Dokumentieren mit dem Strukturmodell: Grundlagen - Einführung - Management 9783748601197

Pflegedokumentation so schlank und einfach wie möglich: Eine Forderung, die das Bundesministerium für Gesundheit in eine

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Dokumentieren mit dem Strukturmodell: Grundlagen - Einführung - Management
 9783748601197

Table of contents :
Inhalt
Geleitwort von Staatssekretär Karl-Josef Laumann Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege
Geleitwort BAGFW und bpa
Vorwort der Herausgeber
Teil I. Grundlagen
Teil II. Die vier Elemente des Strukturmodells
Teil III. Die Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell
TEIL IV. Weitere Aspekte, die eine nachhaltige Implementierung beeinflussen
Teil V. Erfahrungsberichte aus der Praxis
Anhang

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Elisabeth Beikirch | Hans-Dieter Nolting | Michael Wipp (Hrsg.)

Dokumentieren mit dem Strukturmodell Grundlagen, Einführung, Management

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet. Der Verlag und die Autoren können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2017, 2., überarbeitete Auflage Besuchen Sie uns im Internet: www.www.altenpflege-online.net Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen. Foto Titelseite: s_l,fotolia ISBN 978-3-74860-119-7

Elisabeth Beikirch | Hans-Dieter Nolting | Michael Wipp (Hrsg.)

Dokumentieren mit dem Strukturmodell Grundlagen, Einführung, Management

Inhalt Geleitwort von Staatssekretär Karl-Josef Laumann Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege Geleitwort BAGFW und bpa

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Vorwort der Herausgeber

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Teil I: Grundlagen

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1 Konzertierte Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und Entlastung für die Pflege – Hintergründe und Anlass

19

2 Die pflegewissenschaftliche Fundierung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Strukturmodells

49

3 Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

57

3.1 Aus haftungsrechtlicher Sicht

58

3.2 Aus sozialrechtlicher Sicht

60

3.3 Aus berufsrechtlicher Sicht

64

3.4 Aus heimrechtlicher – respektive ordnungsrechtlicher Sicht

70

Teil II: Die vier Elemente des Strukturmodells

75

4 Prinzipien und Umsetzung

79

4.1 Element 1: Die Strukturierte Informationssammlung (SIS®) – der Einstieg in den Pflegeprozess

4

8

85

4.2 Element 2: Der Maßnahmenplan – Handlungsgrundlage für die Pflege und Betreuung 

139

4.3 Element 3: Das Berichteblatt – Fokus auf Abweichungen und tagesaktuelle Ereignisse

154

4.4 Element 4: Die Evaluation – individuell statt schematisch

166

Besonderheiten der Tagespflege Besonderheiten der Kurzzeitpflege

179 192

Teil III: Die Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell

205

5 Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

207

5.1 Einrichtungsinterne Ausgangsbasis

207

5.2 Entscheidungsfindung durch die Geschäftsführung 

209

5.3 Übergang in die Implementierungsphase

221

6 Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

225

6.1 Einsetzung einer Steuerungsgruppe und einer   ‚projektverantwortlichen Person‘, Erstellung eines Projektplans

226

6.2 Kommunikation und Qualitätssicherung

234

6.3 Schulung und Anleitung der Mitarbeiter und der Einbezug von Auszubildenden

239

6.4 Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell

243

TEIL IV: Weitere Aspekte, die eine nachhaltige Implementierung beeinflussen 

247

7 Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

249

8 Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung 

261

9 Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

273

9.1 Perspektivwechsel durch das Strukturmodell und sich daraus ergebenden Anforderungen an die Altenpflegeausbildung

274

9.2 Integration des Strukturmodells in die theoretische Ausbildung der Schule

277

9.3 Integration des Strukturmodells in die praktische Ausbildung 

284

9.4 Erste Erfahrungen und Visionen

287

5

10 Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen und Pflegedokumentation

6

291

10.1 Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen

291

10.2 FEM im Kontext zur Pflegedokumentation

294

Teil V: Erfahrungsberichte aus der Praxis

297

11 Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege

299

12 Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege 

307

Anhang 

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Herausgeber- und Autorenverzeichnis

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Geleitwort von Staatssekretär Karl-Josef Laumann Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege Die Pflegedokumentation hat sich immer mehr verselbständigt, sie frisst Arbeitszeit der Pflegekräfte, die für die eigentliche Pflege und Betreuung der pflegebedürftigen Menschen fehlt. In meinen zahlreichen Gesprächen mit Pflegekräften und Vertretern des Managements von Pflegeeinrichtungen wurde mir diese Botschaft immer wieder vorgetragen. Die überbordende Bürokratie ist einer der größten  „Motivationskiller“ und eine wesentliche Ursache für Arbeitsverdichtung in der Altenpflege. Bei meinem Amtsantritt als Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung fand ich die Blaupause für ein stark entschlacktes Dokumentationssystem vor: Das  „Strukturmodell“ war 2013 von der damaligen Ombudsfrau für die Entbürokratisierung der Pflege, Elisabeth Beikirch, in Zusammenarbeit mit Experten aus Pflegewissenschaft und Pflegepraxis sowie mit breiter Unterstützung durch die Verbände der Pflegebranche, die Kostenträger, die Prüfinstanzen von MDK/MDS, Heimaufsichten der Länder und Prüfdienst der PKV entwickelt worden. Ein im Februar 2014 abgeschlossener Praxistest mit 57 ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen konnte zeigen, dass dieser neue Ansatz zu einer deutlichen Entbürokratisierung ohne Qualitätseinbußen führt. Das entlastet die Pflegekräfte und setzt Ressourcen für die eigentliche Pflege der ihnen anvertrauten Menschen frei. Wir haben darum in breitem Konsens aller Beteiligten und mit ausdrücklicher Unterstützung der Länder eine gemeinsame Strategie zur Implementierung des  „Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“ in allen interessierten ambulanten Diensten und stationären Pflegeeinrichtungen beschlossen. Zur Unterstützung dieses Prozesses habe ich Anfang 2015 das Projektbüro Ein-STEP bei der Berliner IGES Institut GmbH beauftragt, das noch bis zum Herbst 2017 die Umsetzung begleiten wird. Außerdem hat der Gesetzgeber auf mein Betreiben klargestellt, dass die erreichte Zeiteinsparung nicht zu einer niedrigeren Pflegevergütung führen darf. Damit ergänzt das Entbürokratisierungsprojekt die Pflegereformen der Bundesregierung, um die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege spürbar zu verbessern. Seitdem wurde viel erreicht: Zum Jahresende 2016 hatten sich mehr als 10.000 ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen beim Projektbüro als Teilnehmer der Implementierung registriert. Das bedeutet, dass bereits über 42 Prozent aller

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Pflegeeinrichtungen auf den Zug der Entbürokratisierung aufgestiegen sind. Und viele sind bereits am Ziel, haben ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschult und die Dokumentation erfolgreich umgestellt. Im ersten Quartal 2017 wird als nächster Schritt die Anpassung und Erprobung des Strukturmodells für die besonderen Belange der Tages- und Nachtpflege sowie der Kurzzeitpflege abgeschlossen sein. Ich freue mich, dass mit diesem Buch nun eine umfassende Darstellung des Strukturmodells vorliegt, die alle wichtigen Aspekte des Themas beleuchtet – von der Entstehungsgeschichte über die pflegewissenschaftlichen Grundlagen, juristische Aspekte, Hinweise für das Management bis hin zur Berücksichtigung des Strukturmodells in der Ausbildung von Pflegekräften. Vor allem bietet das Buch eine Gesamtdarstellung, wie die Pflegedokumentation mit dem Strukturmodell funktioniert und welche Erfahrungen Praktiker damit gemacht haben. Das Jahr 2017 stellt mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und allen damit zusammenhängenden Umwälzungen einen Meilenstein für die Pflege in Deutschland dar. Wenn das Projekt der Entbürokratisierung der Pflegedokumentation im November 2017 in die alleinige Verantwortung der Verbände und Institutionen des Pflegesektors übergeht, wünsche ich mir, dass alle Beteiligten weiterhin mit hohem Engagement an diesem Ziel arbeiten: Mehr Zeit für die Pflege. Ich danke Ihnen für die Unterstützung bei diesem erfolgreichen Projekt! Ihr Karl-Josef Laumann

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Geleitwort BAGFW1 und bpa2 Das neue Strukturmodell der Pflegedokumentation – Eine Erfolgsbilanz Jahrelang beklagten Pflegekräfte und Einrichtungsträger die ausufernde Bürokratie der Pflegedokumentation. Der Aufwand für die Dokumentation jeder einzelnen Tätigkeit, die Angst vor dem fehlenden Nachweis der erbrachten Leistung verbunden mit behaupteten rechtlichen Anforderungen wurde von den Pflegekräften und Einrichtungen als Misstrauen und fehlendes Vertrauen in deren Fachlichkeit gewertet. Viel Zeit wurde damit verbracht, sinnlos irgendwelche Regeltätigkeiten aufzuschreiben, wodurch weniger Zeit zur Verfügung stand, sich um die Pflegebedürftigen zu kümmern. Die Pflegedokumentation wurde am Ende häufig als pflegefremde Tätigkeit und unnützer, zeitraubender Ballast wahrgenommen. Mit der Umsetzung des neuen Strukturmodells der Pflegedokumentation konnte dieser Entwicklung entschieden entgegengetreten werden. Es hat sich als sehr erfolgreiches Projekt, sowohl was die Beteiligung der Pflegeeinrichtungen und -dienste als auch was Vorgehensweise und Wirkung angeht, erwiesen. Zentraler Erfolgsfaktor war, dass alle Akteure einbezogen wurden und alle an einem Strang in die gleiche Richtung gezogen haben. Das Bundesgesundheitsministerium, die Länder, die Kostenträger und die Prüfinstanzen zusammen mit der Pflegewissenschaft und den Juristen. Diesem breiten Bündnis haben wir den Erfolg zu verdanken. Ohne die Moderation und den Einsatz der handelnden Akteure wäre das Signal für die Praxis nicht möglich gewesen. Die Träger und die Pflegekräfte haben das Angebot angenommen und die neue Dokumentation in einer atemberaubenden Geschwindigkeit umgesetzt. Die BAGFW und der bpa, als projektverantwortliche Trägerverbände, haben sich konzeptionell, organisatorisch sowie finanziell eingebracht und zusammen mit ihren Mitgliedern fast 7 Millionen Euro in die Umsetzung investiert. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen: Bis September 2016 haben sich bundesweit über 40 % aller Pflegeeinrichtungen für eine Teilnahme an der Umsetzung des neuen Strukturmodells entschieden. Die Rückmeldungen der teilnehmenden Einrichtungen bzgl. der Ergebnisse der Umstellung sind dabei ganz überwiegend sehr positiv:

1  Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege 2  Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.

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Die Bedarfe und Wünsche des pflegebedürftigen Menschen werden wieder stärker in den Fokus des Pflegeprozesses gerückt. Die Mitarbeitenden werden von dem unnötigen Nachweisdruck, der durch zunehmende Regulierung der Pflege in den letzten Jahren entstanden war, und den daraus resultierenden Ängsten befreit. Die Kompetenz und Fachlichkeit der beruflich Pflegenden vor Ort wird gestärkt. Die Pflegedokumentation wird wieder als handlungsleitendes und sinnvolles Arbeitsinstrument angenommen. Das neue System schafft Entlastung, sowohl zeitlich aber auch was die gefühlte Belastung durch die bisherige, z. T. ausufernde und als sinnlos empfundene Art der Dokumentation betrifft. Das neue Strukturmodell der Pflegedokumentation hilft damit nicht nur den pflegebedürftigen Personen, sondern trägt auch in hohem Maße zur Steigerung der Arbeitszufriedenheit der beruflichen Pflegenden bei und leistet damit auch einen Beitrag zur Attraktivitätssteigerung des Berufs. Und nicht nur das, es ist auch anschlussfähig an aktuelle und künftige Entwicklungen, wie beispielsweise die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die neue Pflegebegutachtung. Die vorliegenden Ergebnisse des Projekts der Umsetzung des neuen Strukturmodells der Pflegedokumentation sollten daher alle Beteiligten ermuntern weiterzumachen, andere dazu ermutigen den Weg der Umsetzung doch noch zu gehen und für zukünftige Projekte liegt eine erfolgreiche Blaupause für erfolgreiche Problemlösungsprozesse vor. Gemeinsam wollen wir diese Blaupause auf andere Bereiche in der Pflege übertragen und die Entbürokratisierung auch dort vorantreiben. Nicht jedoch ohne mit allen relevanten Akteuren dafür einzutreten, dass nicht neue fachfremde Anforderungen an die Dokumentation diese erneut überfrachten. Dr. Gerhard Timm und Bernd Tews

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Vorwort der Herausgeber ELISABETH BEIKIRCH, HANS-DIETER NOLTING, MICHAEL WIPP / Das  „Strukturmodell zu Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“ wird seit Jahresbeginn 2015 von einer zunehmenden Zahl ambulanter Dienste und stationärer Einrichtungen in die eigene Dokumentationspraxis übernommen. Der Prozess der Umstellung bzw. der Implementierung des Strukturmodells in der Langzeitpflege in Deutschland ist von Beginn an durch eine breite Koalition der relevanten Akteure unterstützt worden: Leistungserbringer und ihre Verbände, Kostenträger und Prüfinstanzen, Ausbildungseinrichtungen, Pflegewissenschaftler, Juristen und nicht zuletzt die Politik, vertreten durch das Bundesgesundheitsministerium, den Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung und die Bundesländer, haben sich im Lenkungsgremium des bundesweiten Implementierungsprojekts engagiert. Viele der an dieser bundesweiten  „Konzertierten Aktion“ Beteiligten kommen nun in diesem Buch zu Wort. Sie nehmen aufgrund ihrer jeweiligen Expertise zu Grundsätzen der Pflegedokumentation Stellung und erläutern besondere Aspekte im Zusammenhang mit dem Strukturmodell und seiner Umsetzung. Die Verbände der Pflegebranche haben für ihre Mitgliedsunternehmen sowie alle interessierten Pflegeeinrichtungen spezielle Schulungs- und Beratungsangebote installiert. Zahlreiche Aus- und Weiterbildungsträger haben das Strukturmodell inzwischen in ihre Lehrpläne integriert. Ziel des vorliegenden Bandes ist es, das Informationsangebot zum Strukturmodell nicht nur zusammenzufassen, sondern zu vertiefen und um wichtige Gesichtspunkte zu ergänzen. Im Laufe von zwei Jahren Implementierungsstrategie hat sich das von Beginn an verfolgte Konzept des Strukturmodells einerseits bewährt, andererseits konnten an zahlreichen Stellen Konkretisierungen vorgenommen und viele anfangs offene Fragen geklärt werden: Für spezielle Probleme der Dokumentationspraxis wurden Antworten gefunden. Das Wissen über die besten Wege bei der Umstellung der Pflegedokumentation – von kleinen Diensten bis zu großen Einrichtungsträgern – ist gewachsen. Die ersten Fragestellungen im Zusammenhang mit der Anpassung an die Rahmenbedingungen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wurden geklärt. Dieses Fachbuch ist durch die vielen an dem Prozess der Entbürokratisierung direkt und indirekt beteiligen Autoren sowie die Bündelung dieses Wissens, mehr als die Vorstellung des Strukturmodells: Es stellt für die Praktiker und das Pflege- und Qualitätsmanagement von Pflegeeinrichtungen (ambulant, teilstationär wie stationär) eine umfassende Arbeitshilfe für den Einführungsprozess und die erfolgrei-

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che Umsetzung im Alltag dar. Für wissenschaftlich Interessierte bietet es Informationen zu Hintergründen und Entwicklung des Modells und für Bildungsträger der Aus-, Fort- und Weiterbildung Anregungen zur Implementierung in die praktische und theoretische Ausbildung sowie die Förderung der Fachlichkeit. Grundlegende Ausführungen zu rechtlichen Aspekten bieten Informationen und (erneute) Klarstellungen zu Anforderungen an eine Pflegedokumentation sowie die Bedeutung eines fundierten Fachwissens in diesem Zusammenhang. Das Buch gliedert sich in fünf Hauptteile: Teil I widmet sich den pflegewissenschaftlichen Grundlagen sowie rechtlichen Aspekten der Pflegedokumentation bzw. des Strukturmodells. Teil II bietet eine umfassende Darstellung des Strukturmodells auf dem aktuellsten Stand angereichert um die Ergebnisse aus dem Praxistest für die Tages- und die Kurzzeitpflege. Im Mittelpunkt von Teil III steht das Management der Umstellung der Dokumentation auf das Strukturmodell. In Teil IV werden schließlich Einzelfragen und besondere Perspektiven behandelt. Den Abschluss bilden zwei Erfahrungsberichte zur Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten bzw. stationären Pflege. Anstelle einer Einleitung beginnt der erste Teil mit einem Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des Strukturmodells: Elisabeth Beikirch, Hildegard Entzian und Michael Wipp haben den Prozess der Entwicklung und Erprobung des Strukturmodells von Beginn an mitgestaltet und begleitet. Auch die Vorgeschichte der Entbürokratisierungsprojekte auf Initiative einzelner Bundesländer wird in ihrem Beitrag mit dem Titel Konzertierte Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und Entlastung für die Pflege – Hintergründe und Anlass reflektiert. Das Strukturmodell wurde auf der Grundlage einer umfangreichen Analyse pflegewissenschaftlicher Theorien zum Pflegeprozess und daran anknüpfender Dokumentationslogiken entwickelt. Der Beitrag von Andreas Büscher stellt die pflegewissenschaftlichen Hintergründe des Strukturmodells dar, setzt sich mit alternativen Konzepten auseinander und macht damit die seinerzeit getroffenen Entscheidungen nachvollziehbar. Ferner erläutert der Beitrag die gemeinsamen pflegewissenschaftlichen Fundamente des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des Strukturmodells und beleuchtet die Frage, ob aus der Einführung des neuen Begutachtungsinstruments Konsequenzen für den Umgang mit der Strukturierten Informationssammlung resultieren. Von kaum zu überschätzender Bedeutung für die bislang erreichte Akzeptanz und Verbreitung des Strukturmodells sind die Stellungnahmen der  „Juristischen Expertengruppe“ gewesen, beginnend mit der ersten  „Kasseler Erklärung“ aus dem

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Jahr 2014 bis hin zu den jüngsten Stellungnahmen. Die Mitglieder der Expertengruppe – Albrecht Philipp, Jörn Bachem, Karlheinz Börner, Peter Frings, Alexandra Jorzig, Peter Udsching und Thomas Weiss – geben in ihrem Beitrag einen komprimierten Überblick über haftungs-, sozial-, berufs- und ordnungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Pflegedokumentation. Teil II des vorliegenden Buches bietet eine umfassende Gesamtdarstellung des Strukturmodells und seiner vier Elemente – Strukturierte Informationssammlung, Maßnahmenplan, Berichteblatt und Evaluation. Der Beitrag der Autorinnen, die von Januar 2015 bis Ende 2016 das Kernteam des Projektbüros Ein-STEP gebildet haben (Elisabeth Beikirch, Ellen Fährmann, Sabine Hindrichs, Elke Erika Rösen, Anke Schulz, Kerstin Triftshäuser, Sabrina Umland-Korsch), kann als Einführung in das Strukturmodell gelesen werden. Er bietet jedoch auch für erfahrene Anwender eine Fülle von ergänzenden Hinweisen und Erläuterungen, die die Quintessenz aus den Erfahrungen von zwei Jahren Implementierung darstellen. Teil III setzt sich mit den tiefgreifenden Veränderung von Prozessen bei der Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell auseinander. Sie kann nur gelingen und zu den gewünschten Ergebnissen führen, wenn die Leitung bzw. Geschäftsführung ein klares Bild von den zu schaffenden Voraussetzungen und der notwendigen Unterstützung hat. Der Beitrag von Friedhelm Rink und Michael Wipp schildert die Einführung des Strukturmodells in ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen aus der Entscheiderperspektive: Fragen der Projektplanung werden ebenso wie Auswirkungen auf die verschiedenen Unternehmensfunktionen und die IT-Infrastrukturen beschrieben. Ein weiterer Beitrag des Teams Ein-STEP komplettiert den dritten Teil: Die Beschäftigten im Pflege- und Qualitätsmanagement sind üblicherweise die Hauptakteure einer Umstellung der Pflegedokumentation. Sie müssen den Übergang von der bisherigen Dokumentationspraxis auf das neue Modell planen, die übrigen Beschäftigten schulen, Verfahrensanweisungen anpassen und vieles mehr. Die zentralen Aufgaben und Arbeitsschritte werden in diesem Beitrag erläutert. Teil IV versammelt Beiträge, die besondere Aspekte fokussieren oder spezielle Perspektiven auf die Pflegedokumentation bzw. das Strukturmodell einnehmen. Jürgen Brüggemann, Bernhard Fleer und Thomas Muck befassen sich mit der Funktion der Pflegedokumentation im Gesamtkontext der externen Qualitätssicherung und erläutern, warum die Medizinischen Dienste die Entwicklung und Einführung des Strukturmodells von Beginn an begleitet und unterstützt haben.

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Der Beitrag von Hans-Dieter Nolting stellt die These auf, dass das Strukturmodell zwar wesentliche Faktoren adressiert, die als ursächlich für die Bürokratisierung der Pflegedokumentation anzusehen sind, dass allein mit der Umstellung auf eine neue Dokumentationssystematik aber keineswegs sichergestellt ist, dass die  „Bürokratisierungstreiber“ damit ein für alle Mal gebannt wären. Am konkreten Beispiel des Pflegegradmanagements werden einerseits die künftigen Herausforderungen für die entbürokratisierte Pflegedokumentation diskutiert, zum anderen wird erläutert, wie man durch aktive Gestaltung den Gefahren einer  „Re-Bürokratisierung“ entgegenwirken kann. Mit der bereits in zahlreichen Diensten und Einrichtungen vollzogenen Umstellung auf das Strukturmodell wird eine immer größere Zahl von künftigen Pflegefachkräften während des praktischen Teils ihrer Ausbildung mit der neuen Art zu dokumentieren konfrontiert. Mona Frommelt und Michael Roloff zeigen, wie die Integration des Strukturmodells in die Lehrpläne sowie die theoretischen und praktischen Unterrichtsinhalte der Ausbildungsinstitutionen erfolgt. Ein spezielles juristisches Thema – Anforderungen an die Dokumentation bei freiheitsentziehenden Maßnahmen – wird in dem Beitrag von Karlheinz Börner unter Bezugnahme auf das Strukturmodell aus der Perspektive der Hessischen Betreuungs- und Pflegeaufsicht vertieft. Teil V schließt mit zwei Erfahrungsberichten zur Umsetzung des Strukturmodells aus der Praxis: Holger Hegemann berichtet über die Erfahrungen, die sein ambulanter Dienst bei der Umsetzung des Strukturmodells gemacht hat, Claudia Hillenbrand-Illies schildert den Einführungsprozess in einer stationären Pflegeeinrichtung. Beide Beiträge belegen eindrucksvoll, welche Herausforderungen auf die Pflegeeinrichtungen bei der Einführung des Strukturmodells zukommen. Sie zeigen auf, dass hiermit auch die Reflexion innerbetrieblicher Prozesse der Organisation von Pflege verbunden sind und eine gründliche Vorbereitung, Schulung und der Zeitfaktor wesentliche Erfolgsfaktoren der Umsetzung darstellen. Bei der Konzeption des Buches haben die Herausgeber versucht, die Interessen unterschiedlicher Gruppen von Leserinnen und Lesern zu berücksichtigen, indem sowohl Beiträge zu pflegewissenschaftlichen Grundlagen, juristischen Fragen sowie speziellen Aspekten des Strukturmodells aufgenommen wurden, als auch praxisorientierte Beiträge, die die neue Pflegedokumentation eingehend erläutern und die Managementprozesse bei der Implementierung in Pflegediensten und -einrichtungen schildern. Grundsätzlich wurde Wert darauf gelegt, dass alle Kapitel des Buches einzeln und in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Dabei lässt es

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sich nicht vermeiden, dass bisweilen inhaltliche Überschneidungen auftreten, was u. E. bei einem neuen Thema kein Nachteil sein muss. Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation ist kein abgeschlossenes Konzept, sondern befindet sich in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung. Die in diesem Buch – insbesondere in Teil II – präsentierten Umsetzungen einer schlanken Pflegedokumentation sind offen für Ergänzungen und Anpassun-gen. Mit den wachsenden Praxiserfahrungen erwarten wir auch eine zunehmende Zahl von Vorschlägen und Hinweisen, wie das Strukturmodell und die zugrundeliegenden Prinzipien einer schlanken Pflegedokumentation mit Blick auf künftige Herausforderungen weiterentwickelt werden können. Berlin und Karlsruhe im November 2017 Elisabeth Beikirch, Hans-Dieter Nolting, Michael Wipp

In diesem Buch wird zugunsten der besseren Lesbarkeit auf die Nennung der weiblichen Schreibformen verzichtet.

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Teil I Grundlagen

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1 Konzertierte Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und Entlastung für die Pflege – Hintergründe und Anlass Historie und Rückblick ELISABETH BEIKIRCH, HILDEGARD ENTZIAN, MICHAEL WIPP / Im Rahmen der über ein Jahrzehnt geführten Debatte zur Entbürokratisierung der Pflege hatte das Thema Pflegedokumentation von Anfang an eine herausragende Rolle. Ein ausufernder Zeitaufwand für die Pflegedokumentation bei gleichzeitig nicht erkennbarem Nutzen für den Pflegealltag war seit vielen Jahren ein Dauerthema im Rahmen der Umsetzung der Pflegeversicherung, der aufsichtsrechtlichen Qualitätsprüfungen auf Landesebene und der Diskussion über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege alter Menschen. Eine breite Gruppe von Pflegekräften empfand den Zeitaufwand für die täglichen Dokumentationsanforderungen als  „Wahnsinn“, eine ihnen oktroyierte praxisferne Anforderung, die sie von der Pflege und Beschäftigung mit den auf Unterstützung angewiesenen pflege- und hilfebedürftigen Menschen abhielt. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben vielfach gezeigt, dass Einrichtungen auf Kritik von Prüfinstanzen an der Pflegedokumentation in aller Regel mit  „mehr Dokumentation“ reagieren und seltener mit einer fachlich fundierten Anpassung. Eine Ursache für diese Entwicklung wird in den unterschiedlichen Grundlagen zu suchen sein, die Einfluss auf die Dokumentationsgestaltung nehmen: ƒƒ Pflegewissenschaftliche, pflegefachliche Erkenntnisse ƒƒ Rechtliche Anforderungen (Bund und Länder) ƒƒ Prüfkriterien, Empfehlungen und Auflagen der Prüfinstanzen (MDK und Aufsichten) ƒƒ Gestaltung und Handhabung in den Diensten und Einrichtungen Im Zeitraum von 1996 bis 2007 gab es auf Bundes- und Landesebene umfangreiche Modellvorhaben und Aktivitäten (Leitfaden/Musterdokumentation/Standards etc.)

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zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation (vgl. Tabelle 1). In mehreren Ländern wurden bereits vor mehr als 10 Jahren Modellprojekte zur Entwicklung und Erprobung vereinfachter Dokumentationsverfahren finanziell gefördert (z. B. Bayern, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein). Diese Modellprojekte wurden extern begleitet, zum Teil auch juristisch bewertet und evaluiert. Sie waren allerdings untereinander nicht abgestimmt. Trotz guter Ergebnisse und Erfahrungen in den Projekten haben sich diese bürokratieärmeren Verfahren in den Ländern nicht durchgesetzt. Dies lag sicherlich nicht an der Qualität der Ergebnisse, dass diese Konzepte und Vorschläge für eine effiziente Pflegedokumentation in der Fläche nicht verankert wurden, sondern an einer Reihe von Verquickungen ganz unterschiedlicher Bedingungsfaktoren. Vielfach wurde hierfür der Einfluss der Prüfinstanzen (MDK/Aufsichten der Länder) auf die Dokumentation angeführt sowie vielfältige gesetzliche Regelungen auf Bundes- und Landesebene. Eine ebenso große Rolle spielte aber auch die Frage, inwieweit das Qualitätsmanagement der Pflegeeinrichtungen, die Bildungsträger, und die Träger selbst die Umsetzung der Ergebnisse dieser Modellvorhaben in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich unterstützten oder sie in Frage stellten. Sich widersprechende juristische Aussagen und ein teilweise mangelndes Interesse von Dokumentationsherstellern trugen ebenso dazu bei und so wurden die Ergebnisse im zeitlichen Verlauf verwässert. Insgesamt war dieser Mix von Faktoren, der sich regional auch sehr unterschiedlich darstellte, landesintern kaum zu durchbrechen. In einer der späteren Expertensitzungen wurde resümiert: Es brauchte wohl einer bundesgesteuerten massiven Intervention, um tatsächlich bundesweit einen stabilen Durchbruch bei der Pflegedokumentation zu erzielen. KURZ GESAGT:Diese Modellprojekte haben allerdings bereits vor einem Jahrzehnt gezeigt, dass auf der Grundlage der Regelungen des SGB XI, der Vereinbarungen der Selbstverwaltung sowie der aufsichtsrechtlichen Regelungen in den Ländern eine bürokratiearme Dokumentation prinzipiell möglich und umsetzbar ist.

Dennoch soll an dieser Stelle auch ausdrücklich erwähnt werden, dass eine Reihe von Pflegeeinrichtungen sich auf der Grundlage der Ergebnisse aus den oben erwähnten Modellvorhaben mit Fragen der effizienten Pflegedokumentation im Laufe der Zeit auseinandergesetzt und ihren eigenständigen Weg zu einer schlanken Pflegedokumentation bei Einhaltung fachlicher Qualitätsstandards gefunden haben. Vielleicht erhalten sie durch die Ergebnisse aus dem aktuellen Entbürokratisierungsprojekt noch weitere Anregungen, um ihre Dokumentationspraxis zu optimieren oder ihr Vorgehen wird im Wesentlichen bestätigt.

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Konzertierte Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation – Hintergründe und Anlass

Tabelle: Aktivitäten auf Bundes- und Landesebene zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation Beauftragung

Inhalt

Forschungsbericht 261 im Auftrag des BMAS, 1996

Die Bedeutung des Pflegeplanes für die Qualitätssicherung in der Pflege

Projekt im Auftrag des Bayerischen Sozialministeriums, 2003

Entbürokratisierung der Pflegedokumentation einschließlich Rechtsgutachten

Projekt im Auftrag des Sozialministeriums RheinlandPfalz

Musterdokumentation für den stationären Bereich 2004, (2. Auflage 2008); ambulanter Bereich 2006, (2. Auflage 2011)

Modellvorhaben im Auftrag des Sozialministeriums Schleswig-Holstein, 2004

Das schleswig-holsteinische Modell: Vereinfachte Pflegeplanung und -dokumentation einschließlich Rechtsgutachten

Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), 2005

Grundsatzstellungnahme Pflegeprozess und Pflegedokumentation

BMG und BMFSFJ, Runder Tisch Pflege, AG III Entbürokratisierung, 2005

Empfehlung zur Entwicklung einer Leitlinie oder Expertenstandard zur Pflegedokumentation

Gutachten im Auftrag des BMFSFJ

Umfangreiche Empfehlungen zur Entbürokratisierung in der Pflege durch ein Kompetenzteam u. a. auch zur Pflegedokumentation

Identifizierung von Entbürokratisierungspotenzialen… (2006)

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohl- Entbürokratisierung – ein Märchen wird wahr Diskurs fahrtspflege (BGW), 2006 mit zentralen Akteuren aus Politik, Verbänden, Praxis und Wissenschaft zum ‚Kooperativen Aufsichtshandeln‘ und Dokumentation Modellvorhaben im Auftrag des Sozialministeriums Nordrhein-Westfalen – Näher am Menschen, 2007

Referenzmodell, Teilberichte 4 und 6: Grundsätze zur Ausgestaltung verbesserter Formen der Dokumentation anhand von vier Schwerpunkten

Arbeitsgemeinschaft Entbürokratisierung Pflegedokumentation in Hamburg, 2007

Erstellung eines Pflegedokumentationsmodells für das Land Hamburg

Initiative Neue Qualität der Arbeit, inqa.de, 2010

Handlungshilfe für die Praxis: Entbürokratisierung in der Pflege mit Schwerpunkt Pflegedokumentation und Qualitätsmanagement

Arbeitsgruppe im Auftrag des Sozialministeriums in Rheinland-Pfalz, 2011

Zwei Musterdokumentationen für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen

Bericht der Bundesregierung Erfüllungsaufwand im Bereich Pflege (Statistisches Bundesamt), 2013

Umfangreiche Erhebungen zu Kosten und Aufwand von Antragsverfahren in der Pflege, u. a. eine Analyse der jährlichen Kosten für die Pflegedokumentation in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen (SGBXI)

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Beauftragung Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Beauftragung einer Ombudsperson zur Entbürokratisierung der Pflege, 2011/2014

Inhalt Entwicklung Lösungsstrategien u. a. Fokus Pflegedokumentation und Praxistest‚ Strukturmodell zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in 5 Bundesländern

Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung in Zusam- Bundesweite Implementierungsstratgie zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation in ambulanten und menarbeit mit den Einrichtungs- und Kostenträgern stationären Pflegeeinrichtungen der Langzeitpflege und den Ländern, 2015/2017 (SGB XI)

Arbeitsgruppe  „Entbürokratisierung“ im Rahmen des ‚Runden Tisch Pflege‘ Auch der ‚Runde Tisch Pflege‘ – eine gemeinsame Initiative der Bundesministerien für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) und für Familie Senioren Frauen und Jugend (BMFSFJ) – ging 2005 auf die Beschwerden aus der Praxis ein und griff in der Arbeitsgruppe III ‚Entbürokratisierung‘ das Thema Pflegedokumentation auf und empfahl unter Punkt 3.2: „Der Runde Tisch Pflege fordert, eine übergreifende Leitlinie für eine Dokumentation des Pflegeprozesses in Abstimmung mit den Prüfkriterien des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur Pflegedokumentation zu erarbeiten und zu verabschieden, die für alle ambulanten Dienste und stationären Einrichtungen nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien an die Hand gibt.“ In der Begründung hierzu wurde u. a. ausgeführt:  „Gegenwärtig sind zahlreiche Projekte und Initiativen zur Weiterentwicklung von Pflegedokumentationssystemen zu beobachten. Grundsätzlich sind jene Aktivitäten zu begrüßen, welche einen fachlich begründeten Beitrag leisten. Aufgrund der Vielfalt der Ansätze sind die Aktivitäten jedoch zu bündeln. Es mangelt an einer verbindlichen Leitlinie zum Thema ‚Pflegedokumentation‘. Daher sollte geprüft werden, einen Expertenstandard ‚Dokumentation des Pflegeprozesses‘ zu erstellen, der als gemeinsame Aufgabe des Pflegemanagements und der Pflegefachkräfte sowie weiterer beteiligter Berufsgruppen anzuerkennen und umzusetzen wäre.“ In einem begleitenden Gutachten im Auftrag des BMFSFJ zur ‚Identifizierung von Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenhilfe in Deutschland‘ wurden von einem Kompetenzteam im Rahmen einer wissenschaftlichen Analyse u. a. zum Thema Entbürokratisierung der Pflegedokumentation umfangreiche Merkmale der Über-, Unter- und Fehldokumentation sowie diverse Schnittstellenproblematiken identifiziert und Handlungsempfehlungen für

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Konzertierte Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation – Hintergründe und Anlass

Veränderungen ausgesprochen (2006). Hier finden sich unter Punkt 5.2 zum Thema Pflegedokumentation folgende Ausführungen: „Eine Zentrierung der Pflegedokumentation auf die für eine fachgerechte und individuelle Pflege erforderlichen Inhalte ist nötig. Dazu bedarf es einerseits einer Reduzierung des Umfangs der Dokumentation und andererseits einer Vervollständigung der Inhalte. Um dieses leisten zu können, braucht die Praxis Orientierungshilfen. Benötigt werden ERSTENS HANDLUNGSLEITLINIEN zur Pflegedokumentation, die den Verantwortlichen Anhaltspunkte für Auswahl und Gestaltung des Pflegedokumentationssystems und Dokumentationsregeln liefern. Sie sollten zudem Grundlage des fachlichen Dialogs von Heimen und Prüfinstanzen sein. Diese Handlungsleitlinien ƒƒ werden zeitnah benötigt, um die Situation in den Heimen zu stabilisieren und der Vergeudung von Ressourcen in zahllosen Einzelprojekten entgegen zu wirken, ƒƒ sollen theoretisch fundiert und praxisnah formuliert sein und den Pflegeleitungen konkrete Umsetzungsbeispiele (aber nicht Formulare) an die Hand geben, ƒƒ sollen ein plausibles Spektrum von Pflegeproblemen abdecken. Gegenwärtig verändern sich Pflegesituationen jeweils dann und nicht immer zum Vorteil, wenn ein Thema in der Fachöffentlichkeit aktuell diskutiert wird, ƒƒ sollen ein Mindestmaß an Einheitlichkeit der Pflegedokumentation in der stationären Altenhilfe fördern. Zurzeit finden Mitarbeiter/-innen oft bei Stellenwechsel ihnen unbekannte Dokumentationssysteme vor, in die sie sich mit hohem Aufwand einarbeiten. Den Ausbildungsstätten wird von Heimseite vielfach die unzulängliche Vermittlung von Dokumentationswissen vorgeworfen. Hier könnten Handlungsleitlinien eine Verbesserung und Annäherung bewirken. Gebraucht werden ZWEITENS QUALIFIZIERUNGSANGEBOTE für Pflegeleitungen, um diese fachlich und in ihrer Leitungsposition zu stabilisieren. Diese Qualifizierungsangebote sollen ƒƒ pflegefachliche und Dokumentationskenntnisse festigen und erweitern. Die Anfälligkeit für Dokumentationsmoden, die Neigung zur ‚sicheren‘ Dokumentation, die Ausrichtung an den Erwartungen der Prüfinstanzen können nur abgebaut, die notwendige inhaltliche Arbeit kann nur geleistet werden, wenn die Pflegeleitung fachlich ,sattelfest‘ ist. ƒƒ auf die Pflegedokumentation bezogene Fragen der Mitarbeiterführung und -entwicklung beinhalten. ƒƒ das Thema Pflegedokumentation im organisatorischen Kontext behandeln. Oft muss parallel am Pflegesystem, an den Arbeitszeitregelungen, an der Ge-

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staltung der Dienstübergaben, am Delegationsverfahren etc. gearbeitet werden, um die Pflegedokumentation nachhaltig zu verbessern.“ In der Zusammenfassung wird an anderer Stelle u. a. festgestellt:  „Überdokumentation bindet Zeit und frustriert die Pflegenden, die Pflegedokumentation und pflegerisches Tun als nicht zusammengehörend erleben. Sie fördert das mechanische ‚Abarbeiten‘ von Dokumentationspflichten ohne die erwartete Sicherheit zu bieten.“ Zehn Jahre später spielen alle diese Aspekte – mit kleinen Veränderungen – im Rahmen der Implementierungsstrategie immer noch eine gleich große Rolle. Im Sinne des eingeforderten Handlungsleitfadens war sicherlich die Grundsatzstellungnahme des Medizinischen Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) im Jahr 2005 zum Thema Pflegeprozess und -dokumentation für viele Pflegeeinrichtungen von Bedeutung. In dem Vorwort finden sich folgende Ausführungen: „Ziel dieser Grundsatzstellungnahme ist es, den Pflegefachkräften in den Einrichtungen, den Trägern der Pflegeeinrichtungen und den Mitarbeitern der Medizinischen Dienste eine praxisverbessernde und  „entbürokratisierende“ Arbeitshilfe anzubieten. Basis ist der Stand des Wissens zum Thema Pflegeprozess und die gesetzlichen Regelungen (u. a. Krankenpflegegesetz) vor dem Hintergrund der zunehmenden Eigenständigkeit der Pflege. Die aktuell in Zusammenhang mit Entbürokratisierungspotenzialen in Pflegeeinrichtungen geführte Diskussion um Planung und Dokumentation von Pflege ist kein neues Thema. In einigen Bundesländern sind zwischenzeitlich Initiativen zur Neugestaltung der Dokumentationssysteme in Gang gekommen. Im Unterschied dazu legt diese Grundsatzstellungnahme den Fokus auf die inhaltliche Ausgestaltung des Pflegeprozesses und seiner Dokumentation. Das hier vorgelegte Papier flankiert damit die bereits in einigen Bundesländern bestehenden Initiativen zur Pflegdokumentation.“ In dieser Grundsatzstellungnahme wurden bereits Hinweise zu unterschiedlichen Modellen der fachlichen Ausgestaltung des Pflegeprozesses (4-, 5- und 6-schrittiges Modell) und Grundlagen einer fachgerechten Pflegedokumentation zusammengestellt. Es wurde für die nachfolgenden Ausführungen eine klare Präferenz für den 6-phasigen Pflegeprozess ausgesprochen. Diese Stellungnahme zielte nicht auf eine Musterdokumentation ab, sondern sollte den Pflegeeinrichtungen Hilfestellung und Orientierung für eine fachgerechte Gestaltung ihrer Pflegedokumentation bieten. Sie hat aber sicherlich ganz maßgeblich die Standardisierung und Gestaltung der Dokumentationssysteme der Hersteller mit beeinflusst. Dennoch geriet auch diese Stellungnahme aus dem Blickwinkel der Aufmerksamkeit als durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (2008) vielfältige neue Bedingungen geschaffen wurden.

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Pflegedokumentation im Kontext der externen Qualitätssicherung im SGB XI Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurde das Konzept der Qualitätssicherung im SGB XI grundlegend neu ausgerichtet und um mehrere Elemente gleichzeitig erweitert: ƒƒ die Verpflichtung zur Vereinbarung von Maßstäben und Grundsätzen zur Pflegequalität und der Regelung von Anforderungen an eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation, die über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen dürfen“ (§ 113 SGB XI) sowie ƒƒ an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement  „ (§ 113 SGB XI), ƒƒ Regelungen zur Entwicklung von verbindlichen Expertenstandards (§ 113 a SGB XI), die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden, ƒƒ eine jährliche unangemeldete Regelprüfung, in die die Ergebnisqualität integriert wird (§ 114 Abs. 2 SGB XI) und ƒƒ die Verpflichtung der Pflegekassen zur Veröffentlichung von Transparenzberichten für den Verbraucher, in denen auch Aspekte der Lebensqualität darzustellen sind (§ 115 Abs. 1a SGB XI). In der Folge bestand für die Vertragsparteien gemäß § 113 SGB XI die Herausforderung, diese neuen Elemente in die zu erstellenden Qualitätsprüfrichtlinien (QPR) und in die Transparenzkriterien einfließen zu lassen und zugleich eine Verschränkung zwischen beiden Instrumenten herzustellen. Dies hatte enorme Auswirkungen an die Anforderungen des Pflege- und Qualitätsmanagements sowie auf Art, Umfang und inhaltliche Ausrichtung der Pflegedokumentation in den Pflegeeinrichtungen. Die Pflegedokumentation erfuhr deshalb eine so große Bedeutung, weil sie nunmehr das zentrale Instrument wurde, mit dem die Pflegequalität entlang der Kriterien der QPR und der Pflegetransparenzvereinbarungen ambulant und stationär (PTVS/PTVA) von den Einrichtungen dargelegt werden konnte. Zwar waren auch sogenannte Inaugenscheinnahmen bei pflegebedürftigen Personen vorgesehen, welche jedoch stichprobenartig erfolgten. Die Pflegedokumentation wurde in ihrer Relevanz als  „Beweismittel“ dadurch kaum geschwächt. Die Prüfkriterien und der Stellenwert der Pflegedokumentation im Prüfverfahren führten in den Einrichtungen zu einer (selbstgewählten) Dokumentationspraxis, die aus Sicht der Pflegenden primär kontrollbezogen ausgerichtet war und in dieser Ausprägung und ihrem Umfang für den beruflichen Alltag nur von begrenztem Nutzen. Dies ging einher mit der Wahrnehmung, dass pflegefachliche

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Kompetenz und berufliche Erfahrung von untergeordneter Bedeutung waren. Im Praxistest stellte sich später heraus, dass die meisten Pflegefachkräfte eine sehr distanzierte Haltung zur Pflegedokumentation hatten und sie nicht mehr als ihr eigentliches Arbeitsinstrument zur Steuerung des Pflegeprozesses ansahen. Darüber hinaus wurde angeführt, dass mündlich vorgetragene Erkenntnisse zum Leistungsgeschehen im veränderten Prüfverfahren nicht akzeptiert wurden, wenn sie nicht unmittelbar aus der Pflegedokumentation hervorgingen, selbst bei nicht zu beanstandender Bewertung des Zustandes und zur Zufriedenheit des Pflegebedürftigen („was nicht dokumentiert ist, ist nicht geschehen“). In der Konsequenz konnte dies zu einer negativen Beurteilung (Notengebung) führen, ohne dass für den Verbraucher und für die Allgemeinheit deutlich wurde, ob es sich um einen Versorgungs- oder einen Dokumentationsfehler handelte. In den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen gab es auch vor 10 Jahren bereits einen breiten Konsens für eine professionell ausgestaltete Pflegedokumentation und eine interne sowie externe Qualitätssicherung. Hierzu hatten auch die Vorgaben zur Qualitätsentwicklung im Pflege-Weiterentwicklungsgesetz und der hohe Fachverstand sowie die beratende Funktion der Medizinischen Dienste maßgeblich beigetragen. Dennoch bot der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine ideale Projektionsfläche für alles, was mit überbordender Dokumentation zu tun hatte, egal woher die Anforderungen stammten. Dabei waren nicht selten auch Vorgaben der Träger, der eingekauften Dokumentationssysteme oder Anweisungen des Qualitätsmanagements für einen hohen Dokumentationsaufwand verantwortlich. Die Kritik der Pflegenden an einer ausufernden Pflegedokumentation u. a. auch durch parallele Prüfverfahren von MDK und Aufsichten der Länder mit zum Teil unterschiedlichen Aussagen zur Dokumentationspraxis sowie damit einhergehender fehlender Zeit für die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen wurde im Zuge der laufenden Entbürokratisierungsdebatte wiederholt bestätigt. In den Jahren 2009 bis 2011 verstärkte sich durchgängig der Eindruck, dass sich die Thematik trotz der Empfehlungen des  „Runden Tisch Pflege“ und trotz aller Modellvorhaben weiter verschärft hatte. Nicht selten wurden die Politik aber auch die zentralen Akteure der Selbstverwaltung (Einrichtungs- und Kostenträger) aufgefordert  „diesen Wahnsinn zu stoppen“. Selbst engagierte Bürgerinnen und Bürger und Selbsthilfeinitiativen schalteten sich in die Entbürokratisierungsdebatte ein und forderten, dass die Pflegekräfte von  „Schreibarbeiten“ entlastet werden müssten.

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Bestellung einer unabhängigen Ombudsperson zur Entbürokratisierung der Pflege durch den Gesundheitsminister im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Im Jahr 2011 wurde der zuständige Bundesgesundheitsminister erneut mit massiven Forderungen zur dringend notwendigen Entbürokratisierung in der Pflege konfrontiert. Es bestand ein breiter Konsens in der Fachöffentlichkeit darüber, dass die Pflegedokumentation auch in Folge des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes (2008) und Regelungen der Aufsichten der Länder ein überbordendes Ausmaß im Pflegealltag angenommen hatte. Insbesondere die Positionen von Pflegeeinrichtungen und der verschiedenen Prüfinstanzen standen sich in puncto einer angemessenen Dokumentation vielerorts  „unversöhnlich“ gegenüber und es herrschte diesbezüglich ein  „Klima“ des allgemeinen Misstrauens. Der damalige Minister berief eine unabhängige Ombudsfrau im BMG zur Entbürokratisierung der Pflege, die in ihrem Zwischenbericht (2012) u. a. als ein zentrales Problem im pflegerischen Alltag einen völlig überhöhten Dokumentationsaufwand in ambulanten und stationären Einrichtungen der Langzeitpflege (SGB XI) wie folgt skizzierte: ƒƒ Fehlende Übersichtlichkeit und Orientierung zur Steuerung des Pflegeprozesses (Methoden/Instrumente) und geringes Vertrauen in die Fachlichkeit der Pflegenden. ƒƒ Ungeklärte Fragen (und Mythen) zum notwendigen Dokumentationsumfang aus haftungs- und vertragsrechtlicher Sicht, insbesondere im Kontext des Risikomanagements, Regressforderungen der Kostenträger und Nachweispflichten (stationär) zu durchgeführten Leistungen (sog. ‚angstgetriebene Pflegedokumentation‘). ƒƒ Unterschiedliche Auffassungen der Vertragsparteien zu Konzepten der Transparenz im Leistungsgeschehen gegenüber Kostenträgern und Verbrauchern (QPR und Transparenzkriterien). ƒƒ Geringe Akzeptanz bei den Pflegenden in Bezug auf Art und Umfang der etablierten Prüfverfahren und der Kriterien zur öffentlichen Darstellung der Pflegequalität von Pflegeeinrichtungen (Notengebung). ƒƒ Unterschiedliche Anforderungen an die Pflegedokumentation im Rahmen der externen Qualitätssicherung gemäß SGB XI und der Wohnpflegegesetze der Länder (parallele Prüfungen). Die Ursachen hierfür waren vielfältig und sowohl durch trägerinterne als auch externe Faktoren bestimmt. Sie gingen einher mit der Umsetzung mehrerer zentraler politi-

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scher Entscheidungen: die Föderalisierung des Heimrechts und in der Folge 16 verschiedene Prüfleitfäden, die Neuausrichtung der Externen Qualitätssicherung (QPR), die Einführung einer Qualitätsberichterstattung (Transparenzkriterien) im SGB XI sowie die Einführung von Expertenstandards und die Anforderungen des Gesetzgebers zur Darlegung von Lebensqualität, Selbstbestimmung und Individualität pflegebedürftiger Menschen. Hinzu kamen die nicht zählbaren einrichtungsintern entstandenen Anforderungen und trägerorientierten Dokumentationsanforderungen. Eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes (2013) ergab, dass Pflegekräfte rund 13 Prozent ihrer Arbeitszeit pro Schicht allein für die Pflegedokumentation aufwendeten. Die jährlichen Kosten für die Pflegedokumentation in Einrichtungen der Langzeitpflege (SGB XI) wurden in Höhe von ca. 2,7 Milliarden Euro beziffert. Davon entfielen allein in der stationären Pflege rund 1,9 Milliarden Euro auf Einzelleistungsnachweise. Der enorme Umfang der Pflegedokumentation verringerte einerseits die Zeit für die direkte Pflege und Betreuung und belastete die Pflegefachkräfte in ihrem beruflichen Alltag erheblich und verursachte andererseits erhebliche Kosten. Es musste dringend ein Lösungsweg gefunden werden, da dieser Missstand die Arbeitsbedingungen und die Motivation der Pflegenden beeinflusste und damit auch die Attraktivität der Arbeit in der Langzeitpflege maßgeblich beeinträchtigt wurde. Ein Befund, der angesichts des Fachkräftemangels in der Pflege von erheblicher Bedeutung war.

Die Pflegedokumentation – ein zentrales Thema der Entbürokratisierung in der Pflege Es erfolgte der Auftrag an die Ombudsfrau, sich im Rahmen der Entbürokratisierung der Pflege ganz auf die Pflegedokumentation zu konzentrieren und für die damit im Zusammenhang stehenden Themen einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Zu beachtende Dimensionen der Pflegedokumentation stellten sich damals im Wesentlichen wie folgt dar: ƒƒ Sicherstellung der Kommunikation und Steuerung des Pflegeprozesses (Methoden /Instrumente/Fachlichkeit), ƒƒ (Haftungs-) Rechtliche Aspekte im Kontext der Risikoeinschätzung und Regressforderungen, ƒƒ Transparenz gegenüber dem Verbraucher sowie interne Verfahren der Qualitätssicherung und Bedeutung der Pflegedokumentation für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten, ƒƒ Anforderungen im Rahmen der externen Qualitätssicherung (SGB XI) und der Wohnpflegegesetze der Länder,

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ƒƒ Qualifikationsmix in den Pflegeeinrichtungen und die Fachlichkeit der Pflegenden, ƒƒ Spezielle Rahmenbedingungen der einzelnen Versorgungssegmente (stationär/ambulant/Tagespflege/Kurzzeitpflege). In den Prozess der Entbürokratisierung der Pflegedokumentation wurde die Expertise von allen Stakeholdern in einer Expertengruppe eingebunden: vertreten waren die Praxis und das Management aus den Versorgungsbereichen, die Pflegewissenschaft mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Prüfinstanzen auf Bundes- und Landesebene und die privaten und freigemeinnützigen Verbände. In einer zusätzlichen Unterarbeitsgruppe wurden die speziellen Aspekte der ambulanten Pflege bearbeitet. Weitere fachliche Expertise von Kostenträgern, Juristen, Berufsverbänden, der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, von größeren Trägerorganisationen sowie verschiedenen Referaten im BMG wurden zu einzelnen Zwischenergebnissen punktuell eingebunden. Einerseits gab es eine rasche Verständigung, dass die vielfach von der Praxis gewünschte Erarbeitung einer ‚Musterdokumentation’ fachlich nicht zielführend und auch nicht sinnvoll wäre, um die Vielfalt der Versorgungsstrukturen und trägerspezifischen Vorgehensweisen zu berücksichtigen. Andererseits sollten sich die Experten dennoch auf eine Grundstruktur und Prinzipien der Dokumentation (sogenannte ‚Minimalita‘ einer Pflegedokumentation) verständigen, die fachlichen und juristischen Überprüfungen Stand hält. Dies sollte den Einrichtungen Sicherheit und die gewünschte Orientierung bieten, aber auch die von einer breiten Fachöffentlichkeit und bereits dem ‚Runden Tisch Pflege‘ geforderte Verständigung und Abstimmung im Prüfgeschehen zwischen den Heimaufsichten der Länder und den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung (MDK) sowie dem Prüfdienst der PKV erleichtern.

Ziele der Entbürokratisierung und Entwicklung einer schlanken Pflegedokumentation (Strukturmodell) Folgende Ziele waren mit der Erarbeitung eines Lösungsvorschlags durch die Expertengruppe zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation verbunden: ƒƒ Verständigung zu einer Grundstruktur der Pflegedokumentation, die fachlichen und rechtlichen Aspekten Stand hält (keine Musterdokumentation) und Akzeptanz bei allen zentralen Akteuren findet, ƒƒ Praxistauglichkeit und Zeitersparnis ohne fachliche Standards zur Steuerung des Pflegeprozesses zu vernachlässigen,

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ƒƒ Anschlussfähigkeit im Hinblick auf Reformvorhaben in der Pflege (neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff/Begutachtungsinstrument), ƒƒ Aufhebung des Eindrucks für Prüfinstanzen zu dokumentieren und Beendigung der Entwicklung einer  „angstgetriebenen Dokumentation“, ƒƒ Berücksichtigung vorliegender Ergebnisse aus Modellvorhaben auf Bundesund Landesebene sowie Gutachten zur Thematik Pflegedokumentation und Entbürokratisierung. Die Neuausrichtung der Pflegedokumentation auf der Grundlage des erarbeiteten Strukturmodells greift auf erprobte fachwissenschaftliche und juristische Wissensstände aus den letzten 15 Jahren zurück. Insofern wurde auf viele bekannte Informationen zurückgegriffen, was mitunter zu dem Hinweis führt, dass das Strukturmodell nichts  „wirklich Neues“ ist. In der Tat ist das Strukturmodell eine Weiterentwicklung auf der Basis der vorhandenen Erkenntnisse, die inhaltlich überarbeitet und deren Wirkung entlang von festgelegten Prinzipien im Vorgehen noch klarer herausgestellt wurden. Die vier Elemente des Strukturmodells folgen einer konsequenten Ausrichtung der Pflegedokumentation an einer personzentrierten Pflege und sind aufeinander bezogen. Sie beinhalten eine veränderte Dokumentationspraxis zum Einstieg in den Pflegeprozess, die Konzentration der Verlaufsbeobachtung auf Abweichungen und aktuelle Ereignisse sowie die Abkehr von schematischen Routinen bei der Risikoeinschätzung und der Evaluation. Das Strukturmodell beinhaltet einen entscheidenden Durchbruch im Hinblick auf Zeitersparnis und Förderung der Fachlichkeit sowie den Einbezug aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten. Bei konsequenter Anwendung der Prinzipien des Strukturmodells und entsprechenden Schulungen aller Beteiligten geht dies nach bisherigen Erkenntnissen einher mit einer besseren Orientierung und Übersichtlichkeit sowie größerer Mitarbeiterzufriedenheit. Der hier skizzierte Entwicklungsprozess mit seinen Entscheidungen und Begründungen wird im Folgenden noch einmal knapp zusammenfassend beschrieben (vgl. auch Abschlussbericht zum Praxistest).

Zur Entwicklung des Strukturmodells Schritt eins: Das Strukturmodell wurde in Anlehnung an die Ergebnisse aus einem Forschungsvorhaben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Bedeutung der Pflegeplanung für die Qualitätssicherung der Pflege (Nr. 261/1996) entwickelt. Der Vorschlag der Pflege- und Gesundheitswissenschaftlerin Prof. U. Höhmann war

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bereits damals, den Pflegeprozess in vier Schritte zu gliedern (WHO Modell) und den Ausgangspunkt des Dialogs mit der pflegebedürftigen Person konsequent aus dem Blickwinkel des auf Pflege- und Betreuung angewiesenen Menschen abzubilden. Erst dann sollte die pflegefachliche Perspektive einfließen und daraus in einem Verständigungsprozess das Ergebnis für die Versorgungsplanung abgeleitet werden (personzentrierter Ansatz). Diese Grundidee wurde in das Strukturmodell in Form der Strukturierten Informationssammlung aufgenommen. Sie wurde mit den Expertengruppen entlang der gegenwärtigen Rahmenbedingungen in der Pflege und den Anforderungen an eine effiziente Pflegedokumentation für die ambulante und die stationäre Pflege jeweils angepasst. Schritt zwei: Darüber hinaus wurde die Entscheidung getroffen, sich in der SIS®von dem in der Praxis etablierten ATL Modell nach Roper, Logan und Tierney (1996) bzw. dem AEDL Modell von Krohwinkel (1993) zu lösen und sich grundsätzlich von einem schematischen Ankreuzverfahren bei der Situationseinschätzung und der Pflegeplanung zu trennen. Pflege- und betreuungsrelevante biografische Daten sollten hierin integriert und nicht auf einem extra Bogen erfasst werden. Die in der Praxis vielfach angewandten umfangreichen Biografiebögen wurden im Hinblick auf die Bedeutung der Dokumentation pflege- und betreuungsrelevanter biografischer Angaben zur Steuerung des individuellen Pflegeprozesses als wenig zielführend eingeschätzt. Zudem wurde das Ziel verfolgt, die neue Pflegedokumentation zu anderen aktuellen Themen in der Pflege (neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff/Begutachtungsinstrument) und künftigen Entwicklungen (verändertes Verfahren der Qualitätssicherung) anschlussfähig zu machen. Schritt drei: Ergänzend fand eine kritische Auseinandersetzung zu bekannten Vorgaben des Qualitätsmanagements, insbesondere der schematischen Anwendung von Assessmentinstrumenten, Skalen und diversen Protokollen zur Risikoeinschätzung und auch in Folge von Prüfereignissen statt. Hierbei wurde deutlich, dass es ebenfalls einer fachlichen Aufarbeitung zum Verständnis und der praktischen Anwendung von Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) bedarf. Zusätzlich spielten Unsicherheiten in Bezug auf eine sachgerechte Dokumentation im Hinblick auf haftungsrechtliche Aspekte aus Sicht der Träger eine große Rolle. Es war von Bedeutung hierfür (erneut) eine tragfähige Lösung herauszuarbeiten, da

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Grundstruktur zur Neuausrichtung der Pflegedokumentation

Stammdatenblatt

Strukturierte Informationssammlung 6 Themenfelder [Perspektive Pflegebedürftiger, biografische Erkenntnisse, fachliche Setzung Pflegefachkraft und Risikoeinschätzung]

Pflegeprozess 4-phasig

Individueller Maßnahmenplan (Grundpflegerische Versorgung und Betreuung)

Berichteblatt beschreibt Abweichung und ggf. Evaluation

 Behandlungspflege separate Dokumentation

Zusatzdokumente im Rahmen des Risikomanagements (Trink-, Ernährungsprotokoll, Scalen/Assessments etc.)

Stat. keine Einzelleistungsnachweise für Grundpflege (Verfahrensanleitungen hierfür im QM-Handbuch hinterlegt; Mitarbeiter haben Kenntnis)

Erkenntnisse aus Fallbesprechungen/Übergaben etc. fließen bei Bedarf mit ein

Obligate Einzelleistungsnachweise nach Durchführung - Entscheidung durch Pflegefachkraft: - nicht regelhaft/schematisch - Evaluationsdaten individuell - zeitliche Befristung - Eintragung/Abzeichnung nach Durchführung

Abb.1: Pflegeprozess und Darstellung der neuen Pflegedokumentation sowie Vorgaben des Qualitätsmanagements (Wipp/ Beikirch, 2012)

beide Aspekte von den Pflegenden und den Trägern ganz maßgeblich als eine wesentliche Ursache für den überbordenden Dokumentationsaufwand genannt wurden. Darüber hinaus sollte durch das Strukturmodell – angepasst für die ambulante und stationäre Pflege - eine Basis geschaffen werden, um eine grundsätzliche Verständigung aller zentralen Akteure auf Landes- und Bundesebene zu Art und Umfang der Pflegedokumentation (Grundstruktur) und die Herstellung von Verbindlichkeit zu erreichen (Verfahrenssicherung). Damit waren die wesentlichen Eckpunkte zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation in der Langzeitpflege wie in der Abb. 1 dargestellt festgelegt.

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Zielsetzung und Aufbau der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) Eine Herausforderung war die konzeptionelle Umsetzung des Einstiegs in den 4-phasigen Pflegeprozess in Form einer Strukturierten Informationssammlung, die den Pflege- und Betreuungsbedarf eines Menschen wie auch seine Risikofaktoren für das Eintreten von Pflegebedürftigkeit als Grundlage pflegerischen Handelns individuell erfasst. Den individuellen Wünschen und Vorstellungen pflegebedürftiger Personen zu einem selbstbestimmten Leben (auch bei gesundheitlichen Einschränkungen), den eigenen Wahrnehmungen zur Situation und den persönlichen Vorstellungen von Hilfe und Pflege sollte bewusst Raum gegeben werden. Diese narrativ ermittelten Informationen sollten  „ungefiltert“ dokumentiert werden. An diesem Punkt wurden die Unterschiede der ambulanten und der stationären Pflege in den Expertenteams deutlich: Das Verständnis, die  „ungefilterte“ persönliche Sichtweise und die individuellen Vorstellungen der Betroffenen an den Beginn der Anamnese zu stellen, war für die Pflegefachkräfte der ambulanten Pflege sehr viel selbstverständlicher als für diejenigen aus der stationären Pflege. In Anlehnung an die konzeptionelle Vorgehensweise aus dem oben genannten Forschungsvorhaben, Erfahrungen mit Fragestellungen aus einer Untersuchung zur Relevanz des ‚Kontrollbesuchs‘ (§ 37 Abs. 3 SGB XI) bei Pflegebedürftigen und Expertenschilderungen zu praktischen Erfahrungen mit Fragestellungen bei der Pflegeplanung von psychisch Kranken, wurde im Ergebnis das ‚Feld B’ (Eingangsfragen an die pflegebedürftige Person) gebildet. Es wurde weiterhin entschieden, dieses Feld bewusst von den sechs Themenfeldern zur Dokumentation der  „fachlichen Perspektive“ (Feld C1) abzusetzen. Einen breiten Raum nahm die Diskussion ein, wie das erste Element des Pflegeprozesses – die Informationssammlung – auf eine fachwissenschaftliche Grundlage gestellt und trotzdem erreicht werden kann, dass der Dokumentationsumfang übersichtlich und praxistauglich bleibt. Nach Vorstellung und Diskussion verschiedener Varianten (z. B. pflegediagnostische Verfahren, Clusterung der AEDL-Systematik, Struktur der Pflegecharta etc.) wurde sich schließlich dafür ausgesprochen, sich an die Themenfelder des 2017 in Kraft gesetzten Begutachtungsinstruments anzulehnen. Folgender konzeptioneller Gedanke war hierfür leitend: Den in dem Begutachtungsinstrument formulierten Themengebieten zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit lag die wissenschaftliche Analyse von (inter-) national bekannten Instrumenten zur Erfassung von Pflege- und Hilfebedarf zugrunde. Diese Untersuchung wurde von einer Expertengruppe des Instituts für Pflegewissenschaft (Universität

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Bielefeld, u. a. Prof. K. Wingenfeld und Prof. A. Büscher) im Rahmen der Entwicklung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des neuen Begutachtungsassessments (NBA) durchgeführt. Das heißt, es lag eine fundierte wissenschaftliche Grundlage von Themenfeldern vor, durch die sich ein individueller Pflege- und Hilfebedarf gut identifizieren lässt. In einem Anlagenband zum Bericht des NBA waren aus den pflegewissenschaftlichen Literaturrecherchen zusätzlich ausführliche fachliche Hinweise zur praktischen Nutzung für die Pflegeplanung zu finden. In Zusammenarbeit mit der Expertengruppe wurden entlang der acht Module des NBAs für die Themenfelder in der SIS®fünf pflegerelevante (Kontext) Kategorien gebildet: 1. Kognition und Kommunikation 2. Mobilität und Bewegung 3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen Für den ambulanten Sektor wurde die Thematik  „Haushaltsführung“ als sechste Kategorie hinzugefügt. Nach dem Praxistest kam für die stationäre Pflege ebenfalls eine sechste Kategorie mit den Themen  „Wohnen und Häuslichkeit“ hinzu. Mit dieser Entscheidung war eine verantwortbare wissenschaftsbasierte Strukturierung der Informationssammlung definiert, von der angenommen werden konnte, dass die für die Pflege relevanten Themenkomplexe im Kontext der Versorgung pflegebedürftiger Menschen berücksichtigt sind. Um den Pflegefachkräften Hinweise und eine Anleitung für die Umsetzung der SIS®zu geben, wurden für jedes Themenfeld  „Leitfragen“ formuliert. Sie sollten die Entwicklung eines einheitlichen Verständnisses bei der praktischen Anwendung und Umsetzung der Themenfelder sicherstellen (vgl. Teil II, Kap. 4).

Zielsetzung und Aufbau der Risikoeinschätzung als Bestandteil der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) Im Mittelpunkt der Debatte um eine  „überbordende“ Pflegedokumentation war aus Sicht der Pflegefachkräfte kein Thema so „  angstbesetzt“ und offensichtlich fremdbestimmt wie der sach- und fachgerechte Umgang mit der Einschätzung von pflegesensitiven Risiken und Phänomenen und deren Dokumentation. Die Diskussion hierzu war geprägt durch viele Spannungsfelder, aus denen heraus jeweils Anforderungen an die Pflegedokumentation gestellt wurden. Es betraf haftungsrechtliche Aspekte, Instrumente und Verfahren der externen Qualitätssicherung, fehlendes fachliches Wis-

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sen und Missverständnisse in der Übermittlung der Funktion und praktischen Anwendung der Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) und anderer Instrumentarien sowie vielerorts schematischen und wenig zielführenden Vorgaben des internen Qualitätsmanagements. Insofern war es unabdingbar, diese Thematik im Rahmen einer bürokratiearmen Pflegedokumentation aufzugreifen und ein rationales, fachwissenschaftlich begründetes und praxisnahes Vorgehen vorzuschlagen. Dies sollte u. a. aktuelle Erkenntnisse aus der Überarbeitung der Expertenstandards des DNQP und jüngste Regelungen im PflegeNeuausrichtungs-Gesetz (PNG) aufgreifen (Datentriangulation). Damit war zusätzlich die Erwartung verbunden, dass die Verantwortlichen auf allen Ebenen ihre bisherige Praxis der internen und der externen Qualitätssicherung in diesem Punkt überprüfen. Unter maßgeblicher konzeptioneller Federführung von Prof. M. Roes wurde in der Expertengruppe für die Risikoeinschätzung in der ambulanten und der stationären Pflege je eine Matrix (Feld C2) entwickelt. Mittels eines einfachen – hier gezielt eingesetzten – Ankreuzverfahrens sollte eine erste fachliche Einschätzung von der Pflegefachkraft zu möglichen pflegesensitiven Risiken und Phänomenen (in den Kategorien Dekubitus, Sturz, Schmerz, Inkontinenz, Ernährung sowie einem bei Bedarf ‚individuell‘ zu benennenden Risikos) im Kontext der fünf Themenfelder der Strukturierten Informationssammlung vorgenommen werden. Diesem Vorschlag lagen folgende Überlegungen zugrunde: Bedingt durch die singuläre Bearbeitung der unterschiedlichen Probleme eines pflegebedürftigen Menschen (u. a. durch die ATL/AEDL Grundstruktur) geht der Zusammenhang und die Wechselwirkungen dieser pflegerelevanten Aspekte verloren. Durch die Matrixstruktur werden pflegerelevante Phänomene (wie Dekubitus, Sturz etc.) mit pflegerelevanten Kontextkategorien (wie Kognition/Kommunikation, Mobilität/Bewegung etc.) zusammenhängend betrachtet. Eine Risikoeinschätzung erfolgt in diesem Fall vor dem Hintergrund miteinander korrespondierender Risiken (wie z. B. Sturz mit Mobilität/Bewegung oder Schmerz mit krankheitsbedingten Anforderungen). Im Anschluss daran kann – auf Grundlage der SIS®(inkl. Matrix zur Risikoeinschätzung) – der Handlungsbedarf im Maßnahmenplan dokumentiert werden. Der fachlich begründeten Entscheidung für individuelle Versorgungssituationen wird somit Raum gegeben (Personzentrierung). Darüber hinaus sollte die Matrix für einen Plausibilitätscheck aller bis dahin dokumentierten Informationen in den Themenfeldern der SIS® dienen. Im Praxistest galt es nun zu erproben, inwieweit für die Pflegefachkräfte und das Pflege- und Qualitätsmanagement dieses Vorgehen verständlich und praktisch anwendbar ist und ob es dazu beiträgt, die Bedeutung der Fachlichkeit von Pflegefach-

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kräften in diesem Entscheidungsprozess (wieder) stärker zum Tragen kommen zu lassen. Die bisherige Praxis eines eher schematischen Umgangs mit Assessments und Skalen sollte kritisch überprüft werden, zugunsten individuell begründeter Entscheidungen und zeitlich befristeter Beobachtungen mittels kurzfristig gesetzter Evaluationsdaten.

BEISPIEL Aus dem Praxistest Ein Seniorenzentrum in der Nähe von Karlsruhe war eine der Einrichtungen, die sich an dem Praxistest des Bundesministeriums für Gesundheit von Mitte 10/2013 bis Mitte 01/2014 beteiligt haben. Die Pflegedokumentation hatte auch in dieser Pflegeeinrichtung aufgrund der bekannten vielfältigen Auslöser eine Eigendynamik entwickelt, zunehmend losgelöst von ihrer eigentlichen Zielsetzung. Dabei waren die Bewohner immer mehr aus dem primären Blickfeld verschwunden: Ergebnis: Frustrierte und verunsicherte Mitarbeiter und die Prüfereignisse wurden in den Fokus gerückt, nicht der Bewohner. Damit der Praxistest gelingen konnte, wurde in dieser Pflegeeinrichtung eine Arbeitsgruppe mit einer Projektverantwortlichen Person eingesetzt, um das Projekt zu steuern. Alle Teilnehmer der Arbeitsgruppe hatten sich schon vorher sehr mit der Thematik der Pflegedokumentation auseinandergesetzt und waren an einer Reduzierung auf das erforderliche Mindestmaß sehr interessiert. Die Aufgabe der eingesetzten Arbeitsgruppe bestand nun darin, die Informationen und Hintergründe zu dem Projekt den anderen Mitarbeitern des Hauses zu übermitteln und sie in die neue Dokumentationspraxis einzuführen. Es galt, in drei Monaten bei mindestens 10 pflegebedürftigen Personen eine Pflegedokumentation nach den Prinzipien des Strukturmodells umzusetzen und auf Praxistauglichkeit und Zeitersparnis zu überprüfen. Erfahrungen im Laufe des Praxistests Das Gespräch mit Bewohnern und Angehörigen und Reaktion: Einzug der Bewohnerinnen und Bewohner in die Pflegeeinrichtung wurden diese im ƒƒ Bei Rahmen des Einzugsgespräches über den Praxistest informiert und um ihr Einverständnis der Einbindung gebeten. Danach wurde mit dem Erstgespräch begonnen. Je weiter das Gespräch fortgeschritten war, desto mehr konnte festgestellt werden, dass das Verhältnis zwischen Pflegekraft und Bewohner immer vertrauter wurde. Die Bewohner und deren Angehörigen äußerten alle, dass deutlich spürbar sei, dass wieder der Mensch selbst im Mittelpunkt stehe und nicht die Dokumentation. Die Bewohner wurden im Zeitraum ihres Aufenthaltes immer wieder zu ihrer Zufriedenheit befragt und äußerten sich dahingehend, dass sie sich sehr freuen würden, wenn in Zukunft durch weniger Schreibarbeit wieder mehr Zeit für alle verfügbar sei. der beteiligten Pflege(fach)kräfte auf das Projekt: ƒƒ Reaktion Nach dem ersten Reflexionstreffen im Rahmen des Praxistests fand in der Einrichtung mit dem Geschäftsführer ein Treffen aller beteiligter Pflegemitarbeiterinnen und -mitarbeiter

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statt, in dem sie berichten konnten, wie sie den Verlauf des Praxistests bisher beurteilten und wie sie mit dem neuen Verfahren zurechtkämen. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen beurteilten diesen Praxistest sehr positiv, da deutƒƒ Alle lich mehr Zeit für die Bewohner und Bewohnerinnen vorhanden sei, als dies bei der gegenwärtig praktizierten Dokumentationsform der Fall sei. Dennoch waren sie sehr skeptisch, ob der Praxistest eine Chance habe, da schon viele Projekte in der Vergangenheit gestartet wurden, aber keines letztlich langfristig umgesetzt wurde. Die Mitarbeiter äußerten im Verlauf des Praxistests die Hoffnung, dass dies in Zukunft  „ihre“ Dokumentation würde und diese Dokumentation für alle Mitarbeiter der Pflege bundesweit zur Verfügung stehen solle. mit der Heimaufsicht und dem MDK; Reaktionen: ƒƒ Treffen Die Einrichtung hatte die für die Pflegeeinrichtung zuständige Heimaufsichtsbehörde eingeladen und die Projektverantwortliche stellte die neue Pflegedokumentation vor. Der Vertreter der Behörde äußerte, dass er es sehr mutig fände, dass die Pflegeberichte stark reduziert werden, aber es juristisch einwandfrei sei. Auch er betonte, dass es im SGB XI keine Vorgaben gibt, die ausdrücklich vorschreiben, wie eine Pflegedokumentation auszusehen hat. Monat darauf wurde eine Vertreterin des MDK eingeladen. Sie betonte, dass gestieƒƒ Im gene rechtliche Auseinandersetzungen in der Langzeitpflege zusätzliche Anreize in die falsche Richtung gesetzt hätten, so umfassend zu dokumentieren, damit für alle denkbaren Situationen  „vorgesorgt“ sei. Heimaufsicht und MDK äußerten, dass Sie es sich für die Bewohner und die Pfleƒƒ Beide, genden wünschen würden, dass wieder mehr Zeit da wäre und hofften sehr stark, dass die Ergebnisse aus dem Praxistest zu einer erfolgreichen Entbürokratisierung führen würden. Die Pflegeeinrichtung erlebte innerhalb der Projektphase große Unterstützung seitens dieser Prüfbehörden, was eine ermutigende Erfahrung und für die weitere Akzeptanz des Strukturmodells von Bedeutung war.

Zwischenfazit Abschließend zu den Hintergründen dieser knappen Entstehungsgeschichte des Strukturmodells sei das Fazit des Deutschen Pflegerats (DPR) in seiner Stellungnahme vom Januar 2015 wiedergegeben: „Die Ombudsfrau für Entbürokratisierung in der Pflege entwickelte zusammen mit Experten ein Strukturmodell sowie eine Strukturierte Informationssammlung, das den Pflegedokumentationsaufwand deutlich reduziert, wissenschaftlich fundiert ist, den haftungsrechtlichen und leistungsrechtlichen Anforderungen nach SGB V und SGB XI genügt und sowie gleichzeitig der Pflegefachlichkeit Raum gibt.

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Damit ist ein Meilenstein gelungen: Pflegefachpersonen arbeiten nicht länger in einer Engführung durch Checklisten, die abzuhaken sind, und das Führen von ‚Nachweisheften‘ für regelhaft durchgeführte Prüfungen oder potenzielle Gerichtsverfahren. Durch das Strukturmodell verfügen sie vielmehr über ein ‚Arbeitsinstrument‘, das zugleich ihre Professionalität fordert: Denn nun müssen sie begründen und vertreten – auch gegenüber der externen Qualitätssicherung – welche Maßnahmen sie durchführen oder nicht durchführen und mit welchem Ziel sie diese Maßnahme beim konkreten Pflegebedürftigen abgeleitet haben. Das Strukturmodell und die Strukturierte Informationssammlung stellen eine Verständigung der maßgeblichen Akteure und Institutionen über die unverzichtbaren Grundanforderungen an die Pflegedokumentation dar. Diese Grundanforderungen basieren auf nachvollziehbaren Kriterien, folgen einer schlüssigen Logik und sind wissenschaftlich begründet. Der Deutsche Pflegerat schlägt vor, diesem neuen Arbeitsinstrument eine Chance zu geben und es jetzt – auch im Rahmen des bundesweiten Implementierungsprojektes – zu erproben. Es wird die Pflege verändern und sie ein Stück zu ihren Wurzeln zurückführen. Durch die Anwendung des Strukturmodells können Erfahrungen gesammelt werden, die bei Bedarf Anpassungen ermöglichen.“

Zu erwartende Wirkungen der neuen Pflegedokumentationspraxis Durch die Einführung des Strukturmodells mit den vier Elementen wird eine gemeinsame Sichtweise (professionsübergreifend) aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten gefördert. Die Anwendung des Strukturmodells schafft u. a. Grundlagen für die (Weiter-) Entwicklung einer Fachsprache und unterstützt die Einführung von bundesweiten Indikatoren für die Qualitätsdarlegung und -berichterstattung. Eine  „Standardisierung“ von Pflegedokumentationssystemen auf der Grundlage der Prinzipien des Strukturmodells erleichtert insbesondere beim Wechsel des Arbeitsortes die Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusätzlich bietet sie schnelle Orientierung für Aushilfskräfte und bei dem Einsatz von Pflegenden aus Personalagenturen. Das Strukturmodell mit seinen vier Elementen liefert ohne großen Aufwand im Rahmen des Pflegeprozesses, insbesondere durch die Elemente 1(SIS®) und 3 (Berichteblatt) Informationen und Orientierung zur Entscheidung für einen Antrag auf Überprüfung eines vorliegenden Pflegegrades (vgl. Teil IV, Kap. 8).

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Die Strukturierte Informationssammlung kann insbesondere in der ambulanten Versorgung den pflegebedürftigen Personen übergeben werden (Transparenz) und ist hilfreich für den Verbraucher bei einem Wechsel des Pflegedienstes. Sie kann für die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Überleitung aus dem Krankenhaus und anderer Versorgungsbereiche eventuell Wirkung entfalten.

Bundesweite Verständigung auf ein Konzept zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, Beteiligung aller Akteure und politische Unterstützung Voraussetzung hierfür war die im Laufe des Jahres 2013 erreichte Verständigung auf ein einheitliches (fachlich und juristisch belastbares) Konzept einer bürokratiearmen oder  „schlanken“ Pflegedokumentation (Strukturmodell). In den geführten Gesprächen kristallisierte sich schnell heraus, dass für eine Akzeptanz in der Praxis und für eine breite Implementierung in der Fläche es gelingen musste, diesen fachlichen Konsens in Form einer  „Konzertierten Aktion“ mit allen zentralen Akteuren durch ein bundeseinheitliches Vorgehen abzusichern und dass alle Beteiligten einen Beitrag im Rahmen ihrer Verantwortung dazu leisten mussten. In diesem Zusammenhang wurde von dem Geschäftsführer des MDS der inzwischen  „legendäre“ Begriff  „Re-Set“ Pflegedokumentation geprägt. Hierdurch sollte zum Ausdruck kommen, dass die beschriebene problematische Entwicklung einer überbordenden Pflegedokumentation nicht  „irgendwie“ verbessert werden konnte, sondern Prinzipien einer effektiven und effizienten Pflegedokumentation von Grund auf neu gedacht und zukunftssicher gestaltet werden mussten. Ganz entscheidend war dabei, dass sowohl der MDK als auch der MDS diese Entwicklung mit getragen und das Strukturmodell von Anfang an mit entwickelt und die bundesweite Umsetzung unterstützt haben (vgl. Teil IV, Kap. 7). Nachdem sich das Strukturmodell in einem Praxistest (2013/2014) bewährt hatte, wurde vom BMG die Erarbeitung einer Handlungsanleitung in Auftrag gegeben, die in Zusammenarbeit mit Praxistesteilnehmern und weiteren fachpraktischen Experten und Expertinnen von Bildungsträgern und öffentlichen sowie privaten Institutionen erstellt wurde. Hierauf haben die zentralen Informations- und Schulungsunterlagen des Projektbüros Ein-STEP später aufgebaut. Um das Entbürokratisierungsprojekt im Vorfeld politischer Entscheidungen zum Vorgehen weiter voranzutreiben, wurde in einer beispiellosen Initiative von den Einrichtungs- und Kostenträgern (BAGFW, bpa und GKV-SV) auf Bundesebene im Herbst 2014 die Erarbeitung einer bundesweiten Implementierungsstrategie

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zur Umsetzung des Strukturmodells, in Absprache mit dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, beauftragt. Dieses Konzept beinhaltete: eine zentral gesteuerte Kommunikations- und Organisationsstruktur auf Bundes- und Landesebene, Verantwortungsbereiche und Zuständigkeiten für ein bundeseinheitliches Vorgehen und die Einrichtung eines zentralen Projektbüros zur Informationssteuerung. Dieses Konzept wurde in dem bereits etablierten Lenkungsgremium Ende 2014 beschlossen. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung sagte hierfür seine volle politische Unterstützung sowie eine erhebliche finanzielle Förderung zu. Unter dem Motto:  „Mehr Zeit für die Pflege“ startete in Zusammenarbeit mit den Einrichtungs- und Kostenträgern, den Prüfinstanzen und den Ländern die bisher größte bundespolitische Aktion zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation.

Die besondere Rolle der Bundesverbände der Trägerorganisationen Voraussetzung für die gesamte Entwicklung bis zu diesem Punkt und die Umsetzung der Implementierungsstrategie war das hohe finanzielle und organisatorische Engagement der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) und des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) (vgl. Geleitwort). Beide Organisationen hatten schon bei der Durchführung des Praxistests eine entscheidende Rolle für den erfolgreichen Verlauf gespielt und übernahmen nun auch im Rahmen der Steuerung des Gesamtvorhabens anteilig erhebliche finanzielle und organisatorische Verantwortung. Darüber hinaus beteiligten sich alle anderen privaten Bundesverbände sowie regionale Trägerorganisationen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebenso mit Nachdruck an der Umsetzung des Strukturmodells. Das Projektbüro Ein-STEP, bei der IGES GmbH in Berlin, hatte im Auftrag des Pflegebevollmächtigten die Verantwortung für die fachliche Umsetzung der Implementierungsstrategie sowie die Etablierung entsprechender Strukturen.

Unterstützung der Länder im Rahmen des Entbürokratisierungsprojektes Die Länder hatten es ausdrücklich begrüßt, dass die vom Bundesministerium für Gesundheit eingesetzte Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege am Ende der letzten Legislaturperiode vom BMG den Auftrag erhielt, die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation voranzutreiben. Im Juli 2013 hatte die Ombudsfrau Empfehlungen zur Gestaltung eines Strukturmodells in einem eigens hierfür einberufenen Lenkungsgremium vorgelegt. In das damit verbundene Abstimmungsverfahren wurden alle relevanten Umsetzungspartner eingebunden.

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Ein wichtiges Teilziel zur Akzeptanzgewinnung für das vorgeschlagene Verfahren vor Ort war die Verständigung der Vertragspartner nach § 113 SGB XI im August 2013, die Empfehlungen in einem 3-monatigen Praxistest zu erproben. Der Verlauf dieses vom BMG initiierten Projekts der  „Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation“ hatte gezeigt, dass für eine merkbare Vereinfachung der Pflegedokumentation vor Ort nicht allein ein fachlich und rechtlich fundiertes Verfahren entwickelt werden musste. Erst durch die gemeinsame Verantwortungsübernahme für die Gestaltung der Implementierungsstrategie aller Beteiligten im Lenkungsgremium und durch die Verschränkung des Lenkungsgremiums auf Bundesebene mit den Kooperationsgremien auf Landesebene konnte ein Durchbruch bei der Entbürokratisierung der Pflegedokumentation bundesweit erreicht und ein beachtlicher Erfolg dieser gemeinsamen Anstrengungen im Rahmen der Implementierungsstrategie erzielt werden. Die Länder wurden im September 2013 offiziell in diesen Prozess eingebunden und haben für die 90. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) im November 2013 einen Antrag zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation eingebracht. Die Bundesregierung wurde darin aufgefordert, den eingeschlagenen Weg zur Entbürokratisierung in der Pflege durch die Beibehaltung der auslaufenden Ombudsstelle über den September 2013 hinaus fortzusetzen mit dem Ziel, konkrete und praxisnahe Leitlinien für die unterschiedlichen Versorgungsbereiche (vollstationäre und ambulante Einrichtungen, Tages- und Kurzzeitpflege) für eine fachgerechte und effiziente Pflegedokumentation vorzulegen und deren Implementierung zu unterstützen. Zusätzlich sollte geprüft werden, ob durch eine Weiterentwicklung der Qualitätsprüfungs-Richtlinien und der Pflege-Transparenzvereinbarungen die Zusammenarbeit und die arbeitsteilige Vorgehensweise zwischen MDK bzw. PKV-Prüfdienst und den für die Aufsicht zuständigen Behörden der Länder verbessert und die Dokumentation optimiert werden können. Die Bundesregierung wurde außerdem aufgefordert, notwendige gesetzgeberische Schritte zu prüfen, damit für alle Beteiligten mehr Klarheit über die rechtlichen und fachlichen Anforderungen an die Pflegedokumentation hergestellt wird. In diesen Prozess wollten die Länder eingebunden werden. Eine wichtige Funktion für die Akzeptanzgewinnung bei Diensten und Einrichtungen hatte im gesamten Prozess das Lenkungsgremium mit seinen Beschlüssen und Protokollen auf Bundesebene; zunächst unter Leitung des BMG und ab 2014 durch den Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung. Mit den korrespondierenden Kooperationsgremien in den Ländern und den Aktivitäten

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der Trägerverbände ist eine breite Information erfolgt und Transparenz hergestellt worden.

Unterstützung der bundesweiten Implementierungsstrategie In einem Umlaufbeschluss für die 92. Arbeits- und Sozialministerkonferenz (2015) begrüßten die Länder die Empfehlungen des Lenkungsgremiums vom 13.03.2014, die weitere Umsetzung des Projektes vorzusehen. ƒƒ Sie erkennen in dem Beschluss der Vertragsparteien nach § 113 SGB XI vom 04.07.2014, mit denen für den leistungsrechtlichen Bereich eine verlässliche Grundlage für die Implementierung geschaffen wurde. ƒƒ Sie bekräftigten ihre Absicht, die erforderliche Übereinstimmung des im Praxistest erprobten Verfahrens zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation mit den ordnungsrechtlichen Regelungen der bestehenden Landesgesetze herzustellen. ƒƒ Sie bitten die Bundesregierung, die Schulung und Beratung der für die Durchführung der entsprechenden ordnungsrechtlichen Regelungen in den Landesgesetzen zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen der Implementierungsstrategie frühzeitig und ausreichend zu berücksichtigen. Die Länder begleiten bis heute in Zusammenarbeit mit den Landespflegeausschüssen die Implementierungsstrategie. Im Beschluss des Lenkungsgremiums vom 09.07.2014 wird u. a. empfohlen, die Umsetzung der Implementierungsstrategie in den Ländern auf die Grundlage eines Beschlusses der auf Landesebene relevanten Gremien – Landespflegeausschuss – zu stellen und ein regionales Gremium einzurichten, das die Umsetzung begleitet und sich eng mit der Bundesebene abstimmt, um eine möglichst einheitliche Vorgehensweise zu erreichen. Dabei sollen vor allem die Einrichtungsund Kostenträger, der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, die für das Wohnpflegerecht zuständigen Aufsichten, das für die Pflege zuständige Ministerium und die den Praxistest tragenden Verbände sowie Expertise aus dem Bereich der beruflichen Bildung beteiligt werden (siehe Abb. 2). Nach dem Umsetzungskonzept der Implementierungsstrategie berät und empfiehlt das Kooperationsgremium im Rahmen der Beschlüsse des Lenkungsgremiums: ƒƒ Zum Stand der Umsetzung im Bundesland und regionalem unterstützenden Handlungsbedarf, z. B. der Teilnahme von Pflegeeinrichtungen

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Bedeutung relevanter Akteure in den Kooperationsgremien der Länder im Rahmen der IMPS 

Steuerung des Gesamtprozesses, Anpassung rahmenrechtlicher Regelungen

Verbände/Trägerorganisationen



Sicherstellung von Schulung und Begleitung

Kostenträger



Mitwirkung, Unterstützung



Mitwirkung, Unterstützung, Beratung



Entwicklung Lehrpläne für die praktische und theoretische Ausbildung

Sozialministerium

Landespflegeausschuss

16 Kooperationsgremien Steuerung des regionalen Implementierungsprozesses

Prüfinstanzen MDK/PKV/Aufsichten

(Aus-)Bildungs-träger/ ggf. Kultusbehörde

Abb. 2: Relevante Akteure in den Kooperationsgremien der Länder im Rahmen der Implementierungsstrategie

ƒƒ Zu den fachlichen und organisatorischen Erkenntnissen aus der Umsetzung mit Bildungsträgern und mögliche Auswirkungen auf einschlägige landesspezifische Vorgaben ƒƒ Zur Förderung des Dialogs zwischen den Prüfinstanzen, z. B. im Hinblick auf Vorgaben landesseitiger Prüfrichtlinien und zum gegenseitigen Verständnis mit den Einrichtungsträgern im Kontext der Implementierung des Strukturmodells ƒƒ Über Erkenntnisse zu rechtlichen Aspekten der Umsetzung und ggf. Identifizierung von landesseitigem Handlungsbedarf auf gesetzlicher und/oder untergesetzlicher Ebene. In der 9. Sitzung des Lenkungsgremiums 29.06.2016 wurde vom Projektbüro berichtet, dass in allen Bundesländern auf der Grundlage von Beschlüssen der jeweiligen Landespflegeausschüsse ein Kooperationsgremium eingerichtet wurde. In der Arbeit der Kooperationsgremien kristallisierte sich sehr schnell die Berücksichtigung des Strukturmodells in den Ausbildungen zur Altenpflegerin, zum Altenpfleger als ein vordringliches Thema heraus. Mitte Juni 2016 haben sich die für das Aufsichtsrecht zuständigen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen ihrer jährlichen Besprechung auch mit der Umsetzung des Strukturmodells befasst. Es wurde aus keinem Land von  „echten“ Problemen in der Umsetzung gesprochen, auch nicht von schlechteren Überprüfungsergebnissen.

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Unterstützung durch Regelungen des Gesetzgebers und Beschlüsse der Selbstverwaltung für eine effiziente Pflegedokumentation Der Gesetzgeber und die Vertragspartner gemäß § 113 SGB XI haben in beiden Legislaturperioden immer wieder zur Einordnung der Pflegedokumentation Klarstellungen vorgenommen und den Prozess der Entbürokratisierung unterstützt. Zum Thema gleichwertige Faktoren im Rahmen von Qualitätsprüfungen wurde Folgendes in das SGB XI (PNG 2013) aufgenommen:  „Bei der Beurteilung der Pflegequalität sind die Pflegedokumentation, die Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen und Befragungen der Beschäftigten […] sowie der Pflegebedürftigen […] angemessen zu berücksichtigen“ (§ 114a Abs.3 SGB XI). Mitte 2014 wurde durch einen als Presseerklärung kommunizierten Beschluss der Vertragspartner nach § 113 SGB XI festgestellt, dass eine Pflegedokumentation entlang der Prinzipien des Strukturmodells mit den geltenden  „Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität“ sowie den Qualitätsprüfrichtlinien (QPR) des Spitzenverbands Bund der Pflegekassen vereinbar ist. Dies bedeutete konkret, dass es sich bei dem Strukturmodell um  „[…] eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation […]“ handelt, die  „[…] über ein für die Pflegeeinrichtung vertretbares und wirtschaftliches Maß […]“ nicht hinausgeht (§ 113 Abs. 1, Satz 4 Nr. 1 SGB XI). Eine Überprüfung landesrechtlicher Regelungen zu den Anforderungen an eine Pflegedokumentation ergab, dass auch diese einer Einführung des Strukturmodells in der Langzeitpflege nicht entgegenstehen. Im Jahr 2016 (PSG II) erfolgte auf Initiative des Pflegebevollmächtigten eine weitere Klarstellung des Gesetzgebers zur Nutzenstiftung der Zeitersparnis:  „[…] zeitliche Einsparungen…, die Ergebnis der Weiterentwicklung der Pflegedokumentation… sind […], führen diese nicht zu einer Absenkung der Pflegevergütung, sondern wirken der Arbeitsverdichtung entgegen.” (§ 113 Abs. 1 Satz 6 SGB XI). In den Begründungen zum zweiten Pflegestärkungsgesetz, zu den Änderungen im § 113, Absatz 1, Satz 3 findet sich folgender Absatz  „Mit dem Strukturmodell wird der Praxis nun erstmals eine verlässliche, das heißt mit den Kosten- und Einrichtungsträgern sowie den Prüfinstanzen konsentierte und hinsichtlich wichtiger Rechtsfragen geprüfte Richtschnur zur angemessenen und sachgerechten Gestaltung der Pflegedokumentation an die Hand gegeben. Auf dieser Grundlage kann überflüssiger Dokumentationsaufwand erheblich reduziert werden, ohne fachliche Standards zu vernachlässigen, die Qualität der pflegerischen Versorgung zu gefährden oder haftungsrechtliche Risiken aufzuwerfen.

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Die Entbürokratisierung der Pflegdokumentation wurde zusätzlich engagiert durch eine juristische Expertengruppe (ehrenamtlich) von Anfang an unterstützt. Sie gab zu grundsätzlichen Fragen aus haftungs-, sozial- und berufsrechtlicher Sicht im Kontext der Pflegedokumentation entsprechende Stellungnahmen ab (sog.  „Kasseler Erklärungen“, vgl. Teil I, Kap. 3). Dieser unabhängige Sachverstand war mehrmals in schwierigen Phasen des Projektes ausgesprochen klärend und hilfreich. Es war zugleich Ausdruck der großen Aufmerksamkeit, die die Entbürokratisierungsstrategie im Laufe dieser Entwicklung auch in juristischen Kreisen erfahren hatte. Sie war darauf ausgerichtet, durch einschlägige Publikationen einen Beitrag zum Gelingen des Vorhabens zu leisten und die Gerichte zu wesentlichen Aspekten der Pflegedokumentation zu erreichen, um auf aktuelle Entwicklungen in diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen.

Fortsetzung der Implementierungsstrategie ab Mitte Juni 2016 Die in der 12. Sitzung des Lenkungsgremiums angekündigte Fortführung der Implementierungsstrategie bis Ende Oktober 2017 wurde von allen Beteiligten als gute Chance bewertet, um noch mehr Einrichtungen für die Umstellung ihrer Dokumentation zu überzeugen und den angestoßenen Prozess zu verstetigen. Die Fortführung wurde in gemeinsamer Federführung des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung und der freigemeinnützigen sowie der privaten Trägerverbände auf Bundesebene durchgeführt und finanziert. Durch die Übernahmen der Kosten für den Praxistest durch alle freigemeinnützigen und privaten Bundesverbände war die Erprobungsphase für die Tages- und Kurzzeitpflege und eine anschließende Implementierungsphase abgesichert. Da in den gemeinsamen Absprachen eine Finanzierung der Regionalkoordinatorinnen des Projektbüros zur Schulung und Begleitung in der Erprobungsphase in den Bereichen der Kurzzeitpflege und der Tagespflege nicht berücksichtigt werden konnte, wurde die Bitte um eine mögliche Finanzierung bis Ende 2016 an die Länder herangetragen. In den Kooperationsgremien der Länder gab es einen breiten Konsens darüber, dass der Praxistest ohne Regionalkoordinatoren u. a. zu mehr Unsicherheit bei den Pflegekräften, zu einer höheren Fehleranfälligkeit und zu einem Mehraufwand im Abstimmungsprozess mit dem Projektbüro führen würde. Da es den Ländern ein wichtiges Anliegen ist, die Pflegekräfte in den Einrichtungen und Diensten für die Beteiligung an dem  „Entbürokratisierungsprojekt“ zu motivieren und vorhandene Hemmnisse zu beseitigen, hat sich die Mehrheit der Länder für eine aktive Beteiligung an der Erprobungsphase ausgesprochen und in diesem Rahmen – trotz erheblicher Umsetzungsschwierigkei-

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ten – die Finanzierung der Regionalkoordinatoren sichergestellt. Aus Sicht der Länder sollte alles getan werden, um möglichst viel Vertrauen und Sicherheit zu schaffen, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege sich mit Überzeugung und gut begleitet für den neuen Weg der Dokumentation auch in der Tages- und Kurzzeitpflege entscheiden können.

Fazit Aus Sicht aller Beteiligten ist wesentlich für den Erfolg des Projekts die Tatsache, dass das Thema Pflegedokumentation ein bundespolitisch längerfristig hoch aufgehängtes und aktuell gehaltenes Thema mit bundes- und landespolitischen Strukturen geworden ist. Mit gemeinsamem Engagement dazu beizutragen, dass die Pflegedokumentation auf das für eine fachgerechte und individuelle Pflege notwendige Maß beschränkt wird, haben die Bundesregierung, Länder und Kostenträger auch im Rahmen der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege in der letzten Legislaturperiode zugesagt. Die Verbände haben zugesagt, weiterhin den Bürokratieaufwand und die daraus entstehenden Belastungssituationen von Pflegekräften im Alltag genauer zu analysieren und Wege aufzuzeigen, wie die Pflegeeinrichtungen diese reduzieren können (vgl. Vereinbarung VII.4: Pflegekräfte sollen stärker von Bürokratie entlastet werden). Aus Sicht der Länder sollten alle Anstrengungen unternommen werden, damit dieses Projekt einen größtmöglichen Erfolg in der Praxis erfährt und mehr Zeit für Pflege geschaffen wird.

Ausblick bundesweite Entbürokratisierung der Pflegedokumentation In der auslaufenden Legislaturperiode (2017) wie auch in der letzten Legislatur sind weitreichende Anstrengungen bei allen Beteiligten zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation unternommen worden. Mittlerweile ist das Strukturmodell aus dem pflegerischen Alltag vieler Pflegeeinrichtungen nicht mehr wegzudenken. Diese insgesamt positive Bilanz verkennt nicht, dass es auch Kritik am Strukturmodell selbst aber auch der Implementierungsstrategie gab und gibt. Hiermit gilt es, sich weiterhin konstruktiv und im Zusammenhang mit den Ergebnissen einer laufenden Evaluation auseinanderzusetzen. Die vorbehaltlose Unterstützung der Politik sowie das vertrauensvolle Zusammenspiel zwischen den Einrichtungs- und Kostenträgern, dem MDS, den Prüfinstanzen, den Ländern sowie die Verständigung auf eine zentrale Steuerung waren entscheidende Faktoren dieses ersten bundesweiten Entbürokratisierungsprojekts in der Pflege. Hierdurch konnten gleich mehrere Themen der Entbürokratisierung sys-

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tematisch bearbeitet und grundlegende Fragen geklärt werden. Es bedarf der erhöhten Aufmerksamkeit aller Beteiligten, diese Ergebnisse auf Bundes- und Landesebene zu festigen. Hierbei wird es ganz wesentlich auch auf die weitere Begleitung der Einrichtungen und Dienste, auf weitere Schulungen zu einzelnen fachlichen Themen bei der Umsetzung des Strukturmodells und die Entwicklung der Fachlichkeit sowie die Zusammenarbeit aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten ankommen. Insbesondere sollten bei der Umsetzung der vielfältigen neuen gesetzlichen Regelungen (Ergebnisindikatoren, Personalbemessungssystem, Assessment Lebensqualität etc.) Synergien auf der Grundlage einer  „schlanken“ Pflegedokumentation zur Voraussetzung gemacht und eingefordert werden. Bei der Umsetzung der Pflegestärkungsgesetze tragen alle Beteiligten die Verantwortung dafür, dass der mit dem Strukturmodell eingeschlagene Weg einer praxisnahen, pflegefachlich fundierten und bürokratiearmen Dokumentation nicht verlassen wird. Jetzt muss es gemeinsames Ziel sein, dass Dokumentationsverfahren mit dem Strukturmodell zu verstetigen und im Implementierungsprozess auftretende fachliche, juristische und organisatorische Fragen unter den Beteiligten zu klären, damit eine  „überbordende“ Dokumentation endgültig Vergangenheit wird.

Literatur Arbeitsgruppe Bürokratie in der Pflege Rheinland-Pfalz: Musterdokumentation für die stationäre Pflege (Hrsg.): Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz., 2. Auflage 2008. Arbeitsgruppe Bürokratie in der Pflege Rheinland-Pfalz: Musterdokumentation für die ambulante Pflege. (Hrsg.): Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen des Landes Rheinland-Pfalz., 2011 Beikirch, Elisabeth; Breloer-Simon, Gabriele; Rink, Friedhelm; Roes, Martina: Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege, Abschlussbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, 2014. Beikirch, Elisabeth: Entwicklung einer Implementierungsstrategie (IMPS) zur bundesweiten Einführung des Strukturmodells für die Pflegedokumentation der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen (Hrsg.): GKV-Spitzenverband, Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfleg (BAGFW) e.V., Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa)., Eigenverlag, 2014. Brodersen, Hannes; MDK Schleswig-Holstein; Weiß, Thomas: Das schleswig-holsteinische Modell der „Vereinfachten Pflegeplanung und -dokumentation“ - Ergebnisse des Modellprojekts. (Hrsg.): Ministerium für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein, 2005. Bruckner, Uwe; Ziegler, Gerdi; Theis, Sylvia et al.: Grundsatzstellungnahme Pflegeprozess und Dokumentation. Handlungsempfehlungen zur Professionalisierung und Qualitätssicherung in der Pflege, (Hrsg): Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e. V. (MDS), Eigenverlag, 2005. Büscher, Andreas; Holle, Bernhard: Pflegeberatung nach § 37 Abs. 3 SGB XI: Unterstützung häuslicher Pflegearragements. In: Monitor Pflege 1 (3): 15-19, 2015.

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Deutscher Pflegerat (DPR): Der DPR unterstützt das Strukturmodell zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege. Positionspapier, 2015. (im Internet unter: http://www.deutscher-pflegerat.de/Fachinformationen/2015-01-19-DPR_Entbuerokratisierung.pdf, zuletzt aufgerufen am 05.04.2017) Göpfert-Divivier, W.; Mybes, U.; Igl, G.: Identifizierung von Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenpflege in Deutschland; Abschlussbericht des Kompetenzteams im Auftrag des BMFSFJ, 2006. Höhmann, Ulrike; Weinrich, Heidi; Gätschenberger, Gudrun: Die Bedeutung des Pflegeplanes für die Qualitätssicherung in der Pflege. Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Forschungsbericht 261, 1996. Statistisches Bundesamt (DESTATIS): Erfüllungsaufwand im Bereich Pflege, Antragsverfahren auf gesetzliche Leistungen für Menschen, die pflegebedürftig oder chronisch krank sind. Projektreihe Bestimmung des bürokratischen Aufwands und Ansätze zur Entlastung, Im Auftrag der Bundesregierung 2013. Wingenfeld, Klaus, Heitmann, Dieter, Korte-Pötters, Ursula; Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld (IPW); Rehling, Brigitte Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt a. M. (ISS); Menke, Marion; Vogelwiesche, Uta; Kuhlmann, Andrea; Kowalski, Ingo; Schnabel, Eckart Institut für Gerontologie an der Universität Dortmund (FFG): Vom Referenzmodell zum Referenzkonzept – Teilbericht 6, Abschlussberichte der Beteiligten Institute. Im Auftrag des: Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, 2004-2006. Wipp, Michael; Buschkämper, Renate; Kamm, Johannes: Abschlussbericht – Projekt „Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“ Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, 2002-2003. (im Internet: http://www.yumpu.com/de/document/view/29511512/ projekt-quotentba-1-4-rokratisierung-der-pflegedokumentationquot-bayern; zuletzt aufgerufen 06.04.2017)

2 Die pflegewissenschaftliche Fundierung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Strukturmodells ANDREAS BÜSCHER / Eine der vielfältigen Diskussionen rund um die Veröffentlichung des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation bezieht sich auf die pflegewissenschaftliche Fundierung des Modells und der Themenfelder bei der Strukturierten Informationssammlung (SIS®). Die offensichtliche Ähnlichkeit dieser Themenfelder mit dem neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit und den Modulen des Neuen Begutachtungsassessments zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit, auf dessen Grundlage seit dem 01.01.2017 die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit durch die Medizinischen Dienste der Krankenversicherungen (MDK) im Rahmen der Pflegeversicherung erfolgt, führten zu der Vermutung, dass vorrangig pragmatische und sozialpolitisch motivierte Überlegungen zu dieser Festlegung geführt haben und ihnen eine pflegewissenschaftliche Begründung fehle. Tatsächlich waren es jedoch inhaltliche und pflegewissenschaftlich begründete Überlegungen, die zur Auswahl der Themenfelder im Strukturmodell geführt haben. Das Ziel dieses kurzen Beitrags ist es, die pflegetheoretischen Grundlagen zu skizzieren, die leitend für die Entwicklung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und die Konzeption des Begutachtungsverfahrens waren und auf dieser Basis Hinweise zur pflegetheoretischen Fundierung des Strukturmodells und der Strukturierten Informationssammlung zu geben. Zum besseren Verständnis erfolgen zu Beginn einige Ausführungen zur pflegetheoretischen Fundierung des Pflegeprozesses.

Theoretische Fundierung des Pflegeprozesses Die Pflegedokumentation gilt als Informationsgrundlage für die Gestaltung des Pflegeprozesses. Sie ist ein Mittel der innerprofessionellen Kommunikation und zur Verständigung mit den Pflegeempfängern. Innerhalb des Pflegeprozesses kommt dem ersten Schritt, der unter den verschiedenen Bezeichnungen Informationssammlung, Ersteinschätzung oder Assessment beschrieben werden kann, eine hohe Bedeutung zu, da durch ihn die Grundlage für die Ausgestaltung des Pflegeprozesses gelegt wird. Es gilt seit langem als gängiger Standard in der pflegewissenschaftlichen Auseinandersetzung, dass die Orientierung an einem Pflegemodell

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beziehungsweise einer Pflegetheorie für die Gestaltung des Pflegeprozesses hilfreich und daher in hohem Maße empfehlenswert ist. Pflegetheorien helfen dabei, ein Pflegeverständnis zu entwickeln und sich auf eine Sichtweise auf den pflegebedürftigen Menschen zu verständigen. Vielfach wurde diese Erkenntnis jedoch vorrangig technisch-funktional betrachtet und umgesetzt. Eine inhaltliche Diskussion über ein theoretisch basiertes Pflegeverständnis und daraus abzuleitende Konsequenzen für die Pflegepraxis wurden nur selten berichtet. Entsprechend führte die im Rahmen der externen Qualitätsprüfung der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung formulierte Anforderung, die Pflege und den Pflegeprozess an einem Pflegemodell auszurichten, vielfach zu einer formalisierten Einführung pflegetheoretischer Ansätze, ohne deren tiefere Bedeutung und die entsprechenden Konsequenzen für die Pflegepraxis zu diskutieren. Zwar gibt es auch Beispiele für eine gelungene Anwendung und Umsetzung eines pflegetheoretisch basierten Pflegeprozesses, insbesondere auf der Grundlage des Modells der fördernden Prozesspflege nach Monika Krohwinkel (2013). Als zunehmend problematisch hat sich jedoch die spürbare Kluft zwischen dem somatisch verkürzten Begriff der Pflegebedürftigkeit und dem umfassenden Pflegeverständnis herausgestellt, welches vielen Pflegetheorien zugrunde liegt. Oftmals entstand dadurch der Eindruck einer zunehmenden Kluft zwischen Theorie und Praxis, da die Bezüge zwischen Theorie und Pflegerealität immer weniger zu erkennen waren. Dies führte in der Praxis zu einem eher technischen Umgang mit Pflegetheorien und ihrer Funktion zum Verständnis und zur Unterstützung von Pflegeprozessen. Spielten Pflegetheorien zu Beginn der Akademisierung der Pflege in Deutschland eine bedeutende Rolle, so ist mittlerweile die deutsche Diskussion zu pflegetheoretischen Grundlagen der Pflegepraxis weitgehend zum Erliegen gekommen.

Pflegetheoretische Grundlagen des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit Im Zuge der Überlegungen zur Entwicklung eines neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit wurden pflegetheoretische Modelle jedoch wieder herangezogen. Sie wurden genutzt, um die Frage zu beantworten, warum ein Mensch der pflegerischen Hilfe bedarf, also pflegebedürftig ist (Wingenfeld et al. 2007). Hilfreich waren dabei vor allem die Arbeiten von Meleis (1991), die Vorschläge zur Systematisierung der Pflegetheorien erarbeitet hat. Sie unterscheidet bedürfnisorientierte, interaktionsorientierte und ergebnisorientierte Pflegetheorien. Zu den bedürfnisorientierten Pflegetheorien zählen die Arbeiten von Abdellah, Henderson und Orem. In ihren Arbeiten kommt den Problemlagen, auf die sich pfle-

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2  Die pflegewissenschaftliche Fundierung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Strukturmodells

gerisches Handeln richtet, ein zentraler Stellenwert zu: Pflege wird notwendig aufgrund fehlender Ressourcen des Individuums, gesundheitlich bedingte Probleme oder Anforderungen autonom zu bewältigen. Die Problemlagen werden in den Arbeiten als Pflegeprobleme, Beeinträchtigungen der selbständigen Ausübung von Lebensaktivitäten oder als Selbstpflegedefizit beschrieben. Der Fokus der interaktionsorientierten Pflegetheorien liegt auf der Kommunikation, Beziehungs- und Rollengestaltung, auf Aushandlungsprozessen zwischen Pflegekraft und Patient/ Pflegebedürftigem sowie auf dem Krankheitserleben. Betont wird die Fähigkeit des Patienten/Pflegebedürftigen, seinen Bedarf interaktiv einschätzen und ausdrücken zu können. In den ergebnisorientierten Theorien geht es um die Erhaltung oder Wiederherstellung einer Balance, Stabilität oder  „Homöostase“ im Lebensverlauf als Ergebnis pflegerischen Handelns. Der Pflege kommt dabei eine externe Regulationsfunktion zu, sofern die Patienten/Pflegebedürftigen das Gleichgewicht nicht selbst herstellen können. Trotz der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Pflegetheorien bestehen Gemeinsamkeiten im Hinblick auf ein Verständnis von Pflegebedürftigkeit. Diese bestehen vor allem in der Abhängigkeit von personeller Hilfe, die entsteht, wenn ein Missverhältnis zwischen gesundheitsbedingten Einbußen, Belastungen und Anforderungen einerseits und den individuellen Ressourcen zu ihrer Bewältigung anderseits existiert. Gemeinsam ist den Ansätzen auch, dass die Abhängigkeit sich nicht nur auf körperliche Verrichtungen, sondern ebenso auf psychische und soziale Dimensionen bezieht. Neben den Pflegetheorien wurden auch andere Ansätze zur Beschreibung von Pflegebedürftigkeit wie Theorien zur Krankheitsbewältigung, Stellungnahmen nationaler und internationaler Organisationen sowie sozialpolitische Beschreibungen herangezogen und analysiert (Wingenfeld et al. 2007). Im Ergebnis wurden Elemente eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs identifiziert, nach denen ein Mensch als pflegebedürftig zu bezeichnen wäre, wenn er ƒƒ infolge fehlender personaler Ressourcen, mit denen körperliche oder psychische Schädigungen, die Beeinträchtigung körperlicher oder kognitiver/psychischer Funktionen, gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen kompensiert oder bewältigt werden könnten, ƒƒ dauerhaft oder vorübergehend ƒƒ zu selbständigen Aktivitäten im Lebensalltag, selbständiger Krankheitsbewältigung oder selbständiger Gestaltung von Lebensbereichen und sozialer Teilhabe

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ƒƒ nicht in der Lage und daher auf personelle Hilfe angewiesen ist (Wingenfeld et al. 2007, S.43). Auf Basis dieser Elemente galt es, den neuen Begriff der Pflegebedürftigkeit zu konkretisieren und ein Instrument zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit zu entwickeln. Ein entscheidender Aspekt dabei war die Frage, welche Aktivitäten im Lebensalltag und welche Lebensbereiche als relevant für das Bestehen von Pflegebedürftigkeit angesehen werden können. Dazu wurde eine Vielzahl an pflegewissenschaftlichen Systematisierungsvorschlägen herangezogen, um zu identifizieren, welche Aktivitäten und Lebensbereiche unabdingbar für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sind. Neben den bereits genannten Pflegetheorien wurden zu diesem Zweck auch Pflegediagnosensysteme, die Internationale Klassifikation der Pflegepraxis (ICNP) und verschiedene Assessmentinstrumente herangezogen. Letztendlich wurden sechs Aktivitäten und Lebensbereiche identifiziert, die seit dem 01.01.2017 nach § 14 SGB XI entscheidend für das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit sein sollen. Im Begutachtungsinstrument sind diese Aktivitäten und Lebensbereiche als sechs Module enthalten: 1. Mobilität 2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten 3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen 4. Selbstversorgung 5. Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen 6. Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte Zur Begründung der Auswahl dieser Aktivitäten und Lebensbereiche führen Wingenfeld et al. (2008, S. 25 ff.) aus, dass diese auch Kernbestandteil anderer, international gebräuchlicher Assessmentinstrumente und Klassifikationssysteme sind. So wird die Mobilität, verstanden als Selbständigkeit bei der Fortbewegung und Lageveränderungen des Körpers, in nahezu allen komplexeren Assessmentinstrumenten berücksichtigt, da Beeinträchtigungen der Mobilität häufig auslösend für die Abhängigkeit von personeller Hilfe sind. Zentral für die selbständige Lebensführung sind kognitive und kommunikative Fähigkeiten, bei denen es sich streng genommen um Funktionen und eine Aktivität oder einen Lebensbereich handelt. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen werden in allen Verfahren, die auf die Erfassung aller wesentlichen Aspekte der

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2  Die pflegewissenschaftliche Fundierung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Strukturmodells

Pflegebedürftigkeit zielen, erfasst. Die international vielfach als  „self care“ bezeichnete Selbstversorgung, zu der die Aktivitäten Körperpflege, Kleiden, Essen und Trinken sowie Ausscheidungen gehören, ist Inhalt vieler Instrumente zur Bestimmung von Pflegebedürftigkeit. Die Intention des Bereichs Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen und Belastungen ist ebenfalls die Erfassung der individuellen Selbständigkeit, auch wenn im bundesdeutschen Kontext eine Ähnlichkeit mit verordnungsfähigen Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach SGB V besteht. Krankheitsbewältigung wird hier als Aktivität angesehen und für die autonome Lebensführung bei chronischer Krankheit als wichtig erachtet. Der letzte Bereich thematisiert zentrale Aspekte der Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte. Auf Basis dieser knappen Ausführungen kann zusammenfassend gesagt werden, dass die theoretischen Grundlagen des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Begutachtungsinstruments im Grundsatz eine relativ große Übereinstimmung mit nationalen und internationalen Ansätzen zur Bestimmung oder Erhebung von Pflegebedürftigkeit aufweisen. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die Aktivitäten und Lebensbereiche, auf die sich der neue Begriff der Pflegebedürftigkeit bezieht, den Kernbereich der individuellen Problemlagen abbilden, aufgrund derer ein Mensch als pflegebedürftig – also in seiner Selbständigkeit beeinträchtigt und auf personelle Hilfe angewiesen – ist. Der Begriff der Pflegebedürftigkeit entspricht somit einem pflegewissenschaftlich begründeten Verständnis von Pflegebedürftigkeit.

Bedeutung für das Strukturmodell Was bedeuten diese Ausführungen nun für die Gestaltung des Pflegeprozesses und die Pflegedokumentation? Wie bereits ausgeführt besteht der erste Schritt des Pflegeprozesses in der Sammlung und Bewertung von Informationen zur Situation des pflegebedürftigen Menschen. Die pflegefachliche Herausforderung besteht nun darin, die relevanten Informationen für die Gestaltung des Pflegeprozesses zu erheben. Pflegetheorien leisten in diesem Zusammenhang eine gute Systematisierungs- und Interpretationshilfe. Die Bestandteile des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit gehen nicht auf eine bestimmte Pflegetheorie zurück, sondern basieren auf einer Synthese verschiedener pflegewissenschaftlicher Grundlagen und integrieren die verschiedenen Sichtweisen. Sie fassen die Aktivitäten und Lebensbereiche zusammen, die in der Regel für die Beeinträchtigung der individuellen Selbständigkeit verantwortlich sind und daher den Ausgangspunkt des Pflegeprozesses bilden. In anderen Worten ausgedrückt: es kann davon ausgegangen werden, dass eine

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Person, die der pflegerischen Hilfe bedarf, Beeinträchtigungen der Selbständigkeit in mindestens einem – oftmals auch in mehreren - der sechs Bereiche aufweist. Die Aufgabe der professionellen Pflege ist es daher, im Rahmen der Ersteinschätzung und Informationssammlung herauszufinden, in welchen Bereichen in welcher Intensität welche Beeinträchtigungen vorliegen. Vor diesem Hintergrund erklären sich der Aufbau und die Themenfelder der Strukturierten Informationssammlung im Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation. Sie unterstützen und leiten die Informationssammlung in den für die Pflegebedürftigkeit relevanten Themenfeldern. Das dem neuen Begriff zugrunde liegende Verständnis von Pflegebedürftigkeit als Beeinträchtigung der Selbständigkeit unterstreicht auch die Bedeutung der so genannten Risikoeinschätzung im Rahmen des Pflegeprozesses und den Zusammenhang zu den sechs Themenfeldern. Die individuelle Beeinträchtigung der Selbständigkeit in zentralen Bereichen wie der Mobilität oder hinsichtlich der kognitiven Fähigkeiten zieht nicht nur die Notwendigkeit personeller Hilfe in diesen Bereichen nach sich, sondern geht mit der Entstehung weiterer Problemlagen beziehungsweise Risiken einher. Aus fachlicher Sicht ist somit im Zuge der Einschätzung im Pflegeprozess auch die Frage zu beantworten, ob die individuelle Beeinträchtigung potenzielle Risiken mit sich bringt oder diese bereits bestehen. In den Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) werden umfangreiche Hinweise zur Einschätzung dieser Risiken gegeben. Viele dieser Hinweise beziehen sich auf bestehende Probleme im Bereich der Mobilität, Kognition und Selbstversorgung. Eine umfassende Einschätzung zu diesen Themenfeldern liefert somit bereits wertvolle Hinweise auf Vorkommen, Intensität und Ausmaß möglicher Risiken wie Entstehung eines Dekubitus, Problemen mit der Ernährung oder der Kontinenzförderung. Die Parallelen in den inhaltlichen Themenfeldern von neuem Begriff der Pflegebedürftigkeit und Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation sind nicht auf Basis der eingangs erwähnten pragmatischen und sozialpolitischen Überlegungen entstanden, sondern ergeben sich aus einer fachlich begründeten Sicht auf die Definition von Pflegebedürftigkeit und ihren Konsequenzen für die Gestaltung des Pflegeprozesses. Sie haben keinen Ausschließlichkeitsanspruch, erfüllen jedoch die Bedingungen einer pflegetheoretisch begründeten Sichtweise. Zum Abschluss dieses Beitrags sei noch einmal kurz auf die Frage eingegangen, ob die Parallelen zwischen neuem Begutachtungsverfahren und Strukturmodell nicht dazu genutzt werden könnten, sich auf die Begutachtung zu begrenzen und auf das Strukturmodell zu verzichten. Bereits in den Grundlagenarbeiten für

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2  Die pflegewissenschaftliche Fundierung des neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit und des Strukturmodells

den Beirat zur Entwicklung eines neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit (Wingenfeld et al. 2008) wurde auf Möglichkeiten hingewiesen, die Ergebnisse aus der Begutachtung der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung zur Bestimmung der Pflegebedürftigkeit für die Pflegeplanung zu nutzen. Damit war jedoch keinesfalls intendiert, dass die Begutachtung die Informationssammlung im Rahmen des Pflegeprozesses ersetzen soll. Stattdessen wurde darauf hingewiesen, dass eine Begutachtung vor dem Hintergrund des erweiterten Begriffs der Pflegebedürftigkeit zahlreiche nützliche Informationen für den Pflegeprozess liefert. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass die Informationen aus der Begutachtung ebenso wie andere Informationsquellen kritisch gesichtet und ausgewertet werden sollten. Dieser Schritt ist vor allem zu Beginn der pflegerischen Versorgung, wenn nur wenige Informationen vorliegen, für eine erste Einschätzung wesentlicher Bedarfslagen hilfreich. Die Begutachtung kann jedoch die fachgerechte pflegerische Einschätzung nicht ersetzen. Diese bleibt Aufgabe der Pflegefachkräfte in den verschiedenen Pflegeeinrichtungen und -diensten. In bereits länger andauernden Pflegebeziehungen werden die Begutachtungsergebnisse der zuständigen Pflegefachkraft ohnehin wenige Informationen liefern, die sie nicht bereits durch längere Erfahrung und eigene, direkte Beobachtung bzw. die Aktualisierung ihrer eigenen pflegerischen Einschätzung erhalten hat. Es sind vor allem Informationen zu individuellen Bedürfnissen und Gewohnheiten, zur Biografie, zu den allgemeinen Lebensbedingungen sowie zu den Faktoren, die Pflegebedürftigkeit beeinflussen, und zu ihrem individuellen Wechselspiel, die vom neuen Begutachtungsinstrument nicht erfasst werden und die es in der pflegefachlichen Einschätzung zu erfassen gilt. Denn die Begutachtung verfolgt ein anderes Ziel als die individuelle Pflege: die Feststellung, ob und in welchem Maße eine Person Leistungen der Sozialversicherung zustehen.

Literatur: Krohwinkel, M. (2013): Fördernde Prozesspflege mit integrierten ABEDLs: Forschung, Theorie und Praxis. Bern: Huber Meleis, A. (1991): Theoretical Nursing: Development & Progress. 2. Auflage. New York: Lippincott Wingenfeld, K.; Büscher, A.; Schaeffer, D. (2007): Recherche und Analyse von Pflegebedürftigkeitsbegriffen und Einschätzungsinstrumenten. Studie im Auftrag des Modellprogramms nach § 8 Abs. 3 SGB XI im Auftrag der Spitzenverbände der Pflegekassen. Bielefeld: Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld Wingenfeld, K.; Büscher, A.; Gansweid, B. (2008): Das neue Begutachtungsassesment zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit. Studie im Auftrag des Modellprogramms nach § 8 Abs. 3 SGB XI im Auftrag der Spitzenverbände der Pflegekassen. Bielefeld: Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld

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3 Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln JÖRN BACHEM, KARLHEINZ BÖRNER, PETER FRINGS, ALEXANDRA JORZIG, ALBRECHT PHILIPP, MARKUS PLANTHOLZ, PETER UDSCHING, THOMAS WEISS/ Die Thematik der Pflegedokumentation beschäftigt auch die Juristinnen und Juristen aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Unstreitig ist, dass viele Beteiligte, insbesondere die Betreuungs- und Pflegekräfte, eine besorgniserregende Entwicklung der Pflegedokumentation beklagen. Zu viel Zeit für die Dokumentation gehe verloren, die am Ende nicht für die Betreuung des pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung stehe. Von daher war es nicht nur aus pflegefachlicher – sondern auch aus juristischer Sicht notwendig der Frage nachzugehen, ob eine  „verschlankte“ Dokumentation rechtliche Risiken in sich birgt (Stichwort: Wegfall der Einzelleistungsnachweise etc.). Rechtlich wurden vorliegend keine neuen bahnbrechenden Erkenntnisse gewonnen, sondern viele der folgenden Ausführungen galten schon immer im Grundsatz für die Dokumentation. Die Autoren dieser Beiträge sind Mitglieder der sogenannten juristischen Expertengruppe. Diese Gruppe hat die Entwicklung und Erprobung des Strukturmodells (Praxistest) begleitet und in Form der sogenannten  „Kasseler Erklärung“ im Jahr 2014 zum notwendigen Umfang der Pflegedokumentation in der Langzeitpflege Stellung genommen (siehe auch Erklärung im Jahre 2015). Die Umsetzung des Strukturmodells im Rahmen der bundesweiten Implementierungsstrategie wird weiterhin durch diese Expertengruppe begleitet – vgl. auch: www.ein-step.de/recht/. Die Beiträge wurden mit allen Mitgliedern der juristischen Expertengruppe abgestimmt. Sie beschreiben folgende Blickwinkel: 3.1  Aus haftungsrechtlicher Sicht 3.2  Aus sozialrechtlicher Sicht 3.3  Aus berufsrechtlicher Sicht 3.4  Aus heimrechtlicherrespektive ordnungsrechtlicher Sicht

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3.1  Aus haftungsrechtlicher Sicht1 Die Pflicht zur Dokumentation ergibt sich aus verschiedenen rechtlichen Grundlagen, wie z. B. aus dem Gesetz (z. B. § 630 f. BGB, § § 112 ff. SGB XI, § 13 HeimG etc.) oder als sogenannte Nebenpflicht aus dem Vertrag.2 Die Pflegedokumentation ist als Urkunde definiert und somit ein vollwertiges Beweismittel i. S. der zivilprozessualen Vorschriften.3 Urkunden haben regelmäßig die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit. Im Übrigen gilt die Dokumentation innerbetrieblich selbstverständlich der Kontinuität der Pflege und der Information aller an der Pflege Beteiligten. Die Dokumentationspflicht erstreckt sich sinnvoller Weise nur auf die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie auf die wesentlichen Verlaufsdaten.4 Nicht dokumentationspflichtig sind Routinemaßnahmen und standardisierte Zwischenschritte sowie Selbstverständlichkeiten.5 Die sogenannte Pflegefehlerhaftung setzt voraus, dass die Pflegekraft eine Sorgfaltspflicht verletzt hat, ein Schaden des Pflegebedürftigen entstanden ist, die Pflichtverletzung für den Schaden des Pflegebedürftigen ursächlich war und die Pflegekraft schuldhaft gehandelt hat. Die Verletzung von Sorgfaltspflichten bei der pflegerischen Versorgung kann zu einer Reihe von zivilrechtlichen Ansprüchen neben einer strafrechtlichen Verantwortung der Pflegekraft bzw. den Trägern der pflegerischen Versorgung (Pflegedienst, Pflegeheim, Krankenhaus) führen. Klarzustellen ist, dass ein reiner Dokumentationsfehler nicht zu einer Haftung führt. Zu einer Haftung kann nur ein tatsächlich schuldhaft verursachter Schaden führen, wie z. B. ein durch die Pflegeeinrichtung/den Pflegedienst bzw. einer Pflegefachkraft schuldhaft verursachter Dekubitus bei einer pflegebedürftigen Person. Allerdings hat der Verstoß gegen Dokumentationspflichten beweisrechtliche Konsequenzen, so dass hieraus sekundär eine Haftungsverpflichtung resultieren kann (aber nicht zwangsläufig folgen muss!). Grundsätzlich hat derjenige, der einen Anspruch geltend macht, auch die entsprechenden Beweise darzulegen und vorzubringen. Eine mangelhafte Dokumentation von dokumentationspflichtigen Behandlungs- bzw. Pflegemaßnahmen kann 1 Ein Beitrag von Dr. Alexandra Jorzig, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht sowie Mediatorin im Gesundheitswesen. 2  Roßbruch, Die Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, PflegeG 1998, 126, 127. 3  Sträßner, Rechtliche Anmerkungen zur Pflegedokumentation, PflegeR 279, 282 f. 4  OLG Brandenburg, OLG-Report 2005, 489, 491; OLG Düsseldorf, MedR 1996, 79. 5 BGH VersR 1994, 386, 387; BGH NJW 1986, 2365; Schmied, NJW 1987, 681, 683; OLG Hamm AHRS III, 6450/319; OLG München, VersR 2007, 652, 653; OLG Frankfurt, VersR 2007, 1276, 1277; OLG Hamburg, OLG-Report 2002, 255; OLG Köln, NJW 1999, 1790.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

zu einer Veränderung der Beweislast führen. Es gilt der Rechtsgrundsatz, dass eine mangelhafte, unvollständige oder fehlende Dokumentation nachzuweisender Behandlungsmaßnahmen zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr führen kann. Der Dokumentationsmangel hatte die beweisrechtliche Konsequenz, dass nach der Rechtsprechung i.S. von Indizien vom Dokumentationsmangel auf eine unterlassene und damit fehlerhafte Handlung zu schließen ist.6 Ist eine Leistung, auf die es hinsichtlich der Schadensentstehung ankommt, nicht gesondert dokumentiert, kann der Umstand, dass diese Leistung tatsächlich ordnungsgemäß erbracht wurde, nachgewiesen werden - z. B. durch den Zeugenbeweis in unmittelbarer Form oder durch den sog.  „Immer-so-Beweis“, indem ein Zeuge dazu vernommen wird, wie üblicherweise in derartigen Situationen vorgegangen wird. Wie bereits ausgeführt, erstreckt sich die Dokumentationspflicht auf die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen (Pflege-) Maßnahmen sowie auf die wesentlichen Verlaufsdaten.7 Im Rahmen der Behandlungspflege wird es deshalb grundsätzlich für sinnvoll und notwendig erachtet, an einer umfassenden Verfahrensweise festzuhalten, d. h. also, dass jede einzelne Maßnahme dokumentationspflichtig bleibt. Im Bereich der Grundpflege (Anm.: Dieser Begriff ist ab dem 01.01.2017 im Anwendungsbereich des SGB XI entfallen. Sodann sind damit körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen gemeint) wird diese Verfahrensweise grundsätzlich als zulässig angesehen, in Bezug auf die sogenannten Einzelleistungsnachweise im stationären und ambulanten Bereich jedoch für nicht sinnvoll und notwendig erachtet. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die zu erbringenden Leistungen auf der Grundlage einer individuell strukturierten Informationssammlung und dem daraus abzuleitenden Maßnahmenplan beruhen. Hiervon ausgenommen sind Abweichungen von dieser Pflegeplanung, die selbstverständlich dokumentiert werden müssen. Die Grundpflege setzt sich in der Regel aus verschiedenen Maßnahmen zusammen. Wie oben bereits ausgeführt, sind Routinemaßnahmen nicht zu dokumentieren, wie die bereits oben zitierte Rechtsprechung hinreichend ausweist. Dies widerspricht auch nicht dem sonst so häufig zitierten Grundsatz  „was nicht doku-

6  Wiese, Heimrechtliche Anordnung aufgrund von Dokumentationslücken, Pflegerecht, 534, 537. 7  OLG Hamm, Urt. v. 19.06.2016 – 3 U 145/04, RN 80.

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mentiert ist, gilt als nicht gemacht“, da diesem mit folgendem Procedere begegnet werden kann: Die Grundpflege mit ihren Routinemaßnahmen ist einmal in Form einer übergeordneten Verfahrensanleitung (i. S. einer Leistungsbeschreibung zur Gewährleistung einer einheitlichen Vorgehensweise sowie der Qualität der Pflege) schriftlich niedergelegt. Die Durchführung der Maßnahmen ist beschrieben. Hierüber sind die Pflege- und Betreuungskräfte informiert und deren Kenntnisnahme davon durch Gegenzeichnung ist im Rahmen der Organisationsverantwortung hinterlegt. Im Qualitätsmanagement sind die organisatorischen Strukturen und Abläufe im jeweiligen Versorgungsegment sichergestellt. Zu dokumentieren ist dann weiter eine individuell strukturierte Informationssammlung und daraus der abzuleitende Maßnahmenplan. Etwaige Abweichungen davon sowie spätere Evaluationsergebnisse und etwaige sich daraus ergebende Planungsänderungen sind selbstverständlich weiterhin zu dokumentieren. Liegen all diese Instrumentarien vor und kommen zur Anwendung, kann in einem möglichen Haftungsprozess einem etwaigen unterstellten Dokumentationsmangel dadurch wirksam begegnet werden, indem eine detaillierte übergeordnete Verfahrensanleitung, die die einzelnen grundpflegerischen Elemente darlegt, vorgelegt wird. Im Zusammenhang mit einem Zeugenbeweis kann dann belegt werden, dass täglich entsprechende grundpflegerische Elemente stets so ausgeführt wurden (sog.  „Immer-so“-Beweis). Der sogenannte  „Immer-so“-Beweis dient dem Nachweis, dass die grundpflegerischen Elemente in ihrem Ob und Wie beschrieben werden können. Damit kann dann einem etwaigen Dokumentationsmangel fachlich und organisatorisch begegnet werden. Zahlreiche Urteile belegen, dass unter diesen Voraussetzungen die beweisrechtliche Situation nicht verschlechtert ist.8

3.2  Aus sozialrechtlicher Sicht9 Vorgaben des Gesetzgebers In § 113 Abs. 1 Sätze 2, 3 SGB XI hat der Gesetzgeber den Parteien der Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität einen Re8 BGH, Urteil vom 18.03.1986 – VI ZR 215/84; BGH, Urt. v. 02.06.1987 – VI ZR 174/86; OLG Hamm, Urt. v. 21.04.2009 – 26 U 151/08; OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.06.2004 – I-15 U 160/03; LG Bonn, Urt. v. 23.12.2011 – 9 O 354/08. 9  Ein Beitrag von Dr. Albrecht Philipp, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Sozialrecht.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

gelungsauftrag im Hinblick auf die Pflegedokumentation erteilt. Danach müssen die Parteien insbesondere auch Anforderungen an eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation regeln. Die Anforderungen dürfen aber über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen und sollen den Aufwand für Pflegedokumentation in ein angemessenes Verhältnis zu den Aufgaben der pflegerischen Versorgung setzen. Mit diesen Formulierungen, die sich bereits seit 2008 im SGB XI finden, knüpft der Gesetzgeber an die in Fachkreisen kaum noch bestrittene Feststellung an, dass der Dokumentationsaufwand bei Pflegediensten und – Pflegeheimen überhand nimmt. Die Vereinbarungspartner der pflegeversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung sind ausdrücklich aufgefordert, Auswege zu finden und Alternativen zu entwickeln.10 In dieselbe Richtung deutet es auch, wenn seit 2013 in § 114a Abs. 3 Satz 3 SGB XI vorgegeben ist, dass bei der Beurteilung der Pflegequalität im Rahmen von Qualitätsprüfungen nicht nur die Pflegedokumentation, sondern auch die Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen und Befragungen der Beschäftigten, Pflegebedürftigen sowie Angehörigen angemessen zu berücksichtigen sind. Denn anders als diese gleichberechtigte Aufzählung der verschiedenen Erkenntnisquellen nahelegt, war das Qualitätsprüfungssystem der Pflegekassen in der Vergangenheit stark auf die Pflegedokumentation fokussiert. Zum 1.1.2016 wurde zudem gesetzlich sichergestellt, dass anhand des neuen Dokumentationsmodells mögliche erreichte Zeiteinsparungen nicht zu Einsparungen bei den Kostenträgern führen dürfen, sondern tatsächlich bei den Pflegekräften und damit bei den pflegebedürftigen Menschen ankommen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 5 SGB XI). 11

Untergesetzliche Umsetzung Bekanntlich beruht das Leistungserbringungsrecht der Pflegeversicherung unterhalb der gesetzlichen Regelungen auf zahlreichen Regelwerken, für deren Erlass die Selbstverwaltung aus Sozialleistungsträgern und Leistungserbringerverbänden zuständig ist. Auch darin finden sich naturgemäß Regelungen zur Pflegedokumentation, auf die nachfolgend eingegangen wird.

10 Weiterführend zu diesem Anliegen des Gesetzgebers etwa Weber, in Dickmann, Heimrecht, 11. Auflage 2014, § 113 SGB XI Rn. 11; Bachem/Klie, in: Klie/Krahmer/Plantholz, SGB XI, Lehr- und Praxiskommentar, 4. Auflage 2013, § 113 Rn. 9; Gutzler, in: Hauck/Noftz, Soziale Pflegeversicherung, Stand: August 2012, § 113 Rn. 16. 11  Dazu Bachem/Klie, aaO, § 114a Rn. 7 mit zahlreichen Nachweisen.

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Die Maßstäbe und Grundsätze auf Grund § 113 SGB XI (MuG in der vollstationären Pflege vom 27.05.2011) regeln die Dokumentation als Teil der Prozessqualität. Diese steht im Aufbau des Qualitätssicherungsrechts zwischen der Struktur- und der Ergebnisqualität. Ziffer 3.1.3 MuG verlangt von der Pflegedokumentation mindestens Aussagen zu fünf Bereichen: ƒƒ Stammdaten, ƒƒ Pflegeanamnese/Biografiedaten, ƒƒ Pflegeplanung, ƒƒ Pflegebericht, ƒƒ Leistungsnachweis. Namentlich den Begriff  „Leistungsnachweis“ könnte ein kritischer Betrachter so verstehen, dass auch grundpflegerische Leistungen – entgegen der Logik des Strukturmodells – in jedem Einzelfall einer positiven Abzeichnung bedürfen. Dies liegt zwar eher fern, weil in der Sprache des Strukturmodells das Fehlen der Dokumentation einer Abweichung eben bedeutet, dass die geplanten Leistungen ohne Abweichung erbracht wurden. Es bleibt aber eine gewisse Unklarheit, die jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Problematisierung des Strukturmodells führt; denn diese Unklarheiten können beseitigt werden (siehe weitere Ausführungen unten). In den Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR, Fassung 2014) findet sich ebenfalls noch eine starke Zentrierung auf die Pflegedokumentation. Auf Seite 11 der QPR stationär ist die Auswertung der Pflegedokumentation beispielsweise der vor allen anderen genannte und wichtigste Prüfansatz. Eine Vielzahl von Fragen aus der Prüfanleitung stellt nahezu oder ganz ausschließlich auf die Pflegedokumentation ab (Beispiel: Frage 10.1, ist bei Bedarf eine aktive Kommunikation mit dem Arzt nachvollziehbar?.) Auch hier kann sich die Frage ergeben, ob eine in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Strukturmodells nicht erfolgte Abzeichnung als hinreichender Beleg im Sinne der QPR ausreicht. Das Selbstverwaltungsrecht der Pflegeversicherung enthält noch eine Mehrzahl weiterer untergesetzlicher Regelungen mit Normsetzungscharakter. Zu nennen sind insbesondere die Landesrahmenverträge nach § 75 SGB XI. Sie enthalten zumeist ähnliche Formulierungen wie die MuG (siehe oben). Als Fazit kann festgehalten werden, dass die untergesetzlichen Regelwerke der Pflegeversicherung zum Teil in Sprache und Denkweise in den hergebrachten Dokumentationssystemen verhaftet sind.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

Rechtliche Bewertung Für die Praxis sollten die geschilderten Unklarheiten in den untergesetzlichen Regelwerken dennoch keinesfalls überbewertet werden. Denn es sprechen klare Gesichtspunkte für die umfassende Vereinbarkeit des Strukturmodells mit den sozialrechtlichen Vorgaben. Zunächst sind normenhierarchische Überlegungen zu berücksichtigen. Das gesamte Selbstverwaltungsrecht der Pflegeversicherung kann als  „untergesetzlich“ bezeichnet werden. Das bedeutet, es tritt nicht an die Stelle der gesetzlichen Vorgaben, sondern darf diese – übergeordneten – Vorgaben nur entfalten und vertiefen. Hat aber der Gesetzgeber in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften (oben 1) ein Bekenntnis zur möglichst weitgehenden Entbürokratisierung der Pflegedokumentation abgelegt, so muss dies auch als Auslegungsmaxime für untergesetzliche Regelungen Beachtung finden. Um beim Beispiel des Begriffs  „Leistungsnachweis“ in den MuG (oben 2a) zu bleiben: Ist Ziel der Pflegedokumentation keine umfassende und perfekte Abb. aller möglichen Gesichtspunkte, sondern eine Konzentration auf das Unabdingbare und Wesentliche, so muss es als Leistungsnachweis auch anerkannt werden, wenn das Strukturmodell eine Aussage über die erbrachte Leistung zwar durchaus trifft, dies aber nicht durch ein ständig wiederkehrendes Handzeichen im Einzelfall belegt. Die Entwicklung und Einführung des Strukturmodells beruht auf der Entscheidung aller wesentlichen Institutionen der Selbstverwaltung der Pflegeversicherung. Diese Institutionen haben den Entwicklungsprozess begleitet und zuletzt das Modell für vereinbar mit allen rechtlichen Anforderungen befunden sowie die Einführung freigegeben (siehe insbesondere die Gemeinsame Presseerklärung zum Start des Strukturmodells vom 18.12.2014, abrufbar etwa unter www.ein-step.de). Der Gesundheitsausschuss des deutschen Bundestags hat ausgeführt:  „Mit dem Strukturmodell wird der Praxis nun erstmals eine verlässliche, das heißt mit den Kostenund Einrichtungsträgern sowie den Prüfinstanzen konsentierte und hinsichtlich wichtiger Rechtsfragen geprüfte Richtschnur zur angemessenen und sachgerechten Gestaltung der Pflegedokumentation an die Hand gegeben. Auf dieser Grundlage kann überflüssiger Dokumentationsaufwand erheblich reduziert werden, ohne fachliche Standards zu vernachlässigen, die Qualität der pflegerischen Versorgung zu gefährden oder haftungsrechtliche Risiken aufzuwerfen.“12 Vor diesem Hintergrund braucht nicht ernsthaft befürchtet zu werden, die Seite der Sozialleistungsträger werde Pflegedokumentationen nach dem Strukturmo12 Ergänzend sei auf Hausmann/Ernst/Seger, GuS 2015, 40, 49 verwiesen – dort wird das Strukturmodell aus Sicht des niedersächsischen MDK nachdrücklich befürwortet.

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dell im Rahmen von Prüfungen grundsätzlich beanstanden, oder den pflegebedürftigen Menschen und/oder den Einrichtungsträgern könnten Nachteile aus der Anwendung des Modells entstehen. Es dürfte eher typisch für ein hierarchisch strukturiertes System mit zahlreichen untergesetzlichen Regelwerken und Vereinbarungen sein, dass neue Impulse des Gesetzgebers erst mit spürbarer zeitlicher Verzögerung im Wortlaut aller untergesetzlichen Einzelregelungen Niederschlag gefunden haben. 
Gerade weil der Auftrag des Gesetzgebers zur Entbürokratisierung in § 113 Abs. 1, Sätze 2, 3 SGB XI (oben 1) an die Selbstverwaltungsparteien erging und nach deren eigenen Verständnis (auch) durch das Strukturmodell umgesetzt wurde, können sich etwaige Abweichungen in untergesetzlichen Regelwerken auf Bundes- oder Landesebene nicht mehr durchsetzen. Mit Blick auf die Zukunft ist zuletzt auf § 113 Abs. 1a SGB XI zu verweisen. Dort findet sich der Auftrag für ein neues System der Qualitätsbewertung, das sich viel mehr auf die Ergebnisqualität und viel weniger auf die Pflegedokumentation stützen wird. Auch dies lässt erwarten, dass Probleme mit Prüfungssituationen, die mit der Umstellung der Dokumentation auf das Strukturmodell zusammenhängen, zumindest stark an Bedeutung verlieren werden.

3.3  Aus berufsrechtlicher Sicht13 Die Notwendigkeit berufsethische Gesichtspunkte bei der Bewertung einer Pflegedokumentation aus berufsrechtlicher Sicht einzubeziehen Pflegeplanung (im Strukturmodell Maßnahmenplan) und Pflegedokumentation sind zentrale Instrumente in der Arbeit professionell Pflegender. Es ist nicht vorrangig Aufgabe juristischer Tätigkeit sich mit Defiziten und Verbesserungen pflegefachlicher Systeme zu befassen oder diese gar zu bewerten. Allerdings ist rechtlich abzuklären, ob solche Systeme und deren Anwendung sowie Weiterentwicklungen mit den rechtlichen Vorgaben im Einklang stehen. Nicht unberücksichtigt darf dabei bleiben, dass die Befassung mit den berufsrechtlichen Vorgaben zur Pflegedokumentation auch eine berufsethische Dimension hat. Die Berufsethik der Pflegenden liefert Hilfestellungen bei Entscheidungen und definiert Ziele, die Orientierung bzw. Sicherheit im täglichen Tun geben sollen.14 Vorgefundene Normen sind aus 13 Ein Betrag von Prof. Dr. Thomas Weiß, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Vorsitzender der Schiedsstelle SGB XI Schleswig-Holstein. 14 Vgl. Glaser, Entstehung, Elemente und Möglichkeiten pflegeethischer Urteilsbildung – ein Kurzüberblick, München, 2009, S. 8.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

berufsethischer Sicht nicht dazu da, in beruflichen Kontexten unreflektiert angewandt zu werden, sondern sie selbst sowie ihre Eignung für die jeweilige Situation kritisch zu überprüfen. Dies gilt nicht nur bei außergewöhnlichen Konfliktfällen, sondern gerade in Alltagsfällen.15 Berufsethik und Berufsrecht durchdringen und beeinflussen sich. Somit ist es legitim, bei der rechtlichen Bewertung (und im Rechtsstreit) berufsethisch und damit zugleich rechtlich zu argumentieren. Zudem lassen sich die meisten Rechtsfragen, die der pflegerische Dienst aufwirft, nicht mittels konkreter, eigens für sie geltender gesetzlicher Einzelnormen beantworten, sondern nur in oft schwieriger Abwägung allgemeiner Rechtsgrundsätze, deren Inhalt und Tragweite sich regelmäßig erst im Blick auf Sätze der Berufsethik voll erschließen.16 Betrachtet man so Ziel und Grundsätze der Pflegedokumentation, ist diese schon lange nicht nur eine Gedächtnisstütze, sondern Teil der Pflegeadministration und betrieblichen Organisation sowie das wesentliche Mittel zur Wiedergabe des Pflegeprozesses und ebenso Teil der pflegerisch-medizinischen Infrastruktur einer Einrichtung.17Aufgrund der arbeitsteiligen Behandlungsabläufe müssen die beteiligten Fachkräfte sowohl bei der horizontalen Arbeitsteilung als auch der vertikalen jederzeit in der Lage sein, alle notwendigen Einzelheiten der bisherigen Behandlung erfassen zu können. Die genaue Beschreibung der Pflegesituation dient der Sicherstellung der notwendigen pflegerischen Maßnahmen, also vor allem dem Patientenschutz.18 Der in den letzten Jahren gewachsene Umfang der Dokumentation führt zunehmend zu einem Spannungsverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen19 und zu auch berufsethischen Konflikten im pflegerischen Alltag: Soll die begrenzte Zeit von Pflegekräften zum Ausfüllen vorgeschriebener umfangreicher Dokumentation genutzt werden (zumal zu nicht pflegerischen Zwecken) oder wäre es nicht besser, diese zur unmittelbaren Betreuung der Pflegebedürftigen einzusetzen? Was ist hier die  „richtige“ beruflich  „gute“ und gebotene Entscheidung einer Pflegekraft? In Zeiten begrenzter ökonomischer und personeller Ressourcen muss die Pflegekraft sich entscheiden und dies darf auch berufsrechtlich nicht unbeachtet bleiben,

15  Lay, Ethik in der Pflege, Hannover 2012, S. 41. 16  Vgl. für den ärztlichen Bereich Laufs, Arztrecht, München 1993, S. 8, Rz. 12 m. w. Hinweisen. 17  Weiß, Recht in der Pflege, München 2010, S. 219. 18  Großkopf, Stichwort Dokumentation in: Praxiswissen Krankenpflegerecht, München 2010, S. 117 f. 19  Großkopf a. a. O.

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denn das Recht darf Menschen nicht zu Handlungen zwingen, die ihrer Professionalität und ihrem Gewissen widersprechen.20

Die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen zur Pflegedokumentation Das Berufsrecht der Pflegefachkräfte (Gesundheits-/Krankenpflege und Altenpflege) ist formal auf drei Ebenen geregelt: ƒƒ dem EU-Recht, ƒƒ den bundesgesetzlichen Regelungen, ƒƒ den Berufsordnungen der Länder. Inhaltlich abzugrenzen ist dabei die Tätigkeit der Pflegefachberufe zum einen von der sogenannten Laienpflege und zum anderen von der Pflege durch Angehörige der Helferberufe. Für die Laienpflege gibt es keine berufsrechtlichen Regelungen. Für die Helferberufe gibt es Regelungen, die jedoch nicht einheitlich sind. So wird das jeweilige Ausbildungsrecht auf Landesebene vorgegeben und es gibt deutliche Unterschiede in Inhalt, Umfang und Dauer der Ausbildung. Da die Tätigkeit von Pflegehelfern im Wesentlichen sich auf unterstützende Aufgaben beschränkt, wird im Nachfolgenden nur das Berufsrecht der Pflegefachberufe näher betrachtet. Im EU-Recht sind im Wesentlichen Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit und zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen zu finden; Vorgaben zur Arbeit mit der Dokumentation gibt es dort nicht.21 Auf nationaler Ebene wird das Berufsrecht durch das Krankenpflege- und das Altenpflegegesetz bestimmt.22 Diese Gesetze enthalten jedoch nicht so ausführliche Normen zur Berufsausübung, wie etwa für Ärzte, zumal dort im Wesentlichen nur nähere Angaben zu den Ausbildungsinhalten und zum Schutz der Berufsbezeichnung getroffen werden. Aus diesen Regelungen ergibt sich deshalb auch nur mittelbar der Hinweis auf eine qualifizierte Fachpflegetätigkeit und ist insoweit als Vorgabe für eine ordnungsgemäße Berufstätigkeit zu beachten.

20 Vgl. zu einer solchen Überlegung auch den Schlussbericht der Enquete-Kommission zu Recht und Ethik der modernen Medizin, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/9020 vom 14.05.2002, S. 20. 21 In der neuen Fassung der Richtlinien über die Anerkennung von Berufsqualifikationen für die allgemeine Pflege (2005/36/ EG, durch die Richtlinie 2013/55/Eu) finden sich solche weder dort noch in der Anlage V. 2. (Ausbildungsprogramm und Ausbildungsnachweise für Krankenschwestern und Krankenpfleger, die für die allgemeine Pflege verantwortlich sind). 22 In diesen Gesetzen werden Berufszugang und Berufsausübung festgelegt. Dabei wird gemäß Art. 70 GG durch den Bundesgesetzgeber auch auf die Zuständigkeit der Länder für Regelungen zur Berufsausübung verwiesen (etwa in § 20 Abs. 1 KrPflG vom 16.07.2003, BGBl I S 1442, geändert zuletzt durch Art. 9 des Gesetzes vom 16.07.2015), wonach für die Erlaubniserteilung zur Führung der Berufsbezeichnung das Bundesland zuständig ist, in welchem die Prüfung abgelegt worden ist, und in § 20 Abs. 3, wonach das Bundesland auch die für das Gesetz zuständige Behörde bestimmt; entsprechendes findet sich in § 26 AltPflG (vom 25.08.2006, BGBi I S. 1690, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 16.07.2015).

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

Die gesetzlichen Regelungen werden jeweils durch eine Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ergänzt. In § 3 Abs. 2 Nr. 1 a KrPflG wird das Ausbildungsziel in der Krankenpflege u. a. dahingehend festgelegt, dass die Dokumentation der Pflege eigenverantwortlich auszuführen ist. Sie steht dabei im Zusammenhang mit der Erhebung und Feststellung des Pflegebedarfs, Planung, Organisation und Durchführung der Pflege. Hinzu kommt die eigenverantwortliche Ausführung der Evaluation und die Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 b KrPflG). In der Ausbildung- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege23 findet sich ein Hinweis auf die Dokumentation nur in § 15 Abs. 1 zum praktischen Teil der Prüfung. Danach hat ein Prüfling alle anfallenden Aufgaben einer prozessorientierten Pflege einschließlich der Dokumentation und Übergabe zu übernehmen. Entsprechendes gilt gemäß § 18 auch in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. In der Anlage 1 zur Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gibt es keine weiteren konkreten Hinweise zur Dokumentation. Es wird jedoch vom theoretischen und praktischen Unterricht verlangt, dass die Auszubildenden u. a. ihr Pflegehandeln nach dem Pflegeprozess zu gestalten haben und befähigt werden, Pflegemaßnahmen auswählen, durchführen und auswerten zu können, wobei dazu gehört, den Erfolg pflegerischer Interventionen zu evaluieren und zielgerichtetes Handeln kontinuierlich an den sich veränderten Pflegebedarf anzupassen (unter A Nr. 2). Im Altenpflegegesetz finden sich keine Angaben zur Pflegedokumentation. In § 3 wird als Ausbildungsinhalt verlangt, die sach- und fachkundige, den allgemeinen anerkannten pflegewissenschaftlichen, insbesondere den medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen entsprechende, umfassende und geplante Pflege durchführen zu können (Abs. 1 Nr. 1). Darüber hinaus soll die Ausbildung dazu befähigen, mit anderen in der Altenpflege tätigen Personen zusammen zu arbeiten und diejenigen Verwaltungsarbeiten zu erledigen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufgabe in der Altenpflege stehen (Abs. 1 Satz 3). In der Altenpflegeausbildungsund Prüfungsverordnung24 findet sich in § 10 Abs. 1 Nr. 1 zum schriftlichen Teil der Prüfung die Vorgabe, die Pflege alter Menschen planen, durchführen, dokumentieren und evaluieren zu können. Damit ist die Dokumentation Prüfungsgegenstand. Auch in der Anlage 1 zur Verordnung wird als Ausbildungsinhalt des theoretischen und praktischen Unterrichts in der Altenpflege die Pflege alter Menschen zu planen, durchführen, dokumentieren und evaluieren zu können, verlangt (A Nr. 1.2).

23 Vom 10. November 2003, BGBl I S. 2263, zuletzt durch Art. 15 der VO vom 02. August 2013, BGBl I S. 3005, geändert. 24 Vom 26. November 2002, BGBl I S. 4418, zuletzt durch Art. 38 des Gesetzes vom 06. Dezember 2011, BGBl I S. 2515 geändert.

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Durch die bundesgesetzlichen Regelungen und die ergänzenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen werden also keinerlei konkrete Vorgaben zu Umfang und Inhalt der pflegerischen Dokumentation festgelegt. Als indirektes Berufsrecht auf Bundesebene wird das sozialrechtliche Leistungserbringungsrecht verstanden und bezeichnet.25 Die dort zu findenden Vorgaben zur Dokumentation sind im vorherigen Abschnitt bereits benannt und werden daher hier nicht weiter berücksichtigt. Vier Bundesländer haben Berufsordnungen für Pflegefachkräfte erlassen. Darin werden Aufgaben, Pflichten und angemessenes Verhalten beschrieben. In der Berufsordnung im Saarland wird z. B. folgende Vorgabe gemacht: „Pflegefachkräfte haben ihre eigenverantwortliche Pflegetätigkeit sowie die Aufgaben im Rahmen der Mitwirkung und der interdisziplinären Zusammenarbeit in strukturierter Form unter Verwendung eines entsprechenden Dokumentationssystems zu dokumentieren. Die Dokumentationen haben vollständig, zeit- und handlungsnah, leserlich und fälschungssicher signiert zu erfolgen. Das Dokumentationssystem hat allen am Behandlungs- und betreuungsprozessbeteiligten Angehörigen anderer Berufsgruppen zugänglich zu sein. Die Pflegedokumentation unterliegt dem Datenschutz gegenüber Dritten.“26 Ein Verstoß liegt vor, wenn die Pflegekraft vorsätzlich oder fahrlässig  „der in § 5 Nr. 5 ausgewiesenen Dokumentationspflicht nicht oder nicht vollständig oder nicht zeit- und handlungsnah nachkommt.“ (§ 11 Abs. 1 Nr. 4). In Hamburg gilt ähnliches27, wobei bei Verstößen abhängig beschäftigter Pflegekräfte zu berücksichtigen ist, inwieweit der Arbeitgeber zur Kompetenzerhaltung und -entwicklung die in der Berufsordnung vorgeschriebenen Angebote unterbreitet hat.

25 Seit dem Gutachten von Igl/Welti zu öffentlich-rechtlichen Grundlagen für das Berufsbild Pflege, Göttingen 1998, S. 32; vgl. auch Wiese, Pflegerecht München 2014, S. 237 ff. 26 § 5 Nr. 5, Amtsblatt 2007 vom 28.11.2007, S. 2466, zuletzt geändert am 10.11.2010, Amtsblatt I S. 1420. Die Berufsordnung gilt sowohl für die Pflegefachkräfte in der Alten- als auch in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheitsund Kinderkrankenpflege. In § 4 Abs. 3 a findet sich die Dokumentation der Pflege als Berufsaufgabe, in Abs. 4 wird als spezielle Berufsaufgabe des Weiteren darauf hingewiesen, dass insbesondere die umfassende Information der zu pflegenden oder zu betreuenden Personen über den Gesundheits- und Pflegezustand zu den Aufgaben der Pflegefachkräfte gehört, um Mitwirkung und Mitentscheidung zu ermöglichen. 27 Vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 5, HmbGVBl. vom 29.09.2009 Nr. 43, S. 393 ff., zuletzt geändert am 14.12.2007, HmbGVBl. 2008, S. 17. Auch diese gilt für alle Pflegefachkräfte und dort wird in § 4 Abs. 1 die Dokumentation und Evaluation der Pflege als Berufsaufgabe benannt.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

In Bremen regelt die Berufsordnung nicht das Verfahren für die Dokumentation,  „daher werden hier keine weiteren Aussagen zur Struktur und Handhabung des Verfahrens gemacht.“28 Sachsens Berufsordnung29 ist im Wesentlichen mit den zuvor benannten inhaltsgleich. Berufsrechtlich könnte es also allenfalls Probleme mit der vereinfachten Pflegedokumentation im Hinblick auf die verlangte, vollständige und handlungsnahe Dokumentationspflicht geben. Da aber auch in den Berufsordnungen kein bestimmtes Dokumentationssystem verlangt wird, sondern nur die Pflicht in strukturierter Form zu dokumentieren und dazu ggf. ein im Arbeitsbereich installiertes standardisiertes Dokumentationssystem zu verwenden, ist unter pflegefachlichen Gesichtspunkten zu bestimmen, ob eine vereinfachte Pflegedokumentation diesen Ansprüchen genügt.

Die Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Aufwand und Nutzen der Pflegedokumentation Hauptzweck und Ziel der Pflegedokumentation ist die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Pflege. Sie ist auch berufsrechtlich der Maßstab für den Inhalt und den Umfang einer vereinfachten Pflegedokumentation. Basierend auf diesen Erkenntnissen muss die Dokumentation sich auf alle für die Pflege erheblichen Fakten erstrecken, wobei die Dokumentation so geführt sein muss, dass jede mitwirkende Pflegefachkraft und Mitglieder anderer Berufsgruppen, etwa des ärztlichen Dienstes, klare Erkenntnisse über den Gesundheits- und Pflegezustand jederzeit erhalten. Der Pflegeprozess muss damit klar erkennbar sein. Solche Erkenntnisse müssen sich jedoch nicht alleine und nur aus der Dokumentation gewinnen lassen, sondern können dies auch im Zusammenspiel mit weiteren Informationsquellen, auch und insbesondere mit einer strukturierten Informationssammlung bewirken. Fakten, die für die Pflege nicht relevant sind, müssen berufsrechtlich nicht dokumentiert werden. Es reicht, wenn fachkundige Dritte, also Pflegefachkräfte oder Ärzte, durch die Informationen die erforderlichen Erkenntnisse erhalten.30 Dem 28 Vom 04.02.2011, zuletzt geändert am 25.05.2010, BremGBl S. 349. Die Dokumentation der Pflege gehört gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 a zu den allgemeinen Berufsaufgaben. Ebenso dazu gehört gemäß b die Evaluation der Pflege. Auch hier wird in § 5 Abs. 2 d die Dokumentationspflicht als spezielle Berufspflicht inhaltlich weitgehend wie in Hamburg benannt. Gemäß § 9 Nr. 4 wird in Bremen die nicht, nicht vollständige oder nicht unverzügliche Dokumentation der eigenverantwortlichen Pflegetätigkeit als Ordnungswidrigkeit bei vorsätzlichem oder fahrlässigem Verstoß bewertet. Eine Sanktion erfolgt ggf. gemäß § 38 des Gesundheitsdienstgesetzes. 29 Vom 16.12.2012 SächsGVBl. Nr. 16, S. 696. 30 Vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechtes, 2. Aufl., 1999, § 59, Rz. 11 für den Bereich der ärztlichen Dokumentation.

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entspricht es, dass die Dokumentation auch ausreichend ist, wenn nicht jede einzelne Maßnahme erfasst wird, sondern Hinweise auf standardisierte Verfahren gegeben werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn abweichende Geschehensabläufe gesondert vermerkt werden. Aus berufsrechtlicher Sicht gibt es also durchaus Möglichkeiten zur Vereinfachung der Pflegedokumentation und aus berufsethischer Sicht auch deren Bedarf. Dabei ist eine Rückbesinnung auf die ursprünglichen Primärzwecke einer Pflegedokumentation unausweichlich: Sie muss nicht nur den pflegerelevanten notwendigen Überblick geben, sie hat auch durch die gebotene Kürze einen schnellen Überblick zu geben, um eine ordnungsgemäße Versorgung zu gewährleisten. 31

3.4 Aus heimrechtlicher – respektive ordnungsrechtlicher Sicht32 Bei einer Pflegedokumentation handelt es sich, wie aus den o. a. Ausführungen zum Haftungs- und Berufsrecht ersichtlich, im rechtlichen Sinne um eine Urkunde, der die Vermutung zugrunde liegt, dass diese richtig und vollständig ist. Die Pflegedokumentation dient auch der Beweissicherung und dem Leistungsnachweis. Zudem stellt diese ein unerlässliches innerbetriebliches Kommunikationsinstrument dar und dient als Gedächtnisstütze. Mit ihrer Hilfe soll zielgerichtet die Einheitlichkeit und Kontinuität der pflegerischen Versorgung hergestellt werden.33 Die Dokumentation hat daher richtig, vollständig, zeitnah und kontinuierlich zu erfolgen und dabei den Grundsätzen der Wahrheit und Klarheit zu folgen.34 Nicht nur Ärzten, sondern auch Pflegekräften obliegt die Pflicht zur Dokumentation. Diese Pflicht ergibt sich aus verschiedenen rechtlichen Grundlagen – wie z. B. aus einem Gesetz oder Vertrag (vgl. o. a. Ausführungen zum Haftungsrecht).35 In stationären Pflegeeinrichtungen z. B. aus dem Wohn- und Betreuungsvertrag - früheren Heimvertrag, dessen rechtliche Grundlage nunmehr das Wohn- und Betreu31 So bereits Böhme 1999, Das Recht des Krankenpflegepersonals, Teil 2: Haftungsrecht, 3. Aufl., S. 273. 32 Ein Beitrag von Dr. jur. Karlheinz Börner, Regierungsdirektor, stv. Amtsleiter des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Wiesbaden, zuständig u. a. für den Bereich Betreuungs- und Pflegeaufsicht (ehemals Heimaufsicht). 33 Vgl. auch Mahlberg-Breuer u. a., in: Pflegedokumentation stationär, Das Handbuch für die Pflegeleitung (Hrsg.BMFSFJ, 2007), S. 2; Sträßner, Rechtliche Anmerkungen zur Pflegedokumentation, in: PflegeRecht, Heft 5/2012, S. 279 ff. [281]. 34 Vgl. Bachem/Börner, Juristisch nicht zu beanstanden, in: Fachzeitschrift Altenheim, Heft 05/2014, S. 22 f.; Jorzig/Börner, Notwendiger Umfang der Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, in: Sozialrecht aktuell, Heft 06/2014, S. 17 f.; Frings u. a., Das neue Strukturmodell: Wie es funktioniert und wie Sie es richtig umsetzen, Altenpflege – Dossier 04/2015, S. 22 f. (Online: www.altenpflege-online.net). 35 Bachem u. a., Notwendiger Umfang der Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, Heft 03/2014, S. 131.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

ungsvertragsgesetz (WBVG) darstellt (dazu unten). Bevor konkret auf heimrechtliche Aspekte im Kontext zur Pflegedokumentation eingegangen wird, ist zunächst zu klären, wer im Rahmen der Gesetzgebung für das Heimrecht zuständig ist bzw. wem die Gesetzeskompetenz obliegt. Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des Heimrechtes durch Änderung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG36 auf die Länder übertragen.37 Z. B. machte Hessen durch das Hessische Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP)38 davon Gebrauch. Bis dahin fand das (Bundes-) Heimgesetz (nachfolgend HeimG) Anwendung. Dieses trat am 01.01.1975 in Kraft39 und hatte seine Wurzeln im Gewerberecht.40 Alle Bundesländer haben mittlerweile von ihrem Kompetenzrecht Gebrauch gemacht. Das Kompetenzrecht umfasst auch den Anwendungsbereich (dazu gleich). Das HeimG war ein Schutzgesetz für den darin aufgeführten Personenkreis (u. a. volljährige pflegebedürftige Menschen, volljährige Menschen mit Behinderung), welcher in stationären Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe lebte.41 D. h. der ambulante Bereich respektive die ambulanten Pflegedienste war/en davon nicht erfasst. Strittig war im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen die Frage, ob darunter auch das sog. Heimvertragsrecht fällt, was bisher in § § 5 bis 9 des HeimG geregelt war. Letztendlich regelte der Bund, gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG42, durch das Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz – WBVG)43, das  „alte“ Heimvertragsrecht weiterhin. Nach § 15 Abs. 1 WBVG müssen die Vereinbarungen in Wohnund Betreuungsverträgen zwischen Einrichtungsträgern und Bewohnerinnen und Bewohnern (= zivilrechtlicher Vertrag44) in stationären Pflegeeinrichtungen den Regelungen des Siebten und Achten Kapitels des Elften Sozialgesetzbuches bzw. der auf dieser Grundlage getroffenen Regelungen entsprechen. Vereinbarungen, die diesen Regelungen nicht entsprechen, sind unwirksam. Mit anderen Worten ist der Träger schuldrechtlich gehalten, die Regelungen des SGB XI bzw. darauf basieren36 Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG lautet nunmehr wie folgt: Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf (…) die öffentliche Fürsorge ohne das Heimrecht. 37  BGBl. I 2006, S. 2035. 38  GVBl. I 2012, S. 34. 39  BGBl. I 1974, S. 1873. 40  Dahlem/Giese/Igl/Klie, Kommentar zum Heimgesetz, Einleitung, Rn. 27, S. 5, 25, Lfg. Dez. 2001. 41  Börner u. a., in: Ratgeber Heimrecht, 2008, S. 21 f. 42  Hier: Das bürgerliche Recht. 43  BGBl. I 2009, S. 2319. 44  Börner u. a., in: Ratgeber Heimrecht, 2008, S. 43 f.

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der Regelungen/Vereinbarungen (z. B. Rahmenvertrag nach § 75 SGB XI, Qualitätsvereinbarungen nach § § 112 ff. SGB XI) zu erbringen – siehe hierzu die Ausführungen zum sozialrechtlichen Aspekt. Im Kontext der Pflegedokumentation war im § 11 Abs. 1 Nr. 7 HeimG (… sicherzustellen, dass für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner Pflegeplanungen aufgestellt und deren Umsetzung aufgezeichnet werden) und – insbesondere – § 13 HeimG, der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten regelte, einschlägig. Der Grundsatz lässt sich hier aus § 13 Abs. 1 S. 1 HeimG ableiten, der wie folgt lautet(e): „Der Träger hat nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb zu machen und die Qualitätssicherungsmaßnahmen und deren Ergebnisse so zu dokumentieren, dass sich aus ihnen der ordnungsgemäße Betrieb des Heims ergibt.“ Sodann wurden vom (Bundes-)Gesetzgeber in nicht abschließender Weise Aufzeichnungen vorgegeben, die zu erstellen und vorzuhalten waren – z. B. über die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Heims (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 HeimG), die Pflegeplanungen und die Pflegeverläufe für pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 HeimG) oder auch Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung sowie zur Qualitätssicherung (§ 13 Abs. 1 Nr. 8 HeimG).45 Es wurde unstreitig nicht bis in das letzte Detail geregelt, wie genau eine Pflegedokumentation auszusehen hat und schon gar nicht, dass Durchführungsnachweise im Rahmen der grundpflegerischen Leistungen erbracht werden müssen. Dies korrespondiert auch mit der klarstellenden Regelung des Bundesgesetzgebers, dass die Selbständigkeit des Trägers der Heime in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben unberührt bleibt (§ 2 Abs. 2 HeimG).46 Gleichwohl sind die Heimaufsichtsbehörden (je nach landesrechtlicher Regelung) befugt, bei Mängeln ordnungs- respektive heimrechtlich tätig zu werden. Eine fehlerhafte Pflegedokumentation stellt unstreitig einen Mangel dar. Schon das  „alte“ Bundesheimgesetz beinhaltet dahingehend die Vorgabe an die Heimaufsicht, dass der Heimträger bei Mängelfeststellungen zunächst zu beraten ist, wie dieser Mangel abgestellt werden kann. Erst wenn diese Beratung  „fruchtlos“ verläuft, besteht die Möglichkeit, Verwaltungsakte47 (Anordnungen), die vollstreckt werden können, zu erlassen. Das Handeln der Heimaufsichtsbehörden unterliegt jedoch dem

45  Zum Ganzen: - vgl. Crößmann/Iffland/Mangels, in: Heimgesetz -Kommentar, 5. Auflage, § 13, S. 295 ff. 46  Vgl auch Kunz, in: Heimgesetz - Kommentar (Hrsg.: Kunz/Butz), 10. Auflage, § 2, S. 95 f. 47 Zum Begriff des Verwaltungsaktes - siehe § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (bzw. entsprechende landerechtliche Normen der Landesverfahrensgesetze).

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.48 Für die Praxis wäre es hilfreich, wenn im Rahmen von Mängelberatungen durch die Heimaufsichtsbehörden, die Leitungskräfte (z. B. verantwortliche Pflegefachkraft bzw. Pflegedienstleitung) sich mit den Argumenten der Aufsichtsbehörden sachlich kritisch auseinandersetzen und durchaus auch andere Meinungen selbstbewusst vertreten, wenn sie von diesen fachlich überzeugt sind (z. B. wenn Anforderungen an die Pflegedokumentation seitens der Aufsichtsbehörden gestellt werden, die aus Sicht der Pflegedienstleitung  „überbordend“ und im Ergebnis unzweckmäßig sind). Deklaratorisch wurde durch § 13 Abs. 4 HeimG klargestellt, dass weitergehende Pflichten des Trägers nach anderen Vorschriften oder Vereinbarungen (z. B. mit den Pflegekassen) von der Regelung des § 13 Abs. 1 bis 3 HeimG unberührt bleiben. In diesem Kontext ist es sinnvoll, wenn sich unterschiedliche Prüfbehörden (z. B. Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenversicherung – MDK) ins Benehmen setzen, wenn Mängel im Rahmen der Dokumentation erkannt werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass im Rahmen der Umsetzung des Strukturmodells auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Prüfbehörden geschult worden sind. Eine kursorische Prüfung der Landesheimgesetze hat ergeben, dass kein Bundesland Regelungen enthält, die den Vorschlägen des Strukturmodells in Sachen Entbürokratisierung der Pflegedokumentation zuwiderlaufen respektive damit nicht  „kompatibel“ sind. Gleiches gilt auch für die Bundesländer, die mittlerweile den ambulanten Bereich (ambulante Pflegedienste) im Anwendungsbereich des Landesheimrechtes haben (z. B. Hamburg und Hessen). Viele Bundesländer haben den (fast gleich lautenden) Wortlaut des bisherigen Bundesheimgesetzes als Grundlage ihrer landesrechtlichen Regelung übernommen. In Hessen gibt es sogar durch den Landesgesetzgeber die Pflicht,49 dass sich die nach § 21 HGBP aufgeführte Arbeitsgemeinschaft (ehemals sog. AG 20 nach dem Bundesheimgesetz) u. a. mit dem Abbau von Bürokratie im Rahmen der Dokumentation zu beschäftigen hat. Ständige Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft sind die Betreuungs- und Pflegeaufsicht (ehemals Heimaufsicht), die Pflegekassen und deren Landesverbände, die Verbände der privaten Krankenversicherung e.V., der Medizinische Dienst der Krankenversicherung, der Prüfdienst des Verbandes der privaten Krankenversicherung e.V. und die Träger der Sozialhilfe. In diesem Kontext wurde eine sog. Unterarbeitsgruppe (UAG Entbürokratisierung) gebildet, bei der 48 Vgl. hierzu Wiese, Heimrechtliche Anordnung aufgrund von Dokumentationslücken, Zeitschrift PflegeRecht, Heft 11/2009, S. 534 f. (538). 49  Vgl. § 21 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP).

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auch die Verbände der Leistungserbringer, Vertreter/innen der Hessischen Schulleiterkonferenz (der Altenpflegeschulen) und des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration teilnehmen. In diesem Kontext wurde beschlossen, dass Hessen keinen Sonderweg beschreitet, sondern dass sich die inhaltliche Arbeit der UAG Entbürokratisierung an der bundesweiten Implementierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) respektive des vom BMG eingesetzten Projektbüros ausrichtet. Hierzu gibt es u. a. regelmäßigen Austausch mit der vom Projektbüro implementierten Koordinatorin. Hessen hat (wie inzwischen alle Bundesländer) zudem bereits frühzeitig die Altenpflegeschulen in die Umsetzung einbezogen, indem Lehrkräfte der Altenpflegeschulen in die Multiplikatorenschulung einbezogen werden. Außerdem wird ein Lernbaustein für die Vermittlung der neuen Dokumentationssystematik für den Unterricht in der Altenpflege entwickelt. Aus ordnungsrechtlicher Sicht ist es begrüßenswert, die völlig unstreitig wichtige Pflegedokumentation auf ein notwendiges Maß zurückzuführen, um diese Zeitersparnis den Pflegekräften für die Pflege- und Betreuungsleistungen am bzw. mit den pflegebedürftigen Menschen zugute kommen zu lassen.

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

Teil II Die vier Elemente des Strukturmodells

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Inhalt Teil II 4 Prinzipien und Umsetzung 4.1 Element 1: Die Strukturierte Informationssammlung (SIS®) – der Einstieg in den Pflegeprozess 4.1.1 Prinzipien 4.1.2 Umsetzung  4.1.2.1 Feld A – Angaben zur Person, Nachweis der Pflegefachkraft und Ausdruck der Verständigung 4.1.2.2 Feld B – Angaben aus dem Gesprächsverlauf im Originalton der pflegebedürftigen Person 4.1.2.3 Feld C1 – Die sechs Themenfelder zur fachlichen Einschätzung der Situation 4.1.2.4 Fachliche Hinweise zur Nutzung der einzelnen Themenfelder und Beispiele der praktischen Umsetzung 4.1.2.5 Feld C2 – Die Risikomatrix zur fachlichen Einschätzung von Risiken und Phänomenen im Zusammenhang der Themenfelder 4.1.2.6 Fallkonstellationen im Rahmen der Anwendung der Risikomatrix  4.1.2.7 Funktion und Nutzung der Spalte  ‚Beratung‘ in der Risikomatrix der SIS® ambulant 4.1.2.8 Plausibilitätscheck zum Abschluss der SIS®

76

79 85 85 89 92 93 100 106

120 127 132 134

4.2. Element 2: Der Maßnahmenplan – Handlungsgrundlage für die Pflege und Betreuung  4.2.1 Prinzipien 4.2.2 Umsetzung

139 139 141

4.3 Element 3: Das Berichteblatt – Fokus auf Abweichungen und tagesaktuelle Ereignisse 4.3.1 Prinzipien 4.3.2 Umsetzung 

154 154 156

4.4 Element 4: Die Evaluation – individuell statt schematisch 4.4.1 Prinzipien  4.4.2 Umsetzung Besonderheiten der Tagespflege  Besonderheiten der Kurzzeitpflege 

166 166 167 179 192

3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

Abbildungen Abb. 1: Die vier Elemente des Strukturmodells Abb. 2: Module des neuen Begutachtungsinstruments und Entsprechung durch die Themenfelder der SIS® Abb. 3: Grafische Darstellung zu Funktion und Einbettung der SIS® in das Konzept des Strukturmodells Abb. 4: SIS® ambulant Abb. 5: SIS® stationär Abb. 5a: SIS® Kurzzeitpflege Abb. 5b: SIS® Tagespflege Abb. 6: SIS® Angaben im Feld A Abb. 7: SIS® Feld B mit Leitfragen Abb. 8: die sechs Themenfelder der SIS® ambulant und stationär Abb. 9: Vorgehen bei der Anwendung der SIS®zur Umsetzung der personzentrierten Pflege Abb. 10: Struktur und Inhalt der Risikomatrix ambulant und stationär in der SIS® Abb. 11: Ausfüllvarianten der Risikomatrix Abb. 12: Systematischer Ablauf von Entscheidungen bei Anwendung der Risikomatrix und Anforderungen an die Dokumentation Abb. 13: Fallkonstellation A Abb. 14: Fallkonstellation B Abb. 15: Fallkonstellation C Abb. 16: Fallkonstellation D Abb. 17: Risikomatrix der SIS® – ambulant mit Spalte Beratung Abb. 18: Beispiel Themenfeld 4 vor Dokumentation einer erfolgten Beratung Abb. 19: Plausibilitätscheck Abb. 20: Qualitätscheck der Pflegefachkraft vor Abschluss der SIS® Abb. 21: Inhalte, die auf die Erstellung des Maßnahmenplans einwirken und zu beachten sind Abb. 22: Inhalte, die für das Berichteblatt von Relevanz sind Abb. 23: Notwendige Durchführungsnachweise ambulant und stationär Abb. 24: Evaluationsschritte bei zeitlich befristeten Beobachtungsphasen

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Abb. 25: Darstellung von Faktoren für eine anlassbezogene Evaluation Abb. 26: Option A und B bei der Evaluation Abb. 27: Unterschiede in der SIS® Tagespflege im Gegensatz zu der Variante SIS® stationär Abb. 28: Darstellung von Einflussfaktoren auf den Maßnahmenplan Abb. 29: Unterschiede in der SIS® Kurzzeitpflege im Gegensatz zu der Variante SIS® stationär Abb. 30: Darstellung von Einflussfaktoren auf den Maßnahmenplan in der KZP

Tabellen Tabelle 1: Erforderliche und optionale Inhalte des Maßnahmenplans Tabelle 2: Erprobte Varianten zur Strukturierung des Maßnahmenplans Tabelle 3: Sieben Themen mit Hinweisen zur Erstellung eines Maßnahmenplans Tabelle 4: Übersicht über die Anpassungen der Pflegedokumentation und des Strukturmodells für die Tagespflege Tabelle 5: Übersicht über die Anpassungen des Strukturmodells für die Kurzzeitpflege

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3  Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus unterschiedlichen Blickwinkeln

4  Prinzipien und Umsetzung Hinführung zum Kapitel ELISABETH BEIKIRCH, ELLEN FÄHRMANN, SABINE HINDRICHS, ELKE ERIKA RÖSEN, ANKE SCHULZ, KERSTIN TRIFTSHÄUSER, SABRINA UMLANDT-KORSCH in Zusammenarbeit mit PROF. DR. MARTINA ROES/ Das Konzept des Strukturmodells zur Entbürokratisierung in der stationären und der ambulanten Langzeitpflege (SGB XI) wurde explizit mit dem Ziel entwickelt, die Pflegedokumentation auf ihre gesetzlich vorgeschriebenen (vgl. § 113 Abs. 1 SGB XI) und fachlich gebotenen Funktionen zurückzuführen, fachliche Standards zu berücksichtigen und Impulse zu setzen sowie unter Beachtung rechtlicher Aspekte (Haftungs-, Sozial- und Berufsrecht) von nicht erforderlichem Dokumentationsaufwand zu befreien. Wesentliche Merkmale und Effekte dieser Pflegedokumentation sind: ƒƒ Bessere Übersicht und tagesaktuelle Orientierung zur Situation der pflegebedürftigen Person u. a. durch die Vermeidung von schematisierten Daten- und Informationssammlungen, die Fokussierung der Dokumentation auf Abweichungen geplanter Maßnahmen und anlassbezogener Ereignisse. ƒƒ Entlastung und Motivation im beruflichen Alltag der Pflegenden sowie Zeitersparnis durch die Verringerung des Schreibaufwands ohne fachliche Standards zur Steuerung des Pflegeprozesses zu vernachlässigen. ƒƒ Förderung der Fachlichkeit und Weiterentwicklung der Dokumentationsqualität zur Sicherstellung einer angestrebten, gleichbleibenden Qualität der Pflege und Betreuung in der Pflegeeinrichtung. ƒƒ Aufgreifen der Intention des aktuellen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und des damit korrespondierenden Begutachtungsinstruments (Stärkung der Selbständigkeit) durch den personzentrierten Ansatz im Strukturmodell (Selbsteinschätzung der pflegebedürftigen Person/Verständigungsprozess) für die pflegerische Praxis. ƒƒ Schlanke Praxis der Pflegedokumentation, die internen und externen Anforderungen der Qualitätssicherung auf Bundes- und Landesebene standhält und zukunftssicher ist. ƒƒ Grundlage zur Verständigung aller Akteure auf die Prinzipien einer fachlich und rechtlich tragfähigen Pflegedokumentation.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

79

Das Strukturmodell stellt somit den eigentlichen Stellenwert der Pflegedokumentation, die Steuerung des Pflegeprozesses und die Sicherstellung der Kommunikation aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten, (wieder) in den Mittelpunkt des beruflichen Alltags von Pflegenden. Zusätzlich wird der aktiven Einbeziehung der pflegebedürftigen Person verstärkt Raum gegeben. Mit der Frage nach der eigenen Einschätzung der Situation, des erwarteten Hilfe-und Unterstützungsbedarfs, dem Aufgreifen von individuellen Wünschen und Bedürfnissen oder das Eingehen auf Ängste sowie Aspekte der Selbstbestimmung wird von den Pflegeeinrichtungen der Ansatz einer personzentrierten Pflege über den gesamten Versorgungsverlauf unmittelbar umgesetzt. Bisherige Zuständigkeiten und Abläufe der Aufnahmegespräche oder bei Einzug müssen dahingehend überprüft oder neu ausgerichtet werden. Dies spiegelt sich auch in einem veränderten Organisationsablauf einer Einrichtung und ihrer Dokumentationspraxis wieder. KURZ GESAGT: Personzentrierte Pflege Gemäß diesem Ansatz werden die Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person in den Mittelpunkt der Versorgung gestellt und die pflegebedürftige Person im Verlauf des Versorgungsprozesses kontinuierlich in die Gestaltung mit einbezogen.

Die Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells Die Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell erfordert in der Regel eine grundlegende Neuausrichtung der bisherigen Dokumentationspraxis. Den vier aufeinander aufbauenden Elementen des Strukturmodells liegt das national und international fachliche Verständnis zur Steuerung des Pflegeprozesses zu Grunde (vgl. Teil I, Kap. 2). Der dem Strukturmodell zugrundliegende 4-stufige Pflegeprozess (WHO Modell) findet sich hier – in Abweichung der bisher weit verbreiteten Praxis eines 6-stufigen Prozesses – in den folgenden vier Elementen wieder (siehe folgende Abbildung).



80

4  Prinzipien und Umsetzung

Die Neuorientierung der Pflegedokumentation entlang des Strukturmodells basiert auf vier Elementen: ELEMENT I

E L E M E N T II

E L E M E N T III

E L E M E N T IV

SIS® mit den Kernelementen: – Eigeneinschätzung der pflegebedürftigen Person

Individueller Maßnahmenplan auf Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS®

Berichteblatt mit Fokussierung auf: – Abweichungen vom Maßnahmenplan

Evaluation Festlegung von individuellen Evaluationsdaten oder Zeiträumen aus Erkenntnissen – der SIS®

– Sechs Themenfelder zur fachlichen Einschätzung durch die Pflegefachkraft

– aktuelle Ereignisse – Informationen durch weitere Beteiligte

– des Maßnahmenplans – des Berichteblattes

– Matrix zur Ersteinschätzung pflegesensitiver Risiken/ Phänomene Abb. 1: Die vier Elemente des Strukturmodells

Missverständliche Nutzung des Begriffes ‚SIS®‘ Im Zusammenhang mit dem Strukturmodell wird immer wieder sehr verkürzt nur von der Strukturierten Informationssammlung in Form des Begriffs  „SIS®“ gesprochen. („… wir führen die SIS® ein“  „… die neue Pflegedokumentation SIS®“ … etc.). Durch die verkürzte Benutzung des Begriffes  ‚SIS®‘ anstelle des Begriffs  ‚Strukturmodell‘ wird offensichtlich immer wieder der Eindruck bei Pflegeeinrichtungen und Institutionen der Aus- und Weiterbildung erweckt, dass eine Entbürokratisierung der Pflegedokumentation durch das bloße Austauschen des alten Aufnahmeformulars durch die SIS® erreicht werden könne. Damit einher geht häufig das Missverständnis, dass es nur um das ‚Weglassen‘ bestimmter Verfahren und Instrumente in der Dokumentationspraxis geht und es wird verkannt, dass es auch im Strukturmodell um eine fachgerechte Dokumentation des Pflegeprozesses geht. Aber nur wenn die Prinzipien eines jeden Elementes des Strukturmodells konsequent beachtet und angewandt werden, können sich die Effekte der Entbürokratisierung einstellen und ist eine fachlich einwandfreie Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell gewährleistet. Um Missverständnisse jeglicher Art zu vermeiden, sind daher alle aufgefordert, nur den Begriff  ‚Struktur-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

81

modell‘ im Rahmen der Einführung der entbürokratisierten Pflegedokumentation zu verwenden.

Der Effekt Zeitersparnis Je nach Organisation und Versorgungsbereich der Pflegeeinrichtungen sowie dem Umfang des bisherigen Dokumentationssystems geht mit der Einführung des Strukturmodells eine erhebliche Zeitersparnis einher. Diese trägt zur ‚Entschleunigung‘ des beruflichen Alltags bei und bringt den Pflegenden mehr Zeit für die direkte Pflege und Betreuung. Dieser Effekt der Zeitersparnis ist allerdings ambulant wie stationär unterschiedlich. Er scheint im Laufe des Einführungsprozesses des Strukturmodelles in den Pflegeeinrichtungen auch an Bedeutung zu verlieren – zugunsten einer insgesamt größeren Zufriedenheit im Umgang mit der Dokumentation z. B. auch im Rahmen der internen und externen Qualitätssicherung. Wie diese wieder gewonnene Zeit zielgerichtet und sinnvoll genutzt werden kann, sollte in der Pflegeeinrichtung aufmerksam überlegt und reflektiert werden, damit der Effekt nicht durch andere Abläufe schnell wieder überdeckt wird. Der Gesetzgeber hat zum Thema Zeitersparnis durch Weiterentwicklungen in der Dokumentationspraxis ebenfalls eine klare Aussage zu dieser Thematik im SGB XI getroffen (vgl. Teil I, Kap. 1 und 3).

Synergien Strukturmodell, Pflegebedürftigkeitsbegriff und Begutachtungsinstrument Ein zentrales Element des Strukturmodells ist die Strukturierte Informationssammlung. Die Bezeichnungen der Themenfelder zur fachlichen Einschätzung der Situation der pflegebedürftigen Person durch die Pflegefachkraft lehnen sich entsprechend dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse an die Bezeichnungen der Module des neuen Begutachtungsinstruments an. Dies hat den erwünschten Nebeneffekt, dass die Pflegenden bei der Umstellung entlang der veränderten Perspektive der Begutachtungssystematik hierin auch bei der Einführung des Strukturmodells unterstützt werden (vgl. Teil IV, Kap. 8). Dennoch: Die SIS® – als ein Element im Strukturmodell – und das neue Begutachtungsinstrument – als ein Bestandteil der Begutachtungsrichtlinie – haben für die Arbeit der Pflegekräfte unterschiedliche Funktionen. Mit dem neuen Begutachtungsinstrument wird das Ausmaß der Selbstständigkeit zum Zweck der Einstufung in einen Pflegegrad in einer grundsätzlich kontextübergreifenden Weise

82

4  Prinzipien und Umsetzung

Module des neues Begutachtungsinstruments

Themenfelder der SIS®

Modul 1 – Mobilität

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

Modul 2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 1 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

kein eigenes Themenfeld

Modul 4 – Selbstversorgung

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

Modul 5 – Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

Modul 7/8 – Außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung

Themenfeld 6 – Wohnen/Häuslichkeit (stationär) Haushaltsführung (ambulant)

Abb. 2: Module des neuen Begutachtungsinstruments und Entsprechung durch die Themenfelder der SIS®

erfasst. Die SIS® liefert dagegen die notwendigen Informationen in Bezug auf den individuellen kontextspezifischen Hilfe- und Unterstützungsbedarf zur Konkretisierung des pflegerischen und betreuenden Auftrages.

BEISPIEL Kontextübergreifend (Begutachtungsinstrument) Im Modul 4 (Selbstversorgung) des Begutachtungsinstrumentes wird erfasst, inwiefern die pflegebedürftige Person selbständig in der Lage ist, Nahrung und Getränke zu sich zu nehmen. Dies erfolgt sogar dann, wenn die Person beispielsweise ausschließlich über eine PEG ernährt wird. Im Modul 1 (Mobilität) des Begutachtungsinstrumentes wird erfragt, ob die pflegebedürftige Person Treppen steigen kann – unabhängig davon, ob sie zu Hause lebt oder in einer Pflegeeinrichtung.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

83

BEISPIEL Kontextspezifisch (Strukturierte Informationssammlung): In der stationären Pflegeeinrichtung ist die Frage, ob die pflegebedürftige Person Treppen steigen kann überhaupt nicht relevant, da die Pflegeeinrichtung behindertengerecht eingerichtet ist, d. h. es einen Aufzug gibt und Niemand Treppen steigen muss. In der Häuslichkeit kann es sehr entscheidend sein, ob die pflegebedürftige Person die Treppen ins Obergeschoss, zum Schlafzimmer alleine bewältigen kann oder das Haus entsprechend umgeräumt werden muss. Einschätzung der Pflegefachkraft im Themenfeld 2 der SIS®: Fr. B. hat kein Geh- und Stehvermögen mehr, sie führt keine Lageveränderung mehr durch, verharrt in ein und derselben Position. Sitzstabilität stundenweise erhalten. Aus diesen Informationen in der SIS® können sich z. B. folgende Maßnahmen ableiten lassen: regelmäßige Druckentlastung, Mobilisation/Bewegungsförderung im Pflegerollstuhl für max. 2 Std. pro Tag.

Diese Abgrenzung zwischen Strukturierter Informationssammlung und Begutachtungsinstrument und eine zielgerichtete Anwendung dieser beiden ‚Instrumente‘ zur Erfüllung des jeweiligen Zweckes sollte den Pflegeeinrichtungen bekannt sein. So bleibt der Effekt der Entbürokratisierung der Pflegedokumentation erhalten und die Synergien, insbesondere auch für ein Pflegegradmanagement (PGM), können trotzdem genutzt werden (vgl. Thesenpapier und Leitfaden PGM des Projektbüros Ein-STEP auf der Homepage).

Aktive Begleitung und Unterstützung durch das Pflege- und Qualitätsmanagement Eine grundlegend fachliche Neuausrichtung der Pflegedokumentation ist immer eine Herausforderung für das Pflege- und Qualitätsmanagement. Es erfordert, bisherige Zuständigkeiten und Abläufe innerhalb der Pflegeeinrichtungen zu überprüfen, auf die veränderte Dokumentationspraxis auszurichten und Regularien anzupassen. Die Einführung des Strukturmodells kann nur gelingen, in dem seitens des Managements ein klares Konzept (Projektplan) zur Schulung und Begleitung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unter Einbeziehung aller Bereiche der Einrichtung vorliegt und das Vorgehen sowie ein Zeitplan innerbetrieblich transparent dargestellt werden (vgl. Teil III, Kap. 5 und 6). Die Pflegedienstleitung einer Pflegeeinrichtung hat entscheidende Aspekte einer erfolgreichen Entbürokratisierung schon 2010 einmal so formuliert:

84

4  Prinzipien und Umsetzung

ZITAT mehr und gezielter wir in die Befähigung und Verselbständigung unserer Mitarbeiter ƒƒ „Je investiert haben, desto schlanker wurde unsere Pflegedokumentation.“ deutlicher wir unsere Handlungsgrundsätze dargelegt haben und an der Haltung unƒƒ „Je serer Mitarbeiter gearbeitet haben, desto schlanker wurde unser Qualitätshandbuch.“ erst nachdem wir unseren Drang zur vollständigen Absicherung und Perfektion in ƒƒ „Aber den Griff bekommen hatten, war überhaupt Raum für diese Entwicklungen. „ (Zitat aus der Broschüre Entbürokratisierung der Pflege INQA.de; Juni 2010)

Hinweise zu den folgenden Kapiteln des Teil II In den folgenden Kapiteln des Teil II dieses Fachbuches werden nun jeweils die Prinzipien der Elemente des Strukturmodells und die Umsetzung in punkto inhaltlicher Ausrichtung, methodischem Vorgehen und praktischer Anwendung erläutert. Zwei exemplarische Fallbeispiele (Frau Anderson- stationär – und Herr Hellmann – ambulant) begleiten die Ausführungen in diesem und den folgenden Kapiteln und runden durch konkrete Beispiele der praktischen Umsetzung die jeweiligen Abschnitte ab. Hierin eingeflossen sind die Erfahrungen, die das Team Ein-STEP im Dialog mit vielen Multiplikatoren der Verbände und engagierten Pflegeeinrichtungen während der Begleitung zur Einführung des Strukturmodells in den letzten zwei Jahren gesammelt hat. Die Ausführungen wurden durch gemeinsame fachliche Überlegungen zur Umsetzung des Strukturmodells und über die Informations- und Schulungsunterlagen des Projektbüros hinaus durch das Team Ein-STEP ergänzt.

4.1 Element 1: Die Strukturierte Informationssammlung (SIS®) – der Einstieg in den Pflegeprozess 4.1.1 Prinzipien Der Strukturierten Informationssammlung kommt im Strukturmodell eine besondere Bedeutung zu. Sie wurde extra dafür von Experten entwickelt. Die SIS® ist ein wissenschaftsbasiertes Konzept zum Einstieg in den vierphasigen Pflegeprozess

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

85

(siehe Teil I) und bildet die Grundlage der pflegefachlichen Einschätzung zur Pflegeund Betreuungssituation: ƒƒ Sie gewährleistet wesentliche, den gesamten Pflegeprozess leitende Informationen in einem Gespräch mit der pflegebedürftigen Person in sechs Themenfeldern durch die Pflegefachkraft knapp zu erfassen. ƒƒ Sie bildet die Grundlage zur fachlichen (Erst) Einschätzung der Pflegefachkraft zu Risiken und Phänomenen im Zusammenhang mit fünf Themenfeldern und schafft einen guten Überblick auch zu komplexen Situationen. ƒƒ Sie schafft die Voraussetzung, dass eine personzentrierte Pflege durch die Dokumentationspraxis unterstützt wird, ohne den Aspekt der Entbürokratisierung zu vernachlässigen. ƒƒ Sie ist maßgebliche Voraussetzung für die Umstellung der Pflegedokumentation auf die vier Elemente des Strukturmodells.

KURZ GESAGT: personzentriert (engl. personcentered care) Das Attribut bezieht sich auf die Wahrnehmung der einzelnen Person. Damit soll ausgedrückt werden, dass Pflegebedürftige – auch unabhängig von ihren Einschränkungen – als Personen wahrgenommen werden, die selbstbestimmt agieren und über Entscheidungskompetenzen verfügen. Damit ist auch gemeint, dass der Fokus (die Aufmerksamkeit) auf der Person liegt und nicht nur auf den mit der Pflegebedürftigkeit korrespondierenden Einschränkungen. Die Schreibweise ist also nicht personenzentrierte Pflege.

Die SIS® kann nur von Pflegefachkräften (PFK), die hierin geschult sind, angewandt werden. Zusätzliche Informationen aus dem Pflege- und Betreuungsteam sowie von anderen Berufsgruppen (Sozialarbeit, Hausarzt, Verwaltung, Seelsorge, Hauswirtschaft, Therapeuten etc.) sowie von Ehrenamtlichen und Betreuungskräften werden von der Pflegefachkraft gegebenenfalls mit einbezogen. Die SIS® ist von Bedeutung für den gemeinsamen Verständigungsprozess zur gewünschten Versorgung zwischen der pflegebedürftigen Person und der Pflegefachkraft sowie dem Erkennen von unterschiedlichen Auffassungen hierzu, einschließlich der Hinweise von Angehörigen. Die SIS® kann auch nicht mit anderen Pflegedokumentationssystemen vermischt werden. Es bedarf immer einer grundlegenden Anpassung des gesamten Dokumentationssystems und der Überprüfung bisher eingesetzter Zusatzdokumente. Nur so wird die fachliche Neuausrichtung der Pflegedokumentation zur Steue-

86

4  Prinzipien und Umsetzung

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

87

(( ((((

Abb. 3: Grafische Darstellung zu Funktion und Einbettung der SIS® in das Konzept des Strukturmodells

Strukturmodell stationär/ambulant mit Verortung der SIS®

rung des Pflegeprozesses gemäß Strukturmodell sichergestellt und können die gewünschten Effekte der Entbürokratisierung bei der Einführung ausgelöst werden. Dennoch wird sich jede Pflegeeinrichtung ihren ganz eigenständigen Weg bei der Gestaltung ihrer Pflegedokumentation entlang der Prinzipien des Strukturmodells erarbeiten müssen. Denn: Ein wesentliches Ziel dieser Umstellung ist, dass die Pflegenden in diesen Prozess mit einbezogen werden und die internen Anforderungen an die Dokumentationspraxis für alle Mitarbeiter/- innen wieder nachvollziehbar sind und ‚gelebt‘ werden können. Aus der Praxis wird zum Beispiel berichtet, dass die Pflegehilfskräfte endlich (wieder) etwas mit dem Maßnahmenplan anfangen und danach arbeiten können.

Hinweise zu Formatvorlagen für die SIS® Die Varianten der SIS® Dokumente liegen regulär im DIN A 3 Format vor und sind in den einzelnen Feldern bewusst auf eine bestimmte Anzahl von Zeilen (oder Zeichen) beschränkt. Dadurch wird die Pflegefachkraft angehalten, ihre fachliche Einschätzung in den einzelnen Themenfeldern auf die wichtigsten und für die aktuelle Versorgung notwendigen pflegerelevanten Fakten zu fokussieren und die Situation der pflegebedürftigen Person ist auf  ‚einen Blick’ erkennbar. Die immer wieder vorgetragene Argumentation, dass der Platz in den Themenfeldern nicht ausreicht, hat sich, bei sachgerechter Anwendung der Prinzipien des Strukturmodells, bisher nicht bestätigt und ist durch zahllose Beispiele der praktischen Umsetzung wiederlegt. Selbstverständlich kann das ‚sich kurz fassen’ anfänglich Probleme bereiten und bedarf der Übung und Reflektion im Team. Wichtig ist daher, dass das Strukturmodell nun in allen Bundesländern in der Ausbildung Berücksichtigung findet und geschult wird, damit die hierfür benötigten Kompetenzen früh geübt und erlernt werden. Die SIS® Dokumente liegen zusätzlich auf Wunsch der Praxis auch im DIN A4Querformat (2 Seiten) vor. Dieses Format hat sich insbesondere im ambulanten Bereich zum Ausdrucken bewährt und zeichnet sich durch eine etwas andere Gestaltung im Layout (Angabe Seitenzahl/Angaben zur Person pro Seite/keine drucktechnische Trennung eines Themenfelds) aus. Alle Dokumente stehen kostenfrei als Download auf der Homepage von  Ein-STEP unter www.ein-step.de und des BMG zur Verfügung. Somit sind die SIS® Dokumente sowohl für eine papiergestützte Dokumentation als auch eine digitale Nutzung abrufbar. Seit April 2017 liegen auch die Varianten der SIS® für die Tages- und die Kurzzeitpflege vor.

88

4  Prinzipien und Umsetzung

4.1.2 Umsetzung Struktur und inhaltliche Ausrichtung der SIS® Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Dokumentation gibt es für den stationären und ambulanten Bereich und aktuell nun auch für die Tages- und die Kurzzeitpflege je eine  „eigene“ SIS®. Diese ist erkennbar durch: ƒƒ eine entsprechende Kennzeichnung im oberen Feld des Dokuments, ƒƒ die unterschiedlich thematische Zuordnung des sechsten Themenfelds und ƒƒ die unterschiedliche Risikomatrix für stationär, teilstationär und ambulant (Spalte Beratung). Die SIS® gliedert sich in vier Felder mit je unterschiedlicher Funktion, welche für die folgenden Erläuterungen und zum besseren Verständnisses hier mit den Buchstaben A, B, C1 und C2 zusätzlich gekennzeichnet sind. Die SIS®, insbesondere das Feld A, ersetzt nicht das sogenannte Stammblatt einer Dokumentationsmappe.

Sonstiges Dekubitus

Sturz

Inkontinenz

weitere e Eintzung schätzung notwendig endig

ja

nein

ja

nein

weitere Einw sch schätzung notwendig no

ja

nein

ja

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

Abb. 4: Variante SIS® ambulant

Abb. 5: Variante SIS® stationär

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

89

nein

SIS® – Kurzzeitpflege – Strukturierte Informationssammlung

Name der pflegebedürftigen Person

Geburtsdatum

A

Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

pflegebedürftige Person/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Was bringt Sie zu uns?

B Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

C1 Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

Konzept: Beikirch/Roes · Nutzungsrechte: BMG · Version 03/2017

Themenfeld 6 – Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes / Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege

Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene Dekubitus

ja 1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

Abb. 5 a: Variante SIS © Kurzzeitpflege

90

4  Prinzipien und Umsetzung

nein

Sonstiges

Sturz

C2

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Inkontinenz weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

SIS® – Tagespflege – Strukturierte Informationssammlung

Name des Tagespflegegastes

Geburtsdatum

A

Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

Tagesgast/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Was bringt Sie zu uns?

B Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

C1 Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

Konzept: Beikirch/Roes · Nutzungsrechte: BMG · Version 03/2017

Themenfeld 6 – Erhalt / Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen

Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene Dekubitus

ja

nein

Sonstiges

Sturz

C2

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Inkontinenz weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

Abb. 5 b: Variante SIS © Tagespflege

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

91

4.1.2.1 Feld A – Angaben zur Person, Nachweis der Pflegefachkraft und Ausdruck der Verständigung Das Feld A ist für die ambulante und stationäre Pflege entsprechend ausgewiesen aber im Hinblick auf die sie enthaltenen Angaben identisch. Alle personenbezogenen Daten in diesem Feld sind verpflichtend auszufüllen und enthalten ƒƒ die notwendigen personenbezogenen Daten, ƒƒ Datum der Erstellung oder Anpassung der SIS® und ƒƒ das Kürzel der Pflegefachkraft, welche die SIS® erstellt hat. Zusätzlich (optional) gibt es eine Zeile für die Unterschrift der pflegebedürftigen Person oder je nach Situation für die Angehörigen sowie den gesetzlichen Betreuer. · Name der pflegebedürftigen Person •

Nme

der

· (optional) Unterschrift durch die · Datum der Erstellung pflegebedürftige Person und/oder (oder Anpassung) der den anwesenden Angehörigen/ SIS® • Datum der Erstellung (oder • (optional) Unterschrift durch der Anpassung) der SIS ® pflegebedürftigen Person Betreuerdie pflegebedürftige Person · Das Kürzel der Pflege• das Kürzel der Pflegefachkraft, und/oder den anwesenden welche die SIS® erstellt hat Angehörigen/Betreuer kraft welche die SIS® erstellt hat

· Geburtsdatum der pflegebedürftigen Person • Geburtsdatum

SIS® – Tagespflege – Strukturierte Informationssammlung

Name des Tagespflegegastes

Geburtsdatum



Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

Tagesgast/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Was bringt Sie zu uns?

SIS® – Kurzzeitpflege – Strukturierte Informationssammlung

Name der pflegebedürftigen Person

Geburtsdatum



Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

pflegebedürftige Person/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Was bringt Sie zu uns?

Abb. 6: Angaben im Feld A in der SIS® ambulant, stationär, Tagespflege und Kurzzeitpflege Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten



Wenn gewünscht, kann die pflegebedürftige Person das Ergebnis des Gespräches auf der Grundlage des SIS® mit ihrer Unterschrift oder auch durch die Angehörigen/ Betreuer bestätigen. Die Unterschrift hat keine rechtliche Konsequenz, sie ist u. a. Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Ausdruck von Verbindlichkeit im Umgang miteinander und rundet zudem den gemeinsamen Verständigungsprozess ab. Aus der Praxis wird berichtet, dass die AnThemenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

92 Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

4  Prinzipien und Umsetzung

Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

gehörigen das Aushändigen der ausgefüllten SIS® mit den dokumentierten besprochenen Inhalten als sehr wertschätzend empfinden. Im Gespräch erkennt die Pflegefachkraft, ob eine Unterschrift zustande kommt oder nicht. Gerade bei unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen zur Pflege und Betreuung zwischen pflegebedürftiger Person und Angehörigen oder auch der Pflegefachkraft kann diese Unterschrift u. a. auch einen der Beschwerde vorbeugenden Charakter haben. KURZ GESAGT: Bedeutung/Funktion Unterschrift der pflegebedürftigen Person Durch die Unterschrift wird die Möglichkeit gegeben, der gegenseitigen Verständigung zur Situation Ausdruck zu verleihen. Sie unterstreicht die Mitwirkung an dem Einstieg in den Pflegeprozess. Die juristische Expertengruppe sieht hierin zusätzlich  „gelebten Verbraucherschutz“ und empfiehlt diese Möglichkeit unbedingt ambulant wie stationär und ggf. für die Tages- und Kurzzeitpflege zu nutzen.

Die bisherigen Aussagen zur Nutzung dieser Option sind nach wie vor sehr unterschiedlich. Insbesondere der ambulante Versorgungssektor weist daraufhin, dass im Rahmen des Erstgespräches ohnehin eine Fülle an Dokumenten unterschrieben werden müssen, sodass dies zusätzlich eine Überforderung wäre. Andere Pflegeeinrichtungen wiederum berichten, dass sich das Vorgehen bewährt und einen intensiven Gesprächsaustausch zur Situation der pflegebedürftigen Person ausgelöst hat. Die Nutzung dieser Option bleibt also weiterhin in das Ermessen der Pflegeeinrichtung gestellt. Nach dem Ausfüllen der SIS® unterschreibt die Pflegefachkraft (Kürzel) auf der hierfür vorgesehenen Zeile (oder mittels technisch hinterlegter Identifikation) und bestätigt mit ihrer Unterschrift, dass sie das Gespräch geführt hat und die erfassten Informationen und Einschätzungen entsprechend dokumentiert sind. Die pflegebedürftige Person (bzw. deren Angehörige/gesetzliche Betreuer) kann auf Wunsch eine Kopie der SIS® erhalten.

4.1.2.2 Feld B – Angaben aus dem Gesprächsverlauf im Originalton der pflegebedürftigen Person Im zweiten Feld der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) – dem Feld B – wird dokumentiert, was die pflegebedürftige Person im Gespräch mit der Pflegefach-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

93

kraft zu ihrer persönlichen Einschätzung der Situation oder speziellen Wünschen, eventuellen Sorgen, Vorlieben und biografischen Angaben gesagt hat. Abb. 7: SIS® Feld B mit Leitfragen

Bewusst wird hier Im Originalton (sog.  ‚narrativer Einstieg‘) der pflegebedürftigen Person dokumentiert, was diese im Gespräch mit der Pflegefachkraft als Antwort auf die (sinngemäß) vorgegebenen Fragen zu ihrer Situation geantwortet hat: ƒƒ Was bewegt Sie im Augenblick? ƒƒ Was brauchen Sie? ƒƒ Was können wir für Sie tun? ƒƒ Bei Tages- und Kurzzeitpflege zusätzlich die Frage: Was bringt Sie zu uns? Mit Hilfe dieser Fragestellungen werden die Wünsche, aktuelle Befindlichkeiten sowie die eigene Sichtweise der pflegebedürftigen Person durch aktives Zuhören der Pflegefachkraft erfasst und in wörtlicher Rede notiert. KURZ GESAGT: Narrativer Einstieg (erzählen lassen) Die pflegebedürftige Person wird gebeten (ermuntert), von sich und ihrer derzeitigen (Lebens-) Situation zu erzählen. Es dient dazu, die Sicht der pflegebedürftigen Person bzw. der Angehörigen auf ihre aktuellen Bedürfnisse, Wünsche und Gewohnheiten kennenzulernen und daraus ableitend den individuellen Unterstützungsbedarf zu erfassen. Der narrative Einstieg zu Beginn des Pflegeprozesses in der SIS® ist nicht zu verwechseln mit dem  „Narrativen Interview“, welches eine wissenschaftliche qualitative Forschungsmethode darstellt und über den Ansatz im Strukturmodell weit hinaus geht.

Diese Herangehensweise ist Voraussetzung für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und kann „  Türöffner“, auch in schwierigen Situationen sein. Das Vorgehen folgt dem Ansatz der personzentrierten Pflege im Strukturmodell mit der Intention, die pflegebedürftige Person aktiv in den Prozess der Planung des Pflege- und Unterstützungsbedarf einzubeziehen sowie Wertschätzung und Selbstbestimmtheit (Autonomie) zu vermitteln. Es unterstreicht zusätzlich das Anliegen, dass die Versorgungsplanung maßgeblich auf die individuellen Wünsche auszurichten ist.

94

4  Prinzipien und Umsetzung

BEISPIEL STATIONÄR: FRAU ANDERSON Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? „Ich bin hier, weil ich mich zu Hause sehr allein fühle.“  „Hilfe benötige ich nur beim Baden, das mache ich immer samstags sowie beim Waschen des Rückens und der Füße.“  „Meine Tochter hat mich immer unterstützt. Sonst komme ich allein zurecht.“…  „Durch mein Rheuma muss ich immer schön langsam machen, aber ich habe ja Zeit.“  „Früher habe ich viele Freunde gehabt, leider sind die meisten schon tot oder in Pflege. Das macht mich traurig“. Tochter:  „sie hat sich sehr zurückgezogen“ „… mein Mann ist auch letztes Jahr verstorben, er war lange krank … Ich vermisse ihn sehr …“   „Wenn ich hier wieder neue Leute kennen lernen könnte, wäre ich dankbar“

BEISPIEL AMBULANT: HERR HELLMANN Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? „Ich schlafe tags im Sessel … wandre nachts umher … meine Lebensgefährtin wohnt nebenan; mit Staub wischen oder Saugen komme ich nicht mehr klar, fühle mich zu schlapp … Erna geht mit mir Einkaufen … nehme dann den Rollator, auch zum Hinsetzen, fühle mich sicherer … Am Wochenende kommt meine Tochter und hilft beim Duschen; Erna stellt die Medikamente, achtet darauf, dass ich sie nehme; fühle mich so abhängig; will nicht, dass sie so viel für mich tut. Fühle mich allein, wenn sie nicht da ist; bin ein sehr geselliger Mensch … möchte Hilfe im Haushalt und dass mal Jemand nach mir schaut.“

BEISPIEL Weitere Beispiele für das Feld B und für Schlussfolgerungen in der Maßnahmenplanung: bin traurig, dass ich mein zu Hause verlassen musste, aber ich war dort so einsam und ƒƒ „Ich habe den Haushalt auch nicht mehr bewältigen können. Zum Glück durfte ich meinen Wellensittich Hansi mitbringen. Leider kann ich jedoch das Futter nicht besorgen, ob Sie mir dabei wohl behilflich sein können?“ brauchte nichts, ich kann noch alles alleine- nur meine Tochter will, dass ich hier bin“. ƒƒ „Ich Als erste und einzige konkrete Maßnahme konnte die Pflegefachkraft sich mit der pflegebedürftigen Person im Gespräch darauf einigen, wie zu Hauses das Vollbad am Samstag auch in der Pflegeeinrichtung durchzuführen. Beispielsweise enthält der erste Maßnahmenplan einer pflegebedürftigen Person, die auf die Fragen zu ihrer Situation Aussagen trifft wie z. B. „Mein Mann ist gerade erst gestorben, ich möchte erst einmal ankommen. Eigentlich will ich gar nicht hier sein, ich brauche keine Hilfe …“, deutlich weniger Maßnahmen, als bei einer Person, die sofort äußert, gerne Unterstützung haben zu wollen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Mit Hilfe der drei Leitfragen, die im Übrigen für ambulant und stationär gleichlautend sind, wird der  ‚narrative Gesprächsfluss‘ angeregt, so dass die pflegebedürftige Person (mitunter auch ihre Angehörigen) die eigene Sichtweise zur Situation und zu ihren Wünschen erzählen. Gleichwohl ist es nicht erforderlich, komplette Sätze wiederzugeben. Wichtig ist, dass der Kern der ‚Botschaft‘ der pflegebedürftigen Person erfasst wird. Diese kann sich z. B. dann auch optional als Grundbotschaft verkürzt im Maßnahmenplan wiederfinden (vgl. Kap. 4.2). Dieser Gesprächseinstieg erfordert seitens der Pflegefachkraft in der Regel etwas Geduld und bedarf zunächst der Übung ggf. sogar der Schulung, um diese Form des aktiven Zuhörens und der Kommunikation zu erlernen oder hierfür wieder die notwendige Sensibilität zu erzeugen. Es gibt Pflegeeinrichtungen, die vor der Umsetzung des Strukturmodells in der Vorbereitungsphase zunächst alle Pflegefachkräfte zum Thema Gesprächsführung geschult haben, weil sie dem Gelingen dieses Dialogs mit der pflegebedürftigen Person für eine wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Implementierung des Strukturmodells große Bedeutung beigemessen haben.

Einfühlungsvermögen und Empathie der Pflegefachkraft sind gefordert Zum Einstieg in das strukturierte Gespräch mit der pflegebedürftigen Person sind also Einfühlungsvermögen und Empathie der Pflegefachkraft gefragt. Die Fragen können einzeln gestellt werden oder sich im Laufe eines Gespräches ergeben. Zum Antworten sollte ausreichend Zeit gelassen und bei Bedarf erneut aufgefordert und ermuntert werden, Wünsche und Vorstellungen zu Pflege und Betreuung zu äußern und die eigene Sicht auf ein selbstbestimmtes Leben auch mit vorhandenen gesundheitlichen Einschränkungen zu beschreiben.  „Zuhören“ ist hier die wichtigste Aktivität der Pflegefachkraft. Ergänzend besteht auch die Option, bereits einzelne Informationen oder Aussagen im Originalton einem Themenfeld zuzuordnen und dort zu dokumentieren (s. Beispiel Fr. Anna Anderson). Antworten die Angehörigen oder Betreuer deutlich schneller auf eine der gestellten Leitfragen und ist die pflegebedürftige Person noch in der Lage selbst zu antworten, ist eine einfühlsame Moderation der Pflegefachkraft gefordert, um auf die Bedeutung hinzuweisen, dass zunächst die pflegebedürftige Person und erst dann die Bezugspersonen ihre jeweilige Sichtweise schildern.

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4  Prinzipien und Umsetzung

HINWEIS Es hat sich bewährt, Angehörige, Betreuer oder andere dem Gespräch beiwohnende Bezugspersonen vorab zu informieren, dass es für den pflegerischen Auftrag von großer Wichtigkeit ist, zu erfahren, wie die Sichtweise der pflegebedürftigen Person ist und wie sie ihre Situation selbst sieht bzw. einschätzt. Dies gilt insbesondere auch bei Menschen mit dementiellen und/oder psychischen Erkrankungen. Für die Bezugsperson kann es sehr entspannend und beruhigend sein, wenn die Pflegefachkraft versichert, dass auch ihre Angaben ergänzend von großer Wichtigkeit sind und im Anschluss ebenfalls erfragt und dokumentiert werden und im gemeinsamen Einvernehmen aller Beteiligten größtmögliche Berücksichtigung bei der Versorgung finden.

Informationen der Angehörigen oder von Betreuern werden – auch wenn sie gegensätzlich zu den Aussagen der pflegebedürftigen Person stehen – ebenfalls im Feld B oder einem Themenfeld dokumentiert. Dies ist entsprechend kenntlich zu machen. Durch die Dokumentation der Äußerungen im Originalton bekommt die Pflegefachkraft einen  „ersten Eindruck“ von der pflegebedürftigen Person und erhält wichtige Botschaften für ihre nachfolgende fachliche Einschätzung in den Themenfeldern.

BEISPIEL Finden sich folgende Aussagen in Feld B oder einem Themenfeld beschrieben wie:  „Ich will meine Ruhe haben, was soll ich hier, so viele Menschen, ich war immer gerne alleine…“. Tochter äußert:  „Ja, mein Vater war immer ein Einzelgänger, er kann sich gut alleine beschäftigen…“, wird die Pflegefachkraft im (ersten) Maßnahmenplan respektvoll mit dieser Botschaft umgehen und genügend Raum für Rückzug und eigenen Beschäftigungsmöglichkeiten der pflegebedürftigen Person lassen. Finden sich aber folgenden Aussagen in Feld B oder einem Themenfeld beschrieben wie:  „Ich habe mich immer gerne bewegt, bin bis vor einem Jahr noch zur Seniorengymnastik gegangen. Ich bin stolz, dass ich noch so fit bin …“, kann die Pflegefachkraft aus dieser Botschaft eine grundsätzliche Bereitschaft zur Bewegungsförderung ableiten und entsprechend im vorläufigen Maßnahmenplan berücksichtigen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Das Gespräch bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen Aussagen von kognitiv eingeschränkten Personen, deren Sinnhaftigkeit sich im ersten Moment nicht erschließen, sind ebenso relevant wie wertvoll. Sie sind Ausdruck gewünschter Kommunikation und geben einen ersten Einblick in die individuelle Lebenswelt der pflegebedürftigen Person. Aus Beobachtungen während des Gesprächs heraus können auch nonverbale Botschaften erfasst und in Feld B oder auch im Themenfeld 1 (Kognition und Kommunikation) dokumentiert werden. Ergänzend sind die Aussagen der Bezugspersonen mit aufzunehmen.

WEITERES BEISPIEL HERR T. Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Hr. T. äußert sich nicht während des Gespräches, schaut bei direkter Ansprache oder gezielten Fragen kurz auf, antwortet jedoch nicht. Tochter:  „Ich schaffe das alles nicht mehr, mein Vater bringt mir zu Hause alles durcheinander, ich habe doch auch noch meine eigene Familie. Er ist ein ganz Lieber aber dann hat er wieder seine Phasen in denen er nur umherläuft und ich ihn nicht erreichen kann. Es ist schwer, er spricht nicht mehr, überhaupt nicht mehr…

Bei pflegebedürftigen Personen, die nicht auf Fragen antworten oder sich gar nicht äußern können, wird diese Beobachtung ebenfalls im Feld B notiert. Hierbei sind die Pflegefachkräfte nicht selten mit Situationen konfrontiert, die keinerlei Zugang zu der pflegebedürftigen Person erkennen lassen (z. B. Frau B. antworte nicht … oder Herr K. kann sich nicht mehr äußern).

WEITERES BEISPIEL FRAU B. Themenfeld 1 – Kognitive und Kommunikative Fähigkeiten Fr. B. kommuniziert nur noch in einzelnen Worten (Mama, da, da, Hilfe, nein, ja, ja), während des Aufnahmegespräches, gestikuliert sie viel mit den Armen und zeigt eine ausgeprägte Mimik. Sie wirkt dabei sehr engagiert und präsent. Aussagen ihrer Tochter kommentiert sie laut und fortlaufend mit  „da, da, ja, ja….. Tochter berichtet:  „Meine Mutter hat ihre Meinung immer kundgetan und sich an Diskussionen immer lebhaft und gerne beteiligt“…

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4  Prinzipien und Umsetzung

BEISPIEL Weitere Beispiele und Schlussfolgerungen für die Dokumentation: mit Klaus gehe ich einkaufen“ sagt die pflegebedürftige Person im Gespräch, worauf die Tochter ƒƒ „… antwortet:  „Klaus ist mein Vater – er ist vor drei Jahren verstorben“. Die Pflegefachkraft könnte im Themenfeld 1  „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ den Satz der pflegebedürftigen Person sofort im Originalton dokumentieren, da er deutlich macht, dass sie nicht zeitlich orientiert ist. Ergänzend dazu könnte sie dann im Themenfeld 5  „Leben in sozialen Beziehungen“ schreiben: Ehemann Klaus vor drei Jahren verstorben. vergesse so viel. Ich komm nicht mehr an meine Füße ran.“ ƒƒ „Ich Die Pflegefachkraft nutzt diese Information und fragt die pflegebedürftige Person, ob sie sie bei der Morgenwäsche unterstützen soll Sohn sagt:  „Mein Vater isst oder trinkt nur dann etwas, wenn ihm das Essen oder Trinken bereitƒƒ Der gestellt wird.“ Hier wird es eine Verständigung geben, dass die Pflegekräfte des ambulanten Pflegedienstes zeitgleich zur Medikamentengabe auch die Mahlzeiten begleiten werden. Nach dem ich mich vorstelle und das Gespräch eröffne, nahm Frau A. meine Hände und sagt zu mir: als Frau können das nachvollziehen, mein Mann hat sich scheiden lassen von mir und hat die ƒƒ „Sie zwei Kinder.“ Informationen zur Scheidung und den Kindern würde die Pflegefachkraft zum Themenfeld 5 „Leben in sozialen Beziehungen“ eintragen. Ebenso nimmt die Pflegefachkraft wahr, dass sich die Frau um ihre persönliche familiäre Situation sorgt und wird daher einen Eintrag dazu im Themenfeld 1 „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ tätigen: macht sich Sorgen um ihre familiäre Situation Kaffee muss mit Milch und Zucker sein.“ ƒƒ „Der Der Hinweis auf Kaffee mit Milch und Zucker wird ins Themenfeld 4  „Selbstversorgung“ eingetragen und findet später Berücksichtigung bei der Maßnahmenplanung und beim Frühstück und Nachmittagskaffee direkt.  „Ich möchte über Alles informiert werden.“  „Nach Möglichkeit viel draußen spazieren ƒƒ Betreuerin: fahren, da sie die Natur liebt …“  „Frau A. soll immer ordentlich aussehen und bequeme Kleidung tragen, die ich besorge.“ Diese Information könnte die Pflegefachkraft verwenden im Kontext des Themenfeld 2 „Mobilität und Beweglichkeit“ oder im Themenfeld 5  „Leben in sozialen Beziehungen“ und sich mit der Betreuerin darauf einigen, dass im Rahmen des Betreuungsangebotes viele Spaziergänge durchgeführt werden. muss zu einem wichtigen Termin, Sie müssen gar nichts für mich tun.“ ƒƒ „Ich Fachliche Einschätzung: Herr F. weiß aktuell nicht, wo er sich befindet, Antrieb: Pflichtbewusstsein. Lebensthema: Business. Hatte eigene Firma im Bereich Marketing.

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Das Führen des Gespräches mit kognitiv eingeschränkten pflegebedürftigen Personen bzw. das Erfassen aller für diese Pflege und Betreuung notwendigen Informationen ist im Rahmen der Einführung des Strukturmodells zu klären und intern verbindlich zu regeln.

4.1.2.3 Feld C1 – Die sechs Themenfelder zur fachlichen Einschätzung der Situation Zur Auswahl und Begründung der Themenfelder in der SIS® und ihrer wissenschaftlichen wie fachlichen Durchdringung, sowie der Wiedererkennung im Zusammenhang mit dem Begutachtungsinstrument, gibt es an verschiedenen Stellen in diesem Fachbuch hinreichend Informationen und zusätzliche Erläuterungen (siehe Kap. 1 und Kap. 8). Um außerdem eine fachliche Zuordnung und einheitliche Anwendung der Themenfelder in der SIS® zu erreichen, wurden pro Themenfeld verbindliche Leitfragen formuliert. Zusätzlich gibt es sogenannte Leitgedanken (Empfehlungen/Hinweise) zur Unterstützung einer fachgerechten Dokumentation der individuellen Situationseinschätzung durch die Pflegefachkraft. Die inhaltliche Zuordnung der sechs Themenfelder in der SIS® siehe Abb. 8. Die inhaltlichen Zuordnungen der Themenfelder orientieren sich im Wesentlichen an den acht Modulen des Begutachtungsinstruments gemäß der aktuellen Begutachtungsrichtlinie (BRi vom 15.04.2016). Die jeweils mit den Themenfeldern verbundenen Leitfragen wiederum sind aus den hinterlegten Kriterien dieser Module entwickelt worden und deshalb nicht veränderbar (vgl. hierzu auch Ausführungen im folgenden Abschnitt dieses Kapitels). Im Strukturmodell gibt es explizit keine Zuordnung zu dem Modul 3 (Verhaltensweisen und psychische Probleme) in Form eines Themenfelds. Diese Thematik wird im Konzept des Strukturmodells wegen der Querbezüge zu allen Themenfeldern sowohl in der SIS® aber auch daraus ableitend im Maßnahmenplan im Rahmen des Pflegeprozesses selbstverständlich aufgegriffen und abgebildet. Aktuelle positive wie schwierige Ereignisse einschließlich entsprechender Reaktionen hierauf werden im Rahmen des Pflegeprozesses im Berichteblatt dokumentiert und haben ggf. Auswirkungen auf eine Anpassung geplanter Maßnahmen. Die auf das Themenfeld bezogenen Leitfragen werden nicht vorgelesen, sondern situationsbezogen so formuliert, dass die pflegebedürftige Person sie verstehen und beantworten kann. Falls keine Antworten möglich sind, werden die Angehörigen (bzw. bei Bedarf die Betreuer oder andere Bezugspersonen) aktiv

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4  Prinzipien und Umsetzung

Themenfeld 1: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten Themenfeld 2: Mobilität und Beweglichkeit Themenfeld 3: krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen Themenfeld 4: Selbstversorgung Themenfeld 5: Leben in sozialen Beziehungen Themenfeld 6 (ambulant) Haushaltsführung Themenfeld 6 (stationär) Wohnen/Häuslichkeit Abb. 8: Die fünf Themenfelder der SIS® ambulant und stationär, Tages- und Kurzzeitpflege un die Unterschiede im Themenfeld 6 (TP und KZP).

eingebunden. Mitunter leiten sich die dokumentierten Inhalte zunächst auch nur aus wenigen vorhandenen Informationen und ersten (pflege)fachlichen Beobachtungen und Einschätzungen der aktuellen Situation ab, weil kein Gesprächspartner derzeit zur Verfügung steht. In dieser Situation wird ein vorläufiger Maßnahmenplan daraus abgeleitet und über einen festgelegten Zeitraum werden im Berichteblatt entweder bei allen Hausbesuchen oder in allen Schichten Informationen zur pflegebedürftigen Person gesammelt. An der Sammlung von Informationen und Beobachtungen sollten alle Mitarbeiter/- innen aus der Pflege und Betreuung beteiligt sein.

Funktion und Bedeutung der Leitgedanken zu den Themenfeldern Die Leitgedanken sind – insbesondere wenn die Anwendung der SIS® noch ungewohnt ist – hilfreiche Gedankenstützen für die Pflegefachkräfte bei dem Gespräch mit der pflegebedürftigen Person. Sie können (und sollten) von den Pflegeeinrichtungen je nach inhaltlicher Ausrichtung, einem etablierten Leitbild, bei religiöser, weltanschaulicher oder anthroposophischer Prägung oder einem zusätzlichen

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pflegetheoretischen Ansatz erweitert und mit entsprechenden Akzenten sowie fachlichen Hinweisen versehen werden (palliative Pflege, gerontopsychiatrischer oder anthroposophischer Schwerpunkt). Entscheidend ist, dass alle Pflegefachkräfte hierin geschult sind, Zugang zu den Informationen haben und ein einheitliches Vorgehen im QM Handbuch im Rahmen des Projektplans während des Einführungsprozesses hierzu festgelegt wird.

Bearbeitung der Themenfelder in der SIS® und Varianten im Vorgehen In den Themenfeldern werden also alle für die Pflege und Betreuung relevanten Informationen erfasst, die zum Zeitpunkt des Gesprächs aus unterschiedlichen Dokumenten oder auch aus einem vorliegenden Gutachten zur Verfügung stehen. Inhaltlich bauen die sechs Themenfelder aufeinander auf bzw. ergänzen sich. Relevante biografische Angaben werden ebenfalls in den Themenfeldern dokumentiert. KURZ GESAGT: Biografische Angaben Im Gespräch mit der pflegebedürftigen Person werden nicht nur die für die Pflege relevanten Informationen erfasst, sondern gerade im Hinblick auf die individuelle Versorgung wichtige biografische Rituale, Vorlieben und Wünsche.

BEISPIEL Für biografische Angaben: … Fr. K. hat 15 Kilo abgenommen, zeigt sich sehr zufrieden mit ihrem jetzigen Gewicht. Äußert:  „Ich wollte immer schlank sein, jetzt bin ich es endlich“. Wünscht keine Veränderung der Situation … … Hr. L. hat keinerlei Einschränkungen in der Mobilität, äußert noch bis vor einem Jahr regelmäßig bei der Seniorengymnastik gewesen zu sein.  „Ich war immer in Bewegung“ …

Insbesondere die Themen  „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und  „Mobilität und Beweglichkeit“ sind zentrale Themen zur Beurteilung des individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarfs in der Pflege und Betreuung. Die Reihenfolge der Themen und deren Bearbeitung variieren, d. h. je nachdem, was die pflegebedürftige Person an betreuungsrelevanten Bedürfnissen zuerst anspricht oder was durch die Pflegefachkraft beobachtet wird und von ihr angesprochen werden kann. Bei der Erfassung von Informationen in den einzelnen Themenfeldern hat sich zum Einüben folgende Vorgehensweise als geeignet erwiesen:

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4  Prinzipien und Umsetzung

Sichtweise der pflegebedürftigen Person, ggf. der Angehörigen/Betreuer (Fragen an die pflegebedürftige Person zur Eigeneinschätzung und Bedürfnissen/Wünschen)

Fachliche Einschätzung (Situationseinschätzung der Pflegefachkraft/ Themenfelder und Risikomatrix)

Verständigung pflegebedürftige Person und Pflegefachkraft (SIS® insgesamt und Maßnahmeplanung)

Abb. 9: Vorgehen (Prinzipien) bei der Anwendung der SIS® zur Umsetzung der personzentrierten Pflege

ƒƒ Zunächst schildert die pflegebedürftige Person aus ihrer Sicht, aus der eigenen Perspektive heraus betrachtet, Wünsche und Bedürfnisse zu jedem Thema. Für die Pflege und Betreuung relevante biografische Informationen werden dabei ebenfalls erhoben. ƒƒ Die Pflegefachkraft schätzt anhand ihres Fachwissens, ihrer Erfahrungen sowie aufgrund ihrer Beobachtungen während der Gesprächssituation selbst die vorhandenen Informationen zur pflegebedürftigen Person zu jedem der sechs Themen ein. ƒƒ Unter Beachtung und Berücksichtigung beider Sichtweisen ist so eine gemeinsame Verständigung zur Einschätzung der Situation erforderlich. ƒƒ Aufgrund dieser Verständigung wird von der Pflegefachkraft der individuelle Maßnahmenplan (Element 2) erstellt. Das Vorgehen verdeutlicht, Textbausteine oder ein Ankreuzverfahren können in den Themenfeldern keine Verwendung finden. Die individuelle Sichtweise der pflegebe-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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dürftigen Person zur eigenen Situation, die Einschätzung der Pflegefachkraft und die gemeinsame Verständigung hinsichtlich der aktuellen Situation sind nicht in Form von vorformulierten Sätzen abbildbar, sondern können nur frei formuliert werden. Damit wird der Fokus, die individuellen Wünsche der pflegebedürftigen Person aufzugreifen, als zentrales Element der personzentrierten Pflege und Betreuung umgesetzt und für alle Beteiligten nachvollziehbar und eindeutig dokumentiert. Sicherlich ist dies zunächst eine Herausforderung, weil viele Pflegefachkräfte nicht mehr darin geübt sind, ihre fachlichen Einschätzungen frei und knapp zu formulieren und es entsteht zunächst Unsicherheit und die Sorge  ‚etwas zu vergessen‘. Deshalb bedarf dieses Vorgehen der Übung und der Reflexion sowie der gemeinsamen Besprechung im Team. Dies kann in einer persönlichen Reflexion zwischen der Wohnbereichsleitung/Teamleitung etc. und der Pflegefachkraft oder im Rahmen von Übergaben oder durch Fallbesprechungen geschehen. KURZ GESAGT: Prinzip der Verständigung auf der Grundlage der SIS® Die persönliche Sichtweise und die fachliche Einschätzung können in einem oder mehreren Themenfeldern voneinander abweichen. Dies wird im Rahmen des Gespräches thematisiert und die Verständigung hierzu in dem jeweiligen Themenfeld knapp dokumentiert.

Nach bisherigen Erfahrungen stellt sich eine gewisse ‚Routine‘ ab der vierten oder fünften Anwendung der SIS® ein. Die Pflegefachkräfte entdecken relativ schnell, dass sich durch das Gespräch auf der Grundlage der Strukturierten Informationssammlung eine andere Wahrnehmung zur Person und eine neue Qualität des Dialogs zwischen ihnen und der pflegebedürftigen Person einstellt und ihre Vorschläge und Entscheidungen zur Versorgung hierdurch maßgeblich beeinflusst werden.

Konflikte bei der Zuordnung von Ergebnissen der Situationseinschätzung Die Dokumentation einzelner Ergebnisse der fachlichen Einschätzung ist nicht immer eindeutig einem Themenfeld zuzuordnen und es bieten sich manchmal verschiedene Themenfelder an. Mitunter gibt es auch unterschiedliche Auffassungen im Team oder Unsicherheit bei der Pflegefachkraft wie hier zu verfahren ist. Das Strukturmodell stellt aber prinzipiell auf die Fachlichkeit und fachlich begründete Entscheidungen durch die Pflegefachkraft ab und deshalb gibt es im Falle des Ermessens kein  ‚Richtig oder Falsch‘ bei der Nutzung der Themenfelder. Wichtig ist,

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4  Prinzipien und Umsetzung

dass nicht in mehreren Themenfeldern die gleichen Informationen stehen: also keine Doppelnennungen. Die Pflegefachkraft entscheidet auf der Grundlage ihres fachlichen Wissens und ihrer beruflichen Erfahrung, in welchem Themenfeld der Sachverhalt dokumentiert wird. Es sei denn, es gibt hierzu von der Pflegeeinrichtung klare Regelungen. Im Ergebnis ist entscheidend, ob ein nachvollziehbarer Zusammenhang zwischen den Ergebnissen in den Themenfeldern und der Risikomatrix sowie den geplanten Maßnahmen nachvollziehbar und schlüssig dokumentiert ist. Um in der Anwendung der Themenfelder (und eigentlich der gesamten SIS®) sukzessive Sicherheit zu erlangen, ist es sinnvoll, immer wieder den kollegialen Austausch zu suchen und Dienstübergaben sowie Fallbesprechungen hierfür zu nutzen. In welchem Themenfeld bestimmte Informationen dokumentiert werden, ergibt sich i. d. Regel aus der Situation im Einzelfall. Die Dokumentation einzelner Informationen kann wie oben ausgeführt durchaus in verschiedenen Themenfeldern ihre Berechtigung haben. Hierfür kann auch entscheidend sein, in welchem Themenfeld Aspekte von der pflegebedürftigen Person selbst oder der Pflegefachkraft thematisiert werden. Deshalb ermöglicht die abschließende Risikomatrix auch ein Bewerten eines jeden Risikos in jedem Themenfeld. Letztendlich benötigt die Pflegefachkraft konkrete Informationen auf welche Art und Weise die pflegebedürftige Person am Tag und in der Nacht oder bei dem jeweiligen Hausbesuch Unterstützung zum Erhalt ihrer Selbständigkeit benötigt.

BEISPIEL Nimmt die Pflegefachkraft während des Gespräches mit der pflegebedürftigen Person zum Beispiel ‚Kontrakturen‘ wahr, wird sie ihre Beobachtung zur Sprache bringen (zum Beispiel:   „Ich habe gesehen, sie sind in der Beweglichkeit der Fingergelenke eingeschränkt …“). Je nachdem, ob die pflegebedürftige Person durch die Fingerkontrakturen Einschränkungen in der Mobilität hat (Themenfeld 2) oder diese eine krankheitsbezogene Belastung (Themenfeld 3) darstellen oder bedingt dadurch Unterstützung bei der Selbstversorgung (Themenfeld 4) erforderlich wird, wird dies ggf. auch in einem der anderen Themenfelder angesprochen. Wiederholungen sollten jedoch vermieden werden.

Hierdurch wird zusätzlich deutlich, dass die Herausforderung, komplexe Situationen zu erfassen, anhand der SIS® darstellbar und daraus abgeleitete Entscheidungen zu Schwerpunktsetzungen in der folgenden Maßnahmenplan nachvollziehbar sind.

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Die bisherigen Erkenntnisse zeigen, dass je sorgfältiger die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung und Schulungen in den Pflegeeinrichtungen zur Einführung der Pflegedokumentation mit dem Strukturmodell sind, umso besser gelingt es, die oben beschriebene  ‚Hürde‘ zu überwinden (siehe hierzu auch Teil III). Bundesweit wird in diesem Zusammenhang berichtet, dass ein wichtiger Nebeneffekt des Strukturmodells die Wiederentdeckung der Kommunikation in ihrer Bedeutung für die Pflege ist.

Dokumentationsvarianten in den Themenfeldern Es haben sich unterschiedliche Herangehensweisen zur Dokumentation der Informationen aus dem Gespräch mit der pflegebedürftigen Person entwickelt. ƒƒ Mehrheitlich werden in den Themenfeldern die wesentlichen pflege- und betreuungsrelevanten Aspekte zur Person selbst und bei Bedarf auch das Ergebnis einer Verständigung im Hinblick auf ein bestimmtes Vorgehen festgehalten. Letzteres ist aber nicht immer zwingend in jedem Themenfeld erforderlich. ƒƒ Insbesondere im ambulanten Versorgungsbereich dokumentieren Pflegeeinrichtungen (verständlicherweise) mitunter in jedem Themenfeld regelhaft sowohl die Aussagen der pflegebedürftigen Person und/oder der Angehörigen als auch die fachliche Einschätzung durch die Pflegefachkraft, einschließlich einer möglichen Beratung zu Risiken und Phänomenen. ƒƒ Eine weitere Variante (findet sich ambulant und stationär) schließt sogar die Aussagen der Angehörigen oder des Betreuers mit ein. Hierbei dürfte es dann allerdings durch die Begrenzung des Platzes in den Themenfeldern zu Problemen kommen und ist im Sinne einer knappen Dokumentation und der Übersichtlichkeit nicht empfehlenswert.

4.1.2.4 Fachliche Hinweise zur Nutzung der einzelnen Themenfelder und Beispiele der praktischen Umsetzung Im Folgenden finden sich in den farblich hervorgehobenen Kästen (Farben der Themenfeder der SIS®), die festgelegten Leitfragen und fachliche Hinweise und Anregungen zu den vertiefenden Leitgedanken. KURZ GESAGT: Von welchen fachlichen Gedanken lässt sich die Pflegefachkraft jeweils leiten? Gibt es in der Pflegeeinrichtung fachliche Vorgaben und Festlegungen zu der Dokumentation in den Themenfeldern? Werden im Rahmen des Einführungsprozesses hierzu noch Ideen/Beispiele gesammelt und ausgewertet?

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4  Prinzipien und Umsetzung

Direkt darunter gibt es zur Ausgestaltung der Leitgedanken durch die Pflegeeinrichtungen fachliche Anregungen in Form von Beobachtungs- und weiteren Fragehinweisen. Die pflegerische Situation mit Handlungs- und Gestaltungsräumen der pflegebedürftigen Person, ihren Kompetenzen, Gewohnheiten, Risiken und fachlichen Erfordernissen ist möglichst knapp und prägnant festzuhalten. Die Leitgedanken sind eine Hilfestellung für das Gespräch, müssen aber nicht umfassend abgehandelt werden. Manchmal ergibt sich aufgrund der Gesprächssituation auch, dass nicht gleich  „Alles“ erfragt werden konnte, auch dann ist eine Maßnahmenplanung möglich und es werden „  vorläufige“ Maßnahmen geplant und die Gesamtsituation erst einmal beobachtet.

HINWEIS Letztendlich wird jede Pflegeeinrichtung (und Pflegefachkraft) ihren eigenen  ‚Stil‘ entwickeln. Deshalb erübrigt sich das Abarbeiten einer Fragenliste. Jedes Gespräch zur SIS® ist individuell. Die Fragen ergeben sich in der Regel, wenn es der Pflegefachkraft gelingt, wirklich zuzuhören und sie ihren fachlichen Impulsen zur Steuerung des Gesprächs in der jeweiligen Situation folgt („interessiertes Nachfragen“).

Ergänzend zu den Leitfragen und Leitgedanken sind Beispiele aus der Praxis (ambulante und stationäre Pflege) eingefügt. In mehreren Themenfeldern wird hier fiktiv davon ausgegangen, dass es zu einem Abstimmungsprozess zwischen der pflegebedürftigen Person und der Pflegefachkraft kommt; aus pragmatischen Gründen ‚Verständigung’ genannt. Dieses Ergebnis liefert sowohl wichtige Hinweise für die Risikomatrix als auch für den individuellen Maßnahmenplan. KURZ GESAGT: Übung zum Einstieg in die Themenfelder: 1.  Was hat die pflegebedürftige Person für Probleme? 2.  Wie geht sie selbst damit um? 3.  Was können die Mitarbeiter/innen für sie tun? Was erwartet sie? 4.  Besteht Beratungsbedarf unter den Aspekten der Selbstbestimmung? 5.  Erfolgt ein Verständigungsprozess?

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Die Leitfragen und Leitgedanken zu den Themenfeldern zur fachlichen Einschätzung Themenfeld 1 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten Festgelegte Leitfrage: Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren und zu interagieren sowie Risiken und Gefahren, auch unter Beachtung von Aspekten des herausfordernden Verhaltens, zu erkennen?

Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Hat die pflegebedürftige Person Einschränkungen beim Hören, Sehen, Sprechen oder einen besonderen Sprachgebrauch? Werden diese Einschränkungen selbstständig durch Hilfsmittel ausgeglichen? Können Wünsche und Bedürfnisse geäußert werden, ggf. nonverbal? Bestehen Einschränkungen in der Orientierung (zeitlich, örtlich etc.)? Gibt es nächtliche Unruhe, Umherwandern, Hin- und Weglauftendenzen? Kann die pflegebedürftige Person Risiken und Gefahren erkennen? Zeigen sich herausforderndes Verhalten oder andere psychische Auffälligkeiten? Welche Ressourcen gibt es zu den bestehenden Einschränkungen? Beobachtungs- und Fragehinweise, welche im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Auf welche Art und Weise spricht die pflegebedürftige Person mit mir? Gibt es Besonderheiten in der Mimik und Gestik? Äußert die pflegebedürftige Person Wünsche und Sorgen? ƒƒ Gibt es von der pflegebedürftigen Person selbst oder den Angehörigen oder anderen Bezugspersonen Hinweise zu bestimmten Risiken oder Ängsten und daraus entstandenen Gefahrensituationen? Wie wurde dem bisher begegnet? ƒƒ Gibt es besondere Verhaltensweisen, wie z. B. ein umgekehrter Tag- NachtRhythmus, sich verlaufen, Personen nicht erkennen etc.? ƒƒ Welche biografischen Aspekte und Erinnerungen werden von der pflegebedürftigen Person geschildert? ƒƒ Gibt es Hinweise auf abwehrendes, selbst- oder fremdschädigendes Verhalten in bestimmten Situationen? Wie wurde damit bisher umgegangen? Wie reagiert die pflegebedürftige Person und wie erleben dies pflegende Angehörige?

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4  Prinzipien und Umsetzung

BEISPIEL STATIONÄR – FRAU ANDERSON Themenfeld 1 – Kognitive und Kommunikative Fähigkeiten Fr. A. spricht leise, ist jedoch deutlich zu verstehen; sie trägt eine Brille, mit der sie laut eigener Aussage gut sehen kann –> letzter Augenarztbesuch war vor etwa zwei Monaten; sie wirkt traurig und durch die neue Situation und Umgebung verunsichert.

BEISPIEL AMBULANT – HERR HELLMANN Themenfeld 1 – Kognitive und Kommunikative Fähigkeiten Hr. H. äußert klar und deutlich seine Wünsche, erzählt gern, möchte in Gesellschaft sein; schläft manchmal tagsüber im Sessel und ist dann nachts aktiv. Berichtet:  „finde manchmal die Haustür nicht, die sehen alle gleich aus …“; vergisst manchmal zu essen und zu trinken; hat früher gern gekocht Beratung zum Besuch der Tagespflege – dort ist er in Gesellschaft und bekommt regelmäßig Essen und Trinken. Verständigung: Schnupperbesuch der Tagespflege; ggf. Besuch dort mehrmals die Woche.

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Leitfrage: Inwieweit ist die pflegebedürftige Person in der Lage, sich frei und selbständig innerhalb und außerhalb der Wohnung, bzw. des Wohnbereichs, auch unter Beachtung von Aspekten des herausfordernden Verhaltens, zu bewegen?

Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Gibt es Einschränkungen beim Gehen, Stehen, Sitzen oder Umsetzen (Transfer)? Besonderes Gangbild/Gangveränderungen? Gibt es Schwierigkeiten/Unsicherheiten bei der Fortbewegung innerhalb und außerhalb der Wohnung bzw. des Wohnbereiches. Werden Hilfsmittel genutzt? Falls ja, ausreichend sicher? Es ist ggf. einzuschätzen/zu beschreiben, welche Möglichkeiten die pflegebedürftige Person hat, durch Bewegung in angemessenem Umfang sich Anregung zu verschaffen sowie an der Alltagswelt teilzuhaben. Dabei wird auch herausforderndes Verhalten berücksichtigt.

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AUS DER PRAXIS: Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Wie läuft, wie sitzt die pflegebedürftige Person? Verändert sie selbständig ihre Position – innerhalb und außerhalb der Wohnung oder des Wohnbereiches? Nimmt sie Hilfsmittel oder personelle Hilfe in Anspruch? ƒƒ Liegen zum Beispiel Einschränkungen der Selbständigkeit beim Umsetzen oder dem Überwinden von Treppen vor (sofern dies im Wohnumfeld notwendig ist)? ƒƒ Bestehen in der Häuslichkeit oder im Wohnbereich bedingt durch räumliche Gegebenheiten (z. B. Möbel, Stufen etc.) Einschränkungen in der Mobilität? Welche Wünsche und Vorstellungen äußert die pflegebedürftige Person zur Beweglichkeit? ƒƒ Gibt es Hinweise zu Ängsten der pflegebedürftigen Person (z. B. verlässt ungern die Wohnung) und daraus resultierenden Gefahrensituationen? Wie wurde damit umgegangen? ƒƒ Gibt es Hinweise zu bestimmten abwehrendem Verhalten (z. B. ruheloses Umherwandern, Weg- oder Zurücklaufen)? Wie wurde damit bisher umgegangen? Wodurch kann der Situation entgegengewirkt werden? ƒƒ Hat die Person an bestimmten Bewegungsaktivitäten Freude (z. B. Tanzen, Bowlen, Gymnastik)? ƒƒ Fühlt sich die pflegebedürftige Person in der Wohnung sicher, benötigt sie Hilfsmittel ggf. Beratung zu Wohnumfeld verbessernden Maßnahmen? ƒƒ Gibt es biografische Aspekte, die für entsprechende Betreuungsangebote wichtig sind?

BEISPIEL STATIONÄR – FRAU ANDERSON Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Fr. A. läuft langsam, nutzt einen Gehstock- das Gangbild wirkt dabei unsicher; einen Rollator will sie nicht:  „den haben doch nur die ganz Kranken“. Beratung und Verständigung: in den ersten Tagen im Haus klingelt sie, wenn sie irgendwohin will und wird dann von uns begleitet Ihre Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt; sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal mehr Schmerzen bekommt Beratung zum Umgang mit Schmerzen: Sie meldet sich, wenn sie Schmerzen hat, bekommt dann ihre Bedarfsmedikation Verständigung: Rücksprache mit Hausarzt bezüglich der Schmerzmedikation und Beobachtung des Zusammenhangs mit den Bewegungsübungen.

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4  Prinzipien und Umsetzung

BEISPIEL AMBULANT – HERR HELLMANN Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Hr. H. läuft langsam und konzentriert; kommt lt. eigener Aussage in der Wohnung mit dem Gehstock zurecht; es gibt keine Schwellen; außerhalb der Wohnung nutzt er den Rollator – fühlt sich damit sicherer und nutzt ihn auch als Sitzgelegenheit zum Pausieren, da ihm das Laufen schwer fällt; ist früher gern mit seinem Hund spazieren gegangen Er äußert Angst, in der Dusche auszurutschen, wenn er alleine duschen soll (Einstieg in die Dusche ist ca. 3 cm hoch) Verständigung: Duschen nur in Anwesenheit vom Pflegedienst Beratung zum Sturzrisiko: Hr. H soll den Rollator zur Sicherheit auch innerhalb der Wohnung benutzen; er will daran denken und seine Lebensgefährtin ihn ggf. daran erinnern; Einkäufe finden nur in Begleitung der Lebensgefährtin statt.

Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen Leitfrage: Inwieweit liegen krankheits- und therapiebedingte sowie für Pflege und Betreuung relevante Einschränkungen bei der pflegebedürftigen Person vor?

Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Wie nimmt die pflegebedürftige Person Belastungen durch Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit wahr und wie geht sie damit um (z. B. Diabetes/Zustand nach Apoplex etc.). Auch die Kooperation der pflegebedürftigen Person im Hinblick auf therapeutische Settings (z. B. Physio-, Ergotherapie) und Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung von Phänomenen (z. B. Schmerz, Inkontinenz) oder deren Kompensation kann hier von Bedeutung sein. Insbesondere im ambulanten Bereich wird erfasst, ob die pflegebedürftige Person medizinisch notwendige Maßnahmen selber durchführen kann (z. B. Insulingabe, ATS, Wundbehandlung, O²-Gabe).

HINWEIS Die Erfassung und Dokumentation von Diagnosen, ärztlichen Therapien oder Medikamenten erfolgt in entsprechenden Formularen (z. B. Stammblatt, Medikamentenblatt, Ärztlicher Kommunikationsbogen).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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AUS DER PRAXIS: Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Wie sieht die pflegebedürftige Person die eigene gesundheitliche Situation? ƒƒ Welche mit der Erkrankung und ihren Belastungen zusammenhängende pflegerische und fachliche Unterstützung benennt die pflegebedürftige Person z. B. Hilfe beim Stehen oder beim Anziehen von Kompressionsstrümpfen? ƒƒ Wie erlebt sie ihre Situation (z. B. wirkt aufgeklärt oder hat wenig Informationen) und wie erleben pflegende Angehörige dies? ƒƒ Wird Unterstützung angenommen oder abgelehnt? ƒƒ Ist Anleitung zu Hilfsmitteln notwendig? ƒƒ Gibt es Hinweise zu bestimmtem abwehrendem Verhalten (z. B. von Diät oder Verwendung von Hilfsmitteln) und daraus resultierenden Gefahrensituationen? Wie wurde damit umgegangen?

BEISPIEL STATIONÄR – FRAU ANDERSON Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen Fr. A. ist nach Einnahme der Schmerzmedikamente oft übel:  „dann mag ich auch nichts essen“, Kamillentee hilft ihr jedoch etwas; die Schmerzen in den Finger-, Hand-, Fuß-, und Kniegelenken schätzt sie aktuell als erträglich ein, fühlt sich dadurch nicht eingeschränkt; warme Fuß- und Handbäder bringen ihr Linderung, falls die Schmerzen zunehmen;  „das hat bislang immer geholfen“ Verständigung: wenn sich die Schmerzen verstärken bzw. Übelkeit auftritt, meldet sie sich; die Unterstützung bei der Versorgung wird besonders behutsam durchgeführt.

BEISPIEL AMBULANT – HERR HELLMANN Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen Hr. H. bemerkt seine Einschränkungen und sagt, dass es ihn belastet und er sich mehr und mehr hilflos fühlt. Er will nicht auf andere Personen angewiesen sein; Lebensgefährtin berichtet, dass er manchmal vergisst die Medikamente zu nehmen; er selbst berichtet von Schwindelanfällen und Herzrhythmusstörungen und dass er einen Herzschrittmacher hat Verständigung: Übernahme des Medikamentenstellens und der Verabreichung

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4  Prinzipien und Umsetzung

Themenfeld 4 - Selbstversorgung Leitfrage: Inwieweit ist die Fähigkeit der pflegebedürftigen Person zur Körperpflege, zum Kleiden, zur Ernährung und zur Ausscheidung eingeschränkt?

Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: In diesem Themenfeld geht es um die individuelle Erfassung, inwieweit die pflegebedürftige Person in der Lage ist, z. B. Körperpflege, Ankleiden, Essen und Trinken etc. selbstständig oder mit Unterstützung vorzunehmen. Ziel ist der Erhalt der Fähigkeiten und größtmögliche Selbstständigkeit. Dabei werden individuelle Wünsche und Rituale erfasst, die für die Versorgung relevant sind. Eventuelle fachliche oder ethische Konflikte zu den oben genannten Themen und dem dazu erfolgten Verständigungsprozess werden festgehalten. Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Wie sieht die pflegebedürftige Person die eigene Situation hinsichtlich Selbstversorgung, z. B. bei der Körperpflege und Ernährung? ƒƒ Wie hat die pflegebedürftige Person sich täglich versorgt? Welche Rituale oder Vorlieben gibt es? ƒƒ Wie selbstständig kleidet sich die pflegebedürftige Person an oder aus? ƒƒ Zu welchem Tageszeitpunkt hat die Körperpflege stattgefunden? ƒƒ Worauf legt sie besonderen Wert bei der Kleidung? ƒƒ Zu welchen Zeiten wurden Mahlzeiten eingenommen? Was wird gerne gegessen und getrunken? Welche Unterstützung ist in welchem Umfang erforderlich? ƒƒ Gibt es gesundheitliche Einschränkungen bei der Nahrungsaufnahme (z. B. Unverträglichkeiten, Abneigungen)? ƒƒ Gibt es Hinweise zu bestimmtem abwehrendem Verhalten (z. B. Ablehnung von Maßnahmen zur Unterstützung). Wodurch kann der Situation entgegengewirkt werden?

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BEISPIEL STATIONÄR – FRAU ANDERSON Themenfeld 4 – Selbstversorgung Fr. A. möchte Hilfe bei der Mund- und Körperpflege und beim Vollbad (auf Wunsch am Samstagvormittag); kleidet sich selbst an, benötigt Hilfe beim Verschließen von Knöpfen; sie trägt gern weite Kleidung;  „das Essen schmeckt allein nicht so gut“; sie mag gern süßen Milchbrei, Eintöpfe, Kuchen aber keinen Fisch. Laut eigener Aussage trinkt sie täglich etwa 3 Tassen Milchkaffee und eine Kanne Kräutertee – möchte das hier auch; Sie trägt eine Inko-Einlage zur Sicherheit,  „da ich manchmal nicht schnell genug die Hose auf bekomme“ Verständigung: Sie meldet sich, wenn sie auf die Toilette muss, wird dann begleitet und unterstützt.

BEISPIEL AMBULANT – HERR HELLMANN Themenfeld 4 – Selbstversorgung Hr. H. benötigt nur Hilfe beim Duschen- Verständigung: 3x wöchentlich vormittags; Frühstück und Abendbrot isst er mit der Lebensgefährtin, mittags wird Essen geliefert, aber das vergisst er zu essen (am Wochenende kocht die Lebensgefährtin oder Tochter); er hat in den letzten sechs Monaten 5 Kilo an Gewicht verloren. Kleidung sitzt etwas locker, wirkt noch normalgewichtig. Beratung zu Möglichkeiten der Nahrungsergänzung (Trinknahrung) sowie das Angebot ergänzender Leistungen durch den PD. Wollen Trinkpäckchen und Obst ausprobieren, ergänzende Leistungen zur Nahrungsaufnahme durch Pflegedienst derzeit nicht gewünscht.

Themenfeld 5 – Leben in soziale Beziehungen Leitfrage: Inwieweit kann die pflegebedürftige Person Aktivitäten im näheren Umfeld und im außerhäuslichen Bereich selbst gestalten?

Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Selbstständige oder/und mit Unterstützung gestaltete Aktivitäten im Tagesablauf der pflegebedürftigen Person werden individuell und situationsgerecht beschrieben. Ebenso wird erfasst, wer aus dem privaten Umfeld der pflegebedürftigen Person dabei ggf. Unterstützung leisten kann. In diesem Themenfeld können z. B. die sozialpfle-

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4  Prinzipien und Umsetzung

gerischen, weltanschaulichen und konfessionell bedeutsamen Aspekte aufgenommen werden. Pflegerelevante biografische Angaben der pflegebedürftigen Person finden hier besondere Berücksichtigung. Je nach Situation können auch Hinweise zum Thema Tod und Sterben aufgenommen werden. Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Mit welchen Menschen steht die pflegebedürftige Person noch in Kontakt? Wer ist ihr und wofür wichtig? Nutzt die pflegebedürftige Person Telefon oder PC für Kontakte? Besteht Interesse an neuen Kontakten? ƒƒ Welche Freizeitaktivitäten (z. B. Hobbys) nimmt die pflegebedürftige Person selbstständig oder mit Unterstützung wahr? ƒƒ Gestaltet die pflegebedürftige Person ihren Alltag selbst? Von wem bekommt sie ggf. Unterstützung? ƒƒ Gibt es Hinweise zu Verhalten in bestimmten Situationen (z. B. Ablehnung von Besuchen von Angehörigen oder Freunden). Besteht die Gefahr sozialer Isolation? Wie wurde bisher damit umgegangen? Wodurch kann der Situation entgegengewirkt werden? ƒƒ Gibt es für die pflegebedürftige Person ein  „Lebensthema“? Was ist ihr wichtig (z. B. besondere Wünsche beim Ruhen und Schlafen)?

BEISPIEL STATIONÄR – FRAU ANDERSON Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen Fr. A. beschreibt sich selbst als gesellig und lebensfroh, hat eine enge Bindung zur Tochter  „sie muntert mich immer auf … wenn ich sie nicht hätte …“ Tochter ist durch Familie und Beruf stark eingebunden. Fr. A. erzählt, dass sie bis zur Rente als Verkäuferin gearbeitet hat und die Gespräche mit den Kunden liebte; betont, dass sie bis heute noch sehr gut Kopfrechnen kann, daher füllt sie gern Sudoku aus und hat ihre Rätselhefte alle mitgebracht. Verständigung: über die Gruppenangebote im Haus wird sie täglich informiert. Sie will erst mal nur an den Vormittagen teilnehmen, damit sie ihre Tochter empfangen kann, falls diese sie besuchen kommt oder um kleine Spaziergänge im Garten zu machen; am  „Kaffeekränzchen“ am Mittwochnachmittag will sie allerdings teilnehmen.

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BEISPIEL AMBULANT: HERR HELLMANN Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen Hr. H. fühlt sich abhängig von seiner Lebensgefährtin und möchte, dass sie entlastet wird; die Tochter kommt regelmäßig,  „der Kontakt zu ihr und den Enkelkindern ist gut“; sie holen ihn ab und zu über das Wochenende ab. Verständigung: Besuch der Tagespflege, um in Gesellschaft zu sein, dort z. B. Kochangebote nutzen, in Begleitung spazieren gehen, sich über Sport unterhalten, gemeinsam Fernsehen schauen.

Themenfeld 6 – stationär: Wohnen und Häuslichkeit Hier hat das Expertengremium keine zusammenfassende Leitfrage aus den Kriterien eines Moduls des Begutachtungsinstruments abgeleitet. Das Themenfeld entstand auf Anregung der Teilnehmer/-innen am Praxistest (stationär). Sie gaben an, dass aufgrund der standardisierten Zimmerausstattung i.d.R. zu wenig Aufmerksamkeit dem Gestaltungsspielraum zur individuellen Ausstattung eines Zimmers gäbe. Es sei deshalb notwendig, dass Pflegefachkräfte die Initiative ergreifen und diesen Aspekt aktiv ansprechen. Unter dem Eindruck des Einzugs und der Eingewöhnungsphase getrauen sich pflegebedürftige Personen und/oder ihre Angehörigen häufig nicht, diese Wünsche anzusprechen oder weil diese Möglichkeit nicht bekannt ist. Die Gruppe hat deshalb angeregt, auch in der SIS® stationär diesen Aspekt als sechstes Themenfeld einzufügen. Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Bedürfnisse im Hinblick auf das Wohnen in einer stationären Einrichtung werden individuell und auf die Biografie bezogen beschrieben. Dies ist u. a. wichtig zur Förderung des Wohlbefindens, ermöglicht Orientierung und schafft Vertrauen in die unmittelbare neue Lebenswelt. Dies gilt insbesondere bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen. Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Wie möchte die pflegebedürftige Person das eigene Zimmer oder den zur Verfügung gestellten Wohnbereich persönlich gestalten? Gibt es kleinere Möbel (Anrichte, Sessel, Stehlampe usw.) oder Erinnerungsstücke (Bilder, Bücher, Vasen usw.), die schon mitgebracht wurden oder noch zu organisieren sind? Worauf wird besonderen Wert gelegt (z. B. Zimmertemperatur, Lüften, Bettmachen)?

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4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Wie kann die örtliche Orientierung unterstützt werden? Ist eine Kennzeichnung der Zimmertür zur Wiedererkennung gewünscht? ƒƒ Gibt es Hinweise zu bestimmten Verhalten (z. B. sich nicht um den eigenen Wohnbereich kümmern) und daraus resultierenden Gefahrensituationen (z. B. persönliche Hygiene)? Wie wurde bisher damit umgegangen? ƒƒ Hat die pflegebedürftige Person in der Häuslichkeit Tiere oder Pflanzen, die mit in das neue Wohnumfeld umziehen sollen? Kann die pflegebedürftige Person sich selbst darum kümmern oder benötigt sie Hilfe?

BEISPIEL STATIONÄR: FRAU ANDERSON Themenfeld 6 – Wohnen und Häuslichkeit Fr. A. bringt noch ihren Sessel, den TV sowie einen kleinen Teppich mit. Im Zimmer hat sie schon viele Fotos der Familie und von Ausflügen mit Freunden aufhängt und aufgestellt; ihre Fotoalben hat sie immer auf der Anrichte liegen. Sie liebt eine aufgeräumte Wohnung, die gut gelüftet ist (jedoch nicht zu kalt). Verständigung: der Teppich wird mit Klebeband am Fußboden fixiert. Den Bettausstieg wünscht sie sich wie zu Hause auf der rechten Seite; zu Hause hat sie den Haushalt selbst geführt, sie kochte gern und hat auch gern abgewaschen …  „das tat den Händen gut“.

Themenfeld 6 – ambulant: Haushaltsführung Hier hat das Expertengremium keine zusammenfassende Leitfrage aus den entsprechenden Kriterien des Moduls des Begutachtungsinstruments abgeleitet. Leitgedanken zu möglichen Perspektiven in diesem Themenfeld: Die selbstständige oder mit Unterstützung erfolgte Organisation und Bewältigung des eigenen Haushalts der pflegebedürftigen Person wird situationsgerecht beschrieben. Dies betrifft z. B. Einkaufen, Kochen und Waschen etc. Die Abstimmung mit Angehörigen über ein arbeitsteiliges Vorgehen in der Versorgung spielt eine wichtige Rolle. Hierbei kann es auch um die nachvollziehbare Beschreibung von Konflikt-, Risiko- und Aushandlungssituationen gehen, die sich infolge psychischer und sozialer Pflege-, Wohn- und Lebenssituationen ergeben.

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HINWEIS Hilfe- und Unterstützungsbedarf im Bereich der Haushaltsführung sind in der Regel ein erster Hinweis auf eine beginnende Pflegebedürftigkeit. Es ist ein vordringliches Ziel, Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person zur Selbstständigkeit zu unterstützen, damit sie in ihrem gewohnten Wohnumfeld verbleiben kann.

Beobachtungs- und Fragehinweise, die im Rahmen des Gespräches für die Einschätzung der Situation hilfreich sein könnten: ƒƒ Wie ist die Wohn- und Lebenssituation der pflegebedürftigen Person? ƒƒ Wie und durch wen ist der Haushalt organisiert? (z. B. Reinigung der Wohnung, Erledigung des Einkaufs, Wäscheversorgung, Mahlzeitenzubereitung) ƒƒ Ist Unterstützung/Begleitung beim Verlassen der Wohnung gewünscht (z. B. für Arztbesuche und Einkäufe)? ƒƒ Ist der Zugang zur Wohnung sichergestellt? Gibt es Haustiere? ƒƒ Gibt es Hinweise zu bestimmten Verhalten im Hinblick auf die Organisation des Haushalts und die persönliche Hygiene und daraus resultierender Gefahrensituationen (z. B. Verlust der Wohnung)? Wie wurde damit bisher umgegangen? Wie kann der Situation entgegengewirkt werden?

BEISPIEL AMBULANT – HERR HELLMANN Themenfeld 6 – Haushaltsführung Hr. H. wünscht sich Hilfe im Haushalt; Einkauf und Wäsche erledigt er weiterhin mit seiner Lebensgefährtin; er hat früher in der Landwirtschaft gearbeitet. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin hat er noch einen kleinen Schrebergarten, in dem sie sich gerne aufhalten. Verständigung: Unterstützung bei der Wohnungsreinigung (Wunsch: Di + Do am Vormittag)

Themenfeld 6 – Tagespflege: Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen Leitgedanken hierzu sind: Wodurch kann die Stärkung und Förderung der Alltagskompetenz des Pflegebedürftigen mittels gezielter Maßnahmen während des Aufenthaltes in der Tagespflege unterstützt werden? Mit wem, ist hierüber gesprochen worden? Von wem kommen die Hinweise hierzu?

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4  Prinzipien und Umsetzung

Besteht primär ein Rückzugsbedürfnis des Tagespflegegastes? Sind die Zusammenhänge hierfür bekannt und angesprochen worden(z.B. häusliche Situation, Wunsch nach Autonomie, biografische Aspekte, Belastung durch chronische Erkrankung)? Wie kann diesem individuellen Wunsch im Ablauf der Tagespflege organisatorisch Rechnung getragen werden?

BEISPIEL TAGESPFLEGE Themenfeld 6 – Tagespflege: Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen Thema 1: Ehefrau wünscht sich eine gezielte Förderung der Nahrungsaufnahme ihres Mannes: „…es wäre schön, wenn er wieder sein Brot alleine essen könnte, ihm war Selbständigkeit immer so wichtig…“ Thema 2: Frau M. wünscht sich ausdrücklich Möglichkeiten des Rückzugs, möchte nicht an Beschäftigungen teilnehmen. VERTSTÄNDIGUNG: Kann jederzeit den Ruhesessel im Kaminzimmer nutzen, kein aktives Auffordern zu Angeboten. Frau Meier entscheidet selbstbestimmt über eine eventuelle Teilnahem an Aktivitäten.

Themenfeld 6 – Kurzzeitpflege: Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes/Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege Leitgedanken hierzu sind: Inwieweit kann die Wahrung der Individualität auch während des begrenzten Aufenthaltes in der Kurzzeitpflege unterstützt werden? Welche Wahrnehmung hat der Kurzzeitpflegegast zu seiner veränderten gesundheitlichen oder häuslichen Situation und einer möglichen weiteren Versorgung? Welche Einschätzung hat die Pflegefachkraft zur Versorgung die pflegebedürftige Person nach dem Aufenthalt in der Kurzzeitpflege? Gibt es verschiedenen Perspektiven die angesprochen werden sollten? Wer ist in diesem Punkt ein wichtiger Gesprächspartner für den Gast? Mit wem kann/ muss der Klärungsprozess begonnen und/oder weiterverfolgt werden?

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BEISPIEL KURZZEITPFLEGE Themenfeld 6 – Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes/Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege Kurzzeitpflege Thema 1: Tochter betont die Wichtigkeit der „Puppe Lena“ von Frau H. „Sie muss immer dabei sein, sonst wird meine Mutter unruhig“. Wichtig: die Puppe muss morgens ebenfalls mit ins Bad genommen werden. Frau H. wäscht diese dann. Kurzzeitpfleg Thema 2: Herr D. möchte ausprobieren wie es für ihn ist, in einer Einrichtung zu leben. Nach der Entlassung der Tochter aus dem KH soll eine Entscheidung zum weiteren Aufenthalt gemeinsam mit der ganzen Familie getroffen werden. Die Familie bevorzugt den Einzug in eine stationäre Einrichtung. Herr D kann sich dagegen einen Umzug ins Servicewohnen ebenso gut vorstellen.

4.1.2.5 Feld C2 – Die Risikomatrix zur fachlichen Einschätzung von Risiken und Phänomenen im Zusammenhang der Themenfelder Die Verschränkung der wesentlichen Risikobereiche mit den Themenfeldern in der Matrix ermöglicht eine situationsbezogene (Erst) Einschätzung zur individuellen Situation der pflegebedürftigen Person. Die Risikomatrix hat die Funktion einer fachlichen  ‚Befunderhebung‘ durch die Pflegefachkraft und erfordert zusätzlich eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen. Die Abkehr des schematischen Einsatzes von Checklisten und Erhebungsinstrumenten als Prinzip im Strukturmodell hat den Vorteil, dass Risiken und Phänomene nun im konkreten Zusammenhang mit dem Befund in den Themenfeldern betrachtet werden. Pflegerische Probleme der pflegebedürftigen Person werden nicht mehr isoliert (‚nebeneinander pro Risiko‘), sondern im Hinblick auf ihre Gesamtsituation (im Überblick) wahrgenommen und eingeschätzt.

HINWEIS ®

Die Risikomatrix im Feld C2 wurde eigens für die SIS von Frau Prof. M. Roes entwickelt. Das prinzipielle Vorgehen der Risikoeinschätzung im Strukturmodell mit dem Fokus der pflegefachlichen Entscheidung wurde in der pflegefachlichen wie juristischen Expertengruppe unter verschiedenen Aspekten diskutiert und bestätigt.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Die Risikomatrix wurde – in diesem Feld der SIS® abweichend von dem sonstigen Vorgehen – mittels Ankreuzsystematik zusammengestellt. Neben fünf (der sechs) Themenfelder SIS® (Feld C1) enthält sie die in der Langzeitpflege am häufigsten vorkommenden Risikobereiche, die mit zunehmenden Alter und bei vorliegender Pflegebedürftigkeit von herausragender Bedeutung sind. Es sind die Themen Dekubitus, Sturz, Ernährung Inkontinenz und Schmerz.

ambulant

stationär/teilstationär

Abb. 10: Struktur und Inhalt der Risikomatrix ambulant, stationär und teilstationär in der SIS®

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KURZ GESAGT: Prinzip der Risikomatrix Die Risikomatrix stellt eine (Erst-) Einschätzung) dar. Mit der Risikomatrix und der Frage danach, ob eine weitere Einschätzung erforderlich ist, wird im Strukturmodell von einer schematischen Anwendung diverser schriftlicher Assessments Abstand genommen. Eine individuelle pflegefachliche Entscheidung wird hier ausdrücklich als Prinzip in den Vordergrund gestellt. 

Die Spalte ‚Sonstiges’ am Ende der Risikomatrix symbolisiert, dass es sich bei dieser Risikomatrix nicht um eine abschließende Aufzählung handelt, sondern die Risikomatrix bei Bedarf um ein weiteres festgestelltes Risiko ergänzt werden kann. Dies kommt aber in der Regel sehr selten vor (z. B. Intertrigo bei sehr starkem Übergewicht). Die definierten Themenfelder und diese Risikobereiche stehen im Hinblick auf eine fachlich angemessene Situationseinschätzung bei Pflegebedürftigkeit in einem engen Zusammenhang, z. B. spielen Mobilität und Bewegung in allen Risikobereichen eine herausragende Rolle.

BEISPIEL Die Pflegefachkraft führt zu Beginn des pflegerischen Auftrags und nachdem sie Informationen zu den verschiedenen Themenfeldern erfasst hat, hier eine pflegefachliche Einschätzung durch. Sie kombiniert die bisherigen Informationen (z. B. zum Themenfeld Mobilität und Beweglichkeit) mit dem Phänomen (z. B. Inkontinenz) und schätzt ein, inwiefern sich diese gegenseitig beeinflussen (z. B. Bewegungsbeeinträchtigung nach Hüft-OP und Gang zur Toilette). Die Pflegefachkraft schätzt ein, ob aus dieser Kombination schon ein Risiko vorliegt (ankreuzen ja) oder nicht (ankreuzen nein).

Verfahren der Anwendung der Risikomatrix – zwei Varianten im Vorgehen Die Risikomatrix wird je Themenfeld von links nach rechts ausgefüllt. Es werden nacheinander die Informationen pro Themenfeld in Verbindung mit den Risiken/ Phänomenen ‚Dekubitus’, ‚Sturz’, ‚Inkontinenz’ und ‚Schmerz’ und ‚Ernährung’ fachlich bewertet und entsprechend mit ja oder nein angekreuzt. Die Risikomatrix wird je Risiko/Phänomen von oben nach unten ausgefüllt. Ausgehend von dem jeweiligen Risiko/Phänomen werden die Informationen hierzu aus jedem der Themenfelder fachlich bewertet und entsprechend mit JA oder NEIN angekreuzt.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Variante A

Variante B

Abb. 11: Ausfüllvarianten der Risikomatrix

ƒƒ EFFEKT DER VARIANTE A: Die Pflegefachkraft setzt sich mit der Risikoeinschätzung auseinander, in dem sie zur Einschätzung und Bewertung der Risiken und Phänome in einem Themenfeld verweilt und sich auf das Themenfeld konzentriert. Aufgrund dieser Vorgehensweise wird die Aufmerksamkeit auf mögliche Ursachen und Wechselwirkungen von Risiken/Phänomenen gelenkt. ƒƒ EFFEKT DER VARIANTE B: Die Pflegefachkraft legt ihren Fokus auf die einzelnen Risiken und Phänomene und setzt diese in Bezug zu jedem einzelnen Themenfeld. Aufgrund dieser Vorgehensweise wird die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung des Risikos/Phänomen zu möglichen Zusammenhängen in allen Themenfeldern gelenkt.

HINWEIS Im Rahmen dieses Vorgehens ist darauf zu achten, nicht wieder in das herkömmliche Ankreuzverfahren von Checklisten („von oben nach unten“) zu verfallen, ohne den erforderlichen Zusammenhang zu den Themenfeldern herzustellen.

Aus Sicht des Teams Ein-STEP sind beide Varianten möglich. Die Entscheidung zum Vorgehen ist in das Ermessen der Pflegeeinrichtung gestellt.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

123

Der Prozess der fachlichen Entscheidung im Umgang mit der Risikomatrix im Einzelnen: Die Pflegefachkraft fragt sich: Ergeben sich aufgrund der dokumentierten Aussagen in einem oder mehreren Themenfeldern Hinweise auf ein Risiko? Sie beantwortet die Frage mit ja oder nein. ƒƒ Falls nein, ist die Einschätzung abgeschlossen. ƒƒ Falls ja, ist die nächste Frage zu beantworten: Ist eine weitere Einschätzung notwendig – ja oder nein? ƒƒ Falls nein, plant die Pflegefachkraft direkt entsprechende Maßnahmen, da aus ihrer Sicht hierfür ausreichend Informationen aus der SIS® einschließlich der Risikomatrix vorliegen. ƒƒ Falls ja, entscheidet die Pflegefachkraft wodurch die weitere Einschätzung erfolgen soll (befristete Beobachtungsphase oder weitere Fachexpertise oder standardisiertes Instrument). Je nach Entscheidung findet sich das Ergebnis im Maßnahmenplan wieder. Abschließend, wenn alle Risiken und Phänomene eingeschätzt wurden, ist zu prüfen, ob es aufgrund der in verschiedenen Themenfeldern erfassten und dokumentierten Aussagen der pflegebedürftigen Person (ggf. auch von Betreuern, Angehörigen) Hinweise auf ein weiteres Risiko in einem Themenfeld gibt, welches in der Spalte ‚Sonstiges’ eingetragen werden kann. Dies würde in der gleichen Vorgehensweise durch die Pflegefachkraft bewertet und die Fragen entsprechend beantwortet werden. Die Spalte  „Sonstiges“ kann, muss aber nicht genutzt werden. WICHTIG: Insbesondere ist zu beachten, dass in dieser Spalte keine Prophylaxen eingetragen werden. Prophylaxen sind Maßnahmen, deren Durchführung im individuellen Maßnahmenplan beschrieben werden und sich aus den Erkenntnissen der SIS® ableiten. Dieses systematische Vorgehen der Risikoeinschätzung im Strukturmodell entspricht und unterstützt die Logik einer schlanken Pflegedokumentation. Die Situation der pflegebedürftigen Person ist jederzeit fachlich nachvollziehbar. Unabhängig davon ist eine fortlaufende (Kranken-)Beobachtung wesentlicher Bestandteil pflegefachlichen Handelns und die Einschätzung pflegerelevanter Risiken setzt grundsätzlich entsprechendes Fachwissen der einschätzenden Pflegefachkraft voraus. Hierzu liegen durch die Expertenstandards des DNQP hervorragende Informationen und fachliche Empfehlungen zu aktuellem pflegerischem Wissen vor.

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4  Prinzipien und Umsetzung

JA

JA

Befristete Beobachtung?

Weitere Fachexpertise?

Weitere Einschätzung notwendig?

Ende NEIN

Planung der Maßnahme aus vorliegenden Informationen

Standardisiertes Instrument?

Vorläufige Maßnahmeplanung erneute Risikoeinschätzung

NEIN

Risiko?

Ende

Sammlung von Informationen

Auswertung von Informationen

unklar

Risikoeinschätzung bestätigt?

nicht bestätigt

Ende

Beibehalt der Maßnahmen, ggf. Anpassung

Ende

Abb. 12: Systematischer Ablauf von Entscheidungen bei Anwendung der Risikomatrix und Anforderungen an die Dokumentation

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

125

HINWEIS Es ist zu beachten, dass in der Risikomatrix ausschließlich eine (Erst-) Einschätzung zu vorliegenden Risiken vorzunehmen ist und nicht ein bestehender pflegerischer Hilfebedarf (z. B. Medikamente reichen, Unterstützung beim Essen, Hilfe bei der Benutzung von Inkontinenzmaterialien, etc.) in der Matrix einem Risikobereich zugeordnet wird.

Die Anwendung der Risikomatrix und damit ein grundsätzlich verändertes Vorgehen der Risikoeinschätzung wird von den Pflegenden aber auch dem Qualitätsmanagement von Einrichtungen, aus je unterschiedlicher Perspektive immer wieder als ‚die große Herausforderung‘ bei der Umsetzung des Strukturmodells geschildert. Bei sachgerechter Anwendung des Strukturmodells kann aber eigentlich nicht wirklich etwas ‚falsch‘ gemacht werden oder Sorge bestehen, etwas zu ‚vergessen‘. Eine möglicherweise nicht zutreffende Einschätzung durch die Pflegefachkraft fällt unmittelbar durch tagesaktuelle Einträge im Berichteblatt sofort auf. Es kann in der Dienstübergabe oder kollegial angesprochen und unmittelbar darauf reagiert werden. Auch eine Veränderung (akut oder schleichend) der erfolgten Situationseinschätzung ist durch die Konzentration auf Abweichungen im Berichteblatt frühzeitig erkennbar. In der Folge findet eine erneute Einschätzung der Situation mittels Evaluation statt und je nach Ergebnis ist eine Anpassung des Maßnahmenplans, ggf. auch die Neuerstellung der SIS® erforderlich (vgl. Teil II, Kap. 4.3 und 4.4).

ERNEUTE EINSCHÄTZUNG Im Berichteblatt erfolgt von der Pflegekraft eine Eintragung am 09.04.2015: Habe Hr. H. heute vor dem Haus in Gummilatschen spazieren gehen sehen und später zum Sturzrisiko beraten: bitte immer festes Schuhwerk tragen. Lebensgefährtin gebeten, mit darauf zu achten. Im Maßnahmenplan wird neu geplant: LK6  „Hilfestellung beim Verlassen und Wideraufsuchen der Wohnung“: Auf festes Schuhwerk achten;

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4  Prinzipien und Umsetzung

Vermutlich verunsichert anfänglich, dass es Ermessenspielräume durch die Pflegefachkraft im Rahmen der Risikoeinschätzung gibt und trotzdem jede Variante fachlich ihre Berechtigung hat. Diese sind maßgeblich beeinflusst vom Stand des aktuellen Wissens und der beruflichen Erfahrung der Pflegefachkraft sowie der Güte interner Regelungen zur Qualitätssicherung in der Pflegeeinrichtung. Im Folgenden sind entlang der oben dargestellten Vorgehensweise und des Flussdiagramms vier Fallkonstellationen (A-D) möglicher Entscheidungen zur Risikomatrix aufgezeigt.

4.1.2.6 Fallkonstellationen im Rahmen der Anwendung der Risikomatrix Fallkonstellation A: Die Frage nach einem Dekubitusrisiko wurde mit NEIN beantwortet. Die Einschätzung ist abgeschlossen. BEISPIEL: Das Gespräch zwischen Frau Z. und der Pflegefachkraft entlang der Felder der SIS® hat keine Hinweise auf ein Dekubitusrisiko ergeben. Die Pflegefachkraft hat deshalb die Frage nach einem Dekubitusrisiko im Abgleich mit allen Themenfeldern mit nein beantwortet. Damit besteht kein weiterer Handlungsbedarf. In der EDV-gestützten Dokumentation wird dieses Vorgehen gelenkt, in dem kein weiteres Ankreuzen möglich ist und die Felder ausgegraut sind. Die Einschätzung ist abgeschlossen.

Abb. 13: Fallkonstellation A

HINWEIS In wieweit sich diese Einschätzung durch die Pflegefachkraft bestätigt oder nicht, wird sich im Rahmen der Verlaufsbeobachtung zeigen. Der immanenten, pflegefachlich gebotenen  „(Kranken-)Beobachtung“ wird mit dieser neuen Herangehensweise in der Risikoeinschätzung wieder die ursprüngliche Aufmerksamkeit zuteil.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Fallkonstellation B: Die Frage nach einem Sturzrisiko wurde mit JA beantwortet. Die weitere Frage  „Ist eine weitere Einschätzung notwendig?“ – mit NEIN. BEISPIEL: In dem Themenfeld 2 ,Mobilität und Beweglichkeit‘ gibt es folgende Hinweise in Bezug auf das Sturzrisiko bei Frau Z.:

BEISPIEL FRAU Z.: Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Fr. Z. läuft langsam, das Gangbild wirkt dabei unsicher. Sie nutzt einen Gehstock, einen Rollator möchte sie nicht nutzen  „den haben doch nur die ganz Kranken“. Die Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt. Sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal ihre Schmerzen verstärkt werden. Fr. Z. auf das erhöhte Sturzrisiko hingewiesen. Verständigung: In den ersten Tagen im Haus akzeptiert Fr. Z. die Begleitung durch eine Pflegeperson. Sie klingelt, wenn sie zur Toilette oder in den Speisesaal möchte.

Die Pflegefachkraft kommt zu dem Ergebnis, dass ein Sturzrisiko vorliegt und kreuzt deshalb ihre Entscheidung in dem betreffenden Kästchen mit JA an. Darüber hinaus entscheidet sie, dass keine weitere Einschätzung notwendig ist und kreuzt deshalb in dem betreffenden Kästchen NEIN an.

Abb. 14: Fallkonstellation B

HINWEIS Da die Pflegefachkraft aus den Informationen im Themenfeld 2 ‚Mobilität und Beweglichkeit‘ Maßnahmen ableiten kann (Nutzung des Gehstockes unter Begleitung, Klingeln bei Toilettengang), werden diese entsprechend in den Maßnahmenplan aufgenommen. Zusätzlich kann ein zeitnahes Evaluationsdatum zur erneuten Einschätzung der Gangunsicherheit von der Pflegefachkraft festgelegt werden.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Fallkonstellation C: Die Frage nach dem Phänomen einer Inkontinenz wurde mit JA beantwortet. Die weitere Frage  „Ist eine weitere Einschätzung notwendig?“ – ebenfalls mit JA. BEISPIEL: In dem Themenfeld 4 ,Selbstversorgung‘ gibt es folgende Hinweise in Bezug auf das Inkontinenzphänomen zu Frau Z.:

BEISPIEL FRAU Z.: Themenfeld 4 – Selbstversorgung … Fr. Z. berichtet, dass sie pro Tag etwa 3 Tassen Milchkaffee und eine Kanne Kräutertee getrunken hat und das hier fortsetzen möchte. Sie trägt eine Inko-Einlage zur Sicherheit,  „da ich manchmal nicht schnell genug die Hose auf bekomme“ Verständigung: Sie meldet sich, wenn sie zur Toilette muss.

Die Pflegefachkraft kommt zu dem Ergebnis, dass das Phänomen einer Inkontinenz vorliegt und kreuzt deshalb ihre Entscheidung in dem betreffenden Kästchen mit JA an. Darüber hinaus entscheidet sie, dass zur Konkretisierung des Inkontinenzphänomens eine weitere Einschätzung notwendig ist und kreuzt deshalb in dem betreffenden Kästchen ebenfalls JA an.

Abb. 15: Fallkonstellationen C

HINWEIS Die Pflegefachkraft möchte das Inkontinenzphänomen hinsichtlich des rechtzeitigen Öffnens der Hose bei Toilettengang zeitnah abklären und tiefergehende Informationen einholen um ggf. konkrete Maßnahmen planen zu können. Zum Zeitpunkt der SIS® Erhebung hat sie die Wahl zwischen:

ƒƒ einer Phase der Beobachtung mit einem eng gesetzten Evaluationsdatum, oder

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Einholung weitere Fachexpertise im kollegialen Gespräch mit einer erfahrenen Pfleƒƒ der gefachkraft oder z. B. durch eine therapeutische Fachperson (Wundmanager, Schmerzfachkraft, Physiotherapeutin, …), oder

ƒƒ der Nutzung eines standardisierten Instruments (Vorgabe durch das QM). Denkbar wäre im Einzelfall auch eine Kombination der genannten Möglichkeiten. Bis zum Vorliegen der Ergebnisse beinhaltet der Maßnahmenplan gemäß der Verständigung folgende Informationen: dass Fr. A. sich meldet, wenn sie zur Toilette möchte und dass sie zur Toilette begleitet bzw. bei Bedarf Unterstützung beim Öffnen der Hose erhält. Beobachtet wird über den Zeitraum von drei Tagen, ob Fr. A. sich rechtzeitig meldet, inwiefern Unterstützung auf dem Weg zur Toilette und zurück sowie beim Aus-/Anziehen der Hose notwendig ist. Die Beobachtungsergebnisse werden von allen an der Pflege und Betreuung Beteiligten im Berichteblatt dokumentiert. Nach Auswertung der ergänzenden Informationen wird die vorläufige Maßnahme angepasst.

Fallkonstellation D: Darstellung der Verschränkung in der Risikomatrix anhand von 2 Themenfeldern in der SIS®: Die Frage nach einem Schmerzphänomen wurde mit JA beantwortet. Die weitere Frage  „Ist eine weitere Einschätzung notwendig?“ – in Verschränkung mit Themenfeld 2 mit JA – in Verschränkung mit Themenfeld 3 ,Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen‘ mit NEIN.

BEISPIEL FRAU Z. Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Es gibt es folgende Hinweise bei Frau Z.: Fr. Z. läuft langsam, das Gangbild wirkt dabei unsicher. Sie nutzt einen Gehstock, einen Rollator möchte sie nicht nutzen  „den haben doch nur die ganz Kranken“. Die Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt. Sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal ihre Schmerzen verstärkt werden. Fr. Z. auf das erhöhte Sturzrisiko hingewiesen. Verständigung Fr. Z. ist mit einer Begleitung durch eine Pflegeperson einverstanden. Sie klingelt, wenn sie zur Toilette oder in den Speisesaal möchte.

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4  Prinzipien und Umsetzung

In dem Themenfeld 3 ,Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen‘ gibt es folgende Hinweise in Bezug auf das Schmerzphänomen bei Frau Z.

BEISPIEL FRAU Z. Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen Ihre Schmerzen (in den Finger-, Hand-, Fuß-, Kniegelenken) schätzt sie aktuell als erträglich ein, da sie sich in ihrer Mobilität und in ihrem Leben dadurch nicht eingeschränkt fühlt. Die zunehmenden Schmerzen bei Berührung und Bewegung bereiten ihr jedoch Sorge. –> warme Fuß- und Handbäder haben ihr bislang immer geholfen. Verständigung: Frau Z. meldet sich, wenn sich die Schmerzen verstärken.

Die Pflegefachkraft kommt auf Grund der Informationen in den Themenfeldern 2 und 3 zu dem Ergebnis, dass ein Schmerzphänomen vorliegt und kreuzt deshalb ihre Entscheidung in den betreffenden Kästchen mit JA an. Sie schätzt ein, dass in Bezug zur ,Mobilität und Beweglichkeit‘ eine weitere Einschätzung notwendig ist und kreuzt in der betreffenden Zeile JA an. Darüber hinaus entscheidet sie, dass zur Konkretisierung des Schmerzphänomens hinsichtlich der ,krankheitsbezogenen Anforderungen und Belastungen‘ (ist stabil) keine weitere Einschätzung notwendig ist und kreuzt deshalb in dem betreffenden Kästchen NEIN an.

Abb. 16: Fallkonstellation D

HINWEIS Bis zum Vorliegen vertiefter Ergebnisse beinhaltet der Maßnahmenplan bei Frau Z.: alle pflegerischen Maßnahmen werden unter Berücksichtigung ihres subjektiven und in der Situation wahrgenommenen Schmerzempfindens durchgeführt; auf Wunsch warme Fuß- und Handbäder; über einen Zeitraum von drei Tagen wird in jeder Schicht die Schmerzsituation beobachtet. Erkenntnisse aus Beobachtungen oder auch akute Veränderungen (mehr/weniger Schmerzen/Mobilität) werden im Berichteblatt dokumentiert. Bei der Evaluation z. B. im Rahmen einer Fallbesprechung, Dienstübergabe oder Pflegevisite werden alle vorliegenden Informationen (vor allem aus dem Berichteblatt, dem Maßnahmenplan) bewertet, ggf. eine erneute Einschätzung der Schmerzsituation vorgenommen und die Maßnahmen angepasst.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

131

4.1.2.7 Funktion und Nutzung der Spalte ‚Beratung‘ in der Risikomatrix der SIS® ambulant Vor allem im ambulanten Versorgungsbereich hat die Dokumentation der Beratung z. B. zu erkannten Risiken, die bei einem Hausbesuch angesprochen wurden, wegen des zeitlich begrenzten punktuellen Zugangs zur pflegebedürftigen Person und der hierdurch eingeschränkten Möglichkeiten der Intervention, eine besondere Bedeutung. Oft richtet sich die Beratung neben der pflegebedürftigen Person selbst an deren Angehörige. Sind sie es doch, die im Tagesverlauf die Pflege und Betreuung weiterführen, für die der Pflegedienst selbst mitunter keinen Auftrag vorliegen hat. Es gilt der Grundsatz, nicht schematisch alle denkbaren Bereiche anzusprechen, sondern die Informationen gezielt im Hinblick auf die individuelle Situation abzustellen und eine möglicherweise eingeübte Praxis der Kompensation durch die pflegebedürftige Person zu berücksichtigen.

BEISPIELE die Pflegefachkraft bei der Aufnahme eine normalgewichtige pflegebedürftige ƒƒ Nimmt Person wahr und ergeben sich im gemeinsamen Gespräch mit den Angehörigen keinerlei Anzeichen für eine Ernährungsproblematik, wird die Pflegefachkraft nicht grundsätzlich zum Thema  „Risiko Nahrungs- oder Flüssigkeitsmangel“ beraten. Angehörige im Aufnahmegespräch/Einzug, dass die Mutter bereits ƒƒ Erzählen seit mehreren Jahren harninkontinent ist und mit Inkontinenzvorlagen versorgt wird, kann die Pflegefachkraft ggf. sanft nachfragen, ob es diesbezüglich Schwierigkeiten gibt, um dann beratend zu unterstützen. Wird dies jedoch verneint, kann von einer unmittelbaren Beratung abgesehen werden. Ergeben sich ggf. später Auffälligkeiten, kann eine Beratung zu diesem Zeitpunkt erfolgen und z. B. im Berichteblatt dokumentiert werden.

Vor diesem Hintergrund besteht in der SIS® ambulant die Möglichkeit, eine während des Gesprächs zur SIS® durchgeführte(n) Beratung(en) im Themenfeld zu dokumentieren und mit dem Kreuz in der Risikomatrix an entsprechender Stelle zu bestätigen. Ein ambulanter Pflegedienst ist darüber hinaus auch haftungsrechtlich gefordert, beim Erstbesuch der pflegebedürftigen Person in der Häuslichkeit zu erkannten Risiken nachweislich zu beraten, unabhängig davon, ob sich aus der erfolgten Beratung vertragliche vereinbarte Leistungen ableiten lassen oder nicht und die Empfehlungen ggf. aufgegriffen werden.

132

4  Prinzipien und Umsetzung

In der Risikomatrix der Strukturierten Informationssammlung – ambulant – ist daher jedem Risiko/Phänomen eine Spalte  „Beratung“ zugeordnet.

Abb. 17: Risikomatrix der SIS® – ambulant mit Spalte Beratung

Dort wird erfasst, wenn eine Beratung zu diesem Risiko/Phänomen im Kontext zu einem der Themenfelder erfolgt ist. In dem jeweiligen Themenfeld muss dann knapp aufgeführt sein, dass die Beratung stattgefunden hat, zu welchem Thema und mit welchem individuellen Ergebnis. Eine weitere Dokumentation der durchgeführten Beratung ist nicht erforderlich. Es bedarf keiner ausführlichen inhaltlichen Darstellung über den Sachverhalt der Beratung, da dieser in der Regel fachlich ausgestaltet zu den einzelnen Themen im QM Handbuch oder an anderer Stelle sowie in Form von Informationsflyern in der Pflegeeinrichtung vorliegt.

BEISPIELE 2 ,Mobilität und Beweglichkeit‘: Beratung: Sturzgefahr wegen Teppich; ƒƒ Themenfeld Ergebnis:  „Teppich bleibt liegen“. pflegebedürftige Person wurde im Zusammenhang mit ihrem Sturzrisiko und den ofƒƒ Die fenen Schuhen beraten. Sie fällt die Entscheidung, weiterhin die Hauslatschen zu tragen und keine anderen Schuhe anzuziehen.

Zur Übersichtlichkeit durchgeführter Beratungen benutzen ambulante Pflegedienste häufig noch ein separates Formular, um insbesondere die  „Wiedervorlage“ einzelner Themen der Beratung im Blick zu behalten und weitere durchgeführte Beratungen im Überblick dort nachweislich zu dokumentieren.

HINWEIS Bei diesem Vorgehen sollte darauf geachtet werden, dass ein eventuell notwendiger individueller Handlungsbedarf als Ergebnis aus der Beratung sich für den Pflegeablauf auch entsprechend in dem Maßnahmenplan wiederfindet. Aber auch das Berichteblatt wird für eine durchgeführte Beratung und dessen Ergebnis genutzt.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

133

BEISPIEL HERR HELLMANN Themenfeld 4 – Selbstversorgung …. Frühstück und Abendbrot isst er mit der Lebensgefährtin, mittags wird Essen geliefert, aber das vergisst er zu essen (am Wochenende kocht die Lebensgefährtin oder Tochter); er hat in den letzten sechs Monaten 5 Kilo an Gewicht verloren. Kleidung sitzt etwas locker, wirkt noch normalgewichtig. Beratung zu Möglichkeiten der Nahrungsergänzung (Trinknahrung) sowie das Angebot ergänzender Leistungen durch den PD. Wollen Trinkpäckchen und Obst ausprobieren, ergänzende Leistungen zur Nahrungsaufnahme durch Pflegedienst derzeit nicht gewünscht.

Abb. 18: Beispiel Themenfeld 4: Dokumentation einer erfolgten Beratung

Dokumentation einer erfolgten Beratung in stationären Pflegeeinrichtungen Selbstverständlich findet die Beratung einer pflegebedürftigen Person auch im stationären Bereich statt. Allerdings geschieht das hier eher im Verlauf der pflegerischen Versorgung und Betreuung oder anlassbezogen. Wird während des Gespräches im Rahmen der Aufnahmesituation oder im weiteren Verlauf der Versorgung beim Ausfüllen einer neuen SIS® eine Beratung durchgeführt, entscheidet die Pflegefachkraft, ob sie dies im entsprechenden Themenfeld dokumentiert oder eine andere Art und Weise der Dokumentation nutzt – zum Beispiel in einer dafür vorgesehenen Spalte im Maßnahmenplan, im Berichteblatt oder auf einem extra Formular. Es ist dann jeweils knapp zu erfassen, zu welchem Thema und mit welchem Ergebnis die Beratung stattgefunden hat. Hierzu ist in der Regel in den Pflegeeinrichtungen ein standardisiertes Vorgehen festgelegt.

4.1.2.8  Plausibilitätscheck zum Abschluss der SIS® Es gibt in der Praxis inzwischen unterschiedliche Praktiken, wie und an welchem Ort die SIS® ausgefüllt wird. Dies wird vor allem in der stationären und der ambulanten

134

4  Prinzipien und Umsetzung

Pflege ganz unterschiedlich gehandhabt und ist davon geprägt, ob EDV oder papiergestützt dokumentiert wird. (Zur Häufigkeit der Anpassungen und dem Zeitraum der endgültigen Erstellung im Rahmen der Aufnahme oder eines Einzugs siehe Kap. 4.4 Evaluation). In jedem Fall ist es jedoch – im Sinne eines ersten internen Qualitätschecks – zu empfehlen, die Dokumentation zur Situationseinschätzung der pflegebedürftigen Person, einschließlich ihrer Wünsche und Risiken, durch einen sogenannten Plausibilitätscheck der Pflegefachkraft abzuschließen. Diesen führt sie zu ihrer Sicherheit eigenständig durch und lässt das Ergebnis (zumindest anfänglich) durch eine andere Kollegin gegenlesen. Manche Pflegeeinrichtungen gehen auch dazu über, grundsätzlich oder bis sich eine gewisse Routine eingestellt hat, die SIS® durch eine autorisierte Person freizugeben und diese Gelegenheit zusätzlich zur Reflexion und Weiterentwicklung der Dokumentationsqualität zu nutzen. KURZ GESAGT: Plausibilitätscheck In diesem wichtigen Schritt überprüft die Pflegefachkraft, ob die Beschreibungen in den einzelnen Themenfeldern, (z. B. gleich zu Hause oder später in der Pflegestation oder bereits während des Gesprächs beim Einzug)die Aussagen der pflegebedürftigen Person und die fachliche Einschätzung durch die Pflegefachkraft in den Themenfeldern mit der Risikobewertung in der Matrix der SIS® übereinstimmen.

Alle dokumentierten Informationen und Ergebnisse aus den Feldern A, B, C1 und C2 der SIS® werden noch einmal aus fachlicher Sicht überprüft (siehe folgende Seite): zu Feld B Welche direkten und indirekten Informationen, individuelle Wünsche, Bedürfnisse oder Ängste sind von der pflegebedürftigen Person direkt oder indirekt angesprochen worden? zu Feld C1 Wurden/konnten diese bei der fachlichen Situationseinschätzung in den Themenfeldern berücksichtigt/werden. Ist die Situation plausibel und fachlich nachvollziehbar und anhand der zur Verfügung stehenden Informationen dokumentiert? Ist pflegerischer Handlungsbedarf daraus ableitbar? Gibt es Absprachen mit der pflegebedürftigen Person zum Umgang mit spezifischen Pflege- und Betreuungssituationen und sind diese nachvollziehbar?

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

135

SIS® – stationär –

Anna Anderson

03.02.1932

09.03.2016 / Pb

A. Anderson/Klara Anderson (Tochter)

Strukturierte Informationssammlung

Name der pflegebedürftigen Person

Geburtsdatum

Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

pflegebedürftige Person/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?

X

" Ich bin hier, weil ich mich zu Hause sehr allein fühle." "Hilfe benötige ich nur beim Baden, das mache ich immer samstags sowie beim Waschen des Rückens und der Füße.“ „Meine Tochter hat mich immer unterstützt. Sonst komme ich allein zurecht."... "Durch mein Rheuma muss ich immer schön langsam machen, aber ich habe ja Zeit." "Früher habe ich viele Freunde gehabt, leider sind die meisten schon tot oder in Pflege. Das macht mich traurig". Tochter: "sie hat sich sehr zurückgezogen" ".. mein Mann ist auch letztes Jahr verstorben, er war lange krank… Ich vermisse ihn sehr..." "Wenn ich hier wieder neue Leute kennen lernen könnte, wäre ich dankbar"

Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

X

Fr. A. spricht leise, ist jedoch deutlich zu verstehen; sie trägt eine Brille, mit der sie laut eigener Aussage gut sehen kann; letzter Augenarztbesuch war vor etwa 2 Monaten; sie wirkt traurig und durch die neue Situation und Umgebung verunsichert

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

X

Fr. A. läuft langsam, nutzt einen Gehstock, das Gangbild wirkt dabei unsicher; einen Rollator will sie nicht: "den haben doch nur die ganz Kranken" Beratung und Verständigung: in den ersten Tagen im Haus klingelt sie, wenn sie irgend-wohin will und wird dann von uns begleitet Ihre Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt; sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal mehr Schmerzen bekommt Beratung zum Umgang mit Schmerzen: Sie meldet sich, wenn sie Schmerzen hat, bekommt dann ihre Bedarfsmedikation Verständigung: Rücksprache mit Hausarzt bezüglich der Schmerzmedikation und Beobachtung des Zusammenhangs mit den Bewegungsübungen

Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

X

Fr. A. ist nach Einnahme der Schmerzmedikamente oft übel: "dann mag ich auch nichts essen", Kamillentee hilft ihr jedoch etwas; die Schmerzen in den Finger-, Hand-, Fuß-, und Kniegelenken schätzt sie aktuell als erträglich einfühlt sich dadurch nicht eingeschränkt; warme Fuß- und Handbäder bringen ihr Linderung, falls die Schmerzen zunehmen; „das hat bislang immer geholfen“ Verständigung: wenn sich die Schmerzen verstärken bzw. Übelkeit auftritt, meldet sie sich; die Unterstützung bei der Versorgung wird besonders behutsam durchgeführt

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

X

Fr. A. möchte Hilfe bei der Mund- und Körperpflege und beim Vollbad (auf Wunsch am Samstagvormittag); kleidet sich selbst an, benötigt Hilfe beim Verschließen von Knöpfen; sie trägt gern weite Kleidung; "das Essen schmeckt allein nicht so gut"; sie mag gern süßen Milchbrei, Eintöpfe, Kuchen aber keinen Fisch. Laut eigener Aussage trinkt sie täglich etwa 3 Tassen Milchkaffee und eine Kanne Kräutertee, möchte das hier auch; Sie trägt eine Inko- Einlage zur Sicherheit, "da ich manchmal nicht schnell genug die Hose auf bekomme" Verständigung: Sie meldet sich, wenn sie auf die Toilette muss, wird dann begleitet und unterstützt

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

X

Fr. A. beschreibt sich selbst als gesellig und lebensfroh, hat eine enge Bindung zur Tochter "sie muntert mich immer auf... wenn ich sie nicht hätte..." Tochter ist durch Familie und Beruf stark eingebunden. Fr. A. erzählt, dass sie bis zur Rente als Verkäuferin gearbeitet hat und die Gespräche mit den Kunden liebte; betont, dass sie bis heute noch sehr gut Kopfrechnen kann, daher füllt sie gern Sudoku aus und hat ihre Rätselhefte alle mitgebracht. Verständigung: über die Gruppenangebote im Haus wird sie täglich informiert. Sie will erst mal nur an den Vormittagen teilnehmen, damit sie ihre Tochter empfangen kann, falls diese sie besuchen kommt oder um kleine Spaziergänge im Garten zu machen; am "Kaffeekränzchen" am Mittwochnachmittag will sie allerdings teilnehmen. Themenfeld 6 – Wohnen/Häuslichkeit

X

Fr. A. bringt noch ihren Sessel, den TV sowie einen kleinen Teppich mit. Im Zimmer hat sie schon viele Fotos der Familie und von Ausflügen mit Freunden aufgehangen und aufgestellt; ihre Fotoalben hat sie immer auf der Anrichte liege. Sie liebt eine aufgeräumte Wohnung, die gut gelüftet ist (jedoch nicht zu kalt).

Konzept: Beikirch/Roes · Nutzungsrechte: BMG · Version 2.0/2017

Verständigung: der Teppich wird mit Klebeband am Fußboden fixiert Den Bettausstieg wünscht sie sich wie zu Hause auf der rechten Seite; zu Hause hat sie den Haushalt selbst geführt, sie kochte gern und hat auch gern abgewaschen... "das tat den Händen gut". Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene Dekubitus

ja 1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

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Abb.19: Plausibilitätscheck

136

4  Prinzipien und Umsetzung

nein

Sonstiges

Sturz

Inkontinenz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

zu Feld C2 Ist die Einschätzung der Risiken plausibel aus den Themenfeldern (Feld C1) abgeleitet und ist in der Risikomatrix erkennbar, ob die dokumentierten Inhalte mit der getroffenen Einschätzung der Risiken korrespondieren? Ist das Ergebnis zufriedenstellend oder entsprechend angepasst worden, wird die SIS® im Feld A von der verantwortlichen Pflegefachkraft, die das Gespräch geführt und die SIS® ausgefüllt hat mit ihrem Kürzel abgezeichnet. Die Anwendung der SIS® bedarf der Übung und Erfahrung. Insofern ist wichtig, dass das Pflege- und Qualitätsmanagement, insbesondere in der Anfangszeit der Implementierung, die Integration in den Alltag engmaschig begleitet und gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen die Qualität der neuen Dokumentationspraxis reflektiert. Z. B: gibt es Pflegeeinrichtungen die hierfür zunächst einen monatlichen Routinetermin eingeführt haben. Andere Pflegeeinrichtungen lassen die SIS® kollegial von einer Person im Team gegenlesen und sie wird dann erst freigegeben. Oder im zentralen QM kann die ausgefüllte SIS® mit Fragen oder zum Gegencheck eingereicht werden und die Pflegefachkräfte erhalten sie kommentiert zurück. Entscheidend bei all diesen Verfahren ist ein vertrauensvolles Klima und ein konstruktiver kollegial, beratender Ansatz im Umgang miteinander.

Nichts vergessen? Erster Qualitätscheck der Pflegefachkraft vor Abzeichnung der SIS® Sind Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedütftigen Person direkt oder indirekt angesprochen und notiert worden?

Feld B

Wurden diese bei der fachlichen Einschätzung der Versorgungssituation berücksichtigt?

Feld C1

Gab es Verständigungen bzw. Absprachen mit der pflegebedürftigen Person zum Umgang mit speziellen Situationen?

Feld C1 und Feld B

Sind die Einschätzungen der Risiken/Phänomene in der Risikomatrix plausibel aus den Themenfeldern abgeleitet worden und umgekehrt?

Feld C2

Abb. 20: Qualitätscheck der Pflegefachkraft vor Abschluss der SIS®

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

137

Zwischenfazit Jeder neue pflegerische Auftrag beginnt sowohl in der ambulanten als auch der stationären (und teilstationären) Pflege mit einem Aufnahmegespräch oder einem Gespräch beim Einzug – geführt von einer Pflegefachkraft. Insbesondere den Gesprächen mit der pflegebedürftigen Person mittels der SIS® kommt im Verlauf des Pflegeprozesses eine besondere Bedeutung zu. Sie markieren einerseits den Beginn eines pflegerischen Auftrags und werden andererseits situations- bzw. ereignisorientiert eingesetzt. Aus der SIS® mit der Risikomatrix erschließen sich hinreichende Informationen, um einen ersten Maßnahmenplan (bei Start des pflegerischen Auftrags) zu erstellen. Daran wird deutlich, dass auch bei gravierenden Zustandsveränderungen der pflegebedürftigen Person (z. B. nach Krankenhausaufenthalten) mit Hilfe der SIS® der für die Pflegeeinrichtung relevante Zustand aktualisiert vorliegt. Die SIS® ist darüber hinaus in Kombination mit dem Berichteblatt sowie der Evaluation eine Informationsquelle für Anpassungen in dem Maßnahmenplan (z. B. aufgrund von Zustandsveränderungen oder Änderungen der Präferenzen seitens der pflegebedürftigen Person). ƒƒ Die SIS® stellt sicher, dass die pflegebedürftige Person mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, Gewohnheiten, Ritualen und Ressourcen sowohl zu Beginn des pflegerischen Auftrages als auch im weiteren Verlauf in den Mittelpunkt der Ausgestaltung des Versorgungsablaufes gestellt wird. Dies entspricht einer Kernforderung einer personzentrierten Pflege. ƒƒ Die Pflegefachkraft wird durch die Arbeit mit dem Strukturmodell und der hierin integrierten SIS® sowie der Risikomatrix (verstanden als Ersteinschätzung) in ihrer fachlichen Entscheidungsfindung gestärkt. Relevante Informationen zur Pflege und Betreuung sowie pflegerelevante biografische Angaben werden anhand der SIS® systematisch erfasst. ƒƒ Die SIS® schafft für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten eine gute Übersicht sowie schnelle Orientierung zur Situation der pflegebedürftigen Person und ihrer Selbsteinschätzung, wodurch auch komplexe Situationen adäquat erfasst werden können. Der Einstieg in den Pflegeprozess ist gewährleistet.

138

4  Prinzipien und Umsetzung

4.2. Element 2: Der Maßnahmenplan – Handlungsgrundlage für die Pflege und Betreuung 4.2.1 Prinzipien Der  „individuelle Maßnahmenplan“ kennzeichnet die zweite Phase des Pflegeprozesses. Der Begriff ‚Maßnahmenplan’ verdeutlicht zudem, dass neben pflegerischen auch hauswirtschaftliche, betreuende und ggf. therapeutische Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Nicht nur die Pflegenden, sondern auch ehrenamtliche Personen und Betreuungskräfte sowie Mitarbeiter/innen des Sozialdienstes und andere therapeutische Berufsgruppen sind an der Versorgung beteiligt und deshalb werden hier alle Maßnahmen zur Pflege, Betreuung und ggf. Hauswirtschaft (z. B. in Haus- oder Wohngemeinschaften) dokumentiert. Der Begriff ‚Maßnahmenplan(ung)’ ersetzt im Strukturmodell den bisher üblichen Begriff ‚Pflegeplan(ung)’ (nicht den Schritt im Pflegeprozess) Er ist dadurch gekennzeichnet, dass die jeweiligen Maßnahmen beschrieben werden, ohne gesondert die Probleme, Ressourcen und Ziele zu dokumentieren. Die Pflegefachkraft verfolgt in der Erstellung des individuellen Maßnahmenplans also stets einen gedanklich fachlichen Prozess, der die Informationen sowohl aus der SIS® als auch anderer Quellen einbezieht. Entscheidungen zu geeigneten und erforderlichen Maßnahmen leiten sich aus folgenden Fragen ab: ƒƒ Welche Vorstellungen und Erwartungen, (persönliche) Ziele und Ressourcen hat die pflegebedürftige Person? ƒƒ Welche Maßnahmen sind für die aktuelle pflegerische Situation von Relevanz? ƒƒ Welche pflegerischen oder psychosozialen Herausforderungen bestehen? ƒƒ Welche Ergebnisse sind – unter Berücksichtigung des Umfelds – erreichbar? Die konkreten Maßnahmen spiegeln die Ergebnisse dieses Verständigungsprozesses wieder, ohne dass die verschiedenen Zwischenfragen (bzw. -schritte) dokumentiert werden. Die so im Maßnahmenplan bereits enthaltenen (immanenten) Ziele, werden insbesondere zu den individuellen Wünschen und Vorlieben als Grundbotschaft weiterverfolgt und bieten Orientierung durch den gesamten Pflegeprozess. Sie sind somit auch ein Hinweis auf die aktuelle Vorstellung der pflegebedürftigen Person und Bestandteil einer personzentrierten Pflege, die sich in der Pflegedokumentation widerspiegelt.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

139

KURZ GESAGT: Grundbotschaft Knappe Zusammenfassung wesentlicher Aussagen zur Selbstbestimmung und zu Charakteristika der pflegebedürftigen Person. Mögliche Inhalte beziehen sich auf Wünsche, Bedürfnisse, Aspekte der Selbstbestimmung, Verhaltensauffälligkeiten etc. Die Grundbotschaft kann den Maßnahmen vorangestellt werden.

Der Maßnahmenplan muss sich schlüssig aus den relevanten Informationen der Einschätzungen in den Themenfeldern der SIS® und der Risikomatrix ableiten lassen und wird im weiteren Versorgungsverlauf, je nach Informationen aus dem Berichteblatt und der Evaluation, angepasst (vgl. Kap. 4.4). Er wird von derjenigen Pflegefachkraft erstellt, die das Gespräch mit der pflegebedürftigen Person und ihren Angehörigen geführt hat. Die Maßnahmen werden handlungsleitend und bei vorliegenden Verfahrensanleitungen (vgl. Teil III) unter Hinweis darauf individuell angepasst, so dass die Aufgaben im Pflege- und Betreuungsprozess für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten nachvollziehbar dargestellt sind. In der ambulanten Versorgung wird zusätzlich beschrieben (soweit es nicht schon in der SIS® insbesondere im Themenfeld 6 beschrieben ist), wie die ‚Arbeitsteilung‘ zwischen den Angehörigen und dem Pflegedienst erfolgen soll und wie die vereinbarten Leistungen durch den Pflegedienst die tägliche Pflege und Betreuung von Angehörigen oder anderen Bezugspersonen ergänzen und unterstützen.

140

4  Prinzipien und Umsetzung

4.2.2 Umsetzung Struktur und Varianten des Maßnahmenplans Die Erfahrungen aus der bundesweiten Implementierung des Strukturmodells zeigen, dass in der Praxis insbesondere diejenigen Varianten favorisiert werden, die den Tagesablauf (stationär) oder den Ablauf des Einsatzes (ambulant) abbilden. Da der Maßnahmenplan nicht als einheitliches Dokument im Strukturmodell (wie die SIS®) vorgegeben ist, sind hier das Pflege- und Qualitätsmanagement gefordert. Bevor die Maßnahmenplanung gemäß Strukturmodell zur Anwendung kommen kann, wird intern eine eigene Vorstellung zu Struktur und Inhalt eines Maßnahmenplans entwickelt und besser sogar noch erprobt, d. h. zuerst ein eigener Maßnahmenplan erstellt. Die inzwischen vielen Beispiele von Maßnahmenplänen aus Pflegeeinrichtungen, entlang der Empfehlungen aus den Informations- und Schulungsunterlagen von Ein-STEP, bieten hierbei gute Orientierung und Unterstützung. In diesem Fachbuch finden sich die entsprechenden Maßnahmenpläne für die Fallbeispiele von Frau A. und Herrn H. Es hat sich nicht als zielführend erwiesen, einen Zwischenschritt der Erstellung eines Maßnahmenplans anhand der Themenfelder zu wählen oder den Maßnahmenplan ausschließlich entlang der Themenfelder zu strukturieren. Dies geht zu Lasten der Übersichtlichkeit der Situation. Dies gilt insbesondere bei einer EDV gestützten Dokumentation. Ziel sollte es sein, den ausgedruckten Maßnahmenplan einer (neuen) Pflegefachkraft oder Pflegehilfskraft (z.B. von einer Zeitarbeitsfirma) in die Hand geben zu können, damit sie entlang dieser knappen aber handlungsleitenden Informationen die Versorgung der jeweiligen pflegebedürftigen Person übernehmen kann. Entlang der einrichtungsbezogenen Rahmenbedingungen und eventueller spezifischer Zielgruppen können für den Umgang mit dem Maßnahmenplan – bei Beibehaltung der Prinzipien einer schlanken Pflegedokumentation – entsprechende Akzente zur Steuerung des Pflegeprozesses als Ausdruck des eigenen Pflegeverständnisses gesetzt werden.

BEISPIEL könnte es z. B. in einem Maßnahmenplan einer Einrichtung für pflegebedürftige Orƒƒ So densschwestern zusätzlich Platz für die Beschreibung individueller religiöser Aspekte im Rahmen der pflegerischen Versorgung geben. in einer Einrichtung, die Menschen im Wachkoma versorgt, Platz für die speziellen ƒƒ Oder Wünsche der Angehörigen in Bezug auf die pflegebedürftige Person.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

141

Die im Strukturmodell vorgesehenen Prinzipien zur Gestaltung des Maßnahmenplans tragen nach bisherigen Erkenntnissen aller an der Pflege und Betreung Beteiligten wesentlich zur Übersichtlichkeit und damit zur Akzeptanz bei den Pflegenden und der (wieder) aktiven Nutzung der Pflegdokumentation im beruflichen Alltag bei. Darüber hinaus dient sie der schnellen Orientierung zur Situation der pflegebedürftigen Person insbesondere im Falle des Einsatzes von Teilzeit-, Wochenendund Aushilfskräften oder Personal von externen Zeitarbeitsfirmen. Im Folgenden werden die erforderlichen und optionalen Inhalte eines Maßnahmenplans tabellarisch dargestellt. Im Anhang finden sich entsprechende Beispiele der Maßnahmenpläne auf der Grundlage der jeweiligen SIS® zu den beiden Fallbeispielen, Herrn Hellmann und Frau Anderson in diesem Fachbuch. Tabelle 1: Erforderliche und optionale Inhalte des Maßnahmenplans Erforderlich Name der pflegebedürftigen Person Geburtsdatum der pflegebedürftigen Person Datum der Erstellung Handzeichen der Pflegefachkraft Spalte Zeitangaben (Zeitraum/Zeitpunkt) Spalte Maßnahmen Spalte Evaluationsdaten Hinweis zur Behandlungspflege (integriert in die Tagesstruktur oder separat) Blattnummerierung fortlaufend

Optional Weitere einrichtungsinterne Identifizierungsmerkmale Grundbotschaft der pflegebedürftigen Person Spalte für Hilfsmittel Spalte für Verfahrensanleitung (Standard/Leitlinie) Spalte für Themenfeld Spalte Leistungskomplex (ambulant) Spalte für Evaluationstext

Empfehlung: Grundbotschaft dem Maßnahmenplan voranstellen Um die konsequente Ausrichtung des Maßnahmenplans an den individuellen Wünschen sowie Vorlieben der pflegebedürftigen Person zu unterstreichen, empfiehlt es sich, diese in knapper Form als Grundbotschaft jedem Maßnahmenplan voranzustellen. Es stellt zusätzlich sicher, dass alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten auf besondere Vorlieben oder Rituale aufmerksam werden und informiert sind. Hierdurch wird der personzentrierte Ansatz im Pflegeprozess nicht nur auf der Ebene der Situationseinschätzung (SIS®) belassen, sondern im Maßnahmenplan vertieft und weiterverfolgt. Manche Pflegeeinrichtungen stellen dem Maßnahmenplan auch noch die Kategorien wie  „Grundsätzliches“/„Besonderheiten“/ „Hinweise“ voran, um die Aufmerksamkeit für prägnante Merkmale der pflegebedürftigen Person sicher zu stellen.

142

4  Prinzipien und Umsetzung

Grundbotschaft für das Beispiel Herr Hellmann (ambulant): „… fühle mich so abhängig“ (von seiner Lebensgefährtin);  „… will nicht, dass sie so viel für mich tut; fühle mich allein, wenn sie nicht da ist.“ Grundbotschaft für das Beispiel Frau Anderson (stationär): Frau Anderson ist gern in Gesellschaft und möchte diese wieder mehr erleben.

Weitere Beispiele für Grundbotschaften ƒƒ Frau S. legt großen Wert auf Privatsphäre und möchte daher im Tagesverlauf ungestört sein. ƒƒ Herr M. möchte mehr Abwechslung und daher möglichst viel eingebunden und an Aktivitäten beteiligt werden. ƒƒ Frau G. weiß nicht, dass sie in einer Pflegeeinrichtung ist, sie befindet sich in ihrer Wahrnehmung in ihrem früheren zu Hause und möchte zur Arbeit  „in den Laden“. Schlüsselwort: tüchtige und verantwortungsbewusste Verkäuferin. ƒƒ Fr. H. benötigt durch ihr gesundheitliche Einschränkung viel Anleitung und wiederholt sich häufig. ƒƒ Hr. P. ist legt ganz besonderen Wert auf Sauberkeit und Pünktlichkeit. Möchte um 7.00 Uhr gepflegt werden, toleriert Zeitabweichungen bis max. 10 min…“ ƒƒ Fr. H. trägt immer ihre Puppe  „Klara“ bei sich. Zeigt ab ca. 17.00 Uhr motorische Unruhe, läuft dann auf dem Flur auf und ab, sucht ihre Kinder und drängt in andere Bewohnerzimmer…“ ƒƒ Fr. N. kommt aus  „gutem Hause“, war es gewohnt, immer Hausangestellte um sich zu haben. Sie kommuniziert grundsätzlich im Kommando-Stil, verkennt die Mitarbeiter und Mitbewohner als  „Personal …“ ƒƒ Hr. T. lehnt die pflegerische Versorgung nahezu täglich ab, Waschen/Duschen nur auf  „Verhandlungsbasis“. Er schreit oder spuckt, wenn er sich bedrängt fühlt – Achtung: schlägt zeitweise völlig unvermittelt zu …“ ƒƒ Fr. D. ist eine ruhige in sich gekehrte Persönlichkeit. Sie liebt den Rückzug in ihr Zimmer, verlässt dieses oft für mehrere Tage nicht. Wünscht ausdrücklich keine Besuche durch die Betreuungsassistenten. Lebt ihren Tag ganz selbstbestimmt …“

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

143

In der Praxis erprobte Varianten zur Strukturierung des Maßnahmenplans Tabelle 2: Erprobte Varianten zur Strukturierung des Maßnahmenplans stationär Variante 1 Tagesstruktur tageszeitbezogen (24 Std.) ambulant Variante 1 Ablauf Pflegeeinsatz und Spalte für Nummer des Leistungskomplexes

Variante 2 Tagesstruktur

Variante 3 Tagesstruktur

inkl. Spalte Themenfelder

schichtbezogen

Variante 2 Ablauf Pflegeinsatz und je eine Spalte für Themenfelder und Leistungskomplexe

Variante 3 Ablauf Pflegeeinsatz

HINWEIS Eine Aufzählung z. B. einzelner Medikamente im Maßnahmeplan ist nicht erforderlich. Wichtig ist die zeitliche Abfolge oder der genaue Zeitpunkt der Verabreichung. Welche Medikamente das sind, ist auf der ärztlichen Verordnung oder dem Medikamentenblatt dokumentiert. Die Zuständigkeit für die Verteilung der Medikamente ergibt sich wiederum aufgrund von einrichtungsintern festgelegten Zuständigkeiten (Stellenbeschreibungen).

Varianten eines Maßnahmenplans in stationären Pflegeeinrichtungen: Varianten 1 bis 3 stationär – Tagesstruktur (tageszeit- oder schichtbezogen) Im Vordergrund steht also eine individuelle Tagesstrukturierung, die die einrichtungsinternen Abläufe prägt. Die übersichtliche Beschreibung der tagestrukturierenden Routine einer pflegebedürftigen Person bietet den Vorteil, dass alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten chronologisch nachvollziehen können, was wann genau zu tun ist. Die pflegebedürftige Person erlebt so eine große Verlässlichkeit durch gleiches Arbeiten des Teams. Der Aufbau gestaltet sich wie folgt: ƒƒ Einmalig (in der Regel mit Beginn des pflegerischen Auftrags) werden alle für die pflegebedürftige Person relevanten pflegerischen Maßnahmen sowie Betreuungsangebote in einer zeitlichen Abfolge für 24 Std. beschrieben. Dabei besteht die Option, die Maßnahmen entweder in definierte Zeiträume (z. B. zwischen 8.00 – 10.00 Uhr) oder analog der einzelnen Schichtdienste (z. B. Früh, Spät, Nacht) zuzuordnen.

144

4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Individuelle fixe Zeitpunkte zur Erbringung von Leistungen, Maßnahmen des Risikomanagements und /oder der Behandlungspflege werden festgelegt und in den zeitlichen Ablauf integriert. ƒƒ Im Tagesablauf regelhaft wiederkehrende Maßnahmen werden nur einmal individuell beschrieben. Im weiteren Verlauf des Tagesplans werden sie durch ein für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten bekanntes Kürzel nur noch knapp gekennzeichnet.

Variante 1 bis 3 ambulant – Abläufe des Pflegeeinsatzes wahlweise mit Leistungs- komplexen und Themenfeldern kombiniert Im Vordergrund steht die Verknüpfung des Leistungskomplexes mit den individuell geplanten pflegerischen Maßnahmen, hauswirtschaftlichen Tätigkeiten und Betreuungsangeboten. Diese Planung gilt für alle vereinbarten Pflegeeinsätze im Wochenverlauf. Das Vorgehen bietet den Vorteil, dass die pflegebedürftige Person und die Angehörigen die Erbringung der Leistungen bei den Pflegeeinsätzen in gleichbleibender und verlässlicher Abfolge erleben. Der Aufbau gestaltet sich wie folgt: ƒƒ Einmalig (in der Regel mit Beginn des pflegerischen Auftrags) werden die Maßnahmen in der zeitlichen Reihenfolge des jeweiligen Pflegeeinsatzes bzw. für jeden Pflegeeinsatz beschrieben. In einer zusätzlichen Spalte wird den Maßnahmen die Nummer des jeweiligen Leistungskomplexes zugeordnet oder sogar noch mit dem Themenfeld verknüpft. ƒƒ Individuelle zeitliche Festlegungen der Leistungserbringung, inkl. Maßnahmen des Risikomanagements und Maßnahmen der Behandlungspflege werden ebenfalls dargestellt und in den zeitlichen Ablauf integriert. ƒƒ Im Pflegeeinsatz regelhaft wiederkehrende Maßnahmen werden nur einmal individuell beschrieben.

Erstellung und Anpassung des individuellen Maßnahmenplans Ein gut strukturierter Maßnahmenplan orientiert sich an den Prozessen des pflegerischen Alltags und dient als klare und nachvollziehbare Orientierung für das Team (Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft). Die Dokumentation ist ein zentrales Arbeitsmittel des Pflege- und Betreuungsteams und der Maßnahmenplan dient als

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

145

Arbeitsgrundlage für alle Beteiligten. Er liefert für alle relevante Hinweise, um die individuelle Pflege- und Betreuungssituation zu erfassen und dementsprechend zu handeln. Die Inhalte des individuellen Maßnahmenplans werden - wie bereits erwähnt - hergeleitet aus den Erkenntnissen des Gesprächs mit der pflegebedürftigen Person auf der Grundlage der SIS®, der Risikoeinschätzung und der Verständigung sowie aus Veränderungen, die sich im Versorgungsverlauf ergeben. Folgende Aspekte sind dabei regelhaft zu beachten: ƒƒ Individuelle Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person sowie spezielle Absprachen zu einzelnen Maßnahmen ƒƒ Beobachtungen und fachliche Entscheidungen im Rahmen des Risikomanagements ƒƒ Einschätzung des pflege- und betreuungsrelevanten Unterstützungs- und Hilfebedarfs ƒƒ Absprachen zu bestimmten Maßnahmen oder Ritualen mit der pflegebedürftigen Person und ggf. primären Bezugspersonen

Wichtig bei der Erstellung oder Modifizierung des Maßnahmenplans ist es, einen Abgleich mit den Aussagen im Feld B der SIS® vorzunehmen, die besonders relevanten Erkenntnisse der sechs Themenfelder zu beachten sowie die Einschätzungen in der Risikomatrix einzubeziehen. In der folgenden Abbildung 21 wird sichtbar, welche Informationen auf die Erstellung und Modifikation des Maßnahmenplans einwirken bzw. zu berücksichtigen sind (siehe folgende Seite). Qualitätsmerkmal eines nachvollziehbaren Maßnahmenplans ist die Plausibilität zwischen der Situationsbeschreibung SIS®, Berichteblatt, Evaluationsergebnisse sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmen, da sich Art und Umfang sowie inhaltliche Ausrichtung nur aus der individuellen Situation begründen lassen. Die Festlegung von Inhalten des individuellen Maßnahmenplans ergeben sich aus verschiedenen Anlässen: ƒƒ Zu Beginn des pflegerischen Auftrags: Direkt im Anschluss an das Gespräch auf der Grundlage der SIS® muss ein erster (vorläufiger) Maßnahmenplan durch die Pflegefachkraft (sofern möglich) zusammen mit der pflegebedürftigen Person bzw. deren Bezugspersonen sowie dem Pflege- und Betreuungsteam erstellt

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4  Prinzipien und Umsetzung

Individuelle Wünsche und Vorlieben

Leistungen der zusätzlichen Betreuung und Aktivierung

Individuelle Maßnahmen zur Unterstützung für definierte Situationen

Individueller Maßnahmenplan

Körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen

Maßnahmen des Risikomanagements und der zeitlich befristeten Beobachtung

Maßnahmen der Behandlungspflege

Abb. 21: Inhalte, die auf die Erstellung des Maßnahmenplans einwirken (ambulant/stationär)

werden. Damit wird zu Beginn des pflegerischen Auftrags festgehalten, welche aktuellen Handlungserfordernisse zu diesem Zeitpunkt bestehen. ƒƒ Innerhalb einer Eingewöhnungsphase bzw. der ersten Pflegeeinsätze: Weitere Erkenntnisse zur pflegebedürftigen Person werden gewonnen und Erfahrungen in der Umsetzung geplanter Maßnahmen gemacht. Die Erfahrungen und Erkenntnisse sind im Berichteblatt zu dokumentieren. ƒƒ Mit diesen Informationen kann der Maßnahmenplan Stück für Stück weiter konkretisiert werden. Dieser Prozess sollte in der Regel nach sieben Tagen bzw. ambulant nach fünf Einsätzen mit einer Fallbesprechung abgeschlossen sein. ƒƒ Hierzu müssen einrichtungsinterne Regelungen durch das Pflege- und Qualitätsmanagement getroffen werden. In der ambulanten Pflege wird dieser Prozess zunächst durch die unmittelbar vertraglich vereinbarten Leistungen beeinflusst. ƒƒ Im weiteren Verlauf: Zu Änderungen im Maßnahmeplan kommt es aufgrund von Informationen im Berichteblatt (z. B. dokumentierte Abweichungen oder aktuelle Ereignisse), nach Evaluationen und/oder Fallbesprechungen (z. B. unklar, ob Sturzrisiko besteht) oder auch bei Beobachtungen, um festzustellen ob die gewählten Maßnahmen die erwartete Wirkung zeigen (z. B. Angebote zur Unterstützung zum Erhalt der Mobilität).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

147

Die Formulierungen im Maßnahmenplan sind eindeutig und handlungsleitend sowie nachvollziehbar zu formulieren. Dabei ist zu berücksichtigen, ob aus fachlicher Sicht oder auf Wunsch der pflegebedürftigen Person bestimmte Leistungen zu einem fixen Zeitpunkt zu erbringen sind. KURZ GESAGT: immanente Ziele Im Strukturmodell werden einzelne Zielformulierungen im Maßnahmenplan nicht extra aufgeführt. Ziele werden durch die pflegebedürftige Person im Rahmen des Verständigungsprozesses direkt oder indirekt vorgegeben und sind damit Orientierung für den gesamten Pflegeprozess. Insoweit sind sie in den Maßnahmen inbegriffen (= immanent enthalten).

Vorschläge zur Strukturierung bei der Erstellung eines Maßnahmenplans ƒƒ WER führt die Maßnahmen durch? Ein Teil der Maßnahmen (die Prothese herausnehmen) die pflegebedürftige Person selbst – den Rest die Pflegekraft (das Reinigen des Gebisses). Besondere Tätigkeiten (Medikamente verabreichen) – nämlich die der Behandlungspflege – werden nur von Pflegefachkräften durchgeführt – einer weiteren Person, die also an der Versorgung beteiligt ist. ƒƒ WAS ist zu tun? Konkret wird beschrieben, was für die pflegebedürftige Person getan wird. ƒƒ WIE ist die Maßnahme durchzuführen? Hier werden insbesondere die individuellen Wünsche und Bedürfnisse (wünscht am Waschbecken zu stehen) berücksichtigt. ƒƒ WO findet die Maßnahme statt? Der Ort ist dann relevant, wenn es Abweichungen zu den Regelungen in der Verfahrensanleitung (VA) dazu gibt. Beispiel: In der VA steht: Die Grundpflege ist sitzend am Waschbecken durchzuführen. Individuell: Der Rücken der pflegebedürftigen Person wird an der Bettkante sitzend von der Pflegekraft gewaschen. ƒƒ WANN ist die Maßnahme durchzuführen? Entweder ist dies medizinisch relevant (Beispiel: die Einnahme der Medikamente z. B. für eine Parkinsonerkrankung erfolgt zu festen Zeiten: 08:00 Uhr, 12:00 Uhr, 16:00 Uhr …) oder wird konkret auf Wunsch der pflegebedürftigen

148

4  Prinzipien und Umsetzung

Person festgelegt (Beispiel: möchte nicht geweckt werden, meldet sich, wenn sie wach ist.)

Beispiele für handlungsleitende Maßnahmen und enthaltene Ziele: ƒƒ Maßnahmen:  „Ganzkörperwäsche am Waschbecken sitzend, Waschutensilien für Oberkörper gezielt in die Hand reichen; motivieren, sich selbst zu waschen. Waschen des Rückens und des Unterkörpers durch die Pflegefachkraft; Gast wünscht ausdrücklich kein Eincremen der Haut.“ (enthaltenes Ziel:  „Gewährleistung der Körperhygiene“,  „Erhalt der Fähigkeiten/Ressourcen“,  „Berücksichtigung der Wünsche/Selbstbestimmung“) ƒƒ Maßnahme:  „Jeden Abend 21:00 Uhr ein Glas Rotwein auf dem Nachtschrank bereitstellen“ (enthaltenes Ziel:  „Wunsch/Gewohnheit des Bewohners i. Sinne von Selbstbestimmung und Lebensqualität ist berücksichtigt“) ƒƒ Maßnahme:  „Körperpflege, mehrmals täglich zu verschiedenen Zeiten anbieten, Abwehrverhalten tolerieren, in Absprache mit Tochter Körperpflege nur durchführen, wenn Gast einverstanden ist. (enthaltenes Ziel:  „Selbstbestimmung des Gastes ist berücksichtigt, Einbeziehung der Angehörigen ist gewährleistet“) ƒƒ  „Auffordern, motivieren, die Zahnprothese eigenständig aus dem Mund zu nehmen, volle Übernahme säubern der Prothese, danach Prothese gezielt in die Hand reichen, zum eigenständigen Einsetzten anleiten“ (enthaltenes Ziel:  „Fähigkeiten zur eigenständigen Prothesenpflege werden erhalten“) ƒƒ Maßnahme:  „Beobachtung des Ausscheidungsverhaltens in Bezug auf das Bedienen von Knöpfen und Verschlüssen“ im Zusammenhang mit einem Toilettengang (enthaltenes Ziel:  „Einschätzung/Klärung einer Harninkontinenz“) ƒƒ Maßnahme:  „Bei Unruhe und/oder Abwehrverhalten zunächst gemeinsames Singen versuchen, ansonsten Abbruch der Pflegehandlung. Erneuter Versuch frühestens nach 30 min.“ (enthaltenes Ziel:  „Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Person ist berücksichtigt“) Regelmäßige und wiederkehrende Abläufe der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischer Betreuungsmaßnahmen sowie der psychosozialen Begleitung sind übersichtlich und zur schnellen Orientierung nachvollziehbar im Maßnahmenplan darzustellen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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KURZ GESAGT: Verfahrensanleitungen Es sind Dokumente des Qualitätsmanagements, welche u. a. das einrichtungsinterne Vorgehen der regelmäßig wiederkehrenden Abläufe der Pflege und Betreuung knapp und prägnant beschreiben. In der Regel liegen (12 – 15) Verfahrensanleitungen in den Pflegeeinrichtungen in vielfältiger Form in Art und Ausprägung vor. In der Praxis finden sich hierfür auch die Begriffe Standards, Leitlinien oder Ähnliches.

Maßnahmenplanung unter Einbeziehung von Verfahrensanleitungen Da Verfahrensanleitungen (vgl. Teil III, Kap. 6 und Teil I, Kap. 1). für pflegerische und betreuungsrelevante Maßnahmen Träger- bzw. einrichtungsintern hinterlegt sind, kann die Maßnahmenplanung auf die jeweiligen individuellen Aspekte von Maßnahmen beschränkt werden. Ein Querverweis auf die einrichtungsinternen Verfahrensanleitungen im Maßnahmenplan ist nicht unbedingt erforderlich, da diese inhaltlich allen Mitarbeitern bekannt sind, kann aber unter Umständen hilfreich sein. Im Rahmen der Implementierungsstrategie konnten hinderliche Faktoren zu Anforderungen an einen Maßnahmenplan identifiziert werden, die nachfolgend aufgeführt sind: Inhaltliche Faktoren: ƒƒ Unklare Situationsbeschreibung, sodass sich keine handlungsleitenden Maßnahmen ableiten lassen ƒƒ Verwendung von übergeordneten Fachbegriffen anstatt Beschreibung konkreter individueller Maßnahmen (z. B. Dekubitusprophylaxe) ƒƒ Verwendung von Textbausteinen ohne individuellen Bezug (Formulierungshilfen) ƒƒ Die Beschreibung der Maßnahme zur Beobachtung ist unkonkret (z. B. Mobilität beobachten)

BEISPIELE ZUR BEOBACHTUNG

ƒƒ Beobachtung der Mobilität in Bezug auf die sichere Nutzung und Handling des Rollators des Ausscheidungsverhalten in Bezug auf Bedienung von Knöpfen und ƒƒ Beobachtung Verschlüssen und Einnässen ƒƒ Beobachtung des Essverhaltens in Bezug auf die vollständige Aufnahme einer Mahlzeit 150

4  Prinzipien und Umsetzung

Inhaltlich: ƒƒ Zu kleinschrittige Formulierung der Maßnahmen (z. B.:  „Hr. E. wird geweckt bzw. meldet sich per Lichtrufanlage. Danach wird eine Grundpflege des Intimbereiches und Unterkörpers im Bett mittels Waschschüssel durchgeführt. Danach wird eine Einlage eingelegt und die Unterhose angezogen…“) ƒƒ Fehlende Plausibilität zwischen SIS® und Maßnahmenplan (z. B. in der SIS® wurde im Themenfeld 5  ,Leben in sozialen Beziehungen‘ notiert, dass die pflegebedürftige Person gern allein sein möchte. Im Maßnahmenplan wird die Teilnahme an der Betreuungsgruppe am Vormittag geplant). Formale Faktoren: ƒƒ Selbstverständlichkeiten im Umgang mit der pflegebedürftigen Person (z. B.: Bett auf Arbeitshöhe stellen), ƒƒ Beschreibung organisatorischer Abläufe (z. B.: Bei Bedarf wird das Bett abgezogen und die Mitarbeiter der Hauswirtschaft beziehen es wieder neu), ƒƒ fehlende Konzentration auf den Unterstützungsbedarf, ƒƒ Doppeldokumentation durch unklare Zuordnung zu den Inhalten der Spalten (z. B. Hilfsmittel), ƒƒ trotz Verweis auf Verfahrensanleitung (VA) erfolgt zusätzlich die detaillierte Ausformulierung der standardisierten Maßnahme, ƒƒ Verschriftlichung von Zielen (z. B.: Muss immer begleitet werden: Sturzvermeidung), ƒƒ fehlendes Datum bei befristeten Maßnahmen (Beobachtung).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

151

Womit die Maßnahmenplanung gelingt Tabelle 3: Sieben Punkte mit Hinweisen zu Erstellung eines Maßnahmenplans Punkt 1: Die Planung von handlungsleitenden Maßnahmen baut auf der Grundlage der Informationen aus der SIS® auf. Aus den Informationen der SIS® sollten entsprechende nachvollziehbare Maßnahmen abgeleitet und konkret beschrieben werden. Beispiele ohne Plausibilität

Beispiele mit Plausibilität

Situationsbeschreibung in der SIS®:

Situationsbeschreibung in der SIS®:

Herr S. interessiert sich für Politik und Sport

Frau M. spielt gern Rommé

Maßnahme: dienstags Teilnahme an der Märchenstunde Situationsbeschreibung in der SIS®:

Maßnahme: mittwochs zum Spielnachmittag begleiten

Herr M. geht kurze Strecken mit dem Rollator

Gangart unsicher

Maßnahme: regelhafter Transfer mit dem Rollstuhl

Maßnahme: Begleitung beim Gehen, stützen der linken Körperhälfte

Situationsbeschreibung in der SIS®:

Punkt 2: Die personzentrierte Pflege setzt voraus, dass Maßnahmen an den individuellen Wünschen und Fähigkeiten der pflegebedürftigen Person ausgerichtet sind. Textbausteine können daher keine Anwendung finden. Beispiel Formulierung mit Textbaustein

Beispiel individuelle Formulierung

Textbaustein Mundpflege:

Mundpflege morgens:

Prothese aus dem Mund nehmen, Prothese mit Hr. M. nimmt selber die Prothese aus dem Mund, Übernahme der Reinigung, Zahnputzbecher mit Zahncreme reinigen, Mund ausspülen, Zähne Wasser und zwei Spritzern  „Odol“ zum Mundspülen putzen, Prothese einsetzen … reichen, Prothese Hr. M. zum Einsetzen in die Hand geben. Punkt 3: Beschränken der Maßnahmen auf den tatsächlichen Hilfe- und Unterstützungsbedarf der pflegebedürftigen Person und Vermeidung einer erneuten Situationsbeschreibung, die bereits in der SIS® dokumentiert ist. Auf die separate Formulierung von Zielen wird verzichtet, diese sind in den Maßnahmen inbegriffen (immanent enthalten). Beispiele Unterstützungsbedarf mit Beispiele Beschränkung auf konkreten Situationsbeschreibung und Zielen Hilfe- und Unterstützungsbedarf Herr F. wäscht sich Gesicht, Hände und vorderen Waschen des Rückens Oberkörper, Pflegekraft wäscht den Rücken. Ziel: Herr F. fühlt sich gepflegt Frau S. hat ein unsicheres Gangbild, Ziel: Frau S. fühlt sich sicher und kann am Alltagsleben teilnehmen

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4  Prinzipien und Umsetzung

Rollator stets in Reichweite von Fr. M. platzieren

Punkt 4: Vermeidung der Beschreibung von Selbstverständlichkeiten oder organisatorischer Abläufe sowie zu kleinschrittige Formulierung von Maßnahmen. Beispiel zu kleinschrittiger Formulierung

Beispiel handlungsleitender Formulierung

Bewohner wird zur Aufnahme der Mahlzeiten mit erhöhtem Oberkörper gelagert, das Bett wird in Arbeitshöhe gebracht, Umlegen des Wäscheschutzes, guten Appetit wünschen,

Anreichen der Mahlzeiten mittels kleinem Löffel oder einer Kuchengabel. Mahlzeiten portionsweise pürieren. Brot in kleine Stücke schneiden.

Anreichen der Mahlzeiten … …Tablett in der Wohnbereichsküche abstellen Punkt 5: Bei vorliegender Verfahrensanleitung (VA) kann die Beschreibung der Maßnahme knapp ausfallen und sich auf die individuellen Aspekte des Einzelfalls beschränken. Beispiel einer ausführlichen Beschreibung, trotz vorliegender Verfahrensanleitung

Beispiel einer knappen Beschreibung bei vorliegender Verfahrensanleitung

Ganzkörperwaschung im Bett:

Belebende Ganzkörperwaschung im Bett, Waschzusatz  „Lemongras“

Oberkörper entkleiden, Abdecken des Oberkörpers, Wäscheschutz umlegen, Waschen des Gesichtes mit klarem Wasser Waschen und trocknen der Hände, Arme, Achseln und des vorderen Oberkörpers. Bewohner aufrecht sitzen lassen, Waschen und Trocknen des Rückens, Eincremen des Oberkörpers …

Punkt 6: Maßnahmen sind möglichst konkret zu beschreiben, das bloße Verwenden bestimmter Überbegriffe ist nicht handlungsleitend. Überbegriffe für Maßnahmen

Beispiele einer konkreten Maßnahme

Intertrigoprophylaxe

Einlegen von Leinenläppchen in die Bauchfalte

Dekubitusprophylaxe

Freilagern der Fersen

Basale Stimulation

Beruhigende Handmassage mit Lavendelöl

Punkt 7: Sind geplante Maßnahmen oder Aufträge zwecks Abklärung unklarer Risikosituationen zu überprüfen, sollten diese Maßnahmen konkret ausformuliert und zeitlich befristet werden. Allgemeine Maßnahmen, aus denen keine ErKonkrete Maßnahmen und Befristung der kenntnisse gezogen werden können Beobachtung Führen des Ernährungs- und des Trinkplans Erfassung der aufgenommenen Trinkmenge für 5 Tage Teilnahme an Gruppenangeboten Täglich zu den Angeboten der sozialen Betreuung informieren, wenn Frau F. teilgenommen hat, hinterfragen, wie ihr das Angebot gefallen hat (Beobachtungszeit: 2 Wochen).

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153

Zwischenfazit Der Maßnahmenplan dient allen an der Pflege und Betreuung Beteiligten zur Orientierung. Der inhaltlich übersichtliche Aufbau des Maßnahmenplans ermöglicht eine schnelle Erstellung und Anpassung im Verlauf des Pflegeprozesses. Eine ggf. vorangestellte Grundbotschaft im Maßnahmenplan verdeutlicht zusätzlich den personzentrierten Ansatz auch in diesem Element des Strukturmodells. Der Maßnahmenplan erfüllt gleich mehrere unterschiedliche Anforderungen: (a) Berücksichtigung der Wünsche und Bedürfnisse der zu pflegenden Person; (b) Orientierung im täglichen Ablauf von Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft und (c) Grundlage der Evaluation. Die dargestellten Anforderungen an einen individuellen Maßnahmenplan reflektieren den Anspruch an eine personzentrierte Pflege. Neben den notwendigen pflegerischen und betreuenden Maßnahmen zur Unterstützung fließen, ggf. mit biografischem Bezug, Wünsche, Bedürfnisse, Vorlieben und Abneigungen sowie Gewohnheiten und Ressourcen der pflegebedürftigen Person mit ein.

4.3 Element 3: Das Berichteblatt – Fokus auf Abweichungen und tagesaktuelle Ereignisse 4.3.1 Prinzipien Das Berichteblatt als zentrales Steuerungs- und Kommunikationsinstrument im Strukturmodell kennzeichnet die dritte Phase im Pflegeprozess. Insbesondere bei Veränderungen im Pflegeprozess ist eine schnelle Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit tagesaktueller Ereignisse sicher zu stellen. Deshalb konzentrieren sich die im Berichteblatt dokumentierten Inhalte ausschließlich auf Abweichungen von den immer wiederkehrenden Abläufen der Pflege und Betreuung im Maßnahmenplan (z. B.  „schon heute Morgen geduscht, nachmittags Besuch von Freunden“ oder  „das Gruppenangebot Tanzen heute nicht wahrgenommen, Fr. A. fühlte sich heute sehr schlapp“) sowie auf tagesaktuelle Ereignisse (z. B.  „Besuch bei der Zahnärztin, Wiedervorstellung in 2 Tagen“ oder auch  „heute erstmaliger Besuch der Physiotherapeutin, Hr. H. äußert Rückenschmerzen hat Bedarfsmedikation in Anspruch genommen; Frau T. hatte Besuch von ihrer Enkeltochter, berichtet mit großer Freude, dass diese für ein Jahr nach Amerika geht“).

154

4  Prinzipien und Umsetzung

HINWEIS Hierbei ist zu beachten, dass es sich bei  „Abweichungen“ als auch bei  „tagesaktuellen Ereignissen“, sowohl um positive als auch negative Aspekte handeln kann sowie Rückmeldungen zu den Angeboten, die der pflegebedürftigen Person im Rahmen von Pflege oder Betreuung gemacht werden.

In der Vergangenheit diente das Berichteblatt häufig als Sammlung von Informationen für routinemäßige Einträge immer wiederkehrender Handlungen nach Festlegung im Qualitätsmanagementhandbuch. In vielen Einrichtungen erfolgten Eintragungen (Einzelleistungsnachweis) nach jedem geleisteten Einsatz oder nach jeder Schicht. Diese Vorgehensweise ist aus fachlicher und haftungsrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht mehr empfehlenswert, wenn die Prinzipien des ‚Immer-so-Beweises‘ eingehalten werden (vgl. Teil I, Kap. 3 und Teil III, Kap. 6).

KURZ GESAGT: Verunsicherung durch veränderte Routinen Ein spürbarer Rückhalt durch das Pflege- und Qualitätsmanagement sowie eine offene und gelebte Fehlerkultur minimieren anfänglich auftretende Ängste bei den Pflegenden vor  „vermeintlichen“ Lücken in der Pflegedokumentation mit der Einführung des Strukturmodells.

Voraussetzung für diese Vorgehensweise und im Hinblick auf die Nachvollziehbarkeit für alle Beteiligten ist, dass die zu erbringenden und im Maßnahmenplan dokumentierten (geplanten) Leistungen aus der SIS® ableitbar und einmal nachvollziehbar beschrieben sind. Im Versorgungsverlauf ergeben sich durch Veränderungen, die im Berichteblatt dokumentiert wurden, ggf. auch Veränderungen im Maßnahmenplan. Es ist nicht immer erforderlich, gleich den Pflegeprozess neu zu starten und ein erneutes Gespräch mit der SIS (R) zu dokumentieren (vgl. Kap. 4.4), d. h. die SIS® ist nicht tagesaktuell aber die Pflegedokumentation nach dem Strukturmodell mit allen vier Elementen (vgl. Kap. 4). Somit wird der Pflegeprozess aktiv gelebt und das Berichteblatt dient sowohl der Steuerung als auch dem Durchführen von Maßnahmen und dem Beobachten ihrer Wirkung. Insofern wird deutlich, dass dem Berichteblatt eine herausragende Rolle im Strukturmodell, insbesondere bei der Evaluation, zukommt. Die Pflegefachkraft hat den Pflegeprozess zu überwachen, zu steuern und sich von der Durchführung der Maßnahmen zu überzeugen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

155

4.3.2 Umsetzung Inhalte und Funktion des Berichteblattes Das Berichteblatt als zentrales Steuerungs- und Kommunikationsinstrument im Strukturmodell stellt eine schnelle Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit bei Veränderungen im Pflegeprozess sicher und bildet die Grundlage für die Evaluation. So geht jeder Anpassung oder Veränderung im Maßnahmenplan grundsätzlich ein Eintrag im Berichteblatt voraus. In der grundpflegerischen Versorgung mit ihren beschriebenen routinemäßigen und wiederkehrenden Abläufen der Pflege und Betreuung konzentrieren sich künftig die Aufzeichnungen im Berichteblatt ausschließlich auf das Dokumentieren von Abweichungen aus der geplanten Maßnahme, sowie aktueller Ereignisse. Maßnahmen der psychosozialen Betreuung und therapeutische Maßnahmen gehören ebenfalls dazu, trotz Erbringung der Leistungen durch andere Berufsgruppen. Voraussetzung für den Verzicht auf die Dokumentation von immer wiederkehrenden Routinemaßnahmen ist jedoch, dass die zu erbringenden Leistungen auf einer individuellen Strukturierten Informationssammlung und einem daraus abgeleiteten individuellen Maßnahmenplan beruhen. Im Berichteblatt können (gemäß Funktion bzw. Verantwortungsbereich) alle an der Pflege und Betreuung beteiligten Personen (z. B. Mitarbeiter aus dem Bereich der Betreuung, andere therapeutische Gesundheitsfachberufe, Servicekräfte etc.) Eintragungen vornehmen. Hierzu bedarf es klarer Vorgaben des Qualitätsmanagements unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Im QM Handbuch muss der Umgang mit sensiblen Daten der pflegebedürftigen Person klar geregelt sein. Nicht nur die Mitarbeiter/innen der Pflegeeinrichtung haben die Vorgaben des Datenschutzes zu berücksichtigen, sondern auch die mit der Einrichtung kooperierenden Partner, wie Therapeuten oder andere Dienstleister, die am Pflegeprozess beteiligt sind. Die Pflegeeinrichtung muss entsprechende schriftliche Vereinbarungen zum Datenschutz mit den Kooperationspartnern schließen. In der Vereinbarung ist geregelt, dass diese ihre Mitarbeiter/innen informieren und eine schriftliche Kenntnisnahme einholen.

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4  Prinzipien und Umsetzung

KURZ GESAGT: Beachtung des Datenschutzes zur Nutzung des Berichteblattes durch andere Berufsgruppen Die Verschwiegenheit zu personenbezogenen Daten ist eine allgemeingültige Auflage und in der Regel ohnehin vertraglich mit allen beteiligten Akteuren geregelt. Die pflegebedürftige Person muss zustimmen, dass im Rahmen der Versorgung und zur Sicherstellung der Kommunikation das Berichteblatt eingesehen und genutzt werden darf.

Neuausrichtung Berichteblatt – verändertes Vorgehen Alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten können ihre Informationen in das Berichteblatt eintragen. Es wird so sichergestellt, dass alle den gleichen aktuellen Wissensstand zur pflegebedürftigen Person haben und aus den Informationen notwendige Handlungsschritte oder Rückschlüsse ableiten können. Eine pflegefachliche Diskussion und ein Austausch von Erkenntnissen zur pflegebedürftigen Person sind dann in Dienstübergaben oder Fallbesprechungen möglich. Beobachtungen und Informationen der Pflegekräfte, Betreuungskräfte und Servicekräfte sind für die individuelle Pflege sehr hilfreich. Gerade dieser Personenkreis ist während des Tagesablaufes in engem Kontakt, begleitet und unterstützt die pflegebedürftige Person. Eintragungen von externen Therapeuten und Hinweise zu therapeutischen Maßnahmen unterstützen die Versorgung der pflegebedürftigen Person. Pflegekräfte nutzen die Hinweise der Therapeuten bzw. berücksichtigen diese in der weiteren Planung. Das Berichteblatt kann gleichfalls genutzt werden, um kurzfristige Beobachtungen oder Erhebungen, beispielsweise eines Gewichtsverlaufs, die Erfassung der Trinkmenge oder die Reaktion auf eine neue Maßnahme zu dokumentieren. Auf Grund der gezielten Informationseintragungen von Abweichungen oder Ereignissen, kann das weitere Vorgehen nachvollziehbar abgebildet werden.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

157

Pflegefachliche Einschätzungen und Beobachtungen

Aktuelle Ereignisse und Situationsveränderungen

Befürwortende und ablehnende Äußerungen im Rahmen der Pflegeund Betreuung

Abweichungen vom individuellen Maßnahmenplan Berichteblatt

Abb. 22: Inhalte, die für das Berichteblatt von Relevanz sind

Beispiele für Einträge im Berichteblatt ƒƒ Abweichungen vom individuellen Maßnahmenplan: „morgen Abend keine Grundpflege, wird von Angehörigen übernommen und anschließend zum Geburtstag der Schwestern gebracht“ ƒƒ Pflegefachliche Einschätzungen und Beobachtungen: „trinkt bereitgestellte Getränke, somit kein Defizit in der Flüssigkeitsversorgung“ wirkt zunehmend unsicher beim Aufstehen und Hinsetzen, musste 3 x Schwung holen zum Aufstehen aus dem Stuhl und setzte sich beim Hinsetzen beinahe neben den Stuhl“ „aß selbstgebackenen Kuchen mit Appetit, leckte sich anschließend genussvoll die Finger ab“ (Beobachtung) ƒƒ Aktuelle Ereignisse und Situationsveränderungen: Besuch von der Tochter gehabt. Frau A. wirkte am Abend traurig und weinte, eine Tasse Tee angeboten und Gespräch geführt: Sorge, dass der Kontakt zur Tochter abbrechen könnte, auf Möglichkeit des Telefonierens und nächsten Besuchstermin in der kommenden Woche hingewiesen. Frau A. wirkte anschließend gefasster. Sie berichtete gleich nach dem Mittagschlaf von starken Schmerzen in den Gelenken, wollte erst mal im Bett liegen bleiben. Nach Gabe der Bedarfsmedikation ging es ihr zum Abend hin wieder besser und sie gab keine Schmerzen mehr an.

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4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Befürwortende und ablehnende Äußerungen im Rahmen der Pflege und Betreuung: (befürwortend)  „hat heute begeistert an der Gartenarbeit teilgenommen“ (ablehnend)  „schimpfte laut beim Singen, warf Liederbücher zu Boden und ist zur Küchengruppe gewechselt, nächstes Mal gleich Teilnahme in dieser Gruppe“

BEISPIELE ZUR DOKUMENTATION DES WOHLBEFINDENS A. hat bzgl. der Betreuungsangebote beim Einzug hervorgehoben: Sie möchte mit ƒƒ Frau den anderen Bewohnern im Gespräch sein, Handarbeiten hat sie immer gern gemacht und möchte es hier weiterhin tun.

ƒƒ Frau A. freute sich, dass ihr gestrickter Schal mit zum Weihnachtbasar angeboten wird. entspannt und zufrieden nach der Körperpflege, folgte meinem Tun aufmerksam ƒƒ Wirkte mit Blicken, lächelte“. T. verbrachte den Vormittag mit dem Sortieren und Zerpflücken der Tageszeitung. ƒƒ „Fr. Wirkte hochkonzentriert und geschäftig, machte einen sehr zufriedenen Eindruck“. in der Wohnküche und beobachtete das  „Treiben“ um sich herum, wirkte zufrieden ƒƒ „Saß dabei“. „Hr. D. äußert sich sehr zufrieden mit dem selbstgebackenen Kuchen  „der schmeckt ja ƒƒ wie bei Muttern“.

Einrichtungsinterne Voraussetzungen zur Anwendung des Berichteblattes: Hier ist erneut das Pflege- und Qualitätsmanagement gefordert, zusammen mit der Projektgruppe ein geeignetes Dokument zu erstellen, zu erproben und festzulegen. Im Anhang finden sich zu den Fallbeispielen von Frau Anderson und Herrn Hellmann entsprechende Darstellungen zu Struktur und Ausrichtung des Berichteblattes sowie der beispielhaften Anwendung. Das beschriebene Vorgehen mit dem Berichteblatt und die Fokussierung auf Abweichungen vom Maßnahmenplan setzt voraus, dass einrichtungsintern Verfahrensanleitungen (Leitlinien/Standards) für die immer wiederkehrenden Abläufe der Pflege und Betreuung inkl. Prophylaxen (unter Berücksichtigung von Empfehlungen aus den Expertenstandards des DNQP) schriftlich vorliegen. Dies dient einerseits dazu, dass sich im Maßnahmenplan darauf bezogen werden kann und anderseits im Berichteblatt dokumentierte Abweichungen nachvollziehbar sind. In den Verfahrensanleitungen werden die regulären immer wiederkehrenden Maßnahmen (sog. ‚Immer-so Routinen‘) der durchzuführenden Maßnahmen beschrieben.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Die individuellen Besonderheiten ergeben sich dann für die Versorgung der pflegebedürftigen Person aus der Strukturierten Informationssammlung und dem individuellen Maßnahmenplan. So kann gewährleistet werden, dass alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten die pflegebedürftige Person nach dem gleichen Vorgehen und Handlungsschritten versorgen und Abweichungen objektiv erkannt und nachvollziehbar dokumentiert werden können. Das Prinzip des Vorgehens mit dem Berichteblatt unterstützt den Gedanken der schlanken Pflegedokumentation und es wird möglich, dass z. B. mit dem Träger- bzw. einrichtungsinternen Bezeichnungssystem (z. B. Nummerierungen für Verfahrensanleitungen etc.) sowohl im Maßnahmenplan, als auch im Berichteblatt gearbeitet werden kann. Individuelle Abweichungen von den Vorgaben in den Verfahrensanleitungen werden somit sofort sichtbar. Den Mitarbeitern sind die Verfahrensanleitungen bekannt, sie haben die Kenntnisnahme und Unterrichtung darin schriftlich bestätigt und wissen, wo die Möglichkeit besteht, die Verfahrensanleitungen bei Bedarf einzusehen.

HINWEIS Wenn die Verfahrensanleitungen einem Bezeichnungssystem (z. B. Nummerierungen) unterliegen, kann in der Maßnahmenplanung darauf routinemäßig Bezug genommen werden. Dies geschieht unter Berücksichtigung der Dokumentation individueller Ausprägungen der Erbringung von Leistungen.

Eintragungen im Berichteblatt stellen sowohl Erkenntnisse aus Beobachtungen als auch Fakten sowie Abweichungen vom Maßnahmenplan dar, d. h. dass die Eintragungen von hoher Relevanz für die Evaluation der Pflegesituation sind und den Pflegekräften Informationen zum aktuellen Stand liefern. Vor diesem Hintergrund kann das Team (oder die Pflegefachkraft) entscheiden ob: ƒƒ eine Besprechung in der Dienstübergabe oder ƒƒ eine Fallbesprechung (ggf. um die verschiedenen Eintragungen im Berichteblatt zu besprechen und bewerten) notwendig ist, ƒƒ eine Pflegevisite (ggf. um die Wirkung der initiierten Maßnahmen zu überprüfen) durchgeführt werden sollte,

160

4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ ein Gespräch mit den Angehörigen (ggf. um Unterstützung auszuloten) als hilfreich eingeschätzt wird, ƒƒ die betreuende Ärztin/der betreuende Arzt zu kontaktieren ist (z. B. um Medikation anzupassen). Die Ergebnisse sind entsprechend im Berichteblatt festzuhalten und der Maßnahmenplan ggf. anzupassen. KURZ GESAGT: (Neue) Bedeutung von Dienstübergaben Eintragungen im Berichteblatt lösen immer eine pflegefachliche Handlung aus. Dienstübergaben und (berufsgruppenübergreifende) Kommunikation erhalten wieder eine andere Bedeutung mit dem Strukturmodell. Wichtig ist, alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten an der Auswertung von Beobachtungen und entsprechenden Veränderungen von Maßnahmen zu beteiligen – auch im Hinblick auf die Reaktion der pflegebedürftigen Person.

HINWEIS Ergebnisse aus Fallbesprechungen, Pflegevisiten und der Evaluation, die im Zusammenhang mit der Nutzung weiterer Dokumente stehen, werden mitunter separat dokumentiert. Die Einrichtung entscheidet bei der Neuausrichtung der Dokumentationsakte, welche Dokumente sie für den Pflegeprozess benötigt. Die Pflegenden sollten diese Dokumente mit im Blick haben, wenn es zu Eintragungen im Berichteblatt kommt, z. B. das Arztkommunikationsblatt, das Medikamentenblatt und Zusatzdokumente (Trinkprotokoll, Schmerzerfassung usw.).

Inhaltlich gesehen sind im Berichteblatt bei tagesaktuellen Ereignissen (z. B. hat heute nicht am Essen in der Gemeinschaft teilgenommen, gibt allgemeines Unwohlsein an) folgende Informationen wichtig: ƒƒ Möglichst genaue Beschreibung der Situation ƒƒ Ob und ggf. welche Maßnahmen eingeleitet wurden und ƒƒ Wie die pflegebedürftige Person auf diese reagiert hat Alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten werden einbezogen, so dass sichergestellt werden kann, dass die Maßnahmen zeitnah umgesetzt werden und die Reaktion der pflegebedürftigen Person von allen beobachtet und in ihrer Wirkung eingeschätzt werden kann.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Beispiel für Eintragungen im Berichteblatt bei einem akuten Ereignis Herr Kurz geb.: 28.10.1934/Blatt 01/2016 Datum

Eintrag

Hdz.

07.04.16

Hr. K. machte sich durch Rufen um 6:45 Uhr bemerkbar, er wurde im Zimmer vorm Bett liegend vorgefunden. Er gab an, keine Schmerzen zu haben und wollte nach eigener Aussage nach dem Toilettengang zurück ins Bett gehen; siehe Sturzprotokoll.

EF

ND

7:00 Uhr RR 145/85, kein Schwindel, lehnte Besuch des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ab. Hausarzt heute früh informieren; ab sofort stündlich RR messen bis Hausarztgespräch erfolgte; nach Schmerzen befragen. 07.04.16 FD

09:30 Uhr Hausarzt über den Sturz informiert, kommt nach der Sprechstunde zum Hausbesuch. Auf mehrmaliges Nachfragen gibt Hr. K. an, keine Schmerzen zu haben

KT

Anordnung des Hausarzt: alle 2 Std. RR 140/85;145/90; RR Messungen 07.04.16

14:00 Uhr Hausarztbesuch: siehe Arztkommunikationsblatt

KT

FD

Arztkommunikationsblatt Datum

Eintrag

Arzt

Pflege

07.04.16

Keine sichtbar zu erkennenden Frakturen, RR im Normalbereich

Dr. Kaiser KT

14:00Uhr Besuch des HA

Messungen RR 3 x tgl. über 2 Tage, sollten Schmerzen auftreten, können bei Bedarf 3 x 30 Trp. Novalminsulfon verabreicht werden. Verordnung von 6 x Physiotherapie (Gangtraining) Rückinfo bei Veränderungen und nach Abschluss der Therapiemaßnahme

Nach erfolgter Kommunikation mit dem Arzt ist das Medikationsblatt entsprechend der ärztlichen Anordnung zu verändern und ggf. erforderliche Hinweise in den Maßnahmenplan aufzunehmen. Die Information über die Änderungen erfolgt zusätzlich in der Dienstübergabe.

162

4  Prinzipien und Umsetzung

Fortführung im Berichteblatt Datum

Eintrag

Hdz./Bereich

07.04.16

Physiotherapiepraxis informiert: erster Termin 08.04.16, 14:30 Uhr

SH

SD 08.04.16 Physio 12.04.16 Physio 14.04.2016 Physio

Hr. K. erhält physiotherapeutische Maßnahmen zur Stabilisierung LK/PT seiner Gehfähigkeit 14:30 Uhr Hr. K. läuft mit dem Rollator in Begleitung bis zur Tagespflege, bitte auf das Gangbild am Rollator achten 11:30 Uhr

LK/PT

Hr. K. geht sicher mit dem Rollator um 15:00 Uhr

LK/PT

Legende: PT = Physiotherapie

Durch das veränderte Vorgehen im Berichteblatt wird nun schnell sichtbar, ob sich der Hilfe- und Betreuungsbedarf verändert hat oder stabil geblieben ist und es ermöglicht zudem allen an der Pflege und Betreuung Beteiligten, die aktuelle Situation im Blick zu behalten und ggf. entsprechend bei Auffälligkeiten oder sich häufenden Eintragungen zu reagieren. Die übersichtliche Dokumentation im Berichteblatt von: ƒƒ tagesaktuellen Ereignissen und dadurch bedingten Veränderungen in den Maßnahmen oder ƒƒ Veränderungen, welche durch die pflegebedürftige Person veranlasst wurden sowie ƒƒ sich schleichend veränderndem Pflege- und Betreuungsbedarf stellt eine wertvolle zusätzliche Informationsquelle für die externe Begutachtung durch den MDK/Medicproof dar und kann von der Pflegeeinrichtung genutzt werden, um einen Antrag zur Überprüfung des Pflegegrads zu initiieren.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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BEISPIEL Durch die Konzentration der Dokumentation auf Abweichungen im Berichteblatt können Veränderungen, vor allem bei sich schleichend veränderten Pflegebedarfen, gut nachvollzogen werden. Insbesondere die Einschätzung, ob die pflegebedürftige Person sich noch in einem für sie und ihre Situation angemessenem Pflegegrad befindet, ist im ersten Schritt so gut zu klären. Die in der Einrichtung verantwortliche Mitarbeiter/innen für das Pflegegradmanagement kann dann im Rahmen einer Pflegevisite/Fallbesprechung und anhand der Pflegedokumentation feststellen, ob relevante Kriterien für einen Antrag zur Überprüfung des Pflegegrades erfüllt sind. (Vgl. auch Teil IV, Kap. 8)

Unverändertes Vorgehen Behandlungspflegerische Leistungen (im ambulanten Bereich SGB V) werden über eine ärztliche Anordnung (stationär) bzw. den Verordnungsschein  „Häusliche Krankenpflege“ durch den Hausarzt verordnet (ambulant) und auf den einrichtungsspezifischen Formularen (z. B. Medikamentenblatt, Wunddokumentation und Arztdokumentation) dokumentiert. Je nach Trägerentscheidung (Pflege- und (Qualitätsmanagement) werden diese Leistungen im individuellen Maßnahmenplan in der Tagesstruktur mit geplant, so dass bei Veränderungen oder im Rahmen der Evaluation (nach Arztanordnung/ neuer Verordnung) diese im Berichteblatt nachvollziehbar dokumentiert sind. Durchgeführte behandlungspflegerische Maßnahmen bedürfen auch bei einer Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell immer eines dokumentierten Nachweises (Durchführungsnachweis). Veränderungen in der Behandlungspflege werden im Berichteblatt nur kurz thematisch dokumentiert. Eine Differenzierung erfolgt auf separaten Formularen z. B. ärztliches Verordnungsblatt, Wundversorgung, Medikamentenblatt etc. und wird im Rahmen der Evaluation angepasst. In der ambulanten Pflege bedarf es zu Abrechnungszwecken weiterhin der Einzelleistungsnachweise aller Maßnahmen entsprechend des jeweiligen Pflegevertrages mit der pflegebedürftigen Person und den Rahmen- und Vergütungsverträgen mit dem jeweiligen Kostenträger. Darüber hinaus gibt es aus rechtlicher Sicht weiterhin das Erfordernis, Durchführungsnachweise im Rahmen der Dekubitusprophylaxe für Lagerungs- und Bewegungsprotokolle zu führen, auch wenn dies bei unkomplizierten Situationen durchaus mit den oben beschriebenen routinemäßigen und wiederkehrenden Abläufen in der Versorgung vergleichbar wäre. Die haftungsrechtliche Rechtsprechung lässt eine solche Empfehlung bisher aber nicht zu.

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4  Prinzipien und Umsetzung

ambulant

stationär

Behandlungspflege

Durchführungsnachweise für Behandlungspflege

Lagerungs- und Bewegungsprotokolle bei Dekubitusrisiko Ggf. bei individuell festgelegten Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements Leistung § 45 b SGB XI

Lagerungs- und Bewegungsprotokolle bei Dekubitusrisiko Ggf. bei individuell festgelegten Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements

Abb. 23: Notwendige Durchführungsnachweise ambulant und stationär

KURZ GESAGT: Durchführungsnachweise Prophylaxen Notwendige prophylaktische Maßnahmen im Rahmen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen (Grundpflege) bedürfen keiner Durchführungsnachweise (z. B. Intertrigo- oder Pneumonieprophylaxe) Durchführungsnachweise sind weiterhin (noch) erforderlich bei Lagerungs- und Bewegungsprotokollen.

Zwischenfazit Alle an der Pflege und Betreuung der pflegebedürftigen Person Beteiligten können ihre Informationen in das Berichteblatt eintragen, damit sichergestellt ist, dass: ƒƒ alle den gleichen aktuellen Wissensstand zur pflegebedürftigen Person haben, ƒƒ Anpassungsbedarfe schnell erkannt und notwendige Änderungen geplanter Maßnahmen eingeleitet und dokumentiert werden, ƒƒ ein (pflege-) fachlicher Austausch von Erkenntnissen zur pflegebedürftigen Person in Dienstübergaben oder Fallbesprechungen stattfindet und ƒƒ auf Grund der gezielten Informationen und Eintragungen von Abweichungen oder aktuellen Ereignissen, z. B. Entscheidungen zum weiteren Vorgehen nachvollziehbar abgebildet sind. Die Frage, ob jede regelmäßig wiederkehrende grundpflegerische Maßnahme der Pflege und Betreuung jeweils einzeln abgezeichnet werden muss, kann für die stationären Pflegeeinrichtungen klar mit  „Nein“ beantwortet werden, soweit die Prinzipien des Strukturmodells eingehalten sind.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Der veränderte Umgang mit dem Berichteblatt im Strukturmodell erfordert nicht selten, die Mitarbeiter/innen gezielt zu einzelnen Themen zu schulen. Die pflegfachliche Kompetenz, die Eigenverantwortung der Entscheidungen im Rahmen des Pflegeprozesses und die Erfahrungen der Pflegefachkräfte sind eine wichtige Ressource, um das Strukturmodell in der Pflegeeinrichtung mit Leben zu füllen und die Qualität von Leistungen der Pflege und Betreuung weiterzuentwickeln.

4.4 Element 4: Die Evaluation – individuell statt schematisch 4.4.1 Prinzipien Die Evaluation kennzeichnet die vierte Phase im Pflegeprozess und ist ein Kernelement des Qualitätsmanagements. Im Strukturmodell gewinnt die Evaluation durch die Festlegung, sich von dem Prinzip schematischer Routinen beim Risikomanagement grundsätzlich zu lösen, an Bedeutung und erfordert ein Umdenken und Übung. Fachlichkeit, befristete Beobachtungen, der gezielte Einsatz von standardisierten Instrumenten und die Beratung im Team sind Voraussetzung für ein individuell ausgerichtetes Vorgehen entsprechend der personzentrierten Pflege. Die Evaluation spielt zur individuellen Ergebnissicherung des Versorgungsverlaufs eine zentrale Rolle. Die übersichtliche Struktur der Pflegedokumentation bietet eine nachvollziehbare und rasche Orientierung zur aktuellen Situation der pflegebedürftigen Person sowie ein frühzeitiges Erkennen von Veränderungen und bildet so die Voraussetzung, um einen notwendigen Evaluationsprozess anzustoßen. Das grundlegend veränderte Vorgehen im Rahmen der Evaluation soll auch dazu beitragen, die Steuerung des Pflegeprozesses bei Einhaltung von Qualitätsstandards zu erleichtern und die Pflegedokumentation wieder bewusst(er) als Arbeitsmittel aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten, insbesondere zur Qualitätssicherung zu nutzen.

Prinzipien der Evaluation im Pflegeprozess Evaluation steht für bewerten. Damit etwas bewertet werden kann ist es vorab zu definieren, was (Gegenstand) und wie (Methode) etwas zu bewerten ist. Bezogen auf die Pflegesituation ergeben sich dadurch verschiedene Optionen, von denen einige für die Dokumentation von Relevanz sind. Bei sachgerechter Umsetzung

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4  Prinzipien und Umsetzung

des Strukturmodells gewinnt also die Evaluation im Rahmen der personzentrierten Pflege für die pflegerische Praxis an Bedeutung: ƒƒ Die veränderte Funktion des Berichteblattes lenkt frühzeitig die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit einer Evaluation von Maßnahmen. ƒƒ Individuell und befristete Zeiträume einer Evaluation gewährleisten die kurzfristige Überprüfung der Wirksamkeit von Maßnahmen und eine zeitnahe Reaktion im Hinblick auf individuellen Anpassungsbedarf in der Pflege und Betreuung. ƒƒ Veränderungen im Maßnahmenplan können in der Folge von Evaluationsergebnissen von allen an der Pflege und Betreuung Beteiligten rasch nachvollzogen werden. ƒƒ Die Pflegdokumentation ist im Ergebnis in sich stimmig und tagesaktuell.

4.4.2 Umsetzung Inhalte der Evaluation und Optionen im Strukturmodell Die Evaluation steht im Pflegeprozess sowohl am Ende als auch am Anfang. Am Ende, um etwas rückblickend einzuschätzen und zu bewerten und am Anfang, da sich aus dem (nicht) erreichten Ergebnis Änderungen für den Maßnahmenplan ergeben könnten oder der Bestehende bestätigt wird. Eine Evaluation kann sowohl anlassbezogen als auch im laufenden Prozess ad hoc vorgenommen werden oder zu festgesetzten Zeitpunkten (z. B. für Pflegevisiten oder in Abhängigkeit von einzelnen Maßnahmen und deren zur erwartenden Ergebnissen). D. h. auch, dass der Evaluationszeitraum variieren kann, je nachdem wie schnell eine pflegerische Maßnahme wirkt (z. B. kann nach regelmäßig durchgeführten Anleitungen zeitnah erkannt werden, ob die pflegebedürftige Person selbständig oder mit Hilfe übernehmen kann) oder nicht. Dahingegen ist z. B. die Wirkung sturzprophylaktischer Maßnahmen mit dem Ziel der Vermeidung von Sturzfolgen erst in Kombination mit einem Sturzereignis oder einem vermiedenen Sturz (sogenannte ‚Beinahstürze‘, siehe Expertenstandard DNQP) feststellbar. Insofern wird deutlich, dass sich Evaluationszeitpunkte im Wesentlichen im Rahmen einer Pflege-/Betreuungssituation ergeben und wie oben ausgeführt individuell erfolgen. Die Evaluation korrespondiert eng mit der SIS®, dem Maßnahmenplan und Eintragungen im Berichteblatt. Die in der SIS® dokumentierten Informationen können genutzt werden, um Veränderungen z. B. im Verhalten der pflegebedürftigen

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

167

Person zu erkennen und mit den initiierten Maßnahmen (z. B. Kennzeichnung des Zimmers mittels Foto) sowie den Informationen im Berichteblatt (z. B. hat sich heute erneut im Wohnbereich verlaufen) in Verbindung gebracht werden. Daraus lassen sich Anforderungen an die Gestaltung der zu verwendenden Formulare (Maßnahmenplan, Berichteblatt) im Strukturmodell ableiten, wenn eine inhaltliche Verknüpfung der verschiedenen Inhalte auf verschiedenen Formularen gelingen soll und gewünscht wird. Der Pflegefachkraft stehen im Anschluss an die Evaluation zwei Optionen zur Verfügung. OPTION A: Die Evaluation ergab, dass nur einige Maßnahmen anzupassen sind, der Zustand der pflegebedürftigen Person ist weitestgehend gleichgeblieben und der größte Teil der geplanten Maßnahmen kann umgesetzt werden wie bisher geplant (im Strukturmodell ‚kleiner‘ Evaluationskreis, vgl. Abb 26). OPTION B: Bei gravierenden Veränderungen wird eine Neuausrichtung der Pflege erforderlich (z. B. nach Krankenhausaufenthalt), somit wird eine neue Situationseinschätzung und ein Verständigungsprozess entlang der SIS® notwendig und daraus ableitend ein neuer (angepasster) Maßnahmenplan erstellt (im Strukturmodell sogenannter  „großer“ Evaluationskreis, vgl. Abb 26). Das wird eher selten und nur bei gravierenden gesundheitlichen Einbrüchen notwendig sein

Wann wird evaluiert? Die Evaluation kann sowohl als eigenständige Entscheidung der Pflegefachkraft als auch im Rahmen von Übergaben, Fallbesprechungen oder Pflegevisiten durchgeführt werden. Die Einbindung der pflegebedürftigen Person und ggf. auch ihrer Bezugspersonen (z. B. Angehörige) ist ein zentrales Anliegen der personzentrierten Pflege und im Vorfeld mit den Beteiligten abzuklären. Am Anfang des Pflegeprozesses steht das Gespräch mit der pflegebedürftigen Person auf der Grundlage der SIS®, d. h. die Erfassung pflegerelevanter Informationen, jedoch auch deren fachliche Einschätzung und Bewertung hinsichtlich notwendiger Unterstützungsbedarfe. (Die SIS® kann auch mit einem Foto verglichen, werden, welches die Pflegefachkraft zu Beginn des pflegerischen Auftrags von der pflegebedürftigen Person macht. Dies visualisiert die Tatsache, dass die Situation so abzubilden ist, wie sie sich zu genau diesem Zeitpunkt darstellt.) Zu Beginn des pflegerischen Auftrags liefert die Situationseinschätzung zudem nur einen Ausschnitt (ein Foto gibt auch nur eine Momentaufnahme wieder) und es gibt noch

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4  Prinzipien und Umsetzung

viele Unbekannte, die eine Bewertung des Zustands der pflegebedürftigen Person und deren aktuellen Situation (insbesondere der pflegerelevanten Risikobereiche) erschweren können. Im Verlauf des Pflegeprozesses lernt das Pflege- und Betreuungsteam die pflegebedürftige Person besser kennen und kann die Reaktionen auf die geplanten Maßnahmen für die Pflege und Betreuung und die Wirkung der geplanten Maßnahmen auf die pflegebedürftige Person besser einschätzen. So kann das Team gemeinsam beurteilen, welche Maßnahmen wie individuell anzupassen sind, um auf bestehende Risiken (z.B. Gefahr der Dehydration, Fehleinnahme von Medikamenten) durch entprechende Maßnahmen zu reagieren. Die Evaluationstermine entstehen entweder ad hoc oder können vorab geplant werden (hängt mit dem Grund der Evaluation zusammen). Eine akute Veränderung in einem der Risikobereiche oder eine psychisch instabile Situation (und damit wichtig für die Evaluation), ist insbesondere aus dem Berichteblatt frühzeitig erkennbar und zwar einerseits durch dokumentierte Abweichungen vom Maßnahmenplan und anderseits aus der Beschreibung tagesaktueller Ereignisse. KURZ GESAGT: Prinzip der Evaluation Die zeitnahe Evaluation bedeutet ein Umdenken der Pflegeeinrichtungen bezüglich der Zuständigkeiten im Pflegeprozess. In der täglichen Praxis muss gewährleistet werden, dass stets die diensthabende Pflegefachkraft die anlassbezogene Evaluation durchführt.

Vorgehen und praktische Umsetzung der Evaluation im Strukturmodell Je nach Gestaltung der Formulare  „Maßnahmenplan“ und  „Berichteblatt“ kann der Inhalt der Evaluation in einem separaten Textfeld oder einer Spalte dokumentiert werden.

I.  Evaluation bei zeitlich befristeten Beobachtungsphasen: ƒƒ Die Durchführung der Beobachtungsphase (zur Abklärung unklarer Situationen als Ergebnis der Einschätzung in der SIS®, oder aus konkretem Anlass) wird mit genauer Formulierung des Beobachtungsauftrages zeitlich befristet im Maßnahmenplan festgelegt. ƒƒ Die von den Pflegefach- und/oder Betreuungskräften durchgeführte Beobachtung wird auf dem Berichteblatt dokumentiert. Wenn pflegefachliche Aspekte, z. B. Trinkverhalten, Ausscheidungsverhalten, Schmerzen oder Ereig-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Berichteblatt oder Zusatzformulare z. B. Miktionsprotokoll

Schritt 1: Planung zeitlich befristeter Beobachtungen

Maßnahmenplan

Schritt 2: Durchführen der gezielten Beobachtung

Schritt 3: Auswertung der befristeten Beobachtung

Evaluation

Maßnahmenplan

Schritt 4: Beibehaltung oder An­passung der Maßnahmen

Abb. 24: Evaluationsschritte bei zeitlich befristeten Beobachtungsphasen

nisse im Rahmen der psychosozialen Betreuung befristet. beobachtet werden sollen, ist es mitunter sinnvoll, hierfür mit den in der Pflegeeinrichtung vorgehaltenen Formularen entlang der Vorgaben des QM zu arbeiten. ƒƒ Die Evaluation durch die Pflegefachkraft erfolgt zu dem vorher festgelegten Termin und ggf. unter Einbezug weiterer Beteiligter und beinhaltet stets eine Bewertung des Beobachteten mit einer nachvollziehbaren Konsequenz, die entweder im Maßnahmeplan oder dem Berichteblatt dokumentiert wird.

II. Evaluation bei Vereinbarungen im Rahmen des Verständigungsprozesses Es erfolgt eine individuelle Evaluation durch die Pflegefachkraft, z. B. wenn die pflegebedürftige Person zunächst keine Teilnahme an Angeboten der Betreuung wünscht. Die Pflegefachkraft setzt sich ein Evaluationsdatum zwei Wochen später, um darauf noch einmal einzugehen und eventuell das Angebot zu erneuern.

III. Evaluation im Rahmen von Ereignissen oder sich häufenden Einträgen zu Abweichungen geplanter Maßnahmen Anlässe sind, z. B. ƒƒ neuer Pflegekontext, z. B. Beginn einer palliativen Pflege, ƒƒ akuter gesundheitlicher Einbruch oder psychische Krise,

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4  Prinzipien und Umsetzung

Pflegerische Situation verändert sich

Wünsche bzw. Bedürftnisse der pflegebedürftigen Person verändern sich

Psychosoziale Situation verändert sich

Anlassbezogene Evaluation

Neue Risikofaktoren treten auf

Neuer Pflegekontext

Abb. 25: Darstellung von Faktoren für eine anlassbezogene Evaluation

ƒƒ Veränderung der Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person (Achtung: Grundbotschaft), ƒƒ Veränderung zum Umfang des Hilfe- und Unterstützungsbedarfes oder der Mitwirkungsfähigkeit oder ƒƒ Auftreten von neuen Risikofaktoren oder eine Veränderung Bestehender.

HINWEIS Auch positive Veränderungen sind mitunter Anlass für eine Evaluation bei guten Ergebnissen zu geplanten Maßnahmen z. B. zum Wohlbefinden bei kognitiv eingeschränkten Personen.

IV. Evaluation bei stabilen Situationen in der Pflege und Betreuung Ist eine Pflegesituation über einen längeren Zeitraum stabil und es kommt zu keinen Eintragungen im Berichteblatt, sollte nach einem vom internen Qualitätsmanagement festgelegten Zeitpunkt routinemäßig der Maßnahmenplan (Pflegeprozess) evaluiert werden. Ziel ist es, schleichende Veränderungen nicht zu übersehen und vor allem mit der pflegebedürftigen Person zu besprechen, ob die individuellen Wünsche und Gewohnheiten weiterhin ausreichend berücksichtigt werden. Dabei ist auch in Betracht zu ziehen, ob die zuvor beschriebene Grundbotschaft noch bestehen bleiben kann oder sich Änderungen aus Sicht der pflege-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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bedürftigen Person (Angehörige/Betreuer), aber auch in der Wahrnehmung der Pflegefachkraft ergeben haben. In Vorbereitung auf eine solche Evaluation sollte die Pflegefachkraft auch Pflegekräfte und Mitarbeiter der Betreuung, die Servicekräfte oder andere therapeutische Fachkräfte befragen. Deshalb hat sich eine Fallbesprechung zu diesem Anlass im Team sehr bewährt. Das Ergebnis der Evaluation (Wirkung der Maßnahmen) einschließlich des Verständigungsprozesses mit der pflegebedürftigen Person werden zusammengefasst in einer Spalte des Maßnahmenplans dokumentiert. Um diese Evaluation im Sinne einer guten Gesprächsatmosphäre zu gewährleisten, bedarf es der vorherigen Ankündigung, um eventuell auch Angehörige oder nahestehende Personen oder Betreuer mit einzubeziehen. Dies fördert die Akzeptanz aller Beteiligten und vertieft das Vertrauensverhältnis zwischen der pflegebedürftigen Person sowie dem Pflege- und Betreuungspersonal.

Anpassung oder Aktualisierung einer Strukturierten Informationssammlung (SIS®) im Zusammenhang der Evaluation Bei Einführung des Strukturmodells treten immer wieder Fragen zur Anwendung der SIS® bei Beginn eines pflegerischen Auftrags und zur Anpassung (Häufigkeit) sowie zu Anlässen der Aktualisierung auf. Hierbei ist es entscheidend, ob die Anwendung der SIS® im Rahmen der Neuaufnahme oder eines Neueinzugs erfolgt oder ob aktuelle Erkenntnisse im Verlauf der Versorgung (Pflegeprozess) eine Überprüfung der SIS® erfordern. Im Folgenden wird das Vorgehen bei diesen Situationen unter Einbezug spezieller Aspekte beschrieben. Die grundsätzlichen Ausführungen zu Struktur und Inhalt sowie der praktischen Anwendung der SIS® in diesem Fachbuch, sind davon unbenommen.

Zu Beginn des Versorgungsauftrages (Einstieg in den Pflegeprozess) Zu Beginn des Versorgungsauftrages (z. B. Einzug/Neuaufnahme) werden mit der pflegebedürftigen Person, den Angehörigen oder dem Betreuer, so viele Informationen wie möglich erhoben, die für die Pflege und Betreuung relevant sind. Anhand dieser Informationen erfolgt durch die Pflegefachkraft eine erste pflegefachliche Einschätzung in den Themenfeldern einschließlich zu Risiken/Phänomenen in der Risikomatrix. Innerhalb von 24 h sollte anhand des Gespräches der Pflegefachkraft mit der pflegebedürftigen Person eine (vorläufige) SIS® erstellt werden, und zusätzlich eine tagesaktuelle Risikoeinschätzung als Grundlage für den (vorläufigen) Maßnahmenplan vorliegen.

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4  Prinzipien und Umsetzung

HINWEIS Bei kognitiv eingeschränkten Personen, bei denen evtl. kein Angehöriger, keine Bezugsperson oder kein Betreuer vorhanden ist, der Auskunft geben könnte und zunächst nur wenige Informationen bzw. eher nur der erste Eindruck, erste Beobachtungen zur Verfügung stehen, sollte - falls eine unklare Situation aus Sicht der Pflegefachkraft dazu Anlass gibt – bis auf Weiteres von einem erhöhten Risikopotential ausgegangen werden. Dies kann durch eine befristete Beobachtung zu einem späteren Zeitpunkt dann konkreter eingeschätzt und der Maßnahmenplan entsprechend angepasst werden.

Folgendes Vorgehen wird für die Praxis empfohlen: 1. Aufgrund des oben beschriebenen Verfahrens der Einschätzung zur aktuellen Pflege- und Betreuungssituation am Tag der Aufnahme oder des Einzugs wird eine erster (vorläufiger) Maßnahmenplan erstellt. 2. Abhängig von dem Ergebnis der Ersteinschätzung in der Risikomatrix und in Verbindung mit den dokumentierten Ergebnissen aus den Themenfeldern, wird im Maßnahmenplan ggf. ein enger Evaluationszeitraum zur Beobachtung und Abklärung einer (oder ggf. mehrerer) unklarer Ausgangslage festgelegt. 3. In welchem Zeitraum weitere Informationen zur pflegebedürftigen Person gesammelt werden und eine Festlegung des ersten Maßnahmenplans erfolgt und wo diese Informationen laufend erfasst werden, wird einrichtungsintern durch das Pflege- und Qualitätsmanagement festgelegt. Dies kann im Einzelfall durchaus bedeuten, dass eine Anweisung erfolgt, zunächst in jeder Schicht oder bei jedem Hausbesuch entsprechende Beobachtungen zu dokumentieren. 4. In der Regel sollte die Sammlung von Informationen einen Zeitraum von 7 Tagen nicht überschreiten. Zur Dokumentation empfiehlt sich das Berichteblatt. Im Rahmen dieses festgelegten Zeitraums muss darauf geachtet werden, ob eventuell im Einzelfall Maßnahmen sofort angepasst werden müssen. Dies ist durch die verantwortliche Pflegefachkraft zu entscheiden. 5. Mit Abschluss der Informationserhebung erfolgt mit allen an der Pflege und Betreuung Beteiligten (ggf. auch Angehörigen) eine Fallbesprechung zur Auswertung der nun vorliegenden Informationen und somit eine Überprüfung der (vorläufigen) Maßnahmenplans und in der Regel eine daraus resultierende Anpassung. In der stationären Versorgung ist daran zu denken, auch den Sozialdienst und die Service- und Betreuungskräfte sowie ggf. Therapeuten einzubeziehen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

173

6. In der Regel wird dann, entlang der Ergebnisse aus der Fallbesprechung und dem erweiterten Informationsstand zur pflegebedürftigen Person, der Maßnahmenplan entsprechend geändert oder angepasst. Die fachliche Situationseinschätzung in der SIS® hat nicht selten weiterhin Bestand. 7. Es kann aber auch sein, dass die Ergebnisse der Fallbesprechung wesentliche Aspekte der Themenfelder und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix betreffen. Dann wird die SIS® einfach erneut unter Angabe des aktuellen Datums von der Pflegefachkraft ausgefüllt und auf dieser Grundlage ein entsprechender Maßnahmenplan erstellt. In der IT-gestützten Dokumentation ist dies eine sogenannte Versionierung der SIS®, in der papiergestützten Dokumentation bedeutet dies die Anlage eines neuen Dokuments.

Im Verlauf der Versorgung (Evaluation) Bei sich häufenden Hinweisen zu Abweichungen von der geplanten Pflege und Betreuung oder akuten Ereignissen (Berichteblatt) wird im Rahmen der Evaluation im Prinzip genauso verfahren wie zuvor unter Punkt fünf bis sieben beschrieben: 1. In der Regel wird es ausreichen, ausschließlich den Maßnahmenplan entsprechend dem Ergebnis der Evaluation zu verändern, sogenannter kleiner Evaluationskreis (vgl. Abb. 26, Option A), da die fachlichen Einschätzungen in der aktuell gültigen SIS® (Gespräch am …) damit weiterhin übereinstimmen. 2. Dennoch bedarf es immer eines Abgleiches mit der Situationseinschätzung in der zuletzt hinterlegten SIS®. Es gilt zu überprüfen, inwieweit es ausreicht, die Änderungen im Pflegeprozess ausschließlich in dem Maßnahmenplan nachvollziehbar darzustellen. 3. Betrifft das Ergebnis der Evaluation auch wesentliche Aspekte der Themenfelder und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix, wird die aktuell gültige SIS® erneut von der Pflegefachkraft ausgefüllt, sogenannter großer Evaluationskreis (vgl. Abb. 26, Option B). Dies schließt auch das als erforderlich beschriebene Gespräch mit der pflegebedürftigen Person (Feld B/O-Ton) ein. 4. Betreffen die Veränderungen zur Situation der pflegebedürftigen Person nur ein Themenfeld in der SIS®, empfiehlt es sich, immer eine Überprüfung im Hinblick auf die Risikomatrix und die mögliche Auswirkung auf andere Themenfelder vorzunehmen. Erst dann kann die Entscheidung getroffen werden, ob eventuell nur dieses Feld unter Angabe des Datums und des Kürzels der Pflegefachkraft ergänzt wird.

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4  Prinzipien und Umsetzung

HINWEIS Mit der Unterschrift in dem veränderten Themenfeld bestätigt die Pflegefachkraft gleichzeitig, dass alle übrigen Angaben in der SIS® (Themenfelder und Risikomatrix), die unter dem bisherigen Datum dokumentiert worden sind, unverändert bestätigt werden.

Mitunter wird unter Punkt 3 die SIS® auch in Teilen ergänzt. Diese Vorgehensweise ist oftmals abhängig davon, ob mit einem EDV gestützten oder einem papiergestützen Dokumentationssystem gearbeitet wird.

Strukturmodell Pflegedokumentation – stationär

Strukturmodell Pflegedokumentation – stationär

Stammblatt

Stammblatt

Strukturierte Informationssammlung (SIS®)

Strukturierte Informationssammlung (SIS®)

Aktuelle Wünsche, Bedürfnisse und Gewohnheiten sowie Pflegeund Unterstützungsbedarf aus Sicht der pflegebedürftigen Person / ggf. Angehörige / bevollmächtigte Person

Aktuelle Wünsche, Bedürfnisse und Gewohnheiten sowie Pflegeund Unterstützungsbedarf aus Sicht der pflegebedürftigen Person / ggf. Angehörige / bevollmächtigte Person

+

+

Pflege- und Betreuungsbedarf (6 Themenfelder) und Risikoeinschätzung (Matrix) aus Sicht der Pflegefachkraft; Ressourcen und pflegerelevante biografische Angaben

Pflege- und Betreuungsbedarf (6 Themenfelder) und Risikoeinschätzung (Matrix) aus Sicht der Pflegefachkraft; Ressourcen und pflegerelevante biografische Angaben

Verständigung zur Pflege und Betreuung

Verständigung zur Pflege und Betreuung

1. SIS®

Ärztliche Anordnung Behandlungspflege

Maßnahmenplan auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS (Pflege, Betreuung, Risikoeinschätzung) und der Verständigung mit der pflegebedürftigen Person; Maßnahmen der Behandlungspflege

1. SIS®

Ärztliche Anordnung Behandlungspflege

4. EV

2. MP

Maßnahmenplan auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS (Pflege, Betreuung, Risikoeinschätzung) und der Verständigung mit der pflegebedürftigen Person; Maßnahmen der Behandlungspflege

Durchführungsnachweis Behandlungspflege

Durchführungsnachweis Behandlungspflege

3.BB

Berichteblatt Abweichungen von geplanten Maßnahmen und tagesaktuelle Ereignisse; interprofessionelle Nutzung

Berichteblatt Abweichungen von geplanten Maßnahmen und tagesaktuelle Ereignisse; interprofessionelle Nutzung

Evaluation Individuell

Evaluation Individuell

4. EV

2. MP

Internes QM

Wirkung geplanter Maßnahmen; Anlassbezogene Ereignisse

Pflegevisite, Fallbesprechungen, etc.

3.BB

Konzept: Beikirch · Nutzungsrechte: BMG · Version 2.0/2017

Internes QM

Wirkung geplanter Maßnahmen; Anlassbezogene Ereignisse

Pflegevisite, Fallbesprechungen, etc.

Konzept: Beikirch · Nutzungsrechte: BMG · Version 2.0/2017

Abb. 26: Kleiner Evaluationskreis (Option A) und großer Evaluationskreis (Option B)

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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BEISPIEL HERR HELLMANN AMBULANT: EVALUATION DER MASSNAHMEN ZUR UNTERSTÜTZUNG BEIM EINSTIEG IN DIE DUSCHE Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Textauszug aus dem Gespräch bei Übernahme des Versorgungsauftrages: … äußert Angst, in der Dusche auszurutschen, wenn er alleine duschen soll (Einstieg in die Dusche ist ca. 3 cm hoch) Verständigung: Duschen nur in Anwesenheit vom Pflegedienst

Einschätzung in der Risikomatrix (Selbstversorgung/Sturz): Sturzrisiko  „Ja“, jedoch keine weitere Einschätzung notwendig

Eintragungen im individuellen Maßnahmenplan/Textfeld Evaluation (siehe Fallbeispiel): Datum LK2 02.04. 2016 Morgens 8:30 Uhr

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Themenfeld/PflegemaßnahEval. am men/ärztliche Verordnung 12.04. Hr. H. ins Bad begleiten, klei2016 det sich selbstständig aus, Duschmatte einlegen und helfen beim Einstieg in die Dusche; Waschen des Rückens mit dem Waschlappen, aus der Dusche helfen. Trocknet sich, bis auf den Rücken, selbstständig ab, Eincremen des Rückens mit Lotion; neue Wäsche ist bereitgelegt. Er kleidet sich allein an.

4  Prinzipien und Umsetzung

Evaluation Unterstützung beim Duschen wurde gut angenommen, er hat keine Ängste mehr und genießt das Duschen.

Datum Hdz 12.04. 2016 EF

BEISPIEL FRAU ANDERSON (STATIONÄR): EVALUATION DER SCHMERZSITUATION Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit Textauszug aus dem Gespräch bei Einzug: …Ihre Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt; Sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal mehr Schmerzen bekommt. Beratung zum Umgang mit Schmerzen: Sie meldet sich, wenn sie Schmerzen hat und bekommt dann ihre Bedarfsmedikation. Verständigung: Rücksprache mit dem Hausarzt bezüglich der Schmerzmedikation im Zusammenhang mit den Bewegungsübungen.

Einschätzung in der Risikomatrix (Mobilität und Beweglichkeit/Schmerz): Schmerzrisiko  „JA“, Weitere Einschätzung:  „JA“: weitere kollegiale Fachexpertise ggf. Hausarzt

Eintragungen im individuellen Maßnahmenplan/Textfeld Evaluation (vgl. Fallbeispiel Maßnahmenplan Anderson): Zeit: Maßnahmen 01.03. Verständigung zum 2016 Schmerzmanagement: Medikamentöse Therapie (analog VO), zusätzlich Bedarfsmedikation (sie meldet sich). Nicht medikamentöse Maßnahmen: warme Hand- und Fußbäder Abklärung mit Hausarzt: Schmerzen bei Bewegungsübungen

Eval am 15.03.2016

Evaluation Rücksprache mit Hausarzt:

Datum/Hdz. 15.03 2016

Umstellung der Medikation erfolgt, jetzt Schmerzsituation PB stabil; Kombination aus medikamentösen und nichtmedikamentösen Maßnahmen haben sich bewährt. Hand- und Fußbäder wirken auf Fr. A. entspannend. Gespräch zu Schmerzen: gibt an, dass leichte Schmerzen für sie akzeptabel sind.

Beobachtung: Schmerzäußerungen und Schmerzanzeichen im Zusammenhang mit Bewegung

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Beispiel für Eintragungen zur sozialen Betreuung: Maßnahmenplan bei Einzug und mit nachfolgender Evaluation: Datum/Zeit: Maßnahmen Eval. am Evaluationsergebnis 26.01.2017 Besonders viel Freude berei12.01.2017 Frau K. zunächst zu den ten Handarbeit und Singen, Angeboten (Wochenplan) ca. 9:00 Uhr weniger Spaß macht ihr die informieren und auf Wunsch Zeitungsschau sowie das dorthin begleiten Basteln Überarbeiteter Maßnahmenplan nach der Evaluation: Zeit: Maßnahmen Eval. am Evaluation ca. 9:15 Uhr Montags und Dienstags Teilnahme an der Handarbeitsrunde

Datum/Hdz. 26.01.2017 pb

Datum/Hdz.

Freitags Teilnahme am Chor Alle weiteren Vormittage gestaltet sie selbst.

Zwischenfazit Die Evaluation im Strukturmodell zeichnet sich durch die Abkehr von schematischen Routinen und eine gezielt individuelle Vorgehensweise aus und löst folgende Effekte aus: ƒƒ Rückbesinnung und Training der Fähigkeiten zur Beobachtung der Fachkompetenz und Training des Blicks für Veränderungen in der individuellen Pflegeund Betreuungssituation. ƒƒ Zeitnahe Reaktion auf Veränderungen in der Pflege- und Betreuungssituation, durch den anlassbezogenen und individuellen Einsatz der Evaluation. ƒƒ Tagesaktuelle Dokumentation, die wieder als Arbeitsmittel für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten dient. ƒƒ Die Nachvollziehbarkeit von fachlichen Entscheidungen und Reaktionen auf akute Handlungserfordernisse. ƒƒ Verzahnung und aktive Nutzung der Synergien aller Elemente des Strukturmodells. ƒƒ Förderung der personzentrierten Pflege durch das Gespräch und die Verständigungsprozesse mit der pflegebedürftigen Person immer wieder auch im Rahmen der Evaluation. ƒƒ Förderung der Kommunikation im Team, durch Fallbesprechungen im Rahmen der individuellen Evaluation von Maßnahmen.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Besonderheiten der Tagespflege Im Rahmen des ersten Praxistests (2013/14) zum Strukturmodell hatte sich bereits herausgestellt, dass die Anforderungen an die Pflegedokumentation in der Tagespflege, andere sind als in der ambulanten bzw. stationären Langzeitpflege und daher eine Anpassung der Dokumente erfordern. Charakteristisch für die teilstationäre Pflege ist, dass sie nur einen zeitlich begrenzten Tagesausschnitt umfasst und die Versorgung und Betreuung der pflegebedürftigen Personen in der Tagespflege möglichst nahtlos in das Gesamtversorgungssetting zu integrieren ist. Das stellt vor allem hohe Anforderungen an die Gestaltung der Kommunikationsprozesse mit den anderen an der Versorgung beteiligten Akteuren. Auf Basis eines intensiven fachlichen Austausches mit Praktikern sowie Vertretern der Verbände, der Pflegewissenschaft, der Prüfinstanzen und der Länder wurde vom Projektbüro Ein-STEP 2016 das Konzept zur Anpassung des Strukturmodells an der Tagespflege entwickelt und in einem Praxistest von 38 Tagespflegeeinrichtungen in 13 Bundesländern drei Monate erprobt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage für die Ausführungen in diesem Kapitel. Die Prinzipien des Strukturmodells und viele weitere Hinweise, die in diesen Informations- und Schulungsunterlagen zur Einführung des Strukturmodells für die ambulante, teilstationäre und stationäre Langzeitpflege dargestellt sind, gelten auch für die Tagespflege. Diese Ausführungen beschränkt sich daher auf besonders relevante Aspekte des Strukturmodells für die spezifischen Dokumentationsanforderungen in der Tagespflege. Ansonsten gelten bei der Einführung des Strukturmodells dieselben Prinzipien im Vorgehen und beim Management des Prozesses wie in den vorherigen Kapiteln beschrieben.

Ausgangspunkt Die Tagespflege ist eine Form der teilstationären Pflege nach § 41 SGB XI (Tagesund Nachtpflege). Angebote teilstationärer Pflege sollen helfen, den Vorrang häuslicher Pflege sicherzustellen. Ziel der Leistungen ist die Vermeidung oder Hinauszögerung dauerhaft stationärer Pflege und die Entlastung pflegender Angehöriger sowie anderer Pflegepersonen. Meist werden pflegebedürftige Personen zu Hause abgeholt und am Nachmittag oder Abend zurückgebracht. Für die pflegebedürftigen Personen stellt der Besuch der Tagespflege erst einmal eine deutliche Veränderung der Gewohnheiten und Abläufe dar. Der notwen-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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dige Transfer zwischen Einrichtung und Häuslichkeit wird von manchen Gästen als Belastung erlebt, andere genießen wiederum diese Abwechslung im Alltag und die mit dem Besuch einer Tagespflege verbundene Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Angebote in Tagespflegen sind aufgrund der Tageszeiten, in denen sich die Gäste dort aufhalten, und der Tatsache, dass Personen mit hohem Pflegeaufwand selten die Tagespflege besuchen können, weniger pflegerischer Natur, sondern haben ihren Schwerpunkt in der Betreuung und Tagesstrukturierung. Die Bedeutung teilstationärer Pflege hat in den letzten Jahren zugenommen und wurde mit dem Pflegestärkungsgesetz I noch einmal deutlich aufgewertet: Seit Januar 2015 besteht auch für Menschen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (ehemals Pflegestufe 0) ein Anspruch auf Tages- und Nachtpflege. Weiterhin können teilstationäre Leistungen ebenfalls seit Januar 2015 in vollem Umfang neben ambulanten Sachleistungen oder Pflegegeld in Anspruch genommen werden (keine Anrechnung mehr). Die Zahl der Leistungsempfänger in der Tagespflege entwickelt sich sehr dynamisch mit durchschnittlichen Zuwachsraten von 13 Prozent pro Jahr: 1999 erhielten am Stichtag 15.12. rund 10.000 Pflegebedürftige Leistungen der Tagespflege, 2015 waren es über 74.000 Personen. Die Nachtpflege spielt dagegen bisher kaum eine Rolle. Die Zahl der angebotenen Plätze liegt bei knapp 500.

Effekte des Strukturmodells in der Tagespflege Die Elemente des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation in der Langzeitpflege bilden auch die Grundlage für die Pflegedokumentation in der Tagespflege. Die Pflegedokumentation in Tagespflegeeinrichtungen erfolgte bisher analog zum stationären Bereich. Das führte in der Praxis dazu, dass alle prinzipiell möglichen Probleme einer pflegebedürftigen Person (meist nach der AEDL-Grundstruktur) schematisch abgearbeitet wurden. Der besondere Schwerpunkt auf die im Setting der teilstationären Pflege so relevanten Aspekte der Tagesstrukturierung und Betreuung ging dabei verloren. Letztlich, so wurde es von vielen empfunden, enthielt die Pflegedokumentation viele Informationen, die für die tägliche Arbeit nicht relevant waren. Durch die Umstellung der Pflegdokumentation auf das Strukturmodell sind auch in der Tagespflege gegenüber der herkömmlichen Pflegedokumentation folgende Effekte zu erwarten:

180

4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Übersichtliche Darstellung zum Einstieg in den Pflegeprozess in der Dokumentation: Die Strukturierte Informationssammlung (SIS®) fasst die ersten drei Schritte des 6-phasigen Pflegeprozesses zusammen. Einzelne Zwischenschritte werden nicht mehr verschriftlicht. ƒƒ Rationaler Umgang mit Risiken: Im Rahmen der Situationseinschätzung in der SIS® erfolgt eine kurze und knappe fachliche Risikobewertung, die insbesondere den Versorgungskontext der Tagespflege berücksichtigt. ƒƒ Schnelles Erkennen von Risiken oder positive wie negative Ereignisse und daraus abzuleitenden Handlungsbedarf durch die Dokumentation von Abweichungen zur regelhaften Versorgung im Berichteblatt. ƒƒ Angebote der sozialen Betreuung und Tagesstrukturierung: Diese erhalten nun auch in der Dokumentation die notwendige Berücksichtigung. Pflegemaßnahmen werden nur verschriftlicht, wenn diese auch in der Tagespflege durchgeführt werden. ƒƒ Zielgerichtete und Setting-übergreifende Evaluation: Die Überprüfung der geplanten Maßnahmen bezüglich ihrer Wirksamkeit sollte, wenn die Leistungen der Tagespflege zur Stabilisierung der häuslichen Pflege beitragen sollen, nicht ohne einen Abgleich mit der Einschätzung von Angehörigen/Betreuern und ggf. des ambulanten Dienstes erfolgen. ƒƒ Verbesserung der Kommunikation mit dem ambulanten Pflegedienst sowie mit Angehörigen durch die Einführung eines Zusatzdokumentes (Kommunikationsbogen). Dieser wird genutzt, um den notwendigen Austausch pflegeund betreuungsrelevanter Informationen künftig stärker zu forcieren und zu verstetigen.

Umsetzung des Strukturmodells in der Tagespflege Die spezifischen Dokumentationsanforderungen und -bedarfe der Tagespflege machen gegenüber den für die stationäre und ambulante Langzeitpflege entwickelten Versionen des Strukturmodells eine Reihe von Anpassungen der inhaltlichen Strukturierung einzelner Elemente sowie Vorgaben für die praktische Umsetzung erforderlich (siehe Tabelle 1).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Tabelle 4: Übersicht über die Anpassungen der Pflegedokumentation und des Strukturmodells für die Tagespflege Bereich Stammdaten Strukturierte Informationssammlung

Maßnahmenplan/Evaluation Berichteblatt Zusatzdokument

Zeitlicher Ablauf

Besondere Merkmale bei der TP Empfehlungen zu erforderlichen Angaben in Abgrenzung zur Dokumentation von Aspekten zur Pflege und Betreuung Verwendung der SIS® Tagespflege (basierend auf der SIS® stationär): Feld B: Zusätzliche Leitfrage: „Was bringt Sie zu uns?“ Feld C / neue Bezeichnung Themenfeld 6: „Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen“ Vorschlag von drei Varianten zur Strukturierung von Maßnahmenplänen, besonders bewährt hat sich in der Praxis die Variante 3 Speziell in der Tagespflege: relevante Informationen aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten müssen einfließen „Kommunikationsbogen“ zur systematischen Erfassung von Informationen/Beratungen mit Angehörigen und/oder mit dem ambulanten Dienst Empfehlung zum zeitlichen Ablauf zur vollständigen Erstellung der SIS® und des Maßnahmenplans ( vier Tage Aufenthalt) Quelle: Ein-STEP Projektbüro

Diese Kategorien werden im Folgenden für die einzelnen Elemente der Pflegedokumentation und des Strukturmodells beschrieben.

Stammdatenblatt Hinweise aus der Praxis haben gezeigt, dass die Erfassung von Stammdaten in den Tagespflegeeinrichtungen sehr unterschiedlich gehandhabt wird und es z. T. zu Doppelungen mit der Pflegedokumentation kommt. Es wird den Tagespflegeeinrichtungen daher bei der Einführung des Strukturmodells zunächst eine Überprüfung aller Bestandteile der Stammdaten im Hinblick auf ihre tatsächliche Notwendigkeit für die interne und externe Kommunikation empfohlen. Das Stammblatt enthält organisatorische Daten für die Einrichtung, aber i. d. R. keine pflegefachlichen Angaben. Folgende Informationen sollte das Stammblatt enthalten: ƒƒ Personaldaten des Tagespflegegastes (Name, Adresse, Telefonnummer, Geburtsdatum, Familienstand) ƒƒ Angaben zu Diagnosen, Allergien und verwendeten Hilfsmitteln ƒƒ Kontaktdaten zu Angehörigen, Vollmachtinhabern bzw. rechtlichen Betreuern ƒƒ Kontaktdaten zum ambulanten Pflegedienst

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4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Kontaktdaten zu Ärzten (Hausarzt, ggf. Facharzt) und ggf. weiteren Leistungserbringern (Therapeuten, Apotheke) ƒƒ Angaben zu Besuchstagen in der Tagespflege und ggf. zum Fahrdienst ƒƒ Angaben zum Pflegegrad und zur Pflegekasse sowie zum Sozialamt ƒƒ Feld für „Sonstiges“ (z. B. Hinweise zu freiheitsentziehende Maßnahmen, § 45 b-Leistungen, Fußpflege, Frisör) ƒƒ Aufnahmedatum (ev. auch Datum zum Abschluss der Inanspruchnahme) und Handzeichen der Pflegefachkraft ƒƒ Ggf. Bezugspflegeperson, wenn die Einrichtung mit diesem Pflegesystem arbeitet. Die Stammdaten sollten übersichtlich geordnet und auf einem DIN A4-Blatt erfasst werden. Ein Beispiel findet sich im Anhang. Ziel dieser Anregung ist es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und ausschließlich benötigte Informationen für die Arbeit in der Tagespflege zu erfassen.

Strukturierte Informationssammlung – SIS® Tagespflege – Für die Tagespflege wurde eine gesonderte Version der SIS® auf Basis der stationären Variante entwickelt. Die SIS® Tagespflege steht als PDF-Datei im DIN A4 und DIN A3-Format sowie elektronisch ausfüllbar auf der Website von Ein-STEP (www. ein-step.de) zum Download zur Verfügung. An folgenden Stellen wurde die SIS® an die Besonderheiten der Tagespflege angepasst (siehe auch 5b): ƒƒ Anpassung der Überschrift der Strukturierten Informationssammlung: SIS® – Tagespflege ƒƒ Anpassung der Personenbezeichnung im Feld A: Name des Tagesgastes ƒƒ Zusätzliche Leitfrage im Feld B Tagespflege ist eine Versorgungsform, die zusätzlich zur ambulanten Sachleistung bzw. zum Pflegegeld in Anspruch genommen werden kann. Sie kommt meist dann erst zum Tragen, wenn Pflegebedürftige nicht mehr allein zu Hause zurechtkommen und die ambulante Betreuung nicht an allen Wochentagen sichergestellt werden kann (z. B. bei Berufstätigkeit der Angehörigen). Durch die zusätzliche Leitfrage „Was bringt Sie zu uns?“ werden veränderte Lebensumstände, Vorstellungen und Wünsche der pflegebedürftigen Person hinsichtlich ihrer weiteren Versorgung angesprochen.

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Zu bearbeitende Themen im Themenfeld 6 der SIS® Tagespflege Da die Tagespflege ausdrücklich die häusliche Pflege stärken und ergänzen soll, wird dieser Aspekt im Themenfeld 6 unter der Überschrift: „Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten “ in den Mittelpunkt gestellt. Die andere Überschrift: „Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen“ entspringt einer Anregung der Expertengruppe. Es wurde darauf hingewiesen, dass es durchaus Tagesgäste gibt, die ausschließlich den Ortswechsel und die Atmosphäre in der Tagespflege genießen wollen sich aber nicht mehr aktiv an Geschehen beteiligen wollen oder Ruhe und Entlastung im Hinblick von einer angespannten häuslichen Situation suchen/benötigen. Leitgedanken zu den Themen sind dabei, ob und falls ja, wie die Stärkung und Förderung der Alltagskompetenz des Pflegebedürftigen mittels gezielter Maßnahmen während des Aufenthaltes in der Tagespflege erfolgen kann. Besteht beim Tagespflegegast dagegen primär ein Rückzugsbedürfnis, so ist auszuloten, wann und wie dieses während seines Aufenthaltes konkret umgesetzt werden kann. Zum Themenfeld 6 siehe auch Punkt 4.1.2.3. Seite 100.

„SIS® - Tagespflege“ sowie Name des Tagesgastes Zusätzliche Leitfrage: „Was bringt Sie zu uns?“

Keine Änderungen

Themen für Themenfeld 6: „Erhalt/Förderung von Alltagsfähigkeiten bzw. Sicherstellung von Rückzugsbedürfnissen Keine Änderungen

Abbildung 27: Unterschiede in der SIS® Tagespflege im Gegensatz zu der Variante SIS® stationär Quelle: Ein-STEP Projektbüro 9. Fachtagung des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen

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4  Prinzipien und Umsetzung

2

Maßnahmenplan Die im Rahmen der Verständigung mit dem Tagesgast und seinen Angehörigen aus der SIS® gewonnenen Erkenntnisse zum Aufenthalt in der TP d. h. ƒƒ die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Tagesgastes, ƒƒ die Informationen Dritter (Angehörige/Betreuer), ƒƒ die Einschätzung des Pflege- und Betreuungsteams zu Ressourcen des Tagesgastes und ein (daraus abgeleiteter) pflege- und betreuungsrelevanter Handlungsbedarf während des Aufenthalts, ƒƒ die fachliche Einschätzung zu Risiken und Phänomenen in der Risikomatrix (insoweit sie in der Tagespflege relevant sind) und ƒƒ Maßnahmen der Behandlungspflege während des Aufenthaltes. ƒƒ bilden die Grundlage für den individuellen Maßnahmenplan. Die Maßnahmenplanung erfolgt handlungsleitend; Ziele, die sich aus der SIS® insbesondere durch die Wünsche und Interessen der pflegebedürftigen Person ergeben, sind immanent enthalten. D. h. die Auswahl der Maßnahmen muss erkennbar

nflüsse Maßnahmenplan Tagespflege Inhalte des Maßnahmenplans auf der Grundlage des Verständigungsprozesses (Tagespflege)

Individuelle Wünsche und Vorlieben des Tagesgastes

In der TP anfallende körperbezogene Pflegemaßnahmen

Pflegerische Betreuungsmaßnahmen zur Stärkung und Förderung der Alltagskompetenz

Individueller Maßnahmenplan Vereinbarte Maßnahmen zur individuellen Gestaltung des Aufenthaltes in der TP

Maßnahmen des Risikomanagements oder zeitlich befristete Beobachtungen

Maßnahmen der Behandlungspflege

Abbildung 28: Darstellung von Einflussfaktoren auf den Maßnahmenplan

t Strukturmodell Tagespflege

September 2016

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

Seite 2 185

mit den in der SIS® genannten Aspekten in den Themenfeldern korrespondieren und ihren Intentionen entsprechen. Die Besonderheit in der Tagespflege besteht darin, dass die psychosoziale Betreuung im Vordergrund steht und individuelle pflegerische Maßnahmen in begrenztem Maße eine Rolle spielen, da diese weitgehend von ambulanten Pflegediensten bzw. pflegenden Angehörigen zu Hause übernommen werden. Der Maßnahmenplan muss die individuellen Besonderheiten des Gastes bezüglich der Betreuung, die im Rahmen der Tagespflege notwendigen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und ggf. einzelne behandlungspflegerische Maßnahmen beinhalten. Im Ergebnis fallen die Maßnahmenpläne in der Tagespflege daher deutlich schlanker aus als bei einer herkömmlichen in der bisherigen Dokumentationspraxis. Auch für die Tagespflege gilt das Prinzip, dass wiederkehrende Verrichtungen im Rahmen der körperbezogenen Pflegemaßnahem und der Betreuung, die in der Einrichtung nach einem festgelegten Verfahren erbracht werden (z. B. das Bereitstellen von Mahlzeiten in einer bestimmten Art und Weise), nur einmal in Form einer Verfahrensanleitung an übergeordneter Stelle allgemein und für alle verbindlich beschrieben werden müssen und anschließend mit einem kurzen Verweis (auf die Nummer oder ein Kürzel der entsprechenden Verfahrensanweisung) in dem individuellen Maßnahmenplan (Tagesstruktur) eines Gastes eingetragen werden können. Grundsätzlich orientieren sich Inhalt und Form des Maßnahmenplans an den spezifischen Gegebenheiten der Einrichtung. Es hat sich jedoch im Laufe der Implementierungsstrategie gezeigt, dass bestimmte Angaben zwingend enthalten sein sollten (siehe hierzu Punkt 4.2.2. Tabelle 1 Seite 142). Die Verwendung einer Grundbotschaft zu jedem Tagesgast am Beginn des Maßnahmenplans ist auf Basis der Praxiserfahrungen zu empfehlen. Sie sollte einen besonders charakteristischen, für die tägliche Versorgung in der Tagespflege relevanten Aspekt zur Person aus der SIS® aufgreifen. Die Grundbotschaft gibt vor allem neuen bzw. kurzfristig einspringenden Mitarbeitern eine schnelle Orientierung zum Tagesgast. In der Anlage finden sich als Anregung drei Varianten eines Maßnahmenplans für die Dokumentation in der Tagespflege. Im Praxistest wurden für die Strukturierung des Maßnahmenplans mehrheitlich die Varianten 2 und 3 bevorzugt, insbesondere aber die Variante 3: Dort werden anhand der einrichtungsindividuellen allgemeinen Tagesstruktur (linke Spalte, bei allen Gästen gleich) für den jeweiligen Tagesgast jeweils die individuellen Abweichungen bzw. Ausprägungen und Besonderheiten notiert.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Bezüglich der Planung der Betreuungsleistungen gilt zu beachten: Werden in einem Zeitfenster mehrere Beschäftigungsangebote gemacht, aus denen der Gast wählen kann, sollte nach einer Beobachtungsphase konkret im Maßnahmenplan beschrieben werden, welches Angebot an dem jeweiligen Tag der Gast bevorzugt. Eine Abweichung davon würde sich dann im Berichteblatt widerspiegeln. Gibt es dagegen in der Einrichtung zu den Zeiten der Beschäftigung jeweils nur ein Angebot, ist im Maßnahmenplan festzuhalten, ob der Tagesgast daran teilnehmen will. Die konkret stattgefundene Beschäftigung kann dann dem Wochenplan entnommen werden. Nimmt er nicht an der Beschäftigung teil, ist im Maßnahmenplan die Verständigung mit dem Tagesgast zu dokumentieren, wie die Zeit anderweitig genutzt wird.

Berichteblatt und Evaluation Grundsätzlich gelten in der Tagespflege für das Berichteblatt und die Evaluation die in den vorderen Kapiteln erläuterten Prinzipien des Strukturmodells. Von besonderer Relevanz ist in der Tagespflege, dass das Berichteblatt grundsätzlich von allen an der Pflege, Betreuung und Therapie Beteiligten genutzt wird. Dies betrifft: ƒƒ Tagesaktuelle Hinweise von Betreuungskräften zur Situation des Tagesgastes oder speziellen Erlebnissen. ƒƒ Dokumentation von Abweichungen zum Maßnahmenplan oder akuten Ereignissen durch Pflegekräfte. ƒƒ Für die Pflege und Betreuung relevante tagesaktuelle Hinweise Angehöriger oder ambulanter Dienste. ƒƒ Informationen zum Therapieverlauf oder Wahrnehmungen zum Tagesgast durch externe Therapeuten, die in der Tagespflege ihre Leistungen erbringen. ƒƒ Je nach Vorkommnis und Organisation der Tagespflege, Informationen des Fahrdienstes. Da tagespflegerische Angebote auch die Beförderung der Tagesgäste von der Wohnung in die Einrichtung und zurück umfassen, beginnt die Betreuung bereits mit der Abholung des Tagesgastes. An der Schnittstelle zur Häuslichkeit werden häufig wichtige Informationen an den Fahrer übermittelt, die dann auf unterschiedlichste Art und Weise an die Mitarbeiter der Tagespflege weitergegeben werden. Daher ist in der Tagespflege ein Verfahren zu etablieren, das sicherstellt, wie pflege- und

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betreuungsrelevante und sonstige Informationen des Fahrdienstes ins Berichteblatt gelangen (Informationsfluss, Verantwortlichkeiten). Seit 2017 können zusätzliche Betreuungsleistungen nach § 43 b SGB XI von allen pflegebedürftigen Personen in Anspruch genommen werden Dies gilt auch in der Tagespflege. Ein gesonderter Nachweis der Leistungen für Abrechnungszwecke ist nicht erforderlich (vorbehaltlich anderslautender Vorgaben in den Vergütungsvereinbarungen mit den Pflegekassen). Der Nachweis erfolgt über die im SGB XI festgelegten Kriterien (Schlüssel und Qualifikation). Die Evaluationen von Maßnahmen in der Tagespflege umfasst auch die Vereinbarungen, die mit dem Tagespflegeaufenthalt seitens des Gastes und seiner Angehörigen angestrebt und in der SIS® festgehalten wurden. Insofern ist hierzu mit den Angehörigen (oder auch dem ambulanten Dienst) Rücksprache zu nehmen (siehe Kommunikationsbogen im folgenden Kapitel). Die Evaluation erfolgt auch (und gerade) in der TP nicht schematisch, sondern ist immer individuell und anlassbezogen ausgerichtet. Ein formal festgelegter Zeitpunkt zur Evaluation (je nach Häufigkeit der Anwesenheit des Gastes) muss durch das Qualitätsmanagement nur für die Situation festgelegt werden, dass über einen längeren Zeitraum im Berichteblatt keine Einträge vorgenommen wurden.

Zusatzdokument Kommunikationsbogen „Die Tagespflegeeinrichtung arbeitet mit den an der gesundheitlichen Versorgung der Tagespflegegäste Beteiligten aktiv zusammen, sofern dies mit der tagespflegerischen Versorgung im Zusammenhang steht.“ (Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität … in der teilstationären Pflege vom 10.12.2012). Die Tagespflegeeinrichtungen berichten vielfach von einem hohen Abstimmungs- und Kommunikationsbedarf mit allen Personen und Institutionen, die an der Versorgung der pflegebedürftigen Person beteiligt sind. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die tagespflegerische Versorgung in die ambulante Pflege und Betreuung eingebettet ist und der Gast täglich hin und her pendelt. Je mehr Beteiligte es jedoch gibt, umso aufwendiger gestaltet sich der Prozess der Informationsweitergabe und der gegenseitigen Abstimmung. Deshalb ist es notwendig, z. B. Informationen bezüglich durchgeführter Beratungen, tagesaktueller Ereignisse oder organisatorischer Besonderheiten auf Grundlage eines klaren Verfahrens an die an der Versorgung Beteiligten weiterzugeben bzw. Informationen von dort entgegenzunehmen. Zur Unterstützung der Kommunikationsprozesse wurde ein „Kommunikationsbogen“ entwickelt, welcher mit Zustimmung der pfle-

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4  Prinzipien und Umsetzung

gebedürftigen Person für den Informationsaustausch mit anderen Leistungserbringern (ambulanter Pflegedienst) und auch den Angehörigen genutzt werden soll. Der zusätzliche Kommunikationsbogen für die Tagespflege hat sich in der Praxis bewährt. Er sollte sämtliche „Nebendokumentationen“ ersetzen, wie Pendelhefte, Notizbücher für Telefonate etc. Es haben sich zwei Einsatzmöglichkeiten für den Kommunikationsbogen herauskristallisiert: ƒƒ Der Bogen bleibt in der Einrichtung in der Akte des Gastes und ist der zentrale Ort für alle organisatorischen Informationen, Abstimmungen und Notizen im Zusammenhang mit einem Tagesgast oder ƒƒ der Bogen wird dem Tagesgast täglich mitgegeben, so dass ein gegenseitiges Informieren mit den anderen Beteiligten (insb. den Angehörigen) regelhaft erfolgt, das teilweise auch Telefonate überflüssig macht. In der Einrichtung sollte dann ein zweiter Bogen für darüber hinausgehende, im Tagesverlauf anfallende Informationen (von Ärzten, Therapeuten etc.) vorliegen. Wird der Kommunikationsbogen mitgegeben, müssen die Angehörigen explizit über Sinn und Zweck der neuen Maßnahme informiert werden. Zusätzlich ist aus Datenschutzgründen auf einen sorgfältigen Umgang mit den Dokumenten zu achten (Transport in einer Mappe o. ä.) Inwieweit diese Art der Anwendung des Kommunikationsbogens für alle Tagesgäste sinnvoll ist, sollte in der Tagespflege zunächst erprobt werden. Voraussetzung ist, dass der Einsatz und der Zweck des Kommunikationsbogens zunächst mit dem Tagesgast und den Angehörigen besprochen wird und der Pflegdienst über das Ziel der Erprobungsphase informiert und um Mitarbeit gebeten wird. Ein Beispiel für einen übersichtlichen Kommunikationsbogen findet sich im Anhang. Im Praxistest wurde deutlich, dass dieser Kommunikationsbogen (egal welche Variante) grundsätzlich über einen längeren Zeitraum erprobt werden sollte bis Rückschlüsse auf einrichtungsinterne Effekte oder die tatsächliche Verwendung gezogen werden können. Einige Tagespflegen haben berichtet, dass Angehörige regen Gebrauch vom Kommunikationsbogen machen, wenn dieser täglich mitgegeben wird, und dies den Informationsfluss deutlich verbessert.

Vorgehen der Erstellung von SIS® und Maßnahmenplan Zur Konkretisierung von Zeitintervallen bei der Sammlung von Informationen zur individuellen Situationseinschätzung wird für die Tagespflege folgendes Vorgehen empfohlen:

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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ƒƒ In der Regel werden die SIS® Tagespflege und der daraus abzuleitende (vorläufige) Maßnahmenplan am Tag der Aufnahme, ggf. unter Hinzuziehung von Erkenntnissen aus einem Probetag oder Vorgesprächen, erstellt. ƒƒ An den nächsten Anwesenheitstagen, dies kann sich je nach Häufigkeit des Besuchs in der Tagespflege auf unterschiedliche Zeiträume beziehen, werden weitere Informationen im Berichteblatt gesammelt. Nach spätestens vier Anwesenheitstagen erfolgt dann eine interne Fallbesprechung und eine Überprüfung der bisherigen Planungen, die im Ergebnis eine Anpassung des vorläufigen Maßnahmenplans zur Folge haben kann (sog. „kleiner Evaluationskreis“). ƒƒ Zeigen sich umfassende Abweichungen zur Einschätzung der pflegebedürftigen Person am Aufnahmetag, muss auch die SIS® überprüft, angepasst oder neu ausgefüllt werden (sog. „großer Evaluationskreis“). Dies stellt erfahrungsgemäß aber eher die Ausnahme dar. Zum Thema Evaluation bei Beginn eines Versorgungsauftrags und im Verlauf, Anlässen zur Evaluation und Häufigkeit Erstellung der SIS®, siehe auch Punkt 4.4. ab Seite 166.

Exkurs: Behandlungspflege in der Tagespflege Im Zuge des Praxistests Tagespflege wurde offenbar, dass die Durchführung behandlungspflegerischer Maßnahmen in den Einrichtungen der Tagespflege derzeit mit Schwierigkeiten verbunden ist. Dies betrifft in erster Linie die Medikamentengabe – fehlende An- bzw. Verordnungen des Arztes zur korrekten Durchführung sowie Unklarheiten bezgl. vom Tagesgast mitgebrachter Medikamente erschweren die Arbeit der Tagespflege erheblich. Bei näherer Betrachtung und Diskussion der Situation mit juristischen Experten hat sich gezeigt, dass die aktuellen Regelungen und Rahmenvereinbarungen nicht ausreichen, um für die derzeit stark an Bedeutung gewinnende Versorgung pflegebedürftiger Personen im Setting Tagespflege ein sicheres Verfahren bei der Durchführung behandlungspflegerischer Maßnahmen zu gewährleisten. Der Arzt müsste, wie bei (voll)stationärer Versorgung, die Durchführung der Behandlungspflege in der Tagespflege als ärztlich delegierte Leistung anordnen. Dies erfolgt aber in der Praxis wegen der prinzipiell ambulanten Versorgung der pflegebedürftigen Person nicht, da der Arzt, soweit nicht eine im Haushalt des Versicherten lebende Person die erforderlichen Maßnahmen übernehmen kann, eine

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4  Prinzipien und Umsetzung

Verordnung gem. § 37 SGB V Häusliche Krankenpflege (HKP) ausstellt, die vom ambulanten Pflegedienst in der Häuslichkeit des Versicherten durchgeführt wird. Die Problematik resultiert vor allem daraus, dass die Tagespflege sozialrechtlich betrachtet eine (teil)stationäre Einrichtung ist, der Tagesgast aber primär im ambulanten Bereich versorgt wird. Daher bedarf es einer grundsätzlichen Klärung dieses Aspektes. Bis eine solche Klarstellung des Verfahrens vorliegt, wird den Einrichtungen der Tagespflege folgendes Vorgehen in Bezug auf die Behandlungspflege empfohlen: ƒƒ Die Einrichtungen nehmen in den Tagespflegevertrag mit dem Tagesgast einen Passus auf, der klarstellt, dass die Einrichtung behandlungspflegerische Maßnahmen nur dann durchführen kann, wenn der Tagesgast bzw. seine Angehörigen eine entsprechende ärztliche Anordnung im Original, ersatzweise eine Kopie der Verordnung häuslicher Krankenpflege, am ersten Besuchstag vorlegt. Bei der Medikamentengabe muss auch das entsprechende Präparat in der Originalpackung, mindestens aber mit dem Originalbeipackzettel, mitgebracht werden. ƒƒ „Sofern die Medikamente bereits in der Häuslichkeit gerichtet wurden (vorbereitete Tagesdosis), ist mit den Angehörigen zu besprechen, dass grundsätzlich davon ausgegangen wird, dass die Dosierung und das Medikament der ärztlichen Anordnung entsprechen. Dies ist zu dokumentieren.“ (Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität … in der teilstationären Pflege vom 10.12.2012).

Steuerung des Einführungsprozesses Mit Beginn der Umstellung auf das Strukturmodell ist ein größerer zeitlicher und organisatorischer Aufwand zu erwarten, bevor sich ein routinierter Umgang mit der schlanken Dokumentationspraxis entlang des Strukturmodells einschließlich der gewünschten Zeitersparnis tatsächlich einstellt. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass der Träger der Tagespflege das Strukturmodell in seinen Einrichtungen der stationären und/oder ambulanten Langzeitpflege bereits eingeführt hat. Allein schon aufgrund der oben dargestellten fachlichen Besonderheiten, des an die Tagespflege angepassten Strukturmodells, bedarf es in jedem Fall eines einrichtungsindividuellen Einführungskonzeptes (Projektplan, Steuerungs-/Projektgruppe usw.) sowie der systematischen Schulung aller Mitarbeiter(innen). Hierzu gehören insbesondere auch die Betreuungskräfte,

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Fachkräfte der sozialen Arbeit oder Therapeuten und die Pflegehilfskräfte und ggf. Hauswirtschaftskräfte. Der Teil III unter Kapitel 5 und 6 enthält umfangreiche allgemeine Hinweise und Erläuterungen zur Steuerung und Organisation der Einführung des Strukturmodells in Pflegeeinrichtungen, die auch für die Tagespflege gelten.  

Besonderheiten der Kurzzeitpflege Im Rahmen des ersten Praxistests (2013/2014) zum Strukturmodell hatte sich bereits herausgestellt, dass die Anforderungen an die Dokumentation in der solitären Kurzzeitpflege (und eingestreuten Kurzzeitpflegplätzen) andere sind als in der ambulanten bzw. stationären Langzeitpflege und daher eine Anpassung der Dokumentation erfordern. Bei der Kurzzeitpflege handelt es sich um eine vollstationäre pflegerische Versorgungsform, die die pflegebedürftige Person in ähnlicher Weise wie in der stationären Langzeitpflege, allerdings für eine begrenzte Dauer, umfassend versorgt. Auf der Grundlage einer Umfrage bei Kurzzeitpflegeeinrichtungen und auf Basis eines intensiven fachlichen Austausches mit Praktikern sowie Vertretern der Verbände, der Pflegewissenschaft, der Prüfinstanzen und der Länder wurde vom Projektbüro Ein-STEP ein Konzept zur Anpassung des Strukturmodells für die Kurzzeitpflege entwickelt und in der zweiten Jahreshälfte 2016 in 13 solitären Kurzzeitpflegeeinrichtungen drei Monate erprobt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind die Grundlage für die Ausführungen in diesem Kapitel. Die Prinzipien des Strukturmodells und viele weitere Hinweise, die in vorausgegangenen Kapiteln zur Einführung des Strukturmodells für die ambulante und stationäre Langzeitpflege dargestellt sind, gelten auch für die Kurzzeitpflege. Dieses Kapitel beschränkt sich daher auf besonders relevante Aspekte des Strukturmodells für die spezifischen Dokumentationsanforderungen in der Kurzzeitpflege. Das beschriebene Vorgehen gilt aus fachlicher Sicht auch für die Pflegedokumentation in Einrichtungen mit eingestreuten Kurzzeitpflegebetten.

Effekte des Strukturmodells in der Kurzzeitpflege Durch die Umsetzung des Strukturmodells in der Kurzzeitpflege sind folgende Effekte zu erwarten:

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4  Prinzipien und Umsetzung

ƒƒ Übersichtliche Darstellung zum Einstieg in den Pflegeprozess in der Dokumentation: Die Strukturierte Informationssammlung (SIS®) fasst die ersten drei Schritte des 6-phasigen Pflegeprozesses zusammen. Dies ist mit einer Orientierung auf die Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person, der pflegefachlichen Einschätzung und dem daraus resultierenden Handlungsbedarf in der Dokumentation verbunden. ƒƒ Routinemäßige und wiederkehrende Abläufe der körperbezogenen Pflegemaßahmen und der Betreuung werden in Form von Verfahrensanleitungen im QM Handbuch beschrieben. Ergänzend dazu werden dann im Maßnahmenplan die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der pflegebedürftigen Person, die bei der entsprechenden Maßnahme zu berücksichtigen sind, erfasst. Damit entfallen auch in der Kurzzeitpflege Einzelleistungsnachweise für die immer wiederkehrenden Maßnahmen in der Pflege und Betreuung. ƒƒ Individuelle Maßnahmen, die regelhaft im Rahmen der Versorgung immer wieder zu erbringen sind, werden im Maßnahmenplan einmal ausführlich beschrieben und können dann im Verlauf des Tages nur noch mit einem Kürzel/ Stichwort aufgeführt werden. ƒƒ Rationaler Umgang zur Risikoerfassung: Die Einschätzung von pflege- und betreuungsrelevanten Risiken und Phänomenen der pflegebedürftigen Person erfolgt im Sinne einer Ersteinschätzung (Initialassessment) im Rahmen der Strukturierten Informationssammlung durch die Pflegefachkraft. Die Risikoerfassung erfolgt immer individuell und nicht in Form schematischer Routinen. Siehe hierzu auch Teil II Punkt 4.1.2.5. Seite 120. ƒƒ Nutzung der SIS® und der Maßnahmenpläne von vorangegangenen Aufenthalten in der Kurzzeitpflege: In der Kurzzeitpflege wird ein unterschiedlich hoher Anteil pflegebedürftiger Personen im Rahmen der Verhinderungsoder Urlaubspflege nach einer gewissen Zeit erneut aufgenommen.

Umsetzung des Strukturmodells in der Kurzzeitpflege Die spezifischen Dokumentationsanforderungen in der Kurzzeitpflege machen gegenüber der für die stationäre und ambulante Langzeitpflege entwickelten Version des Strukturmodells eine Reihe von Anpassungen der Inhalte einzelner Elemente sowie Vorgaben für die praktische Umsetzung erforderlich (siehe Tabelle 2).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Tabelle 5: Übersicht über die Anpassungen des Strukturmodells für die Kurzzeitpflege

Bereich Strukturierte Informationssammlung

Maßnahmenplan/ Berichteblatt/ Evaluation Nutzung bestehender Dokumente im Rahmen der Verhinderungspflege Zeitlicher Ablauf zur Erstellung der SIS® Zusatzdokumente

Besondere Merkmale bei der KZP Feld B: ggf. zusätzliche Leitfrage: „Was bringt Sie zu uns?“ Feld C1 / Themenfeld 6: „Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes“ „Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege“ Vorschlag von zwei Varianten von Maßnahmenplänen und einem Berichteblatt Trifft insbesondere auf SIS® und Maßnahmenplan zu im Zusammenhang mit wiederkehrender Inanspruchnahme der KZP im Laufe eines Jahres zur Urlaubs- oder Verhinderungspflege Vorgabe des zeitlichen Ablaufs zur Erstellung der SIS® und des Maßnahmenplans in Abhängigkeit von der Fallgruppe (gestuftes Verfahren) Vorschlag für ein internes Formblatt in der Bewohner-/Gästeakte für die Sammlung von Informationen zur Unterstützung der Entlassplanung Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Diese werden im Folgenden für die einzelnen Elemente der Pflegedokumentation und des Strukturmodells beschrieben.

Strukturierte Informationssammlung: SIS® Kurzzeitpflege In der Kurzzeitpflege ist es besonders wichtig, die Befindlichkeiten, Ängste und Wünsche der pflegebedürftigen Person möglichst schnell zu erfassen und zügig zu einer fachlich fundierten Situationseinschätzung durch die Pflegefachkraft zu kommen. Das Gespräch mit der pflegebedürftigen Person und das Erfassen der Information in der Strukturierten Informationssammlung sollte daher am Aufnahmetag durchgeführt und abgeschlossen werden. Das Vorgehen in den Situationen, bei denen die erforderlichen Informationen nicht am Aufnahmetag zur Verfügung stehen, wird in Abschnitt 4.5 erläutert. An folgenden Stellen wurde die SIS® stationär an die Besonderheiten der Kurzzeitpflege angepasst: ƒƒ Anpassung der Überschrift der Strukturierten Informationssammlung: SIS®- Kurzzeitpflege ƒƒ Ergänzung der Leitfragen im Feld B: ƒƒ Die Kurzzeitpflege ist eine Versorgungsform, die als Übergangslösung bei sehr hohem Pflegebedarf (z. B. nach einem Krankenhausaufenthalt) oder zur Überbrückung von Versorgungslücken (Urlaubs- oder Verhinderungspflege) in Anspruch genommen werden kann. Durch eine zusätzliche Leitfrage „Was bringt Sie zu uns?“ können u. a. Vorstellungen, Wünsche und ggf. Ängste der pflege-

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4  Prinzipien und Umsetzung

bedürftigen Personen hinsichtlich ihrer weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege angesprochen werden. ƒƒ Änderung der thematischen Zuordnung im Themenfeld 6 der SIS®: ƒƒ Im Themenfeld 6 kann die pflegefachliche Einschätzung zu folgenden Themen dokumentiert werden:

„Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes“. Leitgedanke ist hierbei, individuell und situationsgerecht zu erfassen und zu beschreiben, wodurch ein möglichst persönlich-individuelles Umfeld während des Aufenthalts in der Kurzzeitpflege und die praktische Umsetzung dieser Maßnahmen gelingen kann (z.B. Mitbringen von vertrauten Gegenständen, die Berücksichtigung von gewohnten Abläufen und alltäglichen Ritualen). Dies trägt zum Wohlbefinden in der neuen Umgebung bei und unterstützt die Orientierung insbesondere bei Menschen mit Demenz.

„SIS® - Kurzzeitpflege“ Zusätzliche Leitfrage: „Was bringt Sie zu uns?“

Keine Änderungen

Themen für Themenfeld 6: „Wahrung der Individualität während des Aufenthaltes“ „Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege“ Keine Änderungen

Abbildung 29: Unterschiede in der SIS® Kurzzeitpflege im Gegensatz zu der Variante SIS® stationär 9. Fachtagung des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen

26.09.2017

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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„Erste Einschätzung zur weiteren Versorgung nach der Kurzzeitpflege“ Leitgedanken dabei sind: Zum einen, wesentliche Aussagen der pflegebedürftigen Person zu ihren Wünschen, Erwartungen und Ängsten hinsichtlich der weiteren Versorgung festzuhalten. (Wer ist in diesem Punkt ein wichtiger Gesprächspartner für den Gast? Mit wem kann/sollte der Klärungsprozess weiterbearbeitet werden?) Zum anderen, eine erste fachliche Einschätzung zum weiteren Verbleib aus Sicht der Pflegefachkraft auf der Grundlage der im Aufnahmegespräch gewonnenen Erkenntnisse und Informationen. Zum Themenfeld 6 siehe auch Teil II Punkt 4.1.2.3. Seite 100. Die SIS® Kurzzeitpflege steht in den Varianten DIN A4 und DIN A3 und elektronisch ausfüllbar unter www.ein-step.de zum Download zur Verfügung.

Maßnahmenplan Die aus der SIS® gewonnene Erkenntnisse, wie zum Beispiel ƒƒ Verständigung zu individuellen Wünschen und Bedürfnissen der pflegebedürftigen Person, ƒƒ Einschätzung des Pflege- und Betreuungsteams zu Ressourcen sowie pflegeund betreuungsrelevantem Handlungsbedarf, ƒƒ fachliche Einschätzung zu Risiken und Phänomenen in der Risikomatrix sowie Maßnahmen der Behandlungspflege ƒƒ Informationen Dritter (Angehöriger/Betreuer) bilden die Grundlage für die individuelle Maßnahmenplanung. Diese erfolgt handlungsleitend; Ziele sind in den Maßnahmen hierin (immanent) enthalten. Auch für die Kurzzeitpflege gilt das Prinzip, dass wiederkehrende Verrichtungen im Rahmen der körperbezogenen Pflegmaßnahmen und der Betreuung, die mehrmals am Tag in derselben Form erbracht werden (z. B. das Bereitstellen von Mahlzeiten in einer bestimmten Form), nur einmal beschrieben und dann im Weiteren mit einem kurzen Hinweis in die Tagesstruktur eingepflegt werden. Die folgenden Umsetzungshinweise für den Maßnahmenplan beziehen sich auf Leistungsbereiche mit besonderer Relevanz für die Kurzzeitpflege. ƒƒ Maßnahmen der Behandlungspflege: Vorgaben zum Zeitpunkt und zur Umsetzung von Maßnahmen der Behandlungspflege werden im Rahmen des tagesstrukturierten Maßnahmenplans dokumentiert. Die Dokumentation ärzt-

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4  Prinzipien und Umsetzung

nflüsse Maßnahmenplan Kurzzeitpflege Inhalte des Maßnahmenplans auf der Grundlage des Verständigungsprozesses (Kurzzeitpflege)

Individuelle Wünsche und Vorlieben der pflegebedürftigen Person körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen Zusätzliche Betreuungsleistungen

Individueller Maßnahmenplan Vereinbarte individuelle Unterstützung für spezielle Situationen

Maßnahmen des Risikomanagements oder zeitlich befristete Beobachtungen

Maßnahmen der Behandlungspflege

Abbildung 30: Darstellung von Einflussfaktoren auf den Maßnahmenplan in der KZP Quelle: Ein-STEP Projektbüro

licher Anordnungen und die Abzeichnung ihrer Durchführung erfolgen in September 2016 gesonderten Dokumenten wie bisher.

est Strukturmodell Tagespflege

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ƒƒ Therapeutische Maßnahmen: Im Maßnahmenplan werden Zeitpunkt und Art verordneter therapeutischer Maßnahmen (z. B. Physio- oder Ergotherapie) im Rahmen der Tagesstruktur zugeordnet. Angaben der Therapeuten zu Therapieverlauf werden im Berichteblatt dokumentiert. Grundsätzlich kann sich der Maßnahmenplan in der Kurzzeitpflege analog zur stationären Langzeitpflege an einer individuellen Darstellung der Tagesstruktur – einschließlich der nächtlichen Versorgung – orientieren. Es kann mit fixen Zeiten oder variablen Zeitkorridoren wie in der stationären Langzeitpflege gearbeitet werden. Die Übersicht über erforderliche und optionale Inhalte eines Maßnahmenplan sind der Tabelle 1 auf Seite 142 zu entnehmen. Die Erfahrungen im Rahmen der Implementierung des Strukturmodells und die Rückmeldungen in den Expertenworkshops haben gezeigt, dass Anregungen zur Strukturierung des Maßnahmenplans hilfreich und erwünscht sind. Daher wurden

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zwei Vorschläge für Varianten eines tagesstrukturierenden Maßnahmenplans entwickelt und im Rahmen des Praxistests erprobt. Im Praxistest bevorzugte die Mehrheit der teilnehmenden Einrichtungen zwar die Variante 2, aber auch die Variante 1 hat sich als sehr gut geeignet für den tagestrukturierende Maßnahmenplan in der Kurzzeitpflege erwiesen. Es wird empfohlen, eine der beiden vorgeschlagenen Varianten zu nutzen. Beide exemplarischen Maßnahmenplan-Varianten finden sich im Anhang.

Besonderheiten bezüglich SIS® und des Maßnahmenplans bei der Urlaubs- oder Verhinderungspflege Eine Besonderheit in der Anwendung des Strukturmodells kommt bei der Inanspruchnahme von wiederkehrenden Verhinderungs- oder Urlaubspflegen zum Tragen. Im Rahmen der Aufnahme der pflegebedürftigen Person wird für das Gespräch, die SIS® und der Maßnahmenplan eines vorangegangenen Aufenthaltes herangezogen. Sowohl die SIS® als auch der Maßnahmenplan kann gänzlich oder in Teilen erneut genutzt werden. Ob und in welchem Umfang dies geschieht, ist abhängig davon, inwieweit die Pflege- und Betreuungssituation sich unverändert darstellt oder ob in der Zwischenzeit Veränderungen eingetreten sind, die in der Folge eine erneute pflegefachliche Einschätzung zum Pflege- und Betreuungsbedarf und der Risikoeinschätzung nach sich ziehen. Die fachliche Entscheidung, die „alte“ SIS® weiter zu nutzen, wird mit dem Handzeichen der Pflegefachkraft auf der SIS® erneut dokumentiert. Die Pflegefachkraft bestätigt hierdurch erneut die fachliche Einschätzung zu den bisher dokumentierten Inhalten der SIS®. Der Maßnahmenplan kann bei Bedarf entsprechend aktualisiert werden – auch dies wird mit dem Handzeichen der Pflegefachkraft dokumentiert. Zu überprüfen sind ebenfalls vorliegende Medikamentenpläne oder andere Maßnahmen der Behandlungspflege.

Berichteblatt und Evaluation Grundsätzlich gelten für die Anwendung und Funktion des Berichteblatts in der Kurzzeitpflege dieselben Prinzipien wie für die stationäre Langzeitpflege, d.h. es werden die Abweichungen von den geplanten grundpflegerischen und betreuenden Maßnahmen dokumentiert. Entscheidend ist auch hier, dass alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten das Berichtblatt für ihr Eintragungen nutzen. Da Kurzzeitpflege oft unter einem großen Zeit- und Entscheidungsdruck arbeiten muss, ist die schnelle Erfassung und übersichtliche Darstellung von Veränderungen

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4  Prinzipien und Umsetzung

von besonderer Bedeutung. Dieser Anforderung kommt entgegen, dass im Strukturmodell das Berichteblatt im Wesentlichen für das Dokumentieren folgender Informationen genutzt wird: ƒƒ Abweichungen von den geplanten wiederkehrenden Abläufen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und Betreuung, ƒƒ Ergebnisse gezielter/geplanter und zeitlich befristeter Beobachtungen auf der Grundlage der Erkenntnisse aus der SIS® und der Risikomatrix, ƒƒ Tagesaktuelle Ereignisse und ggf. Reaktionen darauf. In der Kurzzeitpflege sind analog zur stationären Langzeitpflege weiterhin Einzelleistungsnachweise erforderlich ƒƒ für die Durchführung ärztlicher Anordnungen im Rahmen der Behandlungspflege sowie ƒƒ für die Durchführung des Positionswechsels im Lagerungs- und Bewegungsprotokoll bei vorliegendem Dekubitus Risiko. Eine individuelle oder anlassbezogene Evaluation von Maßnahmen wird erforderlich wenn: ƒƒ im Berichteblatt Abweichungen vom Maßnahmenplan dokumentiert sind ƒƒ Veränderungen zu der vorliegenden Risikoeinschätzung beobachtet wurden und ƒƒ bei akuten Situationen oder besonderen Ereignissen. Darüber hinaus sind für die Evaluation in der Kurzzeitpflege keine weiteren Regelungen notwendig, es sei denn, es handelt sich um eine Einrichtung die auf bestimmte Zielgruppen ausgerichtet sind. Von besonderer Relevanz in der Kurzzeitpflege ist, dass das Strukturmodell die Nutzung des Berichteblatts grundsätzlich für alle an der Pflege, Betreuung Beteiligten vorsieht. Dies betrifft insbesondere auch: ƒƒ Informationen zum Therapieverlauf oder Wahrnehmungen zur Person durch externe Therapeuten, ƒƒ bei Bedarf Ergebnisse von Beratungen mit der pflegebedürftigen Person und ihren Angehörigen sowie ƒƒ Erkenntnisse aus Fallbesprechungen und Übergaben oder zum Wohlbefinden kognitiv eingeschränkter Menschen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Das Berichteblatt ist damit die zentrale Plattform zur Sicherstellung von Informationen für alle, die an der Pflege und Betreuung beteiligt sind und dient der raschen Orientierung zur tagesaktuellen Situation der pflegebedürftigen Person (Steuerung Pflegeprozess). Für die oben erwähnte Maßnahmenplan Varianten wurden auch entsprechende Berichteblatt Varianten entwickelt und erprobt. Diese finden sich ebenfalls im Anhang.

Vorgehen der Erstellung von SIS® und Maßnahmenplan in der KZP Zu möglichen Zeitintervallen für die Sammlung von Informationen zur individuellen Situationseinschätzung im Rahmen der SIS® werden die Varianten A und B zum Vorgehen in der Kurzzeitpflege empfohlen: VARIANTE A: Die SIS® und der daraus abzuleitende Maßnahmenplan werden innerhalb von 24 Stunden nach Aufnahme erstellt. VARIANTE B: Bei Personen ƒƒ in Krisensituationen z.B. nach akutstationärem Aufenthalt oder aus der Häuslichkeit, ƒƒ die aufgrund anderer krankheitsbedingter Umstände als sehr instabil einzuschätzen sind oder ƒƒ bei denen aufgrund einer kognitiven Einschränkung keine oder wenig Informationen zur Verfügung stehen wird folgendes gestuftes Vorgehen innerhalb eines Zeitintervalls von 7 Tagen vorgeschlagen: ƒƒ Bei Aufnahme werden mit der pflegebedürftigen Person bzw. den Angehörigen oder dem Betreuer so viele pflege- und betreuungsrelevante Informationen wie möglich erhoben. Bei diesen pflegebedürftigen Personen, muss ggf. von einem erhöhten Risikopotential ausgegangen werden bis eine genauere Situationseinschätzung möglich ist. ƒƒ Anhand der vorliegenden Informationen erfolgt eine erste pflegefachliche Einschätzung in den Themenfeldern einschließlich der Risiken und Phänomene in der Risikomatrix. ƒƒ Auf der Grundlage dieser Situationseinschätzung wird ein erster, vorläufiger Maßnahmenplan erstellt. Das kann im Einzelfall bedeuten, dass die Anweisung erfolgt, zunächst in jeder Schicht entsprechende Beobachtungen im Be-

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4  Prinzipien und Umsetzung

richteblatt zu dokumentieren. In wieweit aufgrund tagesaktueller Ereignisse einzelne Maßnahmen sofort aktualisiert werden müssen, kann nur situationsbedingt entschieden werden. ƒƒ Abhängig von der Einschätzung in der Risikomatrix können für einzelne Maßnahmen individuell eng befristete Evaluationszeiträume festgelegt werden. ƒƒ Nach 7 Tagen erfolgt im Rahmen einer Fallbesprechung die abschließende Erstellung der SIS® und des Maßnahmenplans. Grundlage hierfür ist die Auswertung der in diesem Zeitraum im Berichteblatt erfolgten Einträge und – soweit möglich – die Einbeziehung aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten (ggf. auch Angehörige/Betreuer). ƒƒ Das Ergebnis kann sein, dass es ausreicht, ausschließlich den Maßnahmenplan anzupassen, da die fachliche Einschätzung zur pflegebedürftigen Person in der SIS® unverändert gilt (sog. „kleiner Evaluationskreis“). ƒƒ Betreffen dagegen die Ergebnisse der Abstimmung auch wesentliche, im Rahmen der Themenfelder dokumentierte Aspekte und entsprechende Einschätzungen in der Risikomatrix, wird die SIS® erneut unter Angabe des aktuellen Datums von der Pflegefachkraft ausgefüllt (sog. „großer Evaluationskreis“). Dies gilt dann auch für das Gespräch mit der pflegebedürftigen Person (Feld B). In der IT-gestützten Dokumentation wäre dies eine sogenannte neue Versionierung der SIS®, in der papiergestützten Dokumentation bedeutet dies die Erstellung eines neuen Dokuments. Zum Thema Evaluation zu Beginn eines Versorgungsauftrags und im Verlauf, Anlässe zur Evaluation und Erstellung der SIS® siehe auch Punkt 4.4. ab Seite 166.

Dokumentation von Informationen zur Entlassplanung Die rechtzeitige und strukturierte Planung der Entlassung stellt insbesondere für pflegebedürftige Personen, deren weiterer Verbleib nach der Kurzzeitpflege bei Aufnahme noch nicht geklärt ist, einen wichtigen Aufgabenbereich der Kurzzeitpflege dar. Aus diesem Grund wurde ein Formular zur Unterstützung der internen Entlassplanung als Bestandteil der Gästeakte entwickelt. Die Einführung dieses DIN A 3 Bogens sollte im Rahmen der internen Organisation beraten und erprobt werden und gilt als fester Bestandteil der Dokumentationsakte. Je nach Dokumentationssystem werden diese Angaben auch schon an anderer Stelle erfasst. Dann gilt es zu prüfen, in wie weit diese Bündelung eine sinnvolle Ergänzung darstellt oder Veränderungen in der bisherigen Dokumentationspraxis hierzu erfolgen sollen.

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Dieses Formular enthält alle im Zusammenhang mit der Entlassplanung wesentlichen Informationen und Aktivitäten: ƒƒ Kontaktdaten wichtiger Ansprechpartner ƒƒ Aktivitäten der Entlassplanung: z.B. Beratungen der pflegebedürftigen Person und seiner Angehörigen, angestrebte Folgeversorgung, Maßnahmen zur Vorbereitung der Folgeversorgung ƒƒ Entlassungsstatus: Wohin wurde die pflegebedürftige Person entlassen? Ein Muster für dieses Formular zur internen Dokumentation von Informationen zur Entlassplanung in der Kurzzeitpflege findet sich im Anhang.

Steuerung des Einführungsprozesses Mit Beginn der Umstellung auf das Strukturmodell ist ein größerer zeitlicher und organisatorischer Aufwand zu erwarten, bevor sich ein routinierter Umgang mit der schlanken Dokumentationspraxis entlang des Strukturmodells einschließlich der gewünschten Zeitersparnis tatsächlich einstellt. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass der Träger der Kurzzeitpflege das Strukturmodell in seinen Einrichtungen der stationären und/oder ambulanten Langzeitpflege bereits eingeführt hat. Allein schon aufgrund der oben dargestellten fachlichen Besonderheiten des an die Kurzzeitpflege angepassten Strukturmodells bedarf es in jedem Fall eines einrichtungsindividuellen Einführungskonzeptes (Projektplan, Steuerungs-/Projektgruppe usw.) sowie der systematischen Schulung aller Mitarbeiter(innen). Der Teil III unter Punkt 5 und 6 enthält umfangreiche allgemeine Hinweise und Erläuterungen zur Steuerung und Organisation der Einführung des Strukturmodells in Pflegeeinrichtungen, die auch für die Kurzzeitpflege gelten.

Zusammenfassung Teil II Die pflegebedürftige Person wird mit ihren Wünschen und Bedürfnissen, ihrem Hilfe- und Unterstützungsbedarf sowie ihren Fähigkeiten und Ressourcen sowohl zu Beginn des pflegerischen Auftrages als auch im weiteren Verlauf der Pflege und Betreuung in den Mittelpunkt gestellt. Dies entspricht einer Kernforderung der personzentrierten Pflege. Die Pflegefachkraft wird durch die Arbeit mit dem Strukturmodell (Pflegeprozess) insbesondere in der Anwendung der SIS® mit der Risikomatrix als Ersteinschätzung (Initialassessment) in ihrer Entscheidungsfindung gestärkt. Pflege und

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4  Prinzipien und Umsetzung

Betreuung werden durch den Pflegeprozess gesteuert und für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten nachvollziehbar. Der Pflegeprozess wird so mit einer überschaubaren Anzahl von Dokumenten entlang der vier Elemente des Strukturmodells darstellbar. Die Pflegedokumentation wird wieder zu einem Arbeits- und Kommunikationsinstrument aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten. Sie erfüllt damit wieder ihre ursprüngliche Aufgabe. Die Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells hat einen integrativen Charakter; sie stellt die ‚Fallperspektive‘ der pflegebedürftigen Person und nicht die Standardisierung einzelner Maßnahmen in den Vordergrund. Die zu dokumentierenden Inhalte sind demnach im Zusammenhang zu lesen und nicht als in Einzelteile zerlegte Beschreibung der durchgeführten Pflege und Betreuung (Fallbetrachtung). Mit dieser Neuausrichtung der Pflegedokumentation wird es somit auch möglich, eine personzentrierte Pflege nicht nur zu realisieren, sondern sie auch in der Dokumentation wiederzugeben und individuell den Verlauf zu reflektieren.

Literaturliste Bachem (2016): Weniger ist mehr, Dank Strukturmodell: rechtssicher effizient dokumentieren IN: Heilberufe Spezial Pflege im Recht, Springer Medizin, April 2016, Seite 25 – 28. Beikirch, Roes, Entzian (2014): Reset Pflegedokumentation IN: Altenheim, Vincentz, 53. Jg., Ausgabe 5, S. 16 – 21. Beikirch (2016): Das Strukturmodell – ein fachlich und juristisch belastbares Konzept der Pflegedokumentation und die Strategie zur Umsetzung im Rahmen der Entbürokratisierung der Pflege. IN: Rechtsdepesche für das Gesundheitswesen, G & S Verlag, Köln, 13. Jg., Juli/August 2016, S. 168-173 Beikirch et.al. (2016): Strukturmodell: Strategie umgesetzt - Ziele erreicht? IN: Altenheim, Vincentz, 55. Jg., Ausgabe 12, S. 16 – 20 Beikirch, Nolting (2015): Anforderungen an Doku-Systeme jetzt konkretisiert IN: Altenheim, Vincentz, 54. Jg., Ausgabe 11, S. 38 – 41. Beikirch, Nolting, Schulz (2016): Strategie Entbürokratisierung- Pflegedokumentation neu denken. IN: Heilberufe Spezial Pflege im Recht, Springer Medizin, April 2016, S. 16 – 19. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2006): Identifizierung von Entbürokratisierungspotenzialen in Einrichtungen der stationären Altenpflege in Deutschland; Abschlussbericht des Kompetenzteams im Auftrag des BMFSFJ: W. Göpfert-Divivier; U. Mybes; Prof. Dr. G. Igl, Beikirch E, Breloer-Simon G, Rink F, Roes M: Projekt  „Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“. Abschlussbericht. Berlin/Witten 2014. https://www.ein-step.de/fileadmin/content/documents/ Abschlussbericht_und_Anlagen__fin20140415_sicher.pdf (aufgerufen: Januar 2017) Drube (2016): Erfolg und Stolpersteine in der Praxis, Entbürokratisierung gelungen? IN: Heilberufe Spezial Pflege im Recht, Springer Medizin, April 2016, S. 29 – 31.

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Hausmann, Ernst, Seger (2015): Welche Auswirkungen hat das Strukturmodell  „Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation“ auf die Qualitätsprüfungen nach § 114 SGB XI IN: Gesundheits- und Sozialpolitik, Nomos, Baden-Baden, 69.Jg, Ausgabe 6, S. 40 – 51. Hindrichs, Triftshäuser, Schulz (2015): Vom Kopf auf die Füße IN: Altenpflege Dossier 04- Dokumentation, Vincentz, Ausgabe 04/2015, S. 14 – 21. Initiative Neue Qualität der Arbeit, inqa.de (2010): Entbürokratisierung in der Pflege – Handlungsleitfaden für die Pflegepraxis; Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Hg.) Roes (2014): Fachlich, übersichtlich, praxistauglich IN: Die Schwester Der Pfleger, Biblio med, 53. Jg, Ausgabe 7, S. 694 – 698. Roes (2015): Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA) zur Kompatibilität des Rahmenprüfkatalogs gem. § 14 WTG und dem Strukturmodell (unveröffentlicht) Stenzel, Tackenberg (2015): Vereinbarkeit von Projekterfordernissen und Fachlichkeit IN: Die Schwester Der Pfleger, Bibliomed, Melsungen, 54. Jg., Ausgabe 12, S. 60 – 62.

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4  Prinzipien und Umsetzung

Teil III Die Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

5. Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen FRIEDHELM RINK (ORGANISATIONSBERATER) UND MICHAEL WIPP (GESCHÄFTSFÜHRER UND LANGJÄHRIGE TÄTIGKEIT IM MANAGEMENT VON EINRICHTUNGEN IN DER PFLEGE) / In diesem Kapitel wird das Vorgehen zur Einführung des Strukturmodells ausschließlich aus Sicht des Trägers/der Geschäftsführung beschrieben. Die Entscheidung dafür stellt keinen Vorgang dar, der nebenbei erfolgen kann, sondern muss das Resultat einer sorgfältigen Analyse der aktuellen Dokumentationssystematik mit allen aus einer Umstellung verbundenen Faktoren sein. Dabei gilt es (anstehende) Veränderungen gesetzlicher/vertraglicher Bedingungen, welche die Pflege- und Betreuungsarbeit in den kommenden Jahren beeinflussen werden, ebenso mit im Blickfeld zu haben wie mögliche absehbare einrichtungsinterne Veränderungen. In der Regel geht die Initiative zu der Einführung des Strukturmodells von den Leitungskräften (Pflegedienstleitungen – Bereichsleitungen) aus, die durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, aus dem Kollegenkreis, Veranstaltungen etc. von dem Konzept erfahren haben. Sowohl für die stationären als auch die ambulanten Dienste gilt die letztlich gleiche Vorgehensweise bei der Umstellung der Pflegedokumentation. Zu Beginn ist es wichtig und erforderlich, die verantwortlichen Leitungskräfte und das Qualitätsmanagement in einem Meeting zu einer positiven Willensentscheidung zu führen.

5.1  Einrichtungsinterne Ausgangsbasis Die Pflegedokumentation hat – direkt und indirekt – eine über Jahre geübte Praxis beeinflusst, die sich in den Alltagshandlungen und den Denkprozessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter manifestiert hat. Mit der Dokumentation verbundene Kosten sind in den internen Budgets über Jahre als mehr oder weniger, aber in der Regel nicht wesentlich abweichende Größen fortgeschrieben, die regelmäßig diesbezüglich notwendigen Schulungen in den Fortbildungsetats eingeplant. Die Pflegedokumentation selbst wurde - unter Einbeziehung der Expertenstandards und heterogener Rückmeldungen von Aufsichtsbehörden und Qualitätsprüfungen - kontinuierlich  „weiterentwickelt“. Kurzum: es hat sich ein Prozess auf verschiedenen Ebenen etabliert über dessen Aufbruch mit allen daraus resultierenden

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Konsequenzen sich alle Beteiligten – zumindest aber erst einmal auf der Leistungsebene – im Klaren sein müssen. Zunächst ist es von entscheidender Bedeutung, dass sich die Geschäftsführung vor Einstieg in den innerbetrieblichen Entscheidungsprozess mit ihrem unmittelbaren Führungsteam ein Bild von der Thematik macht. Dazu gehören selbstverständlicherweise die Pflegedienstleitung, die Einrichtungsleitung, die Hauswirtschaftsleitung und alle anderen Leitungsfunktionen, die in diese Thematik involviert sind wie z. B. Sozialer Dienst etc. Jegliche Konsequenzen, welche aus der Entscheidung resultieren, werden letztlich der Geschäftsführung zugeschrieben – im positiven wie im negativen Sinne. Ist sie selbst nicht vom dem Vorgehen überzeugt, wird es deutlich schwerer das Vorhaben umzusetzen, selbst wenn diese das Projekt unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten mitträgt. Selbstzweifel an der Sache machen sich in der Umsetzung bemerkbar. Doch was sind die wesentlichen Fragen, die sich für die Geschäftsführung stellen, ohne diese in Prioritätenabfolge darzustellen? Alle anstehenden Veränderungen, welche letztlich aus der in Folge zu treffenden Entscheidung zur Einführung des Strukturmodells resultieren, finden nicht von heute auf morgen statt, binden aber personelle Ressourcen und je nach dem Umfang der Maßnahmen auch erhebliche finanzielle Mittel. Selbst wenn die wirtschaftliche Frage geklärt ist, darf die Akzeptanzfrage der Mitarbeiter nicht unterschätzt werden. Kontinuität, und sei es auch die überbordende Bürokratie im Rahmen der Pflegedokumentation der vergangenen Jahre, hat eine (Pseudo)-Sicherheit im Alltag vermittelt, deren Aufbrechen die Routine aus den Fugen wirft und im engen zeitlichen Korsett der Pflege vor diesem Hintergrund nicht unterschätzt werden darf. Nicht wenige Geschäftsführer Kolleginnen und Kollegen sagen sich, dass der gegenwärtige Aufwand, der mit der Pflegedokumentation betrieben wird, zwar erheblich ist, aber die Unsicherheit einer Umstellung derart viel Konfliktpotenzial birgt, dass sie es lieber nicht riskieren. Geradezu erleichternd wirkt es hier, wenn aus anderweitigen Beweggründen heraus ohnehin eine vollständige Umstellung der IT-Struktur im Unternehmen ansteht, die die Frage, ob die Veränderung eines praktizierten Dokumentations-Modells angegangen werden soll oder nicht, quasi nebenbei beantwortet.

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

5.2 Entscheidungsfindung durch die Geschäftsführung Bevor eine Entscheidung Pro oder Contra Strukturmodell getroffen werden kann, geht es darum zum einen die Prozessinhaber, also diejenigen welche mit dem System arbeiten mit in den Findungsprozess einzubeziehen. Gleichermaßen muss auch die Geschäftsführung auf Trägerebene analysieren, was diese Entscheidung für die Einrichtung oder das Unternehmen selbst in jeglicher Hinsicht für Auswirkungen hat. Diese Entscheidungsfindung erfolgt unter Einbeziehung des mittleren Managements. Die dabei diskutierten Prozesse können im späteren Verlauf mit die Grundlage für den Projektplan zur Einführung des Strukturmodells darstellen. Entscheidend ist dabei, dass alle Beteiligten für die folgende Entscheidungsfindung über den gleichen Wissensstand verfügen. Auch der Geschäftsführung muss klar sein, dass es sich um einen kompletten Paradigmenwechsel handelt, der vielfältige Auswirkungen auf die einrichtungsinternen organisatorischen Strukturen hat. Sind diese qualifiziert dargestellt, wird deutlich werden, dass am Ende dieses Prozesses nicht nur erheblich mehr Zeit für die Pflege und Betreuung zur Verfügung steht, sondern dass auch die Mitarbeiter zufriedener sind und das Ende einer  „angstgetriebenen Pflegedokumentation“ ansteht, deren Blickrichtung jetzt wieder den Focus auf den einzelnen Menschen richtet. Innerhalb des Strukturmodells existiert nur für die Strukturierte Informationssammlung eine Vorgabe im Sinne eines  „Musters“, die anderen Elemente sollen die Pflegeeinrichtungen nach ihren spezifischen Bedürfnissen selbst konzipieren. Die drei zentralen Charakteristika des Strukturmodells sind (siehe Teil II, Kap. 4): ƒƒ Die Entbürokratisierung ƒƒ Die Personenzentrierung ƒƒ Die Stärkung der Fachlichkeit Neben dem Sammeln von Pro und Contra geht es gleichermaßen um die daraus resultierenden unternehmerischen und betrieblichen Konsequenzen. Dazu wird in dieser Phase unbedingt geprüft werden müssen, ob in dem anvisierten Einführungszeitraum anderweitige Sachverhalte anstehen, die das Vorhaben positiv oder negativ beeinflussen könnten. Dabei geht es nicht nur um Umbau- oder interne Restrukturierungsmaßnahmen, sondern auch um massive organisatorische Auswirkungen, wie diese im Jahr 2017 mit der Umsetzung des PSG II stattgefunden (NBI,

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neue Kostenstruktur etc.). Damit ist keineswegs gemeint, dass das PSG II nur negative Auswirkungen hat. Mitnichten. Es geht aber darum, derlei Faktoren nicht aus den Augen zu verlieren. So können das auch gesetzliche oder vertragliche Veränderungen auf Landesebene sein, die zu erheblichen einrichtungsinternen Auswirkungen führen. Aus den Erfahrungen von bereits  „Umgestellten“ Einrichtungen und Diensten ist es sinnvoll bei gleichzeitig laufenden anderen umfangreichen Projekten die Umstellung der Pflegedokumentation zeitlich nach hinten zu schieben, um die personellen Ressourcen projektbezogen gezielt einzusetzen und die am jeweiligen Prozess Beteiligten nicht zu überfordern. Die Geschäftsführung muss sich darüber hinaus gemeinsam mit dem einrichtungsinternen Qualitätsmanagement im Klaren sein, dass die Dokumentation nicht ein Auffangbecken von Daten und Fakten zur Lieferung für interne Statistiken sein kann, sondern vorrangig den Fokus auf der individuellen Pflegeund Betreuungssituation des Bewohners hat. Ansonsten werden hier Prioritäten gesetzt, die dem Strukturmodell einer grundsätzlich entschlackten Pflegedokumentation zuwiderlaufen. Es muss von der Geschäftsführung formuliert werden, welche pflegerelevanten Kennzahlen sie oder das Qualitätsmanagement für erforderlich halten und in Folge muss geprüft werden, auf welchem Wege dies zu realisieren ist.

5.2.1  Wirtschaftliche Auswirkungen Seitens der Träger-/bzw. der Geschäftsführungsverantwortung handelt es sich zunächst einmal um eine wirtschaftliche Entscheidung. Würde diese negativ beschieden, erübrigen sich die weiteren Überlegungen. Zu prüfen ist: Welche Kosten fallen an? Dazu zählen die Kosten für die Software, Schulungsmaßnahmen der Mitarbeiter, aber auch möglicherweise begleitende Coaching Maßnahmen. Um die Frage der potenziellen Kosten zu ermitteln, muss vorab geklärt sein, welchen Umfang der Veränderungsprozess mit sich bringt. Das Strukturmodell kann manuell oder per EDV, im Dienstzimmer am PC oder via Tablet vor Ort beim Bewohner bearbeitet werden. Unterschieden werden müssen die Kosten für die Software und was möglicherweise unabhängig vom Strukturmodell als Hardware  „nice to have“, aber letztlich vielleicht doch sinnvoll unmittelbar zur Unterstützung der Arbeitsablauforganisation wäre. ƒƒ Bei der Einführung einer neuen Software, welche das Strukturmodell zwingend mit sich bringt, lassen sich die Kosten rein darauf bezogen relativ einfach ermitteln. Eine Rücksprache mit dem Anbieter muss prüfen, ob ggf. auch

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

Investitionen in die techn. Ausstattung erforderlich sind. In Bezug auf die EDVtechn. Voraussetzung an das Strukturmodell muss unbedingt auf die  „Anforderungsprofile für die Abb. des Strukturmodells in Dokumentationssystemen“ zurückgegriffen werden und dieser möglichst gleichermaßen als Vertragsbestandteil zugrunde gelegt werden, um im Bedarfsfall darauf zurückgreifen zu können. ƒƒ Schulungskosten Mitarbeiter, externe Begleitung etc. Der Aufwand, der zur Schulung des Strukturmodells erforderlich ist, bezieht sich zum einen auf die Anwendung des Strukturmodells selbst und zum anderen auf die Anwendung des jeweiligen Programmes. Vor dem Hintergrund dieser beiden Sachverhalte ist der Umfang an erforderlichen Schulungsstunden abzulesen. Dieser sollte eher großzügig als zu eng kalkuliert werden und in Abstimmung mit dem Softwareanbieter und dessen Erfahrungen abgestimmt werden. Externe Beratung wird immer Geld kosten, kann aber gleichermaßen mögliche Folgekosten wiederum einsparen, wenn möglicher Fehlerquellen, die an andere Stelle bereits  „erfolgreich“ stattgefunden haben, nicht zwingend wiederholt werden. ƒƒ Jegliche Form arbeitsorganisatorischer Veränderungen spielt sich zu großen Teilen in den Köpfen der Beteiligten ab und ist maßgeblich für den Erfolg des Projekts. Sparen an dieser Stelle ist gefährlich. Das Strukturmodell ist nicht einfach eine reduzierte Pflegedokumentation, sondern eine völlig andere Herangehensweise. ƒƒ Es gilt die Motivation und Bereitschaft zu fördern, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sich auf eine umfassende Veränderung der Dokumentationspraxis einlassen, die auch eine kritische Reflexion bisheriger Verfahrensabläufe und Vorgaben des Pflege- und Qualitätsmanagements erfordert. Für diesen Prozess kann die Hinzuziehung außenstehender Personen durchaus sinnvoll und sparen an dieser Stelle nicht zielführend sein. ƒƒ Gesamte Kostenkalkulation: diese umfasst die Kosten für das gesamte Projekt einschließlich einer Grobplanung, zu welchen Zeitabschnitten im Projektverlauf welche Kosten konkret anfallen. Dies stellt eine zwingende Voraussetzung dafür dar, zu jedem Zeitpunkt im Projektverlauf einen Abgleich vornehmen zu können und so die Gewissheit zu haben, dass hier keine Kosten aus dem Ruder laufen.

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WIRTSCHAFTLICHE AUSWIRKUNGEN Bereitstellung des erforderlichen Budgets unter Berücksichtigung von: für die Umstellung des Dokumentationssystems (Software; ggf. Hardƒƒ Kosten ware)

ƒƒ Schulungskosten zur Einführung des Strukturmodells ƒƒ Kosten durch die externe Begleitung Investitionen in die Neuordnung der Dokumentation amortisieren sich mittel- bis langfristig über höhere Mitarbeitermotivation und – Zufriedenheit.

5.2.2  Sächliche Auswirkungen Die Auswahl eines geeigneten EDV Anbieters zum Strukturmodell sollte unbenommen von anderen Gesichtspunkten wie der bisherigen Zusammenarbeit oder Empfehlungen auf Grundlage des  „Anforderungsprofils für die Abb. des Strukturmodells in Dokumentationssystemen“ erfolgen. Der einfachste Weg, das Anforderungsprofil zu nutzen besteht darin, sich von dem Hersteller Punkt für Punkt vorführen zu lassen, wie das jeweilige Thema in seinem Produkt gelöst ist – was u. U. explizite Nachfragen erforderlich macht. Hilfreich ist es auch, sich bei anderen Kunden, welche das Produkt schon anwenden, über die alltagspraktische Umsetzung zu informieren. Fast alle EDV Anbieter bilden die SIS® im Original ab: Deswegen ist dies hierbei weniger zu beachten. Anders sieht es jedoch bei der Maßnahmenplanung aus. Hier gibt es maximal unterschiedliche Angebote von der einfachen Anwendung, wie in den Anwenderschulungen besprochen, bis hin zu 10 unterschiedlich zu bedienenden Bildschirmoberflächen, woraus sich dann im Hintergrund ein Maßnahmenplan ergibt. Das entspricht nicht der Grundgedanken des Strukturmodells. In der Regel lohnt sich bei einem vorhandenem EDV Programm nicht der komplette Wechsel. Es geht eher darum als Kunde mit dem Hersteller die eigenen Vorstellungen über Anwendung und Darstellung der Maßnahmenplanung mit dem gebotenen Nachdruck zu verhandeln.

Schulungsbedarf der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Die Einführung des Strukturmodells hat – wie bereits beschrieben – vielfältige Auswirkungen auf Abläufe und Strukturen innerhalb der Pflegeeinrichtung. Die vorbereitende und begleitende Schulung der Mitarbeiter stellen zentrale Voraussetzungen für das Gelingen des Projektes dar. Sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der Implementierungsphase (siehe Schaubild) muss dies im Rahmen der gesamten

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

Jahres-Fortbildungsplanung vollumfänglich berücksichtigt werden. Schulungen anderer Art, welche nicht zwingend erforderlich sind, sollten zurückgestellt werden, um die Mitarbeiter damit nicht zu überfrachten und auch nicht den Erfolg des Projektes zu gefährden. Das jährlich geplante Fortbildungsbudget kann in die Schulungsplanung zum Strukturmodell mit einfließen. Somit muss die Einführung des Strukturmodells Bestandteil und gleichermaßen Schwerpunkt der Fortbildungsplanung in dem Einführungsjahr sein. Inhaltlicher Schwerpunkt der Schulungen sind: die Anwendung der SIS®, der Risikomatrix und des neuen Dokumentationsprinzips in Bezug auf das Berichteblatt. Die Schulungen beziehen die von dem Projektbüro Ein-STEP zur Verfügung stehenden Informations- und Schulungsunterlagen mit ein und werden soweit möglich von geschulten Multiplikatoren geleitet, die die Veranstaltungen durchführen. Vorsicht ist geboten vor denjenigen, die derlei Schulungen anbieten. Es muss unbedingt deren fachlicher Hintergrund geprüft werden. Gegebenenfalls unter Mithilfe geschulter Multiplikatoren.

SÄCHLICHE AUSWIRKUNGEN

ƒƒ Auswahl des EDV-Anbieters auf Grundlage des  „Anforderungsprofils“ innerhalb der Jahresfortbildungsplanung auf die Anwendung des ƒƒ Schwerpunktsetzung Strukturmodells ƒƒ Einbezug der Informations- und Schulungsunterlagen von Ein-STEP 5.2.3  Personelle Auswirkungen Parallel zu den Überlegungen in Bezug auf die wirtschaftlichen und sächlichen Dimensionen des Projektes gilt es in Bezug auf die personellen Auswirkungen zu prüfen, welche unternehmens- bzw. einrichtungsinternen Ressourcen zur Verfügung stehen. Gibt es Mitarbeiter, welche nicht nur die Erfahrung in der Thematik des Strukturmodells besitzen, sondern auch die Fähigkeit, diese Kenntnisse im Rahmen der Einführung an Dritte weiterzugeben? Welche zuverlässigen Mitarbeiter können als interne Multiplikatoren eingesetzt werden? Das Einsetzen einer verantwortlichen Person (Projektsteuerung) für den gesamten Umsetzungsprozess ist unabdingbar. Es ist nicht zwingend notwendig, dass diese Person aus dem Pflegebereich kommt; Kompetenzen hinsichtlich Projektplanung und dem kontinuierlichem Projekt Monitoring (u. a. Anpassung und Aktualisierung der Projektplanung) sind jedoch Voraussetzung.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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In der Steuerungsgruppe, welche von der benannten Person geführt wird, sind diejenigen Funktionen enthalten, die mit dem Prozess der Einführung des Strukturmodells, insbesondere der SIS® arbeiten und somit die Durchführung kontinuierlich begleiten. Die Steuerungsgruppe trifft u. a. die notwendigen Entscheidungen zum Vorgehen, die der schrittweisen Umstellung der Pflegedokumentationen, zur Organisation und Durchführung der Mitarbeiterschulungen und zum Verfahren der internen und externen Kommunikation des gesamten Prozesses. Es bedarf durch die Leitungskräfte einer konsequenten Unterstützung und Reflektion des Gesamtprozesses. Hierbei sind auch die geplanten und verfügbaren Zeitressourcen besonders zu achten, denn Unterstützung, Begleitung und Controlling erfordern einen nicht unerheblichen Zeitaufwand. Dies erfolgt auf der Grundlage eines festgelegten Zeit- und Organisationschema (Projektplan). Ebenso ist eine abgesprochene regelmäßige Berichterstattung seitens der Projektverantwortlichen an das Management erforderlich, um über den aktuellen Stand, die Fortschritte und eventuelle Hemmnisse zeitnah sprechen zu können. Zu bedenken ist auch, dass die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner in unverminderter Qualität weiterläuft. Zusätzliche Kosten für Schulungen durch externe Fachleute oder Kosten, die in Folge eines vermehrten Einsatzes von internen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehen, dürfen nicht unterschätzt werden und fließen in die Gesamtkostenkalkulation mit ein. Der Zeitbedarf, also die personelle Ressourcenbindung, hängt von vielerlei Faktoren ab und kann somit nicht pauschal beantwortet werden. Beispiele dafür sind Fragen nach der Art der Vorgehensweise: Wohnbereich für Wohnbereich mit vorangeschalteter Probephase im ersten Bereich zur Erfahrungssammlung und Ressourceneinschätzung oder das ganze Haus komplett. Diese beiden Extreme veranschaulichen, dass nur auf Grundlage dieser Entscheidung konkrete Aussagen zu den erforderlichen zeitlichen Ressourcen möglich sind. Die konkrete Herangehensweise ist einrichtungsindividuell zu realisieren. Wirkliche belastbare Vergleiche sind hier nicht möglich. Auf Grundlage der in diesem Kapitel beschriebenen Vielfalt der unterschiedlichen Herangehensweisen ist eine einrichtungsinterne Kostenplanung mit daraus folgender Budgetierung und ab Start der Implementierungsphase monatlichen Kostencontrolling notwendig.

PERSONELLE AUSWIRKUNGEN

ƒƒ Benennung einer verantwortlichen Person ƒƒ Zusammenstellung der Steuerungsgruppe ƒƒ Prüfen des Einbindens externer Multiplikatoren 214

5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

5.2.4  Organisatorische Auswirkungen Geplanter Einführungszeitraum und anderweitige Prozesse Im Rahmen der Entscheidungsfindung wird seitens der Geschäftsführung geprüft, welche anderen Prozesse innerhalb der Einrichtung aktuell anstehen. Dabei dreht es sich nicht  „nur“ um interne, sondern auch um externe Anforderungen durch gesetzliche und/oder vertragliche Änderungen, welche in der Umsetzung personelle und zeitliche Ressourcen binden. Die Umstellung auf das NBI zu Beginn des Jahres 2017, generell die Auswirkungen des PSG II auf die Einrichtungen sind Beispiele dafür, die ebenso zu bedenken sind wie unternehmensinterne Veränderungen. Diese allerdings nur insofern, als sie auch Einfluss auf diesen Prozess letztlich haben. Auch nicht jede externe Veränderung ist als störend zu betrachten, sondern kann sogar die Entscheidungsfindung positiv mit beeinflussen. Das NBI findet sich – bei aller Problematik in Bezug auf die Thematik des Strukturmodells – in diesem inhaltlich auch in den Themenfeldern wieder, während es im bisherigen überwiegend deutschlandweit unreflektiert eingesetzten AEDL-Modell sich nicht im Ansatz widerfindet. Für die Verantwortlichen im Unternehmen also eher ein Grund den Prozess jetzt zu beginnen, soweit das noch nicht geschehen ist. Alle anstehenden Prozesse – die geplante Einführung des Strukturmodells wie auch andere – werden in den Zeitplan zur Einführung integriert. Aus dieser Übersicht heraus, die am besten in Form eines Zeitstrahls erstellt wird, lässt sich jederzeit erkennen, ob der geplante Einführungszeitraum mit anderen Aktivitäten kollidiert oder dies möglicherweise Sachverhalte sind, die keinen (nennenswerten) Einfluss auf das Geschehen haben. Die mit dem NBI gewonnenen Ergebnisse können als Zusatzinformationen auch für die Planung eines individuellen Pflegeprozesses nützlich sein; sie können die Strukturierte Informationssammlung jedoch keinesfalls ersetzen.

Vorgehen – abgestuft oder ganze Einrichtung? Ganz entscheidend bei der Frage nach den personellen Auswirkungen und somit der diesbezüglichen Ressourcenbindung spielt die Frage nach der Entscheidung zu der Vorgehensweise der organisatorischen Einführung. Sollen Wohnbereich für Wohnbereich nacheinander geschult und in Folge die Einführung durchgeführt werden oder muss im Rahmen einer IT-Neueinführung die ganze Einrichtung auf einmal geschult werden?

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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stationär Jeder neue Heimeinzug In einem Wohnbereich/auf einer Station Ganze Einrichtung Pflegebedürftige Menschen mit stabiler Pflegesituation

ambulant Jede Neuaufnahme Pro Tour Alle Touren Pflegebedürftige Menschen mit stabiler Pflegesituation

Abb. 1: Strategische Entscheidung zur Einführung

Strukturmodell bei Neueröffnung von Einrichtungen Bei Neueröffnungen ist das wesentlich einfacher zu handhaben, weil Bewohner nach und nach einziehen und sich somit der Prozess der Einführung einer neuen Dokumentationsstruktur automatisch nach sich zieht. Entscheidend ist hier allerdings ebenso die Vorab-Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sofern diese mit der Systematik des Strukturmodells noch nicht vertraut sind und in Folge deren begleitende Unterstützung durch Strukturmodell- und Systemspezialisten.

Umstellung in bestehender Einrichtung In einer bestehenden Einrichtung kann Wohnbereich für Wohnbereich nach einem Zeitplan umgestellt werden. Das hat den Vorteil, dass auch intern die Anzahl der  „Multiplikatoren“ automatisch wächst und sich hausintern Erfahrung weiter transportieren lassen. Start mit den Neueinzügen- regelmäßige Reflektion der Ergebnisse (Probephase). Danach erfolgt die Entscheidung der Projektgruppe, ab wann ein gesamter Wohnbereich umgestellt wird. Hierzu steht ein Projektplan in den Schulungsunterlagen zur Verfügung, der als Excel Tool von jeder Einrichtung/ Dienst zu genutzt werden kann. Analog kann das Vorgehen bei den ambulanten Diensten gewählt werden, beginnend mit ein oder zwei Touren und regelmäßiger Reflektion der Erkenntnisse. Danach trifft die Steuerungsgruppe die Entscheidung wann und wie die einzelnen Touren auf das Strukturmodell umgestellt werden.

Umstellung der gesamten Einrichtung bei Änderung der EDV-Strukturen Steht eine komplette Änderung der im Unternehmen genutzten Pflegedokumentation an und wird somit die ganze Einrichtung zeitgleich umgestellt, muss EDV technisch parallel gefahren werden können. Das ist sehr schwierig bei einem Anbieterwechsel. Das bedeutet, dass neu einziehende Bewohnerinnen oder Bewohner mit einer kompletten Änderung ihrer Lebenssituation auf das Strukturmodell umgestellt werden und

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

die anderen Bewohnerinnen und Bewohner nach und nach, nach einem festen realistischen Zeitplan, der von dem Projektverantwortlichen kontinuierlich analysiert wird.

Strukturmodell vs. bisherige Organisationstrukturen Zielsetzung seitens der Geschäftsführung ist es auch, den Bewohnern durch die überbordende Pflegedokumentation der letzten 10 Jahre mit einem Wechsel auf das Strukturmodell nach einer Umstellungsphase mit erhöhtem Zeitbedarf wieder Pflegezeit zurückzugeben, welche über die Jahre in die Dokumentation und vor allem in deren Zusammenhang in weiterführende Dokumente geflossen ist. Eine der großen Sorgen von Teilnehmern des Probelaufs innerhalb der Anfangsphase des Strukturmodells war es, dass diese Zeit von den Kostenträgern an anderer Stelle wieder eingefordert wird und es somit im besten Fall zu einem Nullsummenspiel gekommen wäre. Hier hat immer wieder Staatssekretär Laumann darauf hingewiesen, dass das nicht der Fall sein wird. Und in der Tat – es ist nicht so gekommen; im Gegenteil, die Anhebung der Personalrichtwerte in etlichen Bundesländern zum Jahresbeginn 2017 fanden auch in Pflegesatzverhandlungen oder im Rahmen von Vereinbarungen nach § 92 c SGB XI ohne die Frage nach zeitlicher Effizienz durch das Strukturmodell statt. Sogar im PSG II ist beschrieben, dass Zeiteinsparungen in Folge der Einführung des Strukturmodells nicht zum Nachteil der Einrichtung gereichen dürfen. Vor dem Hintergrund eingangs zu diesem Kapitel angesprochener – über Jahre hinweg – eingefahrener Prozesse erhält die Projektgruppe den Auftrag, alle Dokumente aus dem einrichtungsinternen Qualitätsmanagement auf Übereinstimmung mit den Anforderungen aus dem Strukturmodell abzugleichen. Hier besteht die Aufgabe der Geschäftsführung darin, sich davon ein Bild zu machen, welche Dokumente bisher im Einsatz waren, was entfällt und welche Konsequenzen daraus möglicherweise für das Unternehmen resultieren können. Dabei geht es um die Organisationsverpflichtung der Geschäftsführung oder im ungünstigen Fall um ein Organisationsverschulden. Dabei wird die in Teil I, Kap. 3 beschriebene rechtliche Bewertung und die darin ebenfalls genannten Anpassungen der Anforderungen seitens des SGB XI an das Strukturmodell Berücksichtigung finden. Es empfiehlt sich zunächst, sämtliche Dokumente der bisherigen Pflegedokumentation im Hinblick auf ihre Praktikabilität und Nutzenstiftung zu überprüfen und die Dokumentation nach dem Strukturmodell anhand einiger Akten exemplarisch zu erproben.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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ORGANISATORISCHE AUSWIRKUNGEN I Die Verschlankung der Pflegedokumentation ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese beziehen sich auf die Überprüfung und ggf. Anpassungen: Verfahrensanleitungen, die die grundpflegerische Versorgung und Betreuung beƒƒ Von schreiben,

ƒƒ Eine Neubestimmung von Evaluationszeiträumen des internen Qualitätsmanagements, ƒƒ Von Instrumenten zur internen Qualitätssicherung, z. B. Pflegevisiten, ƒƒ Einer Anpassung des Einarbeitungskonzeptes von neuen Mitarbeitern. Auszug aus den Informations- und Schulungsunterlagen

Das alles setzt die Bereitschaft der Leitungsebene voraus, bestehende Verfahrensanweisungen (z. B. Expertenstandards etc.), Einarbeitungs- und Schulungskonzepte sowie Anforderungen an das bisherige Dokumentationssystem kritisch zu überprüfen. In den Einrichtungen und Diensten sind in aller Regel umfangreiche Qualitätshandbücher vorhanden: Deswegen ist für die genannte Überarbeitung ein nicht unerheblicher Zeitvorlauf vor der Einführung des Projektes einzuplanen. Ein fehlender sorgfältiger Abgleich zwischen den internen Qualitätsvorgaben und den Anforderungen des Strukturmodells rächt sich in Folge auftretender Widersprüchlichkeiten. Es geht also darum, ein eng abgestimmtes Vorgehen mit dem Pflege- und dem Qualitätsmanagement zur Überprüfung der Notwendigkeit der bisher routinemäßig eingesetzten Formblätter einschließlich aller wiederkehrender Assessments. Daraus muss ein Verfahren resultieren, welches zweifelsfrei belegt, welche zusätzlichen Dokumente im Zusammenhang mit dem Strukturmodell zum Einsatz kommen. Es darf keinesfalls passieren, dass ein Wechsel der Pflegedokumentation stattfindet und gleichermaßen alle bisherigen Dokumente, sowohl als unmittelbare Bestandteile der Dokumente, als auch aus dem Qualitätsmanagement unverändert und unreflektiert weitergeführt werden. Die Geschäftsführung lässt sich kontinuierlich berichten, welche diesbezüglichen Veränderungen konkret geplant sind. (Siehe dazu auch Teil IV, Kap. 9) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erleben die konkrete Anwendung des Strukturmodells in ihrem Praxisalltag teils auch als Abschied von bisherigen vielfältigem Einsatz unterschiedlichster Routineformblättern und Assessments. Sie erleben eine Neuausrichtung ihres pflegerischen Handelns hin zu einem bewohnerorientierten Ansatz, der diesen in den Mittelpunkt des Geschehens stellt. Insofern sieht sich die Geschäftsführung vor Beginn des Projektes damit konfrontiert, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, welche konkreten Veränderungen durch

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

die Umstellung letztlich zu erwarten sind. Damit wird auch der regelmäßige Abgleich zwischen Zielsetzung und Zielerreichung kontinuierlich möglich.

Kommunikation und Information externer Kooperationspartner Die Geschäftsführung veranlasst den Prozess, dass alle externen Kooperationspartner, welche von der Einführung des Strukturmodells direkt betroffen sind, darüber vorab informiert werden. Ein kurzes Standardschreiben für diejenigen, welche schwer persönlich erreichbar sind in Verbindung mit – soweit möglich persönlicher Information - hilft die Akzeptanz zu steigern. Diese Informationen beinhalten kurz und bündig warum diese Veränderungen mit welcher Zielsetzung und welcher Zeitplanung stattfinden. Insbesondere die Haus- und Fachärzte, die Heimaufsicht und der MDK gehören zum engeren Personenkreis, die unbedingt informiert werden sollten. Das hat auch etwas mit Respekt vor der Aufgabe des anderen zu tun und kann immer die Bitte um Unterstützung in dem Veränderungsprozess beinhalten. Intern gilt es neben der wichtigen Kick-off Veranstaltung für alle Mitarbeiter einen kontinuierlichen Informations- und Erfahrungsaustausch-Prozess durch die Steuerungsgruppe zu etablieren. Intern gilt es neben dem Heimbeirat, den Bewohner- und Angehörigen auch ehrenamtliche Mitarbeiter, Betreuer und therapeutische Fachberufe zu informieren. Es bietet sich an sozusagen als Kick-off Veranstaltung für die Angehörigen im Rahmen einer Angehörigen Veranstaltung einmal den gegenwärtigen Aufwand mit der Pflegedokumentation diesen darzustellen, um ein Verständnis für die Notwendigkeit – verbunden mit der Zielsetzung mehr Zeit für die eigentliche Pflege – und Betreuung zu haben – zu wecken und somit Verständnis und Unterstützung für den Prozess zu erhalten.

ORGANISATORISCHE AUSWIRKUNGEN II

ƒƒ Einführungszeitraum definieren/Abgleich mit zeitgleichen anderen Prozessen. der Umstellung festlegen (mit Probephase); dazu Einbindung externen Erfahrung geƒƒ Art schulter Ein-STEP Multiplikatoren. ƒƒ Veränderten Dokumenteneinsatz auf Auswirkungen analysieren. ƒƒ Etablierung kontinuierlicher Informations- und Erfahrungsaustausches. ƒƒ Information von Interessenpartnern.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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5.2.5  Rechtliche Auswirkungen (siehe auch Teil I, Kap. 3) Kaum ein Arbeitsbereich, wie der der Pflegedokumentation ist in den vergangenen 20 Jahren so sehr mit Mythen und unsinnigen Forderungen belegt worden. Jeder in der Pflege kennt den Spruch  „Was nicht dokumentiert ist, gilt als nicht umgesetzt“. In Teil I, Kap. 3 wird von juristischer Seite mit diesen Mythen aufgeräumt. Ein erstaunliches, aber vermutetes Ergebnis aus den Arbeitsgruppen der Juristen ist, dass das Verhältnis des jahrelang betriebenen Aufwandes zur potenziellen Absicherung in keinem auch nur annähernd realistischen Verhältnis zu der tatsächlichen Notwendigkeit der Nachweiserbringung gestanden hat. Gleichwohl nützt diese Erkenntnis der eigenen Einrichtung nichts, sollte ein derartiger Sachverhalt anstehen. Deswegen ist es gerade für die Geschäftsführung wichtig zu wissen, welche juristischen Hintergründe dem Strukturmodell zugrunde liegen. Und noch eines: die Juristen beschreiben unisono, dass das Strukturmodell bei korrekter Abwendung rechtlich sicherer ist, weil es übersichtlicher und klarer in seiner Aussagekraft ist. Die juristische Expertengruppe, die das Vorhaben von Anfang an begleitet, gibt zu grundsätzlichen Fragen der Pflegedokumentation auch anlassbezogen entsprechende Stellungnahmen ab und bezieht in einem eigenen Beitrag in diesem Fachbuch hierzu erneut aus je spezifischer Sicht klar Position Der MDK und die MDK-Gemeinschaft haben zusätzlich  „Ergänzende Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation“ (Version 3) für ihre Prüfteams erstellt und haben die konzeptionelle Entwicklung des Strukturmodells und die damit einhergehende veränderte Dokumentationspraxis konstruktiv begleitet

RECHTLICHE AUSWIRKUNGEN Verfügbarkeit und Kenntnis der:

ƒƒ Kasseler Erklärungen I und II Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Quaƒƒ Ergänzende litätsprüfungs-Richtlinien – QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation“ (Version 3)

ƒƒ Siehe insbesondere Teil I dieses Fachbuches, Kap. 3

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

5.3  Übergang in die Implementierungsphase Für eine reibungslose Einführung des Strukturmodells und die damit verbundenen Herausforderungen empfiehlt es sich, die Unterstützungsangebote durch das Projektbüro Ein-STEP und der Verbände im Rahmen des Einführungsprojektes zu nutzen. Dies sind im wesentlichen: ƒƒ Zugang zu den Informations- und Schulungsunterlagen sowie zur Steuerung des Prozesses auf betrieblicher Ebene und ein bundeseinheitliches Vorgehen, ƒƒ Austausch zur pflegefachlichen, juristischen und organisatorischen Fragestellungen, Reflexion und Anregung durch entsprechende Netzwerke sowie die Schulung und Begleitung durch die Multiplikatoren der Verbände. Mit dem Beginn der Implementierungsphase liegt der Geschäftsführung ein monatliches Kostencontrolling vor, aus dem diese jederzeit den Stand der bis zu diesem Zeitpunkt eingesetzten finanziellen Mittel vs. der gesamten budgetierten Kosten ablesen kann. Gleichzeitig ist aus dem Stand des Fortschreitens gem. Projektplan zu erkennen, ob alles im Zeitplan läuft oder ggf. Anpassungen erforderlich werden, welche jeweils mit der Geschäftsführung durch den Projektverantwortlichen und/oder die Steuerungsgruppe besprochen werden. Monatliche Besprechungen mit den Prozessinhabern, den Mitarbeitern geben ein Gefühl für deren Sichtweise zum Umsetzungsprozess. Rückmeldungen daraus müssen in die Steuerungsgruppe mit aufgenommen, deren Umsetzung der Geschäftsführung vorgelegt werden. Ist die Entscheidung getroffen, dass die Vorteile dem zu erwartenden Aufwand gegenüber überwiegen, geht es darum die erforderliche Schrittfolge konsequent anzugehen. Dem Sammeln möglicher konkreter to-dos folgt die Beschreibung der Umsetzung.

Zwischenfazit Für die Geschäftsführung ist es von entscheidender Bedeutung, dass neben der Effizienz des Arbeitens bei knappen Ressourcen und wirtschaftlichem Handeln die Bewohner eine qualifizierte Leistung erhalten. Dies ist nur möglich, wenn die arbeitsorganisatorischen Rahmenbedingungen so gestaltet sind, dass dies auch gewährleistet ist. Das Strukturmodell bietet diese Möglichkeit für den Bereich der Pflegedokumentation vor dem Hintergrund jahrelanger Diskussionen, um überbordende Bürokratie und diesbezüglicher Belastungen. Das bundesweit erste große

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Projektdauer Vorphase 1 Informationsphase Start/Beginn

2 Analysephase Geplanter Zeitraum:

Über Verbände, EDV Anbieter

Managementbewertung Welche Software? Sichtung des aktuellen Dokumentationssystems: Soll/Ist Abgleich Einbezug/Information BR

3 Entscheidungsfindung Geplanter Zeitraum: Klärung der Zielsetzung Prüfung der Rahmenbedingungen Prüfung der zur Verfügung stehenden Ressourcen

Einbezug Informations- und Schulungsunterlagen Projektbüro Ein-STEP (Version 1.2) Anforderungsprofil für die Abbildung des Struktur­ modells in Dokumentationssystemen (Version 1.4)

Entbürokratisierungsprojekt mit maßgeblicher Unterstützung durch die Politik sowie der Einrichtungs- und Kostenträger und aller Partner der Selbstverwaltung in der Pflege hat allen dazu verholfen, dass heute eine Möglichkeit besteht, die Pflegedokumentation gleichermaßen fachgerecht und dennoch mit einem Aufwand zu gestalten, der absolut in einem vertretbaren Verhältnis zu der gesamten Pflegeleistungszeit steht. Wenn es jetzt in vielen Einrichtungen an den Geschäftsführern scheitern sollte, weil diese sich oder der Einrichtung diesen Schritt nicht zutrauen, dann ist dies eine vertane Chance, die so nie wieder im Rahmen der Forderungen nach Entbürokratisierung in der Pflege bestehen wird und gegenüber den politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene eingefordert werden kann. Natürlich gibt es, wie auch in diesem Kapitel beschrieben, Gründe die den Zeitraum der Einführung mit beeinflussen. Diese dauern aber nicht ewig und müssen vorausschauend innerhalb der Projektplanung berücksichtigt werden. Es ist die Aufgabe der Geschäftsführung Unternehmen voranzubringen und nicht aus Angst vor Unsicherheiten im Zusammenhang mit neuen Projekten alles beim Alten zu belassen. Nur innovatives Handeln bringt auch die Pflegebranche vo-

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5.  Anforderung an das Management und an die Rahmenbedingungen

Umsetzungsphase 4 Vorbereitungsphase Geplanter Zeitraum: Projektverantwortliche/Steuerungsgruppe Erstellung Projektplan Abgleich Dokumente QM/Vorgaben im QM-Handbuch Berücksichtigung Schwerpunkt Fortbildungsplan Information - Prüfbehörden - Angehörige/Bewohner /Heimbeirat Kick-Off Veranstaltung Mitarbeiter-Schulungen

5 Implementierungsphase Geplanter Zeitraum: Kap. 6/Teil III Umsetzung/Einführung Reflexion/Evaluation Monatlich: - Kostencontrolling - Besprechung Steuerungsgruppe -> Anpassungsbedarf

6 Abschluss Regelbetrieb Arbeit nach Strukturmodell

Einbezug Informations- und Schulungsunterlagen Projektbüro Ein-STEP (Version 1.2)

ran. Veraltete Dokumentationsstrukturen weiterzuführen hilft niemand; es schadet aber definitiv denjenigen, um die es letztlich in der Pflege- und Betreuungsarbeit geht: den Bewohnern, weil diesen die ohnehin knappe Pflegezeit weiter unnötigerweise gekürzt wird. Die Mitarbeiter sind auf eine Geschäftsführung angewiesen, die über den Tellerrand hinausdenkt. Und auch wenn die Mitarbeiter die Umsetzung zunächst als Belastung in der Übergangsphase erleben, eine Vielzahl von Einrichtungen hat das Strukturmodell umgesetzt und können als eindeutige Beispiele dafür angegeben werden, dass das Vorhaben nicht nur gelingt, sondern vor allem ein Erfolg ist. Deswegen kann die Frage nicht sein ob überhaupt, sondern höchstens heute oder morgen?

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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6. Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement Hinführung ELISABETH BEIKIRCH, ELLEN FÄHRMANN, SABINE HINDRICHS, ELKE ERIKA RÖSEN, KERSTIN TRIFTSHÄUSER, SABRINA UMLANDT-KORSCH / Bei der Einführung des Strukturmodells geht es nicht um die Einführung eines neuen Formulars und die Reduzierung vielfältiger Dokumente im Sinne von  ‚Weniger‘. Es geht um eine grundlegende Neuausrichtung der bisherigen Dokumentationspraxis auf der Grundlage eines Konzepts, welches die pflegebedürftige Person selbst, ihre Wünsche und Bedürfnisse sowie ihre eigene Einschätzung zum Hilfe- und Unterstützungsbedarf in den Mittelpunkt stellt (personzentrierter Ansatz). Dies kann aber nur gelingen, indem gleichzeitig die Fachlichkeit der Pflegenden wieder an Bedeutung gewinnt und die Pflege und Betreuung dahingehend neu ausgerichtet wird. Durch die Verschlankung der Dokumentation und das Wiederentdecken der Pflegedokumentation als ein praxistaugliches Instrument zur Steuerung und Kommunikation, verschwindet auch der Belastungsfaktor  ‚Dokumentation‘ – oft verbunden mit Angst und Unsicherheit – aus dem beruflichen Alltag der Pflegenden und stärkt sie für die direkte Pflege und Betreuung. Das übergeordnete Ziel – die Reduzierung des Schreibaufwands – bleibt davon unbenommen. Ein gut abgestimmtes Vorgehen des Pflege- und Qualitätsmanagements stellt für die Einführung des Strukturmodells daher einen wichtigen Erfolgsfaktor dar und geht mit einem Umdenken bei allen Mitarbeitern und Führungskräften einher. Die vielen Veränderungen sind entsprechend durch das Qualitätsmanagement vorzubereiten und den Pflege(fach)kräften sollte während des Umstellungsprozesses ausreichend Unterstützung und Begleitung gegeben werden. Das interne Qualitätsmanagement gewinnt wieder sehr viel stärker an Bedeutung in seiner (ursprünglichen) Aufgabe, die vielfältige und verantwortungsvolle Arbeit in der Pflege und Betreuung flankierend durch Fallbesprechungen und einen fachlich kollegialen Dialog zu unterstützen, statt statische Kontrollmechanismen auszuüben. Um das Strukturmodell einzuführen, bedarf es einer grundsätzlichen Entscheidung aller Akteure und – eines ausdrücklichen Bekenntnisses auf der Leitungsebene zur gewünschten Umsetzung des Projektes (vgl. Teil III, Kap. 5). Die Einbeziehung des mittleren Managements ist hierbei unbedingt erforderlich: Pfle-

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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gedienst-, Wohnbereichs- oder Tourenleitung sowie die verantwortlichen Mitarbeiter im Sozialdienst oder je nach Ausrichtung der Pflegeeinrichtung auch andere relevante Akteure. Während der Umsetzungsphase bedarf es auf vielfältigste Art und Weise der Stärkung des Vertrauens der Mitarbeiter in den neuen Umgang mit der Dokumentation. Anfänglich gut investierte Zeit für individuelle Anleitung der Pflegefachkräfte, Reflexion der Dokumentationspraxis im Team sowie des Umstellungsprozesses stärken das Vertrauen der Mitarbeiter und lassen das Projekt erfolgreich verlaufen. Bevor konkret die Einführung der neuen Dokumentation beginnen kann, bedarf es daher einer wichtigen Phase der Vorbereitung und ganz praktischer Entscheidungen zur Steuerung des Projektes:

6.1 Einsetzung einer Steuerungsgruppe und einer  ‚projektverantwortlichen Person‘, Erstellung eines Projektplans Die Einführung des Strukturmodells ist nicht neben den regulären Aufgaben des Pflegealltags zu leisten, wie bereits im vorangegangenen Kapitel umfassend dargestellt. Es hat sich bewährt für die Aufgaben der zentralen Steuerung eine Steuerungsgruppe einzurichten und eine projektverantwortliche Person von der Geschäfts- oder Einrichtungsleitung (je nach Organisation unterschiedlich) zu benennen. In dieser Gruppe wirken je nach Größe der Einrichtung oder des Unternehmens Mitarbeiter mit, die Verantwortung für die Pflege und Betreuung tragen und Entscheidungen im Rahmen des Einführungsprojekts treffen können, da hier das veränderte Vorgehen für die Dokumentationspraxis festgelegt wird. Dies wird in der Regel die Pflegedienst- oder Wohnbereichsleitung bzw. die Tourenleitung im ambulanten Pflegedienst sein. Als positiv für den Prozess hat sich aber auch die Einbindung von ein oder zwei motivierten Pflegefachkräften mit sozialen Kompetenzen und einer grundsätzlichen Begeisterungsfähigkeit herausgestellt. Die Teilnahme der verantwortlichen Person des Qualitätsmanagements ist unabdingbar, da diesem Bereich – in Abstimmung mit dem Pflegemanagement – ein großer Teil der Anpassungen des QM-Handbuches obliegt. Die Wahl der projektverantwortlichen Person für die Steuerungsgruppe kann, muss aber nicht zwingend eine Person aus dem Leitungsbereich sein. Manche Pflegeeinrichtungen haben in die Steuerungsgruppe gleich den kooperierenden

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

Externe Partner • Pflegekassen • MDK/PKV • Heimaufsichtsbehörden • Andere Gesundheitsfachberufe • Ausbildungsstätten

Träger/Geschäftsführung Leitung der Einrichtung

Steuerungsgruppe Leitung: Projektverantwortliche Person der Einrichtung Pflege- und Qualitätsmanagemen

Leitung: • Betreuung • Pflege • Soziale Arbeit • Hauswirtschaft • und alle beteiligten Mitarbeiter

Interessenpartner • Heimbeirat • Angehörige • Betriebsrat/Mitarbeitervertretung • Ehrenamtliche

Abb. 1: Funktion und Kommunikationswege der Steuerungsgruppe

Bildungsträger eingebunden und ihm die Projektverantwortung übertragen (vgl. Teil V, Kap. 10). In jedem Fall sollte die ausgewählte Person konsequent mit entsprechenden Befugnissen zur Steuerung für den Zeitraum des Projektverlaufs ausgestattet sein. Je nach Größe des Unternehmens ist hier auch eine Freistellung für einen befristeten Zeitraum in Erwägung zu ziehen, da diese Aufgabe sich nicht neben dem Tagesgeschäft wird erledigen lassen.

Festlegung von Aufgaben und Zeitrahmen in einem Projektplan Grundsätzlich ist es sinnvoll, die gesamte Steuerungsgruppe und nicht nur eine einzelne Person an einer zweitägigen Schulung zum Strukturmodell teilnehmen zu lassen. Diese gemeinsame Schulung ist wichtig, weil meist erst in diesem Zusammenhang das entsprechende Verständnis für die einzuleitenden einrichtungsbezogenen Veränderungen und internen Schritte zur Vorbereitung sowie die Umstellung der Pflegedokumentation erwächst. Damit könnte die Vorbereitung der Projektgruppe gut starten. Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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HINWEIS In den einzelnen Verbänden sind zahlreiche Multiplikatoren tätig, die für die Schulung und Begleitung bei der Einführung des Strukturmodells geschult sind und es werden entsprechende Angebote für Verbandsmitglieder gemacht.

Welche Schritte für die Einführung des Strukturmodells notwendig sind, in welcher Reihenfolge die Umsetzung erfolgen soll und welche Aufgaben zu erledigen sind, wird von der Steuerungsgruppe geplant, und mit der Einrichtungsleitung abgestimmt. Zu den jeweiligen Abschnitten im Projektverlauf, den anstehenden Aufgaben sowie Verantwortlichkeiten bietet der einrichtungsinterne Projektplan eine gute zeitliche und inhaltlich strukturierte Übersicht (vgl. Informations- und Schulungsunterlagen des Projektbüros Ein-STEP, Anlage 10 exemplarischer Projektplan). In der Regel werden folgende Themen konkretisiert: ƒƒ Dauer der Implementierung und Zeitrahmen für einzelne Schritte im Vorgehen (Vorbereitung/Beginn, Abfolge der Umstellung der Dokumentation/ Anpassung von Regelungen und QM Handbuch), ƒƒ Information und ggf. Beteiligung der Mitarbeitervertretung/des Betriebsrates und des Heimbeirats, ƒƒ Zeitschiene und Umfang der Schulungen für Mitarbeiter der verschiedenen Bereiche (unterschiedliche Gruppen von Pflegenden/Hauswirtschaft/Sozialdienst), ƒƒ Festlegung eines Probelaufs in einem Wohnbereich/einer Tour, ƒƒ Vorgehensweise und Steuerung der Umstellung der Pflegedokumentation von  ‚Bestandskunden‘, ƒƒ Personelle und zeitliche Ressourcen für die Begleitung der Mitarbeiter während der Einführung und zur Reflexion, ƒƒ Interne und externe Informationsveranstaltungen zu Beginn und zum Abschluss des Projektes.

HINWEIS Während der Umstellungsphase kann es aufgrund von aktuellen Geschehnissen zu Verzögerungen in der geplanten Umsetzung kommen und eine Anpassung des Projektplans erforderlich werden. Eine Information darüber an alle Mitarbeiter und Bereiche der Einrichtung unterstützt die Akzeptanz der Verzögerung. Die Multiplikatoren der Verbände können ggf. bei auftretenden Hürden oder Schwierigkeiten in der weiteren Projektplanung hilfreiche Unterstützung bieten.

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

6.1.1 Zusammenstellung der neuen Pflegdokumentation, Abgleich bisheriger Dokumente und Vorgaben im Qualitätsmanagementhandbuch Ist die Erstellung des Projektplans abgeschlossen, besteht die vordringlichste Aufgabe der Steuerungsgruppe darin, einen ‚Soll- Ist-Abgleich‘ der bisherigen Pflegedokumentation mit der neu zu erstellenden Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells durchzuführen. Es empfiehlt sich dringend, diese zunächst in einer papiergestützten Version zu erstellen (vgl. Teil III, 6). Die Pflegedokumentation wird nun wie folgt neu zusammengestellt: ƒƒ die entsprechende, von Ein-STEP zur Verfügung gestellte Variante der Strukturierten Informationssammlung wird ausgewählt, ƒƒ die Struktur des Maßnahmenplans wird entlang der Empfehlungen von EinSTEP einrichtungsindividuell gestaltet und die Struktur des Berichteblatts wird angelegt und entschieden, wo Evaluationsergebnisse dokumentiert werden.
 Zusätzlich wird festgelegt, welche weiteren Dokumente regulär oder im Bedarfsfall in der Pflegedokumentation zur Anwendung kommen (z. B. Dokumentation von behandlungspflegerischen Maßnahmen, Medikamentenbogen, Protokolle etc.). Dies setzt voraus, dass die bisher zusätzlich verwendeten Formulare für die Dokumentation (z. B. Checklisten, Assessments, Protokolle) einer kritischen Sichtung und Überprüfung in der Steuerungsgruppe unterzogen wurden. Dabei werden sie sowohl hinsichtlich ihrer Funktion und des notwendigen Verbleibs hinterfragt. Das ist mitunter nicht einfach, weil diese Dokumente oft mit viel Mühe und in langen Abstimmungsprozessen entstanden sind und es bedarf daher einer stringenten Moderation dieses Prozesses. Einmal getroffene Festlegungen zu Vorgehen und Verfahren der pflegerischen Praxis werden dabei gleichzeitig auf fachliche Aktualität, tatsächlichen Nutzen und ein einheitliches Vorgehen in der pflegerischen Praxis überprüft. Das veränderte Vorgehen des von fachlichen Entscheidungen geprägten Risikomanagements im Strukturmodell und die individuell ausgerichtete Evaluation sind im QM-Handbuch entsprechend anzupassen oder sogar neu zu regeln (vgl. Teil II, Kap. 4).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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6.1.2  Empfehlung: Durchführung eines Probelaufs Ist dieser Prozess abgeschlossen, empfiehlt sich ein Probelauf mit dieser ‚Musterdokumentation‘ und zwar bei einer Neuaufnahme oder dem Einzug einer pflegebedürftigen Person. Auch wenn in der Pflegeeinrichtung bereits elektronisch dokumentiert wird, sollte diese ‚Musterdokumentation‘ in Papierform erstellt werden und für die Schulungen später zu Demonstrationszwecken zur Verfügung stehen. Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter einen optischen Eindruck von dem Umfang und der inhaltlichen Ausrichtung der neuen Pflegedokumentation nach dem Strukturmodell bekommen. Insbesondere dann, wenn sie sich im Alltag mit der Darstellung und Ausführung am Bildschirm auseinandersetzen müssen. Erst wenn nach dem Probelauf eine klare Vorstellung zur Ausgestaltung der Pflegdokumentation gemäß Strukturmodell besteht, wird der EDV Hersteller hinzugezogen, um die Erwartungen an die technische Umsetzung zu besprechen. Viele Hersteller von EDV Systemen haben inzwischen ein Angebot für die Dokumentation zum Strukturmodell, welches es nun aber auf die spezifischen Bedürfnisse und klaren Vorstellungen der Pflegeeinrichtung abzustimmen gilt. HINWEIS: Das Konzept des Strukturmodells kann nicht mit der bisherigen Pflegdokumentation vermischt werden. Die alleinige Einfügung der SIS® in ein bestehendes Pflegedokumentationssystem und der Beibehalt aller bisherigen Dokumente und Regelungen führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis der Entbürokratisierung und würde die aufeinander abgestimmten Zusammenhänge der vier Elemente des Strukturmodells völlig konterkarieren.

6.1.3 Konzeptionelle Grundlagen der Pflegeeinrichtung anpassen Das Konzept des Strukturmodells ist in der personzentrierten Pflege begründet. Die pflegebedürftige Person mit ihren Fähigkeiten und Beeinträchtigungen und dem daraus abgeleiteten individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf in der Pflege und Betreuung wird in den Mittelpunkt fachlichen Handelns gestellt. Es erfolgt ein Verständigungsprozess (Selbsbestimmung) zur Versorgung, welcher Eingang in die Dokumentation findet. Die Steuerungsgruppe überlegt, ob es in der Einrichtung bereits ein Verständnis zum personzentrierten Ansatz gibt und wie dieser zukünftig gelebt werden soll.

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

Insofern sind die bisherigen konzeptionellen einrichtungsinternen Grundlagen in der Pflege und Betreuung, des Sozialdienstes und ggf. auch der Hauswirtschaft (z. B. beim Hausgemeinschaftskonzept) daraufhin zu überprüfen. Überall da, wo in einrichtungsinternen Konzepten, Regelungen, Standards etc. Bezug auf ein bestimmtes Pflegekonzept genommen wird, ist zu reflektieren, ob die Inhalte tatsächlich gelebt werden oder eine Anpassung im Rahmen der Einführung des Strukturmodells sinnvoll ist. Auf dieser Grundlage wird die bisherige Konzeption in der Pflege- und Betreuung ggf. neu ausgerichtet. Dies betrifft zum Beispiel: ƒƒ das Leitbild des Trägers/der Einrichtung, ƒƒ das Pflege- und Betreuungskonzept sowie die Zusammenarbeit mit dem sozialen Dienst, ƒƒ das Konzept der Hauswirtschaft (Unterkunft und Verpflegung, Hygienekonzept etc.), ƒƒ die Kommunikationsstrukturen (Teamsitzungen, Übergaben,  „Morgenrunden“ etc.), ƒƒ Qualitätssicherungsmaßnahmen (z. B. Fallbesprechung und Pflegevisiten) ƒƒ das Einarbeitungskonzept für neue Mitarbeiter (ggf. auch Aushilfen/Zeitarbeitskräfte), ƒƒ die Ausrichtung der Stellen- und Funktionsbeschreibungen in der Pflege und Betreuung, ƒƒ Verfahrensregelungen zum Einzug eines Bewohners und zur Integrationsphase bzw. Aufnahme eines Klienten, ƒƒ Regelung zum Umgang mit der Pflegedokumentation, ƒƒ etc. Pflegekonzepte sind die Grundlage für ein gemeinsames Pflegeverständnis. Daraus abgeleitet ergeben sich Konsequenzen für die Gestaltung des Pflegealltags in der Einrichtung. Da dies mit einer ähnlichen Aufforderung auch für die Anpassung der künftigen Leistungsausgestaltung im Hinblick auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff einhergeht, können hier parallele Prozesse miteinander verbunden werden.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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6.1.4 Funktion von Verfahrensanleitungen (Leistungsbeschreibungen) Im Zusammenhang mit der Fokussierung auf Abweichungen im Berichteblatt (vgl. Teil II, Kap. 4.3) und dem Wegfall der Einzelleistungsnachweise im stationären Bereich ist ein besonderer Blick auf die Verfahrensanleitungen (Leistungsbeschreibungen) zu richten. Sie spielen eine wichtige Rolle im Rahmen des  ‚Immer-so-Beweises‘ (vgl. Teil I, Kap. 3) und sind zusätzlich bei der Erstellung eines Maßnahmenplans (vgl. Teil II, Kap. 4.2) von Bedeutung, wenn darauf Bezug genommen wird. Verfahrensanleitungen sind sinnvoll, um ein einrichtungsinternes Pflegeverständnis zu erzeugen und abzubilden. Sie sorgen dafür, dass diese fachlichen Grundsätze für alle Mitarbeitenden verbindlich sind und nicht noch einmal in der jeweiligen Pflegedokumentation wiederholt beschrieben werden müssen. Einheitliche Vorgaben zu Anzahl und inhaltlicher Ausprägung (Umfang) für Verfahrensanleitungen gibt es nicht. Nach bisherigen Erahrungen beläuft sich die Anzahl in einer Spannbreite von 15 bis 25. Verfahrensanleitungen dienen dem klaren Ziel, die Pflegenden von unnötigem Schreibaufwand zu entlasten. Sie haben ihre Bedeutung im Zusammenhang mit dem Wegfall von Einzelleistungsnachweisen und dem veränderten Umgang im Berichteblatt. Bei der Erstellung ist darauf zu achten, dass in den Verfahrensanleitungen nicht durch umfangreiche Regelungen im Detail, bürokratischer Aufwand von der Pflegedokumentation in das Qualitätshandbuch verlagert wird. Dies könnte z. B. durch die einrichtungsinterne Steuerungsgruppe im Rahmen des Umsetzungsprozesses sichergestellt werden. Das Pflege- und Qualitätsmanagement sichtet vorhandene Regelungen, Leitlinien, Standards (in der Praxis werden unterschiedliche Begriffe benutzt daher im Strukturmodell  „Verfahrensanleitungen“) zu Leistungen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischer Betreuungsmaßnahmen und prüft, ob in diesen das übliche Vorgehen der regelmäßig wiederkehrenden Abläufe in der Versorgung beschrieben ist. Sollten diese nicht mehr aktuell oder gar nicht vorhanden sein, ist das Qualitätsmanagement gefordert, diese jetzt zu erstellen. Sie sind nicht nur im Rahmen des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation sondern auch unter Aspekten der internen Qualitätssicherung und einheitlichen Leistungserbringung relevant. Die Kenntnisnahme der Verfahrensanleitungen sind im Rahmen der Einarbeitung neuer Mitarbeiter (oder Aushilfen und Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen) durch Handzeichen auf einem gesonderten Dokument zu bestätigen. Dies ist schriftlich vom QM zu regeln und stellt eine wichtige Voraussetzung für den ‚Immer So

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

Abb. 2: Verfahrensanleitungen als Teil der drei Säulen des  ,Immer-so-Beweises‘

Beweis‘ dar. In der folgenden Abb. wird der Zusammenhang zwischen Verfahrensanleitungen und notwendigen Vorgaben des QM für eine schlanke Pflegedokumentation dargestellt.

Bedeutung einrichtungsinterner Verfahrensanleitungen im Zusammenhang mit Fachzeitschriften und Fachbüchern Es wird grundsätzlich angeraten, eigene Verfahrensanleitungen zu erstellen oder ggf. Bestehende anzupassen und sie mit den Stellen- und Funktionsbeschreibungen in Bezug zu setzen. Sollte die Pflegeeinrichtung sich dafür entscheiden, lediglich Fachliteratur als Ersatz für Verfahrensanleitungen zu nutzen, so reicht der alleinige Verweis auf diese Fachliteratur keinesfalls aus, um den Anforderungen im Rahmen des  ,Immer-so-Beweises, zu entsprechen. In diesem Fall bedarf es einer Verfahrensanleitung in der mindestens Folgendes geregelt ist: genaue Quellenangabe der Fachliteratur mit exakter Seitenangabe auf der die Ausführungen zu der entsprechenden grundpflegerischen Thematik zu finden sind. Es muss immer die aktuellste Version der betreffenden Literatur zur Verfügung gestellt werden (Vorgabe zur Pflege auf dem

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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aktuellen Stand der Wissenschaft im SGB XI) und je nach Größe der Einrichtung eine entsprechende Anzahl an Exemplaren vorgehalten werden. Die Verpflichtung, die Mitarbeiter zu den Inhalten entlang dieser Literaturfundstellen zu schulen und den Nachweis hierüber zu erbringen bleibt bestehen. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Fachliteratur nicht unterscheidet, welche Leistung durch welche Qualifikationsstufe erbracht wird. Das zur  „Verfügung stellen“ von Fachliteratur zur Aktualisierung des Wissens der Mitarbeitenden ist unabhängig der obigen Ausführungen selbstverständlich begrüßenswert.

6.2  Kommunikation und Qualitätssicherung 6.2.1 Kommunikation Die neue Art und Weise der Dokumentation wird, wie beschrieben, Veränderungen in unterschiedlichen Bereichen der Einrichtung mit sich bringen. Daher ist es wichtig, alle Mitarbeiter der Einrichtung aber auch die externen Kooperationspartner über diese Entscheidung zu informieren. Den Entschluss der Geschäftsführung, das Strukturmodell zur Entbürokratisierung einzuführen, wird die Einrichtungsleitung den Vertragspartnern mitteilen (z. B. federführende Pflegekasse, Heimaufsicht, Medizinischer Dienst der Krankenkasse und Prüfdienst der PKV). Dies kann bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung erfolgen, oder erst im Rahmen eines konkreten Anlasses (Vertragsverhandlung, Qualitätsprüfungen, etc.). Die Pflegeeinrichtung könnte insbesondere der Heimaufsicht und/oder dem MDK der PKV ein Gespräch zum Informationsaustausch über die geplante Einführung des Strukturmodells anbieten. Der Umgang mit anstehenden Prüfungen während der Umstellungsphase könnte dabei besprochen und möglicher Skepsis der Mitarbeiter entgegengewirkt werden. Die Steuerungsgruppe übernimmt die Information der Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung und ihrer Kooperationspartner. Im gesamten Projektverlauf werden alle Beteiligten immer wieder über den aktuellen Stand der Implementierung informiert.

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

Träger Geschäftsführung Leitung der Einrichtung

Steuerungsgruppe

Pflege- und Qualitätsmanagement

Leitung: Projektverantwortliche Person der Einrichtung

Wohnbereichsleitung/Teamleitung aller Bereiche

Pflegefachkräfte Pflegehilfskräfte Praktikanten, Auszubildende Mitarbeiter aller Bereiche Abb. 3: Kommunikationsstrukturen im Rahmen des Projektmanagements

Kick-off-Veranstaltung Das Projekt wird am besten mit einer ‚Kick-off-Veranstaltung‘ gestartet, in der sowohl alle Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung (Pflege, Hauswirtschaft, Sozialdienst, Betreuungskräfte), Kunden oder Bewohner und ihre Angehörigen als auch Therapeuten und Kooperationspartner über die Einführung des Strukturmodells informiert werden. Diese Transparenz beugt möglichem Misstrauen und Ängsten gegenüber Neuerungen vor, motiviert alle Beteiligten und erhöht den Zusammenhalt. Die Geschäftsführung (bei größeren Einrichtungsverbünden auch der Träger selbst) erläutert die Entscheidung zur Neuausrichtung der Pflegedokumentation und die damit verbundenen Zielstellungen und Erwartungen an die Mitarbeiter. Sie präsentiert ggf. weitere im Vorfeld getroffene Entscheidungen zur Umsetzung des Projektes und die zur Verfügung gestellten personellen und zeitlichen Ressourcen. Alle Beteiligten werden ermutigt, diese Chance der Neuausrichtung von

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Pflege und Betreuung auf der Grundlage des Strukturmodells zu nutzen und sich aktiv einzubringen. Mit der Vorstellung der Steuerungsgruppe, der projektverantwortlichen Person, den Aufgaben und dem Zeitrahmen wird die Dimension des Projektes und die Auswirkung auf die künftige Dokumentationspraxis verdeutlicht. Bei dieser Gelegenheit empfiehlt es sich, auch die Ansprechpartner und Kontaktmöglichkeiten sowie einrichtungsinternen Unterstützungsangebote vorzustellen. Zur Förderung der Identifikation aller Mitarbeiter kann dem Projekt auch ein Name gegeben werden. Entweder war die Steuerungsgruppe bei der Namensgebung schon kreativ tätig und präsentiert diesen als Vorschlag oder die Mitarbeiter können sich mit eigenen Ideen einbringen. Da die Steuerungsgruppe in der Vorbereitung die Formulare der bisherigen Pflegedokumentation gesichtet und anhand des Strukturmodells neu zusammengestellt hat, hat es sich z. B. bewährt den Mitarbeitern an einer Moderationswand alle bisher verwendeten Formulare, Checklisten, Leistungsnachweise usw. zu präsentiert. Dann können diejenigen Dokumente„symbolisch“ entfernt werden, die mit der Neuausrichtung der Pflegedokumentation aus Sicht der Steuerungsgruppe nicht mehr erforderlich sind. An der Moderationswand wird dann ersichtlich, welche Formulare zukünftig wo und wie zur Anwendung kommen. Die entwickelte  „Musterdokumentation“ wird vorgestellt. Damit wird die Reduzierung des Dokumentationsaufwands deutlich sichtbar und anschaulich dargestellt. Es sollte aber ebenso offen darüber gesprochen werden, dass hierfür zunächst Schulung, Übung und Reflexion notwendig sind.

6.2.2  Interne Qualitätssicherung Durch die Einführung des Strukturmodells werden sich, wie oben bereits beschrieben, auch das Konzept und die Ausrichtung der internen Qualitätssicherung ändern. Mit dem Fokus auf die pflegebedürftige Person und einem veränderten Umgang mit der Pflegedokumentation sind die bisherigen Instrumente der internen Qualitätssicherung der neuen Vorgehensweise anzupassen. Die Steuerungsgruppe prüft die vorhandenen einrichtungsinternen Instrumente, z. B. Pflegevisite, Fallbesprechungen oder interne Audits. Es ist zu klären, wie der personzentrierte Ansatz in der Einrichtung gelebt und in der Dokumentation konsequent abgebildet werden kann. Es wird geprüft, ob es in Bezug auf die Erstellung der SIS® und eines Maßnahmenplans neuer interner Regelungen bedarf, insbesondere zum Einzug oder der Aufnahme einer pflegebedürftigen Person.

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

Das Instrument der Pflegevisite zur Unterstützung des Einführungsprozesses Veränderungen im Pflege- und Unterstützungsbedarf der pflegebedürftigen Person beeinflussen den Pflegeprozess und sind daher Gegenstand fortlaufender Evaluation (vgl.Teil II, Kap. 4.4 ). Eine Form der Evaluation des Pflegeprozesses stellt die Pflegevisite dar, die von der Pflegedienst- oder Wohnbereichsleitung, der Tourenleitung oder dem Qualitätsmanagement durchgeführt wird. Es steht im Rahmen der internen Qualitätssicherung nun nicht mehr so sehr die Kontrolle von Checklisten und die Durchsicht umfangreicher Pflegeplanungen im Vordergrund, sondern die Einschätzung aller an der Pflege und Betreuung Beteiligten zur Versorgung der pflegebedürftigen Person. Im Rahmen der Pflegevisite (oder einer Fallbesprechung) wird das Augenmerk darauf gerichtet sein, ob sich der personzentrierte Ansatz in den geplanten pflegeund betreuungsrelevanten Maßnahmen widerspiegelt und im Pflegealltag von den Mitarbeitern berücksichtigt wird oder ob die Notwendigkeit besteht, bisherige Abläufe zu verändern und mit der pflegebedürftigen Person (soweit dies möglich ist), den Angehörigen oder bevollmächtigten Personen die Versorgung neu zu gestalten. Ein zentrales Anliegen bei der Einführung des Strukturmodells ist die Stärkung der fachlichen Kompetenz der Pflegekräfte. Daher ist die Pflegevisite nicht nur ein Instrument der Qualitätssicherung in der Pflege und Betreuung, sondern eignet sich gerade im Rahmen der Umstellung der Pflegedokumentation einmal mehr als ein Instrument der Personalführung. (Spätestens) im Rahmen der Pflegevisite werden nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch eventuelle Wissenslücken oder sogar fachliche Defizite der Pflegenden sichtbar. Dies bezieht sich z. B. darauf, ob hinreichend Wissen über pflege- und betreuungsrelevante Themen und deren Wechselwirkungen (z. B. Zusammenhänge von Medikamenten und Stürzen /Schluckstörungen und Gewichtsabnahme) vorhanden sind, inwieweit mögliche Risiken und Phänomene auf der Grundlage aktueller fachlicher Erkenntnisse (z. B. Expertenstandards des DNQP) erkannt und entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden oder die Dokumentation des Pflegeprozesses fach- und sachgerechte Anwendung findet. Bei der Auswertung der Pflegevisite mit den Mitarbeitern kann die praktische Umsetzung des personzentrierten Ansatzes und die damit verbundene Umstellung der Dokumentation reflektiert werden. Daraus ergeben sich eventuell Schulungsbedarfe zur Stärkung der Pflegefachlichkeit, Kommunikationskompetenz oder der Dokumentationspraxis (z. B. Themen  „Wie formuliere ich Aussagen der pflege-

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bedürftigen Person im Originalton?“,  „Welche Informationen gehören in die Themenfelder der SIS®?“,  „Wie formuliere ich handlungsleitende Maßnahmen?“,  „Was ist wichtig und wird im Berichteblatt dokumentiert?) Um diesen Aspekten im Rahmen der laufenden Umstellung ganz praktisch gerecht zu werden, raten Pflegeeinrichtungen zu sog.  ‚Patenschaften‘/Mentoren zwischen erfahrenen und noch unsicheren Pflege(fach)kräften. Das Modell des ‚Vier Augen Prinzips‘ hat sich hier bewährt. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Angebot des zentralen Qualitätsmanagements, eine ausgefüllte SIS® und den zugehörigen Maßnahmenplan zur Überprüfung (und Freigabe) an eine zentrale Stelle im Unternehmen zu senden. All dies trägt dazu bei, Unsicherheiten bei der Anwendung der neuen Pflegedokumentation allmählich aufzulösen und das fachliche Wissen zu stärken.

Bedeutung der Kommunikation für die Pflege und das Instrument Fallbesprechungen Es wird berichtet, dass ein Effekt bei der Einführung des Strukturmodells die  „Wiederentdeckung der Bedeutung der Kommunikation“ als ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung von Informationen und zum fachlichen Austausch zu sein scheint. So gewinnen Dienst- oder Schichtübergaben, spontane oder geplante Fallbesprechungen, das kollegiale Gespräch zur Situationseinschätzung der pflegebedürftigen Personen wieder mehr an Bedeutung. Der Austausch zu fachlichen Themen rückt wieder in den Mittelpunkt des Pflegealltages. Das Konzept des Strukturmodells sieht die Nutzung einer gemeinsamen Dokumentation für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten vor. Fallbesprechungen im Sinne des Strukturmodells haben deshalb zum Prinzip, die bereichsübergreifende Kommunikation, z. B. zwischen den Mitarbeitern der Pflege und Betreuung (ggf. der Hauswirtschaft) und der sozialen Betreuung oder tourenübergreifend im ambulanten Pflegedienst zu fördern. Fallbesprechungen werden regelhaft zur Auswertung der Sammlung von Informationen zur pflegebedürftigen Person nach einer Aufnahme/Einzug zur endgültigen Erstellung des Maßnahmenplans (ggf. auch der SIS®) eingesetzt. Bei unklaren Versorgungsituationen oder unterschiedlichen Wahrnehmungen zur Situation einer pflegebedürftigen Person findet ein fachlicher Austausch statt, worin möglichst alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten einbezogen werden. Es wird über mögliche und notwendige Veränderungen im Ablauf der Versorgung oder pflegerische bzw. betreuende Maßnahmen diskutiert, die Perspektive der pflegebedürftigen Person mit einbezogen und abschließend das weitere Vorgehen festgelegt. Das Ergebnis wird knapp (z. B. auf einem standardisierten Bogen) protokol-

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

liert und ist als ergänzendes Dokument der Pflegedokumentation beizulegen. Im Berichteblatt wird der Verweis auf die Fallbesprechung vermerkt oder das Ergebis wird insgesamt hier notiert.

Interne Audits Als weiteres Instrument der internen Qualitätssicherung kann das  „interne Audit“ genutzt werden. Mitarbeiter des Qualitätsmanagements überprüfen einrichtungsinterne Vorgaben der Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft oder die sachgerechte Nutzung der Dokumentation gemäß interner Anweisung und gesetzlicher oder vertraglicher Vorgaben. Auch in diesem Rahmen ist eine Reflexion zu Regelungen, Standards, Verfahrensanleitungen und des neuen Umgangs mit der Pflegedokumentation möglich. Entscheidend ist, dass sich die Auditvorgaben an den Anforderungen des Strukturmodells ausrichten, um nicht zusätzlich neue bürokratische Anforderungen zu setzen.

6.3 Schulung und Anleitung der Mitarbeiter und der Einbezug von Auszubildenden Je nach Einrichtung legt das Pflege- und Qualitätsmanagement fest, wer künftig das Erstgespräch bzw. weitere Gespräche im Laufe des Pflegeprozesses mit der pflegebedürftigen Person (ggf. dem Angehörigen, Betreuer) unter Anwendung der Strukturierten Informationssammlung führen wird. Dabei sollten folgende Fragen durch die Steuerungsgruppe vorab geklärt werden: ƒƒ Wird das Aufnahme-/Einzugsgespräch von der Einrichtungsleitung, einer Pflegefachkraft oder einem Mitarbeiter der Verwaltung geführt? Oder führen die Mitarbeiter des Sozialen Dienstes bzw. der Betreuung das Gespräch? Einrichtungen lassen mitunter auch durch diesen Personenkreis erste Eindrücke und Informationen dokumentieren. ƒƒ Ist in der ambulanten Pflege die Person, die das Aufnahmegespräch entlang der SIS® zu Hause führt identisch mit derjenigen, die mit der Familie über die konkrete Vertragsgestaltung spricht? Wie werden die Informationen koordiniert, wenn das Aufnahmegespräch und das Gespräch zur Vertragsgestaltung von unterschiedlichen Mitarbeitern geführt werden? ƒƒ Gibt es im Pflegeteam Pflegefachkräfte, die persönliche, soziale, fachliche und methodische Kompetenzen haben und besonders geeignet sind, mit der pflegebedürftigen Person ins Gespräch zu gehen, um zunächst den veränderten Einstieg in den Pflegprozess mit der SIS® zu üben und Erfahrungen zu sammeln?

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ƒƒ Ist die einrichtungsinterne Praxisanleiterin aufgrund ihrer Qualifikation in der Lage, die Prinzipien der Dokumentation gemäß Strukturmodell nicht nur Auszubildenden zu vermitteln, sondern auch den Pflegenden? Hat sie grundsätzlich entsprechende zeitliche Ressourcen für die Aufgabe der Anleitung der Schüler? ƒƒ Sollen gleich zu Beginn des Projekts alle Pflegefachkräfte in der Anwendung der SIS® und der Erstellung des darauf aufbauenden Maßnahmenplans geschult werden oder zunächst nur ein Kernteam entsprechende Erfahrungen sammeln? Sind diese Fragen beantwortet, kann die Steuerungsgruppe unter anderem daraus den Umfang des Schulungsbedarfes der Mitarbeiter zum Strukturmodell und ein differenziertes Vorgehen der Information für weitere Beteiligte ableiten. Zur Planung der Schulung nimmt die Steuerungsgruppe Kontakt zum zuständigen Verband oder der damit verbundenen Bildungsstätte auf, um entsprechende Schulungstermine und Reflexionstreffen sowie Möglichkeiten des regionalen Austausches abzusprechen. Der Schulungsbedarf bezieht sich nicht nur auf die Pflegefachkräfte, sondern betrifft ebenso die Pflegehilfskräfte, Mitarbeiter der psychosozialen und der zusätzlichen Betreuung, Auszubildende, den Sozialdienst und ggf. auch Mitarbeiter der Hauswirtschaft.

Fort- und Weiterbildungsplanung im Rahmen des Einführungsprojektes Wie bereits oben erwähnt ist während des Umstellungsprozesses damit zu rechnen, dass fachliche Wissenslücken bei den Pflegenden sichtbar werden. Vielfach werden vor diesem Hintergrund Ängste vom Pflege- und Qualitätsmanagement geäußert, ob die Umstellung tatsächlich gelingen kann und die Einrichtung sich auf die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation einlassen sollte. Das zu Tage treten von Wissenslücken in der Umstellungsphase sollte aber als Chance gesehen werden, mit dem Strukturmodell auch eine tatsächliche Weiterentwicklung der Qualität der Pflege voranzubringen indem erforderlicher Schulungs- und Handlungsbedarf erkannt wird. Mit diesen Informationen ist entsprechend vorbehaltlos und sensibel umzugehen. Im persönlichen Gespräch müssen die Mitarbeiter Rückendeckung und Unterstützung erfahren, um der geforderten Fachlichkeit bei der Anwendung der Strukturierten Informationssammlung und der neuen Dokumentationspraxis entsprechen zu können. Das bedarf manchmal einiger Übungen oder des fachlichen Austausches mit den Kollegen in Team- und Fallbesprechungen. Ziel sollte es sein, die Mitarbei-

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

ter zu motivieren, den Pflegeprozess zu steuern, zu dokumentieren und fachliche Entscheidungen begründen zu können. Hierbei kann es bei den Pflegekräften durchaus zu vorrübergehenden Ängsten oder auch Ablehnung der neuen Dokumentationsform kommen, die offen angesprochen werden sollten. Bei einem guten Betriebsklima kann dies im Team gelöst werden und im Projektplan sollte dafür genügend Zeit vorgesehen sein. Die Pflegenden lernen oft erst wieder, sich selbst und ihrer Fachlichkeit zu vertrauen. Dies bedarf einer gewissen Zeitspanne. Angesichts der Herausforderungen, welche die Entbürokratisierung der Pflegedokumentation mit sich bringt, empfiehlt es sich, vorrübergehend die interne Fortund Weiterbildungsplanung auf die Unterstützung des Umstellungsprozesses zu konzentrieren und entsprechende Angebote zur Stärkung der Fachlichkeit regulär oder sogar zusätzlich einzuplanen. Dies gilt inzwischen als eine gesicherte Erkenntnis vieler Pflegeeinrichtungen, die den Umstellungsprozess bereits vollständig durchlaufen haben. Der Fort- und Weiterbildungsplan sowohl des laufenden als auch des kommenden Jahres ist entsprechend anzupassen und zu ergänzen. Hier einige typische Themen, die sich bisher für Schulungen abzeichnen: ƒƒ Gesprächsführung mit pflegebedürftigen Personen und Angehörigen, Kommunikationsmuster und Bedeutung des ‚Zuhörens‘, ƒƒ Ansatz der personzentrierten Pflege, der Haltung hierzu und Wirkung im beruflichen Alltag, ƒƒ Wahrnehmung und Beobachtung (Krankenbeobachtung) von Veränderungen bei der Versorgung der pflegebedürftigen Person, die Dokumentation der Beobachtungen und Reaktionen, ƒƒ aktuelles fachliches Wissen zu den Expertenstandards und praktische Umsetzung, ƒƒ Anwendung und Funktion der Risikomatrix in der SIS®, ƒƒ Formulierung von handlungsleitenden Maßnahmen, ƒƒ Umgang mit dem Berichteblatt und dem Fokus auf Abweichungen und tagesaktuellen Ereignissen, ƒƒ Steuerung des individuellen Pflegeprozesses und die Bedeutung der Evaluation. Finden in der Einrichtung zusätzlich zu Schulungen des Verbandes auch InhouseSchulungen durch freiberufliche Dozenten statt, muss vorab ein thematischer und inhaltlicher Abgleich erfolgen, um den Mitarbeitern im Rahmen von internen Schulungen einheitliche Aussagen zu vermitteln.

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Einbindung der Auszubildenden in die Implementierung Auch in die theoretische und praktische Ausbildung findet das Konzept des Strukturmodells zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation Eingang. (vgl. Teil IV, Kap. 9). Die Steuerungsgruppe sollte früh thematisieren, wie Auszubildende und die Praxisanleiter in den Einführungsprozess mit einbezogen werden können. Die Einrichtung ist gefordert, zeitnah und unabhängig davon, ob die theoretischen Grundlagen schon in der Altenpflegeschule oder im Fachseminar unterrichtet wurden, den Auszubildenden das Konzept des Strukturmodells und die praktische Anwendung in der Einrichtung zu vermitteln. Hier ist die Praxisanleitung mit ihren Kompetenzen gefragt. Auf das eventuelle Problem entsprechend fehlender zeitlicher Ressourcen zur Anleitung und unterschiedlicher Regelungen in den Ländern hierzu, sei an dieser Stelle hingewiesen. Ergänzend dazu kann die Übernahme von Patenschaften erfahrener Pflegefachkräfte für Auszubildende den Lerneffekt auf beiden Seiten beflügeln. Den Auszubildenden fehlt die Berufserfahrung besonders in der Einschätzung von pflegerelevanten Themen und der Risikoeinschätzung. Hier kann die Pflegefachkraft die Auszubildenden an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Andererseits ist das Wissen der Auszubildenden über aktuelle pflegewissenschaftliche Erkenntnisse eine gute Grundlage für den fachlichen Austausch. Diese ‚Win-win-Situation‘ geht für beide Seiten mit einer Anerkennung und Wertschätzung der jeweiligen Kompetenzen einher und kann z. B. im Rahmen des Gespräches mit der pflegebedürftigen Person, der anschließenden Situations- und Risikoeinschätzung sowie der Dokumentation in der Strukturierten Informationssammlung eine Bereicherung und eine neue gegenseitige Erfahrung im Umgang miteinander sein. Darüber hinaus wird die Kontaktaufnahme z. B. durch die projektverantwortliche Person der Steuerungsgruppe zur Ausbildungsstätte empfohlen, um sich zu Ausbildungs- und Prüfinhalten sowie der praktischen Prüfung abzustimmen. Das Angebot für Lehrkräfte zur Hospitation in der Einrichtung unterstützt das Einführungsprojekt und fördert das beidseitige Verständnis zum Strukturmodell.

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

6.4. Umstellung der Pflegedokumentation auf das Strukturmodell 6.4.1  Strategische Entscheidung zum Vorgehen Die Steuerungsgruppe trifft in Absprache mit der Geschäftsführung die Entscheidung, wie die Einführung des Strukturmodells, und damit die systematische Umstellung der Pflegedokumentation, in der Einrichtung erfolgt. Mehrere Vorgehensweisen sind möglich: ƒƒ Einführung bei der Aufnahme von neuen Bewohnern/Patienten ƒƒ Dieses Vorgehen zeichnet sich dadurch aus, dass mit Aufnahme/Einzug der pflegebedürftigen Person die Pflegedokumentation von Anfang an entlang der neu zusammengestellten Musterdokumentation angelegt wird. Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass zunächst eine überschaubare Anzahl von Dokumentationen nach der neuen Struktur angelegt wird und die Steuerungsgruppe die Möglichkeit hat, die einzelnen Schritte der Umstellung zu unterstützen und den Prozess sowohl mit den Pflegefachkräften als auch dem Pflegeteam zu reflektieren. ƒƒ Würde die Einrichtung ausschließlich in dieser Art und Weise fortfahren, wäre der Umstellungszeitraum sehr lang. Alle Mitarbeiter müssten über einen enormen Zeitraum nach zwei ganz unterschiedlichen Systemen dokumentieren. Das wäre eine enorme Anforderung an die Mitarbeiter. Es ist daher empfehlenswert, das Vorgehen der Umstellung der Dokumentation nach einer gewissen Erprobungsphase auf andere Bereiche der Einrichtung/Touren auszuweiten. ƒƒ Einführung bei Bewohnern/Kunden mit stabiler Pflegesituation ƒƒ Eine weitere Möglichkeit besteht darin, zunächst die Umstellung der Pflegedokumentation bei pflegebedürftigen Personen mit einer stabilen Pflegesituation durchzuführen. ƒƒ Die Steuerungsgruppe wählt in Abstimmung mit Pflegefachkräften in Frage kommende pflegebedürftigen Personen aus. Es wird festgelegt, in welcher Reihenfolge (wohnbereichsbezogen, Zuordnung zu Bezugspflegekräften/Aufteilung auf die Touren o. ä.) die Umstellung der Pflegedokumentation der betreffenden Personen erfolgen soll. ƒƒ Bei kognitiv eingeschränkten pflegebedürftigen Personen wird ein Gespräch entweder kaum oder gar nicht möglich sein. Gemäß dem personzentrierten Ansatz werden sie dennoch zu ihrer Situation und ihren Wünschen gefragt.

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Das Wissen des Betreuers bzw. der Angehörigen zur Situation der pflegebedürftigen Person und die Erfahrungen der Pflege(fach)kräfte aus dem Versorgungsalltag fließen in die Einschätzungen entlang der Themenfelder der SIS® und den Verständigungsprozess mit ein. Maßnahmen werden entsprechend formuliert und die Pflegedokumentation neu ausgerichtet (vgl. Teil II, Kap. 4.1). ƒƒ Einführung in einem Wohnbereich/einer ambulanten Tour ƒƒ Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die Umstellung der Pflegedokumentation in einem Wohnbereich bzw. in einer ambulanten Tour zu beginnen und später auf weitere Versorgungseinheiten auszuweiten. Voraussetzungen dafür sind eine stabile Personalbesetzung, motivierte und geschulte Pflegefachkräfte sowie eine engmaschige Begleitung der Umstellung durch die Wohnbereichs-/Touren- oder Pflegedienstleitung. ƒƒ Unterstützung kann die Wohnbereichs- oder Pflegedienstleitung geben, indem sie erste Gespräche begleitet und im Anschluss werden diese gemeinsam reflektiert und ausgewertet. Mit den Erfahrungen aus der Umstellung der Pflegedokumentation in einem Wohnbereich oder einer Tour lassen sich nach und nach alle bestehenden Pflegedokumentationen in den anderen Wohnbereichen/Touren im Gespräch mit der pflegebedürftigen Person umstellen.

6.4.2  Zum weiteren Vorgehen Nach den ersten Erfahrungen mit der Umstellung können zeitnahe Anpassungen der einrichtungsinternen Verfahren (Einzug des Bewohners oder des Verfahrens der Integration des neuen Bewohners oder der Neuaufnahme eines Patienten im Pflegedienst) durch die Steuerungsgruppe vorgenommen werden. So wäre auch eine Anpassung der Struktur des Maßnahmenplans denkbar oder eine Ergänzung zum Umgang mit dem Berichteblatt (vgl. Teil II, Kap. 4). Zusätzlich sollten Entscheidungen zur Einbindung der Pflegehelfer, Mitarbeiter des sozialen Dienstes, der zusätzlichen Betreuungskräfte etc. in den Blick genommen werden. Hierbei sind die eingeschränkten Rechte dieser Mitarbeiter in der Nutzung der Pflegedokumentation zu bedenken. Für eine erfolgreiche Umstellung der Pflegedokumentation ist es wichtig, nicht nur mit einzelnen Pflegefachkräften den neuen Umgang zu reflektieren, sondern alle Mitarbeiter des Pflege- und Betreuungsteams einzubeziehen. In Dienst- oder Schichtübergaben sollte Zeit zur Verfügung zu stehen, um fachliche und organisatorische Fragen zeitnah miteinander zu klären. Die Steuerungsgruppe sollte dies

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6.  Anforderungen an das Pflege- und Qualitätsmanagement

gut im Blick haben und diejenigen, die hieran Freude und einen schnellen Zugang zu den Neuerungen haben ermuntern, den anderen durch Begleitung und Unterstützung zur Seite zu stehen.

Was ist grundsätzlich bei der Umstellung bereits vorhandener Dokumentationsakten zu beachten? Bei der Umstellung bereits vorhandener Pflegedokumentationen pflegebedürftiger Personen (‚Bestandskunden‘), die ja die größte Gruppe im Rahmen der Einführung darstellen werden, gelten im Grunde die gleichen Regeln wie bei einem Einzug oder einer Neuaufnahme. Mit jeder pflegebedürftigen Person wird der Pflegeprozess in einem Gespräch quasi ‚neu‘ begonnen. Dies führt mitunter zum Erstaunen bei Pflegefachkräften und stellt eine gewisse Herausforderung dar. Es ist zunächst ungewohnt eine möglichst objektive Position zum ‚Neustart des Pflegeprozesses‘ einzunehmen sowie die Wünsche der pflegebedürftigen Person, den Hilfe- und Unterstützungsbedarf entlang der Themenfelder in der SIS® sowie die bestehende Versorgungssituation zu reflektieren und unter dem Aspekt des personzentrierten Ansatzes neu zu erfassen. Dem Bewohner/Kunden werden im Gespräch, den Prinzipien der Strukturierten Informationssammlung folgend, auch die drei Einstiegsfragen aus dem Feld B gestellt: Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? Dies mag zunächst etwas fremd anmuten, der Effekt ist jedoch erstaunlich. Die Pflegefachkraft und die pflegebedürftige Person treten in einen anderen Dialog als bisher. Die Einstiegsfragen ermöglichen eine Reflexion zu bisherigen Abläufen der Pflege und Betreuung, zur persönlichen Situation der pflegebedürftigen Person, zu Aspekten der Selbstbestimmung und individuellen Wünschen. Sowohl die pflegebedürftige Person als auch die Pflegefachkraft stellen in der Regel am Ende des Gesprächs fest, dass trotz einer gewissen Vertrautheit im Umgang miteinander sich die gegenseitige Wahrnehmung zur Situation und im Umgang miteinander verändert hat und auf eine neue Grundlage gestellt wird. Der Effekt dieses Vorgehens bei der Umstellung bestehender Pflegedokumentationen ist also weitreichend und belegt eindrucksvoll, dass ein bloßes ‚Umschreiben‘ der Pflegedokumentation einer sachgerechten Einführung des Strukturmodells und der personzentrierten Pflege entgegen steht. Die Steuerungsgruppe muss diesen Aspekt in ihrer Projektplanung entsprechend verankern.

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Zwischenfazit Die Einführung des Strukturmodells in einer Einrichtung bedeutet also nicht die Pflegedokumentation umzuschreiben und ein ‚neues Formular‘ einzuführen. Die Dokumentation nach dem Strukturmodell erfordert einen grundlegenden Perspektivwechsel in der Sichtweise auf die pflegebedürftige Person. Eine umfassende Überprüfung und Neuausrichtung der Bestandteile der Dokumentation und weiterer interner Regelungen im Rahmen des Pflege- und Qualitätsmanagements sind erforderlich. Für eine erfolgreiche Umstellung der Pflegedokumentation, bedarf es einer guten Vorbereitung anhand eines Projektplans, der den Zeitrahmen für die Umstellung und die Aufgaben festlegt. Die Steuerung des Projektes durch eine Steuerungsgruppe, die Benennung einer projektverantwortlichen Person sowie die engmaschige Begleitung und Reflexion durch die Mitarbeiter des Pflege- und Qualitätsmanagements sind wesentliche Erfolgsfaktoren für das Eintreten der gewünschten Effekte zur Entbürokratisierung. Dem Pflege- und Qualitätsmanagement kommt unter Einbezug aller Beteiligten sowohl für die Einleitung des Perspektivwechsels als auch bei der Begleitung des Umstellungsprozess und der Anpassung interner Regelungen eine zentrale Bedeutung zu.

TEIL IV Weitere Aspekte, die eine nachhaltige Implementierung beeinflussen

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7 Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste Hinführung zur Thematik JÜRGEN BRÜGGEMANN, BERNHARD FLEER, THOMAS MUCK / Die Solidargemeinschaft der Versicherten funktioniert nur dann, wenn die medizinischen und pflegerischen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Zur Unterstützung dieser gesetzlichen Vorgaben nimmt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) verschiedene Aufgaben wahr. Im Einzelnen sind die Aufgaben des MDK in § 275 des fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) beschrieben. Hierbei ist zwischen der Funktion des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und der Medizinischen Dienste in den jeweiligen Ländern zu unterscheiden. Der MDS ist eine medizinische und pflegefachliche Expertenorganisation. Er berät die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung auf Bundesebene – insbesondere den GKV-Spitzenverband – in Versorgungs-, Leistungs-, Qualitäts- und Strukturfragen. Bei seinen Aufgaben wird der MDS von den Medizinischen Diensten unterstützt, die ihren Sachverstand z. B. in Expertengruppen und Kompetenz-Centren mit dem MDS zusammenführen. Als eine von sieben Sozialmedizinischen Expertengruppen (SEG) der MDK-Gemeinschaft besteht die ständige SEG 2 zum Thema  „Pflege/Hilfebedarf“. Hier werden auftretende pflegebezogene Fragen diskutiert und Vorschläge zur Lösung erarbeitet. Dies bezieht sich auch auf die Erfahrungen aus den Qualitätsprüfungen von Pflegeeinrichtungen, in denen das Strukturmodell umgesetzt wird.

Begutachtungen für die Pflegeversicherung Bei der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit zu Hause oder im Pflegeheim prüfen die Medizinischen Dienste das Vorliegen der Voraussetzungen für Leistungen der Pflegeversicherung. Darüber hinaus beraten die MDK die Pflegekassen in grundsätzlichen Fragen der pflegerischen Versorgung.

Pflegequalität sichern Pflegebedürftige brauchen aufgrund ihrer Krankheit oder Behinderung Schutz und Unterstützung. Auf die Qualität der Leistungen kommt es daher in der Pflege be-

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sonders an. Alle Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, die Qualität ihrer Leistungen zu fördern und zu sichern. Die Medizinischen Dienste prüfen im Auftrag der gesetzlichen Pflegekassen, ob die Pflegeeinrichtungen die vereinbarten Qualitätsstandards gemäß SGB XI einhalten. Dabei beraten die Medizinischen Dienste die Pflegeeinrichtungen mit dem Ziel, Qualitätsmängeln vorzubeugen sowie die Eigenverantwortung der Pflegeeinrichtungen und ihrer Träger für die Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität zu stärken. Im Rahmen dieser Prüfungen ist die Pflegedokumentation nur ein Aspekt, neben der Inaugenscheinnahme, der Befragung von Pflegebedürftigen und Pflegekräften.

Weitere Aufgaben der Medizinischen Dienste Ferner sind die Medizinischen Dienste an der Entwicklung von Rahmenverträgen über eine wirtschaftliche und wirksame pflegerische Versorgung beteiligt, sind Mitglied im Landespflegeausschuss zur Beratung über Fragen der Finanzierung und des Betriebs von Pflegeeinrichtungen. Sie wirken auf kommunaler Ebene in den Pflegekonferenzen mit und kooperieren als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft nach § 20 Heimgesetz mit der jeweiligen Heimaufsichtsbehörde der Länder. Im Folgenden wird auf die speziellen Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung und Bezüge zur Pflegedokumentation eingegangen.

Rolle der Pflegedokumentation im Gesamtkontext Die Pflegedokumentation ist eine wichtige Grundlage für eine professionelle Pflege, die sich zentral an den Wünschen und Bedürfnissen des zu pflegenden Menschen orientiert. Sie ist als ein Kommunikationsinstrument für alle an der Pflege und Betreuung Beteiligten unverzichtbar, um eine bedarfsgerechte und individuelle Pflege sicherzustellen. Die Pflegedokumentation liefert somit auch wichtige Informationen für die interne und externe Qualitätssicherung. Die Pflegedokumentation ist eine Arbeitshilfe für Pflegeeinrichtungen, mit der unter anderem sichergestellt werden soll, dass die individuell erforderlichen Maßnahmen in der gewünschten Art und Weise kontinuierlich durchgeführt werden. Diese Anforderung ist auch bei der Anwendung des Strukturmodells zu erfüllen. Mitarbeiter müssen in der Lage sein, auf der Grundlage des Maßnahmenplans und unter Berücksichtigung weiterer Hinweise, z. B. aus der SIS® oder dem Berichteblatt, die Pflege und Betreuung so durchführen zu können, wie es im konkreten Einzelfall individuell erforderlich ist. In den vergangenen Jahren konnte man in vielen Pflegeeinrichtungen eine deutliche Ausweitung des Umfangs der Pflegedokumentation beobachten. Als Haupt-

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7  Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

motiv wurde dabei immer wieder angegeben, bei den Qualitätsprüfungen der Pflegeeinrichtungen  „auf der sicheren Seite“ stehen zu wollen. Der daraus resultierende Umfang der Dokumentation ging jedoch zum Teil weit über das erforderliche Maß hinaus. Dies zeigte sich auch bei den Qualitätsprüfungen. Beispielhaft wurden individuell begründete Dokumentationsanforderungen pauschal ohne Überprüfung der pflegefachlichen Notwendigkeit auf alle betreuten Personen übertragen. In der Folge wurde von immer mehr Pflegekräften eine Entbürokratisierung der Pflege und damit mehr Zeit für die direkte Pflege gefordert. Die Prüfer der Medizinischen Dienste und des PKV-Prüfdienstes haben die Pflegeeinrichtungen in den letzten Jahren dahingehend beraten, die Pflegedokumentation auf das fachlich begründbare und gebotene Maß zu beschränken und z. B. auf Doppeldokumentationen zu verzichten. Eine immer wieder geäußerte Kritik an den Qualitätsprüfungen ist, dass diese einer überbordenden Bürokratie Vorschub leisten würden. Dieser Vorwurf mag zu Beginn der Einführung der Qualitätsprüfungen gegen Ende der 90er-Jahre, auch berechtigt gewesen sein. Die Medizinischen Dienste als Prüfinstitution hatten ein neues Aufgabenfeld zugewiesen bekommen, in dem sehr viele formale Struktur- und Prozessvorgaben für die Pflegeeinrichtungen relativ nachvollziehbar gesetzlich oder vertraglich fixiert waren, aber nur wenige konkrete Vorgaben für die personenbezogene Prozess- und Ergebnisqualität (Versorgungsqualität) festgelegt waren. Es lag nahe, sich als Prüfinstitution zunächst auf relativ leicht operationalisierbare Strukturvorgaben, wie z. B. die Pflegedokumentation, zu konzentrieren. Dagegen war es zunächst sehr schwer, die konkrete Versorgungsqualität im Rahmen von Qualitätsprüfungen in den Blick zu nehmen. Von diesem Ansatz sind die Medizinischen Dienste jedoch sukzessive abgerückt. Später kamen die Vorgaben vom Gesetzgeber zu Transparenz und Qualitätsberichterstattung, welche zu einer Verschränkung der Qualitätsprüfrichtlinien mit den Transparenzkriterien und der bekannten Notengebung geführt haben. Dies hatte direkte und indirekte Auswirkungen auf Art und Umfang der Pflegedokumentation. Heute steht eindeutig die Versorgungsqualität im Vordergrund der Qualitätsprüfungen. Neben der Inaugenscheinnahme der Pflegebedürftigen ist die Pflegedokumentation dabei weiterhin eine wichtige Nachweisebene. Leider fehlte aber bisher ein allgemein akzeptierter Konsens darüber, was konkret unter einer  „praxistauglichen, den Pflegeprozess unterstützenden und die Pflegequalität fördernden Pflegedokumentation, die über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht  „hinausgeht“ zu verstehen ist.

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Aus diesem Grund hatte der MDS im Jahr 2005 bereits eine Grundsatzstellungnahme zum Thema  „Pflegeprozess und Dokumentation“ veröffentlicht. Diese fand jedoch aufgrund ihres empfehlenden Charakters keine flächendeckende Umsetzung.

Beteiligung der Medizinischen Dienste an der konzertierten Aktion zur Entbürokratisierung der Pflege Vor diesem Hintergrund haben Pflegeexperten – darunter auch Vertreter der Medizinischen Dienste – in dem von der ehemaligen Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege geleiteten Projekt im BMG ein Konzept für eine effiziente und schlanke Dokumentation in Pflegeheimen und ambulanten Diensten entwickelt: das „  Strukturmodell zur Effizienzsteigerung in der Pflege“. Nach diesem Modell kann sowohl die Struktur als auch der Umfang der Pflegedokumentation verschlankt werden, wobei Maßnahmen der Behandlungspflege und des Risikomanagements weiterhin wie bisher dokumentiert werden müssen. Die Medizinischen Dienste haben das Projekt zur Entbürokratisierung von Anfang an unterstützend begleitet, denn auf Seiten der Prüfinstitutionen besteht ein hohes Interesse daran, ein allgemein akzeptiertes Niveau für eine qualitativ hochwertige, notwendige und fachlichen Standards genügende Pflegedokumentation festzulegen. Diese ist einerseits für die Qualität der Pflege erforderlich und soll andererseits von den Pflegepraktikern akzeptiert und auch umgesetzt werden. Mit dem Strukturmodell zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der Langzeitpflege gemäß SGB XI liegt nun ein solches Niveau vor. Es wurde damit eine gemeinsame Grundlage für die interne und externe Qualitätssicherung geschaffen. Bei korrekter Anwendung des Strukturmodells werden die fachlichen Anforderungen der Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) erfüllt. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass bei der Neuausrichtung der Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell und unter Einhaltung der Prinzipien über alle Elemente (SIS®, Maßnahmenplan, Berichteblatt, Evaluation), die Dokumentation an Übersichtlichkeit gewinnt, sodass Qualitätsprüfungen schneller ablaufen und der gewünschte fachliche Dialog auf Augenhöhe zu gelingen scheint.

Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodelles Die Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells erfordert eine grundlegende Neuausrichtung der Dokumentationspraxis. Es geht dabei nicht nur um das Einsparen von Zeit für die Dokumentation an sich; diese Form der Pflegedokumentation soll zudem eine personenorientierte Herangehensweise an die

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7  Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

Gestaltung des Pflegeprozesses unterstützen. Dabei wird die Perspektive pflegebedürftiger Menschen zum Ausgangspunkt einer fachlich orientierten Einschätzung der Pflege- und Betreuungssituation, an der sich das nachfolgende pflegerische Handeln ausrichten muss. Ein zentrales Element des Strukturmodells ist – neben Maßnahmenplanung, Berichteblatt und Evaluation – die sog. Strukturierte Informationssammlung. In der SIS® werden die wesentlichen, den gesamten Pflegeprozess leitenden, Informationen über die pflegebedürftige Person übersichtlich in sechs Themenfeldern erfasst. Zur wörtlichen Wiedergabe der Eigenwahrnehmung der pflegebedürftigen Person zu ihrem Hilfebedarf steht ein Extrafeld zur Verfügung. Die SIS® schließt mit einer ersten Einschätzung der wichtigsten Pflegerisiken mittels einer Matrix im Zusammenhang mit den Themenfeldern ab und stellt im Gesamtkontext der Systematik des Strukturmodells den  „Einstieg in einen Pflegeprozess“ dar. Im Sinne des Strukturmodelles müssen einzelne Leistungen nur dann dokumentiert werden, wenn sie von der individuellen grundpflegerischen Regelversorgung und Betreuung abweichen. Nach dem SGB XI und den Maßstäben und Grundsätzen zur Qualität nach § 113 SGB XI ist die Steuerung des Pflegeprozesses eine Aufgabe für Pflegefachkräfte. Dies gilt auch bei der Anwendung des Strukturmodells. Die Informationssammlung, Risikoeinschätzung, Maßnahmenplanung und Evaluation sind durch eine Pflegefachkraft durchzuführen. Wird dies nicht gewährleistet, so ist genau wie in anderen Pflegeeinrichtungen bei Qualitätsprüfungen die Frage 15.5  „Sind die Mitarbeiter entsprechend ihrer fachlichen Qualifikation eingesetzt worden?“ mit  „Nein“ zu beantworten.

Die Bedeutung des Beschlusses der Vertragspartner nach § 113 SGB XI im Juli 2014 Die Vertragspartner nach § 113 SGB XI haben in einem Beschluss festgestellt, dass die Kompatibilität der Ergebnisse des Projektes  „Praktische Anwendung des Strukturmodells Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“ mit den derzeit geltenden Maßstäben und Grundsätzen zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität nach § 113 SGB XI für den ambulanten und stationären Bereich, insbesondere bezüglich der Pflegedokumentation und der hieraus resultierenden Prüfanforderungen der Qualitätsprüfungs-Richtlinien nach § 114 SGB XI, gegeben ist. Deshalb spricht auch aus dieser Perspektive nichts gegen eine flächendeckende Umsetzung des Strukturmodells.

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Engagement der Medizinischen Dienste im Rahmen der Implementierungsstrategie Die Medizinischen Dienste unterstützen, wie oben bereits ausgeführt, die Einführung des Strukturmodells und begleiten dessen Umsetzung sehr intensiv. Sie sind unter anderem in den Kooperationsgremien der Länder (MDK) und auf der Bundesebene im Lenkungsgremium für das Ein-STEP-Projekt (MDK und MDS) vertreten und bringen ihre spezielle Expertise dort mit ein. In den Kooperationsgremien beteiligen sie sich zusätzlich an dem gemeinsamen Erfahrungsaustausch zwischen Kosten- und Einrichtungsträgern zu fachlichen Fragen der praktischen Umsetzung und geben Hinweise aus ihrer Sicht. Darüber hinaus begleitet ein Projektteam der Sozialmedizinischen Expertengruppe Pflege (SEG 2) das Projekt bundesweit und stellt den fachlichen Austausch innerhalb der MDK Gemeinschaft, aber auch mit dem Projektbüro sicher. Im Frühjahr 2015 hat der MDS drei Multiplikatorenseminare durchgeführt. Das Konzept dieser Seminare wurde mit dem Projektbüro abgestimmt und die Durchführung erfolgte ebenfalls in Kooperation mit dem Projektbüro. Den teilnehmenden 120 Multiplikatoren (überwiegend MDK-Vertreter, Vertreter des PKV-Prüfdienstes und jeweils 2 Vertreter der Heimaufsichten aus den Bundesländern) wurde das Strukturmodell dargestellt und es wurde vermittelt, welche Aspekte in Pflegeeinrichtungen zu beachten sind, die das Strukturmodell umsetzen. Ziel war es, von Anfang an eine einheitliche Qualitätsbewertung in diesen Einrichtungen sicherzustellen. Darüber hinaus sollte die Entwicklung eines einheitlichen Verständnisses einer fachlich und juristisch tragfähigen Pflegedokumentation unterstützt werden und somit den Vorgaben zu einer guten Zusammenarbeit Ausdruck verleihen. Sicherlich bedarf dies einer fortwährenden Anstrengung und Vertiefung in allen Ländern. Die Medizinischen Dienste haben inzwischen alle Prüfteams in den Ländern zum Umgang mit dem Strukturmodell geschult. Die Medizinischen Dienste sind davon überzeugt, dass Pflegeeinrichtungen, die das Strukturmodell umsetzen, alle Anforderungen der Qualitätsprüfungen erfüllen können und darüber hinaus keine zusätzlichen Informationen benötigt werden.

Umsetzung des Strukturmodells und Praxis der Qualitätsprüfungen Die Grundprinzipien des Strukturmodells werden bei Qualitätsprüfungen unabhängig davon akzeptiert, ob die Einrichtung am Implementierungsprojekt teilnimmt oder nicht. Dies ist erforderlich, damit eine Gleichbehandlung der Pflegeeinrichtungen bei den Qualitätsprüfungen gewährleistet werden kann.

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7  Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

Eine Vorgabe aus dem Strukturmodell für die Einrichtungen ist es, dass die Strukturierte Informationssammlung, als erstes Element im Pflegeprozess, unverändert übernommen wird. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Medizinischen Dienste zu bewerten, ob die SIS® unverändert oder verändert dargestellt und angewandt wird. Dies gilt auch für die Umsetzung der weiteren Elemente im Strukturmodell: Maßnahmenplan, Berichteblatt und Evaluation. Unabhängig von der Anwendung des Strukturmodells ist es auch weiterhin Aufgabe der Medizinischen Dienste, zu überprüfen, ob die jeweiligen Prüfkriterien der Qualitätsprüfungs-Richtlinien (QPR) erfüllt sind oder nicht. Das Hinzuziehen der Pflegedokumentation im Rahmen von Qualitätsprüfungen dient nicht der Kontrolle der Dokumentation an sich. Sie liefert Hinweise für eine fachlich und qualitativ gute Versorgung der pflegebedürftigen Personen. Dies zu gewährleisten ist oberstes Anliegen im Rahmen der Qualitätsprüfungen der Medizinischen Dienste. Dies geht einher mit dem Auftrag, im fachlichen Dialog Ergebnisse zu bewerten oder die Pflegeeinrichtung im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Qualität zu beraten.

Spezielle Aspekte bei der Umsetzung des Strukturmodells aus Sicht der Medizinischen Dienste Beratung in der ambulanten Pflege Im Gegensatz zur stationären Pflege weist die SIS® für die ambulante Pflege hinsichtlich der Beratung eine Besonderheit auf. Dies ist dem spezifischen Versorgungssetting in der ambulanten Pflege geschuldet. Ein Pflegedienst kann in der ambulanten Pflege nur die Leistungen erbringen, für die er beauftragt wird. Ein Vollversorgungsanspruch wie in der stationären Pflege besteht nicht. Der Pflegedienst hat aber die Aufgabe, den Pflegebedürftigen durch Beratung zu Risiken in die Lage zu versetzen, eine informierte Entscheidung treffen zu können. Daher hat der Pflegedienst bei einem Risiko anzukreuzen, ob eine Beratung erfolgt ist. Aus den gleichen Gründen finden sich auch in der QPR verschiedene Kriterien zur Beratung des Pflegebedürftigen (z. B. Dekubitusrisiko, Sturzrisiko, Ernährungsrisiko). Für die Erfordernisse der Qualitätsprüfung reicht es allerdings nicht aus, in der Risikomatrix ein Kreuzchen bei Beratung zu setzen. Es muss an einer Stelle der Pflegedokumentation (z. B. Themenfeld der SIS®, Berichteblatt, Zusatzdokument) klar erkennbar sein, zu welchen Themen beraten worden ist. Diese Themen sind auf die individuelle Risikosituation des Pflegebedürftigen zu beschränken.

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Biografie Gemäß dem Strukturmodell sollen die pflege- bzw. versorgungsrelevanten biografischen Angaben in den Themenfeldern der SIS® (kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Mobilität und Beweglichkeit, krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen, Selbstversorgung, Leben in sozialen Beziehungen, Haushaltsführung bzw. Wohnen/Häuslichkeit) erfasst werden. Ein gesonderter Biografiebogen ist demnach nicht erforderlich. Dies entspricht auch der bisherigen Wertung von Informationen bei Qualitätsprüfungen, bei denen nicht entscheidend ist, in welchen Formularen bestimmte Inhalte und Informationen festgehalten und berücksichtigt werden, sondern dass sie an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert sind. Bei Qualitätsprüfungen sind Aspekte der Biografie insbesondere bei der Versorgung von Menschen mit Demenz relevant, sie können aber auch allgemein bei der Pflege oder bei einzelnen Bereichen wie z. B. der Ernährung eine Rolle spielen. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Pflegeeinrichtungen zum Teil aus Platzgründen weiterhin gesonderte Biografieformulare verwenden, obwohl dies nach dem Strukturmodell nicht unbedingt vorgesehen ist. Da die Medizinischen Dienste bei den Qualitätsprüfungen nicht bewerten, ob die Vorgaben des Strukturmodells eingehalten werden, sondern weiterhin die Anforderungen der QPR prüft, ist dies bei den Prüfungen unerheblich und wird nicht negativ bewertet. Wohlbefinden bei demenziell erkrankten Menschen Eine zentrale Fragestellung im Rahmen der Qualitätsprüfung ist, inwieweit nachvollzogen werden kann, dass die Pflegeeinrichtung im Rahmen des Pflegeprozesses das Wohlbefinden von demenziell erkrankten Menschen angemessen berücksichtigt und Maßnahmen entsprechend individuell ausgerichtet sind. Es geht dabei darum, nachvollziehen zu können, ob sowohl auf positive als auch negative Entwicklungen/Ereignisse entsprechend reagiert und dies in unbestimmten Abständen dokumentiert wird, wie zum Beispiel das Ergebnis einer Fallbesprechung. Individueller Maßnahmenplan Weiterhin ist für den individuellen Versorgungsbedarf eine handlungsleitende Maßnahmenplanung erforderlich. Das Strukturmodell wäre falsch verstanden, wenn mit Verweis auf Standards oder Verfahrensanleitungen zu regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen auf eine individuelle und handlungsleitende Maßnahmenplanung vollständig verzichtet werden würde. Ggf. muss der Prüfer bei der Bewertung der Maßnahmenplanung zusätzlich auch in der Einrichtung geltende allgemeine Verfahrensanleitungen mit einbeziehen.

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7  Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

Nach wie vor muss es dem Mitarbeiter in der Pflege anhand des Maßnahmenplans möglich sein, die Pflege nach den individuellen Besonderheiten, Wünschen und Gewohnheiten des Einzelfalles durchzuführen. Dies ist nicht möglich, wenn lediglich auf Standards etc. verwiesen wird. Relevant sind diese Aspekte z. B. im Zusammenhang mit Prüfkriterien zur Ernährung, bei denen es darum geht, zu prüfen, ob individuelle Wünsche zum Essen und Trinken bei der Leistungserbringung berücksichtigt werden. Ein allgemeiner Hinweis, dass individuelle Wünsche berücksichtig werden, ohne diese konkret zu beschreiben, reicht nicht aus.

Verzicht auf Einzelleistungsnachweise Während in der stationären Pflege auf Einzelleistungsnachweise für regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen und Abläufe in der grundpflegerischen Versorgung und Betreuung bei der Umsetzung des Strukturmodells verzichtet werden kann, gilt dies für die ambulante Pflege nicht. Hier sind aufgrund leistungs- und abrechnungsrechtlicher Anforderungen weiterhin Einzelleistungsnachweise erforderlich (siehe hierzu auch Teil I, Kap. 3 dieses Buches).

Ergänzende Erläuterungen für die Prüfteams der Medizinischen Dienste bei Qualitätsprüfungen Die Sozialmedizinische Expertengruppe „  Pflege“ der MDK-Gemeinschaft (SEG 2) und der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) haben für die Prüfer/innen der MDK und des PKV-Prüfdienstes  „Ergänzende Erläuterungen“ zu den Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR) erarbeitet. Diese Erläuterungen betreffen Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen, die das  „Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflege“ umsetzen. In diese  „Ergänzenden Erläuterungen“ sind Fragen der Prüfer/innen sowie aktuelle Rückmeldungen aus der Praxis eingeflossen. Das Dokument wurde mit dem Ein-STEP Projektbüro abgestimmt. Das Dokument kann auf den Internetseiten des MDS und des Projektbüros heruntergeladen werden. Zusammenfassend lassen sich als Vorteile des Strukturmodells insbesondere die Personenzentrierung, die deutlich größere Übersichtlichkeit sowie eine stärker fachlich geleitete und damit nicht unreflektierte Risikoerkennung benennen.

Strukturmodell und Pflegebegutachtung nach SGB XI Die Strukturierte Informationssammlung – als erstes Element im Strukturmodell – und das neue Begutachtungsinstrument haben für die Arbeit der Pflegeeinrichtungen und Pflegekräfte unterschiedliche Funktionen. Mit dem neuen Begutachtungsinstrument wird der Schweregrad der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit

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oder der Fähigkeiten in sechs Lebensbereichen zum Zweck der Einstufung in einen Pflegegrad dargestellt. Die SIS® liefert deutlich darüber hinausgehende Informationen in Bezug auf individuelle, kontextabhängige Pflegebedarfe zur Konkretisierung des pflegerischen Auftrages. Aufgrund der unterschiedlichen Funktionen kann das Konzept der SIS® fachlich nicht durch eine einrichtungsinterne Einschätzung anhand des neuen Begutachtungsinstruments ersetzt werden. Gleichwohl liefern die in beiden Instrumenten jeweils enthaltenen Informationen eine wichtige Grundlage zur Ausgestaltung der Pflege- und Versorgungsplanung und ergänzen sich gegenseitig. So können z. B. bei der Arbeit mit der SIS® relevante Informationen aus dem Pflegegutachten, soweit es vorliegt, mit einbezogen werden und umgekehrt kann der Gutachter des MDK/Medicproof bei der Begutachtung von Pflegebedürftigkeit auf die Pflegedokumentation als ergänzende Informationsquelle zurückgreifen. Bei fachgerechter Anwendung stellt die Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells sicher, dass für die Begründung einer Veränderung des Pflegegrades (höher/ niedriger) alle relevanten Informationen und Sachverhalte zur Verfügung stehen.

Fazit Mit dem Strukturmodell und dem durch das Projektbüro unterstützten Implementierungsprozess ist die einmalige Chance verbunden, sowohl für die Mitarbeiter in der Pflege, die Träger der Pflegeeinrichtungen, die Kostenträger und die Prüfinstitutionen ein allgemein akzeptiertes Niveau für die Maßnahmenplanung und die Pflegedokumentation zu etablieren, dass für alle Akteure handlungsleitend ist. Frühere, regionale wie auf Bundesebene angelegte Projekte konnten diese Durchdringung nicht erreichen, weil deren Implementierungen nach Ablauf der Modellphase nicht ausreichend unterstützt worden sind. Dies ist bei dem aktuellen Projekt anders und lässt hoffen, dass die professionelle Pflege den Pflegeprozess und dessen Operationalisierung wieder stärker als Arbeitsprinzip und wichtiges Instrument für eine gute Pflege anerkennt und akzeptiert. Die hohe Anzahl der registrierten Einrichtungen zeigt das große Interesse, das Strukturmodell umzusetzen. Gleichwohl ist es für die meisten Pflegeeinrichtungen eine enorme Herausforderung, sich auf diese Struktur der Pflegedokumentation einzulassen und sich von bekannten Routinen zu verabschieden. In der Regel ist es ein längerer Weg, bis das Strukturmodell soweit umgesetzt ist, dass es die Grundlage für die Pflegedokumentation und Maßnahmenplanung bei allen betreuten Pflegebedürftigen darstellt. Dieser Prozess bedarf der konsequenten Unterstützung durch das Pflege- und Qualitätsmanagement.

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7  Erwartungen an eine Pflegedokumentation aus Sicht der Medizinischen Dienste

Die Pflegeeinrichtungen sollten sich durch die Probleme einer Umstellung dabei nicht entmutigen lassen, denn es lohnt sich, diesen Weg zu gehen. Die Erfahrungen zeigen, dass die Pflegekräfte sich sehr schnell mit dem Modell identifizieren und die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit im neuen Licht sehen. Darüber hinaus sind auch Synergieeffekte zu erwarten, durch die Einführung des neuen Begutachtungsinstruments. Die MDK-Gemeinschaft geht davon aus, dass bei einer den Vorgaben entsprechenden Anwendung des Strukturmodells die fachlichen Anforderungen der QPR an den Pflegeprozess erfüllt werden können. Bedenken der Einrichtungen, es könne bei Qualitätsprüfungen der MDK zu negativen Bewertungen aufgrund der Umstellung auf das neue System kommen, sind daher unbegründet.

Literatur: Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), GKV-Spitzenverband (Hrsg.): Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches vom 15.04.2016, Download unter: www.mds.de, www.gkv-spitzenverband.de Projektbüro Ein-STEP des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung: Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit – Unterschiede und Zusammenhänge, Stand 13.07.2016, Download unter: www.ein-step. de SEG 2 Sozialmed. Expertengruppe  „Pflege“ der MDK-Gemeinschaft, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Ergänzende Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation Version 3.1, Stand 14.06.2016, Download unter: www.ein-step.de

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8 Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung Aktuelle und künftige Herausforderungen für eine entbürokratisierte Pflegedokumentation (und wie man ihnen begegnen sollte)

Bändigung der Bürokratisierung durch das Strukturmodell? HANS-DIETER NOLTING, IGES INSTITUT, BERLIN / Den letzten Anstoß für die Entwicklung des Strukturmodells gab bekanntlich die Untersuchung der ehemaligen Ombudsfrau für die Entbürokratisierung der Pflege, die festgestellt hatte, dass die Pflegedokumentation von sechs zunächst ins Auge gefassten  „Entbürokratisierungsfeldern“ das mit Abstand dringlichste war (vgl. Beikirch et al. 2014). Vorangegangen waren bereits mehrere Modellvorhaben von Bundesländern sowie verschiedene Konzeptentwürfe für eine Entschlackung der Pflegedokumentation, die allerdings über das Stadium der Erprobung nicht hinaus gelangt waren (vgl. dazu den Beitrag von Beikirch, Entzian, Wipp in diesem Band). Die bereits vorhandenen Vorarbeiten waren nicht nur für die fachliche Ausgestaltung des Strukturmodells wichtig, sie zeugen vor allem von der Tatsache, dass der Verdruss und die Kritik an der bestehenden Situation ein solches Ausmaß erreicht hatten, dass der  „historische Moment“ für eine Veränderung günstig war. Trotzdem war der weitere Gang der Dinge ungewöhnlich, insofern es in der gesundheits- und sozialpolitischen Szenerie nur höchst selten vorkommt, dass eine relevante Veränderung in einem zentralen Bereich in so kurzer Zeit eine so große Akzeptanz und Verbreitung erfährt. Nach der jüngsten Auswertung der Registrierungen bei dem vom Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung eingerichteten Projektbüro Ein-STEP vom November 2016 haben innerhalb eines Zeitraums von etwa zwei Jahren ca. 10.500 ambulante Dienste und stationäre Pflegeeinrichtungen – das entspricht etwa 40 % aller Einrichtungen gem. Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes – das Angebot angenommen und sich auf den Weg gemacht, ihre Pflegedokumentation auf das Strukturmodell umzustellen.

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Die  „Turbo-Karriere“ des Strukturmodells wirft zum einen die Frage auf, welche Bedingungen und Konstellationen diese ungewöhnliche Entwicklung möglich gemacht haben. Interessanterweise wird dabei meist in erster Linie auf die Rahmenbedingungen verwiesen, wie etwa die Einbindung aller wesentlichen „  Stakeholder“ (Verbände der Leistungserbringer und der Kostenträger, Prüfinstanzen, Pflegewissenschaft, Ausbildungseinrichtungen usw.) und die starke – nicht nur politische, sondern in Gestalt des Projektbüros Ein-STEP auch handfest-operative – Unterstützung durch den Pflegebevollmächtigten. Ein noch wichtigerer Grund müsste wohl darin bestehen, dass das  „Produkt Strukturmodell“ die eigentlichen Nutzer offenbar überzeugt (ich komme darauf zurück). Zum anderen muss man auch die Frage stellen, ob mit der offensichtlich großen Akzeptanz, auf die das Strukturmodell trifft, gleichzeitig das Problem der  „Bürokratisierung der Pflegedokumentation“ gewissermaßen fundamental gelöst wurde, indem die Kräfte, die zu den  „bürokratischen“ Fehlentwicklungen geführt haben, nunmehr wenn nicht gebannt, so doch gebändigt wären. Der vorliegende Beitrag vertritt die Auffassung, dass dies keineswegs der Fall ist. Zum einen ist absehbar, dass im Zusammenhang mit den durch die jüngsten Pflegereformgesetze ausgelösten Umwälzungen – Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und damit verbunden eines neuen Begutachtungsinstruments, Neukonzipierung von Qualitätsprüfungen und Qualitätsdarstellung – erneut starke Impulse von Seiten der externen Rahmenbedingungen gesetzt werden, die letztlich in (neuen) Dokumentationsaufgaben für die Dienste und Einrichtungen münden können. Zum anderen bleibt abzuwarten, inwieweit das Ziel der Entbürokratisierung bei künftigen Managemententscheidungen zur Anpassung der einrichtungsinternen Prozesse an die veränderten Rahmenbedingungen in den  „umgestiegenen Einrichtungen“ dauerhaft Berücksichtigung finden wird. Im Folgenden werden die angerissenen Fragen und Probleme in mehreren Schritten diskutiert: Zunächst rekapituliere ich die Ursachen bzw. Triebkräfte, die zu der Bürokratisierung der Pflegedokumentation geführt haben, um anschließend zu fragen, welche Abhilfe das Strukturmodell diesbezüglich bereit hält. Anschließend wird an einem konkreten Beispiel erörtert, wie es angesichts neuer Herausforderungen durch kritische Reflexion und eigene Gestaltung gelingen kann, die Pflegedokumentation schlank und übersichtlich zu halten: Beim  „Pflegegradmanagement“ geht es um die Frage, wie Pflegeeinrichtungen bestimmte interne Prozesse im Gefolge der Neufassung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs in Verbindung mit dem seit dem 1.1.2017 zum Einsatz kommen-

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8  Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung

den Begutachtungsinstrument zur Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit (§ 15 SGB XI) anpassen.

Funktionen und Dysfunktionalitäten der Pflegedokumentation Die Pflegewissenschaftlerin Ulrike Höhmann hat 2014 die Pflegedokumentation in der stationären Altenpflege als ein System beschrieben, welches exemplarisch für ein grundlegendes Problem der Pflege als Profession steht, das die Autorin an anderer Stelle treffend als  „geringe Gestaltungsmacht und Gestaltungskompetenz der Pflegeberufe“ (Höhmann et al. 2016: 85) bezeichnet hat: In Bezug auf ihre eigentliche Kernfunktion als Instrument zur pflegefachfachlichen Verständigung und Unterstützung des Pflegeprozesses ist die Pflegedokumentation zunehmend dysfunktional geworden, weil Funktionen der Absicherung gegenüber den Ansprüchen und Erwartungen anderer externer und interner Instanzen die Gestaltung der Pflegedokumentation dominieren (Höhmann 2014). Unter diesen dominierenden Einflüssen nennt die Autorin an erster Stelle die Qualitätsprüfungen und die damit verknüpften  „Pflegenoten“, aber auch betriebs- und personalwirtschaftliche Steuerungsinteressen der Einrichtungsträger und schließlich reale oder vermeintliche haftungsrechtliche Absicherungserfordernisse. Das fatale Ergebnis dieser Entwicklung bezeichnet Höhmann als  „paradoxe Sicherheiten“ (Höhmann 2014: 246): Je mehr die Pflegedokumentation durch primär der Absicherung gegenüber externen Ansprüchen dienende Checklisten, Protokolle, Assessments etc. aufgebläht wird, desto mehr verliert sie ihre eigentliche Funktion, nämlich den Pflegenden einen schnellen und zuverlässigen Informationszugang zu verschaffen, der ihnen bei ihrer täglichen Arbeit größere Handlungssicherheit verleihen würde. Als Ursachen dieser Fehlentwicklung macht die Autorin zum einen die aus ihrer Sicht fragwürdigen externen Vorgaben – insbesondere die  „fachlich zweifelhaften gesetzlichen Vorgaben“ der Pflegetransparenzvereinbarung (PTV) und der Qualitätsprüfungsrichtlinien (QPR)1 – aus (Höhmann 2014: 247). Als zweiten, letztlich wichtigeren, Faktor diskutiert sie die  „Bedeutung interner Transformationsstrategien, mit denen die Einrichtungen die ihnen abverlangten Anforderungen umsetzen“ (Höhmann 2014: 242). Aus ihrer Sicht ist die Dysfunktionalität der Pflegedokumentation ein Beispiel dafür, dass die Pflege zu wenig in der Lage ist, eigene professionelle Normen und Interessen bei der Gestaltung von internen Prozessen

1 Das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) schreibt eine Neufassung der  „Maßstäbe und Grundsätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität“ sowie der daran anknüpfenden Qualitätsprüfungsrichtlinien und der Vereinbarung zur Qualitätsdarstellung vor (vgl. §§ 113, 114a Abs. 7, 115 Abs. 1a SGB XI i.d.F. des PSG II). Höhmann nimmt in ihrem Beitrag auf die bis dahin geltenden Vorschriften Bezug.

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zu formulieren und durchzusetzen. Mit anderen Worten: Die Bürokratisierung der Pflegedokumentation ist nicht nur eine Folge problematischer externer Anforderungen und Vorgaben, sondern resultiert vor allem auch aus der mangelnden Fähigkeit des Managements der Einrichtungen sowie der Pflege als Profession, die eigenen Maßstäbe gegenüber anderen Stakeholdern zu verteidigen bzw. ihnen bei der Übersetzung legitimer externer Forderungen in das eigene fachliche Handeln hinreichend Geltung zu verschaffen. Dieses Selbstbehauptungsdefizit der Pflege wird im Fall der Pflegedokumentation besonders eklatant: Da es die Pflegewissenschaft versäumt hat,  „Konsens über den für eine bewohnerindividuelle und fachlich angemessene Verlaufssteuerung der Pflege benötigten Informationskern“ (Höhmann 2014: 240) herzustellen, fehlt den Pflegeeinrichtungen eine wichtige argumentative Grundlage, die ihre Position gegenüber den Wünschen und Erwartungen anderer Professionen (z. B. der betriebswirtschaftlichen Controller) schwächt. Dies führt u. a. dazu, dass bei der Einführung von Prozessinnovationen wie einer IT-gestützten Dokumentation den Anforderungen anderer Stakeholder gegenüber den genuinen pflegefachlichen Perspektiven bei der Systemgestaltung ein zu großes Gewicht eingeräumt wird.

Charakteristika des Strukturmodells Die hohe Akzeptanz und rasche Durchsetzung des Strukturmodells verdankt sich m. E. nicht zuletzt der Tatsache, dass einige der von Höhmann herausgearbeiteten Triebkräfte der Bürokratisierung durch das Konzept selbst bzw. durch die unterstützenden Aktivitäten im Rahmen der Implementierung unmittelbar adressiert worden sind: Hier ist zunächst hervorzuheben, dass mit der  Strukturierten Informationssammlung als einem wissenschaftsbasierten Initialassessment ein Vorschlag für den von Höhmann vermissten  „Informationskern“ vorgelegt wurde, der für sich beanspruchen kann, dass Art, Umfang und Methodik der Dokumentation aus der Perspektive einer personzentrierten Pflege einerseits und der pflegefachlichen Praxistauglichkeit andererseits abgeleitet wurden (Roes 2014). Weiter sind die Orientierung an einem vierstufigen Pflegeprozess – somit dem Verzicht auf die im AEDL-Modell übliche explizite Dokumentation von Pflegezielen und Ressourcen – sowie die Fokussierung des Pflegeberichts („Berichteblatt“) auf aktuelle Ereignisse und Abweichungen von den geplanten Maßnahmen – anstelle des repetitiven Notierens von Routinemaßnahmen – zu nennen. Beide Charakteristika des Strukturmodells tragen zu der erwünschten Reduktion des Dokumentationsaufwands bei. Noch wichtiger jedoch scheint mir, dass dadurch anerkannt wird, dass eine Pflegefachkraft die impliziten Ziele der von ihr geplanten pflegeri-

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schen Interventionen kennt und dass die Pflegenden willens und in der Lage sind, eine geplante und per Verfahrensanweisung beschriebene Maßnahme regelhaft wiederkehrend umzusetzen. Mit anderen Worten, dass es keine Legitimation gibt, ihnen Dokumentationspflichten aufzuerlegen, die keinen nennenswerten operativen Nutzen im Pflegeprozess haben, aber erhebliche Zeitressourcen kosten und darüber hinaus vielfach als extern veranlasster Zwang zum sinnlosen und demotivierenden  „Abhaken“ empfunden werden. Neben diesen  „Produktmerkmalen“ des Strukturmodells, dürften im Vorfeld sowie im Laufe des Implementierungsprojekts durchgeführte flankierende Aktivitäten zur Beteiligung wichtiger externer Stakeholder der Pflegedokumentation wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Verbreitung gehabt haben. Die aus Sicht der Pflegeeinrichtungen enorm wichtige Akzeptanz des Strukturmodells durch die Prüfinstanzen wurde durch deren frühe Einbindung in die Entwicklung des Konzepts ermöglicht und letztlich durch die Publikation der  „Ergänzenden Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation“ durch MDS und die Sozialmedizinische Expertengruppe  „Pflege“ der MDKGemeinschaft beglaubigt (vgl. MDK/MDS 2016 sowie den Beitrag von Brüggemann, Fleer, Muck in diesem Band). Eine ähnliche Funktion der Rückversicherung, dass eine Pflegeeinrichtung mit dem Umstieg auf das Strukturmodell keinen Verlust an (paradoxen) Sicherheiten gegenüber den  „Außenanforderungen“ an eine Pflegedokumentation zu befürchten hat, erfüllt auch die  „Kasseler Erklärung“ des juristischen Expertengremiums (vgl. Juristische Expertengruppe 2014 sowie die Kap. 3 und 10 in diesem Band). Wie schwierig und ungewohnt die mit der Anwendung des Strukturmodells verbundene Notwendigkeit der eigenständigen pflegefachlichen Gestaltung sein kann, hat sich im Zuge der Implementierung u. a. darin gezeigt, dass in der ersten Auseinandersetzung mit diesem Dokumentationssystem oftmals beklagt wird, dass nur die SIS® als standardisiertes  „Formular“ vorgegeben wird, wogegen die formale Gestaltung von Maßnahmenplan und Berichteblatt von den Anwendern entsprechend ihrer Bedürfnisse selbst vorgenommen werden soll. Die Thematik berührt einen weiteren Aspekt der  „Gestaltungsmacht“: Mit dem Umstieg auf das Strukturmodell ist für viele Einrichtungen auch die Notwendigkeit einer Anpassung ihrer EDV-gestützten Dokumentationssoftware verbunden. Allein die Tatsache, dass die SIS® aus wesentlichen fachlich-konzeptionellen Gründen die Eingabe von Freitexten – d. h. weder Ankreuzlisten noch Textbausteinen – verlangt, macht sie aus Sicht mancher Systemhersteller zu einem Relikt des

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analogen Zeitalters aus dem es die geschätzte Kundschaft so schnell wie möglich herauszuführen gilt. Im Zuge des Implementierungsprojekts häuften sich dementsprechend die Hinweise, dass die Umsetzung des Strukturmodells in EDV-Systemen bisweilen so erfolgte, dass die Ziele des Konzepts – insbesondere die Entbürokratisierung – nur verfehlt werden konnten. Um auch in diesem Bereich die Chancen für eine Behauptung der pflegefachlichen Gestaltungsperspektive gegenüber vermeintlichen technischen und sonstigen externen Zwängen zu erhöhen, wurde unter Federführung des Projektbüros Ein-STEP und in Kooperation mit Fachverbänden der Dokumentationsanbieter sowie der Pflegebranche ein  „Anforderungsprofil für die Abb. des Strukturmodells in Dokumentationssystemen“ erarbeitet (Nolting & Beikirch 2015). Mit Blick auf die von Höhmann in ihrer oben skizzierten Analyse hervorgehobenen Ursachen für die Degeneration der Pflegedokumentation zu einem  „Korsett der Bürokratie“ (Höhmann 2014: 235) lässt sich aus meiner Sicht folgendes festhalten: Das Strukturmodell und die begleitenden Maßnahmen zu seiner Implementierung versuchen das Kernproblem, nämlich die  „berufsgruppenspezifischen Gestaltungsdefizite“ zu adressieren, welche  „die problematische Wirkung der Außenforderungen“ verstärken (Höhmann 2014: 251). Um Fortschritte auf dem Weg der Entbürokratisierung erreichen zu können, genügt es nicht, den Pflegeeinrichtungen eine neue Dokumentationssystematik anzubieten. Erforderlich ist darüber hinaus die Abklärung, inwieweit auch mit dem neuen System die Anforderungen anderer relevanter Stakeholder erfüllt werden. Damit stellt sich die Frage, ob angesichts zu erwartender neuer externer Anforderungen damit zu rechnen ist, dass Anwendern des Strukturmodells künftig die  „aktive Transformation externer Anforderungen in einrichtungsinterne Prozesse“ (Höhmann 2016, S. 83) besser bzw. bürokratieärmer gelingen wird.

Strukturmodell und neues Begutachtungsinstrument Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wird seit Januar 2017 auch das Verfahren zur Begutachtung der Pflegebedürftigkeit umgestellt. Anstelle der bisher geltenden Systematik nach Pflegestufen wird Pflegebedürftigkeit und damit auch der Leistungsanspruch gegenüber der Sozialen Pflegeversicherung nunmehr über fünf Pflegegrade operationalisiert. Bei den Begutachtungen kommt ein neues Begutachtungsinstrument zum Einsatz (§ 15 SGB XI). Das Begutachtungsinstrument – im Vorfeld lange unter der Abkürzung  „NBA“ (Neues Begutachtungsassessment) erprobt und diskutiert – wird mit hoher Wahr-

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8  Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung

scheinlichkeit eine über die reine Begutachtungsaufgabe hinausgehende wichtige Rolle in der Langzeitpflege in Deutschland spielen. Als Beispiel sei auf den bereits 2011 veröffentlichten Vorschlag für Instrumente zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenpflege (Wingenfeld et al. 2011) hingewiesen, der nach der gesetzlichen Vorgabe (§ 133b Abs. 4 Nr. 1 SGB XI) ausdrücklich in die Entwicklung des neuen Instrumentariums für die Qualitätsprüfungen nach §§ 114 ff. SGB XI einzubeziehen ist. Dieser Vorschlag nutzt Elemente des Begutachtungsinstruments, sowohl um Veränderungen der Selbstständigkeit der Bewohner im Zeitverlauf zu messen als auch für die Risikoadjustierung von Qualitätsindikatoren. Auch das Strukturmodell ist ein Beispiel für die  „Ausstrahlung“ des Begutachtungsinstruments bzw. der zugrundeliegenden pflegewissenschaftlichen Konzepte: Die Entwicklung der Strukturierten Informationssammlung orientierte sich bewusst an dieser Systematik (Beikirch et al. 2014; Roes 2014), was u. a. in den Entsprechungen zwischen den Themenfeldern der SIS® und den Modulen des Begutachtungsinstruments zum Ausdruck kommt (Abb. 1). Wenn das Begutachtungsinstrument seit Januar 2017 so wichtig ist und die SIS® ohnehin dieser Gliederung folgt – kann man dann nicht auf die SIS® verzichten und auch in der einrichtungsinternen Pflegedokumentation unmittelbar das Begutachtungsinstrument einsetzen? Diese Frage dürften sich seit Verabschiedung der Pflegereformgesetze im Laufe des Jahres 2016 manche Pflegeeinrichtungen gestellt haben – nicht zuletzt auch stimuliert durch entsprechende Vorschläge ihrer Dokumentationssoftware-Anbieter, die das neue Begutachtungsinstrument umgehend in ihren Systemen abgebildet haben. Der Gedanke könnte noch unter einem weiteren Gesichtspunkt attraktiv erscheinen: Mit der Umstellung auf die Pflegegrade und eine ganz neue Logik der Begutachtung müssen auch die in vielen Pflegeeinrichtungen etablierten Vorgehensweisen zum  „Pflegestufenmanagement“ neu aufgestellt werden. Ist es da nicht sinnvoll, regelmäßige  „interne Assessments“ der Pflegekunden bzw. Bewohner mit dem Begutachtungsinstrument in die laufende Pflegedokumentation zu integrieren, damit sich jederzeit die erforderlichen Daten für die Initiierung einer Neubegutachtung generieren lassen? Zu beiden Fragen – Ersetzen der SIS® durch das Begutachtungsinstrument? Müssen  „interne Begutachtungen“ in die Pflegedokumentation integriert werden, um ein  „Pflegegradmanagement“ machen zu können? – erreichten das Projektbüro EinSTEP im Laufe des Jahres 2016 immer mehr Anfragen von Einrichtungen und Diensten, die das Strukturmodell gerade implementiert hatten bzw. noch mitten in der Umstellung waren. Im Juli 2016 hat das Projektbüro daher in Zusammenarbeit mit

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

267

Module des neues Begutachtungsinstruments

Themenfelder der SIS®

Modul 1 – Mobilität

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

Modul 2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Themenfeld 1 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

kein eigenes Themenfeld

Modul 4 – Selbstversorgung

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

Modul 5 – Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Themenfeld 3 – Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

Modul 7/8 – Außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung

Themenfeld 6 – Wohnen/Häuslichkeit (stationär) Haushaltsführung (ambulant)

Abb. 1: Module des Begutachtungsinstruments (§ 15 SGB XI) und ihre Entsprechung im Strukturmodell durch die Themenfelder der SIS®

vier Experten2 zunächst ein Thesenpapier zum Verhältnis zwischen Strukturmodell und Begutachtungsinstrument veröffentlicht (Beikirch et al. 2016). Das Thesenpapier tritt vor allem der irrigen Ansicht entgegen, dass die SIS® durch eine auf dem Begutachtungsinstrument beruhende Einstufung ersetzt werden könne. Beide Instrumente dienen unterschiedlichen Zwecken: Das Begutachtungsinstrument ist ein nach messtheoretischen Kriterien entwickeltes Verfahren, mit dem sich das Konstrukt  „Grad der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten“ möglichst zuverlässig und unabhängig vom konkreten Lebenskontext der zu begutachtenden Person messen lassen soll. Die SIS® dient dagegen der Erfassung und Doku2 Prof. Dr. Andreas Büscher (Hochschule Osnabrück), Dr. Hildegard Entzian (Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung Schleswig-Holstein), Bernhard Fleer (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen), Prof. Dr. Martina Roes (Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen).

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8  Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung

mentation der individuellen Situation eines pflegebedürftigen Menschen, seines Hilfebedarfs und der vorhandenen Risiken – und zwar bezogen auf das tatsächliche Lebensumfeld. Die SIS® ist der Einstieg in einen individuellen Pflegeprozess. Das Begutachtungsinstrument soll ein nicht direkt beobachtbares Phänomen („gesundheitlich bedingte Beeinträchtigung der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten“ vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI) auf eine numerische Skala abbilden und damit die Einordnung von Versicherten in fünf Klassen des Zugangs zu den Leistungen der Pflegeversicherung ermöglichen. Natürlich lassen sich aus einem Pflegegutachten, das die Daten aller Einzelitems des Begutachtungsinstruments enthält, wertvolle Informationen für den individuellen Pflegeprozess gewinnen. Das Thesenpapier empfiehlt daher auch, das Gutachten als wichtige Informationsquelle zu nutzen, wenn die pflegebedürftige Person es zur Verfügung stellt. Ein Ersetzen der SIS® durch ein  „Begutachtungsprofil“ wäre mit einem personenzentrierten Pflegeprozess jedoch kaum zu vereinbaren.

„Pflegegradmanagement“ in Einrichtungen, die gemäß dem Strukturmodell dokumentieren Zu dem zweiten in dem Thesenpapier aufgegriffenen Aspekt wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Lenkungsgremiums der Implementierungsstrategie zu Jahresbeginn 2017 ein ausführlicher Ein-STEP-Leitfaden publiziert, an dessen Entwicklung zahlreiche Vertreter der Praxis mitgewirkt haben (Projektbüro Ein-STEP 2017). Er soll den Anwendern des Strukturmodells aufzeigen, wie sich die Aufgaben des Pflegegradmanagements mit einer schlanken und entbürokratisierten Pflegedokumentation vereinbaren lassen. Pflegegradmanagement (PGM) meint vor allem das rechtzeitige Entdecken und reagieren auf Veränderungen der Selbständigkeit und des Hilfebedarfs eines Pflegekunden bzw. Bewohners im Laufe der pflegerischen Versorgung, die so ausgeprägt sind, dass eine Neubegutachtung veranlasst werden sollte. Bisweilen kann auch bereits bei Neuaufnahme/Einzug eine Abweichung zwischen dem festgestellten Pflegegrad und der von der Pflegefachkraft eingeschätzten Situation der pflegebedürftigen Person auffallen. Ein wirksames Pflegegradmanagement ist sinnvoll, damit die Pflegebedürftigen eventuell zeitnah einen veränderten Leistungsanspruch gegenüber der Pflegeversicherung geltend machen und die Pflegeeinrichtungen die Kapazitäten (Personal-/Sachmittel) und das Leistungsangebot für ihre Kunden/Bewohner besser planen und vorhalten können. Es ermöglicht den ambulanten und stationären Einrichtungen die für eine wirtschaftliche Betriebsführung erforderliche Refinanzierung ihrer tatsächlich geleisteten Aufwände.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

269

Entdecken

Bewerten

Entscheiden

ƒƒ Zeitnahe Identifikation von Veränderungen des Pflege- und Betreuungsbedarfs im Pflegeprozess ƒƒ Unterscheidung: • zu Beginn/ Neuaufnahme/ Einzug) • in der laufenden Versorgung

ƒƒ Prüfung der Informationen, ob • die Informationen zur Einleitung einer erneuten Begutachtung ausreichen, oder • eine weitere Beobachtungsphase notwendig ist.

ƒƒ Je nach Ergebnis der Bewertung • unverzügliche Empfehlung, einen Antrag zur Begutachtung anzuregen und die pflegebedürtige Person zu informieren • oder zunächst davon abzusehen

Begleiten ƒƒ Vorbereitung des Begutachtungs­ prozesses: • Zusammen­ stellung der Informationen • Austausch mit pflegedürtiger Person und Pflegenden • Begleitung der Begutachtung

Abb. 2: Schritte im PGM-Prozess

Der Leitfaden empfiehlt das Aufsetzen eines internen  „PGM-Prozesses“ und verdeutlicht, wie die Pflegedokumentation gemäß dem Strukturmodell zusammen mit weiteren Informationsquellen in diesem Prozess genutzt werden sollte. Der erste Prozessschritt betrifft das  „Entdecken“ einer Veränderung der Selbständigkeit bzw. einer bereits bei Einzug/Neuaufnahme bestehenden Diskrepanz (Abb. 2). Die zentrale Botschaft dieses Schrittes ist bereits in dem Thesenpapier formuliert worden:  „Bei einer regelrecht geführten Pflegedokumentation (insbesondere nach dem Strukturmodell) ist es praktisch ausgeschlossen, dass Sachverhalte unentdeckt oder unbemerkt bleiben, die einen höheren oder niedrigeren Pflegegrad begründen können“ (Beikirch et al. 2016). Mit anderen Worten: Die Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell liefert alle erforderlichen Informationen für das Entdecken von Veränderungen, die anlasslose Durchführung von einrichtungsinternen  „Routine-Begutachtungen“ mit dem Begutachtungsinstrument ist nicht sinnvoll. Der Leitfaden veranschaulicht diese Aussage: Im Rahmen der Neuaufnahme bzw. des Einzugs einer pflegebedürftigen Person wird die Strukturierte Informationssammlung durchgeführt. Ein Abgleich zwischen dieser Situationseinschätzung und dem Pflegegrad wird durch die Korrespondenz von SIS® und Begutachtungsinstrument (vgl. Abb. 1) unterstützt. Das Entdecken von Veränderungen im laufenden Pflegeprozess stützt sich vor allem auf das Berichteblatt bzw. die für das Strukturmodell charakteristische Auffassung des Pflegeberichts: Da hier vor allem Abweichungen von den geplanten wiederkehrenden Maßnahmen sowie tagesaktuelle Ereignisse vermerkt werden, funktioniert das Berichteblatt gewissermaßen als ein  „Veränderungsanzeiger“. Gehäufte Eintragungen im Berichteblatt, z. B., dass

270

8  Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung

geplante Maßnahmen zur Versorgung nicht mehr ausreichen, mehr Zeit erforderlich ist usw., sollten innerhalb des Teams zu der Frage führen, ob der zweite PGMProzessschritt des  „Bewertens“ ausgelöst werden soll. Wenn aus der regulären Pflegedokumentation bzw. der daran anknüpfenden Diskussion innerhalb des Teams genügend Hinweise vorliegen, sollte der Prozessschritt des  „Bewertens“ angestoßen werden, der sinnvoller Weise in der Hand einer Pflegefachkraft mit spezieller Expertise liegt. Auf dieser Stufe des Prozesses kann auch die Durchführung einer eigenen internen Einschätzung mit Hilfe des Begutachtungsinstruments in Frage kommen, um bewerten zu können, ob die Veränderungen die Anregung einer Neubegutachtung rechtfertigen. Weitere Hinweise und Details zur Gestaltung dieser und der beiden weiteren Prozessschritte („Entscheiden“ und  „Begleiten“) können dem auf der Ein-STEP-Website verfügbaren Leitfaden entnommen werden.

Alte Reflexe und neue Herausforderungen Das Beispiel des Leitfadens zum Pflegegradmanagement verdeutlicht, dass sich mit einer Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell neue Anforderungen ohne schematische Ausweitung des Dokumentationsaufwands bewältigen lassen. Gleichzeitig ist aus der Vorgeschichte des Leitfadens jedoch auch zu lernen, dass bei der Anpassung eines die Pflegedokumentation berührenden internen Prozesses vielfach noch immer das Risiko besteht, alten Reflexen einer unreflektierten Ausweitung der Dokumentation zu folgen, weil sich angeblich nur so oder viel besser den neuen externen Anforderungen gerecht werden lässt. Angesichts der absehbaren weiteren möglichen Herausforderungen für die Gestaltung der Pflegedokumentation – insbesondere im Zusammenhang mit den Neuentwicklungen von Instrumenten und Verfahren im Bereich der Qualitätsprüfungen und der Qualitätsdarstellung (§§ 113 ff. SGB XI) – stellt sich daher die Frage des künftigen Umgangs mit neuen Rahmenbedingungen. Die Entwicklung des PGMLeitfadens bietet u. E. auch diesbezüglich ein ermutigendes Signal: Offenbar ist es möglich, selbst bei einem betriebswirtschaftlich wichtigen Thema, ein Gremium von sehr erfahrenen Fachleuten und Managern der Pflegebranche für die Erarbeitung einer gemeinsamen Empfehlung für eine  „Transformation externer Anforderungen in einrichtungsinterne Prozesse“ zusammenzurufen, wenn sich dadurch eine unnötige  „Re-Bürokratisierung der Pflegedokumentation“ verhindern lässt. Natürlich ist damit nicht garantiert, dass sich solche Arbeitsgruppen in zukünftigen Fällen wieder zusammenfinden und zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Immerhin ist es aber offenbar gelungen, bei notwendigen Anpassungen von

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Prozessen die Frage der Auswirkungen auf die (entbürokratisierte) Pflegedokumentation für das Management von Pflegeeinrichtungen zu einer relevanten Gestaltungsaufgabe zu machen.

Literatur Beikirch E, Breloer-Simon G, Rink F, Roes M: Projekt  „Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“. Abschlussbericht. Berlin/Witten 2014. https://www.ein-step.de/fileadmin/content/documents/ Abschlussbericht_und_Anlagen__fin20140415_sicher.pdf (aufgerufen: Januar 2017) Beikirch E, Büscher A, Entzian H, Fleer B, Nolting H-D, Roes M: Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit – Unterschiede und Zusammenhänge. Berlin 2016. https://www.ein-step.de/fileadmin/ content/documents/Thesenpapier_PB_nB_SIS_fin_2016-07-26.pdf (aufgerufen: Januar 2017) Höhmann U: Die Pflegedokumentation in der stationären Altenpflege: Paradoxe Sicherheiten, in: Hoch H., Zoche P. (Hrsg) Sicherheiten und Unsicherheiten – Soziologische Beiträge. Zivile Sicherheit Band 8, S. 235 – 256, Berlin: Lit Verlag 2014. Höhmann U, Lautenschläger M, Schwarz L: Belastungen im Pflegeberuf: Bedingungsfaktoren, Folgen und Desiderate. In: Jacobs K, Kuhlmey A, Greß S, Klauber J, Schwinger A (Hrsg.): Pflegereport 2016, S. 73 – 89. Stuttgart: Schattauer 2016. Juristische Expertengruppe Entbürokratisierung der Pflegedokumentation: Notwendiger Umfang der Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht (Erste Kasseler Erklärung). https://www.ein-step.de/ fileadmin/content/documents/Kasseler_Erklaerung_Pflegedoku_HaftR_21_01_2014.pdf (aufgerufen: Januar 2017) MDK SEG 2 Sozialmedizinische Expertengruppe  „Pflege“ der MDK-Gemeinschaft, MDS Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen: Ergänzende Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation. https://www.ein-step.de/fileadmin/ user_upload/160614_Ergaenzende_Erlaeuterungen_Effizienzsteigerung_Pflegedokumentation_final_ Vers3.1.pdf (aufgerufen: Januar 2017) Nolting H-D, Beikirch E: Anforderungen an Doku-Systeme jetzt konkretisiert. Altenheim 11: 38 – 41, 2015. Projektbüro Ein-STEP: Pflegegradmanagement im Zusammenhang mit der Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell. Leitfaden. Berlin 2017. https://www.ein-step.de/downloads/ Roes M: Fachlich, übersichtlich, praxistauglich. Die Schwester Der Pfleger, 53 (7): 694-698, 2014. Wingenfeld K, Kleina T, Franz S, Engels D, Mehlan S, Engel H: Entwicklung und Erprobung von Instrumenten zur Beurteilung der Ergebnisqualität in der stationären Altenhilfe. Bielefeld/Köln 2011. https://www. bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/entwicklung-und-erprobung-von-instrumenten-zur-beurteilungder-ergebnisqualitaet-in-der-stationaeren-altenhilfe/78010 (aufgerufen: Januar 2017)

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8  Pflegegradmanagement, neues Begutachtungsinstrument, externe Qualitätssicherung

9 Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften MONA FROMMELT UND MICHAEL ROLOFF / Die Einführung des Strukturmodells wurde in der Hans-Weinberger-Akademie der Arbeiterwohlfahrt e. V. auf allen Ebenen angesetzt und vorbereitet. So ist die Akademie als Bildungsvertreter im Lenkungsausschuss vertreten, auf Landesebene im Kooperationsgremium aktiv, auf Verbandsebene in der Weiterbildung und Implementierung für die Einrichtungen der Pflege tätig und nicht zuletzt an den eigenen Schulen für Altenpflege und Altenpflegehilfe in Bayern in der Umsetzung des Strukturmodells. Das Zusammen- und Wechselspiel dieser Ebenen, insbesondere in der Ausbildung von Pflegefachkräften im Sinne des Praxis-Theorie-Transfers von theoretischen und praktischen Lernorten, basiert auf der gemeinsamen Wahrnehmung der Chance des Strukturmodells, Fehlentwicklungen bezüglich der Pflegedokumentation entgegenzuwirken. Auf die Frage, die wir vielfach der Praxis stellten, danach, für wen eigentlich Pflege dokumentiert wird, erhielten wir fast unisono folgende Antworten:  „Wir dokumentieren für den MDK!“ Nach einer kleinen Pause wurde der zweite und dritte Grund genannt:  „Wir dokumentieren zur rechtlichen Absicherung!“ und:  „Unser Qualitätsmanagement gibt uns die Dokumentationsregeln vor!“ Auch unsere Auszubildenden nennen diese Gründe und machen diese Haltung gegenüber den  „Treibern“ der Dokumentation dafür verantwortlich, dass sie in der Praxis eine überproportionale, zeitaufwändige und im Nutzen für die zu pflegende Person fragliche Dokumentationsarbeit (z. B. mit dem Ausfüllen von teils unsinnigen oder gar falschen Risikobewertungen als Routinemaßnahme) erleben und beobachten. Vor diesem Hintergrund wurde das Strukturmodell seitens der Lehrkräfte sofort als Möglichkeit erkannt, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die als eigentlich wichtig und richtig erkannten Lehrinhalte zur Entwicklung einer selbständigen und selbstbewussten Pflegefachkraft wieder in den Vordergrund zu stellen und besser zur Umsetzung zu bringen. Bezüglich der bisherigen  „Treiber“ der Pflegedokumentation, wie MDK oder Kassen als prüf-, ordnungs- und leistungsrechtliche Organe, erkannten auch die Lehrkräfte die Chance zum Paradigmenwechsel in der Praxis hin zur pflegebedürftigen Person als  „Treiber“ im Sinne des zentralen Fokus und Orientierungsrahmens für die Pflegedokumentation.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

273

Die Umsetzung des Strukturmodells einschließlich der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) sowie die Anwendung der Risikomatrix setzen hohe Fachlichkeit der Pflegenden voraus, sowie hohe Anforderungen an die Ausbildung am theoretischen wie praktischen Lernort. Werden diese Anforderungen jedoch erfüllt, wird damit einer Professionalisierung Vorschub geleistet, die der anspruchs- und verantwortungsvollen Aufgabe der Pflege entspricht. Wie sich diese Implementierung gestaltete, wird im Folgenden geschildert.

9.1 Perspektivwechsel durch das Strukturmodell und sich daraus ergebende Anforderungen an die Altenpflegeausbildung Bei der Anwendung eines neuen Systems zur Pflegedokumentation stellt sich für den Anwender die Frage des Unterschiedes zu seinem bisherigen Dokumentationssystem: Was ist anders? Welche Arbeitsschritte verändern sich? Wo verbirgt sich Entbürokratisierung in dem Dokumentationssystem? Der Kern der Antworten auf diese Fragen liegt im Wesentlichen darin, dass die Anwendung des Strukturmodells unter dem vorgenannten Paradigmenwechsel bezüglich der Treiber der Pflegedokumentation zu einem veränderten Arbeitsverhalten von professionellen Pflegefachkräften führt. Folgende vier Beispiele für den Perspektivwechsel zeigen sich als zentrale Aspekte bei der Umsetzung des Strukturmodells und sind von Relevanz für die Ausbildung:

Ein Wechsel von der Defizitorientierung hin zu einer Orientierung auf Ressourcen und Fähigkeiten der zu pflegenden Person Diese nicht wirklich neue Forderung zeigt sich bei weitem nicht überall in der pflegerischen Praxis. Der bis vor Kurzem noch geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff definierte im § 14 des SGB XI, dass jemand pflegebedürftig sei, der aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf Hilfe angewiesen ist1. Diese Krankheiten wurden dort im Absatz 2 mit einhergehenden Verlusten und Störungen näher definiert2. Die Betrachtung lag klar auf den Defiziten, die ein betroffener Mensch haben kann. Dieser gesetzlich definierte Blick wurde seit Langem kritisiert und ist nun in der Novellie-

1  Vgl. § 14 SGB XI, Stand 21.12.2015 2  Vgl. ebenda Absatz 2

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

rung des Pflegestärkungsgesetzes auch geändert worden. In der Neuformulierung des § 14 SGB XI, die ab 01.01.2017 in Kraft tritt, werden nun die Beeinträchtigungen der Selbständigkeit und der individuellen Fähigkeiten ermittelt3. Die Feststellung der Pflegebedürftigkeit erfolgt also ab 2017 mit einem neuen Begutachtungsinstrument. Dessen modularer Aufbau zu acht begutachtungsrelevanten Aspekten (Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen, Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte, außerhäusliche Aktivitäten, Haushaltsführung4), die zur Einstufung herangezogen werden, findet sich in inhaltlich angelehnter Form auch in der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) – dem ersten Element des Strukturmodells – wieder. Eine Auseinandersetzung mit den inhaltlichen Aspekten und Betrachtungsrichtungen der sechs Themenfelder der SIS®, wie es in der Unterrichtssequenz erfolgt, fokussiert bei den Lernenden die Orientierung auf Ressourcen und Selbstpflegefähigkeit des zu Pflegenden, statt einer Defizitorientierung. Eine inhaltliche Verknüpfung beispielsweise mit dem pflegetheoretischen Bedürfnismodell von Orem (oder anderer pflegetheoretischer Grundlagen) scheint deshalb im Rahmen der schulischen Ausbildung für einige Bildungsstätten eine interessante Option, um das beschriebene Grundprinzip pflegerischen Handelns, nämlich die Stärkung der Selbstpflegefähigkeit, im Kontext von Unterrichtseinheiten zur Pflegebedürftigkeit und dem Strukturmodell sowie der SIS® zu vermitteln. Auch ist diese Verknüpfung notwendig, da in vielen Einrichtungen der Altenpflege das im QM niedergelegte Pflegeverständnis von einer Pflegetheorie abgeleitet ist. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: In den Pflegetheorien steht immer die zu pflegende Person im Vordergrund und ist handlungsleitend. Aber mit dem Strukturmodell, insbesondere der SIS® und der Risikomatrix – richtig angewendet –, wird auch bezüglich des Dokumentationssystems explizit darauf verwiesen und führt ebenfalls zu dieser Fokussierung.

Weg von einer eher fremdbestimmten Betrachtung hin zur Betonung einer selbstbestimmten Rolle der zu pflegenden Person Bestand und besteht heute noch in der pflegerischen Praxis sehr häufig ein Ausund Abfragen der zu pflegenden Person bei der Pflegeanamnese (eigene Aussagen von Schülerinnen und Schülern), ist es nun nötig, das Gespräch aktiv zu suchen, zu initiieren, zu moderieren. Statt eingebauter und vorformulierter Textbausteine und

3  MDS_1 4  Dr. K. Wingenfeld et al. 2011, S. 42

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Raster ist es mit der SIS© notwendig, mit der pflegebedürftigen Person ins Gespräch zu kommen, sie in ihrer eigenen Erzählung zu hören und zu verstehen. Die ersten Initialfragen (Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun? usw.)5 in der SIS® fordern auf, die Rolle der pflegebedürftigen Person mit ihren Vorstellungen und Wünschen in der individuellen Situation (z. B. mit Beginn des pflegerischen Auftrags) wahrzunehmen und zu dokumentieren. Hier entstehen die wesentlichen Handlungsstränge pflegerischen Wirkens über das Selbstverständnis der zu pflegenden Person. Entlang dieser Erzählung werden beispielsweise im Maßnahmenplan in Abstimmung und Aushandlung mit der zu pflegenden Person die Interventionen abgestimmt und geplant6. Diese veränderte Arbeitsweise fördert somit die Selbstbestimmung der pflegebedürftigen Person im Pflegeprozess. Damit wird diese auch in der Dokumentation als zentralen Blickpunkt der Pflege zum Ausdruck gebracht.

Weg von einem eher standardisierten Einsatz von Assessmentinstrumenten hin zum präventionsorientierten Pflegehandeln Durch eingangs genannte Treiber einer Prüflogik des MDK oder eines Versuchs, sich haftungsrechtlich abzusichern, zeigt sich in vielen Einrichtungen eine starke Standardisierung der Pflegehandlungen und ein hohes Maß an Dokumentation jeder auch noch so kleinen erbrachten Leistung. Diese Handlungsweise führt – neben der Gefahr einer passiven und abhängigkeitsfördernden Pflege – häufig auch zu einer erhöhten Arbeitsbelastung bzw. hohem Bürokratieaufwand. Beispielhaft sei hier der unreflektierte Routineeinsatz von Assessmentinstrumenten (z. B. Sturzrisikoerfassung bei Pflegestufe II alle sechs Monate bzw. bei Pflegestufe III alle drei Monate) oder etwa das Führen von Trinkprotokollen bei sämtlichen pflegebedürftigen Personen u.Ä. genannt. Durch solche Anordnungen bzw. Standards wird einerseits der Dokumentationsaufwand erhöht, während andererseits diese Daten kaum Eingang in den pflegerischen Alltag finden. Damit steht Quantität vor Qualität. Mit dem Strukturmodell und der damit verbundenen ‚Kasseler Erklärung‘ durch die juristische Expertengruppe wird es nun möglich, die Abweichungen von der Regel zu dokumentieren. Auch hierin liegt ein gravierender Perspektivwechsel, mit dem die Qualität und Wirkung der Handlung im Vordergrund stehen, statt uniformem Vollzug. Die Erkenntnisse aus der SIS® münden am Ende in eine Risikomatrix, die eine erste pflegefachliche Einschätzung zu pflegerelevanten Risiken und Phäno®

5  SIS  – stationär - ambulant 6  Vgl. EinSTEP_3, S. 49-53

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

menen erfasst und somit einen gezielten Einsatz von Differential-Assessments sowie ein präventionsorientiertes Pflegehandeln fördert. Über die Aussagen zu den sechs Bereichen der SIS® ist die Risikomatrix in zusammenhängende Themen eingebunden; Wechselwirkungen und Handlungsoptionen werden so sichtbar und Maßnahmen ableitbar. Dies gilt nicht nur für pflegerisches Handeln, sondern auch für die Koordination aller notwendigen präventiven, kurativen, palliativen Leistungen aus Betreuung, Hauswirtschaft und medizinischen Heil- und Hilfeleistungen.7.

Weg von einer Fragmentierung hin zur vernetzten Betrachtung von, für die Pflege und Betreuung relevanten, Phänomenen In der Arbeit mit der SIS® zeigt sich insbesondere die Notwendigkeit einer Personenzentrierung und damit korrespondierend die Anforderung, die verschiedenen pflegerischen Bedürfnisse und Bedarfe inhaltlich miteinander zu verschränken. Das könnte beispielsweise deren größtes Anliegen und deren Maßnahmenwünsche sein (z. B.  „Mein größtes Problem, bei dem Sie mir helfen müssten, ist, dass ich abends immer mal einnässe! Das ist mir sehr unangenehm. Ich möchte lieber auf die Toilette gehen.“ – Aussage einer Klientin im Gespräch zur SIS®). Die Pflegenden sind gefordert, die Situation umfassend und im Kontext der SIS® inhaltlich verschränkt zu betrachten: Z. B. Situation der Mobilität, die beeinflusst wird durch u. a. die Fähigkeit sich selbständig, jedoch mit Hilfsmitteln innerhalb und außerhalb des Hauses zu bewegen, und räumliche Gegebenheiten wie Fragen der Barrierefreiheit. Erst wenn solche Zusammenhänge mit Unterstützung des Strukturmodells erkannt, geplant und im multiprofessionellen Zusammenspiel in eine Maßnahmenplanung münden, wird es möglich sein, Betreuung, Mobilität, Kontinenztraining und -versorgung u. a. zu einem für die pflegebedürftige Person befriedigenden Ergebnis zusammen zu führen.

9.2 Integration des Strukturmodells in die theoretische Ausbildung der Schule Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, besteht auch auf Seiten der Lehrenden Veränderungsbedarf. So wird es notwendig, u. a. auf die Pflegedokumentation bezogene Unterrichtsinhalte in verschiedenen curricularen Lernfeldern mit-

7  Vgl. ebenda, S. 41-44

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

277

einander inhaltlich und zeitlich zu verknüpfen. Es kommt so zu einer vernetzten Wissensvermittlung. Voraussetzung dafür ist, dass auch die Lehrenden die oben beschriebenen Treiber der bisherigen Pflegedokumentation und den notwendigen Perspektivwechsel reflektieren und ihr eigenes fachliches und pädagogisches Verständnis und Handeln entsprechend justieren.

9.2.1 Anforderungen an die Vermittlung der vier Elemente des Strukturmodells Im Rahmen der Vorbereitungsarbeit zur Integration des Strukturmodells in den schulischen Lehrplan zeigte sich – neben den eben skizzierten Perspektivwechseln – auch eine veränderte Anforderungssituation für die Lernenden. Eine systematische Betrachtung der Ablauflogik des Strukturmodells mit seinen vier Elementen (SIS® – individueller Maßnahmenplan – Berichteblatt mit Fokus auf Abweichungen – Evaluation) und damit korrespondierende veränderte Anforderungen an Vermittlung und Lernprozess wird im Folgenden kurz dargestellt und begründet (Abb. 1).

Anforderung an die Vermittlung des Elements 1 – die SIS® Die Arbeit mit der SIS® weist einen zentralen neuen Arbeitsschritt auf: Es ist der Einstieg in den Pflegeprozess mit drei Initialfragen (siehe Kap. 10.1, Seite 8). In einer Unterrichtssituation wird deshalb mit der Methode des sog.  „Narrativen Interviews“ gearbeitet8 und Techniken vermittelt, wie die zu pflegende Person zu einem narrativen Erzählfluss stimuliert werden kann. Damit bekommt die zu pflegende Person die Rolle des ‚Inside-Experten’ ermöglicht, d. h. als Experte ihrer/seiner selbst, wird sie in ihrem freien Reden stimuliert, um ggf. Motivationslagen sowie Orientierungspunkte zur eigenen Person artikulieren zu können.9 Nur um wiederum Missverständnissen vorzubeugen: Dabei geht es nicht nur um eine Technik der Kommunikation, sondern um eine Haltung, in der das professionelle Verständnis der Pflegeperson darin liegt, die verbale und nonverbale Erzählung und die Intention der pflegebedürftigen Person zu erkennen, zu verstehen und die dazu geeigneten fachlichen Angebote zu unterbreiten. Für diese Art der Gesprächsführung bedarf es einer hohen Kommunikationsfähigkeit. Gerade in Gesprächssituationen sind Pflegende gefordert, nicht nur die verbalen, sondern auch die nonverbalen Signale wahrzuneh-

8  Vgl. Bundesministerium für Gesundheit 2014, S.9 9  U. Flick, E. v. Kardorff, I. Steinke (2007), 356-357

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

Arbeitsanforderung in diesem Bereich:

Arbeitsanforderung in diesem Bereich::

Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten im Kontext der Evaluation Pflegevisite und Fallbesprechung als Instrument der Evaluation des Pflegeprozesses - Problemlösungsprozess

Kommunikationsfähigkeit („Narratives Interview“) Wie beginne ich das Gespräch? Wie bekomme ich einen Menschen in die Erzählung? Encodierung des Gesprochenen! (Datenauswertung)

Planungs- und Führungsfähigkeiten Aufarbeitung der Daten aus dem Pflegebericht zur Steuerung des laufenden Prozesses, Koordinationsarbeit im interdisziplinären Team

Element 4 Evaluation (individuell) Arbeitsanforderung in diesem Bereich:

Element 1 Strukturierte Informationssammlung

Situationswahrnehmung und Beobachtung Den Menschen als eigenständige Person wahrnehmen! Erkennen von Ressourcen und Bedürfnissen in der aktuellen Situation! (Emotionale Intelligenz) Risikoanalyse (Fachwissen) Einschätzungsfähigkeit, Risiken zu erkennen, die eine wirkliche Relevanz aufweisen!

Element 2 Individuelle Maßnahmenplanung

Element 3 Dokumentationsfähigkeit im Kontext Berichteblatt mit der fachlichen und rechtlichen PersFokus auf pektive Abweichungen Arbeitsanforderung in diesem Bereich: Es werden Abweichungen dokumentiert! Planungsfähigkeit von Maßnahmen Auf die Dokumentation von Einzelleistungsimmer wiederkehrende grund-pflegerische Versorgung, benachweisen kann verzichtet werden! (häusliche handlungspflegerische Versorgung, psychosoziale Betreuung, Krankenpflege) hauswirtschaftliche Tätigkeiten und befristete präventive MaßInterprofessionelle Dokumentation! nahmen mit Evaluationstermin (z. B. Trink- oder Essprotokoll) Dokumentation als Kommunikationsinstrument! unter Absprache des zu Pflegenden! Verschriftlichung von Statuserhebungen! Abb.1: Abzuleitende Arbeitsanforderungen aus den Elementen des Strukturmodells

men und bezogen auf die Bedeutung für die pflegebedürftige Person einordnen zu können. Im Unterricht können Fragen bearbeitet werden, wie z. B.  „Wie zeigt sich die Empfindungslage der pflegebedürftigen Person im Gespräch?“ Hilfreich zur Einordnung nonverbaler Signale sind u. a. Erläuterungen der sieben Basisemotionen nach Paul Ekmann (Angst/Furcht, Glück/Freude, Wut, Traurigkeit, Neugier/Überraschung, Ekel und Verachtung) oder auch Aspekte des eigenen Emotionsmanagements (z. B. Achtsamkeit für die eigene Mimik oder Kongruenz von verbaler und

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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nonverbaler Botschaft)10. Neben Kommunikationskompetenz wird somit auch Situationswahrnehmungs- und Beobachtungskompetenz zeitgleich vermittelt und gefördert. Aus einer derart interessensbasierten Kommunikation entsteht letztlich die gelingende Beziehung zwischen der pflegebedürftigen Person und der Pflegefachkraft. Damit ist die Grundlage pflegerischen Handelns gelegt. Erst auf dieser Basis kann die Pflegefachkraft Handlungsansätze, einschließlich der Risiken, die sich aus der Risikomatrix ergeben, erfassen, richtig beurteilen und gemeinsam mit der pflegebedürftigen Person über die wesentliche Zielsetzung im Rahmen der Pflege und Betreuung entscheiden.

Anforderung an die Vermittlung des Elements 2 – der Maßnahmenplan Im Bereich des Maßnahmenplans und dessen Dokumentation gilt es zu unterscheiden zwischen immer wiederkehrenden grundpflegerischen Maßnahmen der Pflege und Betreuung sowie der Hauswirtschaft und behandlungspflegerischer Versorgung. Pflegerische Maßnahmen werden in Abstimmung mit der pflegebedürftigen Person geplant und organisiert. Neben der Vermittlung von Planungskompetenz kommt auch hier der Kommunikations-, Situationswahrnehmungs- und Beobachtungskompetenz eine hohe Relevanz zu. Pflegerische Fachkompetenz zeigt sich in der individuellen Anpassung abgewogener und ausgehandelter Optionen und Maßnahmen, die letztlich die Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger Personen bewirken. Diese Art des Pflegeprozesses kann dann auch allen daran Beteiligten gegenüber konsistent argumentiert und gezeigt werden, nicht zuletzt Kontrollbehörden und Kostenträgern.

Anforderung an die Vermittlung des Elements 3 – das Berichteblatt Das Berichteblatt wird genutzt, um Veränderungen und Abweichungen vom Maßnahmenplan sowie tagesaktuelle Ereignisse zu dokumentieren. Insofern besteht die Notwendigkeit, sich intensiv mit aktuellen Situationseinschätzungen (z. B. Akzeptanz von Maßnahmen zum Schlucktraining oder Wirkung von nicht-pharmakologischen Maßnahmen bei akuten oder chronischen Schmerzen) zu befassen und die Kompetenz zu erlangen, Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Diese Kompetenzen haben einen hohen Stellenwert in der interprofessionellen Kommunikation. Darüber hinaus verdeutlicht dies, dass die Pflegedokumentation auch als Kommunikationsinstrument zwischen den an Pflege und Betreuung beteiligten Professionen dient. 10  Vgl. D. W. Eilert (2013), S. 17-19

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

Anforderung an die Vermittlung des Elements 4 – die Evaluation In der Evaluation des Pflegeprozesses greift die Pflegefachkraft insbesondere auf das Berichteblatt, den Maßnahmenplan und die SIS® zurück. Es werden gegebenenfalls bezogen auf die pflegerischen Anforderungen Evaluationstermine definiert. Im Vordergrund steht auch hier die Anforderung sich an der pflegebedürftigen Person zu orientieren. Dadurch bekommt die Evaluation einen dynamischen Charakter, da nicht schematisch Termine festgelegt werden. Neben der eben skizzierten Kompetenz zur Situationseinschätzung kommt auch der Vermittlung von Problemlösungskompetenz eine besondere Bedeutung zu, denn insbesondere wenn ein erwartetes Ergebnis mit einer geplanten Maßnahme nicht erreicht werden konnte, gilt es nach Alternativen zu suchen. Hierzu bieten sich die in der Praxis etablierten Instrumente der Fallbesprechung oder auch der Pflegevisite11 an. Das Strukturmodell lädt also zu einer Art integrierter Evaluation ein, die den ständigen Abgleich mit den vorrangigen wesentlichen Zielsetzungen fordert, die sich aus den Erzählsträngen der SIS® ergeben haben.

9.2.2  Anforderungen an die Lehrenden Das Strukturmodell lädt Lehrende nach unserem Verständnis zu zwei wesentlichen Reflexionen ein: Zunächst ist Pflege in ihrer ganzen Komplexität zu sehen und zu verstehen und nicht der Versuchung zu unterliegen, sie mit Handlungsansätzen und Instrumenten der Kompliziertheit bewältigen zu wollen. Dies wird an den oben beschriebenen Evaluationen beispielhaft deutlich. Es geht eben nicht darum, einen standardisierten PDCA-Zyklus als Evaluation zu verstehen, sondern den Pflegeprozess stetig, verschiedene Ebenen und Dynamiken berücksichtigend, mit konsequentem Bezug zur pflegenden Person zu betrachten, Optionen auszuhandeln, Erfahrungen zu sammeln, diese wiederum gemeinsam zu bewerten. Hier befinden wir uns weit jenseits eines einfachen Ursachen-Wirkungsgefüges. Mit dem Strukturmodell ist der Pflege erstmals ein Instrument an die Hand gegeben, das dieser Komplexität der Pflege Rechnung trägt. Diesem Ansatz haben sich auch die Lehrenden reflektierend zu stellen. Die zweite grundlegende Anforderung an Lehrende ist aus unserer Erfahrung die, dass sie sich mit dem Strukturmodell radikal dem selbstverantwortlichen Lernen verschreiben. Damit ist auf der Metaebene die entscheidende Reflexion darü11  Vgl. Ein-STEP_2, S. 22

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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ber möglich, was an Denken, Tun und Fühlen in der eigenen Verantwortung steht und was in der des jeweiligen Akteurs. Nur mit diesem Ansatz wird es möglich, die Lernenden zu einem lösungsorientierten Handeln zu führen, dass der Komplexität und dem hohen Situationsdruck der Pflege entspricht. Für die Lehrenden stellen sich dann die ganz operativen Fragen: Wie soll das Strukturmodell der Pflegedokumentation in den Lehrplan integriert werden? Wie sieht die Darstellung der Inhalte in den Lernfeldern aus? Wie könnte eine Unterrichtsgestaltung aussehen, um die oben beschriebenen Kompetenzen bei den Lernenden zu entwickeln? Zur Beantwortung dieser Fragen werden im Folgenden einige Optionen vorgestellt. Zu bedenken ist dabei, dass wir erst relativ am Anfang der Implementierung des Strukturmodells in die schulische Ausbildung stehen und uns noch in einem Veränderungs- und Evaluationsprozess befinden, vor allem um zu klären, ob und in welcher Form gemeinsam mit den Lernenden die skizzierten Lernziele erreicht werden können.

Folgende Schritte sind derzeit in Bearbeitung: Verortung der vier Elemente des Strukturmodells im Lehrplan Extrahierung der Themen, die für den Lehrplan Priorität aufweisen. In Abb. 2 zeigt sich eine tabellarische Aufstellung der extrahierten Themeninhalte. Anhand dieser Aufstellung und den für uns beispielsweise in Bayern gültigen Lehrplanrichtlinien für die Berufsschule für Altenpflege12 lassen sich Themen finden, die eine Verknüpfung in der Stundentafel13 aufweisen und so für die Dozentinnen und Dozenten zu beachten sind. Beispielhaft lässt sich das Thema der Kommunikation im Strukturmodell aufzeigen: ƒƒ Die Vorgehensweise mit den Arbeitsschritten der SIS® ist im Fach Grundlagen der Pflege verortet. Hier werden grundlegende Informationen zur Gesprächsführung und dem Ablauf des  „Narrativen Interviews“ vermittelt. ƒƒ Im Fach Deutsch und Kommunikation geht der Lehrende auf die speziellen Kommunikationsformen (z. B. verbal/nonverbal, jedenfalls interessenbasiert) im  „Narrativen Interview“ ein. Hier zeigt sich nun auch die Verknüpfung zur gewünschten Kompetenzentwicklung im Bereich der Kommunikationsfähigkeit, wie sie in den Anforderungen aus dem Element 1 des Strukturmodells (siehe oben) abzulesen ist.

12  Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung 2009 13  Vgl. ebenda S. 2

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

Themen

Unterrichtsinhalt – Strukturmodell – zur Integration in den Lehrplan

ƒƒ Projektentwicklung des ƒƒ Strukturmodells ƒƒ

Hintergründe und Entstehung zum Bundesprojekt „Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“ Ziele des Strukturmodells Paradigmenwechsel durch das Strukturmodell

Element 1 Aufbau und Funktion des Modells

Element 2 Element 3 Element 4

Narratives Interview, Strukturierte Informationssammlung, Kategorien NBA, Risikomatrix Maßnahmen- bzw. Aktivitätenplanung (ggf. in tagesstrukturierter Form) Kommunikation über das Berichteblatt mit dem Fokus auf den Bewohner Evaluation mit Pflegevisite und Fallbesprechung

ƒƒ ggf. Selbstpflege- und Selbstpflegedefizit-Theorie nach D. Orem o. a. Pflegetheoretischer ƒƒ ggf. Trajekt-Modell (Bewältigungsarbeit) nach Corbin/Strauss o. a. Hintergrund ƒƒ NBA – Neue Begutachtungs-Richtlinien (BRi) (GKV/PKV) zum Kategoriensystem der SIS Assessmentƒƒ Risikomatrix mit Aufbau und Funktion instrumente in dem ƒƒ Verknüpfung mit Expertenstandards und Hausstandards Strukturmodell Dokumentation im juristischen Kontext

Kommunikation in dem Strukturmodell

„Kasseler-Erklärungen“ I + II mit den Auswirkungen auf die Dokumentation der pflegerischen Interventionen (ambulant/stationär) „Narratives Interview“ ƒƒ Phasen des Interviews ƒƒ Interaktion und Kooperation der Gesprächspartner im Interview - Eröffnungsfrage und Gesprächstechnik im offenen Gespräch ƒƒ Dokumentationsarbeit im Interview ƒƒ Problematische Aspekte im Rahmen der Gesprächsführung

Abb. 2: Unterrichtsinhalte – Strukturmodell – zur Integration in den Lehrplan

ƒƒ Weitere Themenverknüpfungen finden sich im Bereich Aufbau und Funktion des Modells (Stundentafel: Fach Grundlagen der Pflege) und der Dokumentation im juristischen Kontext (Stundentafel: Recht und Verwaltung). Ein wichtiger Aspekt zeigte sich in der Verknüpfung des Themas Assessmentinstrumente im Strukturmodell. Im Fach Grundlagen der Pflege werden die inhaltlichen Aspekte und der Umgang mit der Risikomatrix (als letzter Abschnitt der SIS®) vermittelt. Methodisch gesehen können hier im Unterricht komplexe Fallbeispiele von den Lernenden in Gruppen bearbeitet werden. Handlungsleitend ist dabei immer das Ergebnis eines im Rollenspiel oder in einer echten Pflegesituation erarbeiteten  „narrativen Interviews“, in dem die Intention der zu pflegenden Person und ihre Perspektive auf die eigene Pflegesituation deutlich geworden ist. Zweierlei ist dann jedenfalls nötig: Einerseits die Betonung der Verschränkung der SIS®-Themen mit begründeten und pflegerelevanten Risikobereichen und andererseits die Notwendigkeit der Bewertung möglicher pflegerischer Risiken und deren Konsequenzen für den Maßnahmenplan.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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In einem letzten Schritt wurden die identifizierten Unterrichtsinhalte in den schulinternen Lehrplan eingearbeitet. Mit den Kategorien des Themas, der Anzahl der Unterrichtsstunden pro Ausbildungsjahr und der Lernziele zeigt sich der Themenbereich überschaubar im Lehrplan. Eine oben schon angesprochene Priorität immer wiederkehrender Evaluation der Lernziele mit den geplanten Stunden (gerade in der aktuellen Implementierungsphase) ist schnell durchführbar. Auch die Unterrichtsmethodik wird auf der Grundlage der beschriebenen Anforderungen bei Bedarf anzupassen und bezüglich des selbstverantwortlichen Lernens und des Umgangs mit der Komplexität weiter zu entwickeln sein.

9.3 Integration des Strukturmodells in die praktische Ausbildung Neben der Implementierung des Strukturmodells in den theoretischen Lehrplan sind die Überlegungen zum Praxistransfer für die Schulen von besonderem Interesse. Exemplarisch wird hier unsere Vorgehensweise beschrieben: Zu Beginn stellte sich die Frage, mit welcher Dynamik die Implementierung des Strukturmodells in den Institutionen vonstattengehen wird. Über eine schriftliche Befragung an alle Kooperationspartner unserer Schule wurden diejenigen Pflegeeinrichtungen identifiziert, die an der Implementierung des Strukturmodells teilnehmen. Es zeigte sich zudem, dass in einigen Regionen bereits ein hoher Bekanntheitsgrad des Strukturmodells und seiner vier Elemente vorlag und dementsprechend hoher Wissensstand in den Pflegeeinrichtungen besteht. Zusätzlich konnten wir über die genannte Befragung auch die jeweiligen Ansprechpartner zur Projekteinführung ermitteln. So war es möglich, in den im Anschluss an die Befragung folgenden Praxisbesuchen, durch die Lehrenden den Stand der Implementierung und die Erfahrungen mit dem Strukturmodell in den einzelnen Pflegeeinrichtungen zu erfragen. Durch Gespräche mit im Strukturmodell ausgebildeten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der jeweiligen Verbände ließ sich dadurch ein Bild über die Handhabung in den Einrichtungen ergründen. Die so gewonnenen Informationen aus den Pflegeeinrichtungen, den Gesprächen mit den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren und den Pflegefachkräften sowie die gebündelten Kompetenzen aus unseren eigenen Schulen mit den Ergebnissen aus der theoretischen Lehrplangestaltung, flankierten die Überarbeitung unseres Praxismodells der Erstellung der Pflegeplanung bzw. Maßnahmenplanung. Das Praxismodell ist so angelegt, dass damit beide Dokumentationspraktiken (her-

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

THEORIE UND PRAXISVERKNÜPFUNG DER PFLEGEPLANERSTELLUNG UND PFLEGEDOKUMENTATION

» Themenfelder NBA als Kategorien  Dokumentationsregeln (primäre

» Dund okumentationsregeln sekundäre Funktion) (primäre und sekundäre Funktion)  Aufgabe und Funktion des

im Strukturmodell » ABerichteblatt's ufgabe und Funktion des Berichteblatts im Strukturmodell  Kasseler Erklärungen I+II

» Kasseler Erklärungen I + II

 Personenzentrierter Ansatz in der Ansatz in der » Personenzentrierter Altenpflege

Altenpflege

 Wahrnehmung und Beobachtung

» Wahrnehmung und Beobachtung

 Trajekt-Modell » Trajekt-Modell (Cor(Corbin/Strauss) Bewältigungsarbeit bin/Strauss) Bewälti-

 Intensivierung » Intensivierung Pflegeprozess Pflegeprozess nach dem Strukturmodell nach dem Strukturmodell

gungsarbeit,  NBAModell der o.Ä. Pflegebedürftigkeit » NBA-Modell der (mit KategorienPflegebedürftigkeit system)

» Berichteblatt  Berichteblatt als als VorbereiVorbereitung tung zurzur Evaluation Evaluation



 Evaluation: Pflegevisite Fallbesprechung und Fallbesprechung

(mit KategorienPflegeprozess system) Strukturmodell

Element I-IV » Pflegeprozess Struk-

turmodell Element  Pflegediagnostik im Strukturmodell – I – IV Pflegediagnosen



» Pflegediagnostik im Risikomatrix/ Strukturmodell – Assessments Pflegediagnosen

» Evaluation: Pflegevisite und » Rahmenbedingungen des

 Rahmenbedingungen durch das Strukturmodellsdes Strukturmodells durch das QM QM

» Pflegediagnostik im Struk-

 Pflegediagnostik im turmodell Strukturmodell (Intensivierung) (Intensivierung)

» Risikomatrix/Assessments

Zu jedem Praxisbesuch muss eine Pflegeplanung erstellt werden

Berichteblatt, Themenfelder Evaluation) NBA als Kategorien

3. Ausbildungsjahr

Zu jedem Praxisbesuch muss eine Pflegeplanung erstellt werden

Strukturmodell (SIS, Maßnahmenplanung, Berichteblatt, Evaluation) ®, Maßnahmenplanung, modell (SIS

2. Ausbildungsjahr

Gruppenpflegeplanung anhand des Strukturmodells in einer Praxissituation Gruppenpflegeplanung anhand des Strukturmodells in einer Praxissituation

Vierphasiger Pflegeprozess »Vierstufiger Pflegeprozess Struktur-

3. Ausbildungsjahr

2. Ausbildungsjahr

Strukturierte Informationssammlung in der Praxis an einer realen Bewohnersituation Strukturierte Informationssammlung in der Praxis an einer realen Bewohnersituation

1. Ausbildungsjahr

1. Ausbildungsjahr

Abb. 3: Praxisverknüpfung bei der Aufgabenstellung zur Erstellung des Maßnahmenplans auf der Grundlage des Strukturmodells im Rahmen der Ausbildung

kömmliche Dokumentation und Strukturmodell mit SIS®) gelehrt werden und in der Praxisverknüpfung die Lernenden verschiedene Optionen üben können. In Anbetracht der aktuellen Verbreitung des Strukturmodells in Bayern (knapp 40 % der Einrichtungen folgen bisher dem Strukturmodell) haben wir die Lernenden auf eine breite Palette von Dokumentationen vorzubereiten. Allerdings sehen wir uns am theoretischen Lernort Schule verpflichtet, auch die herkömmlichen Dokumentationsinstrumente unter den oben ausgeführten Paradigmen des Strukturmodells zu unterrichten. Die Verteilung der theoretischen Unterrichtsinhalte auf die drei Ausbildungsjahre lassen sich aus der Abb. 3 ersehen. ƒƒ Als praktische Verknüpfung bekommen die Auszubildenden am Ende des ersten oder Anfang des zweiten Ausbildungsjahres den Arbeitsauftrag, eine Pflegeanamnese an einer realen Klienten-Situation im Praxisfeld anhand der SIS® durchzuführen und zu dokumentieren (benoteter Leistungsnachweis).

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

285

ƒƒ In einem zweiten Schritt wird am Ende des zweiten Ausbildungsjahres eine sog. Gruppenpflegeplanung durchgeführt. Hierzu werden Gruppen von ca. 5 Auszubildenden eingeteilt. Diese Gruppen wählen eine Institution aus und erstellen eine komplette Pflegedokumentation, analog Strukturmodell, mittels Anwendung der SIS® und des Maßnahmenplans an einem realen Bewohner. ƒƒ Im dritten Ausbildungsjahr erarbeiten die Lernenden zu jedem pflegerischen Praxisbesuch eine Pflegedokumentation gemäß Strukturmodell einschließlich des Maßnahmenplans und des Berichteblattes (d. h. Fokus auf Abweichungen und tagesaktuelle Ereignisse). Auch dieses Ergebnis wird benotet. ƒƒ Zusätzlich erhalten die Lernenden zu den pflegerischen Praxisbesuchen im ersten und zweiten Ausbildungsjahr spezielle Teilaufgaben. Z. B. eine Statusbeschreibung zur Nahrungsaufnahme mit Blick auf Abweichungen von der Maßnahmenplanung oder eine Beobachtungsaufgabe zur nonverbalen Kommunikation der zu pflegenden Person während der Pflegeinterventionen mit einer schriftlichen Dokumentation der Ergebnisse. Dieses Vorgehen im Bereich der Verknüpfung zur Praxis zielt darauf ab, die mit dem Strukturmodell korrespondierenden Arbeitsanforderungen in der Praxis zu üben. Bezogen auf die oben erläuterten Anforderungen sind dies u. a. das Erproben und Einüben in die hohen kommunikativen Anforderungen, insbesondere das Führen eines narrativen Interviews mit Aushandlung der Pflege- und Betreuungsoptionen. Des Weiteren stehen im Rahmen des selbstverantwortlichen Lernens in Gruppen mit Feedback auf verschiedenen Ebenen (Peergroup, höhere Jahrgangsstufen, Lehrende) die Beobachtung von Situationen, die entsprechende Dokumentation im Rahmen der SIS® bis hin zu Übungen für die Planungs- und Problemlösungskompetenz, auf dem Programm. Die oben in Ausschnitten vorgestellten Anforderungen zur praktischen Anwendung des Strukturmodells und seiner vier Elemente werden schriftlich den Auszubildenden ausgegeben und darüber hinaus von den Praxisanleiterinnen und Praxisanleitern im Feedback abgezeichnet. So wird zugleich ein Dialog zwischen Lehrenden, Auszubildenden und Pflegefachkräften initiiert und kritische Reflexion des eigenen Handelns ermöglicht. Zusätzlich bietet diese Vorgehensweise die Möglichkeit eines konkreten Austausches zwischen Schule als theoretischem und den Einrichtungen als praktischem Lernort. Regelmäßig stattfindende Treffen der Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter in der Schule bieten ebenfalls Platz für Impulsreferate, Erfahrungsaustausch und Diskussionsrunden zum Strukturmodell.

286

9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

9.4  Erste Erfahrungen und Visionen Zur aktuellen Implementierungsphase des Strukturmodells sowohl in der Praxis wie auch in unseren Schulen sehen wir nach wie vor die Möglichkeiten des oben beschriebenen positiv zu wertenden Paradigmenwechsels. Die Chancen durch Reflexion der eigenen Perspektive – und wo nötig zum Paradigmenwechsel – vom Strukturmodell angeregt, wird von Lehrenden wie Lernenden schnell erkannt und die dementsprechenden Änderungen mit wenig Mühe z. B. anhand von Fallbeispielen im Unterricht angewendet (z. B. die veränderte Vorgehensweise zur Pflegeanamnese mit der Personzentrierung im Rahmen der SIS®). Von Seiten der Lernenden, die aus Pflegeeinrichtungen kommen, in denen das Strukturmodell Anwendung findet, ist ein regelrechter Drang wahrzunehmen, sich mit diesem Thema weiter zu befassen. Die Lernenden fragen aktiver im Unterricht nach, erzählen von ihren Erfahrungen in der Praxis, freuen sich an den bereits gemachten positiven Erfahrungen von interessensbasierter Kommunikation und gelingender Pflegebeziehung und spüren erste professionelle Kompetenz und Selbstvertrauen. Bei Gesprächen mit Pflegenden zeichnet sich gegenüber den Lehrenden eine verhalten positive bis positive Stimmung gegenüber dem Strukturmodell ab. Es wird von den Pflegenden berichtet, dass es mehr Spaß macht, eine Anamnese mit der SIS® durchzuführen.  „Man kommt schneller auf den Punkt und weiß klarer, was zu tun ist.“, wird häufig dazu genannt. Auch wird der gezielte Einsatz von Assessmentinstrumenten als eine Entlastung empfunden. Wir hören dazu Aussagen wie:  „Man muss nicht gleich alles durchmachen, sondern nur das, was Sinn macht!“ Zu der Dokumentation von biografischen Daten im Rahmen der sechs Themenfelder konnten wir noch keine Aussagen aus der Praxis heraushören. Bezüglich der Biografiearbeit in den Einrichtungen der Pflege werden wir nochmals gesondert analysieren, in wie weit in der SIS® pflegerelevante biografische Daten von Pflegefachkräften erhoben werden und in welcher Form bzw. in welchem Umfang. Bezüglich der Biografiearbeit im Rahmen des Lehrplanes wird die Abstimmung mit der SIS® im Rahmen des Strukturmodells eng geführt werden. Es zeigten sich allerdings auch einige Dokumentationspraktiken, die nahtlos aus der vorherigen Praxis mit in das Strukturmodell übernommen worden sind. Hier fielen z. B. Standardformulierungen wie:  „Bewohner alles ok“ oder  „Bewohner um 8:30 am Waschbecken gewaschen“ im Berichteblatt auf. Die Lehrenden reagieren darauf bereits jetzt mit kritischem Feedback, sowohl gegenüber Lernenden als auch gegenüber den Pflegeeinrichtungen und warnen vor  „altem Wein in neuen Schläuchen“.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

287

Für die Lehrenden stellt die Implementierung des Strukturmodells an den Lehrplan mit all seinen Facetten genauso wie für die zu pflegenden Personen zu Beginn eine hohe, Ressourcen verbrauchende Anforderung dar. Nach der zunächst aufwändigen, dann selbst gesteuerten Reflexion der o.g. Perspektiven werden viele Planungen, Gespräche, Lehrplanarbeiten, Vorbereitungen zu neuen Praxisaufträgen usw. erarbeitet, erprobt und ausgewertet. Zum jetzigen Zeitpunkt zeigt sich allerdings bereits eine große Motivation unserer Lehrkräfte, die eine positive Stimmung zu diesem Thema erzeugt. Alle zeigen hohes Interesse. Als sehr spannend wird auch die erste praktische Abschlussprüfungsphase empfunden. Da die Implementierung rasch in einigen Pflegeeinrichtungen voranschreitet, werden wir auch dementsprechend in der praktischen Abschlussprüfung mit der Maßnahmenplanung gemäß Strukturmodell gehen. Es werden hierzu noch einige Regelungen zur Erstellung der Pflegeplanung (Strukturmodell Maßnahmenplanung) im Prüfungsmodus erarbeitet. In einem nächsten Schritt werden unsere Vorschläge und Erfahrungen mit den theoretischen und praktischen Prüfungen in den vorhandenen landesund bundesweiten Gremien zur Diskussion und zum Erfahrungsaustausch eingebracht. Die bereits bestehende Vernetzung von Schulen könnte hier Unsicherheiten von Lehrenden abbauen.

Zwischenfazit Auch wenn wir mit der Implementierung des Strukturmodells in den Lehrplan und in die praktische Ausbildung noch relativ am Anfang stehen, sehen wir bereits gute Wirkungen und werden an folgenden Aufgaben in Kooperation mit den Pflegeeinrichtungen weiter arbeiten: ƒƒ Zur Förderung des Informationsaustausches werden kleine Netzwerke zwischen den Institutionen, Multiplikatoren und Lehrenden gebildet werden. ƒƒ Zur Abstimmung von Handlungs- und Bewertungsmöglichkeiten im schulischen Sektor bedarf es einer regionalen oder überregionalen Arbeitsgruppe zu diesem Themenschwerpunkt. Hierzu werden wir zunächst die vorhandenen Gremien nutzen. ƒƒ Pflegeeinrichtungen sollten bei der Anwendung des Strukturmodells auch daran denken, die Auszubildenden gleich mit in die Schulungen aufzunehmen. Dies stellt einen Motivationsansatz für die Auszubildenden dar. Sie wollen in aller Regel auch an aktuellen Neuerungen aktiv dabei sein. Gleichzeitig bekommen die Schulen damit wiederum einen Impuls aus der Praxis. ƒƒ Weiterhin werden wir zur Motivation der Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, welche sich mit dem Strukturmodell auseinandersetzen, beitragen. Hierzu

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

nutzen wir die schon oben beschriebenen Praxisanleitertreffen. Die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter sind ein starkes Bindeglied zwischen praktischer und theoretischer Ausbildung und es können hierbei Synergien genutzt werden. Dabei wird deutlich, dass auch das Strukturmodell geeignete Rahmenbedingungen zur Umsetzung braucht. Häufig zeigt sich in der aktuellen Situation, dass Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter fehlen oder diese absolut überlastet sind (z. B. Betreuung von mehreren Auszubildenden in einem sehr engen Zeitrahmen), was zu unbefriedigenden Ergebnissen für alle Beteiligten führt. ƒƒ Im Kontext der Komplexität von Pflege ist es für uns von ganz besonderer Bedeutung, die Erfahrungen, die wir mit dem Strukturmodell machen, als Lernschleifen zu begreifen. Das bedeutet, statt nach Fehlern zu suchen, Aufmerksamkeit darauf zu lenken, welche Faktoren und Kontexte wechselwirkend zu welchen Zwischenergebnissen geführt haben, um dann einzuschätzen, von welchen Impulsen und Inputs es mehr oder weniger bedarf oder wo es etwas ganz Anderes bedarf, um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Mit dieser Einschätzung begeben wir uns dann wieder in die nächste Lernschleife. Diese Art des Umgangs mit Komplexität setzt eine gute Feedbackkultur voraus, die wir pflegen. ƒƒ Diese zeigt sich in einer offenen und transparenten Analyse der Rahmenbedingungen im altenpflegerischen Setting einschließlich einer guten Einschätzung dessen, was geht und was nicht geht, um einer Überforderung und Demotivation des Pflegepersonals vorzubeugen. ƒƒ Projekte zu starten und nicht die nötigen Ressourcen zu haben, wäre kontraproduktiv. Schnell würde aus einer Überforderung eine nicht begründete Abwehrhaltung entstehen. Diese Regel gilt sowohl für die Schulen wie für die Einrichtungen der Pflege, die sich auf den Weg zur Implementierung des Strukturmodells machen. ƒƒ Nicht zuletzt wird der Erfahrungsaustausch zwischen all den eingangs genannten Ebenen weiter von hoher Bedeutung sein. Auf Bundes-, Landes-, Verbands- und Einrichtungsebene bedarf es eines gemeinsamen Lernprozesses unter Nutzung der dafür geschaffenen Strukturen und Gremien. Mit diesen wird es auch gelingen, mit verschiedenen Aufträgen wie Bildung, Leistungserstellung, Qualitätskontrolle, Kostenkontrolle usw. mit der gleichen Perspektive und unter einem gemeinsamen Paradigma auf die pflegebedürftigen Personen, deren eigener Betrachtung ihrer Situation und ihrer Intention zu schauen und auf das, was Pflege zur Lebensqualität beitragen kann. Dazu ist, Dank des Strukturmodells und derer, die sich um die Implementierung bemühen, der Anfang gemacht.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Literatur Bundesministerium für Gesundheit (2014): Abschlussbericht zum Projekt  „Praktische Anwendung des Strukturmodells – Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“, Berlin/Witten, Internetquelle: https://www.ein-step.de/fileadmin/content/documents/ Abschlussbericht_und_Anlagen__fin20140415_sicher.pdf, Abruf: 31.07.2016 Ein-STEP_1 (2014): Projekt  „Praktische Anwendung des Strukturmodells Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation in der ambulanten und stationären Langzeitpflege“, Projektbüro Ein-STEP c/o IGES Institut GmbH, Berlin, Internetquelle: https://www.ein-step.de/fileadmin/content/documents/Abschlussbericht_ und_Anlagen__fin20140415_sicher.pdf, Abruf: 01.08.2016 Ein-STEP_2 (2016): Das Strukturmodell zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation und das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit – Unterschiede und Zusammenhänge, Projektbüro Ein-STEP c/o IGES Institut GmbH, Berlin, Internetquelle: https://www.ein-step.de/fileadmin/ content/documents/Thesenpapier_PB_nB_SIS_fin_2016-07-26.pdf, Abruf: 01.08.2016 Ein-STEP_3 (2016): Informations- und Schulungsunterlagen für Pflegeeinrichtungen und Multiplikator(inn)en (Version 1.2), Projektbüro Ein-STEP c/o IGES Institut GmbH, Berlin D. W. Eilert (2013): Mimikresonanz, Gefühle sehen. Menschen verstehen, Junfermann Verlag, Paderborn Dr. K. Wingenfeld et. al. (2011): Das neue Begutachtungsinstrument zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit, Schriftenreihe-Modellprogramm zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, Band 2, GKV-Spitzenverband, Berlin MDS_1: Die Selbstständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Köln, Internetquelle: https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/ Publikationen/SPV/Begutachtungsgrundlagen/Fachinfo_PSG_II.pdf, Abruf: 30.07.2016 SIS® – stationär – ambulant: Strukturierte Informationssammlung für den stationären oder ambulanten Bereich, Internetquelle: https://www.ein-step.de/downloads/ Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (2009): Lehrplanrichtlinien für die Berufsschule für Altenpflege, 1. – 3. Schuljahr, Internetquelle: https://www.isb.bayern.de/download/8519/lpr-bfsaltenpflege-2009.pdf U. Flick, E. v. Kardorff, I. Steinke (2007): Qualitative Forschung, S. 356 - 357, Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Reinbek bei Hamburg § 14 SGB XI (21.12.2015): Begriff der Pflegebedürftigkeit, Internetquelle: http://www.sozialgesetzbuch-sgb. de/sgbxi/14.html, Abruf: 30.07.2016

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9  Das Strukturmodell in der theoretischen und praktischen Ausbildung von Pflegefachkräften

10 Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen und Pflegedokumentation14 10.1 Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen* Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen handelt es sich um elementare Eingriffe in die Grundrechte von betreuungs- bzw. pflegebedürftigen Menschen. Zu nennen sind u. a. die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Eine selbstbestimmte Lebensführung ist daher ein sehr hohes Gut. Eingriffe in die Freiheitsrechte bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und stehen grundsätzlich unter einem sogenannten Richtervorbehalt. Es kann und darf sich dabei niemals um sogenannte Routinemaßnahmen handeln! Es geht im Ergebnis um eine Gratwanderung zwischen Schutz und Freiheit, die fachlich fundiert bewertet und entschieden werden muss. Im Kontext zu stationären Pflegeeinrichtungen ist zunächst zu unterscheiden, ob die Maßnahmen aufgrund bestehender Eigen- oder Fremdgefährdung durchgeführt werden. Bei der sogenannten Eigengefährdung ist § 1906 BGB die einschlägige Rechtsgrundlage. Im Rahmen der sogenannten Fremdgefährdung finden die jeweiligen Landesrechte Anwendung (in Hessen z. B. das Hessische Freiheitsentziehungsgesetz – HFEG). Nachfolgend wird auf den § 1906 BGB Bezug genommen. Von freiheitsentziehenden Maßnahmen i. S. v. § 1906 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 GG spricht man, wenn ein Bewohner bzw. eine Bewohnerin gegen seinen/ ihren natürlichen Willen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise in seiner/ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt wird und er bzw. sie diese Beeinträchtigung nicht ohne fremde Hilfe überwinden kann (dazu unten).

14 Beitrag von Dr. Karlheinz Börner -Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Wiesbaden. Der Beitrag stellt die pflegefachliche Sicht sowie Rechtsauffassung der Hessischen Betreuungs- und Pflegeaufsicht - ehemalige Hessische Heimaufsicht (insbesondere) zum Thema Durchführungsnachweise im Bereich der Dokumentation von freiheitsentziehenden bzw. freiheitsbeschränkenden Maßnahmen dar. * Der besseren Lesbarkeit wegen wird der Begriff der  „freiheitsentziehende Maßnahme“ verwandt. Dieser Begriff umfasst auch z. B. Fixierungenen, unterbringungsähnliche Maßnahmen oder freiheitseinschränkende Maßnahmen.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Ist der Bewohner bzw. die Bewohnerin mit einer solchen Maßnahme einverstanden, liegt keine freiheitsentziehende Maßnahme vor. Abgestellt wird hierbei auf die natürliche Einsichts- bzw. Urteilsfähigkeit der jeweiligen Person. Geschäftsfähigkeit ist dabei keine Voraussetzung. Einsichts- bzw. Urteilsfähigkeit liegt dann vor, wenn der Betroffene Wesen, Bedeutung und Tragweite der geplanten Maßnahme erfasst und in der Lage ist, seinen Willen nach dieser Erkenntnis auszurichten. Betroffene sind grundsätzlich vor der Einwilligung über Intensität und Dauer der geplanten Maßnahme aufzuklären. Eine pauschale Einwilligung in jegliche Art von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen rechtfertigt die Vornahme einer einzelnen Maßnahme nicht. Sofern sich die freiheitsentziehnede Maßnahme nach Art und Dauer ändert, ist eine erneute Einwilligung notwendig. Die Erklärung muss nicht schriftlich, sondern kann auch mündlich erfolgen. Aus Beweissicherungsgründen empfiehlt sich die Schriftform bzw. bei mündlichem Einverständnis die Hinzuziehung eines Zeugens (nebst Anfertigung eines Vermerks). Der Betroffene kann seine Einwilligung jederzeit widerrufen. Damit entfällt für die Zukunft die Rechtfertigung der Maßnahme. Problematisch sind die Fälle, in denen zunächst eine Einwilligung vorliegt, der Betroffene infolge einer Erkrankung (z. B. aus dem demenziellen Formenkreis) seine natürliche Einsichts- bzw. Urteilsfähigkeit verliert. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass dann auch die Einwilligung nicht mehr existiert. Weiterhin liegt dann keine freiheitsentziehende Maßnahme vor, wenn sich eine Person aus freiem Willen nicht mehr ausreichend bewegen kann, um das Bett zielgerichtet zu verlassen. Beispiel: Eine Person ist gesundheitsbedingt nicht mehr selbstständig fähig sich fortzubewegen, ein Bettgitter, welches lediglich ein etwaiges Herausfallen verhindern soll, wäre hier keine freiheitsentziehende Maßnahme, da auch ohne das Bettgitter ein freiwilliges Verlassen des Bettes nicht möglich wäre. Alle Maßnahmen, die den betroffenen Bewohner bzw. die betroffene Bewohnerin daran hindern sollen, seinen/ihren Aufenthaltsort zu verändern, stellen grundsätzlich freiheitsentziehende Maßnahmen dar, wie: ƒƒ Regelmäßiges Fixieren des Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen, wie z. B. durch ƒƒ Aufstellen von Bettgittern, ƒƒ Leibgurte oder andere Fixierungsvorrichtungen an Stuhl oder Bett, ƒƒ Absperrung des Zimmers oder der Station, ƒƒ Komplizierte Schließmechanismen an der Tür,

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10  Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen und Pflegedokumentation

ƒƒ Vergabe von Medikamenten, z. B. von ƒƒ Psychopharmaka oder ƒƒ Schlafmittel – mit dem Ziel, die Fortbewegungsfreiheit einzuschränken oder Ruhe in der Einrichtung herzustellen. ƒƒ Sonstige Maßnahmen, wie z. B. ƒƒ Arretieren des Rollstuhls, ƒƒ Ausübung physischen oder psychischen Drucks (z. B. verbale Drohungen), ƒƒ Wegnahme der Bekleidung, des Rollstuhls oder Gehwagens. Sofern der Betroffene nicht einwilligungsfähig ist, erfolgt die Einwilligung bzw. die Anordnung durch den Betreuer/Bevollmächtigten (mit entsprechendem Wirkungskreis). Dieser (der Betreuer/Bevollmächtigte) benötigt zusätzlich eine Genehmigung durch das Betreuungsgericht (vgl. § 1906 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Umsetzung obliegt sodann den Pflege- bzw. Betreuungskräften. Genehmigungspflichtig nach § 1906 Abs. 4 BGB sind Freiheitseinschränkungen, die über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig vorgenommen werden. Ein längerer Zeitraum liegt vor, wenn die in Art. 104 Abs. 2 S. 3 GG angegebene Frist für Freiheitsentziehungen erreicht ist (= spätestens bis zum Ende des Tages nach Beginn der freiheitseinschränkenden Maßnahme – hier gibt es unterschiedliche Sichtweisen). Ein regelmäßiger Freiheitsentzug liegt vor, wenn der Einschränkungsmechanismus stets zur selben Zeit oder aus wiederkehrendem Anlass eingesetzt wird. Darüber hinaus erfasst § 1906 Abs. 4 BGB dem Wortlaut nach nur stationäre Einrichtungen – wie z. B. stationäre Einrichtungen der Altenhilfe und der Behindertenhilfe etc. Strittig ist die Frage, ob § 1906 Abs. 4 BGB auch im häuslichen Bereich Anwendung findet – z. B. wenn ein Pflegedienst FEM durchführt. Hier gibt es völlig unterschiedliche Auffassungen der Betreuungsrichter/innen. Unabhängig einer etwaigen Genehmigungspflicht kann trotzdem jedoch eine unsachgemäße Betreuung/Pflege bis hin zur Straftat vorliegen. Wenn das zuständige Betreuungsgericht nicht von dem Erfordernis einer richterlichen Genehmigung ausgeht, sind freiheitsentziehende Maßnahmen gleichwohl nur bei wirksamer Einwilligung des Betroffenen bzw. Bevollmächtigten/Betreuer oder bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (Notstand – dazu gleich) zulässig. Unabhängig einer gerichtlichen Genehmigungspflicht gelten die übrigen Ausführungen auch im ambulanten Bereich hinsichtlich der ambulanten Pflegedienste, sofern diese freiheitsentziehende Maßnahmen durchführen (Stichworte: Dokumentation, Alternativmaßnahmen etc.). Voraussetzung jeder Freiheitsentziehung ist zudem, dass die freiheitsentziehende Maßnahme oder Unterbringung im Interesse und zum Wohl des Bewohners

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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erforderlich ist. Erforderlich ist sie z. B., um etwa die krankheits- oder behinderungsbedingte Gefahr einer Selbsttötung oder erheblicher Gesundheitsbeschädigung abzuwenden. Gerichtlich genehmigte Maßnahmen sind dabei auf das notwendige Maß zu beschränken (gleicher Wortlaut findet sich im Übrigen in § 8 des Hessischen Gesetzes über Betreuungs- und Pflegeleistungen – HGBP). Die freiheitsentziehenden Maßnahmen müssen zudem geeignet und erforderlich sein, den Schutz des Bewohners zu erreichen. Erforderlich ist die Maßnahme dann nicht, wenn durch ein milderes Mittel der Schutz genauso effektiv erreicht werden kann (Beispiele dazu unten). Bei Vorliegen einer gegenwärtigen konkreten Gefahr für den Betroffenen kann das Personal einer Einrichtung kurzfristig ohne das Vorliegen einer Einwilligung des Betreuers oder Bevollmächtigten freiheitsentziehende Maßnahmen vornehmen, da in diesen Fällen die Voraussetzung für einen rechtfertigenden Notstand i. S. d. § 34 StGB vorliegen. Betreuer oder Bevollmächtigte sind jedoch unmittelbar zu benachrichtigen, da die Voraussetzungen eines rechtfertigen Notstandes als Legitimation einer freiheitsentziehenden Maßnahme grundsätzlich nur bis zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem der Betreuer oder Bevollmächtigte hätte einwilligen können. Die Genehmigung ist nach § 1906 Abs. 2 S. 2 BGB unverzüglich nachzuholen.

10.2  FEM im Kontext zur Pflegedokumentation Zur rechtlichen und tatsächlichen Einordnung bzw. Funktion der Pflegedokumentation wird auf die Ausführungen: Rechtliche Aspekte der Pflegedokumentation aus heimrechtlicher- respektive ordnungsrechtlicher Sicht verwiesen (vgl. Teil I, Kap. 3). Zunächst einmal gilt auch hier folgendes Dogma: Es kommt im Ergebnis nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der Dokumentation an. Nachfolgend werden Anforderungen an die Betreuungs- und Pflegedokumentation aus hessischer Sicht aufgeführt (Auszüge aus dem veröffentlichten Prüfleitfaden): ƒƒ Liegen die erforderlichen gerichtlichen Genehmigungen sowie die Anordnungen der Betreuer/Bevollmächtigten vor? ƒƒ In der Betreuungs- und Pflegeplanung wird die individuelle Situation, die die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen zwingend erforderlich macht, im Sinne eines Auslösefaktors beschrieben.

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10  Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen und Pflegedokumentation

ƒƒ Vor der Einleitung von freiheitsentziehenden Maßnahmen werden Fallbesprechungen zur Prüfung von Alternativen (siehe unten) durchgeführt und dokumentiert. ƒƒ Die Durchführung (…) der Maßnahme wird unter Angabe der Genehmigung und des oder der für die Anordnung der Maßnahme Verantwortlichen dokumentiert. (Anm.: Die Wirkung muss in diesem Kontext einzelfallbezogen so dokumentiert werden, dass eine fachliche Evaluation sodann möglich ist – Stichworte: Abweichungen, Auffälligkeiten etc.). Die Hessische Betreuungs- und Pflegeaufsicht fordert somit (auch) konkrete Durchführungsnachweise. Die Begründung liegt darin, dass es sich bei der Anwendung von FEM um erhebliche Eingriffe in die Persönlichkeits- und Freiheitsrechte von betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen handelt und diese niemals Routinemaßnahmen darstellen (dürfen). Weiterhin handelt es sich um die Durchführung von genehmigten bzw. angeordneten Tätigkeiten – vgl. insoweit auch die Auffassung der  „juristischen Expertengruppe“ zum Thema Durchführungsnachweise in Sachen  „Behandlungspflegerische Maßnahmen“. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen und ausdrücklich hervorzuheben, dass der Prüfung von Alternativmaßnahmen zur Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen eine besondere Bedeutung zukommt, wie beispielsweise: ƒƒ Rutschfeste Schuhe und Socken, ƒƒ Beseitigung von Stolper- respektive Sturzfallen (ggfs. gut sichtbare Markierung der Hindernisse), ƒƒ Kräftigungsübungen sowie Balancetraining, ƒƒ Sensormatten, ƒƒ Hüftprotektoren und Sturzhelme, ƒƒ Niederflurbetten, ƒƒ Ursachen mittels Biografiearbeit erforschen, ƒƒ Verhaltens- und/oder beschäftigungstherapeutische Maßnahmen, ƒƒ Medikamentenneubewertung, ƒƒ Qualifikation des Pflegepersonals im Umgang mit problematischem Verhalten von Heimbewohnern, ƒƒ Signalsender. (Anm.: Vgl. hierzu auch u. a. Literaturangaben)

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Sollte gleichwohl im Einzelfall doch eine freiheitsentziehende Maßnahme notwendig sein, ist diese auf das notwendige Maß zu reduzieren, d. h. sowohl qualitativ – im Wahl der Mittel als auch quantitativ – hinsichtlich der zeitlichen Komponente. Wie eingangs erwähnt, ist hier eine entsprechende Fachlichkeit erforderlich. Von daher fordert das Hessische Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich eine regelmäßige Schulungspflicht der Betreuungs- und Pflegekräfte zum Thema: Vermeidung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 8 HGBP).

Literatur Bachem/Börner/Jorzig, Notwendiger Umfang der Pflegedokumentation aus haftungsrechtlicher Sicht, in: Die Sozialgerichtsbarkeit, Zeitschrift für das aktuelle Sozialrecht, Heft 03/2014, S. 130 f. BIVA – Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e. V., Freiheitsentziehende Maßnahmen, 2. Auflage 2015 Börner/Crößmann/Ziller, Ratgeber Heimrecht, 2008 Brucker, Pflegefachliche Fürsorge oder verselbstständigte Routine? Freiheitseinschränkende Maßnahmen in Heimen und Genehmigungspraxis der Betreuungsgerichte, in: PRO ALTER 2011, S. 47 f. BtPRAX, Online-Lexikon, Betreuungsrecht (Abruf: Oktober 2016) Ein-STEP, Quelle aus dem Internet: www.ein-step.de Hessische Betreuungs- und Pflegeaufsicht, Prüfleitfaden nach § 16 HGBP, Quelle aus dem Internet: https:// rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/content-downloads/Pr %C3 % BCfleitfaden_HGBP. pdf (Abruf: Oktober 2016) Hindrichs/Fährmann, Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen: Ein interdisziplinärer Leitfaden: Rechtliche und pflegefachliche Grundlagen zur Vermeidung von FeM, Wallhalla, 2016 Höfert, Fixierung als  „ultima ratio“, in: Heilberufe/Das Pflegemagazin 2013, S. 37 f. Hoffmann/Klie, Freiheitsentziehende Maßnahmen, 2004 Klie/Pfundstein: Münchener Studie, Freiheitsentziehende Maßnahmen in Münchener Pflegeheimen, in Hoffmann/Klie, Freiheitsentziehende Maßnahmen. Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen in: Betreuungsrecht und -praxis, 2004, 75ff. Köpke/Möhler/Abraham et al : Leitlinie FEM - Evidenzbasierte Praxisleitlinie Vermeidung von freiheitseinschränkenden Maßnahmen in der beruflichen Altenpflege, 2. Auflage 2015, Universität zu Lübeck & Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Kreicker, RFID-Technik in der Dementenversorgung – Herausforderungen für das Betreuungsrecht, in: NJW 13/2009, S. 890 f. Leitfaden des Bayerischen Landespflegeausschusses, Verantwortungsvoller Umgang mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege, Hrsg.: Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, 2015 May/Fröschle/Jochheim et al, Hessisches Curriculum zur Vermeidung freiheitsentziehender Maßnahmen nach dem HGBP, Hrsg.: Hessisches Ministerium für Soziales und Integration Viol, ReduFix, Schulungsmaterial zur Schulungsinitiative zur Reduzierung von freiheitsentziehenden Maßnahmen in Hessen, 2012 Walther, Freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB – Verfahren, Handlungskonzepte und Alternativen, BtPrax 6/2005

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10  Freiheitsentziehende bzw. -einschränkende Maßnahmen und Pflegedokumentation

Teil V Erfahrungsberichte aus der Praxis

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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11  Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege

11 Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege HOLGER HEGERMANN / Der demografische Wandel hat erhebliche Auswirkungen auf die Gesellschaft. Seit vielen Jahren ist im Bereich der ambulanten Pflege eine deutliche Arbeitsverdichtung zu spüren, insbesondere durch die immer stärker wachsende Anzahl der pflegebedürftigen Personen. Dem gegenüber steht ein gravierender Personalmangel, es fehlen professionell Pflegende. Es gibt viele Gründe, wieso Pflegende das Arbeitsfeld ambulante Pflege verlassen. Dazu gehören auch nicht passende Arbeitsbedingungen z. B. nach der Schwangerschaft oder  „auswuchernde Bürokratisierung“. Unser Mobiler Sozial- und Pflegedienst bietet auf eine sehr persönliche Art Pflege- und Sozialdienste an. Alle Dienstleistungen werden aus einer Hand organisiert. Damit fallen zusätzliche Ansprechpartner weg. Der Kunde muss sich nicht immer wieder erklären und kann sich voll und ganz entlang seiner individuellen Wünsche zur Unterstützung und Bewältigung seiner Situation oder auch auf die Genesung konzentrieren. Ergänzend zu den pflegerischen Dienstleistungen haben wir eine große Palette an haushaltsnahen Dienstleistungen. Dazu zählen u. a. Einkaufshilfen, Reinigen der Wohnung, Erledigung von Behördenangelegenheit, klassische Betreuung, aber auch der Besuch von kulturellen Veranstaltungen oder außergewöhnliche Reiseanfragen. Damit bieten wir unseren Kunden eine Rundumversorgung und ermöglichen, auch bei einem größerem individuellen Unterstützungs- und Hilfebedarf in der pflegerischen und psychosozialen Versorgung, in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Das Konzept des Strukturmodells kam für uns zum günstigen Zeitpunkt und mit den richtigen Inhalten. Unsere Dokumentation ist schon vor längerer Zeit verschlankt worden. So arbeiten wir bereits seit 2009 mit strukturierten Maßnahmenplänen, verzichten auf Doppel- oder manchmal Dreifachdokumentation und arbeiten viel mit Querverweisen, z. B.  „siehe QM-Handbuch Standard Grundpflege“. Somit war es für unsere MitarbeiterInnen relativ einfach, sich in die Elemente des Strukturmodells (z. B strukturierte Informationssammlung und den neuen, veränderten Maßnahmenplan) einzuarbeiten und diese zu nutzen. Das neue Berichteblatt muss an dieser Stelle einmal näher beleuchtet werden. In unserem alten Berichteblatt wurden z. T. mehrmals täglich unsinnige Ereig-

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nisse dokumentiert, u. a.  „Frau Meier geht’s gut.“ oder  „Alle Leistungen entsprechend dem Leistungsnachweis ordnungsgemäß erledigt“. MitarbeiterInnen haben dies als Absicherung betrachtet. Mit Einführung des neuen Berichteblattes müssen nur noch Abweichungen von der Maßnahmenplanung oder aktuelle Ereignisse dokumentiert werden – das löste zunächst Angst aus, vor allem bei unseren Hilfskräften. Diese Angst konnten wir aber durch diverse Schulungen und Hilfestellungen nehmen. Nach der Schulung unserer Multiplikatorin im Mai 2015 durch das Ein-STEP-Projektbüro haben wir eine kleine Projektgruppe bestehend aus der Multiplikatorin (zugleich Qualitätsbeauftragte und Pflegedienstleitung), zwei Pflegedienstleitungen und dem Geschäftsführer gebildet. Durch die beschriebene Personalunion konnten Abstimmungsprozesse schneller vorangetrieben werden und es gab keine unnötigen Schnittstellenprobleme. Wichtig ist hierbei, die Entscheidung zur Veränderung der Dokumentation muss von der obersten Leitung getragen werden – in unserem Hause hat die Geschäftsführung gemeinsam mit allen Pflegedienstleitungen die Umstellung entschieden und entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt. Im Zeitraum Juli bis September 2015 legte die Projektgruppe gemeinsam Ziele fest, erstellte einen Projektplan, bewertete das Qualitätshandbuch und suchte nach ersten EDV-Lösungen. Unser Ziel: Verschlankung der Dokumentation um mehr als 15 % und passgenauere Leistungen für unsere Kunden durch einen verbesserten Aufnahmeprozess. Wir führten an unseren Standorten vier Kick-Off Veranstaltungen (dreimal Pflege und einmal Hauswirtschaft/Betreuung) durch. Diese dienten in erster Linie der Begeisterung der MitarbeiterInnen für das neue Dokumentationssystem. In der Pflege nahmen neben der Geschäftsführung, den Pflegedienstleitungen und den Pflegefachkräften auch unsere Hilfskräfte teil, da sie natürlich auch mit dem neuen Dokumentationssystem arbeiten und möglichst gleichwertig behandelt werden sollten. Für unsere Hauswirtschafts- und Betreuungskräfte war solch eine umfangreiche Dokumentation neu. Bisher bestand diese aus einem einzelnen Blatt in der Dokumentation, jetzt ist sie mit der Pflegedokumentation verzahnt: Maßnahmen der Hauswirtschaft und Betreuung werden in einem eigenen Maßnahmenplan dargestellt und Abweichungen im Berichteblatt dokumentiert. So ist es uns gelungen, eine bessere Kommunikation zwischen den MitarbeiterInnen der unterschiedlichen Berufsgruppen zu schaffen und eine bessere Kundenversorgung zu gestalten.

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11  Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege

Abb. 1: SIS®-Formular einmal ganz anders

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Kick-Off Veranstaltung inhaltlich Nach der ausführlichen Erläuterung zur Neuausrichtung unserer Pflegedokumentation auf der Grundlage des Strukturmodells einschließlich der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) und Darlegung unserer Ziele (neben der Verschlankung der Dokumentation um mindestens 15 % z. B. auch Entlastung der MitarbeiterInnen in der Pflege und dadurch Erhöhung der Motivation und Reduktion der Belastungen), näherten wir uns mittels eines  „spielerischen Verfahrens“ der SIS® und veranstalteten ein Quiz:  „Sortiere die Begrifflichkeiten Demenz, Rollstuhl, Waschen/ Duschen, Harninkontinenz, Sturzgefahr, Schmerzen etc. den Themenfeldern 1 – 6 zu.“ Anfänglich war es zäh, aber nach einer guten Stunde und viel Spaß bei den Gruppenarbeiten stand das Ergebnis – die Inhalte unserer SIS®! Die Kick-Off Veranstaltungen dauerten drei – vier Stunden und am Ende waren (fast) alle MitarbeiterInnen begeistert und interessiert. Im Vordergrund dieser Veranstaltungen stand in erster Linie der Paradigmenwechsel, also alles auf  „null“ zu setzen. Ohne diesen ist die Arbeit mit der Strukturierten Informationssammlung nicht möglich. Der Grundstein war gelegt. Als Erstes wurden Neukunden nach der neuen Dokumentation aufgenommen. Diese Aufgabe übernahmen in erster Linie die Pflegedienstleitungen und ausgewählte, erfahrene Pflegefachkräfte. Schnell wurde allerdings klar, selbst bei erfahrenen Pflegefachkräften fehlt Grundwissen oder besser: Fachlichkeit. Ältere MitarbeiterInnen äußerten häufiger, dass sie den Mut zu eigenen fachlichen Entscheidungen verlernt haben. Jüngere hingegen problematisierten, dass sie durch das schematische Ankreuzen die Bedeutung von Fachlichkeit so nicht gelernt bzw. angewandt haben. Zum Teil konnten einfache Beurteilungen, z. B. Risikoeinschätzung einer Hautrötung, nicht zutreffend abgegeben werden. Über viele Jahre haben es Pflegefachkräfte gelernt, sich anhand von Skalen abzusichern und dabei die Fachlichkeit ausgeblendet. Selbst das freie Schreiben in der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) musste wieder erlernt werden – auch hier bestand das  „Schreiben“ in der Vergangenheit aus dem  „Anklicken“ bestimmter Bausteine, die das Softwareprogramm vorgab. Daraufhin  „krempelten“ wir im Januar 2016 kurzerhand unseren Fortbildungsplan um und konzipierten einen neuen, mit der Ausrichtung die  „Pflegefachlichkeit zu fördern“. Allerdings war das eine kritische Passage: es handelte sich nicht mehr um das Erlernen der eigentlichen Dokumentation, sondern um die Vermittlung von Pflegefachwissen – Basiswissen! Mut zu dieser Entscheidung gab uns dabei unsere eigene Zielsetzung, die Motivation und Entlastung unserer Mitarbeiter. Die Fortbil-

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11  Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege

Zeitplan Neuaufnahmen werden mit der SIS in Mitte/Huchting aufgenommen

06.04.2016 3. Reflektionstreffen M/H

09.02.2016 Schulung Sozialdienst

12.05.2016 1. Reflektionstreffen Nord

13.04.2016 Neuaufnahmen werden in Nord mit der SIS aufgenommen

01.10.2015

04.08.2016 3. Reflektionstreffen Nord 31.12.2016

heute

03.02.2016 1. Reflektionstreffen M/H

02.03.2016 2. Reflektionstreffen M/H

16.06.2016 2. Reflektionstreffen Nord 12.04.2016 Schulung Pflege Nord

08.09.2016 4. Reflektionstreffen Nord

Abb.2: Meilensteine im Zeitplan

dungen wurden und werden sowohl von externen Dozenten als auch von unseren Pflegedienstleitungen gehalten. Unseren PflegeschülerInnen wird in den Schulen leider immer noch fast ausschließlich der 6-phasige Pflegeprozess auf der Grundlage der AEDL-Systematik vermittelt. Ein richtiges Umdenken hatte bisher in den Ausbildungsstätten noch nicht stattgefunden. Wir haben die Situation dadurch gelöst, dass die Praxisanleiter zusätzlich die theoretische Einführung in das Strukturmodell und die praktische Anwendung übernommen haben. Nachdem der Ablauf der Aufnahme von Neukunden inhaltlich und zeitlich umgestellt war, folgten die Bestandskunden. Je nach Bereich (Pflege oder Hauswirtschaft) wurden innerhalb von 4 Wochen 8 – 10 Kunden umgestellt, was ungefähr in einer Pflegetour dem Anteil der SGB XI Kunden entspricht. Damit haben wir sichergestellt, dass kein Mitarbeiter überfordert wird und sowohl die Multiplikatorin als auch die Pflegedienstleitungen genügend zeitliche Ressourcen zur Verfügung haben, mit jedem Kunden einzeln ins Gespräch zu gehen. Die Umstellung der Bestandskunden erfolgte durch die Stammpflegekraft, was immer eine Pflegefachkraft ist. Die MitarbeiterInnen nahmen das Dokument  „Strukturierte Informationssammlung“ zum Anlass, die aktuelle Situation neu zu erfassen. Spannend war dabei besonders die Eingangsfrage:  „Was bewegt Sie im Augenblick? …“. Hier gab es zum Teil  „Aha-Effekte“, z. B. sprudelte es aus sonst sehr ruhigen Kunden nur so heraus und wir lernten völlig neue Seiten an unseren langjährigen Kunden kennen. Mögliche Unsicherheiten im Umgang mit den neuen Dokumenten (z. B. dem freien Formulieren in den Themenfeldern der SIS®) oder bei den pflegefachlichen

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Einschätzungen seitens der MitarbeiterInnen wurden direkt mit der Multiplikatorin oder den Pflegedienstleitungen besprochen. Zusätzlich haben wir je Bereich (Pflege oder Hauswirtschaft) zwei – vier Reflexionstreffen im Zeitabstand von jeweils einem Monat durchgeführt. Rückblickend können wir heute schon sagen, dass die bisherige Umstellung ohne größere Reibungsverluste erfolgte. Mit einer abschließenden Umstellung an allen Standorten ist Ende 2016 zu rechnen. Wie im Projektplan ersichtlich, erfolgte im Zeitablauf Juli bis September 2015 die Umstrukturierung der Dokumentation, u. a. sind Assessments im Aufnahmeprozess (Neukunden) zum Thema Ernährung, Kontinenz, Sturz, u. a. weggefallen, da diese Informationen nun in der SIS® erfasst werden. Weitere Anpassungen von Regelungen im Qualitätsmanagementhandbuch sowie damit in Zusammenhang stehender Dokumente erfolgten während der Umstellung. Wichtig war und ist uns dabei, dass alle Regelungen und Dokumente praxistauglich sowie gut verständlich sind und auch von anderen an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen oder angelernten MitarbeiterInnen zweckgemäß genutzt werden.

Prozess der Anpassung an das bestehende Dokumentationssystem Da wir bereits seit 2009 eine EDV-gestützte Dokumentation haben, erfolgte die Umstellung auch auf dieser Basis. Digitale Dokumentationssysteme sind gut und wichtig – diese Systeme sind enorm arbeitserleichternd. Allerdings haben wir uns klar dazu entschieden, im Umstellungsprozess keine Verknüpfungen in der EDV zu nutzen. Dokumentationssysteme geben dem Nutzer bei Themeneingaben gleich den nächsten Schritt vor und verhindern somit, dass die Pflegefachkraft zunächst eine fachliche Einschätzung vornimmt und auf dieser Basis Entscheidungen zum weiteren Vorgehen trifft und dokumentiert.

Auswirkungen auf den Arbeitsalltag in den Pflegediensten, die Kommunikation im Team und Ausblick Aufgrund des enormen Kostendrucks und der  „auswuchernden Bürokratisierung“ in der ambulanten Pflege gab es schon des Öfteren die Situation der sogenannten  „Renn-Pflege“ – es fehlte an Zeit für den Menschen. Grund für die Umstellung war letztlich die bisher (unnötig) aufgewendete Zeit für die Dokumentation. Unser erklärtes Ziel, mindestens 15 % der Dokumentationszeit einzusparen, ist erreicht und kommt jetzt wieder den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen zugute.

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11  Umsetzung des Strukturmodells in der ambulanten Pflege

Ein wesentlicher Vorteil z. B. der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) ist die Übersichtlichkeit, alle relevanten Themenbereiche zum Kunden sind auf einem Blatt dargestellt. So muss jetzt die fachliche Einschätzung nicht mehr auf mehrere Blätter verteilt dokumentiert und umfangreich die Beratung dazu beschrieben werden. Es wird der Fachkraft jetzt wieder Vertrauen in ihre Pflegefachlichkeit  „geschenkt“ (z. B. auch aus Sicht des Medizinischen Dienstes, anderen Prüfinstitutionen oder der Kostenträger). Innerhalb unserer Organisation ist die Dokumentation heute kein belastendes Thema mehr. Natürlich finden das nicht alle MitarbeiterInnen plötzlich spannend. Aber durch die neuen und noch einfacheren Dokumente, wie SIS®, Maßnahmenplan und Berichteblatt sowie dem Wegfall der kleinteiligen Pflegeplanung nach AEDL und der haarkleinen Dokumentation von Beratungsinhalten im Aufnahmeprozess, können sich viele MitarbeiterInnen mit der neuen Dokumentation anfreunden. Wir würden jedem ambulanten Pflegedienst empfehlen, den Weg der Entbürokratisierung zu gehen – es ist eine große Herausforderung, die sich aber nach der Umstellung schnell in Zeit für pflegebedürftige Menschen, deren Angehörige und MitarbeiterInnen auszahlt.

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12 Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege CLAUDINA HILLENBRAND-ILLIES (FORT-UND WEITERBILDUNGSSTÄTTE DRK SCHWESTERNSCHAFT  „ BONN“ E.V.) / Im Folgenden werden wesentliche Erkenntnisse bei der Einführung des Strukturmodells in Bezug auf eine stationäre Einrichtung der freien Wohlfahrtspflege mit 100 Plätzen für pflegebedürftige Personen beschrieben. In der Funktion als geschulte Multiplikatorin eines Wohlfahrtsverbandes und Leiterin einer Weiterbildungsstätte wurden sieben stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen im Rahmen der Implementierung des Strukturmodells geschult und begleitet. Des Weiteren fanden am Fortbildungsstandort Bonn sechs weitere Schulungen für einrichtungsinterne Multiplikatoren statt. Im Folgenden soll das Vorgehen und die Erfahrungen exemplarisch an der Einführung in einer Einrichtung beschrieben werden. Der Entschluss der Einrichtung an der Einführung des Strukturmodells teilzunehmen, wurde Ende 2014 durch die Einrichtungs- und Pflegedienstleitung getroffen, nachdem sich diese schon zuvor intensiv mit der Überlegung der  „Entbürokratisierung der Pflegedokumentation“ auseinandergesetzt hatten. Der Beschluss wurde dem Landesverband mitgeteilt und es erfolgte die Anmeldung im Projektbüro. Die hohe Motivation der Leitungen und ihre Bereitschaft Veränderungen gemeinsam mit den Mitarbeiter/innen zu gestalten, waren ein wesentlicher Garant für die Implementierung des Strukturmodells. Zu Beginn des Projektes konstituierte sich das Lenkungsteam, bestehend aus der Einrichtungsleitung, der Pflegedienstleitung, den Wohnbereichsleitungen, der Leitung des Sozialen Dienstes, dem externen Qualitätsmanagementbeauftragten und der Autorin als Multiplikatorin. Das Lenkungsteam traf sich über den Zeitraum der Umsetzung fünfmal und die Hauptaufgaben umfassten die Erstellung und Anpassung des Meilensteinplans, die Gesamtsteuerung und Leitung des Projektes und die Planung der Projektgruppenarbeit. Die Autorin hatte die Funktion der Steuerung im Lenkungsteam und übernahm vornehmlich die Beratung zur Anpassung des Qualitätsmanagements und des Dokumentationssystems. Ein zweiter Schwerpunkt lag in der Durchführung aller Schulungen und der Überprüfung der neu erstellten Pflegedokumentationen, sowie der Durchführung der Reflexionstreffen und der Evaluation. Die Auswahl der Projektgruppenmitglieder mit jeweils einer Person aus den Bereichen Pflege, Sozialer Dienst und Betreuung haben wir im Lenkungsteam eingehend erörtert, da diese in Zukunft als Multiplikatoren der Einrichtung, als sogenannte  „Vervielfältiger“, agieren sollen. Als Auswahlkriterien hierzu

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zählten unter anderem die Motivation des Mitarbeiters zur Projektarbeit, Qualifikation, z. B. Praxisanleiter, der Mut zum  „Querdenken“ und die Lust auf  „Veränderung“. Das Projekt wurde in den internen Qualitätsentwicklungsplan 2015/2016 aufgenommen. Der Prozess der Umstellung wurde durch das Lenkungsteam in mehrere größere Meilensteine gegliedert und sollte den Zeitraum von einem Jahr (01.01.2015 – 31.12.2015) umfassen. Ein Hauptziel der Einrichtungsleitung und Pflegedienstleitung war es, ausreichend zeitliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um eine Überforderung der Mitarbeiter/innen zu vermeiden. Tab. 1: Auszüge Meilensteinplan: Meilenstein

Inhalte

Zeitraum

Meilenstein 1

Sichtung und Anpassung QM-Handbuch durch 01. – 03.2015 externen Qualitätsmanagementbeauftragten, Pflegedienstleitung und Autorin

Meilenstein 2

Multiplikatoren Schulung durch Autorin

05. – 07.2015

Meilenstein 3

Erstellen der  „Immer-so“ Leistungsbeschreibungen durch Projektgruppe unter Leitung der Pflegedienstleitung und Autorin

04. – 06.2015

Meilenstein 4

Zwei Eintägige Schulungen der Mitarbeiter durch Autorin

05. – 07.2015

Meilenstein 5

Umstellung papiergestützter Dokumentation

08. – 12.2015

Meilenstein 6

Umstellung auf EDV gestützte Dokumentation

08. – 12.2015

Meilenstein 7

Reflexionstreffen und Evaluation durch Autorin

begleitend/abschließend

Während der Durchführung des Projektes zeigte sich, dass einzelne Meilensteine zeitlich wie auch inhaltlich angepasst werden mussten, da der geplante Zeitkorridor nicht eingehalten werden konnte. Hierauf wird im Folgenden noch näher eingegangen. Vorbereitend zur Einführung des Strukturmodells wurden die Qualitätshandbücher evaluiert und an die Vorgaben des Strukturmodells angepasst. In der Regel wird diese Aufgabe in den Einrichtungen durch den Qualitätsmanagementbeauftragten wahrgenommen, was allerdings im konkreten Fall, aus organisatorischen Gründen, nicht möglich war. Die Bearbeitung der Qualitätshandbücher wurde durch die Pflegedienstleitung mit Unterstützung der Autorin übernommen. Der Zeitplan des ersten Meilensteins konnte aus diesem Grund nicht eingehalten werden und wurde deshalb um zwei Monate verlängert.

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12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

Pflegerisches Selbstverständnis

Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen

Personzentrierter Ansatz

Berufsethische Grundsätze

Pflegeleitbild

Abb. 1: Plakat zum ersten Treffen der Projektgruppe – Auseinandersetzung mit dem Begriff  „Personzentrierter Ansatz“ und Reflexion des eigenen pflegerischen Selbstverständnisses

Besondere Berücksichtigung bei der Überarbeitung der Qualitätsmanagementhandbücher fand der personzentrierte Ansatz, der sich im Leitbild wie auch in den Pflege- und Betreuungskonzepten widerspiegeln sollte. Die gesamten Kernprozesse und Arbeitsabläufe wurden ebenfalls unter diesem Aspekt intensiv reflektiert und in den gemeinsamen Projektgruppentreffen mit den Wohnbereichsleitungen und der Leitung des Sozialen Dienstes und Betreuung abgestimmt und angepasst. Insbesondere wurden die Prozesse beleuchtet, bei denen es zu Überschneidungen in den Arbeitsfeldern kommt, wie zum Beispiel der Neueinzug einer pflegebedürftigen Person. Eine 1-stündige Kick-off-Veranstaltung diente dazu, alle Mitarbeiter/innen und Bewohner/innen einschließlich Heimbeirat sowie die Angehörigen über das Projekt und dessen Zielsetzung zu informieren. Viele Pflegebedürftige und auch Angehörige zeigten sehr hohes Interesse und äußerten sehr häufig, dass zu viel Zeit der

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Pflegekräfte für die Dokumentation genutzt wird. Die Heimaufsicht und der Medizinische Dienst der Krankenkassen sowie die Ärzte wurden ebenfalls in Kenntnis gesetzt und zeigten sich der Umstellung positiv gegenüber. Das erste Treffen der Projektgruppe fand im Januar 2015 statt. Hier ging es vornehmlich um das eigene pflegerische Selbstverständnis auf der Grundlage des einrichtungsinternen Leitbildes unter Zuhilfenahme der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen. Die Teilnehmer setzten sich intensiv mit den berufsethischen Grundsätzen und deren Umsetzung im pflegerischen Alltag auseinander. Dieser Tag führte zu einem bewussten Reflektieren des eigenen pflegerischen und betreuerischen Handelns und diente ebenfalls der Auseinandersetzung mit den vorgegebenen Organisationsstrukturen in Hinblick auf die konkrete Umsetzung des personzentrierten Ansatzes im Alltag einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung. Organisatorisch wurde vor allem diskutiert über die Durchführung der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) gemeinsam mit dem Pflegebedürftigen, im Vergleich zur Durchführung der bisherigen Pflegeanamnese. Wo und wann soll das Gespräch stattfinden? Wer soll es mit dem Pflegebedürftigen führen, wie lang soll es dauern und auch die Frage, geht das überhaupt gemeinsam? Alle Projektmitglieder empfanden das erste Treffen als sehr konstruktiv und es stellte für die weitere Arbeit mit dem Strukturmodell eine wichtige Grundlage dar.

Vorbereitung zur Einführung des Strukturmodells Die Pflegedienstleitung, die Wohnbereichsleitungen, die Leitung des Sozialen Dienstes und die weiteren Projektmitglieder wurden an zwei Tagen hausintern zu Multiplikatoren geschult, um anschließend bei der Umstellung der Dokumentation die Mitarbeiter/innen zu unterstützen. Die Projektgruppe arbeitete anschließend in Kleingruppen überwiegend an den Pflege- und Betreuungsstandards, also an den  „Immer-so“ Leistungsbeschreibungen. Darüber hinaus wurden in den regelmäßig stattfindenden Treffen der Projektgruppe (ca. alle 4 Wochen) Entscheidungen zum Inhalt und Layout von Formularen getroffen und immer wieder die Frage  „Ist das Kunst oder kann das weg?“ in Bezug auf das Formularwesen und die Assessmentinstrumente gestellt. Es wurden im Projektteam neue Formulare für den Maßnahmenplan und das Berichteblatt entwickelt und eine exemplarische Dokumentationsmappe erstellt. Diese konnte in erheblichen Umfang reduziert werden. Allein durch die komprimierte Situationseinschätzung entlang der SIS®, die Abkehr vom 6-stufigen Pflegeprozess, sowie den

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12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

Verzicht auf Einzelleistungsnachweise im grundpflegerischen Bereich, fielen bis zu zwanzig Seiten weg. Die Erarbeitung der Leistungsbeschreibungen im grundpflegerischen und betreuerischen Bereich verlief zügig ohne Schwierigkeiten. Die Anzahl wurde bewusst gering gehalten und in einem mittleren Detaillierungsgrad beschrieben. Eine große Unsicherheit und Herausforderung stellten im Gegensatz dazu das Festlegen eines veränderten Verfahrens in Bezug auf die Umsetzung der Expertenstandards und die veränderten Anforderungen in Bezug auf den Einsatz und die Anwendung von Assessmentinstrumenten dar. In zwei weiteren begleitenden Treffen präsentierten die Kleingruppen die von ihnen erarbeitenden Inhalte der Expertenstandards und klärten, wann der Einsatz von Assessmentinstrumenten notwendig und sinnvoll ist. Diese Bearbeitung verfolgte auch den Zweck, die Funktion der Risikomatrix im Sinne einer Ersteinschätzung (Initialassessment) in einem nächsten Schritt besser verstehen zu können. Ein weiterer Schwerpunkt der Projektgruppenarbeit lag auf der Vorbereitung der direkten Umsetzung des Strukturmodells in den pflegerischen Alltag. Welche organisatorischen Veränderungen muss es geben, um die Dokumentation tagesaktuell zu halten und um nicht weiter mit einem  „fiktiven Verfallsdatum“ zu arbeiten? Wie können wir uns von den sogenannten  „Dokumentationstagen“ verabschieden, ohne Gefahr zu laufen, dass dann nicht mehr oder nur unzureichend evaluiert und angepasst wird? Das bisherige zeitaufwendige Verfahren der Dokumentation, mit Erstellung einer seitenlangen Pflegeprozessplanung, dem Ausfüllen und dreimonatigen Evaluieren der Assessmentinstrumente, sowie das Abzeichnen aufwendiger Einzelleistungsnachweise, sollte ersetzt werden durch eine  „schlanke“, tagesaktuelle Dokumentation. Die Projektgruppe beschloss, die interne Ablauforganisation, hierzu zählen auch die Übergabezeiten, (interdisziplinäre) Fallbesprechungen und Pflegevisiten, in den einzelnen Wohnbereichen kritisch zu überprüfen, um Zeitkorridore für die tägliche Dokumentation bzw. Evaluation herauszufiltern. Die zusammengetragenen Ergebnisse wurden im Lenkungsteam erörtert und bestätigten, dass die Integration der Dokumentation und Evaluation in den alltäglichen Ablauf notwendig ist und somit auch die Möglichkeit der tagesaktuellen Dokumentation gegeben ist. Um dies zu gewährleisten, beschloss das Lenkungsteam, dass die Übergabezeiten zur Dokumentation und Evaluation intensiver genutzt und zu Beginn der Umstellung durch die Pflegedienstleitung und die Wohnbereichsleitungen begleitet werden sollten.

Dokumentieren mit dem Strukturmodell

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Die Überlegung aus Zeitersparnis die Umstellung der Dokumentation auch zeitgleich von der papiergestützten auf eine EDV gestützte Dokumentation durchzuführen, erwies sich als nicht machbar, da der in der Heimverwaltung schon vertretende EDV-Anbieter noch kein dem Strukturmodell entsprechendes Programm zu bieten hatte. Außer den oben genannten Multiplikatoren Schulungen fanden ebenfalls zwei eintägige Schulungen zum Strukturmodell für alle Fachkräfte aus der Pflege und Betreuung statt. Der Schwerpunkt lag hier auf dem Selbstverständnis der Teilnehmer/ innen, dem personzentrierten Ansatz und wie sich dieser in den einzelnen Elementen des Strukturmodells widerspiegelt. Praktische Übungen am konkreten Beispiel dienten dazu, diesen Ansatz für alle verständlicher und praxisnäher zu machen, da ein alleiniger theoretischer Input in den eintägigen Schulungen und auch in den Multiplikatoren Schulungen nicht ausreicht. Bei diesen ersten  „Trockenübungen“ hatten die Mitarbeiter/innen die Möglichkeit, erste Kenntnisse anzuwenden und sich kollegial auszutauschen. Die entwickelten Leistungsbeschreibungen für die regelmäßig wiederkehrenden Abläufe der Grundpflege und Betreuung („Immerso“ Leistungen) und die Änderungen im Qualitätsmanagementhandbuch wurden durch die Pflegedienstleitung in zwei zweistündigen Schulungen pro Wohnbereich erläutert, damit alle Mitarbeiter/innen Kenntnis zu den Neuerungen erhielten. Dies dient auch der Sicherstellung der gleichmäßigen Qualität der Versorgung. Im Rahmen der Organisationsverantwortung wurde von allen Mitarbeitern/innen die Kenntnisnahme gegengezeichnet.

Einführung des Strukturmodells Die sehr intensive Vorbereitung sowohl auf struktureller als auch auf inhaltlicher Ebene war den Einrichtungsleitungen sehr wichtig, um für die Umstellung gut vorbereitet zu sein und alle Mitarbeiter/innen bei diesem Projekt mitzunehmen. Die hohe Informations- und Schulungsdichte förderte bei vielen die Motivation, das Strukturmodell in der Einrichtung zeitnah umzusetzen. Die Vorbereitungszeit stellte sich als sehr wertvoll heraus, da viele Stolpersteine im Voraus schon antizipiert wurden und somit in der Umstellungsphase keine größeren Probleme darstellten. Insbesondere dienten hierzu die vorbereitende intensive Auseinandersetzung mit den Steuerungs- und Kommunikationsprozessen. Die Umstellung der Pflegedokumentation startete, einen Monat später als geplant, im September 2015, da wie bereits erläutert das Anpassen des Qualitätsmanagementhandbuchs und die Schulungen sehr zeitintensiv waren. Zudem konnte der EDV-Anbieter bis August keine adäquate Software liefern, sodass sich die Ein-

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12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

richtungsleitung entschied, bis Ende 2015 einen alternativen Anbieter zu finden. Aus diesem Grund erfolgte die Umstellung auf papiergestützte Dokumentation, die zuvor in der Projektgruppe entwickelt wurde. Die im Lenkungsteam geplante sukzessive Umstellung erfolgte in den drei Wohnbereichen zeitgleich. Innerhalb der Wohnbereiche waren die  „Vervielfältiger“ für die Organisation der Umstellung verantwortlich und die Pflegedienstleitung für Nachschulungen, Beratung und Überprüfung sowie die Evaluation. Innerhalb des vorgegeben Zeitraums sollten die Pflegedokumentationen aller Bewohner auf der Grundlage des Strukturmodells umgestellt werden. Die Vorgaben des Qualitätsmanagements zum Strukturmodell mussten hierbei berücksichtigt werden. Dies bedeutete, dass die Umstellung der bereits vorhandenen Dokumentationsakten von Bewohnern nur durch ein persönliches Gespräch auf Grundlage der SIS® erfolgen durfte und nicht alleine durch das  „Übertragen“ der alten Dokumentationsdaten. Während der Umstellung der Dokumentation kam es trotz der Vorbereitungszeit zu einigen im Weiteren beschriebenen Stolpersteinen, die den Prozess hemmten. Durch personelle Engpässe konnte das 4-Augen-Prinzip, also das gemeinsame wohnbereichsinterne Erstellen bzw. Gegenlesen der neu erstellen Dokumentation nicht immer umgesetzt werden und daraus resultierende Unsicherheiten bei der Umstellung nicht immer direkt begleitet werden. Zur Unterstützung führten die Pflegedienstleitung und die Multiplikatoren verstärkt Pflegevisiten und Dokumentationskontrollen durch, um die Fachlichkeit und den Geist des Projektes sicherzustellen. Die Leistungsbeschreibungen und Veränderungen aus dem Qualitätsmanagement waren trotz Schulungen nicht durchgängig allen Mitarbeiter/innen bekannt und mussten wiederholt geschult werden. Die Einhaltung von Fristen und Verbindlichkeiten waren nicht bei allen Mitarbeiter/innen gegeben und mussten zeitweise verstärkt eingefordert werden. Viele Mitarbeiter/innen waren hochmotiviert, trauten aber ihrer eigenen Fachlichkeit nicht und konnten sich nur schwer von der bisherigen Dokumentation lösen. So fiel es vielen schwer, sich vorrangig auf ihre fachliche Kompetenz zu verlassen und nicht alleine auf das schematische Ausfüllen der unterschiedlichsten Skalen. Zur Unterstützung wurden vermehrt in den Übergaben Fallbesprechungen durchgeführt, um im kollegialen Austausch Sicherheit bei der Erstellung der Strukturierten Informationssammlung (SIS®) und der darauf aufbauenden Maßnahmenplanung zu geben. Das Ausfüllen der Risikomatrix und die Inhalte der Expertenstandards waren nicht allen Mitarbeiter/innen geläufig. Die Pflegedienstleitung und die internen Multiplikatoren schulten beides zur Unterstützung in den Übergaben und setzten dieses in Fallbesprechungen (s. o.) um. In der Umstellungsphase zeigte sich, dass

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eine enge Begleitung durch die Pflegedienstleitung und die internen Multiplikatoren benötigt wurde und diese Unterstützung in hohem Maße zur Sicherheit und Motivation beitrug. Fragen und Unsicherheiten, die entstanden, wurden zeitnah, auch telefonisch oder per E-Mail, beantwortet. Die drei halbtägigen Reflexionstreffen im Zeitraum von November 2015 bis März 2016 waren für die Pflegedienstleitung und die internen Multiplikatoren sehr wichtig, um die Umsetzung zu reflektieren und die Weiterentwicklung des Projektes zu planen. Die Zeiten wurden außerdem dazu genutzt, Dokumentationen zu überprüfen und direkt mit den verantwortlichen Pflege- und Betreuungskräften zu besprechen. Die Umstellung der gesamten Dokumentation war zum 15.03.2016 abgeschlossen.

Fazit und Ausblick Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Akzeptanz des Strukturmodells bei den Mitarbeiter/innen sehr groß ist und dass viel Motivation und Spaß an der Sache zu beobachten waren. Dies zeigte sich insbesondere an der zügigen Überführung der bestehenden Dokumentation in das Strukturmodell. So ungewohnt es den Mitarbeitern/innen bisher war, in einem persönlichen Gespräch den weiteren Pflegeprozess mit der pflegebedürftigen Person zu vereinbaren, umso wertvoller wurden diese für die individuelle Maßnahmenplanung empfunden. Nach etwa acht Wochen zeigte sich bei den Mitarbeiter/innen, dass das Strukturmodell verstanden und schon routinierter angewendet wurde und sich weiterhin stetig verbesserte. Das Projekt forderte insbesondere in der Vorbereitungsphase und zu Beginn der Umstellung zusätzliche zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen, die von der Einrichtungsleitung und der Pflegedienstleitung und dem größten Teil der Mitarbeiter/innen getragen und unterstützt wurden. Die Überarbeitung und Anpassung des Qualitätsmanagements war sehr umfassend und führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den festgelegten Dokumentations- und Evaluationsvorgaben, dem Risikomanagement und noch vielen weiteren Kernprozessen. Häufig führte dies zu einem Zwiespalt zwischen dem Interesse an einer vermeintlichen  „Handlungs- und Prüfungssicherheit“ und dem Wunsch der Einführung des Strukturmodells. Parallel konnten routinehaft gewordene Organisationsprozesse kritisch reflektiert und Abläufe neu gestaltet werden. Damit das Qualitätsmanagement nicht zu einem Hemmschuh bei der Umsetzung des Modells wird, müssen im Vorfeld die Funktion der Dokumentation im Hause geklärt werden und die Prozesse von allen Beteiligten zur Umsetzung des Strukturmodells angepasst werden. Die zeitlichen Ressourcen, die durch die Ent-

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12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

bürokratisierung zu erwarten sind, werden zurzeit noch zur Vertiefung, Übung und zum Controlling benötigt. Trotz der zuvor beschriebenen Stolpersteine konnte die Zusammenarbeit der Mitarbeiter/innen aus Pflege, Sozialer Dienst, Betreuung und Hauswirtschaft intensiviert werden. Dieser stetige Austausch in den Übergaben und Fallbesprechungen sowie die gemeinsame Planung mit dem Pflegebedürftigen im Rahmen der SIS® und der Evaluation haben sich zum Wohl des pflegebedürftigen Menschen deutlich verbessert. Die Bewohner fühlen sich mit ihren Bedürfnissen und Wünschen wesentlich mehr wahrgenommen und dies wird von vielen auch so geäußert. Die Übergabezeiten werden von den Mitarbeiter/innen zunehmend genutzt, um im 4-Augen-Prinzip die Dokumentationen zu erstellen oder zu evaluieren. Wie eingangs schon dargestellt, waren die Leitungen der Einrichtung hoch motiviert, das Strukturmodell in ihrer Einrichtung zu implementieren. Die Motivation und das Engagement während des Projektes übertrugen sich auch auf einen großen Teil der Mitarbeiter/innen und halfen dabei, auftretende Hürden gemeinsam zu überwinden. Das Projekt wurde am 02.05.2016 mit der Auflösung der Projektgruppe im Rahmen einer kleinen Feierlichkeit für alle Mitarbeiter/innen beendet und der abschließende Projektbericht von der Pflegedienstleitung dem Lenkungsteam vorgelegt. Anfang Juli 2016 fand die jährliche Regelprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen und der Heimaufsicht statt. Die Prüfer lobten ausdrücklich die Übersichtlichkeit der Dokumentationen und es wurden keine Abweichungen festgestellt. Wesentlich für den weiteren Erfolg ist die Sicherstellung der Integration der täglichen, zeitnahen und kontinuierlichen Dokumentation und Evaluation, damit diese tagesaktuell ist und bleibt. Voraussetzung hierfür ist die strikte Arbeit an der Ablauforganisation bzw. Plantafelarbeit, die sich insbesondere auf die Delegation von Aufgaben nach Qualifikation und der sinnvollen Nutzung der Übergaben und Fallbesprechungen bezieht sowie die Qualitätssicherung durch die Pflegedienstleitung und die Wohnbereichsleitungen. Um den Erfolg des Strukturmodells auch längerfristig sicherzustellen, muss dieses zügig in die Aus-, Fort- und Weiterbildung integriert werden. Hierzu bedarf es ausgebildeter Multiplikatoren in den Bildungseinrichtungen, um als  „Vervielfältiger“ das Strukturmodell im Curriculum der Aus- und Weiterbildung zu verankern und in den Unterricht und das Examen zu integrieren.

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Die Praxisanleiter sollten zeitnah geschult werden und ihnen ausreichend zeitliche Ressourcen zur Umsetzung des Strukturmodells mit dem Schüler zur Verfügung gestellt werden. Jede Veränderung bringt Unsicherheiten und Störung der Routine mit sich. Aber wer den Weg der Umstellung auf das Strukturmodell wagt, wird endlich alte, nicht mehr hinterfragte Routinen über Bord werfen können und sich gemeinsam mit seinen Mitarbeiter/innen und den pflegebedürftigen Menschen auf den personzentrierten Ansatz in der Pflege und Betreuung konzentrieren können und nicht nur auf das Abzeichnen von Routinen und Assessmentinstrumenten. Dies unterstützt auch die Orientierung der Pflegeeinrichtung auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. Unsere Pflegedokumentation dient jetzt wieder den Kernprozessen, für die die Pflegenden verantwortlich sind: Sicherstellung der Information und Kommunikation aller Beteiligten und der Steuerung einer gleichmäßigen Versorgung der uns anvertrauten Menschen.

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12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

Anhang SIS® – ambulant –

Walter Hellmann

27.10.1930

11.02.2016 / G.W.

W. Hellmann

Strukturierte Informationssammlung

Name der pflegebedürftigen Person

Geburtsdatum

Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

pflegebedürftige Person/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?

X

„Ich schlafe tags im Sessel... wandre nachts umher... meine Lebensgefährtin wohnt nebenan; mit Staub wischen oder Saugen komme ich nicht mehr klar, fühle mich zu schlapp... Erna geht mit mir Einkaufen... nehme dann den Rollator, auch zum Hinsetzen, fühle mich sicherer... Am Wochenende kommt meine Tochter und hilft beim Duschen; Erna stellt die Medikamente, achtet darauf, dass ich sie nehme; fühle mich so abhängig; will nicht, dass sie so viel für mich tut. Fühle mich allein, wenn sie nicht da ist; bin ein sehr geselliger Mensch... möchte Hilfe im Haushalt und dass mal Jemand nach mir schaut.“

Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

X

Hr. H. äußert klar und deutlich seine Wünsche, erzählt gern, möchte in Gesellschaft sein; schläft manchmal tagsüber im Sessel und ist dann nachts aktiv. Berichtet: "finde manch-mal die Haustür nicht, die sehen alle gleich aus..."; vergisst manchmal zu essen und zu trinken; hat früher gern gekocht Beratung zum Besuch der Tagespflege - dort ist er in Gesellschaft und bekommt regelmäßig Essen und Trinken Verständigung: Schnupperbesuch der Tagespflege; ggf. Besuch dort mehrmals die Woche

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

X

Hr. H. läuft langsam und konzentriert; kommt lt. eigener Aussage in der Wohnung mit dem Gehstock zurecht; es gibt keine Schwellen; außerhalb der Wohnung nutzt er den Rollator- fühlt sich damit sicherer und nutzt ihn auch als Sitzgelegenheit zum Pausieren, da ihm das Laufen schwer fällt; ist früher gern mit seinem Hund spazieren gegangen Er äußert Angst, in der Dusche auszurutschen, wenn er alleine duschen soll (Einstieg in die Dusche ist ca. 3 cm hoch) Verständigung: Duschen nur in Anwesenheit vom Pflegedienst Beratung zum Sturzrisiko: Hr. H soll den Rollator zur Sicherheit auch innerhalb der Wohnung benutzen; er will daran denken und seine Lebensgefährtin ihn ggf. daran erinnern; Einkäufe finden nur in Begleitung der Lebensgefährtin statt Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

X

Hr. H. bemerkt seine Einschränkungen und sagt, dass es ihn belastet und er sich mehr und mehr hilflos fühlt. Er will nicht auf andere Personen angewiesen sein; Lebensgefährtin berichtet, dass er manchmal vergisst die Medikamente zu nehmen; er selbst berichtet von Schwindelanfällen und Herzrhythmusstörungen und dass er einen Herzschrittmacher hat. Verständigung: Übernahme des Medikamentenstellens und der Verabreichung

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

X

Hr. H. benötigt nur Hilfe beim Duschen- Verständigung: 3x wöchentlich vormittags; Frühstück und Abendbrot isst er mit der Lebensgefährtin, mittags wird Essen geliefert, aber das vergisst er zu essen (am Wochenende kocht die Lebensgefährtin oder Tochter); er hat in den letzten sechs Monaten 5 Kilo an Gewicht verloren. Kleidung sitzt etwas locker, wirkt noch normalgewichtig. Beratung zu Möglichkeiten der Nahrungsergänzung (Trinknahrung) sowie das Angebot ergänzender Leistungen durch den PD. Wollen Trinkpäckchen und Obst ausprobieren, ergänzende Leistungen zur Nahrungsaufnahme durch Pflegedienst derzeit nicht gewünscht.

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

X

Hr. H. fühlt sich abhängig von seiner Lebensgefährtin und möchte, dass sie entlastet wird; die Tochter kommt regelmäßig, „der Kontakt zu ihr und den Enkelkindern ist gut“; sie holen ihn ab und zu über das Wochenende ab. Verständigung: Besuch der Tagespflege, um in Gesellschaft zu sein, dort z. B. Kochange-bote nutzen, in Begleitung spazieren gehen, sich über Sport unterhalten, gemeinsam Fernsehen schauen

Themenfeld 6 – Haushaltsführung

X

Hr. H. wünscht sich Hilfe im Haushalt; Einkauf und Wäsche erledigt er weiterhin mit seiner Lebensgefährtin; er hat früher in der Landwirtschaft gearbeitet. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin hat er noch einen kleinen Schrebergarten, in dem sie sich gerne aufhalten.

Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene

nein

ja

nein

ja

nein

ja

nein

ja

nein

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Beratung

ja

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

Beratung

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

Beratung

ja

Sonstiges

Inkontinenz weitere Einschätzung notwendig

Beratung

Sturz weitere Einschätzung notwendig

Beratung

Dekubitus Beratung

Konzept: Beikirch/Roes · Nutzungsrechte: BMG · Version 2.0/2017

Verständigung: Unterstützung bei der Wohnungsreinigung (Wunsch: Di +Do am Vormittag)

1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbez. Anforderungen u. Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

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317

SIS® – stationär –

Anna Anderson

03.02.1932

09.03.2016 / Pb

A. Anderson/Klara Anderson (Tochter)

Strukturierte Informationssammlung

Name der pflegebedürftigen Person

Geburtsdatum

Gespräch am/Handzeichen Pflegefachkraft

pflegebedürftige Person/Angehöriger/Betreuer

Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?

X

" Ich bin hier, weil ich mich zu Hause sehr allein fühle." "Hilfe benötige ich nur beim Baden, das mache ich immer samstags sowie beim Waschen des Rückens und der Füße.“ „Meine Tochter hat mich immer unterstützt. Sonst komme ich allein zurecht."... "Durch mein Rheuma muss ich immer schön langsam machen, aber ich habe ja Zeit." "Früher habe ich viele Freunde gehabt, leider sind die meisten schon tot oder in Pflege. Das macht mich traurig". Tochter: "sie hat sich sehr zurückgezogen" ".. mein Mann ist auch letztes Jahr verstorben, er war lange krank… Ich vermisse ihn sehr..." "Wenn ich hier wieder neue Leute kennen lernen könnte, wäre ich dankbar"

Themenfeld 1 – kognitive und kommunikative Fähigkeiten

X

Fr. A. spricht leise, ist jedoch deutlich zu verstehen; sie trägt eine Brille, mit der sie laut eigener Aussage gut sehen kann; letzter Augenarztbesuch war vor etwa 2 Monaten; sie wirkt traurig und durch die neue Situation und Umgebung verunsichert

Themenfeld 2 – Mobilität und Beweglichkeit

X

Fr. A. läuft langsam, nutzt einen Gehstock, das Gangbild wirkt dabei unsicher; einen Rollator will sie nicht: "den haben doch nur die ganz Kranken" Beratung und Verständigung: in den ersten Tagen im Haus klingelt sie, wenn sie irgend-wohin will und wird dann von uns begleitet Ihre Fingergelenke sind deformiert und in der Beweglichkeit eingeschränkt; sie berichtet, dass sie Bewegungsübungen durchführt, dadurch jedoch manchmal mehr Schmerzen bekommt Beratung zum Umgang mit Schmerzen: Sie meldet sich, wenn sie Schmerzen hat, bekommt dann ihre Bedarfsmedikation Verständigung: Rücksprache mit Hausarzt bezüglich der Schmerzmedikation und Beobachtung des Zusammenhangs mit den Bewegungsübungen

Themenfeld 3 – krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen

X

Fr. A. ist nach Einnahme der Schmerzmedikamente oft übel: "dann mag ich auch nichts essen", Kamillentee hilft ihr jedoch etwas; die Schmerzen in den Finger-, Hand-, Fuß-, und Kniegelenken schätzt sie aktuell als erträglich einfühlt sich dadurch nicht eingeschränkt; warme Fuß- und Handbäder bringen ihr Linderung, falls die Schmerzen zunehmen; „das hat bislang immer geholfen“ Verständigung: wenn sich die Schmerzen verstärken bzw. Übelkeit auftritt, meldet sie sich; die Unterstützung bei der Versorgung wird besonders behutsam durchgeführt

Themenfeld 4 – Selbstversorgung

X

Fr. A. möchte Hilfe bei der Mund- und Körperpflege und beim Vollbad (auf Wunsch am Samstagvormittag); kleidet sich selbst an, benötigt Hilfe beim Verschließen von Knöpfen; sie trägt gern weite Kleidung; "das Essen schmeckt allein nicht so gut"; sie mag gern süßen Milchbrei, Eintöpfe, Kuchen aber keinen Fisch. Laut eigener Aussage trinkt sie täglich etwa 3 Tassen Milchkaffee und eine Kanne Kräutertee, möchte das hier auch; Sie trägt eine Inko- Einlage zur Sicherheit, "da ich manchmal nicht schnell genug die Hose auf bekomme" Verständigung: Sie meldet sich, wenn sie auf die Toilette muss, wird dann begleitet und unterstützt

Themenfeld 5 – Leben in sozialen Beziehungen

X

Fr. A. beschreibt sich selbst als gesellig und lebensfroh, hat eine enge Bindung zur Tochter "sie muntert mich immer auf... wenn ich sie nicht hätte..." Tochter ist durch Familie und Beruf stark eingebunden. Fr. A. erzählt, dass sie bis zur Rente als Verkäuferin gearbeitet hat und die Gespräche mit den Kunden liebte; betont, dass sie bis heute noch sehr gut Kopfrechnen kann, daher füllt sie gern Sudoku aus und hat ihre Rätselhefte alle mitgebracht. Verständigung: über die Gruppenangebote im Haus wird sie täglich informiert. Sie will erst mal nur an den Vormittagen teilnehmen, damit sie ihre Tochter empfangen kann, falls diese sie besuchen kommt oder um kleine Spaziergänge im Garten zu machen; am "Kaffeekränzchen" am Mittwochnachmittag will sie allerdings teilnehmen. Themenfeld 6 – Wohnen/Häuslichkeit

X

Fr. A. bringt noch ihren Sessel, den TV sowie einen kleinen Teppich mit. Im Zimmer hat sie schon viele Fotos der Familie und von Ausflügen mit Freunden aufgehangen und aufgestellt; ihre Fotoalben hat sie immer auf der Anrichte liege. Sie liebt eine aufgeräumte Wohnung, die gut gelüftet ist (jedoch nicht zu kalt).

Konzept: Beikirch/Roes · Nutzungsrechte: BMG · Version 2.0/2017

Verständigung: der Teppich wird mit Klebeband am Fußboden fixiert Den Bettausstieg wünscht sie sich wie zu Hause auf der rechten Seite; zu Hause hat sie den Haushalt selbst geführt, sie kochte gern und hat auch gern abgewaschen... "das tat den Händen gut". Erste fachliche Einschätzung der für die Pflege und Betreuung relevanten Risiken und Phänomene Dekubitus

ja 1. kognitive und kommunikative Fähigkeiten 2. Mobilität und Beweglichkeit 3. krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen 4. Selbstversorgung 5. Leben in sozialen Beziehungen

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318

Anhang

nein

Sonstiges

Sturz

Inkontinenz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Schmerz

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Ernährung weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

weitere Einschätzung notwendig

ja

nein

ja

nein

Anhang

319

M a ss n a h m e n p l a n

erstellt am 11.02.2016

6. Haushaltsführung Di + Do: Reinigen der Wohnung Schmutzige Wäsche in die Wäschetonne im Bad legen Putzmittel stehen im Schrank in der Küche Schnupperbesuch am 15.02.

ab 17.02.16 Mo+Mi+Fr: Abholung um 9:00 Uhr; Rückkehr gegen 16:30 Uhr LK6 Hilfestellung beim Verlassen - und Wideraufsuchen der Wohnung: Begleitung beim Treppensteigen und Gehen am Rollator 12.04.2016 Darauf achten, dass er feste Schuhe trägt. ACHTUNG! Darauf achten, dass die Wohnung verschlossen wird.

LK12 morgen`s ca.11:00 Uhr Tagespflege

24.04.2016

12.04.2016

15.02.2016

12.04.2016

KE gefällt ihm dort; will Mo+Mi+Fr dorthin KE "Hab mich gut eingelebt… da ist immer was los… abends bin ich müde und KE schlafe nachts jetzt durch"

er ist sehr gesprächig, wenn wir da sind; freut sich, dass Lebensgefährtin entlastet wird und beide mehr Zeit für Spaziergänge haben

Verw.- Nr. Name: Vorname: Geb.Datum: erstellt von: verantwortliche Pflegekraft: Seite 10500 Hellmann Walter 27.10.1930 PFK Gerda Weber Katja Ehrlich 1 Grundbotschaft "fühle mich so abhängig" (von seiner Lebensgefährtin); "will nicht, dass sie so viel für mich tut"; "fühle mich allein, wenn sie nicht da ist" Eval.am Themenfeld / Pflegemaßnahmen / ärztliche Verordnung Datum Eval.- ergebnis / geänderte Maßnahme Hdz.: 12.04.2016 Medikamentenmanagement gelingt, BPF 3. Krankheitsbezogene Anforderungen und Belastungen KE keine Veränderungen erforderlich 11.02.2016 1x wöchentlich Medikamentenbox richten; 3x täglich Medikamentengabe; Mo + Mi + Fr mitgeben für Tagespflege LK2 4. Selbstversorgung Di + Do + Sa morgens (die anderen Tage wäscht er sich am Waschbecken selbst) KE 17.02.2016 nutzt den Rollator in der Wohnung ca.08:30 Uhr Bitte beobachten, ob er den Rollator in der Wohnung nutzt! ins Bad begleiten, kleidet sich selbstständig aus, Duschmatte einlegen, Unterstützung beim Duschen wurde Helfen beim Einstieg in die Dusche; Waschen des Rückens mit dem gut angenommen, er hat keine Ängste KE Waschlappen, aus der Dusche helfen, trocknet sich bis auf den Rücken 12.04.2016 mehr und genießt das Duschen; selbstständig ab, Eincremen des Rückens mit Lotion; neue Wäsche ist bereit gelegt, er kleidet sich allein an LK19 4. Selbstversorgung Di + Do + Sa Kontrolle bei jedem Einsatz, ob er die bereitgestellten Getränke austrinkt 17.02.2016 trinkt alles, was ihm hingestellt wird und ausreichend; äußert seine Wünsche bzgl. Kanne Tee kochen, Flasche Wasser und Trinkpäckchen öffnen, Obst morgen`s der Getränke KE ca.08:30 Uhr schneiden und alles ins Wohnzimmer stellen; nimmt die Mahlzeiten mit das gelieferte Essen isst er- allerdings mittag`s Kontrolle, ob er die bereitgestellten Getränke vormittags ausgetrunken hat erst manchmal, wenn wir da sind und bei Bedarf neuen Tee, Wasser, Trinkpäckchen ins Wohnzimmer stellen KE 17.02.2016 nach Aufforderung. ca.12:00 Uhr Di + Do: Essen wird geliefert; fragen und schauen, ob er gegessen hat abend`s Kontrolle, ob er die bereitgestellten Getränke ausgetrunken hat ca.18:30 Uhr nachfragen, ob er noch Obst und Trinkpäckchen wünscht- ihm bereitstellen

320

Anhang

Frau Anderson ist gern in Gesellscha3 und möchte diese wieder mehr erleben.

ca. 8:30 Uhr

ca. 8:00 ca. Uhr 8:15 Uhr

ca. 8:00 Uhr

Hilfe bei der Körperpflege sitzend am Waschbecken Zahncreme auf die Bürste auftragen, Teilprothese mit Zahncreme reinigen; Waschen und Cremen des Rückens, der Beine und Füße; alles Weitere übernimmt sie selbst- auf Bewegungsförderung der Hände hinwirken, beim Aus- und Ankleiden assistieren, Knöpfe öffnen und schließen Begleitung: in den Tagesraum: sie läuft langsam

Begleitung: zur Toilette Hilfestellung beim Entkleiden Toilettengang ermöglichen- > Tür anlehnen; sie meldet sich wenn sie fertig ist-> Intimpflege selbstständig Beobachtung: Beweglichkeit der Finger/Öffnen der Kleidung und Beobachtung im Zusammenhang einer klingelt, wenn siemit wach istfraglichen Inkontinenz

Beobachtung: Schmerzäußerungen und Schmerzanzeichen im ca. klingelt, wenn sie wach ist 8:00 Uhr Zusammenhang mit der Bewegung

mit der Bewegung Abklärung mit Hausarzt: Schmerzen bei Bewegungsübungen

kamentöseder Maßnahmen haben sich 15.03. Umstellung MedikaFon bewährt und fließen im Tagesablauf Pb 2016 ein. Gespräch zu Schmerzen: leichte Pb

Gehstütze rechts

Badhocker

Feuchttücher

Inkontinenzeinlage (offen)

15.03.2016

und fließen im Tagesablauf ein. Gespräch zu Schmerzen: leichte Schmerzen akzeptabel

2/1

Pb

Pb

Pb

Pb

Pb

Seite: ]1 von 4

benötigt Hilfe je nach Kleidung erstEntkleiden um 08:00 zum Uhr Toilettengang Gabe der 15.03. NEU:beim und fordert diese auch an 2016 SchmerzmedikaFon, dann warten 4/1 15.03.2016 undwarmes Handbad während der Versorgung erst nach 30 min morgendlichen Versorgung beginnen

4/2

Schmerzen akzeptabel 15.03. SchmerzsituaFon stabil; 15.03.2016 NEU: erst um 08:00 Uhr Gabe der Schmerzmedikation, dann warten 2016 nichtmedikamentöse Maßund Versorgung erstbewährt nach 30 min nahmen haben sich beginnen

Frau Anderson ist gern Evaluain Gesellschaft und möchte diese wieder mehr erleben. Grundbotschaft: Datum Maßnahme HilfsmiFel / VA EvaluaHonsergebnis Hdz. Hon Zeit SonsHges Datum Maßnahme Hilfsmittel/ VA EvaluaEvaluationsergebnis Hdz. am Zeit Sonstiges tion am fortSchmerzmanagement Ärztl.Ärztl. AO,AO, 3/2 fortSchmerzmanagement 3/2 laufend laufend Medikamentöse Medikamentöse Schmerztherapie + wenn Schmerzen verstärkt auftreten (sie meldet BedarfsSchmerztherapie + wenn Schmerzen verstärkt Bedarfssich) erhält sie zusätzlich ihre Bedarfsmedikation. Ergänzend werden ihr dann auf medikation au3reten (sie meldet sich) erhält angeboten. sie zusätzlich ihre medikaFon Wunsch warme Hand- und Fußbäder BedarfsmedikaFon. Ergänzend werden ihr dann auf Wunsch warme Abklärung mit Hausarzt: Schmerzen bei Bewegungsübungen 15.03.2016 Umstellung der Medikation Pb Handund Fußbäder angeboten. Beobachtung: Schmerzäußerungen und Schmerzanzeichen im Zusammenhang 15.03.2016 Schmerzsituation stabil; nichtmedi-

GrundbotschaA: Maßnahmenplan

Maßnahmenplan

Name, Vorname: Anderson, Anna geb: 03.02.1932 erstellt am: 09.03.2016 Hdz. PFK: Pb Monat / Jahr: März 2016 ______________________________________________________________________________________________________________________________ _

Anhang

321

geb: 03.02.1932

erstellt am: 09.03.2016 Hdz. PFK: Pb

Monat / Jahr: März 2016

Medikamentengabe Ärztl. AO Medikamente auf Teelöffel legen; nimmt Medikamente selbst ein, trinkt dazu warmen Kräutertee Hilfe bei der Körperpflege Unterstützung beim Vollbad; Schaumbad „Kräutertraum“ nutzen, Lieblings- CD Wannenlifter „Kastelruther Spatzen“ dabei abspielen Badhocker sitzend am Waschbecken Teilnahme am der Tagesgestaltung VeranZahncreme aufAngebot die Bürste au3ragen, Teilprothese mit Zahncreme dorthin begleiten und wieder abholen staltungsplan reinigen; Begleitung s.o.:Cremen zur Toilette Waschen und des Rückens, der Beine und Füße; alles Weitere

15:00 Uhr Nachmittags

Uhr

Begleitung s.o.: Mittwochs zum Kaffekränzchen begleiten An den anderen Tagen gestaltet sie ihren Nachmittag selbst. (Besuch, Spaziergänge) Besucher darauf hinweisen, dass sie begleitet und beim Gehen unterstützt werden muss

Gehstütze Ärztl. AO rechts Begleitung s.o.: aufs Zimmer zur Mittagsruhe, beim Positionieren auf den Sessel Gehstütze anschl. (Beine hoch) unterstützen rechts ca. 9:00 Mahlzeit: Begleitung s.o.: zur Toilette ca. Uhr bereitet das Essen selbst zu und isst selbstständig; 14:00 Uhr Warmen Kräutertee bereitstellen- sie bedient sich selbst Begleitung s.o.: in den Tagesraum Gehstütze ca. Weißbrot, Erdbeermarmelade, 2 Tassen Milchkaffee; rechts 14:30 Uhr bei Übelkeit: Kamillentee anbieten Mahlzeit s.o.: mag Kuchen und 1 Tasse Milchkaffee ca.

ca. 11:30 Uhr übernimmt sie selbst- auf Bewegungsförderung der Hände hinwirken, Mahlzeit s.o.: ca. Aus- und Ankleiden assisFeren, Knöpfe öffnen und schließen 12:00 Uhr beim Fleisch schneiden; eine Kanne mit warmen Kräutertee bereitstellen ca. 8:30 Begleitung: in den Tagesraum: sie läu3 langsam Medikamentengabe, s.o. anschl.

Vormittags

ca. 8:15 Sa VorUhr mittag

anschl.

Beobachtung: Beweglichkeit der Finger/Öffnen der Kleidung

menhang Schmerzmedikation?

4/5

2/1

4/2

4/5

2/1

2/1 3/1

4/5

4/2

4/1 4/4

3/1

Pb

Seite: ]2 von 4

15.03. warmes Handbad während der 2016 morgendlichen Versorgung

Pb 15.03. benöFgt Hilfe je nach Kleidung wird (mit zunehmendem Appetit); keine Übelkeit; Gewicht stabil 2016 beim Entkleiden zum Toile_enPb gang und fordert diese auch an

ständig auf, was ihr ange-boten

______________________________________________________________________________________________________________________________ ca. 9:00 Mahlzeit: 4/5 _Uhr bereitet das Essen selbst zu und isst selbstständig; ca. Begleitung: zur Toile_e InkonFnenz4/2 Warmen Kräutertee bereitstellen- sie bedient sich selbst 8:00 Hilfestellung beim Entkleiden einlage (offen) Weißbrot, Erdbeermarmelade, 2 Tassen Milchkaffee; Uhr Toile_engang ermöglichen> Tür anlehnen; sie meldet sich wenn sie Feuch_ücher bei Übelkeit: Kamillentee anbieten ferFg ist-> InFmpflege selbstständig sowie Gewichtsverlauf/Übelkeit/Zusam20.03.2016 Sie isst und trinkt meist alles vollBeobachtung: Ess- und Trinkverhaltens

Name, Vorname: Anderson, Anna

322

Anhang

Begleitung s.o.: in den Tagesraum

Evaluation im Rahmen der Integrationsphase erfolgte am: 22.04.2016/Pb

ca. 14:30 Uhr

Gehstütze rechts

Begleitung s.o.: (Kanne aufs Zimmer zurnach Mi_agsruhe, beim PosiFonieren auf Tasse Kräutertee im Zimmer) den Toilettengängen anbieten und auf Gehstütze Nachtschrank stellenhoch) unterstützen den Sessel (Beine rechts

gegen Kontrollgang auf Wunsch der Bewohnerin ca. 14:00 Begleitung s.o.: zur Toile_e MitterUhr nacht

anschl.

Begleitung s.o.: aufs Zimmer Gehstütze ca. rechts 19:00 Uhr Ärztl. AO anschl. Medikamentengabe ca. 19löst SUDOKU, sieht fern, telefoniert mit Tochter; auf legen; nimmt Medikamente selbst ein, 21:00 Uhr Medikamente klingelt, wenn sie zuTeelöffel Bett möchte trinkt dazu warmen Kräutertee ca. Tasse warmen Kakao sowie Nougatpralinen bereitstellen 20:00 Sa Vor-Uhr Unterstützung beim Vollbad; Schaumbad „Kräutertraum“ nutzen, Wannenli3er Begleitung s.o.: zur Toilette ca. mi_ag LieblingsCD „Kastelruther Spatzen“ dabei abspielen 21:00 Uhr VorTeilnahme Angebot der Tagesgestaltung Hilfe bei deram Körperpflege; sitzend am Waschbecken s.o.: Teilpflege: Gesicht, Hände,VeranBadhocker ca. Intimbereich 21:00 Uhr dorthin mi_ags begleiten und wieder abholen staltungsplan Mundpflege s.o.: Teilprothese trägt sie auch nachts ca. 11:30 Begleitung s.o.: zur Toile_e Begleitung s.o.: zu Bett Gehstütze ca. Uhr rechts 21:30 Uhr Klingel unters Kopfkissen rechts legen, Gehstütze rechts neben das Bett stellen, ca. 12:00 Mahlzeit Nachtlichtschalter s.o.: in Griffnähe, Tür nur anlehnen Uhr Nachts Sie klingelt, wenn sieeine zur Toilette Fleisch schneiden; Kannemuss mit warmen Kräutertee bereitstellen Begleitung s.o. zur Toilette Gehstütze anschl. Medikamentengabe, s.o. Ärztl. AO rechts anschl. Gehstütze in Reichweite stellen;

2/1

4/2

2/1 4/5

3/1

2/1

4/5

2/1

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4/1

4/2

4/4

4/5

3/1

2/1 15.03.2016: warmes Fußbad vor dem zu Bett gehen

Seite: ]3 von 4

Pb

Pb

Name, Vorname: Anderson, Anna geb: 03.02.1932 erstellt am: 09.03.2016 Hdz. PFK: Pb Monat / Jahr: März 2016 ______________________________________________________________________________________________________________________________ ca. Begleitung s.o.: zur Toilette 4/2 _17:30 Uhr Beobachtung: Trinkverhaltens sowie Gewichtsverlauf/ 20.03. Sie isst und trinkt meist alles Begleitung s.o.: Essin denund Tagesraum Gehstütze 2/1 ca. 2016 vollständig auf, was ihr angerechts 18:00 Uhr Übelkeit/ Zusammenhang SchmerzmedikaSon? Mahlzeit s.o.: 4/5 ca. boten wird (mit zunehmendem 18:15 Uhr frische Kanne Tee mit Tasse ins Zimmer stellen AppeFt); keine Übelkeit; anschl. Medikamentengabe, s.o. Ärztl. AO 3/1 Gewicht stabil

Anhang

323

Walter

Bericht

Vorname: 27.10.1930

MM

BS

BS

GW BS

MM 15.04.2016 Hausärztin war zum Hausbesuch; Kontrolle des Herzschrittmachers in 4 Wochen (18.05.2016) in der Klinik; Überweisung liegt vor; Lebensgefährtin und Fahrdienst GW wurden informiert

11.02.2016 Trinkmenge 1900 ml 13.02.2016 er hat Keine Probleme mit dem Trinken, seitdem alles bereitgestellt wird; auch in der Tagespflege trinkt er ausreichend 24.02.2016 Unterstützung beim Duschen nimmt er gut an; er äußert und zeigt keinerlei Ängste; findet das mehrmalige Duschen in der Woche gut 12.03.2016 nach Rückkehr von der Tagespflege berichtete er, dass es ihm dort gut gefällt, er sich besonders mit einem Tagespflegegast sehr gut versteht, der einen Garten hat; sie können gut miteinander reden, sprechen viel von früher und der Arbeit in der Landwirtschaft; 28.03.2016 heute berichtete er, dass er gemeinsam mit den Frauen Kuchen gebacken hat und es ihm sehr gut geschmeckt hat; seine Lebensgefährtin sagt: "er ist viel ausgeglichener und wandert nacht´s nicht mehr umher."

GW

Hz.

Berichteblatt Geb.Datum:

10.02.2016 hat alle ihm bereit gestellten Getränke zu sich genommen, gesamt 1800 ml 10.02.2016 Absprache mit der Hausärztin bzgl. Medikamentenmanagement erfolgt; Rezept für Medikamente und Verordnung wurde ausgestellt; Hausärztin kommt zum Hausbesuche in die Tagespflege; Lebensgefährtin ist informiert

Datum

10500 Hellmann

Verw.-Nr. Name: Beratung 09.04.2015: Habe Hr.H. heute vor dem Haus in Gummilatschen spazieren gehen sehen; zum Sturzrisiko beraten: immer festes Schuhwerk tragen. Lebensgefährtin gebeten, mit darauf zu achten. MM

Seite 1 Hz.

Jahr _2016___

324

Anhang

Ne

Blatt-Nr.: 1 von 4

Hat mit Genuss abends noch Kakao getrunken und Pralinen gegessen; gegen Mitternacht zur Toilette begleitet; äußerte keine Schmerzen; sie benötigte keine Unterstützung beim Entkleiden (trug ein Nachthemd); anschließend im Zi. noch eine halbe Tasse Tee getrunken und danach weiter geschlafen

wenig Schwierigkeiten, ihren weiten Rock hoch zu raffen und sich zu entkleiden.

AK

5 Uhr

11.03.2016

Keine Hinweise auf Schmerzen und Übelkeit; sie klingelte, wenn sie auf die Toilette musste, wartet; hatte ein

ein Fußbad lenkte sie ein wenig von ihrer Sorge ab;

ihre Sorge, dass nun der Kontakt zu ihr weniger werden würde; sie konnte im Gespräch getröstet werden und

Tochter brachte Wäsche und noch fehlende Kosmetikartikel; nachdem Tochter weg war, weinte sie und äußerte

20Uhr

Ne

AK

10.03.2016

wirkte am Abend nervös und aufgebracht > warmes Fußbad durchgeführt und längeres Gespräch über ihren ersten Tag hier im Haus und das Wiedersehen mit der alten Bekannten; schlief gegen 23 Uhr ein und dann auch ruhig.

Unterstützung beim Entkleiden

Hdz.

Der Toilettengang erfolgte selbstständig, für die morgendliche Pflege brauchte sie insgesamt viel Zeit, da sie über starke Schmerzen in den Hände und Füßen klagte ->Gabe der Bedarfsmedi. und erst nach 30min mit Waschen begonnen- ging dann besser. Frühstück mit Appetit alles aufgegessen, Kaffee und Tee gut getrunken; Pb Teilnahme am Angebot „Fit in den Tag“. Kontaktaufnahme zum Hausarzt, Hausbesuch morgen

2 Uhr

ihrem Geschäft wiedertraf (Frau B.), beide setzten sich zusammen an einen Tisch und hatten sich viel zu

erzählen; keine Hinweise auf Schmerzen und Übelkeit, Toilettengang erfolgte in Begleitung, sie bekam

Uhr

Berichte

Monat / Jahr: März 2016

Neue Umgebung und Mitbewohner vorgestellt. Besonders freute sie sich, als sie eine ehemalige Kundin aus

geb: 03.02.1932

19:00

Zeit

10.03.2016 11 Uhr

10.03.2016

09.03.2016

Datum

Name, Vorname: Anderson, Anna

Anhang

325

13:00 Uhr

20.00

5.45Uhr

12:45 Uhr

12.03.2016

13.03.2016

13.03.2016

14.03.2016

Uhr

11 Uhr

12.03.2016

Ne

AK

Pb

BT

Ne

Blatt-Nr.: 2 von 4

Hatte heute Morgen kaum noch Schmerzen; das Handbad tat ihr gut; hat Begleitung immer angefordert (klingelt wie verabredet)und bekam Unterstützung beim Öffnen und Schließen der Hose

Toilettengang durchgeführt, keine Schmerzen geäußert; keine Unterstützung beim Entkleiden; anschließend Tee getrunken

Kakao und die Pralinen, die ihr die „ liebe Nachteule“ immer bringt

die Bekannte Fr.B. tut ihr gut; abends genießt sie die Ruhe im Zimmer und freut sich über das Fußbad, auf den

Ordnung; die Begleitung sowie die Unterstützung zu den Toilettengängen nimmt sie gern an;

Am Nachmittag äußerte sie auf Nachfrage, ab und zu leichte Schmerzen zu haben- dies sei für sie jedoch in

Schmerzmedigabe gegen 7.45 Uhr; mit der Körperpflege dann gegen 8.15 Uhr begonnen-> Schmerzen „kaum spürbar“; Forderte Begleitung an und Unterstützung beim Toilettengang; angebotene Speisen mit Appetit gegessen. Getränke ebenso.

Teilnahme am „Handarbeitskreis“ – die Unterhaltung zum Thema Handarbeit hat ihr viel Freude bereitet – mitmachen wollte sie erst mal nicht; strahlte anschließend übers ganze Gesicht

Hat sich zum Toilettengang gemeldet; wurde begleitet- keine Unterstützung beim Entkleiden; wieder Tasse Tee getrunken

anschließend wieder zu verschließen, bat um Hilfe- evtl. Hosen mit Gummizug besorgen lassen?

AK

6 Uhr

12.03.2016

da sie heute eine Hose trug, hatte sie Schwierigkeiten, beim Toilettengang den Knopf zu öffnen und

wurde dazu beraten und will sich jetzt immer melden

Gangbild noch unsicherer; gab aber an, keine Schmerzen zu haben > Begleitung unbedingt erforderlich! sie

auf dem Weg zur Toilette ist sie beinah gestürzt - konnte noch aufgefangen werden -> danach war ihr

18 Uhr

11.03.2016

Monat / Jahr: März 2016

Begleitung zur Toilette- aber brauchte keine Unterstützung; hatte starke Schmerzen in den Hand- und Fingergelenken vor der morgendlichen Pflege-> Bedarfsmedikation gegeben-> in Ruhe gelassen und erst nach ca. 30 min mit Pflege begonnen; das Handbad gleich während der Versorgung integriert. Visite Dr. Köchelbring: Änderung der Schmermedikation + Verordnung von Physiotherapie Pb

geb: 03.02.1932

11.03.2016 12 Uhr

Name, Vorname: Anderson, Anna

326

Anhang

geb: 03.02.1932

Teilnahme am Nachmittag am gemeinsamen Kaffeetrinken im Saal; sie freute sich, ihre Bekannte wieder zu sehen- wollte neben ihr sitzen; Unterstützung beim Toilettengang war erforderlich; hat zum Abendessen alles

13:30 Uhr

20:15

Uhr

15.03.2016

15.03.2016

15.03.2016 gegessen, ausreichend Tee getrunken

Morgendliche Versorgung geht jetzt gut (begleiteter Toilettengang; Schmerzmedigabe; Abwarten – in dieser Zeit Handbad durchgeführt; Hilfe bei der Körperpflege- dabei fast keine Schmerzen; Fr. A. zeigt sich im Gespräch erleichter darüber

Begleitung zur Toilette; keine Schmerzen; keine Unterstützung beim Entkleiden

Abendessen die Bratkartoffeln mit großem Appetit gegessen.

sie Hosen mit Gummizug kaufen kann; Unterstützung beim Toilettengang war erforderlich; hat zum

5.45Uhr

Uhr

AK

Pb

AK Ne

The

Blatt-Nr.: 3 von 4

Nachmittags Besuch von der Tochter; mit ihr die Situation der Knöpfe an den Hosen angesprochen- schaut, ob

20:30

14.03.2016

Erste physiotherapeutische Behandlung der Finger- und Handgelenke durchgeführt. War anfänglich etwas schwierig und Fr. A. äußerte leichte Schmerzen; Fr.A. wünscht vorab ein Handbad zu machen- bitte vor dem nächsten Termin mit einplanen

14:30 Uhr

14.03.2016

Pb

Monat / Jahr: März 2016

Hat kleine Portionen gegessen, aber immer alles vollständig auf; Tee schafft sie mind. 1 Liter, dazu 3 Tassen Kaffee und abends Kakao -> Trinkmenge mind. 1800 ml

Name, Vorname: Anderson, Anna

Anhang

327

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Behandlungspflege Evaluationsergebnis vom:

Pflege und Betreuung

Grundbotschaft (optional)

Maßnahmenplan Plan erstellt am

von (Hdz.)

______________________________

______________________

Vorname

______________________________

______________________

Name

Muster eines Maßnahmenplans Tagespflege - Variante 1 Geburtsdatum

Hilfsmittel

Blatt-Nr.

______________

______________

328

Anhang

______________________ Name ______________________ Plan erstellt am

Maßnahmen

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Zeit

Grundbotschaft (optional)

Maßnahmenplan

Hilfsmittel

______________________________ Vorname ______________________________ von (Hdz.)

Muster eines Maßnahmenplans Tagespflege- Variante 2

Datum

Evaluationsergebnis

______________ Geburtsdatum ______________ Blatt-Nr.

Hdz.

Anhang

329

Ankommen in der Tagespflege

Frühstück mit Zwischenmahlzeit, Getränke

Morgen-Medikamente

Raumwechsel zur Beschäftigung

Beschäftigungsangebote





Beschäftigungsangebote

Transfer in die Häuslichkeit

9:15 – 9:30

9:30 – 10:30

ca. 10:00

10:30 – 11:00

11:00 – 11:45





15:45 – 16:30

ca.16:30

Evaluationsergebnis

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Datum

Plan erstellt am: __________________

1

Transfer in die Tagespflege

8:00 – 9:15

Hdz.:

16

15

8

7

6

5

4

3

2

Nr.

Individuelle Maßnahmen

Tagesgast: ______________________

Uhrzeit allg. Tagesstruktur (beispielhaft) (beispielhaft)

Grundbotschaft (optional)

Maßnahmenplan

Muster eines Maßnahmenplans Tagespflege – Variante 3 geb.: _______

Hdz.

Blatt Nr.: __________

330

Anhang

Zeit

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Datum

Berichteblatt

Muster für ein Berichteblatt Tagesgast: Berichte

geb.:

Hdz.

BlattNr.

Anhang

331

Straße, Nr. PLZ, Ort Telefon (tagsüber) E- Mail

Straße, Nr.

PLZ, Ort

Geburtsdatum

Straße, Nr. PLZ, Ort Telefon Betreuungsbereiche

Versicherungsnr.

Straße, Nr.

PLZ, Ort

Telefon

Haus-/Facharzt

Hilfsmittel Sonstiges

Allergien Fahrdienst

Diagnosen

Diagnosen

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Telefon/Fax

Adresse

Name, Vorname

Telefon/Fax

Adresse

Name, Vorname

Patientenverfügung

Pflegegrad

Name, Vorname

Versicherung

E-Mail

Rechtlicher Betreuer/Bevollmächtigter

Fax

Telefon

PLZ, Ort

Straße, Nr.

Ansprechpartner

Religion (freiwillig)

Pflegekasse/Selbstzahler

Besuchstage:

Ambulanter Pflegedienst Firma

Familienstand

Telefon

Angehörige Name, Vorname

Name, Vorname

Stammblatt

Tagespflegegast

Aufnahmedatum:

Muster für ein einseitiges Stammblatt

332

Anhang

Gespräch mit / Information von

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Datum

Kommunikationsbogen Tagesgast: ______________________ Inhalte / Nachricht

Muster für einen Kommunikationsbogen

Ergebnis / Hinweise

geb.: _______________

Hdz.

Blatt Nr.:

Anhang

333

SPÄTDIENST □

NACHTDIENST □

Hdz. PFK

von (Hdz.PFK)

Plan erstellt am

FRÜHDIENST □

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Zeitrahmen

Grundbotschaft

Vorname

Name

Muster für einen Maßnahmenplan Variante 1 Maßnahmenplan

Eval. Evaluationsergebnis / geänderte Maßnahme am

Blatt Nr.

Geburtsdatum

Hdz. PFK

334

Anhang

Vorname

Lfd. Nr.

Maßnahmen F R Ü H D I E N S T

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Uhrzeit / Zeitfenster

Grundbotschaft der pflegebedürftigen Person:

Name

Maßnahmenplan Geburtsdatum

Muster für einen Maßnahmenplan Variante 2 (Seiten 1-3)

Hilfsmittel Hdz. PFK

Datum

Lfd. Nr.

Maßnahmenänderung/ -ende

Erstellt am

Hdz. PFK

Hdz. PFK

BlattNr.

Anhang

335

Lfd. Nr.

Vorname

Maßnahmen S P Ä T D I E N S T

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Uhrzeit / Zeitfenster

Name

Maßnahmenplan Geburtsdatum

Hilfsmittel Hdz. PFK

Datum

Lfd. Nr.

Maßnahmenänderung/ -ende

Erstellt am

Hdz. PFK

Hdz. PFK

BlattNr.

336

Anhang

Lfd. Nr.

Vorname

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

□ Bewegungsprotokoll □ Einfuhrprotokoll □ Ernährungsprotokoll Schmerzprotokoll □ Wunddokument��on □ Sons�ges

Angesetzt / Datum

Hdz. PFK

Maßnahmen N A C H T D I E N S T

Zusatzdokumente bei Bedarf

Uhrzeit / Zeitfenster

Name

Maßnahmenplan

Abgesetzt / Datum

Geburtsdatum

Hdz. PFK

Hilfsmittel Hdz. PFK

Datum

Lfd. Nr.

Maßnahmenänderung/ -ende

Erstellt am

Hdz. PFK

Hdz. PFK

BlattNr.

Anhang

337

Zeit

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Datum Berichte

Geburtsdatum

Name

Vorname

____________________________

___________________________ ___________________________

Berichteblatt

Muster für Berichteblatt Variante 1

Blatt- Nr. Hdz.

____________________

338

Anhang

Zeit

Berichte

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

Datum

Name

Muster für Berichteblatt Variante 2

Vorname

Berichteblatt

Hdz.

Datum / Zeit

Geb.datum

Beratungs-/EvaluationsErgebnis

Jahr Hdz.

Anhang

339

Geburtsdatum:

Aufnahmedatum:

mit:

am:

mit:

am:

mit:

am:

2.1. Ergebnisse der Beratung mit der pflegebedürftigen Person und Anderer zur weiterführenden Versorgung

2. Aktivitäten der Entlassplanung

Sonstige:

Rechtlicher Betreuer / Vorsorgebevollmächtigter

MDK / MedicProof

Ansprechpartner: zuständiger Sozialhilfeträger

Ansprechpartner: Pflege- bzw. Krankenkasse

Hilfsmittel- Lieferanten

Ambulante Heilmittelerbringer

Hospiz / Palliativeinrichtung

Haus- und Fachärzte

Ambulante Pflege- / Betreuungsdienste

Angehörige (Hauptansprechpartner)

1. Kontaktdaten wichtiger Ansprechpartner für die Entlassplanung

Name:

geplantes Entlassungsdatum:

Dokumentation zur Entlassplanung in der Kurzzeitpflege

Muster für eine Dokumentation für die Entlassplanung

Hdz.

340

12  Umsetzung des Strukturmodells in der stationären Pflege

Quelle: Projektbüro Ein-STEP

4. Informationen zum langfristigen Verbleib der pflegebedürftigen Person:

Akutkrankenhaus

Rehabilitationseinrichtung

Andere (z.B. Angehörige, Nachbarn)

Datum des Eintrags: Bisherige häusliche Umgebung

3. Wohin wurde der/die pflegebedürftige Person entlassen?

Transportkosten geklärt?

am: mit:

am: mit:

am: mit:

Krankenhaus 2.4. Erforderliche Maßnahmen zur Vorbereitung

Rehabilitationseinrichtung

Andere (z.B. Angehörige, Nachbarn)

Datum des Eintrags: Bisherige häusliche Umgebung

mit: 2.3. Angestrebte weitere Versorgung

am:

mit:

am:

mit:

am:

2.2. Ergebnisse von Abstimmungen mit weiteren Ansprechpartnern (siehe 1.)

   

   

Hdz.

Hdz.

   

Sonstige Pflegeinstitution (z.B. betreutes Wohnen)

   Hospiz / Palliativeinrichtung  Sonstige:   Vollstationäre Langzeitpflege

Sonstige:

Hospiz / Palliativeinrichtung

Sonstige Pflegeinstitution (z.B. betreutes Wohnen)

Vollstationäre Langzeitpflege

Hdz.

Hdz.

Herausgeber- und Autorenverzeichnis Die Herausgeber Elisabeth Beikirch, Ko-Autorin des Strukturmodells und ehemalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung in der Pflege im Auftrag des BMG. Sie hatte die fachliche Leitung des Projektbüros Ein-STEP c/o IGES Institut Berlin. Konzeptentwicklung und Durchführung von Projekten im Gesundheits- und Pflegebereich: Häusliche Kinderkrankenpflege für chronisch kranke Kinder, Entwicklung von interdisziplinären Qualitätsniveaus in der Langzeitpflege, konzeptioneller Aufbau eines bundesweiten Unternehmens zur Pflegeberatung. Langjährige Tätigkeit als Referentin für Pflege und Berufe in der obersten Landesgesundheits- und Sozialbehörde von Berlin. Berufspraktische Erfahrung als Kinderkrankenschwester in unterschiedlichen Positionen, Weiterbildungsstudium Pflegemanagement in Osnabrück. Ko-Autorin von Fachbüchern, zahlreiche Fachveröffentlichungen, Moderation von Konsensuskonferenzen im Auftrag des DNQP, Mitarbeit in Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Auftrag des Deutschen Pflegerats. Hans-Dieter Nolting, Diplom-Psychologe, studierte Psychologie und Philosophie in Berlin und Bordeaux. Er ist geschäftsführender Gesellschafter und seit 1991 für das IGES Institut tätig. Vor seiner Tätigkeit beim IGES war er von 1986 bis 1991 wissenschaftlicher Angestellter am Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie des Bundesgesundheitsamtes (heute: Robert Koch Institut). Herr Nolting verfügt über einen breiten Erfahrungshintergrund in Systemfragen des Gesundheitswesens sowie in der Evaluation und Versorgungsforschung. Hatte die Leitung des Projektbüros EinSTEP c/o IGES Institut im Auftrag des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung. Michael Wipp, Langjährige Erfahrung als Geschäftsführer und Führungskraft von Pflegeeinrichtungen großer bundesweit tätiger diakonischer und privater Unternehmen der Pflege und in der Unternehmensberatung. Ausbildung in der Altenund in der Krankenpflege; diverse Zusatzqualifikationen. Dozenten – und Lehrtätigkeit; Autor und Co-Autor v. Fachbüchern u. zahlreichen Fachveröffentlichungen; Mehrjährige Aufsichtsrats- und Kuratoriumstätigkeiten. Mitglied im Landesvorstand des bpa Baden-Württemberg; Extern berufenes Mitglied der Enquetekommission Pflege des Landtags Baden-Württemberg. www.michael-wipp.de

Anhang

341

Die Autoren Jörn Bachem, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Iffland Wischnewski Rechtsanwälte, Fachkanzlei für die Sozialwirtschaft, Darmstadt Dr. Karlheinz Börner, Regierungsdirektor, Hessisches Amt für Versorgung und Soziales, Wiesbaden Jürgen Brüggemann, Seniorberater Team Pflege, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), Essen Prof. Dr. Andreas Büscher, Professor für Pflegewissenschaft an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hochschule Osnabrück, Wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Dr. Hildegard Entzian, Leiterin des Referats – Pflegeversicherung, Wohnpflegerecht, Pflegeinfrastruktur, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Wissenschaft und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, Kiel Ellen Fährmann, Krankenschwester, Pflegesachverständige und Beratungsbüro für Pflege- und Qualitätsmanagement, Verfahrenspflegerin Werdenfelser Weg, ehemalige Regionalkoordinatorin Projektbüro Ein-STEP, freiberufliche Dozentin, Angermünde Bernhard Fleer, Diplom-Pflegewirt (FH), Seniorberater Team Pflege, Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), Essen Peter Frings, Justitiar, Caritasverband für die Diözese Münster e.V., Münster Mona Frommelt, Direktorin der Hans-Weinberger-Akademie der AWO e.V., Case Managerin/Case Management Trainerin, Wirtschaftsmediatorin, München, www.hwa-online.de Holger Hegermann, Geschäftsführer vacances Mobiler Sozial- und Pflegedienst GmbH, Bremen, mailto:[email protected], www.vacances.de Claudina Hillenbrand-Illies, Leitung Fort-und Weiterbildung Akademie für Pflege, Gesundheit und Soziales der DRK Schwesternschaft  „Bonn“ e. V., ausgebildete Multiplikatorin durchEin-Step Sabine Hindrichs, ehemalige Regionalkoordinatorin Projektbüro Ein-STEP, Leitung Fort- und Weiterbildung Orpea Deutschland, freiberufliche Dozentin und unabhängige Pflegesachverständige, Stuttgart

342

Anhang

Dr. Alexandra Jorzig, Fachanwältin für Medizinrecht, Mediatorin im Gesundheitswesen, JORZIG Rechtsanwälte, Berlin und Düsseldorf Thomas Muck, Internist, Leiter der Sozialmedizinischen Expertengruppe  „Pflege“ der Medizinischen Dienste (SEG2), München Dr. Albrecht Philipp, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Fachanwalt für Sozialrecht, Bender & Philipp, München Dr. Markus Plantholz, Rechtsanwalt, Dornheim Rechtsanwälte und Steuerberater, Hamburg Friedhelm Rink, Krankenpfleger, ehemaliger Regionalkoordinator für den stationären Bereich im Praxistest zum Strukturmodell, Organisationsberater, unabhängiger Pflegesachverständiger des BMG und freiberuflicher Dozent, Brüggen Michael Roloff, Diplom-Pflegewirt (FH), Lehrkraft in der Altenpflege, Berufsfachschule für Altenpflege und Altenpflegehilfe, Hans-Weinberger-Akademie der AWO e.V., Standort Aschaffenburg Elke Erika Rösen, Krankenschwester, ehemalige Regionalkoordinatorin Projektbüro Ein-STEP, Qualitätsbeauftragte, unabhängige Pflegesachverständige, Dozentin und freiberufliche Beraterin, Schritt für Schritt, [email protected], www.elkeroesen.de, Rheine Anke Schulz, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Management im Gesundheitswesen (M.A.), stellvertretende Pflegedienstleitung, ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projektbüro Ein-STEP, Freiberg Kerstin Triftshäuser, Krankenschwester, ehemalige Regionalkoordinatorin Projektbüro Ein-STEP, freiberufliche Dozentin und Beraterin, Ellrich Prof. Dr. Peter Udsching, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht a.D., Göttingen Sabrina Umlandt-Korsch, Krankenschwester, ehemalige Regionalkoordinatorin Projektbüro Ein-STEP, Beratung/Moderation/Coaching – freiberufliche Dozentin im sozialen Bereich, Ein-STEP, Wennigsen, www.suk-beratung.de Prof. Dr. Thomas Weiß, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Vorsitzender der Schiedsstelle SGB XI Schleswig-Holstein, Lehrbeauftragter an der Fachhochschule, Kiel

Anhang

343

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Elisabeth Beikirch, Ko-Autorin der Entwicklung des Strukturmodells; ehemalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung in der Pflege im BMG; hatte die fachliche Leitung des Projektbüros Ein-STEP c/o IGES GmbH.

Hans-Dieter Nolting, Dipl. Psychologe, Geschäftsführer IGES Institut GmbH, hatte die Leitung des Projektbüros EinSTEP zur Einführung des Strukturmodells im Auftrag des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung.

Michael Wipp, Langjährige Tätigkeit als Geschäftsführer, Dozenten – und Lehrtätigkeit; Autor und Co-Autor von Fachbüchern und zahlreichen Fachveröffentlichungen.

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