraft oder Mitschüler*innen. Obwohl anzunehmen ist, dass auch in diesem Fall die Erarbeitung einer historischen Fragestellung nicht auf eine Materialbasis verzichtet, scheinen die Fragestellungen nicht mit Quellen oder Darstellungen verbunden zu sein. Als weiteres Unterscheidungskriterium wird die Ausführlichkeit der mündlichen bzw. schriftlichen Äußerungen angeführt. Denn, »wenn man beschreibt, dann macht man das nicht so genau, wie wenn man das erklärt. Wenn man das erklärt, macht man das alles ausführlich«, wie GEKHKo8e-10 (Pos. 32) zu verstehen gibt. Auf diesen Aspekt verweist auch GEKHKo8e-10, die vermutet, Erklären sei wie Beschreiben, nur eben »genauer« (Pos. 20). Diese Äußerungen sind insofern auffällig, als dass sie im unmittelbaren Kontrast zu den in Anlehnung an die funktionale Pragmatik definierten Merkmalen der Sprachhandlung stehen (Vgl. Rehbein 1984). Ohne die Zwecke der sprachlichen Handlungen genauer benennen zu können, vermutet GEHGDu7d-01, ein Unterscheidungskriterium sei »welche Aussage oder welchen Sinn« (Pos. 48) der Sprachhandelnde erzielen möchte. Die deutlichste Abgrenzung der Sprachhandlungen gelingt GEHGDu7b-22: »Beschreibung ist eher was, wie du beschreibst, wie etwas aussieht. Erklären ist, wenn du innerlich hereingehst und der Person, mit diesen Sätzen damit helfen willst. Oder wenn die so was nicht verstehen, dann kannst du denen mehr damit helfen als mit Beschreibungen. Und so kann man das auch glaube ich unterscheiden.« (Pos. 56)

Aus der Äußerung geht hervor, dass GEHGDu7b-22 in der Lage ist, die Zweckgebundenheit der Sprachhandlung herauszuarbeiten und diese zu kontrastieren. Während das Beschreiben der Weitergabe einer Wahrnehmung und damit der basalen Erarbeitung eines Sachverhalts dient, hebt sie für das Erklären den Zweck der Hilfestellung hervor, zu dem auch das Schaffen einer gemeinsamen Wissensbasis zählt. Die Unterscheidung zwischen der Beschreibung äußeren Merkmale eines Gegenstandes und der Erklärung von Handlungsabläufen führt GEKHKo8e-10 ebenfalls an (Pos. 32).

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Es zeigt sich, dass die Schüler*innen nicht in der Lage sind, die Sprachhandlungen eindeutig voneinander abzugrenzen. Weder durch sprachliche Mittel oder strukturelle Merkmale, noch durch die den Sprachhandlungen zu Grunde liegenden Zwecke gelingt es den Proband*innen, Beschreibung und Erklärung zu unterscheiden. Für die Initiierung historischen Lernens durch operatorengestützte Aufgabenstellungen ergibt sich daraus ein erhebliches Problem. Ohne sprachliches oder fachliches Wissen, das zur Aufgabenbearbeitung befähigt, erfüllen die Operatoren ihren Zweck nicht. Stattdessen können sie, beliebig austauschbar, in Aufgabenstellungen eingesetzt werden, ohne konkrete fachliche Denkprozesse anzustoßen (Vgl. Buchsteiner et al. 2018). Einige Schüler*innen sind durchaus in der Lage, einzelne sprachliche und fachliche Merkmale der Sprachhandlungen sowie Unterscheidungskriterien herauszuarbeiten. Da sich bei der qualitativen Analyse zunächst kein Unterschied im Antwortverhalten aufzeigen ließ, der auf das Alter der Schüler*innen zurückzuführen ist, lässt sich annehmen, dass die Sprachhandlungsfähigkeit im Fachunterricht explizit vermittelt werden muss, um Konzepte sprachlicher Handlungen aufzubauen.

5.4.3 Vergleich der Konzepte (Gruppenanalyse) Die Schülerin GEHGDu7d-01, die in den Instrumenten zur Erhebung der fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten unterdurchschnittliche Fähigkeiten gezeigt hat (Gr. I), antwortet auf die Frage: »Was bedeutet Erklären für dich?«, durch die der Gegenstand einer Erklärung identifiziert werden soll, zunächst mit »Mir fällt nix ein« (Pos. 28). Erst bei der Frage nach den möglichen Adressaten einer Erklärung stellt sie Dinge, die sie »gemacht« oder »getan« hat als Gegenstand einer Erklärung heraus. Dieser Verweis auf die Erklärung von eigenen Handlungen bleibt jedoch recht unspezifisch. Die Schülerin sieht sich zudem mit der Lösung der Beispielaufgabe überfordert (vgl. Pos. 44) und führt angenommene Fakten auf, ohne diese kausal mit der Fragestellung zu verknüpfen (Vgl. Domínguez/Pozo 1998; Borries 2002). Auch GEDFDd7d-20 kann die Aufgabe nicht lösen. Der Schüler verfügt nicht über ein ausreichendes Konzept, um die Sprachhandlung zu vollziehen. Auffällig ist der Gebrauch des Verbs »klären« statt »erklären« in der gleichen Äußerung, aus dem hervorgeht, dass er die Sprachhandlung im Sinne eines verdeutlichen eindeutiger Zusammenhänge verstehen mag, es ihm jedoch nicht gelingt, für den Gesellschaftslehreunterricht spezifische Sachverhalte aufzuklären. GEDFDd7d-02 trägt zum Gegenstand einer Erklärung unterschiedliche Ideen vor: In Bezug auf den schulischen Kontext fokussiert sie Aufgaben (Pos. 32) und Wörter (Pos. 46). In der Auseinandersetzung mit der Beispielaufgabe gelingt es

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ihr, einige grundlegende Zusammenhänge zwischen den ausgewählten Gründen und dem historischen Sachverhalt auszumachen. Wie genau dieser Zusammenhang zu verstehen ist, expliziert sie nicht, ebenso wenig verweist sie darauf, dass es sich um vielfältige Gründe handeln könnte. Hier zeigen sich Parallelen zu dem von Domínguez/Pozo (1998) skizzierten Entwicklungsmodell kausallogischer Erklärungen. Ihr gelingt es zudem Aussagen zum formalen Aufbau einer Erklärung zu tätigen. Die Schülerin betont, beim Erklären käme es darauf an »in Schritten zu reden« (Pos. 32), auf schriftliche Erklärungen verweist sie an keiner Stelle. Eine gute Erklärung zeichnet sich für die Befragte durch ihre Nachvollziehbarkeit aus. Die Sprachhandlung ist an der Stelle beendet, an der ihr Gegenüber die referierte Handlung ausführen kann oder ein ausreichendes Maß an Verständnis vorausgesetzt ist. In diesem Fall bedarf die Erklärung keiner genauen Struktur, sondern muss sich vielmehr unmittelbar auf die Reaktionen des Hörers anpassen lassen. Auffällig ist, dass die Schülerin mit den Worten: »Also ich bin gerade nicht die Beste im Erklären« (Pos. 32) in ihre Erläuterung einführt. Eine Erklärung scheint also konkrete kognitive, fachliche oder sprachliche Fähigkeiten zu erfordern, die über die beim Beschreiben geforderten Fähigkeiten hinausgehen. Eine Differenzierung zwischen Beschreibung und Erklärung gelingt den Schüler*innen der ersten Gruppe nicht. Statt eine Abgrenzung der sprachlichen Handlungen vorzunehmen, hebt GEDFDd7d-02 die Überschneidung von Beschreibung und Erklärung hervor. Ihr ist bewusst, dass »Beschreiben [..] halt nicht so [ist] wie Erklären« (Pos. 48), dennoch »sagt« man auch beim Erklären, »wie’s aussieht, wie’s ist« (Pos. 48). Während eine Beschreibung also nicht zum Ausführen einer Tätigkeit befähigen soll und deshalb der Aspekt »wie man das machen soll« (Pos. 48) nicht Teil der Sprachhandlung ist, erfordert eine Erklärung durchaus die Herstellung einer kommunikativen Basis, um die sprachliche Handlung erfolgreich umzusetzen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Gegenstand der sprachlichen Handlung von den Schüler*innen, die über fachlich und sprachlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen, nicht konkret benannt, sondern lediglich durch den Zweck der Ausräumung eines Verstehensdefizits bzw. der Befähigung zum Ausführen einer Tätigkeit abgeleitet wird. Der formale Aufbau der sprachlichen Handlung bleibt unspezifisch, eine Anbindung an fachliche Lerngegenstände gelingt nicht. Auch zur Unterscheidung zwischen Beschreibung und Erklärung sind die Lernenden nicht in der Lage. Dieser Umstand kann als zentraler Einflussfaktor auf den Schreibprozess betrachtet werden. Den Schüler*innen gelingt es nicht, einen Prototyp der Sprachhandlung aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen (Vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017). Auch aus den Äußerungen der Schüler*innen der zweiten Gruppe geht eine Überschneidung zwischen Beschreiben und Erklären hervor (vgl. GEHGDu7b-

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

06, Pos. 16; GEKHKo8c-23, Pos. 12–14). GEHGDu7b-06 benennt die Erklärung von Worten, die realisiert werden könne, indem man sagt »was es heißt. Oder die Bedeutung davon« (Pos. 30, 50). Spezifischer als die bisher vorgestellten Proband*innen benennt GEKHKo8c-23 darüber hinaus Aufgaben (Vgl. Pos. 34) und Wörter (Vgl. Pos. 36) als mögliche Gegenstände einer Erklärung. Aus seinen Äußerungen (Vgl. Pos. 54) geht hervor, dass er über strategisches Wissen verfügt, welches ihn zur Bearbeitung von Schreibaufgaben befähigt. Ein konkreter Vollzug der Erklärung und die Darstellung von textuellen Elementen bleiben jedoch aus. Die Nennung von Gründen scheint GEHGDu7b-06 somit als Teil einer Erklärung bewusst zu sein, wenngleich dies nur implizit aus der Bearbeitung der Beispielaufgabe hervorgeht. Auffällig ist, dass der Schüler lediglich einen Grund anführt. Erneut lassen sich hier Parallelen zu den von Lee/Dickinson/Ashby (1997) und Lee (1998) durchgeführten Studien anführen, die zeigen, dass die Mehrheit der Schüler*innen der sechsten Jahrgangsstufe lediglich einen Grund für die Erklärung eines historischen Sachverhalts formuliert. Damit bleibt der Schüler leicht hinter dem Durchschnitt der ebenfalls in der Studie untersuchten Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben zurück, die vielfach zwei Gründe einbeziehen. Der in der Untersuchung herausgearbeitete Schluss, dass Lernende der unteren Jahrgangsstufen durch mehrere Gründe überfordert seien, kann auch auf den Probanden angewandt werden. Den angeführten Grund verbindet er mit einem Beispiel (Vgl. Pos. 44). Die exemplarische Aufgabenbearbeitung lässt annehmen, dass der Schüler grundsätzlich über prozedurales Sprachhandlungswissen verfügt, ihm das Konzept einer Erklärung allerdings nicht als deklaratives Wissen zur Verfügung steht. Sein Konzept einer Erklärung ist somit weiterentwickelt als das einer Beschreibung und führt, wie sich in der Bearbeitung der Schreibaufgabe (s. u.) zeigt, zu einer erfolgreicheren Textproduktion. GEKHKo8c-23 verfügt über ein grundlegendes Konzept der Sprachhandlung, obwohl er im Interview keine konkreten sprachlichen oder fachlichen Merkmale, die über den Rückgriff auf Vorwissen hinausgehen, benennt. Er kann die Sprachhandlung allerdings einem Zweck zuordnen und auf konkrete Situationen des historischen Lernens beziehen. Zudem verfügt er über eine Vorstellung vom Gegenstand, der in einer Erklärung thematisiert werden kann. Auch GEHGDu7b06 gelingt es, ein basales Konzept der Sprachhandlung herauszuarbeiten. Zwischen den Äußerungen zum Beschreiben und zum Erklären lassen sich deutliche Parallelen aufzeigen. Den Lernenden gelingt es in beiden Fällen, den Gegenstand der Sprachhandlung einzugrenzen und grundlegende Schritte zum Vollzug zu benennen. Insgesamt bleiben die Konzepte jedoch oberflächlich und lückenhaft. GEKHKo8f-16 (Gr. III) antwortet auf die erste Frage zum Operator: »Dass man, ich kann das nicht erklären« (Pos. 10) und schließt an: »weiß ich nicht, wie

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ich das erklären soll« (Pos. 12). Im weiteren Verlauf des Interviews ist sie nicht in der Lage, Sprachhandlungswissen abzurufen bzw. zu verbalisieren. Auch für GEDFDd7d-06 scheint es zunächst herausfordernd, den Gegenstand einer Erklärung zu benennen (»Äh ja also – keine Ahnung«, Pos. 31). Sie schließt jedoch aus der Situation »zum Beispiel wie ich jetzt so gerade etwas erkläre […] so wenn Sie mich gerade was gefragt haben, so kann das ist halt Erklären« (Pos. 33). Neben der Erklärung eines spezifischen Sachverhalts oder einer Tätigkeit – hier die Erklärung des Erklärens – fügt sie an, dass auch Aufgaben erklärt werden können (Pos. 33). Sie äußert, dass Erklärungen durch das Aufschreiben von Begriffen realisiert werden, »die selber jemanden helfen können«. Dabei bezieht sie Schülerin zwei Ebenen ein: das Erklären eines Sachverhalts durch spezifische Begriffe auf der einen Seite und demgegenüber das Erklären von Fachbegriffen als Gegenstand der Betrachtung. Die Erklärung von Fachbegriffen durch das Festhalten von Informationen zu diesem Wort (Vgl. Pos. 47), wird von der Schülerin als Möglichkeit der selbstbezogenen Erklärung (Vgl. Klein 2009) verstanden. Die Auswertung der Interviewdaten der dritten Gruppe verdeutlicht die Bedeutung fachlicher Kompetenzen für die Ausbildung fachsprachlicher Konzepte. Den Lernenden gelingt es lediglich unspezifische, alltagssprachliche Vorstellungen der Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären zu verbalisieren. Den Gegenstand einer Erklärung können sie nicht erschließen, obwohl sie in den entsprechenden sprachlichen Erhebungsinstrumenten überdurchschnittliche Fähigkeiten gezeigt haben. Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass fachliche Kompetenzen für die Entwicklung fachsprachlicher Konzepte mindestens gleichbedeutend mit sprachlichen Fähigkeiten sind. Die Konzepte der Schüler der vierten Gruppe sind zum Erklären ebenso unvollständig wie zum Beschreiben. GEKHKo8f-04 ist im Prä-Test nicht in der Lage, den Gegenstand einer Erklärung zu benennen (»Ja ich weiß es, aber ich kann’s nicht erklären«, Pos. 28). GEDFDd7d-16 gelingt es zwar, anhand des Zwecks der Sprachhandlung, den Gegenstand einer Erklärung zu erschließen, welche Teilschritte zur Realisierung vollzogen werden müssen und daraus hervorgehend, welche sprachlichen und fachlichen Elemente in die Erklärung einfließen, kann er hingegen nicht darlegen (Vgl. Pos. 28). Zur Lösung der Beispielaufgabe nach dem Prinzip des Lauten Denkens greifen beide Schüler auf Alltagswissen zurück. Sie stellen Hypothesen auf, um Gründe zu erschließen, aus denen Menschen im Mittelalter in der Nähe einer Burg lebten. Strukturellen oder sprachlichen Merkmale der Sprachhandlung lassen sich aus ihren Äußerungen nicht ableiten. Einen eigenen Bezug zum Gesellschaftslehreunterricht stellen sie nicht her. GEKHKo8f-04 betont sogar, zwischen einer historischen Erklärung und Erklärungen anderer Fächer gäbe es »eigentlich keine Unterschiede« (Pos. 40).

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Auch in den Äußerungen der vierten Gruppe zeigen sich Parallelen zwischen den Konzepten zwischen dem Beschreiben und Erklären. In beiden Fällen ist das deklarative Sprachhandlungswissen, das im Interview verbalisiert werden kann, oberflächlich. Den Lernenden gelingt es zwar, das Erklären an einen Zweck anzubinden, ein fachspezifisches Konzept können sie dennoch nicht explizieren. Auch im Hinblick auf das Erklären entwickeln die fachlich und sprachlich starken Schüler*innen der fünften Gruppe besonders überzeugende Gedankengänge. GEKHKo8f-08 verfügt über eines der umfangreichsten Konzepte zur Sprachhandlung Erklären. Sie ist in der Lage, den Gegenstand einer Erklärung konkret zu benennen. In ihre Ausführung zieht sie Aufgaben und Tätigkeiten ein. Eine Erklärung sei »[z]um Beispiel, wie man etwas machen soll, nicht wie etwas aussieht« (Pos. 22). Wie die Aussage zeigt, gelingt es ihr genau, zwischen Beschreibung und Erklärung zu unterscheiden. Im Fach Gesellschaftslehre würden »kleine Unterrichtsthemen« (Pos. 22) erklärt werden. GEKHKo8c-04 beantwortet mit der Äußerung »Erklären ist zum Beispiel, wenn ich das jemand anderen Leuten wiedergebe, die das nicht verstanden haben. Aber halt meiner Sicht und das nochmal anders formuliere, also erkläre« (Pos. 30) die Frage »Was bedeutet Erklären für dich?«. Dabei spielen als formale Kriterien vor allem das Formulieren in eigenen Worten sowie die subjektive Perspektive der Sprachhandlung eine entscheidende Rolle. GEKHKo8c-09 knüpft ihr Konzept der Sprachhandlung Erklären an das Beschreiben an. Erklären sei dementsprechend »noch mehr als Beschreiben« (Pos. 32) und würde in Bezug auf »verschiedene Themen« (Pos. 34) genutzt. Elemente, die beim Erklären realisiert werden müssen, sind für GEKHKo8c-09 zunächst die Ausarbeitung einer Wissensbasis (Vgl. Pos. 34) sowie die persönliche Positionierung gegenüber einem Sachverhalt (Vgl. Pos. 48). Sie stellt damit heraus, dass eine historische Erklärung stets abhängig vom Verfasser und dessen Selektion von Ursachen und Folgen aus der Summe möglicher Gründe ist, die für eine Erklärung herangezogen werden können (Vgl. Schreiber et al. 2006; Körber/Borries 2008). Im Hinblick auf Handlungserklärungen führt GEKHKo8f-08 das Benennen von Teilschritten (»wie man etwas machen soll«) als Element der Sprachhandlung an. Auch für das historische Beispiel des Hausbaus kommt diese Art der Erklärung in Frage (»dann sollte ich sagen, wie man die Klötze macht«, Pos. 24), wobei zusätzlich Gründe (»weil es keine Maschinen gab«, Pos. 24) angeführt werden müssen. Ein ähnliches Vorgehen zeigt sich bei der Bearbeitung der Beispielaufgabe, wobei die Schülerin die Sicherheit auf und bei einer Burg als wesentlichen Grund anführt. Diesem verleiht sie zu Beginn den Charakter einer Hypothese (»Ich glaube, weil…«, Pos. 30), stützt ihre Ausführungen dann jedoch durch verschiedene Beispiele (Vgl. Pos. 30). Leerstellen der Erklärung, für die das fachliche Wissen zum Sachverhalt nicht ausreicht, werden von GEKHKo8c-09 und GEKHKo8c-04, wie bereits von GEDFDd7d-16 und

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GEKHKo8f-04 (Gruppe IV), mit Hypothesen gefüllt (»Ich glaub das konnten sich damals auch so im Mittelalter nicht alle leisten, oder?«, GEKHKo8c-09, Pos. 48). Anbinden lässt sich dieses Merkmal der Sprachhandlung an die Abläufe, die Bernhardt (2007) im Hinblick auf die Bildwahrnehmung von Schüler*innen beschreibt. Er weist darauf hin, dass insbesondere Schüler*innen, die zu umfassenderen Deutungen gelangen, Hypothese einbeziehen, die sie dann an den Bildern überprüfen. Erneut zeigt sich, dass die Schüler*innen zum Anfertigen der Sprachhandlungen weniger auf Fach- als vielmehr auf Alltagswissen zurückgreifen. GEKHKo8e-09 nutzt dafür Vergleiche und bezieht den historischen Sachverhalt auf gegenwärtige Umstände (»Weil wenn du auf dem Land wohnst, dann braucht der Krankenwagen oder die Notärzte viel länger zu dir als hier in der Stadt«, Pos. 48). Der Gegenwartsbezug kann hier einerseits genutzt werden, um Wissenslücken zu füllen, andererseits ist die Erklärung durch die Anbindung an die eigene Lebenswelt einfacher in den Wissensbestand des potentiellen Rezipienten zu integrieren. Darüber hinaus hängt die Erklärung mit dem Geschichtsbewusstsein der Schülerin zusammen, die vergangene Ereignisse womöglich als lediglich in der Vergangenheit liegende Sachverhalte, die sich heutzutage ebenso zutragen könnten, betrachtet. Lee/Ashby/Dickinson (2001, S. 113) verweisen ihrem Modell in einem ähnlichen Zusammenhang auf die Ebene der Alltags-Empathie, die Schüler*innen dazu befähigt, vergangenes Handeln in alltägliche Erfahrungen zu übersetzten. Die Lernenden seien allerdings nicht in der Lage, zwischen dem Wissen der gegenwärtigen Betrachter von Geschichte und dem Wissen der Zeitgenoss*innen zu unterscheiden. Bei der abschließenden Frage nach Unterscheidungsmerkmalen von Beschreibung und Erklärung greift GEKHKo8f-08 die genannten Aspekte [Anm.: Aussehen, Handlungshinweise, Benennen] wieder auf und hält fest, dass eine Beschreibung beispielsweise dann initiiert würde, »wenn Sie [Anm.: die Interviewerin] mich fragen, wie etwas aussieht« (Pos. 34). GEKHKo8c-04 gelingt es nicht, die Sprachhandlungen voneinander abzugrenzen. Beide Sprachhandlungen seien für sie »so dasselbe« und sie »könnte da keine Unterschiede jetzt rausfinden« (Pos. 46). Diese Überschneidung zeigt sich nicht nur in der expliziten Äußerung, sondern auch in der eingangs formulierten Bestimmung des Gegenstands der Beschreibung mit den Worten: »Etwas ausführlicher erklären?« (Pos. 10). Auch aus den Überlegungen von GEKHKo8c-09 gehen einige Parallelen zwischen den Sprachhandlungen hervor. In beiden Konzepten sind Elemente enthalten, die aus funktional-pragmatischer und fachlicher Perspektive eher Teile anderer Sprachhandlungen, beispielsweise des Begründens oder Deutens sind. Allerdings hat die Schülerin diese Elemente sinnvoll in ihr Konzept der Sprachhandlungen integriert.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Insgesamt verfügen die Schüler*innen, die in der Erhebung fachlicher und sprachlicher Kontrollvariablen überdurchschnittlich abgeschnitten haben, über ausgeprägte Konzepte der Sprachhandlung. Ähnlich wie die Gruppe der Schüler*innen, die fachlich und sprachlich durchschnittliche Leistungen gezeigt haben (Gr. IV), gelingt es auch den Proband*innen der fünften Gruppe, Leerstellen, die in ihren Erklärungsversuchen entstehen, durch das Aufstellen von Hypothesen zu füllen. Sie weisen zudem darauf hin, dass Wissen über zu erklärende Sachverhalte entscheidenden Einfluss auf die Bearbeitung der Aufgabenstellung hat. Sprachliche Fähigkeiten allein reichen also nicht aus, um Erklärungen im Fach anzufertigen, sondern müssen gezielt mit dem Fachwissen verknüpft werden. Zwischenhalt Die Schüler*innen mit fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten weisen lediglich unvollständige, alltagssprachliche Konzepte der Sprachhandlung Erklären auf. Aus den Äußerungen der Schüler*innen der zweiten, dritten und vierten Gruppe werden Parallelen zu den Konzepten des Beschreibens deutlich: Wissensbestände aber auch Lücken zeigen sich in ähnlichen Bereichen des fachlichen Sprachhandlungswissens. Insgesamt weisen die Konzepte nur in geringem Maß fachliche Spezifika auf. Über das differenzierteste Sprachhandlungswissen verfügen die Schüler*innen der fünften Gruppe, die fachlich und sprachlich überdurchschnittliche Fähigkeiten zeigen.

5.4.4 Zusammenhang zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit Eine Bearbeitung der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test erfolgt bei keine*r der Proband*innen der ersten Gruppe. Hier zeigen sich Parallelen zu dem von Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 149) als a-konventionell bezeichneten Niveau des historischen Denkens. Anzunehmen ist, dass die geringe fachliche Sprachhandlungsfähigkeit auf die unterdurchschnittlichen fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen zurückzuführen ist. Diese sind nicht nur ursächlich für die geringe Sprachhandlungsfähigkeit, sondern erklären auch, weshalb es den Lernenden nicht möglich ist, ihre Konzepte zu den Sprachhandlungen zu explizieren. Ihnen ist es bisher nicht gelungen, ein Konzept zum Erklären aufzubauen, dass über alltagssprachliche Bedingungen der Sprachhandlung hinausgeht. Ohne einen Prototyp der Sprachhandlung, den sie aus dem Langzeitgedächtnis abrufen könnten, erfolgt die Aufgabenbearbeitung willkürlich oder bleibt, wie in der Erhebung gezeigt, vollständig aus.

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Als weiterer Einflussfaktor auf die Schreibleistung der Lernenden kann das fachbezogene Selbstkonzept betrachtet werden. Zwar geben die Schüler*innen in den Fragebögen an, interessiert und motiviert an fachlichen Lernprozessen teilzunehmen, doch heben sie in den Interviews hervor, dass das Erklären eng mit ihrem Selbstkonzept verbunden ist. Sie schätzen die sprachliche Handlung als besonders herausfordernd, ihre eigenen Fähigkeiten demgegenüber als eher gering ein. Neben der Entwicklung fachlicher und sprachlicher Fähigkeiten liegt also in der Festigung eines Selbstkonzepts Potenzial, dass zur Ausbildung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit berücksichtigt werden muss (Vgl. Schnotz 2006). Aus der Darstellung der entwicklungspsychologischen Modelle im Vorfeld der empirischen Datenauswertung ist hervorgegangen, dass nicht alle Individuen die höchsten Stufen der kognitiven Entwicklung erreichen. Gleiches gilt, das konstatiert Borries (2002b, S. 123) für die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins und die Teilkomponenten des historical reasoning. Wie der Einbezug unterschiedlicher Modelle zeigen konnte, verfügen die Lernenden der Gruppe zum Teil über eingeschränkte formale Fähigkeiten und sind somit nicht in der Lage, fachliche Sprachhandlungen zu realisieren. Code Aufgabe

GEHGDu7b-06 GEKHKo8c-23 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Es Konnten nur Vermutungen an- Es können über viele vergangene gestellt werden niemand wusste ob Ereignisse nur Vermutungen angeden Göttern zeus es gefiel oder nicht stellt werden, weil es nimanden dagefiel deswegen wurden Vermutun- mals gab der alles heute wieder ergen angestellt, weil Keiner es wuss- zählen kann. Es sind vermutlich alle ten da die eine Seit es beurteilten das gestorben, bevor sie etwas weiter es Götter Zeus gefiel aber die andere erzählen konnten. Ich glaub es gab Seite sagte es gefiel den Götter Zeus dan jemanden der einfach etwas nicht. Da Keiner es wusste beurteilte erzählt hat, das er dachte das es war eine Seite etwas die andere Seite währe. sagte aber was ganz anderes Also hatte soge sagt Keinen Recht. Tabelle 25: Gruppe II – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

Statt auf die allgemein formulierte Aufgabenstellung »Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.« bezieht GEHGDu7b-06 das Textprodukt auf einen konkreten Sachverhalt, nämlich die Überlegung, ob die Olympischen Spiele den Göttern gefielen oder nicht. Das konkrete Beispiel zeigt, dass Zeitgenoss*innen unterschiedliche Meinungen zu historischen Sachverhalten hatten, ohne jedoch deutlich zu machen, wieso Multiperspektivität im historischen Erkenntnisprozess berücksichtigt werden sollte. Adaptiert man das für historische Darstellung entwickelte Modell von Lee/Ashby (2000, S. 212), so zeigt sich, dass der Proband eine der

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

elaborierteren Stufen erreicht. Durch den Verweis auf die unterschiedlichen Meinungen, die er mit einem Wahrheitsanspruch (»Also hatte soge sagt Keinen Recht«) verbindet, lässt sich annehmen, dass das Aufstellen von Vermutungen über die Vergangenheit nicht nur auf einen Mangel an Informationen, sondern auch auf die tendenziöse Darstellung der Zeitgenoss*innen zurückzuführen ist. Der konkrete Bezug auf einen historischen Sachverhalt, der die Thematik der Aufgabenstellung nicht vollständig aufgreift, findet sich auch im Modell von Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 149) wieder. Sie ordnen die Schüler*innen, denen es gelingt, historische Begriffe, Konzepte und Erfahrungen in einem konkreten Bezugsrahmen zu nutzen, dem konventionellen Niveau zu. Ein Einleitungssatz in die Erklärung ist vorhanden, sodass der Leser den Text auch ohne Kenntnis der Fragestellung nachvollziehen kann. Obwohl die Ursache, die GEHGDu7b-06 in seiner Erklärung reproduziert nur einen Teil der historischen Erklärung abbildet, ist der Text sehr nachvollziehbar strukturiert. Die Erklärung wird vor allem mit Hilfe kausaler Marker (»deswegen«, »weil«, »da«) aufgebaut, darüber hinaus werden die unterschiedlichen Positionen mit der Konjunktion »aber« gegenübergestellt. Von dem konkreten Verweis auf die Einschätzung der Göttermeinung bezieht der Schüler seine Erklärung auf eine allgemeine Ebene. Statt von Zeitgenoss*innen spricht er in seiner Erklärung in diesem Zusammenhang von »Seiten« und hebt somit deutlich die unterschiedlichen Einschätzungen des historischen Sachverhalts hervor. Seinen Text schließt er mit der Formulierung »Also hatte soge sagt Keinen Recht« ab, das im Erklärungszusammenhang durchaus schlüssig erscheint: Die fehlende Übereinstimmung zwischen den Einschätzungen der Zeitgenoss*innen führt dazu, dass niemand eindeutig »Recht« haben kann. Auffällig ist, dass der Schüler, obwohl er nicht über umfangreiches Wissen zum historischen Gegenstand verfügt – und deshalb beispielsweise von »Götter Zeus« spricht – in der Lage ist, komplexe Überlegungen zu einer historischen Fragestellung zu entwickeln. Da GEHGDu7b-06 im Fachwissenstest ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielt hat, ist davon auszugehen, dass er sich den Sachverhalt anhand bekannter, im Gesellschaftslehreunterricht thematisierter historischer Fragestellungen erschließen konnte. In der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgabe erreicht der Schüler 55 %, nicht zuletzt, da sprachliche Mittel wie Tempus und Unpersönlichkeit durchgehend korrekt umgesetzt werden. Obwohl er nur einen Ausschnitt der Fragestellung beantwortet und offenbleibt, wieso die unterschiedlichen Meinungen und Einschätzungen von Zeitgenoss*innen in der Vergangenheit den historischen Erkenntnisprozess in der Gegenwart beeinflussen, zeigt sich, dass der Schüler über prozedurales Textsortenwissen verfügt, welches ihn in die Lage versetzt, eine kohärente und leserorientierte Erklärung zu verfassen. Auch GEKHKo8c-23 verfasst eine kohärente und nachvollziehbare Erklärung, in die er mit einem Einleitungssatz einführt. Der zentrale und erste Grund wird mit

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der Konjunktion »weil« eingeleitet. Der Schüler sieht ursächlich für das Aufstellen von Vermutungen durch Historiker*innen, dass »es nimanden damals gab der alles heute wieder erzählen kann«. Dementsprechend ist das »Dabeisein« bei einem historischen Ereignis maßgeblich dafür, darüber in der Gegenwart plausible Aussagen treffen zu können. Mit seiner Einschätzung befindet er sich somit auf der zweiten Ebene des von Lee/Ashby (2000, S. 212) umrissenen Entwicklungsmodells zur Vorstellung von Schüler*innen über historische Darstellungen und ihr Verhältnis zur Vergangenheit. In seiner weiteren Ausführung, die zum Teil narrativ strukturiert (»bevor« – »dan«) und somit als historische Erklärung (Vgl. Rüsen 1997b) zu betrachten ist, verdeutlicht der Schüler, dass nicht die Anwesenheit eines Zeugen das wesentliche Kriterium darstellt, das es ermöglicht, Aussagen über die Vergangenheit zu treffen, sondern die Weitergabe von Informationen. Die Zeitzeugen seien »alle gestorben, bevor sie etwas weiter erzählen konnten«. Der Fluss der Informationen konnte somit nicht bis in die Gegenwart aufrecht erhalten bleiben. Als sprachliche Mittel nutzt GEKHKo8c-23 graduierende Formulierungen wie »vermutlich« und »einfach« sowie den Konjunktiv, um Hypothesen aufzustellen und Distanz herzustellen. Das Fazit formuliert der Schüler jedoch in der IchPerspektive, möglicherweise weil er den hypothetischen Charakter seiner Erklärung hervorheben will. Dabei ist seine Schlussfolgerung, Zeitgenoss*innen und Forschende könnten »einfach etwas erzähl[en]«, ohne Belege für ihre Beobachtungen oder Vermutungen anzuführen, durchaus schlüssig und zeigt, dass das, was überliefert wird, vom Autor abhängig ist. Insgesamt spiegeln sich im Textprodukt die fachlichen Fähigkeiten des Schülers GEKHKo8c-23 wider. Er verfasst eine kohärente und nachvollziehbare Erklärung, die wesentliche Kriterien der fachsprachlichen Handlung erfüllt. Neben den narrativen Strukturen, die er zur Verdeutlichung des Zusammenhangs von Vergangenheit und Gegenwart nutzt, reflektiert er die Gründe, die zum Aufstellen von Hypothesen führen, genau und gelangt zu einer sinnvollen Schlussfolgerung. GEHGDu7b-06 erreicht im Schreibprodukt eine elaborierte Stufe der Auseinandersetzung mit dem historischen Sachverhalt, indem er unterschiedliche Einschätzungen vergangener Ereignisse auf tendenziöse Darstellungen zurückführt. Anzunehmen ist, dass die Schüler auf Grund ihrer fachlichen Fähigkeiten in der Lage sind, die Schreibaufgabe zu realisieren und ihr prozedurales Wissen das im Interview verbalisierte Konzept übersteigt. Code Aufgabe

GEDFDd7d-06 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Weil wir zu dieser Zeit noch nicht lebten den das war vor und nach Christus geburt. Tabelle 26: Gruppe III – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

GEKHKo8f-16 (Gr. III) bearbeitet die Erkläre-Teilaufgabe weder im Prä- noch im Post-Test. GEDFDd7d-06 hingegen unternimmt im Prä-Test einen Erklärungsversuch. Obwohl sie über ausreichende allgemeinsprachliche Fähigkeiten verfügt und in der Bearbeitung der Erkläre-Teilaufgabe in der fachübergreifenden Schreibaufgabe im mittleren Bereich der Stichprobe liegt, weist die fachliche Erklärung einige Schwächen auf. Wie die Kürze des Textprodukts bereits erahnen lässt, handelt es sich um eine unvollständige Erklärung. Die Schülerin erreicht mit dem Schreibprodukt in der kategorialen Auswertung lediglich 35 %. Statt mit einem Einleitungssatz beginnt die Schülerin ihre Erklärung mit der Konjunktion »weil«, womit die Formulierung eher dem alltags- als dem bildungssprachlichen Register zuzuordnen ist. Ein struktureller Aufbau lässt sich nicht nachzeichnen, da die die Erklärung lediglich aus einem Satz besteht. Die Erklärung zielt ebenfalls auf das »Dabeisein« als Ursprung des Wissens über historische Ereignisse. Wer zu der entsprechenden Zeit lebte, kann eindeutige Aussagen, beispielsweise über den Bau der Pyramiden machen. Hier spiegelt sich die zweite im Modell von Lee/Ashby (2000) herausgearbeitete Vorstellungsebene wider, die die Unzugänglichkeit der Vergangenheit als wesentlichen Grund für kontroverse Darstellungen benennt. Der Erklärungsversuch bietet einen Ansatz für das konkrete Beispiel, jedoch nicht für allgemeine Aussagen über vergangene Ereignisse und ist somit dem konventionellen Niveau historischen Denkens zuzuordnen (Vgl. Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 149). Zudem bezieht die Schülerin lediglich einen Grund in ihren Erklärungsversuch ein (Vgl. Lee 1998). Offenbleiben muss, ob dies lediglich dem unzureichenden entwickelten Geschichtsbewusstsein zuzuschreiben ist, oder ob sie der Überzeugung ist, ihre Erklärung sei vollständig. Für die letztgenannte Annahme sprechen Kohlbergs Überlegungen zur moralischen Urteilsfähigkeit, in denen er darauf verweist, dass Lernende aller Niveaustufen zu Urteilen gelangen, die sie als vollständig und abgeschlossen betrachten (Vgl. dazu Becker 2011). Die fehlenden fachlichen Fähigkeiten, die bereits durch den Fachwissenstest nachgewiesen wurden, werden durch die Erklärung bestätigt. Die Schülerin ist nicht in der Lage, Zeitspannen abzuschätzen und historische Ereignisse zu datieren, wie die Formulierung »vor und nach Christus geburt« zeigt. Sprachlich ist zudem auffällig, dass die Schülerin das Pronomen »wir« nutzt, das auf die Gesamtheit aller Menschen bezogen, aber auch stellvertretend für sie und die Menschen der Gegenwart eingesetzt werden kann, um hervorzuheben, dass gerade diese Gruppe den Ereignissen nicht beigewohnt hat, um nun verlässliche Aussagen zu tätigen. Zunächst lässt sich fehlendes Fachwissen als Einflussfaktor auf die Produktion der Erklärung ausmachen. Zwar dürfen die mit Hilfe des Fachwissenstests erhobene Sachkompetenz und die im Schreibprodukt geforderten fachsprachlichen Fähigkeiten und fachlichen Kompetenzen keineswegs gleichgesetzt wer-

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den, doch weisen beide Instrumente darauf hin, dass die Schüler*innen nicht über ausreichende Fähigkeiten zum Verfassen einer historischen Erklärung verfügen. Obwohl beide Schüler*innen, gemessen am Durchschnitt der Stichprobe, über sprachlich überdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen, gelingt es ihnen nicht, diese auf fachliche Zusammenhänge zu transferieren. In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle des historical reasoning deutlich. GEDFDd7d-06 gelangt in ihrer Erklärung nicht über das »Dabeisein« bei und Miterleben von historischen Ereignissen als Grund für das Anstellen von Vermutungen über die Vergangenheit hinaus. Für sie stellt es sich somit herausfordernd dar, eine fachliche Erklärung zu produzieren. Da sich der Schülerin fachliche Zusammenhänge noch nicht erschlossen haben, gelingt es ihr trotz ihrer sprachlichen Fähigkeiten nicht, eine historische Erklärung zu verfassen. Diese Erkenntnisse verdeutlichen zweierlei: Erstens müssen Lernende zunächst fachliches Wissen und Kompetenzen erwerben, ehe es ihnen gelingt, fachliche Sprachhandlungen umzusetzen. Darüber hinaus ist jedoch, zweitens, anzunehmen, dass Schüler*innen auch in die Lage versetzt werden müssen, ihre sprachlichen Fähigkeiten fachbezogen einzusetzen. Aus diesem Grund darf sich die Rolle des Fachunterrichts nicht nur auf die Vermittlung der in verschiedenen Modellen benannten fachlichen Kompetenzen beschränken, sondern muss auch den Erwerb fachsprachlicher Fähigkeiten anleiten und unterstützen. Code Aufgabe

GEDFDd7d-16 GEKHKo8f-04 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt weil man nicht wusste ob es kam

Da man selbst Ja nicht weiß wie die Menschen früher waren wie sie gedacht haben oder vermutungen stellten Tabelle 27: Gruppe IV – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

GEDFDd7d-16 (Gr. IV) gelingt es in der ersten Erhebung nicht, eine Erklärung zu der Frage, warum über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden können, zu verfassen (Score: 15 %). Eine Textstruktur ist nicht zu erkennen, eingeführt wird die Assertion alltagssprachlich mit »weil«. Auch der Sinn der Aussage ist kaum nachzuvollziehen, da weder zur Fragestellung noch zum vorliegenden Material Bezüge hergestellt werden. Der Erklärungsversuch wurde unpersönlich formuliert, offen bleibt jedoch, auf wen die Man-Form Bezug nimmt und auch, wer oder was »kam«. Es handelt sich somit nicht um eine Erklärung, sondern allenfalls um einen gescheiterten Erklärungsversuch. Ohne ein Konzept der Sprachhandlung ist der Schüler demzufolge nicht in der Lage, eine fachliche Erklärung zu produzieren. Auch die von GEKHKo8f-04 realisierte Erklärung ist unvollständig und eher alltagssprachlich verfasst (35 %). Textrahmende Elemente, die zur Leserorien-

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

tierung genutzt werden können, fehlen. Stattdessen beginnt die Erklärung unmittelbar mit der Konjunktion »da«, an die Gründe für das Aufstellen von Vermutungen über die Vergangenheit angeschlossen werden. Neben dem Beginn der Erklärung, der auf einen Einleitungssatz verzichtet, unterstreicht auch das eingeschobene »ja« den alltagssprachlichen Charakter des Textprodukts. Anders als zahlreiche andere Proband*innen führt GEKHKo8f-04 nicht das persönliche »Dabeisein« bei historischen Ereignissen als Grund an, sondern das Unvermögen, Zeitgenoss*innen im Hinblick auf die korrekte Weitergabe von Informationen, ihrer Einstellung zu Erlebtem und dem Prozess ihrer Urteilsbildung einzuschätzen. Indirekt nimmt er damit auf die Glaubwürdigkeit von Quellen und den Aspekt der Multiperspektivität Bezug. Orientiert an dem von Lee/Dickinson/Ashby (2001, S. 113) entwickelten Modell zu Schüler*innenvorstellungen von historischen Erklärungen, lässt sich das Schreibprodukt der zweiten Stufe zuordnen. Die Autoren beschreiben, dass vergangenes Handeln für Lernende auf dieser Stufe uneinsichtig erscheine, da Zeitgenoss*innen als »dümmlich«, also nicht so klug wie wir, betrachtet werden und darum nicht in der Lage scheinen, Ereignisse glaubhaft darzustellen (Vgl. auch: Borries 2011, S. 121). Anders als die Fachnote des Schülers spiegeln sowohl das Resultat des Fachwissenstest als auch die Überlegungen, die dem Erklärungsversuch zu Grunde liegen, basale Fähigkeiten des historical reasoning wider. Deutlich wird, dass allein die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler nicht ausreichen, um fachliche Erklärungen zu realisieren. Das Ergebnis spricht vielmehr für die verbundene Vermittlung von sprachlichen und fachlichen Fähigkeiten, um fachliche Sprachhandlungsfähigkeit auszubilden. Code Aufgabe

GEKHKo8f-08 GEKHKo8c-04 GEKHKo8c-09 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Es können nur VermuWeil Lukian findet Weil sie erstens nicht tungen angestellt weres wichtig das Man dabei waren und zweitens den, weil jeder seine ei- Schlauheit und werden in den Texten Stärke besitzt. selbs gründe aufführt gene meinung hat und daran zu zweifeln. jeder es auf seine art und weise richtig findet. Tabelle 28: Gruppe V – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

GEKHKo8f-08 führt die Multiperspektivität von Quellen, die zum Erschließen eines historischen Sachverhalts berücksichtigt werden müssen, als zentralen Grund in ihrer Erklärung an. Das Textprodukt ist kurz, die Schülerin versucht jedoch, es leserorientiert zu verfassen. So formuliert sie beispielsweise eine kurze Einleitung, in der sie den leitenden Sachverhalt der Aufgabestellung, das Entwickeln von Vermutungen über vergangene Ereignisse, aufgreift. Neben dem kausalen »weil« strukturiert sie die Beschreibung durch die nebenordnende

Erklären

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Konjunktion »und«. Tempus und Zeitform werden der Sprachhandlung entsprechend umgesetzt, sodass die Schülerin in der kategoriengestützten Auswertung rund 45 % des möglichen Gesamtscores erreicht. Die grundlegende Annahme, dass die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen zeitgenössischen Meinungen zu verschiedenen Deutungen der Vergangenheit führen können, die alle als »richtig« betrachtet werden können und deshalb zwischen Historiker*innen häufig keine Einigkeit besteht, ist als triftig zu betrachten. Mit ihrem Text erreicht sie somit die vierte bzw. fünfte Ebene, die Lee/Ashby (2000) in ihrem Modell zur Vorstellung von Schüler*innen über das Verhältnis von Vergangenheit und historischen Darstellungen umreißen. Unklar bleibt in der Erklärung, worauf sich das Pronomen »es« bezieht und was »auf seine art und weise richtig« bedeuten soll. Der Erklärungsversuch, den GEKHKo8c-04 unternimmt, bezieht sich hingegen nicht auf die Fragestellung. Die sprachliche Handlung kann nicht als Erklärung gewertet werden, da die Assertion nicht das vorausgesetzte Verstehensdefizit beseitigt. Zudem beginnt der Erklärungsversuch ohne einen Einleitungssatz und bietet auch darüber hinaus keine leserorientierten oder kohärenzsstiftenden sprachlichen Mittel an. Tempus und Unpersönlichkeit sind nicht korrekt realisiert. Insgesamt gelingt es der Schülerin nicht, eine Erklärung zu realisieren (Score: 10 %). Eine Einleitung in die Erklärung von GEKHKo8c-09 ist nur unvollständig vorhanden. Das Textprodukt beginnt alltagssprachlich mit »weil«. Auch ein Fazit fehlt. Insgesamt ist die Erklärung knapp, aber inhaltlich vollständig verfasst. Als Gründe zieht die Schülerin, wie viele weitere Proband*innen der Stichprobe, zunächst das »Dabeisein« und Miterleben eines historischen Ereignisses in Betracht und befindet sich damit auf der zweiten Ebene in dem von Lee/Ashby (2000) entwickelten Modell. Darüber hinaus geht sie quellenkritisch vor, indem sie anmerkt »in den Texten selbs [würden] gründe aufgeführt daran zu zweifeln«. Wie genau diese Gründe bestimmt sind, führt sie allerdings nicht aus. Genannt werden könnte beispielsweise der zeitliche Abstand zwischen Herodots Griechenlandreise und dem Bau der Pyramiden, die Schwachstellen der Theorien und ihre Unterschiede zu der von Herodot beschriebenen Bauweise sowie der Umstand, dass auch dem Geschichtsschreiber nur erzählt wurde, wie die Pyramiden erbaut wurden. Sprachlich werden die Gründe durch »erstens« und »zweitens« voneinander abgegrenzt. Eine weitere Leserlenkung durch sprachliche Mittel erfolgt jedoch nicht. Es lässt sich somit festhalten, dass die Schülerin Gründe für die Annahme, über historische Ereignisse könnten nur Vermutungen angestellt werden, anführt, das Textprodukt sprachlich jedoch nur unzureichend eine Erklärung abbildet, da textstrukturelle Merkmale nicht umgesetzt wurden. Das Ergebnis der qualitativen Analyse spiegelt sich auch in der quantitativen Auswertung des Textprodukts, in dem die Schülerin 40 % des Gesamtscores erreicht

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

hat. Auffällig ist, dass die Schülerin trotz des präzisen Konzepts nicht in der Lage ist, alle sprachlichen und fachlichen Anforderungen der Sprachhandlung umzusetzen. Die Schreibprodukte von GEKHKo8c-09 und GEKHKo8f-08 sprechen dafür, dass sie über grundlegende Fähigkeiten in der Auseinandersetzung mit historischen Sachverhalten verfügen und ihre fachlichen Kenntnisse in Schreibprodukten zum Ausdruck bringen können. GEKHKo8c-04, die über ein weniger spezifisches Musterwissen und ein vergleichsweise undifferenziertes Konzept der Sprachhandlung verfügt, gelingt es nicht, den Prototyp einer Erklärung aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen, wie das Schreibprodukt vermuten lässt. Sie scheitert an der Herausforderung, Beschreibung und Erklärung genau zu unterscheiden. Obwohl es sich um eine fachlich sehr gute Schülerin handelt, können sich aus diesem Umstand Schwierigkeiten bei der Bearbeitung operatorengestützter Schreibaufgaben ergeben, da die Schülerin Anforderungen der Aufgabe nicht eindeutig identifizieren kann. Anzunehmen ist, dass der Aufbau eines Konzepts der Sprachhandlung im Rahmen der textsortenbasierten Schreibförderung zu einer Verbesserung der Schreibleistung der Schülerin führen kann. Zwischenhalt Die Schüler*innen der ersten Gruppe sind nicht in der Lage, die Schreibaufgabe zu realisieren. Ihnen fehlen fachliche und sprachliche Fähigkeiten zum Vollzug der Sprachhandlung. Außerdem lässt sich das Ausbleiben der Aufgabenbearbeitung auf das geringe fachliche Selbstkonzept der Schüler*innen zurückführen. Den Lernenden der zweiten Gruppe gelingt es, eine Erklärung zu verfassen. Es ist anzunehmen, dass sie über ausgeprägtere fachsprachliche Fähigkeiten verfügen als die Verbalisierung deklarativen Sprachhandlungswissens vermuten lässt. Ihre fachlichen Fähigkeiten versetzen sie in die Lage, historische Erklärungen anzufertigen. Den Schüler der dritten Gruppe, die über weniger ausgeprägte fachliche Fähigkeiten, dafür überdurchschnittliche sprachliche Fähigkeiten verfügen, gelingt es hingegen nicht, überzeugende Schreibprodukte zu verfassen. Sprachliche Fähigkeiten allein reichen dementsprechend nicht aus, um operatorengestützte Schreibaufgaben im Fachunterricht erfolgreich zu bearbeiten. Bei der Betrachtung der Schüler*innen mit fachlich und sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten wird darüber hinaus deutlich, dass Musterwissen zur Realisierung von Schreibaufgaben im Fach explizit vermittelt werden muss. Zur erfolgreichen Bearbeitung von Schreibaufgaben müssen Lernende sprachliche und fachliche Fähigkeiten verbinden, indem sie sprachliche Handlungsmuster konstruieren, festigen und im Schreibprozess aus dem Langzeitgedächtnis abrufen.

Erklären

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5.4.5 Entwicklung der Konzepte durch die Intervention Auch im zweiten Interview betonen die befragten Schüler*innen der ersten Gruppe die Rolle ihres Selbstkonzepts für das Anfertigen von Erklärungen (Vgl. GEDFDd7d-02, Pos. 20-22). Es verdichtet sich die Annahme, dass das Erklären anders als das Beschreiben an eine bestimmte Fähigkeit gebunden ist. Während sich die Beschreibung auf einen konkreten Gegenstand bezieht, muss beim Erklären mehr »aus dem Kopf« gehandelt werden, um den Rezipienten beispielsweise den Vollzug bestimmter Tätigkeiten transparent zu machen. Das Erklärungen fachspezifische Sprachhandlungen darstellen, verdeutlicht GEDFDd7d02 ebenfalls durch den Verweis auf ihre eigenen Fähigkeiten (Vgl. Pos. 26). Auch für das Erklären lassen sich die kognitiven Fähigkeiten der Schüler*innen damit, angelehnt an das entwicklungspsychologische Modell von Piaget, als zentraler Einflussfaktor auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit charakterisieren. Da sich die Lernenden kognitiv erst (maximal) auf dem konkret-operationalen Niveau befinden, sind sie nicht in der Lage, ein Konzept historischer Erklärungen zu erstellen oder anzuwenden. Anders als im ersten Interview verweist GEDFDd7d-02 bei der Bearbeitung der Beispielaufgabe nun implizit auf die Nennung von Gründen. Die Veränderung im Antwortverhalten kann auf die Intervention zurückgeführt werden, in Erklärungen, die sich auf das Anführen von Gründen, Ursachen und Folgen beschränken, besonders in den Blick genommen wurden. Vor diesem Hintergrund gelingt es der Schülerin eigenständig eine Anbindung an den GL-Unterricht herzustellen (Vgl. Pos. 20). Auffällig ist, dass die Schülerin eine neue Position zur medialen Umsetzung der sprachlichen Handlung bezieht. Verweisen sowohl ihre Äußerungen im ersten Interview als auch die Ausführungen zum Beschreiben vor allem auf Mündlichkeit, gibt sie nun an, Erklärungen »lieber schriftlich« zu vollziehen, denn »wenn [sie] zum Beispiel etwas Falsches aufschreibe, dann [könne sie] das ja wieder wegradieren und neu hinschreiben« (Pos. 30). Unter Berücksichtigung der Einschätzung ihrer Fähigkeiten zum Erklären, lässt sich dem schriftlichen Verfassen der Sprachhandlung somit eine epistemische Funktion zuschreiben. Das Wirkvermögen einer fachlichen Schreibförderung geht aus den Äußerungen, die GEDFDd7d-02 nach Abschluss der Intervention tätigt, hervor. Zwar lassen sich nur leichte Veränderungen feststellen, jedoch verdeutlichen diese die Bedeutung fachsprachlichen Lernens. Sie ist in der Lage, das Anführen von Gründen als wesentliches Element fachlicher Erklärungen zu identifizieren und schreibt dem schriftlichen Erklären eine epistemische Funktion zu. Durch die Entwicklung des Sprachhandlungswissens ist sie schließlich in der Lage, ein knappes Textprodukt zu verfassen (s. u.). Wenngleich kein conceptual change

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

nachzuweisen ist, wird das Potenzial der fachlichen Schreibförderung für die Schüler*innen der ersten Gruppe sichtbar. In der zweiten Befragung gelingt es GEHGDu7b-06 (Gr. II) die Struktur einer Erklärung zu skizzieren und Beschreibung und Erklärung deutlicher voneinander abzugrenzen. Ähnlich wie beim Beschreiben müsse beim Erklären zunächst auf das Material, also »Bild und Seite« verwiesen werden. Darüber hinaus sei die Erklärung in Einleitung, Hauptteil und Schluss gegliedert (Pos. 32). Diese basale Gliederung entspricht der in der Intervention vermittelten Struktur der Textsorte, sodass an dieser Stelle von einem Lernzuwachs und der Ausdifferenzierung des Konzepts der Sprachhandlung ausgehen lässt. Wie auch beim Beschreiben erweist sich die Schreibförderung im Hinblick auf das Erklären für den Schüler mit fachlich über- und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten damit als wirkungsvoll. Betrachtet man die Äußerungen des zweiten Interviews mit GEKHKo8f-16 (Gr. III), so lassen sich einige deutliche Entwicklungen feststellen. Sie ist nun in der Lage, Zweck und grundlegende Überlegungen zur Umsetzung der Sprachhandlung zu verbalisieren (Vgl. Pos. 32, 43). Es wird deutlich, dass die Schülerin ein basales Konzept der Sprachhandlung erwerben konnte. Mit dem Gesellschaftslehreunterricht verbindet sie vor allem Aufgaben, die eine Erklärung verlangen. Als Beispiel führt sie den Arbeitsauftrag »Erkläre die Aufgabe des – wie zum Beispiel des Kaisers« (Pos. 37) und ergänzt, dass »Themen vom Mittelalter und halt auch Aufgaben zum Kaiser und Bauern und so« im Fach häufig thematisiert würden. Möglicherweise erinnert sie sich hier an Aufgaben, die im Rahmen der Intervention behandelt und in denen Bezüge zum Kaiser und anderen Bevölkerungsschichten hergestellt wurde. Auch im Interview mit der zweiten Schülerin der dritten Gruppe lassen sich einige Veränderungen feststellen. GEDFDd7d-06 ist nun der Überzeugung, dass vor allem die eigene Meinung erklärt werden könne (Vgl. Pos. 26), wobei sie auf die Schreibaufgabe bezogen formuliert »da musste man ja auch seine Meinung erklären gerade« (Pos. 28). Anzunehmen ist, dass die Schülerin die sprachlichen Handlungen Erklären und Begründen synonym verwendet. Da das Interview keine Fragen zum Begründen umfasst, kann dieser Annahme allerdings nicht weiter nachgegangen werden. Eine hohe Überscheidung zeigt sich allerdings auch zum Beschreiben. Nicht nur das im Frageblock zum Beschreiben angeführte, alltagssprachliche Beispiel, das vielmehr Erklärungen als Beschreibungen abbildet (Vgl. Pos. 10), sondern auch die unmittelbar zum Einstieg in den dritten Frageblock geäußerte Überlegung Erklären sei »eigentlich wie Beschreiben« (Pos. 26), stellen die Gemeinsamkeiten der Sprachhandlung aus Sicht der Befragten deutlich heraus. In ihren weiteren Ausführungen zur Frage »Was bedeutet Erklären für dich?« ist zu entnehmen, dass sie das Erklären vor allem als alltagssprachliche Handlung

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versteht. »Man erklärt eigentlich vieles im Alltag« (Pos. 28) nimmt sie an. Die Aussage der Schülerin steht im Gegensatz zu der Bezeichnung der Schule als »Erklär-Institution« (Vgl. Schmölzer-Eibinger/Fanta 2014), denn gerade die Erklärung komplexer Sachverhalte, die über das Nachvollziehbarmachen von Aufgabenstellungen hinausgehen, werden von GEDFDd7d-06 nicht benannt. Umso überraschender ist es, dass die Schülerin im Folgenden explizit auf Schriftlichkeit verweist. Zwar erfordern die dargestellten Situationen keine schriftlichen Erklärungen, doch antwortet sie deutlich: »Ich schreibe die eher auf« (Pos. 40) und empfiehlt auch dem fiktiven Mitschüler die Aufgabe schriftlich zu lösen, denn »dann würde er vielleicht auch auf seine eigenen Gedanken kommen« (Pos. 50). Das Schreiben einer Erklärung hat für die Schülerin wohl durchaus epistemische Funktion, wie sie länger ausführt: »Weil, wenn man halt zum Beispiel etwas falsch geschrieben hat, dann kann man […] es ja später, kann man nochmal kontrollieren und wenn man es ja mündlich sagt, dann kann man sich halt nicht verbessern. Wenn wir zum Beispiel jetzt, bei einer ganz, bei einem ganz anderen Schritt sind, dann kann man […], dann fallen ja eigentlich eher der Person eher andere Sachen vor, ein. Und, ja und so kann man sich halt eigentlich dann nicht mehr verbessern, wenn man es zum Beispiel nicht so gemeint hat oder so.« (Pos. 44)

Neben der Möglichkeit, Korrekturen am Schreibprodukt vorzunehmen, verweist sie auf die erkenntnisgenerierende Funktion des Schreibens, die erlaubt, bei »einem ganz anderen Schritt« neue Einsichten zu bereits formulierten Erkenntnissen zu gewinnen und diese im Text zu ergänzen. Da die Frage zur Medialität einer Erklärung im Prä-Test nicht gestellt wurde, lässt sich nicht nachvollziehen, inwiefern diese Überlegungen sich erst aus der Intervention, in deren Rahmen die Schüler*innen vermehrt schriftliche Erklärungen produziert haben, entwickelt haben. Da das Textprodukt in der ersten Erhebung der Schreibaufgaben jedoch sehr kurz ausgefallen ist, ist anzunehmen, dass die Schülerin sich zumindest bei der Aufgabenbearbeitung selbst nicht über die epistemische Funktion des Schreibens bewusst gewesen ist. Die Analysen der Interviews, die nach Abschluss der Intervention durchgeführt wurden, zeigen, dass sich die Konzepte der Schüler*innen zur Sprachhandlung Erklären deutlich ausdifferenziert und gefestigt haben. Durch die Hervorhebung des Zwecks der Sprachhandlung im Rahmen der Textsorte Historisches Sachurteil und daran angeschlossen, die Vermittlung sprachlicher Mittel, die zur Realisierung einer Erklärung zweckbezogen umgesetzt werden müssen, gelingt es den Schüler*innen, ein basales fachliches Konzept zu entwickeln. Angenommen werden kann darüber hinaus, dass das vergleichsweise geringe Interesse der Schülerin GEKHKo8f-16 am Fach Gesellschaftslehre, das

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

mit Hilfe des Fragebogens zu Interesse und Motivation erhoben wurde, Einfluss auf den Erfolg der Schreibförderung nimmt. Veränderungen des Konzepts im Laufe der Intervention sind in der abschließenden Befragung von GEDFDd7d-16 (Gr. IV) kaum festzustellen. Zwar gelingt es ihm nun, den Gegenstand der Sprachhandlung genauer zu fassen, Teilschritte, die vollzogen werden müssen, werden allerdings weiterhin nicht benannt. GEKHKo8f-04 betont in der zweiten Befragung, Beschreiben und Erklären sei »das gleiche eigentlich« (Pos. 6; Pos. 67f). Weiterhin fällt es dem Schüler schwer, das Konzept der Sprachhandlung zu verbalisieren. Gefragt nach der Bedeutung des Operators antwortet er erst »keine Ahnung« (Pos. 40), verweist bei weiterer Nachfrage dann noch auf »die Aufgabe. Was man machen muss« (Pos. 44), ohne jedoch konkrete Teilschritte zu benennen (Vgl. Pos. 45). Auch die Bearbeitung der exemplarischen Erkläre-Aufgabe bleibt weiterhin auf das kurze Anreißen von Hypothesen beschränkt (Vgl. Pos. 62). Bewusst gibt er zu, sich bei Erklärungen im Gesellschaftslehreunterricht zurückzuhalten (»Ja, aber ich melde mich da nicht«, Pos. 42), wodurch die Benotung mit »ausreichend« im Fach zum Teil erklärt werden dürfte. Trotz der durchgeführten Schreibförderung verfügt GEDFDd7d-16 weder im Vorfeld noch nach Abschluss der Förderung über ein Konzept zur fachlichen Sprachhandlung. Obwohl er in der zweiten Befragung Gegenstand und Zwecke genauer benennen kann, gelingt es ihm nicht, Elemente der Sprachhandlung zu beschreiben. Die Weiterentwicklung des fachlichen Sprachhandlungswissens im Sinne eines conceptual change kann deshalb nicht angenommen werden. Eine Besonderheit, die aus den Interviews mit den Schülern der Gruppe herausgearbeitet wurde, ist das Aufstellen von Hypothesen, mit denen fachliche Wissenslücken gefüllt werden. Anders als die Schüler*innen mit geringeren sprachlichen Fähigkeiten sind die vorgestellten Lernenden sprachlich in der Lage, Thesen aufzustellen. Zudem gelingt es ihnen die vorhandenen Leerstellen in ihrem Fachwissen zu füllen, um einen Erklärungsversuch zu entwerfen. Dieser Umstand bietet einen Anknüpfungspunkt, der zur Entwicklung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit genutzt werden kann, beispielsweise in dem Vermutungen im Rahmen einer Sachanalyse gezielt in fundierte Einsichten zu einem historischen Sachverhalt umgewandelt und diese anschließend in die Erklärungen einbezogen werden. Dass GEKHKo8f-08 (Gr. V) über ein gefestigtes Konzept der Sprachhandlung verfügt, zeigt sich auch im zweiten Interview. Erneut rückt sie die Erklärung von fachlichen Sachverhalten und Funktionen (Vgl. Pos. 30, 40) in den Vordergrund. In diesen Überlegungen lassen sich deutliche Parallelen zum ersten Interview aufzeigen. Auch die Nennung von Gründen und Teilschritten bleibt konsistent. Während die Schülerin im ersten Interview allerdings eine Vielzahl weiterer

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Erklären

Elemente der Sprachhandlung beschrieben hat, bezieht sie in die exemplarische Erklärung, die abermals gefordert ist, lediglich Beispiele ein, die die zentralen Gründe weiter illustrieren sollen (Vgl. Pos. 38). Den Schutz, den die Burg bietet, illustriert sie durch das »[A]ufpassen aufeinander« und die Sicherheit hinter den Mauern der Burg (Pos. 38). Auch die Unterscheidung der Medialität, die die Schülerin von Komplexität und situativem Kontext der Aufgabenstellung abhängig macht, bleibt konsistent (Vgl. Pos. 20, 30). Eine Weiterentwicklung des Konzepts auf der Ebene deklarativen Wissens lässt sich dementsprechend nicht nachweisen. Zwischenhalt Für die Schüler*innen mit fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Fähigkeiten ist das Potenzial einer fachlichen Schreibförderung nach dem textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus hervorgehoben worden. Ein conceptual change konnte hingegen nicht nachgewiesen werden. Möglicherweise reichen die kognitiven Fähigkeiten der Lernenden nicht aus, um diesen zu vollziehen und ein fachliches Konzept aufzubauen. Für die Schüler*innen der zweiten und dritten Gruppe erweist sich die Intervention als wirkungsvoll. Sie sind in der Lage, ihr fachliches Sprachhandlungswissen weiterzuentwickeln und auszudifferenzieren. Im Hinblick auf die Schüler*innen der vierten und fünften Gruppe, die über weiter entwickelte fachliche und sprachliche Fähigkeiten verfügen, lässt sich keine Entwicklung nachweisen. Möglicherweise betrachten sie ihre eigenen, alltagssprachlichen Konzepte als ausreichend, um operatorengestützte Aufgabenstellungen zu bearbeiten. So bleibt die Motivation, das Sprachhandlungswissen weiterzuentwickeln zu gering, um neue Bestandteile in das Konzept zu integrieren und einen conceptual change zu vollziehen.

5.4.6 Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit durch die Intervention Code Aufgabe

GEDFDd7d-02 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt weil mann nicht genau weiß wie etwas wirklich ist, Tabelle 29: Gruppe I – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Die Zweifel an den eigenen Fähigkeiten beim Erklären, die die Schülerin GEDFDd7d-02 (Gr. I) äußert, spiegeln sich in der Bearbeitung der Schreibaufgabe wider. Die Aufgabenbearbeitung fällt sehr knapp aus (6 Punkte/30 %). Eine Textrahmung ist nicht vorhanden, auch inhaltlich wird der Leser nicht in die

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Erklärung eingeführt. Es wird weder deutlich, wer »mann« ist, noch welcher Sachverhalt mit »etwas« bezeichnet werden soll. Die Erklärung bleibt somit ohne kontextuelle Anbindung. Der Einstieg erfolgt mit der kausalen Konjunktion »weil«, um unmittelbar einen Grund anzuschließen. Eine weitere Strukturierung der sprachlichen Handlung ist, bedingt durch die Kürze des Textes, nicht erkennbar. Die Fragestellung wird durch sich selbst beantwortet. Zudem lässt sich aus der kurzen Überlegung die Annahme ableiten, man müsse »etwas« nur genau genug wissen, um zu sagen, wie es in der Vergangenheit war. Lee/Ashby (2000, S. 212) halten diese Ebene der Wahrnehmung von Geschichte in ihrem Entwicklungsmodell als erste Stufe fest, in der Lernende die Vergangenheit als gegeben und somit als gleichbedeutend mit der Wirklichkeit betrachten (Vgl. auch: Lee/Dickinson/Ashby 2001). Möglicherweise gelingt ihr die Bearbeitung der Beispielaufgabe im Interview besser, da es Lernenden in der Regel leichter fällt, individuelle Motive von Handelnden zu begreifen als abstrakte bzw. institutionelle Gegebenheiten, wie sie in der schriftlich zu lösenden Aufgabe zu bearbeiten sind (Borries 2002b, S. 121). Anhand des Textprodukts erweist es sich jedoch als fraglich, ob die Schülerin das konkret-operationale Stadium der kognitiven Entwicklung überhaupt erreicht hat, oder aber ob sie sich vielmehr dem präoperationalen Stadium zuordnen lässt. Hier wären tiefergehende Befragungen und Analysen notwendig. Sofern die Hypothese sich jedoch als zutreffend erwiese, wäre die Schülerin im Hinblick auf ihre kognitive Entwicklung nicht in der Lage, historische Denkprozesse, die beim Beschreiben und Erklären vollzogen werden müssen, zu realisieren. Code Aufgabe

GEHGDu7b-06 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Weil es nie Quellen gab deswegen Streiten sich forscher heutzutagen welch Theorie (Vermutung) richtig oder falsch ist immer noch welch Vermutung (Theorie) richtig oder wahr ist. Streiten sich forscher heutzutage welche Vermutung (Theorie) Wahr oder falsch eine Lüge ist. Tabelle 30: Gruppe II – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Die Erklärung im Post-Test beginnt GEHGDu7b-06 (Gr. II) mit einem Einleitungssatz, der nur teilweise und invasiv formuliert vorhanden ist und den Grund des »Streites« zwischen den Historiker*innen vorwegnimmt. Eingeleitet wird mit der Konjunktion »weil«, der Grund wird zusätzlich durch »deswegen« hervorgehoben. Eine weitere sprachliche Textkohäsion wird jedoch nicht hergestellt. Die Sätze sind sehr ähnlich formuliert, weisen aber auf unterschiedliche Aspekte, nämlich die Ursache für den »Streit« und die Konsequenz, dass einige Vermutungen wahr und andere »eine Lüge« sind, hin. Anders als im Prä-Test formuliert der Schüler kein Fazit. Eine abschließende Schlussfolgerung ergibt sich zwar aus

Erklären

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dem Textprodukt, wird jedoch nicht in einem eigenständigen Satz ausformuliert. Anzunehmen ist, dass es dem Schüler besser gelingt, seine Erklärung anhand eines konkreten Beispiels aufzubauen als am komplexen Sachverhalt der Quellenkritik. Dennoch ist er in der Lage, den Grund für die Frage, warum über vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden können, mit dem Mangel an Quellen zu reproduzieren und diesen darüber hinaus, durch den Verweis auf den »Streit« der Forscher*innen, zu kontextualisieren. Auffällig ist, dass die Quellen nicht als nicht überliefert oder einsehbar betrachtet werden, sondern schlicht als nicht existent (»weil es nie Quellen gab«), was auf den Bau der Pyramiden durchaus zutreffen kann. Der »Streit« der Forscher*innen über ihre Theorien scheint traditionell hergebracht, wie die Formulierung »immer noch« zeigt. Es handelt sich also um einen fortgeführten Diskurs, der bis »heutzutage« andauert. Wie auch im ersten Textprodukt zeigt sich hier, dass der Schüler auf der Suche nach einer objektiven Wahrheit ist. Folgert er im Prä-Test, dass keiner der Zeitgenoss*innen »Recht« habe, so schließt er nun mit dem Gedanken, es könne nicht herausgestellt werden, welche Vermutungen »wahr« und welche »eine Lüge« seien. Erneut lässt dies eine Anbindung an das von Lee/Ashby (2000) entworfene Modell zu. Die Zuordnung zur vierten Ebene, in der Lernende die Vergangenheit als in tendenziöser und ggf. verzerrter Weise berichtet betrachten, bleibt von Prä- zu Post-Test konstant. Der Schüler verdeutlicht abermals, dass die Vermutungen nicht nur auf einen Mangel an Informationen zurückzuführen sind, sondern auch durch die Verzerrungen, die z. B. durch Lügen entstehen, beeinflusst werden. Weiterhin zeigt sich, insbesondere in den durchgestrichenen Formulierungen, dass GEHGDu7b-06 sich nicht schlüssig ist, welche Wortwahl die angemessenste ist. Zunächst wählt er die Gegenüberstellung »richtig oder falsch«, die er anschließend in »richtig oder wahr« korrigiert. Auch diese Formulierung verwirft er jedoch zu Gunsten von »Wahr oder falsch« und schließlich zu »Wahr oder eine Lüge«. Der Aushandlungsprozess zeigt, dass der Schüler davon ausgeht, dass die Theorie nicht von vornherein »falsch« oder »unwahr« sein kann, sondern mit der Interpretation der Quellen durch die Historiker*innen verbunden sein muss. Da sich dennoch unterschiedliche Theorien über historische Sachverhalte, wie z. B. den Bau der Pyramiden, ergeben, muss eine Theorie gelogen sein. Einschränkungen in der Textqualität ergeben sich aus dem fehlenden Musterwissen und mangelnden sprachlichen Fähigkeiten. Das Beispiel des Schülers GEHGDu7b-06 zeigt, dass sich die fachliche Schreibförderung als besonders gewinnbringend erweist. Wenngleich keine Veränderungen im deskriptiven Wissen festzustellen sind, so zeigt sich doch eine Verbesserung der Textqualität, die auf einen Zuwachs an prozeduralem Sprachhandlungswissen schließen lässt.

224 Code Aufgabe

Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

GEDFDd7d-06 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Da wir jetzt in der heutigen Zeit leben und wir lebten im Mittelalter garnicht also können wir nicht genau Erzählen oder Erklären was passierte da das sehr lange her ist. Tabelle 31: Gruppe III – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Das Konzept, welches GEDFDd7d-06 entwickelt hat, spiegelt sich nur bedingt in der Erkläre-Aufgabe wider. Mit dem knappen Textprodukt erreicht sie einen prozentualen Gesamtscore von 45 %; in der kategoriengestützten Auswertung ist somit eine leichte Verbesserung festzustellen. Die Erklärung umfasst abermals nur einen Satz und wird erneut, wie in alltagssprachlichen Zusammenhängen üblich, unmittelbar mit einer Konjunktion eingeleitet. Die Erklärung wird kausal strukturiert. Das »Dabeisein« wird, wie auch in der ersten Erhebung, als zentraler Grund für die Erklärung angeführt. Außerdem wird auf die zeitliche Distanz (»da das sehr lange her ist«) zu den Ereignissen Bezug genommen. Stellvertretend für die lange zurückliegende Vergangenheit wird, wenngleich hier ohne thematische Anbindung an das Material oder die Fragestellung, das Mittelalter betrachtet, das als differente Bezugsgröße zur Gegenwart skizziert wird. Weil wir nicht zu dieser Zeit leben, ist es uns nur möglich, darüber Vermutungen aufzustellen und nicht, Fakten zu benennen. Die Verwendung der persönlichen Form (»wir«) unterstreicht, dass auch Berichte anderer nicht als tragfähig wahrgenommen werden, um Aussagen über die Vergangenheit zu tätigen. Die graduierende Formulierung »nicht genau« zeigt jedoch, dass eine ungefähre Vorstellung von der Vergangenheit auch ohne das Miterleben konstruiert werden kann. Der angeführte Grund wird als nicht triftig betrachtet, die Überlegungen zum zeitlichen Abstand der historischen Ereignisse sowie das einschränkende »nicht genau« verdeutlichen allerdings, dass der Schülerin bewusst ist, dass die bloße Anwesenheit bei historischen Ereignissen nicht als einzig möglicher Grund für die Vermutungen betrachtet werden kann. Über den Erklärungsversuch hinausgehend ist auffällig, dass sie zwischen Erzählen und Erklären als zwei Formen historischer Darstellung differenziert. GEDFDd7d-06, die größeres Interesse an historischen Sachverhalten hat als GEKHKo8f-16, unternimmt im Post-Test einen Erklärungsversuch. Wenngleich das Textprodukt nicht als überzeugende Erklärung betrachtet werden kann, spiegelt es – ebenso wie das Interview – die Entwicklung ihrer fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit wider. Um die Schülerin in die Lage zu versetzen, operatorengestützte Schreibaufgaben im Fach Gesellschafslehre erfolgreich zu bewältigen, muss sie angeleitet werden, ihre sprachlichen Fähigkeiten fachbezogen einzusetzen. Neben dem Aufbau von Sprachhandlungs- und Textsortenwissen kann dies vor allem durch den Ausbau fachlicher Kompetenzen erfolgen.

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Erklären

Code Aufgabe

GEDFDd7d-16 GEKHKo8f-04 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt man konnte ja nicht wissen was passiert ist

1. Es gibt keine Beweisse außerdem gab es in der Zeit keine Teschnick wie Z:B: einen LKW zum Transportieren sodass es schweer ist zu sagen wie sie es gemacht haben. Tabelle 32: Gruppe IV – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Der Erklärungsversuch, den GEDFDd7d-16 (Gr. IV) im Post-Test unternimmt, kann ebenfalls als gescheitert betrachtet werden. Ein prozentualer Gesamtscore von 15 % (3 von 20 Punkten) zeigt, dass die Sprachhandlung nicht in erkennbarer Weise realisiert wurde. Ein Einleitungssatz und auch ein Fazit fehlen. Es wird weder deutlich, wer »man« ist, noch was »was« bezeichnet. Die Erklärung bleibt somit ohne kontextuelle Anbindung. Auch eine Textstruktur ist weder sprachlich noch inhaltlich abbildbar, da der Text lediglich eine einzelne Assertion darstellt. Angenommen werden kann, dass ein Mangel an exaktem Wissen über den Sachverhalt als Grund für die Vermutungen dargestellt werden soll. Zweifel an historischen Erzählungen werden damit durch die Zweifel selbst erklärt. Zu Grunde liegt hier wohl die Annahme, man müsse nur genug wissen, um darzustellen, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Im Textprodukt von GEKHKo8f-04 lässt sich eine leichte Verbesserung der fachsprachlichen Fähigkeiten nachweisen. Zwar fehlt erneut ein Einleitungssatz, doch beginnt die Erklärung nicht alltagssprachlich mit »weil« oder »dar« sondern, im Sinne einer Aufzählung, mit der vorangestellten »1.«, an die sich die Gründe anschließen. Inhaltlich bleibt die Erklärung sehr alltagsbezogen und eher ahistorisch, da fehlende Technik (»Z:B: einen LKW zum Transportieren«) zum Ausdifferenzieren der Gründe herangezogen wird. Allerdings wird deutlich, dass sich die Erklärung auf die zuvor, im Rahmen der Beschreibung herausgearbeiteten Schwachstellen der Theorien bezieht. Neben dem zentralen Grund, dass keine »Beweise« für ein historisches Ereignis vorliegen, werden die Schwachstellen der Quellen in die Erklärung eingebunden. Sprachlich wird die Textkohäsion durch die Konjunktion »außerdem« und das konsekutive »sodass« hergestellt. Zudem erfolgt die Textstrukturierung durch das Beispiel, welches mit »Z: B:« eingeleitet wird. Tempus und unpersönliche Form werden eingehalten, zudem gelingt es dem Schüler, sich durch die Formulierung »sodass es schweer ist zu sagen« reflexiv mit seinen Überlegungen auseinanderzusetzen. Nicht nur die quantitative Auswertung (65 %), sondern auch die qualitative Analyse des Textproduktes zeigt eine Verbesserung der Textqualität. Da GEDFDd7d-16 durchaus über die notwendigen fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten verfügt, um eine Erklärung zu verfassen, ist anzunehmen, dass ihm fachliches Sprachhandlungswissen fehlt. Darüber hinaus lassen sich Inter-

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

esse und Motivation als Einflussfaktoren auf die Schreibleistung ausmachen. Hier besteht die Vermutung, dass sein geringes Interesse am Fach Gesellschafslehre dazu führt, dass der Schüler schlichtweg keine Lust hat, die Aufgabe zu lösen oder seine fachlichen Schreibfähigkeiten weiterzuentwickeln. GEKHKo8f-04 steht fachlichen Lernprozessen motivierter gegenüber. Obwohl er weder im ersten noch im zweiten Interview in der Lage ist, deklaratives Wissen zur Sprachhandlung abzurufen, zeigt sich eine Verbesserung des Schreibprodukts. Aus diesem Grund kann von einem leichten Zuwachs an fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit ausgegangen werden. Da die Schüler ähnliche fachliche und sprachliche Voraussetzung in die Erhebung eingebracht haben, ist davon auszugehen, dass Interesse und Motivation zentrale Faktoren darstellen, die den Erfolg einer fachlichen Schreibförderung bedingen. Code Aufgabe

GEKHKo8f-08 Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich.

Textprodukt Da es vor langer Zeit geschar um genau zu sein 2500 Jahre v. Chr. kann man die vermutung nich durch Quellen belegen wenn es keine beweise oder irgend etwas gibt das es beweisen kann, kann man es nur als Theorien abstempeln können. Tabelle 33: Gruppe V – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Tatsächlich gelingt es GEKHKo8f-08 die in der Intervention eingeübten Merkmale einer fachlichen Erklärung im Post-Test umzusetzen. Die Entwicklungen lassen sich nicht nur am prozentual erreichten Score von 85 % nachweisen, sondern auch in der qualitativen Analyse des Textproduktes nachvollziehen. Die Einleitung in das Textprodukt ist eher narrativ als argumentativ gewählt, da durch die Formulierung »Da es vor langer Zeit geschar« zunächst ein sinnbildender Zugang geschaffen wird, der die zeitliche Dimension in den Vordergrund rückt. Dementsprechend lässt sich die Erklärung als narrative Erklärung (Vgl. Rüsen 1997) charakterisieren. Der Leser wird in das Textprodukt eingeführt und die folgenden Überlegungen angemessen kontextualisiert. Sehr präzise werden Gründe hergeleitet und auf den konkreten Sachverhalt, der im Material thematisiert wird, bezogen. GEKHKo8f-08 erreicht damit das transkonventionelle Niveau historischen Denkens, da sie die historischen Begriffe und Konzepte kritisch und reflektiert einsetzen kann (Vgl. Brauch/Heine/Bramann 2020, S. 149). Es lässt sich annehmen, dass sie auch im Hinblick auf ihre allgemeine kognitive Entwicklung (Vgl. die dargestellten Modelle von Piaget und Kohlberg) höher einzuschätzen ist als die zuvor vorgestellten Proband*innen der Stichprobe. Die Wenn-Dann-Konstruktion verleiht der Erklärung einen hypothetischen Charakter. Sollte es doch Quellen geben, die belegen können, wie die Pyramiden

Erklären

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erbaut wurden, so können die bisherigen Theorien also zu Gunsten von »Fakten« verworfen oder bestätigt werden. Wenngleich die Begriffe Quelle und Beweis von der Schülerin synonym gebraucht werden, so ist sie doch in der Lage herauszustellen, dass ohne Zeugnisse aus der Vergangenheit keine Aussagen über historische Ereignisse möglich sind. Das Beispiel des Pyramidenbaus, auf das die Schülerin Bezug nimmt, stützt diese Argumentation durchaus, da die verschiedenen Theorien erst durch einen Mangel an »Beweisen« für eine spezifische Bauweise entwickelt wurden. Durch die Hervorhebung des zeitlichen Abstands von über 4000 Jahren lässt sich die epistemische Funktion des Schreibprozesses hervorheben. Der zunächst dargelegte lange zeitliche Abstand wird durch die konkrete Datierung auf »2500 Jahre v. Chr.« nicht nur präzisiert, sondern erlaubt auch die Erkenntnis, dass es schier unmöglich scheint, den Bau der Pyramiden zu rekonstruieren. Das alltagssprachliche »abstempeln«, mit dem die Schülerin ihr Fazit, es könne nur Theorien über vergangene Ereignisse geben, schließt, ist zwar umgangssprachlich, konzeptionell aber angemessen. Sie unternimmt damit den Versuch herauszustellen, dass Überlegungen, die nicht auf Quellenanalysen basieren, stets den Charakter von Theorien beibehalten werden. Bei der Schülerin GEKHKo8f-08 zeigt sich eine deutliche Verbesserung der Textqualität von Prä- zu Post-Test. Zwar ist sie bereits in ihrem ersten Schreibprodukt in der Lage, sich reflexiv mit Geschichte auseinanderzusetzen und eine plausible Erklärung zu entwerfen, doch gelingt es ihr nicht, ihre Überlegungen sprachlich zu verfassen. Auch die Textstruktur ist im zweiten Schreibprodukt deutlicher erkennbar. Schließlich trägt auch die Strukturierung des Textes durch Konjunktionen zu einem Zuwachs der Textqualität bei. Wenngleich sich ihr Konzept der Sprachhandlung nicht weiterentwickelt hat, lässt sich eine Verbesserung der fachsprachlichen Fähigkeiten feststellen. Anzunehmen ist, dass die Schülerin die fachsprachliche Schreibförderung besonders nutzen konnte, da sie bereits im Vorfeld der Intervention über ein Konzept der Sprachhandlung verfügt hat. Neues Sprachhandlungswissen konnte sie in dieses Konzept integrieren und nach der Intervention in der Teilaufgabe umsetzen. Zwischenhalt Auch bei der Untersuchung der Schreibprodukte zeigt sich, dass die kognitiven Fähigkeiten der Schüler*innen der ersten Gruppe möglicherweise nicht ausreichen, um die Sprachhandlung zu vollziehen. Weder auf der Ebene deklarativen noch prozeduralen Wissens lässt sich ein Zuwachs an Sprachhandlungsfähigkeit nachweisen. Anders verhält es sich bei der zweiten Gruppe. Wie auch beim Beschreiben können die Lernenden mit fachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten ihre sprachliche Handlungsfähigkeit ausbauen. Fachliches Wissen und die Fähigkeiten des historical reasoning können damit als Voraussetzung für die Entwicklung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit charakterisiert werden. Dies

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

verdeutlicht die Analyse der Schreibprodukte der dritten Gruppe. Den Lernenden, die über fachlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten verfügen, profitieren weniger von der Intervention. Trotz ihrer sprachlichen Fähigkeiten gelingt es ihnen nicht, bessere Resultate in der Bearbeitung der Schreibaufgabe zu erzielen. Im Hinblick auf die vierte Gruppe zeigt sich eine Verbesserung der Textqualität. Anzunehmen ist ein Zuwachs an prozeduralem Wissen, wenngleich sich in den Interviews kein conceptual change gezeigt hat. Gleiches gilt für die Lernenden der fünften Gruppe. Auch hier lässt sich eine Verbesserung der Textqualität nachweisen. Wie auch beim Beschreiben ist damit von einer Wirkung der Intervention auf qualitativer Ebene auszugehen.

5.5

Fazit der qualitativen Erhebung

Chancen und Grenzen der Daten Vor der Zusammenfassung der Analyseergebnisse und der Herausarbeitung von didaktischen Implikationen für den Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht ist es entscheidend, zunächst die Chancen und Grenzen der qualitativen Betrachtung der Schüler*innendaten festzuhalten. Die betrachteten Schreibprodukte und Interviewbefragungen stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus der Stichprobe dar. Sie lassen lediglich begrenzte Aussagen über Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht an Gesamtschulen in Nordrhein-Westfalen zu. Zudem besuchen die befragten Proband*innen den Gesellschaftslehreunterricht, sodass die Ergebnisse nur bedingt auf Lernende im Geschichtsunterricht, z. B. an Gymnasien, übertragen werden können. Ziel und Anspruch der qualitativen Untersuchung ist es dementsprechend nicht, generalisierende Aussagen hervorzubringen. Zur empirischen Fundierung der herausgearbeiteten Ergebnisse wird im Rahmen dieser Arbeit eine quantitative Untersuchung der Schreibprodukte angeschlossen. Zur weiteren Herausarbeitung fachspezifischer Konzepte zum Beschreiben und Erklären müssten jedoch weitere Erhebungen, beispielsweise durch den Einsatz von Methoden wie dem »Lauten Denken« (Vgl. Konrad 2020), durchgeführt werden. Dennoch erlauben die Ergebnisse einige grundlegende Einsichten in die Entwicklung sprachlicher Konzepte im Gesellschaftslehreunterricht. Die Daten decken ein breites Spektrum der Gesamtstichprobe ab, da sie sowohl fachlich und sprachlich unterdurchschnittliche als auch überdurchschnittliche Lernende umfassen. Vergleicht man die Schreibaufgaben mit den Textprodukten der Gesamtstichprobe, so wird deutlich, dass die ausgewählte Gelegenheitsstichprobe als durchaus repräsentativ für die Gesamtheit der untersuchten Lernenden betrachtet werden kann.

Fazit der qualitativen Erhebung

229

Konzepte der Sprachhandlungen Die drei Befragten GEHGDu7d-01, GEDFDd7d-20 sowie GEDFDd7d-02, die der Gruppe fachlich und sprachlich unterdurchschnittlicher Schüler*innen zugeteilt wurden, verfügen über kein Konzept der Sprachhandlung Beschreiben. Sie sind weder in der Lage, ihr Wissen zur Sprachhandlung im Interview zu verbalisieren, noch die Beschreibung in der fachlichen Schreibaufgabe angemessen umzusetzen. Somit ist anzunehmen, dass die Proband*innen nicht über deklaratives bzw. prozedurales Wissen verfügen, dass sie zur Produktion einer Beschreibung befähigen würde. Bezüge stellen die drei Schüler*innen primär zu Beschreibungen von alltäglichen Gegenständen oder Sachverhalten her, ohne daraus ein Konzept fachlicher Beschreibungen entwickeln zu können. Obwohl Sie z. T. auf Inhalte anderer Fächer verweisen, sind sie nicht in der Lage, diese auf das historische Lernen zu adaptieren. Zum Zweck der Sprachhandlung präsentieren die Proband*innen ebenfalls nur wenig überzeugende Überlegungen. Eine eindeutige Differenzierung zwischen den Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären gelingt den Proband*innen nicht. Im Hinblick auf das Erklären zeigt sich jedoch, dass das Selbstkonzept der Schüler*innen Einfluss auf die Sprachhandlungsfähigkeit nimmt. Sie betrachten die sprachliche Handlung als eher komplex, schätzen demgegenüber ihre eigenen Fähigkeiten als gering ein. Diese Diskrepanz führt zu einer weiteren Hürde, die den Schreibprozess beeinflusst. Auch ihre kognitiven Fähigkeiten lassen sich als Einflussfaktor auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit bestimmen. Die Schüler*innen lassen sich, anhand der vorgestellten Entwicklungsmodelle von Piaget und Kohlberg, lediglich unteren Niveaustufen der kognitiven Entwicklung zuordnen. Dieser Umstand wirkt sich nicht nur auf die sprachlichen Fähigkeiten der Lernenden, sondern auch auf die für das historical reasoning notwendigen fachlichen Fähigkeiten aus. Zu den Schüler*innen, die bei der Erhebung der sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterdurchschnittlich abschnitten, jedoch überdurchschnittliche Resultate im Fachwissenstest erzielten, zählen GEHGDu7b-06 und GEKHKo8c-23. Es wird deutlich, dass sie über grundlegende Konzepte der fachlichen Sprachhandlungen verfügen. Leerstellen in den Konzepten werden vor allem im Hinblick auf die Strukturierung deutlich. In Ansätzen gelingt es Lernenden dieser Gruppe, das Beschreiben als Teil des historischen Erkenntnisprozesses (Vgl. Handro 2015b) herauszustellen. Für das Erklären stellen sie zudem Vorwissen oder zu Verfügung stehendes Material als Ausgangspunkt heraus. Insgesamt ist ihr Konzept deutlich fachspezifischer als das der ersten Gruppe. Anzunehmen ist, dass die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins als entscheidender Faktor zur Anbahnung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit zu betrachten ist. Durch die Vermittlung fachsprachlicher Handlungen erlangen die Schüler*innen das notwendige sprachliche Handwerkszeug, um ihre Gedanken zu verbalisieren und darzustellen.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Als Lernende, die über ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, allerdings nur ein geringes Fachwissen verfügen, wurden in der vorliegenden Studie GEKHKo8f-16 und GEDFDd7d-06 vorgestellt. Trotz der überzeugenden Bearbeitung der fachübergreifenden Beschreibe-Aufgabe zeigt sich, dass GEKHKo8f-16 nicht über ein fachspezifisches Konzept der Sprachhandlung verfügt. GEDFDd7d-06 benennt zwar Bilder als möglichen Gegenstand einer fachlichen Beschreibung, ist jedoch ebenfalls nicht in der Lage, Aussagen über die sprachliche Umsetzung der Sprachhandlung zu geben. Auch im Frageblock zum Operator Erklären gelingt es nicht, den Gegenstand oder fachsprachliche Merkmale der Sprachhandlung zu benennen. Obwohl die Befragten über ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, wird deutlich, dass sie weder über deklaratives noch prozedurales Wissen aufweisen, welches sie in die Lage versetzen würde, eine fachliche Erklärung zu verfassen. Auch fehlendes Fachwissen kann als Einflussfaktor auf die Aufgabenbearbeitung betrachtet werden. Berücksichtigt man das Modell von Bachmann/Becker-Mrotzek (2017), so wird deutlich, dass Wissen zum Sachverhalt neben dem Textsorten- bzw. Sprachhandlungswissen eine wesentliche Komponente des Schreibprozesses darstellt. Somit sind die befragten Lernenden mit sprachlich überdurchschnittlichen Fähigkeiten durchaus in der Lage, bildungssprachliche Beschreibungen oder Erklärungen anzufertigen, die angemessene Umsetzung dieser Aufgaben im Fach gelingt ihnen allerdings nicht. Zu den Schüler*innen, die in allen Instrumenten durchschnittliche Ergebnisse erzielten und die deshalb als Lernende mit mittleren Fähigkeiten und Fertigkeiten betrachtet werden sollen, zählen GEDFDd7d-16 und GEKHKo8f-04. Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Schüler lässt sich kein vollkommen einheitliches Bild skizzieren. Beide Schüler weisen im Hinblick auf das Beschreiben kein ausdifferenziertes Konzept vor. Gemein ist ihnen außerdem, dass sie die Sprachhandlung hauptsächlich mündlich und in alltäglichen Zusammenhängen realisieren. Der Fokus beider Schüler auf mündliche Alltagsbeschreibungen lässt annehmen, dass der Operator und seine Anforderungen im Gesellschaftslehreunterricht nicht ausreichend thematisiert werden, um ein Konzept der Sprachhandlung zu entwickeln. Das unzureichende Konzept der Sprachhandlung spiegelt sich auch in der Interviewbefragung zum Erklären sowie in der Bearbeitung der Erkläre-Teilaufgabe wider. Überdurchschnittlich in fachlichen und sprachlichen Instrumenten haben die Schüler*innen GEKHKo8f-08, GEKHKo8c-04 und GEKHKo8c-09 abgeschnitten. GEKHKo8c-04 ist allerdings nicht in der Lage, die Sprachhandlungen Beschreiben und Erklären zu unterscheiden. Wenngleich die Schülerin über fachliche und sprachliche Fähigkeiten verfügt, scheint ihr ein bestimmtes Konzept der Sprachhandlung zu fehlen. GEKHKo8f-08 und GEKHKo8c-09 verfügen hingegen über die differenziertesten Konzepte der Sprachhandlungen. Sie betonen un-

Fazit der qualitativen Erhebung

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terschiedliche Aspekte, wie beispielsweise die Genauigkeit und Detailliertheit als Merkmale der Beschreibung. Im Interview geben sie an, dass weitere Sprachhandlungen in Beschreibung und Erklärung einfließen; zum Teil zeigt sich dies auch in narrativen Passagen des Textproduktes. Wissenslücken können bei der Entwicklung einer Erklärung beispielsweise durch das Aufstellen von Hypothesen gefüllt werden. Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage lässt sich dementsprechend festhalten, dass die Differenziertheit der Konzepte der Schüler*innen sowohl für das Beschreiben als auch für das Erklären als Spektrum betrachtet werden kann. Fachlich und sprachlich starke Schüler*innen verfügen darin über die ausgeprägtesten Konzepte, während die Konzepte der fachlich und sprachlich schwachen Schüler*innen eher undifferenziert ausfallen. Fachlich starke Lernende sind in der Lage fachbezogenere Konzepte zu verbalisieren als die Proband*innen, die über hohe sprachliche aber lediglich geringe fachliche Fähigkeiten verfügen. Insbesondere die Befragten, die über geringes Fachwissen verfügen, formulieren eher alltagssprachliches Sprachhandlungswissen aus. Die Proband*innen, die über sprachliche Fähigkeiten verfügen, beziehen teilweise auch fachübergreifendes Sprachhandlungswissen in die Beschreibung ihrer Konzepte ein. Zusammenhang zwischen den Konzepten und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit Ohne ein Konzept zu den Sprachhandlungen sind die Schüler*innen, die lediglich über geringe fachliche und sprachliche Fähigkeiten verfügen, nicht in der Lage, ein prototypisches Textmuster aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. Die Einsicht, dass die Zwecke sprachliche Handlungen den Einsatz sprachlicher Mittel bestimmen, ist nicht Teil des Sprachhandlungswissens der Schüler*innen. Aus diesem Grund gelingt es ihnen nicht, ihre Texte zweckorientiert zu gliedern oder sprachliche Mittel zur Realisierung auszuwählen und umzusetzen. Ohne Wissen über die fachsprachlichen Merkmale einer historischen Beschreibung oder Erklärung, die hier im Sinne eines Konzepts der Sprachhandlung verstanden werden, sind die Lernenden nicht in der Lage, eine operatorengestützte Schreibaufgabe zu lösen. Die Fähigkeiten der fachlich überdurchschnittlich starken Schüler*innen lässt sich deutlicher an den Textprodukten als an den Äußerungen im Interview nachvollziehen. Somit ist anzunehmen, dass sie über prozedurales Wissen, welches sie zur Realisierung der Sprachhandlung befähigt, verfügen; das Konzept allerdings nicht in Form von deklarativem Wissen verbalisieren können. Auch dieser Umstand spricht für eine Vermittlung von fachlichem Textsorten- und Sprachhandlungswissen im Fach. Den sprachlich überdurchschnittlichen Schüler*innen mit geringen fachlichen Fähigkeiten gelingt es nicht, die Schreibaufgabe angemessen zu bearbeiten.

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Während GEKHKo8f-16 die Schreibaufgabe weder im Prä- noch im Post-Test bearbeitet hat, weisen die Schreibprodukte von GEDGDd7d-06 Schwächen auf, die die Textqualität immens beeinflussen. Zwar verfügen die Schüler*innen über sprachliche Fähigkeiten, doch fehlt ihnen das notwendige Konzept, dass der Sprachhandlung zu Grunde liegt. Aus diesem Grund gelingt es ihnen nicht, die Beschreibung oder Erklärung fachlich angemessen umzusetzen. Während GEDFDd7d-16 nicht in der Lage ist, die Schreibaufgabe in angemessener Form zu realisieren, gelingt es GEKHKo8f-04 eine nachvollziehbare Beschreibung zu formulieren. Obwohl das Textprodukt einige Schwächen aufweist, ist die fachsprachliche Umsetzung als ausreichend zu betrachten. Anzunehmen ist, dass der Schüler über prozedurales Wissen zur Sprachhandlung verfügt, welches er im Interview nicht zum Ausdruck bringt. Ob dies auf fehlendes deklaratives Wissen oder motivationale Gründe zurückzuführen ist, kann nicht sicher belegt werden. Die Beschreibungen der fachlich und sprachlich starken GEKHKo8c-09 und GEKHKo8f-08 sind kohärent formuliert und ermöglichen dem Leser den angestrebten Gang durch den Vorstellungsraum. Da beide Schüler*innen über ein Konzept der Sprachhandlung verfügen, sind sie in der Lage, diese auch schriftlich zu realisieren. Im Erklären zeigt GEKHKo8f-08 im Prä-Test deutliche Schwächen. Trotz eines fachlichen Konzepts und fachlicher sowie sprachlicher Fähigkeiten ist sie nicht in der Lage, ihre Überlegungen angemessen auszuformulieren. Dabei spielen im Hinblick auf das konkrete Textprodukt vor allem fehlende Fachbegriffe, die an Stelle der vagen Formulierungen verwendet werden sollten, eine zentrale Rolle. Zur Beantwortung der zweiten Forschungsfrage ist festzuhalten, dass ein Zusammenhang zwischen den Konzepten, also dem Sprachhandlungswissen, und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen besteht. Schüler*innen, die nicht über ein Konzept der Sprachhandlung verfügen, sind bei der Bearbeitung von operatorengestützten Schreibaufgaben augenscheinlich nicht in der Lage, einen Prototyp aus dem Langzeitgedächtnis abzurufen. In diesem Fall werden andere sprachliche Handlungen, teilweise lediglich einzelne, unvollständige Assertionen, als Lösung der Aufgaben formuliert. Deutlich wird auch, dass weder Fachwissen noch sprachliche Fähigkeiten allein ausreichen, um die Aufgaben angemessen zu bearbeiten. Vielmehr müssen fachliche und sprachliche Fähigkeiten verzahnt vermittelt werden, um fachliche Sprachhandlungsfähigkeit auszubilden. Hervorzuheben ist, besonders im Hinblick auf das Erklären, dabei auch die Rolle des Geschichtsbewusstseins.

Fazit der qualitativen Erhebung

233

Entwicklung der Konzepte und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit durch die Intervention Auch im Verlauf der Intervention entwickelt sich das Konzept der fachlich und sprachlich schwachen Lernenden, soweit nachvollziehbar, kaum weiter. Ihnen gelingt es nicht, textstrukturelle Merkmale oder fachsprachliche Mittel einzuüben und im Schreibprozess einzusetzen. Lediglich im Hinblick auf das Erklären zeigen sich geringe Veränderungen. Möglicherweise ist sprachliches Handlungswissen durch den konkreteren Aufbau und die spezifische Zweckorientierung der Sprachhandlung leichter zu konzeptualisieren als solches zur Sprachhandlung Beschreiben. Die Weiterentwicklung des Sprachhandlungswissens (conceptual change) von einem alltags- in ein fachsprachliches Konzept bleibt jedoch für beide Sprachhandlungen aus. Möglicherweise erfordert eine fachliche Schreibförderung, die auch fachlich und sprachlich schwache Schüler*innen erreicht, eine intensivere und länger andauernde Auseinandersetzung mit fachlichen und fachsprachlichen Merkmalen der Sprachhandlungen. Zunächst müssen Grundlagen der Sprachhandlung, wie beispielsweise Ziel und Zwecke der Verwendung sowie der situative Kontext erarbeitet werden, um anschließend sprachliche Mittel und deren Bedeutung im Hinblick auf die Fachsprache gezielt zu behandeln. In der durchgeführten Intervention, standen pro Sprachhandlung lediglich drei Einheiten (120 Min. gesamt) für die fachliche und sprachliche Annäherung an Beschreibung und Erklärung zur Verfügung. Statt einer derart komprimierten Hinwendung zur Sprache wäre hier eine sukzessive Weiterentwicklung fachsprachlicher Fähigkeiten über Halbjahre und Jahrgangsstufen hinweg als sinnvoll zu erachten. Eine solche, an curriculare Inhalte und Kompetenzziele gekoppelte Förderung sollte Merkmale der Sprachhandlungen wiederholt und kontinuierlich als Teil des historischen Lernens präsentieren. Bei dem fachlich überdurchschnittlich starken GEHGDu7b-06 zeigt sich eine Weiterentwicklung des Konzepts nach Abschluss der Intervention. Im zweiten Interview gelingt es ihm, Beschreibung und Erklärung deutlicher voneinander abzugrenzen. Sowohl in seinen Äußerungen zum Beschreiben als auch im Textprodukt spiegelt sich die Weiterentwicklung des Konzepts wider. So ist er beispielsweise in der Lage, die Struktur der Sprachhandlung herauszuarbeiten und umzusetzen. Für den Operator Erklären lassen sich die Veränderungen vor allem auf der Ebene des deklarativen Sprachhandlungswissens, welches er im Interview äußert, nachvollziehen. Anzunehmen ist deshalb, dass es dem Schüler durch die Intervention gelingt, sein deklaratives Wissen zur Textsorte auszubauen und zu festigen. Im Hinblick auf die Fähigkeiten von fachlich starken Schüler*innen, die lediglich über wenig ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten verfügen, bedeuten die Ergebnisse, dass sprachliche Strukturen im Fachunterricht

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

explizit vermittelt werden müssen. Die Anforderungen, die in Aufgabenstellungen verwendete Operatoren mit sich bringen, müssen im Fachunterricht transparent dargestellt und nachvollziehbar gemacht werden, ebenso wie sprachliche Merkmale der geforderten Handlungen. Zwar verfügen die Schüler*innen über fachliche Kenntnisse, die sich im historischen Denk- und Erkenntnisprozess abbilden, doch sind sie nicht in der Lage, ihre Überlegungen angemessen zu verschriftlichen oder ein konkretes Konzept der Sprachhandlung darzulegen. Die Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten und die Entwicklung und Ausbildung fachlicher Kompetenzen reicht nicht aus, um Schüler*innen in die Lage zu versetzen, sich produktiv mit Geschichte zu beschäftigen. Historisches und sprachliches Lernen müssen deshalb verzahnt verlaufen. Im Anschluss an die Intervention gelingt es der fachlich unter- und sprachlich überdurchschnittlich starken GEDFDd7d-06, Merkmale der sprachlichen Handlung zu explizieren. So ist sie beispielsweise in der Lage, den situativen Kontext und damit den Handlungsrahmen einer Beschreibung zu skizzieren. Auch im Hinblick auf das Erklären zeigt sich ein leichter Zuwachs an deklarativem Wissen. Weder für das Beschreiben noch für das Erklären lässt sich dieser Lernzuwachs im Textprodukt nachweisen. Fehlendes Fachwissen und die nur unzureichend fortgeschrittene Entwicklung des Geschichtsbewusstseins lassen sich als mögliche Einflussfaktoren annehmen, die die Produktion der Sprachhandlung weiterhin behindern. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass der Einfluss des fachlichen Textsorten- bzw. Sprachhandlungswissens, fachlicher Fähigkeiten und des Geschichtsbewusstseins zumindest gleichwertig mit dem Einfluss sprachlicher Fähigkeiten auf die Textproduktion zu betrachten sind. Für den Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht bedeutet das, dass sprachliches Handlungswissen und Fachwissen explizit und verzahnt vermittelt werden müssen. Sprachliche Handlungen und die zur Realisierung benötigten sprachlichen Mittel und Strukturen müssen im Fachunterricht thematisiert und eingeübt werden, damit Lernende in der Lage sind, operatorengestützte Aufgabenstellungen zu verstehen und angemessen zu bearbeiten. Darüber hinaus eröffnet sich das Desiderat weiterer Studien zum Einfluss von Interesse und Motivation auf fachliche Schreib- und Lernprozesse. Anders als GEDFDd7d-06 gelingt es GEKHKo8f-16 nicht, ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit weiterzuentwickeln. Da sie ihre Motivation und ihr Interesse am fachlichen Lernen als gering beschreibt, ist anzunehmen, dass sie der Intervention eher kritisch und ablehnend gegenüberstand und keine Verbesserung ihrer Leistung erzielen wollte. Insbesondere für den conceptual change sind motivationspsychologische Aspekte des Lernens jedoch als erheblicher Einflussfaktor hervorzuheben (Vgl. Krüger 2007, S. 86). Bei der Gestaltung sprachbildender Lernarrangements in heterogenen Lerngruppen gilt es also in besonderer Weise,

Fazit der qualitativen Erhebung

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die Motivation der Schüler*innen zu wecken und fachliches Interesse zu evozieren. In der zweiten Befragung lassen sich für die Gruppe der durchschnittlichen Schüler*innen keine Entwicklungen des Konzepts nachweisen. Ebenso wird keine Verbesserung im Textprodukt sichtbar. Dementsprechend lässt sich festhalten, dass es den Schülern nicht gelingt, ein Konzept der Sprachhandlungen zu entwickeln bzw. zu festigen. Eine Förderung, die den Schülern dazu verhilft, ein Konzept der Sprachhandlung aufzubauen, hätte sich womöglich noch ausführlicher und grundlegender dem Beschreiben und Erklären historischer Sachverhalte widmen müssen. Sprachliche und textuelle Mittel und Merkmale müssen noch genauer eingeübt werden, um ein Konzept zu entwickeln. Erneut lässt sich auch die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins als Faktor, der vor allem auf das Erklären Einfluss nimmt, anführen. Für die Herstellung historischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge benötigen die Schüler*innen nicht nur sprachliche, sondern auch fachliche Fähigkeiten. Werden beide nicht verzahnt und durchgehend im Fach gefördert, so sind sie nicht in der Lage, fachliche Sprachhandlungsfähigkeit auszubilden. Bei der fachlich und sprachlich überdurchschnittlich starken Schülerin GEKHKo8f-08 zeigt sich in der zweiten Erhebung ein Lernzuwachs, der durch die Intervention bedingt ist. Zwar lässt sich dieser nicht an ihren Äußerungen, sehr wohl jedoch an den Schreibprodukten nachweisen. Dort gelingt der Schülerin eine überzeugende, leserorientierte und kohärente Beschreibung. In der ErkläreTeilaufgabe hält sie ihre fachlich überzeugenden Überlegungen in einem kohärenten Textprodukt fest. Für eine Förderung der fachsprachlichen Schreibfähigkeiten von starken Schüler*innen deuten die qualitativen Befunde darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit sprachlichen Handlungen zur Festigung deklarativen Sprachhandlungswissens führt. Die Schüler*innen werden dementsprechend in die Lage versetzt, die Anforderungen, die operatorengestützte Aufgabenstellungen an sie stellen, zu erkennen und umzusetzen. Wenngleich fachlich sowie sprachlich überdurchschnittlich starke Schüler*innen bereits über die benötigten Fähigkeiten zum mündlichen und schriftlichen historischen Beschreiben und Erklären verfügen, so zeigt sich, dass es ihnen gelingt, den Anforderungen durch die Ausdifferenzierung eines Konzeptes gezielter gerecht zu werden. Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage, die sich der Entwicklung der Konzepte sowie der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären durch die nach dem Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus aufgebaute Intervention widmet, müssen die Ergebnisse der Erhebung differenziert betrachtet werden. Die sprachlich und fachlich schwachen Schüler*innen, die an den Interviews teilgenommen haben, verfügen auch über geringe kognitive Fähigkeiten. Diese sind als weiterer Einflussfaktor auf die Entwicklung

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit und die Konzeptbildung zu betrachten. Anzunehmen ist, dass die kognitiven Fähigkeiten der Lernenden nicht ausreichen bzw. nicht weit genug ausgebildet sind, um die Aufgaben angemessen zu bearbeiten oder von der Intervention zu profitieren. Ein conceptual change, der das alltagssprachliche Sprachhandlungswissen in ein fachspezifisches Konzept überführt, gelingt im Rahmen der Intervention nicht. Möglicherweise besteht seitens der Lernenden schlichtweg keine Unzufriedenheit über die verfügbaren Konzepte, da sie in der Regel in der Lage sind, operatorengestützte Aufgaben im Fach auch durch alltagssprachliche, fachunspezifische Umsetzung der Sprachhandlungen zu bearbeiten. Das Angebot, dass im Rahmen der Schreibförderung geschaffen wurde, war gegebenenfalls nicht ausreichend verständlich oder plausibel genug, um einen Anreiz zur Weiterentwicklung der Konzepte darzustellen (Vgl. Krüger 2007, S. 84). Sprachlich schwächere Lernende, die über fachliche Fähigkeiten verfügen, sind demgegenüber durchaus in der Lage, ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Rahmen der Intervention weiter auszubauen. Demgegenüber zeigt sich bei der Gruppe fachlich schwächerer Proband*innen, die über sprachliche Fähigkeiten verfügen, eine leichte Weiterentwicklung der Konzepte. Ein deutlicher Zuwachs an fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit lässt sich bei der Schülerin feststellen, die über fachlich und sprachlich überdurchschnittliche Fähigkeiten verfügt. In ihren Überlegungen zur Entwicklung kognitiver Schemata halten Bednorz/ Schuster fest, dass »je mehr eine Person weiß, je mehr Bedeutungen der Speicher bereits vorsieht, desto leichter ist es natürlich, für neue Bedeutungen eine passende Stelle zu finden« (2002, S. 155). Der Schülerin gelingt es somit leichter als den anderen Befragten, neue Informationen in ihr Konzept einzuflechten und diese produktiv umzusetzen. Sprachbildende Lernarrangements im Geschichts- bzw. Gesellschaftslehreunterricht müssen die Bedarfe heterogener Lerngruppen in den Blick nehmen. Statt einer kurzfristigen Förderung bietet es sich möglicherweise an, fachliches Sprachhandlungswissen durchgehend und an curriculare Vorgaben geknüpft zu vermitteln. Durch die Verbindung fachlichen und sprachlichen Lernens kann es gelingen, fachliche Sprachhandlungsfähigkeit auf- und auszubauen. Weder die Fokussierung auf fachliche Kompetenzen noch die einseitige Förderung sprachlicher Fähigkeiten führt zu einer Entwicklung fachsprachlicher Konzepte und Sprachhandlungsfähigkeit. Erst die Verknüpfung beider Komponenten versetzt Lernende in die Lage, operatorengestützte Aufgaben im Fachunterricht zu bearbeiten. Dabei ist auch die Rolle des Geschichtsbewusstseins für fachliche Erklärungszusammenhänge hervorzuheben. Für Lernende, deren kognitive Fähigkeiten nicht ausreichen, im historischen Erkenntnisprozess zu beurteilen, müssen niedriger strukturierte Anforderungen formuliert werden, die sie in operatorengestützten Aufgaben gezielt einüben können. Darüber hinaus stellen

Fazit der qualitativen Erhebung

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auch motivationale Prozesse, die die Einstellung gegenüber dem Fach und das Interesse am historischen Lernen erheblich beeinflussen, auf den Erfolg einer fachlichen Schreibförderung dar. Nicht nur im Hinblick auf die Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten, sondern wohl für das gesamte historische Lernen müssen Aufgabensettings konstruiert werden, die die Interessen der Schüler*innen in den Blick nehmen. Anbindung an Modelle des historischen Denkens und Erklärens Über die Betrachtung der fünf Gruppen hinaus, lassen sich die Ergebnisse auf die verschiedenen Modelle zur Entwicklung historischer Erklärfähigkeit übertragen. Im Hinblick auf das von Lee/Dickinson/Ashby (2001, S. 113) entwickelte Modell, welches die Entwicklung rationalen Verstehens im Hinblick auf historische Erklärungen abbildet, wird deutlich, dass sich die Schüler*innen auf den ersten drei Ebenen befinden. Mehrheitlich finden sie keinen Weg, vergangenen Ereignissen und Sachverhalten Sinn zuzusprechen (1. Ebene) bzw. halten das Handeln der Zeitgenoss*innen für uneinsichtig, weil diese nicht so klug wie heutige Akteure seien (2. Ebene). Neben diesen Resultaten, die sich vor allem in den Schreibprodukten widerspiegeln, wird an der Bearbeitung der Beispielaufgabe im Interview deutlich, dass einige Lernende in der Lage sind, historische Erklärung durch das Herausstellen persönlicher Wünsche, Ziele und Absichten von Akteuren oder Gruppen abzubilden (3. Ebene). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Zusammenführung der Schüler*innenäußerungen mit dem Niveaustufenmodell historischer Kausalerklärungen von Domínguez/Pozo (1998, S. 350ff). Dabei wird deutlich, dass die Schüler*innen die dritte von fünf Niveaustufen nicht überschreiten. Während einige Lernende lediglich in der Lage sind, Fakten darzustellen, ohne ihnen den Charakter von Ursachen zu verleihen (1. Ebene), gelingt es manchen Schüler*innen, die Fakten zumindest teilweise zu verketten (2. Ebene). Lediglich wenige Schüler*innen sind im Interview bzw. in den Schreibprodukten in der Lage, partielle Verbindungen zwischen den Fakten und der Ausgangsfrage zu schaffen und auf diese Weise die Beziehung von Ursachen und Folgen herauszuarbeiten (3. Ebene). Dieses Ergebnis spiegelt die Befunde von Domínguez/Pozo wider, die herausgestellt haben, dass die höheren Ebenen auch in der neunten Jahrgangsstufe nur von wenigen Lernenden erreicht werden. Es ist dementsprechend anzunehmen, dass die erfolgreiche Bearbeitung von Erkläre-Aufgaben die Einübung fachlicher und fachsprachlicher Mittel und Strukturen erfordert (Vgl. Borries 2002, S. 31). Darüber hinaus bietet sich auch ein Brückenschlag zum Entwicklungsmodell von Lee/Ashby (2000, S. 212) an, in dem Schüler*innenvorstellungen zum Zusammenhang von historischen Darstellungen und der Vergangenheit dargestellt werden. Dieses Modell stellt Erkenntnisse zur Verfügung, die auf die Schreibprodukte der Erkläre-Aufgabe adaptiert werden können. Zwar sind die Schü-

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

ler*innen nicht aufgefordert, eine Darstellung zu beurteilen, doch müssen ähnliche Deutungsmuster zur Beantwortung der Frage, warum über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen aufgestellt werden können, herangezogen werden. Nur einige wenige Schüler*innen erreichen die vierte Ebene und sind somit in der Lage, Gründe zu benennen, die über den Mangel an Informationen und Quellen hinausgehen. Sie erklären, dass die Vermutungen auch auf multiperspektivische bzw. tendenziöse Darstellungen von Zeitgenoss*innen zurückzuführen sind. Teils betrachten sie diese als Lügen, teils als subjektive Beschreibungen eines Ereignisses. Insbesondere die fachlich schwächeren Schüler*innen betrachten die Vergangenheit als gegeben (1. Ebene) bzw. als schlichtweg unzugänglich (2. Ebene). Bedingt durch den Umstand, dass vergangene Ereignisse nicht miterlebt wurden, lassen sich in der Gegenwart keine Aussagen darüber treffen. Einige Schüler*innen erklären jedoch, dass es durch Kenntnis entsprechender Quellen möglich sei, die Vergangenheit genau abzubilden und erreichen damit die dritte Ebene des Modells. Im Interview wird zudem deutlich, dass die Befragten vielfach auf alltägliche Erklärungsansätze zurückgreifen, um historische Sachverhalte zu verdeutlichen (Vgl. Borries 2002b, S. 122). Auch in diesem sechsstufigen Modell erreichen lediglich 10 % der Schüler*innen die höchste Niveaustufe. Zwar sind bereits jüngere Schüler*innen in der Lage, die Denkstrukturen zu entwickeln, doch verfügen auch zahlreiche ältere Lernende nicht über ausreichende Fähigkeiten, um die höheren Niveaustufen zu erreichen. Borries (2002, S. 27) resümiert unter Berufung auf Fernández-Corte/Gracia-Madruga (1998), dass fachlich schwächere Lernende möglicherweise nicht in der Lage seien, die Mindestbedingungen für historisches Lernen zu erfüllen. Diese Annahme spiegelt sich in den qualitativen Ergebnissen insofern wider, als dass die fachlich und sprachlich unterdurchschnittlichen Proband*innen auch nach Abschluss der Intervention nicht in der Lage waren, historische Beschreibungen bzw. Erklärungen so formulieren bzw. deren Merkmale im Interview zu benennen. Die Modellierung der Niveaustufen historischen Denkens, die Brauch/Heine/Bramann (2020) in Anlehnung an das von Körber (2007) entworfene Modell auf fachliche Erklärungen beziehen, lässt sich auch auf die Ergebnisse der Interviews sowie die Auswertung der Schreibprodukte beziehen. Insbesondere bei den Schüler*innen, die lediglich über ein wenig ausgebildetes Geschichtsbewusstsein verfügen und nicht in der Lage zum historical reasoning sind, scheitern die Erklärungen, da sie nicht über fachsprachliche Konzepte der Sprachhandlung verfügen. Das elaborierte Niveau erreichen lediglich die Schüler*innen, die sowohl über sprachlich als auch fachlich ausgeprägte Fähigkeiten verfügen. Erneut ergibt sich aus diesem Ergebnis ein Plädoyer für den sprachsensiblen Geschichtsunterricht, der fachliches Lernen als Verschmelzung der Vermittlung fachlicher und fachsprachlicher Fähigkeiten versteht.

Fazit der qualitativen Erhebung

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Trotz der teilweise ernüchternden Resultate lässt sich allerdings festhalten, dass es den Schüler*innen in Ansätzen gelingt, das Potential der Sprachhandlungen für das historische Lernen zu umreißen. Ihre Überlegungen zum Beschreiben und Erklären finden sich beispielsweise im Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht wieder, in dem Handro (2013; 2020) die Sprachhandlungen in den historischen Denk- und Erkenntnisprozess einordnet. Die Lernenden verorten das Beschreiben als Teil der Quellenkritik, die sie etwa am Beispiel von Bildquellen entwickeln. Das Erklären bringen sie, ebenfalls fachlich überzeugend, mit Verfahren der Erkenntnisstrukturierung und Sinnbildung in Zusammenhang. Insgesamt lassen sich die Erkenntnisse von Borries aufgreifen, der konstatiert, dass sich Lernende – und das gilt hier nicht nur für die Oberstufe – »auf radikal verschiedenen Lernständen« befinden und »nach Intelligenz, [..] Analysefähigkeit, Sachwissen und Motivation […] sehr weit auseinanderliegen« (2002b, S. 113). Grundsätzlich lassen sich die Unterschiede, die in Anbindung an verschiedene Modellierungen der Erklärfähigkeiten von Schüler*innen dargestellt wurden, auf entwicklungspsychologische Voraussetzungen zurückführen. Während einige Schüler*innen beispielsweise das von Piaget (Vgl. Siegler/ Eisenberg/De Loache/Saffran 2016) definierte formal-operationale Niveau erreichen, bleiben andere auf dem konkret-operationalen, teilweise sogar auf dem präoperationalen Niveau zurück. Auch das von Kohlberg entworfene Modell zur Entwicklung des moralischen Urteils (Vgl. Becker 2011) lässt einige erkenntnisreiche Schlüsse zu. Zwar erlauben die Aufgabenstellungen es nicht, das Modell unmittelbar auf die Äußerungen bzw. Textprodukte der Schüler*innen zu übertragen, dennoch wird deutlich, dass die Lernenden zu Urteilen gelangen, die sehr unterschiedliche Bezugsrahmen nutzen. Abschließend lässt sich hier erneut Borries (2002b, S. 123) zitieren, der folgert: »Gerade der Vergleich mit […] entwicklungslogischen Modellen […zeigt], dass keineswegs alle Gesellschaftsmitglieder die jeweils höchste Stufe der Kompetenz erreichen. Das ist beim Geschichtsbewusstsein und seinen Teilkompetenzen nicht anders«. Dennoch, auch das hat die Erhebung gezeigt, bietet das Modell des textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus einen Ansatz, der Schüler*innen dazu befähigt, ihr fachsprachliches Potenzial zu entfalten und einzusetzen. Aus den qualitativen Analysen der Schreibprodukte ergeben sich darüber hinaus einige Bemerkungen, die von besonderer Bedeutung für die Betrachtung der kategoriengestützten, quantitativen Erhebung sind. So erreichen auch Schüler*innen einen prozentualen Gesamtscore im Mittel der Stichprobe, die kaum sprachliche Mittel bzw. fachliche Merkmale der Sprachhandlungen umsetzen. Setzen die Proband*innen die fachsprachlichen Anforderungen um, erfüllen aber fachliche Kategorien wie die vollständige Beschreibung der Theorien oder zeitgenössischen Positionen oder die Darstellung triftiger Gründe im

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Qualitative Erhebung: Schüler*innenkonzepte zum Beschreiben und Erklären

Rahmen der Erklärung nicht, können sie dennoch hohe Gesamtscores erreichen. Zudem bilden die sprachlichen Mittel nur einen Auszug der möglichen Merkmale der Sprachhandlungen ab. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich können Beschreibung und Erklärung überzeugen, ohne dass alle Kategorien vollständig erfüllt sind. Insbesondere beim historischen Beschreiben, für das keine strukturellen Merkmale determiniert sind, kann mit dem Kategoriensystem nur teilweise bestimmt werden, ob die Konstruktion eines Vorstellungsraums gelingt. Im Anschluss an die Auseinandersetzung mit der Gesamtstichprobe im Rahmen einer quantitativen Analyse soll darum ein holistisches Messmodell entwickelt werden, welches die Einschätzung und Beurteilung der Qualität von Beschreibungen und Erklärungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht ermöglichen kann.

6.

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

6.1

Hinführung

Wie gezeigt werden konnte, verfügen Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht nur über unzureichende Konzepte zu den Operatoren Beschreiben und Erklären im Fach Geschichte, die sie in die sprachliche Beantwortung operatorengestützter Aufgabenstellungen einbringen. Vor allem die Schüler*innen, die in den erhobenen Testinstrumenten zur Kontrolle der fachlichen und sprachlichen Leistungen unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, verfügen über keine oder aber lediglich am alltäglichen Sprachgebrauch orientierte Konzepte der Operatoren. Sprachlich und fachlich stärkere Lernende weisen demgegenüber ausdifferenziertere Konzepte auf. Ohne dieses notwendige Musterwissen sind Schüler*innen nicht in der Lage, operatorengestützte Schreibaufgaben angemessen zu lösen. Sie bringen lediglich Assertionen zu Papier, die weder die Sprachhandlung erkennen lassen, noch deren Zweck erfüllen. Die Lernenden, die über ein Konzept verfügen, welches nicht fachspezifisch ausdifferenziert ist, sind in der Lage ein Textprodukt zu verfassen, welches jedoch nicht den fachlichen Anforderungen genügt. Durch die Intervention ist es nicht gelungen, ausreichendes Musterwissen aufzubauen, um die Konzepte zu entwickeln bzw. zu festigen. Die Schüler*innen, die im Vorfeld der Intervention kein Konzept fachlicher Beschreibungen und Erklärungen aufweisen, konnten dieses in der Befragung auch nach Abschluss der Intervention nicht verbalisieren. Gezeigt hat sich allerdings, dass diejenigen Lernenden, die über prozedurales Wissen verfügen, dieses nach der Förderung explizieren konnten. Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass diese Proband*innen ihr Musterwissen ausbauen, anpassen und festigen konnten. Angeschlossen an den qualitativen Zugriff auf die Konzepte der Schüler*innen, der durch die Analyse der Interviews und die differenzierte Betrachtung der Schreibaufgaben gewonnen werden konnte, sollen die erhobenen Daten nun einer quantitativen Untersuchung unterzogen werden. Ziel der Analysen ist es, ein holistisches Messmodell zur Beurteilung der Qualität von fachlichen Schü-

242

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

ler*innentexten zu den Operatoren Beschreiben und Erklären zu entwickeln. Berücksichtigt wird in diesem Zusammenhang auch, inwiefern sich die textsortenspezifische Schreibförderung im Gesellschaftslehreunterricht auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Lernenden ausgewirkt hat. Durchgeführt wurden die vorliegenden Analysen mit den Datenanalyseprogrammen SPSS und WINSTEPS (RASCH).

6.2

Vorüberlegungen zur Datenanalyse

Umfang der Stichprobe Im Prä-Test haben rund 243 der 364 Schüler*innen die Beschreibe-Teilaufgabe bearbeitet, 153 davon gehören zur Interventionsgruppe. Im Post-Test ist der Umfang der Stichprobe leicht reduziert, da lediglich 208 Schüler*innen die Aufgabe bearbeitet haben; 119 davon sind Teil der Interventionsgruppe. 152 Schüler*innen haben die Teilaufgabe sowohl im Prä- als auch im Post-Test bearbeitet, etwa die Hälfte, nämlich 87 Schüler*innen, sind der Interventionsgruppe zuzuordnen. Bei der Erkläre-Teilaufgabe zeigt sich ein ähnliches Bild. Während 218 Schüler*innen, davon 131 als Teil der Interventionsgruppe, die Aufgabe im PräTest bearbeiten, sind es im Post-Test nur noch 183 bzw. 105 Schüler*innen. Die Überschneidungsstichprobe aus Prä- und Post-Test umfasst 136 Schüler*innen, wobei lediglich 76 auf die Interventionsgruppe entfallen. Eine Imputation von Daten wird nicht durchgeführt, da nicht angenommen werden kann, dass fehlende Werten in den Schreibaufgaben und im Fachwissenstest zufällig zu Stande gekommen sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die fehlenden Werte auf mangelndes Fachwissen bzw. fehlende Sprachhandlungsfähigkeit zurückzuführen sind. Die statistische Konstruktion der fehlenden Werte könnte zu falschen Annahmen über die Gesamtheit der Stichprobe führen. Für die Analysen werden deshalb lediglich die Proband*innen betrachtet, die die entsprechenden Aufgaben möglichst vollständig bearbeitet haben. Festzuhalten ist, dass dieser Umstand ein Abweichen vom ursprünglich geplanten Untersuchungsdesign darstellt. Die reduzierte Stichprobe stellt eine Positiv-Auswahl der Proband*innen dar. Ein nicht unerheblicher Teil der Schüler*innen ist nicht in der Lage oder aber nicht ausreichend motiviert, die Schreibaufgaben zu bearbeiten. Insbesondere die Schüler*innen, die die Schreibaufgaben im Prä-Test nicht bearbeitet haben, im Post-Test jedoch im Stande sind, Beschreibe- und ErkläreTeilaufgabe zu lösen, können in ihrer Entwicklung nicht abgebildet werden.

Vorüberlegungen zur Datenanalyse

243

Testgütekriterien der Instrumente Um die Aussagekraft der im Folgenden dargestellten Ergebnisse zu unterstreichen, sollen in einem kurzen Überblick einige Überlegungen zu den Testgütekriterien, denen die eingesetzten Instrumente entsprechen sollen, dargelegt bzw. wieder aufgegriffen werden. Wie bereits in vorangegangenen Kapiteln skizziert wurde, bietet die kategoriengestützte Auswertung der Schreibaufgaben einige besondere Chancen, ist jedoch auch durch spezifische Grenzen limitiert. Um die Chancen und Grenzen genauer bemessen zu können, werden die Gütekriterien der Validität, Objektivität und Reliabilität (Vgl. Bortz/Döring 2016, S. 93) auf die Instrumente Schreibaufgabe und Kategoriensystem zur Auswertung angewandt. Das Kriterium der Validität beschreibt, ob und inwiefern das Testinstrument das misst, was es messen soll. Betrachtet werden können dabei die interne und externe Validität, die Konstruktvalidität, zu der auch Objektivität und Reliabilität der Instrumente zählen, sowie die Repräsentativität (Bortz/Döring 2016, S. 94ff). Die interne Validität einer Studie ist dann gegeben, »wenn die untersuchten Variablenzusammenhänge mit hoher Sicherheit als kausale UrsacheWirkungs-Relationen zu interpretieren sind« (Bortz/Döring 2016, S. 94). Dieser Aspekt spielt vor allem im Hinblick auf die Auswertung der Intervention, die als quasi-experimentelle Studie anzusehen ist, eine entscheidende Rolle. Die Studie ermöglicht durch das Festlegen der zu betrachtenden abhängigen Variable, nämlich der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären, des Treatments im Rahmen der Intervention und der durch die weiteren Testinstrumente (fachübergreifende Schreibaufgabe, Wortschatztest, Erhebung der kognitiven Fähigkeiten und Lesefertigkeiten, Skalen zu Interesse und Motivation, sozio-biographischer Bogen) dargestellten unabhängigen Variablen die Möglichkeit, Kausalinterpretationen mit hoher interner Validität vorzunehmen. Die externe Validität, die in engem Zusammenhang zur Repräsentativität steht, gibt Aufschluss darüber, inwiefern »sich die Ergebnisse auf andere Orte, Zeiten, […] oder Personen als die konkret untersuchten verallgemeinern lassen« (Bortz/Döring 2016, S. 95). Wenngleich Längsschnittstudien auf Grund der verschiedenen Messzeitpunkte eine höhere externe Validität besitzen als Querschnittsstudien, ist es dennoch erforderlich, auf die Grenzen der Studie hinzuweisen. Wie bereits in den methodischen Überlegungen angeführt, handelt es sich um eine Stichprobe, die sich aus Lernenden an Gesamtschulen im Raum Nordrhein-Westfalen zusammensetzt. Da angenommen werden kann, dass Schulformen sich, bedingt durch die Zusammensetzung der Schülerschaft, die anvisierten Bildungsziele sowie die Ausbildung der Lehrkräfte, unterschiedlich auf die Leistungen der Schüler*innen auswirken (Kunter/Baumert 2008, S. 533), können die Ergebnisse nicht auf andere Schulformen übertragen werden. Zudem besuchen alle Schüler*innen die Jahrgangsstufe Sieben bzw. Acht, sodass auch

244

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

über Lernende anderer Jahrgangsstufen keine Aussagen möglich sind. Gemessen am Landesdurchschnitt lässt sich für die Stichprobe ein hoher Teil von Schüler*innen mit Migrationshintergrund nachweisen, die z. T. mehrsprachig aufgewachsen sind. Es handelt sich also um eine spezifische Proband*innengruppe, die die unabhängigen Variablen in spezifischer Weise beeinflusst. Übertragen lassen sich die Ergebnisse der Studie lediglich auf die Lernenden, die ebenfalls das Fach Gesellschaftslehre an Gesamtschulen und darüber hinaus Schulen mit einem hohen Anteil von Lernenden mit Migrationshintergrund und geringem sozio-ökonomischen Status besuchen. Das Kriterium der Reliabilität gibt an, wie zuverlässig und genau ein Instrument, hier das Kategoriensystem, ein Merkmal, hier die fachlichen Schreibfähigkeiten, misst (Bortz/Döring 2016, S. 95). Da in der Studie eine überkreuzte Testung vorgenommen wurde, d. h. den Lernenden, die im Prä-Test die Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« bearbeitet haben, im Post-Test die Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« vorgelegt wurde (und umgekehrt), lässt sich die Retest-Reliabilität, d. h. die zeitliche Stabilität des Instruments, anhand der vorliegenden Daten nicht überprüfen. Zur Überprüfung der internen Konsistenz kann stattdessen der Cronbachs-Alpha-Wert herangezogen werden. Beide Schreibaufgaben erreichen sowohl im Prä- als auch im Post-Test hinreichende Werte (Vgl. Bortz/Döring 2016, S. 443), sodass von der Reliabilität des Instruments ausgegangen werden kann.11 Das Weglassen einzelner Items erhöht den Cronbachs Alpha beider Teilaufgaben nur minimal, sodass zunächst alle Items als Teil des Gesamtkonstrukts beibehalten werden. Zeitpunkt Schreibaufgabe Beschreiben Erklären

t1 Pyramide .691 .698

t2 Olympia .725 .611

Pyramide .681 .764

Olympia .722 .586

Tabelle 34: Cronbachs Alpha der Schreibaufgaben im Prä- und Post-Test

Detaillierteren Aufschluss über die interne Konsistenz des Testinstruments liefert die Überprüfung der Split-Half-Korrelation. Da das Instrument zwei Mal eingesetzt wurde, zum zweiten Messzeitpunkt aber eine Verbesserung der Ergebnisse durch die Intervention erwartet wird, soll die Korrelation statt der Erhebung der Re-Test-Korrelation untersucht werden, um Aussagen über die Reliabilität des Instruments treffen zu können. Unter der Annahme, dass beide Testhälften parallele Messungen liefern, werden die Items zufällig in zwei Hälften 11 In der Regel werden Werte von > .8 als gut angesehen, Cronbachs-Alpha-Werte über .7 gelten als akzeptabel. Liegt der Cronbachs Alpha unter .5, kann die Genauigkeit und Testgüte des entsprechenden Instruments nicht angenommen werden. Gängige Schwellenwerte liegen zwischen .65 und .7.

245

Vorüberlegungen zur Datenanalyse

geteilt, wobei die Korrelation zwischen den Testhälften auf die Reliabilität derselben schließen lässt (Danner 2015, S. 5). Hälfte Teil 1 Teil 2

Items gesat12de, gesat12pb, gesat12df gesat12tp, gesat12gf, gesat12koj gesat12 t1_uc, gesat12 t2_uc gesat12ak, gesat12kxk_uc, gesat12ug

Cronbachs Alpha Pyramide Olympia .430 .637 .662

.569

Tabelle 35: Split-Half-Reliabilität der Skala des Kategoriensystems zur Auswertung der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test

Die Analyse zeigt, dass beide Testhälften jeweils Reliabilitäten aufweisen, die leicht unter dem akzeptierten Schwellenwert (.7) liegen (Vgl. Blanz 2015). Da das Konstrukt sowohl fachliche als auch fachsprachliche Items enthält, deren vollständige Umsetzung den Schüler*innen unterschiedlich leicht gelingen dürfte, ist es schwierig, die Itembatterie in konsistente Hälften zu teilen. Wie im Folgenden auch für die theoretisch hergeleiteten Konstrukte aufgezeigt wird, bietet es sich an, die Skala als Gesamtkonstrukt zu betrachten. Die hier zufällige, vom System vorgenommene Trennung stützt diese Annahme. Die beiden Hälften weisen leicht unterschiedliche interne Konsistenzen auf. Bei der Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« liegt der Cronbachs-Alpha-Wert der ersten Testhälfte (.430) leicht unter dem für die zweite Testhälfte ermittelten Wert (.662). Bei der Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« zeigt sich ein umgekehrtes Bild, wobei die Konsistenz insgesamt höher ist als bei der Pyramiden-Aufgabe. Die Korrelation (ohne Spearman-Brown-Korrektur) zwischen den beiden systemisch gebildeten Hälften liegt für beide Schreibaufgaben im mittleren Bereich (.353, .394). Betrachtet man die geschätzte Reliabilität der Gesamtskala, lässt sich ein Wert von .521 bzw. .565 festhalten. Dieser Wert liegt leicht unter der Schätzung der Reliabilität (Cronbachs Alpha) der oben dargestellten Gesamtskala. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich für die Items des Kategoriensystems nachweisen, durch die die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären abgebildet werden soll. Hälften Teil 1 Teil 2

Items gesat13de, gesat13ru gesat13tp, gesat13koj, gesat13ug gesat13df, gesat13te gesat13ak, gesat13kxak, gesat13gf

Cronbachs Alpha Pyramide Olympia .353 .281 .509

.320

Tabelle 36: Split-Half-Reliabilität der Skala des Kategoriensystems zur Auswertung der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

246

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Auch für das Erklären weist die Überprüfung der Split-Half-Korrelation den Skalen unterschiedliche interne Konsistenz zu. Die Items der ersten, zufällig gebildeten Testhälfte bilden in beiden Schreibaufgaben eine Skala mit geringerer Konsistenz (.353, .281) als die der zweiten Hälfte (.509, .320). Die Korrelation zwischen den Hälften ist etwas höher als beim Beschreiben (.535, .316), die geschätzte Reliabilität der Gesamtskala fällt lediglich für die Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« höher aus (.697), für die Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« wird ein geringerer Wert (.481) als für die Beschreibe-Teilaufgabe festgehalten. Zudem sind die Werte geringer als die für die Gesamtskala ausgegebenen Cronbachs-Alpha-Werte. Möglich ist, dass die unzureichenden Werte weniger mit der Reliabilität des Messinstruments zusammenhängen, sondern vielmehr auf die unterschiedliche Itemschwierigkeit zurückzuführen sind. Während sprachliche Mittel wie kausale, finale oder konsekutive Bezüge oder unpersönliche Formen wie Passiv-Strukturen auch in fachunspezifischen Beschreibungen und Erklärungen Verwendung finden, sind andere textstrukturelle Marker und sprachliche Mittel als genuin fachspezifisch zu betrachten. Werden diese Items nun zufällig zu Konstrukten zusammengefügt, lässt sich nicht zwangsläufig eine Korrelation nachweisen. Die Split-Half-Reliabilität lässt dementsprechend nur begrenzte Aussagen über die Verlässlichkeit des Instruments zu. Aus diesem Grund ist zur Einschätzung der Reliabilität des Testinstruments auch die in die Datenanalyse eingebundene RASCH-Analyse hinzuzuziehen, die Aussagen über die Eindimensionalität des Kategoriensystems zulässt. Entsprechende Ergebnisse werden jedoch erst im direkten Zusammenhang mit der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgabe dargestellt. Zudem lohnt ein Blick auf die Item-Trennschärfe, anhand derer es möglich ist einzuschätzen, wie gut einzelne Items mit dem Gesamtkonstrukt korrelieren und, damit einhergehend, wie gut sie das gemessene Konstrukt abbilden (Bortz/ Döring 2016, S. 478). Schüler*innen, die einen hohen Gesamtscore in den Teilaufgaben erzielen, erfüllen trennscharfe Einzelitems dementsprechend vollständig, sodass sich anhand des Einzelitems das Gesamtergebnis voraussagen lässt. Beschreiben

Erklären

Einleitungssatz

.158

Einleitungssatz

.456

Schilderung I Schilderung II

.437 .493

Reproduktion der Ursache

.396

Problematisierung Sachgerechtes Fazit

.601 .388

Transfer-Erklärung Erklärendes Fazit

.110 .470

Bezüge Konnexion

.324 .433

Bezüge Konnexion

.235 .405

247

Vorüberlegungen zur Datenanalyse

(Fortsetzung) Beschreiben Tempus Unpersönlichkeit Konjunktiv

.131 .004 .406

Erklären Tempus Unpersönlichkeit Konjunktiv

.050 .035 .069

Graduierende Formulierungen .108 Graduierende Formulierungen .196 Tabelle 37: Itemtrennschärfe für die kategoriengestützte Auswertung der Beschreibe- und Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

Für die Kategorien, die die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben abbilden, stellt die Problematisierung (gesat12pb) das Item mit der höchsten Trennschärfe dar. Schüler*innen, denen es gelingt, die Problemstellung, die sich aus den Theorien der Forschenden bzw. den Aussagen der Zeitgenoss*innen ableiten lässt, zu beschreiben, erreichen demzufolge einen hohen Gesamtscore in der Schreibaufgabe. Diejenigen Lernenden, denen das Beschreiben der Problemstellung nicht gelingt, erzielen lediglich geringe Gesamtscores. Für das Erklären weisen Einleitungssatz (gesat13de) und Fazit (gesat13df) hohe Trennschärfe-Werte auf und können als geeignet betrachtet werden, den Gesamtscore der Teilaufgabe vorherzusagen und die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären abzubilden. Tempus, Unpersönlichkeit und Graduierende Formulierungen erreichen in beiden Teilaufgaben nur sehr geringe Trennschärfewerte, ebenso die Kategorie des Konjunktivs beim Erklären. Anzunehmen ist, dass die sprachlichen Mittel weniger geeignet sind, die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit vorauszusagen, als die Items, die fachliche Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit bzw. Triftigkeit abbilden. Da die Fachsprache im Geschichtsunterricht oft als wenig spezifisch betrachtet wird, ist davon auszugehen, dass das vollständige Realisieren der fachsprachlichen Items die Sprachhandlungsfähigkeit weniger präzise voraussagen kann als es den fachlichen Items gelingt. Als Grenzwert der Trennschärfe wird ein Wert von .3 angenommen, als zufriedenstellend gelten Werte zwischen .3 und .5. Die vorgestellten Items, die unter diesem Wert liegen, müssen jedoch nicht zwangsläufig aus dem Konstrukt entfernt werden. Zu Gunsten der inhaltlichen Breite der Skala, die ein möglichst breites Konstrukt der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären abbilden soll, können die Items beibehalten werden (Bortz/Döring 2016, S. 478). Das Gütekriterium der Objektivität beschreibt, inwiefern das Testergebnis unabhängig von der Person des durchführenden Testleiters ist (Bortz/Döring 2016, S. 93). Im Hinblick auf die konkrete Erhebungssituation und damit die Durchführungsobjektivität lassen sich nur qualitative Aussagen treffen. Alle Erhebungen wurden von geschulten Mitarbeiter*innen anhand standardisierter Leitfäden durchgeführt, um die Objektivität der Testungen sicherzustellen. Die Lehrpersonen, die den Regelunterricht durchführen, hatten keinen Einfluss auf

248

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

die Testungen. Aussagen über die Auswertungsobjektivität erlaubt die Überprüfung der Interraterreliabilität. Bereits in den methodischen Vorüberlegungen wurde dargelegt, dass diese einen ausreichenden Wert erreichen, sodass die Objektivität des Instruments angenommen werden kann.

6.3

Explorative Datenanalyse

6.3.1 Beschreiben Die in der ersten und zweiten Erhebung eingesetzte Beschreibe-Teilaufgabe der Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« lautet: »Die Forscher [Anm.: die sich mit dem Bau der Pyramiden beschäftigen] streiten darüber, wie die Pyramiden erbaut worden sind. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Theorien der Forscher. Schreibe so, dass jemand, der den Darstellungstext nicht kennt, die Positionen nachvollziehen kann«. Auf die der Aufgabenbearbeitung zu Grunde liegende Darstellung wurden die Proband*innen durch die Formulierung sowie einen in Klammern angefügten Tipp hingewiesen. Gleiches gilt für die Teilaufgabe in der Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele«, für die der erste Teil der Aufgabenstellung lautet: »Zeitgenossen beurteilten die Olympischen Spiele unterschiedlich. Beschreibe in einem Text genau und in eigenen Worten die verschiedenen Urteile der Zeitgenossen«. Sofern die Beschreibe-Teilaufgabe sprachlich und fachlich vollständig angemessen und korrekt bearbeitet wurde, konnten die Schüler*innen einen Gesamtscore von 22 Punkten erreichen. Im Durchschnitt erzielen die Schüler*innen in der ersten Teilaufgabe 36,64 %, was einer Punktzahl von Acht entspricht. Die Standard-Abweichung liegt bei 14,27 %. Die breite Streuung der Werte zeigt sich auch in den minimal bzw. maximal erreichten Werten, die bei 9,09 % und 77,27 % liegen. Wie aus der Normalverteilungskurve ersichtlich wird, ist die Verteilung linkssteil. Weitere Analysen zeigen, dass sowohl im Bereich des schwachen als auch im Bereich des starken Abschneidens Abweichungen von der Normalverteilung vorliegen.12 Sowohl der Kolmogorov-Smirnov-Test (p < .001) als auch der Shapiro-WilkTest (p < .001) weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine Normalverteilung handelt. Beide Instrumente zeichnen sich durch ihre hohe Sensibilität aus und überprüfen, ob eine ideale Normalverteilung vorliegt (Reisinger/Svencik/ Schwetz 2012, S. 17). Da nur wenige Fälle von der Normalverteilung abweichen und sowohl Schiefe als auch Kurtosiskoeffizient das kritische Niveau (Koeffizient 12 Zur Kontrolle von Abweichungen wurde ein Q-Q-Plot ausgegeben und untersucht (Vgl. Reisinger/Svencik/Schwetz 2012, S. 9).

Explorative Datenanalyse

249

Abbildung 13: Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Beschreibe-Teilaufgabe im PräTest

geteilt durch zugehörigen Standardfehler; +/- 1,96) nicht überschneiden, kann die Verteilung dennoch als annähernd normalverteilt betrachtet werden (Vgl. Reisinger/Svencik/Schwetz 2012, S. 12f). Auch extreme Ausreißer sind nicht im Datensatz enthalten. Wie die Ergebnisse der explorativen Datenanalyse zeigen, liegen bei sechs Schüler*innen (GEKHKo8c-23, GEKHKo8d-10, GEKHKo8e04, GEKHKo8e-13, GEKHKo8e-16, PODFDd8a-18) geringe Abweichungen nach oben vor, jedoch handelt es sich lediglich um leichte Ausreißer, die nicht aus dem Datensatz entfernt werden müssen. Da das Kategoriensystem als standardisiertes und valides Messinstrument betrachtet werden kann, welches die Einschätzung der Schüler*innenleistungen im Vergleich zueinander erlaubt, werden die erhobenen Daten als metrische Werte (Vgl. Bortz/Döring 2016, S. 233) betrachtet und entsprechende Analyseverfahren angewandt.

6.3.2 Erklären Gleiches gilt auch für die Auswertung der Erkläre-Teilaufgabe. In beiden Schreibaufgaben lautet die Aufgabenstellung der Erkläre-Teilaufgabe: »Warum können über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden? Erkläre ausführlich«. Verwiesen wird auf den Darstellungstext und die Quellenaus-

250

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

schnitte, die zur Lösung der Aufgabe genutzt werden sollen. Die höchste erreichbare Punktzahl in der kategoriengestützten Auswertung der Teilaufgabe beträgt 20 Punkte, der von den Schüler*innen erreichte Mittelwert liegt bei 41,83 %. Die Standardabweichung fällt mit 13,24 % etwas geringer als bei der Beschreibe-Teilaufgabe aus. Der minimale Wert der Aufgabenbearbeitung liegt bei 10 %, das Maximum bei 75 %. Genau wie beim Beschreiben ist die Verteilung linkssteil, jedoch leicht nach unten gestaucht.

Abbildung 14: Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

Sowohl der Kolmogorov-Smirnov-Test (p = .001) als auch der Shapiro-Wilk-Test (p = .005) verdeutlichen, dass keine Normalverteilung vorliegt. Wenngleich nicht so ausgeprägt wie beim Beschreiben, so zeigen sich auch beim Erklären leichte Abweichungen von der linearen Verteilung.13 Ausreißer liegen im Datensatz hingegen nicht vor. Beachtet man die Sensibilität der Instrumente, so bietet es sich jedoch auch bei der Erkläre-Teilaufgabe an, von einer Normalverteilung auszugehen. Im Vorfeld der Datenanalyse ist zudem festzuhalten, dass weder für die Beschreibe- noch für die Erkläre-Teilaufgabe signifikante Unterschiede zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe nachzuweisen sind (Beschreiben: MKG = 8/36,36 %, SD = 3,21/14,46 %; MIG = 8,1/36,81 %, SD = 3,1/14,11 %; F(1) = .054, p = .816, n = 243; Erklären: MKG = 8,67/43,38 %, SD = 2,65/13,27 %; MIG = 8,16/40,81 %, SD = 2,63/13,17 %; F(1) = 1.950, p = .164). Die Stichprobe 13 Auch hier wurde zur Überprüfung ein Q-Q-Plot ausgewertet.

251

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

kann dementsprechend im Rahmen der kategoriengestützten Betrachtung der fachlichen Schreibfähigkeiten als Gesamtheit betrachtet werden.

6.4

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

6.4.1 Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben Textlänge Bei der Betrachtung der Textprodukte, die die Schüler*innen bei der Bearbeitung der Beschreibe-Teilaufgabe verfasst haben, lässt sich zunächst deren Kürze feststellen. Mehr als ein Viertel der Texte (27,8 %) umfasst lediglich einen Satz. Die maximale Textlänge liegt bei zehn Sätzen, im Durchschnitt sind die Textprodukte etwa drei Sätze lang (M = 2,98, SD = 2,028). Nahezu die Hälfte der Stichprobe verfasst dementsprechend kurze Beschreibungen, lediglich 3,3 % der Schüler*innen produzieren einen Text, der acht bis zehn Sätze umfasst. Die durchschnittliche Wortzahl der Schreibprodukte liegt bei M = 48,57 (SD = 27,405). 3,7 % der Schüler*innen ist es gelungen, eine Beschreibung mit weniger als zehn Wörtern zu formulieren. Das Maximum liegt bei 133 Wörtern. Die Satzlänge, die hier berechnet wird, indem die durchschnittliche Anzahl der Wörter durch die mittlere Textlänge geteilt wird, zeigt, dass die Sätze in etwa 16,3 Wörter umfassen. Dementsprechend ist anzunehmen, dass die Schüler*innen ihre Beschreibungen in wenigen, dafür längeren Sätzen verfassen (Vgl. Wickner 2019, S. 137). Zwischen der Textlänge und dem Abschneiden in der Beschreibe-Teilaufgabe besteht ein signifikanter Zusammenhang (r = .302, p < .001). Die nach Spearman erhobene Korrelation greift, auf Grund der hohen Anzahl an Wörtern pro Satz, auf die Wortzahl als Marker der Textlänge zurück. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass Schüler*innen die umfassendere Textprodukte verfassen, in diesen mehr der mit Hilfe des Kategoriensystems erfassten fachsprachlichen Mittel erfüllen, als diejenigen Proband*innen, die kurze Texte produzieren. n= 243 ein Satz Anteil

27,8 %

2–4 Sätze

5–7 Sätze

8–10 Sätze

52,3 %

16,6 %

3,3 %

Tabelle 38: Textlänge in der Beschreibe-Teilaufgabe

Kategoriengestützte Betrachtung der Sprachhandlungsfähigkeit Eine Einschätzung der Fähigkeiten von Schüler*innen in der fachsprachlichen Handlung Beschreiben erlaubt darüber hinaus die Betrachtung der einzelnen Items, mit deren Hilfe die sprachlichen Fähigkeiten im Kategoriensystem erho-

252

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

ben werden. Dabei wird die fachliche Schreibfähigkeit im Beschreiben als ein Gesamtkonstrukt betrachtet. Zwar lassen sich die Items formal den Schwerpunkten der inhaltlichen und fachlichen Vollständigkeit auf der einen, und der adressatenorientierten, kohärenzstiftenden Verwendung fachsprachlicher Mittel auf der anderen Seite zuordnen, doch sprechen die Cronbachs-Alpha-Werte nicht für die Modellierung von zwei Konstrukten. Während sich für das aus fünf Items (Einleitungssatz, Schilderung I & II, Problematisierung, Beschreibendes Fazit) bestehende Konstrukt »fachliche Vollständigkeit und Präzision« ein Cronbachs Alpha von .606 ermitteln lässt, liegt der Wert für das Konstrukt »fachsprachliche Mittel« (Bezüge, Konnexion, Tempus, Unpersönlichkeit, Konjunktiv, Graduierende Formulierungen) lediglich bei .374 und damit außerhalb eines akzeptablen Rahmens. Dementsprechend soll die fachliche Schreibfähigkeit im Hinblick auf den Operator Beschreiben als Gesamtkonstrukt betrachtet werden. Wie die Überprüfung mit Hilfe einer einfaktoriellen ANOVA zeigt, besteht kein signifikanter Unterschied zwischen den von den Schüler*innen erreichten Gesamtscores in beiden Schreibaufgaben (F(1) = .001, p = .977). Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass die Bearbeitung der Schreibaufgaben »Der Bau der Pyramiden« und »Die Olympischen Spiele« den Schüler*innen in einem ähnlichen Maß und Umfang gelungen ist. Item

zum Teil erfüllt

vollständig erfüllt

74,1 %

17,3 %

8,6 %

Schilderung I Schilderung II

69,5 % 66,3 %

23,0 % 26,3 %

7,4 % 7,4 %

Problematisierung Beschreibendes Fazit

66,3 % 84,0 %

32,1 % 12,3 %

1,6 % 3,7 %

Bezüge (kausal, final, konsekutiv) Konnexion (Kontrast)

19,8 % 43,6 %

17,7 % 46,9 %

62,6 % 9,5 %

Tempus Unpersönlichkeit

2,5 % 0,4 %

14,0 % 1,6 %

83,5 % 97,9 %

Konjunktiv

79,8 %

20,2 %

Graduierende Formulierungen

95,1 %

4,9 %

n=243 Einleitungssatz

Rating nicht erfüllt

Tabelle 39: Prozentuale Verteilung der Item-Werte in der Teilaufgabe Beschreiben

Die prozentuale Verteilung bestätigt, dass ein großer Teil der Stichprobe nicht in der Lage ist, alle strukturellen Merkmale und sprachlichen Mittel, die zur Realisierung einer Beschreibung als notwendig erachtet werden, zu realisieren. Die Textrahmung, dargestellt durch Einleitungs- und Schlusssatz der Beschreibung,

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

253

wird von mehr als drei Viertel der Proband*innen nicht angemessen umgesetzt. Wie die Analyse der Interviewerhebung sowie ausgewählter Schreibprodukte zeigen konnte, verfügen nur wenige Schüler*innen über ausreichendes Sprachhandlungswissen, welches zur Realisierung der sprachlichen Handlungen abgerufen werden kann. Somit lässt sich annehmen, dass das Fehlen textrahmender Elemente nicht auf fehlende sprachliche Fähigkeiten zurückzuführen ist, sondern auf einen Mangel an Sprachhandlungs- bzw. Textsortenwissen. Da den Schüler*innen womöglich nicht bewusst ist, dass die Bearbeitung der Aufgabenstellung ein durch Einleitung und Schlusssatz strukturiertes Textprodukt erfordert, formulieren sie diese Textteile nicht aus. Auch im Hinblick auf Vollständigkeit und Präzision der Beschreibung zeigt sich das Potential zur Weiterentwicklung der textsortenbasierten Schreibfähigkeiten der Schüler*innen. Sowohl die beiden Theorien zum Pyramidenbau als auch die zeitgenössischen Einschätzungen zu den Olympischen Spielen werden von den Proband*innen nur in 7,4 % der Fälle vollständig beschrieben. Die Problemstellung, die durch die präzise Beschreibung der verschiedenen Positionen bzw. Theorien herausgearbeitet werden sollte, ist nur in 1,6 % der Fälle deutlich nachvollziehbar. Dabei ist es durchaus möglich, dass Schüler*innen eine der Theorien oder zeitgenössischen Einschätzungen umfangreich darlegen, die andere jedoch vollständig auslassen. In anderen Fällen werden beide Aspekte angerissen, die knappe und unpräzise Beschreibung verhindert jedoch den Nachvollzug der Problemstellung. Im Hinblick auf die textsortenspezifische Nutzung der fachsprachlichen Mittel zeigt sich ein heterogeneres Bild. Fast alle Proband*innen sind in der Lage, die Beschreibungen unter Berücksichtigung der angemessenen Zeitformen zu verfassen, d. h. im Präsens oder Präteritum. Fast die gesamte Stichprobe verfasst die Beschreibung darüber hinaus in unpersönlicher Form. Dazu werden sowohl Passivstrukturen als auch die man-Form verwendet. Über 60 % der Schüler*innen strukturiert das Textprodukt durch kausale, finale oder konsekutive Bezüge. Berücksichtigt man die Erkenntnisse von Memminger (2009), der herausgestellt hat, dass das Herstellen sinnvoller sprachlicher Verknüpfungen eine erhebliche Herausforderung für Lernende darstellt, handelt es sich hier um einen besonders hohen Wert. Da es möglich ist, sprachliche Verknüpfungen auf verschiedene Weise herzustellen, wurden alle Formen als angemessen betrachtet und fließen in der Sammelkategorie »Bezüge« in den Summenscore ein. Betrachtet man jedoch die einzelnen Items wird deutlich, dass die Schüler*innen ihre Textprodukte vor allem mit Hilfe konsekutiver Bezüge strukturieren. Kausale und finale Verknüpfungen werden von rund 65 % der Stichprobe nicht genutzt. Nur wenige Schüler*innen verwenden in ihren Texten mehr als drei Bezüge, um sprachliche Verknüpfungen herzustellen. Berücksichtigt man die Kürze der meisten Textprodukte ist es wenig überraschend, dass zum Teil weder Konjunktionen noch

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Adverbien oder Präpositionen verwendet werden, um sprachliche Bezüge herzustellen. Zudem sind viele Texte parataktisch formuliert. Thema-Rhema-Verbindungen werden in diesen Texten hauptsächlich inhaltlich hergestellt, während die Schüler*innen auf sprachliche Mittel zur Textstrukturierung verzichten. Bezüge

Rating kausale Bezüge finale Bezüge konsekutive Bezüge

keine Bezüge 65 % 65 % 35,4 %

1–3 Bezüge 33,7 % 30,9 % 58,4 %

mehr als 3 Bezüge 1,2 % 4,1 % 6,2 %

Tabelle 40: Verwendete Bezüge in der Beschreibe-Teilaufgabe

Auffallend wenige Schüler*innen setzen in ihren Texten sprachliche Mittel zur Distanznahme ein. Während rund 20 % der Stichprobe den Konjunktiv nutzen, um die Theorien der Wissenschaftler*innen bzw. die Aussagen von Zeitgenoss*innen zu beschreiben, verwenden nur knapp unter 5 % der Proband*innen graduierende Formulierungen. Wenngleich Pandel (2015, S. 130) die Verwendung von Adverbien zur Angabe der Faktualitätsgrade als wesentliche Komponente historischer Fachsprache bestimmt, sind die Schüler*innen nicht in der Lage, entsprechende sprachliche Mittel in der Beschreibung zu realisieren. Die Überlegung, dass Schüler*innen bei der Bearbeitung der Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« mehr graduierende Formulierungen nutzen, da sie zu den wissenschaftlichen Theorien eher eine kritische Distanz aufbauen können, als zu zeitgenössischen Einschätzungen eines Sachverhalts, spiegelt sich in den erhobenen Daten nicht wider. Während die Schüler*innen bei der Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« nur in 4,8 % der Fälle graduierende Formulierungen in angemessener Weise nutzen, fließen bei der Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« bei 5,1 % der Schüler*innen z. B. Gradadverbien in den Text ein. Ein signifikanter Unterschied zwischen den Schreibaufgaben besteht jedoch auch im Hinblick auf die betrachtete Kategorie »Graduierende Formulierungen« nicht (F(1) = .010, p = .919, n = 243). Die Ergebnisse weisen Parallelen zu den Untersuchungen von Schönemann/Thünemann/Zülsdorf-Kersting (2010) auf, die im Hinblick auf schriftliche Abiturprüfungen herausstellen konnten, dass Lernende oft nicht in der Lage sind, sprachliche Distanzierung zu Quellenaussagen herzustellen. Die in der entsprechenden Studie betrachteten Schüler*innen sind älter als die in der vorliegenden Erhebung betrachteten Proband*innen, sie haben sich im Geschichtsunterricht der gymnasialen Oberstufe womöglich intensiver mit historischen Lerngegenständen beschäftigt als die Schüler*innen, die den Gesellschaftslehreunterricht der Jahrgangsstufe Sieben und Acht besuchen. Dementsprechend anschlussfähig ist das Resultat der explorativen Da-

255

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

tenanalyse, dass darauf verweist, dass die Schüler*innen kaum graduierende Formulierungen verwenden. Um die Leistungen der Schüler*innen differenzierter betrachten zu können und diese – ähnlich wie in der qualitativen Erhebung – genauer einschätzen zu können, werden die Lernenden im Folgenden in drei Gruppen eingeteilt, die unter-, über- und durchschnittliche Leistungen abbilden. Zur Einteilung der Gruppen sind verschiedene Verfahren möglich.14 Eine Einteilung anhand der maximal zu erreichenden Punktzahl ermöglicht eine objektive Beurteilung der Schreibleistungen, birgt jedoch die Gefahr von Bodeneffekten, da insgesamt nur wenige Proband*innen einen hohen Gesamtscore erzielen konnten. Stattdessen werden die Gruppen ausgehend vom erreichten arithmetischen Mittel der Stichprobe eingeteilt. Zur Bestimmung der Scores, die die Gruppen umfassen, wird die Standardabweichung herangezogen. Dementsprechend werden zur Gruppe der Lernenden mit durchschnittlicher (bzw. mittlerer) fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben die Proband*innen gezählt, die in einem Bereich von einer halben Standardabweichung über bzw. unter dem Mittelwert liegen (36,64 % +/- 0,5 * 14,27 %). Als unterdurchschnittlich/schwach oder aber überdurchschnittlich/stark werden die Schüler*innen betrachtet, deren Leistung sich jeweils unter bzw. über dem jeweiligen Grenzwert einordnen lässt. Gruppe schwach

Anteil in % 34,2 %

M 22,07 %

SD 4,66 %

Min. 9,09 %

Max. 27,27 %

mittel stark

35 % 30,9 %

35,56 % 54 %

3,44 % 9,15 %

31,82 % 45,45 %

40,91 % 77,27 %

Tabelle 41: Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen in der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test nach Gruppen

Um zu untersuchen, ob signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen in der Beschreibe-Aufgabe bestehen, wird eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Zur Überprüfung der Varianzhomogenität wird der Levene-Test betrachtet, der eine Verletzung der Varianzhomogenität zeigt (p < .001). Aus diesem Grund wird die robustere Welch-ANOVA zum Vergleich der Mittelwerte herangezogen. Diese zeigt, dass ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen angenommen werden kann (p < .001). Der Games-Howell post-hoc Test belegt darüber hinaus, dass sich diese Unterschiede (p < .001) sowohl zwischen der Gruppe der schwa-

14 Möglich ist es auch, durch Perzentile Gruppen anzulegen. Dieses Verfahren bietet sich vor allem dann an, wenn durch die Einteilung ausgehend vom Mittelwert Gruppen gebildet werden, die in ihrer Größe deutlich voneinander abweichen. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten gruppenspezifischen Datenanalysen nehmen jedoch stets Gruppen in den Blick, die etwa gleich groß sind.

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

chen und mittleren Schüler*innen (- 13.49, 95 - CI [- 14.99, - 11.99]), als auch zwischen der Gruppe der mittleren und starken Schüler*innen (-18.44, 95 – CI [-21.11, -15.77]) nachweisen lassen. Die größten Unterschiede liegen zwischen den schwachen und den starken Schüler*innen (- 31.93, 95 – CI [-34.72, -29.14]). Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Ergebnisse der Schüler*innen ein breites Leistungsspektrum abdecken. Zwischen schwachen Lernenden, die nur über geringe fachliche Sprachhandlungsfähigkeiten im Beschreiben verfügen, und Schüler*innen, die besonders überzeugende Schreibprodukte verfassen, besteht ein statistisch nachweisbarer Unterschied. Die Schüler*innen verfügen dementsprechend über verschiedene Voraussetzungen, die sich auf die Bearbeitung operatorengestützter Schreibaufgaben auswirken. Auch der Vergleich der Scores, die die Schüler*innen der Jahrgangsstufen Sieben und Acht im Durchschnitt erzielt haben, lässt überdies erhebliche Unterschiede deutlich werden. Jahrgangsstufe 7

Jahrgangsstufe 8

n 122

121

M Med

7,17 7

32,60 % 31,82 %

8,96 9

40,72 % 40,91 %

SD Min

2,66 2

12,10 % 9,09 %

3,33 3

15,16 % 13,64 %

Max 15 68,18 % 17 77,27 % Tabelle 42: Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen in der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test nach Jahrgangsstufen

Während die Schüler*innen der siebten Jahrgangsstufe durchschnittlich 32,60 % des Gesamtscores erreichen konnten, erzielten die Lernenden, die bereits die achte Jahrgangsstufe besuchen etwa 8 % mehr und erfüllten somit 40,72 % der kategoriengestützten Auswertung. Die durchgeführte ANOVA zeigt, dass ein signifikanter Unterschied zwischen den Jahrgangsstufen besteht (F(1) = 21.316, p < .001, Cohens d = 0.594). Die Effektstärke liegt im mittleren Bereich. Zudem lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Jahrgangsstufe und dem in der Teilaufgabe erreichten Gesamtscore nachweisen (r = .285, p < .001, Korrelation nach Pearson). Lernende der achten Jahrgangsstufe weisen somit weiter entwickelte fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben auf als Schüler*innen, die die Jahrgangsstufe Sieben besuchen. Das Ergebnis bestätigt die von Wickner (2019, S. 140) herausgearbeitete Erkenntnis, dass Schüler*innen der achten Jahrgangsstufe über signifikant höhere sprachliche sowie fachsprachliche Schreibfähigkeit verfügen als Schüler*innen, die die siebte Jahrgangsstufe besuchen.

257

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

Zwischen dem Alter der Proband*innen (kvfbt1age) und dem Gesamtscore der Beschreibe-Teilaufgabe besteht hingegen kein signifikanter Zusammenhang (r = .095, p = .164, n = 214). Bodo von Borries (2011) stellt anhand verschiedener Modelle heraus, dass die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins und der Fähigkeiten, die Schüler*innen beim historischen Denken einsetzen, wesentlich an die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten gebunden sind und somit mit fortschreitendem Alter weiter ausdifferenziert werden. Da das Verfassen historischer Beschreibungen einen spezifischen Ausschnitt der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit abbildet, ist anzunehmen, dass sich die Fähigkeiten nicht automatisch mit der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins ausgestalten, sondern die fachlichen und fachsprachlichen Anforderungen zur Realisierung von Beschreibungen explizit vermittelt werden müssen. Weitere Einsichten in das Konstrukt und die Fähigkeiten der Schüler*innen im Beschreiben werden durch eine RASCH-Analyse gewonnen, die mit Hilfe von WINSTEPS (Boone et al. 2013) durchgeführt wird. Item Einleitungssatz

Wert Measure Score S.E. Infit MNSQ 1,25 84 ,12 1,38

Infit ZSTD 3,13

Outfit MNSQ 1,46

Outfit ZSTD 1,78

Schilderung I Schilderung II

1,13 1,02

92 100

,12 ,12

,86 ,77

-1,41 -2,47

,86 ,58

-,58 -2,28

Problematisierung Beschreibendes Fazit

1,22 1,93

86 48

,12 ,15

,47 ,95

-6,05 -,30

,50 ,65

-2,59 -1,23

Bezüge Konnexion

-1,70 ,30

347 160

,11 ,10

1,03 ,72

,30 -3,66

1,29 ,72

1,83 -2,06

Tempus Unpersönlichkeit

-3,30 -5,58

440 480

,17 ,41

1,14 1,49

,91 1,16

1,74 2,95

2,06 2,03

Konjunktiv Graduierende Formulierungen

1,05 2,69

98 24

,12 ,21

1,38 1,81

3,37 3,15

,95 2,06

-,16 2,11

Tabelle 43: Rasch Item-Statistik zu den Items der Beschreibe-Teilaufgabe

Erkenntnisse bieten dabei zunächst die Item-Statistiken. Der Measure-Wert bildet die Itemschwierigkeit ab. Bei Items mit hohem Measure-Wert, z. B. der Kategorie »Graduierende Formulierungen« ist es für Schüler*innen somit schwieriger das Rating »vollständig erfüllt« zu erhalten als bei den durchschnittlich leichteren Items wie beispielsweise der Kategorie »Unpersönlichkeit«. Der Score zeigt darüber hinaus die Summe aller Ratings zu dem jeweiligen Item an. Ein hoher Measure-Wert geht mit einem geringen Score einher, wohingegen sich ein geringer Measure-Wert in einem hohen Score widerspiegelt. Für die Kategorie »Graduierende Formulierungen« liegt der Score lediglich bei 24, wo-

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

hingegen die Kategorie »Unpersönlichkeit« einen Score von 480 aufweist. Teilt man den Score dieses Items durch die Anzahl der Proband*innen so zeigt sich, dass diese im Mittel 1,97 von 2 Punkten erreicht haben. Wie bereits aus dem deskriptiven Überblick über die Itemverteilung im Prä-Test deutlich wurde, ist es also fast allen Schüler*innen gelungen, die Beschreibung unter Anwendung unpersönlicher Formen zu verfassen. Zu den Kategorien, deren Realisierung sich für die Schüler*innen besonders herausfordernd darstellte, zählen die »Graduierenden Formulierungen« und der »Konjunktiv« auf Ebene der sprachlichen Mittel sowie die textrahmenden Elemente »Einleitung« und »Fazit« im Hinblick auf textstrukturelle Besonderheiten der Sprachhandlung. Items, die von einem Großteil der Stichprobe angemessen realisiert werden konnten, sind neben der »Unpersönlichkeit« auch »Tempus« und sprachliche »Bezüge«. Während Measure- und Score-Wert die Erkenntnisse der explorativen Datenanalyse widerspiegeln, bieten die Infit- und Outfit-Werte weitere Einsichten zu den Schreibaufgaben. Durch die Betrachtung der Werte können z. B. Störvariablen ausgemacht werden, die nicht zur Messung des angestrebten Konstrukts, hier der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben in der Textsorte des historischen Sachurteils, beitragen, sodass diese im Anschluss ausgeschlossen werden können. Während der Infit-Wert die Passung von Werten, die im näheren Bereich der durchschnittlichen Personenfähigkeit bei der Lösung des Items liegen betrachtet, lassen sich mit Hilfe des Outfit-Wertes Aussagen über Items, die weit entfernt von der durchschnittlichen Personenfähigkeit liegen, treffen. Der Mean-Square-Fit (MNSQ) zeigt den Grad der Verzerrung des Messystems. Hohe Werte bilden dabei Unvorhersehbarkeiten ab und lassen annehmen, dass die entsprechenden Werte nicht in das konstruierte Modell passen. Geringe Werte zeigen demgegenüber, dass die Daten überangepasst sind, sich also zu leicht vorhersagen lassen. Boone et al. (2013, S. 166) empfehlen deshalb die Schwellenwerte von 0.5–1.5, die einen Rahmen für Infit- und Outfit MNSQ darstellen. Betrachtet man den Infit MNSQ wird deutlich, dass alle Werte in diesem Rahmen liegen. Bei dem Outfit MNSQ zeigen sich jedoch Auffälligkeiten bei den Kategorien »Tempus«, »Unpersönlichkeit« und »Graduierende Formulierungen«. Es handelt sich um Items, bei denen die Proband*innen besonders schwer oder aber leicht das Rating »vollständig erfüllt« erzielten. Der Outfit-Wert von 1.74, der für die Kategorie »Tempus« vorliegt, kann als möglicherweise unproduktiv, aber nicht verzerrend für das Gesamtkonstrukt betrachtet werden (Vgl. Boone et al 2013, S. 166). Um den Unregelmäßigkeiten weiter auf den Grund zu gehen, bietet es sich an, die standardisierten Anpassungsstatistiken (ZSTD) heranzuziehen. Dieser Wert stellt das Ergebnis eines t-Tests dar, mit dem die Wahrscheinlichkeit ermittelt wurde, dass es sich bei der Schätzung der Modellpassung des Outfit MNSQ um ein zufällig zustande gekommenes Ergebnis handelt. Der hier angegebene Wert

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

259

von 2.03 bzw. 2.11 spricht für eine erkennbare Unvorhersehbarkeit der Daten, liegt jedoch knapp über dem von Linacre (2002) vorgeschlagenen Schwellenwert von 1.9. Betrachtet man die beiden Kategorien genauer, so wird deutlich, dass die durchschnittliche Personenfähigkeit nicht mit dem Rating der Kategorie »Unpersönlichkeit« steigt. Die Proband*innen, die in der Kategorie lediglich einen Punkt – also das Rating »zum Teil erfüllt« – erreicht haben, weisen eine durchschnittlich geringere Personenfähigkeit auf als diejenigen Schüler*innen, die für den Text überhaupt keine unpersönlichen Formulierungen genutzt haben. Für diese Unregelmäßigkeit lässt sich durchaus eine Erklärung entwickeln. Wie die Interviewerhebung gezeigt hat, verfügen einige Schüler*innen über Konzepte, mit denen sie die Schreibaufgabe bewältigen. Die Konzepte entsprechend jedoch nicht den fachlichen und sprachlichen Anforderungen, die im Geschichtsunterricht an eine Beschreibung herangetragen werden. Entwickeln diese Schüler*innen die Beschreibung aus ihrem Konzept der Sprachhandlung heraus, so verwenden sie möglicherweise zweckorientiert – und deshalb auch konsequent und durchgängig – persönliche Formen. Die Schüler*innen, die über kein auf alltags- oder bildungssprachlichen Fähigkeiten basierendes Konzept der Sprachhandlung besitzen, wechseln dementsprechend häufiger zwischen persönlichen und unpersönlichen Formulierungen. Bei der Kategorie »Graduierende Formulierungen« lassen sich hingegen keine Auffälligkeiten in der Schrittfolge der Personenfähigkeit in Bezug auf die Ratings feststellen. Weiteren Aufschluss bietet deshalb die Übersicht über Items, die zu Unregelmäßigkeiten im Konstrukt führen (»Table of poorly fitting Item«). Bei der Kategorie »Unpersönlichkeit« zeigen sich bei lediglich fünf Schüler*innen unerwartete Werte, bei der Kategorie »Graduierende Formulierungen« handelt es sich um zwölf Proband*innen. Während die Schüler*innen in der erstgenannten Kategorie schlechter als erwartet abschnitten, erzielten die entsprechenden Proband*innen im Hinblick auf die zweite Kategorie bessere Werte als ausgehend von ihrer durchschnittlichen Fähigkeit geschätzt. Schlussendlich werden beide Werte als Teil des Konstrukts beibehalten. Für beide Kategorien liegt der Outfit ZSTD in einem akzeptablen Bereich. Die unregelmäßige Verteilung, die bei der Kategorie »Unpersönlichkeit« aufgetreten ist, lässt sich durch theoretische Überlegungen erläutern. Darüber hinaus kommt es bei beiden Kategorien zu unerwarteten Ratings, die Gesamtzahl dieser liegt jedoch im Bereich von unter 5 %. Vorläufig lässt sich festhalten, dass die Schreibaufgabe Beschreiben sowohl leichte Items umfasst, also solche, die von der Mehrheit der Schüler*innen vollständig erfüllt wurden, als auch komplexere Items, die nur von einem geringen Teil der Schüler*innen vollständig und korrekt realisiert wurden. Zu den mehrheitlich erfüllten Items zählen die Kategorien »Bezüge«, »Tempus« und »Unpersönlichkeit«. Insgesamt scheinen die Schüler*innen dementsprechend kohärente Beschreibungen zu verfassen, in denen sie sprachliche Mittel ange-

260

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

messen einsetzen. Elaboriertere Texte fordern neben konsekutiven, kausalen oder finalen Bezügen im konkreten Beispiel der Teilaufgabe auch kontrastierende Kohäsionsmittel, um die Schilderungen der wissenschaftlichen oder zeitgenössischen Positionen sinnvoll miteinander zu verknüpfen und die Problemstellung herauszuarbeiten. Wenig überraschend ist, dass diese sprachlichen Mittel nur teilweise realisiert wurden, wenn man in Betracht zieht, dass auch die Positionen nur unzureichend geschildert wurden. Sofern die wissenschaftlichen Theorien bzw. zeitgenössischen Aussagen nicht als solche identifiziert wurden, stellt auch der Einsatz sprachlicher Distanzmittel wie z. B. des Konjunktivs keine Notwendigkeit für ein gelungenes Textprodukt dar und wird deshalb von den Schüler*innen nur teilweise realisiert. Wie bereits herausgearbeitet, verfügen zudem nicht alle Schüler*innen über Sprachhandlungs- und Textsortenwissen, weshalb textstrukturelle Merkmale wie ein beschreibendes »Fazit« ebenfalls zu den Items mit mittlerer Schwierigkeit gezählt werden können. Zu den besonders komplexen Items lassen sich der »Einleitungssatz« sowie die »Graduierenden Formulierungen« zählen. Dabei ist entscheidend, dass insbesondere diese Kategorien zu einer Steigerung der Textqualität beitragen. Erst durch eine sprachliche Distanznahme können historische Sachverhalte kritisch reflektiert werden. So gelingt es durch Gradadverbien, Hypothesen und Vermutungen aufzustellen, aber auch den Konstruktcharakter von Geschichte zu unterstreichen. In einem Satz, der in die Beschreibung einleitet, kann, wie auch im Fazit, das zentrale Thema oder leitende Aspekte der Beschreibung dargelegt werden. Hier ist anzunehmen, dass die Unvollständigkeit des Textprodukts weniger mit einem Mangel an Wissen über den jeweiligen Sachverhalt zurückzuführen ist, sondern sich vielmehr aus dem fehlenden Sprachhandlungs- bzw. Textsortenwissen ergibt. Entwicklung eines holistischen Messmodells zur Bewertung von operatorengestützten Beschreibe-Schreibaufgaben Um ein holistisches Messmodell zur Einschätzung und Bewertung von schriftlichen Beschreibungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht zu entwickeln, müssen im Zuge der Datenanalyse Zusammenhänge aufgedeckt werden, die zwischen den Items bestehen. Als explorative Faktorenanalyse wird ein Analyseverfahren bezeichnet, durch das verschiedene Variablen, die ein Konstrukt bestimmen (können) auf wenige Dimensionen zurückgeführt werden. Auf diese Weise ergeben sich Faktoren, d. h. ein Bündel von Items bzw. Variablen, durch die das Konstrukt vorhergesagt werden kann. Für den vorliegenden Datensatz bedeutet das, dass aus der Gesamtheit der zur Erhebung des Gesamtscores der Beschreiben-Teilaufgabe genutzten Kategorien verschiedene Faktoren gebildet werden sollen, von denen angenommen werden kann, dass sie die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben repräsentieren. Die explo-

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

261

rative Faktorenanalyse wird mit SPSS durchgeführt. Unterschiedliche Verfahren, wie bspw. die Hauptkomponentenanalyse oder die Hauptachsen-Faktorenanalyse können als geeignete Verfahren in Betracht gezogen werden. Auf Grund der genauen Passung zur Fragestellung wird jedoch die Maximum-Likelihood-Methode gewählt. Als Voraussetzung wird zunächst festgelegt, dass die Anzahl der extrahierten Faktoren größer als Eins sein soll.15 Wie die ausgegebenen Analyseergebnisse zeigen, können die Daten zur Durchführung der explorativen Faktorenanalyse genutzt werden (KMO = .729). Bestätigt ist auch, dass die Variablen signifikant miteinander korrelieren (Bartlett-Test: χ2(45) = 449.006, p < .001, n = 243). Die Anti-Image-Korrelationsmatrix, die der von SPSS ausgegebenen »Anti-Image-Matrix« entnommen werden kann, zeigt, ob einzelne Items für die Faktorenanalyse geeignet sind. Der dort angegebene MSA-Wert (Measure of Sampling Adequacy) sollte, sofern die Items in ihrer theoretischen Herleitung nicht als grundlegend für das zu bestimmende Konstrukt erklärt wurden, über .5 liegen. Unter diesem Schwellenwert befindet sich lediglich die für die Variable »Unpersönlichkeit« (gesat12ug) ausgegebene Wert von .441. Da sowohl in der explorativen Datenanalyse als auch in der RASCH-Analyse gezeigt werden konnte, dass das Item ungewöhnliche Werte aufweist, soll es an dieser Stelle aus der Analyse ausgeschlossen werden. Alle weiteren Variablen werden im Datensatz beibehalten. Die Tabelle »Kommunalitäten« beschreibt den Anteil, der von allen Faktoren erklärten Varianz, der einzelnen in die Analyse eingebrachten Variablen. Zentrale Informationen können aus dieser Tabelle nur dann entnommen werden, wenn eine bestimmte Anzahl von Faktoren aus der Analyse hervorgehen soll. Die Tabelle »Erklärte Gesamtvarianz« bildet hingegen ab, wie viele Faktoren für das Konstrukt angenommen werden können und wie hoch der Anteil der durch die Faktoren erklärten Varianz ist. Betrachtet wird die rotierte Summe der quadrierten Ladungen, die auch den prozentualen Anteil der kumulierten Varianzaufklärung angibt. Aus der explorativen Faktorenanalyse gehen vier Faktoren hervor, die die Gesamtvarianz des Konstrukts fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben zu 41,08 % aufklären. Der erste Faktor trägt mit 24,33 % am meisten zur Varianzaufklärung bei, für den vierten Faktor liegt der Anteil der Varianzaufklärung bei lediglich 2,16 %. Für den zweiten Faktor beträgt der Anteil der Varianzaufklärung 9 %, der dritte Faktor trägt mit 5,59 % zur Varianzaufklärung bei.

15 Wenn die Anzahl der Faktoren gleich Eins ist, so ist anzunehmen, dass alle in die explorative Datenanalyse einbezogenen Items bzw. Variablen (nicht) auf das Konstrukt laden. Es kann demzufolge nicht durch verschiedene Faktoren vorhergesagt oder aufgeklärt werden, sondern ist als Gesamtkonstrukt zu betrachten.

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Der von SPSS ausgegebene Screenplot kann als visuelle Darstellung des Eigenwerteverlaufs herangezogen werden. Dabei ist zunächst das Kaiser-Guttmann-Kriterium zu beachten, das voraussetzt, dass ein Faktor mehr zur Aufklärung des Konstrukts beiträgt als eine einzelne Variable (Moosbrugger/Kelava 2012, S. 330). Dementsprechend sollte der Eigenwert, den die Faktoren, die extrahiert werden sollen, annehmen, größer als Eins sein. Demzufolge könnten vier Faktoren extrahiert werden. Neben dem Kaiser-Kriterium kann die visuelle Überprüfung des Knickpunkts, nach dem sich der Verlauf des Eigenwerts der xAchse annähert, als weiteres Entscheidungskriterium für die Extraktion der Faktoren betrachtet werden. Beim »Knick« des Eigenwerteverlaufs wird die Extraktion der Werte in der Regel abgebrochen, sodass ein Faktor abgezogen werden muss (Moosbrugger/Kelava 2012, S. 331). Dementsprechend könnte von zwei Faktoren ausgegangen werden. Die dritte Möglichkeit der Überprüfung stellt das Kriterium des Eigenwertabfalls dar. Nach diesem Kriterium werden lediglich die Faktoren betrachtet, die vor dem deutlichen Abfall der Eigenwerte situiert sind. Orientiert am Eigenwertabfall ließe sich lediglich ein Konstrukt konstruieren. Hier zeigen sich Parallelen zu den bereits ermittelten Cronbachs-Alpha-Werten der theoretisch angenommenen Konstrukte, die keine hinreichenden Werte angenommen haben. Da die ersten drei Faktoren über ein Drittel der Varianz (47,7 %) aufklären, wird von einem Konstrukt, welches sich aus drei Faktoren zusammensetzt, ausgegangen. Die zudem von SPSS ausgegebene Faktorenmatrix zeigt, in welchem Maß die Variablen mit den extrahierten Faktoren korrelieren. Genauere Aussagen lässt jedoch die rotierte Faktorenmatrix zu, die die Korrelation zwischen Variablen und Faktoren unter der Annahme ausgibt, dass jede Variable nur auf einen der Faktoren lädt und für die anderen Faktoren lediglich geringe Ladungen anzunehmen sind. Die rotierte Faktormatrix gibt Auskunft darüber, welche Variablen sich welchem Faktor zuordnen lassen. Sie bestimmt somit die inhaltliche Interpretation der explorativen Faktorenanalyse. Als Extraktionsmethode wird das Schätzverfahren Maximum Likelihood gewählt. Das Verfahren wählt aus allen Werten der entsprechenden Variablen diejenigen aus, durch die das Konstrukt am besten vorhergesagt werden kann. Als Rotationsmethode wird die Varimax mit Kaiser-Normalisierung genutzt. Die rotierte Faktorenmatrix zeigt, dass einige Variablen stark mit mehr als einem Faktor korrelieren. Neben der Annahme, dass die höhere Korrelation die Zugehörigkeit einer Variablen zu einem Faktor bestimmt, können auch theoretische Begründungen formuliert werden, die die Zuordnung rechtfertigen. Das Item »Einleitungssatz« (gesat12de) lässt sich zusammen mit dem Item »Sachgerechtes Fazit« zu einem Faktor zusammenfassen, wenngleich das letztgenannte Item auch auf einen weiteren Faktor hohe Ladung zeigt. Aus den funktional-

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Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

pragmatischen und fachdidaktischen Überlegungen geht jedoch hervor, dass beide Variablen textrahmende Funktion in der Beschreibung einnehmen und zur Textkohärenz beitragen, sodass sie als zusammengehörige Variablen dem Faktor »Textrahmung« untergeordnet werden können. Auf den zweiten Faktor laden die Variablen »Problematisierung« (gesat12pb) und »Konjunktiv« (gesat12koj). Bei der erstgenannten Variablen zeigen sich Ladungen auf den dritten, im folgenden dargestellten Faktor, jedoch fallen diese deutlich schwächer aus, sodass die »Problematisierung« dem zweiten Faktor zugeordnet wird. Der Einfluss der Variablen auf die Sprachhandlung liegt vor allem in der kritischen Reflexion des zu beschreibenden Sachverhalts. Der Faktor bildet damit in Ansätzen die Fähigkeit der Lernenden zur historischen Sinnbildung ab, da sowohl durch eine gelungene Problematisierung als auch durch die Verwendung des Konjunktivs zur sprachlichen Distanzierung von Aussagen der Historiker*innen oder Zeitgenoss*innen nachvollzogen werden kann, inwiefern die Schüler*innen in der Lage sind, eine kohärente Beschreibung eines vergangenen Sachverhalts zu produzieren. Angeknüpft wird dabei an die Definition des historical reasoning von Drie/Boxtel (2008, S. 89), die den Begriff als »activity in which a person organizes information about the past in order to describe, compare, and/or explain historical phenomena« beschreiben. Ladungen auf den dritten Faktor zeigen sich bei den Variablen »Schilderung I« (gesat12t1_uc) und »Schilderung II« (gesat12t2_uc) sowie den Kategorien »Bezüge« (gesat12ak) und »Kohäsion« (gesat12kxk_uc), die sprachliche Mittel abbilden. Gemeinsam ist den Items, dass sie nachweisen, inwiefern den Lernenden eine vollständige und kohärente Beschreibung, die alle Aspekte des historischen Sachverhalts umfasst und in einen sinnvollen, nachvollziehbaren Zusammenhang bringt, gelingt. Der Faktor kann dementsprechend als »vollständige, kohärente Beschreibung« bezeichnet werden. Faktornr. % der Faktorname Varianz 1 22,90 vollständige, kohärente Beschreibung 2

17,44

3

7,35

Variablen Schilderung I (.555), Schilderung II (.716), Bezüge (.443), Kohäsion (.617)

historische Sinn- Problematisierung (.760), Konbildung junktiv (.470) Textrahmung Einleitungssatz (.422), Sachgerechtes Fazit (.635)

Cronbachs Alpha .661 .583 .352

Tabelle 44: In der explorativen Faktorenanalyse extrahierte Faktoren des Konstrukts fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben

Für die Variablen »Tempus« (gesat12tp) und »Graduierende Formulierungen« ist keine Faktorladung die über .3 liegt nachzuweisen. Sie korrelieren damit nicht in ausreichender Weise mit den extrahierten Faktoren. In vorherigen

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Analysen wurde bereits die geringe Trennschärfe der Items, die auffälligen Measure- und Outfit-MNSQ-Werte sowie die geringen MSA-Werte in der explorativen Faktorenanalyse herausgestellt. Dementsprechend wird angenommen, dass die Items die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben nicht zufriedenstellend voraussagen. Möglich ist, dass das Items »Tempus« vielmehr Teil fachunspezifischer, also allgemein bildungssprachlicher Fähigkeiten ist, als dass es einen Aspekt historischer Fachsprache abdeckt. Anders als von Pandel (2015, S. 128) angenommen, würde der Tempusgebrauch dann kein spezifisch fachliches Kriterium darstellen. Im Hinblick auf ein zu entwickelndes Messmodell lässt sich festhalten, dass das Items als Grundlage der Sprachhandlung und damit als Voraussetzung für historische Beschreibungen betrachtet werden kann, jedoch nicht als Qualitätsmerkmal des Textprodukts bewertet werden sollte. Das Item »Graduierende Formulierungen« wurde hingegen lediglich von einem geringen Teil der Stichprobe angemessen realisiert. Die Überlegung Pandels (2015, S. 130), die Verwendung von Adverbien zur Angabe von Faktualitätsgraden historischer Darstellungen als spezifisches Merkmal der Fachsprache zu charakterisieren, ist überzeugend, jedoch gestaltet sich die sprachliche Umsetzung für einen erheblichen Teil der Stichprobe zu komplex. Dementsprechend fließt die Kategorie zwar als Item, das die Qualität der Textsorte Historisches Sachurteil und damit der Sprachhandlung Beschreiben bestimmt, in die kategoriengestützte Auswertung der Schreibaufgaben ein, doch kann die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit durch dieses Items nicht ausreichend bestimmt werden. Auf Grund der niedrigen Cronbachs-Alpha-Werte des dritten Faktors wird eine zweite Faktorenanalyse durchgeführt, die lediglich zwei Faktoren modelliert. Der Anteil der Varianzaufklärung verringert sich auf 31,84 %, wobei der erste Faktor in höherem Maß zur Aufklärung der Varianz beiträgt. Keine Faktorladung zeigen die Items »Einleitungssatz«, »Tempus« und »Graduierende Formulierungen«, die auch in der Anti-Images-Korrelations-Matrix Werte aufweisen, die lediglich knapp über dem Schwellenwert von .5 liegen. Die neu berechneten Faktoren setzen sich zusammen, wie in Tabelle 53 gezeigt. Zwei Items, »Problematisierung« und »Konjunktiv« laden auf beide Faktoren, weisen jedoch höhere Zugehörigkeit zum zweiten Faktor auf und sollen diesem deshalb zugeordnet werden. Der Faktor »vollständige, kohärente Beschreibung« bleibt in beiden Analysen konstant, Änderungen treten lediglich im Hinblick auf den Faktor »historische Sinnbildung« auf, zu dem das »Sachgerechte Fazit« neu hinzutritt. Ähnlich wie für das Item »Problematisierung« kann für die Variable »Sachgerechtes Fazit« angenommen werden, dass sie die Fähigkeit zur historischen Sinnbildung widerspiegelt. Ein angemessenes Fazit gelingt den Schüler*innen nur dann, wenn sie die zentralen Aspekte der Beschreibung aufgegriffen und dargestellt haben. Die zweifaktorielle Modellierung des Konstrukts

265

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

ergibt zufriedenstellende Cronbachs-Alpha-Werte, sodass von einer höheren Passung des Modells ausgegangen werden kann. Faktornr. % der Faktorname Varianz 1 23,40 % vollständige, kohärente Beschreibung 2 8,44 % historische Sinnbildung

Variablen Schilderung I (.628), Schilderung II (.780), Bezüge (.461), Kohäsion (.431)

Cronbachs Alpha .661

Problematisierung (.677), Sach.664 gerechtes Fazit (.784), Konjunktiv (.328) Tabelle 45: Ergebnisse der zweifaktoriellen Analyse zur Bestimmung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben

Aus der explorativen Daten- und Faktorenanalyse gehen grundlegende Ergebnisse hervor, die in die Entwicklung eines holistischen Messmodells zur Einschätzung und Beurteilung von historischen Beschreibungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht einfließen. Die Betrachtung der Trennschärfe der Items hat gezeigt, dass einige Variablen, beispielsweise die Problematisierung, besonders gut geeignet sind, um die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit vorauszusagen. Insbesondere die Items »Unpersönlichkeit«, »Graduierende Formulierungen« und »Tempus« weisen lediglich geringe Trennschärfe-Werte auf. Diese Items sind zwar geeignet, die Qualität der schriftlichen Sprachhandlung zu beurteilen, jedoch konnte im Rahmen der Analyse gezeigt werden, dass sie dabei eher allgemein bildungssprachliche als fachsprachliche Facetten des Beschreibens in den Blick nehmen. Einen Hinweis darauf gibt die mit WINSTEPS durchgeführte RASCH-Analyse. Die Analyse zeigt, dass die Items »Graduierende Formulierungen« und »Beschreibendes Fazit« als besonders herausfordernd für die Lernenden zu betrachten sind. Sie wurden lediglich von einzelnen Schüler*innen vollständig erfüllt. Im Gegensatz dazu stehen die Items »Tempus« und »Unpersönlichkeit«, die von fast allen Schüler*innen vollständig und richtig realisiert wurden. Erneut wird deutlich, dass die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen durch diese Variablen weniger genau bestimmt werden kann als durch weitere Items, die in den Gesamtscore eingeflossen sind. Durch die Berechnung einer explorativen Faktorenanalyse konnte gezeigt werden, dass sich zwei Faktoren zur Modellierung des Konstrukts der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben modellieren lassen. Differenziert werden können die Faktoren »vollständige, kohärente Beschreibung« und »historische Sinnbildung«, denen insgesamt sieben der elf Items zuzuordnen sind. Vier Variablen, nämlich »Graduierende Formulierungen«, »Tempus«, »Einleitungssatz« und »Unpersönlichkeit« weisen keine ausreichenden Ladungen auf, die es ermöglichen würden, sie einem Konstrukt zuzuordnen. Während die Verwendung

266

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

graduierender Formulierungen als besonders, möglicherweise sogar zu herausfordernd für die Schüler*innen der siebten und achten Jahrgangsstufen betrachtet werden kann, ist die geringe Ladung der Variablen »Tempus« und »Unpersönlichkeit« darauf zurückzuführen, dass sie eher bildungs- als spezifisch fachsprachliche Mittel abbilden. Um ein Messmodell zu entwickeln, das zur Bewertung von historischen Beschreibungen im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht genutzt werden kann, bietet es sich an zwei Ebenen der Komplexität zu betrachten. Die externe Komplexität beschreibt dabei, welche Niveaustufen sich im Hinblick auf die Realisierung der gesamten Sprachhandlung bilden lassen. Sie umfasst die Entwicklung aller Items im textuellen Zusammenhang. Die interne Komplexität nimmt darüber hinaus in den Blick, inwiefern sich die Umsetzung der sprachlichen Mittel in einzelne Anforderungsniveaus unterscheiden lässt. Verdeutlicht werden kann das Modell an der folgenden Grafik, in der die Items zur besseren Sichtbarkeit zusätzlich nebeneinander abgebildet sind.

Phase I

Tempus

Unpersönlichkeit

267

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

Phase II

Kohäsion

Bezüge

Vollständigkeit

Phase III Konjunktiv

Historische Frage

Abbildung 15–17: Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht – Phasen I-III

Die Items »Tempus« und »Unpersönlichkeit« können als in der Beschreibung zu realisierende sprachliche Mittel betrachtet werden, deren Bewertung nicht explizit in ein Modell zur Bewertung der Textqualität eingebunden werden muss. Die Realisierung dieser sprachlichen Mittel gelingt nahezu allen Lernenden, die in der Lage sind, eine Beschreibung zu verschriftlichen (Phase I). Auf der nächsten Ebene der externen Komplexität (Phase II) treten die Items hinzu, die den Faktor »vollständige, kohärente Beschreibung« konstituieren. Sie

268

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

lassen sich auch anhand der internen Komplexität der Items betrachten. Im Hinblick auf die Kohäsion gelangen die Schüler*innen von einem Textprodukt, das lediglich einen einzigen Satz umfasst oder aus sprachlich und thematisch unverbundenen Sätzen besteht, zu einer erkennbaren Textstruktur, wobei die Sätze zunächst nicht sprachlich verknüpft werden. Erst auf der folgenden Ebene wird eine sinnvolle sprachliche Textstrukturierung vorgenommen und Teilsätze historisch sinnvoll verknüpft. Der Aspekt der Vollständigkeit umfasst die Items »Schilderung I« und »Schilderung II«, die verknüpft in das didaktische Modell einfließen. Die Niveaustufen, die erst nach Darlegung aller Facetten der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit, die in das Modell einfließen, vorgestellt werden, bilden ab, inwiefern alle relevanten Informationen zum historischen Sachverhalt beschrieben und kontextualisiert werden. In der dritten Phase treten der Faktor »historische Sinnbildung«, der im Wesentlichen durch die Items »Problematisierung« und »Sachgerechtes Fazit«, die hier als »Historische Frage« zusammengefasst wurden, sowie das Item »Konjunktiv«, welches die notwendigen sprachlichen Mittel charakterisiert, hinzu. Im Hinblick auf die inhaltliche Bewertung historischer Beschreibungen bedeutet dies, dass die relevanten Erkenntnisse beschrieben, sinnvoll miteinander verknüpft und in Bezug auf eine historische Fragestellung entwickelt werden. Diese Fragestellung kann entweder im Rahmen der Beschreibung eigenständig herausgearbeitet, oder ausgehend von einer vorliegenden Fragestellung beantwortet werden. Es ergibt sich folgendes Gesamtmodell: Holistisches Modell- Beschreiben Graduierung

Konjunktiv

Kohäsion

Tempus

Bezüge

Historische Frage

Vollständigkeit

Unpersönlichkeit

Abbildung 18: Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

269

In dem Modell wird der Aspekt der Graduierung mit aufgenommen, obwohl das Item in der explorativen Faktorenanalyse keine ausreichende Ladung auf einen der Faktoren gezeigt hat. Es ist davon auszugehen, dass dies mit der geringen Streuung der Item-Werte in der kategoriengestützten Auswertung zusammenhängt. Die Mehrheit der Schüler*innen der Stichprobe ist nicht in der Lage, die zu beschreibenden Sachverhalte durch die Nutzung von Gradadverbien aus kritischer Distanz zu betrachten. Fachlich und fachsprachlich starken Lernenden gelingt es indes durchaus, graduierende Formulierungen sinnstiftend in die Beschreibung einzubeziehen. Somit ist davon auszugehen, dass der Einsatz der Testinstrumente beispielsweise im Geschichtsunterricht der Jahrgangsstufe Acht an Gymnasien zu Ergebnissen führen kann, die genauere Aussagen über das Item zulassen. In jedem Fall handelt es sich um ein Merkmal der Fachsprache, welches als besonders anspruchsvoll zu verstehen ist und deshalb einem hohen Niveau fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben zuzuordnen ist. Darüber hinaus bietet die Modellierung Einsichten in die interne Komplexität der Facetten fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit. Kohäsion und Bezüge können, orientiert an den entsprechenden Ausführungen, in drei Stufen modelliert werden, ebenso die fachliche Vollständigkeit der Beschreibung. Der Konjunktiv wird lediglich in zwei Stufen betrachtet, die erst nach erfolgreicher Realisierung von Items, die dem Faktor »vollständige, kohärente Beschreibung« zuzuordnen sind, in die Bewertung der Textprodukte einfließt. Ein Messinstrument, welches die Einschätzung von schriftlichen Leistungen der Lernenden im Geschichtsunterricht erlaubt, muss verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Einerseits muss die Fachspezifik der Sprachhandlungen durch domänenspezifische Beurteilungskriterien herausgearbeitet werden, andererseits erfordern insbesondere historische Denkprozesse offene Bewertungskriterien, die es ermöglichen, vielfältige Denkleistungen angemessen zu bewerten (Michler/Mägdefrau/Jonas/Böhm/Baumgartner/Kargl 2014, S. 65). Wenngleich ein solches Beurteilungsverfahren als Leistungs- und Diagnoseinstrument genutzt werden kann, so stellte die Entwicklung eines Messinstruments bereits einige geschichtsdidaktische Studien (Vgl. Trautwein et al. 2017; Kühberger et al. 2018), die sich auf die Einschätzung historischer Kompetenzen sowie narrativer Fähigkeiten fokussierten, vor erhebliche Herausforderungen. Grundlegende Überlegungen zur Beurteilung der Qualität historischer Urteile von Schüler*innen haben Michler et al. (2014) entwickelt. Als zentralen Ausgangspunkt für die Konstruktion eines Messmodells ziehen die Autor*innen die SOLO-Taxonomie heran. Die Taxonomie betrachtet die »Structure of Observed Learning Outcome«, indem sie von den gezeigten (schriftlichen) Antworten der Lernenden auf die Entwicklung ihrer kognitiven Strukturen schließt (Biggs/Collis 1982, S. 72f). Die Festlegung von Niveaustufen bei der Realisierung fachlicher Sprachhandlungen bildet lediglich einen kleinen Ausschnitt

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

fachsprachlicher Kompetenz ab, weshalb das in der vorliegenden Studie entwickelte Modell – anders als die SOLO-Taxonomie – nicht genutzt werden kann, um kompetenzorientierte Beschreibungen der schriftlichen Leistungen vorzunehmen. Stattdessen ermöglicht das Modell eine Bewertung spezifischer Fähigkeiten in den untersuchten Sprachhandlungen. Ein Instrument, welches die Beurteilung der fachsprachlichen Kompetenz erlaubt, könnte beispielsweise durch die Entwicklung und abschließende Zusammenführung differenzierter Modelle zur Einschätzung von fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit in unterschiedlichen, fachlich relevanten Sprachhandlungen erarbeitet werden. Zur Beurteilung der Textqualität von schriftlichen Beschreibungen im Geschichtsunterricht ergibt sich aus den durchgeführten Analysen und dargestellten Überlegungen folgendes Modell: Niveau Anforderungen an die Textqualität 0 Der/die Lernende verfasst ein Textprodukt ohne erkennbare Struktur. Die Sätze stehen unverbunden nebeneinander oder das Textprodukt umfasst lediglich einen Satz. Einzelne Elemente der Aufgabenstellung werden ohne verständliche Kontextualisierung wiedergegeben, sodass keine Leserleitung hergestellt werden kann. Einsichten zu dem zu beschreibenden historischen Sachverhalt werden als Fakten dargestellt und nicht verbunden. Die Zeitform wird nicht korrekt eingehalten und sprachliche Kohärenz wird nicht hergestellt. Der Text ist subjektiv, d. h. z. B. in der Ich-Form verfasst. 1

2

Der/die Lernende verfasst ein Textprodukt, das wesentliche Elemente des zu beschreibenden Sachverhalts umfasst. Die Textstruktur ist erkennbar, es handelt sich jedoch um ein »Nebeneinander« von (Teil-)Sätzen, die nicht verknüpft werden. Einsichten zu dem zu beschreibenden historischen Sachverhalt werden als Fakten dargestellt und durch Reihung verbunden. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und die Beschreibung unpersönlich, d. h. durch Nutzung der manoder Passiv-Form formuliert. Sprachliche Kohärenzmarker werden zur Verknüpfung von Sätzen bzw. Satzgefügen genutzt. Der/die Lernende führt den/die Leser*in in das Thema der Beschreibung ein. Alle relevanten Erkenntnisse zum historischen Sachverhalt werden nachvollziehbar beschrieben. Die Textstruktur ist erkennbar und Teilsätze werden historisch sinnvoll miteinander verknüpft. Historische Erkenntnisse werden als Einsichten in die Vergangenheit dargestellt. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und die Beschreibung unpersönlich, d. h. durch Nutzung der man- oder Passiv-Form formuliert. Um Hypothesen aufzustellen und zwischen eigenen und fremden Überlegungen zu differenzieren, wird teilweise der Konjunktiv genutzt. Sprachliche Kohärenz wird durch Bezüge und Thema-Rhema-Konnexion hergestellt.

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

271

(Fortsetzung) Niveau Anforderungen an die Textqualität 3 Der/die Lernende führt den/die Leser*in in das Thema der Beschreibung ein. Alle relevanten Informationen zum historischen Sachverhalt werden präzise und nachvollziehbar beschrieben. Historische Erkenntnisse werden als Einsichten in die Vergangenheit dargestellt und sinnbildend verbunden. Die Textstruktur ist deutlich erkennbar und (Teil-)Sätze werden historisch sinnvoll verknüpft. Die Beschreibung endet mit der Herausarbeitung der Problemstellung bzw. einer Zusammenfassung der wesentlichen Informationen. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und die Beschreibung unpersönlich und unter Nutzung des Konjunktivs zur sprachlichen Distanznahme verfasst. Sprachliche Kohärenz wird durch entsprechende Mittel hergestellt. Durch sprachliche Marker werden Textteile wie Einleitung, Hauptteil und Schluss gekennzeichnet. Graduierende Formulierungen heben Hypothesen besonders hervor und werden eingesetzt, um sprachliche Distanz herzustellen. Tabelle 46: Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht

Zur Überprüfung der Validität, Reliabilität und Objektivität dieses Instrumentes ist es erforderlich, weitere Untersuchungen durchzuführen. Beispielsweise besteht die Möglichkeit, die Texte der Lernenden erneut zu codieren und anhand des erarbeiteten Modells einzuordnen. Insbesondere um das Modell kritisch zu reflektieren, bietet es sich an, das Instrument in einem neuen Erhebungszusammenhang zu erproben.

6.4.2 Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären Textlänge Bereits im Hinblick auf die Textlänge zeigen sich wesentliche Unterschiede zwischen den Sprachhandlungen. Zwar verfasst auch beim Beschreiben über ein Viertel der Stichprobe einen Text, der lediglich einen Satz umfasst, doch liegt der Anteil beim Erklären deutlich höher. Hier entwerfen fast zwei Drittel der Proband*innen ein Textprodukt, das nur aus einem einzelnen Satz besteht. Eine Erklärung, die mehr als acht Sätze umfasst, liegt nicht vor. Auch die durchschnittliche Textlänge ist deutlich kürzer als die der Beschreibungen (M = 1,74, SD = 1,365). Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Betrachtung der Wortzahl. Hier liegt der Mittelwert bei 30,01 Wörtern (SD = 23,011). 11,2 % der Stichprobe haben ihre Erklärung mit weniger als zehn Wörtern vollzogen, demgegenüber verfassen 2,5 % der Schüler*innen eine Erklärung, für die sie mehr als 100 Wörter verwenden. Die durchschnittliche Satzlänge liegt bei 17,25 Wörtern. Wie bei der Beschreibe-Teilaufgabe, bei der die durchschnittliche Satzlänge 16,6 Wörter

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

umfasst, handelt es sich auch bei den Erklärungen um Textprodukte, die in wenigen, aber langen Sätzen formuliert wurden. Abermals zeigt sich auch ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Textlänge und dem in der Schreibaufgabe erreichten Gesamtscore (r = .270, p < .001). Somit ist auch für das Erklären anzunehmen, dass Schüler*innen, die längere Textprodukte verfassen, die fachsprachlichen Anforderungen der Sprachhandlung besser umsetzen, als die Proband*innen, die lediglich kurze Erklärungen formulieren. Auch zeigt sich ein mittlerer Zusammenhang zwischen der Textlänge und dem Fachwissen der Schüler*innen, hier dargestellt durch den im Fachwissenstest erreichten Gesamtscore (r = .410, p < .001, genutzt wurde in beiden Fällen die Korrelation nach Spearman). Demzufolge ist anzunehmen, dass die Schüler*innen, die längere Texte verfassen, auch über mehr Fachwissen verfügen. Zunächst kann jedoch keine Aussage darüber getroffen werden, ob sich das Fachwissen auch in der inhaltlichen Umsetzung der Erklärung widerspiegelt. n = 216 ein Satz Anteil

64,5 %

2–4 Sätze

5–8 Sätze

29,9 %

5,6 %

Tabelle 47: Textlänge in der Erkläre-Teilaufgabe

Kategoriengestützte Betrachtung der Sprachhandlungsfähigkeit Im Hinblick auf die kategoriengestützte Auswertung der Schreibprodukte zeigt sich beim Erklären ein ähnliches Bild, wie zuvor zum Beschreiben umrissen. Auch die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im historischen Erklären wird als Gesamtkonstrukt modelliert. Während das Gesamtkonstrukt für beide Varianten der Schreibaufgabe zufriedenstellende Cronbachs-Alpha-Werte erzielt, ist eine Unterscheidung von Kategorien, die Vollständigkeit, Nachvollziehbarkeit und Triftigkeit der Erklärung von der adressatenorientierten, kohärenzstiftenden Verwendung fachsprachlicher Mittel abgrenzt, nur auf theoretischer, deskriptiver Ebene sinnvoll. Für beide möglichen Konzepte ergibt die Berechnung des Cronbachs Alpha lediglich Werte, die unter dem akzeptablen Niveau bleiben (.577, .243). Aus diesem Grund wird die zuvor vorgenommene theoretische Modellierung zweier Konstrukte zunächst verworfen und alle Items zur Auswertung der Erkläre-Teilaufgabe als Gesamtkonstrukt betrachtet. Für das Erklären konnte durch eine einfaktorielle ANOVA herausgestellt werden, dass die Schüler*innen in beiden Schreibaufgaben – »Der Bau der Pyramiden« und »Die Olympischen Spiele« – vergleichbar abgeschnitten haben (F(1) = .321, p = .572).

273

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

Item n=216 Einleitungssatz

Rating nicht erfüllt 53,7 %

zum Teil erfüllt 28,7 %

vollständig erfüllt 17,6 %

Reproduktion der Ursache Transfer-Erklärung

22,2 % 97,2 %

60,6 % 0,0 %

17,1 % 2,8 %

Erklärendes Fazit Bezüge (kausal, final, konsekutiv)

44,4 % 8,3 %

48,1 % 49,5 %

7,4 % 42,1 %

Konnexion (Gliederung, Präzisierung, Kontrast) Tempus

67,6 %

25,5 %

6,9 %

1,9 %

9,3 %

88,9 %

Unpersönlichkeit Konjunktiv

2,8 % 96,8 %

2,8 %

94,4 % 3,2 %

Graduierende Formulierungen

74,5 %

25,5 %

Tabelle 48: Prozentuale Verteilung der Item-Werte in der Teilaufgabe Erkläre

Bei der Bearbeitung der operatorengestützten Schreibaufgabe sind die Schüler*innen der Stichprobe mehrheitlich nicht in der Lage, viele oder alle Kategorien vollständig zu erfüllen. Anzunehmen ist jedoch, dass die Proband*innen über ein differenziertes Sprachhandlungswissen verfügen, wie die Kategorien, mit denen Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Schreibaufgabe gemessen wurden, zeigen. Mehr als 17 % der Stichprobe gelingt es, einen Einleitungssatz zu formulieren, der in die Thematik der Erklärung einführt. Weitere 28,7 % erfüllen dieses Kriterium zumindest teilweise. Obwohl auch beim Erklären rund die Hälfte der Stichprobe nicht durch eine entsprechende Formulierung in die Erklärung einführt, zeigen sich hier wesentliche Unterschiede zum Beschreiben, wo mehr als 74 % der Stichprobe keinen Einleitungssatz formuliert haben. Ähnlich verhält es sich mit dem Fazit, welches von über 50 % der Proband*innen ganz oder teilweise realisiert wurde. In der Erklärung gelingt es somit fast doppelt so vielen Schüler*innen, das Element der Textrahmung angemessen umzusetzen. Wie bereits in der Auswertung der Interviewerhebung gezeigt werden konnte, verfügen die Schüler*innen im Hinblick auf das Erklären über differenzierteres Textsortenwissen. Unter anderem gelingt es ihnen, den Zweck der Sprachhandlung zu benennen. Aus funktional-pragmatischer Perspektive ist anzunehmen, dass durch die Zweckorientierung der Sprachhandlung auch die sprachlichen Mittel zur Realisierung derselben bestimmt werden. Sofern den Schüler*innen also der Zweck des Erklärens bewusst ist, verfügen sie möglicherweise auch über prozedurales Wissen, welches sie zur strukturierten Umsetzung der Teilaufgabe befähigt. Mehr als drei Viertel der Stichprobe ist darüber hinaus in der Lage, die aus der Fragestellung resultierenden Ursachen zu reproduzieren. Dabei gelingt es rund

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

17 % der Stichprobe, eine vollständige und triftige Erklärung anzuführen, während weitere 60,6 % unvollständige Erklärungsversuche konstruieren, die zum Teil auf Alltagsvorstellungen von Geschichte basieren und nicht den Triftigkeiten entsprechen. Als triftige bzw. plausible Gründe werden nach Rüsen (1983, 2013) die Gründe betrachtet, die empirisch angemessen und in der Gesamtheit der Sprachhandlung nachvollziehbar sind. Die empirische Triftigkeit bezieht sich vor allem darauf, wie genau die Quellen, die als Grundlage einer Narration herangezogen werden, analysiert und angegeben werden und wie transparent die argumentative Struktur der Geschichtserzählung ist. Plausibel ist eine Narration dann, wenn nachvollzogen werden kann, auf welche Quellen die Rekonstruktion der Vergangenheit gestützt wird und wie die gewonnen Einsichten in der Erzählung verknüpft werden. Im Hinblick auf die anzufertigende Erklärung wird unter dem Aspekt der empirischen Triftigkeit verstanden, inwiefern die angeführten Gründe in den Blick nehmen, dass Geschichte als Konstrukt begriffen werden muss. Sofern die Lernenden also in der Lage sind, triftige Gründe in ihre Erklärung einzubeziehen, befinden sie sich auch im Prozess der Entwicklung von Geschichtsbewusstsein im Sinne des historical reasoning (Drie/Boxtel 2008, S. 88). Sie verfügen über das Bewusstsein, dass auch historische Erklärungen von rationalen Argumenten gestützt werden müssen und wählen diese entsprechend ihres Wahrheitsgehalts und ihres Nutzens aus (Drie/Boxtel 2008, S. 97ff). Die narrative Triftigkeit spiegelt sich vor allem in der Nachvollziehbarkeit sowie der sprachlichen Strukturierung der Erklärung wider. Sie lässt sich weniger durch die einbezogenen Gründe als vielmehr durch ihren Zusammenhang abbilden. Die normative Triftigkeit spielt im Hinblick auf die Erklärung eine eher untergeordnete Rolle. Grundsätzlich ist es wichtig, inwiefern die Auswahl und Relevanzstufung der in die Erklärung einbezogenen Gründe und damit einhergehend der Prozess der Urteilsbildung offengelegt werden, doch gewinnen diese Aspekte der Plausibilität ihre Bedeutung eher in der Betrachtung der Textsorte Historisches Sachurteil als in der Auswertung der Erklärungsversuche. 41 % der Stichprobe beziehen in ihren Erklärungsversuch überhaupt keine Gründe ein. Zum Teil erklären die Schüler*innen in diesem Fall idem per idem, führen das Aufstellen von Vermutungen also selbst als Grund für die Vermutungen an. Ungeachtet der Triftigkeit der Gründe halten 41,9 % der Schüler*innen einen Grund fest, mit dem sie die Frage als ausreichend beantwortet betrachten. Lediglich 3,7 % der Stichprobe entwickelt mehr als zwei Gründe mit Hilfe derer erklärt wird, warum über vergangene Ereignisse oft nur Vermutungen aufgestellt werden können. Wie Bodo von Borries (2002, S. 121 in Anlehnung an Lee/Ashby (2000)) und Chapman (2016) festhalten, seien Schüler*innen der Sekundarstufe I durch mehrere Gründe in Erklärungen häufig überfordert. Betrachtet man die vorliegenden Ergebnisse so lässt sich annehmen, dass diese

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Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

Überlegung nicht nur für die Rezeption, sondern auch für die Produktion von historischen Erklärungen Gültigkeit besitzt. Anzahl der Gründe kein Grund

Prozent 41 %

ein Grund zwei Gründe

41,9 % 13,4 %

drei Gründe 3,7 % Tabelle 49: Anzahl der angeführten Gründe in der Erkläre-Teilaufgabe

Auffällig ist hingegen, dass der prozentuale Anteil der triftigen Gründe mit Anzahl der angeführten Gründe steigt. Der erste angeführte Grund ist nur in 39,8 % der Fälle triftig. In den Texten, in denen Proband*innen zwei Gründe angeführt haben, ist das Verhältnis triftiger und nicht triftiger Gründe nahezu ausgewogen. In den Schreibprodukten, in denen Schüler*innen drei Gründe angeführt haben, entspricht der dritte Grund sogar in 62,5 % der Fälle fachlichen Plausibilitätskriterien. Berücksichtigt werden muss dabei jedoch auch, dass lediglich 46 Schüler*innen überhaupt einen triftigen Grund anführen, dies entspricht 21,1 % der Stichprobe. Weniger als zehn Proband*innen (3,7 %) gelingt es sogar, zwei triftige Gründe in die Erklärung einzubeziehen. Grund erstgenannter Grund

nicht triftig 60,2 %

triftig 39,8 %

zweitgenannter Grund drittgenannter Grund

48,6 % 37,5 %

51,4 % 62,5 %

Tabelle 50: Prozentualer Anteil (nicht) triftiger Gründe

Zunächst sollen die erstgenannten Gründe genauer betrachtet werden. Hier zeigt sich, dass die am häufigsten angeführte Ursache für den Zweifel an historischen Sachverhalten aus Sicht der Schüler*innen darin liegt, dass die Ereignisse nicht miterlebt wurden. Wir können über den Bau der Pyramiden nur Vermutungen aufstellen, »weil wir ja nicht dabei gewesen sind als die Pyramide gebaut wurde.« Folgen Schüler*innen dieser Argumentationslinie, nehmen sie die Vergangenheit als unzugänglich wahr (Lee/Ashby 2000, S. 212). Im Gegenzug bedeutet dies, dass man eindeutige Aussagen über vergangene Ergebnisse treffen könnte, sofern man die nur miterlebt habe. Einer ähnlichen Argumentationslinie folgt der zweite, besonders häufig angeführte Grund. Dieser nimmt darauf Bezug, dass Zeitgenoss*innen heute nicht mehr leben und darum keine genaue Beschreibung historischer Ereignisse liefern können. Heute können wir also nur Vermutungen aufstellen, »weil heute noch kaum leute leben, die früher alles mitbekommen haben«. Das Miterleben von und die Anwesenheit bei historischen Ereignissen sind somit das zentrale Moment, um eindeutige Aussagen generieren zu können.

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Schüler*innen, die diese Aussage generieren, befinden sich auf einer Zwischenstufe in dem von Lee/Ashby entwickelten Modell der Schülervorstellungen über Geschichte. Sie betrachten die Vergangenheit ebenfalls als unzugänglich, führen dies aber darauf zurück, dass die »Informanten« nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch der zeitliche Abstand an sich spielt aus Sicht der Schüler*innen eine Rolle, denn »es können über vergangene Ereignisse nur Vermutungen angestellt werden weil es schon zu lange her ist«. Diese Ursachen können allesamt als historisch unplausibel betrachtet werden. Möglicherweise würde ein Gespräch mit Zeitgenoss*innen über den Pyramidenbau – wäre es denn möglich – neue Einsichten und Erkenntnisse liefern. Doch wie die Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« hervorhebt, gelangten Zeitgenoss*innen häufig zu unterschiedlichen Einschätzungen historischer Ereignisse. Weder das »Dabeisein« noch der Austausch mit Zeitgenoss*innen, die ein Ereignis miterlebt haben, würden Zweifel und Ungewissheit über einen historischen Sachverhalt ausräumen und auch über Ereignisse, die weniger lang zurückliegen als die Olympischen Spiele der Antike oder der Bau der Pyramiden lassen sich teilweise nicht mehr als Vermutungen formulieren. Offen bleibt, ob sich die Erklärungsversuche der Lernenden aus einem Mangel an Geschichtsbewusstsein ergeben, oder ob sie die von Piaget festgelegte Stufe formal-logischen Denkens (Vgl. Dazu Siegler/ Eisenberg/De Loache/Saffran 2016), die sie zur Reflexion hypothetischer Sachverhalte und systematischen Denkprozessen befähigen würde, bisher nicht erreicht haben. Um dieser Hypothese nachzugehen, müssen weitere Studien durchgeführt werden, die die Entwicklung kognitiv-emotionaler Fähigkeiten der Schüler*innen im Hinblick auf das historische Lernen und Denken in den Vordergrund rücken.16 erstgenannter Grund n nicht triftig

Dabeisein

zweitgenannter Grund

128 33,6 %

lebende Zeitgenossen 17,2 % zeitlicher Abstand 9,4 %

drittgenannter Grund

37

8

nicht genannt

nicht genannt

24,3 % 24,3 %

nicht genannt 37,5 %

16 Zum Überblick über den Bezug entwicklungspsychologischer Modelle auf historische Erklärungen die Unterkapitel zum fachlichen Erklären und zu den Grundlagen fachsprachlichen Lernens im Geschichts- und Gesellschaftslehreunterricht sowie der Überblicksbeitrag von Borries (2002).

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Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

(Fortsetzung)

triftig

erstgenannter Grund n 128 Mangel an Beweisen 8,6 % Mangel an Quellen 12,5 %

zweitgenannter Grund 37 8,1 % 16,2 %

12,5 % 12,5 %

unterschiedliche Meinungen Zweifel an Quellen

12,5 %

5,4 %

nicht genannt

5,5 %

13,5 %

37,5 %

Zweifel an Überliefe- 0,8 % 8,1 % rung Tabelle 51: Art der Gründe – Prozentuale Verteilung

drittgenannter Grund 8

nicht genannt

Als plausibler Grund wird der Mangel an Beweisen (8,6 %) und Quellen (12,5 %) angeführt. Dazu zählt beispielsweise der Hinweis, dass keine Fotografien, kein Text und keine anderen Formen der Überlieferung erhalten sind, die in der Gegenwart Aufschluss über die Vergangenheit geben. So argumentiert ein Schüler beispielsweise, man könne nur Vermutungen aufstellen, »weil es damals ja noch keine Fotos gab und man dadurch nur Felsmalereien fand die schon Tausende von Jahren alt sind und dadurch nur noch einzeln zu erkennen sind«. Zwar erscheint die Vergangenheit hier weiterhin als Ebenbild der Geschichte, doch gelingt es den Lernenden herauszustellen, dass auch in der Gegenwart Einsichten zu vergangenen Ereignissen generiert werden können. Sie erreichen damit die dritte der von Lee/Ashby (2000, S. 212) skizzierten Niveaustufen. Ebenso zutreffend, wenn auch deutlich knapper ist die Überlegung, es gäbe Vermutungen deshalb, »weil es keine Quellen gibt die es belegen deswegen stellen die Archelogen vermutungen auf wie etwas passiert.« Neben dem Zugriff auf Texte, Bilder oder Gegenstände, mit Hilfe derer sich vergangene Ereignisse rekonstruieren ließen, werden auch Zweifel an Quellen und der Überlieferung historischer Sachverhalte geäußert. So könnten »die meisten der Quellen [..] Fake sein bzw. die meisten, weil in der ganzen Zeit viele […] falsch aussagen erzählt haben«. Warum die Quellen nur als »Fake«, also als Schwindel oder Fälschung betrachtet werden, kann darauf zurückgeführt werden, dass »es voll viele Quellen gibt die alle was anderes sagen«. Eindeutige und überzeugende Aussagen, durch die die Vergangenheit rekonstruiert werden könnte, liefern also nicht alle Quellen. Deutlich wird, dass auch Lernende, die diesen Erklärungsansatz aufgreifen, der Annahme folgen, dass Vergangenheit und Geschichte synonym zu verstehen sind. Unterschiede in Quellen und Darstellungen sind darauf zurückzuführen, dass Zeitgenoss*innen oder Historiker*innen falsche Informationen aufgegriffen oder schlichtweg gelogen haben (Vgl. Lee/Ashby 2000). Darüber hinaus zeigt sich, dass die Schüler*innen mit ihren Erklärungen das von

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Brauch/Heine/Bramann (2020, S. 149) in Anlehnung an Körber bestimmte konventionelle Niveau historischer Erklärungen zu erreichen, indem sie »gesellschaftlich vorgegebene Begriffe, Konzepte und Erfahrungen« wie den Quellenbegriff nutzen. Aus dem Zweifel an der Glaubwürdigkeit von Quellen ergeben sich zwei weitere Erklärungsansätze. Zum einen lässt sich feststellen, dass Zeitgenoss*innen generell zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangten. Daraus resultiert, dass heute deshalb Vermutungen über vergangene Ereignisse aufgestellt werden, »weil jeder [..] eine andere Meinung [hatte] als der andere«. Zum anderen wurden die Beschreibungen eines Sachverhalts »immer weiter gesagt bis heute«. Wissenschaftler*innen und Historiker*innen können sich nun aber deshalb »sich nicht sicher [sein] weil es könnte sein das einer falsch verstanden hat und deswegen vermuten sie mehr als sicher zu sein«. Bei der Bearbeitung der Schreibaufgabe »Der Bau der Pyramiden« führen lediglich 4,8 % der Stichprobe die Vermutungen über historische Sachverhalte auf die Multiperspektivität von Quellen zurück, in der Schreibaufgabe »Die Olympischen Spiele« hingegen 19,7 %. Dort bot das fiktive Zwiegespräch der Zeitgenoss*innen einen Anknüpfungspunkt, den die Schüler*innen in ihren Schreibprodukten aufgriffen. Damit erreichen die Schüler*innen die vierte der sechs von Lee/Ashby skizzierten Niveaustufen. Ihnen ist bewusst, dass die Darstellung der Vergangenheit durch die Position und Intention von Quellenautor*innen und Forscher*innen geprägt ist und sich auf diese Weise verschiedene Tendenzen in den Darstellungen ergeben. Während das Miterleben eines historischen Ereignisses bzw. der direkte Austausch mit Zeitgenoss*innen darüber sowie der Aspekt der Multiperspektivität von Quellen mit zunehmender Anzahl aufgeführter Gründe an Häufigkeit abnehmen, werden vermehrt Hinweise auf den zeitlichen Abstand und den Zweifel an Quellen aufgeführt. Konstant bleibt der Verweis auf einen Mangel an Quellen bzw. Beweisen über die drei genannten Gründe hinweg. Von den 77 Schüler*innen, die zunächst einen unplausiblen Grund anführen, gelingt es rund 14 Proband*innen, diesen durch eine triftige Ausführung in Form eines weiteren Grundes zu erweitern. Lediglich zwei Schüler*innen sind in der Lage, ihre Erklärung mit einem dritten, überzeugenden Grund abzuschließen, nachdem sie zuvor zwei unplausible Gründe angeführt hatten. Demgegenüber erweitern vier Schüler*innen ihre Argumentation, indem sie als zweiten Grund auf den Aspekt des zeitlichen Abstands verweisen. In Verbindung mit einem ersten, triftigen Grund kann diese Argumentation durchaus nachvollziehbar sein, dennoch reicht der Verweis auf den zeitlichen Abstand zu einem vergangenen Ereignis nicht aus, um zu erklären, weshalb darüber nur Vermutungen angestellt werden können.

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

279

Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Textlänge und der Triftigkeit der angeführten Gründe besteht nicht (Cramers V17 = .731; .875; 1.00, p = .190; .394; .333). Dementsprechend ist nicht davon auszugehen, dass die Länge der Schreibprodukte mit der Qualität der Erklärung zusammenhängt. Ebenso lässt sich kein statistischer Zusammenhang zwischen der Triftigkeit der angeführten Gründe und dem in der Schreibaufgabe erreichten Gesamtscore nachweisen (Cramers V = .343; .352; .856, p = .130; .712; .319). Obwohl die Proband*innen in der Lage sind, fachlich angemessene Gründe in ihre Erklärungen einzubeziehen, erfüllen sie andere, für die Textqualität ebenso entscheidende Kategorien scheinbar weniger zufriedenstellend. Auch im Hinblick auf das Fachwissen, hier dargestellt durch den Gesamtscore des Fachwissenstests, und die Triftigkeit der Gründe lässt sich kein signifikanter Zusammenhang aufzeigen (Cramers V = .516; .848; 1.00, p = .514; .191; .321). Dieses Ergebnis ist insofern auffällig, da eingangs dargelegt wurde, dass signifikante Zusammenhänge zwischen der Textlänge und dem Fachwissen bzw. dem in der Schreibaufgabe erreichten Gesamtscore besteht. Zur Erklärung dieses Resultats können verschiedene Hypothesen entwickelt werden, die alle einer weiteren Überprüfung bedürfen. Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen Fachwissen und dem Gesamtscore der Schreibaufgabe weniger auf die fachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen, sondern vielmehr auf deren Engagement und Motivation zurückzuführen. Hier hätten weitere Instrumente zum Nachvollzug der fachlichen Motivation, zur Einstellung gegenüber dem Schreiben und Lernen usw. eingesetzt werden müssen, um die Hypothese überprüfen zu können. Entscheidend kann allerdings auch sein, dass im Fachwissenstest hauptsächlich Items zur Sachkompetenz, ergänzt durch einige Items, die die Methodenkompetenz abdecken können, erhoben werden. Möglicherweise erfordert die Entwicklung spezifischer und triftiger Gründe andere fachliche Kompetenzen, sodass hier keine Zusammenhänge nachgewiesen werden können. Nachgegangen werden könnte dieser Annahme durch den Einsatz eines Kompetenztests, der unterschiedliche Facetten historischer Kompetenzen in den Blick nimmt (Vgl. Trautwein/Bertram/Borries et al. 2017; Kühberger/Neureiter/Wagner 2018). Im Hinblick auf den Gesamtscore der Schreibaufgabe lässt sich vermuten, dass die sprachliche Umsetzung des Textes höher ins Gewicht fällt, als die fachliche Angemessenheit der Gründe. Einen hohen Gesamtscore in der Erkläre-Teilaufgabe können somit auch die Schüler*innen erzielen, die keine fachlich triftigen Gründe anführen, die sprachlichen Anforderungen der Schreibaufgabe aber angemessen umsetzen. 17 Um den Zusammenhang zwischen einer nominalen, dichotomen Variable (1 = nicht triftiger Grund, 2 = triftiger Grund) und einer metrischen Variable (Wortzahl, Gesamtscore Fachwissenstest) ermitteln zu können, wurde hier statt der Korrelation nach Pearson bzw. Spearman Cramers V genutzt.

280

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Auffällig ist darüber hinaus, dass die Schüler*innen ihre Erklärungen mehrheitlich weder generalisieren, noch auf andere historische Sachverhalte übertragen. Obwohl die Aufgabenstellung sich nicht konkret auf die in Darstellungstext und Quelle behandelten Sachverhalte bezieht, fokussieren die Schüler*innen diese. Im Hinblick auf die Verwendung adressatenorientierter und kohärenzstiftender fachsprachlicher Mittel zeigt sich ein ähnliches Bild wie in der ersten Teilaufgabe. Erneut gelingt es den Schüler*innen mehrheitlich, die Zeitformen der Sprachhandlung entsprechend einzusetzen. Dabei werden sowohl Präsens- als auch Präteritumsformen, je nach Sinnzusammenhang, als korrekt betrachtet. Ebenso wenig bereitet die Nutzung unpersönlicher Formen den Schüler*innen Schwierigkeiten. Auch beim Erklären verwenden über 90 % der Schüler*innen man-, Passiv- oder Passiversatzformen in angemessener Weise. Schwierigkeiten zeigen sich erneut im Bereich des Konjunktivs und der graduierenden Formulierungen. Während der Konjunktiv seltener als beim Beschreiben korrekt und sachlich angemessen verwendet wird, steigt die Zahl der sinnvoll eingesetzten Gradadverbien. Etwa ein Viertel der Stichprobe verwendet in der Erklärung graduierende Formulierungen, um einen Erklärungsversuch zu verschriftlichen. Zum einen stellen die Schüler*innen bei der reflexiven Sprachhandlung des Erklärens häufiger Vermutungen auf, als beim lediglich reproduzierenden Beschreiben; zum anderen verfügen sie möglicherweise über ausgeprägteres Wissen zur Sprachhandlung, welches sie in die Lage versetzt, die graduierenden Formulierungen in das Schreibprodukt einzubinden. Eine leichte Veränderung zeigt sich auch im Hinblick auf die Kategorien »Bezüge« und »Konnexion«, wobei letztgenannte nun aus drei Subkategorien, nämlich Gliederung, Präzisierung und Kontrast, zusammengesetzt ist. Während der prozentuale Anteil der Schüler*innen, die mehr als drei Bezüge korrekt verwendet haben, leicht sinkt, steigt die Gesamtsumme der Schüler*innen, die in ihren Texten kausale, finale oder konsekutive Bezüge verwendet haben, an. Im Hinblick auf die Kategorie »Konnexion« zeigt sich eine leicht gegenläufige Entwicklung. Hier steigt der Teil der Proband*innen, die keine Kohäsionsmittel verwendet haben, von 43,6 % auf 67,6 %. Erklären lässt sich dies abermals mit der Kürze der Textprodukte. Während eine vollständige Beschreibung der Theorien zum Pyramidenbau bzw. der Ansichten zu den Olympischen Spielen in der Regel zumindest den Einsatz eines sprachlichen Mittels zur Gegenüberstellung der Positionen verlangte (z. B. »die einen – die anderen« oder »einerseits – andererseits«), wird die zweite Teilaufgabe von vielen Proband*innen in lediglich einem Satz realisiert. Dieser Satz erfordert dann, im Gegensatz zu einem elaborierten Schreibprodukt, keine Strukturierung durch sprachliche Mittel.

281

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

Bezüge kausale Bezüge

Rating keine Bezüge 12 %

finale Bezüge konsekutive Bezüge

88,9 % 83,8 %

1–3 Bezüge 87,6 %

mehr als 3 Bezüge 1,4 %

10,7 % 15,8 %

0,5 % 0,5 %

Tabelle 52: Verwendung von Bezügen in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

Da die Erklärung das Anführen von Gründen für den Sachverhalt, dass über historische Ereignisse oft nur Vermutungen angestellt werden können, erfordert, ist es wenig überraschend, dass die Schüler*innen hauptsächlich kausale Bezüge zur Textstrukturierung verwenden. Dabei nutzen die Proband*innen in 87,6 % der Fälle einen bis drei Bezüge; nur 1,4 % der Schüler*innen verwendet mehr als drei kausale Bezüge zur Textstrukturierung. Deutlich seltener werden finale oder konsekutive Bezüge zur Textstrukturierung genutzt. Ein signifikanter Zusammenhang lässt sich zwischen der Verwendung der Bezüge und der Anzahl der angeführten Gründe nachweisen (r = .270, p < .001). Schüler*innen, die verschiedene Gründe in ihrer Erklärung anführen, verbinden diese dementsprechend auch durch sprachliche Mittel. Annehmen lässt sich jedoch auch, dass die Schüler*innen, die keine oder wenige Bezüge verwenden, nicht in der Lage sind, umfassende Erklärungen zu formulieren. Möglich ist, dass es ihnen, ähnlich wie von Brauch/Heine/Bramann skizziert, durch die Unkenntnis konventioneller sprachlicher Konzepte nicht gelingt, eine historische Erklärung zu verfassen. Anzunehmen ist auch, folgt man den Autor*innen weiter, dass insbesondere das Verbinden »fachliche[r] und sprachliche[r] Wissensbestände« die Lernenden beim Vollzug einer Erklärung vor erhebliche Herausforderungen stellt (2020, S. 141). Ähnlich wie für das Beschreiben lassen sich auch für das Erklären Zusammenhänge zwischen der Schreibfähigkeit und der Jahrgangsstufe, die die Lernenden besuchen, nachweisen. Jahrgangsstufe 7

Jahrgangsstufe 8

n 101

115

M Med

7,69 7

38,46 % 35 %

8,96 9

44,78 % 45 %

SD Min

2,69 2

13,43 % 10 %

2,48 3

12,40 % 15 %

Max 14 70 % 15 Tabelle 53: Vergleich der Jahrgangsstufen in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

75 %

Erneut zeigen sich deutliche Unterschiede im durchschnittlich erreichten Mittelwert. Während in der Jahrgangsstufe Sieben M = 38,46 % ist, liegt das arithmetische Mittel in der achten Jahrgangsstufe bei M = 44,78 % und übersteigt den

282

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

für die siebten Klassen erhobenen Wert um etwa 6 %. Die durchgeführte einfaktorielle ANOVA bestätigt, dass es sich um einen signifikanten Unterschied mit mittlerer Effektstärke (F(1) = 12.916, p < .001, Cohens d = 0.492) handelt. Die Betrachtung der Korrelation nach Pearson verdeutlicht, dass zwischen dem Gesamtscore der Erkläre-Teilaufgabe und der Jahrgangsstufe ein signifikanter Zusammenhang besteht (r = .239, p < .001). Anders als beim Beschreiben lässt sich für das Erklären jedoch auch ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Alter der Lernenden (kvfbt1age) und dem Gesamtscore der Teilaufgabe nachweisen. Hier liegt die nach Pearson erhobene Korrelation bei r = .147 (p = .043, n = 188). Es handelt sich somit lediglich um einen statistischen Zusammenhang mit geringer Effektstärke. Parallelen lassen sich zur Entwicklung des Geschichtsbewusstseins aufzeigen. In Anlehnung an die Theorien von Piaget und Wygotski wird davon ausgegangen, dass die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins an die kognitiv-emotionale Entwicklung gebunden ist. Ohne ausreichende kognitive Entwicklung sind Schüler*innen dementsprechend nicht in der Lage, historische Erklärungen vorzunehmen (Klose 2004, S. 46f, S. 76). Da anzunehmen ist, dass die kognitiv-emotionale Entwicklung der älteren Schüler*innen weiter fortgeschritten ist, erzielen sie in der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgaben durchschnittlich höhere Werte. Eine differenzierte Einschätzung der Leistungen in der Erkläre-Teilaufgabe wird zudem durch die Bildung von Gruppen ermöglicht. Erneut werden die Lernenden, wie bereits für die Beschreibe-Teilaufgabe umrissen, in drei Gruppen eingeteilt, die unter-, über- und durchschnittliche Leistungen abbilden. Der Gruppe der Lernenden mit durchschnittlicher (bzw. mittlerer) fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären werden die Schüler*innen zugeteilt, die in einem Bereich von einer halben Standardabweichung über bzw. unter dem Mittelwert liegen (41,83 % +/- 0,5 * 13,24 %). Der unterdurchschnittlichen/schwachen oder aber überdurchschnittlichen/starken Gruppe werden die Lernenden zugeordnet, die den gesetzten Schwellenwert über- bzw. unterschreiten. Gruppe schwach

Anteil in % 38,4

M 28,49 %

SD 6,23 %

Min. 10 %

Max. 35 %

mittel stark

29,2 32,4

42,62 % 56,93 %

2,52 % 6,98 %

40 % 50 %

45 % 75 %

Tabelle 54: Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test nach Gruppen

Zur Untersuchung von Gruppenunterschieden in der Erkläre-Teilaufgabe wurde eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Der zur Überprüfung der Varianzhomogenität eingesetzte Levene-Test zeigt, dass eine Verletzung der Varianzhomogenität anzunehmen ist (p < .001). Aus diesem Grund wird zum Vergleich

283

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

der Mittelwerte die robustere Welch-ANOVA genutzt. Diese zeigt, dass ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen angenommen werden kann (F (2, 124.91) = 354,706, p < .001). Um der Frage nachzugehen, zwischen welchen Gruppen diese Unterschiede bestehen, wird der Games-Howell post-hoc Test berechnet. Dieser zeigt, dass sich diese Unterschiede (p < .001) sowohl zwischen der Gruppe der schwachen und mittleren Schüler*innen (- 14.12, 95 – CI [- 15.92, - 12.33]), als auch zwischen der Gruppe der schwachen und starken Schüler*innen (-28.43, 95 – CI [-30.99, -25.88]) nachweisen lassen. Ähnlich groß wie die Differenz zwischen schwachen und durchschnittlichen Schüler*innen fällt der Unterschied zwischen der mittleren und überdurchschnittlichen Lernergruppe aus (- 14.31, 95 – CI [-16.44, -12.18]). Auch in der Erkläre-Teilaufgabe bilden die Textprodukte der Schüler*innen ein breites Leistungsspektrum ab. Zwischen allen Gruppen bestehen statistisch signifikante Unterschiede. Dementsprechend ist anzunehmen, dass die Schüler*innen im Vorfeld über unterschiedlich weit entwickelte und ausgeprägte fachliche Sprachhandlungsfähigkeiten verfügen, die sie in die Lage versetzen, eine historische Erklärung zu verfassen. Die Berechnung der RASCH-Analyse bestätigt die bereits herausgearbeiteten Erkenntnisse der explorativen Datenanalyse. Name Einleitungssatz

Measure Score S.E. Infit Infit Outfit MNSQ ZSTD MNSQ ,42 138 ,11 ,89 -1,29 ,76

Outfit ZSTD -2,09

Reproduktion der Ursache Transfer-Erklärung

-,37 3,46

205 12

,11 ,30

,65 1,92

-4,97 2,65

,66 ,90

-3,90 -,06

Erklärendes Fazit Bezüge (kausal, final, konsekutiv)

,44 -1,36

136 289

,11 ,11

,62 ,88

-4,98 -1,33

,59 1,10

-3,86 ,89

Konnexion (Gliederung, Präzisierung, Kontrast) Tempus

1,17

85

,13

,86

-1,31

,70

-1,89

-3,67

404

,21

1,20

1,09

2,73

3,81

Unpersönlichkeit Konjunktiv

-4,18 3,30

414 14

,25 ,27

1,62 1,98

2,34 2,99

2,45 1,20

2,66 ,56

Graduierende Formulierun- ,79 110 ,12 1,71 6,17 1,56 gen Tabelle 55: Rasch Item-Statistik zu den Kategorien der Erkläre-Teilaufgabe

3,41

Zu den Items mit einem geringen Measure-Wert zählen die Kategorien »Unpersönlichkeit«, »Graduierende Formulierungen«, »Bezüge« sowie die »Reproduktion der Ursache«. Measure-Werte, die für eine mittlere Itemschwierigkeit sprechen, entfallen auf die Kategorien »Einleitungssatz«, »Fazit« sowie »Graduierende Formulierungen«. Den Kategorien »Transfer-Erklärung«, »Konnexi-

284

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

on« und »Konjunktiv« wird ein hoher Measure-Wert nachgewiesen, der dafür spricht, dass es den Schüler*innen durchschnittlich schwer fällt, die Kategorie vollständig zu erfüllen. Auffällig ist insbesondere, dass die Kategorie »Graduierende Formulierungen«, die beim Beschreiben einen besonders hohen MeasureWert aufweist, beim Erklären eher im mittleren Bereich der Itembatterie liegt. Wie bereits angerissen lassen sich die unterschiedlichen Ergebnisse durch das Sprachhandlungs- bzw. Textsortenwissen der Schüler*innen erklären. Anzunehmen ist, dass sie sich sowohl über den Zweck der Sprachhandlung als auch über grundlegende strukturelle sowie inhaltliche Besonderheiten bewusst sind. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich auch das prozedurale Wissen, das die Proband*innen beispielsweise zum Einsatz von Gradadverbien befähigt. Darüber hinaus führen die Proband*innen zum Teil nicht triftige Gründe für den zu erklärenden Zusammenhang an oder stellen Hypothesen und Vermutungen auf, die in einem Erklärungsversuch münden. Um die dargestellten Vermutungen als solche zu kennzeichnen, ist es erforderlich, graduierende Formulierungen zu nutzen. Umso auffälliger ist es, dass der Konjunktiv für die Schüler*innen zu den besonders herausfordernden Kategorien zählt. Möglicherweise ist ihnen nicht bewusst, dass beispielsweise Formen der indirekten Rede hier als Mittel der sprachlichen Distanznahme verwendet werden könnten. Darüber hinaus kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass einige Schüler*innen nicht über das nötige Sprachwissen verfügen, also schlichtweg nicht in der Lage sind, die anzuwendenden Formen des Konjunktivs zu bilden und einzusetzen. Deutlich wird, anhand des nahezu identischen Measure-Wertes, dass Einleitungssatz und Fazit in gleicher Weise als Teil der Erklärung realisiert werden. Der Schwellenwert des Infit-MNSQ (0.5 – 1.5) wird bei vier Kategorien (»Transfer-Erklärung«, »Unpersönlichkeit«, »Konjunktiv« und »Graduierende Formulierungen«) leicht überschritten. Bei den vier Kategorien liegt auch der Infit-ZSTD in einem kritischen Bereich (> 2.0). Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Kategorien treten jedoch nicht auf. Bei den Kategorien »Konjunktiv« und »Graduierende Formulierungen« ist nicht auszuschließen, dass die Auffälligkeiten des Infit-MNSQ auf die abweichende Kodierung (0-2- statt 0-1-2System) zurückzuführen sind. Bei allen vier Kategorien liegt der Anteil auffälliger Werte bei unter 10 %, bei den Kategorien »Konjunktiv«, »Unpersönlichkeit« und »Transfer-Erklärung« sogar bei unter 5 %. Während die entsprechenden Proband*innen bei der Kategorie »Unpersönlichkeit« allesamt schlechter abschneiden als erwartet, fallen die Proband*innen bei den drei übrigen Kategorien durch ein besseres Abschneiden auf. Auffällig ist, dass es sich bei den auffälligen Infit-MNSQ um ebendie Kategorien handelt, die als spezifisch für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit betrachtet werden können. Möglicherweise handelt es sich also bei den »Ausreißern« um Schüler*innen, die sprachlich schwächer sind, jedoch in der Erklärung fachliche Fähigkeiten als Ausschnitt des historical re-

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

285

asoning präsentieren. Ihnen gelingt es, z. B. durch eine Transfer-Erklärung oder die Verwendung von Gradadverbien, eine historisch sinnvolle Erklärung zu verfassen, die dennoch sprachliche Schwächen aufweist. Unregelmäßigkeiten im Outfit-MNSQ zeigen sich bei der Kategorie »Tempus« und erneut bei der Kategorie »Unpersönlichkeit«. Auch im Hinblick auf diese Werte wird der OutfitZSTD leicht überschritten. Bei der erstgenannten Kategorie schneiden 12 Schüler*innen schlechter ab, als erwartet. Auch hier bleibt die Gesamtzahl an »Ausreißern« also bei etwa 5 %. Da die Infit- und Outfit-Werte sensibel auf unerwartete Werte reagieren, kommt es schon bei kleineren Abweichungen von der Stichprobe zu Verzerrungen. Aus diesem Grund werden die Kategorien zwar kritisch betrachtet, jedoch als Teil des Gesamtkonstrukts beibehalten. Um einen vorläufigen Überblick über die Ergebnisse zu gewinnen, sollen an dieser Stelle zentrale Ergebnisse der Analysen kurz zusammengefasst werden. Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Variablen, die in die kategoriengestützte Auswertung der Erkläre-Teilaufgabe einfließen, sowohl leichte Items umfassen, die von den Proband*innen der Stichprobe mehrheitlich vollständig erfüllt werden konnten, als auch solche Items, die komplexe Anforderungen an die Lernenden stellten. Einige Items, wie beispielsweise die Kategorien »Konjunktiv«, »Unpersönlichkeit« oder »Graduierende Formulierungen« wiesen leichte Unregelmäßigkeiten in ihren Werten auf, die zunächst als geringe Störfaktoren wahrgenommen werden konnten, ohne dass diese Items aus dem Konstrukt entfernt werden müssten. Im Hinblick auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit der Schüler*innen zeichnet sich ebenfalls ein heterogenes Bild. Zwischen Schüler*innen mit unter-, über- und durchschnittlichen Fähigkeiten bestehen statistisch signifikante Unterschiede im Hinblick auf den erreichten Gesamtscore in der Erkläre-Teilaufgabe. Die Lernenden absolvieren also nicht nur die Interventionsphase mit unterschiedlichen Voraussetzungen, sondern bringen auch in den Regelunterricht unterschiedliche fachliche und fachsprachliche Fähigkeiten ein. Insgesamt verfassen sie kurze Textprodukte. Fast 60 % der Stichprobe gelingt es, zumindest einen Grund zur Erklärung der Frage, warum über viele vergangene Ereignisse nur Vermutungen aufgestellt werden, anzuführen. Mehr als ein Viertel der Schüler*innen ist dabei in der Lage, fachlich plausible Gründe festzuhalten und damit eine überzeugende Erklärung zu produzieren. Orientiert an dem Entwicklungsmodell von Lee/Ashby (2000) lässt sich jedoch nachweisen, dass zahlreiche Lernende die Vergangenheit als gegeben bzw. unzugänglich betrachten. Unterschiede zeigen sich in den Erklärungen nicht nur bei der Betrachtung der Jahrgangsstufe, sondern auch im Hinblick auf das Alter der Proband*innen. In Anlehnung an Überlegungen von Borries (2011) und Klose (2004) ist anzunehmen, dass die Entwicklung des Geschichtsbewusstseins verknüpft mit der Ausbildung emotional-kognitiver Fähigkeiten verläuft. Die Erklärungsversuche der Schüler*innen zeigen, dass das Ziel

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

des Geschichtsunterrichts, Geschichtsbewusstsein und damit die Fähigkeit zum historical reasoning anzubahnen, sowohl durch fachliche als auch durch fachsprachliche Lernarrangements gezielt unterstützt werden muss. Auch Schüler*innen, die über sprachliche Fähigkeiten verfügen, gelingt es nicht durchgängig, überzeugende fachliche Erklärungen zu entwerfen. Die Vermittlung von Sprachhandlungsfähigkeit muss dementsprechend explizit im Fach erfolgen. Entwicklung eines holistischen Messmodells zur Bewertung von operatorengestützten Erkläre-Schreibaufgaben Ebenso wie das Beschreiben sollen die Variablen, die Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären nehmen, durch eine explorative Faktorenanalyse modelliert werden. Zunächst werden alle Variablen, die in den Gesamtscore einfließen, in die Berechnung einbezogen. Die Richtwerte nach KaiserMeyer Olkin (KMO = .694) und Bartlett (χ2(45) = 177,692, p < .001, n=216) belegen, dass die Analyse durchgeführt werden kann. Aus der Anti-ImageKorrelations-Matrix geht hervor, dass zunächst keine Variable aus der Analyse ausgeschlossen werden muss. Alle Variablen erreichen einen MSA-Wert, der größer als .5 ist. Jedoch liegen die Variablen »Unpersönlichkeit« (gesat13ug), »Konjunktiv« (gesat13koj), »Tempus« (gesat13tp) und »Transfer-Erklärung« (gesat13te) nur minimal über dem Schwellenwert. Möglich ist, dass die Variablen nicht in ausreichendem Maß auf einen Faktor laden und deshalb nachträglich aus der Analyse ausgeschlossen werden müssen. Erneut wird deutlich, dass eine unterschiedliche Anzahl von Faktoren modelliert werden kann. Nach dem Kriterium des Eigenwertabfalls ließe sich lediglich ein Faktor modellieren, das Modell wäre demnach überflüssig, da alle Variablen auf das Konstrukt fachliche Sprachhandlungsfähigkeit laden würden. Die visuelle Überprüfung des von SPSS ausgegebenen Screenplots empfiehlt, drei Faktoren zu betrachten, da der Knickpunkt der Eigenwerteverlaufs etwa beim vierten Faktor liegt. Zieht man das Kaiser-Kriterium heran, könnten sogar vier Faktoren modelliert werden. Die vier nach dem Kaiser-Kriterium möglichen Faktoren tragen zu 34,60 % der Varianzaufklärung bei. Der höchste Anteil ist dabei dem zweiten Faktor zuzuschreiben, der 16,03 % der Varianz erklärt. Es folgt der erste Faktor, der 10,50 % der Varianz aufklären kann. Der dritte (5,30 %) und vierte (2,77 %) Faktor tragen lediglich in geringem Maß zur Varianzaufklärung bei. Die geringe Varianzaufklärung der zweiten Faktoren sowie der im Screenplot abzulesende Eigenwerteverlauf weisen darauf hin, dass es – ebenso wie beim Beschreiben – sinnvoll erscheint, ein drei- bzw. zweifaktorielles Modell zu berechnen. Die drei Faktoren umfassende rotierte Faktorenmatrix zeigt, dass die Variable »Graduierende Formulierungen« als einziger Faktor auf das erste Konstrukt lädt. Da dem Faktor in diesem Fall die gleiche Aussagekraft wie der einzelnen Variablen

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

287

zugeschrieben werden kann, wird das Modell verworfen und stattdessen das zweifaktorielle Modell untersucht. In diesem Modell entfallen die Variablen »Transfer-Erklärung« (gesat13te), »Bezüge« (gesat13ak), »Tempus« (gesat13tp), »Konjunktiv« (gesat13koj) sowie »Unpersönlichkeit« (gesat13ug). Die Items weisen nicht nur in bei der Auswertung der Beschreibe-Teilaufgabe, sondern auch im Hinblick auf die ErkläreTeilaufgabe einige Unregelmäßigkeiten auf. Bereits im Rahmen der explorativen Datenanalyse wurde herausgestellt, dass die Items – auf Grund ihrer geringen Trennschärfte – nur bedingt geeignet sind, um fachliche Sprachhandlungsfähigkeit vorauszusagen. Auch die RASCH-Skalierung der Daten hat gezeigt, dass Auffälligkeiten in den Werten vorliegen. Während die Items »Tempus« und »Unpersönlichkeit« von fast allen Schüler*innen vollständig richtig erfüllt wurden und damit zu Deckeneffekten führen können, wurde der Konjunktiv als überdurchschnittlich anspruchsvolles Item, welches lediglich von einigen wenigen Proband*innen angemessen erfüllt wurde, herausgearbeitet. Die OutfitMSNQ-Werte verweisen auf den Umstand, dass die Schüler*innen bei diesen Items besonders leicht oder aber fast nie das Rating »vollständig erfüllt« (2) erzielten. Da die MSA-Werte ebenfalls für einen Ausschluss der Variablen aus der Faktorenanalyse sprechen, werden die Items nicht in die Bildung der Faktoren einbezogen. Die Variablen »Einleitungssatz« (.554), »Reproduktion der Ursache« (.519) und Kohäsion (.471) laden auf den ersten Faktor, für die Variablen »Erklärendes Fazit« (.649, .346) und »Graduierende Formulierungen« (.597, -.802) lassen sich Ladungen auf beide Faktoren feststellen. Da keine eindeutige Zuordnung der Variablen zu Faktoren erfolgt, kann davon ausgegangen werden, dass sich die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären als Gesamtkonstrukt modellieren lässt, welches sich aus allen Variablen zusammensetzt. Möglicherweise erfordert eine genauere Modellierung der fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären die Herausarbeitung zusätzlich differenzierter und spezifizierter Items, die zu einem komplexeren Messmodell führen würden. Ausgehend von den vorliegenden Daten wird die Sprachhandlungsfähigkeit, wie bereits in den Überlegungen zu den Cronbachs-Alpha-Werten der theoretisch modellierten Konstrukte, als eindimensionales Konstrukt betrachtet. Die Items weisen dabei durchaus unterschiedliche Schwierigkeiten auf. Während einige Items von fast allen Schüler*innen vollständig erfüllt werden, werden andere Variablen nur von wenigen Lernenden angemessen realisiert. Ähnlich wie für das Beschreiben dargelegt, kann auch in diesem Fall angenommen werden, dass sprachliche Mittel wie Passiv und Passiversatzformen, die korrekte Bildung der Tempusformen sowie die Verknüpfung von Gründen, Ursachen und Folgen durch kausale Konjunktionen als Teil einer fachunspezifischen bzw. -übergreifenden Sprachhandlungsfähigkeit betrachtet werden können. Andere Items, wie beispielsweise die Reproduktion einer historisch plausiblen Ursache

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

für den zu erklärenden Sachverhalt oder die Verwendung graduierender Formulierungen sind als genuin fachlich zu betrachten. Sie müssen, als Teil der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären und, darüber hinaus als Teil der Textsortenfähigkeit im Hinblick auf das Historische Sachurteil, explizit im Fachunterricht vermittelt und eingeübt werden. Bei der Entwicklung eines holistischen Messmodells zur Beurteilung schriftlicher Erklärungen im Geschichtsunterricht können die Items »Tempus« und »Unpersönlichkeit«, wie bereits für das Beschreiben skizziert, vorausgesetzt werden. Sie werden nicht als Teil der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit betrachtet, sondern vielmehr als allgemein bildungssprachliche Aspekte, die beim Vollzug der Sprachhandlung realisiert werden. Auf der zweiten Ebene der externen Komplexität treten Kohäsion und Bezüge hinzu, die in verschiedenen Ausprägungen von den Schüler*innen umgesetzt werden können. Während Lernende, die bei der Auswertung der Schreibprodukte lediglich eine niedrige Niveaustufe erreichen, keine oder lediglich rudimentäre Bezüge zwischen Sätzen herstellen, gelingt es den Schüler*innen, die höhere Niveaustufen zuzuordnen sind, dann historisch sinnvolle Ursache-Folge-Beziehungen aufzustellen, Gründe in ihrer Relevanz zu stufen und, unter der Verwendung entsprechender sprachlicher Mittel, triftige Gegengründe oder Beispiele einzubeziehen. Die Leserorientierung der Erklärung wird hergestellt, indem Lernende einen Einleitungssatz formulieren, der in die Thematik des Textprodukts einführt. Auf höheren Ebenen verfassen sie darüber hinaus ein sachgerechtes Fazit und nehmen eine inhaltliche Strukturierung der Erklärung vor. Holistisches Modell- Erklären Graduierung

Konjunktiv

Kohäsion

Tempus

Bezüge

Vollständigkeit

Leserorientierung

Unpersönlichkeit

Abbildung 19: Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Erklärungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

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Die angemessene Verwendung des Konjunktivs und der Einbezug graduierender Formulierungen wird auf den höheren Ebenen der externen Komplexität des Schreibprodukts untersucht. Insbesondere im Gebrauch dieser sprachlichen Mittel spiegelt sich wider, inwiefern die Schüler*innen in der Lage sind, sich kritisch mit historischen Sachverhalten auseinanderzusetzen. Inhaltlich ist vor allem die Vollständigkeit als weiterer Faktor der Sprachhandlung zu betrachten. Dabei kann sowohl differenziert werden, wie viele Gründe die Lernenden einbringen, als auch, ob es sich um plausible und überzeugende Gründe handelt. Die Plausibilität der Erklärung kann zudem anhand der Beispiele, die zur Erweiterung der Argumente herangezogen werden, beurteilt werden. Ebenso lässt sich der Inhalt der Erklärung anhand der Fähigkeit zum Transfer des zu erklärenden Sachverhalts auf ähnliche historische Strukturen bewerten. In einer grafischen Übersicht ergibt sich daraus das oben abgebildete Modell. Aus dem grafischen Modell lassen sich Niveaustufen ableiten, die die Beurteilung fachlicher Erklärungen im Geschichtsunterricht erlauben. Niveau Anforderungen an die Textqualität 0 Der/die Lernende verfasst ein Textprodukt ohne erkennbare Struktur. Die Sätze stehen unverbunden nebeneinander oder das Textprodukt umfasst lediglich einen Satz. In die Fragestellung wird nicht eingeführt, sodass der/die Leser*in den dem Textprodukt zu Grunde liegenden Sinnzusammenhang nicht erschließen kann. Es werden keine Gründe für den zu erklärenden Sachverhalt angegeben. Auch sprachlich wird keine Kohärenz hergestellt. Der Text ist subjektiv, d. h. z. B. in der Ich-Form verfasst. 1

2

Der/die Lernende führt durch einen Einleitungssatz in die Erklärung ein, dieser ist jedoch unvollständig bzw. alltagssprachlich formuliert (z. B. Beginn mit »weil…«). Gründe, die in die Erklärung einbezogen werden, sind fachlich nicht plausibel. Der Text ist in Grundzügen strukturiert, es handelt sich jedoch um ein »Nebeneinander« von (Teil-)Sätzen, die nicht ausreichend durch sprachliche Mittel verknüpft werden. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und der Text wird unpersönlich, d. h. durch Nutzung der man- oder Passiv-Form verfasst. Der/die Lernende führt den/die Leser*in durch einen vollständigen Einleitungssatz in das Thema der Erklärung ein. Er/Sie führt mindestens einen plausiblen Grund für den zu erklärenden historischen Sachverhalt an, differenziert diesen jedoch nicht durch Beispiele oder einen Transfer auf ähnliche Sachverhalte. Die Textstruktur ist erkennbar. Ursachen und Folgen werden historisch sinnvoll durch sprachliche Mittel verbunden und Teilsätze werden verknüpft. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und die Erklärung unpersönlich, d. h. durch Nutzung der man- oder Passiv-Form formuliert. Um Hypothesen aufzustellen und zwischen eigenen und fremden Überlegungen zu differenzieren, wird teilweise der Konjunktiv genutzt.

290

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

(Fortsetzung) Niveau Anforderungen an die Textqualität 3 Der/die Lernende führt den/die Leser*in durch einen vollständigen Einleitungssatz in das Thema der Erklärung ein. Mehr als ein fachlich plausibler Grund wird nachvollziehbar dargestellt. Dem/der Lernenden gelingt es, Gründe nach Möglichkeit durch Beispiele zu verdeutlichen oder auf strukturell bzw. thematisch ähnliche Sachverhalte zu übertragen. Durch die Verwendung sprachlicher Mittel werden Gründe sinnvoll verknüpft, gegenübergestellt, in ihrer Relevanz gestuft und differenziert. Die Textstruktur ist deutlich erkennbar und (Teil-)Sätze werden historisch sinnvoll verknüpft. Die Erklärung endet mit der Herausarbeitung eines abschließenden Fazits. Die Zeitform wird korrekt eingehalten und die Erklärung unpersönlich und unter Nutzung des Konjunktivs zur sprachlichen Distanznahme verfasst. Durch entsprechende Marker werden Textteile wie Einleitung, Hauptteil und Schluss gekennzeichnet. Graduierende Formulierungen heben Hypothesen besonders hervor und werden eingesetzt, um sprachliche Distanz herzustellen. Tabelle 56: Modell zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Erklärungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht

6.4.3 Zusammenhänge zwischen der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären Nach der Entwicklung der holistischen Messmodelle zur Beurteilung fachlicher Beschreibungen und Erklärungen im Geschichts- bzw. Gesellschaftslehreunterricht sollen Zusammenhänge zwischen der fachlichen Handlungsfähigkeit in beiden Sprachhandlungen untersucht werden. Diese ermöglichen es der Frage nachzugehen, inwiefern die Sprachhandlungsfähigkeit in den beiden sprachlichen Handlungen parallel entwickelt wird und lässt darüber hinaus Aussagen darüber zu, ob beide Sprachhandlungen als Teil einer fachlichen Textsortenfähigkeit im Historischen Sachurteil verstanden werden können. Zwischen dem in der Beschreibe- und dem in der Erkläre-Teilaufgabe erreichten Gesamtscore besteht ein signifikanter Zusammenhang (r = .274, p < .001, n = 190). Dabei schneiden die Schüler*innen im Erklären signifikant besser ab, als im Beschreiben (MB = 37,53 %, SD = 14,37 %; ME = 41,89 %, n = 190; SD = 13,60 %, n = 190; t(189) = -3,562, p < .001, Cohens d = -.258), wie mit Hilfe eines gerichteten t-Tests gezeigt werden kann. Dieser Umstand ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Erkläre-Teilaufgabe – anders als die durch den Operator Beschreiben initiierte Teilaufgabe – auch durch Wissen, welches nicht unmittelbar an die den Schüler*innen vorliegenden Darstellungs- und Quellentexte gebunden ist, beantwortet werden kann. Sowohl die Lesefertigkeiten als auch motivationale Aspekte bezüglich der Erarbeitung des Materials, die Einfluss auf die Schreibleistung der Proband*innen nehmen, wirken sich gege-

291

Analyse der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit

benenfalls deutlicher auf die Beschreibe- als auf die Erkläre-Teilaufgabe aus. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass das Erklären im Geschichtsunterricht gezielter eingeübt wurde, als das auf eine textuelle Grundlage bezogene Beschreiben. Zwar stellen Altun/Günther (2015) den Operator Beschreiben als wesentlich für das historische Lernen in der Sekundarstufe I heraus, doch weisen sie auch dem Erklären eine zentrale Rolle bei der Vermittlung fachlicher Zusammenhänge zu. Insgesamt wird die Schule, so Schmölzer-Eibinger/Fanta als »Erklär-Institution« (2014, S. 157) betrachtet, in der die Sprachhandlung regelmäßig rezipiert und produziert würde. Auch die Betrachtung der Sprachhandlungen aus geschichtsdidaktischer Perspektive konnte zeigen, dass dem Erklären eine epistemische Funktion in historischen Denk- und Lernprozessen zugeschrieben wird (Vgl. Brauch/Heine/Bramann 2020). In der Regel fokussieren fachliche Beschreibungen eher Bilder oder Sachquellen, sodass die Beschreibung eines historischen Sachverhalts, der zunächst durch eine kurze Sachanalyse herausgearbeitet werden muss, die Lernenden möglicherweise vor eine eher unbekannte Herausforderung stellt. Gruppe schwach

M 36,96 %

SD 12,56 %

Min. 15 %

Max. 65 %

mittel stark

42,46 % 46,01 %

14,14 % 12,66 %

10 % 15 %

75 % 75 %

Tabelle 57: Abschneiden der basierend auf der Leistung in der Beschreibe-Teilaufgabe gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe

Im Anschluss an die für das Beschreiben vorgenommene Gruppeneinteilung lässt sich die Frage stellen, ob sich die für das Beschreiben gebildeten Gruppen auch im Hinblick auf die Erkläre-Teilaufgabe unterscheiden. Diese Frage wird erneut mit einer einfaktoriellen ANOVA überprüft. Die Varianzhomogenität wurde durch den Levene-Test bestätigt (p = .455), sodass die ANOVA durchgeführt werden kann. Das Ergebnis lässt abermals auf signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen schließen (F(2) = 7.476, p = .001). Statt des Games-Howell post-hoc Tests wird auf Grund des nicht signifikant gewordenen Levene-Tests der Tukey post-hoc Test herangezogen, um Gruppenunterschiede zu eruieren. Der Test zeigt einen signifikanten Unterschied (p < .001) zwischen der schwachen und starken Schüler*innengruppe im Beschreiben im Hinblick auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären (-9.05, 95 - CI[-14.61, - 3.48)]. Zwischen den anderen Gruppen lassen sich keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Aus den Berechnungen geht hervor, dass die Schüler*innen, die im Beschreiben eher unterdurchschnittliche Leistungen zeigten, auch im Erklären lediglich einen geringen Gesamtscore erzielen. Im mittleren Bereich scheinen die Fähigkeiten der Lernenden eher homogen, da sich in Bezug auf das Erklären keine statistisch

292

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

signifikanten Unterschiede zwischen den Schüler*innen zeigen, die im Beschreiben durchschnittliche bzw. überdurchschnittliche Werte erreichen konnten. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, dass sich die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären parallel entwickelt. Der Zusammenhang zwischen den beiden Sprachhandlungen deutet zudem darauf hin, dass sie als Teile der fachlichen Textsorte Historisches Sachurteil gemeinsam im Geschichts- bzw. Gesellschaftslehreunterricht vermittelt und eingeübt werden können.

6.5

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

6.5.1 Hinführung Wie im Überblick über das methodologische Vorgehen dargelegt, wird angenommen, dass verschiedene Faktoren Einfluss auf die Schreibleistung der Schüler*innen haben. Diese lassen sich beispielsweise dem von Hayes/Flower (1980) entwickelten Modell der Textproduktion, oder aus den von Bachmann/ Becker-Mrotzek (2017) für die Arbeit mit Textsorten spezifizierten Modell ableiten. Das als Teil des Langzeitgedächtnisses verstandene Wissen zum Thema wird in der durchgeführten Studie durch das Instrument des Fachwissenstests repräsentiert. Da die Konzepte der Sprachhandlungen und damit einhergehende verfügbare Schreibpläne nur qualitativ untersucht werden konnten, werden in der quantitativen Analyse der fachlichen Schreibfähigkeiten die Resultate der fachübergreifenden Schreibaufgabe »Bauanleitung« herangezogen, um mögliche Zusammenhänge zwischen den Schreibplänen der Schüler*innen und den fachlichen Textprodukten herausarbeiten zu können. Allgemeine Aussagen über die kognitiven Leistungen, die den Prozess der Textproduktion nicht nur bei dem Abrufen von Wissen aus dem Langzeitgedächtnis, sondern kontinuierlich beeinflussen, lassen die ausgewählten Skalen des CFT-20R zu, die ebenfalls im Vorfeld der Interventionsphase erhoben wurden. Der Einfluss der vor allem im Hinblick auf das Überarbeiten relevanten Prozesse des Lesens und Revidierens auf das Schreibprodukt kann durch die mit dem SLS erhobenen Daten untersucht werden. Darüber hinaus kann die Betrachtung der durch das Lesescreening erhobenen Lesefertigkeiten Auskunft darüber geben, inwiefern die Schüler*innen in der Lage sind, mit dem Darstellungstext und der Quelle, die der Aufgabenbearbeitung zu Grunde liegen, umzugehen und diese in das Schreibprodukt einzubeziehen. Der Wortschatz der Schüler*innen, in der vorliegenden Studie ermittelt durch einen im Projekt SchriFT konzipierten C-Test, nimmt insbesondere im Prozess des Formulierens Einfluss auf die Entwicklung des Text-

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

293

produkts, weshalb der ermittelte R/F-Wert ebenfalls zur Untersuchung korrelativer Zusammenhänge herangezogen wird. Neben den Kontrollvariablen, deren Relevanz sich aus dem Modell der Textproduktion ergibt, nehmen sozio-biographische, ökonomische und motivationale Faktoren Einfluss auf die Schreibfähigkeit. Aus diesem Grund werden die durch zwei Fragebögen erhobenen Daten mit den Gesamtscores in der Beschreibe- und Erkläre-Teilaufgabe korreliert. Dazu zählen Alter, Jahrgangsstufe und Geschlecht; sozio-ökonomischer Status sowie kulturelles Kapital der Familie und Faktoren, die den Migrationshintergrund und die gesprochenen Sprachen der Proband*innen abbilden. Darüber hinaus werden ausgewählte Skalen betrachtet, die die Motivation und das Interesse am fachlichen Lernen im Gesellschaftslehreunterricht abbilden. Die entsprechenden Verfahren zur Herausarbeitung von Korrelationen werden entsprechend der Annahme, dass es sich um metrische und normalverteilte Daten handelt, angewandt. Einbezogen werden, wie auch bei der Auswertung der Schreibaufgaben im vorherigen Kapitel, lediglich die Schüler*innen, die die entsprechenden Testinstrumente bzw. die Schreibaufgaben bearbeitet haben.

6.5.2 Lesefertigkeiten Zwischen den Summenscores der Teilaufgaben und dem Lesequotienten sind keine signifikanten Zusammenhänge abbildbar. Zur Korrelation werden der Lesequotient (geslt1lq) sowie die prozentualen Gesamtscores der Schreibaufgaben (gesat12ges_proz; gesat13ges_proz) herangezogen. Da es sich um zwei metrische Variablen handelt, wird die Korrelation nach Pearson ausgewählt. Für das Beschreiben liegt das folgende Ergebnis vor: r = -.084, p = .137, n = 172. Für das Erklären lauten die Werte r = .033, p = .341, n = 159. Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass die Lesefertigkeiten im Falle des gewählten Aufgabensettings keinen wesentlichen Einflussfaktor auf die Schreibleistung darstellen.18 Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass lediglich 172 der 243 (158 der 216) Schüler*innen das Lesescreening (SLS) in einer Form bearbeitet haben, die einen Einbezug der Daten in das statistische Prüfverfahren erlaubt. Über nahezu ein Drittel der Stichprobe ist im Hinblick auf die Lesefertigkeiten keine Aussage möglich. Dementsprechend sind die Ergebnisse nur beschränkt generalisierbar.

18 Studien zum historischen Textverstehen wurden z. B. von Köster (2013) und Ziegler/ Zülsdorf-Kersting/Thünemann et al. (2015) vorgelegt. Eine unmittelbare Verbindung von Lesefertigkeiten und fachlicher Schreibfähigkeit findet im Sinne des hier dargestellten Zugriffs findet jedoch nicht statt.

294

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

6.5.3 Intelligenz Auch zwischen dem mit Hilfe des CFT-20R ermittelten Intelligenzquotienten und den Summenscores der Teilaufgaben lassen sich keine signifikanten Zusammenhänge nachweisen. Zur Korrelation wurden der Intelligenzquotient (kvcft1iqkw) sowie die prozentualen Gesamtscores der Schreibaufgaben herangezogen. Da es sich um zwei metrische Variablen handelt, wird erneut die Korrelation nach Pearson ausgewählt. Für das Beschreiben liegt das folgende Ergebnis vor: r = .071, p = .157, n = 206, für das Erklären r = - .026, p = .362, n = 181. Abermals werden nur die Schüler*innen betrachtet, die das Testinstrument insofern bearbeitet haben, dass eine Auswertung der Ergebnisse möglich ist. Auch im Hinblick auf den Intelligenztest sind einige einschränkende Bemerkungen notwendig, die die Einordnung des Ergebnisses erlauben. Wie bereits erläutert, handelt es sich um Skalen, die das figurale Denken abbilden. Die besondere Aussagekraft der Skalen ergibt sich durch den Umstand, dass diese unabhängig vom Sprachstand der Schüler*innen gelöst werden können. Es ergeben sich jedoch zwei Einschränkungen: Erstens wurden die standardisierten Instruktionen mit den Schüler*innen im Plenum vollzogen. Individuelle Fragen zum Testinstrument waren, auf Grund der Erhebungssituation sowie der Vorgaben der Instruktionen, nicht erlaubt. Ob und inwiefern alle Lernenden – insbesondere Schüler*innen mit geringen sprachlichen Fähigkeiten und/oder weiteren Förderbedarfen – die Anweisungen nachvollziehen und umsetzen konnten, kann nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus bildet das figurale Denken einen eher zu vernachlässigenden Teil des historischen Denkens ab. Einblicke in kognitiv-emotionale Entwicklungsprozesse, wie sie z. B. Borries (2011) und Klose (2004) hervorheben, lässt das Instrument nicht zu. Dass durch die Berechnungen keine Zusammenhänge nachgewiesen werden konnten, bedeutet dementsprechend nicht, dass die kognitive Entwicklung der Lernenden keinen Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit nimmt. Hier wäre es notwendig weitere Studien durchzuführen, die die emotional-kognitiven Prozesse, die beispielsweise Einfluss auf das auf die Fähigkeiten im historischen Erklären nehmen, genauer abbilden und so Aussagen zulassen, die höhere Relevanz für das historische Lernen besitzen.

6.5.4 Wortschatz Demgegenüber zeigen sich jedoch signifikante Zusammenhänge zwischen den Teilaufgaben (gesat12ges_proz; gesat13ges_proz) und dem R/F-Wert (kvctt1rfges) des C-Tests, der zur Bestimmung des Wortschatzes herangezogen wird. Beim Beschreiben liegt die Korrelation im mittleren Bereich (r =.211, p = .001, n = 219),

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

295

beim Erklären (r =.173, p = .008, n = 192) fällt sie etwas geringer aus. Im Hinblick auf die gesamte Schreibaufgabe liegt die Korrelation sogar über dem für das Beschreiben festgehaltenen Wert (r = .282, p < .001, n = 161); die Veränderung ist durch die höhere Korrelation der zusätzlich erhobenen Begründe-Teilaufgabe mit dem R/F-Wert zu erklären. Ein qualitativer Zusammenhang zwischen dem Wortschatz der Schüler*innen und den von ihnen verfassten Textprodukten konnte bereits bei der Analyse exemplarischer Texte herausgestellt werden. Es wurde deutlich, dass die mangelnde Entwicklung des Wortschatzes Einfluss auf das Ausdrucksvermögen nimmt, aber auch, dass der Gebrauch von Adverbien, Verben und Präpositionen sich sinnverändernd auf den Textinhalt auswirken kann. Die nachgewiesenen Korrelationen bestätigen, dass es einen wesentlichen Zusammenhang zwischen Wortschatz und fachspezifischer Textsorten- bzw. Sprachhandlungsfähigkeit gibt. Folgt man der Annahme, dass Geschichte nur bedingt über eine »eigene« Sprache verfügt, da die historische Sprache hauptsächlich durch bildungssprachliche Elemente und Entlehnungen aus anderen Wissenschaften, beispielsweise der Philosophie oder den Sozialwissenschaften, konstituiert ist und die Wörter erst im Kontext des Faches mit Sinn versehen werden (Vgl. Jordan 2002), so ist anzunehmen, dass der Wortschatz auch aus theoretischer Perspektive einen erheblichen Einfluss auf das historische Lernen hat.

6.5.5 Fachwissen Eine hohe Korrelation lässt sich zudem zwischen dem Gesamtscore der Schreibaufgabe (gesat12ges_proz; gesat13ges_proz) und dem Gesamtscore des Fachwissenstest (gefwt1gsc_proz) feststellen. Für die Analysen werden lediglich die Schüler*innen betrachtet, die die Schreibaufgaben bearbeitet und den Fachwissenstest mindestens zur Hälfte bearbeitet haben. Sofern über die Hälfte der Items im Fachwissenstest nicht bearbeitet waren, werden die Schüler*innen aus der Stichprobe ausgeschlossen. Neben fehlendem Fachwissen können hier auch Zeitmangel oder geringe Motivation zur Teilnahme an der Erhebung als Gründe für die Nicht-Bearbeitung der Items betrachtet werden, sodass Aussagen über das Fachwissen der Schüler*innen nicht eindeutig möglich sind. Der Grenzwert von 24 fehlenden Items wird als Schwellenwert definiert, auch ein Ausschluss bei weniger fehlenden Werten wäre grundsätzlich möglich. Für die Beschreibe-Teilaufgabe liegt die Korrelation im mittleren Bereich (r = .158, p = .013, n = 201). Nicht nur die Aufgabenstellung, sondern auch die fachsprachliche Handlung des Erklärens fordern von den Schüler*innen ein höheres Maß an Fachwissen als das Beschreiben, wodurch sich die höhere Korrelation zwischen Fachwissen und Erkläre-Teilaufgabe (r = .274, p < .001, n = 191)

296

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

theoretisch herleiten lässt. Darüber hinaus bestätigen die Ergebnisse die bereits in der ersten Förderphase aufgestellte These eines grundlegenden Zusammenhangs zwischen Sprache und Fach: »Lernende, die über mehr historisches Wissen verfügen, sind gleichzeitig besser in der Lage, historische Schreibaufgaben zu bewältigen oder auch umgekehrt« (Wickner 2019, S. 139). Die von Wickner getroffene Aussage spiegelt sich nicht nur in den Zusammenhängen zwischen den Teilaufgaben und dem Gesamtscore des Fachwissenstest wider, sondern lässt sich auch auf den Gesamtscore der Schreibaufgabe übertragen. Es zeigt sich ebenfalls ein mittlerer korrelativer Zusammenhang (r = .281, p < .001, n = 161), der darauf schließen lässt, dass das Fachwissen in Zusammenhang mit der schriftlichen Textsortenfähigkeit im Historischen Sachurteil zusammenhängt. Mittlere Zusammenhänge zeigen sich auch zwischen dem Konstrukt Methodenkompetenz (gefwt1mkg; Cronbachs Alpha: .79) und dem Gesamtscore der Beschreibe- (r = .216, p = .001, n = 201) bzw. Erkläre-Teilaufgabe (r = .281, p < .001, n = 191). Es ist dementsprechend davon auszugehen, dass die Fähigkeit zur Lösung operatorengestützter Beschreibe- und Erkläre-Aufgaben nicht nur mit der Sachkompetenz der Lernenden, sondern auch mit ihrer ausgebildeten Methodenkompetenz zusammenhängt. Um den Zusammenhang zwischen den Kompetenzen und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären weiter zu untersuchen, müssten in weiteren Studien Instrumente eingesetzt werden, die die fachlichen Kompetenzen der Lernenden genauer abbilden können. Der in dieser Erhebung eingesetzte Fachwissenstest bildet hauptsächlich die Sachkompetenz und, nur in einem geringfügigen Maß, die Methodenkompetenz ab. Instrumente wie der HiTCH-Test (Vgl. Trautwein et al. 2017; Kühberger et al. 2018) widmen sich gezielter der Fragestellung, wie historische Kompetenzen in Large-Scale-Assesments erhoben werden können. Im Rahmen weiterer Erhebungen könnte beispielsweise der Frage nachgegangen werden, welche Kompetenzen besonderen Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit und deren Weiterentwicklung ausüben. Ausgehend von den beschriebenen Zusammenhängen stellt sich darüber hinaus die Frage, inwiefern sich Unterschiede in der Sprachhandlungsfähigkeit zwischen den Schüler*innen, die im Fachwissenstest durchschnittlich bzw. unter- oder überdurchschnittlich abgeschnitten haben, zeigen. Zur Beantwortung der Frage wird, orientiert an der Gruppeneinteilung der Schreibaufgaben, eine Gruppierung der Schüler*innen im Hinblick auf den Fachwissenstest vorgenommen. Erneut wird das arithmetische Mittel für die Gruppeneinteilung herangezogen. Die Gruppen sind wie folgt eingeteilt: Schüler*innen, die weniger als 40,95 % des Gesamtscores erreichten, werden der unterdurchschnittlichen Gruppe zugeteilt; Lernende die zwischen 40,95 % und 55,03 % des Fachwissenstest richtig lösen konnten, werden der durchschnittlichen Gruppe zuge-

297

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

ordnet und diejenigen Schüler*innen, die über 55,03 % korrekt bearbeitet haben, gehören zur überdurchschnittlichen Gruppe. Um Gruppenunterschiede in der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären zu untersuchen, wird eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Gemäß dem Levene-Tests ist die Varianzhomogenität gegeben (p = .995). Das Ergebnis der ANOVA zeigt, dass sich die Gruppen statistisch nicht signifikant unterscheiden. Der Signifikanzwert liegt leicht über dem Schwellenwert von .05 (p = .06). Auffällig ist dabei, dass der in der Beschreibe-Teilaufgabe erzielte Mittelwert der Gruppe der Schüler*innen, die im Fachwissenstest durchschnittlich abgeschnitten haben, über dem Mittelwert der Schüler*innen liegt, die im Fachwissenstest einen überdurchschnittlich hohen Gesamtscore erreicht haben. Obwohl ein Zusammenhang zwischen dem Fachwissen und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben besteht, lassen sich zwischen den Gruppen keine signifikanten Unterschiede nachweisen. Anzunehmen ist, dass das Fachwissen lediglich bis zu einem gewissen Grad erheblichen Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit nimmt. Ist ein gewisser Schwellenwert, der möglicherweise eine Art »historisches Grundwissen« beschreibt, überschritten, flacht der Einfluss zunehmenden Fachwissens auf die Schreibleistung ab. Überprüft werden könnte diese Annahme beispielsweise an einem gestuften Wissens- oder Kompetenztest, anhand dessen sich gezielt Niveaustufen betrachten ließen. Bestimmt werden müsste jedoch zunächst ein derartiger Schwellenwert, der Aufschluss über ein solches Grundwissen geben könnte. Gruppe schwach

M 34 %

SD 14,06 %

Min. 9,09 %

Max. 72,73 %

mittel stark

39,5 % 39,33 %

13,99 % 14,08 %

18,18 % 13,64 %

77,27 % 77,27 %

Tabelle 58: Abschneiden der basierend auf der Leistung im Fachwissenstest gebildeten Gruppen in der Beschreibe-Teilaufgabe

Für das Erklären wird der Levene-Test signifikant (p = .028), weshalb die WelchANOVA durchgeführt wird. Diese zeigt ein signifikantes Ergebnis (p = .007), sodass angenommen werden kann, dass sich zumindest zwei Gruppen mit statistischer Signifikanz voneinander unterscheiden.19 Der Games-Howell post-hoc Test zeigt, dass ein signifikanter Unterschied zwischen der unter- und überdurchschnittlichen Gruppe vorliegt (-8.07,95 – CI[-14, -2.14]). Zwischen der unterdurchschnittlichen und mittleren, bzw. der mittleren und überdurchschnittlichen Gruppe besteht im Hinblick auf das Erklären kein signifikanter Unterschied. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die fachlich 19 Das Ergebnis der ANOVA ist hier F(2) = 6.247, p = .002.

298

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

schwachen und starken Schüler*innen auch in der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit deutlich unterscheiden. Möglicherweise gelingt es den Schüler*innen, die lediglich im mittleren Bereich der Stichprobe liegen, fehlendes Fachwissen durch sprachliche Fähigkeiten auszugleichen und auf diese Weise einen höheren Gesamtscore in der Erkläre-Teilaufgabe zu erreichen. Die Schüler*innen, die nur über geringes Fachwissen verfügen, sind im Durchschnitt nicht in der Lage, mehr als die Hälfte der Items, die zur Beurteilung der Textqualität betrachtet werden, vollständig zu erfüllen. Hier zeigt sich, dass das Fachwissen erheblichen Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Geschichtsbzw. Gesellschaftslehreunterricht nimmt. Damit bestätigt die Berechnung die Ergebnisse von Wickner (2019, S. 140), die herausgestellt hat, dass die Schreibfähigkeit der Lernenden zunimmt, je höher ihr Fachwissen ist. Gruppe schwach

M 36,39 %

SD 12,83 %

Min. 10 %

Max. 65 %

mittel stark

41,19 % 44,47 %

9,36 % 13,29 %

20 % 15 %

55 % 75 %

Tabelle 59: Abschneiden der basierend auf der Leistung im Fachwissenstest gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe

6.5.6 Fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit Zudem bestehen Korrelationen zwischen der Bearbeitung der Teilaufgaben in den Schreibaufgaben der verschiedenen Fächer. Die Korrelation zwischen der Beschreibe-Teilaufgabe in Deutsch20 und Geschichte liegt bei r = .318 (p < .001, n = 199) und fällt damit hoch aus. Geringer ist die Korrelation zwischen den Erkläre-Teilaufgaben21, die lediglich bei r = .163 (p = .018, n = 166) liegt. Zur Analyse beider Zusammenhänge wird die Korrelation nach Pearson gewählt. Berücksichtigung finden erneut lediglich die Schüler*innen, die beide Teilaufgaben bearbeitet haben. Während die Beschreibe-Aufgaben in beiden Fächern ähnlich strukturiert sind, bestehen wesentliche Unterschiede zwischen den Erkläre-Teilaufgaben, die 20 Die Beschreibe-Teilaufgabe in den Schreibaufgaben, die im Deutschunterricht erhoben wurden, lautet: »Beschreibe in einem Text genau den Bau des abgebildeten SmartphoneLautsprechers (alternativ: Smartphone-Beamers). Schreibe so, dass jemand diesen Smartphone-Lautsprecher (alternativ: Smartphone-Beamers) nachbauen kann, ohne die Bilder zu sehen.« 21 Die Erkläre-Teilaufgabe, die in der Schreibaufgabe »Bauanleitung« erhoben wurde, lautet: »Warum werden die Schere und die Rolle (alternativ: die CD-Hülle und das Smartphone) so gelegt, wie auf dem unteren Bild zu sehen ist? Erkläre ausführlich«.

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

299

die geringere Korrelation erklären können. Die in der Schreibaufgabe »Bauanleitung« geforderte Erklärung gleicht vielmehr einer Zwecknennung als einer Erklärung, in der Ursachen und Folgen eines Sachverhalts reflektiert werden. Folgt man klein (2009), so lässt sich diese Form der Sprachhandlung als funktionale Erklärung, durch die die Wirkweise der in die Aufgabenstellung eingebundenen Elemente verdeutlicht werden kann, betrachten. Die historische Erklärung, die die Schüler*innen in den Schreibaufgaben »Der Bau der Pyramiden« und »Die Olympischen Spiele« verfassen sollen, ist als intentionale bzw. narrative Erkläre, warum-Aufgabe zu verstehen. Dieser Typus einer Erklärung verlang das Darlegen von Gründen für historische Sachverhalte und erfordert mehr kausale Strukturen, durch die dieser verdeutlicht werden kann. Hinzu treten die fachlichen Anforderungen, die die Erkläre-Teilaufgabe bestimmen. Der Sachverhalt kann weder aus dem Alltagswissen erklärt werden, wie es bei der fachübergreifenden Teilaufgabe möglich ist, noch lassen sich die notwendigen Informationen zur Beantwortung der Fragestellung einfach aus den vorliegenden Materialien abschreiben. Vielmehr müssen die Schüler*innen reflektiert und kritisch mit dem zur Verfügung stehenden Material umgehen, um Gründe für die Erklärung entwickeln zu können. Bedingt durch diese Verschiedenheiten zwischen den Schreibaufgaben kommt es lediglich zu geringen statistischen Zusammenhängen. Ein ähnlich starker Zusammenhang zeigt sich auch zwischen dem Gesamtscore der fachlichen Schreibaufgaben und der Schreibaufgabe »Bauanleitung« (r = .301, p < .001, n = 134). Der Zusammenhang, der zwischen den Fähigkeiten im schriftlichen Sprachhandeln nachzuweisen ist, lässt sich somit auch auf die Produktion von Textsorten übertragen. Wie bereits für das Abschneiden der Schüler*innen in den Teilaufgaben der fachlichen Schreibaufgabe sowie im Fachwissenstest, soll auch für das Ergebnis der fachübergreifenden Schreibaufgabe eine Gruppierung, die sich am Mittelwert der Teilaufgaben orientiert, vorgenommen werden. Für das Beschreiben ergibt sich daraus, ausgehend von M = 45.49 % (SD = 14 %) folgende Gruppeneinteilung: Als unterdurchschnittlich werden die Schüler*innen betrachtet, die weniger als 38,49 % des Gesamtscores erreicht haben; als durchschnittlich werden die Lernenden angesehen, die zwischen 38,49 % und 52,49 % des Gesamtscores erzielen konnten und als überdurchschnittlich gelten die Proband*innen, die mehr als 52,49 % in der Bearbeitung der Schreibaufgaben erreichten. Zur Überprüfung des Zusammenhangs wurde eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Der Levene-Test beweist die Varianzhomogenität (p = .130), sodass die Gleichheit der Varianz angenommen werden kann. Das Ergebnis in der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe unterscheidet sich für die Gruppen, die anhand der Resultate der fachübergreifende Beschreibe-Teilaufgabe eingeteilt wurden, signifikant (F(2) = 11.318, p < .001). Der Tukey post-hoc Test zeigt, dass sowohl zwischen der unterdurchschnittlichen und mittleren Gruppe (-6.68, 95-CI

300

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

[-12.39,-.96]) als auch zwischen der unter- und überdurchschnittlichen Gruppe (-11, 95-CI[-16.47, -5.53]) signifikante Unterschiede bestehen. Lediglich zwischen der durchschnittlichen und überdurchschnittlichen Schüler*innengruppe besteht kein statistisch signifikanter Unterschied. Es wird deutlich, dass die Proband*innen, die in der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe einen unterdurchschnittlichen Gesamtscore erreicht haben, auch in der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe deutlich schwächer abschneiden als ihre Mitschüler*innen. Gleiches gilt für die Schüler*innen mit durchschnittlichen und überdurchschnittlichen Sprachhandlungsfähigkeiten. Die Lernenden übertragen ihre sprachlichen Fähigkeiten dementsprechend auf das Fach, sofern sie über eben diese verfügen (Vgl. Roll et al. 2019, S. 42). Gruppe schwach

M 30,98 %

SD 10,77 %

Min. 9,09 %

Max. 54,55 %

mittel stark

37,66 % 41,98 %

14,75 % 14,10 %

9,09 % 18,18 %

77,27 % 77,27 %

Tabelle 60: Abschneiden der basierend auf der Leistung in der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe gebildeten Gruppen in der Beschreibe-Teilaufgabe

Für das Erklären wird dasselbe Verfahren für den Zusammenhang zwischen der Gruppierung der Schreibleistungen in der fachübergreifenden Erkläre-Teilaufgabe der Schreibaufgabe »Bauanleitung« und dem Abschneiden in der fachlichen Erkläre-Aufgabe vorgenommen. Da der Levene-Test auch hier nicht signifikant ist, kann die ANOVA durchgeführt werden. Das Ergebnis deutet allerdings erneut auf signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen hin (F(2) = 3.247, p = .041). In diesem Fall lässt sich jedoch nur ein signifikanter Unterschied zwischen der durchschnittlichen und starken Gruppe nachweisen (-5.72, 95CI[-11.33, -.11]). Überraschend ist, dass zwischen der unter- und überdurchschnittlichen Gruppe kein signifikanter Unterschied nachzuweisen ist. Wie der Überblick über von den Gruppen erreichten Mittelwerte in der fachlichen Erkläre-Teilaufgabe zeigt, erreichen die Schüler*innen, die in der fachübergreifenden Schreibaufgabe nur unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, ein höheres arithmetisches Mittel als die Lernenden, die ein durchschnittliches Ergebnis erzielen konnten. Auch im Hinblick auf das Erklären wird deutlich, dass die Lernenden in fachlicher und fachübergreifender Schreibaufgabe ähnlich abschneiden. Dennoch wird erkennbar, dass der maximal erreichte Gesamtscore über die Gruppen hinweg in einem ähnlichen Bereich liegt, ebenso der minimal erreichte Wert. Somit ist davon auszugehen, dass sich auch in der Gruppe unterdurchschnittlicher Schüler*innen Lernende befinden, die hohe Scores in der fachlichen Erkläre-Teilaufgabe erreichen und dementsprechend über elaborierte fachliche Sprachhandlungsfähigkeiten verfügen.

301

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

Gruppe schwach

M 40,37 %

SD 13,17 %

Min. 15 %

Max. 70 %

mittel stark

39,61 % 45,33 %

13 % 13,56 %

10 % 15 %

70 % 75 %

Tabelle 61: Abschneiden der basierend auf der Leistung in der fachübergreifenden ErkläreTeilaufgabe gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe

Bereits im Rahmen der kategoriengestützten Betrachtung der Sprachhandlungsfähigkeit wurde der Einfluss ausgewählter sozio-biographischer Variablen untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass signifikante Zusammenhänge zwischen der Jahrgangsstufe, die die Proband*innen besuchen, und der Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären bestehen. Für das Erklären wird darüber hinaus, anders als für das Beschreiben, deutlich, dass auch ein statistischer Zusammenhang zwischen dem Alter der Lernenden und ihrer Sprachhandlungsfähigkeit besteht. Dieser Zusammenhang kann auf die kognitiv-emotionale Entwicklung und damit einhergehend der Entwicklung des Geschichtsbewusstseins zurückgeführt werden. Im Folgenden sollen weitere Zusammenhänge untersucht werden, die zwischen sozio-biographischen, motivationalen und sprachlichen Einflussfaktoren und der Sprachhandlungsfähigkeit bestehen.

6.5.7 Mehrsprachigkeit und Migrationshintergrund Studien, die Zusammenhänge zwischen Mehrsprachigkeit und fachlichem bzw. sprachlichem Lernen untersuchen, liegen bisher kaum vor (Vgl. Yilmaz Woerfel/Riehl 2016; Riehl/Yilmaz Woerfel/Barberio/Tasiopoulou 2018; Redder/Çellikol/Wagner/Rehbein 2018; Prediger/Uribe/Kuzu 2019). Wenngleich die Frage, wie Mehrsprachigkeit als Ressource für fachliches Lernen zu aktivierten ist, eine zentrale Rolle im Projekt SchriFTeingenommen hat (Roll et al. 2019, S.27), wird dieser Aspekt in der vorliegenden Arbeit nicht vordergründig thematisiert. Dennoch bietet die Betrachtung von Zusammenhängen zwischen den Faktoren der Mehrsprachigkeit und des Migrationshintergrunds mit der für das Beschreiben und Erklären erhobenen fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit weitere Einsichten in die fachsprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen, nicht zuletzt, da ein hoher Anteil der Lernenden mehr als eine Sprache spricht. Zur Klassifizierung von mehrsprachigen Lernenden wird in der Studie eine enge Definition herangezogen, die einen Fokus auf den frühkindlichen Spracherwerb legt. Es werden dementsprechend die Schüler*innen als mehrsprachig gewertet, die im Alter von 0 bis drei Jahren mindestens zwei Sprachen erlernt

302

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

haben. Lernende, die in der Schule eine Zweit- bzw. Fremdsprache erworben haben, werden in der Erhebung als monolingual betrachtet. Angelehnt ist die Definition an den von Ingrid Gogolin geprägten Begriff der »lebensweltlichen« Mehrsprachigkeit (2010, S. 531). Lediglich ein Viertel der Schüler*innen, die die Beschreibe-Teilaufgabe bearbeitet und Informationen zu ihrem Spracherwerb preisgegeben hat, ist der Gruppe monolingualer Lernender zuzuordnen. Demgegenüber sind 145 der insgesamt 194 Schüler*innen, die die in diesem Rahmen genutzte Stichprobe umfasst, mehrsprachig aufgewachsen. Der durchgeführte ttest für unabhängige Stichproben weist darauf hin, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Faktor Mehrsprachigkeit (kvfbt1msp) und der abhängigen Variable der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben besteht (MMON = 32,95 %, SD = 13,14 %, n = 48; MMSP = 37,84 %, SD = 14,64 %, n = 145; t(191) = -2.052, p = .042, Cohens d = -0,342). Das arithmetische Mittel der mehrsprachigen Stichprobe liegt dabei nahezu 5 % höher als der von ihren monolingualen Mitschüler*innen erreichte Durchschnittswert. Die darüber hinaus durchgeführte einfache Regression zeigt, dass es sich um einen gerichteten Zusammenhang handelt (F(1) = 4.212, p = 0.42). Der Faktor Mehrsprachigkeit nimmt also Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit in der Beschreibe-Teilaufgabe. Ähnliche Ergebnisse lassen sich für das Beschreiben auch bei der Untersuchung von Korrelationen zwischen dem Migrationshintergrund der Lernenden (MiH_dic) und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit feststellen. Während 38 Schüler*innen der Stichprobe angeben, nicht auf eine familiäre Migrationsgeschichte zurückzublicken, lässt sich für 168 Schüler*innen ein Migrationshintergrund ermitteln. Die Schüler*innen mit Migrationshintergrund schneiden in der Beschreibe-Teilaufgabe um 8,5 Prozentpunkte besser ab als ihre Mitschüler*innen. Die Durchführung eines t-Tests bestätigt, dass zwischen fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit und Migrationshintergrund ein signifikanter statistischer Zusammenhang mit mittlerer Effektstärke besteht (MKM = 29,78 %, SD = 11,56 %, n = 38; MMH = 38,28 %, SD = 14,49 %, n = 168; t(204) = -3,377, p = .001, Cohens d = -,607). Zwischen den Schüler*innen mit Migrationshintergrund (1 Gen., 2. Gen, 2,5. Gen) besteht hingegen kein signifikanter Unterschied, wie eine einfaktorielle ANOVA zeigen konnte (F(2) = .926, p = .398).22 Wie mit Hilfe einer multiplen Regression gezeigt werden konnte, hat die Mehrsprachigkeit auch unter Kontrolle des Migrationshintergrundes einen signifikanten Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit in der Beschreibe-Teilaufgabe (F(2) = 5.500, p = .005). In der Mehrsprachigkeitsforschung wird davon ausgegangen, dass mehrsprachig aufwachsende Schüler*innen die 22 Es besteht Varianzhomogenität, ein post-hoc-Test muss jedoch nicht durchgeführt werden, da das Ergebnis nicht signifikant geworden ist.

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

303

Sprachen, die sie beherrschen, nicht losgelöst und getrennt voneinander, sondern verknüpft und in Beziehung zueinander erwerben (Roll et al. 2019, S. 27f). Als positive Effekte der Mehrsprachigkeit werden unter anderem eine höhere Aufmerksamkeitssteuerung und Flexibilität bei der Bearbeitung verschiedener Aufgabenstellungen angenommen (Vgl. Bialystok 2011). Folgt man diesen Thesen, so lässt sich annehmen, dass mehrsprachige Schüler*innen sich diese Effekte auch beim Beschreiben zu Nutze machen. Die Sprachhandlung ist im Wesentlichen durch die genaue Wahrnehmung und Weitergabe eines Sachverhalts geprägt (Vgl. Feilke 2005; Ossner 2005, 2014). Die (Re-)Konstruktion dieser Wahrnehmung gelingt mehrsprachigen Lernenden also möglicherweise deshalb besser als ihren monolingualen Mitschüler*innen, weil sie die wesentlichen Elemente des Sachverhalts aufmerksamer wahrnehmen. Die Auswertung der Interviewerhebung hat zudem gezeigt, dass mehrsprachige Schüler*innen häufig von einer Übersetzungstätigkeit berichten, bei der sie erlebte oder wahrgenommene Sachverhalte, betrachtete Gegenstände und ihre Funktionsweise oder Handlungen an Familienmitglieder oder Freund*innen weitergeben, die das Deutsche weniger souverän beherrschen als sie selbst. Aus diesem Umstand lässt sich schlussfolgern, dass sie die Sprachhandlung auch im Alltag häufig vollziehen und deshalb geübt in der mündlichen Realisierung sind. Einigen Lernenden gelingt es möglicherweise, diese Fähigkeiten auf das schriftliche, fachliche Beschreiben zu übertragen (Vgl. Cummins 2008). Für das Erklären lassen sich derartige Zusammenhänge nicht nachweisen. Weder zwischen dem Faktor Mehrsprachigkeit und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit (MMON = 40,24 %, SD = 12,89 %, n = 41; MMSP = 42,04 %, SD = 13,19 %, n = 130; t(169) = -.764, p = .446) noch zwischen dem Migrationshintergrund und dem erhobenen Gesamtscore (MKM = 42,12 %, SD = 14,14 %, n = 33, MMH = 41,31 %, SD = 12,95 %, n = 149; t(180) = .321, p = .749) bestehen statistisch signifikante Zusammenhänge. Anzunehmen ist, dass dies auf die Komplexität der Sprachhandlung zurückzuführen ist. Wenngleich von positiven Effekten der Mehrsprachigkeit auszugehen ist, reichen diese nicht aus, um in signifikanter Weise Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären zu nehmen.

6.5.8 Geschlecht Wie Baurmann/Pohl (2009, S. 88f) berichten, müssen geschlechtsspezifische Unterschiede und die daraus resultierende Schreibmotivation in die Planung von Schreibprozessen im Unterricht einbezogen werden. Aus diesem Grund scheint es auch an dieser Stelle sinnvoll nachzuvollziehen, inwiefern geschlechterspezifische Unterschiede in den Schreibaufgaben vorliegen. Zur Ermittlung der Un-

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

terschiede wird sowohl für das Beschreiben als auch für das Erklären ein t-Test für unabhängige Stichproben durchgeführt. Für das Beschreiben liegt nach dem Levene-Test Varianzgleichheit vor (p = .021), sodass folgendes Ergebnis angenommen wird: MW = 39,11 %, SD = 15,13 %; n = 114, MM = 34,05 %, SD = 12, 87 %, n = 110; t(218.551) = 2.702, p = .007, Cohens d = .360. Es handelt sich dementsprechend um einen Effekt mit geringer Effektstärke, der belegt, dass Mädchen beim Beschreiben signifikant besser abschneiden als ihre männlichen Mitschüler. Ein vergleichbares Resultat zeigt sich beim Blick auf die Erkläre-Teilaufgabe. Dort schneiden die Mädchen im Durchschnitt vier Prozentpunkte besser ab als die Jungen (MW = 43,33 %, SD = 13,42 %, n = 93; MM = 39,43 %, SD = 12,56 %, n = 105; t(196) = 2.114, p = .036, Cohens d = .301). Auch in diesem Fall handelt es sich um einen Effekt, dem eine mittlere Effektstärke zuzuschreiben ist. Während Wickner (2019, S. 140) keine geschlechterspezifischen Unterschiede feststellen konnte und auch in anderen Erhebungen (Vgl. Knopp/Becker-Mrotzek/Grabowski 2013) nicht auf derartige Differenzen hingewiesen wird, zeigen die hier erhobenen Daten deutliche Unterschiede in der Schreibleistung und damit in der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit von Mädchen und Jungen. Verknüpft werden kann das Resultat jedoch, nicht zuletzt auf Grund des überdurchschnittlich hohen Anteils von mehrsprachigen Lernenden, mit den Überlegungen zum geschlechtsspezifischen Wirkgefüge in Familien mit und ohne Migrationshintergrund, die Heimler (2020, S. 138) aufgreift. Sie weist nicht nur auf Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen hin, die durch die »traditionelle Geschlechterrollenorientierung« bedingt werden, sondern erläutert darüber hinaus, dass diese Rollenorientierung in Familien mit Migrationshintergrund unter Umständen besonders ausgeprägt sei. Eine These, der in weiteren Studien nachgegangen werden könnte, lautet, dass ein Zusammenhang zwischen dem Geschlecht, der Mehrsprachigkeit und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit vorliegt. Überprüft werden könnte dabei beispielsweise, ob die Mädchen, die mehrsprachig aufgewachsen sind, über spezifischere Sprachfähigkeiten verfügen als ihre männlichen Mitschüler.

6.5.9 Kulturelles Kapital Der Begriff »kulturelles Kapital« wurde in den 1970er Jahren durch den Soziologen Pierre Bourdieu (1977, 1983) geprägt. Das sogenannte objektivierte kulturelle Kapital der Familien der Schüler*innen wurde durch die aus der PisaStudie bekannte »Bücherfrage« erhoben (Hertel et al. 2014, S. 35). Differenziert wurde dabei zwischen Schüler*innen, die im Haushalt über keine Bücher ver-

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

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fügen und jenen, die zwischen einem Regalbrett, einem Regal, drei Regalen oder über zweihundert Bücher besitzen. Zur Überprüfung des Zusammenhangs zwischen dem kulturellen Kapital der Lernenden (kvfbt1kki) und dem Abschneiden in der Beschreibe-Teilaufgabe wird, da es sich bei der »Bücherfrage« um eine lediglich ordinal skalierte Variable handelt, die Korrelation nach Spearman ermittelt. Es zeigt sich ein geringer signifikanter Zusammenhang (r = .184, p = .007, n = 217).23 Im Hinblick auf die Erkläre-Teilaufgabe liegt der Wert leicht über dem für ein signifikantes Ergebnis angenommenen Schwellenwert von .05 (r = .128, p = .077, n = 193). Da der Wert nur geringfügig über dem Signifikanzniveau liegt, kann angenommen werden, dass Zusammenhänge zwischen dem kulturellen Kapital und der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären bestehen, wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Zusammenhänge in der betrachteten Stichprobe zufällig zu Stande kommen. Insgesamt verweisen die Ergebnisse darauf, dass das kulturelle Kapital der Familien der Schüler*innen Einfluss auf die Schreibleistung und damit auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit nimmt. Lernende, deren Familien nur über geringes kulturelles Kapital verfügen, erreichen durchschnittlich weniger Punkte in der kategoriengestützten Auswertung der Schreibaufgaben als ihre Mitschüler*innen, die angegeben haben, über viele Bücher im Haushalt zu verfügen. Dieses Ergebnis kann auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden. Möglicherweise verfügen Lernende, die auf ein hohes Maß an kulturellem Kapital schließen lassen, auch über höhere fachliche Fähigkeiten, die sie in die Bearbeitung der Aufgaben einbringen. Da sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem prozentual erreichten Gesamtscore des Fachwissenstest und der Variable »Kulturelles Kapital« nachweisen lässt (r = .106, p = .109, , n = 228), kann diese These für die erhobene Stichprobe aber nicht bestätigt werden. Ein signifikanter Zusammenhang lässt sich auch für die fachübergreifende Erkläre-Teilaufgabe nicht nachweisen (r = .013, p = .845, n = 228). Umso überraschender ist jedoch, dass die Berechnung der Korrelation nach Pearson einen geringen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe und dem kulturellen Kapital nachweist (r = .137, p = .032, n = 245). So ergibt sich die These, dass Schüler*innen mit höherem kulturellem Kapital die ausgeprägtere Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben besitzen als diejenigen Lernenden, die im Haushalt nur über geringes kulturelles Kapital verfügen. 23 Auch bei Nutzung einer angepassten Skala bleibt die Korrelation bestehen. Das kulturelle Kapital wurde hier umcodiert, da etwa 55 % der Schüler*innen über keine oder lediglich wenige Bücher verfügen. Die Werte der Variable entsprechen dann 0 = keine bis wenig Bücher und 1 = ein Regal bis über 200 Bücher (kvfbt1kki_dic). Die Korrelation entspricht beim Beschreiben r = .195, p = .004, n = 217 und beim Erklären r = .129, p = .073, n = 193.

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Studien, die die Leistung von Lernenden in Abhängigkeit vom kulturellen Kapital des Elternhauses betrachten, liegen vor allem im Bereich der Psychologie und Soziologie vor. Jungbauer-Ganz (2004, S. 377f) berichtet überblicksartig von Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen dem sozio-ökonomischen Status der Eltern, der Bildungsbeteiligung usw. und dem kulturellen Kapital untersuchen. Sie stellt zudem anhand der Alterskohorte der 15-jährigen Schüler*innen, die in der PISA-Studie erhoben wurde, signifikante Zusammenhänge zwischen der Anzahl der Bücher im Haushalt und der Lesekompetenz der Schüler*innen heraus (Jungbauer-Ganz 2004, S. 389). In ihrer Schlussfolgerung hält sie fest, dass »je mehr Kulturgegenstände in einer Familie verfügbar sind, je mehr Bücher und bildungsrelevante Ressourcen vorhanden sind, desto besser ist der erreichte Testwert [in der Lesekompetenz]« (Jungbauer-Ganz 2004, S. 390). Die Korrelationen zwischen der fachlichen sowie fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe und dem »Kulturellen Kapital« sprechen dafür, dass diese Überlegungen nicht nur für die rezeptiven, sondern auch für einen Teil der produktiven sprachlichen Fähigkeiten der Schüler*innen Gültigkeit besitzen.

6.5.10 Fachliche Motivation und Selbstkonzept Zur Erhebung der fachlichen Motivation und des fachlichen Selbstkonzepts der Schüler*innen schließt sich an die Bearbeitung der fachlichen Schreibaufgabe und des Fachwissenstests ein Fragebogen an, der zentrale Aspekte des Interesses und der Motivation der Schüler*innen abbildet. Motivation wird als ein wesentlicher Faktor betrachtet, der den Lernerfolg begünstigt (Schiefele 2008, S. 38). Untersucht wird die habituelle Leistungsmotivation, also »das wiederholte bzw. gewohnheitsmäßige Auftreten einer bestimmten Form aktueller Motivation, in Sinne eines relativ überdauernden Persönlichkeitsmerkmals« (Schiefele 2008, S. 39). Hinzu treten Aufgaben, die das Interesse der Schüler*innen am Fach Gesellschaftslehre in den Blick nehmen. Das Interesse kann dementsprechend verstanden werden als »Wertschätzung eines spezifischen Gegenstands bzw. Themas« (Schiefele 2008, S. 47), die sich beispielsweise dadurch äußert, dass der Gegenstand mit positiven Gefühlen und persönlicher Bedeutsamkeit verbunden wird. Neben der letzten Zensur im Fach Gesellschaftslehre (kvimt13c) werden die Lernenden zu verschiedenen Faktoren des schulischen und spezifisch fachlichen Lernens befragt, um Interesse und Motivation abzubilden. Die verwendeten Skalen sind dabei entnommen aus bzw. orientiert an den Skalen der in der ersten und zweiten Förderphase des Projekts »Ganz In« entwickelten Instrumenten. Die erste der vier eingesetzten Skalen umfasst Fragen zur Prüfungs- und Leistungsangst von Lernenden (Pfänder/Schurig/Bos 2018, S. 133, Cronbachs

Zusammenhänge zu ausgewählten Kontrollvariablen

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Alpha: 0.81). Diesen kann im Kontext der Erhebung eine zentrale Rolle zugewiesen werden. Leistungsangst wird als »Hauptursache für Stresserleben vor und in Prüfungssituationen und sonstigen Bewertungssituationen« (Cortina 2008, S. 50) definiert. Wenngleich in der Erhebungssituation kommuniziert wurde, dass die Auswertung der Schreibaufgaben anonymisiert erfolgt und keinen Einfluss auf die Bewertung der Lernenden nimmt, kann die Erhebungssituation an sich Leistungsangst hervorrufen. Erhoben wird durch die Skalen die Wahrnehmung körperlicher Erregungssymptome sowie die kognitive Einschätzung von Leistungs- und Prüfungssituationen (Cortina 2008, S. 52). In Studien erhobene Korrelationen zwischen der Leistungsangst und der gezeigten Leistungen weisen dem Zusammenhang häufig lediglich geringe Effekte zu (Cortina 2008, S. 55). In der durchgeführten Erhebung wird zur Korrelation der Skalen mit dem Gesamtscore der Schreibaufgaben der Mittelwertscore genutzt (kvimt1pla). Ein signifikanter Zusammenhang lässt sich jedoch weder für das Beschreiben (r = .128, p = .064, n = 212), noch für das Erklären (r = .055, p = .461, n = 183) nachweisen. Genutzt wurde in beiden Fällen die Korrelation nach Spearman, da es sich bei dem Mittelwertscore um eine ordinale Variable handelt. In beiden Fällen spiegelt sich somit die Annahme, dass die Korrelationen zwischen Angst und Leistung eher gering ausfallen. Die Prüfungsangst der Lernenden kann somit als Faktor, der in der Erhebung Einfluss auf die Schreibleistung der Schüler*innen nimmt, weitgehend ausgeschlossen werden. Des Weiteren werden Items eingesetzt, die die leistungsbezogene Differenzierung der Schüler*innen im Unterricht beschreiben (Pfänder/Schurig/Bos 2018, S. 99; die Skala wurde in GanzIn von Ramm et al. 2006 adaptiert, der Cronbachs Alpha liegt bei 0.53). Die Skalen bilden ab, inwiefern die Lehrkraft differenzierende, individualisierende Anforderungen in den Unterricht einbringt. Möglich ist, dass die genauere Passung von Lehr- und Lernangeboten zu einer positiven Einschätzung der eigenen Fähigkeiten der Lernenden, wie sie im Folgenden noch vorgestellt wird, führen kann (Vgl. Lipowsky/Kastens/Lotz/ Faust 2011, S. 871). Für das Beschreiben lässt sich kein signifikanter Zusammenhang nachweisen (r = .045, p = .561, n = 212). Erneut wird die Korrelation nach Spearman genutzt, da es sich um eine ordinale Variable handelt. Für das Erklären liegt hingegen ein statistisch signifikanter Zusammenhang vor (r = -.173, p = .019, n = 182). Aus dem Ergebnis geht hervor, dass Lernende, die angeben, der Unterricht sei eher lernerbezogen differenziert gestaltet, höhere Scores in der Erkläre-Teilaufgabe erreichen. Möglicherweise sind sie eher in der Lage, dem Lernangebot die Inhalte zu entnehmen, die sie zur Weiterentwicklung ihrer eigenen Fähigkeiten benötigen. Zudem weisen die Ergebnisse der explorativen Datenanalyse darauf hin, dass es sich um eine extrem heterogene Schülerschaft handelt. Wie Bohl her-

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

ausstellt, können Lernende, »wenn die leistungsbezogene Heterogenität einer Lerngruppe eine gewisse Streuung erreicht, […] nur noch über Differenzierungsmaßnahmen erfolgreich adressiert werden« (2017, S. 258f). Möglicherweise sind die Schüler*innen, die diese Differenzierungsangebote im Unterricht wahrnehmen auch in der Lage, sie effektiv zu nutzen und somit ihre fachliche Sprachhandlungsfähigkeit weiter auszubauen. Einblicke in die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten der Lernenden geben die adaptierten Skalen zum fachlichen Selbstkonzept (Bos/Pfänder/Schurig 2018, S. 350; im Ganz In-Projekt adaptiert von Kunter et al. 2002; der Cronbachs Alpha liegt bei 0.61) bzw. zum Selbstkonzept der Befähigung im Fach (Bos/ Pfänder/Schurig 2018, S. 352f, in Ganz In adaptiert von Baumert et al. 1997; der Cronbachs Alpha liegt bei 0.81). Die Relevanz der Skalen geht aus der Annahme hervor, dass nicht nur die tatsächlichen Fähigkeiten der Lernenden, sondern auch die subjektive Einschätzung derselben Einfluss auf die schulischen Leistungen nehmen (Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008, S. 62). Das Fähigkeitsselbstkonzept wird dabei verstanden als »die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen eigener Fähigkeiten« (Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008, S. 63). Für beide Konzepte (kvimt1skg, kvimt1skbg) wird der Mittelwert der Itemskala herangezogen, um weitere Analysen durchzuführen. Weder für das fachliche Selbstkonzept (Beschreiben: r = -.030, p = .669, n = 210; Erklären: r = -.084, p = .264, n = 181) noch für das Selbstkonzept der Befähigung (Beschreiben: r = -.002, p = .980, n = 210, Erklären: .052, p = .491, n = 180) lassen sich signifikante Zusammenhänge nachweisen. Ergebnisse von Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen dem Fähigkeitsselbstkonzept und den Leistungen von Lernenden herausgestellt haben (Vgl. Stiensmeier-Pelster/Schöne 2008, S. 70), können an dieser Stelle nicht bestätigt werden. Möglicherweise bilden die eingesetzten Skalen das fachliche Selbstkonzept nicht präzise genug ab, da sie sich im Wesentlichen auf den Gesellschaftslehreunterricht und nicht auf das historische Lernen beziehen. Zwei Items, die das Interesse und die Motivation am historischen Lernen im Gesellschaftslehreunterricht besonders deutlich herausstellen, sind die Aussagen »Mich mit dem Fach Gesellschaftslehre zu beschäftigen, macht mir Spaß« (kvimt14l) und »Ich finde die Themen interessant, die wir im Fach Gesellschaftslehre behandeln« (kvimt14j). Auch hier werden jedoch keine Zusammenhänge zum Abschneiden in der Beschreibe- oder Erkläre-Teilaufgabe deutlich.24 24 Die Korrelation nach Spearman ergibt für gesat12ges_proz – kvimt14j r = .020, p = .772, n = 207 und gesat12ges_proz – kvimt14l r = -.007, p = .922, n = 206. Für das Erklären lässt sich folgendes Ergebnis abbilden: gesat13ges_proz – kvimt14j r = .027, p = .724, n = 178; gesat13ges_proz – kvimt14l r = -.061, p = .420, n = 178.

Regressionsmodelle

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Es zeigt sich allerdings, dass fachliche Sprachhandlungsfähigkeit und die Einschätzung der fachlichen Fähigkeiten, die durch die letzte Zeugnisnote im Fach Gesellschaftslehre abgebildet werden, in Zusammenhang stehen. Für das Beschreiben bildet die Berechnung der Korrelation nach Spearman (kvimt13c als ordinale, gesat12ges_proz als metrische Variable) einen signifikanten Zusammenhang (r = -.199, p = .006, n = 191) ab, der darauf schließen lässt, dass die Schüler*innen einen höheren Gesamtscore in der Schreibaufgabe erzielen, je besser ihre letzte Zensur im Fach Gesellschaftslehre ausgefallen ist. Gleiches lässt sich auch für das Erklären nachweisen (r = -.252, p = .001, n = 165). Zwar weisen vor allem psychologische Studien darauf hin, dass die Leistungsbewertung durch Schulnoten eher als unzuverlässig betrachtet werden kann (Vgl. Ingenkamp 1969; 1977), doch scheinen die Noten im Fach Gesellschaftslehre in diesem Fall durchaus einen geeigneten Prädiktor für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit darzustellen. Da die Noten in der Studie weniger als kriteriale Bezugsnorm verwendet werden, sondern vielmehr als soziale Bezugsnorm genutzt werden können, die die Einordnung der Schüler*innen im Leistungsgefüge der Stichprobe erlauben (Vgl. Helm/Keusch 2019, S. 292), ermöglichen sie dennoch wesentliche Erkenntnisse. Die Schüler*innen, die in ihrer fachlichen Kompetenz von den Lehrkräften generell als stark eingeschätzt werden, gelingt es, die Teilaufgaben in überzeugender Weise zu bearbeiten. Je schwächer die Lernenden durch die Fachnote eingeschätzt wurden, desto geringer fallen auch ihre fachlichen Sprachhandlungsfähigkeiten aus.

6.6

Regressionsmodelle

6.6.1 Beschreiben Aus dem Textproduktionsmodell geht hervor, dass zahlreiche Variablen Einfluss auf die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären nehmen können. Um zu untersuchen, welche dieser Variablen (in welchem Maß) die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit konkret beeinflussen, wird eine multiple lineare Regressionsanalyse berechnet. Dabei wird untersucht, inwiefern die sogenannten Prädiktoren, hier also die erhobenen Kontrollvariablen wie Lesefertigkeiten, Wortschatz, Fachwissen usw., ein Kriterium – nämlich die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben und Erklären – vorhersagen bzw. aufklären können. In diesem Zusammenhang kann auch die Varianz des Modells aufgeklärt werden. Durch die Ergebnisse der Regressionsanalyse gelingt es also zu bestimmen, wie durch die als Modell zusammenhängenden Prädiktoren die vorliegenden Daten erklärt werden können.

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Um eine multiple lineare Regression durchführen zu können, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein. Aus diesem Grund wird die Regressionsanalyse zweifach ausgeführt. Zunächst müssen die Residuen berechnet werden, die anschließend im Hinblick auf ihre Modellpassung betrachtet werden. Erst nachdem anhand der Residuen überprüft wurde, ob die Voraussetzungen für die Regression erfüllt sind, können die Modellanpassung bestimmt und die Regressionskoeffizienten interpretiert werden. Residuen bezeichnen »Abweichungen zwischen dem vom Modell vorhergesagten und den tatsächlichen empirischen Messwerten« (Bortz/Döring 2016, S. 750). In SPSS ermittelt werden zunächst die nicht standardisierten Residuen, die die Differenz zwischen einem beobachteten Wert und dem durch das Modell vorhergesagten Wert beschreiben. Darüber hinaus gibt die Analyse die standardisierten Residuen aus, die einen Quotienten aus dem standardisierten Residuum und der Schätzung seiner Standardabweichung darstellen. Zudem werden die Werte der studentisierten Residuen ermittelt. Diese Residuen werden auf ähnliche Weise ermittelt wie die standardisierten Residuen, jedoch variiert die Standardabweichung abhängig von der Distanz, die zwischen dem Wert und dem Mittelwert der unabhängigen Variablen liegt. Erste Voraussetzung der multiplen linearen Regression ist, dass eine lineare Beziehung zwischen den Variablen besteht. Überprüft werden kann dies, indem die nicht standardisierten vorhergesagten Werte (PRE_1), die das Modell für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben vorausgesagt hat, zusammen mit den studentisierten Residuen (SRE_1) visuell auf Linearität überprüft werden. Dazu ist es beispielsweise hinreichend, die partiellen Regressionsdiagramme, die als Streudiagramme angezeigt werden, zu betrachten. Diese können durch eine Anpassungsgerade, die eine lineare Gerade im Diagramm abbildet, sowie durch eine nach dem Loess-Verfahren (locally estimated scatterplot smoothing) eingefügte Anpassungsgerade ergänzt werden. Anhand der LoessGlättung, die eine möglichst gerade Linie darstellen soll, kann interpretiert werden, inwiefern die Werte linear sind. Die geforderten linearen Zusammenhänge lassen sich für die Prädiktoren Jahrgangsstufe (Jahrgang), Geschlecht (kvfbt1sex), die durch Geschichtsnote (kvimt13c) und Fachwissenstest (gefwt1gsc_proz) bestimmten fachlichen Fähigkeiten sowie die fachunspezifische Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben (desat12ges_proz) nachweisen. Für die Variablen Mehrsprachigkeit (kvfbt1msp), Alter (kvfbt1age) sowie Wortschatz der Schüler*innen (kvctt1rfges) weisen die Residuen keinen linearen Zusammenhang auf, sodass sie aus der Regressionsanalyse ausgeschlossen werden müssen. Bereits festgehalten wurde, dass zwischen den mit Hilfe des SLS erhobenen Lesefertigkeiten, dem durch die Skalen des CFT 20-R erhobenen Intelligenzquotienten sowie den Skalen, die Interesse und Motivation abbilden und der der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben keine statistisch si-

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gnifikanten Zusammenhänge bestehen. Da angenommen werden kann, dass diese Variablen keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung der Varianz liefern, werden sie nicht in das Regressionsmodell einbezogen. Nach Ausschluss der Residuen, für die kein linearer Zusammenhang besteht, wird das Regressionsmodell neu aufgebaut. Die nächste zu überprüfende Voraussetzung zur Interpretation des Modells ist, dass keine Ausreißer in den Daten vorliegen. Dazu wird zunächst untersucht, ob Werte in den Residuen vorliegen, die außerhalb von drei Standardabweichungen liegen. Diese werden in der Tabelle »Fallweise Diagnose« angezeigt. Sofern diese Tabelle nicht in der von SPSS generierten Ausgabe enthalten ist, kann angenommen werden, dass keine Ausreißer in den Daten vorhanden sind. Im Hinblick auf das berechnete Modell wird ein Ausreißer deutlich, der aus dem Datensatz ausgeschlossen wird. Anschließend werden die studentisierten Residuen (SDR_1) betrachtet. Auch hier gelten Werte, die außerhalb von +/- 3 liegen, als Ausreißer. Die Sortierung der Werte mit Hilfe des Befehls SORT CASES zeigt, dass weder nach oben noch nach unten Ausreißer vorliegen. Das Verfahren kann dementsprechend fortgesetzt werden. Weiterhin können die Hebelwerte (LEV_1) betrachtet werden. Diese messen, welchen Einfluss ein Punkt auf die Anpassung des Regressionsmodells nimmt. Auch dies geschieht mit Hilfe des SORT CASES-Befehls. Huber (1981) empfiehlt Werte, die über dem Schwellenwert von .2 liegen, aus der Analyse auszuschließen. Der höchste für das Modell berechnete Wert liegt bei .13, sodass kein Ausschluss vorgenommen werden muss. Als letzter Wert kann die Cook-Distanz betrachtet werden. Diese Werte geben Aufschluss darüber, wie stark sich alle Residuen ändern, wenn ein einzelner Fall aus der Regressionsanalyse ausgeschlossen würde. Hier wird ein Wert von Eins als Schwellenwert betrachtet. Die Werte, die COO_1 im Datensatz annimmt, liegen weit unter diesem Schwellenwert. Der höchste berechnete Wert ist .12, sodass auch im Hinblick auf die Cook-Distanz kein Ausschluss von Ausreißern vorgenommen werden muss. Als dritte Voraussetzung der multiplen linearen Regression muss die Unabhängigkeit der Residuen gewährleistet werden. Zusammengefasst unter dem Begriff Autokorrelation wird überprüft, ob die Variable zu einem anderen Zeitpunkt mit sich selbst korreliert. Getestet werden kann die Voraussetzung durch die Durbin-Watson-Statistik, die annimmt, dass bei einem Wert von Zwei keine Autokorrelation besteht. Entnommen werden kann die Durbin-WatsonStatistik der Tabelle »Modellzusammenfassung«, die von SPSS ausgegeben wird. In der konkreten Analyse beträgt der Wert 2.294, dementsprechend kann angenommen werden, dass in den Residuen keine Autokorrelation vorliegt. Weiterhin muss die Multikollinearität der Residuen überprüft werden. Diese testet, ob ein Prädiktor durch einen anderen mit hoher Genauigkeit vorhergesagt

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

werden kann. In diesem Fall wäre der entsprechende Prädiktor redundant und sollte aus dem Modell ausgeschlossen werden. Überprüft werden kann dies zunächst anhand der in der von SPPS ausgegebenen Tabelle »Korrelation« festgehaltenen Korrelation nach Pearson. Diese sollte den Wert von .7 nicht übersteigen, damit die Multikollinearität als gegeben betrachtet werden kann. Da im Modell die höchste Korrelation r = .323 beträgt, kann davon ausgegangen werden, dass die Prädiktoren einander nicht voraussagen. Darüber hinaus kann die Voraussetzung durch die Betrachtung der Toleranz-Werte, die in der Tabelle »Koeffizienten« angeführt werden, überprüft werden. Diese dürfen den Schwellenwert von .1 nicht unterschreiten, sofern die Multikollinearität des Modells angenommen werden soll. Der geringste Wert, der für die Toleranz ausgegeben wurde, liegt bei .838, also in erheblicher Distanz zum Schwellenwert. Dementsprechend kann auch diese Voraussetzung als erfüllt betrachtet werden. Als fünfte Voraussetzung wird geprüft, ob das Modell verlässliche Aussagen über alle Werte zulässt. Dies ist der Fall, sofern die Gleichheit der Varianzen – auch bezeichnet als Homoskedastizität – gegeben ist. Zur Überprüfung wird ein Streudiagramm erstellt, in das die unstandardisierten vorhergesagten Werte (PRE_1) und die studentisierten Residuen (SRE_1) eingetragen werden. Sofern die Punkte gleichmäßig über die horizontale Achse verteilt sind, kann die Homoskedastizität als gegeben betrachtet werden. Für die vorliegenden Werte gilt, dass auch diese Voraussetzung der multiplen linearen Regression erfüllt ist. Abschließend wird überprüft, ob von einer Normalverteilung der Residuen ausgegangen werden kann. Dies kann an drei Elementen nachvollzogen werden: Dem Histogramm mit eingezeichneter Normalverteilungskurve, dem P-P-Plot und der Testung durch Shapiro-Wilk und Kolmogorov-Smirnov. Der ShapiroWilk-Test wird nicht signifikant (p = .128), lediglich der durch den KolmogorovSmirnov-Test ermittelte Wert liegt unter dem Signifikanzniveau (p = .002). Da das Histogramm nah an der idealen Normalverteilungskurve liegt (M = 5,10E-16, SD = 0.98) und auch die Abweichungen der erwarteten von der beobachteten kumulierten Wahrscheinlichkeit nur marginal sind, kann von der Normalverteilung der Residuen ausgegangen werden. Die Regressionsanalyse kann durchgeführt werden. Im ersten Schritt der eigentlichen multiplen linearen Regression wird die Modellanpassung bestimmt. Dazu wird zunächst der multiple Korrelationskoeffizient (R) betrachtet. Gebräuchlicher als das in der von SPSS ausgegebenen Tabelle »Modellzusammenfassung« angegebene R (.453) ist jedoch der multiple Determinationskoeffizient R2, der Aufschluss über die aufgeklärte Varianz des Modells geben kann. Hinzugezogen werden kann außerdem das korrigierte R2, welches eine genauere Schätzung der Varianz vornimmt. Das konstruierte Modell bietet mit einem R2 = .20 (korrigiertes R2 = .17) eine nach Cohen (1988) mittlere Varianzaufklärung.

Regressionsmodelle

313

Mit Hilfe der ANOVA kann überprüft werden, ob die Prädiktoren (Jahrgangsstufe, Geschlecht, fachliche Fähigkeiten und fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit) das Kriterium der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben in statistisch signifikanter Weise aufklären. Es zeigt sich, dass die Prädiktoren die Varianz signifikant aufklären (F(5, 127) = 6.542, p < .001). Zuletzt können die Regressionskoeffizienten interpretiert werden. Durch das Aufstellen einer Regressionsgleichung kann untersucht werden, ob die Aufklärung des Kriteriums durch die Prädiktoren auf einer Gesetzmäßigkeit beruht. Für die durchgeführte Studie kann angenommen werden, dass die entsprechenden Prädiktoren die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben nicht nur im Fall der konkreten Stichprobe bedingen, sondern dass der Zusammenhang auch auf ähnliche Stichproben und damit auch auf vergleichbare Aufgabensettings übertragen werden kann. Die notwendigen Daten können aus der von SPSS ausgegeben Tabelle »Koeffizienten« entnommen werden. Der Regressionskoeffizient gibt an, in welchem Maß die Prädiktoren das Kriterium beeinflussen. Der Prädiktor Jahrgangsstufe, der die Jahrgänge Sieben und Acht umfasst, wurde in Jahren gemessen. Dementsprechend kann angenommen werden, dass der in der Beschreibe-Teilaufgabe erreichte Gesamtscore pro Jahr(gangsstufe) um 5,95 % steigt. Der ebenfalls prozentual ermittelte Gesamtscore der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe zeigt hingegen, dass der in der fachlichen Beschreibung erreichte Gesamtscore um 0,24 % steigt, je (1 %) besser die fachübergreifende Schreibaufgabe gelöst wird. Im Hinblick auf die Note im Fach Gesellschaftslehre wird hingegen deutlich, dass der prozentuale Gesamtscore der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe mit einer schlechteren Note um 2,41 % sinkt. Das Fachwissen scheint jedoch kein ausreichender Prädiktor für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit zu sein, da er lediglich marginalen Einfluss (B = -.008) auf das Kriterium nimmt. Das Geschlecht stellt einen dichotomen Prädiktor dar, der durch die Werte Null (weiblich) und Eins (männlich) codiert wurde. Das Regressionsmodell ergibt, dass Mädchen um 5,48 % besser abschneiden als ihre männlichen Mitschüler. Zu den Regressionskoeffizienten können die standardisierten Koeffizienten herangezogen werden, die erlauben, die Varianzaufklärung der einzelnen Prädiktoren unabhängig von ihrer Maßeinheit zu vergleichen. Es zeigt sich, dass die fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit den höchsten standardisierten Koeffizienten aufweist (β = .253), ihr nach folgen die Jahrgangsstufe (β = .208) und das Geschlecht (β = -.194). Auch die Geschichtsnote weist als Prädiktor, der die fachlichen Fähigkeiten abbildet, einen höheren Regressionskoeffizienten auf (β = -.160). Für den Fachwissenstest als weiteren Prädiktor, der fachliche Fähigkeiten in das Regressionsmodell einbringen soll, lässt sich nur ein geringer Koeffizient nachweisen (β = -.008). Dieser Prädiktor erreicht keinen signifikanten Wert (p = .924) und hat demzufolge nur einen geringen Einfluss auf das

314

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Modell. Als Prädiktor für die Vorhersage der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben eignet sich das Fachwissen nur in begrenzter Weise. Geeigneter sind die weiteren Prädiktoren, die alle ein signifikantes Niveau erreichen.25 Durch die fachunspezifische Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben, das Geschlecht der Lernenden und die Jahrgangsstufe, die die Proband*innen besuchen, lässt sich die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit teilweise voraussagen. Wie bereits im Hinblick auf die Korrelationen zwischen den Testinstrumenten herausgestellt, ist anzunehmen, dass die Mädchen durch eine an traditionellen Geschlechterrollen orientierte Erziehung über höhere schriftsprachliche Fähigkeiten verfügen, die sie in der Beschreibe-Teilaufgabe umsetzen. Zudem wurde herausgestellt, dass die Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben im Fachunterricht ausgebildet wird. Somit verfügen die Schüler*innen der achten Jahrgangsstufe über weiter entwickelte Fähigkeiten als diejenigen Proband*innen, die zum Zeitpunkt der Erhebung die Jahrgangsstufe Sieben besuchen. Auch zwischen der fachunspezifischen und fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit wurden im Vorfeld der explorativen Faktorenanalyse statistisch signifikante Korrelationen herausgestellt. Sie ist als wesentliche Grundlage für die Entwicklung und den Ausbau fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit zu verstehen. Wenngleich es den Lernenden gelingt, ihre Fähigkeiten auf die Anforderungen des fachlichen Schreibens zu übertragen, so muss die Fachspezifik der Sprachhandlung dennoch im Fach vermittelt werden. Die letzte Zeugniszensur im Fach Gesellschafslehre wurde als zuverlässige soziale Bezugsnorm bestimmt, aus der sich eine Einschätzung der Schüler*innenleistung im Gefüge der Stichprobe ableiten lässt. Sie ist als weiterer Prädiktor für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben zu betrachten. Wenngleich die Ergebnisse der Studie von Helm/ Keusch (2019, S. 298) zum Zusammenhang zwischen der Positionierung von Lehrkräften zum kompetenzorientierten Unterricht und der Vergabe von Noten anhand der sozialen Bezugsnorm kein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden konnte, ist anzunehmen, dass Lehrkräfte die Leistungen von Lernenden anhand verschiedener Kompetenzbereiche einschätzen und bewerten. Anders als im Hinblick auf den Fachwissenstest, der hauptsächlich die Sachkompetenz und nur im geringen Maße auch die Methodenkompetenz abdecken konnte, ist dementsprechend davon auszugehen, dass die Geschichtsnote unterschiedliche Aspekte der Kompetenzorientierung aufgreift. Schüler*innen, die in diesem Fall eine bessere Note erhielten, verfügen – im Vergleich zu ihren Mit25 Die Variablen Jahrgangsstufe (p = .011), Geschlecht (p = .022) und Gesamtscore der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe (p = .003) liegen deutlich im signifikanten Bereich. Die GL-Note liegt leicht darüber (p = .06), kann jedoch auf Grund des hohen ermittelten Koeffizienten als signifikanter Einflussfaktor betrachtet werden.

Regressionsmodelle

315

schüler*innen, auch über weiter entwickelte Kompetenzen, die sie zur Bearbeitung der Schreibaufgabe einsetzen. Wenngleich diese Überlegungen in weiteren Studien überprüft werden müssen, ist zunächst festzuhalten, dass die Geschichtsnote ebenfalls als Prädiktor für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben betrachtet werden kann.

6.6.2 Erklären Auch für das Erklären stellt sich die Frage, welche Prädiktoren für die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit ausgemacht werden können. Da für Lesefertigkeiten, Intelligenzquotient sowie die Skalen, die Aufschluss über Interesse und Motivation am fachlichen Lernen geben können, keine signifikanten Zusammenhänge zum Gesamtscore der Erkläre-Teilaufgabe hergestellt werden konnten, werden diese Variablen nicht in das Regressionsmodell einbezogen. In die Prüfung der Voraussetzungen, die für eine multiple lineare Regression erfüllt sein müssen, fließen dementsprechend die Variablen Jahrgangsstufe (Jahrgang), Alter (kvfbt1age) und Geschlecht (kvfbt1sex), Wortschatz (kvctt1rfges) und der Gesamtscore der fachübergreifenden Erkläre-Teilaufgabe (desat13ges_proz) als Variablen, die sprachliche Fähigkeiten abbilden, sowie die GL-Note (kvimt13c) und der prozentual erreichte Gesamtscore im Fachwissenstest (gefwt1gsc_proz) ein. Außerdem wird die Variable Mehrsprachigkeit (gefbt1msp) einbezogen, um weitere sprachliche Fähigkeiten der Lernenden betrachten zu können. Abschließend fließt die von den Lernenden erzielte Gesamtpunktzahl in der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe (gesat12ges_proz) in das Modell ein, da herausgestellt werden konnte, dass zwischen den erreichten prozentualen Gesamtscores beider Teilaufgaben ein signifikanter Zusammenhang besteht. Überprüft wird zunächst, welche Variablen einen linearen Zusammenhang zwischen den Residuen aufweisen und damit überhaupt in das Regressionsmodell eingehen können. Betrachtet werden können Jahrgangsstufe und Alter als biographische Daten, Fachwissen und GL-Noten als fachbezogene Prädikatoren und die fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären als Prädiktor, der sich auf sprachliche Fähigkeiten der Lernenden bezieht. Für die Variablen Wortschatz, Alter und Mehrsprachigkeit lässt sich anhand der visuellen Überprüfung der Streudiagramme mit Loess-Glättung kein linearer Zusammenhang nachweisen. Auch für die fachliche Beschreibe-Teilaufgabe ist dieser Zusammenhang nicht gegeben. Diese Variablen werden aus der Regressionsgleichung ausgeschlossen. Die Tabelle »Fallweise Diagnose« wird nicht angezeigt. Es kann davon ausgegangen werden, dass keine Ausreißer über drei Standardabweichungen im Datensatz vorliegen. Die Sortierung der studentisierten Residuen (SDR_1) in

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

aufsteigender Reihenfolge zeigt, dass sowohl der niedrigste (-2.79) als auch der höchste Wert (2.39) innerhalb eines Rahmens von +/-3 liegen und somit nicht als Ausreißer betrachtet werden müssen. Die Hebelwerte (LEV_1), für die Huber (1981) den Schwellenwert von .2 angegeben hat, liegen ebenfalls in einem akzeptablen Bereich. Der höchste Wert liegt im Datensatz bei .21 und kann noch als hinreichend betrachtet werden. Als cut-off-Kriterium für die Cook-Distanzen (COO_1) wird ein Wert von 1 angeführt. Der mit .07 als höchster im Datensatz ausgemachte Wert liegt weit von diesem Schwellenwert entfernt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass nicht mit einer Verzerrung der Regression zu rechnen ist. Die Überprüfung der Durbin-Watson-Statistik, die Hinweise auf die Autokorrelation der Residuen geben kann, zeigt, dass diese unabhängig voneinander sind. Bei der Statistik, die Werte zwischen Null und Vier annehmen kann, gilt der Wert Zwei als Kriterium, das die Autokorrelation bestimmt. Werte, die nah bei Zwei liegen, weisen darauf hin, dass die Residuen unabhängig sind. Für die vorliegenden Daten ergibt die Statistik einen Wert von 2.16, sodass angenommen werden kann, dass keine Autokorrelation in den Residuen besteht. Anhand der Korrelation nach Pearson, die der von SPSS ausgegebenen Tabelle »Korrelationen« entnommen werden kann, wird deutlich, dass keine Korrelation zwischen den Prädiktoren besteht. Die höchste Korrelation liegt bei r = -.329 (kvimt13c – gefwt1gsc_proz) und damit ausreichend entfernt vom Schwellenwert von r = .7. Auch die Kontrolle der Toleranz zeigt, dass kein Wert unter dem kritischen Niveau von .1 liegt. Der geringste Toleranz-Wert ist bei .823 (gefwt1gsc_proz) zu verorten. Auf Grund der Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass zwischen den Prädikatoren nicht von Multikollinearität auszugehen ist. Zur Überprüfung der Homoskedastizität werden die unstandardisierten vorhergesagten Werte (PRE_1) und die studentisierten Residuen (SRE_1) in ein Streudiagramm übertragen. Dieses zeigt, dass die Punkte gleichmäßig über die horizontale Achse verteilt sind. Dementsprechend kann angenommen werden, dass das Modell verlässliche Aussagen über alle Werte hinweg liefern kann. Das Histogramm mit Normalverteilungskurve zeigt eine nahezu perfekte Normalverteilung. Der Mittelwert liegt etwa bei Null (M = -4.34E-17), die Standardabweichung beträgt (fast) Eins (SD = 0.951). Die erste Überprüfung spricht somit für eine Normalverteilung der Residuen. Verdeutlicht wird dies durch den P-P-Plot, der zeigt, dass alle Werte direkt auf bzw. nah bei der Diagonalen liegen, die die perfekte Normalverteilung abbildet. Weder der Shapiro-Wilk-Test (p = .607) noch der Kolmogorov-Smirnov-Test (p = .200) werden signifikant, sodass auch auf Grund der statistischen Prüfverfahren von einer Normalverteilung der Residuen ausgegangen werden kann. Da alle Voraussetzungen für eine

Regressionsmodelle

317

multiple lineare Regression erfüllt werden, kann das Modell abschließend berechnet und geprüft werden. Der multiple Korrelationskoeffizient R kann der von SPSS ausgegebenen Tabelle »Modellzusammenfassung« entnommen werden. Er liegt bei .429, sodass nach Cohen (1988) eine mittlere Korrelation angenommen werden kann. Der gebräuchlichere Determinationskoeffizient R2 gibt Aufschluss über die aufgeklärte Varianz des Modells. Der Wert liegt bei R2 = .184 und verweist ebenfalls auf eine mittlere Varianzaufklärung (Cohen 1988). Das korrigierte R2, liegt mit .147 im gleichen Bereich. Für das Modell kann mit einem R2 = .18 (korrigiertes R2 = .14) somit eine mittlere Varianzaufklärung angenommen werden. Auskunft über die Signifikanz des Modells gibt die im Rahmen der multiplen linearen Regression durchgeführte ANOVA. Diese weist nach, dass die biographischen, fachlichen und sprachlichen Prädiktoren mit statistischer Signifikanz zur Varianzaufklärung des Kriteriums – d. h. der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Erklären – beitragen (F(5, 109) = 4.295, p < .001). In die Regressionsgleichung fließen die oben benannten Prädikatoren mit unterschiedlichem Einfluss ein. Mit Anstieg der Jahrgangsstufe steigt der prozentual erreichte Gesamtscore in der fachlichen Erkläre-Teilaufgabe um 8,18 %. Das Geschlecht, das als dichotomer Prädiktor mit der Referenzkategorie 0 = Weiblich in das Modell eingebunden wurde, trägt ebenfalls zur Varianzaufklärung bei. Männliche Probanden schneiden dementsprechend um 2,58 % schlechter ab als ihre weiblichen Mitschülerinnen. Mit jeder Note, die die Schüler*innen im Leistungsspektrum absteigen, fällt der prozentuale Gesamtscore in der ErkläreTeilaufgabe um 1,65 %. Demgegenüber steigt der erreichte Score in der Schreibaufgabe mit einem Anstieg des Fachwissens (1 %) um 0,13 %. Ebenso steigt die Punktzahl in der fachlichen Erkläre-Teilaufgabe mit einer Erhöhung des Gesamtscores in der fachübergreifenden Teilaufgabe um 0,13 %. Die standardisierten Koeffizienten zeigen, dass die Jahrgangsstufe den höchsten Einfluss auf das Modell hat (.288), danach folgen die fachübergreifende Erkläre-Teilaufgabe (.198) und das Fachwissen (.134). Geringen Einfluss haben die Prädiktoren GL-Note (-.112) und Geschlecht (-.094). Signifikant werden jedoch nur die Jahrgangsstufe (p = .002) und die Erkläre-Teilaufgabe der Schreibaufgabe »Bauanleitung« (p = .028). Geschlecht (p = .288), die GL-Note (p = .23) und der Fachwissenstest (p = .162) liegen über dem Signifikanzniveau von p = .05. Für das Erklären erweisen sich die fachübergreifende Sprachhandlungsfähigkeit und die Geschichtsnote ebenfalls als Prädiktoren, durch die das Konstrukt der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit aufgeklärt werden kann. Das Zusammenspiel sprachlicher Kompetenz und Handlungsfähigkeit sowie fachlicher Kompetenzen, die über das Fachwissen hinausgehen, kann als maßgeblich für die Fähigkeit, schriftliche Erklärungen im Fach Geschichte zu verfassen, betrachtet werden. Überprüft werden soll im Folgenden, inwiefern eine text-

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Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

sortenbasierte Schreibförderung, die gleichermaßen die Ausbildung fachlicher Kompetenzen und die Weiterentwicklung fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit in den Blick nimmt, Auswirkungen auf die Schreibprodukte der Schüler*innen nimmt und sich ein Lernzuwachs abbilden lässt.

6.7

Analyse der Interventionseffekte

6.7.1 Explorative Datenanalyse des Post-Tests Beschreiben Um geeignete Mess- und Analyseverfahren zur Betrachtung der Interventionseffekte auswählen und durchführen zu können, müssen die im Post-Test erhobenen Daten ebenfalls auf ihre Verteilung und etwaige Ausreißer überprüft werden. Die Beschreibe-Teilaufgabe wird von 208 Proband*innen bearbeitet. Im Durchschnitt erreichen diese einen Gesamtscore von 39,4 % (SD = 16,34 %); der Prozentwert entspricht einer Punktzahl von 8,67 der maximal erreichbaren 22 Punkte. Das arithmetische Mittel ist damit um 2,76 % höher als im Prä-Test. Weiterhin zeigt sich eine breite Streuung der Werte. So erreichen die Schüler*innen, die die Teilaufgabe bearbeitet haben zwischen 9,09 % und 86,36 % des Gesamtscores. Während der minimale Wert unverändert bleibt, erhöht sich das erreichte Maximum um 9,09 % (d. h. 2 Punkte). Bereits aus dem Histogramm wird deutlich, dass die Verteilung der Werte deutlicher von einer Normalverteilung abweicht, als im Prä-Test beobachtet. Die Verteilung ist linkssteil. Während auffällig viele Proband*innen eine Gesamtscore zwischen 20–30 % erreichen konnten, gelingt es weniger Schüler*innen als erwartet, einen Score zwischen 40–60 % zu erzielen. Aus dem von SPSS ausgegebenen Q-Q-Plot lässt sich ablesen, dass im PostTest im oberen und unteren Bereich des Leistungsspektrums Abweichungen von der Normalverteilung vorliegen. Insgesamt lassen sich drei Ausreißer (GEKHKo8e-07, GEKHKo8e-01, GEKHKo8e-05) ausmachen, die mehr als den 1,5fachen Interquartilsabstand nach oben abweichen. Da es sich wie auch im PräTest um leichte Ausreißer handelt, müssen die Proband*innen nicht aus dem Datensatz entfernt werden. Sowohl der Kolmogorov-Smirnov-Test (p < .001) als auch der Shapiro-WilkTest (p < .001) weisen darauf hin, dass es sich nicht um eine Normalverteilung handelt. Während der Kurtosiskoeffizient das kritische Niveau nicht übersteigt, liegt die Schiefe deutlich über dem akzeptablen Schwellenwert. Der für die Beschreiben-Teilaufgabe im Post-Test erhobene Datensatz kann dementsprechend nicht als normalverteilt betrachtet werden. Daraus folgt, dass ggf. spezifische

Analyse der Interventionseffekte

319

Abbildung 20: Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Beschreibe-Teilaufgabe im PostTest

Messverfahren für nicht-normalverteilte Daten herangezogen werden müssen, um die geplanten Analysen durchzuführen. Erklären Auch im Hinblick auf das Erklären zeigt sich eine deutlichere Abweichung der Ergebnisse von der angestrebten Normalverteilungskurve als im Prä-Test. Ein großer Teil der Schüler*innen erreicht einen Score von 30–40 % und übertrifft damit das für die Normalverteilung angenommene Maß. Insgesamt haben lediglich 180 Lernende die Teilaufgabe im Post-Test bearbeitet. Durchschnittlich erreichen sie dabei M = 42,42 % des Gesamtscores (SD = 13,36 %). Der prozentuale Wert entspricht einer Punktzahl von 8,48 von maximal 20 möglichen Punkten. Der minimal erreichte Wert liegt bei 10 %, der maximale prozentuale Gesamtscore bei 100 %. Drei Schüler*innen (GEKHKo8e-01, GEKHKo8e-05, GEKHKo8e-07), die diesen Wert erzielt haben, müssen als extreme Ausreißer von der Stichprobe betrachtet werden. Um in den Mess- und Analyseverfahren verlässliche Werte zu erzielen, werden diese Schüler*innen aus der Stichprobe ausgeschlossen. Die Lernenden PODFDd8a-18 sowie GEDFDd8c-01 und GEDFDd8c-18, die ebenfalls zu Ausreißern nach oben bzw. unten zählen, können im Datensatz behalten werden. Die Stichprobe verringert sich dementsprechend von 180 auf 177 Schüler*innen (M = 41,44 %, SD = 11,14 %, Min = 10 %, Max = 75 %).

320

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Abbildung 21: Prozentuale Verteilung des Gesamtscores der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

Aus dem von SPSS ausgegebenen Q-Q-Diagramm lassen sich nur geringfügige Abweichungen von der linearen Verteilung ablesen. Die zur Überprüfung der Normalverteilung eingesetzten Messverfahren, der Kolmogorov-Smirnov- sowie der Shapiro-Wilk-Test, zeigen durch ein signifikantes Ergebnis (p < .001), dass keine Normalverteilung vorliegt. Auf Grund der nur geringfügigen Abweichungen, die im Q-Q-Diagramm zu sehen sind und den Werten von Schiefe und Kurtosiskoeffizient, die den vorgegebenen Schwellenwert nicht übersteigen, können die Daten dennoch als ausreichend betrachtet werden, um Mess- und Analyseverfahren einzusetzen, die eine Normalverteilung voraussetzen.

6.7.2 Interventionseffekte Die nach dem textsortenbasierten Lehr-Lern-Zyklus gestaltete Schreibförderung wurde mit einer Dauer von insgesamt zehn neunzigminütigen Unterrichtseinheiten in acht Klassen durchgeführt. Theoretische Überlegungen zum Interventionsmodell finden sich in den vorangegangenen Kapiteln. Untersucht werden soll nun, inwiefern die Intervention zu einem Zuwachs an fachlicher Sprachhandlungsfähigkeit, die sich in einer Verbesserung der Textprodukte zeigt, führt. Erneut werden die Resultate zum Beschreiben und Erklären gesondert betrachtet.

Analyse der Interventionseffekte

321

Beschreiben Da die Überprüfung der Interventionseffekte nur zwei Messzeitpunkt – nämlich Prä und Post – umfasst, kann statt einer ANOVA mit Messwiederholung ein gepaarter t-Test durchgeführt werden. Da der gepaarte t-Test als robust gegenüber Verletzungen gilt (Vgl. Wilcox 2012, Salkind 2010), wird die Methode genutzt, um Interventionseffekte zu bestimmen, wenngleich die Verteilung der Daten der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test nicht normalverteilt ist. Als Bedingung für den t-Test wird gesetzt, dass die Schreibaufgabe im Prä- sowie im Post-Test bearbeitet wurde (gesat12gb = 2 und gesat22 gb = 2). Außerdem werden zunächst nur die Schüler*innen betrachtet, die zur Intervetionsgruppe gehören. Zwischen dem Prä- und Post-Test lässt sich in der Beschreibe-Teilaufgabe kein signifikanter Unterschied nachweisen (t (84) = -.292, p = .771, n = 84). Zwar ist der Mittelwert im Post-Test mit M = 39,95 % (SD = 15,51 %) minimal höher als im Prä-Test (M = 39,30, SD = 14,04), doch ist der Unterschied nicht deutlich genug, um eine statistische Signifikanz nachzuweisen. Nicht unerheblich wirkt sich auf die Analyse auch die erhebliche Reduzierung der Stichprobe auf. Lediglich 85 aller Proband*innen haben die Schreibaufgabe zu beiden Erhebungszeitpunkten bearbeitet. Mit Hilfe eines ungepaarten t-Tests kann zudem untersucht werden, inwiefern sich der Lernzuwachs von Interventions- und Kontrollgruppe unterscheidet. Für die Berechnung wird zunächst eine neue Variable konstruiert, die den Lernzuwachs im Beschreiben abbildet (gesa2lzw). Der Wert der Variable wird gebildet, indem der prozentuale Gesamtscore im Prä-Test vom prozentualen Gesamtscore im Post-Test subtrahiert wird. Der Mittelwert zeigt, dass der Lernzuwachs der Interventionsgruppe deskriptiv höher einzuschätzen ist als der der Kontrollgruppe (MIG = .6417 %, SD = 20,23 %, n = 85; MKG = -.1399 %, SD = 15,64 %, n = 65). Ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen zeigt sich allerdings nicht (t(148) = -.258, p = .797). Da das Interventionsmodell die Hypothese vorgibt, dass der Lernzuwachs der Interventionsgruppe durch die fachliche Schreibförderung höher ausfällt als der Lernzuwachs der Kontrollgruppe, können die von SPSS ausgegebenen Ergebnisse des ungepaarten t-Tests in einen gerichteten t-Test überführt werden. Mit Hilfe dieser Variante des t-Tests kann eine konkrete, gerichtete Hypothese überprüft werden. Dazu wird der berechnete Signifikanzwert durch zwei geteilt. Auch das so ermittelte Ergebnis (p = .398) lässt nicht auf einen signifikanten Unterschied schließen. Somit wird weder ein Interventionseffekt noch ein höherer Leistungszuwachs der Interventions- gegenüber der Kontrollgruppe nachgewiesen.

322

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Item

nicht erfüllt Rating Prä Post +/n = 151 / 116 Einleitungssatz 75,5 67,2 -8,3

zum Teil erfüllt Prä Post +/-

vollständig erfüllt Prä Post +/-

17,2

19,8

+2,6

7,3

12,9

+5,6

Schilderung I Schilderung II

67,5 62,9

63,8 68,1

-3,7 +5,2

24,5 29,1

23,3 23,3

-1,2 -5,8

7,9 7,9

12,9 8,6

+5 +0,7

Problematisierung Beschreibendes Fazit

64,9 85,4

55,2 83,6

-9,7 -1,8

33,1 11,9

41,4 2,6

+8,1 -9,3

2 2,6

3,4 13,8

+1,4 +11,2

Bezüge Konnexion

16,6 45

19,8 41,4

+3,2 -3,6

21,2 44,4

20,7 48,3

-0,5 +3,9

62,3 10,6

59,5 10,3

-2,8 -0,3

Tempus Unpersönlichkeit

5 0,7

0 1,7

-5 +1

11,9 2

5,2 0

-6,7 -2

84,8 97,4

94,8 98,3

+10 +0,9

Konjunktiv

81,5

77,4

-4,1

18,5

22,6

+4,1

Grad. Formulierung

96

92,2

-3,8

4

7,8

+3,8

Tabelle 62: Entwicklung der Items in der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Post-Vergleich

Um zu überprüfen, ob ein signifikanter höherer Lernzuwachs der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe im Hinblick auf die einzelnen ausgewerteten Items festzustellen ist, wird ein Mann-Whitney-U-Test berechnet. Ein solcher Unterschied zeigte sich lediglich beim Einleitungssatz (U = 2360, Z = -1.982, p = .047). Weitere Einsichten bietet die Betrachtung der Gruppen, die im Prä-Test ausgehend von der in der Schreibaufgabe erreichten Punktzahl der Schüler*innen gebildet wurden. Um zu überprüfen, ob es innerhalb der Gruppen zu einer Entwicklung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit kommt und inwiefern sich Gruppenunterschiede abbilden lassen, werden gepaarte t-Tests sowie eine einfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt. Betrachtet werden erneut lediglich die Schüler*innen, die an der Intervention teilgenommen und die Teilaufgabe zu beiden Erhebungszeitpunkten bearbeitet haben. Für die unterdurchschnittliche Gruppe kommt deshalb eine geringe Stichprobe (n = 25) zu Stande. Während die Proband*innen in der ersten Testung einen Gesamtscore von M = 23,45 % (SD = 3,64 %) erreichten, erhöhte sich dieser Wert nach Abschluss der Intervention auf 39,09 % (SD = 18,65 %). Die höhere Standardabweichung zeigt, dass die Verbesserung im Gruppendurchschnitt, jedoch nicht für alle Schüler*innen nachzuweisen ist. Der t-Test zeigt allerdings ein signifikantes Ergebnis (t(24) = -4.31, p < .001, Cohens d = 1.161). Es handelt sich um einen Effekt mittlerer Stärke. Für die Schüler*innen, die in der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test unterdurchschnittliche Leistungen zeigten, ist dementsprechend von einem Lernzuwachs im Rahmen der Intervention auszugehen. Für die Gruppe der durchschnittlichen Schüler*innen fällt das Ergebnis hingegen

Analyse der Interventionseffekte

323

nicht signifikant aus (Mt1 = 35.45 %, SD = 3,47 %; Mt2 = 39,45 %, SD = 13,36 %; n = 25; t(24) = -1.545, p = .135), wenngleich die Datenanalyse einen höheren Mittelwert im Post-Test nachweist als im Prä-Test. Für die Schüler*innen, die der überdurchschnittlichen Gruppe zugeordnet werden, ergeben die durchgeführten Berechnungen ein Ergebnis, dass in deutlichem Gegensatz zu den Erkenntnissen, die über die unterdurchschnittlichen Schüler*innengruppe getroffen wurden, stehen. Sie verlieren im Durchschnitt rund 12 Prozentpunkte und schneiden im Post-Test signifikant schwächer ab als im Prä-Test (Mt1 = 53,38 %, SD = 8,34 %; Mt2 = 40,90 %, SD = 14,83 %; n = 35, t(34) = -4.310, p < .001, Cohens d = 1,037). Das Ergebnis zeigt, dass die durchgeführte, auf dem textsortenbasierten LehrLern-Zyklus gründende Schreibförderung besonders für Schüler*innen, die über lediglich unterdurchschnittliche fachliche Sprachhandlungsfähigkeit verfügen, Wirkung gezeigt hat. Ihnen gelingt es, die Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test signifikant besser zu bearbeiten als im Prä-Test. Der Leistungsabfall der starken Schüler*innen ist möglicherweise auf motivationale Aspekte zurückzuführen. Es bietet sich an, dieser These in weiteren Studien nachzugehen. Hier scheint es interessant, vor allem Instrumente einzusetzen, die die Schreibmotivation und das Interesse am fachlichen Lernen noch spezifischer abbilden können. Sinnvoll wäre es, die motivationalen Aspekte sowohl im Prä- als auch im Post-Test zu erheben, um Veränderungen, die Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Lernenden nehmen können, nachzeichnen zu können. Zur Untersuchung der Mittelwertsunterschiede im Lernzuwachs zwischen den Gruppen wird eine einfaktorielle ANOVA durchgeführt. Die Varianzhomogenität wird mit dem Levene-Test überprüft und auf Grund des nicht-signifikanten Ergebnisses angenommen (p = .465). Die Berechnung der ANOVA ergibt, dass ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen besteht (F(2, 147) = 31.191, p < .001). Der Tukey post-hoc Test zeigt, dass die Unterschiede sowohl zwischen der unterdurchschnittlichen und durchschnittlichen Gruppe (9,78, 95 %CI[2,22, 17,35]) als auch zwischen der durchschnittlichen und überdurchschnittlichen Gruppe (14,42, 95 %-CI[7,31-21,55]) bestehen. Darüber hinaus lässt sich ein signifikanter Unterschied zwischen der unter- und überdurchschnittlichen Gruppe nachweisen (24,21, 95 %-CI[16,83-31,59]). Der größte Lernzuwachs ist dementsprechend für die Gruppe der Schüler*innen nachzuweisen, die über nur unterdurchschnittliche fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben verfügen. Für diese Gruppe lässt sich außerdem ein statistisch signifikanter Lernzuwachs nachweisen. Zwischen den Klassen, die an der Intervention teilgenommen haben, besteht im Hinblick auf den Lernzuwachs hingegen kein signifikanter Unterschied. Die Berechnung einer einfaktoriellen ANOVA (F(7,80) = 1.062, p = .396) zeigt, dass obwohl die Mittelwertsdifferenz bei bis zu 17 % liegt, keine statistisch signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden können.

324

Quantitative Erhebung: Fachliche Sprachhandlungsfähigkeit messen und entwickeln

Wie bereits für die im Prä-Test erhobene fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben bietet es sich auch für den Lernzuwachs in der Teilaufgabe an, eine Regressionsanalyse durchzuführen. Sinnvoll erscheint es, die Variablen als Prädiktoren einzubeziehen, die auch im ersten Regressionsmodell signifikant zur Varianzaufklärung beigetragen haben. Demzufolge sollten der Gesamtscore der fachübergreifenden Beschreibe-Teilaufgabe sowie die biographischen Variablen Jahrgangsstufe und Geschlecht in die Regressionsanalyse einbezogen werden. Darüber hinaus wird der Gesamtscore der fachlichen Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test in die Analyse inkludiert. Da ein linearer Zusammenhang zwischen den Residuen nur im partiellen Regressionsdiagramm der im Prä-Test erhobenen fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben (gesat12ges_proz) nachgewiesen werden kann, wird keine multiple, sondern eine bivariate lineare Regression durchgeführt, in der lediglich die Varianzaufklärung eines Prädiktors betrachtet wird. Anders als in der multiplen Regression reicht es nun aus, das R2 zu betrachten, um den Anteil der Varianzaufklärung herauszustellen. Dieses liegt bei R2 = .275. Die fachliche Sprachhandlungsfähigkeit, über die die Schüler*innen im Vorfeld der Intervention verfügen, kann demzufolge rund 27,5 % der Varianz aufklären. Die ANOVA (F1, 151) = 70.305, p 200) auch die Untersuchung von Interventionseffekten einer quasi-experimentellen Feldstudie. Im Hinblick auf die Auswertung der Schreibprodukte zeigten sich aller-

Fazit

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dings auch Schwächen des Kategoriensystems. So erhielten Schüler*innen, die sprachliche Mittel umsetzten, die strukturellen und inhaltlichen Besonderheiten der Sprachhandlungen jedoch außer Acht ließen, trotzdem hohe Summenscores. Hier wäre es denkbar, eine Gewichtung von Items durchzuführen, um weitere Analysen durchzuführen. Insgesamt erwiesen sich einige Items besser geeignet als andere, um die Fachsprache abzubilden. Insgesamt wäre es hier wünschenswert, weitere Sprachhandlungen differenziert zu betrachten und ihre fachsprachlichen Merkmale herauszuarbeiten, um so auch die narrative Kompetenz weiter schärfen zu können. Die von Bernhardt/Wickner (2015) benannten Schwierigkeiten im Umgang mit Konnektoren, Zeitenbildung und der Nutzung des Konjunktivs konnten auch in dieser Arbeit für Schüler*innen der Jahrgangsstufe Sieben und Acht an Gesamtschulen nachgezeichnet werden. Gleiches gilt für den von Schönemann/ Thünemann/Zülsdorf-Kersting (2011) im Hinblick auf Schreibprodukte von Abiturient*innen herausgearbeiteten Mangel an sprachlicher Distanzierung und Kohärenz in Sach- und Werturteilen. Zugleich hat die Untersuchung Ursachen für fehlende sprachliche Handlungsfähigkeit im Fach ausgemacht. Dazu zählen neben kognitiven Faktoren, die die Entwicklung des historical reasoning beeinflussen auch motivationale Aspekte wie z. B. die Einstellung gegenüber dem Fach Geschichte (bzw. Gesellschaftslehre). Darüber hinaus wurde mit dem textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus ein Modell des generischen Lernens im Fach (Vgl. Hartung 2013, 2015, 2016) in den Fachunterricht implementiert, das durchaus Potenzial zur Ausbildung und Entwicklung fachsprachlicher Fähigkeiten birgt. Kritisch müssen dabei vor allem die Binnendifferenzierung sowie der zeitliche Umfang der Intervention betrachtet werden. Durch entsprechende Überarbeitungen könnte das Modell so weiterentwickelt werden, dass es einen weitaus größeren Beitrag zum sprachsensiblen Geschichtsunterricht darstellt. Sprachliche und fachliche Fähigkeiten, das hat diese Arbeit gezeigt, müssen, um Kompetenzentwicklung im Gesellschaftslehre- und Geschichtsunterricht zu initiieren, verzahnt vermittelt werden. Dazu bedarf es neben transparenter Aufgabenstellungen, die Schüler*innen in die Lage versetzen, die Anforderungen nachzuvollziehen, umzusetzen und fachsprachliche Fähigkeiten auszubauen auch weiterer sinnvoller Konzepte für die Gestaltung sprachsensiblen Fachunterrichts. Deutlich wurden im Rahmen der Arbeit, dass bereits erhebliche Beiträge zur Frage, wie fachsprachliches Lernen im Geschichtsunterricht gestaltet werden kann, geleistet wurden. Davon, dass die Beschäftigung mit Sprache im Fach eine »Rezession« erfährt, ist aktuell jedoch nicht auszugehen.

8.

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Anhang

Abbildungsverzeichnis Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15–17

18 19 20 21

Bezeichnung Sprechakt und Text im Modell. Eigene Bearbeitung (Vgl. Ehlich 1984) Reduziertes Kommunikationsmodell (Vgl. Koch/Oesterreicher 1994) Modell des Schreibprozesses (Vgl. Hayes/Flower 1980) Der textsortenbasierte Lehr-Lern-Zyklus Ablauf der sprachlichen Handlung Beschreiben Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht (Handro 2020) Aufgaben im Lernprozess von Schüler*innen (Vgl. Wenzel 2010) Das Basismodell der Textproduktion (Vgl. Bachmann/Becker-Mrotzek 2017) I. und II. Kreis des Modells von Bachmann/Becker-Mrotzek (2017), adaptiert auf sprachliches Handeln im Geschichtsunterricht Prozentuale Punkteverteilung (Summenscores) der Pilotierung des Fachwissenstest Interesse und Motivation im Fach Gesellschaftslehre R/F-Wert der Schüler*innen im C-Test Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Beschreibe-Teilaufgabe im PräTest Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht – Phasen I–III Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht Grafische Umsetzung des holistischen Modells zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Erklärungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Beschreibe-Teilaufgabe im PostTest Prozentuale Verteilung des Gesamtscores in der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test

362

Anhang

Tabellenverzeichnis Nr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36

Bezeichnung Prozeduren und Felder nach Rehbein (2006) Operatoren und ihre fachspezifischen Besonderheiten Sprachliche Handlungsmuster und sprachliche Mittel in der Textsorte Historisches Sachurteil Niveaustufen von Kausalerklärungen in der Geschichte (Borries 2002) Erhebungstermin und Dauer der Interviews (Prä und Post) Aufbau und Fragen des Leitfadeninterviews Übersicht über die induktiv und deduktiv erarbeiteten Kategorien zur Auswertung der Interviews Schreibaufgaben Übersicht der Kategorien zur Teilaufgabe Beschreiben im Fach Geschichte Übersicht der Kategorien zur Teilaufgabe Erklären im Fach Geschichte Übersicht der qualitativen Stichprobe (ausgewählte Daten) Gruppeneinteilung – Einordnung der befragten Schüler*innen im Leistungsspektrum Kategorienhäufigkeit Selbsteinschätzung Kategorienhäufigkeit Fachspezifisches Selbstkonzept Kategorienhäufigkeit Interesse und Motivation Lerngegenstand Geschichte Gruppe I – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe II – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe III – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe IV – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe V – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe II – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe III – Schreibprodukte der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe IV – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe V – Schreibprodukt der Beschreibe-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe II – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe III – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe IV – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe V – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Gruppe I – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe II – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe III – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe IV – Schreibprodukte der Erkläre-Teilaufgabe im Post-Test Gruppe V – Schreibprodukt der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Cronbachs Alpha der Schreibaufgaben im Prä- und Post-Test Split-Half-Reliabilität des Kategoriensystems zur Auswertung der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test Split-Half-Reliabilität des Kategoriensystems zur Auswertung der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test

Tabellenverzeichnis

37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63

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Itemtrennschärfe für die kategoriengestützte Auswertung der Beschreibe- und Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Textlänge in der Beschreibe-Teilaufgabe Prozentuale Verteilung der Item-Werte in der Beschreibe-Teilaufgabe Verwendete Bezüge in der Beschreibe-Teilaufgabe Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen in der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Test nach Gruppen Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen im Prä-Test nach Jahrgangsstufen Rasch Item-Statistik zu den Items der Beschreibe-Teilaufgabe In der explorativen Faktorenanalyse extrahierte Faktoren des Konstrukts fachliche Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben Ergebnisse der zweifaktoriellen Analyse zur Bestimmung der fachlichen Sprachhandlungsfähigkeit im Beschreiben Modell zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Beschreibungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht Textlänge in der Erkläre-Teilaufgabe Prozentuale Verteilung der Item-Werte in der Erkläre-Teilaufgabe Anzahl der angeführten Gründe in der Erkläre-Teilaufgabe Prozentualer Anteil (nicht) triftiger Gründe Art der Gründe – Prozentuale Verteilung Verwendung von Bezügen in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Vergleich der Jahrgangsstufen in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Test Verteilung und Abschneiden der Schüler*innen in der Erkläre-Teilaufgabe im PräTest nach Gruppen Rasch Item-Statistik zu den Kategorien der Erkläre-Teilaufgabe Modell zur Beurteilung der Qualität von schriftlichen Erklärungen von Schüler*innen im Geschichtsunterricht Abschneiden der basierend auf der Leistung im Beschreibe-Teilaufgabe gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe Abschneiden der basierend auf der Leistung im Fachwissenstest gebildeten Gruppen in der Beschreibe-Teilaufgabe Abschneiden der basierend auf der Leistung im Fachwissenstest gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe Abschneiden der basierend auf der Leistung in der fachübergreifenden BeschreibeTeilaufgabe gebildeten Gruppen in der Beschreibe-Teilaufgabe Abschneiden der basierend auf der Leistung in der fachübergreifenden ErkläreTeilaufgabe gebildeten Gruppen in der Erkläre-Teilaufgabe Entwicklung der Items in der Beschreibe-Teilaufgabe im Prä-Post-Vergleich Entwicklung der Items in der Erkläre-Teilaufgabe im Prä-Post-Vergleich