Diplomatischer Schutz durch EG und EU?: Die Berücksichtigung von Individualinteressen in der europäischen Außenpolitik [1 ed.] 9783428516759, 9783428116751

Der Autor untersucht die rechtlich wie praktisch brisante Frage, inwieweit Individualinteressen die Gestaltungsfreiheit

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Diplomatischer Schutz durch EG und EU?: Die Berücksichtigung von Individualinteressen in der europäischen Außenpolitik [1 ed.]
 9783428516759, 9783428116751

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Schriften zum Völkerrecht Band 155

Diplomatischer Schutz durch EG und EU? Die Berücksichtigung von Individualinteressen in der europäischen Außenpolitik

Von

Christian Storost

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN STOROST

Diplomatischer Schutz durch EG und EU?

Schriften zum Völkerrecht Band 155

Diplomatischer Schutz durch EG und EU? Die Berücksichtigung von Individualinteressen in der europäischen Außenpolitik

Von

Christian Storost

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-11675-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im November 2003 abgeschlossen und vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur fanden bis zu diesem Zeitpunkt Berücksichtigung. Bei meinem Forschungsprojekt habe ich von vielen Seiten großzügige und verlässliche Unterstützung erfahren. Dank schulde ich zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Philip Kunig, bei dem ich mein Vorhaben in großer Freiheit und mit festem Rückhalt verwirklichen konnte. Herr Professor Dr. Albrecht Randelzhofer hat die Mühen der Zweitbegutachtung in schwierigen Zeiten auf sich genommen. Auch ihm bin ich hierfür sehr verbunden. Zu den wichtigsten Etappen meiner Untersuchung zählte ein zweimonatiger Forschungsaufenthalt bei der GD Außenbeziehungen der Europäischen Kommission in Brüssel. Zahlreiche Mitarbeiter von Rat, Kommission und Europäischem Parlament haben mir in dieser Zeit mit Diskussionen und Anregungen weitergeholfen. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang Herrn Professor Dr. Reinhard Priebe, der meine Studien vor Ort mit großem Engagement gefördert hat. Gleichermaßen verbunden bin ich der Europaabgeordneten Evelyne Gebhardt, die mich schon 1995/96 während meines Straßburger Auslandsstudiums als Assistenten eingestellt und mein Interesse am europäischen Recht nachhaltig geweckt hat. Ein besonderer Dank gilt meiner Kollegin Stephanie Bode, die mir bei der Durchsicht dieser Doktorarbeit – ähnlich wie schon bei vielen Gelegenheiten zuvor – mit großem Engagement zur Seite stand. Erhebliche Unterstützung habe ich während Studien- und Promotionszeit auch von Seiten der Studienstiftung des deutschen Volkes erfahren. Danken möchte ich schließlich dem Auswärtigen Amt und der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung, die die vorliegende Arbeit im Sommer 2004 unabhängig voneinander mit Druckkostenzuschüssen ausgezeichnet haben. Ich wäre nicht bis hierher gelangt, wenn mich nicht auf meinem Weg zahlreiche Freunde und Verwandte mit offenem Ohr begleitet und schöne wie auch trübere Zeiten mit mir geteilt hätten. Hierfür bin ich allen Weggefährten zutiefst dankbar. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Rahmen meine Eltern und Rebecka, die mich stets mit Geduld, Ausdauer und Verständnis unterstützt haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet. Berlin, im August 2004

Christian Storost

Inhaltsverzeichnis Einleitung Das „Odigitria“-Urteil des Europäischen Gerichts Erster Instanz

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Erster Teil Gemeinschaftsrechtliche Befugnis der EG zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte

20

A. Diplomatischer Schutz im klassischen Völkerrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Notwendigkeit einer Fortentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft im völkerrechtlichen Verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsbegriff und Europäische Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatsvolk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur als gekorenes Völkerrechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schwierigkeiten der terminologischen Erfassung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Europäische Gemeinschaft als „supranationale internationale Organisation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zum funktionalen Schutz eigener Bediensteter . . . . . . . . . . . . . III. Weitergehende Schutzrechte der EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ermächtigung aus dem Institut der Unionsbürgerschaft . . . . . . . . . . . . . 2. Ermächtigung kraft ausdrücklicher Kompetenzzuweisung . . . . . . . . . . . a) Art. 20 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 46 Grundrechtecharta. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 281 EGV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausdrückliche völkerrechtliche Einzelbefugnisse der EG . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ermächtigung kraft impliziter Kompetenzzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Konzept impliziter Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Implizite Außenkompetenzen im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . .

27 27 28 28 30 31 36 36 37 40 43 44 45 45 48 49 51 53 53 54 56

8

Inhaltsverzeichnis aa) Der klassische Befund und seine Grenzen: Notwendigkeit einer neuen Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahrensrechtliche Reichweite impliziter Gemeinschaftskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzlicher Bestimmungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bislang anerkannte Reichweite ungeschriebener völkerrechtlicher Handlungsformen der Gemeinschaft . . . (a) Im Rahmen vertraglicher Beziehungen . . . . . . . . . . . . . (b) Außerhalb vertraglicher Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . c) Diplomatischer Schutz als Anwendungsfall impliziter Gemeinschaftskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz im Zusammenhang mit der Wahrnehmung vollständig vergemeinschafteter Außenpolitiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz bei Verletzung von Gemeinschaftsabkommen . . . . (2) Schutz bei sonstigen Völkerrechtsverletzungen . . . . . . . . . (3) Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Schutzkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz im Zusammenhang mit der Wahrnehmung paralleler außenpolitischer Sachzuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Übertragbarkeit der oben gefundenen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Diplomatischer Schutz speziell im Rahmen der menschenrechtlichen Außenkompetenzen . . . . . . . . . . . . . . (a) Menschenrechtsschutz als parallele außenpolitische Gemeinschaftskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Ableitbarkeit impliziter Schutzkompetenzen in diesem Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Schutz für von der Gemeinschaft finanzierte Menschenrechtsbeobachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Schutz für individuelle Opfer von Menschenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutz außerhalb vergemeinschafteter Außenpolitiken. . . . . . . (1) Grundlagen einer „unterstützenden“ Schutzkompetenz . . (2) Praktische Fallstudie: Stellvertretende Schutzaktivitäten der Kommissions-Delegationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Diplomatischer Schutz gegenüber den Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personelle Reichweite der gemeinschaftlichen Schutzkompetenzen . . 5. Organkompetenzen und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56 59 59 62 62 67 74 75 75 82 91 93 94 96 96 99 99 99 104 105 110 112 115 116 120

D. Ergebnisse des ersten Teils. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

Inhaltsverzeichnis

9

Zweiter Teil Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

126

A. Die Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im Rahmen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Diplomatischer Schutz als Teil der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Schutzaktivitäten im Rahmen der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Überblick über das Schutzinstrumentarium im EU-Rahmen . . . . . . . . . 131 2. Die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Schutzfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Vorbereitung gemeinsamer Schutzaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Beschlussfassung über gemeinsame Schutzaktivitäten . . . . . . . . . . . . 135 c) Umsetzung der getroffenen Schutzbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Die Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der mitgliedstaatlichen Schutzzusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Zusammenfassende Praxisstudie: Der Fall Salman Rushdie . . . . . . . . . . . . . 138 B. Einbeziehung der EG in die bestehenden Koordinationsmechanismen . . . 142 C. Ergebnisse des zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146

Dritter Teil Völkerrechtliche Rahmenbedingungen des gemeinsamen Schutzsystems

148

A. Völkerrechtliche Zulässigkeit gemeinsamer mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im Rahmen der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Reichweite des völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzips . . . . . . . . . . . 149 II. Folgerungen für die gemeinsame Schutzzusammenarbeit im EU-Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 B. Völkerrechtliche Zulässigkeit einer Beteiligung der EG an diplomatischen Schutzaktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Generelle Reichweite der EG-Völkerrechtssubjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Vereinbarkeit von EG-Schutzmaßnahmen mit dem Völkerrecht . . . . . . . . . 159 1. Zulässigkeit eigenständiger Schutzaktivitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Zulässigkeit unterstützender Schutzaktivitäten zugunsten einzelner Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 C. Ergebnisse des dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

10

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Individuelle Schutzansprüche gegenüber der Europäischen Gemeinschaft?

165

A. Problematik subjektiver Rechte auf diplomatischen Schutz. . . . . . . . . . . . . 165 B. Individuelle Schutzbelange im Recht der internationalen Organisationen: Die „klassische“ funktionale Protektion . . . . . . . . . . . . . . . 168 C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechtliche Schutzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die schutzrechtliche Seite der Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . a) Abwehrrechtliche Wurzeln der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsdogmatik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ableitbarkeit grundrechtlicher Schutzansprüche im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Textbefund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzpflichten in der Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . cc) Grundrechtsdogmatische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ableitbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Schutzpflichten . . (2) Existenz eines korrespondierenden subjektiven Rechts auf Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Behandlung diplomatischer Schutzbegehren in den einzelnen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland . . . . . . d) Spanien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Überblick zur Rechtslage in den übrigen Mitgliedstaaten . . . . . . . . f) Ausblick: Der Beitrag der Beitrittskandidaten zu einem gemeineuropäischen Schutzmodell. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 20 EGV/Art. 46 Grundrechtecharta als weiterführende Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ansprüche auf diplomatischen Schutz aus der EMRK . . . . . . . . . . . . . . 5. Wertende Zusammenschau: Existenz und Reichweite diplomatischer Schutzansprüche gegenüber der EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausländische Gefahrenquellen als Teil der gemeinschaftsrechtlichen Schutzpflichtendogmatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Primäre Beistandsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sekundäre Regressansprüche im Falle unzureichender Schutzgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Justiziabilität von Schutzentscheidungen auf Gemeinschaftsebene aa) Einschlägige Klagemöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

170 171 172 172 173 173 176 178 178 185 186 187 188 194 199 204 208 216 218 220 222 227 228 231 232 236 236

Inhaltsverzeichnis

11

bb) Außenpolitisch bedingte Nachprüfungsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . 239 II. Sekundärrechtliche und vertragliche Schutzansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Einschlägige Schutzverordnungen im EG-Außenhandelsrecht . . . . . . . . 246 2. Schützende Bestimmungen in Gemeinschaftsabkommen? . . . . . . . . . . . 250 D. Ergebnisse des vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Fünfter Teil Zusammenfassung und Ausblick

256

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit . . . . . . . . . . . 256 B. Ausblick auf den Verfassungsentwurf des Konvents. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Anhang: Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen über die Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten im Rahmen von Fischereiabkommen mit Drittländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abk. ABl. Abs. ADI a. E. AEL a. F. AJDA AJIL Anfr. Anhg. AöR Art. Aufl. AVR Az. Bd. BdGVR begr. BGBl. bspw. BT-Drs. Buchholz

Bull. BVerfG BVerwG BYIL bzgl. bzw. CDE CMLR C/R

anderer Auffassung am angegebenen Ort Abkommen Amtsblatt Absatz Anuario de derecho internacional am Ende Collected Courses of the Academy of European Law alter Fassung L’Actualité juridique (Série Droit administratif) American Journal of International law Anfrage Anhang Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Archiv des Völkerrechts Aktenzeichen Band Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht begründet Bundesgesetzblatt beispielsweise Drucksache des Deutschen Bundestages Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, begr. v. Karl Buchholz / hrsg. von den Mitgliedern des Gerichts Bulletin Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht The British Yearbook of International Law bezüglich beziehungsweise Cahiers de droit européen Common Market Law Review Calliess/Ruffert

Abkürzungsverzeichnis ders. dies. Diss. DÖV DR E ebd. ed. EG EGKS EGMR EGV

EJIL EKMR EL ELR Entschl. EP EP-Anfr. EPIL EPZ Erkl. Erwgg. EU EU-Dok. EuG EuGH EuGRZ EuR Europ. Rat EUV EuZW EWGV EWS f. Fasc. ff. Fn. FS

13

derselbe dieselbe(n) Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Decisions and Reports/Décisions et rapports Amtliche Entscheidungssammlung ebenda edition / édition / edición / edizione Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 7. Februar 1992 (in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001) European Journal of International Law Europäische Kommission für Menschenrechte Ergänzungslieferung European Law Review Entschließung Europäisches Parlament Anfrage aus dem Europäischen Parlament Encyclopedia of Public International Law Europäische Politische Zusammenarbeit Erklärung Erwägungsgrund/Erwägungsgründe Europäische Union Dokument der Europäischen Union Europäisches Gericht Erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte Zeitschrift Europarecht Europäischer Rat Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht und die folgende Fascicule und die folgenden Fußnote Festschrift

14 GA GASP Gem. Antwort Gem. Erkl. GG ggf. GGK G/H GJ de la C.E. Grundrechtecharta GS GYIL HbStR hrsg. ICJ ICLQ i. d. i. e. i. E. i. e. S. IGH ILA ILC ILM ILR insb. IO IPrax JCDI JDI JÖR NF J.T. JuS Lfg. LIEI lit. LJIL LNTS LSJ M/D m. w. N.

Abkürzungsverzeichnis Generalanwalt Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Gemeinsame Antwort Gemeinsame Erklärung Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 gegebenenfalls Grundgesetz – Kommentar Grabitz/Hilf Gaceta Jurídica de la C.E. y de la Competencia Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7. Dezember 2000 Gedenkschrift German Yearbook of International Law Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben International Court of Justice International and Comparative Law Quarterly in der im einzelnen im Ergebnis im engeren Sinne Internationaler Gerichtshof International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Law Reports insbesondere Internationale(n) Organisationen Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Juris-Classeur de Droit international Journal du droit international Jahrbuch des Öffentlichen Rechts der Gegenwart, Neue Folge Journal des tribunaux Juristische Schulung Lieferung Legal issues of European integration Buchstabe Leiden Journal of International Law League of Nations – Treaty Series La Semaine Juridique Maunz/Dürig mit weiteren Nachweisen

Abkürzungsverzeichnis NJW Nr. NTER NTIR NVwZ Nw. NYIL OGH ÖHbVR ÖJZ OVG ÖZöR NF PCIJ Publ. RabelsZ RBDI RCJB RdA RdC RDI RDIDC RDP REDA REDI Rep. RGBl. RGZ RHDI RIDC RIE RiW RMC Rn. S. ScStudL Ser. Slg. SRÜ u. a.

15

Neue Juristische Wochenschrift Nummer Nederlands tijdschrift voor Europees recht Nordisk Tidsskrift for international Ret og jus gentium Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nachweis Netherlands Yearbook of International Law (Österreichischer) Oberster Gerichtshof Österreichisches Handbuch des Völkerrechts Österreichische Juristenzeitung Oberverwaltungsgericht Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht, Neue Folge Permanent Court of International Justice Publication Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue belge de droit international Revue critique de jurisprudence belge Recht der Arbeit Recueil des Cours de l’Académie de droit international Rivista di diritto internazionale Revue de droit international et de droit comparé Revue du droit publique et de la science politique en France et à l’étranger Revista española de Derecho Administrativo Revista española de Derecho Internacional Reports Gesetzblatt des Deutschen Reichs Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue Hellénique de droit international Revue internationale de droit comparé Revista de Instituciones Europeas Recht der internationalen Wirtschaft Revue du marché commun (et de l’Union européenne) Randnummer Seite(n) Scandinavian Studies in law Series/Série Amtliche Sammlung der Rechtsprechung Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und anderen / unter anderem

16 UAbs. UN-Dok. Univ. UNO UNO-Charta v. Verf. VG VGH vgl. VO Vol. VVDStRL WDK WVRK YBILC YEL ZaöRV z. B. ZEUS Ziff. z. T. ZUR ZVglR

Abkürzungsverzeichnis Unterabsatz Dokument der Vereinten Nationen Universität Organisation der Vereinten Nationen Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 von / vom Verfasser Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vergleiche Verordnung Volume Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 Yearbook of the International Law Commission Yearbook of European Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für europarechtliche Studien Ziffer zum Teil Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung

Das „Odigitria“-Urteil des Europäischen Gerichts Erster Instanz Im Mai 1990 kam es im Küstengrenzgebiet zwischen Guinea-Bissau und Senegal zu einem schwerwiegenden Zwischenfall: Eine guineische Patrouille brachte das unter griechischer Flagge fahrende Fischereiboot „Theodoros M“ gewaltsam auf und durchsuchte Schiff und Ladung. Die Vertreter Guinea-Bissaus warfen der Besatzung vor, unberechtigt in fremde Fischereigewässer eingedrungen zu sein. Sie pfändeten das Schiff und klagten seinen Kapitän vor dem Tribunal popular in Bissau an. Vergeblich beriefen sich Kapitän und Schiffseigner darauf, dass die EG ein Fischereiabkommen mit dem Nachbarstaat Senegal geschlossen habe, in dem ausdrücklich Fangrechte für die fragliche Zone vorgesehen seien. Die Vertreter Guinea-Bissaus maßen diesem Vorbringen keine Bedeutung bei. Sie behaupteten, der in Rede stehende Küstenstreifen gehöre in Wahrheit bereits zum guineischen Hoheitsgebiet. Die vom Senegal zugesagten Fangrechte seien deshalb gegenstandslos. Obwohl die Europäische Kommission versuchte, den Streitfall unter Einschaltung ihrer örtlichen Delegation zu schlichten, wurde der Kapitän schließlich in Bissau zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Auch das gepfändete Schiff wurde von Guinea-Bissau erst freigegeben, nachdem dessen Eigentümerin – die griechische Reederei „Odigitria AAE“ – eine beträchtliche Ablösesumme hierfür bereitgestellt hatte. Die betroffene Reederei verklagte Rat und Kommission daraufhin vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz auf Schadensersatz. Beide Organe hätten sich nicht genügend darum bemüht, ihr ausreichenden Schutz vor den Übergriffen Guinea-Bissaus zu gewähren. So hätten es Rat und Kommission insbesondere versäumt, die streitige Meereszone präventiv vom Fischereiabkommen mit Senegal auszunehmen. Darüber hinaus sei die Kommission auch gehalten gewesen, die Klägerin vorsorglich auf die anhaltenden Grenzstreitigkeiten zwischen beiden Staaten hinzuweisen und sie vor daraus resultierenden Aufbringungsrisiken zu warnen. Schließlich habe die Kommission in jedem Fall ihre Pflicht verletzt, sofort nach der Aufbringung die zuständigen Behörden Guinea-Bissaus zu konsultieren und die unverzügliche Freigabe der „Theodoros M“ zu beantragen.

18

Einleitung

Das Europäische Gericht Erster Instanz wies die Klage im Ergebnis zurück – allerdings mit einer bis heute bemerkenswerten Begründung.1 So sei zunächst festzustellen, dass die verklagten Gemeinschaftsorgane angesichts ihres großen außenpolitischen Gestaltungsermessens grundsätzlich nicht dazu verpflichtet gewesen seien, das umstrittene Seegebiet zum Schutze der Klägerin von vornherein aus dem Fischereiabkommen auszuklammern. Die Kommission habe allerdings möglicherweise durchaus die Pflicht gehabt, die Klägerin präventiv vor drohenden Aufbringungsgefahren zu warnen. Diese Frage bedürfe vorliegend nur deshalb keiner Entscheidung, weil der Kapitän den Grenzstreit bereits von sich aus gekannt habe. Die unterlassene Warnung sei insoweit jedenfalls nicht kausal für die Aufbringung der „Theodoros M“ geworden. Schadensersatzansprüche könnten sich daneben grundsätzlich auch daraus ergeben, dass die Kommission nach der Aufbringung nicht ausreichend tätig geworden sei. Die örtliche Kommissionsdelegation habe allerdings in dieser Phase durchaus verschiedene Schritte „zugunsten der Interessen der Klägerin“ unternommen. Es sei deshalb im konkreten Fall „nicht daran zu zweifeln, dass die Delegation der Kommission [. . .] ihre Pflicht zum diplomatischen Schutz gegenüber dem Kapitän und der Klägerin erfüllt hat.“2 Die Maßstäbe und Prämissen dieses Urteilsspruchs sind nicht selbstverständlich. Sie werfen grundlegende Fragen an den Entwicklungsstand des Völker- und Gemeinschaftsrechts auf. Zugleich berühren sie in vielfacher Hinsicht auch die aktuellen Kodifikationsbemühungen der International Law Commission (ILC) im Bereich des diplomatischen Schutzes.3 Antworten und tragfähige Lösungsmodelle für die Einbettung von EG und EU in das traditionelle Schutzsystem fehlen bislang weitgehend. Sie sollen hier in vier aufeinander aufbauenden Schritten abgeleitet werden: Im Vordergrund steht zunächst die Frage, inwieweit das Gemeinschaftsrecht der EG überhaupt Raum für diplomatische Schutzaktivitäten zugunsten einzelner Individuen und juristischer Personen lässt (Erster Teil). Aufbauend darauf wird im weiteren das Verhältnis zwischen mitgliedstaatlichen und gemeinschaftlichen Schutzrechten sowie die koordinierende Rolle der Europäischen Union in diesem Zusammenhang zu untersuchen sein (Zweiter Teil). Berücksichtigt werden muss auch, welche Grenzen das Völkerrecht einem derartigen Schutzsystem setzt, und zwar sowohl in Hinblick auf das grundlegende Nichteinmischungsprinzip wie auch in Hinblick auf die besondere 1 EuG Slg. 1995 II, S. 2025 ff. Der in zweiter Instanz angerufene EuGH (Slg. 1996 I, S. 6129 ff.) nahm zu diesem Urteil inhaltlich keine Stellung, da er die Rechtsmittelbegründung schon formal für nicht stichhaltig genug hielt. 2 EuG Slg. 1995 II, S. 2025, 2053/Rn. 77; im gleichen Sinne S. 2055/Rn. 85. 3 Einen Überblick über den aktuellen Stand dieser Kodifikation bieten die ILC unter sowie Zieck, LJIL 14 (2001), S. 209 ff.

Einleitung

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Stellung der EG in der Völkerrechtsgemeinschaft (Dritter Teil). Schließlich bleibt (in einem Vierten Teil) zu klären, ob – und gegebenenfalls mit welchem Inhalt – in diesem Rahmen tatsächlich auch korrespondierende subjektive Schutzansprüche in Betracht kommen.

Erster Teil

Gemeinschaftsrechtliche Befugnis der EG zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte A. Diplomatischer Schutz im klassischen Völkerrecht Der Begriff „diplomatischer Schutz“ bezeichnet nach traditionellem Verständnis völkerrechtliche Maßnahmen, durch die ein Völkerrechtssubjekt ihm zugeordnete Individuen gegen Völkerrechtsverstöße von Seiten eines anderen Völkerrechtssubjekts verteidigt.4 Umfasst davon ist sowohl das präventive Vorgehen gegen drohende Rechtsverletzungen wie auch die repressive Durchsetzung von Wiedergutmachungsansprüchen im Falle eines bereits entstandenen Schadens.5 Diplomatischer Schutz in diesem Sinne kommt vor allem zur Gewährleistung fremdenrechtlicher Mindeststandards in Betracht. Er kann jedoch auch darüber hinaus gehen: Anlass kann letztlich jede vertragliche oder außervertragliche Völkerrechtsverletzung sein, die einzelne Individuen unmittelbar beeinträchtigt.6 Abzugrenzen hiervon sind Fälle, in denen nicht die Abwehr von Rechtsverstößen, sondern die Durchsetzung wirtschaftlicher oder privater Interessen gegen rechtmäßige Widerstände im Vordergrund steht. Vom diplomatischen Schutz zu unterscheiden ist überdies der „konsularische Schutz“, also die direkte Betreuung 4 Bennouna, UN-Dok. A/CN.4/484, Rn. 10 ff.; Díaz Barrado, in: Cursos VitoriaGasteiz, S. 239, 272 ff.; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 24 Rn. 32; Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1046; Jimenez Piernas, RIE 20 (1993), S. 9, 25 f.; Klein, DÖV 30 (1970), S. 704; v. Münch, in: FS Stödter, S. 231, 235. Ebenso nunmehr auch Art. 1 Abs. 1 ILC-Kodifikationsentwurf v. 2002, UN-Dok. A/57/10, S. 167: „Diplomatic protection consists of resort to diplomatic action or other means of peaceful settlement by a State adopting in its own right the cause of its national in respect of an injury to that national arising from an internationally wrongful act of another State“. 5 Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 35; Ruffert, AVR 35 (1997) S. 459, 460 f. 6 Vgl. schon die uneingeschränkte Formulierung des PCIJ (Publ. Ser. A, Vol. 2, S. 12): „It is an elementary principle of international law that a State is entitled to protect its subjects, when injured by acts contrary to international law committed by another State.“ (Hervorhebung v. Verf.). – Wie hier auch Doehring, Völkerrecht, Rn. 868; Geck, in: FS Carstens I, S. 339, 343; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 24 Rn. 33; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 18. Enger insoweit Hailbronner, in: Vitzthum, III Rn. 113.

A. Diplomatischer Schutz im klassischen Völkerrecht

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und Unterstützung von Bürgern durch hoheitliche Auslandsvertretungen.7 Anders als in den hier untersuchten Fallgruppen geht es dabei nicht um völkerrechtliche Maßnahmen gegen andere Staaten, sondern um persönlichen Beistand für einzelne Individuen, etwa durch Beratung, Fürsorge oder Hilfe in nationalen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren. Konsularischer und diplomatischer Schutz können dabei im Einzelfall durchaus zeitgleich gewährt werden, so etwa wenn eine Auslandsvertretung einzelne Bürger im Gefängnis betreut und den Inhaftierungsakt zugleich auf internationaler Ebene als Völkerrechtsverstoß angreift. Auf die sich daraus ergebenden Überschneidungen wird an späterer Stelle noch einzugehen sein. Der Schwerpunkt dieser Arbeit soll indes bewusst beim diplomatischen Schutz liegen, also bei den unmittelbar völkerrechtlichen Handlungsformen und Abwehrkompetenzen. Die Gewährung diplomatischer Protektion dient nach klassischem Völkergewohnheitsrecht nicht der Durchsetzung eines subjektiven Anspruchs der verletzten Person selbst. Ihre Verletzung ist vielmehr nur der Auslöser eigener und ausschließlicher Ansprüche des Schutz gewährenden Völkerrechtssubjekts, das in seinem originären Recht auf völkerrechtsgemäße Behandlung der ihm zugeordneten Personen verletzt wird.8 Eine neuere Gegenansicht sieht demgegenüber im diplomatischen Schutz – zumindest auch – eine unmittelbare Vertretung des verletzten Individuums.9 Sie verweist dazu auf die sich wandelnde Rechtsstellung des Einzelnen im Völkerrecht, der insbesondere in den jüngeren Menschenrechtsverträgen zunehmend vom staatlich mediatisierten Objekt zum partiellen Rechtssubjekt gekoren werde. Wie die Menschenrechte komme auch der diplomatische Schutz in erster Linie dem betroffenen Individuum selbst zu gute. Es liege daher nahe, diesem hier wie dort jeweils auch eigenständige Rechtsfähigkeit zuzubilligen. Es spricht für die letztgenannte Auffassung, dass sie manche der gewohnheitsrechtlichen Voraussetzungen des diplomatischen Schutzes plausibler erklären kann, als dies mit traditionellem Verständnis möglich ist, so vor 7

Bennouna, UN-Dok. A/CN.4/484, Rn. 12; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 20. Begründet durch Vattel, Droit des gens (1758), livre II § 71; grundlegend später PCIJ Publ. Ser. A, Vol. 2, S. 12; PCIJ Publ. Ser. A/B, Vol. 76, S. 16; ICJ Rep. 1955, S. 4, 24; ICJ Rep. 1970, S. 3, 44. In der Literatur etwa Berber, Lehrbuch des Völkerrechts III, S. 20; Brownlie, Principles, S. 596 f.; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 24 Rn. 41 ff.; Randelzhofer, in: EPIL III, S. 501, 506. 9 Doehring, Pflicht des Staates, S. 19 ff.; ders., Völkerrecht, Rn. 870; Katzarov, ÖZöR NF 18 (1957/58), S. 434, 443 ff.; Orrego Vicuña, ILA-Report 2000, S. 28, 30; Schwarze, AVR 24 (1986) S. 408, 426 ff.; z. T. auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1227 f., die ohne nähere Begründung zwischen (individualschützendem) präventivem und (staatschützendem) repressivem Schutz differenzieren wollen. 8

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

allem die primär auf das betroffene Individuum selbst abstellenden Erfordernisse fortbestehender Staatsangehörigkeit und vorheriger Rechtswegerschöpfung.10 In gleichem Maße entstehen damit allerdings neue dogmatische Brüche. So bleiben Verzichtserklärungen des unmittelbaren Opfers nach allgemeiner Ansicht ohne Einfluss auf das diplomatische Schutzrecht des betreffenden Heimatstaats, obwohl sie einen Individualanspruch an sich gerade zum Erlöschen bringen müssten. Ebenso wenig mit der Annahme eines Individualrechts vereinbar erscheint, dass ein Staat nach geltendem Völkerrecht sogar gegen den Protest des Individuums auf Entschädigungen verzichten oder Pauschalbeträge in beliebiger Höhe vereinbaren kann.11 Hinzu kommt als weiterer Gesichtspunkt, dass der Schluss von einer faktischen Begünstigung des Einzelnen auf seine eigenständige Berechtigung gerade im Völkerrecht schweren Bedenken ausgesetzt bleibt. Schon der Ausgangspunkt dieses Schlusses ist zweifelhaft. Denn das Instrument des diplomatischen Schutzes entstand – anders als die Menschenrechtsverträge – historisch gerade nicht zur Durchsetzung individueller völkerrechtlicher Rechtspositionen, sondern primär um der betroffenen staatlichen Interessen selbst willen. So sah etwa Emer de Vattel, der mit seinem 1758 erschienen Werk „Droit des gens“ die Entwicklung des diplomatischen Schutzes maßgeblich prägte, darin allein eine Verteidigung des wirtschaftlichen Gesamtvermögens und des inneren „contrat social“ eines jeden Staates.12 Auch die fortbestehende Mediatisierung des einzelnen im Völkerrecht legt eine gewisse Zurückhaltung bei der Annahme individueller Rechtspositionen nahe. Zwar hat sich die Rechtsstellung des Individuums in den letzten Jahrzehnten tatsächlich bereits erheblich verändert. Ausgangspunkt und alleiniger Herr aller entsprechenden Entwicklung aber blieben stets die Staaten. Entscheidend für die völkerrechtliche Stellung des Einzelnen war dementsprechend nicht der Gedanke faktischer Betroffenheit, sondern das Vorliegen eines eindeutigen staatlichen Willens zur Begründung entsprechender (partieller) Rechtssubjektivität. Es ist gerade deshalb von zentraler Bedeutung, dass die Staatenpraxis den Opfern völkerrechtswidriger Über10 Bennouna, UN-Dok. A/CN.4/484, Rn. 18 ff.; Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1057; Doehring, Völkerrecht, Rn. 873 ff. 11 Bleckmann, Völkerrecht, Rn. 1072. 12 Vattel, Droit des gens, livre II § 81: „Les biens mêmes des particuliers, dans leur totalité, doivent être regardés comme les biens de la Nation, à l’égard des autres États. Ils lui appartiennent réellement en quelque sorte, par les droits qu’elle a sur les biens de ses Citoyens, parce qu’ils font partie de ses richesses totales & augmentent sa puissance. Ils l’intéressent par la protection qu’elle doit à ses membres. [. . .] Tous ceux qui forment une Société, une Nation, étant considérés par les Nations étrangères comme ne faisant qu’un tout, comme une seule personne; tous leurs biens ensemble ne peuvent être envisagés que comme les biens de cette même personne.“ – Ähnlich auch livre II §§ 71 und 346.

A. Diplomatischer Schutz im klassischen Völkerrecht

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griffe bis heute grundsätzlich kein individuelles Abwehrrecht gegen den Verletzerstaat zugesteht.13 Das deutlichste Indiz dafür liegt in der weithin fehlenden völkerrechtlichen Durchsetzungsmacht des betroffenen Opfers gegenüber dem Verletzerstaat. So verfügen Individuen nur in den seltensten Fällen über unmittelbare Rechtsschutzmöglichkeiten auf internationaler Ebene. Selbst im Menschenrechtsbereich bleiben die Durchsetzungsmöglichkeiten vielfach lückenhaft, wenn man vom Sonderfall der EMRK einmal absieht.14 Zwar ist die Gleichsetzung von materiellen und prozessualen Rechtspositionen keineswegs zwingend.15 Sie ist jedoch gerade im Völkerrecht geboten, das weit stärker als innerstaatliche Rechtsordnungen auf selbständige Befolgung durch die Normunterworfenen angewiesen und insoweit tendenziell eher deskriptiv als normativ ausgerichtet ist.16 Dass das Völkerrecht den betroffenen Individuen bis heute grundsätzlich keine eigenständige Rechtsposition zuerkennt, wurde im Übrigen auch bei den jüngsten ILC-Debatten zur Kodifikation des diplomatischen Schutzes deutlich. Nur wenige Staaten schlossen sich 1998 dem Spezialberichterstatter Bennouna an, der die traditionelle Rechtslage skeptisch betrachtet und für eine verstärkte Anerkennung individualbezogener Schutzaspekte plädiert hatte.17 Eine deutliche Mehrheit sprach sich dagegen für die Beibehaltung des klassischen Verständnisses aus. So erklärte etwa der britische Vertreter in bezeichnender Deutlichkeit: „On the topic of diplomatic protection, his delegation was perplexed or even disappointed. The idea put forward by the Special Rapporteur that diplomatic protection should be recognized not as an inter-State institution of international law but as an arrangement under which the State acted as agent for its injured national would not be codification at all but a radical reformulation and it was hard to see what benefit would flow from it.“18 Unter dem Eindruck dieser Kritik beschloss die von der ILC eingesetzte Arbeitsgruppe, die Ausübung des diplomatischen 13

So i. E. auch Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1058. Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, Rn. 24 ff. 15 So zutreffend Schwarze, AVR 24 (1986) S. 408, 414. 16 Doehring, in: EPIL II, S. 43, 44. Prägnant in diesem Sinne auch Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1058: „As a rule States are less concerned with legal theory than with results“. 17 Bennouna, UN-Dok. A/CN.4/484, Rn. 14 ff. (speziell Rn. 53). 18 UN-Dok. A/C.6/53/SR.14, Rn. 8 („Hinsichtlich des diplomatischen Schutzes war seine Delegation erstaunt oder sogar enttäuscht. Die Idee des Spezialberichterstatters, den diplomatischen Schutz nicht als zwischenstaatliches Völkerrechtsinstrument, sondern als Form staatlicher Vertretung des verletzten Individuums anzuerkennen, wäre von vornherein keine Kodifikation, sondern eine radikale Umdeutung – und es sei schwer vorstellbar, welche Vorteile sich daraus ergeben sollten.“). Weiterführend zu den einzelnen Stellungnahmen ILC, Report 1998, UN-Dok. A/53/10, Rn. 76 ff.; Zieck, LJIL 14 (2001), S. 209, 229 Fn. 66. 14

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Schutzes weiterhin als staatliches Recht zu behandeln.19 Auch die Kodifikationsentwürfe des zweiten Berichterstatters Dugard, die seit 2000 sukzessive veröffentlicht und diskutiert wurden, gingen von diesem Konzept aus.20 Wie zentral das traditionelle Verständnis bis heute für die Staatenpraxis geblieben ist, lässt sich jedoch vor allem an dem im Sommer 2002 von der ILC verabschiedeten Kodifikationsentwurf erkennen, der nunmehr – weit über die ursprünglichen Entwürfe hinaus – mit einer unmissverständlichen Klarstellung beginnt: „Diplomatic protection consists of resort to diplomatic action or other means of peaceful settlement by a State adopting in its own right the cause of its national in respect of an injury to that national arising from an internationally wrongful act of another State.“21 Das von Teilen der Literatur befürwortete „Vertretungsmodell“ wurde damit von der Mehrheit der Staaten klar zurückgewiesen. Zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte sind nach klassischem Verständnis grundsätzlich nur Staaten legitimiert.22 Denn nur diese stehen in einer durch das Institut der Staatsangehörigkeit vermittelten „echten Beziehung“23 zu dem unmittelbaren Opfer der jeweiligen Völkerrechtsverletzung. Obwohl sich schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine zunehmende Universalisierung der internationalen Beziehungen und die Entstehung neuer staatenübergreifender Akteure beobachten ließ, blieb dieser Ausgangspunkt lange Zeit weitgehend unangefochten. Die Beschränkung der Schutzberechtigung auf Staaten bot den Vorteil einer (zumindest im Aus19

ILC, Report 1998, UN-Dok. A/53/10, Rn. 108 lit. c. Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, Rn. 61 ff. (speziell Rn. 73). 21 Art. 1 Abs. 1 ILC-Kodifikationsentwurf v. 2002, UN-Dok. A/57/10, S. 167 („Diplomatischer Schutz besteht im Gebrauch diplomatischer Handlungen oder anderer Mittel friedlicher Streitbeilegung durch einen Staat, der aus eigenem Recht die Sache seines Staatsangehörigen aufgreift, hinsichtlich einer Verletzung dieses Staatsangehörigen durch ein internationales Vergehen eines anderen Staates.“ – Hervorhebung v. Verf.). Vgl. dazu auch den von der ILC beigefügten Commentary (3) zu Art. 1, ebd. S. 170. 22 Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 35; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 24 Rn. 34; Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1046. 23 Brownlie, Principles, S. 482. Vgl. für den Sonderfall eingebürgerter Mehrstaatler auch ICJ Rep. 1955, S. 4, 23: „According to the practice of States, to arbitral and judicial decisions and to the opinions of writers, nationality is a legal bond having as its basis a social fact of attachment, a genuine connection of existence, interests and sentiments, together with the existence of reciprocal rights and duties. It may be said to constitute the juridical expression of the fact that the individual upon whom it is conferred, either directly by the law or as the result of an act of the authorities, is in fact more closely connected with the population of the State conferring nationality than with that of any other State. Conferred by a State, it only entitles that State to exercise protection vis-à-vis another State, if it constitutes a translation into juridical terms of the individual’s connection with the State which has made him its national.“ (Hervorhebung v. Verf.). 20

A. Diplomatischer Schutz im klassischen Völkerrecht

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gangspunkt) klaren Bestimmbarkeit des jeweils Anspruchsberechtigten und einer hinreichenden Durchsetzbarkeit der Ansprüche in der Praxis. Gleichwohl wurde sie durch die rasante Entwicklung und Vertiefung der internationalen Zusammenarbeit zunehmend fragwürdig. So ergaben sich insbesondere Widersprüche, wenn eine internationale Organisation wie der Völkerbund oder die UNO auf der einen Seite mit weit reichenden Befugnissen und Unabhängigkeitsprivilegien ausgestattet wurde, auf der anderen Seite aber ihre Bediensteten bei der Ausführung dieser Aufgaben nur über die vermittelnde Hilfe der jeweiligen Herkunftsstaaten schützen können sollte. Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen erstellte der Internationale Gerichtshof 1949 sein bahnbrechendes „Injuries suffered“-Gutachten.24 Erstmals wurde darin anerkannt, dass auch eine internationale Organisation wie die UNO schutzlegitimiert sein kann, wenn ihre Bediensteten Opfer einer Völkerrechtsverletzung werden. Zur Begründung verwies der IGH darauf, dass ein Staat, der Organisationsbedienstete bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben störe, dadurch (neben allgemeinem Fremdenrecht) vor allem seine spezifischen Loyalitätspflichten gegenüber dieser Organisation selbst verletze. Eine ausreichend effiziente und vor allem unabhängige Ahndung sei in solchen Fällen nur dadurch zu erreichen, dass die UNO selbst „funktionellen Schutz“ nach Art des staatlichen diplomatischen Schutzes gewähre: Die Unabhängigkeit der Bediensteten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben25 müsse sich konsequenterweise auch in einem von den Mitgliedstaaten unabhängigen Schutz niederschlagen. Die Stellung eines Bediensteten dürfe insoweit nicht davon abhängig sein, ob er die Staatsangehörigkeit eines starken oder schwachen Staats innehabe, ob dieser Staat mehr oder weniger von den „Verwicklungen des internationalen Lebens“ betroffen sei oder wie dieser politisch zu der betreffenden Mission stehe. Andernfalls drohe die Gefahr einer erheblichen persönlichen Verunsicherung, die letztlich die Unabhängigkeit der Organisation selbst in Frage stelle. Schließlich seien auch Fallgestaltungen denkbar, bei denen die Herkunftsstaaten selbst gar nicht zum Schutz der betroffenen Bediensteten berechtigt seien oder sich zu dessen Ausübung außerstande sähen; entsprechendes gelte erst recht für den Fall staatenloser Bediensteter. Aus all diesen Gründen sei die UNO zur Ausübung funktioneller Schutzansprüche berechtigt, ohne dass es dazu zwingend einer ausdrücklichen Ermächtigung in ihrer Satzung bedürfe. Dieser Ausnahmefall wird in der völkerrechtlichen Praxis und Lehre inzwischen allgemein für internationale Organisationen akzeptiert.26 Im Übri24 ICJ Rep. 1949, S. 174 ff.; im hier untersuchten Zusammenhang speziell S. 181 ff. 25 Vgl. Art. 100 UNO-Charta. 26 Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1065; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0319; Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 1856. Vom aktuel-

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

gen aber blieb der Grundsatz einer rein staatlichen Schutzberechtigung weiterhin prägend: Soweit nicht eine Verletzung von Organisationsbediensteten in Rede steht, gelten im Völkerrecht unverändert nur Staaten als schutzbefugt.

B. Notwendigkeit einer Fortentwicklung Es erscheint fraglich, ob diese traditionelle Blickweise der seither zu beobachtenden Weiterentwicklung der internationalen Zusammenarbeit noch ausreichend Rechnung trägt. Insbesondere die 1949 noch visionär erscheinende Verdichtung staatenübergreifender Kooperation bis hin zu teilautonomen, vielfach als „supranational“ bezeichneten27 Organisationen wie der Europäischen Gemeinschaft gibt insoweit Anlass zu Zweifeln. Denn Einfluss und Bedeutung solcher Organisationen beruhen auf einer weit reichenden Übertragung von Kompetenzen durch die Mitgliedstaaten, die von bloßen Kooperationsformen bis hin zur völligen Rücknahme eigener mitgliedstaatlicher Hoheitsgewalt über bestimmte Felder reicht. Im gleichen Maße, in dem die Macht staatenübergreifender Organisationen zunimmt, verlieren dabei deren Mitgliedstaaten eigene Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten. Die Folgen dieses Prozesses für das Recht zur Gewährung diplomatischen Schutzes wurden bislang kaum problematisiert; meist findet sich allenfalls ein knapper Hinweis auf das Staatenprivileg des klassischen Völkerrechts.28 Zur Untersuchung dieser Frage soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit vor allem auf die Europäische Gemeinschaft eingegangen werden. Denn die EG besitzt bis heute nicht nur Modellcharakter für eine Vielzahl ähnlicher Integrationsverbünde an anderen Stellen der Welt29, sondern beruht auch auf einer besonders weit reichenden Übertragung ursprünglich staatlicher Befugnisse. So ist die EG inzwischen gerade im Bereich der Außenkompetenzen vielfach sogar ausschließlich zuständig.30 Die Gründung der Eurolen Kodifikationsvorhaben der ILC blieb er allein aus Zeitgründen ausgeschlossen, vgl. Dugard, UN-Dok. A/CN.4/523, Rn. 16 f.; ILC, Report 2002, UN-Dok. A/57/ 10, Rn. 121 ff. 27 Zum Begriff und seiner Problematik näher unten S. 37 ff. 28 So etwa bei Bothe, ZaöRV 37 (1977) S. 122, 129; Friedrichs, Frage der Völkerrechtssubjektivität, S. 186 f.; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 256 f.; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 187 Rn. 5; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 121; Sauerwald, Unionsbürgerschaft, S. 76. 29 Detailliert zu Struktur und Zielen dieser Organisationen Lehmann, Wirtschaftsintegration und Streitbelegung außerhalb Europas. 30 Etwa im praktisch bedeutsamen Bereich der Handelspolitik, vgl. Art. 133 EGV.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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päischen Union in den Jahren 1992/93 und die Einführung einer ihr zugewiesenen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)31 haben an dieser Ausgangslage nichts grundsätzliches geändert. Denn die GASP dient zwar der Koordinierung, nicht aber der Ersetzung gemeinschaftseigener Außenkompetenzen.32 Ausweislich Art. 47 EUV lässt der Unionsvertrag die Befugnisse der Gemeinschaft vielmehr prinzipiell unberührt. Gleichwohl weist auch die GASP eine Fülle von Querbezügen zum diplomatischen Schutz auf, die an späterer Stelle noch genauer zu beleuchten sein werden.33 Eine genaue Zuordnung einzelner Außenkompetenzen zu EU oder EG ist dabei nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen gerichtlichen Nachprüfbarkeit getroffener Maßnahmen (Art. 46 EUV) und den weithin voneinander abweichenden Entscheidungsverfahren von grundlegender Bedeutung. Die folgende Untersuchung soll deshalb auch einen Beitrag zu dieser bis heute zentralen Abgrenzungsproblematik leisten.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung der Europäischen Gemeinschaft I. Die Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft im völkerrechtlichen Verkehr Eine Untersuchung möglicher Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung der Europäischen Gemeinschaft setzt zunächst Klarheit über deren Rechtsnatur im völkerrechtlichen Verkehr voraus. Zahlreiche Publikationen sind dieser Frage bereits gewidmet;34 eine gleichermaßen umfassende Darstellung aller damit angesprochenen Aspekte ist nicht Ziel dieser Arbeit. Gleichwohl bleiben auch hier einige grundlegende Überlegungen zur Rechtsnatur der Europäischen Gemeinschaft notwendig. Denn Umfang und Tiefe der europäischen Zusammenarbeit haben in den letzten Jahrzehnten eine solch weit reichende rechtliche wie terminologische Verunsicherung ausgelöst, dass ein gesicherter Zwischenbefund bis heute nur schwer 31

Vgl. Art. 11 ff. und speziell zum diplomatischen Schutz Art. 20 EUV. Burghardt/Tebbe/Marquardt, in: Groeben/Schwarze, Vorb. Zu Art. 11–28 EU Rn. 11 f.; dies., in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EU Rn. 2 und 4; Krück, in: Schwarze, Art. 11–28 EUV Rn. 78. 33 Siehe unten S. 126 ff. 34 In jüngerer Zeit etwa Busse, Völkerrechtliche Einordnung; Kuschnick, Integration; Nettesheim, ZEUS 5 (2002), S. 507 ff.; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 103 ff.; Riklin, EG im System der Staatenverbindungen; Schmitz, Integration. 32

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

zu bestimmen ist. Abschließenden Festlegungen steht zugleich auch die Dynamik des europäischen Einigungsprozesses entgegen, die eine fortwährende Überprüfung der notwendig zeitbedingten Zwischenbefunde über die Rechtsnatur der EG erforderlich macht. 1. Staatsbegriff und Europäische Gemeinschaft Das Instrument des diplomatischen Schutzes entstand in einer Zeit, in der Staaten als die einzigen Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten galten. Diese zwischenstaatlichen Wurzeln wirken in vieler Hinsicht bis heute fort. Eine Untersuchung des Verhältnisses der Europäischen Gemeinschaft zum Staatsbegriff des Völkerrechts ist deshalb von zentraler Bedeutung für alle weiteren Überlegungen. Maßgeblich für die völkerrechtliche Existenz eines „Staates“ sind nach heute allgemeiner Ansicht die Kriterien der Jellinek’schen „Drei-Elementen-Lehre“.35 Staatlichkeit kommt danach nur solchen politisch und rechtlich organisierten Gebiets- und Personenverbänden zu, die über ein abgegrenztes Gebiet und Volk verfügen und darüber eine umfassend souveräne Gewalt ausüben. Fraglich ist, inwieweit die Europäische Gemeinschaft diese Kriterien nach heutigem Stand erfüllt. a) Staatsgewalt Voraussetzung für einen Staat im völkerrechtlichen Sinne ist die Existenz souveräner Staatsgewalt, d.h. die Fähigkeit, autonom die innere Ordnung zu gestalten und nach außen hin allein an das Völkerrecht gebunden zu handeln.36 Prägende Kennzeichen eines Staates sind deshalb seine prinzipielle sachliche Allzuständigkeit, seine organisatorische Selbstherrschaft und seine funktionelle Autonomie. Schon eine sachliche Allzuständigkeit in diesem Sinne aber fehlt der Europäischen Gemeinschaft: Ihre Verbandskompetenz ist sowohl nach innen wie nach außen auf die ihr (ausdrücklich oder sonst durch Auslegung nachweisbar) vertraglich zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele beschränkt. Die Geltung eines „Grundsatzes begrenzter Einzelermächtigungen“ wird vor allem in Art. 5 Abs. 1 EGV deutlich.37 Es ist heute weithin 35

Begründet durch Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 144 ff. und 394 ff. Zur Rezeption dieser Lehre Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 75 ff.; Doehring, in: EPIL IV, S. 600, 601. 36 Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 5 Rn. 6; vertiefend Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 109 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 112 ff.; Randelzhofer, in: HbStR I, § 15 Rn. 23 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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unbestritten, dass die damit normierte Begrenzung auch von Art. 308 EGV nicht durchbrochen wird: Die EG ist nach dieser Vorschrift zwar berechtigt, geeignete Abrundungsvorschriften zu erlassen, nicht aber, autonom auch über die Ziele des EGV hinausgehende Sachgebiete zu regeln.38 Art. 48 EUV bestätigt diese Sichtweise: Danach entscheiden über Veränderungen des gemeinschaftlichen Kompetenzgefüges weiterhin die Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“, während den Gemeinschaftsorganen insoweit allenfalls Initiativ- oder Anhörungsrechte zustehen. Wenngleich die Kompetenzgrenzen der EG in der Praxis mitunter an Kontur verloren haben39, blieb der damit umrissene rechtliche Ausgangsbefund im Kern doch bis heute unverändert: Die EG verfügt nicht über eine staatengleiche prinzipielle Allzuständigkeit. Dies wird in den letzten Jahren gerade auch von Mitgliedstaaten mit wachsendem Interesse betont. So zählte die verstärkte Begrenzung der Gemeinschaftskompetenzen bezeichnenderweise sogar zu den Hauptaufgaben des im Dezember 2001 eingesetzten Europäischen Verfassungskonvents.40 Auch in organisatorischer Hinsicht ist die Europäische Gemeinschaft nicht umfassend autonom. Zwar erkannte der EuGH schon früh an, dass den Gemeinschaftsorganen regelmäßig ein begrenztes Selbstorganisationsrecht zur Ausgestaltung ihrer internen Struktur und Ausgliederung ergänzender Einrichtungen zustehe.41 Dieses Recht findet jedoch seine Grenzen in den von den Mitgliedstaaten jeweils vorgegebenen Vertragsbestimmungen: Nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 EGV handelt jedes Organ (allein) nach Maßgabe der ihm vertraglich zugewiesenen Befugnisse. Weitergehende Veränderungen bestehender Organkompetenzen und die Schaffung neuer Gemeinschaftsorgane (wie zuletzt 1993 etwa des Rechnungshofs) bleiben durch Art. 48 EUV den Mitgliedstaaten vorbehalten.42 37 Calliess, in: C/R, Art. 5 EGV Rn. 12; weiterführend v. Bogdandy/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 3b EGV Rn. 3 ff.; Lienbacher, in: Schwarze, Art. 5 EGV Rn. 7 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 115 ff. 38 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1788/Rn. 30; BVerfG E 89, S. 155, 210; Isensee, in: FS Everling I, S. 567, 573 f.; Kirchhof, in: HbStR VII, § 183 Rn. 46; Kuschnick, Integration, S. 140 ff. Speziell für den diplomatischen Schutz Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 134 f. 39 Vgl. zur Kritik an der schleichenden Erosion mitgliedstaatlicher Kompetenzen etwa Jarass, Kompetenzen der EG, S. 12 ff.; Krausser, Prinzip begrenzter Ermächtigung, S. 44 und 63 ff.; Lecheler, AVR 32 (1994) S. 1, 13 f. 40 Vgl. die Erkl. zur Zukunft der Union (= Anhg. 23 Vertrag v. Nizza), ABl. 2001 C 80, S. 85 ff. 41 EuGH Slg. 1955/56, S. 15, 25; EuGH Slg. 1958, S. 9, 42; EuGH Slg. 1976, S. 593, 602; Hatje, in: Schwarze, Art. 7 EGV Rn. 13 ff.; Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 4 EGV Rn. 11 f. 42 Hatje, in: Schwarze, Art. 7 EGV Rn. 12; Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 4 EGV Rn. 8.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Schließlich ist die EG – mit wenigen Ausnahmen, etwa im Bereich der Außenhilfe – auch funktional fast durchgängig auf die Hilfe der Mitgliedstaaten angewiesen. Sie verfügt grundsätzlich weder über eigene Zwangsmittel noch über den entsprechenden Verwaltungsunterbau, um die ihr zugewiesenen Kompetenzen selbständig durchzusetzen.43 Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Europäische Gemeinschaft bis heute keine Staatsgewalt im eingangs genannten Sinne aufweist. b) Staatsgebiet Die Europäische Gemeinschaft besitzt zudem auch kein ihr eigenes Staatsgebiet, über das sie unbeschränkte Gebietshoheit oder territoriale Souveranität44 ausüben könnte. Zwar weist ihr der EG-Vertrag in Art. 299 einen als „räumlichen Geltungsbereich“ bezeichneten rechtlichen Bezugsraum zu, was Teile der Literatur für ein Staatsgebiet genügen lassen wollen.45 Eine solch vordergründige Gleichsetzung wird indes der „DreiElementen-Lehre“ in teleologischer Hinsicht nicht gerecht. Gegen sie spricht vor allem, dass ein abgegrenztes „Staatsgebiet“ von der Staatenpraxis nicht als formale Hülle, sondern gerade wegen der über ein Territorium ausgeübten originären Gewalt gefordert und anerkannt wird.46 Art. 299 EGV vermittelt jedoch gerade keine derart umfassende Territorialgewalt:47 Zum einen ist die EG wegen des bereits erwähnten Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung nicht Trägerin unbeschränkter Gebietshoheit. Zum anderen kann sie über ihren „räumlichen Geltungsbereich“ auch nicht wie ein Staat territorial souverän verfügen. Der räumliche Geltungsanspruch des EG-Vertrags leitet sich vielmehr vollständig aus dem jeweiligen Staatsgebiet der Mitgliedstaaten ab, die grundsätzlich alleinige Herren über etwaige territoriale Veränderungen bleiben.48 Sachlich zutreffend spricht deshalb auch Art. 18 Abs. 1 EGV statt vom Staatsgebiet der Gemeinschaft allein vom „Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten“.

43 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 129; Oppermann, Europarecht, Rn. 905. 44 Zur terminologischen Unterscheidung Vitzthum, in: HbStR I, § 16 Rn. 4. 45 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 104 ff. Unklar in diesem Punkt auch Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 112. 46 Vitzthum, in: HbStR I, § 16 Rn. 6 (m. w. N.); Ipsen/Gloria, Völkerrecht, § 23 Rn. 2 f. 47 Hoffmann, DÖV 20 (1967), S. 433, 435; Kuschnick, Integration, S. 154 f.; Randelzhofer, in: GS Grabitz, S. 581, 591 f. 48 Schröder, in: Groeben/Schwarze, Art. 299 EG Rn. 13 f.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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c) Staatsvolk Schon anhand der vorgenannten beiden Kriterien lässt sich feststellen, dass der EG unverändert wesentliche Charakteristika völkerrechtlicher Staatlichkeit fehlen.49 Gleichwohl bleibt im hier untersuchten Rahmen ein ergänzender Blick auf das weitergehende Merkmal des „Staatsvolkes“ sinnvoll: Schließlich wurde gerade dieses Element traditionell in engem Zusammenhang mit dem Institut des diplomatischen Schutzes gesehen.50 Das Völkerrecht fordert dabei hinsichtlich des „Staatsvolkes“ sicher mehr als die Existenz irgendeines personellen Bezugsrahmens.51 Gemeint ist vielmehr die Gesamtheit der Staatsangehörigen, über die ein Staat originäre Personalhoheit ausübt.52 Dementsprechend bezeichnet der Terminus „Staatsangehörigkeit“ das mit der Personalhoheit korrespondierende rechtliche Zuordnungsverhältnis zwischen Staat und Individuum.53 Wenngleich der konkrete Inhalt dieses Verhältnisses in jedem Staat unterschiedlich ausgestaltet sein kann54, weist es doch eine Reihe allgemein prägender Strukturmerkmale auf.55 Dazu zählt vor allem der umfassende Charakter der Staatsangehörigkeit: Sie erfasst den einzelnen in jeder sachlichen Hinsicht und örtlich unabhängig von seinem Aufenthaltsort. Prägend für die Staatsangehörigkeit ist daneben auch ihre Unmittelbarkeit: Sie erfasst den einzelnen direkt, nicht erst durch vermittelnde Zugehörigkeit zu einem zwischengeschalteten Verband. Dritte haben deshalb keinen unmittelbaren Einfluss auf Erwerb oder Verlust des Angehörigkeitsverhältnisses. 49 So i. E. auch (wenngleich zumeist noch auf der Basis früherer EG-Verträge) BVerfG E 22, S. 293, 296; BVerfG E 89, S. 155, 188; Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 139; Isensee, in: FS Everling I, S. 567, 572 (m. w. N.); Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 17; Oppermann, Europarecht, Rn. 902 ff.; ders., in: Staatenverbund der EU, S. 87, 90 f.; Randelzhofer, in: GS Grabitz, S. 581, 590. – A.A. nunmehr offenbar aber Nettesheim, ZEUS 5 (2002), S. 507, 523. 50 Siehe bereits oben S. 24 f. 51 So aber Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 79 f. und 108 f. 52 Doehring, in: EPIL IV, S. 600, 601; Grawert, in: HbStR I, § 14 Rn. 3; Hailbronner, in: Vitzthum, III Rn. 82 und 99. Anders z. T. der staatsrechtliche Volksbegriff, vgl. Herzog, in: M/D, Art. 20 II Rn. 11 Fn. 1. 53 Grawert, Der Staat 23 (1984) S. 179, 183; Makarov, Allgemeine Lehren, S. 28; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 5; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 8. 54 . . . und die Staatsangehörigkeit deshalb häufig als staats- oder z. T. sogar völkerrechtlich ausfüllungsbedürftiger „Bereitschaftsstatus“ angesehen wird, dazu weiterführend de Groot, Staatsangehörigkeitsrecht, S. 13 ff.; Makarov, Allgemeine Lehren, S. 28 ff.; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 9; ders., in: EPIL III, S. 501, 502. 55 Vertiefend zu diesen und weiteren Strukturmerkmalen Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 213; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 254; Gnielinski, Reform, S. 19 f.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Zweifelhaft ist, ob die Europäische Gemeinschaft – insbesondere nach Einführung der „Unionsbürgerschaft“ in Art. 17 ff. EGV – ein staatsbürgerschaftliches Zuordnungsverhältnis mit diesen Wesenszügen aufweist. Mit der Unionsbürgerschaft wird nach dem Verständnis des Bundesverfassungsgerichts zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein auf Dauer angelegtes rechtliches Band geknüpft, das dem bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeiten einen rechtlich verbindlichen Ausdruck verleiht.56 Tatsächlich vermittelt sie nach Art. 17 Abs. 2 EGV eine Reihe unmittelbarer Rechte und Pflichten57 zwischen der EG und den ihr zugeordneten Individuen. Doch bildet sie dabei kein allumfassendes Band wechselseitiger Rechtsbeziehungen und damit keine der Staatsangehörigkeit vergleichbare allgemeine „Grundbeziehung“. Denn die Rechtssetzung der EG bleibt auch nach Einführung der Unionsbürgerschaft funktional beschränkt: Wo sie an personale Kriterien anknüpft, tut sie dies sachlich wie örtlich im Rahmen bestehender Sachkompetenzen.58 Die Unionsbürgerschaft ergänzt die Staatsbürgerschaft damit zwar punktuell um einzelne Bürgerrechte, ersetzt sie aber nicht (so nun ausdrücklich Art. 17 Abs. 1 S. 3 EGV). Hinzu kommt, dass sich die Unionsbürgerschaft vollständig aus den Staatsangehörigkeitsrechten der Mitgliedstaaten ableitet: Nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGV ist Unionsbürger, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzt. Dies allein rechtfertigt allerdings noch nicht den Schluss, die Unionsbürgerschaft sei nicht „unmittelbar“ im oben genannten Sinne. Denn auch einige Bundesstaaten definieren ihre Staatsangehörigkeit über die Staatsangehörigkeit ihrer Gliedstaaten.59 Ein gemeinsames Staatsvolk aber kann aus einem solchen Verweis nur entstehen, wenn auf Bundesebene zugleich gemeinsame Regeln über die Ein- und Ausbürgerungsgründe existieren.60 Behalten die Gliedstaaten Einfluss darauf, fehlt die für 56

BVerfG E 89, S. 155, 184. Zu diesen im Einzelnen Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 53 ff.; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 254 f.; Kovar/Simon, CDE 29 (1993) S. 285, 295 ff. 58 BVerfG E 89, S. 155, 184; Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 52a; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 256; Kuschnick, Integration, S. 155 f.; Randelzhofer, in: GS Grabitz, S. 581, 591 f.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 22. 59 So etwa Art. 37 Abs. 1 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 18.4.1999. Ebenso in der deutschen Verfassungsgeschichte Art. 3 Verfassung des Norddeutschen Bundes v. 16.4.1867 und Art. 3 Reichsverfassung v. 16.4.1871. 60 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 100 f.; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 258 f.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 22. Die Befugnis für derartige Regelungen ergibt sich in den genannten Beispielen aus Art. 38 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft v. 18.4.1999, Art. 4 Nr. 1 Verfassung des Norddeutschen Bundes v. 16.4.1867 bzw. Art. 4 Nr. 1 Reichsverfassung v. 16.4.1871. 57

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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eine Staatsangehörigkeit wesensnotwendige Unmittelbarkeit. Entscheidend ist deshalb, welchen Einfluss die Europäische Gemeinschaft auf Erwerb und Verlust der Unionsbürgerschaft hat. Zur förmlichen Vereinheitlichung der Staatsangehörigkeitsrechte in den Mitgliedstaaten ist die EG nicht ermächtigt. Zwar ist die gegenwärtige Divergenz der mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeitsrechte gerade wegen der daraus resultierenden ungleichen Zugangsmöglichkeiten zum unionsbürgerschaftlichen Status außerordentlich unbefriedigend. Doch griffen die Mitgliedstaaten bis heute keine der zahlreichen Forderungen nach gemeinschaftlichen Mindeststandards für die Verleihung der Staatsbürgerschaft61 auf. Auch für eine Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGV ergänzende Gemeinschaftskompetenz zur eigenständigen Verleihung der Unionsbürgerschaft (etwa an Drittstaatler, die sich über lange Zeit rechtmäßig im Gemeinschaftsgebiet aufhalten62) bietet der EGV in seiner jetzigen Form keinerlei Anhaltspunkt.63 Denkbar bleibt allerdings eine indirekte Steuerung der Erwerbs- und Verlustgründe durch autonome Interpretation des Begriffs „Staatsangehörigkeit“ auf Gemeinschaftsebene. Methodisch fände ein solches Vorgehen zahlreiche Parallelen in der Rechtsprechung des EuGH zu den grundlegenden Statusbegriffen des Gemeinschaftsrechts.64 So hatte der EuGH etwa die gemeinschaftsautonome Auslegung des Begriffs „Arbeitnehmer“ (Art. 39 EGV) damit gerechtfertigt, dass andernfalls jeder Staat in der Lage wäre, bestimmte Personengruppen nach Belieben dem Schutz des Vertrages zu entziehen; damit aber wären die Grundfreiheitsartikel jeglicher Bedeutung beraubt und die Ziele des EGV ernsthaft gefährdet.65 Spätere Urteile verwiesen ergänzend auf das praktische Erfordernis einer einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts sowie auf den Gleichheitssatz.66 Alle diese 61

So von Seiten des EP u. a. „Entschl. zu dem Gesetzesvorschlag über die britische Staatsangehörigkeit“ v. 18.9.1981, ABl. 1981 C 260, S. 100 f.; „Entschl. zur Diskriminierung hinsichtlich der Übertragung der Staatsangehörigkeit“ v. 20.1.1984, ABl. 1984 C 46, S. 146 ff.; „Entschl. zur Unionsbürgerschaft“ v. 21.11.1995, ABl. 1991 C 326, S. 205 ff. Im Schrifttum etwa Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 68; Marias, in: European Citizenship, S. 1, 15. 62 Dazu Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 41 und 65; Garot, European Citizenship S. 229 ff.; Oliveira, in: European Citizenship, S. 185 ff. 63 Augustin, Volk der EU, S. 32; Haag, in: Groeben/Schwarze, Art. 17 EG Rn. 7; Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 41. Ebenso wenig zulässig ist im Übrigen ein selbständiger Verzicht (nur) auf die Unionsbürgerschaft, so ausdrücklich VGH München, NVwZ 1999, S. 197. 64 Dazu Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 165 ff.; Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 4 EGV Rn. 49. 65 Ständige Rechtsprechung seit EuGH Slg. 1964, S. 379, 396. 66 EuGH Slg. 1984, S. 107, 119.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Einwände gegen eine mitgliedstaatliche Definitionshoheit wären auch im Fall der „Staatsangehörigkeit“ berechtigt. In einem wichtigen Punkt allerdings unterscheidet sich die Ausgangslage der bisherigen Rechtsprechung grundlegend von der hier zu beurteilenden Konstellation: Nur weil dem Gemeinschaftsrecht kein Hinweis auf eine mitgliedstaatliche Definitionshoheit zu entnehmen war, blieb überhaupt Raum für eine gemeinschaftsautonome Auslegung.67 Die Frage der „Staatsangehörigkeit“ aber zählt nicht nur traditionell zur völkerrechtlichen domaine réservé jedes Staates,68 sondern ist zudem auch Gegenstand spezieller mitgliedstaatlicher Erklärungen und Vorbehalte. So ist nach Art. 31 Abs. 2 lit. a WVRK69 bei der Auslegung vor allem die in die Schlussakte des EUV aufgenommene „Erklärung zur Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates“ vom 7. Februar 199370 zu berücksichtigen.71 In ihr hielten die Mitgliedstaaten fest, dass die Frage der Staatsangehörigkeit allein durch Bezug auf das innerstaatliche Recht des betreffenden Mitgliedstaats geregelt werde. Ähnliche Erklärungen gaben die Mitgliedstaaten später unter anderem auch anlässlich des Europäischen Rats in Birmingham und Edinburgh ab.72 Die Rechtsprechung des EuGH zu Staatsangehörigkeitsfragen blieb vor diesem Hintergrund tatsächlich bislang sehr zurückhaltend. Schon im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten hatte der EuGH jede Differenzierung nach Zeit oder Form des Erwerbs der vermittelnden Staatsangehörigkeit abgelehnt.73 Bis heute vertritt er den Grundsatz, dass die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle.74 In seinem grundlegenden „Micheletti“-Urteil merkte der EuGH 1992 allerdings einschränkend an, die Mitgliedstaaten seien gehalten, von dieser Zuständigkeit unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts Gebrauch zu machen.75 Entsprechende Passagen finden sich auch in nachfolgenden Entscheidungen zum Staatsangehörig67

EuGH Slg. 1964, S. 379, 396; EuGH Slg. 1984, S. 107, 119. Vgl. insb. Art. 1 Haager Konvention zur Regelung von Kollisionsfragen im Staatsangehörigkeitsrecht v. 12.4.1930, LNTS 89, S. 5; ICJ Rep. 1955, S. 4, 20; Hall, ELR 21 (1996) S. 129, 130 f. (m. w. N.). 69 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v. 23.5.1969, BGBl. 1985 II S. 926 ff. 70 BGBl. II 1992, S. 1253, 1319. 71 GA La Pergola, Schlussanträge v. 23.9.1997, Slg. 1998 I, S. 4610, 4625; Augustin, Volk der EU, S. 35; Hilf, in: G/H I, Art. 17 EGV Rn. 42. 72 Closa, CMLR 32 (1995) S. 487, 511 f.; Greenwood, YEL 7 (1987), S. 185, 188 ff. 73 GA Tesauro, Schlussanträge v. 30.1.1992, Slg. 1992 I, S. 4239, 4255. 74 So zuletzt etwa EuGH Slg. 2001, S. 1237, 1265/Rn. 19; EuGH Slg. 1992 I, S. 4239, 4262/Rn. 10. 75 EuGH Slg. 1992 I, S. 4239, 4262/Rn. 10. 68

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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keitsrecht.76 Weite Teile der Literatur verstanden dies als Hinweis darauf, dass der EuGH jedenfalls völkerrechtswidrigen oder gegen tragende Vertragsprinzipien verstoßenden77 Ein- oder Ausbürgerungsakten die Anerkennung versagen würde, sich also eine eigene gemeinschaftsautonome Interpretation der Staatsangehörigkeit zumindest vorbehalte.78 Als „Sanktionsmittel“ käme in solche Fällen indes nicht nur die autonome Auslegung in Betracht. So ließe sich effektiver Schutz vor dem Missbrauch nationaler Ein- bzw. Ausbürgerungsprärogativen regelmäßig auch durch ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 und 227 EGV) gegen den betreffenden Mitgliedstaat erreichen, ohne dass dabei der Grundsatz einer rein nationalen Definitionshoheit unmittelbar in Frage gestellt werden müsste. Selbst ein solcher Vorschlag ginge freilich noch weit über die bisherige Praxis hinaus. So lehnte es die Kommission zuletzt beispielsweise ausdrücklich ab, massiven Missbrauchsvorwürfen gegen die griechischen Einbürgerungsbehörden nachzugehen:79 Da die Staatsbürgerschaft einzelstaatlich geregelt sei, könnten weder sie noch andere Gemeinschaftsorgane in diesem Bereich Abwehrmaßnahmen ergreifen. Objektive Widersprüchlichkeiten in der nationalen Praxis und bei den übermittelten Daten seien allein von den mitgliedstaatlichen Behörden zu verantworten. Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Mitgliedstaaten trotz der genannten Einschränkungen bis heute wesentlichen Einfluss auf die Verleihung und Entziehung der Unionsbürgerschaft behalten haben. Die Unionsbürgerschaft ist damit ebenso wenig unmittelbar wie der räumliche Geltungsbereich der Verträge. Vor diesem Hintergrund wird auch die sprachliche Differenzierung zwischen „Bürgerschaft“ und „Staatsangehörigkeit“ in Art. 17 und 20 EGV verständlich: Die Unionsbürgerschaft ist zwar die Basis zahlreicher Beziehungen zu den Staatsangehörigen der „Völker der Mitgliedstaaten“,80 nicht aber Zuordnungsgrundlage eines eigenen Staatsvolks im völkerrechtlichen Sinne.

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EuGH Slg. 2001 I, S. 1237, 1265/Rn. 19. Zu diesen weiterführend de Groot, in: European Citizenship, S. 115, 123 ff. 78 Closa, CMLR 32 (1995) S. 487, 514; Hall, ELR 21 (1996) S. 129, 135 und 140 ff.; Marias, in: European Citizenship, S. 1, 15. Für eine autonome Definition auch Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 477 f.; Greenwood, YEL 7 (1987), S. 185, 193. – Ablehnend demgegenüber Kovar/Simon, CDE 29 (1993) S. 285, 291. 79 Dazu etwa Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-0024/02, ABl. 2002 C 160E, S. 167 ff.; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-2945/01, ABl. 2001 C 115E S. 197 f. Ebenso schon für das britische Staatsangehörigkeitsgesetz Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1677/00, ABl. 2001 C 89E S. 71. 80 Vgl. die bezeichnende Wortwahl in der Präambel sowie Art. 189 und 190 Abs. 1 EGV. 77

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

2. Rechtsnatur als gekorenes Völkerrechtssubjekt Als Nichtstaat ist die Europäische Gemeinschaft kein „geborenes“ Völkerrechtssubjekt. Sie wird vielmehr erst durch den in Art. 281 EGV niedergelegten Willen der Mitgliedstaaten bzw. durch Anerkennung von Seiten der Nichtmitgliedstaaten zu einem solchen Subjekt gekoren.81 Welche Rechtsnatur aber weist sie damit auf? a) Schwierigkeiten der terminologischen Erfassung Zur Beschreibung des Wesens der EG wird in jüngerer Zeit häufig auf die von Paul Kirchhof entwickelte und später vom Bundesverfassungsgericht in seiner „Maastricht“-Entscheidung übernommene Wortschöpfung des „Staatenverbundes“82 zurückgegriffen. Dieser Begrifflichkeit sollte jedoch mit Vorsicht begegnet werden. Denn zum einen drohen mit ihrer generalisierenden Verwendung die jeweiligen Besonderheiten und inneren Unterschiede von EU und EG aus dem Blickfeld zu geraten. Zum anderen handelt es sich bei ihr auch um eine – zudem nur schwer in andere Sprachen übersetzbare – völkerrechtliche Neuschöpfung, die in sich ebenso unscharf und ausfüllungsbedürftig ist wie Umschreibungen der EG als „Staatengemeinschaft“83, „parastaatliche Superstruktur“84, „Völkerrechtssubjekt sui generis“85 oder ähnliches.86 Die Vielfalt derartiger Bezeichnungen spiegelt die Schwierigkeit wider, eine bislang einzigartige Form der Staatenverbindung87 mit Begrifflichkeiten des traditionellen Völkerrechts und vor allem der deutschen Verfassungsgeschichte zu deuten. Denn auch der aus dem 19. Jahrhundert überlieferte Dualismus von „Staatenbund“ und „Bundesstaat“88 erfasst – zumal bei schlagwortartig vergröbernder Gegenüberstellung – den dynamischen Charakter der EG nicht ausreichend. Er verkürzt die Abgrenzungsproblematik auf eine föderalistische Entwicklungslinie vom Nichtstaat zum Staat, wo es in Wirklichkeit um die Einordnung eines funk81 Statt vieler Krück, in: Schwarze, Art. 281 EGV Rn. 2. – Vertiefend zur Notwendigkeit einer Anerkennung der EG durch dritte Staaten später S. 156 ff. 82 BVerfG E 89, S. 155, 183; Kirchhof, in: HbStR VII, § 183 Rn. 50 ff. 83 Oppermann, Europarecht, Rn. 887. 84 Oppermann, in: FS Ipsen, S. 685, 696 ff. 85 Hilf, in: Staatenverbund der EU, S. 75, 77. Ähnlich Everling, in: FS Ipsen, S. 595, 614. 86 Eine vergleichende Auswertung weiterer Umschreibungsversuche findet sich etwa bei Schmitz, Integration, S. 70 f. 87 Historisch vertiefend Schmitz, Integration, S. 65 ff. 88 Grundlegend Jellinek, Lehre von den Staatenverbindungen (1882); Brie, Theorie der Staatenverbindungen (1886).

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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tionalistischen, d.h. auf fortschreitenden Integrationsprozessen aufbauenden Konzepts in eine Völkerrechtsgemeinschaft mit unterschiedlichsten neuen Akteuren geht.89 b) Die Europäische Gemeinschaft als „supranationale internationale Organisation“ Vor allem die Entstehung internationaler Organisationen als eigenständige Völkerrechtssubjekte stellte das überkommene terminologische Raster der Staatenverbindungen grundlegend in Frage und brachte erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten mit sich. Als internationale Organisation wird im Folgenden eine auf gewisse Dauer angelegte Vereinigung von zwei oder mehreren Völkerrechtssubjekten verstanden, die aufgrund einer völkerrechtlichen Willenseinigung mit der selbständigen Wahrnehmung eigener Aufgaben betraut und dazu mit eigenen unabhängigen Organen ausgestattet ist.90 Insbesondere durch die Vielfalt ihrer Aufgaben, den Grad ihrer Unabhängigkeit und die fehlende Exklusivität der Mitgliedschaft unterscheidet sich die internationale Organisation moderner Prägung damit vom traditionellen Staatenbund, der regelmäßig in erster Linie als exklusives Verteidigungsbündnis zwischen seinen Mitgliedstaaten konzipiert war.91 Nur mit einem weiten, historisch gewandelten Vorverständnis lassen sich deshalb internationale Organisationen heute noch als (fortentwickelter) Staatenbund verstehen.92 Ein echter Gewinn für die wissenschaftliche Abgrenzung ist damit jedoch nicht verbunden: Zu sehr unterscheidet sich das differenzierte Recht internationaler Organisationen inzwischen von den für die Staatenbünde des 19. Jahrhunderts geltenden Regeln. Terminologisch sauberer ist es daher, internationale Organisationen als modernes aliud mit eigenständigem Rechtsrahmen zu begreifen.93 89 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 102 f.; Capotorti, in: EPIL IV, S. 737, 740; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 191 f. Rn. 15 ff.; Schmitz, Integration, S. 186 f.; Riklin, EG im System der Staatenverbindungen, S. 357 ff.; Kuschnick, Integration, S. 116 ff. – A.A. Isensee, in: FS Everling I, S. 567, 582. 90 Ein solches Begriffsverständnis verwenden bspw. auch Dörr, EuR 30 (1995), S. 334, 335; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 3 ff.; Hailbronner, in: Vitzthum, III Rn. 12; Kuschnick, Integration, S. 136; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 17 f.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0105. – Vertiefend zur Problematik des Begriffs der „internationalen Organisation“ Díaz González, YBILC 1985 II/1, S. 103, 105 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 32. 91 Jellinek, Lehre von den Staatenverbindungen, S. 172; Riklin, EG im System der Staatenverbindungen, S. 117 ff.; Kuschnick, Integration, S. 156. 92 So gleichwohl Tomuschat, in: Der integrierte Staat, S. 155, 159; Schmitz, Integration, S. 172 ff.; Isensee, in: FS Everling I, S. 567, 582. Die daraus resultierende begriffliche Vielfalt im Schrifttum belegt eindrucksvoll Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 102 Fn. 115.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Die EG erfüllt die oben genannten Definitionsmerkmale einer internationalen Organisation:94 Sie wurde als „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft“ von zunächst sechs Mitgliedstaaten durch völkerrechtlichen Vertrag vom 25. März 1957 gegründet (Art. 1 EWGV), um auf unbegrenzte Zeit (Art. 240 EWGV) selbständig die in Art. 2 und 3 EWGV näher bezeichneten Aufgaben der wirtschaftlichen Integration wahrzunehmen. Dazu statteten sie die Mitgliedstaaten mit den Organen Versammlung (heute: Europäisches Parlament), Rat, Kommission und Gerichtshof aus (Art. 4 EWGV). Dieser organisatorische Kernbestand blieb auch durch die zahlreichen nachfolgenden Beitritts- und Änderungsverträge unberührt. In vielerlei Hinsicht geht die Europäische Gemeinschaft allerdings über dieses für eine „bloße“ internationale Organisation erforderliche Mindestmaß hinaus. Dies gilt vor allem hinsichtlich der ihr zugedachten Aufgaben, die – anders als bei den meisten internationalen Organisationen – gerade in den Anfangsjahren nicht als statische Festschreibung, sondern als fortschreitender Integrationsprozess verstanden wurden.95 Durch die Fusion wirtschaftlicher Interessen sollte nach dem Willen der Gründerstaaten ein Prozess fortschreitender Integration in Gang gesetzt werden, dessen Sachzwänge mittelfristig ein Umschlagen („spill over“) von einer nur wirtschaftlichen in eine auch politische Integration zur Folge haben würden. Tatsächlich ermöglichte dieses Konzept eines „Zweckverbands funktioneller Integration“96 in den nachfolgenden Jahrzehnten einen erheblichen Kompetenztransfer: Die Europäische Gemeinschaft weist heute in der Folge eine weltweit einzigartige Fülle von Eigenzuständigkeiten bis hinein in die innere Souveranitätssphäre der Staaten auf. Ungewöhnlich für eine internationale Organisation ist auch die starke Stellung des EG-Rechts in den Mitgliedstaaten: Europäische Normen entfalten vielfach unmittelbare Wirkung für die betroffenen Bürger97 und können von diesen weithin gerichtlich eingefordert werden. Zusätzliche Besonderheiten gegenüber „einfachen“ internationalen Organisationen sind etwa die Finanzautonomie der EG, ihr großes Haushaltsvolumen sowie die gesteigerte Unabhängigkeit ihrer Organe, die auf die Bildung eines europäischen Gemeinwillens ausgerichtet sind 93 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 192 Rn. 17; Oppermann, Europarecht, Rn. 909. 94 Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 17 f.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 103; Randelzhofer, Staatenverbund der EU, S. 39, 40; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 128; Tomuschat, in: Der integrierte Staat, S. 155, 159. 95 BVerfG E 22, S. 293, 296; Kirchhof, in: HbStR VII, § 183 Rn. 49. 96 H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 196 ff. Rn. 24 ff. Weiterführend zu diesem Konzept und seiner Problematik ders., Europäisches Gemeinschaftsrecht in Einzelstudien, S. 90 ff.; Oppermann, in: FS Ipsen, S. 685, 692 ff. 97 EuGH Slg. 1964, S. 1251, 1269.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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und diesen zunehmend im Wege souveranitätsüberspringender Mehrheitsentscheidungen bilden. Vor allem die Kombination all dieser Eigenschaften in einer einzigen Einrichtung wird in der Wissenschaft bis heute als wesentliches Charakteristikum der EG angesehen98. Vielfach wird diese Besonderheit zusammenfassend mit dem Begriff „Supranationalität“ beschrieben.99 Das Verhältnis des so gewonnenen Terminus zum klassischen Konzept der „internationalen Organisation“ ist allerdings streitig100. Nicht wenige Autoren ordnen supranationale Organisationen als eigenständige Kategorie von Völkerrechtssubjekten ein und weisen der Europäischen Gemeinschaft damit eine völkerrechtliche Sonderstellung zu.101 Gegen ein solches Verständnis ist indes einzuwenden, dass sich die „supranationalen“ Charakteristika der EG bei Lichte betrachtet vielfach nur graduell vom „Basismodell“ internationaler Organisation unterscheiden. Tatsächlich sind die Übergänge zwischen beiden Organisationstypen fließend. Dies wird besonders deutlich, wenn man die mittlerweile an vielen Stellen der Welt entstehenden regionalen Integrationsverbünde (wie Andengemeinschaft, MERCOSUR, ASEAN oder Afrikanische Union) betrachtet: Obwohl sie sich im Ausgangspunkt vielfach durchaus am Modell der EG orientieren, weisen sie hinsichtlich ihrer konkreten Kooperationsdichte doch erhebliche Differenzen auf und bilden so unterschiedlichste Zwischenstadien im Grenzbereich von internationaler und supranationaler Zusammenarbeit.102 Die Eigenständigkeitsthese bietet überdies keine Antwort auf neue, nicht in den Organisationsstatuten geregelte Fragestellungen. Selbst die Vertreter dieser These greifen vielmehr (zumeist stillschweigend) auf das Recht der internationalen Organisationen zurück, 98 Capotorti, in: EPIL IV, S. 737, 739 und 742; Hoffmann, DÖV 20 (1967), S. 433, 434 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 901; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0113 f. 99 H. P. Ipsen, in: FS Scheuner, S. 211 ff. 100 Auch die völkerrechtliche Praxis verfährt insoweit unterschiedlich. So wird die EG etwa im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1982 begrifflich als „internationale Organisation“ eingestuft (Art. 305 Abs. 1 lit. f und Anhg. IX SRÜ, ABl. 1998 L 179, S. 1) während sie in anderen Verträgen ausdrücklich als „Organisation der politischen und/oder wirtschaftlichen Integration“ hervorgehoben wird (so z. B. Art. 2 Abs. 20 Basler Übereinkommen v. 22.3.1989, ABl. 1993 L 39, S. 3; ähnlich Art. 1 Nr. 6 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht v. 22.3.1985, ABl. 1988 L 297, S. 8). 101 So L.-J. Constantinesco, Recht der Europäischen Gemeinschaften I, S. 310 und 332; Hoffmann, DÖV 20 (1967), S. 433, 435 (m. w. N. in Fn. 18); Oppermann, Europarecht, Rn. 908; ders., in: FS Ipsen, S. 685, 696 ff. 102 Ein guter Überblick über die unterschiedlichen Kooperationskonzepte findet sich bei Lehmann, Wirtschaftsintegration und Streitbelegung außerhalb Europas. Aufschlussreich zu Aufbau und Struktur der einzelnen Intergrationsverbünde auch Schiavone, International Organizations.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

wenn das jeweilige Organisationsstatut keine spezielleren Regelungen trifft. Insgesamt sprechen damit die besseren Gründe dafür, die EG grundsätzlich weiterhin als internationale Organisation zu verstehen103 und ihren „supranationalen“ Besonderheiten allein durch punktuelle Weiterentwicklung des „klassischen“ Organisationsrechts Rechnung zu tragen.104

II. Abgrenzung zum funktionalen Schutz eigener Bediensteter Eine solche Weiterentwicklung ist jedenfalls nicht erforderlich, soweit allein der funktionale Schutz eigener Bediensteter bei Ausübung ihrer Tätigkeit in Rede steht. Dass die EG in dieser Hinsicht protektionsbefugt ist, lässt sich vielmehr ähnlich wie bei anderen internationalen Organisationen bereits aus den Grundüberlegungen des oben dargestellten „Injuries suffered“-Gutachtens heraus rechtfertigen.105 Denn nicht weniger als seinerzeit die UNO ist auch die EG auf ein solches Schutzrecht angewiesen, um die ihr zugewiesenen Aufgaben in der erforderlichen Effektivität und Unabhängigkeit wahrnehmen zu können. Klärungsbedürftig bleibt hier insoweit nur, wer im einzelnen zu dem so geschützten Kreis zu zählen ist. Als „Bedienstete“ hatte der IGH seinerzeit in einem weitest gehenden Sinne alle Personen angesehen, die von einem Organ der betreffenden Organisation damit beauftragt wurden, eine ihrer Aufgaben wahrzunehmen oder dabei zu helfen, unabhängig von offizieller Bezahlung oder dauerhafter Einstellung – kurz: Jeden, durch den die Organisation handelt.106 Wenngleich sie vom IGH nicht näher begründet wurde, ist eine so weit gefasste Definition auch konsequent. Denn durch die Gewährung von „funktionellem Schutz“ verteidigt eine internationale Organisation die effektive und unabhängige Wahrnehmung ihrer spezifischen Aufgaben, 103

So i. E. auch Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 17 Fn. 43 a. E. und S. 157 f.; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 17 f.; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 10 f.; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 19 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 111. Vgl. weiter die Literaturübersicht bei Hoffmann, DÖV 20 (1967), S. 433, 433 Fn. 1. 104 So auch das methodische Grundverständnis von Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 33. 105 Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 480; Bothe, ZaöRV 37 (1977) S. 122, 129; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 150 f.; Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 4; Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 174; Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281 EGV Rn. 25; MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 32; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 121; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 219; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 33; Toth, Oxford Encyclopedia I, S. 267. 106 ICJ Rep. 1949, S. 174, 177.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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nicht einen bestimmten internen Status ihres Personals. „Bedienstete“ in diesem Sinne sind damit nicht nur die Gemeinschaftsbeamten, sondern auch alle übrigen unmittelbar für ein Gemeinschaftsorgan tätigen Mitarbeiter.107 Ob der betroffene „Bedienstete“ Unionsbürger im Sinne des Art. 17 EGV oder Angehöriger eines dritten Staates ist, spielt dabei für die völkerrechtliche Schutzbefugnis keine entscheidende Rolle: Grundlage des funktionellen Schutzes ist allein das Recht zur Verteidigung der eigenen Funktionsfähigkeit, nicht die Staatsangehörigkeit des verletzten Mitarbeiters.108 In der Praxis macht die Gemeinschaft von den so umrissenen Schutzbefugnissen vielfach Gebrauch. So forderte die Kommission beispielsweise Ende 2001 nach der Ermordung eines freien Mitarbeiters ihrer Delegation von der georgischen Regierung eindringlich die Aufklärung des Vorfalls und verbesserten Schutz für das vor Ort tätige Personal.109 Als diese Aufforderung wirkungslos blieb und kurze Zeit später ein anderer örtlicher Delegationsmitarbeiter Opfer einer Entführung wurde, ergriff die Kommission weitere Schutzmaßnahmen. So setzte sie unter anderem ein geplantes Treffen mit georgischen Regierungsvertretern aus und ernannte einen Spezialgesandten, der die weiteren Aufklärung vor Ort begleiteten sollte. Ausdrücklich bekräftigte sie dabei ihre Entschlossenheit, diesem Fall gegenüber den georgischen Behörden eine hohe Priorität beizumessen und alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um eine effektive Aufklärung zu gewährleisten.110 Auch das Europäische Parlament brachte gegenüber dem georgischen Staatspräsidenten eindringlich seine Besorgnis über die Sicherheit der Gemeinschaftsbediensteten vor Ort zum Ausdruck.111 Elementare Voraussetzung für des funktionalen Schutzes ist allerdings in jedem Fall, dass die Verletzung aus einem Tätigwerden unmittelbar für die Gemeinschaft resultiert. Personen, die erst auf der Ebene der mitgliedstaatlichen Verwaltung handeln, sind deshalb selbst dann keine „Bediensteten“ der EG im oben genannten Sinne, wenn sie dort mittelbar Gemeinschaftsfonds oder -aufgaben verwalten.112 Denn auf mitgliedstaatlicher Ebene gibt es für einen eigenständigen Schutz durch die EG keine Rechtfertigung 107 Näher zu den unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen der EG Kalbe, in: Groeben/Schwarze, Art. 283 EG Rn. 29 ff. 108 Ähnlich schon ICJ Rep. 1949, S. 174, 186: „The question of nationality is not pertinent to the admissibility of the claim“. Entsprechend für Staatsbedienstete Brownlie, Principles, S. 482; Wengler, Völkerrecht I, S. 600 f. 109 Kommission, Presseerklärung von Kommissar Patten zum Tod des Kommissionsmitarbeiters Günther Beuchel v. 10.12.01. 110 Presseerklärung der Kommissionsvertretung in Wales zum Entführungsfall Peter Shaw v. 16.7.2002 . 111 Ebd. 112 Amerasinghe, in: Manuel, S. 339.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

mehr: Die betreffenden Personen sind gegenüber dem sie beschäftigenden Mitgliedstaat nicht in der vom IGH vorausgesetzten Weise unabhängig; sie sind zudem bereits effektiv gerade in ihrer funktionellen Eigenschaft als „Bedienstete“ des Mitgliedstaates selbst geschützt.113 Zu einem Grenzfall von erheblicher praktischer Relevanz führt vor diesem Hintergrund die Frage, wie Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen in EG-finanzierten Hilfsprojekten einzustufen sind. Der Einsatz solcher privaten Akteure ist gerade in den besonders „schutzanfälligen“ Krisenregionen der Welt verbreitet: So bedient sich etwa das Amt für humanitäre Hilfe der Europäischen Gemeinschaft (ECHO) zur Durchführung seiner Projekte fast durchgehend privater Hilfsorganisationen. In aller Regel ist Vertragspartner der Gemeinschaft dabei allein die Nichtregierungsorganisation selbst, während zu den einzelnen Helfern vor Ort keine unmittelbaren vertraglichen Beziehungen bestehen. Auf den ersten Blick scheint vieles dafür zu sprechen, die betroffenen Helfer trotz dieser mittelbaren Stellung völkerrechtlich noch als EG-„Bedienste“ zu verstehen: Immerhin werden sie gerade in von der Gemeinschaft ausgewählten und geförderten Projekten tätig. Tatsächlich engagierte sich die Kommission in der Praxis vielfach auch für Personen aus diesem Kreis. So intervenierte sie etwa im Juni 2001 bei der israelischen Regierung gegen die Festsetzung, Durchsuchung und Abschiebung des italienischen Vertreters einer von ECHO mit Hilfsprojekten beauftragten privaten Organisation.114 In ähnlicher Weise protestierte sie gegen die unzureichende Sicherheitslage für Mitarbeiter ECHO-finanzierter Hilfsorganisationen in Tschetschenien115 und verlangte von der russischen Regierung bei verschiedenen Gelegenheiten eindringlich den „Schutz der Rechte der in Projekten der technischen oder humanitären Hilfe in Russland tätigen EU-Bürger“.116 Auch als Ende 1999 zwei Entwicklungshelfer in Kolumbien ermordet wurden, forderten Europäisches Parlament und Kommission die dortige Regierung dazu auf, die Hintergründe des Verbrechens aufzuklären und die Sicherheit der im humanitären Einsatz tätigen „ECHO-Mitarbeiter“117 zu gewährleisten. Bei vertiefter Untersuchung erscheint allerdings zunehmend zweifelhaft, ob 113 Zum funktionellen Schutz von Staatsbediensteten Bleckmann, Völkerrecht, Rn. 1073a; Wengler, Völkerrecht I, S. 600 f. Fn. 2 f. 114 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1981/01, ABl. 2001 C 81E, S. 87. 115 Kommission, Presseerklärung IP/01/41 v. 12.1.2001. 116 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-0356/98, ABl. 1998 C 323, S. 33 f. 117 So ausdrücklich Kommissarin Diamantopoulou in ihrer Antwort auf EP-Anfr. O-0003/00 und O-0006/00, Sitzungsprotokoll EP v. 21.1.2000 . Vgl. zu diesem Fall auch die unmittelbar an die kolumbianische Regierung gerichtete Entschl. des EP „zum Schutz der in der Entwicklungshilfe und der humanitären Hilfe tätigen Personen in Kolumbien“ v. 21.1.2000, ABl. 2000 C 304 S. 226 f.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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sich diese Praxis tatsächlich noch über die Fallgruppe „Schutz eigener Bediensteter“ rechtfertigen lässt. Denn konsequent zu Ende geführt ließe sich der Schluss von Finanzierungs- auf Schutzkompetenzen schwerlich allein auf den humanitären Bereich beschränken: Er müsste vielmehr auch für die vielfältigen anderen gemeinschaftlichen Förderprogramme gelten und alle an ihrer Umsetzung beteiligten Personen erfassen.118 Damit verlöre der Bedienstetenbegriff praktisch jede Kontur. Hinzu kommt, dass die EG anders als bei unmittelbar vertraglich gebundenen Mitarbeitern keinen Einfluss auf Auswahl und Kontrolle des entsandten Personals nehmen kann. Die vom IGH vorausgesetzte Unabhängigkeit der Aufgabenwahrnehmung wird insoweit durch die autonomen Entscheidungsprozesse innerhalb der Nichtregierungsorganisationen maßgeblich eingeschränkt. Wenn aber die wesentlichen Voraussetzungen des „funktionalen Schutzes“ hier damit gerade fehlen, lassen sich Interventionen letztlich nicht mehr durch bloße Übertragung der „Injuries suffered“-Grundsätze rechtfertigen.119 Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen in EG-finanzierten Hilfsprojekten unterliegen damit im konkreten Ergebnis nicht dem funktionalen Schutz der Gemeinschaft.

III. Weitergehende Schutzrechte der EG Fraglich ist allerdings, ob der so umgrenzte „funktionale“ Schutzbereich die Protektionsbefugnisse der EG tatsächlich bereits abschließend beschreibt. Zweifel daran ergeben sich nicht zuletzt aus den Ausführungen des Europäischen Gerichts Erster Instanz in der eingangs geschilderten „Odigitria“-Entscheidung. Denn das Gericht sah in der Tatsache, dass von vornherein weder der festgenommene Kapitän noch die klagende Reederei als „Bedienstete“ der Gemeinschaft gelten konnten, offenkundig kein prinzipielles Hindernis für entsprechende Schutzaktivitäten der Kommission. Allerdings bleibt bei der Interpretation dieser – vom Gericht selbst nicht näher begründeten – Passagen zunächst durchaus Vorsicht angebracht. So ist vor allem zu bedenken, dass die EG – anders als ein Staat – auch in ihren Außenbeziehungen an den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gebunden ist.120 Voraussetzung entsprechender Schutzbefugnisse ist also in jedem Fall der Nachweis, dass die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft tatsächlich entsprechende Kompetenzen zugewiesen haben. Eine solche Zu118 Tatsächlich versuchten etwa Groux/Manin (EG in der Völkerrechtsordnung, S. 152) über eine „Ausweitung des Bedienstetenbegriffs“ umfassende Schutzrechte der EG zu begründen. 119 Zu diesbezüglichen Schutzkompetenzen jenseits des engen Bedienstetenbegriffs vgl. später noch speziell S. 94 f. 120 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1787/Rn. 24.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

weisung könnte möglicherweise im Institut der Unionsbürgerschaft liegen (1.). Zu untersuchen bleiben daneben auch die ausdrücklichen (2.) und impliziten (3.) Befugnisnormen des EG-Vertrags. 1. Ermächtigung aus dem Institut der Unionsbürgerschaft Eine Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaft zur Ausübung des diplomatischen Schutzes könnte zunächst in der Schaffung der Unionsbürgerschaft selbst gesehen werden.121 Denn wie die Staatsangehörigkeit den rechtlichen Ausgangspunkt des staatlichen Schutzes bildet,122 könnten entsprechende Aktivitäten der Europäischen Gemeinschaft möglicherweise im Institut der Unionsbürgerschaft wurzeln. Zwar ist die Europäische Gemeinschaft kein Staat und die Unionsbürgerschaft nach den vorangestellten Überlegungen keine Staatsbürgerschaft im völkerrechtlichen Sinne. Doch bleibt immerhin zu untersuchen, ob die Mitgliedstaaten mit dem Institut der Unionsbürgerschaft nicht zumindest eine der Staatsangehörigkeit insoweit ähnliche Grundkonzeption verfolgten. Die wesentliche Funktion der Staatsangehörigkeit wurde schon an früherer Stelle angesprochen: Sie beschreibt das mit der Personalhoheit korrespondierende rechtliche Zuordnungsverhältnis zwischen Staat und Individuum. Der umfassende Charakter dieses Zuordnungsverhältnisses führt zu einem wechselseitigen Schutz- und Treueverhältnis und rechtfertigt es damit, diplomatische Schutzbefugnisse regelmäßig aus der Staatsangehörigkeit abzuleiten.123 Eine in dieser Weise umfassende Zuordnung aber ist nicht Ziel der Unionsbürgerschaft. Mit Art. 17 ff. EGV wird vielmehr ein über die wirtschaftlichen Grundfreiheiten hinausreichender status activus europäischer Bürgerrechte geschaffen, zu dem insbesondere ein umfassendes Freizügigkeitsrecht sowie politische Partizipations- und Beistandsprivilegien zählen. Die Unionsbürgerschaft entstand, um die europäische Identität zu fördern und den Status des allein ökonomisch definierten „Marktbürgers“ begrifflich um eine politische Dimension zu erweitern.124 Auf diese Weise sollte vor allem die Loyalität zur Europäischen Gemeinschaft gefördert und ihre Legitimität gestärkt werden. Dass die Unionsbürgerschaft aber dabei 121

So zuletzt etwa Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281 EGV Rn. 25. Vgl. auch Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 152, die eigenständige EGSchutzkompetenzen schon vor Schaffung der Unionsbürgerschaft über eine „Ausdehnung des Nationalitätsbegriffs“ begründen wollten. 122 Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 9. 123 Geck, ZaöRV 17 (1957/58), S. 476, 510 f. 124 Closa, CMLR 32 (1995) S. 487, 494; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 245 ff.; Kovar/Simon, CDE 29 (1993) S. 285, 286; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 6 ff.; Randelzhofer, in: GS Grabitz, S. 581, 581 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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nicht als über einzeln benannte Statusrechte hinausgehendes umfassendes rechtliches Band missverstanden werden darf, zeigt schon Art. 17 Abs. 2 EGV, demzufolge Unionsbürger (nur) die im EGV vorgesehenen Rechte und Pflichten haben. Auch Art. 17 Abs. 1 S. 3 EGV betont diesen punktuellen Ergänzungscharakter: Danach soll die Unionsbürgerschaft die nationale Staatsbürgerschaft lediglich ergänzen, nicht aber ersetzen. Obgleich also die Staatsangehörigkeit über Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGV die grundlegenden rechtlichen Anknüpfungspunkte für den bürgerschaftlichen Status vermittelt, haben beide Institute doch unterschiedliche Funktionen: Die Staatsangehörigkeit ermöglicht die Zuordnung des einzelnen zu einem Staat, Bürgerrechte aber seine Teilhabe an der staatlichen Legitimation.125 Das Konzept der Unionsbürgerschaft unterscheidet sich damit gerade auch hinsichtlich der für den diplomatischen Schutz relevanten Gesichtspunkte grundlegend von dem der Staatsangehörigkeit zu Grunde liegenden. Eine gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung der EG zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte lässt sich somit nicht schon aus der bloßen Existenz der Unionsbürgerschaft begründen.126 2. Ermächtigung kraft ausdrücklicher Kompetenzzuweisung a) Art. 20 EGV Möglicherweise lässt jedoch Art. 20 EGV, der den Status der Unionsbürgerschaft näher ausformt, auf ein solches Schutzrecht der Europäische Gemeinschaft schließen. Danach genießt jeder Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates. Art. 20 EGV bekräftigt insoweit für das Gemeinschaftsrecht den völkerrechtlichen Grundsatz,127 dass die Befugnis zu diplomatischem Tätigwerden grundsätzlich übertragbar ist. Streitig ist allerdings bereits, ob sich diese Bestimmung überhaupt auf den hier untersuchten Bereich des diplomatischen Schutzes im engeren Sinne bezieht: Angesichts erheblicher Differenzen in den Sprachfassungen wird in der Literatur vielfach die Ansicht vertreten, Art. 20 EGV regele allein die konsularische 125 Grawert, Der Staat 23 (1984) S. 179, 189; Makarov, Allgemeine Lehren, S. 40; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 5 f.; O’Leary, Evolving Concept, S. 9 ff. 126 So i. E. auch Randelzhofer, in: GS Grabitz, S. 581, 592 f. 127 Vgl. etwa Art. 45 lit. c und 46 WDK. – Vertiefend Dolzer, in: EPIL I, S. 1067 ff.; T. Stein, in: Der diplomatische Schutz, S. 97, 103 f.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Hilfe vor Ort.128 Hinzu kommt, dass Art. 20 EGV ausdrücklich nur Schutz durch die anderen Mitgliedstaaten, nicht aber durch die Europäische Gemeinschaft selbst vorsieht. Zwar wird in der Literatur vereinzelt die These vertreten, die Mitgliedstaaten würden insoweit in Organleihe für die EG tätig.129 Doch bleibt dies angesichts des eindeutigen Wortlauts eine unbewiesene Behauptung – zumal insoweit statt einer Organleihe der Rückgriff auf das weltweite Netz eigener Delegationen der Europäischen Kommission sicher näher gelegen hätte. Auch die Entstehungsgeschichte des Art. 20 EGV spricht für ein engeres Normverständnis. So hatten 1991 sowohl die Kommission130 als auch die spanische Regierung131 Entwürfe vorbereitet, nach denen die Unionsbürgerschaft ausdrücklich ein Recht auf diplomatischen Schutz durch die Europäische Union beinhalten sollte. Diese Vorschläge konnten sich in der Regierungskonferenz zum Maastrichter Vertrag jedoch gerade nicht durchsetzen. Zwar war dies möglicherweise schon darauf zurückzuführen, dass alles vermieden werden sollte, was auf eine Völkerrechtsfähigkeit der Europäischen Union hätte schließen lassen.132 Doch ist immerhin bezeichnend, dass eigenständige Schutzbefugnisse der Gemeinschaft in diesem Zusammenhang offenbar von vornherein nicht erwogen wurden. Gegen die Herleitung einer derartigen Schutzberechtigung aus Art. 20 EGV sprechen zudem systematische Erwägungen. So ist vor allem der in Art. 17 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 EGV betonte punktuelle Ergänzungscharakter zum Staatsangehörigkeitsverhältnis zu berücksichtigen: Selbst wenn die unionsbürgerschaftlichen Rechte grundsätzlich weit auszulegen sind,133 darf ihre Ausdeutung nicht zur völligen Neuschaffung umfassender Gemeinschaftskompetenzen führen. Andernfalls liefe das in Art. 22 EGV geregelte spezifische Verfahren für die Fortentwicklung der Unionsbürgerschaft134 128 Zu dieser Frage etwa Jaeckel, Schutzpflichten, S. 257 (m. w. N.); Kadelbach, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 539, 560 ff.; Magiera, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 20 EGV Rn. 5 f. 129 So Bleckmann, in: FS Steinberger, S. 1087, 1091 f. Fn. 22. 130 Art. X8 der Stellungnahme der Kommission v. 21.10.1990 zu dem Entwurf zur Änderung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Zusammenhang mit der Politischen Union, Bull. EG Beilage 2/1991, S. 69, 91. 131 Art. 8 des Memorandums der spanischen Regierung v. 20.2.1991 (abgedruckt in: RIE 18 (1991), S. 405 ff.). 132 Accorsi, Citoyenneté européenne, S. 39 f.; Cloos/Reinesch/Vignes/Weyland, Traité de Maastricht, S. 173; Jimenez Piernas, RIE 20 (1993), S. 9, 18 ff.; Magnette, Citoyenneté européenne, S. 184. 133 Haag, in: Groeben/Schwarze, Art. 17 EG Rn. 12. 134 Hilf (in: G/H I, Art. 22 EGV Rn. 11) nennt die Normierung von Schutzpflichten der EG sogar explizit als Beispielsfall für Art. 22 EGV.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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weitgehend leer. Für eine Schutzberechtigung der Europäischen Gemeinschaft könnte in systematischer Hinsicht allenfalls Art. 20 EUV sprechen, der die Delegationen der Kommission unter anderem dazu auffordert, sich an der Durchführung des Art. 20 EGV zu „beteiligen“.135 Der einheitliche Entstehungszeitpunkt beider Artikel und die systematische Einordnung des Art. 20 EUV im Kontext der GASP lassen es indes als wenig nahe liegend erscheinen, dass mit dieser Bestimmung weitergehende Kompetenzen zugunsten der Europäischen Gemeinschaft geschaffen werden sollten. Dies gilt umso mehr, als die vorgesehene „Beteiligung“ allein im Kontext interner Abstimmungsmodalitäten wie dem wechselseitigen Informationsaustausch und der Erstellung gemeinsamer Bewertungen genannt wird. Wäre Ziel die Schaffung einer neuen Außenkompetenz der EG gewesen, hätte insoweit eine ausdrückliche Hervorhebung entsprechender völkerrechtlicher Handlungsbefugnisse nahe gelegen. Art. 20 EUV bezweckt nach alledem auch im Bereich des diplomatischen Schutzes nur die bessere Koordination vorhandener, nicht aber die Schaffung neuer Außenkompetenzen.136 Art. 20 EGV begründet dementsprechend auch unter Heranziehung allgemeiner Auslegungsgrundsätze keine eigenständige Schutzberechtigung der Europäischen Gemeinschaft.137 Er schließt sie allerdings auf anderer, eingeschränkterer Grundlage auch nicht aus. Zwar zeigt die Entstehungsgeschichte, dass in einigen Ländern erhebliche Vorbehalte gegen die Normierung eines umfassenden unionsbürgerschaftlichen Schutzrechts bestanden. Doch sahen die Mitgliedstaaten in den zahlreichen punktuellen Schutzaktivitäten von Europäischem Parlament und Kommission138 umgekehrt bis heute auch keinen Anlass, dem EG-Vertrag einen klarstellenden Staatenvorbehalt (wie in Art. 295 und 296 EGV) hinzuzufügen oder zumindest entsprechende Auslegungserklärungen (wie zur Bestimmung der Staatsangehörigkeit) abzugeben. Einige Mitgliedsländer drängten in den sie betreffenden Fällen sogar regelrecht auf ein eigenständiges Einschreiten der Kommission, um so ihren Anliegen größeres außenpolitisches Gewicht zu verlei135

In diese Richtung Liñán Nogueras, GJ de la C.E. 1992 D-17, S. 63, 94 f. Burghardt/Tebbe/Marquardt, in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EU Rn. 2 und 4; Haag, in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EG Rn. 3; Jimenez Piernas, RIE 20 (1993), S. 9, 39 f.; Kaufmann-Bühler, in: G/H, Art. 20 EUV Rn. 9; Krück, in: Schwarze, Art. 11–28 EUV Rn. 27. 137 So i. E. auch Carrera Hernández, Política pesquera, S. 256; Gautier, in: Constantinesco/Kovar/Simon, Art. 8c C.E. Rn. 3 ff.; Haag, in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EG Rn. 2 f.; Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 175; Kadelbach, in: Europäische Grundrechte, § 20 Rn. 73; Kovar/Simon, CDE 29 (1993) S. 285, 312; Kluth, in: C/R, Art. 20 EGV Rn. 1 f.; Magiera, in: Streinz: EUV/EGV, Art. 20 EGV Rn. 8; U. Schneider, Rechte und Pflichtenstellung des Unionsbürgers, S. 101 f.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 23. 138 Dazu näher unten S. 74 ff. 136

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

hen.139 Die rechtliche Grundlage derartiger Schutzmaßnahmen bleibt demgemäß weiter zu untersuchen. b) Art. 46 Grundrechtecharta Das Institut des diplomatischen Schutzes ist auch Gegenstand von Art. 46 Grundrechtecharta140. Allerdings verbürgt hier der Wortlaut allein Schutz durch die „diplomatischen und konsularischen Stellen eines jeden Mitgliedstaats“, nicht aber durch die Europäische Gemeinschaft selbst. Ausweislich der begleitenden Erläuterungen des Konventspräsidiums141 sollte Art. 20 EGV damit (trotz einiger sprachlicher Abweichungen) inhaltlich unverändert übernommen werden. Für diese Ansicht spricht auch Art. 51 Abs. 2 Grundrechtecharta, wonach durch die Charta weder neue Zuständigkeiten für die Gemeinschaft begründet noch die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten geändert werden sollen. Der Ableitung einer gemeinschaftlichen Schutzbefugnis aus Art. 46 Grundrechtecharta steht zudem entgegen, dass dieser Text trotz seiner Proklamation durch die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten bislang keine rechtliche Verbindlichkeit besitzt, sondern allenfalls ergänzend zur Bestimmung des grundrechtlichen Schutzniveaus herangezogen werden kann.142 Zwar haben einige Gemeinschaftsorgane die Grundrechtecharta in unterschiedlicher Weise als für sich „verbindlich“ bezeichnet, so vor allem das Europäische Parlament und die Kommission.143 Ob damit eine nur politische oder auch rechtliche Selbstbindung gemeint war, blieb in den entsprechenden Erklärungen jedoch offen. Für eine nur politische Selbstverpflichtung spricht, dass die Gemeinschaftsorgane zu förmlichen Vertragsänderungen außerhalb des Art. 48 EUV von vornherein nicht befugt waren. Eine Veränderung von Rechtsbeziehungen zu den in der Grundrechtecharta angesprochenen Personen konnte deshalb von vornherein nicht das Ziel dieser Selbstverpflichtungserklärungen sein. Auch der Zweck der Grundrechte139 Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943 (abgedruckt unten S. 261 ff.); Carrera Hernández, Política pesquera, S. 260 f. 140 ABl. 2000 C 364, S. 1 ff. 141 EU-Dok. CHARTE 4473/00 CONVENT 49 v. 11.10.2000. 142 Alber, EuGRZ 28 (2001), 349 ff.; Calliess, EuZW 12 (2001), S. 261, 267; Iber, ZEUS 5 (2002), S. 482, 485 ff.; Pache, EuR 36 (2001), S. 475, 485; Schwarze, EuZW 12 (2001), S. 517, 517 f. – Ebenso offensichtlich nunmehr auch das methodische Grundverständnis des EuG in Slg. 2002 II, S. 313, 333 und 337/ Rn. 48 und 57. 143 Zur Rezeption der Charta durch die Gemeinschaftsorgane Alber, EuGRZ 28 (2001), 349, 350 f.; Iber, ZEUS 5 (2002), S. 482, 486 ff.; Walter, in: Europäische Grundrechte, § 1 Rn. 32.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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charta, lediglich den an anderer Stelle bereits vorhandenen Grundrechtsstandard sichtbarer zu machen (Abs. 4 der Präambel), nicht aber den bestehenden rechtlichen Rahmen umzugestalten (Art. 51 Abs. 2 Grundrechtecharta), deutet in diese Richtung. Eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung für die Europäische Gemeinschaft ist nach alledem aus Art. 46 Grundrechtecharta nicht ableitbar.144 c) Art. 281 EGV Eine Zuweisung weitergehender Schutzbefugnisse könnte sich des Weiteren aus Art. 281 EGV ergeben, wonach die Gemeinschaft Rechtspersönlichkeit besitzt.145 Wie der Vergleich mit Art. 282 EGV sowie den entsprechenden Artikeln der Euratom und EGKS-Verträge zeigt, ist damit Völkerrechtspersönlichkeit gemeint, also die Fähigkeit, Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein.146 Zweifelhaft ist allerdings, ob Art. 281 EGV diese Rechtsfähigkeit nur deklaratorisch festhält oder weitergehend selbst schon konstitutiv begründet. So lässt sich der Wortlaut einerseits als bloßer Hinweis auf die im EG-Vertrag verstreut angelegten völkerrechtlichen Spezialbefugnisse verstehen. Denkbar ist andererseits aber auch, dass Art. 281 EGV die Gemeinschaft unmittelbar zu bestimmten völkerrechtlichen Handlungsformen ermächtigt. In der Praxis schienen die Gemeinschaftsorgane zunächst dem letztgenannten Verständnis zu folgen. So führte der EuGH im „AETR“-Urteil aus, Art. 210 EWGV (der Vorläufer des heutigen Art. 281 EGV) bedeute, dass die Gemeinschaft in den Außenbeziehungen grundsätzlich die Fähigkeit zu vertraglichen Außenbeziehungen besitze.147 In der Rechtssache „Kramer“ entnahm er diesem Artikel allgemein die Fähigkeit der Gemeinschaft, „völkerrechtliche Verpflichtungen einzugehen“.148 Konkrete Vertragsbestimmungen zog er in beiden Fällen nur für die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit im Einzelfall heran. In ähnlicher Weise versuchte das Europäische Parlament 1960 bezeichnenderweise, ein eigenständiges Gesandtschaftsrecht der EG zu legitimieren.149 Auch Teile der Literatur sprachen sich für ein konstitutives Verständnis des Art. 281 EGV 144

So i. E. auch Magiera, in: Grundrechtecharta, Art. 46 Rn. 12. So ausdrücklich etwa Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 177; T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 37. 146 Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 130; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 3 und 9; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 1. 147 EuGH Slg. 1971, S. 263, 274/Rn. 13 f. 148 EuGH Slg. 1976, S. 1279, 1310/Rn. 17 f. 149 EP, „Entschl. über die Fragen der Beziehungen der europäischen Gemeinschaften zu den übrigen Ländern und insbesondere des Gesandtschafts- und Flaggenrechts“ v. 19.11.1960, ABl. 1960, S. 1496. 145

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

aus: Diese Bestimmung sei als Ausdruck einer bewussten Entscheidung der Mitgliedstaaten zu deuten, der Gemeinschaft die wirkungsvolle Teilnahme am zwischenstaatlichen Verkehr zu ermöglichen.150 Ähnliche Ansichten wurden im Übrigen auch in der allgemeinen völkerrechtlichen Literatur vertreten: Aus der Rechtsfähigkeit internationaler Organisationen folge generell ein bestimmter Mindestbestand an Außenbefugnissen („basic capacities“ ) oder weitergehend sogar eine grundsätzlich unbeschränkte Kompetenzfülle zur Erledigung der übertragenen Sachbefugnisse.151 Der Schluss von der grundsätzlichen Rechtsfähigkeit einer internationalen Organisation auf bestimmte Kompetenzen bleibt allerdings von vornherein angreifbar. So spricht vor allem die fortbestehende Abhängigkeit internationaler Organisationen vom Willen ihrer Mitgliedstaaten gegen eine solche Ableitung:152 Da es den Mitgliedstaaten grundsätzlich freisteht, die von ihnen gegründete Organisation mit beliebigen Befugnissen und Aufgaben auszustatten, lässt sich eine entsprechende „Basisausstattung“ nicht pauschalierend ermitteln. Notwendig bleibt vielmehr in jedem einzelnen Fall der Nachweis, dass der betreffenden Organisation gerade auch diese konkrete Aufgabe übertragen wurden. Dies gilt besonders für die EG, die – wie der EuGH in den letzten Jahren zunehmend betonte – gerade auch in ihren Außenbeziehungen an den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gebunden ist.153 Hinzu kommt, dass der EG-Vertrag die grundlegendsten völkerrechtlichen Handlungsformen (Vertragsbeziehungen, Sanktionen und die laufende Zusammenarbeit mit dritten Völkerrechtssubjekten) bezeichnenderweise zum Gegenstand spezieller Ermächtigungsnormen macht. Derartiger 150 So Krück, in: Schwarze, Art. 281 EGV Rn. 4 ff.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 13; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 6 ff. Auch Toth, Oxford Encyclopedia I, S. 256 und die bei Salmon (in: Missions permanentes I, S. 561, 718 Fn. 1) genannten Autoren setzen die Völkerrechtsfähigkeit der EG als kompetenzbegründend voraus. Sowohl Tomuschat als auch Simma/Vedder geraten damit allerdings in Widerspruch zu früheren Ausführungen, vgl. Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 142 f. bzw. Simma/Vedder, a. a. O., Rn. 3 a. E. 151 In diese Richtung etwa Díaz González, YBILC 1985 II, S. 103, 112 Rn. 71 f.; Fitzmaurice, YBILC 1958 II, S. 20, 24 f.; Lauterpacht, YBILC 1953 II, S. 90, 140 f.; Rama-Montaldo, BYIL 44 (1970), S. 111 ff.; Seyersted, NTIR 34 (1964), S. 1 ff. 152 Brownlie, Principles, S. 689; Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 150 ff.; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 6 f.; Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 115 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 26 ff.; Reuter, YBILC 1973 II S. 75, 82; Sands/Klein, Bowett’s Law of international institutions, Rn. 15-008 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, §§ 1565 f. und 1570. 153 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1787/Rn. 24. Ähnlich schon Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 21 und 44; Sauvignon, RevMC 21 (1978) S. 176, 176 f.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Spezialermächtigungen hätte es nicht bedurft, wenn die EG ohnedies schon konstitutiv zu entsprechendem völkerrechtlichen Handeln befugt gewesen wäre. Art. 281 EGV verbürgt dementsprechend nicht bestimmte Außenkompetenzen, sondern allein die grundsätzliche Verselbständigung der Gemeinschaft im völkerrechtlichen Verkehr.154 d) Ausdrückliche völkerrechtliche Einzelbefugnisse der EG Zu untersuchen bleibt, ob möglicherweise eine der eben angesprochenen Spezialermächtigungen des EG-Vertrags explizit auf weitergehende Protektionsbefugnisse hindeutet. Ausdrückliche Kompetenzen sind der Europäischen Gemeinschaft zunächst für die Verhandlung und den Abschluss bestimmter völkerrechtlicher Verträge zugewiesen.155 Eine explizite Ermächtigung zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte lässt sich daraus jedoch nicht ohne weiteres ableiten. Zwar mag im Einzelfall der Abschluss solcher Verträge die Beilegung schutzbezogener Streitigkeiten fördern.156 Doch ergeben sich daraus nur punktuelle Berührungspunkte: Nicht selten lässt sich eine Beilegung auch auf außervertraglichem Weg, etwa durch Schiedsurteil oder einseitige Druckmittel erreichen. Dies gilt gerade in politisch angespannten Situationen, die unter Umständen für Vertragsverhandlungen von vornherein keinen Raum lassen. Ähnlich eingeschränkt ist der Anwendungsbereich von Bestimmungen, die die Gemeinschaft zu Wirtschaftssanktionen oder handelspolitischen Schutzmaßnahmen gegenüber dritten Staaten berechtigen.157 Auch sie erfassen von vornherein nur einen kleinen Ausschnitt der denkbaren diplomatischen Schutzmittel. Als explizite Grundlage eigenständiger Protektionsbe154 Louis/Brückner, in: Megret/Waelbroeck XII, Art. 210 Rn. 2 und 4; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 51 f.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 3; Ukrow, in: C/R, Art. 281 EGV Rn. 4; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 5. 155 Konkret für Abkommen über Währungs- und Devisenpolitik (Art. 111 Abs. 3 EGV), Zoll und Handel (Art. 133 Abs. 1 und 3 EGV), Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (Art. 170 Abs. 2 EGV), Umwelt (Art. 174 Abs. 4 EGV), Entwicklungszusammenarbeit (Art. 181 UAbs. 1 EGV), wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Drittländern (Art. 181a Abs. 3 UAbs. 1 EGV) sowie Assoziation (Art. 310 EGV). Soweit dort eine korrespondierende Verhandlungskompetenz nicht schon ausdrücklich genannt ist, wird sie zumindest in Art. 300 EGV unmittelbar vorausgesetzt. 156 So wurde etwa der später (S. 82 ff.) noch genauer geschilderte kanadisch-europäische Fischereistreit, der mehrfach Anlass zu diplomatischem Schutz für Gemeinschaftsangehörige gegeben hatte, 1995 durch ein gemeinsames Abkommen beigelegt. 157 Je nach Lage des Falles Art. 60, 133 oder 301 EGV.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

fugnisse der Gemeinschaft kommen sie daher ebenso wenig wie schon die Vertragskompetenzen in Betracht. Übrig bleibt damit eine Reihe von Vorschriften, in denen die EG ausdrücklich zur Kooperation mit anderen Völkerrechtssubjekten ermächtigt wird. So sieht der EG-Vertrag für bestimmte Sachgebiete vor, dass die Gemeinschaft die Zusammenarbeit mit anderen Ländern und ggf. zuständigen internationalen Organisationen fördern solle.158 Darüber hinaus kann die Gemeinschaft auch ohne thematische Bindung im „zweckdienlichen Umfang“ mit anderen internationalen Organisationen zusammenwirken.159 Fraglich ist, ob die Ausübung diplomatischer Schutzrechte nicht zumindest als Form derartiger Kooperation verstanden werden kann. Tatsächlich wird der Begriff „Zusammenarbeit“ häufig umfassend im Sinne jedes Interessenausgleichs und jeder Willensabstimmung mit Dritten verstanden,160 was ein solches Ergebnis nicht von vornherein auszuschließen scheint. Allerdings konzentriert sich die Aufmerksamkeit in der Literatur bislang vor allem auf die Fragen vertraglicher Kooperationsformen. Kaum geklärt ist demgegenüber der hier relevante Bereich einseitiger völkerrechtlicher Handlungen. Auslegungsgrenzen ergeben sich insoweit weniger aus dem völkerrechtlich unpräzisen Wortlaut der genannten Artikel als vielmehr aus ihrem jeweiligen Sachzusammenhang und Zweck. Denn die sachgebietsbezogenen Kooperationsbefugnisse zielen allein auf eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und interessierten Drittstaaten ab. Sie decken danach sicher positive Maßnahmen wie Förderprogramme und wechselseitigen Informationsaustausch, nicht aber ohne weiteres auch die konflikthafte Klärung entsprechender diplomatischer Streitigkeiten und den Gebrauch völkerrechtlicher Druckmittel. Gegen ein weites Verständnis des Begriffs „Zusammenarbeit“ spricht im Übrigen auch, dass der Gemeinschaft für die betreffenden Sachbereiche nach innen ausdrücklich jeweils nur ein Minimum an Befugnissen („unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung“) übertragen wurde. Ein weiter Kompetenzrahmen nach außen wäre mit dieser Vorgabe nur schwer vereinbar. Entsprechendes gilt im Ergebnis auch für die generell auf die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen abzielenden Art. 302 ff. EGV: Abgesehen davon, dass gegenüber solchen Organisationen nur selten Anlass zu diplomatischem Schutz bestehen dürfte,161 erfassen diese Artikel nach allgemeiner Ansicht auch allein die organisationsrechtliche 158 Dies gilt für die Bereiche Bildung (Art. 149 Abs. 3 und 4 EGV), berufliche Bildung (Art. 150 Abs. 3 und 4 EGV), Kultur (Art. 151 Abs. 3 und 5 EGV), Gesundheit (Art. 152 Abs. 3 und 4 EGV) sowie transeuropäische Netze (Art. 155 Abs. 3 EGV). 159 Art. 302 bis 304 EGV. 160 Grabitz/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 130r EGV Rn. 104; Ress/ Ukrow, in: G/H II, Art. 151 EGV Rn. 58.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Ausgestaltung der laufenden Arbeitsbeziehungen.162 Die weitergehende Geltendmachung diplomatischer Schutzansprüche im Einzelfall ist damit auch von diesen Bestimmungen nicht gedeckt. e) Zwischenergebnis Trotz zahlreicher Berührungspunkte zu ausdrücklichen Einzelbefugnissen ist der Gemeinschaft somit ein Recht zu umfassenden diplomatischen Schutzaktivitäten an keiner Stelle des EG-Vertrags ausdrücklich eingeräumt. 3. Ermächtigung kraft impliziter Kompetenzzuweisung Auf der Grundlage dieses Befundes werden eigenständige diplomatische Schutzbefugnisse der Europäischen Gemeinschaft bis heute vielfach abgelehnt oder allenfalls als rechtspolitisches Postulat angesehen.163 Der in diesen Stellungnahmen wie selbstverständlich angewandte Schluss vom Fehlen expliziter Befugnisnormen auf das Fehlen entsprechender Befugnisse überrascht gerade im hier untersuchten Bereich. Denn immerhin hatte der IGH im oben angesprochenen „Injuries suffered“-Gutachten gerade hervorgehoben, dass zumindest für den funktionalen Schutz eigener Bediensteter keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei. Die Möglichkeit, parallele implizite Schutzbefugnisse auch im Bereich des diplomatischen Schutzes zu entwickeln, wurde bislang im Schrifttum gleichwohl offensichtlich bislang noch nicht in Betracht gezogen. Sie soll im Folgenden näher untersucht werden. 161 Prinzipiell können internationale Organisationen jedoch durchaus mit solchen Schutzansprüchen konfrontiert werden. Vertiefend hierzu Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 40 ff. 162 Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 393; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 192; Schröder, in: Groeben/Schwarze, Vorbemerkung zu Art. 302–304 EG Rn. 3; Tietje, in: G/H II, vor Art. 302–304 EGV Rn. 5; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 167 ff. 163 So etwa Accorsi, Citoyenneté européenne, S. 39 f.; Bothe, ZaöRV 37 (1977) S. 122, 129; V. Constantinesco, JDI 123 (1996), S. 480, 484; Closa, CMLR 29 (1992) S. 1137, 1151; Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 255 f.; Fischer, in: FS Winkler, S. 237, 263; Friedrichs, Frage der Völkerrechtssubjektivität, S. 186 f.; Gautier, in: Constantinesco/Kovar/Simon, Art. 8c C.E. Rn. 2 ff.; Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 38 f.; Hobe, Der Staat 32 (1993) 245, 256 f.; H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 187 Rn. 5; Kadelbach, in: Europäische Grundrechte, § 20 Rn. 73; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 36; L. Münch, Gemeinsame Aktion, S. 83 Fn. 216; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 121; Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 140, 143; Sauerwald, Unionsbürgerschaft, S. 76; Sobrino Heredia, RIE 20 (1993), S. 485, 516 f.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

a) Das Konzept impliziter Kompetenzen Das Konzept impliziter Kompetenzen wurde Ende des 18./Anfang des 19. Jahrhunderts im Verfassungsrecht der USA entwickelt, um begrenzte Kompetenzzuweisungen durch flexible Umsetzungsmittel praktisch handhabbar zu machen. Danach sollten der Bundesgewalt im Rahmen eines enumerativen Katalogs ausdrücklicher Handlungsbefugnisse und Aufgaben stillschweigend auch diejenigen Kompetenzen zustehen, die sich als notwendig und geeignet („necessary and proper“) für dessen weitere Ausführung erwiesen. In den Augen seiner Befürworter war dieses Konzept geradezu zwingend, weil die Betrauung mit bestimmten Zielen ohne entsprechende Mittel letztlich leer zu laufen drohte.164 Auch in einer Vielzahl anderer Bundesverfassungen fand der Gedanke impliziter Kompetenzen zunehmend Verbreitung.165 Auf völkerrechtlicher Ebene wurden entsprechende Überlegungen erstmals 1926 im ILO-Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshof anerkannt166 und später vom Internationalen Gerichtshof übernommen.167 Die grundsätzliche Existenz impliziter Kompetenzen im Recht der internationalen Organisationen steht vor diesem Hintergrund inzwischen praktisch außer Streit.168 Trotz dieses gemeinsamen Ausgangspunkts zeigt sich bei näherer Betrachtung allerdings eine Vielzahl unterschiedlicher Herleitungsmodelle. Nach einem verbreiteten Ansatz kann bereits von den einer Organisation zugewiesenen Aufgaben auf die implizite Befugnis zu deren Erledigung geschlossen werden.169 „Implied powers“ wären danach in der Sache letztlich eigenständige Kompetenztitel zur Umsetzung bestimmter Ziele. Dieser Theorie schloss sich etwa der IGH in seinem „Injuries suffered“-Gutachten an, um die Berechtigung der Vereinten Nationen zum funktionalen Schutz ihrer Bediensteten zu begründen.170 Demgegenüber sollen nach einer engeren Ansicht implizite Kompetenzen allein durch Auslegung der ausdrück164

Grundlegend zur Entwicklung der impliziten Kompetenzen Becker, Anwendbarkeit; Böhm, Kompetenzauslegung, S. 120 ff. 165 Böhm, Kompetenzauslegung, S. 140 ff. (m. w. N.); Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 131. 166 PCIJ Publ. Ser. B, Vol. 13, S. 18. 167 Vgl. insbesondere das bereits oben S. 25 f. angesprochene Injuries sufferedGutachten. Daneben bspw. auch ICJ Rep. 1954, S. 47, 57; ICJ Rep. 1962, S. 150, 167 f. – Zusammenfassend zum Ganzen Böhm, Kompetenzauslegung, S. 132 ff.; Díaz González, YBILC 1985 II, S. 103, 111 Rn. 64 ff.; Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 279, 285 ff. 168 Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 279, 283 f.; Zuleeg, in: EPIL II, S. 1312, 1312 f. 169 So etwa Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 10; Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 125 f.; Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 279, 283 und 290 f.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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lichen Befugnisnormen begründbar sein. Denn der Zusammenhang zu den der Organisation explizit übertragenen Kompetenztiteln dürfe bei der Herleitung keinesfalls aufgegeben werden.171 Streitig ist dabei innerhalb beider Ansichten, ob die jeweilige implizite Kompetenz bloß praktische Erleichterungen für die Arbeit der Organisation mit sich bringen oder weitergehend auch erforderlich oder gar zwingend geboten sein müsse. Teile des Schrifttums versuchten, neben den so umrissenen impliziten Kompetenzen eine eigenständige Fallgruppe der „resulting powers“ zu etablieren. Erfasst davon sollten neue Sachgebiete sein, die kraft Natur der Sache nur vom jeweiligen Zentralverband zu regeln seien. Derartige begriffsnotwendige Kompetenzen sind für Bundesstaaten seit langem anerkannt.172 Sie stoßen allerdings bei internationalen Organisationen auf erhebliche Bedenken: Anders als Staaten haben solche Organisationen kein von vornherein feststehendes „Wesen“, sondern nur eine Reihe einzeln zugewiesener Innen- bzw. Außenbefugnisse.173 Deshalb wurde versucht, sachnotwendige Zuständigkeiten hier nicht über ein abstrakt vorbestimmtes Wesen, sondern über eine Gesamtanalogie zur Summe der jeweils übertragenen Aufgaben zu bestimmen. „Resulting powers“ unterschieden sich danach von den „implied powers“ durch das Fehlen eines einzelnen kompetenzspezifischen Anknüpfungspunkts.174 Als Beispielsfall dafür wird vor allem der funktionale Schutz eigener Bediensteter hervorgehoben, der richtigerweise nicht aus einer konkreten Kompetenz, sondern nur aus Summe und Art der internationalen Beziehungen einer internationalen Organisation abzuleiten sei.175 Der Hinweis auf die bei der Kompetenzauslegung gebotene Gesamtbetrachtung zählt ohne Zweifel zu den Verdiensten dieser Auffassung. Gleichwohl besteht für eine eigenständige Fallgruppe von „resulting 170

ICJ Rep. 1949, S. 174, 182: „Under international law, the Organization must be deemed to have those powers which, though not expressly provided in the Charter, are conferred upon it by necessary implication as being essential to the performance of its duties.“ Vgl. ferner S. 179: „It must be acknowledged that its Members, by entrusting certain functions to it, with the attendant duties and responsibilities, have clothed it with the competence required to enable those functions to be effectively discharged.“ 171 So etwa Becker, Anwendbarkeit, S. 54; Dörr, EuZW 7 (1996), S. 39, 40; Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 131 f.; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 101 ff. 172 Böhm, Kompetenzauslegung, S. 203 ff. (m. w. N.); Kunig, GGK III, Art. 70 Rn. 27. 173 A.A. v. Bogdandy/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 3b EGV Rn. 10, die eine Kompetenz kraft Natur der Sache auch für die EG für möglich halten. – Wie hier demgegenüber Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 141; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 21. 174 Böhm, Kompetenzauslegung, S. 198 ff.; Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 141 f. 175 Böhm, Kompetenzauslegung, S. 216 f.; Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 142.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

powers“ bei internationalen Organisationen kein praktisches Bedürfnis: Auch im Rahmen einer „Gesamtanalogie“ bleiben wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung letztlich die konkreten Aufgaben- beziehungsweise Befugnisnormen maßgeblich. Der Unterschied zur Herleitung impliziter Kompetenzen ist insoweit nur gradueller, nicht grundsätzlicher Natur. Eine klare Trennung beider Fallgruppen erscheint insoweit kaum möglich. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass die Rechtsprechung „resulting powers“ bislang weder für das Völker- noch für das Gemeinschaftsrecht als eigenständige Rechtsfigur anerkannt hat. b) Implizite Außenkompetenzen im Gemeinschaftsrecht aa) Der klassische Befund und seine Grenzen: Notwendigkeit einer neuen Fragestellung Dass das Konzept impliziter Kompetenzen auch im Gemeinschaftsrecht seinen Platz hat, stellte der EuGH erstmals 1955 in der Rechtssache „Fédéchar“ fest: „Der Gerichtshof hält, ohne sich dabei an eine extensive Auslegung zu begeben, die Anwendung einer sowohl im Völkerrecht als auch im innerstaatlichen Recht allgemein anerkannten Auslegungsregel für zulässig, wonach die Vorschriften eines völkerrechtlichen Vertrages oder eines Gesetzes zugleich diejenigen Vorschriften beinhalten, bei deren Fehlen sie sinnlos wären oder nicht in vernünftiger und zweckmäßiger Weise zur Anwendung gelangen könnten.“176 Daher sei die Hohe Behörde auch ohne ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage befugt, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Verwirklichung der Ziele des Vertrags erforderlichen Maßnahmen im innergemeinschaftlichen Raum zu treffen. Diese Grundsätze übertrug der EuGH bald auch auf die gemeinschaftlichen Außenbeziehungen. Implizite Befugnisse nahm er hier erstmals im „AETR“-Urteil aus dem Jahre 1971 an, in dem es um die Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss eines Straßenverkehrsabkommens ging. Wie bereits erwähnt, sah er hier zwar die grundsätzliche Vertragsfähigkeit der Gemeinschaft bereits in Art. 210 EWGV (jetzt: Art. 281 EGV) verbürgt. Um aber im Einzelfall zu ermitteln, ob die Gemeinschaft zum Abschluss internationaler Abkommen zuständig sei, müsse auf das System und auf die materiellen Vorschriften des Vertrages zurückgegriffen werden. Eine solche Zuständigkeit könne nicht nur aus einer ausdrücklichen Erteilung durch den Vertrag, sondern auch aus anderen Vertragsbestimmungen und aus in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten der Gemeinschaft fließen.177 176 EuGH Slg. 1955/56, S. 297, 312. Ähnlich später auch Slg. 1960, S. 681, 708 und Slg. 1960, S. 743, 781.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Die Interpretation dieser Ausführungen bereitet bis heute große Schwierigkeiten. Vor allem die Frage nach der Bedeutung des Sekundärrechts für die Herleitung impliziter Zuständigkeiten wurde zum Gegenstand zahlreicher Untersuchungen178 und in nachfolgenden Entscheidungen auch vom EuGH selbst immer wieder neu aufgeworfen. Auf den ersten Blick scheint sich diese Diskussion generell auf implizite Kompetenzen im Gemeinschaftsrecht zu beziehen und daher auch von Relevanz für die Untersuchung diplomatischer Schutzbefugnisse im Gemeinschaftsrecht zu sein. Tatsächlich aber betrifft sie bei genauerer Betrachtung nur einen sehr viel engeren Teilaspekt – die sachliche Reichweite der gemeinschaftlichen Vertragsschlusskompetenzen. Denn die grundsätzliche Zulässigkeit der gewählten Handlungsform „völkerrechtlicher Vertrag“ stand schon im „AETR“-Urteil für den EuGH außer Zweifel und bedurfte deshalb selbst keiner impliziten Ableitung. Implizit zu bestimmen war deshalb aus Sicht des EuGH allein die Zuständigkeit „im Einzelfall“, das heißt die Frage, auf welchen Sachgebieten die Gemeinschaft in dieser Weise tätig werden dürfe.179 Nur in dieser materiellrechtlichen Perspektive war die Frage nach der Rolle entsprechenden innergemeinschaftlichen Sekundärrechts überhaupt sinnvoll. Denn für die weitergehende Frage, welche völkerrechtlichen Handlungsformen der EG konkret im Rahmen dieser Sachkompetenz zur Verfügung stehen, wäre das EG-Binnenrecht von vornherein unergiebig geblieben. Obwohl der EuGH dies selbst nie klarstellte, war allein diese materielle Fragestellung auch Gegenstand seiner späteren Entscheidungen zu impliziten Kompetenzen im Gemeinschaftsrecht. Anders als in den ersten Urteilen setzte er seit dem Gutachten 1/76 in verfahrensrechtlicher Hinsicht jeweils als selbstverständlich voraus, dass die Gemeinschaft grundsätzlich völkerrechtliche Verträge schließen180 und durch solche Verträge auch Mitglied internationaler Organisationen werden könne.181 Dies zeigt sich deutlich in der Stellungnahme des Rates zum Gutachten 1/94, die im weiteren Verfahren nicht in Frage gestellt wurde: Streitig seien allein „die Sachbestimmun177 EuGH Slg. 1971, S. 263, 274 f./Rn. 13–16. Ebenso Slg. 1976, S. 1279, 1310/ Rn. 17–20. 178 Dazu statt vieler Dörr, EuZW 7 (1996), S. 39, 41 ff.; Nettesheim, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 415, 432 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 151 ff. (m. w. N.). 179 So auch Calliess, in: C/R, Art. 5 EGV Rn. 13. Nur scheinbar anders v. Bogdandy/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 3b EGV Rn. 9 und Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 116 ff., die das „AETR“-Urteil als eine verfahrensrechtliche Erweiterung konkreter Sachkompetenzen ansehen: Die grundsätzliche Vertragsfähigkeit der EG setzen auch sie dabei voraus. 180 EuGH Slg. 1993 I, S. 1061, 1076/Rn. 7; Slg. 1995 I, S. 521, 558 f./Rn. 29 ff. 181 EuGH Slg. 1977 S. 741, 755/Rn. 3 f.; Slg. 1994 I, S. 5267, 5410 ff./ Rn. 73 ff. und S. 5417/Rn. 99 f.; Slg. 1996 I, S. 1759, 1787 f./Rn. 26 ff.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

gen“.182 Die institutionellen Bestimmungen würfen unter dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit keine besonderen Probleme auf. Denn da sie den Zweck hätten, die „Verwaltung“ der Sachvereinbarungen sicherzustellen, ergebe sich die entsprechende Kompetenz unmittelbar aus den Sachbestimmungen selbst. Diplomatischer Schutz aber ist als solcher kein neues materiellrechtliches Sachgebiet, sondern eine eigenständige Handlungsform zur Effektivierung grundsätzlich aller Sachkompetenzen, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Sachkompetenzen selbst explizit oder implizit aus dem EG-Vertrag ergeben. Die Rechtsprechung des EuGH zur Bestimmung impliziter Vertragskompetenzen kann also den für eine Ableitung gemeinschaftlicher Schutzbefugnisse geltenden Maßstab nicht unmittelbar vorgeben. Denn sie betrifft allein die materielle Reichweite der Gemeinschaftskompetenzen, nicht aber die Frage, welche verfahrensrechtlichen Instrumente der EG auf dieser Basis anschließend im Einzelnen zur Verfügung stehen. Anders als die sachliche Reichweite der Vertragsschlusskompetenzen wurde die verfahrensrechtliche Dimension der Außenkompetenzen auch in der wissenschaftlichen Diskussion bislang kaum dogmatisch hinterfragt. Zwar werden die vielfältigen Instrumente der gemeinschaftlichen Außenpolitik in zahlreichen Untersuchungen detailliert beschrieben. Nur wenige dieser Mittel finden jedoch ausdrücklich im EG-Vertrag Erwähnung. Eine Rechtfertigung für die weitergehende Praxis wird im Übrigen meist allgemein in einer „bewussten Entscheidung für die wirkungsvolle Teilnahme am zwischenstaatlichen Verkehr“183 oder der „weiten Reichweite vertraglicher Befugnisse“184 gesehen. Damit aber verschwimmen Inhalt und Grenzen der gemeinschaftlichen Außenkompetenzen in bedenklicher Weise: Diplomatische Schutzbefugnisse lassen sich mit diesen Formulierungen letztlich ebenso gut bejahen wie verneinen. Diesen Effekt mag man auf den ersten Blick als Chance einer dynamischen Anwendung der Gemeinschaftsverträge begrüßen.185 Doch ist er mit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung nicht zu vereinbaren. Internationale Organisationen haben in ihren internationalen Beziehungen gerade keine allumfassende staatengleiche Handlungsmacht.186 Sie sind vielmehr grundsätzlich auf die ihnen jeweils von den Mitgliedstaaten zugestandenen völkerrechtlichen Handlungsformen beschränkt. Nicht nur in materiell-inhaltlicher, sondern auch in funktional-verfahrensrechtlicher Hin182

EuGH Slg. 1994 I, S. 5267, 5285. So etwa die oben in Fn. 150 Genannten. 184 Lenaerts/van Nuffel/Bray, Constitutional Law, Rn. 16-006; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 190; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 134. Ähnlich Bothe, ZaöRV 37 (1977) S. 122, 131 ff. 185 So tatsächlich Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 127 ff. 186 Vgl. bereits oben S. 49 f. 183

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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sicht ist deshalb eine genaue Abgrenzung und Ableitung der Außenkompetenzen geboten. Eine solche Abgrenzung lässt sich möglicherweise durch Anwendung der Grundsätze impliziter Kompetenzen auf das verfahrensrechtliche Instrumentarium erreichen. Denn legt man dabei eine dem Gemeinschaftsrecht angepasste Definition zu Grunde [dazu bb)(1)], können „implied powers“ nicht nur kompetenzbegründend, sondern zugleich gerade auch kompetenzbegrenzend wirken. Unter diesem Blickwinkel soll zunächst die anerkannte Praxis der gemeinschaftlichen Handlungsinstrumente innerhalb und außerhalb vertraglicher Außenbeziehungen untersucht werden [dazu bb)(2)]. Auf der so geschaffenen Grundlage bleibt anschließend zu prüfen, ob möglicherweise auch diplomatische Schutzkompetenzen implizit im EG-Vertrag angelegt sind [dazu c)]. bb) Verfahrensrechtliche Reichweite impliziter Gemeinschaftskompetenzen (1) Grundsätzlicher Bestimmungsmaßstab Dass die EG auch über die ihr ausdrücklich zugewiesenen Handlungsformen hinaus im Völkerrechtsverkehr tätig werden kann, erscheint zunächst vor dem Hintergrund des Prinzips begrenzter Einzelermächtigungen nicht selbstverständlich.187 Ausgeschlossen ist danach aber nur die Zuweisung neuer Kompetenzen ohne vertragliche Grundlage. Einer Ableitung impliziter Befugnisse allein durch Auslegung der vorhandenen Befugnisnormen – also auf der Basis der engen Konzeption – steht dies nicht entgegen. Denn dem EG-Vertrag liegt nicht weniger als anderen völkerrechtlichen Satzungen der Effektivitätsgedanke zu Grunde; in ihm sollten der Gemeinschaft alle zur vollständigen Ausübung der ihr übertragenen Kompetenzen nötigen Befugnisse gewährt werden.188 Zu den „im Vertrag zugewiesenen Befugnissen“ (Art. 5 Abs. 1 EGV) lassen sich auf dieser Basis nicht nur die ausdrücklichen, sondern auch die implizit darin angelegten Kompetenzen zählen.189 Lange Zeit streitig war indes, ob neben Art. 308 EGV überhaupt noch Raum für derartige „implied powers“ bleibe.190 Danach ist der Rat ermächtigt, geeignete Vorschriften zu erlassen, soweit ein Tätigwerden der Ge187

Skeptisch zur Rechtsfigur der implied powers deshalb BVerfG E 89, 155, 210. Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 136 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 528 f. 189 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1787/Rn. 25; Calliess, in: C/R, Art. 5 EGV Rn. 15. 190 Dagegen vor allem Rabe, Verordnungsrecht, S. 151 ff. 188

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

meinschaft zur Erreichung eines ihrer Ziele erforderlich erscheint und die hierfür erforderlichen Befugnisse im EG-Vertrag nicht vorgesehen sind. Tatsächlich schließt es diese Bestimmung schon wegen ihrer besonderen institutionellen Anforderungen von vornherein aus, implizite Kompetenzen umfassend aus den Aufgaben und Zielen der EG abzuleiten.191 Stillschweigenden Befugnissen, die allein auf die Auslegung der ausdrücklichen Befugnisnormen zurückzuführen sind, steht Art. 308 EGV jedoch nicht entgegen. Denn vertraglich „vorgesehen“ im dort genannten Sinne sind auch implizite Befugnisse, die erst durch Auslegung der ausdrücklichen Befugnisnormen sichtbar werden.192 Implizite Kompetenzen sind im Gemeinschaftsrecht danach Ausdruck einer am allgemeinen Effektivitätsgrundsatz („effet utile“) orientierten Auslegung der ausdrücklichen Kompetenztitel.193 Art. 308 EGV droht mit einem solchen Verständnis nicht leer zu laufen. Er bleibt vielmehr unverzichtbar, wenn die Ziele der Gemeinschaft ein Tätigwerden erfordern, das dem Vertrag weder ausdrücklich noch durch Auslegung entnommen werden kann. Auch der EuGH ging in seiner Rechtsprechung regelmäßig von der Zulässigkeit impliziter Kompetenzen im Gemeinschaftsrecht aus. So führte er beispielsweise zur Bestimmung der sachlichen Reichweite der Vertragskompetenzen aus: „Die Gemeinschaft ist immer dann, wenn das Gemeinschaftsrecht ihren Organen im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel im Inneren eine Zuständigkeit verleiht, befugt, die zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen einzugehen, auch wenn insoweit eine ausdrückliche Bestimmung fehlt.“194 Diese Formel lässt sich nach dem eben Gesagten sinngemäß auch auf die implizite Herleitung und Abgrenzung verfahrensrechtlicher Außenkompetenzen anwenden. Die im Einzelfall neu zu begründende implizite Kompetenz muss sich danach in beiden Fällen jeweils als erforderlich zur Effektivierung einer der EG verliehenen Zuständigkeit erweisen. Zwar deutete der EuGH verschiedentlich auch eine engere Formulierung an. So führte er 1987 aus, der Kommission stünden im Rahmen des Art. 118 EWGV (jetzt: Art. 138 EGV) implizit „die zur 191 A. A. Köck, in: FS Seidl-Hohenveldern, S. 279, 294; Lecheler, AVR 32 (1994) S. 1, 13. Wie hier dagegen Becker, Anwendbarkeit, S. 104; Dörr, EuZW 7 (1996), S. 39, 40; Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 134 f. 192 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1788/Rn. 29; Böhm, Kompetenzauslegung, S. 177 ff.; Calliess, in: C/R, Art. 5 EGV Rn. 14; Kovar, in: Relations extérieures de la C.E., S. 15, 22; Nicolaysen, EuR 1 (1966), S. 129, 136; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 108 f. 193 Dörr, EuZW 7 (1996), S. 39, 40; Oppermann, Europarecht, Rn. 528 f.; Tizzano, in: Dreißig Jahre Gemeinschaftsrecht, S. 47, 53; Zuleeg, in: EPIL II, S. 1312, 1312. 194 EuGH Slg. 1977 S. 741, 755/Rn. 3; Slg. 1993 I, S. 1061, 1076/Rn. 7; Slg. 1996 I, S. 1759, 1787/Rn. 26 (Hervorhebung v. Verf.).

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Erfüllung dieser Aufgabe unerlässlichen Befugnisse“ zu.195 In der Sache war mit dieser Formulierung jedoch offenbar kein strengerer Maßstab verbunden: Schon im nachfolgenden Satz folgert der EuGH, der Kommission seien „in diesem Sinne“ alle „erforderlichen“ Befugnisse verliehen. Bei der Bestimmung der „Erforderlichkeit“ schien sich der EuGH zum Teil an der Weite der expliziten Anknüpfungskompetenz zu orientieren. So führte er im Gutachten 1/76 aus, gerade weil der Rat zur Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik „alle zweckdienlichen Vorschriften“ erlassen dürfe, besitze die Gemeinschaft insoweit nicht nur die Fähigkeit zu vertraglichen Bindungen, sondern könne auch geeignete zwischenstaatliche Einrichtungen schaffen.196 Auch sonst stellte er jedoch grundsätzlich keine strengen Anforderungen an die Erforderlichkeit der neu zu begründenden impliziten Kompetenz. Soweit eine ausdrücklich zugewiesene Materie ohne den in Frage stehenden, vom Wortlaut nicht erfassten Aspekt vernünftigerweise nicht geregelt werden konnte, erkannte der EuGH vielmehr regelmäßig auch eine entsprechende implizite Kompetenz an.197 Restriktiver verfuhr er nur für den Sonderfall der Auslegung sekundärrechtlicher Eingriffsbefugnisse gegenüber einzelnen Unternehmen: Weil hier die legitimen Interessen der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen seien, müssten sich implizite Kompetenzen tatsächlich als „unerlässlich“ erweisen.198 Vergleichbare Situationen sind in Bezug auf die Außenkompetenzen kaum denkbar. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten: Die Gemeinschaft ist über die ausdrücklichen Kompetenztitel hinaus auch dann zu völkerrechtlichem Tätigwerden berechtigt, wenn sich eine bestimmte Handlungsform als erforderlich erweist, um die der EG zugewiesenen Befugnisse effektiv nutzen zu können.

195 EuGH Slg. 1987, S. 3203, 3253/Rn. 28. Ähnlich die subsumierende Formulierung des EuGH in Slg. 1988, S. 5545, 5560/Rn. 8: Die Festlegung einer Zolltarifnomenklatur sei für die Erhebung von Zöllen „unerlässlich“ und deshalb „zwangsläufig“ in der Zuständigkeit für die Änderung der Zollsätze enthalten. 196 EuGH Slg. 1977 S. 741, 756/Rn. 5. 197 Skeptisch zu dieser Rechtsprechung v. Bogdandy/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 3b EGV Rn. 10. 198 EuGH Slg. 1980, S. 119, 131/Rn. 18 f.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

(2) Bislang anerkannte Reichweite ungeschriebener völkerrechtlicher Handlungsformen der Gemeinschaft In der Praxis macht die Gemeinschaft bereits seit langem von einer Fülle ungeschriebener völkerrechtlicher Handlungsformen Gebrauch. Dies betrifft die Ausgestaltung bestehender vertraglicher Beziehungen [dazu (a)] ebenso wie außervertragliche völkerrechtliche Beziehungen [dazu (b)]. (a) Im Rahmen vertraglicher Beziehungen Im Rahmen vertraglicher Beziehungen ist die Gemeinschaft nach allgemeiner Ansicht nicht nur zu bi- und multilateralen Verhandlungen über Sachfragen und zum späteren Abschluss entsprechender Abkommen befugt. Sie darf auch alle zur Vertragsdurchführung üblicherweise notwendigen Folgeschritte ergreifen.199 Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Vertragskompetenz selbst ausdrücklich oder erst implizit aus dem EG-Vertrag ergibt: Entscheidend ist allein, dass die Gemeinschaft danach für den betreffenden Sachbereich überhaupt zur Eingehung völkerrechtlicher Verpflichtungen ermächtigt ist. Als ungeschriebene Ergänzung ihrer so verstandenen Vertragskompetenzen soll die Gemeinschaft insbesondere alle notwendigen Organisationsstrukturen schaffen können.200 Dies betrifft zunächst einseitige Maßnahmen, die der EG die Anwendung und Kontrolle umfangreicher vertraglicher Regime erleichtern sollen. So sahen etwa die Partnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten von Anfang an die Möglichkeit vor, dauerhafte Außenstellen („Delegationen“) der Kommission in den Partnerstaaten einzurichten; sie vertreten die Kommission bei allen Tätigkeiten vor Ort.201 Darüber hinaus wird auch die Beteiligung an gemeinsamen Verwaltungsorganen der Vertragsparteien allgemein als zulässig erachtet.202 Derartige Gremien – häufig als „gemischter Ausschuss“ bezeichnet – sind in praktisch allen wichtigen Handels-, Kooperations- und Assoziationsabkommen der EG vorgesehen. Wichtigste Konsequenz ist vor allem ein eigenständi199 Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 233; Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 147. 200 Rat, Stellungnahme zum „EMRK“-Gutachten, wiedergegeben in EuGH Slg. 1994 I, S. 5267, 5285; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 8; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 154 f. 201 Zuletzt Art. 36 Anhang IV zum Partnerschaftsabkommen von Cotonou („Lomé V“) v. 23.6.2000, ABl. 2000 L 317, S. 3, 88. 202 Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 87 ff.; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 156 f. – Art. 300 Abs. 3 UAbs. 2 EGV, der entsprechende Organkompetenzen regelt, bestätigt diese Sichtweise nunmehr indirekt.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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ges Stimm- und Rederecht der Gemeinschaft in den jeweils vorgesehenen Organen. Noch einen Schritt weiter ging der EuGH im Gutachten 1/76, in dem die Kompetenz der EG zur Beteiligung an einem neu gegründeten „Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt“ – einer selbständigen öffentlich-rechtlichen Anstalt mit eigenen Organen – in Rede stand. Nach Auffassung des Gerichtshofs durfte die Gemeinschaft hier gemeinsam mit Mitglied- und Drittstaaten zur Erreichung der Vertragsziele geeignete verselbständigte Einrichtungen errichten, deren Organe mit angemessenen Entscheidungsbefugnissen ausstatten und in einer den verfolgten Zielen gemäßen Weise Art, Ausarbeitung, Inkraftsetzung und Wirkungen der Vorschriften regeln, die in diesem Rahmen zu erlassen sind.203 Denn die EG könne ihre Außenkompetenzen nicht nur durch nachgeordnete „Verwaltungsgremien“ wahrnehmen, sondern auch an neu zu gründende selbständige Organisationen weiterübertragen. Entsprechendes muss sinngemäß auch für den nachträglichen Beitritt zu bereits bestehenden „Einrichtungen“ oder internationalen Organisationen gelten. Auch eine aus der Gründung oder dem Beitritt resultierende finanzielle Beitragspflicht dürfte danach kein Hindernis darstellen.204 Im Gutachten 1/91 ergänzte der EuGH, ein solches Abkommen dürfe grundsätzlich sogar ein eigenes, für die Vertragsparteien verbindliches Gerichtssystem vorsehen. Denn die Zuständigkeit der Gemeinschaft im Bereich der internationalen Beziehungen und ihre Fähigkeit zum Abschluss internationaler Abkommen umfasse notwendig die Fähigkeit, sich den Entscheidungen eines durch solche Abkommen geschaffenen oder bestimmten Gerichts zu unterwerfen, was die Auslegung und Anwendung ihrer Bestimmungen angehe.205 Einschränkungen seien freilich dort geboten, wo durch den Gebrauch derartiger Außenkompetenzen Art. 220 EGV und allgemeiner die Grundlagen der Gemeinschaft beeinträchtigt würden; insbesondere dürfe sich die EG danach nicht ohne ausdrückliche Ermächtigung einer umfassenden menschenrechtlichen Kontrolle mit entsprechenden Direktklagemöglichkeiten unterwerfen.206 Der EuGH begründete die so umrissenen verfahrensrechtlichen Kompetenzen selbst regelmäßig nicht weiter. Tatsächlich aber lassen sie sich auf der oben hergeleiteten Grundlage durchaus damit rechtfertigen, dass sich bi- und vor allem multilaterale Verträge vielfach nicht effektiv vollziehen ließen, wenn die materiellen Regelungen nicht zugleich durch wirksame in203

EuGH Slg. 1977, S. 741, 756/Rn. 5. Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 155. 205 EuGH Slg. 1991 I, S. 6079, 6106/Rn. 40 und S. 6111/Rn. 70. 206 EuGH Slg. 1977, S. 741, 758 ff./Rn. 10 ff.; Slg. 1991 I, S. 6079, 6111/ Rn. 71; Slg. 1996 I S. 1759, 1789/Rn. 34 f. 204

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

stitutionelle Vorkehrungen ergänzt würden. Derartige Organisationsbefugnisse erweisen sich deshalb grundsätzlich als erforderlich für die wirksame Wahrnehmung der einzelnen Sach- und Vertragskompetenzen. Auch die Grenzen dieser ungeschriebenen Befugnisse, die der EuGH bislang nur punktuell aufgezeigt hat, lassen sich mit dem hier zu Grunde gelegten Ansatz systematisch einordnen: Implizite Organisationskompetenzen sind nur dort zur Nutzung anderer Befugnisnormen „erforderlich“, wo sie den institutionellen Rahmen des EG-Vertrags wahren.207 Verfahrensrechtliche Kompetenzen, die zu einer grundlegenden Umgestaltung des institutionellen Gefüges innerhalb der Gemeinschaft führen würden, stehen der EG also selbst dann nicht zu, wenn sie die Ausübung von Gemeinschaftsbefugnissen prinzipiell effektivieren könnten. Ungeschriebene funktionelle Kompetenzen werden der Gemeinschaft auf dieser Grundlage nicht nur zur einvernehmlichen Vertragssteuerung, sondern gleichermaßen auch zur einseitigen Durchsetzung vertraglicher Rechte im Konfliktfall zuerkannt. So wird die Gemeinschaft trotz Fehlens dahingehender ausdrücklicher Befugnisnormen als berechtigt angesehen, ihre Vertragspositionen durch völkerrechtliche Erklärungen wie insbesondere Mahnung, Suspendierung, Rücktritt oder Kündigung geltend zu machen.208 Erweisen sich solche vertragsimmanenten Druckmittel als unzureichend, soll die Gemeinschaft auch auf internationale Streitbeilegungsverfahren zurückgreifen können. Zwar ist sie nach Art. 34 Abs. 1 IGH-Statut209 vor dem Internationalen Gerichtshof nicht als Streitpartei zugelassen. Ihr stehen jedoch im Übrigen alle völkerrechtlichen Mittel friedlicher Streitbeilegung (Art. 33 Abs. 1 UNO-Charta) offen.210 Tatsächlich sehen inzwischen fast alle völkerrechtlichen Verträge der Gemeinschaft institutionalisierte Schlichtungsverfahren oder die Anrufung eines Schiedsgerichts im Konfliktfall vor.211 Noch einen Schritt weiter geht Art. 287 des Seerechtsübereinkom207 Vertiefend zu den speziellen Grenzen gerichtlicher Strukturen in den Außenverträgen der EG Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 142 ff. (speziell S. 165 f.). 208 Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 214 ff. und 218 f.; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 177 f.; Sturma, RMC 1993, S. 250, 259; Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 147 f.; ders., in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 12. – Auch insoweit bestätigt Art. 300 Abs. 2 UAbs. 2 EGV indirekt die Existenz einer entsprechenden Verbandskompetenz. 209 BGBl. 1973 II, S. 505. 210 Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 153 ff.; Hilf, in: FS Mosler, S. 387, 396 ff.; Louis/Brückner, in: Megret/Waelbroeck XII, Art. 210 Rn. 11; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 232 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, §§ 1856 f.; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 178 f.; Toth, Oxford Encyclopedia I, S. 267 ff. 211 Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 142 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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mens der Vereinten Nationen, der der EG (über Art. 305 Abs. 1 lit. f und Anlage IX SRÜ) sogar die Anrufung eines eigenständigen Gerichts – des Internationalen Seegerichtshofs – ermöglicht. All diesen ungeschriebenen Verfahrenskompetenzen liegt der Gedanke zu Grunde, dass das Recht der Gemeinschaft zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge leer zu laufen drohte, wenn die jeweiligen Partner nicht hinterher auch zur effektiven Vertragserfüllung angehalten werden könnten212: Ernsthafte Vertragsverhandlungen wären kaum möglich, wenn spätere Verstöße gegen die dabei übernommenen Pflichten für den Vertragspartner folgenlos blieben. Aus ähnlichen Erwägungen heraus hatte schon der IGH in seinem „Injuries suffered“-Gutachten eine implizite Kompetenz der UNO angenommen, von „den völkergewohnheitsrechtlichen Methoden für den Nachweis, die Geltendmachung und die Befriedigung von Ansprüchen“ Gebrauch zu machen.213 Dazu hatte er insbesondere Protesterklärungen, die Beantragung eines Untersuchungsverfahrens, Verhandlungen und das Verlangen nach Unterwerfung unter ein Schiedsgericht gezählt. Entsprechendes gilt nach dem oben Gesagten allgemein auch für die Gemeinschaft. Ein Sonderproblem stellt sich insoweit allerdings für Retorsionen und Repressalien (bzw. in der von der ILC zuletzt gebrauchten Terminologie: „Gegenmaßnahmen“). Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass die EG gegen Vertragsverstöße notfalls auch mit derartigen Zwangsmitteln vorgehen kann.214 Die genaue Kompetenzgrundlage dafür ist jedoch weitgehend ungeklärt, vor allem was das Verhältnis der vertragsimmanenten Druckmittel zum Bereich der ausdrücklich geregelten Wirtschaftssanktionen anbelangt. So stellt sich vor allem die Frage, ob die Gemeinschaft seit Einführung des Art. 301 EGV hier nur noch auf Grundlage eines im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) verabschiedeten gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion (Art. 15 bzw. 14 EUV) gegen ihre Vertragspartner vorgehen darf. Da derartige GASP-Beschlüsse grundsätzlich Einstimmigkeit voraussetzen (Art. 23 EUV), ist die genaue Abgrenzung expliziter und impliziter Kompetenzbereiche in diesem Rahmen von besonderer Relevanz. Dem Wortlaut nach umfasst Art. 301 EGV unterschiedslos alle Fälle, in denen die Gemeinschaft tätig wird, um die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen. Gleiches gilt nach Art. 60 212 Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 180; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 218 f.; Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 153. 213 ICJ Rep. 1949, S. 174, 177 i. V. m. 179 ff. 214 Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 5; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 406 f.; Sturma, RMC 1993, S. 250, 259; Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 152 ff.; ders., in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 13.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Abs. 1 EGV für Maßnahmen im Bereich des Kapital- und Zahlungsverkehrs. In der Literatur werden diese Vorschriften deshalb vielfach als abschließende Sonderregelung betrachtet: Die EG dürfe wirtschaftliche Sanktionen durchweg erst dann ergreifen, wenn dies die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP zuvor im Grundsatz gebilligt hätten.215 Ausnahmen seien allenfalls für nicht anlassbezogene und zeitlich unbefristete Ausfuhrbeschränkungen zu erwägen, die von der Gemeinschaft auch auf Art. 133 EGV gestützt werden könnten. Diese Position überzeugt in Fällen allgemeiner Völkerrechtsverletzungen und bei der Umsetzung entsprechender Resolutionen des UN-Sicherheitsrats. Denn dort ist eine erhöhte politische Mitbestimmung der Mitgliedstaaten gerade deshalb geboten, weil die in Rede stehenden Wirtschaftssanktionen einen neuartigen außenpolitischen Willensakt ohne Anknüpfungspunkt zu bestehenden Rechtsgütern der EG darstellen. Schon vor Schaffung der heutigen Art. 301 bzw. 60 EGV hatten die Mitgliedstaaten solche Fälle aus Sorge vor unkontrollierten außenpolitischen Gemeinschaftsinitiativen zum Gegenstand ihrer Politischen Zusammenarbeit gemacht.216 Eine Einschränkung des Rechts der EG zur Durchsetzung ihrer eigenen Verträge war damit jedoch nach altem Recht gerade nicht verbunden.217 So hatte der EuGH etwa im Gutachten 1/94 die Gemeinschaft ohne weiteres für befugt gehalten, nach Maßgabe des Art. 133 EGV die zur Durchsetzung des WTO-Abkommens notwendigen Retorsionsmaßnahmen im Bereich des Warenverkehrs zu ergreifen.218 Es spricht alles dafür, solche Fälle auch weiterhin nicht unter Art. 301 bzw. 60 EGV zu subsumieren.219 Denn soweit die Gemeinschaft lediglich zur Verteidigung ihrer eigenen Rechtspositionen tätig wird, besteht nicht die von den Mitgliedstaaten befürchtete Gefahr einer eigenständigen „Außenpolitik“. Anknüpfungspunkt und Schranke des völkerrechtlichen Tätigwerdens bleibt 215 Osteneck, in: Schwarze, Art. 301 EGV Rn. 9; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 193 ff.; H. Schneider, in: G/H Archivband, Art. 228a EGV Rn. 7 und 19; ders., Wirtschaftssanktionen, S. 152 f.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 1494. 216 Arnold, in: Dauses II, K. I Rn. 118; Gilsdorf/Brandtner, in: Groeben/ Schwarze, Art. 301 EG Rn. 1; Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 70. 217 Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 73. 218 EuGH Slg. 1994 I, S. 5276, 5421/Rn. 109. Ähnlich Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 207 ff.: Der heutige Art. 133 EGV ermächtige die EG zumindest dann zu Handelssanktionen, wenn diese nicht als außenpolitisches Mittel dienten. 219 Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 5; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 406 f.; Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 73. Generell für eine fortbestehende außenwirtschaftliche Sanktionsbefugnis der Gemeinschaft neben Art. 301 EGV auch Arnold, in: Dauses II, K. I Rn. 115; Gilsdorf/Brandtner, in: Groeben/Schwarze, Art. 301 EG Rn. 10; MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 357; Osteneck, in: Schwarze, Art. 301 EGV Rn. 16.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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hier der in Rede stehende Vertragsverstoß. Es wäre auch systematisch kaum verständlich, warum ein GASP-Beschluss Voraussetzung für allgemeinen wirtschaftspolitischen Druck auf den Vertragspartner sein sollte, wenn die Gemeinschaft nach praktisch unbestrittener Ansicht im Bereich von Willenserklärungen und Streitbeilegungsverfahren ohne jegliche Konsultation der Mitgliedstaaten zur Vertragsdurchsetzung tätig werden kann. Ein solcher GASP-Vorbehalt würde vor allem zu einer folgenreichen „Entgemeinschaftung“ der Vertragskompetenzen führen. Denn die Gemeinschaft dürfte danach zwar Verträge weiterhin eigenständig abschließen, wäre aber später selbst auf den ihr exklusiv übertragenen Sachgebieten zu weit reichenden Konsultationen mit den Mitgliedstaaten gezwungen, um diese Abkommen im Konfliktfall auch durchsetzen zu können. Ein solches Ergebnis wäre nicht nur höchst unpraktikabel, sondern auch schwerlich mit dem bei Schaffung des heutigen Art. 301 EGV ausdrücklich niedergelegten Willen der Mitgliedstaaten zu vereinbaren, den gemeinschaftlichen Besitzstand voll zu wahren (Art. 2 EUV). Soweit die Gemeinschaft Wirtschaftssanktionen zur Verteidigung eigener Rechtspositionen ergreift, kommt deshalb als Kompetenzgrundlage weiterhin allein eine aus der jeweiligen Vertragskompetenz abgeleitete implizite Begleitkompetenz in Betracht. (b) Außerhalb vertraglicher Beziehungen Ungeschriebene verfahrensrechtliche Außenkompetenzen übt die Gemeinschaft aber auch außerhalb bestehender vertraglicher Beziehungen aus. So beanspruchte die Kommission schon früh allgemein die Kompetenz zu außenpolitischen Stellungnahmen im Rahmen ihres sachlichen Zuständigkeitsbereichs.220 Auch die Literatur geht praktisch einhellig davon aus, dass die EG über konkrete Vertragsverhandlungen hinaus allgemein Einfluss auf die völkerrechtliche Willensbildung in den einschlägigen Sachgebieten nehmen und die Gemeinschaftsinteressen auf allen internationalen Ebenen vertreten dürfe.221 Im Rahmen dieser Befassungskompetenz sei sie insbesondere auch zur Mitwirkung bei multilateralen Konferenzen befugt.222 Tatsächlich bestünde bei einem engeren Kompetenzverständnis die Gefahr, dass die Gemeinschaft von wichtigen informellen Informations- und Einflussmöglichkeiten gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten ausgeschlossen bliebe. Hinzu kommt, dass die Übergänge zwischen „unverbindlichen“ politischen Gesprächen und konkreten Vertragsverhandlungen fließend sind; eine Auf220

Kommission, Antwort auf EP-Anfr. 182/79, ABl. 1979 C 214, S. 20. So etwa Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 391 f. 222 Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 43 ff. und 93 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1695 und 1699. 221

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

teilung der Außenvertretungsbefugnis nach Gesprächsstadien wäre schon deshalb wenig praktikabel. Soweit die sachlichen Außenkompetenzen der Gemeinschaft reichen, ist deshalb eine implizite Begleitkompetenz zu eigenständiger Außenvertretung in jedem Fall gerechtfertigt. Als implizite verfahrensrechtliche Befugnis lässt sich vor diesem Hintergrund auch die Praxis der Gemeinschaftsorgane deuten, informelle oder nichtbindende Absprachen zu treffen. Derartige Abreden bilden häufig den Abschluss bilateraler politischer Gespräche zwischen Gemeinschaftsvertretern und Drittstaaten. Sie sind vor allem dort üblich, wo rechtsverbindliche Abkommen aus politischen Gründen einstweilen nicht durchsetzbar oder gewollt sind, der erreichte Grad an Übereinstimmung aber dennoch zum Ausdruck gebracht werden soll.223 Solche Absprachen treten politisch an die Stelle völkerrechtlicher Verträge und erlauben es der Gemeinschaft, ihre Außenkompetenzen differenzierter am völkerrechtlich jeweils erreichbaren Maß auszurichten. Sie erweisen sich vor diesem Hintergrund als erforderlich, um die gemeinschaftsrechtlichen Außenkompetenzen praktisch mit der gebotenen Flexibilität ausfüllen zu können. Zur Wahrnehmung ihrer Außenvertretungsbefugnisse unterstützte die Gemeinschaft in vielen Fällen eine dauerhafte Institutionalisierung der bilateralen Beziehungen. So hatten bis Mitte 2002 bereits 169 Drittstaaten sowie 25 internationale Organisationen und sonstige Völkerrechtssubjekte (wie etwa das Rote Kreuz oder Hongkong) ständige diplomatische Vertreter bei der Europäischen Gemeinschaft akkreditiert.224 Die Befugnis der EG zu einer solchen Ausübung des passiven Gesandtschaftsrechts wird indirekt in Art. 291 EGV i. V. m. Art. 17 des Protokolls über Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965225 vorausgesetzt, die die Folgefragen diplomatischer Vorrechte und Befreiungen regeln. Zu den eigentlichen Voraussetzungen für die Errichtung und Schließung solcher „ständigen Vertretungen“ (bzw. im Falle der AKP-Staaten: „Delegationen“) schweigt der EG-Vertrag hingegen. Sie ergeben sich erst aus einer innergemeinschaftlichen Organvereinbarung.226 Danach ist sowohl in Bezug auf die grundsätzliche Aufnahme diplomatischer Beziehungen als auch hin223 MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 121. Ein Beispiel ist etwa die Erklärung zu den Beziehungen zwischen der EG und den USA v. 23.11.1990 („Transatlantische Erklärung“; abgedruckt in: Auswärtiges Amt, EPZ, S. 341). 224 Commission européenne, Corps diplomatique. Hinzu kommen die ständigen Vertretungen der 15 Mitgliedstaaten. 225 ABl. 1967 Nr. 152, S. 13, 16: „Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Sitz der Gemeinschaften befindet, gewährt den bei den Gemeinschaften beglaubigten Vertretungen dritter Länder die üblichen diplomatischen Vorrechte und Befreiungen.“ 226 „Luxemburger Kompromiss“ v. 28./29.1.1966, Bull. EWG 3/66, S. 9, lit. a.3.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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sichtlich der Person des jeweiligen Missionsleiters ein positives Votum der Kommission und die einstimmige Zustimmung des Rates erforderlich. Die spätere Akkreditierung des Leiters erfolgt durch gleichzeitige Übermittlung seines Beglaubigungsschreibens an den Präsidenten des Rates und den Präsidenten der Kommission.227 Die Gemeinschaft verfügt damit in der Frage des passiven Gesandtschaftsrechts über sehr viel stärkere Mitbestimmungsrechte als traditionelle internationale Organisationen.228 Daraus folgen weit reichende völkerrechtliche Einflussmöglichkeiten: Ist die EG schon in ihrer Entscheidung über die Aufnahme (passiver) Gesandtschaftsbeziehungen frei, muss ihr als Kehrseite erst recht das Recht zu deren nachträglicher Einschränkung in Konfliktzeiten zustehen. Sie hat deshalb die ungeschriebene Kompetenz, einzelne Diplomaten auch zur persona non grata zu erklären oder sogar den vollständigen Abbruch ihrer passiven diplomatischen Beziehungen zu einem Drittstaat zu beschließen.229 In der Praxis blieben diese Befugnisse allerdings bislang ungenutzt. Ein korrespondierendes aktives Gesandtschaftsrecht nimmt die Gemeinschaft dagegen als solche nicht in Anspruch.230 Zwar wurden bis Juli 2001 in 123 Ländern und am Verwaltungssitz von 5 internationalen Organisationen „Delegationen“ eingerichtet, die praktisch vielfach als Mittler der gemeinschaftlichen Außenpolitik fungieren.231 Rechtlich gesehen handelt es sich dabei jedoch allein um Außenstellen der Kommission und nicht um Organe der Gemeinschaft als ganzer. Damit bleibt die Europäische Gemeinschaft hinter der anfänglichen Praxis der Gründungsjahre232 zurück. So richtete die EGKS schon 1956 eine eigenständige Delegation in London ein. Hieraus ergab sich bald der Wunsch, ähnliche Delegationen für alle drei Gemeinschaften auch in anderen Staaten zu errichten. Noch im Februar 1960 bekräftigte der Rat dieses Ziel ausdrücklich in einer entsprechenden Grundsatzentscheidung. Auch das Europäische Parlament rechtfertigte das 227 Weiterführend zum Ablauf dieses Verfahrens Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 31 ff.; MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 212 ff.; Salmon, in: Missions permanentes I, S. 561, 723. 228 Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 32 f. 229 So auch Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 277. 230 Rat, Antwort auf die EP-Anfr. Nr. 400/73, ABl. 1974 C 22, S. 14; Groux/ Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 34 f.; MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 209; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 16. – Ungenau insoweit Oppermann, Europarecht, Rn. 1694; Salmon, Manuel de droit diplomatique, Rn. 727. 231 Kommission, Mitteilung zur Weiterentwicklung des Außendiensts v. 3.7.2001, EU-Dok. KOM(2001) 381endg., S. 2; EP, „Entschl. zu der gemeinsamen europäischen Diplomatie“ v. 5.9.2000, ABl. 2001 C 135, S. 69 ff., Erwgg. H. 232 Dazu Sauvignon, RevMC 21 (1978) S. 176, 178; Sobrino Heredia, RIE 20 (1993), S. 485, 486 ff.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

aktive und passive Gesandtschaftsrecht einige Monate später als selbstverständlichen Ausdruck der internationalen Rechtspersönlichkeit der Europäischen Gemeinschaften.233 Doch nachdem sich im Laufe der folgenden Jahre vor allem Frankreich in zunehmend scharfer Form gegen vermeintliche „Staatenprärogativen“ der EG wandte und Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Rat und Kommission hinzukamen, musste dieses Projekt durch das heutige Modell ersetzt werden.234 Trotz dieser formal begrenzten Zuordnung versteht die Kommission ihre Delegationen aber keineswegs nur als „interne Hierarchieebene“: Sie sollen nach einer von ihr im Juli 2001 erstellten grundlegenden Mitteilung235 in der Praxis die Politik der gesamten Europäischen Union bekannt machen, erklären und umsetzen, die politische Lage vor Ort für die EU analysieren sowie nach Maßgabe konkreter Mandate gegebenenfalls Verhandlungen führen. Die Delegationen üben danach vor allem dezentrale Kommunikationsfunktionen aus. Daneben haben sie den Auftrag, die „Institutionen und Akteure der EU“ logistisch wie inhaltlich zu unterstützen. Schließlich fällt in zunehmendem Maße auch die Betreuung und Verwaltung gemeinschaftlicher Entwicklungshilfeprojekte in ihre Zuständigkeit.236 Zweifelhaft ist dabei allerdings die genaue Rechtsgrundlage. Zwar wird die Existenz von „Delegationen der Kommission in dritten Ländern [. . .], auf internationalen Konferenzen sowie [. . .] bei internationalen Organisationen“ inzwischen in Art. 20 EUV ausdrücklich vorausgesetzt. Doch versteht sich diese Bestimmung schon dem Wortlaut nach nicht als Ermächtigungsgrundlage für die Einrichtung solcher Außenstellen, sondern regelt allein die weitere Zusammenarbeit mit den Vertretungen der Mitgliedstaaten. Hinzu kommt, dass viele der Delegationen bereits lange vor Schaffung des Unionsvertrags allein auf der Basis des EG-Vertrags eingerichtet wurden; die Kompetenz dazu konnte sich also nicht erst aus Art. 20 EUV ergeben. Häufig wurde insoweit stattdessen auf die weit reichende „interne Organisationsgewalt der Kommission“ verwiesen, die auch eine solche Institutionalisierung der Außenbeziehungen rechtfertige.237 Die Ableitung neuer völker233 EP, „Entschl. über die Fragen der Beziehungen der europäischen Gemeinschaften zu den übrigen Ländern und insbesondere des Gesandtschafts- und Flaggenrechts“ v. 19.11.1960, ABl. 1960, S. 1496. 234 Salmon, in: Missions permanentes I, S. 561, 719; Sauvignon, RevMC 21 (1978) S. 176, 178; Sobrino Heredia, RIE 20 (1993), S. 485, 491 f.; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 134 f. 235 Kommission, Mitteilung zur Weiterentwicklung des Außendiensts v. 3.7.2001, EU-Dok. KOM(2001) 381endg., S. 2 f. – Weiterführend zu Status und Rolle der Delegationen Brinkhorst, LIEI 1984/1, S. 23 ff.; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 34 ff.; Sauvignon, RevMC 21 (1978) S. 176, 176 ff. 236 Vgl. etwa Art. 36 Abs. 2 Anhang IV zum Partnerschaftsabkommen von Cotonou („Lomé V“) v. 23.6.2000 (ABl. 2000 L 317, S. 3, 88).

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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rechtlicher Handlungskompetenzen aus internen Organisationsbefugnissen ist methodisch allerdings alles andere als unproblematisch. Zudem verleitet die Konturlosigkeit dieses Ansatzes tendenziell dazu, die Außenbefugnisse der Gemeinschaftsorgane beliebig zu erweitern und birgt damit die Gefahr erheblicher Wertungswidersprüche zum Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Ähnlich unscharf bleibt auch der Versuch, die „umfassende Reichweite der gemeinschaftlichen Vertragsschlusskompetenzen“ als ergänzende Kompetenzgrundlage heranzuziehen.238 Im Übrigen berücksichtigt eine solche Herleitung nicht, dass Delegationen keineswegs immer zur Vorbereitung oder Umsetzung konkreter vertraglicher Beziehungen eingerichtet wurden. In vielen Fällen geschah dies vielmehr in erster Linie wegen der allgemeinen politischen Bedeutung bestimmter Staaten oder Regionen für die EG, so insbesondere in den USA, Japan, Kanada, Russland, Australien, China, Südafrika und – jeweils federführend für den lateinamerikanischen bzw. asiatischen Raum – in Venezuela und Thailand.239 Auch ihre gegenwärtigen Umstrukturierungspläne für das Delegationsnetz begründete die Kommission nicht mit konkreten Vertragsnotwendigkeiten, sondern generellen außenpolitischen Erwägungen zur veränderten Rolle einzelner Staaten und Regionen.240 Eine klarere Rechtsgrundlage könnten insoweit die impliziten Kompetenzen im hier verstandenen Sinne bieten: Sie greifen zwar auf die gleichen Effektivitätsgedanken wie die genannten Ansätze zurück, ermöglichen aber einen klareren Blick auch auf deren Grenzen. Denn das Delegationsnetz ist danach gerade nur deshalb und insoweit gerechtfertigt, wie es die Ausübung der der Kommission zugewiesenen Kompetenzen erfordert.241 Es kann deshalb – entgegen der Kommissionsansicht – nicht umfassend die Aufgabe haben, „die Politik der EU bekannt zu machen, zu erklären und umzusetzen.“242 Erforderlich sind die Delegationen vielmehr, um auch über 237 Brinkhorst, LIEI 1984/1, S. 23, 28; Louis/Brückner, in: Megret/Waelbroeck XII, Art. 210 Rn. 9; MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 209; Sauvignon, RevMC 21 (1978) S. 176, 180; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 16; Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 278. 238 So aber Lenaerts/van Nuffel/Bray, Constitutional Law, Rn. 16-007; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 190; Sobrino Heredia, RIE 20 (1993), S. 485, 492; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 134; ähnlich Bothe, ZaöRV 37 (1977) S. 122, 131 ff. 239 Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 16. 240 Kommission, Mitteilung zur Weiterentwicklung des Außendiensts v. 3.7.2001, EU-Dok. KOM(2001) 381endg., S. 11 ff. 241 Mit ähnlicher Begründung Oppermann, Europarecht, Rn. 1692; Schermers/ Blokker, International Institutional Law, § 1818; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 6 und 23. 242 So aber Kommission, EU-Dok. KOM(2001) 381endg., S. 2. – Sehr viel enger Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-2809/00, ABl. 2001 C 163E, S. 14: „Was die Delega-

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

den Bereich der konkreten Vertragsverwaltung hinaus informelle Kontakte aufzubauen und konstante Informations- und Einflussmöglichkeiten gegenüber den für die Gemeinschaftspolitiken maßgeblichen Staaten und anderen Völkerrechtssubjekten zu gewährleisten. Mit dieser eingeschränkten Aufgabenstellung lassen sie sich deshalb auch auf der Basis impliziter Verfahrenskompetenzen rechtfertigen.243 Die Gemeinschaft nimmt darüber hinaus im außervertraglichen Bereich auch eine Fülle einseitiger völkerrechtlicher Handlungsformen in Anspruch.244 Solche Handlungsformen stehen vielfach in engem Zusammenhang zu vertraglichen Regelungen, so etwa Zessions-, Versprechens- oder Verzichtserklärungen. Sie können auch der Wahrung bestehender Rechtspositionen dienen, so insbesondere der völkerrechtliche Protest.245 In beiden Fällen ergänzen sie die Handlungskompetenzen der Gemeinschaft damit um völkerrechtliche Instrumente, die zu einer wirksamen Nutzung der jeweiligen sachlichen Außenkompetenzen erforderlich sind. Besonders deutlich wird dies im Fall der einseitigen völkerrechtlichen Anerkennungsakte:246 Vertragsverhandlungen oder eine Ausübung des Gesandtschaftsrechts sind ohne (zumindest inzidente) Anerkennung des betreffenden Völkerrechtssubjekts kaum denkbar. Ohne eine implizite Kompetenz zur völkerrechtlichen Anerkennung wäre der Gemeinschaft deshalb die Nutzung ihrer sachlichen Außenkompetenzen praktisch unmöglich. Problematisch ist gleichwohl, dass die Entscheidung über Anerkennungsfragen häufig auch eine erhebliche außenpolitische Komponente aufweist und damit originäre Kompetenzbereiche der Mitgliedstaaten berührt. So war die Frage einer Anerkennung der im November 1983 einseitig proklamierten „Türkischen Republik Nordtionen der Kommission in Drittländern anbelangt, so vertreten diese die Kommission und nicht die Europäische Union, da sich ihre Zuständigkeit auf die Bereiche der Gemeinschaftspolitik beschränkt. In Fragen der GASP nimmt der Vorsitz die Vertretung der Union in den Drittländern wahr“. – Vertiefend zu den Befugnissen der Delegationen im Bereich der GASP Sobrino Heredia, RIE 20 (1993), S. 485, 492 ff. 243 Zweifelhaft ist, ob implizite Kompetenzen auch eine Umwandlung der Kommissionsdelegationen in organübergreifende diplomatische Vertretungen rechtfertigen könnten. Selbst wenn man mit dem EP („Entschl. zu der gemeinsamen europäischen Diplomatie“ v. 5.9.2000, ABl. 2001 C 135, S. 69 ff., Erwgg. I und Ziff. 5) einen solchen Umwandlungsakt grundsätzlich als von der bestehenden Kompetenzordnung gedeckt ansähe, bliebe zu untersuchen, ob eine solch weitgehende Umgestaltung des institutionellen Gefüges dann nicht eher Art. 308 EGV unterfiele. So i. E. etwa Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 195. 244 MacLeod/Hendry/Hyett, External Relations, S. 120 f.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 13. 245 Vertiefend Ipsen/Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, § 18. 246 Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 13; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 135.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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zypern“ so eng mit dem gesamten Zypernkonflikt verbunden, dass jede dahin gehende Äußerung der Gemeinschaft als grundsätzliche Stellungnahme auch zu dieser sicherheitspolitischen Frage verstanden zu werden drohte. Praktisch wurde dieses Problem dadurch gelöst, dass die Kommission zeitgleich mit den Mitgliedstaaten erklärte, die Regierung der Republik Zypern sei „der einzig rechtmäßige Vertreter, der allein von der Europäischen Gemeinschaft anerkannt wird“.247 Ähnliche Probleme stellten sich mit dem Zerfall des Ostblocks: Auch hier ging allen Anerkennungsakten eine intensive Abstimmung mit den Mitgliedstaaten voraus. So legten die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit bzw. später der GASP einheitliche „Richtlinien für die Anerkennung neuer Staaten in Osteuropa und in der Sowjetunion“ fest248 und nahmen auf dieser Grundlage in der Folgezeit beispielsweise zu den Entwicklungen in Jugoslawien249 und auf dem Gebiet der Sowjetunion250 Stellung. Die Kompetenz der Gemeinschaft zur Anerkennung von Staaten und Regierungen wurde damit in den politisch brisanten Fällen um Koordinationsverfahren ergänzt, selbst hier aber von den Mitgliedstaaten nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Gleichermaßen anerkannt ist inzwischen die ungeschriebene Befugnis der Europäischen Gemeinschaft, ihre Rechtspositionen auch über den reinen Vertragsbereich hinaus im jeweils erforderlichen Maß zu verteidigen, etwa durch Retorsionen, Repressalien oder den Rückgriff auf internationale Streitbeilegungsverfahren.251 Dies gilt insbesondere im Fall einer Verletzung eigener Bediensteter, für den schon der Internationale Gerichtshof eine umfassende implizite Schutzkompetenz internationaler Organisationen bejaht hatte:252 Wie seinerzeit die UNO könnte auch die EG ihre Aufgaben nicht effektiv erfüllen, wenn derartige Rechtsverletzungen folgenlos blieben. Ein „stellvertretender“ Schutz allein durch die Mitgliedstaaten würde 247 Bull. EG 11/1983, Ziff. 2.2.34; dazu Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 26 f. Auch das EP (ABl. 1983 C 342, S. 52) forderte, „alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit diese Aktion des türkisch-zypriotischen Teils ohne Folgen bleibt“. 248 Erklärung v. 16.12.1991 (abgedruckt in: Auswärtiges Amt, EPZ, S. 307). 249 Erklärung v. 16.12.1991 zu Jugoslawien (abgedruckt in: Auswärtiges Amt, EPZ, S. 308). 250 Erklärung v. 7.1.1992 zur Anerkennung der ehemaligen sowjetischen Republiken (abgedruckt in: Auswärtiges Amt, EPZ, S. 311). 251 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 122 f.; Ehlermann, RBDI 18 (1984/ 85), S. 96, 103; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 150; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 243 f.; Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 179 f.; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 218 f.; H. Schneider, Wirtschaftssanktionen, S. 111 f.; Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 87. 252 Vgl. dazu schon oben S. 40 ff.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

dieses Problem nicht lösen. Denn der Preis eines solchen Vorgehens wäre die partielle „Entgemeinschaftung“ originärer sachlicher Kompetenzbereiche und damit eine erhebliche Beeinträchtigung von Unabhängigkeit und Wirksamkeit der Gemeinschaftspolitiken. Entsprechendes gilt auch für andere außervertragliche Rechtsgüter, zu deren Schutz die EG im gleichen Umfang wie bei vertraglichen Positionen berechtigt ist: Hier wie dort besteht gleichermaßen die implizite Notwendigkeit, zugewiesene Positionen gegebenenfalls auch wirksam im völkerrechtlichen Verkehr verteidigen zu können. c) Diplomatischer Schutz als Anwendungsfall impliziter Gemeinschaftskompetenzen Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Europäische Gemeinschaft bereits jetzt über weit reichende ungeschriebene Handlungsbefugnisse in ihren völkerrechtlichen Außenbeziehungen verfügt. Viele dieser funktionalen Kompetenzen stehen in engem Zusammenhang zur Gewährung diplomatischen Schutzes und bieten entsprechende Einflussmöglichkeiten auf dritte Völkerrechtssubjekte. Die Frage, ob nicht auch die Kompetenz zur Ausübung diplomatischer Schutzaktivitäten implizit im EG-Vertrag angelegt ist, stellt sich vor diesem Hintergrund mit besonderer Deutlichkeit. Ihre Beantwortung hängt nach der eingangs hergeleiteten Definition davon ab, inwieweit sich eine solche Schutzkompetenz als erforderlich erweist, um die Befugnisnormen des EG-Vertrags wirksam nutzen zu können. Eigenständige, von einer Einwilligung des jeweiligen Heimatstaats unabhängige Schutzaktivitäten der Europäischen Gemeinschaft könnten danach vor allem dort gerechtfertigt sein, wo ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der jeweiligen Verletzungshandlung und vollständig vergemeinschafteten Politikbereichen feststellbar ist [dazu aa)]. Dies gilt vor allem in Fällen, in denen der auslösende Völkerrechtsverstoß gerade in der Verletzung von zuvor mit der EG geschlossenen Verträgen liegt [aa)(1)], möglicherweise aber auch bei sonstigen Völkerrechtsverstößen [aa)(2)]. Daraus ergibt sich weitergehend die Frage, ob die Gemeinschaft in diesen hinsichtlich der Außenvertretung vollständig vergemeinschafteten Politikbereichen nicht vielleicht sogar ausschließlich schutzbefugt ist [aa)(3)]. Auf dieser Basis wird in einem zweiten Schritt dann zu untersuchen sein, inwieweit derartige Schutzaktivitäten auch im Rahmen parallel nebeneinander bestehender außenpolitischer Sachzuständigkeiten von EG und Mitgliedstaaten in Betracht kommen [dazu bb)]. Schließlich bleiben mögliche Konsequenzen für Politikbereiche zu prüfen, die materiell in allein mitgliedstaatlicher Außenkompetenz verblieben sind [dazu cc)].

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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aa) Schutz im Zusammenhang mit der Wahrnehmung vollständig vergemeinschafteter Außenpolitiken (1) Schutz bei Verletzung von Gemeinschaftsabkommen Eigenständiger diplomatischer Schutz durch die Europäische Gemeinschaft könnte vor allem dort geboten sein, wo der auslösende Völkerrechtsverstoß gerade in der Verletzung von zuvor ausschließlich mit der Europäischen Gemeinschaft geschlossenen Verträgen liegt. Derartige Konstellationen sind in der Praxis nicht selten. So kürzte beispielsweise die argentinische Regierung 1999 einseitig die in einem Gemeinschaftsabkommen vorgesehenen Fischfangquoten; zugleich ließ sie Arbeitnehmer aus EG-Mitgliedstaaten nur noch eingeschränkt zur Fischerei in ihren Gewässern zu. Dieses nach Auffassung der Kommission evident vertragswidrige Vorgehen253 beeinträchtigte unmittelbar die Rechtsstellung der im Fischfang tätigen Personen. Durfte die EG aber zu ihrem Schutz auch selbst tätig werden und eine Wiederherstellung des vorherigen Zustands verlangen? Noch deutlicher stellte sich diese Frage 1997 im Rahmen des Fischereiabkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Marokko: Hier setzten marokkanische Patrouillenschiffe mehrfach unter zweifelhaften Umständen spanische und portugiesische Trawler fest und verhängten hohe Bußgelder gegen sie.254 Durfte die Kommission in diesen Fällen bei den marokkanischen Behörden auf Klärung der Vorwürfe und Einhaltung der im Abkommen vorgesehenen Schutzvorschriften dringen? Legt man die oben dargestellten Grundsätze zur Herleitung impliziter Handlungsformkompetenzen und ihren bereits anerkannten Umfang zu Grunde, muss die Antwort in beiden Fällen lauten: Ja. Denn die Durchsetzung der vertraglichen Positionen war unmittelbar erforderlich, um die (ihrerseits implizit aus Art. 37 EGV und Art. 102 Beitrittsakte 1973 hergeleitete255) ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft zum Abschluss von Fischereiabkommen wirksam werden zu lassen. Ohne eine effektive Reaktionsmöglichkeit im Falle späterer Vertragsverstöße wäre diese Kompetenz praktisch leer gelaufen. Die Frage nach den völkerrechtlichen Handlungs253 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-1424/99, ABl. 2000 C 27E, S. 62 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-1503/99, ABl. 2000 C 170E, S. 25. 254 EP-Anfr. E-2773/97 an die Kommission, ABl. 1998 C 117, S. 64; EP-Anfr. P-2712/97 an die Kommission, ABl. 1998 C 102, S. 100; EP-Anfr. P-3045/97 an die Kommission, ABl. 1998 C 117, S. 136. Eine in dieser Sache gegen die Kommission erhobene Untätigkeitsklage wegen unzureichender Schutzaktivitäten wiesen EuG Slg. 1999 II, S. 1407 ff. und EuGH Slg. 1999 I, S. 8333 ff. als unzulässig zurück, da die Klägerin das vorprozessuale Verfahren nach Art. 232 Abs. 2 EGV nicht eingehalten habe. 255 EuGH Slg. 1976, S. 1279 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1407.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

möglichkeiten lässt sich hier damit nach den gleichen impliziten Grundsätzen beantworten, die auch sonst für die Durchsetzung von Gemeinschaftsabkommen gelten.256 Dem steht nicht entgegen, dass die Vertragsverstöße dabei jeweils unmittelbar Angehörige der Mitgliedstaaten beeinträchtigten: Gerade ihre individuellen wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten sollten durch die geschlossenen Abkommen ja gesichert werden. Kann die Gemeinschaft aber derartige Verträge zugunsten individueller Wirtschaftsinteressen schließen, muss ihr als implizite Kehrseite auch das Recht zustehen, sie später – nicht weniger als andere Verträge – auch schützend durchzusetzen. Andernfalls würden gerade Fischerei- und Handelsabkommen um einen wesentlichen Teil ihrer intendierten Wirkung gebracht257 und damit die wichtigsten im EG-Vertrag angelegten gemeinschaftlichen Außenkompetenzen weitgehend entwertet. Die Durchsetzung vertraglicher Ansprüche und „diplomatischer Schutz“ – hier wie eingangs verstanden als Schutz natürlicher und juristischer Personen vor völkerrechtswidrigen Handlungen einer fremden Hoheitsgewalt – fallen in Fällen dieser Art somit untrennbar zusammen.258 Dabei treten die betroffenen Privatbelange spiegelbildlich umso stärker neben das allgemeine Gemeinschaftsinteresse an effektiver Vertragsdurchsetzung, je mehr die jeweils verletzte Norm auf die Schaffung individueller Rechte und Freiheiten abzielt. Die Abwehr der Völkerrechtsverletzung weist in solchen Fällen also auch eine schützende Dimension auf. Gegen ein solches Verständnis spricht dabei nicht, dass die Wurzeln des völkerrechtlichen Individualschutzes traditionell259 im umfassenden Treueund Fürsorgeverhältnis zwischen Staaten und ihren Angehörigen liegen. Denn schon der IGH hatte in seinem „Injuries suffered“-Gutachten festgestellt, dass das Recht zur diplomatischen Protektion zwar regelmäßig aus der Staatsangehörigkeit folge, sich aber im Einzelfall auch aus anderen Anknüpfungspunkten ergeben könne.260 Einen solchen Anknüpfungspunkt hatte er in der impliziten Notwendigkeit gesehen, die der UNO zugewiesenen Aufgaben unabhängig von den Mitgliedstaaten verteidigen zu können. Individueller Schutz und die Verteidigung genereller Aufgaben fielen also bereits in der Argumentation des Internationalen Gerichtshofs unmittelbar 256

Vgl. zu diesen Grundsätzen schon oben S. 64 ff. Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 148 f.; ders., in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 31. 258 Ebenso für das nationale Recht schon Geck, in: FS Carstens I, S. 339, 344. – A. A. insoweit Ress, in: Der diplomatische Schutz, S. 83, 88 und 90 ff., dessen Trennung zwischen vertraglichen Erfüllungs- und diplomatischen Schutzansprüchen jedoch praktisch kaum durchführbar sein dürfte. 259 Dazu schon oben S. 44. 260 ICJ Rep. 1949, S. 174, 181 f. Ebenso in der Literatur etwa Amerasinghe, Principles, S. 235 ff. 257

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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zusammen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang, dass der IGH dabei die schützende Dimension nicht nur als untergeordneten Teilaspekt ansah, sondern sie vielmehr als wesentliches Merkmal derartiger Konstellationen hervorhob. Ausdrücklich betonte er schon mit dem Begriff „funktionaler Schutz“ die rechtliche Eigenständigkeit dieser individualbezogenen Fallgruppe im System der völkerrechtlichen Ansprüche. Nichts anderes aber kann vor diesem Hintergrund für die hier analysierten Fälle gelten: Die Kompetenz zu völkerrechtlichem Einschreiten ist danach auch hier Ausdruck einer eigenständigen punktuellen Befugnis zum Schutz der Betroffenen. Da die Protektion betroffener Individuen und die Verteidigung vertraglicher Positionen danach praktisch untrennbar zusammenfallen, führt ein solches Verständnis im Übrigen auch nicht zu einer über die Grenzen einer zulässigen Vertragsauslegung hinausgehenden Umgestaltung des institutionellen Gefüges. Die EG verfügt vielmehr – wie oben allgemein gezeigt261 – bereits jetzt über die zur Durchsetzung beider Positionen notwendigen völkerrechtlichen Instrumente. Dies gilt besonders im Fischerei- und Handelsbereich, in dem die Gemeinschaft vielfach auf ein ausgeprägtes System vertragsimmanenter Konfliktlösungsmechanismen zurückgreifen kann. So sehen etwa die gegenwärtig 26 mit Drittstaaten geschlossenen Fischereiabkommen jeweils ausdrücklich Konsultationspflichten zwischen den Vertragsparteien vor, wenn die Auslegung oder Anwendung eines Abkommens Schwierigkeiten aufwirft.262 Die Überprüfung entsprechender Vorwürfe und die Beilegung daraus resultierender Streitigkeiten ist dabei regelmäßig einem Gemischten Ausschuss übertragen, der auf Antrag einer der Vertragsparteien jederzeit zu außerordentlichen Sitzungen einberufen werden kann.263 Häufig enthalten die Fischereiabkommen darüber hinaus sogar spezielle Regelungen für das im Fall einer Aufbringung anzuwendende Verfahren.264 So ist das Drittland in der Regel verpflichtet, die örtliche Kommissionsdelegation binnen 48 Stunden über jede Aufbringung eines Fischereifahrzeugs unter der Flagge eines Mitgliedstaats zu unterrichten. Dabei sind der Delegation insbesondere die Umstände und die Gründe der Aufbringung mitzuteilen.265 In gleicher Weise ist die Kommission auch über den 261

Vgl. S. 62 ff. Bspw. Art. 11 des von 1995–99 geltenden Fischereiabkommens mit Marokko (ABl. 1997 L 30, S. 5) oder Art. 8 Fischereiabkommen mit Gabun (ABl. 1998 L 308, S. 4). 263 Etwa Art. 10 Abk. Marokko/Art. 9 Abk. Gabun. 264 Bspw. Anhg. II Kapitel VIII Abk. Marokko/Ziff. 9 Anhg. Abk. Gabun. Weiterführend dazu Carrera Hernández, Política pesquera, S. 258 ff. 265 Alle mit südlich der EG gelegenen Staaten geschlossenen Abkommen fordern eine solche Notifizierung. Die „nördlichen“ Abkommen enthalten dagegen mit Aus262

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

weiteren Verlauf der eingeleiteten Verfahren und gegebenenfalls verhängte Strafen zu informieren. Einige Abkommen266 sehen weitergehend sogar vor, dass die Kommission im Rahmen spezieller Konsultationssitzungen mit dem Drittland selbst an der Aufklärung der jeweiligen tatsächlichen Umstände mitwirken kann. Schließlich enthalten viele der Abkommen auch spezielle Freigabebestimmungen für Schiff und Besatzung im Falle einer Aufbringung.267 Ähnlich detaillierte und zum Teil sogar weitergehende Konfliktlösungsmechanismen existieren auch im Rahmen der gemeinschaftlichen Handelsverträge. So kann die EG insbesondere im Rahmen der WTO auf ein differenziertes Streitschlichtungssystem zurückgreifen.268 Insgesamt steht der Europäischen Gemeinschaft damit bereits jetzt ein weit reichendes völkerrechtliches Instrumentarium zur Verfügung, das sie in dieser Form auch zum Schutz betroffener Individuen einsetzen kann. In Fortschreibung des klassischen Völkerrechts ist damit grundsätzlich auch die Europäische Gemeinschaft zur Ausübung diplomatischer Schutzansprüche befugt, wenn Anlass dafür eine Verletzung der von ihr geschlossenen völkerrechtlichen Verträge ist.269 Damit ist nicht gesagt, dass alle auch nur entfernt mit Gemeinschaftsabkommen zusammenhängenden Schutzaspekte umfassend in die Zuständigkeit der EG fallen. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist – wie schon eingangs betont – allein der völkerrechtliche Schutz natürlicher und juristischer Personen vor Verstößen gegen internationales Recht. Die konsularische Betreuung betroffener Individuen nahme der Abkommen mit Estland, Lettland und Litauen (die verlangen, dass die eine Vertragspartei die andere Vertragspartei „über die weiterhin ergriffenen Maßnahmen“ unterrichtet) keine näheren Bestimmungen für den Fall einer Aufbringung. 266 So die Abkommen mit Kap Verde, Äquatorialguinea und Gabun und die vorläufigen Protokolle für Angola, Côte d’lvoire und die Republik Guinea. 267 Zumeist handelt es sich dabei im Kern um eine Wiedergabe der Art. 73 Abs. 2, 292 SRÜ, vgl. Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943, Ziff. II. (abgedruckt unten S. 261 ff.). Die Auslegung einer solchen Bestimmung stand auch im Zentrum des eingangs erwähnten „Odigitria“-Urteils des EuG. 268 Dazu weiterführend Stoll, in: EPIL IV, S. 1520 ff. 269 So i. E. auch Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 481 f.; ders., in: FS Steinberger, S. 1087, 1091 f.; Carrera Hernández, Política pesquera, S. 258 ff.; ders., RIE 23 (1996), S. 539, 546; Castillo de la Torre, GJ de la C.E. 1997 D-28, S. 7, 39 f.; Evans, ELR 16 (1991) S. 190, 195 Fn. 23; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 151 f.; Heukels, NTER 1995, S. 248, 251; Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 177; Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281 EGV Rn. 25; Krück, in: Schwarze, Art. 281 EGV Rn. 17; Liñán Nogueras, GJ de la C.E. 1992 D-17, S. 63, 93 f.; O’Leary, Evolving Concept, S. 54; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 219 ff.; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 23 f.; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 178; T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 36; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 333; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 31; Toth, Oxford Encyclopedia I, S. 267 f.; Ukrow, in: C/R, Art. 281 EGV Rn. 19; Folz/Vedder, EJIL 8 (1997) S. 519, 522.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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auf der Ebene des einfachen Rechts, etwa in drittstaatlichen Gerichts- oder Verwaltungsverfahren, bleibt deshalb grundsätzlich alleinige Aufgabe der Mitgliedstaaten.270 Dies gilt erst recht, wenn dabei eine Verletzung einschlägiger Gemeinschaftsabkommen von vornherein nicht in Rede steht.271 Zu diplomatischem Schutz im eigentlichen Sinne aber ist die EG jedenfalls immer dann befugt, wenn Individuen unter Verletzung von Gemeinschaftsabkommen beeinträchtigt werden. Bemerkenswerterweise macht die Europäische Kommission von einer so verstandenen Schutzkompetenz faktisch bereits jetzt vielfach Gebrauch. Tatsächlich hatte sie – wie ihre Prozessvertreter vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz ausführten – schon im eingangs geschilderten „Odigitria“-Fall „eingehende Konsultationen durchgeführt, um die Freigabe des Schiffes zu erleichtern“. Zudem hatte sie einen Vertreter zu dem späteren Gerichtsverfahren gegen den Kapitän entsandt, der im weiteren Verlauf mehrfach bei der Regierung und dem Präsidenten der Republik in Bissau vorstellig geworden war.272 In ähnlicher Weise setzte sich die Kommission auch im oben angesprochenen Fischereistreit mit Marokko für die betroffenen Fischer ein: Hier verlangte sie eindringlich die Einhaltung der vertraglichen Bestimmungen, um sicherzustellen, dass „die betroffenen Gemeinschaftsreeder ihre Rechte geltend machen können.“273 Zugleich forderte sie 270 Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos: Tatsächlich beriet und unterstützte die Kommission in den letzten Jahren zahlreiche europäische Unternehmen und Industrieverbände in drittstaatlichen Beihilfeverfahren und sonstigen Handelsstreitigkeiten. Vgl. z. B. Kommission, Overview of third country trade defence actions against the community (Stand: 4/02) , S. 3: „The number of commercial defence cases being opened against Community exporters is increasing and there is now a clear need for a more ‚pro-active approach‘ from the Commission to help the EU firms subject to these cases. [. . .] It is clear that the Commission, in terms of expertise and its role as representative of the Community in the WTO, is in a good position to offer assistance in these cases, both for the firms concerned and Member States“. Ebenso schon der zuvor an gleicher Stelle veröffentlichte Vorgängerbericht Third country commercial defence investigations concerning EC exports (Stand: 9/99), S. 5: „On the basis of information collected from industry, Member State administrations and Commission delegations in third countries, assistance was provided to Member State authorities and Community companies participating in third country investigations“. 271 So auch Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943, Ziff. II.1 (abgedruckt unten S. 261 ff.). Zu den damit nötigen Koordinationsmechanismen zwischen EG und Mitgliedstaaten später S. 142 ff. 272 EuG Slg. 1995 II S. 2025, 2052/Rn. 76. Allerdings wird in der Literatur zum Teil bezweifelt, ob in diesem Fall tatsächlich schon eine Völkerrechtsverletzung (und damit „diplomatischer Schutz“ i. e. S.) in Rede stand, vgl. Carrera Hernández, RIE 23 (1996), S. 539, 547 f.; Castillo de la Torre, GJ de la C.E. 1997 D-28, S. 7, 38. 273 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-2712/97, ABl. 1998 C 102 S. 100.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

die Bildung eines gemeinsamen Untersuchungsausschusses sowie eine vorzeitige Einberufung des Gemischten Ausschusses. Daneben versuchte sie, die Situation auch unmittelbar über ihre Delegation in Rabat und einen eigens entsandten Sachverständigen zu klären.274 Noch einen Schritt weiter ging die Kommission im Falle Argentiniens: Hier setzte sie begleitend zu ihrem förmlichen Protest gegen die vertragswidrige Behandlung von Gemeinschaftsbürgern sogar Zahlungen für die im Abkommen vorgesehene wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit aus.275 Dabei handelt es sich nicht um bloße Einzelfälle. Vielmehr bekräftigte die Kommission Ende 2000 sogar ausdrücklich, dass die völkerrechtliche Klärung der Vertragsmäßigkeit einer Aufbringung und die Durchführung entsprechender Abwehrmaßnahmen generell in ihre Zuständigkeit falle. In besonders schwerwiegenden Verletzungsfällen könne danach letztlich sogar die völlige Aufkündigung eines Fischereiabkommens in Betracht kommen.276 Ähnlich wie bei Fischereiverträgen besteht auch im Rahmen handelspolitischer Abkommen eine inzidente Begleitkompetenz der EG zum Schutz betroffener Wirtschaftsteilnehmer. Tatsächlich wirkt sich eine Verletzung bilateraler Handelsverträge oder die Missachtung von WTO-Regeln nicht selten unmittelbar zu Lasten einzelner Gemeinschaftsunternehmen aus: Sie können etwa in Drittstaaten mit Importverboten beziehungsweise Strafzöllen konfrontiert sein oder umgekehrt innerhalb des Gemeinschaftsgebiets durch übersubventionierte Einfuhren unter existenzgefährdenden Preisdruck geraten. Den Mitgliedstaaten aber fehlt in dieser Situation nicht nur die erforderliche Auslegungshoheit über die von der Gemeinschaft geschlossenen Abmachungen, sondern (wegen Art. 133 EGV) auch der Zugriff auf das spezifische handelspolitische Instrumentarium etwa der WTO. Effektiven Schutz für von Rechtsverletzungen betroffene Unternehmen kann hier nur die EG selbst gewähren, deren eigene Rechte wiederum untrennbar mit den Schutzinteressen der betroffenen Individuen verbunden sind. Tatsächlich greifen die sekundärrechtlichen „Handelsschutzverordnungen“ das Interesse geschädigter Privater an der Abwehr unzulässiger Subventionen und ande274 EuG Slg. 1999 II, S. 1407, 1416 ff./Rn. 5 ff.; Kommission, Antwort auf EPAnfr. E-2773/97, ABl. 1998 C 117, S. 64; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-2712/97, ABl. 1998 C 102, S. 100. 275 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-1424/99, ABl. 2000 C 27E, S. 62 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-1503/99, ABl. C 170E, S. 25. 276 Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943, Ziff. II.2 (abgedruckt unten S. 261 ff.). Zu einem weiteren praktischen Schutzfall (Völkerrechtlicher Protest der Kommission gegen die vertragswidrige Beschlagnahme von Unterlagen auf einem spanischen Trawler) vgl. Antwort Kommissar Kinnock auf EP-Anfr. H-0411/00, Sitzungsprotokoll EP v. 16.5.2000 : Auch hier sah sich die Kommission ausdrücklich zur Geltendmachung der „Rechte aller Fangschiffe auf den offenen Meeren“ befugt.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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rer Handelshemmnisse jeweils ausdrücklich auf und institutionalisieren es durch ein förmliches Antrags- und Befassungsrecht gegenüber der Kommission.277 Den verschiedenen Wirtschaftszweigen der Gemeinschaft und zum Teil sogar einzelnen Unternehmen steht danach ein einklagbarer Anspruch auf eine ermessensgerechte Entscheidung über die Einleitung eines gemeinschaftlichen Untersuchungsverfahrens zu. Zwar dient die Durchführung dieses Verfahrens primär der Wahrung der gemeinschaftlichen Eigeninteressen, weshalb die Beeinträchtigung eines einzelnen Unternehmens für sich genommen noch kein Einschreiten rechtfertigen soll.278 Individuelle Schutzbelange finden jedoch bei der Verfolgung und Konkretisierung dieser Interessen nicht nur formell über das Antragsrecht, sondern auch materiell maßgebliche Berücksichtigung: Bestätigen sich die in einem Antrag erhobenen Vorwürfe und handelt es sich nicht nur um einen unbedeutenden Einzelfall, wird in der Praxis eine Beeinträchtigung der Gemeinschaftsbelange zumeist großzügig vermutet.279 Die genannten Verordnungen werden deshalb zu Recht häufig als „Brücke“ zwischen den Letztbegünstigten der Handelsabkommen (den privaten Wirtschaftssubjekten) und den internationalen Streitbeilegungs- und Interessenverfolgungsverfahren angesehen.280 Entsprechende Überlegungen gelten über den engeren Handelsbereich hinaus auch für Verträge über den gewerblichen Rechtsschutz, soweit die Gemeinschaft hier im Einzelfall sachlich zuständig ist.281 So schritt die Kommission im Frühjahr 2000 etwa ein, als sich amerikanische Gerichte weigerten, die Handelsmarke „Havanna Club“ des französischen Unternehmens Pernod Ricard unter Schutz zu stellen. Diese Weigerung verstieß aus europäischer Sicht in jedem Fall gegen mehrere grundlegende Bestimmungen des TRIPS-Übereinkommens.282 Bemerkenswerterweise beschränkte sich die Kommission jedoch nicht darauf, diese Völkerrechtsverletzung in allgemeiner Form zu rügen. Stattdessen rechtfertigte sie die konkret ergriffenen Abwehrschritte ausdrücklich gerade auch mit betroffenen Individualinteressen. So begründete sie die Einschaltung der WTO explizit mit den 277 Art. 3, 4 VO 3286/94 (ABl. 1994 L 349, S. 71 ff.)/Art. 10 VO 2026/97 (ABl. 1997 L 288, S. 1 ff.). Dazu später noch ausführlich S. 246 ff. 278 So etwa Art. 12 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 3 und 4 VO 3286/94. 279 Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 9 Rn. 156 ff.; Bourgeois, in: Groeben/ Schwarze, Art. 133 EG Rn. 100. 280 Hahn, in: C/R, Art. 133 EGV Rn. 55; Reszel, Feststellung der Schädigung, S. 17 ff.; Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 141. 281 Vertiefend zu den entsprechenden EG-Sachkompetenzen etwa Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 60. 282 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1225/00, ABl. 2001 C 53E S. 107 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-0858/00, ABl. 2001 C 53E S. 32 f.; dies., Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0820/00 und E-0821/00, ABl. 2001 C 46E S. 50 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-0740/00, ABl. 2000 C 374E S. 145 f.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

andernfalls drohenden Folgen für „alle europäischen Unternehmen, die in Kuba Geschäfte tätigen“.283 Auch hier traten also die betroffenen Partikularbelange in der Praxis offenkundig nicht hinter dem allgemeinen Interesse an einer effektiven Vertragsdurchsetzung zurück, sondern behielten daneben eine eigenständig rechtfertigende Bedeutung. Diplomatische Schutzbefugnisse der EG im vertraglichen Bereich sind somit in der Praxis tatsächlich weit über das eingangs geschilderte „Odigitria“-Urteil hinaus nachweisbar. (2) Schutz bei sonstigen Völkerrechtsverletzungen Das Problem diplomatischen Schutzes durch die Europäische Gemeinschaft tritt indes auch außerhalb des vertraglichen Bereichs auf. Es zeigt sich besonders deutlich an den Schnittstellen zwischen vertraglichen und außervertraglichen Außenbeziehungen, so etwa 1994/95 im kanadisch-europäischen Fischereistreit. Anlass für diesen Streit war die Neuregelung bestimmter Fangquoten im Rahmen der gemeinsamen Organisation für die Fischerei im Nordatlantik (NAFO). Da die Aufteilung der Quoten in den vertraglich geschaffenen Gremien heftig umstritten war, ging Kanada einseitig dazu über, außervertraglichen Druck auf die weiteren Verhandlungen auszuüben. Ein dazu vom kanadischen Parlament verabschiedetes Gesetz sah vor, dass Schiffe künftig auch jenseits der ausschließlichen Wirtschaftszone von 200 Meilen aufgebracht werden dürften. Im März 1995 setzten die kanadischen Behörden auf dieser Grundlage den spanischen Fischtrawler „Estai“ in internationalen Hoheitsgewässern fest und leiteten Strafverfolgungsmaßnahmen gegen seine Besatzung ein. In den darauf folgenden Wochen kam es zu weiteren schweren Zwischenfällen, bei denen aus der Gemeinschaft stammende Schiffe von kanadischen Patrouillenbooten bedrängt und beschädigt wurden.284 Die Gemeinschaft verurteilte dieses Vorgehen als Verstoß nicht nur gegen das NAFO-Übereinkommen, sondern vor allem auch gegen gewohnheitsrechtliche Grundsätze des Seerechts.285 Durfte sie aber weitergehend auch eigenständige Schutzaktivitäten entfalten, wie dies etwa von Abgeordneten des Europäischen Parlaments gefordert wurde?286 283

Ebd. Vgl. die Sachverhaltsdarstellung bei EuG Slg. 2001 II, S. 3597, 3605 f./ Rn. 3 ff. sowie die Stellungnahme Kommissarin Bonino i. d. EP-Sitzung v. 15.3.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–460, S. 130 ff. 285 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1505/99, ABl. 2000 C 170E S. 26; EP, „Entschl. zum illegalen Aufbringen des spanischen Fischereifahrzeugs Estai“ v. 16.3.1995, ABl. C 89, S. 162. 286 EP-Anfr. E-945/95 an die Kommission, ABl. 1995 C 230, S. 18; EP-Anfr. E-1505/99 an die Kommission, ABl. 2000 C 170E, S. 25 f. 284

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Ähnliche Fragen stellten sich in den letzten Jahren wiederholt auch im Verhältnis zu den USA. Weithin bekannt wurde vor allem die „Helms-Burton“ und „d’Amato“-Gesetzgebung aus dem Jahre 1996, mit der die USA ein weltweites Investitionsverbot gegenüber Kuba, dem Iran und Libyen durchzusetzen versuchten.287 Um dieses Verbot zu untermauern, drohten die USA ausnahmslos allen Unternehmen und Individuen gravierende Sanktionen an. So können nach dem „Helms-Burton Act“ Personen, die wirtschaftlich von enteignetem amerikanischen Eigentum auf Kuba profitieren, von den ehemaligen Eigentümern in den USA auf Schadensersatz verklagt werden. Zudem ist es möglich, ihnen wie auch ihren Ehegatten, minderjährigen Kindern und Beauftragten die Einreise und den Aufenthalt auf US-amerikanischem Territorium zu versagen. Ebenso können nach dem „d’Amato Act“ Unternehmen, die größere Erdölgeschäfte mit Libyen oder dem Iran tätigen oder bestimmte Embargo-Maßnahmen des Sicherheitsrates unterlaufen, in den USA unter anderem mit Import- bzw. Exportverboten, Auftragssperren und Kreditbeschränkungen belegt werden. Die Diskussion über die völkerrechtliche Zulässigkeit einer derart weitgehenden Einflussnahme (auch) auf europäische Wirtschaftsteilnehmer setzte allerdings nicht erst mit Erlass dieser beiden Gesetze ein: Schon 1982 hatten die USA in ähnlicher Weise versucht, in Bezug auf die UdSSR ein weltweites Exportverbot für erdölund ergasbezogene Ausrüstungsgüter zu erzwingen und damit heftigen völkerrechtlichen Protest ausgelöst.288 Hier wie dort verurteilte jeweils auch die Europäische Gemeinschaft das amerikanische Vorgehen. Sie sah darin nicht nur einen Bruch des vertraglich vereinbarten GATT- bzw. WTORechts, sondern angesichts der weit reichenden extraterritorialen Auswirkungen vor allem auch einen Verstoß gegen das völkergewohnheitsrechtliche Nichteinmischungsprinzip.289 Fraglich blieb jedoch, ob sie auf dieser Grundlage auch zum Schutz der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer tätig werden durfte: War ihr etwa erlaubt, einem britischen Manager Beistand zu 287 Cuban Liberty and Democratic Solidarity (LIBERTAD) Act v. 12.3.1996 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 357 ff.); Iran and Lybia Sanctions Act v. 5.8.1996 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 1273 ff.). Dazu weiterführend Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 314; Gebauer, IPRax 18 (1998), S. 145, 145 ff.; Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269, 279 ff.; ders., EuZW 8 (1997), S. 423 ff.; ders., Streitigkeiten über Wirtschaftssanktionen zwischen EU und USA, S. 1 ff.; Nissen, RiW 45 (1999), S. 350 ff. 288 Dazu näher Bockslaff, GYIL 27 (1984), S. 28 ff.; Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269, 277 ff. 289 Vgl. zum „Pipeline“-Fall Bull. EG 6/1982, Ziff. 2.2.43 ff.; Kuyper, GYIL 27 (1984) S. 72, 93. Ebenso zum „Helms-Burton“ und „d’Amato Act“ bspw. Erwgg. VO 2271/96/EG v. 22.11.1996, ABl. 1996 L 309, S. 1; Ratspräsidentschaft/Kommission, Gem. Erkl. v. 5.3.1996 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 398 f.); Meng, EuZW 8 (1997), S. 423, 426.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

leisten, dem die USA 1996/97 wegen angeblicher Verstöße gegen den „Helms-Burton Act“ die Einreise verweigerten?290 Prüft man diese Fälle anhand der oben hergeleiteten Grundsätze, liegt eine ungeschriebene Abwehrkompetenz kaum ferner als im vertraglichen Bereich. Eine effektive Wahrnehmung der sachlichen Außenkompetenzen für Fischerei bzw. Handelspolitik wäre nicht möglich, wenn sich die Gemeinschaft nicht auch hier gegen völkerrechtswidrige Beeinträchtigungen ihrer Politiken zur Wehr setzen dürfte. Denn die EG ist hinsichtlich der ihr übertragenen Sachgebiete nicht nur Hüterin vertraglicher Positionen, sondern in gleicher Weise auch mit der Wahrung der entsprechenden außervertraglichen Rechtsgüter betraut. So ist sie etwa im Seerecht umfassend für die Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen der Seefischerei zuständig. Ihre sachlichen Regelungsbefugnisse erstrecken sich dabei nach Feststellung des EuGH „– in dem Maße, in dem den Staaten eine entsprechende Befugnis kraft Völkerrechts zusteht – auch auf die Fischerei auf hoher See.“291 Dies schließt Maßnahmen zur Verteidigung der völkerrechtlich garantierten Fischereifreiheiten notwendig mit ein.292 Gerade dieser Bereich aber war im kanadisch-europäischen Fischereistreit betroffen: Die kanadischen Maßnahmen beeinträchtigten nicht nur die betroffenen Fischer selbst, sondern unmittelbar auch die Fangmöglichkeiten auf hoher See. In ähnlicher Weise führte die extraterritoriale Gesetzgebung der USA in den zweitgenannten Fällen zu so weit reichenden Einflüssen auf das Verhalten der betroffenen Marktteilnehmer,293 dass ohne Abwehrmaßnahmen letztlich die politische Eigenständigkeit der europäischen Handelspolitik in Frage ge290 Vgl. Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0104/02, ABl. 2002 C 229E, S. 54 f.; Gebauer, IPRax 18 (1998), S. 145, 150 Fn. 83. 291 EuGH Slg. 1976, S. 1279, 1311/Rn. 30–33; Churchill, EEC Fisheries Law, S. 68. Weiterführend zu den seerechtlichen Kompetenzen der EG Rat, Erkl. zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten, ABl. 1998 L 179, S. 129 f.; Wolfrum, AVR 42 (2004), S. 67, 67 ff. 292 Koers, AJIL 73 (1979), S. 426, 431 ff. unter Verweis auf den heutigen Art. 116 SRÜ. Das SRÜ war indes zum Zeitpunkt des hier untersuchten Zwischenfalls für die EG noch nicht in Kraft, weshalb die Gemeinschaftsorgane auf entsprechendes Völkergewohnheitsrecht zurückgreifen mussten. Vgl. auch Antwort von Kommissar Kinnock auf EP-Anfr. H-0411/00, Sitzungsprotokoll EP v. 16.5.2000 : Danach wacht die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten darüber, dass die „Rechte aller Fangschiffe auf den offenen Meeren“ gewahrt bleiben. 293 So nahm bspw. die niederländische ING-Bank angesichts des „Helms-Burton Act“ von der Verlängerung eines Kredits über 30 Mio. $ an die kubanische Zuckerindustrie Abstand, vgl. Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269, 284 Fn. 59. Allgemein zu

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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standen hätte. Wie schon im Bereich des vertraglichen Schutzes wäre es allerdings auch hier unzutreffend, die gemeinschaftlichen Schutzkompetenzen allein als Ausdruck einer generellen Rechtsverteidigung zu sehen und den parallelen Schutzaspekt auszublenden. Denn tatsächlich schädigten die genannten Völkerrechtsverstöße einzelne Individuen wiederum so unmittelbar, dass deren Interessen eigenständig neben die der Gemeinschaft traten und insoweit zum mitentscheidenden Handlungsmotiv wurden. Besonders deutlich wird dieses Zusammentreffen unterschiedlicher Gesichtspunkte etwa in den Erwägungsgründen der gegen den „Helms-Burton-“ und „d’Amato-Act“ gerichteten Verordnung 2271/96/EG: „Solche Gesetze [. . .] beeinträchtigen die bestehende Rechtsordnung oder drohen diese zu beeinträchtigen; sie haben ferner nachteilige Auswirkungen auf die Interessen der Gemeinschaft und die Interessen natürlicher und juristischer Personen, die ihre Rechte gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ausüben. Unter diesen außergewöhnlichen Umständen müssen Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene ergriffen werden, um die bestehende Rechtsordnung, die Interessen der Gemeinschaft und die Interessen der genannten natürlichen und juristischen Personen zu schützen.“294 Auch an anderer Stelle betonten die Gemeinschaftsorgane in ihren Stellungnahmen die zentrale Bedeutung der individuellen Schutzbelange als Handlungsmotiv. So führte der Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 1. Oktober 1996 beispielsweise aus: „Um für Bürger und Unternehmer innerhalb der Europäischen Union, deren wirtschaftliche und finanzielle Interessen durch das Helms-Burton- und das d’Amato-Gesetz beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden könnten, einen umfassenden, wirksamen und EU-weiten Schutz zu bieten, wurde beschlossen, rasch alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den extraterritorialen Auswirkungen dieser Gesetze entgegenzuwirken.“295 Diplomatischer Schutz und die Verteidigung allgemeiner diesem Problem Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0104/02, ABl. 2002 C 229E, S. 54 f. 294 Erwgg. VO 2271/96/EG v. 22.11.1996, ABl. 1996 L 309, S. 1 (Hervorhebung v. Verf.). 295 Bull. EU 10/96, Ziff. 1.4.82 (Hervorhebung v. Verf.). Zahlreiche weitere Gemeinschaftsdokumente verweisen in ähnlicher Form auf individuelle Schutzbelange, so etwa Protestschreiben v. Kommissar Brittan an das US State Department v. 15.3.1995 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 399 f.): „I think that these collective provisions will interfere with EU companies and individuals doing business in Cuba to such an extent that a negative spill-over into the overall transatlantic relationship appears unavoidable“; Rat, Schlussfolgerungen v. 22.4.1996, Bull. EU 4/96, Ziff. 1.4.82: „Der Rat hat mit tiefer Besorgnis Kenntnis genommen von den extraterritorialen Implikationen neuer und geplanter Rechtsvorschriften, die den transatlantischen Handel beeinträchtigen könnten; er hat geprüft, wie sich am besten Schaden von Unternehmen der Europäischen Union, ihren Investitionen in den Vereinigten Staaten und ihren US-Handelspartnern abwenden ließe“; Ratsvorsitz, Erkl. zur

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Außenpolitiken der Gemeinschaft fielen in diesen Fällen also ebenso untrennbar zusammen wie in den zunächst untersuchten vertraglichen Konstellationen. Es erscheint damit gerechtfertigt, in beiden Fällen tatsächlich von der Gewährleistung diplomatischen Schutzes durch die Europäische Gemeinschaft selbst zu sprechen.296 Eigenständige Schutzkompetenzen der EG erweisen sich im Bereich der Fischerei- und Handelsbeziehungen im Übrigen auch aus einem weiteren Grund als erforderlich: Vielfach kann hier überhaupt nur noch die EG dem Verletzerstaat eine entsprechende Verhandlungsmasse zu einer grundlegenden Lösung des Konflikts anbieten. Die Mitgliedstaaten sind demgegenüber in diesen Bereichen nicht mehr befugt, die zur dauerhaften Konfliktlösung unter Umständen notwendigen Verträge auszuhandeln. Tatsächlich ließ sich etwa der kanadisch-europäische Fischereistreit erst dadurch beilegen, dass die Gemeinschaft im April 1995 mit Kanada ein bilaterales Abkommen über die künftige Aufteilung der Fischereiquoten schloss. Kanada verpflichtete sich dafür im Gegenzug, die für die „Estai“ einbehaltene Kaution zurückzuerstatten, den Wert der Ladung des aufgebrachten Schiffes zu ersetzen und die Strafverfolgung gegen Kapitän und Mannschaft einzustellen.297 Eine eigenständige Schutzkompetenz der EG kann in solchen Fällen also tatsächlich zum einzigen Weg werden, um die im EG-Vertrag explizit vorgesehene Kompetenzordnung zugleich zu wahren und zu effektivieren. Die verbreitete Annahme, diplomatische Schutzbefugnisse der Gemeinschaft seien allenfalls bei einer Verletzung völkerrechtlicher Verträge vorstellbar,298 kann vor diesem Hintergrund letztlich nicht überzeugen. In vielen Fällen liegen vertragliche und außervertragliche Aspekte so nahe beieinander, dass eine schwerpunktmäßige Unterscheidung nach der Rechtsnatur Verabschiedung des d’Amato-Gesetzes v. 21.8.1996 : „Die Union bekräftigt erneut ihre Entschlossenheit, in den entsprechenden internationalen Gremien [. . .] tätig zu werden, um ihre Rechte und Interessen zu verteidigen, und sich bei der Verteidigung der Interessen der Unternehmen der Mitgliedstaaten solidarisch zu verhalten, wenn diese durch das Gesetz berührt werden“. Auch im Pipeline-Konflikt v. 1982 hatten die betroffenen Individualinteressen bereits ausdrücklich Erwähnung gefunden, vgl. bspw. European Communities, Comments on the U.S. Regulations Concerning Trade with the U.S.S.R., Rn. 27 (abgedruckt in: GYIL 27 (1984), S. 554 ff.): „The main contractors of Siberian pipeline, a number of major sub-contractors and suppliers as well as other exporters, will suffer substantial economic and financial losses for which no compensation is provided“. 296 So auch Szczekalla, Schutzpflichten, S. 995 f. 297 EuG Slg. 2001 II, S. 3597, 3606 f./Rn. 9 f.; Bull. EU 4/95, Ziff. 1.3.121. 298 So etwa Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 175 ff.; Krück, in: Schwarze, Art. 281 EGV Rn. 17; O’Leary, Evolving Concept, S. 54; E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, 178; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 31; ders., in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 148.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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des Völkerrechtsverstoßes zu Zufallsergebnissen führen müsste. So überlagerten sich schon im kanadisch-europäischen Fischereistreit praktisch untrennbar vertragliches (aus dem NAFO-Übereinkommen resultierendes) und außervertragliches (dem allgemeinen Seerecht entstammendes) Völkerrecht. Entsprechendes gilt im Fall der extraterritorialen US-Gesetzgebung für das Verhältnis von WTO-Recht und völkergewohnheitsrechtlichem Nichteinmischungsprinzip. Noch deutlicher wird die Fragwürdigkeit der in der Literatur vorgeschlagenen Differenzierung, wo – wie gerade in weiten Teilen des Seerechts299 – die betreffenden Verträge lediglich das zuvor bereits geltende Völkergewohnheitsrecht wiedergeben. Denn die Kompetenzen der Gemeinschaft können schwerlich allein vom Kodifikationsgrad einer bestimmten Rechtsmaterie abhängen. Andernfalls stünden der EG umso weiter gehende Schutzbefugnisse zu, je mehr es ihr gelänge, Fragen des allgemeinen Völkerrechts auch vertraglich zu regeln. Hinzu kommt, dass sich die Gemeinschaftsorgane im kanadisch-europäischen Fischereistreit nur deshalb auf Völkergewohnheitsrecht beriefen, weil die UN-Seerechtskonvention für sie – anders als für die meisten Mitgliedstaaten – zu dieser Zeit noch nicht bindend geworden war.300 Die Verteilung der Schutzbefugnisse von solch zufälligen Umständen abhängig zu machen, wäre weder systematisch noch teleologisch überzeugend begründbar. Zusammenfassend ist die EG damit zu eigenständigem diplomatischen Schutz immer dann befugt, wenn die jeweilige Verletzungshandlung inzident die ungestörte Wahrnehmung vollständig vergemeinschafteter Gemeinschaftspolitiken in Frage stellt. Ob die Beeinträchtigung des betroffenen Individuums dabei auf einem Verstoß gegen völkerrechtliche Verträge oder gegen außervertragliches Völkerrecht beruht, ist unerheblich. Die EG kann vielmehr in den ihr übertragenen Kompetenzbereichen gleichermaßen innerhalb wie außerhalb vertraglicher Beziehungen auf implizite Schutzkompetenzen zurückgreifen.301 Nach diesen Grundsätzen konnte die Gemeinschaft auch in den beiden eingangs genannten Fällen jeweils eigenständig zur Protektion der jeweils betroffenen Individuen beziehungsweise Unternehmen tätig werden. Tatsächlich forderten im kanadisch-europäischen Fischereistreit sowohl der Rat als auch die Kommission die kanadischen Behörden wiederholt dazu auf, das Schiff, die Fänge, die Besatzung und den Kapitän freizulassen und für den Schaden aufzukommen.302 Zudem setzten sie als Vergeltungsmaßnahme den Abschluss eines Wissenschaftsabkommens und 299

EuGH Slg. 1993 I, S. 6133, 6172 f./Rn. 13. Der Rat genehmigte den Abschluss des Abkommens durch die Gemeinschaft erst am 23.3.1998, vgl. ABl. 1998 L 179, S. 1 f. 301 Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 481 f.; Evans, ELR 16 (1991) S. 190, 195 Fn. 23; Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 23 f.; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 334; ders., Schutzpflichten, S. 677 f. 300

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

alle weiteren Verhandlungen mit Kanada vorläufig aus.303 Das Europäische Parlament unterstützte diese Position und trat dafür ein, die Grundsätze des Seerechts und die „Rechte der Fischereiflotte der Gemeinschaft“ entschlossen zu verteidigen.304 In diesem Zusammenhang forderte es die anderen Gemeinschaftsorgane und die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu auf, jede Art von legalen Maßnahmen gegen Kanada mit größter Entschlossenheit zu unterstützen, insbesondere in den Bereichen Diplomatie, Handel und Zusammenarbeit. Rat und Kommission sollten nach der Entschließung des Parlaments zugleich umgehend diplomatische Bemühungen einleiten, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Auch in anderen Fällen griffen die Gemeinschaftsorgane schützend ein, soweit Fischer unter Verstoß gegen das (für die EG seinerzeit noch maßgebliche) Seevölkergewohnheitsrecht an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert wurden. Als etwa im Jahre 1997 argentinische Behörden einen spanischen Trawler aufbrachten und dadurch möglicherweise die Fischereifreiheit auf hoher See verletzten, intervenierte die Kommission mehrfach auf politischer und verwaltungstechnischer Ebene, um die Situation zugunsten der „legitimen Interessen der Gemeinschaftsreeder“ zu klären.305 Die genaue Reichweite der gemeinschaftlichen Schutzkompetenzen und die Abgrenzung zu den mitgliedstaatlichen Verantwortungsbereichen wurde in der Praxis allerdings lange Zeit nicht weiter hinterfragt. Erst Ende der neunziger Jahre rückte dieses Problem (wohl nicht zuletzt durch mehrere Schadensersatzklagen betroffener Reeder306) deutlicher in den Vordergrund des politischen Interesses. Ein internes Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen aus dem Jahre 2000 leitete schließlich eine grundlegende Neuorientierung der gemeinschaftlichen Schutzpraxis ein, die bis heute fortwirkt. Danach sieht sich die Kommission gegenwärtig nur noch befugt, bei Verletzungen spezieller Fischereiverträge zu intervenieren. Finde die Fangtätigkeit von Gemeinschaftsschiffen dagegen nicht im Rahmen von Fischereiabkommen der Gemeinschaft statt, sei die Kommission von vornherein nicht beteiligt und trage keinerlei Verantwortung im Falle einer Aufbringung dieser Schiffe.307 Tatsächlich weigerte sich die Kommission seither 302 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-945/95, ABl. 1995 C 230, S. 18; Stellungnahme Kommissarin Bonino i. d. EP-Sitzung v. 15.3.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–460, S. 130 f.; Rat, Erklärung v. 6.3.1995, Bull. EG 3/95, Ziff. 1.3.138. 303 Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 24. 304 EP, „Entschl. zum illegalen Aufbringen des spanischen Fischereifahrzeugs Estai“ v. 16.3.1995, ABl. 1995 C 89, S. 162. 305 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-2665/97, ABl. 1998 C 117, S. 40 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-0496/98, ABl. 1998 C 323, S. 41. 306 Vgl. EuG Slg. 1995 II, S. 2025 ff.; EuG Slg. 1999 II, S. 1407 ff.; EuGH Slg. 1999 I, S. 8333 ff.; EuG Slg. 2001 II, S. 3597 ff.

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wiederholt, zugunsten von Fischern tätig zu werden, die auf Hoher See, bei der Durchfahrt durch fremde Gewässer oder als Inhaber privater Fischereilizenzen angegriffenen worden waren.308 Ein so eng gezogenes Kompetenzverständnis ist allerdings rechtlich durchaus fragwürdig. Denn die EG ist materiell weit über den bloßen Vertragsbereich hinaus mit der Wahrnehmung von Fischereirechten betraut. So obliegt ihr beispielsweise umfassend die Bewirtschaftung der Fischereiressourcen auf Hoher See, also die Wahrung sowohl des einschlägigen Vertrags- wie auch des Seevölkergewohnheitsrechts.309 Konsequenterweise muss ihr damit auch verfahrensrechtlich eine entsprechend weite implizite Schutzbefugnis zustehen: Nicht weniger als in den zunächst untersuchten Fällen kann auch hier die Schädigung einzelner Individuen untrennbar gemeinschaftliche Rechtsgüter beeinträchtigen und damit eigene Abwehraktivitäten der EG notwendig machen. Beizupflichten ist der Kommission indes, dass nach diesem Maßstab durchaus nicht alle Fischereizwischenfälle in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen. So ist die EG insbesondere nicht der richtige Adressat für Schutzbegehren von Inhabern privater Fischereilizenzen. Die Störung solcher privat erworbener Lizenzrechte betrifft die Wahrnehmung der gemeinschaftlichen Fischereikompetenzen regelmäßig vielmehr überhaupt nicht. Entsprechendes gilt für den Schutz von Fischereifahrzeugen, die bei der Durchfahrt durch fremde Hoheitsgewässer aufgebracht werden: Auch hier fehlt zumeist ein unmittelbarer Bezug zu den vergemeinschafteten Fischereipolitiken.310 Ähnliche Grundsätze wie im Fischereibereich gelten auch für die implizite Reichweite der gemeinschaftlichen Außenhandelskompetenzen gemäß Art. 133 EGV: Die EG ist hier immer dann zu diplomatischem Schutz befugt, wenn einzelne Individuen unter Verletzung gemeinschaftlicher Handelsverträge oder (wie im eingangs geschilderten Fall) handelsbezogenen Völkergewohnheitsrechts beeinträchtigt werden. Zu Recht entfaltete die Gemeinschaft deshalb etwa hinsichtlich des extraterritorialen „Helms-Burton“ bzw. „d’Amato Act“ weit reichende eigenständige Schutzaktivitäten. So versuchten Rat und Kommission schon frühzeitig, durch eine Fülle diplomatischer Demarchen und Stellungnahmen Einfluss auf das US-amerikani307

Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943, Ziff. II.2 (abgedruckt unten S. 261 ff.). So bspw. Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-2412/01, ABl. 2002 C 93E, S. 127; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-2733/01, ABl. 2002 C 93E, S. 181 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-2608/02 und E-2612/02, ABl. 2003 C 110E, S. 74 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-2776/02, ABl. 2003 C 192E, S. 75. 309 Vertiefend zu den seerechtlichen Außenkompetenzen der EG bereits oben S. 84. 310 So i. E. auch Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-3580/01, ABl. 2002 C 160E S. 147 f. 308

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sche Gesetzgebungsverfahren zu nehmen und die durch den „Helms-Burton“ bzw. „d’Amato Act“ drohenden Völkerrechtsverstöße präventiv zu verhindern.311 Nachdem diese Bemühungen jedoch erfolglos blieben und auch ein im Mai 1996 bei der WTO eingeleitetes Beschwerdeverfahren zu scheitern drohte,312 zeichnete sich immer deutlicher ab, dass die betroffenen privaten und gemeinschaftlichen Interessen vorläufig nur noch durch einseitige Abwehrmaßnahmen wirkungsvoll geschützt werden konnten.313 Am 22. November 1996 erließ der Rat zu diesem Zweck mit Unterstützung der Kommission und des Europäischen Parlaments eine eigenständige Schutzverordnung,314 die auf die unilaterale Neutralisierung der amerikanischen Sanktionsdrohung abzielt. Dazu regelt sie vor allem ein umfassendes Beteiligungs-, Anerkennungs- und Vollstreckungsverbot hinsichtlich aller schädigenden Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen. Art. 6 der Verordnung gewährt geschädigten Individuen und Unternehmen darüber hinaus einen umfassenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen potentielle Schädiger.315 Die Kommission übernimmt in diesem Rahmen eine zentrale Steuerungsfunktion.316 Sie versteht sich als zentraler Ansprechpartner nicht nur für die Geschädigten selbst, sondern auch für den „Schädigerstaat“ USA. Eine ähnliche Verordnung hatte die Gemeinschaft auch schon im 311 Vgl. insbesondere das Protestschreiben v. Kommissar Brittan v. 15.3.1995 an das US State Department v. 15.3.1995 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 399 f.); Ratspräsidentschaft/Kommission, Gem. Erkl. v. 5.3.1996 (abgedruckt in: ILM 35 (1996), S. 398 f.); Rat, Schlussfolgerungen v. 22.4.1996, Bull. EU 4/96, Ziff. 1.4.82. 312 Dazu EP, „Entschl. zur Einstellung des Schlichtungsverfahrens der WTO im Zusammenhang mit dem Helms-Burton-Gesetz“ v. 15.5.1997, ABl. 1997 C 167, S. 150 f.; Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269, 287 f.; ders., Streitigkeiten, S. 14 ff. 313 Rat, Schlussfolgerungen v. 15.7.1996, Bull. EU 7–8/96, Ziff. 1.4.116: „Der Rat ermittelte eine Reihe von Maßnahmen, die die Europäische Union als Reaktion auf die Beeinträchtigung der Interessen von EU-Unternehmen aufgrund des Gesetzes ergreifen könnte.“; ders., Schlussfolgerungen v. 1.10.1996, Bull. EU 10/96, Ziff. 1.4.82: „In Bezug auf das Helms-Burton-Gesetz werden eine Verordnung des Rates in Verbindung mit einer gemeinsamen Aktion Schutz für die betroffenen Bürger und Unternehmen innerhalb der EU] bieten [. . .] Soweit das d’Amato-Gesetz spezifische Elemente enthält, muss diesen in den Texten Rechnung getragen werden.“. Zu den vorausgegangenen innergemeinschaftlichen Abstimmungsschwierigkeiten Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 316. 314 VO 2271/96/EG (Nw. in Fn. 289). Das EP hatte „im Interesse sowohl des bestehenden multilateralen Handelssystems als auch der EU-Firmen“ eine solche Verordnung schon zuvor ausdrücklich gefordert, vgl. seine „Entschl. zu den Verpflichtungen der Vereinigten Staaten unter GATT 1994 und GATS“ v. 24.5.1996, ABl. 1996 C 166, S. 277. 315 Dazu i. e. Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269, 314 ff. 316 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0104/02, ABl. 2002 C 229E, S. 54 f. – Art. 2 VO 2271/96/EG legt dazu den Geschädigten sogar bestimmte Unterrichtungspflichten auf.

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Jahre 1982 zur Abwehr der amerikanischen UdSSR-Sanktionsgesetzgebung erwogen. Entsprechende Pläne waren seinerzeit jedoch nicht mehr umgesetzt worden, nachdem bereits scharfe Protesterklärungen und bilaterale Verhandlungen eine einvernehmliche Lösung ermöglicht hatten.317 Dabei kann nach der obigen Herleitung letztlich kein Zweifel an der Kompetenz der Gemeinschaft bestehen, erforderlichenfalls sogar noch spezifischere Schutzmaßnahmen zugunsten einzelner Betroffener zu ergreifen. Tatsächlich warnte die Kommission die USA beispielsweise im September 1997 eindringlich davor, das wirtschaftliche Engagement des französischen Ölkonzerns Total im Iran mit Strafmaßnahmen zu beantworten.318 Im Fall des schon im Jahr zuvor mit persönlichen Sanktionen belegten britischen Staatsangehörigen verzichtete die EG hingegen auf entsprechende Schritte.319 Offenkundige außenpolitische Priorität genoss hier bei den Gemeinschaftsorganen die Vermeidung weiterer derartiger Zwischenfälle. Zu diesem Zweck verhandelte die Kommission mit den USA gezielt über den Abschluss eines in die Zukunft gerichteten allgemeinen Stillhalteabkommens, das schließlich 1997/98 in zwei Schritten geschlossen werden konnte.320 Darin sagten die USA zu, europäische Wirtschaftsteilnehmer so weit wie möglich von der Geltung der Sanktionsgesetze freizustellen. Die EG verpflichtete sich dafür im Gegenzug, das eingeleitete WTO-Verfahren so lange auszusetzen, wie gegen „EU-Unternehmen oder EU-Bürger“ keine neuen Klagen erhoben würden. Dieser „schutzpolitische Waffenstillstand“ gilt bis heute fort.321 (3) Verhältnis zu den mitgliedstaatlichen Schutzkompetenzen Fraglich ist, ob damit in den geschilderten Fällen den Heimatstaaten der verletzten Individuen eigene (parallele) Schutzaktivitäten von vornherein verwehrt waren. Dafür spricht, dass die maßgeblichen materiellen Befugnisse mitgliedstaatlicher Verfügungsgewalt gerade entzogen sind: Zur Durchsetzung der betreffenden Verträge und entsprechender außervertraglicher Positionen ist nach den bisherigen Überlegungen grundsätzlich allein die EG befugt.322 Der Schluss auf eine gleichermaßen ausschließliche 317

Kuyper, GYIL 27 (1984) S. 72, 74 ff. und 94 ff; Meng, Streitigkeiten, S. 1. Kommission, Presseerklärung IP/97/825 v. 30.9.1997. 319 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0104/02, ABl. 2002 C 229E, S. 54 f. – Zu den sich aus diesem Vorgehen ergebenden Rechtsschutzfragen unten S. 165 ff. 320 Memorandum of understanding v. 11.4.1997 (abgedruckt unter: ILM 36 (1997), S. 529); Memorandum of understanding v. 18.5.1998 (unveröffentlicht). Weiterführend dazu Nissen, RiW 45 (1999), S. 350, 352 f. 321 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0104/02, ABl. 2002 C 229E, S. 54 f.; dies., Presseerklärung IP/01/1162 v. 31.7.2001. 318

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Schutzbefugnis liegt deshalb nicht nur unter systematischen, sondern auch unter praktischen Gesichtspunkten nahe. Hält man mit der bislang herrschenden Auffassung323 die Verletzung einer gerade den Anspruchsteller berechtigenden Völkerrechtsnorm für eine unverzichtbare Voraussetzung diplomatischer Schutzansprüche, ist diese Folge sogar zwingend. Denn die Mitgliedstaaten sind in den meisten Fällen nicht unmittelbar an den verletzten Fischerei- oder Handelsabkommen beteiligt. Diplomatischem Schutz von ihrer Seite müsste bei konsequenter Anwendung des traditionellen Gegenseitigkeitsprinzips also schon das Fehlen einer spezifischen Rechtsverletzung entgegenstehen.324 Parallele Schutzansprüche könnten sich danach allenfalls ergeben, wenn der betreffende Heimatstaat ausnahmsweise selbst Vertragspartei ist oder im Einzelfall über das betreffende Abkommen hinaus auch fremdenrechtliche Grundsätze verletzt sind. Ein solches Grundverständnis ginge allerdings weit über die tatsächliche Staatenpraxis hinaus. So übten in allen hier untersuchten Fällen begleitend zur EG auch die jeweiligen Heimatstaaten eigene Schutzaktivitäten aus,325 obwohl ihnen gegenüber regelmäßig keine unmittelbare Völkerrechtsverletzung vorlag. Umkehrt bestanden die Gemeinschaftsorgane zu keinem Zeitpunkt auf einer Ausschließlichkeit ihrer Protektionsbemühungen. Vereinzelt forderten sie die Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich zu einem gemeinsamen Vorgehen auf.326 Auch das bereits erwähnte Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen geht offenkundig von einer Parallelität der Schutzkompetenzen aus, wie schon der darin enthaltene Hinweis auf die fortbestehende Mitverantwortung der Flaggenmitgliedstaaten für den diplomatischen Schutz aufgebrachter Schiffe und ihrer Besatzungen zeigt.327 Tatsächlich müsste es zu außerordentlich problematischen Konsequenzen führen, wenn 322

Dazu oben bereits S. 62 ff. IGH Slg. 1949 S. 174, 181 f. In der Literatur statt vieler etwa Klein, Diplomatischer Schutz, S. 24 f. 324 So zutreffend Carrera Hernández, Política pesquera, S. 257 f.; Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 177; Liñán Nogueras, GJ de la C.E. 1992 D-17, S. 63, 93 f.; Toth, Oxford Encyclopedia I, S. 267 f. 325 Vgl. bspw. für die Abwehr des „Helms-Burton“ und „d’Amato Act“ Gemeinsame Aktion 96/668/GASP v. 22.11.1996, ABl. 1996 L 309, S. 7 oder für den kanadisch-europäischen Fischereistreit Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 24. Ausdrücklich bestätigte auch das deutsche Auswärtige Amt auf Anfr. des Verf. im August 2002, dass es weiterhin von einer umfassenden Schutzbefugnis Deutschlands ausgehe. 326 Vgl. etwa EP, Entschl. zum illegalen Aufbringen des spanischen Fischereifahrzeugs Estai“ v. 16.3.1995, ABl. 1995 C 89, S. 162, Ziff. 5. Zu den sich aus dieser konkurrierenden Zuständigkeit ergebenden Abstimmungsfragen zwischen EG und Mitgliedstaaten später näher S. 142 ff. 327 Kommission, EU-Dok. SEC (2000) 1943, Ziff. II.1 (abgedruckt unten S. 261 ff.). 323

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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mit jeder Übertragung einzelner Kompetenzbereiche auf eine internationale Organisation zugleich auch die Legitimationsgrundlage für spätere staatliche Protektionsbemühungen entfiele. Denn Folge einer solchen Auffassung wäre die weitgehende Fragmentarisierung des diplomatischen Schutzes und damit ein grundlegender Bruch mit dem traditionellen Verständnis dieses Instruments als Ausdruck des umfassenden Treue- und Fürsorgeverhältnisses zu den eigenen Staatsangehörigen. Hier zeigt sich noch einmal mit besonderer Deutlichkeit der zentrale Unterschied zwischen originären (staatlichen) und impliziten (gemeinschaftlichen) Schutzrechten: Während die EG zu Schutzaktivitäten nur punktuell kraft ihrer Verfügungsgewalt über einzelne Sachkompetenzen befugt ist, bleibt ein Staat stets im umfassenden Sinne Fürsprecher seiner Angehörigen. Die Übertragung einzelner Außenpolitiken kann deshalb die prinzipielle Allzuständigkeit eines Staates für alle Aspekte diplomatischer Protektion nicht einschränken. Zum gleichen Ergebnis gelangte im Übrigen auch das „Injuries suffered“-Gutachten des IGH. Denn der Gerichtshof sah in den eigenständigen Protektionsbefugnissen der UNO grundsätzlich kein Hindernis für parallele Schutzaktivitäten des jeweiligen Heimatstaates, sondern stellte im Gegenteil ausdrücklich fest: „In such a case, there is no rule of law which assigns priority to the one or to the other, or which compels either the State or the Organization to refrain from bringing an international claim.“328 Diese Überlegungen lassen sich grundsätzlich auch auf das Verhältnis zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten übertragen. Selbst im Bereich vollständig vergemeinschafteter Sachkompetenzen ist die EG nach alledem nur parallel-konkurrierend neben dem jeweiligen Heimatstaat zu diplomatischen Aktivitäten befugt. bb) Schutz im Zusammenhang mit der Wahrnehmung paralleler außenpolitischer Sachzuständigkeiten Schon jetzt greift die Gemeinschaft somit in der Praxis vielfach auf die hier hergeleiteten Schutzbefugnisse zurück. Offen blieb jedoch bislang, ob es sich insoweit um eine spezifische Besonderheit der vollständig vergemeinschafteten Außenpolitiken handelt oder ob sich vergleichbare Schutzrechte auch aus den parallel-konkurrierenden außenpolitischen Sachkompetenzen der EG ableiten lassen. „Parallel-konkurrierend“ in diesem Sinne sind alle Kompetenzbereiche, in denen die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten kumulativ tätig werden können.329 Fraglich ist, ob in Fällen mit die328 ICJ Rep. 1949, S. 174, 185 f. („In einem solchen Fall gibt es keine rechtliche Regel, die der einen oder anderen Seite Vorrang einräumt, oder die entweder den Staat oder die Organisation dazu zwingt, von der Erhebung einer internationalen Klage Abstand zu nehmen.“).

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ser Ausgangslage eigene Schutzbefugnisse der Gemeinschaft überhaupt noch erforderlich sind [dazu allgemein (1)]. Von besonderer praktischer Relevanz ist in diesem Zusammenhang speziell die Reichweite der menschenrechtlichen Außenkompetenzen. Sie soll deshalb im Anschluss vertieft untersucht werden [dazu (2)]. (1) Grundsätzliche Übertragbarkeit der oben gefundenen Ergebnisse Eine Übertragung der oben gefundenen Ergebnisse auf den Bereich parallel-konkurrierender Außenkompetenzen ist nur möglich, wenn sich gemeinschaftliche Schutzbefugnisse auch hier als erforderlich erweisen, um die der EG zugewiesenen Befugnisse effektiv nutzen zu können. In den bislang untersuchten Fällen ließ sich diese Erforderlichkeitsrelation jeweils daraus ableiten, dass der Angriff auf einzelne Individuen unmittelbar die Wahrnehmung ausschließlicher Außenbefugnisse beeinträchtigte. Der Schutz der Betroffenen war damit zugleich Ausdruck der Verteidigung bestimmter EG-Politiken. Die damit angesprochene Überlegung ist in ihrem Kern indes nicht auf die vollständig vergemeinschafteten Kompetenzbereiche begrenzt. Auch parallele Kompetenznormen können vielmehr im Einzelfall eine derartige effektive Nutzbarmachung erfordern. Denn die Schädigung einzelner Individuen kann hier nicht weniger als oben zu einer spezifischen Verletzung gemeinschaftlicher Rechtsgüter führen und damit ein eigenständig schützendes Eingreifen der EG notwendig machen. Ein konkretes Beispiel mag dies verdeutlichen: Nach Art. 177, 179 EGV ist die EG auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zur eigenständigen Festlegung ihrer Außenpolitik berechtigt. Dies schließt insbesondere auch das Recht zur selbstbestimmten Auswahl und Unterstützung entwicklungspolitischer Projekte ein. Nicht selten nun werden Entwicklungshelfer, die in einem solchen gemeinschaftlich geförderten Projekt eingesetzt sind, unter Verletzung des maßgeblichen Völkerrechts an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert – etwa weil sie in umstrittenen Grenzgebieten oder zugunsten verfolgter Minderheiten tätig werden. Einige derartige Fälle wurden schon an früherer Stelle bei der Eingrenzung des „Bediensteten“-Begriffs geschildert.330 So verhafteten israelische Behörden im Juni 2001 einen italienischen Entwicklungshelfer, der in einem von ECHO finanzierten Hilfsprojekt arbeiten sollte. Sie verhörten ihn über mehrere Stunden, beschlagnahmten Teile seines Eigentums und verwiesen ihn schließlich des Landes, 329

v. Bogdandy/Nettesheim, in: G/H Archivband, Art. 3b EGV Rn. 14; Dittert, Die ausschließlichen Kompetenzen der EG, S. 39 f.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 162 f. 330 Zum nachfolgenden und weiteren Fällen bereits oben Fn. 114 ff.

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ohne dass ihm zuvor noch Gelegenheit zur Einschaltung seines Konsulats oder der Kommissionsdelegation gegeben wurde. Könnte die Gemeinschaft in diesem und ähnlichen Fällen nicht losgelöst von den außenpolitischen Prioritäten der einzelnen Mitgliedstaaten intervenieren, würde die im Vertrag garantierte Eigenständigkeit der gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit nicht weiter reichen als bis zum ersten ernstlichen Konfliktfall in einem Drittstaat. Der Schutz der Entwicklungshelfer und die Verteidigung der Kompetenz zu eigenen Entwicklungsprojekten sind in derartigen Fällen also ebenso untrennbar verbunden wie in den zunächst untersuchten Fischerei- oder Handelskonstellationen. Dass die beeinträchtigten Individuen dabei regelmäßig keine EG-„Bediensteten“ im oben verstandenen engen Sinne sind,331 steht diesem Ergebnis weder im einen noch im anderen Fall entgegen. Denn entscheidend für die Herleitung der hier begründeten impliziten Schutzbefugnisse ist nicht, ob die Betroffenen unmittelbar für die Gemeinschaft auftraten, sondern allein die Tatsache, dass mit ihnen zugleich auch der EG zugewiesene Außenpolitiken angegriffen wurden. Die Gemeinschaftsorgane können auf dieser rechtlichen Basis also auch die in ECHO-Projekten tätigen Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen schützen, soweit diese in Ausübung ihrer Tätigkeit Opfer von Völkerrechtsverstößen werden. Ob dabei ein Verstoß gegen vertragliches oder außervertragliches Recht in Rede steht, ist in diesem Zusammenhang aus den schon oben dargelegten Gründen irrelevant. Ansätze eines solchen Kompetenzverständnisses lassen sich tatsächlich auch in der Praxis nachweisen. So protestierte die Delegation in Tel Aviv im eben geschilderten Fall ausdrücklich „gegen die ungerechtfertigte Behandlung eines europäischen Bürgers, der für eine Nichtregierungsorganisation arbeitet, deren humanitäres Hilfsprojekt im vollen Umfang von der Kommission finanziert wird“, und ersuchte das Außenministerium um Unterstützung bei der Einreise des festgesetzten Entwicklungshelfers sowie um Erleichterung seiner humanitären Mission.332 Ähnliche Schutzaktivitäten entfaltete die Kommission auch in anderen Fällen dieser Art.333 Allgemein ist die EG damit auch im Bereich ihrer parallelen Außenkompetenzen zu eigenständigen diplomatischen Schutzaktivitäten befugt, wenn die jeweilige Verletzungshandlung die ungestörte Wahrnehmung gemeinschaftlicher Politiken in Frage stellt.

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Dazu bereits oben S. 40 ff. Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1981/01, ABl. 2001 C 81E, S. 87. Bemerkenswerter Weise unterstrich auch der Rat in seiner Antwort auf EP-Anfr. P-1963/01 (ABl. 2001 C 81E, S. 82) die primäre Schutzkompetenz der Kommission. 333 Siehe oben Fn. 115 ff. 332

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(2) Diplomatischer Schutz speziell im Rahmen der menschenrechtlichen Außenkompetenzen Die Anwendung dieser Grundsätze auf die menschenrechtlichen Außenkompetenzen führt zu einem Sonderproblem von erheblicher praktischer Relevanz: Kann die Europäische Gemeinschaft danach generell diplomatischen Schutz gewähren, wenn einzelne Unionsbürger Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden? Tatsächlich wurde diese Frage im Laufe der letzten Jahre in einer Vielzahl parlamentarischer Anfragen aufgeworfen: So forderten Abgeordnete des Europäischen Parlaments beispielsweise eindringlich Schutzaktivitäten von Rat und Kommission, als 1995 der italienische Jugendliche Giacomo Turra durch kolumbianische Polizeikräfte gefoltert und ermordet wurde.334 Immer wieder wurde aus dem Europaparlament heraus auch die Erwartung geäußert, die Kommission werde gegen menschenunwürdige Haftbedingungen335 oder religiöse Verfolgung336, denen Unionsbürger in Drittstaaten ausgesetzt waren, vorgehen. Bietet aber der EG-Vertrag tatsächlich eine ausreichende Basis für dahingehende Gemeinschaftsaktivitäten? Eine tragfähige Antwort auf diese Frage lässt sich nur über eine vorgelagerte Untersuchung der materiellen Reichweite möglicher Anknüpfungsbefugnisse gewinnen [dazu (a)]: Denn erst auf dieser Grundlage sind Umfang und Grenzen der menschenrechtlichen Schutzbefugnisse mit der gebotenen Genauigkeit zu entwickeln [dazu (b)]. (a) Menschenrechtsschutz als parallele außenpolitische Gemeinschaftskompetenz Die sachliche Reichweite der menschenrechtlichen Gemeinschaftsaußenkompetenzen zählte in den vergangenen Jahren zu den umstrittensten Gebieten des Gemeinschaftsrechts. Vor allem die wachsende Diskrepanz zwi334 EP-Anfr. E-1209/97 an die Kommission, ABl. 1997 C 367, S. 98; EP-Anfr. E-4108/97 an die Kommission, ABl. 1998 C 196, S. 79; EP-Anfr. E-0959/98 an die Kommission, ABl. 1998 C 386 S. 63 f.; EP-Anfr. E-1208/97 an den Rat, ABl. 1997 C 373, S. 87 f. 335 So etwa Ende 2001 hinsichtlich eines in Indien inhaftierten britischen Staatsangehörigen, vgl. EP-Anfr. P-3319/01 an die Kommission, ABl. 2002 C 172E, S. 37. Ähnlich auch (bzgl. der Behandlung von britischen Gefangenen in Ägypten) EP-Anfr. P-2655/02 an die Kommission, ABl. 2003 C 137E, S. 103 f.; EP-Anfr. E-2660/02 an den Rat, ABl. 2003 C 155E, S. 38. 336 Bspw. EP-Anfr. E-2641/01 an die Kommission, ABl. 2002 C 160E S. 28, und EP-Anfr. E-2640/01 an den Rat, ABl. 2002 C 134E, S. 69 f. (bzgl. der Inhaftierung von vier Deutschen in Afghanistan wegen christlicher Missionstätigkeit); EP-Anfr. P-3076/01, ABl. 2002 C 134E, S. 190 (bzgl. der Ausweisung eines Italieners aus China wegen Betätigung für die „Falun-Gong“-Bewegung).

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schen der ursprünglich rein wirtschaftspolitischen Ausrichtung der EG und einem zunehmenden Menschenrechtsbewusstsein im internationalen Raum gab immer wieder Anlass für Versuche, die begrenzten Befugnisnormen des EGV extensiv auszulegen.337 Erst die jüngsten Vertragsänderungen von Maastricht und Nizza sorgten schließlich für eine Klärung dieser Frage. Gesicherte menschenrechtliche Gemeinschaftskompetenzen bestehen danach vor allem im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Gemäß Art. 177 Abs. 2 EGV trägt die Politik der EG hier dazu bei, das allgemeine Ziel der Fortentwicklung und Festigung der Demokratie sowie das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen. Art. 177 EGV normiert damit für das Gemeinschaftsrecht die politische Prämisse, dass eine dauerhafte Armutsminderung nur dort erreicht werden kann, wo funktionierende Demokratien anzutreffen sind und keine rechtliche Willkür droht. Er zielt auf die Festigung einer gerechten und demokratischen Gesellschaft und eine nachhaltige Verbesserung der politischen Rahmenbedingungen im jeweiligen Partnerland ab.338 Die strukturelle Verbesserung der Menschenrechtslage ist untrennbarer Teil dieses Prozesses. Der EuGH entnahm Art. 177 Abs. 2 EGV deshalb nicht nur das Recht, sondern ausdrücklich sogar eine Pflicht der Gemeinschaft, in ihrer Entwicklungszusammenarbeit das Ziel der Achtung der Menschenrechte zu berücksichtigen.339 Menschenrechtliche Erwägungen können auf Art. 177 Abs. 2 EGV allerdings nur gestützt werden, soweit der betreffende Drittstaat „Entwicklungsland“ ist, also zumindest eines der in Art. 177 Abs. 1 EGV genannten Kriterien struktureller Unterentwicklung erfüllt.340 Außerhalb dieses begrenzten personellen Bereichs greift seit dem Vertrag von Nizza nunmehr explizit Art. 181a Abs. 1 UAbs. 2 EGV ein, wonach die Politik der Gemeinschaft auch bei Maßnahmen der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Zusammenarbeit dazu beiträgt, das Ziel der Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu verfolgen. Die EG darf also Menschenrechtsbelange selbst bei Hilfsprojekten berücksichtigen, deren Empfangsstaaten begrifflich nicht als „Entwicklungsländer“ angesehen werden können oder bei denen aus anderen Gründen keine primär entwicklungspoliti337 Zur Entwicklung menschenrechtlicher Erwägungen im Gemeinschaftsrecht statt vieler etwa King, NYIL 28 (1997), S. 51 ff. 338 Kommission, Mitteilung über die Rolle der Europäischen Union bei der Förderung der Menschenrechte und der Demokratie in Drittländern v. 8.5.2001, EU-Dok. KOM(2001) 252endg., S. 4 ff.; Rat/Kommission, Gem. Erkl. zur Entwicklungspolitik der Gemeinschaft v. 10.11.2000 ; King, NYIL 28 (1997), S. 51, 62 ff. 339 EuGH Slg. 1996 I, S. 6177, 6217/Rn. 23 f. 340 Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 414 ff.; Riedl/Will, in: EU and Human Rights, S. 723, 733 f.

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sche Zielsetzung im Vordergrund steht.341 Damit wird der bislang bestehende Streit über die Frage, ob sich eine entsprechende Kompetenz gleichermaßen aus Art. 308 EGV herleiten ließe, weitgehend gegenstandslos. Tatsächlich hatten auch bislang schon zahlreiche Stimmen in Wissenschaft und Praxis dafür plädiert, Art. 308 EGV in diesem Sinne zu verstehen.342 Für Irritationen sorgte in den letzten Jahren allerdings, dass der EuGH in dieser Bestimmung gleichwohl keine ausreichende Grundlage für einen Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK sah.343 Einige Autoren vertraten die Ansicht, der Gerichtshof habe sich damit grundlegend gegen eine auf Art. 308 EGV gestützte Menschenrechtspolitik der EG ausgesprochen.344 Ein solcher Schluss blieb methodisch jedoch von vornherein erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Denn in seiner Argumentation hatte der EuGH gerade nicht die Ableitbarkeit menschenrechtlicher Kompetenzen als solche bestritten, sondern allein auf die speziellen institutionellen Folgen eines EMRK-Beitritts verwiesen.345 Dies kam auch in seiner zentralen Schlussfolgerung zum Ausdruck, in der er ausführte: „Eine solche Änderung des Systems des Schutzes der Menschenrechte in der Gemeinschaft, die grundlegende institutionelle Auswirkungen sowohl auf die Gemeinschaft als auch auf die Mitgliedstaaten hätte, wäre von verfassungsrechtlicher Dimension und ginge daher ihrem Wesen nach über die Grenzen des Artikels 235 [EGV a. F.] hinaus.“346 Die Zulässigkeit menschenrechtlicher Gemeinschaftsaktivitäten außerhalb eines derart institutionalisierten Systems war also als solche überhaupt nicht Gegenstand des „EMRK“-Gutachtens. Zu Recht zogen deshalb sowohl der Rat als auch die Kommission in ihrer weiteren Praxis unverändert Art. 308 EGV heran, um in ihrer internationalen Zusammenarbeit begleitend auf die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten hinzuwirken.347 Art. 181a EGV bekräftigt nunmehr noch einmal ausdrücklich die Existenz einer solchen Befugnis. Er betont – ähnlich wie schon Art. 177 Abs. 2 EGV – 341

Schmalenbach, in: C/R, Art. 181a EGV Rn. 1. So etwa Brandtner/Rosas, EJIL 8 (1998), S. 468, 471 f.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 418 ff. Ebenso die Stellungnahmen der Kommission, des EP und der belgischen, dänischen, deutschen, finnischen, griechischen, italienischen, österreichischen und schwedischen Regierungen im Gutachten 2/94, EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1773 f./Rn. 28, sowie die Ansicht Portugals im Verfahren C-268/94, EuGH Slg. 1996 I, S. 6177, 6215/Rn. 15. 343 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1789/Rn. 35. 344 Ress, in: FS Winkler, S. 897, 926 ff.; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 337. 345 So zutreffend Brandtner/Rosas, EJIL 8 (1998), S. 468, 471 f.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 426; Riedl/Will, in: EU and Human Rights, S. 723, 736. 346 EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1789/Rn. 35 (Hervorhebung v. Verf.). 347 Vgl. insbesondere die auf dieser Grundlage erlassene VO 976/99/EG v. 29.4.1999, ABl. 1999 L 120, S. 8 ff. 342

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die europäische Grundüberzeugung, dass eine nachhaltige wirtschaftliche, finanzielle und technische Zusammenarbeit ohne strukturelle Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Scheitern verurteilt bliebe.348 Hier wie dort ist die Gemeinschaft damit explizit dazu berechtigt, in ihrer Außenpolitik menschenrechtliche Begleitziele zu verfolgen. (b) Ableitbarkeit impliziter Schutzkompetenzen in diesem Bereich Zu untersuchen bleibt, inwieweit die EG auf dieser Grundlage auch individuellen Verletzungsopfern diplomatischen Schutz gewähren darf. Entscheidend kommt es hierfür nach dem oben hergeleiteten Maßstab darauf an, ob sich entsprechende Schutzbefugnisse als erforderlich zur Effektivierung der dargestellten Sachkompetenzen erweisen. (aa) Schutz für von der Gemeinschaft finanzierte Menschenrechtsbeobachter Eine Übertragung der oben unter (1) hergeleiteten Ergebnisse ist danach ohne weiteres möglich, soweit direkt oder indirekt von der Gemeinschaft finanzierte Menschenrechtsbeobachter349 Opfer einer Völkerrechtsverletzung werden. Denn die Ausgangslage entspricht hier vollständig derjenigen von in ECHO-Projekten tätigen Entwicklungshelfern: Im einen wie im anderen Fall wird mit den betroffenen Individuen zugleich die entsprechende Sachpolitik der Gemeinschaft angegriffen. Eigenständige Schutzbefugnisse erweisen sich insoweit jeweils als unabdingbar, um die politische Autonomie der EG gerade auch im Konfliktfall uneingeschränkt zu bewahren. (bb) Schutz für individuelle Opfer von Menschenrechtsverletzungen Fraglich ist jedoch, ob die Bestimmungen des EG-Vertrags darüber hinaus Schutzbefugnisse schon allein auf Grund der Tatsache rechtfertigen, dass einzelne Unionsbürger Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Dafür spricht auf den ersten Blick, dass die menschenrechtlichen Sachkompetenzen nicht effektiv wahrgenommen werden könnten, wenn die EG derartige Verletzungsfälle in der Praxis vollständig ausblenden müsste. Tatsächlich lassen sich häufig erst durch die Betrachtung konkreter Einzel348 Vertiefend zu dieser entwicklungspolitischen Prämisse King, NYIL 28 (1997), S. 51, 62 ff. 349 In der Praxis fördert die EG vielfach gefahrenträchtige Beobachtungsmissionen dieser Art, vgl. bspw. für Kolumbien Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0959/98, ABl. 1998 C 386 S. 63 f.

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schicksale zuverlässige Erkenntnisse über die wahre Menschenrechtslage vor Ort gewinnen. Gleichwohl wäre der Schluss auf eigenständige diplomatische Schutzkompetenzen in diesem Bereich letztlich unzutreffend. Denn der Gemeinschaft ist die Verbesserung der Menschenrechtslage in Drittstaaten nicht als umfassender Selbstzweck oder „besonderer Bereich der Zusammenarbeit“350 zugewiesen, sondern allein weil und soweit dies für eine nachhaltige außenpolitische Zusammenarbeit erforderlich ist. Die in Art. 177 Abs. 2 und Art. 181a Abs. 1 UAbs. 2 EGV angelegte Menschenrechtspolitik zielt vor allem auf eine langfristige Veränderung der strukturellen Ausgangsbedingungen ab. Dies wird schon im Wortlaut beider Bestimmungen deutlich: Der Gemeinschaft ist danach jeweils allein ein (thematisch eng begrenztes) Recht zu „politischen Beiträgen“, nicht jedoch ein umfassendes schutzpolitisches Mandat zugewiesen. Zwar mag in diesem Rahmen unter Umständen auch eine aktive Untersuchung konkreter Einzelfälle erforderlich werden.351 Ziel einer solchen Aufklärung ist jedoch nach der Zielsetzung des Vertrages gerade nicht, die dabei betroffenen Opfer unmittelbar zu schützen und auf Wiedergutmachung zu dringen.352 Die Befassung mit solchen Vorfällen dient vielmehr allein dazu, die generelle Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu kontrollieren und gegebenenfalls Schritte in diese Richtung vorzubereiten. Die rein strukturpolitische Grundausrichtung der menschenrechtlichen Sachkompetenzen zeigt sich besonders deutlich in den Instrumenten, die das gemeinschaftliche Sekundärrecht konkretisierend für mögliche Verletzungsfälle vorsieht. Dies gilt insbesondere für die inzwischen in nahezu allen internationalen Gemeinschaftsabkommen enthaltenen „Menschenrechtsklauseln“. Tatsächlich nahm die EG bereits seit 1992 in alle neuen, von Entwicklungsgedanken geprägten Handels- und Kooperationsabkommen353 Bestimmungen auf, nach denen die jeweilige Zusammenarbeit auf 350

EuGH Slg. 1996 I, S. 6177, 6218/Rn. 28. So forderte die Kommission etwa von der indischen Menschenrechtskommission weitere Informationen zu den Haftbedingungen für einen britischen Entwicklungshelfer, vgl. ihre Antwort auf EP-Anfr. P-3319/01, ABl. C 172E, S. 37. In ähnlicher Weise kündigte sie auch an, im Rahmen ihres allgemeinen Menschenrechtsdialogs mit der Türkei den Fall des wegen pro-kurdischer Aktivitäten verhafteten Italieners Dino Frisullo anzusprechen und von den türkischen Behörden ausführlichere Informationen und Erklärungen dazu zu fordern, vgl. Stellungnahme Kommissar Pinheiro i. d. EP-Sitzung v. 2.4.1998, ABl. 1998 Anhg. Nr. 4–517, S. 343 f. 352 Vor allem das EP bewegt sich hier allerdings oft in einem kompetenzrechtlich fragwürdigen Grenzbereich: So forderte es etwa im eben genannten Fall „Frisullo“ mit einer unmittelbar an die türkische Regierung und das türkische Parlament gerichteten Resolution ausdrücklich die unverzügliche Freilassung dieses Unionsbürgers, vgl. die „Entschl. zur Festnahme und Inhaftierung des italienischen Staatsbürgers Dino Frisullo in der Türkei“ v. 2.4.1998, ABl. 1998 C 138, S. 175. 351

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der Wahrung bestimmter Menschenrechte basiert. Die Grundstruktur der dabei verwendeten Klauseln orientiert sich seit 1995 an einem einheitlichen Muster des Rates.354 Danach bildet die Achtung grundlegender Menschenrechte und demokratischer Grundsätze „die Grundlage der Innen- und Außenpolitik“ der Parteien und stellt einen „wesentlichen Bestandteil“ des jeweiligen Abkommens dar. Ergänzend dazu sieht eine Schlussbestimmung zumeist Konsultationspflichten und weitergehende Maßnahmen für den Fall einer Nichtbeachtung dieser Grundsätze vor.355 In der Praxis haben diese Menschenrechtsklauseln eine erhebliche Relevanz. Mit ihrer Hilfe verfügt die EG zwischenzeitlich schon gegenüber mehr als 120 Drittstaaten über originäre Einwirkungsmöglichkeiten in Menschenrechtsfragen.356 Besondere Bedeutung kommt in dieser Hinsicht sowohl zahlenmäßig wie politisch der Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten zu, die speziell dazu verpflichtet wurden, „sämtliche Grundfreiheiten und Menschenrechte zu fördern und zu schützen, und zwar sowohl die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen als auch die bürgerlichen und politischen Rechte“.357 Der Gemeinschaft ist es auf dieser Grundlage nicht nur möglich, in einen dauerhaften politischen Dialog mit potentiellen Verletzerstaaten einzutreten,358 sondern bei schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen notfalls auch mit Sanktionen zu intervenieren. Dabei geht es nicht allein um die Möglichkeit einer Suspendierung oder Beendigung der Vertragsbeziehungen zum Verletzerstaat359, die in aller Regel ohnehin nur als letztes Mittel gegen schwerwiegende und systematische Menschenrechtsverstöße in Betracht käme. Nicht zu unterschätzende Druckmittel liegen vielmehr bereits in der Möglichkeit zur Aussetzung höherrangiger Kontakte sowie zur Veränderung vereinbarter Kooperationsprogramme.360 353 Ausgenommen davon blieben lediglich sektorbezogene Abkommen, etwa über Textilien oder landwirtschaftliche Produkte. 354 Bull. EG 5/95, Ziff. 1.2.3. Vertiefend zur historischen Entwicklung Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 173 ff. 355 Kommission, EU-Dok. KOM(2001) 252endg., S. 10. Grundlegend zur Auslegung und Typologie der gemeinschaftlichen Menschenrechtsklauseln Bulterman, Human Rights, S. 144 ff.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 264 ff.; Riedel/Will, in: EU and Human Rights, S. 723, 726 ff. 356 Kommission, EU-Dok. KOM(2001) 252endg., S. 4 und 10. Vgl. konkret z. B. Art. 1 Abs. 1 Kooperationsabkommen zwischen der EG und Indien v. 20.12.1993, ABl. 1994 L 223, S. 23 ff. 357 Art. 9 Abs. 2 Partnerschaftsabkommen v. Cotonou („Lomé V“) v. 23.6.2000, ABl. 2000 L 317, S. 3 ff. 358 Vgl. dazu die vom Europ. Rat am 13.12.2001 beschlossenen „Leitlinien der Europäischen Union für Dialoge im Bereich der Menschenrechte“, Ratsdok. 14469/01. 359 Auf diese Möglichkeit wies schon EuGH Slg. 1996 I, S. 6177, 6217/Rn. 27 hin.

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Keine der zahlreichen Menschenrechtsklauseln sieht jedoch bezeichnenderweise konkrete Protektionsbefugnisse im hier untersuchten Sinne vor. Wortlaut und Sinnzusammenhang machen vielmehr jeweils deutlich, dass Ziel dieser Bestimmungen nicht die Abwehr konkreter Verletzungen im Einzelfall, sondern allein eine generelle Verbesserung der Menschenrechtssituation ist.361 So wird den Menschenrechten schon im Muster des Rates ausdrücklich nur eine Rolle als allgemeine „Grundlage“ der Innen- und Außenpolitik der Vertragsparteien und „wesentlicher Bestandteil“ des jeweiligen Abkommens zugesprochen. Die Einhaltung der vereinbarten menschenrechtlichen Standards ist danach zwar allgemeine „Vorbedingung für [die] wirtschaftliche und sonstige Zusammenarbeit im Rahmen der Abkommen“,362 nicht aber eine in jedem Einzelfall erzwingbare Vertragspflicht. Dies zeigt sich auch daran, dass die Gemeinschaftsabkommen die Folgen von Menschenrechtsproblemen und materiellen Vertragsverstößen durchweg gesondert regeln.363 Nicht jede individuelle Menschenrechtsverletzung stellt also offensichtlich zugleich schon eine Vertragsverletzung dar, gegen die die Gemeinschaft ohne weiteres einschreiten könnte. Hierin unterscheiden sich die Menschenrechtsklauseln grundlegend von den oben untersuchten Fischerei- und Handelsvereinbarungen, die jeweils unmittelbar auf die Schaffung geschützter Betätigungsmöglichkeiten für individuelle Wirtschaftsakteure abzielten und deshalb gerade ausnahmslose Geltung beanspruchen konnten. Zwar mag – wie schon oben angedeutet – selbst im Rahmen der Menschenrechtsklauseln unter Umständen eine Thematisierung konkreter Verletzungsfälle notwendig werden, um strukturelle Umsetzungsdefizite in einzelnen Bereichen zu belegen oder unterschiedliche Menschenrechtsverständnisse zu verdeutlichen. So sah die Kommission beispielsweise in der Aufklärung des eingangs geschilderten Falles „Turra“ durch die kolumbianischen Gerichte einen wesentlichen Prüfstein für die im Kooperationsabkommen mit der Andengemeinschaft vereinbarte Menschenrechtsklausel.364 Sie verfolgte deshalb die Lage durch ihre Delegation in Santa Fé 360 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-2623/97, ABl. 1998 C 82, S. 117; dies., EU-Dok. KOM(2001) 252endg., S. 9 f. Vgl. zu den verfahrensrechtlichen Einzelheiten das Interne Abkommen zwischen den im Rat vereinigten Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten, ABl. 2000 L 317, S. 376 ff. 361 Bulterman, Human Rights, S. 190 f. und 197 ff. 362 Rat, EU-Jahresbericht zur Menschenrechtslage v. 11.10.1999, Ziff. 4.2.5 . 363 Vgl. etwa Art. 96 und Art. 97 Partnerschaftsabkommen v. Cotonou (Nw. in Fn. 357). 364 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-4108/97, ABl. 1998 C 196, S. 79 unter Bezugnahme auf Art. 1 Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit zwischen der EWG und dem Abkommen von Cartagena und seinen Mitgliedsländern v. 23.4.1993 (ABl. 1998 L 127, S. 10 ff.).

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de Bogotá genau und entsandte in Abstimmung mit den diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten eigene Prozessbeobachter in das Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Mörder.365 Auch der Rat zeigte sich in diesem Fall besorgt über die Sicherheit ausländischer Besucher in Kolumbien und kündigte an, gegenüber den dortigen Behörden weiterhin die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten einzufordern.366 All dies darf jedoch nicht zu dem Missverständnis verleiten, die Gemeinschaftsorgane gewährten insoweit einzelnen Opfern von Menschenrechtsverletzungen gezielt diplomatischen Schutz. Die individuelle Verletzung bleibt hier vielmehr allein exemplarischer Indikator einer auf langfristige Strukturveränderungen abzielenden Menschenrechtspolitik. Zusammenfassend erlauben die Menschenrechtsklauseln also zwar eine nachhaltige Verbesserung der strukturellen Ausgangsbedingungen und einen grundlegenden Dialog über das jeweilige Werteverständnis, nicht aber die umfassende Behandlung aller Menschenrechtsfragen als „besonderen Bereich der Zusammenarbeit“.367 Eigenständige diplomatische Schutzmaßnahmen der EG sind hier damit ausgeschlossen. Entsprechendes gilt auch für die Einbeziehung menschenrechtlicher Fragen in das aus Art. 181a EGV oder anderen Bestimmungen abgeleitete Sekundärrecht. Dabei geht es vor allem um die Verordnung 976/99/EG, die die fünf großen Auslandshilfeprogramme der Gemeinschaft (PHARE, TACIS, ALA, MEDA, CARDS) mit einem Finanzvolumen von insgesamt rund 5 Milliarden Euro pro Jahr auf menschenrechtliche Ziele verpflichtet.368 Hinzu kommen weitere menschenrechtliche Druckmittel wie die Koppelung „autonomer“, also einseitig gewährter Handelspräferenzen an die Einhaltung bestimmter arbeitsbezogener Menschenrechte (insbesondere des Sklaverei- und Zwangsarbeitsverbots), was der Gemeinschaft punktuell sogar außenpolitische Einwirkungsmöglichkeiten auf vertraglich nicht gebundene Drittstaaten eröffnet.369 Auch diese menschenrechtlichen Instrumente dienen jedoch allein einer strukturellen Verbesserungen der allgemeinen gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Dies zeigt sich besonders 365 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1209/97, ABl. 1997 C 367, S. 98; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-4108/97, ABl. 1998 C 196, S. 79; dies., Antwort auf EPAnfr. E-0959/98, ABl. 1998 C 386 S. 63 f. Auch in anderen Fällen verfolgte die Kommission intensiv die strafrechtliche Ahndung von Verbrechen an Unionsbürgern, vgl. bspw. ihre Antwort auf EP-Anfr. E-4139/00, ABl. 2001 C 340E, S. 9. 366 Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-1208/97, ABl. 1997 C 373, S. 87 f. 367 So ausdrücklich EuGH Slg. 1996 I, S. 6177, 6218/Rn. 28 für die gegenüber Indien gebrauchte Menschenrechtsklausel. 368 VO 976/99/EG v. 29.4.1999, ABl. 1999 L 120, S. 8 ff. Vertiefend zu den Einzelheiten dieser Koppelung Kommission, EU-Dok. KOM(2001) 252endg., S. 13 f. 369 Grundlegend dazu VO 2501/01/EG, ABl. 2001 L 346, S. 1 ff.; Zimmermann, in: Groeben/Schwarze, Art. 177 EG Rn. 36 ff.

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in der Verordnung 976/99/EG, die ausweislich ihrer Erwägungsgründe in menschenrechtlicher Hinsicht allein zur „Wahrung der rechtsstaatlichen Grundsätze im Rahmen eines die persönlichen Grundfreiheiten achtenden politischen Systems“ beitragen soll.370 In gleicher Weise sind auch die gemeinschaftlichen Zollpräferenzen ausdrücklich nicht an einzelne Schutzfälle, sondern an die generelle Wahrung bestimmter arbeitsbezogener Menschenrechte gekoppelt.371 Ein Einsatz dieser Instrumente kommt also jeweils nur in Betracht, um die betroffenen Drittstaaten zu strukturellen Verbesserungen zu drängen. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten: Die Europäische Gemeinschaft ist weder primär- noch sekundärrechtlich befugt, individuellen Opfern konkreter Menschenrechtsverletzungen eigenständig Schutz zu gewähren.372 cc) Schutz außerhalb vergemeinschafteter Außenpolitiken Zu untersuchen bleibt abschließend die Verteilung der Schutzkompetenzen in Bereichen, die materiell-rechtlich allein den Mitgliedstaaten vorbehalten sind. Ein wichtiges Beispiel hierfür bildet insbesondere der internationale Eigentums- und Investitionsschutz, der nach allgemeiner Ansicht ausschließlich mitgliedstaatlicher Regelungsgewalt unterfällt.373 Eigenständige Schutzbefugnisse der EG im bislang untersuchten Sinne kommen hier von vornherein nicht in Betracht. Denn eine Herleitung impliziter Handlungskompetenzen ist auf der eingangs dargestellten Grundlage grundsätzlich nur möglich, wenn zunächst überhaupt entsprechende materielle An370

VO 976/99/EG (Nw. in Fn. 368) Erwgg. 15 und 9. VO 2501/01/EG (Nw. in Fn. 369) Art. 14 Abs. 2, Art. 26 Abs. 1. Auch Art. 26 Abs. 1 lit. a, wonach „jegliche Form“ von Sklaverei oder Zwangsarbeit eine Rücknahme der Zollpräferenzen rechtfertigt, zielt dabei nicht auf Einzelfälle ab: Im systematischen Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 2 wird vielmehr deutlich, dass auch hier allein die Schaffung menschenrechtskonformer legislativer und administrativer Strukturen im Vordergrund steht. 372 Zu Unrecht verweisen T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 37; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, S. 335 ff.; ders., Schutzpflichten, S. 679 ff. auf eine angeblich gegenteilige „Gemeinschaftspraxis“: Sie übersehen dabei, dass die einzelnen Organe in ihrer institutionellen Doppelrolle (Art. 5 und 3 Abs. 1 EUV) alternierend auch für die EU auftreten. Dazu vertiefend später S. 126 ff. 373 Vignes, RdC 210 (1988 III), S. 224, 334; Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-1048/00, ABl. 2001 C 53E, S. 63; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-0664/00, ABl. 2001 C 26E, S. 85; dies., Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0293/00 bis E-02302/00 sowie E-0398/00, ABl. 2001 C 26 E, S. 28 ff.; dies., Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-3626/98, E-3628/98 und E-3629/98, ABl. 1999 C 207, S. 95. Auch in den Gemeinschaftsabkommen konnten Fragen des Eigentums- und Investitionsschutzes deshalb nur unter Beteiligung der Mitgliedstaaten geregelt werden, wie. z. B. in Art. 74 ff. AKP-EG-Partnerschaftsabkommen (Nw. in Fn. 357). 371

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knüpfungsbefugnisse bestehen. Fraglich ist jedoch, ob der EG damit außerhalb der ihr zugewiesenen Politiken generell jede Beteiligung an Schutzaktivitäten verwehrt ist. (1) Grundlagen einer „unterstützenden“ Schutzkompetenz Betrachtet man allein die Verteilung der sachlichen Einzelkompetenzen, scheinen Protektionsbefugnisse außerhalb der vergemeinschafteten Außenpolitiken von vornherein ausgeschlossen. Bei näherer Untersuchung zeigt sich allerdings, dass ein solcher Schluss zu gravierenden Schutzlücken führen müsste. Denn es darf nicht übersehen werden, dass die Mitgliedstaaten in den letzten Jahren zahlreiche Außenbefugnisse an die EG abgegeben haben. Sie verloren dadurch zentrale völkerrechtliche Druckmittel, die zuvor zum umfassenden Schutz ihrer Staatsangehörigen genutzt werden konnten. Dies gilt insbesondere für handelspolitische Retorsionen und Repressalien, die angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung und des völkerrechtlichen Gewaltverbots374 inzwischen zu den wichtigsten Mitteln zählen, um das Verhalten anderer Konfliktparteien nachhaltig zu beeinflussen: Nach Art. 133 EGV sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht mehr zur Verhängung derartiger Maßnahmen befugt.375 Dürfte nun umgekehrt auch die EG keinen schützenden Gebrauch von den ihr damit übertragenen völkerrechtlichen Einflussmöglichkeiten machen, stünden diese zentralen Druckmittel in Fällen der hier untersuchten Art überhaupt nicht mehr zum Schutz einzelner Individuen zur Verfügung. Ein solches Ergebnis aber wäre mit einer auf Stärkung der Gemeinschaftsrechtsordnung ausgerichteten Auslegung unvereinbar: Es käme allein dritten Verletzerstaaten zu gute. Art. 297 EGV vermag diese Schutzlücke für sich genommen nicht zu schließen. Er ermöglicht den Mitgliedstaaten zwar, im Kriegsfall oder bei einer ernsten, eine Kriegsgefahr darstellenden internationalen Spannung ausnahmsweise von der gemeinschaftlichen Kompetenzverteilung abzuweichen und so gegebenenfalls auch selbst Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Als Durchbrechung der üblichen Zuständigkeitsregeln ist diese Norm jedoch eng auszulegen. Sie setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, dass der betreffende Mitgliedstaat bereits unmittelbar in zwischenstaatliche militärische Auseinandersetzungen verwickelt ist oder eine solche Verwicklung zumindest ernsthaft droht.376 Da sich Konflikte um den Schutz eigener Staatsangehöriger praktisch immer unterhalb dieser Schwelle bewegen, ist den ein374

Grundlegend insoweit Art. 2 Abs. 4 UNO-Charta. Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 166 ff.; Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 8 ff. 376 Gilsdorf/Brandtner, in: Groeben/Schwarze, Art. 297 EG Rn. 9 f.; U. Karpenstein, in: Schwarze, Art. 297 EGV Rn. 5. 375

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zelnen Mitgliedstaaten im Normalfall ein Rückgriff auf diese Instrumente von vornherein verwehrt. Zur Durchführung solcher Schutzmaßnahmen kann mithin nur die EG selbst befugt sein. Fraglich ist jedoch, woraus sich in derartigen Fällen ein „unterstützendes“ Schutzrecht der Gemeinschaft ergeben könnte und an welche Voraussetzungen es im einzelnen geknüpft ist. Hinsichtlich ergänzender völkerrechtlicher Wirtschaftssanktionen kommt primär ein Rückgriff auf Art. 301 EGV in Betracht. Danach trifft der Rat die erforderlichen Sofortmaßnahmen, wenn in nach Maßgabe der GASP beschlossenen gemeinsamen Standpunkten oder gemeinsamen Aktionen ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorgesehen ist, um die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen. Entsprechendes gilt nach Art. 60 EGV auch für Druckmittel auf dem Gebiet des internationalen Kapital- und Zahlungsverkehrs. Zweifelhaft ist allerdings, ob der nach diesen Bestimmungen notwendige (einstimmige) GASP-Beschluss auch in den hier untersuchten Fällen erforderlich ist. Denn völkerrechtlicher Träger des zu Grunde liegenden diplomatischen Schutzanspruchs ist grundsätzlich nicht die Gesamtheit aller Mitgliedstaaten, sondern nur der Heimatstaat des geschädigten Individuums. Dies könnte dafür sprechen, dass die Gemeinschaft – gestützt etwa auf Art. 133 oder Art. 57 Abs. 2 EGV – schon dann tätig werden darf, wenn allein dieser Staat um Beistand bittet.377 Eine solche Betrachtung greift jedoch zu kurz. Denn selbst wenn hier der Sanktionsanlass nur von einem Mitgliedstaat ausgeht, betreffen die Sanktionsfolgen doch regelmäßig auch die übrigen Mitgliedstaaten. Die von Art. 301 bzw. 60 EGV geforderte umfassende Abstimmung im Rahmen der GASP ist vor diesem Hintergrund auch im Bereich des diplomatischen Schutzes geboten. Auch Wortlaut und Entstehungsgeschichte deuten darauf hin, dass mit Art. 301 und 60 EGV abschließende Spezialvorschriften für die Einbindung der außenwirtschaftlichen Gemeinschaftsbefugnisse in die mitgliedstaatlichen Außenpolitiken geschaffen werden sollten.378 Für weitergehende individuelle Schutzaufforderungen von Seiten einzelner Mitgliedstaaten bleibt damit neben diesen Bestimmungen kein Raum. Die Gemeinschaft kann379 also in Schutzfällen „unterstützen377 So i. E. Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 106. Zum Streit, ob Art. 133 EGV eine ausreichende Kompetenzgrundlage für Wirtschaftssanktionen darstellt, vgl. schon EuGH Slg. 1995 I, S. 3189, 3223 f. und in der Literatur – statt vieler – Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 41 ff. 378 Osteneck, in: Schwarze, Art. 301 EGV Rn. 9; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 193 ff.; H. Schneider, in: G/H Archivband, Art. 228a EGV Rn. 7 und 19; ders., Wirtschaftssanktionen, S. 152 f.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, Rn. 1494. 379 Sie ist dazu nicht verpflichtet, da GASP-Beschlüsse nach Art. 14 Abs. 3 bzw. 15 EUV ausdrücklich nur die Mitgliedstaaten binden und andernfalls zudem die völ-

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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den“ Gebrauch von den ihr zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Druckmitteln machen, wenn sie dazu durch einen entsprechenden GASPBeschluss ermächtigt wurde. Ein besonderer impliziter Zusammenhang mit den vergemeinschafteten Sachkompetenzen ist in diesen Fällen – anders als oben – nicht erforderlich. Das eben aufgeworfene Problem beschränkt sich indes nicht auf die Aussetzung, Einschränkung oder vollständige Einstellung von Wirtschaftsbeziehungen.380 Auch an anderen Stellen sind der Gemeinschaft weit reichende eigene völkerrechtliche Einflussmöglichkeiten übertragen, von denen die Mitgliedstaaten nicht mehr aus eigener Kompetenz Gebrauch machen können. Dies gilt etwa für Sanktionen im Rahmen der auf Art. 151 Abs. 3 bzw. Art. 149 Abs. 3 EGV gestützten Förderprogramme für den internationalen Kultur- und Bildungsaustausch oder für Einschränkungen der in Art. 177 ff. EGV vorgesehenen gemeinschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit. Nicht weniger als im Bereich der Wirtschaftssanktionen stellt sich hier jeweils die Frage, inwieweit diese Einflussmöglichkeiten zum Schutz verletzter Individuen eingesetzt werden dürfen. So stieß in den letzten Jahren beispielsweise auf scharfe Kritik, dass die EG Hilfsmittel in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro für Äthiopien vorsah, ohne dies von Wiedergutmachungszahlungen für die völkerrechtswidrige Enteignung zahlreicher Unionsbürger unter dem Mengistu-Regime abhängig zu machen.381 Auch im Zusammenhang mit der bevorstehenden EG- und EU-Osterweiterung wurde im Europäischen Parlament immer wieder die Forderung erhoben, die Vertreibungen und Eigentumskonfiskationen der Nachkriegszeit in den Beitrittsverhandlungen zu thematisieren.382 Stünden die auf die Gekerrechtliche Eigenverantwortlichkeit der EG weitgehend entwertet würde. Wie hier Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 9; H. Schneider, in: G/H Archivband, Art. 228a EGV Rn. 10; a. A. Osteneck, in: Schwarze, Art. 301 EGV Rn. 10; Gilsdorf/ Brandtner, in: Groeben/Schwarze, Art. 301 EG Rn. 6. 380 Zum Begriff der „Wirtschaftsbeziehung“ Osteneck, in: Schwarze, Art. 301 EGV Rn. 5; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 195 f.: Unter Art. 301/60 EGV fällt danach über den Handelsverkehr i. e. S. hinaus allgemein jeder außenwirtschaftliche Kontakt, nicht aber bspw. die primär entwicklungspolitisch oder kulturell motivierte Zusammenarbeit. 381 EP-Anfr. E-0879/01 an die Kommission, ABl. 2001 C 318E, S. 141 f.; EP-Anfr. P-1956/01 an die Kommission, ABl. 2001 C 364E, S. 230 f.; EP-Anfr. E-3422/02 an die Kommission, Abl. 2004 C 11E, S. 56 f. 382 EP-Anfr. E-0193/02 an den Rat, ABl. 2002 C 309E, S. 14; EP-Anfr. E-0194/ 02 bis E-0197/02 an die Kommission, ABl. 2002 C 309E, S. 14 ff.; EP-Anfr. E-0574/02 an den Rat, ABl. 2002 C 309E, S. 29; EP-Anfr. E-2007/01 an die Kommission, ABl. 2002 C 115E, S. 27; EP-Anfr. P-1948/00 an die Kommission, ABl. 2001 C 72E, S. 155 f.; EP-Anfr. P-1048/00 an die Kommission, ABl. 2001 C 53E, S. 63; EP-Anfr. E-0697/00 und E-0698/00 an die Kommission, ABl. 2001 C 53E, S. 18; EP-Anfr. P-0664/00 an die Kommission, ABl. 2001 C 26E, S. 85; EP-Anfr.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

meinschaft übertragenen Außenkompetenzen in solchen Fällen nicht weiterhin als individualschützendes Druckmittel zur Verfügung, wäre den Mitgliedstaaten die Durchsetzung entsprechender Abwehr- und Wiedergutmachungsansprüche tatsächlich erheblich erschwert. Weitergehend bestünde sogar die Gefahr, dass selbst die noch verbliebenen staatlichen Einflussmöglichkeiten durch gegensätzliche Maßnahmen der EG konterkariert würden. So wurde im Europäischen Parlament zu Recht die Frage aufgeworfen, ob die geplante Aufstockung der gemeinschaftlichen Entwicklungshilfemittel von der äthiopischen Regierung nicht als Bestätigung ihres unnachgiebigen Kurses in den mitgliedstaatlichen Schutzverhandlungen missverstanden werden könne.383 Nur wenn die EG im Rahmen aller von ihr wahrgenommenen Außenbefugnisse grundsätzlich auch die Schutzbelange einzelner Mitgliedstaaten berücksichtigen und unterstützen darf, ist danach eine effektive Ausgestaltung der gemeinschaftlichen Kompetenzordnung überhaupt möglich.384 Voraussetzung eines solchen „unterstützenden“ diplomatischen Schutzes ist allerdings auch hier eine entsprechende Aufforderung von Seiten der Mitgliedstaaten im Rahmen eines gemeinsamen Standpunkts oder einer gemeinsamen Aktion. Zwar ist dies im EG-Vertrag nicht ausdrücklich bestimmt. Die Ausgangslage entspricht jedoch im Kern den in Art. 301 und 60 EGV geregelten Fällen: Hier wie dort stellt sich das Problem, wie die der Gemeinschaft übertragenen Völkerrechtsinstrumente bestmöglich zur Unterstützung von originär mitgliedstaatlichen Schutzansprüchen nutzbar gemacht werden können. Das vertragliche Regelungsmodell der Art. 301 und 60 EGV ist danach grundsätzlich auch auf alle völkerrechtlichen Druckmittel der EG übertragbar. Die Europäische Gemeinschaft kann somit in den hier untersuchten Fällen diplomatischen Schutz zwar nicht eigenständig, wohl aber im Rahmen eines von allen Mitgliedstaaten beschlossenen gemeinsamen Standpunkts oder entsprechender gemeinsamer Aktionen gewähren.385 Umgekehrt ist ihr vor einem solchen GASP-Beschluss konsequenterweise jedes spezifisch schützende Tätigwerden verwehrt. E-0293/00 bis E-02302/00 sowie E-0398/00 an die Kommission, ABl. 2001 C 26E, S. 28 ff.; EP-Anfr. E-3626/98, E-3628/98 und E-3629/98 an die Kommission, ABl. 1999 C 207, S. 95. 383 EP-Anfr. P-1956/01 an die Kommission, ABl. 2001 C 364E, S. 230 f. 384 Ähnlich i. E. schon Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780, 795 f. Allgemein für ergänzende Repressalienbefugnisse der EG aber auch Arnold, in: Dauses II, K. I Rn. 111; Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 106 f.; Kuyper, in: Essays, S. 141, 161; H. Schneider, Wirtschaftssanktionen, S. 112 f. und 238; Sturma, RMC 1993, S. 250, 263; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 13 f.; ders. in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 153 ff.; Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 88 f. – Sehr viel enger demgegenüber Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 5; Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 168 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Zu Recht stellten Rat und Kommission damit in den beiden oben angesprochenen Schutzfällen fest, dass jeweils allein die jeweiligen Heimatstaaten zur Protektion der Betroffenen befugt seien.386 Denn weder hinsichtlich der Konfiskationsmaßnahmen unter Mengistu noch hinsichtlich der Vertreibungswellen im Nachkriegseuropa hatte Rat die EG durch entsprechende GASP-Beschlüsse zu einem ergänzenden Tätigwerden aufgefordert. Den Gemeinschaftsorganen blieb damit nur die Möglichkeit, die in diesen Fällen zu Tage tretenden grundsätzlichen Strukturdefizite in verallgemeinernder Form gegenüber den Verletzerstaaten zu thematisieren.387 Weitergehende Schutzaktivitäten für konkrete Individuen blieben ihnen unter diesen Umständen dagegen von vornherein untersagt. So war es den Gemeinschaftsorganen insbesondere verwehrt, den Beitritt einzelner mittel- und osteuropäischer Staaten gezielt mit der entsprechenden Wiedergutmachungsfragen zu verbinden, wie dies zuvor von einzelnen Europaabgeordneten gefordert worden war.388 Die Klärung entsprechender Streitigkeiten blieb unter den gegebenen Voraussetzungen vielmehr die alleinige Aufgabe der betroffenen Heimatstaaten, wie Rat und Kommission in ihren Stellungnahmen zutreffend hervorhoben. Auch in anderen, vergleichbar gelagerten Fällen zeigten 385

Ähnlich i. E. schon Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 88 f. So für die Konfiskationen in Äthiopien Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0879/01, ABl. 2001 C 318E, S. 141 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-3422/02, ABl. 2004 C 11E, S. 57. Ebenso für Schutzaktivitäten hinsichtlich der tschechoslowakischen „Benesˇ-Dekrete“ bspw. Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-0574/02, ABl. 2002 C 309E, S. 29; Kommission, Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-3626/98, E-3628/ 98 und E-3629/98, ABl. 1999 C 207, S. 95. 387 Tatsächlich sprach die Kommission die Problematik des Eigentums- und Investitionsschutzes beispielsweise in Slowenien (vgl. Kommission, Antwort auf EPAnfr. P-1948/00, ABl. 2001 C 72E, S. 155 f.; dies., Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0194 bis 0197/02, ABl. 2002 C 309E, S. 15 f.) und Äthiopien (vgl. Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0879/01, ABl. 2001 C 318E, S. 141 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-1956/01, ABl. 2001 C 364E, S. 230 f.) jeweils in generalisierter Form an. – Aufschlussreich zur Verallgemeinerung konkreter Schutzfälle auch Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-0356/98, ABl. 1998 C 323, S. 32 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. P-3671/01, ABl. 2003 C 28E, S. 10: Danach nahm die Kommission die Beeinträchtigung mehrerer Individuen in Russland zum Anlass, in den gemeinsamen europäisch-russischen Vertragsgremien generell die Sicherheit und den Schutz der Rechte der vor Ort tätigen EU-Bürger zu thematisieren. Ähnlich auch Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1152/03, ABl. 2004 C 51E, S. 63 f. 388 Vgl. zu dieser Frage zuletzt die im Oktober 2002 veröffentlichten Gutachten von Frowein/Bernitz/Kingsland, EU-Dok. EP (DG IV) 323.374 , denen sich das EP ausdrücklich anschloss (EP, Entschließung zu den Fortschritten jedes Bewerberlandes auf dem Weg zum Beitritt v. 20.11.2002, Ziff. 58, ABl. 2004 C 25E S. 127, 133). Ebenso bereits Kommissar Verheugen/Ministerpräsident Zeman, Gemeinsames Kommuniqué über die Benesˇ-Dekrete v. 11.4.2002 sowie die Antworten von Rat und Kommission auf die oben in Fn. 382 nachgewiesenen EP-Anfragen. 386

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

sich die Gemeinschaftsorgane zu Recht zurückhaltend in Bezug auf unabgestimmte Schutzaktivitäten.389 Insgesamt lässt sich danach für die bisherige Praxis ein positives Fazit ziehen: Die aufgezeigten Kompetenzgrenzen für „ergänzende“ diplomatische Schutzaktivitäten werden von der EG weithin anerkannt und gewahrt. (2) Praktische Fallstudie: Stellvertretende Schutzaktivitäten der Kommissions-Delegationen Auf Grundlage des so hergeleiteten „unterstützenden“ Schutzrechts lässt sich möglicherweise auch eine weitere, in der Literatur bislang weitgehend unbeachtet gebliebene Problematik lösen: Welche Schutzbefugnisse stehen der Kommission in Drittstaaten wie Samoa und Liberia zu, in denen nur sie selbst, aber keiner der Mitgliedstaaten eine eigene diplomatische Vertretung unterhält? Art. 20 EGV bietet für diese Fälle keine Lösung. Denn die dort normierte Pflicht zum stellvertretenden Schutz aller im Hoheitsgebiet eines dritten Landes befindlichen Unionsbürger richtet sich ausdrücklich allein an die Mitgliedstaaten; sie geht deshalb notwendig ins Leere, wenn keiner dieser Staaten eine diplomatische Vertretung vor Ort unterhält. Entsprechendes gilt auch für Art. 20 EUV, wonach sich die Delegationen der Kommission in dritten Ländern an der Durchführung des Art. 20 EGV beteiligen: Wenn Art. 20 EGV in Fällen der hier angesprochenen Art gerade nicht zum Tragen kommt, bleibt auch für eine derartige „Beteiligung“ der Kommission von vornherein kein Raum. Art. 20 EUV ist im Übrigen nicht nur nach seinem eindeutigen Wortlaut, sondern auch nach seinem offenkundigen Sinn keine ausreichende Kompetenzgrundlage für solche Konstellationen: Als generelles Ziel nennen beide Unterabsätze jeweils allein eine verbesserte Abstimmung und intensivierte Zusammenarbeit zwischen Delegationen und den nationalen Botschaften vor Ort. Hier aber geht es nicht um Fragen der dezentralen Kooperation, sondern weit grundsätzlicher um die Kompetenzen 389 So etwa bzgl. des Schutzes der in Südafrika lebenden Unionsbürger vor gewaltsamen Übergriffen: Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-0350/02, ABl. 2003 C 92E S. 4 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-1683/01, ABl. 2002 C 115E S. 8 f.; Rat, Antwort auf EP-Anfr. P-1662/01, ABl. 2002 C 81E S. 48 f. – Vgl. zur einschlägigen Schutzpraxis auch Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-1830/02, ABl. 2003 C 92E S. 97 (Ausweisung britischer Staatsangehöriger aus Zypern); dies., Antwort auf EP-Anfr. P-375/96, ABl. 1996 C 122, S. 39 und Antwort auf EP-Anfr. E-3973/96, ABl. 1997 C 186, S. 146 (Konfiskation griechischen Grundeigentums durch die Türkei); dies., Antwort auf EP-Anfr. E-1470/03, ABl. 2004 C 51E, S. 95 f. (Europäische Häftlinge in Guantanamo Bay); dies., Antwort auf EP-Anfr. E-2255/03, ABl. 2004 C 51E S. 233 f. (Festnahmen in Laos); dies., Antwort auf EP-Anfr. E-1149/03, ABl. 2004 C 51E, S. 63 (Übergriffe auf den Seychellen); Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-1732/02, ABl. 2003 C 92E S. 86 (Ausweisung aus Marokko).

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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der einzigen überhaupt vor Ort befindlichen europäischen Vertretung. Eine explizite vertragliche Regelung dieser Frage ist nach alledem nicht nachweisbar. Gleichwohl wurde die Kommission in solchen Fällen wiederholt tätig. So schaltete sie sich unter anderem ein, als die liberianische Regierung im August 2000 unter fragwürdigen Umständen zwei britische Journalisten inhaftieren ließ. In der Folge nahm die Kommission durch ihre örtliche Delegation eine Vielzahl konsularischer und diplomatischer Aufgaben für die Opfer dieses Übergriffs wahr. Sie trat beispielsweise in unmittelbaren Kontakt zu den Inhaftierten und organisierte ihnen rechtlichen Beistand.390 Überdies veröffentlichte sie eine förmliche Erklärung, in der sie die sofortige Freilassung der Journalisten verlangte.391 Unter Verweis auf ihre Sonderstellung als „einzige offizielle Unionsvertretung“ übernahm die Delegation damit praktisch Aufgaben, die nach klassischem Verständnis allein einer nationalen Botschaft zugestanden hätten. Auch als Anfang 2002 Evakuierungsmaßnahmen für die vom Bürgerkrieg in Liberia bedrohten Unionsbürger geplant werden mussten, erklärte sich die Kommission zur Beherbergung der Betroffenen in ihrer örtlichen Delegation und zu weiterer logistischer wie inhaltlicher Unterstützung bereit.392 Fraglich ist, wie diese Praxis mit dem offenkundigen Fehlen eines ausdrücklichen Kompetenztitels vereinbar ist. Einen tragfähigen Weg schien das Europäische Parlament zeitweise in Einzelfallabsprachen zwischen der Kommission und dem betroffenen Heimatland zu sehen: Jedem Mitgliedstaat müsse grundsätzlich die Möglichkeit offen stehen, auf eigene Botschaften zu verzichten und stattdessen die Delegationen der Kommission mit den entsprechenden Aufgaben zu betrauen.393 Gegen eine solche Lösung sprechen jedoch die schon oben angeführten Bedenken: Jede Beteiligung der Kommission an Schutzkonflikten birgt die Gefahr, dass mittelbar alle Mitgliedstaaten in die betreffende Auseinandersetzung hineingezogen werden. „Unterstützende“ Schutzmaßnahmen der gemeinsamen Organe lassen sich deshalb nicht allein damit legitimieren, dass der betreffende Heimatstaat als solcher mit einem solchen Aufgabenübergang einverstanden war. Einen anderen Begründungsweg deutete die Kommission im Zusammenhang mit den liberianischen Evakuierungsmaßnahmen an:394 Die Zu390 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. H-713/00 (unveröffentlicht): „The Commission Office in Liberia (the only official Union Representation in the country) was actively involved from the first day in the matter, keeping close contact with the arrested journalists, organising their legal representation etc.“. 391 Kommission, Presseerklärung IP/00/941 v. 23.8.2000. 392 EU-Dok. CFSP/COM/0198/02 v. 21.5.2002. 393 EP, „Entschl. zu der gemeinsamen europäischen Diplomatie“ v. 5.9.2000, ABl. 2001 C 135, S. 69 ff., Ziff. 17. 394 EU-Dok. CFSP/COM/0198/02 v. 21.5.2002.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

ständigkeit der Delegationen folge aus einer Zusammenschau von Art. 20 EGV, 20 EUV sowie Art. 5 lit. e des Beschlusses 95/553/EG der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten395, der Unionsbürgern in Not Anspruch auf Hilfe und Rückführung gewähre. Zudem sei die Kommission nach „den Verträgen“ (gemeint war offenbar Art. 27 EUV) auch in vollem Umfang an jedweden Arbeiten im Bereich der GASP zu beteiligen. Selbst eine noch so umfassende „Zusammenschau“ verschiedener Normen kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine der von der Kommission angeführten Bestimmungen derartige Schutzmaßnahmen ausdrücklich legitimiert. Erst mit Hilfe der oben aufgezeigten „unterstützenden“ Schutzkompetenzen lassen sich insoweit systematisch überzeugende Ergebnisse gewinnen: Das Eingreifen der Kommission kann in derartigen Fällen nur mittels einer entsprechenden Ermächtigung von Seiten aller Mitgliedstaaten legitimiert werden. Wie in den Fällen des Art. 301 oder 60 EGV sind also auch die hier untersuchten Schutzaktivitäten nur zulässig, wenn und soweit die Kommission in einer Gemeinsamen Aktion oder Gemeinsamen Stellungnahme zuvor dazu ermächtigt wurde. Dieser Ansatz, für den sich zwischenzeitlich ausdrücklich auch der Juristische Dienst des Rates stark machte,396 gewährleistet eine einheitliche Lösung für alle Fälle, in denen eine ergänzende Heranziehung gemeinschaftlicher Schutzmöglichkeiten erforderlich wird. Er bildet damit den praktisch tragfähigsten Begründungsansatz für derartige Konstellationen. d) Diplomatischer Schutz gegenüber den Mitgliedstaaten Soweit der Europäischen Gemeinschaft nach alledem punktuell eigene Schutzbefugnisse übertragen sind, bleibt abschließend zu klären, ob sich darauf gestützte Aktivitäten nur gegen dritte Völkerrechtssubjekte oder auch unmittelbar gegen Mitgliedstaaten richten können. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob die EG Fischern beistehen dürfte, die innerhalb des Gemeinschaftsgebiets (Art. 299 EGV) oder auf hoher See rechtswidrigen Übergriffen von Seiten eines Mitgliedstaats ausgesetzt sind.397 Für eine 395

ABl. 1995 L 314, S. 73. Vgl. EU-Dok. CFSP/SEC/1173/02 v. 22.5.2002: „There are Guidelines on the protection of nationals in the event of a political crisis or natural disaster, approved by the Political Committee on 12 April 1985 (see CFSP guide, p. IV-24). These Guidelines foresee the possibility of joint action in such event, but this will require a positive decision by the Council, which would also set out the financial arrangements for an evacuation“. 397 Vgl. bspw. die Beschwerde spanischer Fischer über eine Aufbringung ihres Schiffs in britischen Gewässern, EP-Anfr. E-2536 an die Kommission, ABl. 2003 C 92E, S. 182 f. 396

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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solche „innergemeinschaftliche“ Protektionsbefugnis könnte vor allem das grundlegende „Injuries suffered“-Gutachten sprechen. Darin hatte der IGH der UNO ausdrücklich die Befugnis zuerkannt, gerade auch die von ihren Mitgliedstaaten selbst ausgehenden Beeinträchtigungen auf allen völkerrechtlich zulässigen Wegen abzuwehren.398 Allerdings unterschied sich die seinerzeitige Ausgangslage von der hier in Rede stehenden in einem möglicherweise entscheidenden Punkt: Anders als die UNO-Charta enthält der EG-Vertrag in Art. 226 EGV ausdrücklich ein besonderes kontradiktorisches Streitbeilegungsverfahren für Fälle dieser Art.399 Danach kann die Kommission den EuGH anrufen, wenn nach ihrer Auffassung ein Mitgliedstaat gegen eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung verstoßen hat und ein außergerichtliches Vorverfahren erfolglos blieb. Die Entscheidung des Gerichtshofs ist für den Mitgliedstaat nach Art. 228 EGV verbindlich. Ob neben diesem besonderen Verfahren noch Raum für besondere „Schutzaktivitäten“ der EG bleibt, erscheint zumindest zweifelhaft. Das damit angesprochene Problem blieb in der Literatur bislang ungelöst. Allerdings existieren bereits eine Reihe von Überlegungen zur parallel gelagerten Frage, ob ein Mitgliedstaat seinen Angehörigen umgekehrt diplomatischen Schutz gegen die EG oder andere Mitgliedstaaten gewähren dürfe. Für diese Fälle wird zum Teil behauptet, dass Schutzaktivitäten generell ausgeschlossen seien, soweit im Kern allein eine Verletzung der Gemeinschaftsrechtsordnung in Rede stehe.400 Grund dafür sei allerdings nicht erst die Existenz spezieller Klageverfahren im EG-Vertrag. Vielmehr lägen hier schon die vom allgemeinen Völkergewohnheitsrecht geforderten Voraussetzungen des diplomatischen Schutzes nicht vor. Denn als „Wirtschaftsbürger“ seien die betroffenen Individuen von ihren Heimatstaaten emanzipiert und zu eigenständigen Rechtssubjekten mit weit reichenden Durchsetzungsmöglichkeiten geworden. Eine Verletzung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Stellung beeinträchtige sie deshalb selbst und unmittelbar, während das Recht des Heimatstaates auf völkerrechtsgemäße Behandlung der ihm zugeordneten Personen insoweit keine Rolle mehr spiele. Die den Mitgliedstaaten in Art. 227 ff. EGV eröffneten Klagemöglichkeiten seien folglich auch kein Fall des diplomatischen Schutzes, sondern dienten allein der generellen Wahrung des EG-Vertrags. Dies zeige sich nicht zuletzt daran, dass die Mitgliedstaaten auf diesem Wege jede Gemeinschaftsrechtsverletzung rügen können, selbst wenn von ihr allein fremde Staatsangehörige betroffen sind. Andere Autoren halten demgegenüber diplomatischen Schutz von Seiten 398

ICJ Rep. 1949, S. 174, 181 ff. Die UNO-Charta sieht dagegen in Art. 96 für die Organe nur die Möglichkeit vor, ein nicht vollstreckbares Rechtsgutachten des IGH einzuholen. 400 Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1064 f.; ders., in: FS Carstens I, S. 339, 346 ff. 399

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

der Mitgliedstaaten weiterhin für möglich.401 Sie verstehen Art. 227 ff. EGV allein als ein vorrangig auszuschöpfendes Rechtssystem, das jedoch einen Rückgriff auf weitergehende Zwangsmittel zu Schutzzwecken nicht ausschließe. Denn selbst ein „Wirtschaftsbürger“ bleibe im Ernstfall immer noch auf die ergänzenden Druckmittel seines Heimatstaates angewiesen: Weder prozessrechtlich noch faktisch seien die betreffenden Individuen umfassend zur Abwehr aller Gemeinschaftsrechtsverletzungen in der Lage. Diplomatischer Schutz bleibe damit zur Vermeidung von Schutzlücken auch in der Gemeinschaftsrechtsordnung weiterhin notwendig. Konsequenz dieser Ansicht ist vor allem, dass die Mitgliedstaaten als letztes Schutzmittel auch auf einseitige Repressalien zurückgreifen können, wenn sich die in Art. 227 ff. EGV vorgesehenen Abwehrmöglichkeiten als unzureichend erweisen.402 Beide Konzepte lassen sich sinngemäß auf die hier in Rede stehende Konstellation übertragen. Geht man mit der erstgenannten Auffassung von einer verselbständigten Stellung des Individuums innerhalb der EG-Rechtsordnung aus, kann hier für gemeinschaftliche Schutzaktivitäten nicht mehr Raum bleiben als für eine Protektion von Seiten des jeweiligen Heimatstaates. Sieht man dagegen mit der zweitgenannten Ansicht in Art. 226 EGV allein ein (auch) in Schutzfällen vorrangig auszuschöpfendes Rechtssystem, sind weitergehende Abwehrmaßnahmen durch die EG prinzipiell durchaus denkbar. Praktisch führen beide Wege im Regelfall zu dem selben Ergebnis: Die Europäische Gemeinschaft kann auf dem in Art. 226 EGV vorgesehenen Weg gerade auch gegen solche mitgliedstaatlichen Vertragsverstöße vorgehen, die einzelne Individuen beeinträchtigen; weitergehende Schutzaktivitäten sind ihr daneben grundsätzlich nicht erlaubt. Erst wenn der betreffende Verletzerstaat einem Urteil des EuGH endgültig nicht nachzukommen bereit ist und auch das in Art. 228 Abs. 2 EGV vorgesehene spezielle Sanktionsverfahren erfolglos bleibt, zeigen sich die Konsequenzen der beiden unterschiedlichen Auffassungen. Vieles spricht dafür, der EG in solchen Extremfällen den Rückgriff auf unterstützende Schutzaktivitäten nicht vollends zu verwehren. Denn andernfalls wäre das Gemeinschaftsrecht letztlich weniger gesichert als das interne Recht jeder anderen internationalen Organisation und das allgemeine Völkerrecht selbst.403 Auch Art. 309 EGV und 401

So etwa Ress, in: Der diplomatische Schutz, S. 83, 92 ff. Vgl. auch Bleckmann, EWS 6 (1995), S. 213, 215 f., der die Vertragsverletzungsklage beim EuGH ausdrücklich als Unterform des diplomatischen Schutzes bezeichnet. 402 Für die generelle Zulässigkeit mitgliedstaatlicher Repressalien im Gemeinschaftsrecht auch Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der EG, S. 156 ff.; P. Karpenstein/U. Karpenstein, in: G/H II, Art. 228 EGV Rn. 47; Simma, NYIL 16 (1985), S. 111, 127 ff. – A. A. Everling, in: FS Mosler, S. 173, 181 f.; Schwarze, EuR 18 (1983), S. 1, 22 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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Art. 7 EUV bieten für diese Fälle keine ausreichende Lösung. Denn die Nichtbefolgung eines EuGH-Urteils begründet für sich genommen grundsätzlich noch keine schwerwiegende und anhaltende Verletzung von Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit.404 Sollen hier auf Gemeinschaftsebene keine Schutzlücken entstehen, darf das in Art. 226 und 228 EGV genannte Verfahren nicht als abschließendes innergemeinschaftliches Schutzinstrumentarium verstanden werden. e) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist damit die eingangs gestellte Frage nach der Reichweite diplomatischer Schutzbefugnisse der EG differenzierend zu beantworten: Die Europäische Gemeinschaft ist grundsätzlich nicht umfassend befugt, verletzten Individuen von sich aus diplomatischen Schutz zu gewähren. Allerdings kommen ihr überall dort eigenständige Schutzbefugnisse zu, wo die jeweilige Verletzungshandlung zugleich auch die ungestörte Wahrnehmung materieller Gemeinschaftspolitiken in Frage stellt. Sie finden ihre normative Grundlage in impliziten verfahrensrechtlichen Kompetenzen und werden in der Praxis bereits jetzt vielfach von den Gemeinschaftsorganen in Anspruch genommen. Besteht ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der jeweiligen Verletzungshandlung und gemeinschaftlichen Außenbefugnissen, kann die EG danach auch diplomatische Schutzrechte zugunsten der betroffenen Individuen ausüben. Dies gilt nicht nur für vollständig vergemeinschaftete Politikbereiche wie Fischerei und Handel, sondern auch für die parallelen außenpolitischen Zuständigkeitsfelder. Keine Rolle spielt insoweit, ob im Einzelfall vertragliches oder außervertragliches Völkerrecht verletzt ist. Die eigenständigen Schutzkompetenzen der EG treten dabei jedoch nicht an die Stelle entsprechender Befugnisse der Mitgliedstaaten, sondern ergänzen diese lediglich. Selbst dort, wo materiell ausschließliche Außenkompetenzen der EG in Rede stehen, sind deshalb die Mitgliedstaaten zu parallelen Schutzaktivitäten befugt. Umgekehrt ist der EG ein eigenständiges schützendes Tätigwerden verwehrt, wo in der Sache ausschließlich mitgliedstaatliche Kompetenzbereiche betroffen sind. Zur Protektion einzelner Individuen, die unter Verstoß gegen zwischenstaatliche Verträge oder Völkerrechtsgrundsätze des Eigentums- und Investitionsschutzes verletzt werden, sind danach grundsätzlich allein die betref403

So auch Klein, RiW 31 (1985), S. 291, 295 f. Unverständlich deshalb der knappe Verweis von Vedder, in: G/H II, Art. 133 EGV Rn. 66 auf diese nach seiner Ansicht abschließenden Vorschriften. Wie hier P. Karpenstein/U. Karpenstein, in: G/H II, Art. 228 EGV Rn. 45; Schorkopf, in: G/H I, Art. 7 EUV Rn. 2. 404

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

fenden Heimatländer berechtigt. Die EG kann den betreffenden Staaten hier jedoch unterstützend mit den ihr übertragenen völkerrechtlichen Einflussmöglichkeiten Beistand leisten, soweit sie dazu im Rahmen eines von allen Mitgliedstaaten beschlossenen gemeinsamen Standpunkts oder entsprechender gemeinsamer Aktionen ermächtigt wurde. Die so umrissenen Schutzkompetenzen erfassen grundsätzlich nicht nur Völkerrechtsverletzungen von Seiten eines Drittstaats, sondern auch Vertragsverstöße der Mitgliedstaaten selbst. In diesem Verhältnis findet allerdings vorrangig das in Art. 226 und 228 EGV geregelte Verfahren Anwendung. Ein Rückgriff auf weitergehende Schutzaktivitäten kommt danach nur in Betracht, wenn die gemeinschaftsrechtlichen Möglichkeiten gegenüber dem Verletzerstaat dauerhaft erfolglos bleiben. 4. Personelle Reichweite der gemeinschaftlichen Schutzkompetenzen Näherer Eingrenzung bedarf noch die personelle Reichweite der so begründeten diplomatischen Schutzbefugnisse. Denn gerade in dieser Hinsicht blieben die einschlägigen Stellungnahmen der Gemeinschaftsorgane auf den ersten Blick vielfach besonders unscharf: Sie bezogen sich beispielsweise auf den Schutz „aller europäischen Bürger“405, „Wirtschaftsbeteiligten“406, „EU-Unternehmen“407 oder „Gemeinschaftsreeder“408, ohne damit letztlich auf gefestigte Begrifflichkeiten zurückzugreifen. Die Versuchung, hier stattdessen im Einklang mit Art. 20 EGV generell den einheitlichen Begriff der Unionsbürgerschaft zu Grunde zu legen,409 ist groß. Allerdings wäre ein solches Vorgehen dogmatisch kaum zu begründen. Denn die personelle Reichweite einer einzelnen Vertragsbestimmung ist nicht ohne weiteres auch für implizit aus unterschiedlichsten anderen Befugnisnormen abgeleitete Schutzkompetenzen maßgeblich. In sich stimmige Ergebnisse lassen sich auch in dieser Hinsicht vielmehr nur durch Auslegung der im Einzelfall zu Grunde gelegten Anknüpfungskompetenzen erreichen. Der Kreis der von der Gemeinschaft geschützten Individuen lässt sich bei einer solchen impliziten Ableitung also nicht abstrakt für alle denkbaren Konstellationen bestimmen. Er spiegelt vielmehr zwingend die wechselnden perso405 EP, „Entschl. zum Todesurteil gegen Salman Rushdie“ v. 16.12.1993, ABl. 1994 C 20, S. 170. 406 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-0356/98, ABl. 1998 C 323, S. 32 f. 407 Rat, Schlussfolgerungen v. 15.7.1996, Bull. EU 7–8/96, Ziff. 1.4.116. 408 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-2712/97, ABl. 1998 C 102, S. 100. 409 So etwa Bleckmann, in: FS Steinberger, S. 1087, 1091 ff.; Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281 EGV Rn. 25; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 333 f.; ders., Schutzpflichten, S. 677 f.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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nalen Bezugspunkte der jeweiligen Anknüpfungsbefugnisse wieder. So differenziert Art. 133 EGV nicht danach, ob Unionsbürger oder in der Gemeinschaft ansässige Drittstaatler Handel treiben. Ausgangspunkt dieser Bestimmung ist allein, ob der gemeinschaftliche Außenhandel als solcher beeinträchtigt wird. Nur dieser besondere personale Anwendungsbereich kann deshalb auch für die implizit aus Art. 133 EGV abgeleiteten diplomatischen Schutzbefugnisse der Europäischen Gemeinschaft entscheidend sein. Besonders deutlich wird dieser differenzierende Ansatz in der gegen den „HelmsBurton“ und „d’Amato Act“ gerichteten Abwehrverordnung, die bereits oben als Anwendungsfall diplomatischer Protektion durch die EG vorgestellt wurde: Sie stellt zu Recht nicht pauschal auf den Begriff des Unionsbürgers ab, sondern bezweckt ausweislich ihrer Erwägungsgründe den Schutz der Interessen aller „natürlichen und juristischen Personen, die ihre Rechte gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ausüben“.410 Eine weitere Konkretisierung erfährt dieser personale Anwendungsbereich in Art. 11 VO 2271/96/EG. Danach dient die Verordnung speziell dem Schutz 1. aller natürlichen Personen, die in der Gemeinschaft ansässig und Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind; als ansässig gilt dabei für die Zwecke der Verordnung jeder, der in dem der Anspruchsentstehung oder Rechtsausübung vorangehenden Jahr mindestens sechs Monate rechtmäßig in der EG wohnhaft war, 2. aller juristischen Personen, die in der Gemeinschaft eingetragen sind, 3. aller außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten und Linienreedereien mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft, die von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats kontrolliert werden, sofern deren Schiffe in diesem Mitgliedstaat nach den dort geltenden Rechtsvorschriften registriert sind,411 4. aller übrigen natürlichen Personen, die in der Gemeinschaft ansässig sind, sofern sie sich nicht in dem Land aufhalten, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, 5. aller übrigen natürlichen Personen im Gebiet der Gemeinschaft, einschließlich ihrer Küstengewässer und ihres Luftraums sowie in allen Luft- oder Wasserfahrzeugen, die der Gerichtsbarkeit oder Kontrolle eines Mitgliedstaats unterstehen und die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handeln. 410

Erwgg. VO 2271/96/EG v. 22.11.1996, ABl. 1996 L 309, S. 1. Art. 11 Nr. 3 VO 2271/96/EG verweist hier explizit auf Art. 1 Abs. 2 VO 4055/86/EG. 411

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

In den Genuss der Abwehrverordnung kommen somit nicht nur Staatsangehörige der Mitgliedstaaten, sondern bewusst auch bestimmte, funktional in die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 133 EGV eingebundene Drittstaatsangehörige. Das hier zum Ausdruck kommende Grundkonzept ist in seinem Kern entsprechend auch auf andere implizite Protektionsbereiche anwendbar. Die Gemeinschaft kann danach generell allen Personen Schutz gewähren, die in Ausübung ihrer unmittelbar oder mittelbar aus dem EG-Vertrag resultierenden Rechte betroffen werden. Letztlich münden diese Überlegungen damit in einen Grundgedanken, der für den IGH schon beim funktionalen Schutz eigener Bediensteter entscheidend war: Maßgeblich ist hier wie dort allein, dass mit dem betroffenen Individuum zugleich die ungestörte Wahrnehmung übertragener Befugnisse beeinträchtigt wird. Die Staatsangehörigkeit des Verletzten ist demgegenüber nicht entscheidend, soweit die jeweilige Rechtsposition auch von bzw. mittels Drittstaatlern ausgeübt werden kann.412 So darf die Gemeinschaft beispielsweise auch drittstaatlichen Entwicklungshelfern oder Menschenrechtsbeobachtern Schutz gewähren, soweit diese in gemeinschaftlich geförderten Projekten tätig sind. Praktisch wurde dies zuletzt relevant, als Ende 1999 in Kolumbien zwei von ECHO finanzierte Entwicklungshelfer ermordet wurden, von denen einer die spanische und einer die kolumbianische Staatsangehörigkeit innehatte: Ungeachtet dieser unterschiedlichen Nationalitäten setzen sich hier sowohl das Europäische Parlament als auch die Kommission bei der kolumbianischen Regierung dafür ein, die Hintergründe des Verbrechens aufzuklären und die Sicherheit der im humanitären Einsatz tätigen Personen zu gewährleisten.413 Ebenso wenig überzeugend wäre es bei diesem Grundverständnis im Übrigen, der EG pauschal ein Schutzrecht für juristische Personen abzusprechen. Zwar ist die Frage, ob dieser Personenkreis mit von Art. 20 EGV erfasst ist, in der Literatur durchaus umstritten.414 Dieser Streit berührt je412 Zum Parallelproblem bei Bediensteten bereits oben S. 40 ff. und ICJ Rep. 1949, S. 174, 186: „The question of nationality is not pertinent to the admissibility of the claim“. 413 EP, „Entschl. zum Schutz der in der Entwicklungshilfe und der humanitären Hilfe tätigen Personen in Kolumbien“ v. 21.1.2000, ABl. 2000 C 304 S. 226 f. Zum Vorgehen der Kommission vgl. Antwort Kommissarin Diamantopoulou auf EP-Anfr. O-0003/00 und O-0006/00, Sitzungsprotokoll EP v. 21.1.2000 . 414 Für eine Einbeziehung juristischer Personen hier Haag, in: Groeben/ Schwarze, Art. 17 EG Rn. 11; ders., in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EG Rn. 9; Kaufmann-Bühler, in: Lenz, Art. 20 EGV Rn. 4; Obwexer, ecolex 1996, S. 323, 326; Schwarze, EuZW 12 (2001), S. 517, 518. Dagegen Fischer, in: FS Winkler,

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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doch von vornherein nicht die hier untersuchten impliziten Schutzkompetenzen: Maßgeblich kann auch in dieser Hinsicht allein die personale Reichweite der im Einzelfall zu Grunde liegenden materiellen Bezugsnormen sein. Regelmäßig beziehen die gemeinschaftlichen Protektionsbefugnisse danach juristische Personen mit ein. So erließen die Gemeinschaftsorgane die eben dargestellte Abwehrverordnung 2271/96 zu Recht ausdrücklich gerade in Hinblick auf die Interessen natürlicher und juristischer Personen. Schon im Vorfeld hatte hier der Rat die Notwendigkeit eines umfassenden Schutzes für „Bürger und Unternehmen innerhalb der Europäischen Union, deren wirtschaftliche und finanzielle Interessen durch das Helms-Burtonund das d’Amato-Gesetz beeinträchtigt werden oder beeinträchtigt werden könnten,“ betont.415 Auch der eingangs geschilderten „Odigitria“-Entscheidung lag die Klage einer juristischen Person zu Grunde, ohne dass das Europäische Gericht Erster Instanz darin einen Anlass für spezifische Einschränkungen der gemeinschaftlichen Protektionsbefugnisse gesehen hätte. Grundsätzlich kann die EG danach gleichermaßen natürlichen wie auch juristischen Personen diplomatischen Schutz gewähren.416 Im Rahmen der Fischereikompetenzen führen die vorgenannten Überlegungen sogar dazu, dass die EG nicht nur dann schützend tätig werden kann, wenn einzelne der Gemeinschaft zuzuordnende Personen als Reeder oder Besatzungsmitglieder eines Fischereifahrzeugs geschädigt wurden. Ein ausreichender Anknüpfungspunkt für implizite Schutzbefugnisse liegt vielmehr bereits dann vor, wenn das beeinträchtigte Schiff selbst unter mitgliedstaatlicher Flagge fuhr oder in einem Mitgliedstaat registriert war. Für die Gemeinschaft gelten insoweit ähnliche Regeln wie nach klassischem Völkerrecht für Staaten.417 Grund für diese funktionale Erweiterung des Schutzbereichs ist, dass die Gemeinschaftsverträge regelmäßig selbst daran anknüpfen, ob ein Schiff die Flagge eines Mitgliedstaates führt oder dort registriert ist.418 Beziehen sich damit aber die gemeinschaftlichen Vertragspositionen unmittelbar auf die Beflaggung bzw. Registrierung einzelner Fischereifahrzeuge, müssen konsequenterweise die impliziten Schutzkompetenzen ebenso weit reichen.419 Tatsächlich begründeten sowohl Kommission als auch Europäisches Parlament ihr Tätigwerden mehrfach ausdrücklich damit, dass im S. 237, 264; Hatje, in: Schwarze, Art. 20 EGV Rn. 4; Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 8; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 36 und 77. 415 Rat, Schlussfolgerungen v. 1.10.1996, Bull. EU 10/96, Ziff. 1.4.82. 416 So i. E. auch Bleckmann, in: FS Steinberger, S. 1087, S. 1095 und 1100 f. 417 Churchill, EEC Fisheries Law, S. 68. Grundlegend zu den staatlichen Schutzbefugnissen in diesem Bereich bspw. Geck, in: EPIL I, S. 1045, 1054 f.; v. Münch, in: FS Stödter, S. 231, 242 ff. 418 Bspw. Art. 5 i. V. m. 1 Abs. 2 lit. b Abk. Marokko (Nw. in Fn. 262). 419 Ebenso i. E. Bleckmann, in: FS Steinberger, S. 1087, 1091 ff.

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

konkreten Fall „Gemeinschaftsschiffe“420 bzw. die „Gemeinschaftsflotte“421 beeinträchtigt seien.422 Auch hier also richtet sich die personelle Reichweite der gemeinschaftlichen Schutzkompetenzen im Ergebnis allein nach den jeweils maßgeblichen materiellen Bezugsnormen. 5. Organkompetenzen und Verfahren Soweit der EG danach als Verband originäre oder „unterstützende“ Schutzbefugnisse im oben hergeleiteten Sinne zukommen, bleibt abschließend die Verteilung der entsprechenden Organkompetenzen und die Existenz spezieller Beschlussverfahren zu untersuchen. Denn der EG-Vertrag weist den verschiedenen Gemeinschaftsorganen zwar punktuell einzelne Außenbefugnisse zu, enthält jedoch keine Auffangnorm für die Einordnung weitergehender völkerrechtlicher Aufgaben. Ausdrückliche Regelungen zu den Organkompetenzen im Bereich der Außenbeziehungen finden sich so überhaupt nur in vier Bestimmungen: Während nach Art. 302 EGV die Pflege der Beziehungen zu internationalen Organisationen grundsätzlich423 allein der Kommission obliegt, ist an Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 60 bzw. 301 EGV weitergehend auch der Rat beteiligt. Rat und Kommission sind zudem nach Art. 300 EGV für das Zustandekommen und die Aussetzung völkerrechtlicher Verträge sowie für die Festlegung gemeinsamer Standpunkte für Assoziationsgremien mit Drittstaaten zuständig, wobei hier ergänzend zudem das Europäische Parlament zu beteiligen ist. Fest steht damit jedenfalls, dass nach dem System des EG-Vertrags offensichtlich keines der Gemeinschaftsorgane von vornherein allein für alle Fragen der völkerrechtlichen Außenvertretung zuständig sein sollte. In der Literatur fin420 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-2773/97, ABl. 1998 C 117, S. 64 f.; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-2712/97, ABl. 1998 C 102, S. 100; dies., Antwort auf EP-Anfr. E-945/95, ABl. 1995 C 230, S. 18. 421 EP, Erwgg. A und Ziff. 3 „Entschl. zum illegalen Aufbringen des spanischen Fischereifahrzeugs Estai“ v. 16.3.1995, ABl. 1995 C 89, S. 162. 422 Einen interessanten Sonderfall stellt insoweit das 1987 geschlossene Fischereiabkommen zwischen der EG und Argentinien dar, das die Gründung von gemeinsamen Joint-Ventures nach argentinischem Recht vorsah. Auch hier nahm die Kommission ausweislich ihrer Antwort auf EP-Anfr. E-1503/99, ABl. C 170E, S. 25 Schutzbefugnisse für die Gesellschaften und ihre Schiffe in Anspruch. 423 In der Praxis überwiegt selbst hier eine „bicephale“, gemeinsame Vertretung durch Rat und Kommission, dazu Osteneck, in: Schwarze, Art. 302 EGV Rn. 5; Schröder, in: Groeben/Schwarze, Vorbemerkung zu Art. 302–304 EG Rn. 11 ff.; Tietje, in: G/H II, vor Art. 302–304 EGV Rn. 11. Eine weitere wesentliche Einschränkung folgt aus dem „Luxemburger Kompromiss“ v. 28./29.1.1966 (Bull. EWG 3/66, S. 9, Ziff. a.5.), wonach die Kommission den Rat generell über die Zweckmäßigkeit, die Modalitäten und die Art der Beziehungen zu internationalen Organisationen zu konsultieren hat.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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den sich demgemäß eine Vielzahl divergierender Ansichten zur Verteilung der Organkompetenzen im Bereich des diplomatischen Schutzes. Einige Autoren halten allein den Rat für schutzbefugt, da das Recht zu diplomatischer Protektion traditionell aus der mitgliedstaatlichen Sphäre stamme.424 Andere Stimmen verweisen darauf, dass nach Art. 211 EGV die Wahrnehmung der laufenden Geschäfte im Bereich der auswärtigen Beziehungen grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kommission falle.425 Nach einer vermittelnden Ansicht soll die Kommission schützend nur tätig werden dürfen, soweit sie durch ein entsprechendes Ratsmandat legitimiert ist.426 Schließlich werden die Organkompetenzen zum Teil sogar für frei verhandelbar gehalten, wenn der EG-Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen treffe.427 Das in diesen Stellungnahmen zum Ausdruck kommende Bemühen um eine einheitliche Aussage zu „den“ Organkompetenzen im Bereich des diplomatischen Schutzes ist allerdings schon im Ausgangspunkt fragwürdig. Dies gilt insbesondere für die zunächst untersuchten „eigenständigen“ Schutzkompetenzen der EG. Denn nimmt man ihre implizite Herleitung ernst, verbieten sich generalisierende Aussagen zur Organkompetenz nicht weniger als bei der vorangegangenen Untersuchung der personellen Reichweite gemeinschaftlicher Schutzbefugnisse. Zu dogmatisch überzeugenden Ergebnissen kann im einen wie im anderen Fall nur eine einzelfallbezogene Auslegung der jeweiligen Anknüpfungsbefugnisse führen. Dass allein die Frage entscheidend sein kann, welches Organ die jeweiligen Anknüpfungskompetenzen durchsetzen darf, zeigt im Übrigen auch die folgende Kontrollüberlegung: Wenn eigenständige Schutzkompetenzen der EG sachlich nur gerechtfertigt sind, soweit die Verteidigung der betroffenen Individuen untrennbar mit dem Schutz eigener Rechtsgüter zusammenfällt, kann hier für besondere Organzuständigkeiten von vornherein kein Raum bleiben. So war im geschilderten Fischereistreit mit Kanada428 der Schutz der „Estai“ nicht nur in materieller, sondern gleichermaßen in funktionaler Hinsicht untrennbar mit der Verteidigung allgemeiner Rechtspositionen der EG verbunden. Die Befugnis der Kommission zu völkerrechtlichem Protest ergab sich deshalb zwingend schon aus ihrer allgemeinen Führungsrolle bei der Pflege 424

Lagondet, Europe 1/97, S. 9, 10. Simma/Vedder, in: G/H II, Art. 281 EGV Rn. 11; Tomuschat, in: Groeben/ Schwarze, Art. 281 EG Rn. 38. Ähnlich T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 37; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 333; ders., Schutzpflichten, S. 677, wonach die Kommission „im Regelfall“ zuständig für diplomatische Schutzaktivitäten sei. 426 E. Stein, AEL I 1 (1990) S. 115, S. 178. 427 Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 160 für die allgemeine Zuständigkeit im Rahmen friedlicher Streiterledigung. 428 Oben S. 82 ff. 425

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

auswärtiger Beziehungen im Fischereibereich.429 Auch die Beteiligung des Rates an den Schutzaktivitäten war kein Ausdruck besonderer Organkompetenzen für den diplomatischen Schutz, sondern konsequente Folge seiner allgemeinen Stellung im Bereich der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen. So stand ihm nach dem Grundgedanken des Art. 300 Abs. 1 und 2 EGV die interne Entscheidungskompetenz über die Aussetzung aller laufenden Vertragsverhandlungen mit Kanada430 und den Abschluss des späteren Streitbeilegungsabkommens431 zu, während die Kommission insoweit das ihr auch sonst zukommende Initiativmonopol besaß. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen scheint auf den ersten Blick nur das Europäische Parlament für sich in Anspruch zu nehmen, das – wie oben erwähnt – in Schutzfällen häufig unmittelbar an die Regierung des jeweiligen Verletzerstaats gerichtete Protestresolutionen verabschiedet. Tatsächlich enthalten weder der EG- noch der EU-Vertrag ausdrücklich eine Befugnis zu derartigen Stellungnahmen. Auch die dem Parlament eingeräumten Mitwirkungsbefugnisse beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge und bei der Verabschiedung entsprechender Haushaltstitel setzten eine solche Kompetenz nicht voraus.432 Zwar muss sich das Parlament zur Vorbereitung derartiger Entscheidungen grundsätzlich durchaus mit politischen Situation in Drittstaaten befassen können. Konkrete völkerrechtliche Schutz- und Handlungsaufforderungen an die Adresse einzelner Regierungen gehen jedoch weit über das in diesem Rahmen erforderliche Maß hinaus. Gleichwohl stellt selbst diese Form außenpolitischen Tätigwerdens letztlich keine schutzrechtliche Besonderheit dar. Auch zu anderen außenpolitischen Fragen beschließt das Europäische Parlament vielmehr regelmäßig vergleichbare Resolutionen.433 Es stützt sich dabei zumeist auf Art. 48 und 50 GO EP434, wonach Debatten und Dringlichkeitsanträge zu jeder „aktuellen, dringlichen und wichtigen Frage“, die den Tätigkeitsbereich 429 Zu dieser Führungsrolle, vgl. Kommission, EU-Dok. SEC (2000) 1943, Ziff. II (abgedruckt unten S. 261 ff.); Osteneck, in: Schwarze, Art. 302 EGV Rn. 5. 430 Tatsächlich erteilte der Rat der Kommission ein entsprechendes „Aussetzungsmandat“, vgl. Stellungnahme Kommissarin Bonino i. d. EP-Sitzung v. 15.3.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–460, S. 131. 431 Dazu Bull. EG 4/95, Ziff. 1.3.121. 432 A. A. Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 434 f. 433 Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 434 f. Vgl. bspw. die an alle Staaten Mittel- und Osteuropas gerichtete „Entschl. zur Rückgabe geraubten Eigentums an jüdische Gemeinden“ v. 14.12.1995, ABl. 1996 C 17, S. 199 f. oder die der Regierung und dem Nationalen Volkskongress der Volksrepublik China übermittelte „Entschl. zur Verfolgung von Weij Jingsheng“ v. 14.12.1995, ABl. 1996 C 17, S. 200. 434 Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments v. 2.8.1999, ABl. 1999 L 202, S. 1 ff.

C. Anknüpfungspunkte für eine eigenständige Schutzberechtigung

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der Europäischen Union betrifft, zulässig sind. Es ist allerdings äußerst zweifelhaft, ob diese Bestimmungen derart weit reichende völkerrechtliche Parlamentserklärungen tatsächlich noch decken. Denn Art. 199 EGV, in dessen Licht alle Bestimmungen der GO EP auszulegen sind, erlaubt grundsätzlich nur die Selbstorganisation des Parlaments innerhalb des vorgegebenen institutionellen Rahmens, nicht dagegen eine eigenmächtige Erweiterung der eigenen Organkompetenzen.435 Ähnlich problematisch ist vor diesem Hintergrund auch die Praxis zahlreicher offizieller Repräsentanten des Parlaments, in Drittstaaten unmittelbar zugunsten verletzter Individuen zu intervenieren. So setzten sich in den letzten Jahren insbesondere die verschiedenen Parlamentspräsidenten und parlamentarischen Unterausschüsse vielfach für Opfer von Menschenrechtsverletzungen und politischer Verfolgung ein.436 Schritte dieser Art lassen sich nach wie vor schwerlich mit den begrenzten vertraglichen Kompetenzen des EP vereinbaren, wenngleich sie das Parlament selbst als regulären Bestandteil seiner Menschenrechtspolitik anzusehen scheint.437 Angesichts der langjährigen stillschweigenden Billigung dieser Praxis durch die Mitgliedstaaten und die übrigen Gemeinschaftsorgane ließe sich allenfalls argumentieren, dass sich die insoweit vom Parlament in Anspruch genommenen Befugnisse zwischenzeitlich gewohnheitsrechtlich verfestigt haben. Eine solche Argumentation bliebe jedoch angesichts des in Art. 48 EUV vorgesehenen speziellen Vertragsänderungsverfahrens äußerst angreifbar. Sie vermag deshalb letztlich nicht zu überzeugen. Weder für das Europäische Parlament noch für die übrigen Gemeinschaftsorgane bestehen nach alledem besondere Organkompetenzen im Bereich eigenständiger Schutzmaßnahmen. Maßgeblich bleibt vielmehr allein die allgemeine Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich der dem Schutzfall jeweils zu Grunde liegenden Rechtsposition: Nur wenn das betreffende Organ danach auch für die Verteidigung dieser materiellen Position eintreten dürfte, ist eine entsprechende Schutzkompetenz zu bejahen. Gleiches gilt vor diesem Hintergrund auch in Hinblick auf die jeweils maßgeblichen Verfahrensbestimmungen: Für besondere „Schutzverfahren“ bleibt angesichts des hier zu Grunde gelegten impliziten Herleitungswegs von vornherein kein Raum. Scheiden danach aber besondere Organkompetenzen oder Verfahrensbestimmungen schon hinsichtlich der eigenständigen gemeinschaftlichen 435

Schoo, in: Schwarze, Art. 199 EGV Rn. 3. EP, Das EP und die Verteidigung der Menschenrechte, S. 7 f.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 435. 437 EP, Das EP und die Verteidigung der Menschenrechte, S. 6 ff.; EP, Kurzdarstellungen, Ziff. 6.1.2: Die Verteidigung der Menschenrechte (Stand: 6/00) ; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 682. 436

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1. Teil: Gemeinschaftsrechtliche Schutzbefugnis der EG

Schutzbefugnisse aus, muss gleiches erst recht für die Ausübung der zuletzt hergeleiteten „unterstützenden“ Schutzrechte gelten. Denn hier geht es von vornherein nur um die Koordination gemeinschaftlicher Handlungsinstrumente mit den politischen Zielvorgaben der Mitgliedstaaten, nicht aber um eine eigenständige völkerrechtliche Außenkompetenz. Organkompetenzen und Verfahren können sich deshalb nur nach den allgemeinen Regeln für die Instrumente richten, von denen jeweils „unterstützender“ Gebrauch gemacht werden soll. So ergibt sich etwa die Zuständigkeitsverteilung bei unterstützenden Wirtschaftssanktionen unmittelbar aus Art. 301 bzw. 60 EGV, während die Kompetenz zur unterstützenden Aussetzung gemeinschaftlicher Verträge differenzierend in Art. 300 Abs. 2 EGV geregelt ist. Insgesamt bleibt damit im Gemeinschaftsrecht kein Raum für gesonderte Organkompetenzen oder Verfahrensbestimmungen im Bereich des diplomatischen Schutzes.

D. Ergebnisse des ersten Teils Die traditionelle völkerrechtliche Annahme, zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte seien nur Staaten legitimiert, wird nach alledem durch die Dynamik und Reichweite des europäischen Einigungsprozesses zunehmend in Frage gestellt. Die Europäische Gemeinschaft ist zwar im Bereich des diplomatischen Schutzes nicht umfassend an die Stelle der Staaten getreten. Sie kann jedoch auf der Basis impliziter verfahrensrechtlicher Begleitkompetenzen überall dort zugunsten einzelner Geschädigter intervenieren, wo die jeweilige Verletzungshandlung zugleich die Wahrnehmung materieller Gemeinschaftspolitiken beeinträchtigt438. Originäre gemeinschaftliche Schutzaktivitäten kommen danach zunächst hinsichtlich aller „EG-Bediensteter“ in Betracht, das heißt hinsichtlich jedes unmittelbar für ein Gemeinschaftsorgan tätigen Mitarbeiters unabhängig von Nationalität, Bezahlung oder Art seines Anstellungsverhältnisses. Die eigenständigen Schutzbefugnisse der EG erstrecken sich darüber hinaus aber auch sonst auf jedes Individuum, das in Ausübung seiner aus dem EG-Vertrag resultierenden Rechte von einer (vertraglichen oder außervertraglichen) Völkerrechtsverletzung betroffen wurde. In der Praxis lässt sich ein Gebrauch der so umrissenen gemeinschaftlichen Schutzbefugnisse bereits in zahlreichen Fällen nachweisen, so vor allem in den Bereichen Fischerei und Handel sowie in Fällen einer Verletzung gemeinschaftlich finanzierter Entwicklungshelfer oder Menschenrechtsbeobachter. Die traditionell umfassenden Protektionsbefugnisse der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben neben dieser impliziten Schutzkompetenz der EG wei438

Siehe dazu im Einzelnen bereits das Zwischenergebnis auf S. 115 f.

D. Ergebnisse des ersten Teils

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ter bestehen. Soweit einzelne Staatsangehörige in Ausübung gemeinschaftlich begründeter Rechtspositionen verletzt werden, kann es danach zu parallelen Schutzaktivitäten kommen. In allen anderen Fällen bleiben die jeweiligen Heimatstaaten dagegen grundsätzlich alleinige Anspruchsträger. Den Mitgliedstaaten bleibt es allerdings unbenommen, die EG auch in diesen Bereichen im Wege eines Gemeinsamen Standpunkts oder einer Gemeinsamen Aktion (Art. 14 f. EUV) zu unterstützenden Schutzbemühungen aufzufordern. Ein solches Vorgehen bietet sich insbesondere an, falls die den Mitgliedstaaten verbliebenen außenpolitischen Druckmöglichkeiten im Einzelfall nicht ausreichen, um eine Lösung des Schutzkonflikts zu erreichen. Für besondere Organkompetenzen der EG bleibt dabei weder im Rahmen der originären noch im Rahmen der unterstützenden gemeinschaftlichen Schutzbefugnisse Raum. Zuständig sind insoweit vielmehr die gleichen Organe, die auch sonst die dem Schutzfall konkret zu Grunde liegenden Rechtspositionen durchsetzen bzw. von den in Rede stehenden völkerrechtlichen Instrumenten Gebrauch machen dürften. Entsprechendes gilt für das der Schutzgewähr jeweils vorgeschaltete Verfahren.

Zweiter Teil

Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten An vielen Stellen treten nach diesen Überlegungen gemeinschaftliche Protektionsbefugnisse parallel-konkurrierend neben das mitgliedstaatliche Schutzsystem. Damit stellt sich zugleich die Frage, wie in diesen Fällen ein widersprüchliches Nebeneinander unterschiedlicher Schutzansprüche vermieden und ein kohärentes Auftreten nach außen sichergestellt werden kann. Eine zentrale Koordinationsfunktion könnte hier vor allem der Europäischen Union zukommen. Eine vertiefte Untersuchung entsprechender außenpolitischer Koordinationsmechanismen setzt allerdings zunächst Klarheit über die völkerrechtliche Rechtsnatur der EU voraus. In der Literatur wird diese (Vor-)Frage bereits seit langem eingehend diskutiert und in einer Vielzahl grundlegender Arbeiten behandelt.439 Dabei besteht weithin Einigkeit darüber, dass es sich bei der EU ebenso wenig wie schon bei der EG um einen Staat handelt.440 Streitig sind allerdings die daraus abzuleitenden Konsequenzen: Einige Autoren sehen in der Union schon eine internationale Organisation im oben dargestellten Sinne,441 andere dagegen nur eine vertraglich festgeschriebene Form zwischenstaatlicher Kooperation.442 Im hier untersuchten Rahmen bedarf diese Frage letztlich keiner abschließenden Klärung. Denn bei allen Unterschieden in der Herleitung besteht jedenfalls im Ergebnis weithin Einigkeit darüber, dass die EU bislang nicht über eigene Völkerrechtssubjektivität verfügt.443 Ihr können damit – anders als der EG – von vornherein keine eigenständigen Schutzbefugnisse zukommen. 439

Vgl. insbesondere Busse, Völkerrechtliche Einordnung m. w. N. Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 75 ff. (m. w. N. auf S. 43 f., Fn. 173 ff.); Kuschnick, Integration, S. 155 f.; Stumpf, in: Schwarze, Art. 1 EUV Rn. 9. – A. A. nunmehr offenbar aber Nettesheim, ZEUS 5 (2002), S. 507, 523. 441 So u. a. Böhmer, EU im Lichte der Reichsverfassung, S. 127 ff.; Dörr, EuR 30 (1995), S. 334, 335 ff.; Friedrichs, Frage der Völkerrechtssubjektivität, S. 41 ff. 442 Etwa Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 44 Fn. 178 ff. und S. 141 ff. 443 Böhmer, EU im Lichte der Reichsverfassung, S. 131 ff.; Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 302 ff.; Dörr, EuR 30 (1995), S. 334, 337 ff.; Kuschnick, Integration, S. 136 ff.; Lecheler, in: FS Carl Heymanns Verlag, S. 383, 389 ff. – A. A. aber v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 31 (1996), S. 3, 23 ff.; Ress, JuS 32 (1992), S. 985, 986; Schroeder, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 373, 386 ff.; Semrau, GASP, S. 22 ff.; vgl. auch die vertiefende Auswertung der einschlägigen Literatur und Praxis bei Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 37 ff. 440

2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

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Gegen dieses bislang herrschende Verständnis könnte auf den ersten Blick allerdings die Neufassung des EU-Vertrags durch die Amsterdamer Regierungskonferenz sprechen. Denn mit Art. 24 und 38 wurden hier gleich zwei neue Bestimmungen in den EU-Vertrag eingefügt, die den Rat unter bestimmten Voraussetzungen zum Abschluss internationaler Übereinkünfte ermächtigen. Tatsächlich werteten nicht nur Teile der Literatur,444 sondern zunächst auch die Kommission selbst445 die erstmalige Nennung derartiger Vertragsschlusskompetenzen im EU-Vertrag als Indiz für eine „beginnende Rechtssubjektivität“ der EU. Ein solches Verständnis bleibt jedoch bei näherer Untersuchung weiterhin erheblichen Zweifeln ausgesetzt. So deutet insbesondere Art. 24 Abs. 5 EUV darauf hin, dass die in Rede stehenden Abkommen vom Rat weiterhin allein für die Mitgliedstaaten geschlossen werden. Danach ist ein Mitgliedstaat, dessen Vertreter im Rat erklärt, dass in seinem Land bestimmte verfassungsrechtliche Vorschriften eingehalten werden müssen, durch eine nach Art. 24 EUV geschlossene völkerrechtliche Übereinkunft nicht gebunden; die anderen Mitglieder des Rates können übereinstimmend erklären, dass die Übereinkunft dennoch vorläufig gilt. Ein solches Dispositionsrecht der Mitgliedstaaten wäre kaum begründbar, wenn sie nicht auch unmittelbare Vertragsparteien wären.446 Zum gleichen Ergebnis führt ein Vergleich von Art. 24 Abs. 6 EUV mit der Parallelvorschrift des Art. 300 Abs. 7 EGV: Während der EG-Vertrag die vom Rat geschlossenen Abkommen sowohl für die Gemeinschaftsorgane wie auch für die Mitgliedstaaten für verbindlich erklärt, erwähnt Art. 24 Abs. 6 EUV in dieser Hinsicht bezeichnenderweise nur die Organe der Union. Der EUVertrag setzt also als selbstverständlich voraus, dass die Mitgliedstaaten als direkte (und zugleich einzige) Vertragsparteien bereits an derartige Übereinkünfte gebunden sind.447 Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 24 EUV spricht im Übrigen gegen die Annahme, der EU komme zwischenzeitlich bereits eine eigenständige Völkerrechtssubjektivität zu. So hatten auf der Amsterdamer Regierungskonferenz zwar sowohl die irische wie auch die niederländische Regierung angeregt, der EU explizit Rechtspersönlichkeit zuzuerkennen.448 Beide Vorschläge konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Ausdrücklich bekräftigte die Regierungskonferenz im Gegenteil durch eine eigene Begleiterklärung, dass weder Art. 24 noch Art. 38 EUV eine Übertragung von Zu444 Hüwelmeier, GASP, S. 151 ff. und 301 ff.; Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 244 ff.; Wichard, in: C/R, Art. 1 EGV Rn. 9 ff. Weitere Nachweise bei Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 379 f. Fn. 66 ff. 445 Dazu Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 379 Fn. 66. 446 Cremer, in: C/R, Art. 24 EUV Rn. 8 ff. 447 Cremer, in: C/R, Art. 24 EUV Rn. 11. 448 Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 378; Kuschnick, Integration, S. 137.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

ständigkeiten von den Mitgliedstaaten auf die EU bedeuten solle.449 Insgesamt sprechen damit die besseren rechtlichen Gründe zur Zeit noch gegen eine Völkerrechtsfähigkeit der Europäischen Union.450 Die immer häufiger gegenteilige politische Praxis der letzten Jahre451 und die weit reichenden Vorschläge des Europäischen Konvents in dieser Frage452 lassen allerdings in naher Zukunft einen grundlegenden Umbruch erwarten. Da die Europäische Union nach alledem bislang noch kein eigenständiges Völkerrechtssubjekt ist, bleibt auch für einen den Schutzrechten der EG entsprechenden „diplomatischen Schutz durch die EU“ vorerst noch kein Raum. Zu untersuchen ist jedoch, inwieweit die Strukturen der EU gleichwohl bereits heute eine außenpolitische Koordination von Fragen diplomatischer Protektion ermöglichen. Tatsächlich werden Schutzfragen aus der Kompetenzsphäre der Mitgliedstaaten zunehmend im Rahmen der Europäische Union thematisiert (dazu im Folgenden A.). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit auch die hinzutretenden Schutzkompetenzen der EG in dieses gemeinsame außenpolitische System zu integrieren sind (dazu anschließend unter B.).

449 Erkl. Nr. 4 zur Schlussakte der Regierungskonferenz von Amsterdam, ABl. 1997 C 340, S. 131. 450 Burkard, GASP, S. 49 ff.; Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 380 f. (m. w. N. S. 379 Fn. 64 f.); Cremer, in: C/R, Art. 24 EUV Rn. 8 ff.; Krück, in: Schwarze, Art. 11–28 EUV Rn. 20; Streinz, EuZW 9 (1998), S. 137, 141. 451 So wird „die EU“ zwischenzeitlich bereits in mehreren völkerrechtlichen Abkommen mit Drittstaaten explizit als Vertragspartei aufgeführt, etwa in Abkommen mit der Bundesrepublik Jugoslawien (ABl. 2001 L 125, S. 2) und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (ABl. 2001 L 241, S. 2). Auch bei anderen außenpolitischen Erklärungen treten die einzelnen Organe in den letzten Jahren zunehmend als Vertreter „der EU“ auf, und zwar selbst dann, wenn (wie im Handelsbereich) offensichtlich EG-Kompetenzen in Rede stehen. Vgl. statt vieler etwa das vom „Rat der Europäischen Union“ (!) für „die EU“ geschlossene Memorandum of understanding v. 11.4.1997 (abgedruckt unter: ILM 36 (1997), S. 529), in dem sich „die EU“ zur Rücknahme „ihrer“ WTO-Beschwerde bereiterklärt. Die hier zum Ausdruck kommende begriffliche Unschärfe verwischt gleichermaßen die unterschiedlichen vertraglichen Grundlagen wie auch die politischen Verantwortungsbereiche und ist deshalb scharf zu kritisieren. 452 Tatsächlich sehen die Vorschläge des Konvents die Verschmelzung von EG und EU zu einem einheitlichen rechtsfähigen Völkerrechtssubjekt „Europäische Union“ vor, vgl. Art. I-6 des Verfassungsentwurfs (EU-Dok. CONV 820/03). Zu dieser Frage zuvor schon ausführlich der Schlussbericht der Arbeitsgruppe III „Rechtspersönlichkeit“ v. 1.10.2002, EU-Dok. CONV 305/02.

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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A. Die Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im Rahmen der EU I. Diplomatischer Schutz als Teil der GASP Schon an früherer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass die der EG zukommenden Schutzbefugnisse nicht exklusiv sind: Die einzelnen Mitgliedstaaten bleiben vielmehr auch weiterhin umfassend zur Ausübung diplomatischer Schutzrechte für ihre jeweiligen Staatsangehörigen befugt.453 Auf welchen völkerrechtlichen Wegen sie dabei im einzelnen vorgehen, unterliegt grundsätzlich ihrer alleinigen Entscheidungsgewalt. Auch der EU-Vertrag und die in ihm enthaltenen Bestimmungen über die GASP stellen diese originäre staatliche Dispositionsfreiheit im Ausgangspunkt nicht in Frage. So bekräftigte der Rat beispielsweise Ende 2001 im Zusammenhang mit einer Reihe völkerrechtswidriger Hinrichtungen in den USA ausdrücklich, „dass die Europäische Union im Falle eines Todeskandidaten aus einem Mitgliedstaat erst auf Ersuchen dieses Staates handelt, der am besten über die Zweckmäßigkeit eines gemeinschaftlichen Vorgehens entscheiden kann.“454 Die eigentliche Brisanz dieser Aussage offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Denn die vom Rat wie selbstverständlich unterstellte Möglichkeit eines mitgliedstaatlichen Schutzersuchens an „die Europäische Union“ wirft bei näherer Untersuchung eine Vielzahl ungeregelter Folgefragen auf. Schon die grundsätzliche Zuständigkeit der EU für Fragen der diplomatischen Protektion ist begründungsbedürftig: Immerhin hatte es die Maastrichter Regierungskonferenz gerade abgelehnt, ein solches Schutzrecht der Europäischen Union vertraglich festzuschreiben.455 Vieles deutet allerdings darauf hin, dass dieser Ablehnung weniger ein genereller Kompetenzvorbehalt für Schutzfragen als vielmehr die Sorge zu Grunde lag, die Europäische Union könne andernfalls als eigenständiges Völkerrechtssubjekt (miss-)verstanden werden.456 Tatsächlich ist nicht ersichtlich, warum die 453

Siehe S. 91 ff. Antwort Ratsvertreter Neyts-Uyttebroeck auf EP-Anfr. H-0879/01, Sitzungsprotokoll EP v. 12.12.2001 . Ähnlich schon Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-0333/98, ABl. 1998 C 323, S. 32. Auch als im Sommer 2001 vier Deutsche in Afghanistan unter dem Vorwurf christlicher Missionstätigkeit verhaftet wurden, äußerten sich Rat und Kommission in diesem Sinne und wurden auf Wunsch der deutschen Regierung „vorerst“ nicht tätig, vgl. Kommission, Antwort auf EPAnfr. E-2641/01, ABl. 2002 C 160E S. 28; Antwort Kommissar Vitorino auf EPAnfr. H-0737/01, Sitzungsprotokoll EP v. 2.10.2001 ; Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-2640/01, ABl. 2002 C 134E S. 69 f. 455 Vgl. oben Fn. 130 f. 454

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

Mitgliedstaaten gerade für den Bereich diplomatischer Protektion auf die nahe liegenden Vorteile eines gemeinsamen außenpolitischen Auftretens im Rahmen der GASP hätten verzichten sollen. Ein solches Verständnis wäre auch schwerlich mit Art. 11 EUV zu vereinbaren, wonach sich die GASP vorbehaltlos auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt. Dies gilt umso mehr, als die Vertretungen der Mitgliedstaaten und die Delegationen der Kommission nach Art. 20 EUV ausdrücklich gerade auch bei der Durchführung von Art. 20 EGV zusammenarbeiten sollen: Einzelfragen des diplomatischen Schutzes wurden also sogar explizit zum Gegenstand der EU-Zusammenarbeit gemacht. Erst recht besteht schließlich kein Anlass für die Vermutung, dass die Mitgliedstaaten mit Einführung der GASP hinter ihrer zuvor schon im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) etablierten Praxis zurückbleiben wollten. So hatten sie sich beispielsweise bereits 1989 zu einem gemeinsamen Vorgehen zum Schutze des britischen Staatsangehörigen Salman Rushdie entschlossen, der wegen missliebiger schriftstellerischer Äußerungen Mordaufrufen aus dem Umfeld der iranischen Regierung ausgesetzt war.457 In gleicher Weise waren die Mitgliedstaaten im Rahmen der EPZ schützend tätig geworden, als die irakische Regierung 1990 aus Anlass des Golf-Kriegs alle noch im Land befindlichen Ausländer als Geiseln festsetzte.458 Auch als 1992 ein spanischer Journalist von US-Truppen erschossen wurde, schlossen die für die EPZ zuständigen Außenminister eine gemeinsame diplomatische Protektion nicht von vornherein aus.459 Insgesamt spricht damit alles dafür, dass die Europäische Union im Rahmen der GASP grundsätzlich auch für Fragen des diplomatischen Schutzes zuständig ist.460

II. Vorbereitung und Durchführung gemeinsamer Schutzaktivitäten im Rahmen der GASP Die Frage, wie gemeinsame Schutzaktivitäten im Rahmen der GASP gegebenenfalls vorzubereiten sind und mit welchen Mitteln sie durchgeführt werden können, bleibt im EU-Vertrag weitgehend ungeregelt. Einer näheren 456 Cloos/Reinesch/Vignes/Weyland, Traité de Maastricht, S. 173; Jimenez Piernas, RIE 20 (1993), S. 9, 18 ff.; Magnette, Citoyenneté européenne, S. 184. 457 Erkl. „der Außenminister der zwölf Mitgliedstaaten“ v. 20.2.89, Bull. EG 2/89, Ziff. 2.4.3; Erkl. „der Zwölf“ v. 8.5.89, Bull. EG 5/89, Ziff. 2.3.1. 458 Erkl. „der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten“ v. 7.9.1990, Bull. EG 9/90, Ziff. 1.4.2. – Zu diesen Fällen Blumann, RMC 34 (1991), S. 283, 292; Jimenez Piernas, RIE 20 (1993), S. 9, 36 f. 459 Vgl. EPZ, Antwort auf EP-Anfr. Nr. 526/92, ABl. 1992 C 309, S. 18. 460 So i. E. auch Cloos/Reinesch/Vignes/Weyland, Traité de Maastricht, S. 173 Fn. 28; Hüwelmeier, GASP, S. 73.

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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Untersuchung bedarf in dieser Hinsicht sowohl das Schutzinstrumentarium (dazu 1.) wie auch seine praktische Umsetzung im Rahmen der Unionszusammenarbeit (dazu 2.). 1. Überblick über das Schutzinstrumentarium im EU-Rahmen Das Schutzinstrumentarium der EU ist im Unionsvertrag nicht näher umrissen. Fest steht auf Grundlage von Art. 16 EUV allein das allgemeine Ziel, den Einfluss der Union durch konzertiertes und konvergierendes Handeln möglichst wirksam zum Tragen zu bringen. In den vergangenen Jahren entwickelten die Mitgliedstaaten aus dieser generellen Vorgabe ein abgestuftes System außenpolitischer Handlungsformen, das seither der Behandlung konkreter Schutzfälle im Rahmen der EU ungeschrieben zu Grunde liegt. Dabei hat der betroffene Heimatstaat grundsätzlich die Wahl, ob er außenpolitisch allein als Teil der EU in Erscheinung treten oder daneben selbst noch eigene Schutzaktivitäten entfalten will.461 In beiden Fällen stehen in einem ersten Schritt fast immer vertrauliche Demarchen „der EU“ gegenüber der Regierung des Verletzerlandes. Grund für den generellen Vorrang eines solchen „diskreten“ Vorgehens dürfte vor allem die Hoffnung sein, der Verletzerstaat werde ohne Sorge vor einem politischen Gesichtsverlust eher zu einem Einlenken bereit sein. Bleibt dieser Weg erfolglos, versuchen Rat und Kommission regelmäßig in einem zweiten Schritt, den öffentlichen Druck auf den Verletzerstaat zu erhöhen. So legten sie in solchen Fällen zum Teil etwa den Inhalt ihrer Demarchen offen oder missbilligten die jeweilige Völkerrechtsverletzung in offiziellen Erklärungen.462 Wiederholt vereinbarten die Mitgliedstaaten im Rat darüber hinaus in solchen Fällen auch ein gemeinsames Vorgehen auf internationaler Ebene. Sie versuchten etwa, befreundete Drittstaaten dazu zu gewinnen, sich den Erklärungen des Rates anzuschließen, oder drängten in der UN-Generalversammlung oder der UN-Menschenrechtskommission gemeinsam auf scharfe Protestresolutionen.463 Daneben gewannen in den letzten Jahren auch institutionalisierte Formen eines politischen Dialogs „der EU“ mit Drittstaaten464 zunehmend als Schutzinstrument an Bedeutung. Tatsächlich steht die 461 Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 109. Zur völkerrechtlichen Problematik eines gemeinsamen Vorgehens aller Mitgliedstaaten vgl. später noch S. 148 ff. 462 Vertiefend zu dieser Praxis Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 110 ff. und 185 ff. – Zu den Schutzinstrumenten der EU speziell im Menschenrechtsbereich King, EJIL 10 (1999), S. 313, 317 f.; Riedel/Will, in: EU and Human Rights, S. 723, 740. 463 So etwa im später auf S. 138 ff. noch ausführlicher dargestellten Fall Rushdie.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

Europäische Union inzwischen mit einer Vielzahl von Drittstaaten in regelmäßigem Kontakt, und zwar sowohl im Rahmen vertraglicher Beziehungen als auch darüber hinaus im Rahmen spezieller „Menschenrechtsgespräche“, wie sie gegenwärtig etwa mit China, Kuba oder dem Sudan geführt werden. Wenngleich das primäre Ziel dieses Dialogs zumeist eine allgemeine Verbesserung der gemeinsamen Zusammenarbeit ist, werden in diesem Rahmen nicht selten auch Fragen des Umgangs mit konkreten Individuen behandelt. Bleiben die genannten Maßnahmen auf erster und zweiter Stufe erfolglos, kommt zuletzt auch ein Rückgriff auf die formelleren Schutzinstrumente „der EU“ in Betracht. Wichtige Mittel liegen dabei vor allem in der Aussetzung gemeinsamer Regierungstreffen sowie der koordinierten Einschränkung von diplomatischen Beziehungen zum Verletzerstaat, beispielsweise durch die Ausweisung von Teilen seines Botschaftspersonals oder den Rückruf eigener Botschafter. Je nach Schwere des Falles kommen daneben auch weitere Sanktionen von Seiten der Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls sogar ergänzend der EG in Betracht.465 Dabei müssen solche Maßnahmen nicht in jedem Fall tatsächlich ergriffen werden: Sie können bereits als latente Drohkulisse eine erhebliche praktische Wirkung entfalten. 2. Die praktische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in Schutzfragen a) Vorbereitung gemeinsamer Schutzaktivitäten Die Anregung zum Einsatz des eben geschilderten Schutzinstrumentariums der EU geht in der Praxis fast ausnahmslos von dem im Einzelfall betroffenen Heimatstaat selbst aus. Zwar hat im Bereich der GASP nach Art. 22 Abs. 1 EUV grundsätzlich jeder Mitgliedstaat sowie die Kommission ein entsprechendes Initiativrecht. In Schutzfällen aus der Kompetenzsphäre der Mitgliedstaaten wird die EU jedoch – wie sich schon aus dem eingangs wiedergegebenen Ratszitat ergibt – im Allgemeinen erst auf Ersuchen des jeweiligen Heimatstaates hin tätig. Auch die Kommission betonte wiederholt in diesem Sinne, sie halte es in derartigen Fällen „für das beste, dass die diplomatische Vertretung im Land des betroffenen Bürgers diplomatisch – und so, wie sie es für angebracht hält – vor Ort tätig wird. Dabei stehen dann die Kommission und die Delegation der Kommission ergänzend für jegliche für erforderlich gehaltene Maßnahmen zur Verfügung.“466 464

Vgl. insb. die vom Europ. Rat am 13.12.2001 beschlossenen „Leitlinien der Europäischen Union für Dialoge im Bereich der Menschenrechte“, Ratsdok. 14469/ 01. Weiterführend auch Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 114 f. 465 Vgl. zur unterstützenden Heranziehung der EG bereits oben S. 104 ff.

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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Vorbereitung und Abstimmung konkreter Schutzaktivitäten liegen im weiteren – entsprechend der allgemeinen GASP-Kompetenzverteilung – primär in den Händen des Rates: Er ist nach Art. 13 ff. EUV das zentrale Koordinations- und Beschlussfassungsgremium für alle außenpolitischen Fragen aus dem Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Fragen des diplomatischen Schutzes werden dabei allerdings nur selten unmittelbar auf oberster Ratsebene behandelt. Die Planung konkreter Schutzaktivitäten obliegt vielmehr vor allem den gegenwärtig rund dreißig gemeinsamen Rats-Arbeitsgruppen, die jeweils auf Grundlage von Art. 19 Abs. 3 GO Rat467 eingerichtet wurden und für unterschiedliche Sachgebiete bzw. Regionen zuständig sind. Besonders die Arbeitsgruppe für konsularische Angelegenheiten („COCON“), die unter anderem die Lage der in Drittstaaten gefangenen Unionsbürger beobachtet,468 und die Arbeitsgruppe für Menschenrechtsfragen („COHOM“) sind im hier untersuchten Zusammenhang von besonderer Bedeutung. Die Arbeitsgruppen setzen sich jeweils aus den sachlich zuständigen Mitarbeitern der einzelnen Mitgliedstaaten sowie Vertretern der Kommission zusammen. Ihre Arbeit dient zumeist der Vorbereitung von Entscheidungen des in Art. 25 EUV genannten Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees der EU; politisch besonders brisante Fälle gelangen daneben über den Ausschuss der Ständigen Vertreter („COREPER“) im Einzelfall auch an den Rat. In „Alltagsfällen“ sind die Arbeitsgruppen allerdings zunehmend auch zu eigenständigen Entscheidungen befugt.469 Der klassische diplomatische Verkehr über Botschaften und Vertretungen spielt für die zentrale Abstimmung der GASP zwischen den Mitgliedstaaten inzwischen praktisch keine Rolle mehr. Soweit sich über die Tagungen der Ratsarbeitsgruppen hinaus kurzfristige Konsultationen oder Schutzaktivitäten als notwendig erweisen, wird dazu vielmehr grundsätzlich das „COREU“-System genutzt. Dabei handelt es sich um ein verschlüsseltes Kommunikationsnetzwerk zwischen den fünfzehn nationalen Außenministerien, der Kommission und dem Generalsekretariat, das den schnellen Austausch spezifisch GASP-bezogener Informationen ermöglicht und bereits 1973 im Vorfeld der EPZ eingerichtet wurde.470 Es untersteht den von den Mitgliedstaaten benannten „Europäischen Korrespondenten“, die auch im Übrigen als ständige Ansprechpartner für alle GASP-Fragen fungieren. Über seine allgemeine Informationsfunktion hinaus dient das „COREU“466 So bspw. Kommissar Pinheiro i. d. EP-Sitzung v. 14.12.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–472, S. 292. 467 Geschäftsordnung des Rates v. 23.7.2002, ABl. 2002 L 230, S. 7 ff. 468 Kommission, Antwort auf EP-Anfr. E-2771/98, ABl. 1999 C 135, S. 113 f. 469 Vertiefend zur Rolle und Funktion der Arbeitsgruppen im Rat Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 83 ff. 470 Vgl. Bull. EG 9/73, S. 18.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

System weitergehend auch der vereinfachten Beschlussfassung über Erklärungen und Demarchen:471 Ein auf diese Weise schriftlich vom Vorsitz in Umlauf gebrachter Vorschlag gilt gemäß Art. 12 Abs. 4 GO Rat nach Ablauf der zuvor festgesetzten Frist als angenommen, wenn kein Ratsmitglied zuvor einen Einwand erhebt. In der Praxis ermöglicht dieses Vorgehen einen hohen Grad an außenpolitischer Verflechtung. So wurden allein im Jahre 1997 schon 11.263 Mitteilungen über das „COREU“-Netzwerk ausgetauscht.472 Die in Art. 20 EUV vorgesehene Zusammenarbeit zwischen den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten einerseits und den Delegationen der Kommission andererseits behält daneben gleichwohl ihre Berechtigung: Sie betrifft nicht die eben angesprochene politische Steuerung der GASP, sondern ihren dezentralen Vollzug vor Ort.473 Auf diese Weise wird ergänzend die Kohärenz sowohl des politischen Auftretens nach außen (gegenüber dem jeweiligen Empfangsstaat) wie auch der politischen Berichterstattung nach innen (gegenüber den jeweiligen Mitgliedstaaten bzw. der Kommission474) sichergestellt. Art. 20 EUV fordert eine solche Zusammenarbeit ausdrücklich gerade auch in Bezug auf die Durchführung des Art. 20 EGV; er betont damit die besondere Bedeutung eines einheitlichen Auftretens „der EU“ speziell im Bereich des diplomatischen Schutzes.475

471 Allerdings ist ein solches Vorgehen nach einem Ratsbeschluss v. 12.6.1995 zu den Arbeitsmethoden des Rates nur für die Verabschiedung „einfacher Beschlüsse“ möglich: Der Gebrauch der im EUV explizit genannten Entscheidungsformen bleibt den regulären Entscheidungswegen vorbehalten. 472 Nach Angaben des Österreichischen Bundesministeriums für Landesverteidigung . 473 Burghardt/Tebbe/Marquardt, in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EU Rn. 1 ff.; Kaufmann/Bühler, in: G/H I, Art. 20 EUV Rn. 9 – Zu den Einzelheiten dieser Zusammenarbeit vgl. die „Guidelines on cooperation between Member States’ missions and Commission delegations in third countries and within international organizations in CFSP matters“ v. 6.10.2000, EU-Dok. Rat 12094/00. 474 So verfolgten beispielsweise Ende 2001 die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten in Tiflis und die örtliche Kommissions-Delegation in enger Abstimmung, welche Maßnahmen die dortigen Behörden in Reaktion auf die Ermordung zweier Unionsbürger trafen, vgl. Rat, Antwort auf EP-Anfr. P-2110/01, ABl. 2002 C 81E, S. 109 f. 475 Auch Erwgg. 4 im „Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen“ v. 19.12.1995 (ABl. 1995 L 314, S. 73) betont den Zusammenhang zwischen gemeinsamen Schutzaktivitäten und einer generellen Stärkung der Identität der Union in Drittländern.

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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b) Beschlussfassung über gemeinsame Schutzaktivitäten Der Beschluss über ein gemeinsames Vorgehen setzt nach Art. 23 EUV grundsätzlich die Zustimmung aller Mitgliedstaaten im Rat voraus. Die Kommission hat dabei (trotz ihrer späteren Mitwirkungspflichten bei der Umsetzung) kein förmliches Stimmrecht. Sie verfügt allerdings durch ihre Teilnahme an den Rats-Arbeitsgruppen und ihre reguläre Einbindung in das „COREU“-Netzwerk über weitgehende informelle Einflussmöglichkeiten im Vorfeld.476 Entscheidungen über gemeinsame Schutzaktivitäten werden vom Rat im Regelfall durch einen – im EU-Vertrag als solchen nicht ausdrücklich vorgesehenen – „einfachen“ Beschluss getroffen. Die in Art. 13 bis 15 EUV explizit genannten Entscheidungsformen (Gemeinsame Leitlinien, Strategien, Aktionen oder Standpunkte) finden im Bereich des diplomatischen Schutzes dagegen nur in seltenen Ausnahmefällen Anwendung: Sie kommen angesichts ihrer Komplexität praktisch nur dort in Betracht, wo Schutzaktivitäten über eine längerfristige Strategie strukturiert werden sollen oder eine unterstützende Einbindung der EG in Rede steht.477 Die geschilderte Beschlusspraxis des Rates ist aus rechtlicher Sicht nicht unproblematisch: Sie birgt die Gefahr von Kompetenzüberschreitungen in sich und wirft hinsichtlich ihrer konkreten Voraussetzungen und Rechtsfolgen eine Vielzahl ungeklärter Fragen auf.478 Gleichwohl spricht für die Zulässigkeit derartiger Beschlüsse, dass der EU-Vertrag offenbar selbst keine abschließende Festlegung der zulässigen Handlungsformen anstrebte. So bestimmt Art. 13 Abs. 3 EUV, dass der Rat die für die Festlegung und Durchführung der GASP erforderlichen „Entscheidungen“ auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien trifft und gemeinsame Strategien durchführt, indem er „insbesondere“ gemeinsame Aktionen und gemeinsame Standpunkte annimmt. Diese Formulierungen deuten darauf hin, dass die Mitgliedstaaten dem Rat offensichtlich Raum für weitere, an die praktischen Bedürfnisse angepasste Beschlussformen lassen wollten. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Mitgliedstaaten die späteren Entwicklungen jeweils einstimmig (Art. 23 EUV) mittrugen. Tatsächlich sind derartige „einfache“ Beschlüsse aus der Ratspraxis heute kaum noch wegzudenken. 476 Vgl. etwa § 5 al. 2 „Guidelines on cooperation between Member States’ missions and Commission delegations in third countries and within international organizations in CFSP matters“ v. 6.10.2000 (EU-Dok. Rat 12094/00): „The Presidency, in consultation with the Member States and the Commission, will decide whether the general public should be informed of the content of the demarches undertaken“. 477 Vgl. Art. 60/301 EGV. Vertiefend dazu bereits oben S. 104 ff. 478 Eingehend dazu Wessel, The EU’s Foreign and Security Policy, S. 108 ff. Allgemein zur Zulässigkeit ungeschriebener Handlungsformen auch Semrau, GASP, S. 82 f.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

c) Umsetzung der getroffenen Schutzbeschlüsse Die Umsetzung der im Rat getroffenen Beschlüsse obliegt nach Art. 18 Abs. 1 EUV dem – turnusmäßig zwischen den Mitgliedstaaten wechselnden – Vorsitz. Dieser wird dabei je nach Lage des Falles durch die „Troika“ unterstützt, das heißt durch seinen Generalsekretär479, den nächsten vorsitzführenden Mitgliedstaat sowie die Kommission (Art. 18 Abs. 3 und 4 EUV). Die praktische Bedeutung des Generalsekretärs ist im Bereich des diplomatischen Schutzes allerdings gering, da dieser – anders als die Mitgliedstaaten und die Kommission – in Drittstaaten grundsätzlich nicht über eigene Vertreter verfügt. Soweit Schutzbeschlüsse im Verletzerstaat umgesetzt werden müssen, geschieht dies deshalb zumeist nur durch Botschafter der genannten Mitgliedstaaten sowie gegebenenfalls einen oder mehrere Vertreter der örtlichen Kommissions-Delegation. d) Die Rolle des Europäischen Parlaments im Bereich der mitgliedstaatlichen Schutzzusammenarbeit Eine Beteiligung des Europäischen Parlaments an diesen Schutzaktivitäten ist im EU-Vertrag grundsätzlich nicht vorgesehen. Das Parlament ist nach Art. 21 UAbs. 1 EUV zwar zu den „wichtigsten Aspekten und grundlegenden Weichenstellungen“ der GASP anzuhören und regelmäßig über deren weitere Entwicklung zu unterrichten, hat aber kein förmliches Mitbestimmungsrecht. Auch ein förmliches Initiativrecht ist ihm nicht zugewiesen. Nach Art. 21 UAbs. 2 EUV besteht allein die Möglichkeit, Anfragen und (unverbindliche) Empfehlungen an den Rat zu richten. In der Praxis wird das Europäische Parlament allerdings weit über dieses eingeschränkte Maß hinaus tätig. Gerade im Zusammenhang mit diplomatischen Schutzfällen beschloss es in den letzten Jahren eine Vielzahl eigenständiger Dringlichkeitsresolutionen, wobei es sich regelmäßig auf Art. 48 und 50 GO EP stützte.480 Dies betraf zum Teil sogar Fälle, in denen die betroffenen Heimatstaaten die EU bis dahin noch gar nicht zu einem gemeinsamen Tätigwerden aufgefordert hatten. So übermittelte das Parlament beispielsweise den Regierungen von Pakistan481, der Russischen Föderation482 oder Hon479 . . . der nach Art. 18 Abs. 3 EUV zugleich Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist. 480 Zur Problematik dieser Praxis vgl. schon oben S. 122 f. 481 EP, „Entschl. zur Verhaftung von Dr. Munawar A. Halepota“ v. 14.12.1995, ABl. 1996 C 17, S. 204: Darin forderte das EP die pakistanischen Behörden ausdrücklich auf, „Dr. Halepota entweder unverzüglich freizulassen oder ihn vor Gericht zu stellen und seiner Familie sowie seinen Anwälten Zugang zu ihm zu gewähren“. Großbritannien hatte hier auf eine Befassung der Union ausdrücklich verzich-

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duras483 weitgehende eigenständige Forderungskataloge, die jeweils auf den Schutz vor Ort inhaftierter Unionsbürger abzielten. Zudem forderte es in solchen Resolutionen häufig nicht nur den Rat, sondern – entgegen Art. 21 EUV – auch die Kommission dazu auf, sich unverzüglich für die Betroffenen einzusetzen.484 Schon 1993 hatte das EP in diesem Sinne postuliert, dass „alle Organe der Europäischen Union alles daran setzen müssen, um die Menschenrechte [. . .] generell aller europäischen Bürger zu verteidigen.“485 Nicht selten wandten sich der Präsident des Europäischen Parlaments und andere parlamentarische Funktionsträger sogar persönlich an die Behörden und Parlamente einzelner Verletzerstaaten, um gegen konkrete Menschenrechtsverletzungen in deren Hoheitsgebiet zu protestieren.486 Trotz der grundsätzlich billigenswerten Ziele und vereinzelter Erfolge solcher Demarchen ist das Vorgehen des Europäischen Parlaments insgesamt außerordentlich kritisch zu würdigen. Es überschreitet nicht nur bei weitem den diesem Organ im EU-Vertrag zugewiesenen kompetenzrechtlichen Rahmen, sondern gefährdet zudem auch die Kohärenz des Auftretens der EU nach außen. Denn da das Europäische Parlament weder über eigene Auslandsvertretungen verfügt noch unmittelbaren Zugang zum „COREU“System hat, liegt den parlamentarischen Schritten häufig nur eine dünne Informationsbasis zu Grunde. Hinzu kommt, dass die Europaabgeordneten regelmäßig auch nicht in die strategischen Überlegungen von Rat und Heimatstaat eingebunden sind. Die Gefahr, dass öffentliche parlamentarische tet, vgl. Stellungnahme v. Kommissar Pinheiro i. d. EP-Sitzung v. 14.12.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–472, S. 292. 482 EP, „Entschl. zur Inhaftierung des deutschen Staatsbürgers Georg T. Kunta in Daghestan/Russische Föderation“ v. 14.12.1995, ABl. 1996 C 17, S. 205, Erwgg. C und D: Hier verlangte das EP von den zuständigen Behörden in der Russischen Föderation u. a., der deutschen Botschaft unverzüglich ein Gespräch mit Georg Kunta zu ermöglichen. Außerdem forderte es die sofortige Freilassung des Betroffenen und die Verlegung seines Prozesses nach Moskau oder an einen anderen Ort, an dem eine internationale Beobachtung möglich sei. Auch in diesem Fall hatte Deutschland die EU nicht um ein Tätigwerden ersucht, vgl. Stellungnahme v. Kommissar Pinheiro i. d. EP-Sitzung v. 14.12.1995, ABl. 1995 Anhg. Nr. 4–472, S. 293. 483 EP, „Entschl. zur Inhaftierung einer französischen Staatsbürgerin in Honduras“ v. 21.2.1991, ABl. 1991 C 72, S. 135: Darin protestierte das EP energisch gegen die „Misshandlung einer Bürgerin der Gemeinschaft“ und beanspruchte von den honduranischen Behörden, die Betroffene „entweder unverzüglich freizulassen oder aber dafür Sorge zu tragen, dass das Verfahren gegen sie streng nach den gelten Gesetzen durchgeführt wird“. 484 Vgl. z. B. die in Fn. 481 f. genannten Resolutionen. 485 EP, Ziff. 2 „Entschl. zum Todesurteil gegen Salman Rushdie“ v. 16.12.1993, ABl. 1994 C 20, S. 170. 486 EP, Das EP und die Verteidigung der Menschenrechte, S. 7 f.; Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, S. 435.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

Stellungnahmen die zunächst bewusst gewählte Diskretion durchbrechen oder inhaltlich widersprüchliche Signale setzen, ist deshalb groß. Im Ganzen zeigt sich damit, dass das Europäische Parlament nach seiner gegenwärtigen Funktionsweise und Stellung nicht als außenpolitischer Einzelfallakteur ausgelegt ist. Es wäre vermutlich gut beraten, vor diesem Hintergrund auf eigene Schutzaktivitäten zu verzichten und sich künftig sehr viel stärker auf seine originäre Kontrollfunktion im Bereich der GASP zu besinnen.

III. Zusammenfassende Praxisstudie: Der Fall Salman Rushdie Der Fall des britischen Schriftstellers Salman Rushdie zeigt zusammenfassend noch einmal in besonderer Deutlichkeit die Vielfalt gemeinsamer Schutzaktivitäten im Rahmen der EU und das Zusammenspiel der einzelnen Organe in diesem Zusammenhang. Rushdie hatte Anfang 1989 mit seinem Werk „Satanische Verse“ scharfe Proteste in der islamischen Welt ausgelöst, die schließlich am 14. Februar 1989 in die als „Fatwa“ bekannt gewordenen Mordaufrufe des iranischen Revolutionsführers und faktischen Staatsoberhaupts Ayattollah Khomeini mündeten. Eine Reihe führender iranischer Regierungsvertreter unterstützte diese Aufrufe öffentlich und versprach hohe Belohnungen für die Ermordung von Rushdie und den an der Veröffentlichung seines Werks beteiligten Übersetzern und Verlegern. Es stand aus Sicht praktisch aller Organe der Union außer Frage, dass dieses Verhalten iranischer Staatsvertreter einen Verstoß gegen elementarste Grundsätze des internationalen Rechts darstellte.487 Gleichwohl lag die Entscheidung über die hiergegen zu ergreifenden Schritte im Ausgangspunkt zunächst allein bei den betroffenen Heimatstaaten, in erster Linie also bei dem Vereinigten Königreich. Denn ein Zusammenhang zu originären Gemeinschaftsbefugnissen, wie er für eigenständige Schutzaktivitäten der EG erforderlich gewesen wäre, schied hier von vornherein aus. Da sich die iranischen Morddrohungen über Rushdie hinaus gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Verleger und Übersetzer aus praktisch jedem europäischen Land richteten, entschlossen sich die Mitgliedstaaten rasch zu einem gemeinsam Vorgehen. Schon am 20. Februar 1989 verabschiedeten die zwölf Außenminister im Rahmen der damaligen EPZ eine erste Protestnote an die Adresse des Irans. Zugleich riefen sie die Leiter ihrer diploma487 Vgl. etwa Europ. Rat, Schlussfolgerungen v. Edinburgh, EU-Dok. SN 456/1/ 92, Ziff. 15; Rat, Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0645/96 und E-0646/96, ABl. 1996 C 280, S. 54 f.; Stellungnahme v. Kommissar Marín i. d. EP-Sitzung v. 19.2.1998, ABl. 1998 Anhg. 4–514, S. 371; EP, „Entschl. zum Todesurteil gegen Salman Rushdie“ v. 16.12.1993, ABl. 1994 C 20, S. 170, Erwgg. A.

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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tischen Vertretungen in Teheran zu Beratungen zurück und stellten alle offiziellen Besuche auf höherer Ebene ein.488 Bereits einige Tage zuvor hatte das EP von sich aus eine Protestresolution an die iranische Regierung verabschiedet, in der es die Morddrohungen scharf verurteilte und den Rat zu einem unmissverständlichen Einschreiten zum Schutze der betroffenen Individuen aufforderte.489 In den folgenden Jahren wandten sich Rat und Kommission zunächst mit einer Vielzahl vertraulicher Demarchen an die iranischen Behörden. Angesichts ausbleibender Erfolge veröffentlichten sie deren Inhalt später zum Teil. So erklärte der Rat etwa Anfang 1996, er habe die iranische Regierung im April 1995 vergeblich dazu aufgefordert, schriftlich die Sicherheit von Salman Rushdie zu garantieren.490 Daneben verstärkten die Organe der Union ab Mitte der neunziger Jahre durch eine Reihe weiterer Initiativen zunehmend den öffentlichen Druck auf die Teheraner Behörden: Europäischer Rat und Ratspräsidentschaft gaben nun regelmäßig öffentliche Erklärungen ab, in denen sie die ausbleibenden Fortschritte im Fall „Rushdie“ anprangerten; in vielen Fällen schlossen sich diesen Erklärungen ausdrücklich weitere Staaten außerhalb des EG-Raums an.491 Zugleich drängten die Mitgliedstaaten in der UN-Generalversammlung und der UN-Menschenrechtskommission erfolgreich auf scharfe Resolutionen und Erklärungen zum Iran.492 Auch das Europäische Parlament beschloss während dieser Zeit eine Fülle eigenständiger Resolutionen zum Schutze Rushdies, in denen es die Aktivitäten des Rates und der Mitgliedstaaten kritisch begleitete.493 488 Erkl. „der Außenminister der zwölf Mitgliedstaaten“ v. 20.2.89, Bull. EG 2/ 89, Ziff. 2.4.3. Eine weitere gemeinsame Protesterklärung gaben die zwölf Außenminister im Mai des gleichen Jahres ab, vgl. Bull. EG 5/89, Ziff. 2.3.1. 489 EP, „Entschl. zur Verschlechterung der Menschenrechtssituation im Iran“ v. 16.2.89, ABl. 1989 C 69, S. 127 f. 490 Rat, Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0645/96 und E-0646/96, ABl. 1996 C 280, S. 54 f. Vgl. zur Mitwirkung der Kommission an derartigen Demarchen allgemein auch ihre Antwort auf EP-Anfr. E-2717/99, ABl. 2000 C 280E, S. 111. 491 Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 13.2.1995, Bull. EU 1–2/95, Ziff. 1.4.11; Europ. Rat, Schlussfolgerungen v. Madrid, Bull. EU 12/95, Ziff. I.41; Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 13.2.1996, Bull. EU 1–2/96, Ziff. 1.4.12; Europ. Rat, Schlussfolgerungen v. Florenz, Bull. EU 6/96, Ziff. I.12; Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 13.2.1997, Bull. EU 1–2/97, Ziff. 1.3.11. 492 Rat, Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0645/96 und E-0646/96, ABl. 1996 C 280, S. 54 f. 493 U.a. „Entschl. zum Todesurteil gegen Salman Rushdie“ v. 16.12.1993, ABl. 1994 C 20, S. 170; „Entschl. zu den Menschenrechtsverletzungen im Iran“ v. 6.4.1995, ABl. 1995 C 109, S. 162 ff.; „Entschl. zur Fatwa gegen Salman Rushdie“ v. 15.2.1996, ABl. 1996 C 65, S. 157; „Entschl. zu der gegen Salman Rushdie verhängten Fatwa“ v. 18.7.1996, ABl. 1996 C 261, S. 168; „Entschl. zu Iran“ v. 20.2.1997, ABl. 1997 C 85, S. 145 f.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

Zentrales Instrument des gemeinsamen diplomatischen Schutzes blieb lange Zeit jedoch vor allem der so genannte „kritische Dialog“ mit dem Iran, den der Europäische Rat schon im Dezember 1992 angeregt hatte. Ziel dieses Dialogs sollte es sein, die Besorgnis der Mitgliedstaaten über das Verhalten des Iran zum Ausdruck zu bringen und Verbesserungen auf verschiedenen Gebieten zu fordern, und zwar insbesondere gerade auch hinsichtlich des Schicksals von Salman Rushdie.494 Ab 1993 fanden dazu zweimal jährlich vertrauliche Treffen auf Staatssekretärsebene statt, in denen „die EU“ gegenüber der iranischen Regierung einheitlich durch die „Troika“ vertreten wurde.495 Der Rat beurteilte den Verlauf dieser Zusammenkünfte zunächst sehr positiv und lobte die „deutliche Sprache“, die dabei gesprochen werde.496 Angesichts des Ausbleibens grundlegender Fortschritte in der Sache mehrten sich allerdings im Laufe der Zeit Zweifel an der Effektivität eines solchen kooperativen Vorgehens. Vor allem das EP beurteilte den „kritischen Dialog“ zunehmend skeptisch und forderte den Rat immer deutlicher dazu auf, stärkeren Druck auf die Behörden in Teheran auszuüben.497 Als das Berliner Kammergericht im April 1997 zudem eine Verwicklung iranischer Regierungskreise in terroristische Aktivitäten feststellte, brach der Rat den „kritischen Dialog“ schließlich ab. Zugleich kamen die Außenminister überein, alle offiziellen bilateralen Besuche des Irans auf Ministerebene auszusetzen, das nachrichtendienstliche Personal Irans aus allen Mitgliedstaaten auszuweisen und die eigenen Botschafter in koordinierter Form zurückzurufen.498 Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte an sich auch eine Einbindung der EG in die gemeinsamen Schutzaktivitäten nahe gelegen. So wäre insbesondere denkbar gewesen, die bei der EG akkreditierten iranische Botschafter gleichermaßen zur „persona non grata“ zu erklären und damit eine einheitliche Linie von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten sicherzustellen. Voraussetzung dafür wäre an sich lediglich das Vorliegen eines entsprechenden GASP-Beschlusses gewesen. In der Praxis blieb die EG jedoch – politisch wenig konsequent – von allen entsprechenden Protestschritten ausgenommen.

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Europ. Rat, Schlussfolgerungen v. Edinburgh, EU-Dok. SN 456/1/92, Ziff. 15. Bundesregierung, BT-Drs. 13/3485, S. 2. 496 Rat, Gem. Antwort auf EP-Anfr. E-0645/96 und 0646/96, ABl. 1996 C 280, S. 54 f. Auch die deutsche Bundesregierung äußerte sich zunächst sehr positiv, vgl. BT-Drs. 13/3485, S. 3 und 9 f. 497 „Entschl. zur Fatwa gegen Salman Rushdie“ v. 15.2.1996, ABl. 1996 C 65, S. 157; „Entschl. zu der gegen Salman Rushdie verhängten Fatwa“ v. 18.7.1996, ABl. 1996 C 261, S. 168.; „Entschl. zu Iran“ v. 20.2.1997, ABl. 1997 C 85, S. 145 f.; „Entschl. zum Iran“ v. 15.5.1997, ABl. 1997 C 167, S. 151 f. 498 Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 10.4.1997, Bull. EU 4/97, Ziff. 1.4.12; Rat, Erkl. v. 29./30.4.1997, Bull. EU 4/97, Ziff. 1.4.13. 495

A. Koordination mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im EU-Rahmen

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Ungeachtet des in der Folgezeit äußerst angespannten Verhältnisses zum Iran forderten Rat und Kommission die Teheraner Behörden weiterhin durch Demarchen und öffentliche Erklärungen dazu auf, in Bezug auf Salman Rushdie das Völkerrecht zu achten.499 Auch das EP engagierte sich unverändert mit regelmäßigen Resolutionen500 und einer Vielzahl parlamentarischer Anfragen für den britischen Schriftsteller. Die Situation verkomplizierte sich weiter, als Ende 1997 der Deutsche Helmut Hofer wegen angeblicher Verstöße gegen islamisches Recht festgenommen und von einem iranischen Gericht unter zweifelhaften Umständen zum Tode verurteilt wurde: Auf deutsches Betreiben hin wurden die Organe der Union nun auch in diesem Fall schützend tätig.501 Eine grundlegende Zäsur im europäisch-iranischen Verhältnis brachte Anfang 1998 erst die Wahl des als gemäßigt geltenden Khatami in das Amt des iranischen Staatspräsidenten. Sie erlaubte erstmals seit langem wieder eine schrittweise Verbesserung des politischen Klimas502 – und führte schließlich auch zum Erfolg der gemeinsamen Schutzbemühungen: Im September 1998 sicherte die iranische Regierung der Europäischen Union zu, dass sie weder eine das Leben von Salman Rushdie und der mit seiner Arbeit verbundenen Personen bedrohende Handlung zu unternehmen noch irgend jemanden dazu ermutigen oder ihm beizustehen gedenke. Darüber hinaus garantierte sie auch, dass sie von der Auslobung einer darauf abzielenden Belohnung abrücke und diese nicht unterstütze.503 Im Verhältnis zum Iran hatte sich der abgestimmte Schutz im Rahmen der EU insoweit letztlich als erfolgreich erwiesen. Der Fall Rushdie war damit allerdings keineswegs endgültig abgeschlossen. So wurden schon kurze Zeit später ähnliche Mordaufrufe in pakistanischen Publikationen verbreitet. Gemeinsame Schutzaktivitäten der Mitgliedstaaten und der Organe der Union blieben demgemäß – wenngleich in deutlich geringerem Umfang – weiterhin notwendig.504

499 Rat, Antwort auf EP-Anfr. E-1403/97, ABl. 1998 C 76, S. 35; Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 14./16.2.1998, Bull. EU 1–2/98, Ziff. 1.4.19. 500 Etwa „Entschl. zum Iran“ v. 15.5.1997, ABl. 1997 C 167, S. 151 f.; „Entschl. zur Lage der Menschenrechte im Iran“ v. 19.2.1998, ABl. 1998 C 80, S. 248. 501 EP, „Entschl. zur Lage der Menschenrechte im Iran“ v. 19.2.1998, ABl. 1998 C 80, S. 248; Stellungnahme Kommissar Marín i. d. EP-Sitzung v. 19.2.1998, ABl. 1998 Anhg. Nr. 4–514, S. 371. Schon zuvor hatte der Rat die Teheraner Regierung im Zusammenhang mit dem Berliner „Mykonos-Prozess“ eindringlich dazu aufgefordert, die Sicherheit der deutschen Staatsbürger im Iran zu gewährleisten, vgl. seine Erkl. v. 25.11.1996, Bull. EU 11/96, Ziff. 1.4.14. 502 Rat, Schlussfolgerungen v. 23.2.1998, Bull. EU 1–2/98, Ziff. 1.4.101; ders., Schlussfolgerungen v. 8.6.1998, Bull. EU 6/98, Ziff. 1.4.101. 503 Ratspräsidentschaft, Erkl. v. 28.9.1998, Bull. EU 9/98, Ziff. 1.3.14.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

B. Einbeziehung der EG in die bestehenden Koordinationsmechanismen Die Ergänzung des traditionellen Systems mitgliedstaatlicher Protektion um eigenständige gemeinschaftliche Schutzbefugnisse erhöht die Gefahr widersprüchlicher außenpolitischer Strategien und Aktivitäten in beträchtlichem Maße. Denn die EG kann – wie schon an früherer Stelle gezeigt505 – selbst im Bereich vollständig vergemeinschafteter Sachkompetenzen kein exklusives Schutzrecht für sich beanspruchen: Mitgliedstaatliche und gemeinschaftliche Abwehrbefugnisse existieren hier vielmehr parallel-konkurrierend nebeneinander. Hinzu kommt, dass die Europäische Gemeinschaft in diesen Fällen zwar für völkerrechtliche Schritte gegenüber dem Verletzerstaat zuständig ist, nicht aber für die inhaltlich eng damit korrespondierende Betreuung der betroffenen Individuen in entsprechenden Gerichtsoder Verwaltungsverfahren. Die Gewährung konsularischen Beistands bleibt vielmehr grundsätzlich weiterhin alleinige Aufgabe des betreffenden Heimatstaates.506 Fraglich ist deshalb, wie vor diesem Hintergrund eine ausreichende Verzahnung entsprechender Schutzaktivitäten von EG und Mitgliedstaaten sichergestellt werden kann: Lassen sich die eben untersuchten Strukturen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auch in dieser weitergehenden Hinsicht zur außenpolitischen Abstimmung nutzen? Art. 3 EUV beantwortet diese Frage in positivem Sinne. Er verpflichtet „die Union“ in UAbs. 1 nicht nur allgemein auf das Ziel, die Kohärenz und Kontinuität ihrer Maßnahmen unter gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes sicherzustellen, sondern greift diese Zielvorgabe in UAbs. 2 ausdrücklich auch noch einmal speziell für die Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik auf. Art. 3 EUV normiert insoweit gerade auch für das horizontale Verhältnis zwischen der EG und den Mitgliedstaaten ein umfassendes Kohärenzgebot.507 Für die wechselseitige Abstimmung der außenpolitischen Maßnahmen sind dabei vor allem der Rat und die Kommission verantwortlich: Sie sind nach Art. 3 UAbs. 2 EUV verpflichtet, zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten und in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen die Durchführung der betreffenden Politiken sicherzustellen. Praktisch erleichtert wird dies durch 504 So versuchte die Delegation in Pakistan alsbald, die Hintergründe der neuerlichen Mordaufrufe aufzuklären, vgl. Kommission, Antwort auf EP-Anfr. P-3204/98, ABl. 1999 C 135, S. 176 f. 505 Oben S. 91 ff. 506 Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos, wie bereits in Fn. 270 für die eigenständigen und auf S. 110 ff. für die unterstützenden Schutzkompetenzen dargelegt wurde. 507 Blanke, in: C/R, Art. 3 EUV Rn. 8 f. und 14.

B. Einbeziehung der EG in die EU-Koordinationsmechanismen

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den in Art. 3 UAbs. 1 und Art. 5 EUV vorgesehenen „einheitlichen institutionellen Rahmen“, der den einzelnen Organen jeweils eine Doppelrolle als EG- und zugleich EU-Institutionen zuweist. Gemeinschaftsbelange finden also sowohl materiell wie auch institutionell unmittelbar Eingang in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Inhaltlich verpflichtet das in Art. 3 EUV verbürgte Kohärenzgebot die beteiligten Akteure zu gegenseitiger konzeptioneller Abstimmung ihrer politischen Maßnahmen und zur Vermeidung widersprüchlichen Handelns.508 Dieses Ziel ist nur erreichbar, wenn sich die EG und die Mitgliedstaaten wechselseitig über alle für den anderen Teil relevanten Schutzfälle und diesbezüglich geplante Abwehrmaßnahmen informieren. Zu Recht betonte die Kommission demgemäß gerade im Zusammenhang mit derartigen Konstellationen immer wieder die Notwendigkeit eines unverzüglichen und umfassenden Informationsaustauschs zwischen ihren eigenen Dienststellen und den Behörden der Mitgliedstaaten. So forderte sie die Mitgliedstaaten insbesondere auf, ihr im Falle von Export- oder Fischereikonflikten zeitnah alle wesentlichen Informationen über die Hintergründe und die weiter geplanten Schritte zukommen zu lassen.509 Im Gegenzug erklärte sie sich bereit, die Mitgliedstaaten regelmäßig über das Vorgehen der Kommission in derartigen Fällen zu informieren und alle vom Verletzerstaat übermittelten Auskünfte an den konkret betroffenen Heimat- bzw. Flaggenmitgliedstaat weiterzuleiten.510 Als Kommunikationsmittel bietet sich dabei vor allem ein Rückgriff auf das bereits oben erwähnte COREU-Netzwerk an, das gerade in solchen Konstellationen einen schnellen und vertraulichen Informationsaustausch ermöglicht. Das Kohärenzgebot des Art. 3 EUV beschränkt sich jedoch nicht allein auf die wechselseitige Unterrichtung über Schutzfälle. Es umfasst auch die Pflicht zu inhaltlicher Kooperation, soweit sich dies im Einzelfall als erforderlich erweist, um entsprechende Abwehransprüche sachgerecht geltend machen zu können. So berät die Kommission die Mitgliedstaaten etwa regelmäßig hinsichtlich der Auslegung der WTO-Abkommen. Auch in Beihilfestreitigkeiten mit dritten Staaten gewährt die Kommission den einzelnen Regierungen entsprechende Unterstützung.511 Über derartige „interne“ Kooperationsformen hinaus können die EG und ihre Mitgliedstaaten zudem beschließen, mit gemeinsamen „EU-Maßnahmen“ auch unmittelbar gegen508 Blanke, in: C/R, Art. 3 EUV Rn. 5; Semrau, GASP, S. 48 ff. Ausführlich zur Problematik dieser Bestimmung Hüwelmeier, GASP, S. 364 ff. 509 Vgl. für den Handelsbereich bspw. Kommission, Third country commercial defence investigations concerning EC exports (Stand: 9/99) , S. 6. Ähnlich für den Fischereibereich Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943 (abgedruckt unten S. 261 ff.). 510 Ebenda.

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

über dem Verletzerstaat tätig zu werden. Ein solcher Beschluss ist insbesondere dann erforderlich, wenn die EG ohne Bezug zu eigenen Sachkompetenzen bestimmte praktische Schutzinstrumente (wie insbesondere Wirtschaftssanktionen) einsetzen soll.512 Entsprechende Initiativen können nach Art. 22 Abs. 1 EUV wiederum sowohl von den Mitgliedstaaten wie von der Kommission ausgehen. Anders als im Bereich rein mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten hat hier das Initiativrecht der Kommission naturgemäß eine sehr viel stärkere Bedeutung. Denn die neu hinzutretenden Gemeinschaftsinteressen können überhaupt nur von der Kommission in ihrer Doppelrolle als Gemeinschafts- wie auch Unionsorgan (Art. 3 Abs. 1 EUV) in angemessener Weise zur Geltung gebracht werden. An der nachfolgenden Abstimmung wird die Kommission gleichwohl nicht beteiligt: Stimmberechtigt in Bezug auf die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen sind nach Art. 23 EUV auch in diesen Fällen allein die Mitgliedstaaten.513 Die vorgenannten Überlegungen dürfen allerdings nicht zu dem Missverständnis verleiten, die Europäische Gemeinschaft könne generell nur auf Grundlage eines entsprechenden GASP-Beschlusses schützend nach außen tätig werden. Tatsächlich bleiben die Ebenen von EG und EU insoweit weiterhin streng zu unterscheiden. Besonders deutlich wird dies, wo sich die EG auf Grund ihrer impliziten Schutzkompetenzen zu einem eigenständigen Vorgehen entschließt: Hier gelten für das Entscheidungsverfahren allein die schon im Ersten Teil untersuchten gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen. Der EU-Vertrag besagt also nicht, dass die EG in derartigen Fällen zunächst einen entsprechenden GASP-Beschluss abwarten müsste oder dass ein solcher Beschluss gar an die Stelle gemeinschaftsspezifischer Verfahrensbestimmungen träte. Das unionsrechtliche Kooperationsgebot beschränkt sich vielmehr in solchen Fällen darauf, die Bestimmungen des EG-Vertrags um begleitende „informelle“ Konsultationspflichten im Rahmen der GASP zu ergänzen. Nichts grundlegend anderes gilt, wenn sich EG und Mitgliedstaaten förmlich auf gemeinsame „EU-Maßnahmen“ verständigen: Auch hier können die entsprechenden GASP-Beschlüsse nicht die notwendigen Entscheidungsverfahren auf EG-Ebene ersetzen. Denn die EU ist nicht dazu befugt, verfahrensrechtlich unmittelbar in originäre Kompetenzbereiche der EG überzugreifen. So bedarf selbst ein GASP-Beschluss 511 So genannter „Pro-Active-Approach“ im Handelsbereich, vgl. Kommission, Trade policy instruments (Stand: 1/01) . 512 Zu diesen Fällen schon ausführlich oben S. 104 ff. 513 Nicht mit den hier untersuchten GASP-Beschlüssen zu verwechseln sind sekundärrechtliche Bestimmungen wie Art. 6 VO 3286/94 (Nw. in Fn. 277), die den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen, bloße Interventionsanträge an die Kommission zu richten.

B. Einbeziehung der EG in die EU-Koordinationsmechanismen

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über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen nach Art. 301 bzw. 60 EGV noch der Umsetzung durch die zuständigen Gemeinschaftsorgane.514 Die Zusammenarbeit im Rahmen der GASP dient demzufolge generell allein der materiellen Koordination, nicht dagegen der unmittelbaren Legitimation gemeinschaftlicher Protektionsbemühungen. Die praktische Funktionsweise dieses „integrierten Systems“ diplomatischen Schutzes lässt sich zusammenfassend besonders deutlich anhand der Abwehr des bereits an früherer Stelle geschilderten515 US-amerikanischen „Helms-Burton“ und „d’Amato Act“ nachvollziehen. Denn das amerikanische Vorgehen beeinträchtigte nicht nur die legitimen Handels- und Schutzinteressen der Gemeinschaft, sondern löste parallel dazu auch mitgliedstaatliche Protektionsansprüche hinsichtlich der betroffenen Staatsangehörigen aus. Schon früh bemühten sich die europäischen Partner deshalb im Rahmen der GASP um ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der amerikanischen Regierung. So beauftragte der Rat den Ausschuss der Ständigen Vertreter im Juli 1996 ausdrücklich, „die erforderlichen Vorkehrungen für dringliche gemeinschaftliche und koordinierte einzelstaatliche Maßnahmen zu treffen.“516 Auf diese Weise eröffnete sich ein Weg zu Sanktionsdrohungen, die der EG als solcher verschlossen waren, wie beispielsweise Änderungen bei den Verfahren für die Einreise US-amerikanischer Unternehmensvertreter in den EU-Raum. Die gemeinsamen Koordinationsbemühungen im Rahmen der GASP mündeten am 22. November 1996 schließlich in die gleichzeitige Verabschiedung der EG-Verordnung 2271/96/EG und der Gemeinsamen Aktion 96/668/GASP durch den Rat.517 Die erstgenannte Verordnung wurde bereits an früherer Stelle ausführlich vorgestellt: Sie normiert ein umfassendes Beteiligungs-, Anerkennungs- und Vollstreckungsverbot hinsichtlich aller schädigenden Gerichts- und Verwaltungsentscheidungen und gewährt geschädigten Individuen und Unternehmen darüber hinaus einen umfassenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen potentielle Schädiger. Ergänzend dazu sieht die Gemeinsame Aktion weitergehende nationale Maßnahmen vor. So ist nach Art. 1 der Aktion jeder Mitgliedstaat berechtigt, die seines Erachtens erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Interessen aller durch die in Rede stehenden US-amerikanischen Gesetze betroffenen Personen zu ergreifen, soweit diese Interessen nicht bereits durch die Verordnung selbst ausreichend geschützt werden. Die Abstimmung der mitgliedstaatlichen und gemeinschaftlichen Schutzbemühungen im Rahmen der GASP erlaubte damit im Ergebnis ein deutlich weiter 514

Vertiefend Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 9 f. Oben S. 82 ff. 516 Rat, Schlussfolgerungen v. 15.7.1996, Bull. EU 7–8/96, Ziff. 1.4.116 (Hervorhebung v. Verf.). 517 ABl. 1996 L 309, S. 1 bzw. 7 ff. 515

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2. Teil: Die Koordination paralleler Schutzaktivitäten

reichendes Vorgehen, als dies jedem der beteiligten Akteure für sich genommen möglich gewesen wäre.

C. Ergebnisse des zweiten Teils Die Europäische Union ist bislang kein eigenständiges Völkerrechtssubjekt. Für einen „diplomatischen Schutz durch die EU“ bleibt damit – anders als bei den im Ersten Teil untersuchten Schutzrechten der EG – von vornherein kein Raum. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) wird jedoch in den letzten Jahren in zunehmendem Maße dazu genutzt, mitgliedstaatliche Protektionsbemühungen untereinander zu koordinieren und gemeinsam durchzuführen. Die spezifischen Einzelheiten und Instrumente dieser neuen Erscheinungsform diplomatischer Schutzaktivitäten bleiben im EU-Vertrag weitgehend ungeregelt. Fest steht angesichts Art. 16 EUV allein das allgemeine Ziel, den Einfluss der Union durch konzertiertes und konvergierendes Handeln möglichst wirksam zum Tragen zu bringen. In den vergangenen Jahren entstand aus dieser generellen Vorgabe ein abgestuftes System außenpolitischer Handlungsformen, das seither der Behandlung konkreter Schutzfälle im Rahmen der EU regelmäßig zu Grunde liegt. Primäres Handlungsmittel sind danach gemeinsame Demarchen gegenüber dem jeweiligen Verletzerstaat. Bleiben diese Demarchen erfolglos, versuchen die Mitgliedstaaten zumeist, durch Bekanntmachung ihrer Erklärungen und die Einbindung dritter Staaten den öffentlichen Druck auf den Verletzerstaat zu erhöhen. Schließlich stehen „der EU“ in solchen Fällen auch eine Reihe weitergehender völkerrechtlicher Instrumente zur Verfügung, von denen jedoch in Schutzfällen zumeist nur als latentes Druckmittel Gebrauch gemacht wird. Gemeinsame Schutzaktivitäten im Rahmen der EU müssen vom Rat einstimmig verabschiedet werden. Im Regelfall geschieht dies durch einen – im EU-Vertrag nicht ausdrücklich vorgesehenen – „einfachen Beschluss“. Zur Vorbereitung der entsprechenden Entscheidungen bedient sich der Rat grundsätzlich seiner verschiedenen Arbeitsgruppen. Eine wichtige Koordinationsfunktion kommt insoweit auch dem gemeinsamen „COREU“-Netzwerk zu. Die weitere Umsetzung obliegt dem jeweiligen Ratsvorsitz, der dabei je nach Lage des Falles durch die „Troika“ unterstützt wird. Eine Beteiligung des Europäischen Parlaments an den gemeinsamen Schutzaktivitäten ist im EU-Vertrag grundsätzlich nicht vorgesehen. Gleichwohl wird das Parlament in Schutzfällen regelmäßig tätig, insbesondere durch eigenständige Dringlichkeitsresolutionen und Demarchen. Diese Praxis ist außerordentlich problematisch: Sie überschreitet nicht nur den diesem Organ vertraglich vorgegebenen Kompetenzrahmen, sondern gefährdet zudem die Kohärenz des Auftretens der EU nach außen.

C. Ergebnisse des zweiten Teils

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Die Strukturen der GASP ermöglichen nicht nur gemeinsame Schutzaktivitäten der Mitgliedstaaten, sondern weitergehend auch eine enge Verzahnung mit den entsprechenden Schritten der EG. Zentrale Bedeutung kommt insoweit Art. 3 EUV zu, der materiell ein umfassendes Kohärenzgebot normiert und dieses zugleich durch einen „einheitlichen institutionellen Rahmen“ absichert. EG und Mitgliedstaaten sind danach zur konzeptionellen Abstimmung ihrer jeweiligen politischen Maßnahmen und zur Vermeidung widersprüchlichen Handelns verpflichtet. Dies beinhaltet für beide Seiten vor allem die Pflicht zu wechselseitiger Information und Konsultation über alle bedeutenden Schutzfälle. Zentrales Instrument eines solchen Austauschs ist dabei wiederum das „COREU“-Netzwerk. Die unionsrechtliche Kooperationspflicht tritt dabei ergänzend neben die bereits im Ersten Teil dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Schutzvoraussetzungen. Ein zusätzlicher förmlicher GASP-Beschluss des Rates ist nur erforderlich, wenn sich EG und Mitgliedstaaten im Einzelfall auch auf gemeinsam durchgeführte „EU-Maßnahmen“ gegenüber dem Verletzerstaat verständigen wollen. In keinem Fall ersetzt ein solcher GASP-Beschluss jedoch die internen gemeinschaftsrechtlichen Entscheidungsverfahren. Die Diskussion und Entscheidungsfindung im Rahmen der GASP dient also allein der materiellen Koordination, nicht aber der unmittelbaren Legitimation gemeinschaftlicher Maßnahmen.

Dritter Teil

Völkerrechtliche Rahmenbedingungen des gemeinsamen Schutzsystems Offen blieb bislang, ob dieses aus dem EG- bzw. EU-Vertrag abgeleitete Schutzsystem auch mit den einschlägigen völkerrechtlichen Rahmenbedingungen vereinbar ist. Denn das Gemeinschafts- und Unionsrecht verpflichtet als solches grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten selbst. Dritten Völkerrechtssubjekten gegenüber handelt es sich bei den entsprechenden Verträgen dagegen um „res inter alios acta“, also um interne Abmachungen, an die Außenstehende wegen des grundlegenden Verbots von Verträgen zu Lasten Dritter518 nicht ohne weiteres gebunden sind. Im Folgenden soll insoweit zunächst die Völkerrechtskonformität gemeinsamer diplomatischer Schutzaktivitäten der Mitgliedstaaten untersucht werden (dazu A.). Anschließend wird in einem zweiten Schritt auch die völkerrechtliche Zulässigkeit einer Einbeziehung der Europäischen Gemeinschaft in das gemeinsame Schutzsystem zu überprüfen sein (dazu B.).

A. Völkerrechtliche Zulässigkeit gemeinsamer mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten im Rahmen der GASP Fälle des diplomatischen Schutzes können nach den vorangehenden Überlegungen jederzeit im Rahmen der GASP behandelt und zum Gegenstand gemeinsamer außenpolitischer Maßnahmen gemacht werden. Aus europarechtlicher Sicht spielt dabei prinzipiell keine Rolle, wie viele Mitgliedstaaten unmittelbar von der in Rede stehenden Verletzungshandlung betroffen waren. Selbst wenn nur ein einziger Mitgliedstaat eine rechtswidrige Beeinträchtigung seiner Staatsangehörigen geltend macht, sind gemeinsame Schutzaktivitäten der gesamten EU möglich. Inwieweit aber ist diese Verständnis auch mit den einschlägigen Vorgaben des Völkerrechts vereinbar? Zweifelhaft erscheint dies vor allem in Hinblick auf das grundlegende völ518 Näher zu diesem in Art. 34 WVRK kodifizierten Satz des Völkergewohnheitsrechts Ipsen/Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, § 12 Rn. 23 ff.; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 37 ff.

A. Zulässigkeit gemeinsamer mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten

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kergewohnheitsrechtliche Nichteinmischungsprinzip519 und den dadurch verbürgten Schutz staatlicher Souveranität. Denn die Gewährung von diplomatischem Schutz zielt unmittelbar darauf ab, den jeweiligen Verletzerstaat zu einer Änderung seines bisherigen Verhaltens zu bewegen. Dass über den betroffenen Heimatstaat hinaus noch weitere Länder zu derartigen Einflussnahmeversuchen befugt seien sollen, erscheint auf den ersten Blick keineswegs selbstverständlich.

I. Reichweite des völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzips Eine Untersuchung der aufgeworfenen Fragen setzt zunächst Klarheit über die genaue Reichweite des Nichteinmischungsprinzips voraus. Denn nicht jede Maßnahme, mit der ein Staat oder eine internationale Organisation auf das Verhalten anderer Staaten einzuwirken sucht, ist völkerrechtlich von vornherein unzulässig. Eine verbotene Einmischung liegt vielmehr nur dann vor, wenn Zwang in Angelegenheiten ausgeübt wird, die ausschließlich dem betroffenen Staat selbst vorbehalten sind.520 Die Umrisse der so geschützten staatlichen Souveranitätssphäre („domaine réservé“) sind dabei nicht statisch gezogen: Macht ein Staat einzelne seiner originären Zuständigkeiten zum Gegenstand völkerrechtlicher Regelungen, reduziert er damit zugleich den Umfang des ihm fortan zukommenden „interventionsfreien“ Bereichs. Der Kreis geschützter Aspekte verkleinert sich also in gleichem Maße, wie die völkerrechtliche Durchdringung ursprünglich rein innerstaatlich geregelter Materien zunimmt. Gleichwohl bleibt das Nichteinmischungsprinzip nach wie vor für eine Reihe von Themenkreisen zu beachten, die auch für den diplomatischen Schutz von Interesse sind. Als Beispiel dafür wird vielfach etwa die Ausgestaltung der nationalen Verfassungs- und Wirtschaftsordnung genannt.521 Zu beachten ist allerdings, dass selbst hier inzwischen vielfach völkerrechtliche Teilregelungen existieren, die den staatlich vorbehaltenen Bereich begrenzen. Die exakten Grenzen der „domaine réservé“ bleiben insoweit in jedem Einzelfall gesondert zu bestimmen. 519 Vgl. zur gewohnheitsrechtlichen Geltung schon ICJ Rep. 1986, S. 14, 106 ff./ Rn. 202 ff. 520 ICJ Rep. 1986, S. 14, 108/Rn. 205; Ipsen/Fischer, Völkerrecht, § 59 Rn. 50 ff.; Schröder, in: EPIL III, S. 619, 621. Eingehend zum Ganzen Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S. 228 ff. 521 ICJ Rep. 1986, S. 14, 108/Rn. 205: „A prohibited intervention must accordingly be one bearing on matters in which each State is permitted, by the principle of State sovereignty, to decide freely. One of these is the choice of a political, economic, social and cultural system, and the formulation of foreign policy“. In der Literatur etwa Ipsen/Fischer, Völkerrecht, § 59 Rn. 53.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Hervorhebung verdient auch eine zweite wesentliche Einschränkung des völkerrechtlichen Nichteinmischungsprinzips: Die Berührung geschützter Souveranitätsbereiche ist nur dann unzulässig, wenn sie unter Anwendung oder Androhung von Zwang erfolgt.522 Die genaue Grenzziehung zwischen erlaubten Einflussnahmeformen und verbotenen Zwangsmitteln zählt dabei zu den umstrittensten Fragen des Völkerrechts.523 Fest steht jedoch, dass der Begriff des „Zwangs“ heute jedenfalls wesentlich mehr als nur militärische Gewalt meint. Maßgeblich ist vielmehr ein „erweiterter“ Zwangsbegriff, der je nach den Umständen des Einzelfalls auch wirtschaftliche und politische Druckmittel umfassen kann.524

II. Folgerungen für die gemeinsame Schutzzusammenarbeit im EU-Rahmen Weite Teile der oben dargestellten Schutzzusammenarbeit der Mitgliedstaaten lassen sich vor diesem Hintergrund dem „per se“ völkerrechtskonformen Bereich zuordnen. Dies gilt vor allem für koordinierte Maßnahmen in Bereichen, in denen der Verletzerstaat von vornherein keine Beeinträchtigung seiner geschützten Souveranitätssphäre geltend machen kann. Hier steht es grundsätzlich jedem Staat frei, Kritik am zu Grunde liegenden Völkerrechtsverstoß zu üben und mit den ihm zur Verfügung stehenden außenpolitischen Mitteln auf Abhilfe zu drängen.525 Dies gilt auch dann, wenn derartige Maßnahmen – wie im Fall der GASP – zielgerichtet koordiniert werden. Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip bleibt hier von vornherein unanwendbar. Problematischer sind Fälle, in denen der Schutzkonflikt Fragen aus dem Bereich der „domaine réservé“ des Verletzerstaats zum Gegenstand hat. Auch hier sind nach den vorangehenden Überlegungen jedoch zumindest solche Maßnahmen zulässig, die unterhalb der völkerrechtlichen „Zwangs522

ICJ Rep. 1986, S. 14, 108/Rn. 205: „Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones“. 523 Vgl. zum Streitstand u. a. Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot, S. 82 ff.; Ipsen/Fischer, Völkerrecht, § 59 Rn. 54 ff.; Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S. 248 ff.; Schröder, in: EPIL III, S. 619, 621; Trautner, Einmischung, S. 74 ff. 524 So i. E. auch UN-Generalversammlung, UN-Dok. GA Res. 2131 (XX) v. 21.12.1965; dies., UN-Dok. GA Res. 3281 (XXIX) v. 12.12.74. Zu weit demgegenüber dies., UN-Dok. Res. 36/103 v. 9.12.1981. Vertiefend zu dieser Resolutionspraxis und seiner rechtlichen Problematik Bockslaff, Das völkerrechtliche Interventionsverbot, S. 51 ff.; v. Dohna, Grundprinzipien des Völkerrechts, S. 121 f. 525 Zu beachten bleiben dabei allerdings die allgemeinen völkerrechtlichen Grenzen, so insbesondere das Gewaltverbot und die Pflicht zur Vertragstreue.

A. Zulässigkeit gemeinsamer mitgliedstaatlicher Schutzaktivitäten

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schwelle“ bleiben. Dazu zählen im Regelfall526 etwa öffentliche Protesterklärungen, außenpolitische Demarchen sowie die Beteiligung an internationalen Resolutionen. Selbst die Einschränkung und sogar der völlige Abbruch bestehender diplomatischer oder wirtschaftlicher Kontakte stellen gemeinhin noch keine verbotene Einmischung dar, da das Völkerrecht grundsätzlich keinen Anspruch auf die Aufrechterhaltung eines bestimmten Umfangs zwischenstaatlicher Beziehung gewährt.527 Maßnahmen dieser Art sind völkerrechtlich grundsätzlich als bloße Retorsionen einzuordnen, also als unfreundliche, aber allgemein erlaubte Verhaltensweisen. Sie stehen damit auch den nicht unmittelbar von einem Schutzkonflikt betroffenen Staaten als außenpolitisches Mittel zur Verfügung.528 Fraglich ist allerdings, ob sich die Mitgliedstaaten in solchen Fällen nicht auch weitergehend mit (abgestimmten) Zwangsmitteln gegen die völkerrechtswidrige Verletzung eines ihrer Staatsangehörigen zur Wehr setzen dürfen. Voraussetzung für den Einsatz derartiger Repressalien bzw. Gegenmaßnahmen ist in jedem Fall das Vorliegen einer ausreichenden völkerrechtlichen Rechtfertigung. Über eine solche Rechtfertigung verfügt in Fällen des diplomatischen Schutzes in erster Linie der verletzte Heimatstaat selbst: Er kann hier unmittelbar auf sein völkerrechtlich anerkanntes Schutzrecht verweisen. Inwieweit aber darf er sich dabei weitergehend auch der Hilfe dritter Völkerrechtssubjekte bedienen, die selbst nicht über ein legitimierendes Staatsangehörigkeitsband zu dem geschädigten Individuum verfügen? Eine Antwort auf diese Frage lässt sich nicht schon aus Art. 46 der Wiener Diplomatenrechtskonvention529 gewinnen. Zwar kann danach „ein Entsendestaat mit vorheriger Zustimmung des Empfangsstaats auf Ersuchen eines im Empfangsstaat nicht vertretenen dritten Staates den zeitweiligen Schutz der Interessen des dritten Staates und seiner Angehörigen übernehmen“. Art. 46 WDK regelt damit in der Sache jedoch nur die Zulässigkeit stellvertretender Schutzaktivitäten durch fremde Botschaften530. Für das hier in Rede stehende Problem bietet er dagegen keine Lösung: Die Zusammenarbeit im Rahmen der GASP dient nicht einer ersatzweisen lokalen 526 Entscheidend ist letztlich wiederum eine Einzelfallbetrachtung. Näher zur Abgrenzung in diesem Bereich zuletzt etwa Trautner, Einmischung, S. 84 ff. (m. w. N.). 527 Vertiefend Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, S. 258 f.; Petersmann, ZVglR 80 (1981), S. 1, 11. 528 Akehurst, BYIL 44 (1970), S. 1, 14 f.; Bothe, in: EPIL II, S. 1278, 1281; Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 98 f.; Petersmann, ZVglR 80 (1981), S. 1, 9. 529 Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v. 18.4.1961, BGBl. 1964 II S. 959 ff. 530 . . . also eine Frage, die europarechtlich eher Art. 20 EGV als die eigentliche GASP-Zusammenarbeit betrifft, vgl. schon oben Fn. 127.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Vertretung des jeweiligen Heimatstaats, sondern der kumulativen Stärkung seiner materiell-rechtlichen Position. Übrig bleibt damit nur ein Rückgriff auf allgemeine völkerrechtliche Überlegungen zur Zulässigkeit unterstützender Drittrepressalien. In der Literatur werden insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten. Die Befürworter solcher Maßnahmen machen geltend, nur durch Ausweitung des Repressalienrechts auf dritte Unterstützerstaaten sei es möglich, internationale Konflikte auf annähernd gleicher Ebene auszutragen. Denn die Größe und Kraft der einzelnen Staaten unterscheide sich so sehr, dass in vielen Fällen nicht von einer faktischen Chancengleichheit der unmittelbaren Kontrahenten ausgegangen werde könne. Gerade für kleinere Staaten sei es unter diesen Umständen existentiell, sich bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche notfalls auch der umfassenden Hilfe anderer Länder bedienen zu können.531 Gegen diese Überlegungen spricht allerdings, dass völkerrechtliche Konflikte durch eine derartige Ausweitung der Repressalienbefugnisse schnell in ein politisches Kräftemessen abzugleiten drohten. „Sieger“ eines solchen Konflikts wäre im Zweifel nicht der objektiv Berechtigte, sondern der Staat, der die meisten Verbündeten auf seine Seite ziehen konnte.532 Hinzu kommt, dass die Einbeziehung weiterer Staaten generell die Gefahr einer Eskalation des Streitfalls erhöht533 und Verhandlungen über eine einvernehmliche Beilegung wegen der größeren Beteiligtenzahl erheblich erschwert. Tatsächlich wird das Völkerrecht wohl nicht zuletzt aus diesem Grund bis heute maßgeblich vom Prinzip der Gegenseitigkeit geprägt. Ein Repressalienrecht steht danach im Ausgangspunkt allein dem geschädigten Staat selbst zu.534 Der damit angesprochene Grundsatz gilt allerdings bei näherer Untersuchung keineswegs ausnahmslos. Es ist heute vielmehr allgemein anerkannt, dass unter bestimmten Bedingungen auch außenstehenden Dritten der Einsatz von Repressalien erlaubt sein kann. Dies gilt insbesondere für den Fall eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen, für den Art. 51 UNO-Charta ausdrücklich das „naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung“ hervorhebt. Auch Art. 60 Abs. 2 WVRK, der die Folgen einer einseitigen Verletzung multilateraler Vertragswerke regelt, lässt sich als Sonderfall eines kollektiven Repressa531 Stowell, Intervention in International Law, S. 46 f.; Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 88. 532 Akehurst, BYIL 44 (1970), S. 1, 15 f. In Bezug auf Drittstaatenrepressalien strikt ablehnend deshalb etwa v. Martens, Précis, § 261. 533 Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 177 ff. 534 Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 104; Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 92; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343.

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lienrechts verstehen.535 Nach einer in der Literatur verbreiteten Ansicht536 kommen Drittrepressalien überdies bei Verstößen gegen besonders grundlegende Völkerrechtswerte, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes betreffen („erga-omnes-Pflichten“), in Betracht. Denn es sei widersprüchlich, einerseits von einem überragenden Interesse aller Völkerrechtssubjekte an der Respektierung bestimmter Grundpflichten auszugehen, andererseits aber die praktisch effektivsten Durchsetzungsmittel gleichwohl allein den unmittelbaren Konfliktparteien vorzubehalten. Für die hier untersuchte Frage nach der Zulässigkeit unterstützender Drittrepressalien im Bereich des diplomatischen Schutzes ist vor allem die letztgenannte Fallgruppe von besonderem Interesse. Denn ein beträchtlicher Teil der praktischen Schutzfälle betrifft Verstöße gegen grundlegende Menschenrechtsstandards, also gerade solche Völkerrechtssätze, die der IGH in seinem grundlegenden „Barcelona-Traction“-Urteil ausdrücklich537 als „erga-omnes-Pflichten“ im eben definierten Sinne einordnete. Bedeutet dies möglicherweise, dass zumindest in solchen Fällen prinzipiell jeder Staat Schutzrepressalien zugunsten der konkret betroffenen Opfer einsetzen darf? Bei vertiefter Untersuchung erscheint ein solches Verständnis kaum haltbar. Es brächte nicht nur unabsehbare Eskalationsgefahren mit sich, sondern stünde vor allem auch in fundamentalem Widerspruch zur traditionellen Herleitung des diplomatischen Schutzes aus staatsrechtlichen Treueüberlegungen. Tatsächlich finden sich entsprechende Bedenken bereits im „Barcelona-Traction“-Urteil.538 Der IGH ließ hier keinen Zweifel daran, dass 535 Vertiefend zu Art. 51 UNO-Charta und Art. 60 WVRK Akehurst, BYIL 44 (1970), S. 1, 4 ff. bzw. 6 ff. 536 Akehurst, BYIL 44 (1970), S. 1, 14 ff.; Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 104; Frowein, in: FS Mosler, S. 241, 258 f.; Hofmann, ZaöRV 45 (1985), S. 195, 223 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343. Speziell mit Blick auf die EG auch Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 185; Kuyper, in: Essays, S. 141, 158 f.; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 13. Weiterführend zur jüngsten Staatenpraxis in dieser Frage Brandl, AVR 41 (2003), S. 101, 116 ff. 537 ICJ Rep. 1970, S. 3, 32 Rn. 33 f.: „ [. . .] In particular, an essential distinction should be drawn between the obligations of a State towards the international community as a whole, and those arising vis-à-vis another State in the field of diplomatic protection. By their very nature the former are in the concern of all States. In view of the importance of the rights involved, all States can be held to have a legal interest in their protection; they are obligations erga omnes. Such obligations derive, for example, in contemporary international law, [. . .] from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination“. 538 ICJ Rep. 1970, S. 3, 32 Rn. 35: „Obligations the performance of which is the subject of diplomatic protection are not of the same category. It cannot be held, when one such obligation in particular is in question, in a specific case, that all

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

das Konzept der „erga-omnes-Pflichten“ dritte Völkerrechtssubjekte im Ergebnis nicht zu gezielten Schutzmaßnahmen berechtige. Die Gewährung von diplomatischem Schutz im Einzelfall bleibe vielmehr allein die Aufgabe des verletzten Heimatstaates. Dies gelte selbst im Fall schwerwiegender Menschenrechtsverstöße: Schutzberechtigt sei auch hier allein der Heimatstaat des jeweiligen Opfers, sofern nicht im Einzelfall anderes vereinbart worden sei. Nichts anderes kann demzufolge auch für Art. 19 des ILCEntwurfs zur Staatenverantwortlichkeit539 gelten, dessen Konzept der „international crimes“ inhaltlich weitgehend auf den Überlegungen des IGH aufbaut. Dritten Staaten ist es damit aus völkerrechtlicher Sicht grundsätzlich verwehrt, mit Hilfe von Repressalien unterstützend in „fremde“ diplomatische Schutzkonflikte einzugreifen. Ein letzter Aspekt bleibt allerdings noch zu überdenken: Könnte nicht zumindest das besondere Näheverhältnis zwischen den Mitgliedstaaten doch ein umfassenderes Repressalienrecht zur gegenseitigen Unterstützung in internationalen Konflikten rechtfertigen? Das Zusammenwirken im Rahmen von EG und EU hat zwar bislang noch keinen staatengleichen Verdichtungsgrad erreicht. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, dass die Mitgliedstaaten untereinander ein ungewöhnlich hohes Maß an wechselseitiger Verflechtung eingegangen sind. Dies betrifft nicht nur die GASP als eine institutionalisierte Form gemeinsamer außenpolitischer Willensbildung, sondern erst recht auch die „supranationale“ Zusammenarbeit im Rahmen der EG. Die Frage, ob eine derart intensive Verflechtung nicht auch völkerrechtlich als eine Art „außenpolitische Schicksalsgemeinschaft“ mit wechselseitigen Beistandsbefugnissen Anerkennung finden muss, liegt nahe. Tatsächlich klangen ähnliche Gedanken schon zu Beginn der achtziger Jahre verschiedentlich in der Literatur an. So schien es aus Sicht von Kuyper geradezu undenkbar, dass die Mitgliedstaaten einer supranationalen Gemeinschaft wie der EG nicht auch völkerrechtlich ein umfassendes Beistandsrecht haben sollten: „In such a new legal order which is neither a classical inter-governmental organization nor a super-state and which aims at the removal of existing economic obstacles between the Member States and at the strengthening of the unity of their economies, an attack on the legally protected interests of one Member State is an attack on all States have a legal interest in its observance. [. . .]“. Vgl. weiter S. 48 Rn. 91: „With regard more particularly to human rights, to which reference has already been made in paragraph 34 of this Judgment, it should be noted that these also include protection against denial of justice. However, on the universal level, the instruments which embody human rights do not confer on States the capacity to protect the victims of infringements of such rights irrespective of their nationality“. Weiterführend dazu etwa Simma, in: FS Schlochauer, S. 635, 642 ff. 539 Abgedruckt in: ILM 37 (1998), S. 440 ff.

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Member States.“540 Auch Frowein wies darauf hin, dass den EG-Mitgliedstaaten „bei einer stärker zum Staatenbund tendierenden Entwicklung“ durchaus ein wechselseitig schützendes Repressalienrecht zukommen könne.541 Andere Autoren wie etwa Verhoeven schlossen sich dieser Argumentation im Ergebnis an.542 Das größte Problem solcher Überlegungen liegt allerdings in der dogmatischen Unschärfe des Begriffs der „regionalen Verbundenheit“. Ab welchem Punkt die Zusammenarbeit mehrerer Staaten zu einer echten „regionalen Schicksalsgemeinschaft“ umschlägt, ist objektiv kaum zu bestimmen. Könnten sich beispielsweise die Staaten der NATO, der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten oder des MERCOSUR nicht aus ähnlichen Überlegungen heraus gleichermaßen auf ein wechselseitiges Beistandsrecht berufen? Die Gefahr einer weit reichenden Aufweichung des Gegenseitigkeitsprinzips ist unter diesen Umständen kaum zu bannen. Hinzu kommt, dass die an früherer Stelle genannten Argumente gegen ein allgemeines Repressalienrecht auch in Bezug auf „regionale Schicksalsgemeinschaften“ weiter fortbestehen: Repressalien von Seiten dritter Mitgliedstaaten tragen im Zweifel weder zu einer objektiveren Lösung des Konflikts noch zu dessen unkomplizierten und vor allem friedlichen Beilegung bei. Die besseren Argumente sprechen vor diesem Hintergrund gegen die Zulassung eines regionalen Ausnahmetatbestands. Auch die Staatenpraxis blieb in diesem Punkt bislang zurückhaltend: Bezeichnenderweise nahmen die Mitgliedstaaten noch in keinem Fall tatsächlich eigene Repressalienbefugnisse zugunsten „fremder“ Unionsbürger in Anspruch. Zusammenfassend bleibt ein differenzierendes Ergebnis festzuhalten: Die Schutzinstrumente der GASP sind aus Sicht des Völkerrechts in aller Regel als bloße Retorsionen einzuordnen. Sie sind damit selbst dann zulässig, wenn sie allein zum Schutz des Angehörigen eines einzigen Mitgliedstaates eingesetzt werden. Gemeinsame Repressalien der Mitgliedstaaten wären in solchen Fällen demgegenüber allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer besonderen regionalen Verbundenheit zu rechtfertigen; einem solchen Begründungsweg stünden jedoch erhebliche Bedenken entgegen.

540 Kuyper, in: Essays, S. 141, 161 („In solch einer neuen rechtlichen Ordnung, die weder eine klassische zwischenstaatliche Organisation noch ein Superstaat ist, und die auf eine Abschaffung bestehender wirtschaftlicher Hindernisse zwischen den Mitgliedstaaten sowie auf eine Stärkung ihrer wirtschaftlichen Einheit hin abzielt, stellt ein Angriff auf die rechtlich geschützten Interessen eines Mitgliedstaats zugleich einen Angriff auf alle Mitgliedstaaten dar.“). 541 Frowein, in: FS Mosler, S. 241, 247 Fn. 30. 542 Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 88.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

B. Völkerrechtliche Zulässigkeit einer Beteiligung der EG an diplomatischen Schutzaktivitäten Zweifelhaft ist, inwieweit aus völkerrechtlicher Sicht auch die Europäische Gemeinschaft selbst zu Schutzaktivitäten befugt ist. So ist vor allem zu bedenken, dass die EG bis heute keinen Staatscharakter aufweist, sondern allein als internationale Organisation supranationaler Prägung anzusehen ist.543 Es stellt sich deshalb bereits die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich dritte Verletzerstaaten überhaupt auf die Forderungen und Maßnahmen einer solchen Organisation einlassen müssen (dazu I.). Aufbauend darauf sind in einem zweiten Schritt die speziellen Grenzen für eigenständige und unterstützende Schutzaktivitäten der EG auszuloten. Im Vordergrund steht dabei wiederum vor allem das grundlegende völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip (dazu II.).

I. Generelle Reichweite der EG-Völkerrechtssubjektivität Als internationale Organisation ist die EG kein „geborenes“ Völkerrechtssubjekt, das ohne weiteres gegenüber jedem anderen Mitglied der Völkerrechtsgemeinschaft tätig werden könnte. Unmittelbar sind vielmehr allein die Mitgliedstaaten selbst an die von ihnen vertraglich „gekorene“ Ordnung gebunden. Außenstehende Staaten sind dagegen angesichts des Verbots drittbelastender Verträge grundsätzlich nicht verpflichtet, den Vorgaben des EG-Vertrags Geltung zu verschaffen. Unstreitig steht es ihnen deshalb beispielsweise frei, Verträge zu schließen, die in Widerspruch zu gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften stehen. Zweifelhaft ist jedoch, ob es einem Drittstaat weitergehend auch erlaubt wäre, der Gemeinschaft schlechthin jede Rechtssubjektivität abzusprechen und die von ihr geltend gemachten völkerrechtlichen Ansprüche unter Verweis hierauf zu negieren. In der Literatur wurde diese Frage schon früh diskutiert, wobei sich die Aufmerksamkeit vor allem auf das bereits oben erwähnte „Injuries suffered“-Gutachten konzentrierte. Denn in diesem Gutachten hatte der IGH nicht nur das Institut des „funktionalen Schutzes“ begründet, sondern weitergehend auch ausgeführt, dass eine Rechtsgemeinschaft wie die UNO, die von der übergroßen Mehrheit der Mitglieder der internationalen Staatengemeinschaft gegründet worden sei, über eine „objektive Völkerrechtssubjektivität“ verfügen könne.544 Die völkerrechtlichen Ansprüche einer solchen 543

Vgl. oben S. 27 ff. ICJ Rep. 1949, S. 174, 185: „On this point, the Court’s opinion is that fifty States, representing the vast majority of the members of the international community, had the power, in conformity with international law, to bring into being an 544

B. Zulässigkeit einer Beteiligung der EG an Schutzaktivitäten

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Organisation seien nicht bloß im Verhältnis zu den Gründerstaaten von Bedeutung, sondern auch von außenstehenden Nichtmitgliedstaaten zu beachten. Einige Autoren sprachen sich dafür aus, diesen Gedanken unmittelbar auch auf die EG zu übertragen.545 Andere Stimmen in der Literatur verneinten zwar eine hinreichende Vergleichbarkeit von UNO und EG, gelangten aber auf anderen Begründungswegen letztlich zum gleichen Ergebnis. Sie verwiesen zumeist darauf, dass die Übertragung von Kompetenzen auf die Gemeinschaft einen Akt souveräner Organisationsherrschaft der Mitgliedstaaten darstelle, den dritte Völkerrechtssubjekt nicht generell in Zweifel ziehen dürften. In einer solchen Betrachtungsweise liege kein Verstoß gegen das grundsätzliche Verbot drittbelastender Verträge. Denn mit dem Kompetenzübergang auf die Gemeinschaft seien keine neuen und zusätzlichen Pflichten verbunden. Die bisherige Pflichtenstellung bestehe lediglich einem anderen Träger gegenüber. Völkerrechtliche Handlungen der EG seien aus diesem Grunde auch für Nichtmitgliedstaaten ohne weiteres beachtlich.546 Beide Begründungsansätze bleiben indes in wesentlichen Punkten angreifbar. Gegen eine unmittelbare Übertragung der Überlegungen des IGH spricht von vornherein schon der geographisch begrenzte Rahmen der Europäischen Gemeinschaft.547 Würde man auch regionalen Organisationen eine objektive Rechtssubjektivität zuerkennen, bliebe für den klassischen Grundsatz der Relativität völkervertraglicher Zusammenschlüsse praktisch kaum noch Raum. Auch der Hinweis auf die souveräne Organisationsgewalt der Mitgliedstaaten bleibt zweifelhaft. Seine Überzeugungskraft steht und fällt mit der Behauptung, der Kompetenzübergang auf die Gemeinschaft sei für außenstehende Staaten rechtlich neutral. Tatsächlich aber ist er für sie bei näherer Untersuchung durchaus mit erheblichen Rechtsnachteilen verbunden. Denn mit den einzelnen Sachkompetenzen geht als notwendige Kehrseite zugleich die entsprechende völkerrechtliche Aufgabenverantwortung auf die EG über: Die Pflicht zu völkerrechtskonformem Verhalten obliegt in diesen Bereichen fortan der Gemeinschaft. Wer zur Beachtung dieses Aufgabenübergangs verpflichtet ist, kann deshalb nicht mehr unmittelbar gegen die Mitgliedstaaten vorgehen. Er muss sich stattdessen primär an die entity possessing objective international personality, and not merely personality recognized by them alone, together with the capacity to bring international claims“. 545 Seyersted, NTIR 34 (1964), S. 1, 91. Ähnlich auch Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 8 f. 546 Bernhardt, EuR 18 (1983), S. 199, 203; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 43 f.; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 26. 547 Vgl. Art. 49 EUV („Jeder europäische Staat . . .“). Ebenso i. E. auch Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 122 ff.; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 71; Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 208.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

EG als den intern zuständigen Verband halten. Der Kompetenzübergang führt also unmittelbar zu einem Wechsel des völkerrechtlichen Schuldners und der entsprechenden Haftungsmasse.548 In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Ausgangslage grundlegend von rein innerstaatlichen Organisationsmaßnahmen: Solche Maßnahmen würden die völkerrechtliche Alleinverantwortung des betreffenden Staats – anders als hier – gerade unberührt lassen. Eine objektive Außengeltung der EG lässt sich nach alledem weder aus einer Übertragung des „Injuries suffered“-Gutachtens noch aus dem souveränen Willen der Mitgliedstaaten heraus rechtfertigen.549 Dritte Völkerrechtssubjekte sind somit grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, auf völkerrechtliche Forderungen oder Ansprüche der EG einzugehen. Es steht ihnen allerdings frei, die Europäische Gemeinschaft ausdrücklich oder konkludent anzuerkennen und sich damit selbst an die aus dem EGVertrag resultierende Völkerrechtssubjektivität zu binden.550 Derartige Anerkennungsakte können in der Praxis bereits in Verhandlungen und offiziellen Treffen mit Vertretern der Gemeinschaftsorgane liegen. Auch der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags zwischen der EG und einem Drittstaat zeugt grundsätzlich von der Bereitschaft, die Völkerrechtsfähigkeit der EG – zumindest in Bezug auf die vertraglich geregelte Materie – anzuerkennen.551 Die wichtigste und zugleich umfassendste Form der Anerkennung stellt jedoch die vorbehaltlose Aufnahme unmittelbarer diplomatischer Beziehungen dar.552 Bedenkt man, dass bis Mitte 2002 bereits 169 Drittstaaten sowie 25 internationalen Organisationen und sonstige Völkerrechtssubjekte (wie etwa das Rote Kreuz oder Hong Kong) auf diese Weise bei der Gemeinschaft akkreditiert waren,553 wird die geringe praktische Bedeutung des Streits um die objektive Völkerrechtssubjektivität deutlich: Die Gemeinschaft genießt ohnedies bereits nahezu universale Völkerrechtssubjektivität.

548

Dazu vertiefend Pitschas, Völkerrechtliche Verantwortlichkeit, S. 37 ff. Busse, Völkerrechtliche Einordnung, S. 152 f.; Ipsen/Epping, Völkerrecht, § 6 Rn. 7 f.; Groux/Manin, EG in der Völkerrechtsordnung, S. 20 ff.; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 146 ff.; Sands/Klein, Bowett’s Law of international institutions, Rn. 15-016. 550 Bernhardt, EuR 18 (1983), S. 199, 203 f.; Nöll, Völkerrechtssubjektivität der EG, S. 146 ff.; Schermers/Blokker, International Institutional Law, § 1857; SeidlHohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0710 ff.; Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 6. Allgemein zur Funktion der Anerkennung im Völkerrecht Bindschedler, BdGVR 4, S. 1; Ipsen/Gloria, Völkerrecht, § 22. 551 Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 172 f.; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0711 f. 552 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 0710. 553 Commission européenne, Corps diplomatique. 549

B. Zulässigkeit einer Beteiligung der EG an Schutzaktivitäten

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II. Vereinbarkeit von EG-Schutzmaßnahmen mit dem Völkerrecht 1. Zulässigkeit eigenständiger Schutzaktivitäten Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht ist die EG immer dann zu eigenständigen diplomatischen Schutzaktivitäten befugt, wenn die jeweilige Verletzungshandlung die Wahrnehmung von Gemeinschaftspolitiken beeinträchtigt.554 Offen blieb bislang allerdings, ob sich dieses Konzept auch in völkerrechtlicher Hinsicht als tragfähig erweist. Zweifel daran bestehen insbesondere in Hinblick auf das bereits oben angesprochene Nichteinmischungsprinzip: Könnte ein von EG-Zwangsmaßnahmen betroffener Verletzerstaat nicht einwenden, dass zu diplomatischem Schutz grundsätzlich allein der betroffene Heimatstaat selbst befugt sei? Das „Injuries suffered“-Gutachten bietet auf diese Frage keine unmittelbare Antwort. Zwar hatte der IGH in diesem Gutachten die traditionelle Bindung der Schutzausübung an das Institut der Staatsangehörigkeit partiell gelockert und der UNO die Befugnis zugesprochen, ihren eigenen Bediensteten umfassend Beistand zu gewähren.555 Die hier untersuchten Schutzrechte der Gemeinschaft gehen jedoch nach Art und Umfang weit über das seinerzeit in Rede stehende Maß hinaus. Ein schlichter Verweis auf die Überlegungen des IGH würde insoweit von vornherein zu kurz greifen. Ein tragfähigerer Anknüpfungspunkt für die Prüfung der völkerrechtlichen Lage lässt sich möglicherweise aus dem Umstand gewinnen, dass die hier untersuchten EG-Schutzbefugnisse jeweils untrennbar mit einzelnen, zuvor vom Verletzerstaat anerkannten Sachkompetenzen zusammenhängen. Denn die eigenständigen Schutzaufgaben der Europäischen Gemeinschaft beruhen nicht auf isolierten Kompetenztiteln. Sie bilden vielmehr die implizite und unmittelbare Kehrseite einzelner Sachbefugnisse: Der Schutz der betroffenen Individuen ist nach der oben dargestellten gemeinschaftsrechtlichen Konzeption556 jeweils erforderlich, um damit zugleich auch die zu Grunde liegenden Sachkompetenzen zu verteidigen. Wer das Recht der EG anerkennt, diese Sachkompetenzen für die Mitgliedstaaten wahrzunehmen, muss deshalb auch die untrennbar damit verbundenen Schutzbefugnisse gegen sich gelten lassen. Er kann sich später gegenüber der Gemeinschaft nicht mehr darauf berufen, dass die betreffenden Fragen ihm als alleinige „domaine réservé“ zugewiesen seien. So muss einem Drittstaat die Beru554 555 556

Siehe bereits oben S. 74 ff. Vgl. oben S. 25. Vgl. S. 74 ff.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

fung auf fehlende Schutzbefugnisse der Gemeinschaft insbesondere dann verwehrt bleiben, wenn er mit der EG zuvor einen Vertrag (z. B. ein Fischerei- oder Handelsabkommen) abgeschlossen hatte und der diplomatische Schutz nunmehr der Durchsetzung von Individualrechten aus diesem Vertrag dient.557 Nichts anderes kann aber auch im Falle eines Verstoßes gegen außervertragliches Völkerrecht gelten. Denn einem Drittstaat, der sich über das internationale Recht hinwegsetzt, kann es generell nicht zu Gute kommen, dass seine Verletzungshandlung über die rechtlichen Positionen der EG hinaus auch noch konkrete Individuen beeinträchtigt.558 Die oben hergeleiteten eigenständigen Schutzkompetenzen der Gemeinschaft verstoßen nach alledem nicht gegen das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, sofern der betreffende Verletzerstaat die zu Grunde liegenden Sachzuständigkeiten zuvor allgemein anerkannt hat. Eine weitergehende Billigung gerade auch der speziellen diplomatischen Schutzkompetenzen ist aus völkerrechtlicher Sicht nicht erforderlich. 2. Zulässigkeit unterstützender Schutzaktivitäten zugunsten einzelner Mitgliedstaaten Zu prüfen bleibt abschließend, inwieweit sich die Gemeinschaft auf dieser Grundlage auch an Maßnahmen zum Schutz der Interessen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten beteiligen kann. Die europarechtliche Seite dieses Problems wurde bereits an früherer Stelle untersucht:559 Schutzmaßnahmen der EG sind in solchen Fällen danach jedenfalls dann möglich, wenn ihnen ein von allen Mitgliedstaaten beschlossener gemeinsamer Standpunkt oder eine entsprechende gemeinsame Aktion zu Grunde liegt. Fraglich ist jedoch, ob sich dieses Konzept auch aus völkerrechtlicher Sicht als tragfähig erweist. Soweit nach den oben hergeleiteten Maßstäben allein Retorsionsmaßnahmen in Rede stehen, kann der EG ein solches „unterstützendes Schutzrecht“ grundsätzlich nicht abgesprochen werden. Denn die Gemeinschaft kann in dieser Hinsicht nicht schlechter stehen als jedes andere Völkerrechtssubjekt. Hat ein Drittstaat die im EG-Vertrag angelegte Völkerrechtssubjektivität anerkannt, muss er vielmehr auch alle hiervon umfassten „per se“ völker557 Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 481; Pescatore, RdC 103 (1961 II) S. 1, 214; T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 37; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 334; ders., Schutzpflichten, S. 678 f.; Tomuschat, in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 148. 558 Arnold, in: Dauses II, K. I Rn. 111; Bleckmann, CMLR 17 (1980) S. 467, 480 ff.; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780, 796; T. Stein, ILA-Report 2002, S. 32, 37. 559 Oben S. 104 ff.

B. Zulässigkeit einer Beteiligung der EG an Schutzaktivitäten

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rechtsgemäßen Maßnahmen gegen sich gelten lassen. Ob diese Maßnahmen der Durchsetzung eigener oder fremder Rechte dienen, ist dabei ebenso wenig relevant wie bei den entsprechenden staatlichen Schritten. Anders könnte sich die Situation demgegenüber in Bezug auf Repressalien darstellen. Denn ein Repressalienrecht steht nach den vorangehenden Überlegungen grundsätzlich nur dem verletzten Völkerrechtssubjekt selbst zu. Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten aber sind gesonderte Rechtsträger, so dass die Verletzung des einen nicht automatisch auch die Verletzung des anderen Subjekts bedeutet. Bei konsequenter Anwendung des Gegenseitigkeitsprinzips wäre somit ein unterstützendes Repressalienrecht der EG zum Schutz mitgliedstaatlicher diplomatischer Interessen an sich klar abzulehnen.560 Es ist allerdings zweifelhaft, ob eine solche Argumentation dem besonderen Kompetenzverhältnis zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten tatsächlich gerecht wird. Denn das Gegenseitigkeitsprinzip bezieht sich traditionell auf zwischenstaatliche Konflikte, bei denen die beteiligten Parteien rechtlich auf einer Ebene stehen: Jede Seite verfügt im Ausgangspunkt über gleichermaßen umfassende Kompetenzen und kann deshalb grundsätzlich auf die eigenen Mittel verwiesen werden. Unterstützende Repressalien von Seiten dritter Staaten könnten in dieser Situation allenfalls dazu beitragen, die faktischen Machtverhältnisse zu Gunsten der einen oder anderen Partei zu verändern. Einer solchen, rein machtpolitisch begründeten Unterstützung tritt das Völkerrecht aus gutem Grund entgegen.561 Grundlegend anders aber stellt sich das hier untersuchte Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten dar: Charakteristisch für dieses Verhältnis ist gerade eine differenzierte, aufeinander bezogene Aufgabenverteilung, bei der eine Vielzahl an Repressalienbefugnissen von vornherein nur noch der EG selbst zusteht. Dürfte die Gemeinschaft von den ihr in diesem Rahmen übertragenen Kompetenzen nicht auch unterstützend zu Gunsten der Mitgliedstaaten Gebrauch machen, wären jene in den betroffenen Bereichen weitgehend schutzlos gestellt. Das unterstützende Repressalienrecht der EG ist damit eine zwingende Konsequenz der differenzierten Aufgabenverteilung im Gemeinschaftsrecht. Ein Drittstaat, der diese Verteilung grundsätzlich anerkannt hat, kann sich folglich später nicht auf das Gegenseitigkeitsprinzip berufen, um so ergänzende EG-Zwangsmaßnahmen abzuwehren. 560 So tatsächlich Cremer, in: C/R, Art. 301 EGV Rn. 5. Ähnlich 1982 auch die argentinische Regierung, die sich aus diesem Grund scharf gegen EG-Wirtschaftssanktionen zur Unterstützung der britischen Position im Falkland-Konflikt wandte, vgl. Kuyper, in: Essays, S. 141, 151. Etwas weiter Kißler, Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen, S. 168 ff., der Repressalien der EG zumindest in den bei Staaten anerkannten Ausnahmefällen für zulässig hält. 561 Siehe dazu bereits oben S. 152.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Die Gemeinschaft darf damit im Ergebnis auch dann Repressalien einsetzen, wenn dies allein einer Durchsetzung mitgliedstaatlicher Schutzinteressen dient.562 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass die Repressalienmöglichkeiten der EG vielfach deutlich weiter gehen als die Möglichkeiten eines einzelnen Mitgliedstaats: Sie bündeln praktisch die gesamte europäische Wirtschaftsmacht. So können gerade kleine Mitgliedstaaten wie Luxemburg oder Belgien durch unterstützende EG-Sanktionen erheblich an internationalem Einfluss gewinnen. Dieser Umstand steht zwar als unvermeidlicher Begleiteffekt einer solchen Schutzgewähr nicht schon per se entgegen. Er gebietet jedoch, die auf europäischer Ebene eingesetzten Mittel jeweils in besonderer Weise auf ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen.563 Ein Sonderproblem bleibt in diesem Zusammenhang abschließend noch zu untersuchen: Inwieweit ist die Kommission dazu berechtigt, ihre Auslandsdelegationen unterstützend auch für begleitende konsularische Betreuungsaufgaben zur Verfügung zu stellen?564 Darf sie geschädigten Individuen auf diesem Wege beispielsweise anwaltlichen Beistand organisieren, wenn dies von den Mitgliedstaaten im Einzelfall gewünscht wird? Anders als in den bislang untersuchten Fällen scheint es sich hierbei auf den ersten Blick um eine rein gemeinschaftsinterne Kompetenzfrage zu handeln, die keine schützenswerten völkerrechtlichen Positionen dritter Staaten berührt. Art. 46 WDK zeigt jedoch, dass die Übertragung und Wahrnehmung solcher Schutzaufgaben aus Sicht des Völkerrechts keinesfalls als bloßes „Internum“ zu werten ist. Eine gesonderte Zustimmung des Empfangsstaats ist danach bereits dann erforderlich, wenn ein Staat den Schutz der Interessen eines anderen Staates und seiner Angehörigen übernimmt. Gleiches muss erst recht gelten, wenn eine internationale Organisation entsprechende Stellvertretungsfunktionen ausübt. Der Grund dafür wird deutlich, wenn man sich die hinter Art. 46 WDK stehenden Erwägungen vergegenwärtigt: Das 562 Für ein ergänzendes Repressalienrecht der EG in Fällen des diplomatischen Schutzes i. E. auch Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780, 795 f. Allgemein für ergänzende Repressalienbefugnisse der EG bei Völkerrechtsverletzungen (nur) gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten Arnold, in: Dauses II, K. I Rn. 111; Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 106 f.; Kuyper, in: Essays, S. 141, 161; H. Schneider, Wirtschaftssanktionen, S. 112 f. und 238; Sturma, RMC 1993, S. 250, 263; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 13 f.; ders. in: EG und Drittstaatsbeziehungen, S. 139, 153 ff.; Verhoeven, RBDI 18 (1984/85), S. 79, 88 f. Vertiefend zum praktischen Vorgehen der EG im Falkland-Konflikt Kuyper, in: Essays, S. 141, 151. 563 Ehlermann, RBDI 18 (1984/85), S. 96, 107 f.; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780, 796; Tomuschat, in: Groeben/Schwarze, Art. 281 EG Rn. 14. In der Praxis verhindert regelmäßig schon die schwierige Kompromisssuche im Rat allzu scharfe Strafmaßnahmen gegenüber einem Drittstaat. 564 Vgl. zur praktischen Relevanz derartiger Fälle und den gemeinschaftsrechtlichen Grenzen bereits oben S. 110 ff.

C. Ergebnisse des dritten Teils

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Erfordernis einer gesonderten Zustimmung erklärt sich vor allem daraus, dass das Völkerrecht keinen Anspruch auf Begründung oder Beibehaltung diplomatischer Beziehungen kennt. Ein im Empfangsstaat zugelassener Staat darf deshalb nicht einseitig seinen originären Aufgabenkreis erweitern und als Vertreter diplomatisch unerwünschter Drittstaaten auftreten. Nichts anderes aber kann gelten, wenn der betreffende Drittstaat eine internationale Organisation als Vertreter bestimmt: Hier wie dort besteht die Gefahr einer Umgehung des vorgenannten Zustimmungsgrundsatzes. Aus den gleichen Gründen kann im Übrigen auch die allgemeine Anerkennung der EG nicht als pauschales Einverständnis mit der Übertragung stellvertretender Schutzaufgaben gewertet werden. Mit einer solchen Anerkennung billigt der betreffende Empfangsstaat zwar die Völkerrechtssubjektivität der Gemeinschaft, nicht aber automatisch auch die zusätzliche Aufnahme unmittelbarer oder mittelbarer diplomatischer Kontakte zu jedem der Mitgliedstaaten. Die unterstützende Wahrnehmung konsularischer Betreuungsaufgaben an Stelle der eigentlich zuständigen Mitgliedstaaten ist nach alledem nur völkerrechtsgemäß, wenn der betreffende Empfangsstaat dazu sein ausdrückliches Einverständnis erteilt.

C. Ergebnisse des dritten Teils Das aus dem EG-Vertrag abgeleitete Schutzsystem steht grundsätzlich in Einklang mit dem Völkerrecht. Dies gilt vor allem für die koordinierte Schutzzusammenarbeit der Mitgliedstaaten im GASP-Rahmen, die im Ausgangspunkt selbst dann zulässig ist, wenn sie allein dem Schutz der Angehörigen eines einzigen Mitgliedstaates dient. Zu beachten bleibt insoweit allerdings das völkergewohnheitsrechtliche Nichteinmischungsprinzip. Danach ist es außen stehenden Völkerrechtssubjekten prinzipiell untersagt, mittels Androhung oder Anwendung von Zwang Einfluss auf die geschützte Souveranitätssphäre fremder Staaten zu nehmen. Der mitgliedstaatlichen Schutzzusammenarbeit sind damit immer dann Grenzen gesetzt, wenn im Einzelfall Fragen der „domaine réservé“ des jeweiligen Verletzerstaats in Rede stehen: Der Einsatz von Zwangsmitteln ist in solchen Situationen grundsätzlich nur dem betroffenen Heimatstaat selbst erlaubt. Zwar wurde in der Literatur zum Teil erwogen, weitergehende Ausnahmen zuzulassen und den Mitgliedstaaten angesichts ihrer wechselseitigen Verbundenheit ein umfassendes Repressalienrecht zuzugestehen. Eine solche Argumentation ist jedoch erheblichen Bedenken ausgesetzt und entspricht bislang nicht der Staatenpraxis. Den nicht unmittelbar betroffenen Mitgliedstaaten ist damit aus völkerrechtlicher Sicht weiterhin verwehrt, in solchen Situationen Zwangsmittel zum Schutze fremder Unionsbürger zu gebrauchen.

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3. Teil: Völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Auch die Einbeziehung der Europäischen Gemeinschaft in das gemeinsame Schutzsystem ist aus völkerrechtlicher Sicht zulässig. Die EG verfügt jedoch nicht über eine objektive Rechtspersönlichkeit. Sie kann deshalb nur gegenüber solchen Drittstaaten und internationalen Organisationen tätig werden, die sich zuvor durch eine Anerkennung selbst an die aus dem EGVertrag resultierende Völkerrechtssubjektivität gebunden haben. Die Anerkennung der gemeinschaftlichen Sachkompetenzen schließt dabei automatisch auch eine Anerkennung der korrespondierenden eigenständigen Schutzkompetenzen ein. Grund dafür ist, dass die diplomatischen Schutzrechte der Gemeinschaft letztlich nur die Kehrseite der im EG-Vertrag benannten Sachkompetenzen bilden: Hat ein Drittstaat diese Kompetenzen anerkannt, kann er der EG später nicht das Fehlen entsprechender Durchsetzungsbefugnisse entgegenhalten. Die EG kann in diesem Rahmen grundsätzlich auch dann tätig werden, wenn allein Rechtspositionen ihrer Mitgliedstaaten verletzt sind. Anders als die Mitgliedstaaten selbst unterliegt sie dabei keiner Beschränkung auf bloße Retorsionsmaßnahmen. Sie kann in solchen Fällen vielmehr auch von „unterstützenden“ Repressalien Gebrauch machen. Grund für diese Durchbrechung des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips ist die spezifische Kompetenzverflechtung zwischen Mitgliedstaaten und EG: Soweit den Mitgliedstaaten nach dem EG-Vertrag ein eigenes Tätigwerden verwehrt ist, muss die Gemeinschaft an ihrer Stelle Schutz bieten können. Die auf Gemeinschaftsebene eingesetzten Schutzmittel müssen dabei allerdings in besonderer Weise auf ihre Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Einen völkerrechtlichen Sonderfall stellt die unterstützende Wahrnehmung konsularischer Betreuungsaufgaben durch Delegationen der Kommission dar: Entsprechend dem in Art. 46 WDK kodifizierten Grundgedanken ist hierzu in jedem Fall das Einverständnis des betroffenen Empfangsstaats erforderlich.

Vierter Teil

Individuelle Schutzansprüche gegenüber der Europäischen Gemeinschaft? A. Problematik subjektiver Rechte auf diplomatischen Schutz Schon für den klassischen diplomatischen Schutz durch den eigenen Heimatstaat stellte sich die Frage, ob aus der objektiven Schutzmöglichkeit auch eine subjektiv einforderbare Schutzpflicht folge. Nach traditionellem Verständnis war ein solcher Individualanspruch jedenfalls nicht aus dem Völkerrecht abzuleiten.565 Die Gewährung diplomatischen Schutzes galt auf dieser Ebene vielmehr als rein staatliches Privileg, für das die betroffenen Privatinteressen ohne jede Relevanz waren. Auch Versuche, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte zur Gewinnung individueller Schutzansprüche heranzuziehen, vermochten sich nicht durchzusetzen.566 Nach herrschender Ansicht war das Völkerrecht vielmehr „anspruchsneutral“: Aus ihm folge weder ein Ge- noch ein Verbot individueller Schutzansprüche.567 Es bleibe deshalb grundsätzlich jedem Staat selbst überlassen, inwieweit er sich auf nationaler Ebene gegenüber seinen Bürgern binden wolle. Diese Sichtweise wurde 1970 auch vom IGH bestätigt. Er führte in seinem „Barcelona Traction“-Urteil dazu unter anderem aus: „The State must be viewed as the sole judge to decide whether its protection will be granted, to what extent it is granted, and when it will cease. It retains in this respect a discretionary 565 ICJ Rep. 1970, S. 3, 44; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts I, S. 385; Geck, in: EPIL I, S. 1046, 1051; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 32 f. 566 Für eine solche Ableitung hatte sich insbesondere Katzarov (ÖZöR NF 18 (1957/58), S. 434, 445 ff.) ausgesprochen. Gegen einen solchen Begründungsweg nachfolgend aber mit überzeugenden Gründen Oberthür, Anspruch, S. 6; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 37; Wengler, Völkerrecht I, S. 669 Fn. 1. 567 ILC, Report 1998, UN-Dok. A/53/10, Rn. 108 lit. e; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 33; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 37 Fn. 103. Einen Überblick über die gegenwärtige Staatenpraxis bietet Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, S. 30 ff. Vertiefend zur Rechtslage in den einzelnen Mitgliedstaaten und Beitrittsländern später auch S. 187 ff.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

power the exercise of which may be determined by considerations of political or other nature, unrelated to the particular case.“568 In den letzten Jahren geriet dieses klassische Verständnis allerdings zunehmend unter Kritik. Nicht wenige Stimmen in der Literatur bezweifelten, dass es sich beim diplomatischen Schutz tatsächlich um ein alleiniges Recht des Staates handele. Sie sahen darin auch oder sogar ausschließlich die stellvertretende Geltendmachung eigener Rechtspositionen der betroffenen Individuen.569 Viele Autoren, die von diesem veränderten materiellen Grundverständnis ausgingen, sprachen sich zugleich auch für die Schaffung begleitender verfahrensrechtlicher Absicherungen aus: Werde einem Bürger von seinem Heimatstaat ausreichende Protektion verweigert, müsse ihm das Völkerrecht zumindest einen Anspruch auf objektive richterliche Nachprüfung gewähren.570 In abgeschwächter Form fand dieser Gedanke auch Eingang in den Kodifikationsentwurf des ILC-Berichterstatters Dugard aus dem Jahre 2000. Dugard bekräftigte darin zwar zunächst, dass die Ausübung diplomatischer Schutzrechte grundsätzlich im Ermessen des jeweiligen Heimatstaates stehe.571 Er schlug jedoch zugleich eine bemerkenswerte Einschränkung vor: Jeder Staat solle in seinem nationalen Recht ein einklagbares subjektives Recht auf diplomatischen Schutz für Fälle vorsehen, in denen die Verletzung aus dem schwerwiegenden Bruch einer Norm des ius cogens resultiere und das betroffene Individuum nicht selbst vor einem internationalen Gericht auf Abhilfe klagen könne. Der Heimatstaat dürfe sich dieser Verpflichtung nur entziehen, wenn andernfalls überwiegende öffentliche Interessen ernstlich gefährdet würden, diplomatischer Schutz schon von anderer Seite gewährt werde oder das Opfer dem Staat nicht effektiv als Staatsangehöriger verbunden sei.572 Dugard rechtfertigte diesen 568 ICJ Rep. 1970, S. 3, 44 („Der Staat muss als alleiniger Richter hinsichtlich der Entscheidung angesehen werden, ob sein Schutz gewährt wird, in welchem Ausmaß er gewährt wird, und wann er eingestellt wird. Er behält in dieser Hinsicht einen Ermessensfreiraum, der durch Erwägung politischer oder anderer, nicht auf den konkreten Fall bezogener Natur ausgefüllt werden kann.“). 569 Dazu bereits oben S. 21 ff. 570 So bspw. Orrego Vicuña, ILA-Report 2000, S. 28, 43. 571 Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, Art. 3/S. 22: „The State of nationality has the right to exercise diplomatic protection on behalf of a national unlawfully injured by another State. Subject to article 4, the State of nationality has a discretion in the exercise of this right.“ 572 Dugard, ebd., Art. 4/S. 27 ff.: „1. Unless the injured person is able to bring a claim for such injury before a competent international court or tribunal, the State of his/her nationality has a legal duty to exercise diplomatic protection on behalf of the injured person upon request, if the injury results from a grave breach of a jus cogens norm attributable to another State. 2. The State of nationality is relieved of this obligation if:

A. Problematik subjektiver Rechte auf diplomatischen Schutz

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Vorschlag mit der zunehmenden Anerkennung und Bedeutung fundamentaler Wertprinzipien im Völkerrecht. Komme ein Individuum unter Verletzung derartiger Grundnormen zu Schaden, dürfe gerade sein Heimatstaat nicht tatenlos bleiben. Zudem müssten Staaten, die sich vertraglich zum effektiven Schutz vor Menschenrechtsverletzungen auf dem eigenen Gebiet verpflichtet hätten, erst recht auch dann einschreiten, wenn die eigenen Staatsangehörigen Opfer schwerster Menschenrechtsverletzungen im Ausland würden.573 Bei den nachfolgenden Beratungen der ILC stieß diese Argumentation allerdings auf klare Ablehnung. So wurde vor allem die Verknüpfung des diplomatischen Schutzes mit dem ius cogens kritisiert. Die „zwingenden Grundnormen“ des Völkerrechts seien nicht nur schwer einzugrenzen, sondern beruhten dogmatisch auch auf völlig anderen Wurzeln als die diplomatische Protektion: Sie schützten vorrangig die internationale Gemeinschaft als Ganzes, nicht einzelne Individuen. Hinzu komme, dass bei einem Verstoß gegen derartiges ius cogens nicht allein der Heimatstaat, sondern jeder Staat zu einem Eingreifen aufgefordert sei. Ein auf den diplomatischen Schutz verengter Blick werde deshalb der völkerrechtlichen Problematik von vornherein nicht gerecht.574 Auch bei den anschließenden Beratungen im Sixth Committee – dem federführenden Ausschuss der UN-Generalversammlung – sprach sich eine deutliche Mehrheit der Regierungen dafür aus, den diplomatischen Schutz unverändert als freie Entscheidung des jeweiligen Heimatstaates zu verstehen.575 Das Völkerrecht verhält sich damit auch nach heutiger Staatenpraxis unverändert „anspruchsneutral“: Ob ein Staat seinen Angehörigen diplomatische Schutzansprüche einräumt oder nicht, bleibt grundsätzlich allein ihm überlassen.

(a) The exercise of diplomatic protection would seriously endanger the overriding interests of the State and/or its people; (b) Another State exercises diplomatic protection on behalf of the injured person; (c) The injured person does not have the effective and dominant nationality of the State. 3. States are obliged to provide in their municipal law for the enforcement of this right before a competent domestic court or other independent national authority“. 573 Dugard, ebd. S. 33. 574 ILC, Report 2000, UN-Dok. A/55/10, Rn. 445 und 450 ff. 575 Sixth Committee, UN-Presseerklärungen GA/L/3159 v. 30.10.2000 und GA/ L/3160 v. 31.10.2000. Zusammenfassend Zieck, LJIL 14 (2001), S. 209, 221.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

B. Individuelle Schutzbelange im Recht der internationalen Organisationen: Die „klassische“ funktionale Protektion Das damit angesprochene Problem stellt sich jedoch nicht nur im staatlichen Bereich: Es existiert bereits seit langem auch im Recht der internationalen Organisationen. Denn wenn diese Organisationen objektiv zu „funktionalem Schutz“ der eigenen Bediensteten befugt sind, bleibt auch hier die Frage nach korrespondierenden Individualansprüchen zu beantworten. Eine Untersuchung dieser – im Schrifttum bislang weitgehend unbeachtet gebliebenen – Konstellation ist dabei gerade im untersuchten Kontext von besonderem Reiz. Der vom IGH in seinem zentralen „Injuries suffered“-Gutachten zu Grunde gelegte Herleitungsweg scheint auf den ersten Blick eher gegen die Annahme individueller Beistandsansprüche in diesem Bereich zu sprechen. Denn der Gerichtshof begründete die Herleitung des funktionalen Schutzrechts der UNO ja allein mit dem Gebot, die Funktionsfähigkeit und Unabhängigkeit der Organisation zu wahren.576 Die individuellen Interessen der verletzten Bediensteten fanden dagegen in seiner Argumentation keine Berücksichtigung. Als Beleg für ein rein objektives, von individuellen Schutzinteressen losgelöstes Verständnis könnte darüber hinaus die „Jurado“-Entscheidung des Verwaltungsgerichts der International Labour Organisation (TAOIT) aus dem Jahre 1970577 verstanden werden. Hier hatte ein ILO-Bediensteter dagegen geklagt, dass die ILO seine diplomatische Immunität aufgehoben und der Schweiz damit ein gerichtliches Verfahren gegen ihn ermöglicht hatte. Aus Sicht des Betroffenen hatte die ILO damit gegen ihre Pflicht verstoßen, ihr Personal vor rechtswidriger Verfolgung zu bewahren. Das Gericht wies diese Ansicht in seinem Urteil zurück: Da die in Rede stehenden diplomatischen Vorrechte und Befreiungen allein dem Interesse der Organisation selbst zu dienen bestimmt seien, habe der einzelne keinerlei Anspruch auf die Aufrechterhaltung derartiger Privilegien. Er könne die Aufhebung seiner Immunität folglich auch nicht gerichtlich angreifen.578 Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass das „Injuries suffered“-Gutachten des IGH von vornherein nicht dazu diente, die hier untersuchte Frage zu beantworten. Gegenstand des Gutachtens war allein die objektive Reichweite der völkerrechtlichen Außenbefugnisse der UNO, 576

Siehe bereits oben S. 20 ff. Tribunal administratif de l’Organisation Internationale du Travail (TAOIT), Urteil Nr. 70 v. 11.9.1964 . 578 Ebd., Ziff. II.2. 577

B. Individuelle Schutzbelange im Recht der internationalen Organisationen 169

nicht dagegen die Frage nach individuellen Beistandsansprüchen einzelner Bediensteter. Die rein objektive Argumentation des IGH war also bereits im Gutachtenauftrag selbst angelegt. Sie ist deshalb kein zwingendes Indiz gegen die Existenz individueller Ansprüche auf funktionalen Schutz. Auch die „Jurado“-Entscheidung des TAOIT rechtfertigt bei näherer Untersuchung nicht den Schluss, dass das Binnenrecht internationaler Organisationen generell keinen Anspruch auf funktionalen Schutz kenne. Denn das Gericht ließ in seinen weiteren Ausführungen keinen Zweifel daran, dass die Bediensteten der ILO grundsätzlich durchaus funktionale Schutzrechte gegen ihre Anstellungskörperschaft geltend machen könnten. Es sah in dieser Befugnis ausdrücklich sogar ein Grundprinzip des internationalen Dienstrechts.579 Ausgeschlossen sei lediglich eine speziell gegen die Aufhebung persönlicher Vorrechte und Immunitäten gerichtete Klage.580 Tatsächlich lässt sich feststellen, dass internationale Organisationen den für sie tätigen Personen im Innenverhältnis nahezu immer weit reichende dienstrechtliche Ansprüche auf Fürsorge und Schutz einräumen. So bestimmt beispielsweise Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaft581, dass die EG ihren Beamten Beistand leistet, und zwar „insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden“. Absatz 2 dieser Bestimmung verpflichtet die Gemeinschaft zudem zum Ersatz des erlittenen Schadens, soweit ihn der Beamte weder vorsätzlich noch grobfahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadenersatz von dem Urheber erlangen konnte. Zusammenfassend wird Art. 24 Beamtenstatut weithin im Sinne einer umfassenden dienstrechtlichen Fürsorgepflicht verstanden: Die Gemeinschaft treffe danach die Pflicht zu angemessenem Beistand bei der Verhinderung, Abwehr und Verfolgung aller tätigkeitsbezogenen Rechtsbeeinträchtigungen.582 Sie müsse ihre Bediensteten dabei nicht nur vor gemeinschaftsinternen Beeinträchtigungen, sondern gerade auch vor rechtswidrigen Angriffen durch Dritte schützen.583 Dies gelte nötigenfalls auch außerhalb des geographischen Geltungsbereichs der Gründungsverträge, 579

Ebd., Ziff. II.3: „Si en vertu d’un principe général du droit de la fonction publique internationale [. . .], l’O.I.T. a, à l’égard de ses agents, un devoir de protection et d’assistance dans l’exercice de leurs fonctions ou à l’occasion de l’exercice de celles-ci [. . .]“. 580 Die Klage auf andere Formen funktionalen Schutzes wurde im konkreten Fall nur deshalb abgewiesen, weil der vom Kläger geführte Scheidungsprozess offenkundig keinen Anlass für derartige Interventionen bot. 581 VO 259/68/EWG-Euratom-EGKS v. 29.2.1968, ABl. 1968 L 56, 1. 582 Euler, Europäisches Beamtenstatut I, S. 217 ff.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

falls sich der Verletzte dort dienstlich aufhalte oder nur dort gegen den Urheber der Beeinträchtigung vorgegangen werden könne.584 Sowohl der weitgefasste Wortlaut von Art. 24 Beamtenstatut als auch sein auf umfassenden Schutz in dienstlichen Angelegenheiten abzielender Sinn sprechen dabei für eine Einbeziehung aller – also privater wie staatlicher – Verletzungshandlungen.585 Dabei handelt es sich um ein subjektives Recht, das als solches nach Art. 91 Beamtenstatut auch vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz eingeklagt werden kann.586 Zwar verbleibt dem jeweiligen Anstellungsorgan grundsätzlich ein weites Ermessen bei der Erfüllung dieser Beistandspflicht. Gerade bei Angriffen von außen, die der einzelne Beamte nicht aus eigener Kraft abzuwehren vermag, kann sich dieses Ermessen jedoch auch zu einer gerichtlich erzwingbaren Pflicht zum Einschreiten verdichten,587 zumal wenn dabei grundlegende Rechtsgüter des Betroffenen in Rede stehen. Zusammenfassend lässt sich damit für das Gemeinschaftsrecht – ähnlich wie auch im Binnenrecht anderer internationaler Organisationen588 – durchaus ein subjektiver Anspruch auf funktionalen Schutz nachweisen.

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG Fraglich ist, ob sich eine vergleichbare subjektive Rechtstellung auch für die oben hergeleiteten diplomatischen Schutzbefugnisse der Europäischen Gemeinschaft herleiten lässt Als potentielle Anspruchsträger kommen dabei grundsätzlich alle natürlichen wie juristischen Personen in Betracht, die in Ausübung ihrer aus dem EG-Vertrag resultierenden Rechte Opfer einer Völkerrechtsverletzung werden.589 Anders als bei den eben untersuchten „Bediensteten“ fehlt es in diesem Verhältnis allerdings von vornherein an einer dienstrechtlichen Treuebeziehung. Subjektive Ansprüche auf diplomatischen 583 Kalbe, in: Groeben/Schwarze, Art. 283 EG Rn. 76 f.; Rogalla, in: G/H II, Art. 283 EGV Rn. 82. 584 Holtz, Handbuch, Art. 24 Statut Rn. 3. 585 Tatsächlich gestand der EuGH den Gemeinschaftsbediensteten dementsprechend bspw. auch Schutzansprüche gegen Verletzungen von Seiten des belgischen Staates zu, vgl. Slg. 1990 I, S. 369, 390 ff. 586 Vgl. etwa EuG Slg. 1995 II-ÖR, S. 541, 560/Rn. 54; EuG Slg. 1993 II, S. 477, 487/Rn. 30; EuGH Slg. 1979, S. 2093, 2102/Rn. 15; EuGH Slg. 1979, S. 1585, 1600/Rn. 15. 587 EuGH Slg. 1990 I, S. 369, 391/Rn. 9; GA Tesauro, EuGH Slg. 1990 I, S. 369, 381. 588 Vgl. für die UNO etwa Seidl-Hohenveldern/Loibl, Recht der IO, Rn. 1926a. Ebenso für die ILO bereits oben Fn. 577 f. 589 Vgl. bereits oben S. 116 ff. zur objektiven personellen Reichweite der EGSchutzbefugnisse.

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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Schutz können sich daher nur aus den allgemeinen Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts ergeben. Zu untersuchen ist in dieser Hinsicht vor allem die Reichweite der primärrechtlichen Grundrechtsverbürgungen (I.). Einschlägige Ansprüche lassen sich darüber hinaus möglicherweise auch aus dem gemeinschaftlichen Sekundär- und Völkervertragsrecht ableiten (II.).

I. Grundrechtliche Schutzansprüche Nach Art. 6 Abs. 2 EUV achtet die Union die Grundrechte, „wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.“ Der EU-Vertrag regelt damit nicht nur die umfassende Bindung von EU und EG an grundrechtliche Verbürgungen, sondern zugleich auch die für die Herleitung und Eingrenzung dieser Grundrechte entscheidenden Erkenntnisquellen. Die zwischenzeitliche Proklamation der „Charta der Europäischen Grundrechte“ hat den früheren Stellenwert rechtsvergleichender Überlegungen dabei zwar in gewissem Umfange relativiert. So finden sich in der Rechtsprechungspraxis immer häufiger unmittelbare Verweise auf einzelne Wertungen der Grundrechtecharta.590 Gleichwohl kommt dem bisherigen Rechtsvergleich weiterhin zentrale Bedeutung für die Auslegung der Gemeinschaftsgrundrechte zu. So ist vor allem zu bedenken, dass die Grundrechtecharta bislang allein ein politisches Bekenntnis der Gemeinschaftsorgane ohne unmittelbare rechtliche Bindungswirkung darstellt.591 Auch die Präambel und Art. 52 Abs. 3 der Grundrechtecharta betonen im Übrigen die fortbestehende Bedeutung der in Art. 6 Abs. 2 EUV genannten Erkenntnisquellen für die Auslegung und Konkretisierung der einzelnen Gemeinschaftsgrundrechte. Im Folgenden soll auf dieser Grundlage zunächst untersucht werden, ob die Gemeinschaftsgrundrechte neben ihrer klassischen Abwehrdimension prinzipiell auch Pflichten zu positiver Schutzgewähr verbürgen (dazu 1.). Aufbauend darauf stellt sich die Frage, ob sich aus derartigen Grundrechtsgarantien konkret gerade auch diplomatische Schutzansprüche gegenüber der EG ableiten lassen. Eine tragfähige Antwort auf diese Frage lässt sich (nicht zuletzt mangels eindeutiger Vorgaben in der Grundrechtecharta592) erst durch vergleichende Heranziehung der traditionellen Erkenntnisquellen 590

Vgl. etwa EuG, Slg. 2002 II, S. 313, 333 und 337/Rn. 48 und 57; Alber, EuGRZ 28 (2001), 349, 351 ff.; Iber, ZEUS 5 (2002), S. 482, 489 ff.; Walter, in: Europäische Grundrechte, § 1 Rn. 32. 591 Dazu bereits oben S. 48 f.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

gewinnen. So ist vor allem der Umgang mit individuellen Schutzbegehren in den Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten von großem Interesse (2.). Zu berücksichtigen sind daneben auch die Parallelbestimmungen in Art. 46 Grundrechtecharta und Art. 20 EGV (3.) sowie die Rechtslage im Rahmen der EMRK (4.). Erst auf der Basis dieser rechtsvergleichenden Vorüberlegungen sind abschließend Inhalt und Reichweite eines möglichen Anspruchs auf diplomatischen Schutz durch die EG fundiert zu bestimmen (dazu dann 5.). 1. Die schutzrechtliche Seite der Gemeinschaftsgrundrechte Eine grundrechtliche Herleitung subjektiver Rechte auf diplomatischen Schutz setzt zunächst voraus, dass die Gemeinschaftsgrundrechte in funktionaler Hinsicht nicht nur Abwehrrechte gegen hoheitliche Eingriffe, sondern weitergehend auch positive Handlungsaufträge und Schutzpflichten vor von Dritten ausgehenden Gefahren verbürgen. a) Abwehrrechtliche Wurzeln der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsdogmatik Die Hauptfunktion der Gemeinschaftsgrundrechte liegt bis heute in der Abwehr hoheitlicher Eingriffe. Dies wird insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH deutlich: Die weitaus meisten Urteile, in denen der Gerichtshof Stellung zu grundrechtlichen Fragen bezog, beruhten darauf, dass sich einzelne gegen belastende Maßnahmen zur Wehr setzten.593 Auch in der Literatur stand die abwehrrechtliche Dimension des Grundrechtsschutzes in der Vergangenheit regelmäßig im Vordergrund: Die gemeinschaftlichen Verbürgungen von Freiheit und Gleichheit wurden hier primär als individuelle Freiräume angesehen, in denen hoheitliche Beschränkungen nur in bestimmten Rechtfertigungssituationen zulässig seien.594 Demgegenüber blieb die schutzrechtliche Dimension der Gemeinschaftsgrundrechte lange Zeit weitgehend unbeachtet. Tatsächlich stellte sich dieses Problem zunächst nur selten, da die EG in den Anfangsjahren schwerpunktmäßig wirtschaftsliberalisierend tätig wurde.595 Sie wirkte insoweit zwar auf eine 592 Denn Art. 46 Grundrechtecharta regelt seinem unmittelbaren Gegenstand nach allein den diplomatischen Schutz durch die Mitgliedstaaten, vgl. oben S. 48 f. 593 Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 402. 594 Zu dieser klassischen Funktion der Gemeinschaftsgrundrechte etwa Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 402; Klingreen, in: C/R, Art. 6 EUV Rn. 45; Kühling, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 583, 600 ff.; Quasdorf, Dogmatik der Grundrechte, S. 71 ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 203. 595 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 216 f.; Nettesheim, EuZW 6 (1995), S. 106, 108.

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Öffnung und Vereinheitlichung der nationalen Rechtsordnungen hin, beließ jedoch die für mögliche Schutzansprüche besonders relevanten Materien regelmäßig weiterhin bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Die Frage nach grundrechtlichen Fürsorgepflichten blieb unter diesen Prämissen grundsätzlich ein Problem des nationalen Rechts. b) Ableitbarkeit grundrechtlicher Schutzansprüche im Gemeinschaftsrecht Heute lässt sich die Tätigkeit der Gemeinschaft indes längst nicht mehr nur als „wirtschaftsliberalisierend“ charakterisieren. In zunehmendem Maße wird die EG vielmehr auch in hochgradig schutzrelevanten Gebieten tätig, wie beispielsweise im Verbraucherschutz- oder Umweltrecht. Immer deutlicher stellt sich damit die Frage, ob den Gemeinschaftsgrundrechten zwischenzeitlich über den traditionellen Abwehrgehalt hinaus auch aktive Schutz- und Beistandsfunktionen zukommen. Zweifelhaft ist, ob die Gemeinschaftsverträge [aa)] und die jüngere Urteilspraxis des EuGH [bb)] diesem Problem bereits in ausreichendem Maße Rechnung tragen. Eine umfassende Schutzkonzeption lässt sich möglicherweise erst unter ergänzender Heranziehung grundrechtsdogmatischer Überlegungen gewinnen [cc)]. aa) Textbefund Fraglich ist, ob sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Gemeinschaftsverträge Hinweise auf die Existenz grundrechtlicher Schutzaufgaben gewinnen lassen.596 Zwar wird die prinzipielle Grundrechtsbindung der EG an verschiedenen Stellen ausdrücklich angesprochen. Die entsprechenden Bestimmungen bleiben jedoch eher vage. So unterstrich bereits die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte597 lediglich allgemein die Bedeutung der gemeinsamen Menschenrechtsüberzeugungen für die Gemeinschaftspolitiken, ohne dabei näher auf die hier untersuchte Frage einzugehen. Ähnliches gilt für den heutigen EU-Vertrag: Sowohl die Präambel wie auch Art. 6 dieses Vertrages beschränken sich auf ein allgemeines Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten.598 Eine spezifische Festschreibung grundrechtlicher Schutzpflichten ist aus dieser Formulierung schwerlich abzuleiten: Der Begriff „Achtung“ (beziehungsweise in anderen Sprachfassungen: „Respektierung“) bleibt in Hinblick auf die hier angesprochene Problematik weitgehend neutral. Auch der in der Präambel 596 597 598

Ausführlich dazu Jaeckel, Schutzpflichten, S. 194 ff. ABl. 1987 L 169, S. 1, 2. 3. und 4. Erwgg. Präambel EUV, Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV.

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des EG-Vertrags enthaltene Auftrag, „Frieden und Freiheit zu wahren und zu festigen“ lässt sich sprachlich nicht als spezifischer Hinweis auf grundrechtliche Schutzpflichten verstehen.599 Dies gilt umso mehr, als er in dieser Form bereits im ursprünglichen EWGV von 1957 enthalten war und damit lange vor den Anfängen einer gemeinschaftlichen Grundrechtsdogmatik existierte. Allerdings gibt der EG-Vertrag der Gemeinschaft an mehreren Stellen konkrete politische Ziele vor, die inhaltlich durchaus als Ausdruck grundrechtlicher Handlungsgebote verstanden werden könnten. Dies gilt insbesondere für den Gesundheitsschutz, dessen Bedeutung als hohes gemeinschaftliches Schutzgut nicht nur in Art. 3 Abs. 1 lit. p und Art. 152 EGV, sondern ergänzend auch im Rahmen einer Reihe weiterer Einzelpolitiken600 hervorgehoben wird. Einen ähnlichen Fürsorgeauftrag enthalten Art. 137 Abs. 1 und 141 EGV hinsichtlich der Gleichstellung von Männern und Frauen im Arbeitsleben. Dabei erstreckt sich der zu gewährende Schutz seinem Sinn nach jeweils gerade auch auf von Dritten ausgehende Gefahrenquellen. Gleichwohl lassen sich diese Einzelbestimmungen nicht ohne weiteres auf einen allgemeinen grundrechtlichen Fürsorgegedanken zurückführen. Denn die betreffenden Bestimmungen bleiben im Wortlaut eng mit den ihnen jeweils zugeordneten Sachkompetenzen verbunden. Sie erfassen in diesem Rahmen zwar einzelne Teilaspekte grundrechtsrelevanter Risikolagen, gewährleisten aber als solche noch kein darüber hinausreichendes allgemeines Schutzprinzip. Dieser fragmentarische Charakter wird auch durch die Entstehungsgeschichte der betreffenden Normen bestätigt: Weder die Bestimmungen zum Gesundheitsschutz noch diejenigen zur geschlechtlichen Gleichbehandlung entstanden aus allgemeinen grundrechtlichen Schutzüberlegungen. Sie wurden von den Mitgliedstaaten vielmehr geschaffen, um punktuell für einzelne Gemeinschaftsmaßnahmen eine bestimmte politische Ausrichtung festzuschreiben.601 Eine allgemeine grundrechtliche Schutzpflicht lässt sich aus diesen Normen demgemäß nicht gewinnen.602 Zu untersuchen bleibt, wie die Grundrechtecharta selbst mit dem hier angesprochenen Problem umgeht. Dabei ist im vorliegend untersuchten Zusammenhang vor allem Art. 1 Grundrechtecharta von Interesse. Ausdrücklich wird dem Grundrecht auf Menschenwürde hier nicht nur die Funktion eines „unantastbaren“ Abwehrrechts, sondern auch die eines „zu achtenden“ 599

A. A. Jaeckel, Schutzpflichten, S. 195 f. Art. 137, 140, 153 und 174 EGV 601 Aufschlussreich zur Entstehungsgeschichte Langenfeld, in G/H II, Art. 141 EGV Rn. 7 bzw. Schmidt am Busch, in: G/H II, Art. 152 EGV Rn. 1 ff. 602 So i. E. auch Jaeckel, Schutzpflichten, S. 200 ff.; Ruffert, Subjektive Rechte, S. 55 f. 600

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objektiven Wertes sowie eines aktiv „zu schützenden“ Rechtsgutes zugewiesen. Art. 1 Grundrechtecharta lehnt sich dabei im Wortlaut bemerkenswert eng an den deutschen Art. 1 Abs. 1 GG an, für den vergleichbar umfassende Grundrechtsfunktionen bereits seit langem anerkannt sind.603 Es spricht also vieles dafür, dem Grundrecht auf Menschenwürde auch im Fall der Grundrechtecharta einen unmittelbar schützenden Gehalt zuzuerkennen.604 Allerdings gehen die vom Präsidium des Konvents beigefügten Erläuterungen605 allein auf den abwehrrechtlichen Gehalt von Art. 1 ein. Dies steht einem weitergehenden Verständnis jedoch nicht entgegen. Denn die Erläuterungen sind als solche nicht nur rechtlich unverbindlich,606 sondern beanspruchen ausdrücklich auch keinen abschließenden Charakter.607 Sie schließen also eine weitergehende Schutzfunktion keineswegs aus. Auch an anderen Stellen der Grundrechtecharta finden sich hoheitliche Beistandsgarantien. So gewährt beispielsweise Art. 24 Abs. 1 S. 1 Kindern ausdrücklich einen „Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind“. Parallel dazu garantiert Art. 33 Abs. 1 allen Familien rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schutz. Ähnliche Bestimmungen finden sich in Art. 23, 30 und 31, die den Schutz des einzelnen gegen Gefahren im Berufsleben regeln, sowie in Art. 17 Abs. 2, der den Schutz des geistigen Eigentums betrifft. Alle diese Garantien verlangen inhaltlich jeweils ein hoheitliches Tätigwerden zur Abwehr nichtstaatlicher Gefahren, enthalten also ebenso wie schon Art. 1 Grundrechtecharta Unterfälle grundrechtlicher Beistandspflichten. Der so gewährte Schutz bleibt allerdings fragmentarisch: Ein allgemeiner Schutzauftrag lässt sich allein aus dem Wortlaut der Grundrechtecharta nicht gewinnen. Regelmäßig bleibt vielmehr offen, ob den einzelnen Charta-Verbürgungen nur abwehrrechtlicher oder weitergehend auch schutzrechtlicher Gehalt zukommt.

603 Zu den einzelnen Funktionen des Art. 1 GG vertiefend Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 29 ff. 604 So auch Borowsky, in: Grundrechtecharta, Art. 1 Rn. 33; Calliess, EuZW 12 (2001), S. 261, 263; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 207; Schmidt, ZEUS 5 (2002), S. 631, 642 f. 605 EU-Dok. CHARTE 4473/00 CONVENT 49 v. 11.10.2000. 606 So explizit die einleitende Mitteilung des Präsidiums: „Die vorliegenden Erläuterungen sind vom Präsidium in eigener Verantwortung formuliert worden. Sie haben keine Rechtswirkung, sondern dienen lediglich dazu, die Bestimmungen der Charta zu verdeutlichen“. 607 Vgl. Abs. 2 der Erläuterungen zu Art. 1 Charta: „Daraus ergibt sich insbesondere, [. . .]“ (Hervorhebung v. Verf.).

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bb) Schutzpflichten in der Rechtsprechung des EuGH In der Rechtsprechung des EuGH spielte die Frage grundrechtlicher Schutzpflichten bislang eine eher untergeordnete Rolle. Zwar unterstrich der Gerichtshof 1997 ausdrücklich, dass jeder Mitgliedstaat zum Schutz der wirtschaftlichen Grundfreiheiten gegen von Dritten ausgehende Beeinträchtigungen verpflichtet sei.608 Diese Rechtsprechung basierte jedoch – wie der EuGH ausdrücklich hervorhob – allein auf der mitgliedstaatlichen Treuepflicht aus Art. 10 EGV. Sie hatte damit einen dogmatischen Ausgangspunkt, der sich von vornherein nicht auf den hier untersuchten Grundrechtsschutz durch die Gemeinschaft selbst übertragen lässt.609 Auch der Umstand, dass der EuGH im Rahmen seiner Grundfreiheitsprüfungen wiederholt einzelne Rechtsgüter (wie etwa die Erhaltung der Medienpluralität oder die Bekämpfung der Spielsucht) als „zwingendes Allgemeinwohlinteresse“ hervorhob, belegt – entgegen anders lautender Stimmen in der Literatur610 – als solcher noch nicht die Anerkennung einer allgemeinen Schutzpflichtendogmatik. Denn wenngleich der Gerichtshof in diesem Kontext zum Teil auf grundrechtliche Vorgaben Bezug nahm,611 dienten seine Ausführungen letztlich doch einem anderen Ziel: Er untersuchte jeweils allein, ob der verklagte Mitgliedstaat ausreichende Rechtfertigungsgründe für bestimmte handelsbeschränkende Maßnahmen angegeben hatte. Inhaltlich ging es also nicht um den Nachweis einer (grundrechtlichen) Handlungspflicht, sondern um die Existenz einer (im Lichte der Grundfreiheiten ausreichenden) Handlungsberechtigung.612 Auch in anderen potentiell einschlägigen Fällen verzichtete der EuGH auf eine spezifisch grundrechtliche Herleitung und begründete die von ihm angenommenen Handlungsgebote allein über die Grundfreiheiten. So stellte er beispielsweise in der Rechtssache „Cowan“ fest, dass der französische Staat Leib und Leben eines britischen Touristen in gleicher Weise schützen müsse wie das seiner eigenen Staatsangehörigen und der in diesem Staat wohnhaften Personen.613 Er leitete dieses Gebot jedoch ausdrücklich gerade 608

EuGH Slg. 1997 I, S. 6959, 7000 ff. A. A. insoweit Hilf/Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 226; Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 394 ff. – Zum dogmatischen Verhältnis von Grundfreiheiten und Grundrechten weiterführend Frenz, EuR 37 (2002), S. 603 ff; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 185 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 462 ff. 610 Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 407 ff.; Schindler, Kollision, S. 152 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 612 ff. 611 So bspw. in Slg. 1991 I, S. 4007, 4043/Rn. 23, wo er sich auf Art. 10 EMRK berief. 612 So zutreffend Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 69 f. Fn. 254; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 214 f.; Klingreen, in: C/R, Art. 6 EUV Rn. 47a. 609

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nicht aus grundrechtlichen Überlegungen, sondern allein aus dem (heute in Art. 12 EGV verbürgten) Diskriminierungsverbot gegenüber den Begünstigten der Dienstleistungsfreiheit ab. Die gemeinschaftsrechtliche Schutzpflicht blieb dadurch rein derivativer Natur: Sie setzte jeweils voraus, dass der betreffende Mitgliedstaaten zuvor seinen eigenen Angehörigen vergleichbaren Schutz zu Teil werden ließ.614 Sie blieb insoweit weit hinter dem Gehalt originär grundrechtlicher Fürsorgeansprüche zurück. Einziger Hinweis auf eine beginnende Anerkennung grundrechtlicher Schutzpflichten bleibt damit bislang die Rechtssache „P./S.“ aus dem Jahre 1996. Gegenstand dieses Verfahrens war die Frage, ob die aus einer Richtlinie über die berufliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen abgeleiteten Kündigungsschutzvorgaben auch transsexuelle Personen einschließen. Der EuGH bejahte dies im Ergebnis. Er stand dabei allerdings vor einem Problem, auf das zuvor schon Generalanwalt Tesauro hingewiesen hatte: Eine allein auf das Verbot geschlechtlicher Diskriminierung abstellende Argumentation war kaum möglich, da die in Rede stehende Kündigungspraxis gleichermaßen transsexuelle Frauen wie transsexuelle Männer betraf.615 Erforderlich war also in jedem Fall eine weitere Vertiefung der Begründung. Der Gerichtshof führte dazu aus: „Würde eine solche Diskriminierung toleriert, so liefe das darauf hinaus, dass gegenüber einer solchen Person gegen die Achtung der Würde und Freiheit verstoßen würde, auf die sie Anspruch hat und die der Gerichtshof schützen muss.“616 Tragender Gesichtspunkt für die Einbeziehung von Transsexuellen wurde insoweit – weit über bloße Gleichbehandlungsgedanken hinaus – ein spezifisch menschenwürdebezogener Anspruch auf Achtung und Schutz jedes Individuums. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Urteil „P./S.“ tatsächlich als begrenzte Anerkennung grundrechtlicher Fürsorgeaufgaben im Gemeinschaftsrecht verstehen.617 Gleichwohl bleiben eine Reihe zentraler Fragen auch nach diesem Urteil weiterhin offen. So ist insbesondere zweifelhaft, ob die vom EuGH vorgegebenen Prinzipien über den engeren Menschenwürdekern hinaus auch auf andere Grundrechtskonstellationen übertragbar sind. Ungeklärt ist darüber hinaus, ob derartige Schutzüberlegungen nur bei der Auslegung des Sekundärrechts zu berücksichtigen sind oder weitergehend auch zu originären Leistungsrechten führen können. 613

EuGH Slg. 1989, S. 195, 221/Rn. 17. Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 403 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 213. – A. A. demgegenüber offenbar Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 69. 615 Vgl. GA Tesauro, EuGH Slg. 1996 I, S. 2143, 2153/Rn. 18 (m. w. N.). 616 EuGH Slg. 1996 I, S. 2134, 2165/Rn. 22. 617 Burgi, EWS 10 (1999), S. 327, 329 Fn. 38; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 213; Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 396 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 622 ff. 614

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cc) Grundrechtsdogmatische Überlegungen Eine umfassendere Antwort auf die Frage nach grundrechtlichen Schutzpflichten im Gemeinschaftsrecht lässt sich möglicherweise aus grundrechtsdogmatischen Überlegungen gewinnen. Dabei sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Näherer Prüfung bedarf zunächst, inwieweit das Gemeinschaftsrecht überhaupt Raum für derartige Grundrechtsfunktionen lässt (1). Darüber hinaus bleibt zu untersuchen, ob die so begründeten Pflichten allein objektive Bestandteile der Gemeinschaftsrechtsordnung darstellen oder weitergehend auch als subjektives Recht ausgestaltet sind (2). (1) Ableitbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Schutzpflichten Fraglich ist, ob sich Schutzpflichten möglicherweise bereits aus dem traditionellen Abwehrgehalt der Gemeinschaftsgrundrechte ableiten lassen. Grundlage hierfür könnte insbesondere ein Erklärungsmodell sein, das auch im Bereich einiger mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen und für die EMRK diskutiert wird.618 Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist die Prämisse, dass jede nicht explizit verbotene Verhaltensweise erlaubt sei und grundsätzlich unter dem Schutz der Rechtsordnung stehe; sie müsse daher von jedermann geduldet werden. Komme es im Zuge einer solchen Handlung zur Beeinträchtigung grundrechtlich geschützter Individualrechtsgüter oder -interessen, so liege der eigentliche Grundrechtseingriff bereits in der hoheitlichen Auferlegung der Duldungspflicht. Die Grundrechte seien also in solchen Fällen schon in ihrer abwehrrechtlichen Funktion betroffen.619 In der nachfolgenden Literatur stieß dieser Ansatz allerdings vielfach auf Kritik.620 Tatsächlich bietet er – unabhängig von allen weiterführenden Bedenken – jedenfalls keine tragfähige Grundlage für die hier untersuchten diplomatischen Schutzansprüche. Denn die völkerrechtswidrige Beeinträchtigung eines Individuums durch dritte Staaten lässt sich von vornherein nicht über die Fiktion gemeinschaftsrechtlicher „Duldungspflichten“ erklären. Die EG steht dem Verletzerstaat vielmehr in souveräner Gleichheit gegenüber. Sie hat grundsätzlich keine Möglichkeit, das schädigende Verhalten durch ein618 Vgl. im deutschen Recht u. a. Schlink, EuGRZ 11 (1984), S. 457, 464 ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 211 ff. Im österreichischen Recht bspw. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 251 ff. Für die EMRK Murswiek, in: Grundrechtsschutz, S. 213, 224 ff. 619 So nunmehr für das Gemeinschaftsrecht z. T. auch Szczekalla, Schutzpflichten, S. 1056 ff. 620 Vertiefend zu den einzelnen Kritikpunkten etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 415 ff.; Dietlein, Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, S. 38 ff.; Huth, Gentechnik, S. 96 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 37 ff., 123 ff. und 211.

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seitig-hoheitliche Ge- oder Verbote zu steuern. Abwehrrechtliche Herleitungsversuche scheiden vorliegend deshalb von vornherein aus.621 Damit kommt es entscheidend darauf an, ob die Gemeinschaftsgrundrechte über den bislang untersuchten Abwehrgehalt hinaus auch eigenständige positive Schutzvorgaben verbürgen. Im Schrifttum wurde diese Frage noch bis vor wenigen Jahren häufig skeptisch beantwortet. So bezweifelte beispielsweise Steinberger, dass das Recht der EG überhaupt Raum für derartige Fürsorgeaufträge lasse: Da die Gemeinschaft keine Staatsqualität besitze, müsse ein staatengleiches Status- und Schutzverhältnis von vornherein ausscheiden.622 Ähnlich äußerte sich im Ausgangspunkt auch Ruffert: Die Herleitung individualbezogener Schutzpflichten sei staatsphilosophisch und historisch eng mit einer originär staatlichen Leistung, nämlich der Überführung des rechtlosen Naturzustands in einen gesicherten Rechtszustand, verbunden. Diese „Grundleistung“ werde nach wie vor allein von den Mitgliedstaaten erbracht.623 Zweifelhaft ist allerdings, ob die damit angesprochenen Prämissen heute tatsächlich noch zutreffen. Denn wenngleich die EG unverändert kein Staat im völkerrechtlichen Sinne ist, wurden ihr in den letzten Jahren doch in einer Vielzahl innen- wie außenpolitischer Bereiche originäre staatliche Aufgaben zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen. In diesen Gebieten ordnen nicht mehr allein die Mitgliedstaaten, sondern primär die Europäische Gemeinschaft als „verselbständigte neue Ebene öffentlicher Gewalt“624 das Zusammenleben der Gesellschaft und den individuellen Freiheitsraum. Nur sie kann hier deshalb auch die normativen Grundgehalte eines menschenwürdigen Lebensumfelds gewährleisten.625 Dies gilt umso mehr, als viele Gefahren ihrer Natur nach überhaupt nicht im rein nationalen Rahmen beherrschbar sind. So lassen sich beispielsweise viele der bedeutsamsten Umweltrisiken erst durch ein abgestimmtes Vorgehen auf Gemeinschaftsebene wirksam bekämpfen. Selbst im traditionell mitgliedstaatlich organisierten Bereich der Einwanderungspolitik hat sich heute mit Art. 61 ff. EGV die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ offenkundig nur unter 621

So i. E. auch Szczekalla, Schutzpflichten, S. 437 f. Steinberger, VVDStRL 50 (1991), S. 9, 28. 623 Ruffert, Subjektive Rechte, S. 61. Vertiefend zur damit angesprochenen Ideengeschichte hoheitlicher Schutzpflichten statt vieler Jaeckel, Schutzpflichten, S. 20 ff. 624 BVerfG E 22, S. 293, 296. Ähnlich EuGH Slg. 1963, S. 1, 24 f.: Den Gemeinschaftsorganen seien Hoheitsrechte übertragen worden, deren Ausübung in gleicher Weise die Mitgliedstaaten wie die Staatsbürger selbst berühre. 625 Calliess, ZUR 11 (2000), S. 246, 251 f.; ders., Rechtsstaat, S. 332; Hilf/ Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 227 f.; Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 70 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 216 f.; Nettesheim, EuZW 6 (1995), S. 106, 108; ders., ZEUS 5 (2002), S. 507, 523 Fn. 23. 622

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Zuhilfenahme gemeinschaftsrechtlicher Maßnahmen zu erreichen ist. Die „Grundleistung“ individueller Sicherheit lässt sich damit heute nicht mehr allein als Produkt staatlichen Tätigwerdens beschreiben. Sie ist in zunehmendem Maße auch Aufgabe der Europäischen Gemeinschaft selbst.626 Die Annahme von Schutzpflichten auf Gemeinschaftsebene entspringt jedoch nicht nur praktischen Notwendigkeiten, sondern ist darüber hinaus auch normativ geboten. Denn andernfalls drohte die Konsequenz, dass überall dort, wo die Mitgliedstaaten eigene Kompetenzen zugunsten der EG zurückgenommen haben, unvermittelt ein schutzfreier Raum entstünde. Ein solches Ergebnis wäre gerade aus Sicht von Mitgliedstaaten mit einem hohen grundrechtlichen Schutzniveau wie Deutschland oder Irland evident problematisch.627 Zu bedenken ist dabei allerdings, dass nicht in allen Mitgliedstaaten eine gleichermaßen ausgeprägte Schutzpflichtendogmatik existiert.628 So lässt sich insbesondere das weit reichende deutsche Grundrechtsverständnis nicht ohne weiteres auf die europäische Ebene übertragen. Maßstab für das Gemeinschaftsrecht ist umgekehrt indes auch nicht bloß die gemeinsame Minimalschnittmenge der einzelnen nationalen Rechtsordnungen. Nach den vom EuGH entwickelten allgemeinen Herleitungsgrundsätzen kommt es vielmehr auf das Ergebnis eines wertenden Rechtsvergleichs an. Entscheidend ist danach vor allem, welche gemeinsamen Verfassungstraditionen und Lösungen den spezifischen Gemeinschaftsbedürfnissen am besten entsprechen.629 Festzustellen ist dabei im Ausgangspunkt jedenfalls, dass – trotz mancher Unterschiede im Detail – in keiner der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen 626 So auch Szczekalla, Schutzpflichten, S. 572 ff. – A. A. offenbar Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, Art. 23 Rn. 58, der ohne weitere Begründung auf das (angebliche) Fehlen schutzrechtlich bedeutsamer Gemeinschaftskompetenzen verweist. 627 Schindler, Kollision, S. 157. Vgl. auch Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 23 GG Rn. 53; Rojahn, in: GGK II, Art. 23 Rn. 34, die dieses Problem jeweils aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts beleuchten. 628 Vgl. die Übersichten und Nachweise zur Schutzpflichtendogmatik in den einzelnen Mitgliedstaaten bei Classen, JÖR NF 36 (1987), S. 29 ff.; Hilf/Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 225 f.; Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 15 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 134 ff. und 217 f.; Ruffert, Subjektive Rechte, S. 50 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 909 ff.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 276 f. Vgl. auch v. Bar, Common European Law I, Rn. 557 ff., der die zivilrechtlichen Auswirkungen dieser unterschiedlichen Grundrechtsvorgaben darstellt, sowie Brunner, in: Duty to Protect, S. 73 ff., zur Rechtslage in den mittelund osteuropäischen Beitrittsländern. 629 EuGH Slg. 1970 S. 1125, 1135/Rn. 4. Vertiefend zu diesem methodischen Ansatz Anweiler, Auslegungsmethoden, S. 277 ff.; Gaitanides, in: Groeben/ Schwarze, Art. 220 EG Rn. 29 ff.; Kühling, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 583, 590 f.; Pernice/Mayer, in: G/H I, nach Art. 6 EUV Rn. 14 ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 228 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 491 ff.

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prinzipielle Bedenken gegen eine Anerkennung hoheitlicher Schutzpflichten zu bestehen scheinen.630 Im Schrifttum werden solche Pflichten inzwischen vielfach sogar bereits als gefestigtes Kernelement einer gemeineuropäischen Grundrechtsdogmatik angesehen.631 Diese Einschätzung wird maßgeblich durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) bestätigt. Danach folgen auch aus der EMRK entsprechende Schutzaufträge, an die jeder Konventionsstaat unmittelbar gebunden ist. Dies gilt nicht nur für das Recht auf Leben, das bereits nach dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 S. 1 EMRK „gesetzlich geschützt“ wird, sondern gleichermaßen für eine Vielzahl anderer Rechtsgüter. Grundlegende Bedeutung kommt insoweit vor allem dem Fall „Young, James & Webster“ zu: Hier leitete der EGMR aus der in Art. 11 Abs. 1 EMRK garantierten Vereinigungsfreiheit die staatliche Pflicht ab, den einzelnen effektiv vor privatrechtlichen Gewerkschaftszwängen zu bewahren.632 In späteren Urteilen bestätigte der EGMR fortan kontinuierlich die Existenz staatlicher Schutzpflichten („positive obligations“) gegen von Dritte herrührende Gefahrenquellen.633 Inzwischen sind derartige Fürsorgeaufträge ein gefestigter und in der Literatur weithin anerkannter634 Bestandteil des EMRKRechts geworden. Der den Konventionsstaaten bei der Umsetzung dieser Schutzpflicht eingeräumte Gestaltungsspielraum ist grundsätzlich weit bemessen.635 Er kann sich aber im Einzelfall durchaus zu konkreten Handlungsaufträgen verengen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Bewahrung von Kernpositionen menschlicher Integrität geht.636 So führte der 630 Vgl. die oben in Fn. 628 genannten Übersichten zu den nationalen Rechtsordnungen. 631 So etwa v. Bar, Common European Law I, Rn. 557; Burgi, EWS 10 (1999), S. 327, 329; Hofmann, in: Rechtsstaatlichkeit, S. 3, 13; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 1051 ff. und 1056. 632 EGMR Publ. Ser. A, Vol. 44, S. 20 ff./Rn. 49 ff. 633 Vgl. bspw. EGMR Publ. Ser. A, Vol. 91, S. 11/Rn. 23; Publ. Ser. A, Vol. 106, S. 14 ff./Rn. 35 ff.; Publ. Ser. A, Vol. 139, S. 12/Rn. 31 ff.; EGMR Rep. 1998 I, S. 210, 227/Rn. 58. Einzelne verfahrensrechtliche Aspekte grundrechtlicher Schutzpflichten klangen zudem bereits in EGMR Publ. Ser. A, Vol. 31, S. 15/Rn. 31 und Publ. Ser. A, Vol. 32, S. 17/Rn. 32 an. – Weiterführend zur Entwicklung in der Rechtsprechung des EGMR Jaeckel, Schutzpflichten, S. 124 ff. 634 Bernhardt, in: Duty to Protect, S. 207 ff.; Bleckmann, in: FS Bernhardt, S. 309 ff.; Calliess, ZUR 11 (2000), S. 246, 249 ff.; ders., Rechtsstaat, S. 325 ff.; Ehlers, in: Europäische Grundrechte, § 2 Rn. 9; Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 403; Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 54 ff.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 107 ff.; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 207; Ress, in: Duty to Protect, S. 165 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 712 ff. 635 EGMR Publ. Ser. A, Vol. 139, S. 12/Rn. 34; Calliess, ZUR 11 (2000), S. 246, 250. 636 Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 55.

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EGMR beispielsweise in einem Fall, in dem es um den Schutz vor sexueller Gewalt ging, aus: „The Court finds that the protection afforded by the civil law in the case of wrongdoing of the kind inflicted [. . .] is insufficient. This is a case where fundamental values and essential aspects of private life are at stake. Effective deterrence is indispensable in this area and it can be achieved only by criminal-law provisions“637 Fraglich ist, ob sich diese Auslegungsgrundsätze in wertender Zusammenschau auch auf das Gemeinschaftsrecht übertragen lassen. Besonderes Augenmerk verdient dabei vor allem die Begründung, die der EGMR seinen Überlegungen zu Grunde legte: Die in der EMRK genannten Rechtsgüter seien von so hoher Bedeutung für die freie Entfaltung der menschlichen Würde und Identität, dass sie in jeder Lebenslage effektiv geschützt werden müssten. Ein aktiver Schutz gegen von Dritte ausgehende Gefahren sei in diesem Rahmen unverzichtbar. Denn angesichts der vielfältigen Verflechtungen menschlichen Handelns in der modernen Gesellschaft könnten sich Verhaltensweisen Dritter im Ergebnis ebenso freiheitsgefährdend auswirken wie hoheitliche Eingriffsmaßnahmen.638 Nichts anderes aber gilt auch für die hier untersuchten Schutzgüter der Gemeinschaftsgrundrechte. Die Gefahren einer Schädigung durch Dritte werden durch den Vergemeinschaftungsprozess nicht gemindert, sondern erhöhen sich im Gegenteil hierdurch eher noch. So ist vor allem zu berücksichtigen, dass der Einzelne die Risiken eines liberalisierten europaweiten Marktes weit weniger leicht durchschauen kann als den innerstaatlichen Bereich und Sprachraum.639 Ähnlich wie im Rahmen der EMRK erweist sich vor diesem Hintergrund auch im Gemeinschaftsrecht ein aktives hoheitliches Handeln als unverzichtbar, 637 EGMR Publ. Ser. A, Vol. 91, S. 13/Rn. 27 („Das Gericht empfindet den auf zivilrechtlichem Wege erreichbaren Schutz im Fall einer Verfehlung der vorliegenden Art [. . .] als unzureichend. Dies ist ein Fall, in dem fundamentale Werte und wesentliche Aspekte des Privatlebens berührt sind. Effektive Abschreckung ist in diesem Bereich unverzichtbar und kann nur durch strafrechtliche Vorschriften erreicht werden.“ – Hervorhebungen v. Verf.). 638 Vgl. etwa zum von privaten Arbeitgebern ausgeübten Gewerkschaftszwang EGMR Publ. Ser. A, Vol. 44, S. 22 f./Rn. 55: „In the Court’s opinion, such a form of compulsion, in the circumstances of the case, strikes at the very substance of the freedom guaranteed by Article 11. For this reason alone, there has been an interference with that freedom as regards each of the three applicants“. Ähnlich auch EGMR Publ. Ser. A, Vol. 139, S. 12/Rn. 32, wo es um den Schutz einer Demonstration vor Übergriffen politischer Gegner ging: „The participants must, however, be able to hold the demonstration without having to fear that they will be subjected to physical violence by their opponents; such a fear would be liable to deter associations or other groups supporting common ideas or interests from openly expressing their opinions on highly controversial issues affecting the community“. 639 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 219; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 559 ff. und 596.

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wenn die zu schützenden Grundrechte nicht von dritter Seite ihrer Substanz beraubt werden sollen. Eine Übertragung der vom EGMR entwickelten Grundsätze auf das Gemeinschaftsrecht ist zudem auch deshalb geboten, weil die Gemeinschaftsgrundrechte – nicht weniger als die EMRK – jeweils objektive Werte verkörpern, auf deren bestmögliche Gewährleistung und Bewahrung die EG verpflichtet ist.640 Wie prägend die Legitimationsfunktion dieser grundrechtlichen Werte inzwischen für das Gemeinschaftsrecht geworden ist, wird nicht nur in den bereits oben angesprochenen Präambeln der EEA und des EUV sowie Art. 6 Abs. 1 und 2 EUV deutlich: Auch die neu geschaffene Grundrechtecharta betont bereits in ihrer Präambel, dass sich die Union „in dem Bewusstsein ihres geistig-religiösen Erbes [. . .] auf die unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit, der Gleichheit und der Solidarität gründet“. Dementsprechend ordnete der EuGH die Gemeinschaftsgrundrechte von Anfang an den „Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung“ zu.641 In ähnlicher Weise betonten auch die Generalanwälte den Charakter der Gemeinschaftsgrundrechte als einer „gemeinsamen Ordnung von Grundwerten“.642 Die zentrale Bedeutung dieser grundrechtlichen Werteordnung als Legitimationsgrundlage aller Gemeinschaftsgewalt lässt sich bis in das nationale Verfassungsrecht hinein nachweisen. So betont in Deutschland Art. 23 Abs. 1 GG ausdrücklich die Bedeutung eines dem Grundgesetz „im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutzes“ als Kernelement und Strukturprinzip des europäischen Einigungsprozesses. Die Gemeinschaftsgrundrechte bilden damit einen der prägendsten Bestandteilen der gemeinschaftlichen Verfassungsidentität. Sie beschreiben den ideellen Kern und das materielle Ziel aller der Gemeinschaft übertragenen Befugnisse. Erst die Verfolgung dieses Zieles legitimiert die der EG verliehene Hoheitsgewalt in materieller Hinsicht.643 Vor diesem Hintergrund trifft alle gemeinschaftlichen Entscheidungsträger die Pflicht, bestmöglich und unabhängig von der Art der konkreten Gefahrenquelle 640

Calliess, ZUR 11 (2000), S. 246, 251; ders., Rechtsstaat, S. 331; Ehlers, in: Europäische Grundrechte § 13 Rn. 20 i. V. m. 24; Frenz, EuR 37 (2002), S. 603, 605; Hirsch, RdA 51 (1998), S. 194, 196 und 200; Meyer, in: Grundrechtecharta, Präambel Rn. 28; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 226; Schindler, Kollision, S. 156 f.; Sudre, LSJ 73 (1998), S. 9, 10 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 1054 f. – A. A. noch Ruffert, Subjektive Rechte, S. 61, dessen Bedenken heute jedoch durch die weit fortgeschrittene Verfassungsentwicklung auf europäischer Ebene praktisch ausgeräumt sein dürften. 641 Vgl. bereits EuGH Slg. 1969, S. 419, 425/Rn. 7; EuGH Slg. 1970, S. 1125, 1135/Rn. 4; EuGH Slg. 1974, S. 491, 507/Rn. 13. 642 So bspw. GA Jacobs in EuGH Slg. 1993 I, S. 1198, 1212/Rn. 46. 643 Hirsch, RdA 51 (1998), S. 194, 200; Schindler, Kollision, S. 118 ff. und 156 f.

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zum Erhalt aller Grundrechtsgüter und -interessen beizutragen. Nicht weniger als im Recht der EMRK lassen sich damit auch für das Gemeinschaftsrecht Schutzpflichten als Ausdruck einer objektiven grundrechtlichen Werteordnung begründen.644 Die so hergeleiteten Pflichten bestehen insbesondere in den von der Grundrechtecharta sowie der EMRK ausdrücklich benannten Gefahrenkonstellationen. Sie reichen jedoch auch darüber hinaus: Ein schützendes Tätigwerden der EG ist prinzipiell überall dort geboten, wo andernfalls die Gefahr einer Verletzung gemeinschaftsgrundrechtlich geschützter Güter oder Interessen drohen würde. Der in Art. 5 EGV niedergelegte Grundsatz begrenzter Einzelermächtigungen wird durch ein solches Verständnis nicht in Frage gestellt. Denn die so begründeten grundrechtlichen Fürsorgeaufträge dienen allein dazu, die der Gemeinschaft übertragenen Einzelbefugnisse konkretisierend auszugestalten. Sie wirken also nicht „kompetenzgenerierend“, sondern allein „kompetenzakzessorisch“: Neue materiell-rechtliche Gemeinschaftskompetenzen werden auf diese Weise nicht begründet.645 Bei der Umsetzung der damit hergeleiteten Schutzaufgaben besteht – ähnlich wie im Rahmen der EMRK sowie der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen – grundsätzlich ein weites Handlungsermessen. Die grundrechtliche Fürsorgepflicht verdichtet sich jedoch umso mehr, je stärker im Einzelfall der Menschenwürdekern der betroffenen Grundrechte betroffen ist. Diese Wertung lässt sich vor allem aus Art. 1 S. 2 Grundrechtecharta selbst ableiten, der die zentrale Stellung von Menschenwürdeüberlegungen und die Notwendigkeit entsprechender hoheitlicher Fürsorge an herausgehobener Stelle betont. Ähnlich wie im deutschen Art. 1 Abs. 1 GG wird die Würde des Menschen damit in der Grundrechtecharta zum obersten Gut der gemeinsamen Grundrechtsordnung erhoben. Sie strahlt in dieser Funktion in alle nachfolgend genannten Grundrechte aus und verstärkt dort die einzelnen Spezialregelungen.646 Vergleichbare Überlegungen lassen sich bereits 644 Für grundrechtliche Schutzpflichten der EG auch Bleckmann, in: FS Bernhardt, S. 309, 321; Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 407 ff.; Hilf/Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 224 ff.; Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, S. 70 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 194 ff.; Kühling, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 583, 602 ff.; Nettesheim, EuZW 6 (1995), S. 106, 108; Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 206 f.; Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 399 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 1051 ff.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 276 ff. – Ähnlich (wenngleich z. T. widersprüchlich) Ehlers, in: Europäische Grundrechte, § 13 Rn. 20 f. 645 Ehlers, in: Europäische Grundrechte, § 13 Rn. 20; Gersdorf, AöR 119 (1994), S. 400, 417 f.; Hilf/Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 228; Klingreen, in: C/R, Art. 6 EUV Rn. 46; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 601 f. 646 So auch die herrschende Ansicht in den Konventsberatungen, abgedruckt bei Bernsdorf/Borowsky, Charta, S. 143 und 260 f. Ebenso in der Literatur etwa

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im oben dargestellten „P./S.“-Urteil nachweisen, wo der EuGH die Einstrahlungswirkung allgemeiner Menschenwürdeüberlegungen auf die in Rede stehenden Gleichbehandlungsgebote betonte. Auch der EGMR stellte zur Begründung der von ihm angenommenen grundrechtlichen Handlungspflichten immer wieder auf den „fundamentalen Wert“ der beeinträchtigten Menschenwürdegesichtspunkte ab. (2) Existenz eines korrespondierenden subjektiven Rechts auf Schutz Fraglich ist, ob die Gemeinschaftsgrundrechte über diese objektiv-rechtliche Vorgabe hinaus auch ein korrespondierendes subjektives Recht auf Schutz verbürgen. Ein gefestigtes Meinungsbild zu dieser Frage ist bis heute nur schwer feststellbar. Zwar sprach der EuGH in seinem grundlegenden „P./S.“-Urteil ausdrücklich davon, dass der einzelne „Anspruch“ auf Achtung seiner Würde und Freiheit habe.647 Ein eindeutiger Schluss auf die Existenz subjektiver Rechte lässt sich aus dieser Formulierung jedoch nicht ableiten.648 Denn die Ausführungen des EuGH betrafen ihrem konkreten Zusammenhang nach allein die objektiv-rechtliche Auslegung einer Richtlinie. Die weitergehende Frage nach entsprechenden subjektiven Rechtspositionen spielte dagegen für das seinerzeitige Vorlageverfahren keine Rolle; sie kann daher schwerlich allein aus vereinzelten Formulierungen des betreffenden Urteils heraus beantwortet werden. Auch in der Wissenschaft blieb die Diskussion über die Existenz subjektiver Schutzrechte lange Zeit zurückhaltend. Grund hierfür war vielfach offenbar die Sorge, dass zusätzliche Individualbefugnisse zu einer Überforderung der zunächst nur wenig ausgeprägten gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsdogmatik führen könnten.649 Teile der Literatur sahen daneben auch im Fehlen einer gemeinschaftsunmittelbaren „Verfassungsbeschwerde“ ein Indiz für ein primär objektiv-rechtlich orientiertes Schutzverständnis.650 Zweifelhaft ist allerdings, ob diese Einwände heute noch stichhaltig genug sind, um individuelle grundrechtliche Fürsorgeansprüche von vornherein auszuschließen. Denn wenngleich das Gemeinschaftsrecht unverändert keine umfassende Verfassungsbeschwerde nach deutschem Muster kennt, stehen dem Einzelnen doch eine Vielzahl anderer Möglichkeiten zur VerfüBorowsky, in: Grundrechtecharta, Art. 1 Rn. 27; Pernice/Mayer, in: G/H I, nach Art. 6 EUV Rn. 56; Schmidt, ZEUS 5 (2002), S. 631, 642 f. 647 EuGH Slg. 1996 I, S. 2134, 2165/Rn. 22. 648 A. A. Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 415; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 623 f. 649 Skeptisch gegenüber subjektiven Schutzrechten etwa Hilf/Staebe, in: Duty to Protect, S. 211, 228 f. 650 In diese Richtung z. B. Rengeling, Grundrechtsschutz, S. 206 f.

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gung, um ihm zuerkannte grundrechtliche Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Er kann beispielsweise fehlerhafte Organakte im Wege der Nichtigkeitsklage angreifen (Art. 230 Abs. 4 EGV), Untätigkeitsklage erheben (Art. 232 Abs. 3 EGV) oder auch Amtshaftungsansprüche nach Art. 235 i. V. m. 288 Abs. 2 EGV geltend machen.651 Die Existenz subjektiver Schutzrechte lässt sich also nicht allein unter Hinweis auf fehlende Klagemöglichkeiten ablehnen. Auch der Entwicklungsstand der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsdogmatik spricht längst nicht mehr zwingend gegen derartige Ansprüche. Wie oben gezeigt, lassen sich entsprechende Schutzgedanken heute nicht nur in einer Vielzahl nationaler Rechtsordnungen und im Rahmen der EMRK, sondern selbst im Gemeinschaftsrecht als gefestigter Grundsatz nachweisen. Hinzu kommt, dass die Gemeinschaftsgrundrechte dem einzelnen unstreitig subjektive Rechte vermitteln, soweit ihre „klassische“ abwehrrechtliche Funktion betroffen ist.652 Nichts anderes aber kann gelten, wenn erst durch aktive Schutzmaßnahmen eine effektive Bewahrung der geschützten Rechtsgüter und Interessen sichergestellt werden kann: Auch in dieser Funktion zielen die Grundrechte unmittelbar auf die Stärkung der betroffenen Individuen. Der Umstand, dass es häufig mehr als nur eine Möglichkeit zur Verwirklichung dieses Schutzauftrags geben wird, spricht dabei nicht gegen ein solches Verständnis. Er legt zwar eine gewisse Zurückhaltung in der gerichtlichen Kontrolldichte nahe, hindert aber im Grundsatz nicht die Feststellung eines Grundrechtsverstoßes, wo Schutzansprüche in ihrer Bedeutung evident verkannt wurden. Die aus den Gemeinschaftsgrundrechten ableitbaren Schutzaufträge verbürgen damit zusammenfassend nicht nur objektive Handlungsvorgaben, sondern begleitend dazu auch subjektive Schutzrechte.653 c) Zwischenergebnis Zusammenfassend lassen sich damit für das Gemeinschaftsrecht sowohl objektive Schutzpflichten wie auch korrespondierende subjektive Schutzrechte begründen. Erfasst davon sind im Kern alle Sachverhalte, in denen 651 Weiterführend zu diesen prozessualen Durchsetzungsmöglichkeiten Ehlers, in: Europäische Grundrechte § 13 Rn. 48; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 274 ff.; Pernice, Grundrechtsgehalte, S. 236 ff. – Speziell zum diplomatischen Schutz noch unten S. 236 ff. 652 Jaeckel, Schutzpflichten, S. 189. 653 So auch Jaeckel, Schutzpflichten, S. 244 f.; Kühling, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 583, 602 f.; Ruffert, Subjektive Rechte, S. 59 ff.; Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 414 f.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 623. Vgl. darüber hinaus Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 15 und 70 ff., die Teile dieser schutzrechtlichen Dimension de lege ferenda in der Unionsbürgerschaft verankern wollen.

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grundrechtlich geschützte Güter und Interessen durch das Verhalten Dritter gefährdet werden.654 Fraglich ist allerdings, ob dies auch für Gefahrenlagen gilt, die – wie im Fall des diplomatischen Schutzes – unmittelbar an das Verhalten eines anderen Völkerrechtssubjekts anknüpfen. Zweifel daran bestehen vor allem deshalb, weil grundrechtliche Schutzaufträge auf internationaler Ebene grundsätzlich weitaus schwerer umzusetzen sind als im autonom zu gestaltenden innergemeinschaftlichen Raum. Hinzu kommt, dass die Gestaltung des besonders sensiblen Bereichs der Außenpolitik weitaus größere politische Freiräume erfordert als die Regulierung der meisten innenpolitischen Konflikte. 2. Die Behandlung diplomatischer Schutzbegehren in den einzelnen Mitgliedstaaten Wichtige Aufschlüsse zur Lösung der damit angesprochenen Frage könnten sich vor allem aus den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen ergeben. Die zentrale Bedeutung dieser Erkenntnisquelle für die hier untersuchte Problematik zeigt sich schon an Art. 6 Abs. 2 EUV, der im grundrechtlichen Bereich ausdrücklich auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen verweist. Auch für die weiterführende Frage nach der gerichtlichen Durchsetzbarkeit außenpolitischer Schutzansprüche kommt der Rechtsvergleichung eine Schlüsselrolle zu. Methodisch lassen sich insoweit vor allem Parallelen zum Fall „Maclaine Watson“ ziehen, wo ähnlich wie hier die Frage im Raum stand, ob (und gegebenenfalls inwieweit) außenpolitische Handlungen der Gemeinschaftsorgane der gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH zugänglich seien. Schon in diesem Fall hatte Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträgen festgestellt: „Angesichts der Bedeutung der hier anstehenden Grundsatzfrage muss zweifellos untersucht werden, welche Lösungen die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten im Bereich der richterlichen Kontrolle der auswärtigen Beziehungen bereitstellen.“655 Die unterschiedlichen nationalen Verfassungstraditionen haben damit gerade für den an der Schnittstelle zwischen grundrechtlichen Ansprüchen und außenpolitischen Handlungsprärogativen angesiedelten diplomatischen Schutz eine zentrale Erkenntnisfunktion. Dies gilt sowohl für die Frage nach unmittelbaren Schutzansprüchen wie auch für die ergänzende Problematik, inwieweit die durch eine Schutzversagung entstandenen Schäden auf 654 Einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Konstellationen, in denen danach grundrechtliche Fürsorgepflichten in Betracht kommen, bieten beispielsweise Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff. und Calliess, Rechtsstaat, S. 317 ff. 655 EuGH Slg. 1990 I, S. 1798, 1808 ff./Rn. 66 ff.

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Sekundärebene auszugleichen sind. Beide Fragen sollen im Folgenden vergleichend untersucht werden. a) Deutschland In Deutschland war die Pflicht des Staates zur Gewährleistung von diplomatischem Schutz lange Zeit unmittelbar in den jeweiligen Verfassungsurkunden geregelt. Bereits § 189 der Frankfurter Reichsverfassung von 1849 hatte festgelegt: „Jeder deutsche Staatsbürger in der Fremde steht unter dem Schutze des Reiches.“656 Die Verfassungen des Norddeutschen Bundes, des Deutschen Reichs von 1871 und der Weimarer Republik sprachen ausdrücklich sogar von einem „Anspruch“ auf Schutz gegenüber dem Ausland.657 Auffällig ist, dass das Grundgesetz von 1949 keine vergleichbare Bestimmung enthält. Es ist indes praktisch unstreitig, dass die heutige Bundesrepublik ihren Staatsangehörigen grundsätzlich ebenfalls zum diplomatischen Schutz verpflichtet ist.658 Zur Begründung dieser Ansicht wurde in den ersten Jahren vor allem auf die einschlägige Verfassungsgeschichte und das aus der Staatsangehörigkeit folgende wechselseitige Loyalitäts- und Schutzverhältnis („subiectio trahit protectionem“) verwiesen.659 Zunehmend setzt sich daneben in der jüngeren Zeit aber auch ein originär grundrechtliches Erklärungsmodell durch: Der deutsche Staat werde bereits durch die Grundrechte dazu verpflichtet, sich im Ausland fördernd und schützend für seine Angehörigen einzusetzen.660 Denn die Ausklammerung 656

Abgedruckt bei Huber, Quellen I, S. 241, 263. Art. 3 Abs. 6 Verfassung des Norddeutschen Bundes v. 16.4.1867/Art. 3 Abs. 6 Reichsverfassung v. 16.4.1871/Art. 112 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung v. 11.8.1919 (abgedruckt bei Huber, Quellen I, S. 317, 318/I, S. 344, 346/II, S. 26, 43). Die Interpretation dieser Bestimmungen war allerdings nicht unumstritten, wie bereits Doehring, Pflicht des Staates, S. 25 ff. und Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 479 ff. detailliert nachgewiesen haben. 658 Ständige Rechtsprechung, vgl. insbesondere BVerfG E 6, S. 290, 299; E 36, S. 1, 30 ff.; E 37, S. 217, 241; E 41, S. 126, 182; E 55, S. 349, 364 ff.; BVerwG E 62, S. 11, 14 ff.; BVerwG NJW 1989, S. 2208 f.; OVG Münster E 17, S. 106, 109 ff.; OVG Münster, NJW 1989, 2209, 2211. Auch in der deutschen Literatur ist dies heute nahezu einhellige Ansicht, vgl. die Einzelnachweise in den nachfolgenden Fußnoten. 659 OVG Münster E 17, S. 106, 109 f.; Dauster, Jura 12 (1990), S. 262, 264 f.; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 508 ff.; Isensee, HbStR V, § 111 Rn. 123; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 37; Müller-Chorus, in: Handbuch § 3 Rn. 2; Schwarze, AVR 24 (1986) S. 408, 431; Treviranus, DÖV 32 (1979), S. 35, 36 ff. Auch die Rechtsprechung leitete Schutzansprüche zunächst vor allem aus der „Grundbeziehung der Staatsangehörigkeit“ ab, vgl. BVerfG E 36, S. 1, 30 ff., E 37, S. 217, 241; BVerfG NJW 1994, 2016. 660 Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 82; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 513 ff.; Giegerich, ZaöRV 57 (1997), S. 409, 550 f.; Jaeckel, 657

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ausländischer Gefahrenquellen werde dem Anliegen der Grundrechte, einen tatsächlich wirksamen und effektiven Schutz zu gewährleisten, nicht gerecht. Die grundrechtlichen Abwehr- und Schutzansprüche verpflichteten die deutsche Staatsgewalt vielmehr notwendigerweise auch über die Landesgrenzen hinaus.661 Dass aus diesen Überlegungen ein unbedingtes Recht auf bestimmte Schutzmaßnahmen folge,662 wird allerdings heute kaum noch vertreten. Es entspricht vielmehr allgemeiner Ansicht, dass ein solcher Anspruch zu erheblichen außenpolitischen Schwierigkeiten führen könnte und damit unkalkulierbare Risiken für schutzwürdige Belange der Allgemeinheit heraufbeschwören würde.663 Hinzu kommt, dass ein Anspruch auf bestimmte Schutzmaßnahmen auch angesichts des völkerrechtlichen Gleichordnungsverhältnisses außerordentlich problematisch wäre: Tragfähige Lösungen lassen sich im internationalen Raum häufig nur durch ein flexibles Vorgehen und unter Inkaufnahme inhaltlicher Kompromisse erreichen.664 Aus diesen Gründen hat sich inzwischen die Ansicht durchgesetzt, dass der Einzelne nur ein subjektives Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung hinsichtlich der Schutzgewährung geltend machen könne.665 Wird dieser Anspruch verletzt, steht den Betroffenen sowohl der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten als auch die Möglichkeit einer VerfasSchutzpflichten, S. 82; Klein, DVBl. 30 (1977), S. 704, 707 f.; ders., Diplomatischer Schutz, S. 37 f.; Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 33; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 63; Ress, in: Protection diplomatique, S. 121, 132 ff.; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 283 ff. (m. w. N.). Die Rechtsprechung prüfte in Fällen des diplomatischen Schutzes zunächst nur allgemein, ob grundrechtliche Belange der Betroffenen „verletzt“ bzw. „verkannt“ worden seien (vgl. BVerfG E 6, S. 290, 299; E 55, 349, 365; BVerwG E 62, S. 11, 15; BVerwG, Buchholz (Folge 6) 11 Art. 32 GG Nr. 2. In E 77, S. 170, 214 ff. und E 92, 26, 47 sprach das BVerfG jedoch ausdrücklich auch davon, dass der Staat „grundrechtliche Schutzpflichten“ gegenüber ausländischen Gefahrenquellen zu beachten habe. 661 Grundlegend dazu Heintzen, Auswärtige Beziehungen, S. 138 ff.; Hofmann, Grundrechte, S. 10 ff.; Schröder, in: FS Schlochauer, S. 137 ff. 662 So noch Oberthür, Anspruch, S. 27 ff. 663 BVerfG E 55, S. 349, 366; BVerwG E 62, S. 11, 15 f.; BVerwG, Buchholz (Folge 6) 11 Art. 32 GG Nr. 2; OVG Münster E 17, S. 106, 110 f.; Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 33; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 62. 664 BVerfG E 40, S. 141, 178; E 55, S. 349, 365; BVerwG E 62, S. 11, 15 f.; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 39. 665 BVerfG E 55, S. 349, 364 f.; E 92, 26, 47; BVerwG, Buchholz (Folge 6) 11 Art. 32 GG Nr. 2; OVG Münster E 17, S. 106, 111; Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 82 f.; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 522 ff.; ders., in: EPIL I, S. 1046, 1052; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 39 ff.; Kunig, GGK I, Art. 1 Rn. 33; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 63; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 454 f.; ders., in: Protection diplomatique, S. 121, 132 ff. und 150 f.

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sungsbeschwerde offen. Denn das in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Recht auf effektiven Rechtsschutz gilt nach allgemeiner Ansicht666 grundsätzlich auch im Bereich der Außenpolitik. Die Entscheidung über die Gewährung des diplomatischen Schutzes ist also in Deutschland kein per se „gerichtsfreier Raum“. Allerdings können die Gerichte Schutzentscheidungen grundsätzlich nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen. Ihnen obliegt insoweit insbesondere die Feststellung, ob das betreffende Ermessen überhaupt erkannt und ausgeübt wurde, ob die getroffene Entscheidung gegen höherrangiges Recht verstößt und ob sachfremde Erwägungen vorliegen.667 Die konkrete Kontrolldichte variiert dabei von Fall zu Fall. So zeigte sich die Rechtsprechung speziell im Bereich des diplomatischen Schutzes zunächst sehr zurückhaltend und prüfte nur, ob eine „willkürliche Vernachlässigung“ der Protektionspflichten feststellbar sei.668 Später differenzierten die Gerichte zum Teil stärker zwischen der grundsätzlichen Entscheidung über ein Tätigwerden und der weitergehenden Entscheidung über die Auswahl bestimmter Schutzmittel.669 Zwar komme der Bundesregierung schon auf der erstgenanten Ebene des Ob einer Schutzgewähr ein „weites Ermessen“ zu.670 In bestimmten Konstellationen könne sich das diesbezügliche Entschließungsermessen aber auf Null reduzieren.671 Ein sehr viel größerer Ermessenspielraum sei dagegen hinsichtlich des konkreten diplomatischen Vorgehens anzunehmen. Von Gerichtsseite könne hier nur untersucht werden, ob die Versagung bestimmter Schutzmittel auf einem „offensichtlichen Rechtsirrtum oder willkürlicher Einschätzung“ beruhten.672 Dies gelte insbesondere dann, wenn die Bundesregierung von bestimmten Instrumenten aus rechtlichen Gründen keinen Gebrauch machen wolle: Die Beurteilung der völkerrechtlichen Lage obliege regelmäßig allein der Regierung und dürfe von den Gerichten nur bei 666 Doehring, Pflicht des Staates, S. 100 ff.; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 519 ff.; Kassimatis, Bereich der Regierung, S. 85 ff.; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 451 ff. 667 Vgl. u. a. die dahingehende Grundregel in § 114 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). 668 BVerfG E 6, S. 290, 299. 669 BVerwG E 62, S. 11, 15. 670 BVerfG E 55, S. 349, 364 f. 671 BVerwG E 62, S. 11, 15; VG Köln, Urteil v. 3.5.1976 (Az. 9 K 1716/75, unveröffentlicht). Ebenso in der Literatur auch Bleckmann, EWS 6 (1995), S. 213, 215 f.; Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 86; Klein, Diplomatischer Schutz, S. 39 ff.; Kursawe, Beachtung, S. 165 ff.; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 63. Skeptisch demgegenüber Giegerich, ZaöRV 57 (1997), S. 409, 551; Schwarze, AVR 24 (1986) S. 408, 432. 672 BVerwG E 62, S. 11, 15; OVG Münster, NJW 1989, S. 2209, 2211; Giegerich, ZaöRV 57 (1997), S. 409, 551 f. Aufschlussreich zur Umsetzung dieser Vorgaben in der konsularischen Praxis Müller-Chorus, in: Handbuch § 3 Rn. 3 f.

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evidenter Willkür in Frage gestellt werden.673 Auch die Beurteilung der Erfolgsaussichten von Maßnahmen der auswärtigen Gewalt und deren Auswirkungen auf die zwischenstaatlichen Beziehungen bleibe grundsätzlich allein der Exekutive überlassen.674 Der so umrissene Anspruch auf rechtsfehlerfreie Ausübung des diplomatischen Schutzermessens verpflichtet den Staat allerdings nach überwiegender Ansicht nicht dazu, individuelle Schutzbelange zum übergeordneten Maßstab seiner gesamten Außenpolitik zu machen. So wies das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren wiederholt Verfassungsbeschwerden als unzulässig zurück, mit denen die Beschwerdeführer eine stärkere Berücksichtigung ihrer Interessen in den allgemeinen Vertragsbeziehungen mit dem betreffenden Verletzerstaat verlangt hatten.675 Das Gericht begründete dies damit, dass die Interessen des Einzelnen dem politischen Gesamtinteresse des Staates in unangemessener Weise vorgeordnet würden, wenn die Verfassungsbeschwerde dazu benutzt werden könnte, erwünschte Verbesserungen zu erzwingen statt effektive Grundrechtsbeeinträchtigungen abzuwehren. In der Literatur stieß diese Rechtsprechung vielfach auf Zustimmung: Der einzelne habe zwar ein Recht darauf, dass seine grundrechtlichen Interessen im Rahmen gezielter diplomatischer Schutzmaßnahmen berücksichtigt und verteidigt würden. Er könne jedoch nicht eine gleichsam „personalisierte“ Außenpolitik verlangen, bei der jede außenpolitische Handlung gegenüber dem Verletzerstaat seinen individuellen Schutzbelangen untergeordnet werde.676 Zweifelhaft ist, ob das deutsche Recht dem einzelnen daneben auch Staatshaftungsansprüche für den Fall unterlassener oder unzureichender Schutzgewähr zuerkennt. Als Anspruchsgrundlagen kommen hier einerseits Art. 34 GG und § 839 BGB in Betracht, die die Haftung des Staates für schuldhafte Pflichtverstöße seiner Bediensteten regeln. Entschädigungsansprüche könnten sich darüber hinaus auch aus den gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen des Aufopferungsrechts ergeben. Anders als die eben untersuchten Primäransprüche waren die damit angesprochenen Haftungsfragen bislang allerdings in Deutschland nur selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Zu vielen der einschlägigen Aspekte existiert deshalb weder eine gefestigte Urteilspraxis noch eine einheitliche Literaturmeinung. 673 BVerfG E 55, S. 349, 367 f.; BVerwG E 62, S. 11, 17 f. Kritisch dazu Hailbronner, VVDStRL 56 (1997), S. 7, 23. 674 BVerwG, Buchholz (Folge 6) 11 Art. 32 GG Nr. 2. 675 Relevant wurde dies vor allem für die deutsch-polnischen Nachbarschaftsund Grenzverträge, vgl. BVerfG E 40, S. 141, 178 f.; E 43, 203, 210 f.; BVerfG EuGRZ 19 (1992), S. 306, 307; BVerfG NJW 1994, S. 1402. 676 Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 104 ff.; Klein, DVBl. 30 (1977), S. 704, 708 ff.

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Schon die Frage, inwieweit Fehler bei der diplomatischen Schutzausübung zu Amtshaftungsansprüchen nach Art. 34 GG und § 839 BGB führen können, ist in der Literatur heftig umstritten. Im Zentrum der Diskussion steht dabei vor allem § 5 Nr. 2 des Gesetzes über die Haftung des Reichs für seine Beamten (RBHG)677, eine Sonderregel aus der Zeit des Kaiserreichs. Danach übernahm das Deutsche Reich traditionell keine Haftung, „soweit es sich um das Verhalten eines mit Angelegenheiten des auswärtigen Dienstes befassten Beamten handelt und dieses Verhalten nach einer amtlichen Erklärung des Reichskanzlers politischen oder internationalen Rücksichten entsprochen hat.“ Teile des Schrifttums gehen davon aus, dass diese Vorschrift bis heute fortgelte und dem Bundeskanzler oder dem Außenminister in Schutzfragen das Recht einräume, durch einfache Erklärung jegliche Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik sowie gegen die verantwortlichen Beamten selbst auszuschließen.678 Andere Autoren sehen in einem solchen Verständnis dagegen einen inkonsequenten Bruch mit der oben dargestellten Lage auf Primärebene: Ebenso wenig wie schon im Bereich der unmittelbaren Schutzansprüche bleibe auch im korrespondierenden Amtshaftungsrecht heute noch Raum für „hochpolitische“ Ausnahmen vom Grundsatz der gerichtlichen Kontrolle. § 5 Nr. 2 RBHG könne daher nicht mehr als gültiges Recht angesehen werden.679 Zwischen diesen beiden Ansichten finden sich eine Reihe vermittelnder Positionen, so etwa der Vorschlag, die rechtlichen Wirkungen der Erklärung vom Ergebnis einer gerichtlichen Vorabprüfung abhängig zu machen.680 Unabhängig von diesem Streit dürfte ein Amtshaftungsanspruch jedoch zumeist ohnedies schon mangels kausalem Schaden ausscheiden. Denn angesichts der begrenzten völkerrechtlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Verletzerstaat lässt sich im Regelfall nicht feststellen, ob die vom Opfer erlittenen Nachteile bei fehlerfreier Schutzausübung tatsächlich ausgeblieben oder wenigstens geringer ausgefallen wären. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass der Einzelne grundsätzlich keinen Anspruch auf den Einsatz bestimmter Schutzmittel hat. Ein kausaler Schaden würde unter diesen Umständen vorausset677

Gesetz v. 22.5.1910, RGBl. 1910 S. 798. Oberthür, Anspruch, S. 87 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 97 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 368. 679 Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 93 ff.; v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 34 GG Rn. 107; Klein, in: Der diplomatische Schutz, S. 125, 132 f.; Papier, in: Münchener Kommentar, § 839 Rn. 339; ders., in: M/D, Art. 34 Rn. 281. 680 Doehring, Pflicht des Staates, S. 114 ff.; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 539 ff.; Jaenicke, in: Haftung, S. 69, 115; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 462 ff. Wiederum anders Dagtoglou, in: Bonner Kommentar, Art. 34 Rn. 323 ff., der eine Erklärung nach § 5 RBHG nicht als absolutes Anspruchshindernis, sondern nur als Sachindiz für die Fehlerfreiheit der Schutzermessens werten will. 678

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zen, dass jede ermessensgerechte Schutzentscheidung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem geringeren Schaden geführt hätte.681 Der Nachweis dafür dürfte in der Praxis kaum zu führen sein. Ähnlich umstritten ist auch, ob die Versagung von diplomatischem Schutz zu verschuldensunabhängigen Aufopferungsansprüchen führen kann. So findet sich in der deutschen Literatur vielfach die Ansicht, dass der Einzelne grundsätzlich schon dann zu entschädigen sei, wenn sein Schutzbegehren aus übergeordneten außenpolitischen Gründen abgelehnt werde.682 Andere Autoren halten einen so weit verstandenen Aufopferungsanspruch demgegenüber für dogmatisch nicht begründbar.683 Denn wenn der grundrechtliche Schutzanspruch des einzelnen nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtet sei, könne nicht in jeder Schutzversagung schon ein individuelles Sonderopfer gesehen werden. Der betreffende Anspruch werde durch eine rechtmäßige Schutzversagung nicht „aufgeopfert“, sondern gerade erfüllt. Ähnlich argumentierte 1993 auch das Bundesverfassungsgericht, das ausführte: „Soweit die Beschwerdeführer eine entschädigungspflichtige Aufopferung für das gemeine Wohl darin sehen, dass die Bundesregierung Rechte, die sie gegenüber der Republik Polen geltend machen kann, aus vorrangig erscheinenden außenpolitischen Gründen nicht durchsetzt, kann ihnen aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gefolgt werden. Die Bundesrepublik Deutschland schuldet kraft Verfassungsrechts keine Entschädigung für die Unterlassung diplomatischer Vorstöße, die nach der vertretbaren außenpolitischen Einschätzung der Bundesregierung erfolglos bleiben müssten.“684 Ungeklärt ist allerdings, ob dies auch gilt, wenn sich die betreffende außenpolitische Einschätzung bei gerichtlicher Prüfung als rechtswidrig 681 Vgl. allgemein zur Schadenskausalität und Beweislastverteilung bei Ermessensentscheidungen v. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 34 GG Rn. 93; Papier, in: Münchener Kommentar, § 839 Rn. 274 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 234 und 236. Großzügiger demgegenüber Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 93 und Doehring, Pflicht des Staates, S. 118 f., die für die Kausalität ausreichen lassen wollen, dass der Schaden möglicherweise bzw. „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ abgewendet worden wäre. 682 Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 99 f.; Giegerich, ZaöRV 57 (1997), S. 409, 554 f.; Oberthür, Anspruch, S. 95 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 98; Seidl-Hohenveldern, in: Individual rights, S. 243, 249; ders., RIDC 21 (1969), S. 763, 768 ff. 683 Doehring, Pflicht des Staates, S. 119 ff.; Hofmann, Grundrechte, S. 110; Klein, in: Der diplomatische Schutz, S. 125, 133; ders., DVBl. 30 (1977), S. 704, 708; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 62; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 466 ff.; Tomuschat, ZaöRV 56 (1996), S. 1, 62 ff.; Treviranus, DÖV 32 (1979), S. 35, 39. 684 BVerfG, Beschluss v. 8.9.1993 (Az. 2 BvR 2121/92 u. a., unveröffentlicht), Rn. 3.

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erweist. Teile der Literatur fordern, zumindest für derartige Fälle eine Entschädigungshaftung nach den gewohnheitsrechtlichen Grundsätzen des enteignungsgleichen oder aufopferungsgleichen Eingriffs anzuerkennen.685 Eine entsprechende Haftung sei hier vor allem angesichts grundrechtlichen Hintergrundes der Schutzentscheidung geboten. Andere Stimmen bezweifeln demgegenüber, dass das Unterlassen weitergehender Schutzmaßnahmen tatsächlich als aufopferungsrechtlicher „Eingriff“ gewertet werden kann.686 Auch das Vorliegen einer „unmittelbaren“ Rechtsgutsbeeinträchtigung wurde angesichts der problematischen Kausalzusammenhänge wiederholt in Frage gestellt.687 Ein eindeutiges Meinungsbild zu dieser Frage hat sich bislang nicht gebildet. Insgesamt lässt sich die deutsche Rechtslage danach wie folgt zusammenfassen: Dem Opfer einer Völkerrechtsverletzung steht grundsätzlich zwar kein Anspruch auf bestimmte diplomatische Schritte, wohl aber ein einklagbares Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen zu. Weithin zweifelhaft ist demgegenüber, ob im Falle einer Schutzversagung auch individuelle Haftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden können. b) Frankreich Anders als in Deutschland werden Fragen des diplomatischen Schutzes im französischen Recht so gut wie nie auf der Ebene materieller Ansprüche oder grundrechtlicher Schutzpflichten diskutiert. Zentral für das Verständnis der französischen Rechtslage und Diskussion ist stattdessen der prozessrechtliche Begriff des „acte de gouvernement“. Er beschreibt einen Bereich exekutiven Handelns, der im gerichtlichen Verfahren weder direkt noch indirekt auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüft werden darf.688 Die französische Debatte um die Stellung des Individuums im Bereich des diplomatischen Schutzes betrifft also bei näherer Untersuchung nicht unmittelbar die Existenz, sondern primär die Klagbarkeit entsprechender Protektionsansprü685

Blumenwitz, Offenhalten der Vermögensfrage, S. 95 ff.; Klein, in: Der diplomatische Schutz, S. 125, 133; Oberthür, Anspruch, S. 102 ff. 686 Tomuschat, ZaöRV 56 (1996), S. 1, 62 ff.; Treviranus, DÖV 32 (1979), S. 35, 39. Allgemein zum Problem des Eingriffs durch Unterlassen Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 255 ff.; Papier, in: Münchener Kommentar, § 839 Rn. 42 f.; Wurm, in: Staudinger, § 839 Rn. 476. 687 Doehring, Pflicht des Staates, S. 121 f.; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 466 ff. Skeptisch insoweit bereits das Reichsgericht RGZ 117, 195, 202. 688 Tribunal des Conflits, RDP 66 (1950), S. 431, 432: „mesure [. . .] qui échappe, à raison de sa nature, à tout contrôle juridictionnel“; Dupuis, Dictionnaire constitutionnel, S. 6 ff.

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che. In der Praxis fallen beide Aspekte allerdings schon mangels alternativer Durchsetzungsmittel regelmäßig zusammen: Der Begriff des gerichtsfreien Regierungsakts wirkt also (zumindest faktisch) nicht nur klage-, sondern zugleich auch anspruchsbegrenzend.689 Die so verstandene Konzeption des acte de gouvernement geht in Frankreich auf eine langjährige Tradition richterlicher Selbstbeschränkung zurück.690 Schon 1822 hatte der Conseil d’État erklärt, ein Urteil über politische Fragen falle nicht in seinen Zuständigkeitsbereich: Zu derartigen Entscheidungen sei allein die Regierung berufen.691 Dabei hatte die Rechtsprechung zunächst die Theorie des „mobile politique“ zu Grunde gelegt: Jedes staatliche Handeln, das auf politischen Erwägungen der Regierung beruhe, sei der richterlichen Überprüfung entzogen. Diese Konzeption barg indes den Nachteil, dass die Regierung praktisch jeden Staatsakt politisch begründen und ihn damit vor gerichtlicher Aufhebung bewahren konnte. Vor diesem Hintergrund ging der Conseil d’État in den nachfolgenden Jahrzehnten zunehmend dazu über, stärker auf den objektiven Charakter der angegriffenen Maßnahme als auf die hinter ihr stehende subjektive Motivation abzustellen. Auf diese Weise bildete sich im Laufe der Zeit ein enumerativer Katalog bestimmter „gerichtsfreier“ Handlungsformen heraus. Im Kern handelt es sich dabei um zwei Fallgruppen: Einerseits das Zusammenwirken der Verfassungsorgane im innerstaatlichen Raum, andererseits das – vielfach als „acte diplomatique“ bezeichnete – außenpolitische Regierungshandeln.692 Die Einbeziehung von Fragen des diplomatischen Schutzes in die letztgenannte Fallgruppe wurde sowohl vom Conseil d’État wie auch vom Tribunal des Conflits in zahlreichen Urteilen bestätigt. Bereits 1834 hatte der Staatsrat eine Klage zurückgewiesen, mit der der Kläger gerügt hatte, dass ihn der französische Konsul nicht gegen das – aus seiner Sicht völkerrechtswidrige – Verhalten der spanischen Behörden geschützt habe. Das Gericht begründete sein Urteil mit der Feststellung, die Schutzversagung sei „un 689 Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 426. Auch in der französischen Literatur selbst werden nur vereinzelt weitergehende „unklagbare“ Schutzansprüche erwogen, so etwa von Favoreu, Déni de justice, S. 205 f.; Morand, AJDA 26 (1970), S. 588, 598. 690 Vertiefend zur nachfolgend zusammengefassten Entstehungsgeschichte und den dogmatischen Wurzeln des „acte de gouvernement“ Doehring, Pflicht des Staates, S. 78 f.; Duez, Actes du gouvernement, S. 30 ff.; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 428 ff.; Rumpf, Regierungsakte, S. 40 ff. – Vgl. auch die eigene Urteilsanalyse des Conseil d’État unter . 691 Conseil d’État, Recueil 1821–1825, S. 202, 203. 692 Vgl. die Übersicht bei Auvret-Finck, RDP 111 (1995), S. 131, 132 f.; Kassimatis, Bereich der Regierung, S. 78 ff.

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acte de haute administration qui n’est point de nature à nous être déféré par la voie contentieuse.“693 Eine Vielzahl ähnlicher Entscheidungen folgte.694 Hervorzuheben ist insoweit vor allem der Fall „Thubé-Lourmand“, der interessante Parallelen zur eingangs angesprochenen „Odigitria“-Entscheidung des EuGH aufweist: Hier hatte der Kläger vom französischen Staat Schadensersatz mit der Begründung gefordert, er sei von englischen Schiffen unter Verletzung eines mit Frankreich geschlossenen Fischereiabkommens an der Ausübung des Fischfanges gehindert worden, ohne dass der französische Marinekommandant dagegen vorgegangen sei. Der Conseil d’État lehnte die Klage als unzulässig ab: Die aufgeworfenen Fragen stünden in engem Zusammenhang zur Ausübung souveräner Regierungsgewalt in den internationalen Beziehungen und seien ihrer Natur nach daher gerichtlich nicht überprüfbar.695 Grundlegende Bedeutung hat daneben bis heute die Rechtssache „Poujade“, in der der Kläger gerügt hatte, dass ihm Frankreich keine diplomatische Unterstützung bei der Durchsetzung zivilrechtlicher Forderungen gegen den osmanischen Staat gewähren wollte. Auch hier lehnte der Conseil d’État eine Entscheidung in der Sache konsequent ab und stellte fest: „les questions soulevés [. . .] se rattachent à l’exercice du pouvoir souverain dans les rapports du Gouvernement français avec les gouvernements étrangers et ne sont pas de nature à être portées devant le Conseil d’État par la voie contentieuse.“696 In der französischen Rechtslehre ist das Konzept des acte de gouvernement bis heute heftig umstritten.697 Von Seiten seiner Befürworter wird vor allem darauf verwiesen, dass die einschlägigen Materien besonders sensibel seien und deshalb eine uneingeschränkte Handlungsfreiheit der Regierung erforderten. Zudem müsse auch berücksichtigt werden, dass hier häufig nicht rechtliche Maßstäbe, sondern allein politische Erwägungen im Vordergrund stünden.698 Der überwiegende Teil des Schrifttums steht der An693 Conseil d’État, Recueil 1831–1834, S. 527, 528 („ein Akt hoher Verwaltung, der uns seinem Wesen nach nicht auf dem Klageweg zur Entscheidung vorgelegt werden kann“). 694 Vgl. die bis heute grundlegende Rechtsprechungsauswertung bei Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 432 ff. Hinzu kamen in jüngerer Zeit beispielsweise die Entscheidungen Tribunal des Conflits, AJDA 48 (1992), S. 617; Conseil d’État, Recueil 1988, S. 133, 134. 695 Conseil d’État, Recueil 1893, S. 113, 116. 696 Conseil d’État, Recueil 1904, S. 873 f. („die aufgeworfenen Fragen [. . .] hängen mit der Ausübung souveräner Gewalt in den Beziehungen der französischen Regierung zu den ausländischen Regierungen zusammen und können ihrer Natur nach nicht im Wege eines Klageverfahrens vor den Staatsrat gebracht werden“). 697 Zusammenfassend zum Streitstand Dupuis, Dictionnaire constitutionnel, S. 6; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 441 ff. 698 So z. B. Chapus, Recueil Dalloz 1958, Chronique S. 5, 8 ff.

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nahme derartiger „gerichtsfreier Räume“ dagegen ablehnend gegenüber. So wird vor allem kritisiert, dass es sich beim acte de gouvernement um ein Relikt der absolutistischen Herrschaftsepoche handele, für das es aus heutiger Sicht weder eine dogmatische Rechtfertigung noch eine ausreichende gesetzliche Grundlage gebe.699 Die Rechtsprechung blieb von dieser Kritik nicht unbeeinflusst: Gerade im Bereich des außenpolitischen Regierungshandelns reduzierte der Conseil d’État in den letzten Jahren die gerichtsfreien Räume deutlich.700 Methodisch bediente er sich dazu vor allem der bereits im Urteil „Poujade“ angelegten Unterscheidung zwischen Handlungen, die untrennbar mit der Ausübung auswärtiger Gewalt verbunden seien („actes rattachables“), und hiervon abtrennbaren „actes détachables“, für die er fortan gerichtliche Kontrollbefugnisse beanspruchte. Nur Regierungsakte, die unmittelbar die Beziehungen zu einem auswärtigen Staat berühren, sind heute danach tatsächlich noch „gerichtsfrei“.701 Für die hier untersuchte Frage nach diplomatischen Schutzansprüchen brachte dies allerdings keine grundlegenden Änderungen mit sich: Da in diesen Fällen begriffsnotwendig ein unmittelbares Tätigwerden gegenüber dem jeweiligen Verletzerstaat in Rede steht, blieb die klassische Konzeption des acte de gouvernement hier weiterhin anwendbar. Das französische Recht kennt damit bis heute keinen einklagbaren Anspruch auf diplomatischen Schutz.702 Ähnlich skeptisch muss auch die Frage beantwortet werden, ob das von einer Schutzverweigerung betroffene Individuum zumindest Ersatz für die im Ausland erlittenen Schäden verlangen kann. Die angesprochene Frage wird in Frankreich unter zwei unterschiedlichen Blickwinkeln diskutiert: Ersatzansprüche könnten sich zum einen daraus ergeben, dass staatliche Stellen schuldhaft auf bestimmte Schutzhandlungen verzichteten („responsabilité pour faute de service“). In Betracht kommen darüber hinaus verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche unter Aufopferungsge699

Vertiefend zu den einzelnen Kritikpunkten beispielsweise Doehring, Pflicht des Staates, S. 84 ff.; Duez, Actes du gouvernement, S. 185 ff.; Jèze, Verwaltungsrecht, S. 448 ff. 700 GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1810 f./Rn. 79; Auvret-Finck, RDP 111 (1995), S. 131, 136 ff.; Lerche, in: Kontrolldichte, S. 32. 701 Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 435 ff. und 448 ff. – Zur Abgrenzung der kontrollfreien Räume in der Außenpolitik auch Charles, Actes rattachables, S. 212 ff.; Muñoz Machado, REDA 1975, S. 401, 403 Fn. 6 und 409. 702 Tribunal des Conflits, AJDA 48 (1992), S. 617; Chappez, JCDI Fasc. 250 Rn. 160; Gautier, in: Constantinesco/Kovar/Simon, Art. 8c C.E. Rn. 12; Kovar/ Simon, CDE 29 (1993) S. 285, 314 Fn. 56; Puissochet, in: Protection diplomatique, S. 115, 118 f. – Ebenso aus älterer Zeit bereits Doehring, Pflicht des Staates, S. 78 ff.; Duez, Actes du gouvernement, S. 66 ff.; Favoreu, Déni de justice, S. 204 ff.; Jèze, Verwaltungsrecht, S. 448 ff.; Muñoz Machado, REDA 1975, S. 401, 409 f.; Oberthür, Anspruch, S. 61 f.; Weil, in: Individual Rights, S. 271, 276 ff.

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sichtspunkten („responsabilité sans faute“). Eine Verschuldenshaftung im erstgenannten Sinne schloss der Conseil d’État für den hier untersuchten Bereich bislang eindeutig aus: Seien die Beziehungen Frankreichs zum Ausland unmittelbar betroffen, bleibe für eine „responsabilité pour faute“ ebenso wenig Raum wie schon für entsprechende Primäransprüche.703 Weniger klar ist hingegen die Rechtslage hinsichtlich der zweitgenannten „responsabilité sans faute“. So betonte der Conseil d’État schon früh, dass die öffentliche Gewalt unabhängig von einem Verschulden zum Ausgleich verpflichtet sei, wenn sie vom allgemeinen Grundsatz der „égalité des citoyens devant les charges publiques“ abweiche und einzelnen ihrer Bürger durch ein bestimmtes Tun oder Unterlassen Sonderopfer auferlege.704 Diese Rechtsprechung bezog sich allerdings zunächst nur auf den innenpolitischen Bereich. Lasten, die aus dem Verhalten französischer Organe im internationalen Raum resultierten, blieben hiervon explizit ausgenommen.705 In der Literatur stieß diese Differenzierung vielfach auf Kritik. So wurde vor allem gerügt, es mache aus Sicht des Bürgers keinen Unterschied, in welchem Zusammenhang ihm der Staat ein Sonderopfer auferlege. Gerade dort, wo dem einzelnen aus Gründen der allgemeinen Staatsraison alle primären Abwehrmöglichkeiten verwehrt blieben, sei ein ausgleichender Entschädigungsanspruch vielmehr in besonderem Maße geboten.706 Tatsächlich rückte der Conseil d’État später zum Teil von seiner früheren Sichtweise ab und bejahte die Voraussetzungen der „responsabilité sans faute“ nunmehr auch im Zusammenhang mit internationalen Fallgestaltungen.707 Dies gilt vor allem für die Urteile „Perruche“708 und „Epoux Martin“709: In beiden 703 Besonders deutlich etwa in Conseil d’État, Recueil 1967, S. 279, 280: „l’accomplissement de la mission de protection des biens des citoyens français qui incombe aux services diplomatiques et consulaires à l’étranger était, dans les circonstances de temps et de lieu où est survenu le dommage [. . .] inséparable de l’exercice des pouvoirs du Gouvernement français dans les relations internationales et met directement en cause les rapports de la France et d’un État étranger; [. . .] elle n’est, dès lors, pas davantage susceptible d’engager la responsabilité de l’État français sur le fondement de la faute.“ (Hervorhebung v. Verf.). Vertiefend Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 435 ff. und 445 ff. 704 Vgl. vor allem die grundlegenden Urteile Conseil d’État, Recueil 1938, S. 25, 26; Conseil d’État, Recueil 1963, S. 53, 54. Vertiefend in der Literatur beispielsweise Haack, Außervertragliche Haftung, S. 54 ff.; Morand, AJDA 26 (1970), S. 588, 590 f. 705 Vgl. für den diplomatischen Schutz etwa Conseil d’État, Recueil 1904, S. 873 f.; Conseil d’État, Recueil 1945, S. 189. 706 So speziell für den diplomatischen Schutz Morand, AJDA 26 (1970), S. 588, 601 f.; Seidl-Hohenveldern, RIDC 21 (1969), S. 763, 768 ff. Allgemein auch Dupuis, Dictionnaire constitutionnel, S. 6, 7; Duez, Actes du gouvernement, S. 176 ff. – A. A. demgegenüber Gentot/Fourré, AJDA 18 (1962), S. 664, 668 ff. – Zusammenfassend zum Streitstand Muñoz Machado, REDA 1975, S. 401, 415 ff. (m. w. N.).

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Fällen wurde den Klägern ein Entschädigungsanspruch für von Drittstaaten zugefügte Einbußen zugesprochen. Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass hier jeweils besondere Umstände vorlagen: Beide Male waren die Kläger zuvor von den zuständigen französischen Stellen ausdrücklich zu einem Verbleib im Verletzerstaat aufgefordert worden und hierdurch – wie der Conseil d’État hervorhob – in außergewöhnliche Risikolagen gebracht worden.710 In späteren Urteilen stellte der Staatsrat ausdrücklich klar, dass eine derart gesteigerte staatliche Risikoverantwortung nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden dürfe. So reiche es dafür beispielsweise nicht aus, dass die französischen Behörden den Geschädigten auf seine zivilvertraglichen Pflichten hinwiesen und ihn dadurch zu einem Verbleib im späteren Verletzerstaat verleiteten.711 Verschuldensunabhängige Entschädigungsansprüche bleiben damit in solchen Fällen auch weiterhin auf vereinzelte Ausnahmesituationen beschränkt.712 Insgesamt ist danach im französischen Recht bis heute weder ein einklagbares Recht auf diplomatischen Schutz noch ein allgemeiner Anspruch auf Ausgleich der durch die betreffende Völkerrechtsverletzung entstandenen Schäden feststellbar. c) Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland Ähnlich wie in Frankreich galt auch im Vereinigten Königreich die Gewährung des diplomatischen Schutzes lange Zeit als justizfreier Regierungsakt („Act of State“). Soweit die britischen Gerichte mit entsprechenden Klagen befasst wurden, verwiesen sie regelmäßig darauf, dass die Gestaltung der Außenpolitik als hoheitliches Vorrecht („Prerogative of the 707 So u. a. bei völkervertraglich verursachten Sonderopfern, vgl. Conseil d’État, Recueil 1966, S. 257; Conseil d’État, Recueil 1988, S. 133, 134. 708 Conseil d’État, Recueil 1962, S. 555 f. 709 Conseil d’État, Recueil 1970, S. 593. 710 So auch Gentot/Fourré, AJDA 18 (1962), S. 664, 670; Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 440 f.; Weil, in: Individual Rights, S. 271, 280. 711 Conseil d’État, Recueil 1967, S. 279, 280. 712 Der Umstand, dass der Conseil d’État zur Abweisung entsprechender Aufopferungsklagen nicht durchgehend prozessrechtlich argumentierte, sondern zum Teil auch materiellrechtliche Überlegungen heranzog, wird allerdings vielfach als Beleg für eine zunehmende Unsicherheit des Gerichts in diesem Punkt gewertet. So verneinte der Staatsrat z. B. in Recueil 1966, S. 157 und in Recueil 1967, S. 589 „jedenfalls“ auch das Vorliegen eines direkten Zusammenhangs zwischen den geltend gemachten Schäden und der Unterlassung diplomatischer Aktivitäten: Die erlittenen Beeinträchtigungen seien im Wesentlichen auf das Verhalten des Verletzerstaats zurückzuführen. Vertiefend dazu Ress, ZaöRV 32 (1972), S. 420, 439 ff. (m. w. N. in Fn. 69).

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Crown“) anzusehen sei und daher außerhalb der gerichtlichen Zuständigkeitsbereiche liege.713 Diese Ansicht wurde von der Literatur weithin geteilt.714 Zwar versuchten einzelne Autoren nachzuweisen, dass die britische Regierung auf Grund der staatsangehörigkeitsrechtlichen Treuebeziehung im Grundsatz durchaus zu diplomatischem Schutz verpflichtet sei.715 Selbst die Vertreter dieser Ansicht räumten jedoch ein, dass es sich dabei allein um eine politische Pflicht handeln könne. Justiziable Individualansprüche seien auf diese Weise nicht zu begründen.716 Auch die britische Regierung selbst lehnte in der Praxis bislang jede rechtliche Bindung und Kontrolle in Schutzfragen ab.717 Zwar erklärte sie sich in einer Reihe politischer Stellungnahmen bereit, unter bestimmten Umständen diplomatische Interventionen zu Gunsten ihrer Bürger „in Betracht zu ziehen“.718 Individuelle 713 Grundlegend zum Auslandsschutz bereits die „China Navigation“-Entscheidung des High Court of Justice (King’s Bench Division), Law Reports 2 K.B. 1932, S. 197, 211 ff. und 242 f. – Ähnlich auch House of Lords, Law Reports A.C. 1932, S. 14, 24 ff. für Individualklagen auf Weiterleitung des Schadensersatzes, den die britische Regierung vom Verletzerstaat erhalten hatte. Zusammenfassend zum Umgang mit diplomatischen Schutzfragen in der britischen Rechtsprechung Doehring, Pflicht des Staates, S. 63 ff. 714 Bradley, in: Gerichtsschutz, S. 327, 332; Brownlie, Principles, S. 597; Collier, in: Individual Rights, S. 602, 610 f.; Mann, Foreign Affairs, S. 5; Oberthür, Anspruch, S. 60 f.; Rumpf, Regierungsakte, S. 96 ff. (speziell S. 132 f.). Vgl. allerdings aus jüngerer Zeit die vorsichtige Kritik von Warbrick, ICLQ 37 (1988), S. 1002, 1008 f. 715 So Doehring, Pflicht des Staates, S. 57 ff. unter Hinweis auf eine Reihe entsprechender Stellungnahmen in der frühen britischen Literatur. 716 Ebd., S. 69 f. Ebenso im Ergebnis auch Collier, in: Individual Rights, S. 602, 610 f.; High Court of Justice (King’s Bench Division), Law Reports 2 K.B. 1932, S. 197, 213: „In my opinion there is no legally enforceable duty to protect British property from danger in foreign parts. The remedy, if any, is pressure brought by Parliament on Ministers to take steps either by diplomatic action or otherwise to protect British subjects.“ 717 So zuletzt etwa die britische Vertreterin Burnett im Sixth Committee der UNGeneralversammlung, UN-Dok. GA/L/3159 v. 30.10.2000: „. . . her delegation shared the predominant view that the exercise of diplomatic protection was a discretionary right of the State“. 718 Vgl. insbesondere UK Mission to the UN, Comments on diplomatic protection, BYIL 70 (1999), S. 526, 528 f., wo eine Reihe entsprechender Regierungserklärungen wiedergegeben werden. Die gängige Formel lautete zuletzt: „At the present we consider making such representations if, when all legal remedies have been exhausted, the British national and their lawyer have evidence of a miscarriage or denial of justice. [. . .] we are extending this to include those cases where fundamental violations of the British national’s human rights had demonstrably altered the course of justice“. Die politischen Vorbedingungen für eine solche „consideration“ wurden im Auftrag der britischen Regierung durch die Foreign Compensation Commission konkretisiert (FCO, Rules applying to international claims, ICLQ 37 (1988), S. 1006 ff.).

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Rechtsansprüche könnten aus diesen Äußerungen indes keinesfalls abgeleitet werden.719 In den letzten Jahren zeichnete sich allerdings in der Rechtsprechung zunehmend ein grundlegendes Umdenken in der hier untersuchten Frage ab. Schon 1985 hatte der Court of Appeal im Fall „Pirbhai“ erste Zweifel an der bisherigen Justizfreiheit des diplomatischen Schutzes angedeutet. Zwar müssten sich die Gerichte in Situationen, die ernsthafte Folgen für die Handhabung der internationalen Beziehungen haben könnten, im Interesse aller Beteiligten außerordentlich umsichtig verhalten. Warnend hatte das Gericht seinem Urteilsspruch jedoch hinzugefügt: „It can rarely, if ever, be for the judges to intervene where diplomats fear to tread. [. . .] I hope that in the not too distant future the claims of the appellants [. . .] will be satisfactorily resolved. If, unhappily, this should not occur and the appellants should then feel that the Secretary of State is erring in a manner which is susceptible to judicial review, that will be the time to seek the assistance of the courts.“720 In einer weiteren grundlegenden Entscheidung („GCHQ“) aus der gleichen Zeit hatte das House of Lords überdies in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung festgestellt, dass die hoheitlichen Vorrechte („Prerogatives of the Crown“) nicht automatisch von gerichtlicher Kontrolle freigestellt seien. Entscheidend für die Justiziabilität sei allein, ob die betreffende Frage an konkreten rechtlichen Maßstäben überprüft werden könne.721 Die Gerichte zögerten in den nachfolgenden Jahren zunächst indes noch, Fragen des diplomatischen Schutzes auf dieser Grundlage tatsächlich einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen.722 Erst das „Abbasi“-Urteil des Court of Appeal brachte im November 2002 schließlich den entscheidenden 719

UK Mission to the UN, Comments on diplomatic protection, BYIL 70 (1999), S. 526, 527: „The rules [= Die im eben genannte FCO-Dokument niedergelegten Schutzbedingungen] have no direct effect in domestic law“. 720 Court of Appeal, ILR 107, S. 461, 479 („Es kann nur selten, falls überhaupt, Sache des Richters sein, dort zu intervenieren, wo Diplomaten vor einem Eingreifen zurückschrecken. [. . .] Ich hoffe, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Begehren der Kläger [. . .] einer zufriedenstellenden Lösung zugeführt sein werden. Sollte dies unglücklicherweise nicht passieren und sollten die Kläger dann das Gefühl haben, dass der Außenminister in einer gerichtlich überprüfbaren Weise irrt, wird das der Zeitpunkt sein, die Hilfe der Gerichte in Anspruch zu nehmen.“ – Hervorhebung vom Gericht selbst). 721 House of Lords, Law Reports A.C. 1985, S. 374, 407 und 411. 722 So lehnte der Court of Appeal noch 1999 im Fall „Ferhut Butt“ (ILR 116, S. 607, 621 f.) eine richterliche Kontrolle diplomatischer Schutzentscheidungen ausdrücklich ab. Vertiefend zu dieser jüngeren Rechtsprechung Herdegen, in: Kontrolldichte, S. 38, 55 f.; Warbrick, ICLQ 51 (2002), S. 723, 732 f., sowie das Plädoyer v. Greenwood im Fall „Abbasi“ (ILM 42 (2003), S. 358, 368/Rn. 37 ff.).

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Durchbruch: Unter bewusster Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung erkannten die Richter darin jedem britischen Staatsangehörigen ein einklagbares Recht auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung seiner individuellen diplomatischen Schutzbelange zu.723 Der Entscheidung lag der Fall des Briten Abbasi zu Grunde, der Anfang 2002 von U.S.-amerikanischen Streitkräften in Afghanistan gefangen genommen und in die Armeebasis von Guantanamo Bay verbracht worden war. Eine gerichtliche Überprüfung der Haftgründe und -umstände wurde ihm von den verantwortlichen amerikanischen Stellen verweigert. Die Angehörigen von Abbasi sahen in dieser Behandlung einen Verstoß gegen grundlegendste Menschenrechte. Ihre Bemühungen, das britische Außenministerium zu diplomatischen Demarchen zu bewegen, blieben jedoch vergeblich. Auch die vor dem britischen High Court of Justice erhobene Klage auf Schutz scheiterte zunächst, weil das Gericht mit der traditionellen Auffassung die Anfechtbarkeit außenpolitischer Handlungen ablehnte.724 Der Court of Appeal, bei dem die Kläger Berufung gegen dieses Urteil einlegten, nahm den Fall schließlich zum Anlass für eine grundlegende Überprüfung der gesamten bisherigen Rechtsprechung zum diplomatischen Schutz. Zwar sei ein einklagbarer Protektionsanspruch nicht bereits aus völker- oder menschenrechtlichen Überlegungen heraus zu begründen. Gleichwohl sei festzustellen, dass das britische Recht der Annahme gerichtsfreier Räume zunehmend kritisch gegenüberstehe und sie nur noch dort zulasse, wo nachprüfbare juristische Maßstäbe fehlten.725 Von einem solchen Fall fehlender Maßstäbe könne im Bereich des diplomatischen Schutzes gerade nicht gesprochen werden. Die britische Regierung habe vielmehr stets betont, dass der Wunsch des einzelnen nach Schutz von ihr „in Betracht gezogen“ werde. Diese Erklärungen spiegelten den Umstand wieder, dass es eine normale Erwartung jedes Bürgers seien könne, im Falle einer Verletzung fundamentaler Rechte im Ausland nicht von der Regierung im Stich gelassen zu werden.726 Konkret dürfe ein Bürger danach zumindest darauf vertrauen, „that his request will be ‚considered‘, and that in that consideration all relevant factors will be thrown into the balance.“727 Die Erfüllung dieser „legitimate expectation“ sei als solche gerichtlich nachprüfbar. Dies gelte insbesondere für den Extremfall, dass ein Schutzbegehren im Falle von Menschenrechtsverletzungen vollkommen 723

Court of Appeal, Urteil v. 6.11.2002, ILM 42 (2003), S. 358, 382 f./Rn. 106. Ebd., S. 359/Rn. 1 f.; Electronic Telegraph v. 4.7.2002 („When law collides with foreign affairs“) . 725 Ebd., S. 378 ff./Rn. 81 ff. 726 Ebd., S. 380 f./Rn. 87 ff. und speziell 98: „These statements reflect the fact that [..] it must be a ‚normal expectation of every citizen‘ that, if subjected abroad to a violation of a fundamental right, the British Government will not simply wash their hands of the matter and abandon him to his fate“. 724

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unberücksichtigt bleibe. Hier sei es durchaus angemessen, wenn die Gerichte das Außenministerium zu einer ordnungsgemäßen Berücksichtigung der betroffenen Belange aufforderten.728 Im Übrigen hänge viel von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich stelle es jedoch keinen unzulässigen Übergriff der Gerichte in die „forbidden area“ der staatlichen Außenpolitik dar, wenn Schutzentscheidungen daraufhin überprüft würden, ob sie irrational oder entgegen legitimer Erwartungen getroffen worden seien.729 Die Grundsätze und Grenzen der gerichtlichen Ermessenskontrolle seien insoweit ähnlich wie in Deutschland zu bestimmen.730 Noch ist nicht absehbar, welche Folgen diese Rechtsprechungsänderung im einzelnen für das britische Recht haben wird. Dies gilt umso mehr, als in der Literatur bislang praktisch keine Vorüberlegungen zu dieser Frage existieren.731 So bleibt vor allem abzuwarten, wie eng die gerichtliche Ermessenskontrolle künftig tatsächlich ausfallen wird732 und inwieweit auf dieser Grundlage künftig auch Raum für sekundäre Haftungsansprüche entsteht. Trotz dieser einstweilen ungeklärten Fragen bleibt das eigentliche Ergebnis der vorstehenden Untersuchung jedoch von zentraler Bedeutung: Im Vereinigten Königreich steht den Opfern von Völkerrechtsverletzungen inzwischen ein einklagbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Schutzentscheidungen zu.

727 Ebd., S. 381/Rn. 99 („dass sein Schutzbegehren ‚berücksichtigt‘ wird, und dass bei dieser Berücksichtigung alle relevanten Umstände in die Waagschale geworfen werden“). 728 Ebd., S. 382/Rn. 104. 729 Ebd., S. 382 f./Rn. 106. 730 So ausdrücklich S. 382/Rn. 102 unter Verweis auf die BVerfG-Rechtsprechung im Fall Hess. 731 Soweit ersichtlich, deutete in der jüngeren Vergangenheit nur Warbrick (ICLQ 37 (1988), S. 1002, 1009 Fn. 25) die Möglichkeit entsprechend begründeter Schutzansprüche an. Selbst Warbrick hatte zuletzt allerdings kaum noch praktische Erfolgsaussichten für derartige Ansprüche gesehen, vgl. ders., ICLQ 51 (2002), S. 723, 727 und 733. Deutlich optimistischer nun wieder ders., ILM 42 (2003), S. 355, 357. 732 Im eben dargestellten „Abbasi“-Urteil wies das Gericht die Berufung letztlich in der Sache zurück, weil es die betroffenen Individualbelange im konkreten Fall als ausreichend berücksichtigt ansah. Der bloße Umstand, dass hier ein britischer Staatsangehöriger zum Opfer evidenter Menschenrechtsverletzungen geworden sei, rechtfertige als solcher keine weitergehenden Schutzanordnungen, zumal derartige Anordnungen zu erheblichen Auswirkungen auf die Außenpolitik „at a particularly delicate time“ führen würden (ILM 42 (2003), S. 358, S. 383/Rn. 107 f.).

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

d) Spanien Ähnlich wie in den bislang untersuchten Rechtsordnungen ist auch in Spanien die Frage, ob dem Einzelnen ein materieller Anspruch auf diplomatischen Schutz zusteht, nicht unmittelbar geregelt. Zwar bestimmt Art. 42 der spanischen Verfassung ausdrücklich: „El Estado velará especialmente por la salvaguardia de los derechos económicos y sociales de los trabajadores españoles en el extranjero y orientará su política hacia su retorno.“733 Schutzansprüche im hier untersuchten Sinne lassen sich aus dieser Bestimmung jedoch nach allgemeiner Ansicht nicht ableiten. Art. 42 wird angesichts seiner Entstehungsgeschichte und des sachlich wie personell eng begrenzten Regelungszwecks vielmehr weithin allein als objektives sozialpolitisches Leitprinzip ohne spezifischen Bezug zum diplomatischen Schutz verstanden.734 Die Frage, ob sich entsprechende Ansprüche möglicherweise inzident aus anderen (insbesondere: grundrechtlichen) Quellen ergeben könnten, blieb in der Praxis bislang unbeantwortet. Denn die spanischen Gerichte sahen sich durch Art. 2 lit. b des spanischen Verwaltungsgerichtsgesetzes (LJCA) von vornherein an einer entsprechenden Prüfung gehindert. Nach dieser Bestimmung sind „Fragen im Zusammenhang mit politischen Akten der Regierung, zu denen insbesondere solche mit Auswirkungen auf die Landesverteidigung [und] die internationalen Beziehungen zählen, von der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgenommen [. . .] unbeschadet einer angemessenen Entschädigung, deren Festsetzung in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit fällt.“735 Schon 1974 hatte das Tribunal Supremo in einer Grundsatzentscheidung festhalten, dass auf dieser Grundlage auch die Entscheidung über die Gewährung des diplomatischen Schutzes als „acto no susceptible de ser recurrido“, also als nicht anfechtbarer Regierungsakt eingeordnet werden müsse.736 Diese Einschätzung wird bis heute von der spanischen Rechtspraxis geteilt.737 733

„Der Staat wacht besonders über die Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der spanischen Arbeitnehmer im Ausland und richtet seine Politik auf deren Rückkehr aus“. 734 Vertiefend zur Entstehungsgeschichte und praktischen Bedeutung von Art. 42 der Verfassung Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 313; Ignacio Cases, in: Comentarios IV, Art. 42. 735 Art. 2 lit. b Ley Reguladora de la Jurisdicción Contencioso-Administrativa (LJCA) v. 27.12.1956: „No corresponderán a la Jurisdicción contencioso-administrativa [. . .] las cuestiones que se suciten en relación con los actos políticos del Gobierno, como son los que afecten a la defensa del territoro nacional, relaciones internacionales [. . .] sin perjuicio de las indemnizaciones que fueren procedentes, cuya determinación sí corresponde a la Jurisdicción contencioso-administrativa“. 736 Tribunal Supremo, Repertorio Aranzadi de Jurisprudencia 41 (1974 III), No. 4510, Considerando 7. Dazu vertiefend in der Literatur Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 327 ff.; Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 422 ff.

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Obwohl sich insoweit auf den ersten Blick durchaus Parallelen zum oben untersuchten „acte de gouvernement“ ziehen lassen, unterscheidet sich das spanische Rechtsverständnis allerdings in einem wesentlichen Punkt vom französischen Modell. Denn anders als in Frankreich ist in Spanien allgemein anerkannt, dass jedem Staatsangehörigen grundsätzlich ein justiziabler Ausgleichsanspruch für alle Schäden zusteht, die ihm durch unzureichende diplomatische Schutzaktivitäten entstanden sind.738 Die dogmatischen Wurzeln dieses Anspruchs werden dabei in der Literatur vielfach schon im allgemeinen Grundsatz der Lastengleichheit („principio de igualdad de las cargas pfflblicas“) verortet.739 Ausdrückliche Hinweise auf entsprechende Sekundäransprüche finden sich aber auch auf einfachgesetzlicher Ebene, so vor allem im eben zitierten Art. 2 lit. b LJCA. Auch Art. 139 Abs. 1 des spanischen Verwaltungsverfahrensgesetzes, der die Grundsätze der Staatshaftung („responsabilidad patrimonial“) betrifft, verweist explizit auf diese Möglichkeit: „Los particulares tendrán derecho a ser indemnizados por las Administraciones Pfflblicas corresondientes, de toda lesión que sufran en cualquiera de sus bienes y derechos, salvo en los casos de fuerza mayor, siempre que la lesión sea la consecuencia del funcionamiento normal o anormal de los servicios pfflblicos o de la adopción de medidas no fiscalizables en vía contenciosa.“740 Voraussetzung für entsprechende Haftungsansprüche ist dabei nach allgemeiner Ansicht kumulativ das Vorliegen eines individualisierbaren wirtschaftlichen Schadens („efectividad del daño“), der Nachweis einer kausalen Verbindung zwischen diesem Schaden und einem Verwaltungshandeln („relación de causalidad“) sowie das Fehlen von 737 Pastor Ridruejo, Curso de derecho, S. 243; ders., in: Protection diplomatique, S. 109, 109 ff.; Remiro Brotóns u. a., Derecho internacional, S. 509 f.; Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 318 Fn. 165 – Unzutreffend ist deshalb die von GA Darmon (EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1812/Rn. 91) vertretene Annahme, seit der Verfassungsänderung von 1978 seien die gerichtsfreien Räume in Spanien „abgeschafft“. 738 Tribunal Constitucional, E 1995, S. 125, 144; Tribunal Supremo, Repertorio Aranzadi de Jurisprudencia 41 (1974 III), No. 4510; Tribunal Supremo, REDI 1988 II, S. 175 f.; Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 336 ff.; CastroRial Garrone, REDI 1988 II, S. 177, 179 f. und 182 ff.; Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 348; Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 414 ff.; Pastor Ridruejo, Curso de derecho, S. 243 f.; ders., in: Protection diplomatique, S. 109, 111 ff.; Remiro Brotóns u. a., Derecho internacional, S. 509 ff. 739 So etwa Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 338 f. 740 Art. 139 Abs. 1 Ley 30/1992 de Régimen Jurídico de las Administaciones Pfflblicas y del Procedimiento Administrativo Comffln („Jedermann hat das Recht auf Entschädigung durch die betreffenden öffentlichen Stellen, wenn er in irgendeinem seiner Güter und Rechte verletzt wird, außer in den Fällen höherer Gewalt, falls die Verletzung aus dem rechtmäßigen oder rechtswidrigen Verhalten der öffentlichen Verwaltung oder der Verabschiedung nicht gerichtlich angreifbarer Maßnahmen resultiert.“ – Hervorhebung v. Verf.).

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höher Gewalt und von Eigenverschulden des Geschädigten („carencia de fuerza mayor o culpa imputable al administrato“).741Als besonders problematisch erweist sich in diesem Rahmen vor allem das zweitgenannte Kausalitätskriterium. Denn der Nachweis, dass die gebotenen Schutzmaßnahmen den Verletzerstaat in jedem Fall zu einem Einlenken veranlasst hätten, ist praktisch nur schwer zu führen. In Spanien wurden die damit angesprochenen Zweifelsfragen bislang allerdings relativ großzügig gehandhabt. Grundlegende Bedeutung hat in diesem Zusammenhang bis heute vor allem ein Urteil des Tribunal Supremo aus dem Jahre 1986, in dem den Klägern der beantragte Ersatzanspruch im Ergebnis voll zugesprochen wurde.742 Ähnlich wie in dem an früherer Stelle geschilderten „Odigitria“-Fall hatten hier spanische Fischer, die in fremden Hoheitsgewässern Opfer einer rechtswidrigen Aufbringung geworden waren, einen Ausgleich dafür verlangt, dass ihnen kein ausreichender diplomatischer Schutz zuteil geworden sei. Das Gericht gab der Klage statt. Denn für eine Haftung des spanischen Staates sei grundsätzlich ausreichend, dass das Unterlassen des gebotenen Schutzes mitursächlich für die Schadensentstehung wurde. Die primäre Verantwortlichkeit des Drittstaates stehe der Haftungszurechnung deshalb nicht entgegen.743 Die Frage, ob sich der betreffende Verletzerstaat durch diplomatische Schutzaktivitäten überhaupt zu einer Verhaltensänderung hätte bewegen lassen, wurde vom Tribunal Supremo in diesem Zusammenhang bemerkenswerterweise nicht einmal angesprochen. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion des spanischen Rechtsraums spielte dieser Aspekt bislang keine entscheidende Rolle.744 Zusammenfassend lässt sich danach festhalten, dass die spanischen Gerichte einerseits unmittelbare Schutzklagen als unzulässig ansehen, andererseits aber den geschädigten Individuen auf Sekundärebene weithin die Mög741 Tribunal Supremo, REDI 1988 II, S. 175; Castro-Rial Garrone, REDI 1988 II, S. 177, 183. 742 Tribunal Supremo, REDI 1988 II, S. 175 f. mit Anmerkung Castro-Rial Garrone. 743 Ebenso in der Literatur schon Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 340 ff.; Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 418 f. Vgl. auch die Entscheidung des Tribunal Supremo in Repertorio Aranzadi de Jurisprudencia 41 (1974 III), Nr. 4510: Hier hatte ein Drittstaat Anstoß an einer kritischen Reportage im spanischen Staatsfernsehen genommen und die spanischen Bürger vor Ort zur Zahlung eines Strafbetrags gezwungen. In seinem Urteil stellte das Tribunal Supremo fest, dass der den Betroffenen hieraus entstandene Schaden kausal auf der Fernsehausstrahlung und dem späteren Ausbleiben diplomatischer Schutzaktivitäten beruhe. 744 Vgl. die allgemeinen Kausalitätsüberlegungen zum diplomatischen Schutz bei Castro-Rial Garrone, REDI 1988 II, S. 177, 184 f.; Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 417 ff.; Remiro Brotóns u. a., Derecho internacional, S. 511.

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lichkeit eines Schadensausgleichs nach den Grundsätzen der „responsabilidad patrimonial“ einräumen. In der spanischen Literatur wird diese Differenzierung und der grundsätzliche Ausschluss primärer Rechtsschutzmöglichkeiten vielfach scharf kritisiert. So wird weithin bereits bezweifelt, dass der diplomatische Schutz als justizfreier Bereich im Sinne des Art. 2 lit. b LJCA eingeordnet werden dürfe. Denn da für den diplomatischen Schutz nicht „die Regierung“, sondern allein der Außenminister und ergänzend der Staatsrat zuständig seien, greife diese Bestimmung schon ihrem Wortlaut nach nicht ein.745 Überdies weisen viele Autoren auch auf die Widersprüchlichkeit der gegenwärtigen Doppelkonzeption hin:746 Einerseits werde der Ausschluss einer direkten Klage mit dem uneingeschränkten Ermessen der Regierung in den internationalen Beziehungen747 und der alleinigen Zuweisung politischer Aufgaben an die Regierung748 begründet. Andererseits aber könnten die Gerichte auch jetzt schon bei Schadensersatzklagen nicht umhin, das betreffende Regierungshandeln juristisch zu bewerten und von einem an sich „gebotenen“ Schutzniveau auszugehen. Denn Aussagen zur Kausalität zwischen dem Unterlassen weitergehender Schutzmaßnahmen und geltend gemachten Schaden seien nur möglich, wenn das Gericht zuvor festgestellt habe, welche konkreten Schutzmaßnahmen von der Regierung in der betreffenden Situation eigentlich gefordert gewesen wären. Tatsächlich prüften die spanischen Gerichte im Rahmen von Schadensersatzklagen regelmäßig inzident, ob der Staat zu weitergehenden Schutzaktivitäten verpflichtet gewesen wäre. So führte das Tribunal Supremo in seinem Grundsatzurteil von 1986 aus, wirksame Vorkehrungen für den angemessenen Schutz der Staatsangehörigen seien „cometidos esenciales del Estado conforme a la Constitución“.749 Der Staat hafte hier dementsprechend auch dann, wenn er nicht das tue, 745 Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 333 ff. und 341 Fn. 50; Pastor Ridruejo, Curso de derecho, S. 243. Vermittelnd demgegenüber Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 411 Fn. 24. 746 Castro-Rial Garrone, REDI 1988 II, S. 177, 183 ff.; Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 319. – Demgegenüber halten Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 343 und Muñoz Machado REDA 1975, S. 401, 418 f. das aufgezeigte System für konsequent: Es belasse dem Staat auf der Primärebene seine volle Handlungsfreiheit und mildere zugleich im Innenverhältnis die sich daraus für das Individuum ergebenden Konsequenzen. 747 So z. B. Tribunal Supremo, Jurisprudencia administrativa 1857, S. 83; Tribunal Supremo, Jurisprudencia administrativa 1907, S. 456; Tribunal Supremo, REDI 1988 II, S. 176 f. = ILR 88, S. 691, 694. 748 So die offizielle Gesetzesbegründung, vgl. Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 333. 749 Tribunal Supremo, REDI 1988 II, S. 175, 176 („verfassungsrechtlich gebotene Grundpflichten des Staates“).

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was getan werden müsse („cuando no se hace acquello que se debe hacer“). Der Grundsatz eines „uneingeschränkten, rein politisch bestimmten Schutzermessens“ ist insoweit in der Praxis schon jetzt vielfach durchbrochen. Einige Autoren verweisen in ihrer Kritik überdies darauf, dass sich der spanische Staat bereits seit langem zum Schutz seiner Bürger bekenne; hieraus lasse sich zunehmend eine gewisse Selbstbindung der Verwaltung ableiten.750 Schließlich wird in jüngeren Stellungnahmen zunehmend auch der Gedanke einer grundrechtlichen Werteordnung herangezogen: Der Staat sei in seiner schützenden Kapazität gerade auch dann gefordert, wenn grundrechtliche Güter oder Interessen eines spanischen Bürgers im Ausland verletzt würden. Vor diesem Hintergrund müsse schon auf Primärebene effektiver Rechtsschutz möglich sein, zumindest in Form einer Verfassungsbeschwerde.751 Trotz dieser anhaltenden Kritik des Schrifftums bleiben die praktischen Erfolgsaussichten einer unmittelbaren Schutzklage weiterhin zweifelhaft. Dies gilt umso mehr, als das spanische Tribunal constitucional noch Ende 1995 in einem obiter dictum ausdrücklich die bisherige reine Entschädigungskonzeption bestätigte.752 Das Verfassungsgericht deutete in diesem Zusammenhang an, dass dieses Modell aus seiner Sicht den verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsschutzanspruch in ausreichender Weise gewährleiste. Insgesamt spricht danach vieles dafür, dass die spanischen Gerichte auch weiterhin nur sekundäre Ersatzklagen wegen unzureichender Schutzaktivitäten für zulässig erachten werden. e) Überblick zur Rechtslage in den übrigen Mitgliedstaaten Ähnlich wie schon im französischen Recht existiert auch in Belgien ein Bereich hochpolitischer Regierungshandlungen („actes de gouvernement“ / „Regeringsdaden“), der als solcher jeglicher gerichtlichen Kontrolle entzogen ist.753 Dazu zählt nach einem Urteil des Brüsseler Berufungsgerichts aus dem Jahre 1969 insbesondere die Frage, ob der belgische Staat seinen Bürgern in ausreichendem Maße diplomatischen Schutz gewährt habe. Denn die Gerichte seien nicht dazu befugt, das diplomatische Han750

Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 304 ff. (insbesondere auf S. 311). 751 Dazu ausführlich Díaz Barrado, in: Cursos Vitoria-Gasteiz, S. 239, 314 ff. Auch Remiro Brotóns u. a., Derecho internacional, S. 511, plädieren ausdrücklich für eine Übernahme der deutschen Konzeption. Allgemein zur grundrechtlichen Kritik der „actos políticos de gobierno“ Hofmann, in: Kontrolldichte, S. 162 ff.; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 120 f. 752 Tribunal Constitucional, E 1995, S. 125, 144. 753 Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 49.

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deln der Exekutive rechtlich zu würdigen. Selbst eine spätere Klage auf Schadensersatz sei daher in solchen Fällen als unzulässig zurückzuweisen.754 Auch heute würde ein solcher Fall vermutlich noch in gleicher Weise entschieden. Ein wesentliches Indiz dafür lässt sich insbesondere einem Urteil des belgischen Conseil d’État aus dem Jahre 1998 entnehmen. Darin bekräftigte das Gericht zuletzt ausdrücklich, dass außenpolitische Akte, die auf das Verhalten eines anderen Staates einwirken sollen, der belgischen Gerichtsbarkeit weiterhin entzogen seien.755 In der Literatur wird diese Annahme „justizfreier“ Bereiche zum Teil heftig kritisiert. Es besteht jedoch weithin Einigkeit darüber, dass Schutzklagen in jedem Fall aus materiellen Gründen abzuweisen wären: Das belgische Recht gewähre dem einzelnen weder ausdrücklich noch inzident ein Recht auf diplomatische Protektion.756 In Dänemark ist der Bereich der Außenpolitik den Gerichten demgegenüber nicht a priori entzogen. Jedes Verhalten der vollziehenden Gewalt unterliegt hier grundsätzlich auch gerichtlicher Nachprüfung.757 Unabhängig von dieser prozessrechtlichen Frage ist allerdings zweifelhaft, inwieweit dem einzelnen auch materiell ein Anspruch auf diplomatischen Schutz zukommt. In der Literatur ist diese Frage umstritten. Einige Autoren vertreten die Ansicht, dass in Dänemark weder ein Recht auf bestimmte diplomatische Schritte noch auf Entschädigung bestehe, wenn sich der Außenminister im Einzelfall aus politischen oder rechtlichen Erwägungen gegen ein Tätigwerden entscheide oder seine (freiwilligen) Bemühungen um Schutz erfolglos blieben.758 Andere Stimmen gehen demgegenüber davon aus, dass die dänischen Behörden auch im Bereich der Außenpolitik grundsätzlich dazu verpflichtet seien, ihre Entscheidungen an nachvollziehbaren, objektiven Kriterien auszurichten. Jeder Bürger könne sich deshalb gerichtlich zur Wehr setzen und notfalls auch entsprechende Schadensersatzansprüche gel754 Cour d’appel de Bruxelles, RCJB 1971, S. 449, 454. Das Tribunal de première instance (J.T. 81 (1966), S. 721 ff.) hatte die Klage demgegenüber noch für zulässig gehalten. Kritisch dazu Salmon, J.T. 81 (1966), S. 713, 718 ff. 755 Conseil d’État, Arrêt 73.027 v. 9.4.1998, S. 4 ff.: Hier ging es um die Erklärung eines ausländischen Diplomaten zur persona non grata. Die Urteilserwägungen weisen dabei streckenweise deutliche Parallelen zu den Fragen des diplomatischen Schutzes auf. 756 So schon das Tribunal de première instance, J.T. 81 (1966), S. 721 ff. – In der Literatur u. a. Ergec, RDIDC 63 (1986), S. 72, 120 ff.; Kooijmans, Internationaal publiekrecht, S. 105; Salmon, J.T. 81 (1966), S. 713, 718 ff.; Waelbroeck, in: Individual Rights, S. 55, 59. Ergec (ebd., S. 125) hält bei schwerwiegenden Schutzfehlern allerdings zumindest Schadensersatzansprüche für möglich. 757 Christensen, in: Gerichtsschutz, S. 113, 114; Sørensen, in: FS Andersen, S. 398, 404 und 407 f. 758 Foighel, in: Individual Rights, S. 187, 189.

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tend machen, falls ihm der diplomatische Schutz in unsachlicher Weise vorenthalten werde.759 Von der Rechtsprechung scheint diese Frage bislang noch nicht entschieden worden zu sein. Allerdings wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass die dänischen Behörden in der Praxis ihren Bürgern kaum je diplomatischen Beistand verweigerten, wenn hinreichende Erfolgsaussichten dafür erkennbar seien.760 Auch in Finnland blieb die Frage nach diplomatischen Schutzansprüchen bislang weitgehend ungeklärt. In der Literatur wird immerhin vielfach darauf verwiesen, dass das finnische Recht grundsätzlich keine gerichtsfreien Hoheitsräume kenne.761 Dies wird speziell für den Bereich der Außenpolitik auch durch § 43 des neuen finnischen Konsulargesetzes von 1999762 bestätigt. Danach können die Entscheidungen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten oder der Auslandsvertretungen selbst dann mit den allgemeinen Rechtsmitteln des Verwaltungsrechts angegriffen werden, wenn sie konsularrechtliche Fragen zum Gegenstand haben. Vieles spricht dafür, dass entsprechendes auch für den Bereich des diplomatischen Schutzes gelten sollte. Im griechischen Recht ist das außenpolitische Handeln der Exekutive demgegenüber grundsätzlich von gerichtlicher Kontrolle freigestellt. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für diesen „justizfreien“ Bereich ist vor allem Art. 45 Abs. 5 des „Legislativdekrets 18/1989 über den Staatsrat“, der ebenso wie seine gleichlautenden Vorgängerbestimmungen eine Anfechtung von Regierungsakten ausschließt, soweit diese mit der Ausübung politischer Gewalt verbunden sind.763 Ähnlich wie in Frankreich oder Belgien zählen die griechischen Gerichte dazu vor allem Handlungen und Unterlassungen, die die Beziehungen des griechischen Staates zu anderen Völkerrechtssubjekten betreffen. Ausdrücklich sah der Staatsrat demgemäß auch den Schutz griechischer Staatsangehöriger im Ausland als justizfreien „Regierungsakt“ an.764 In der griechischen Literatur stößt diese Praxis zunehmend auf Ablehnung. So wird vor allem kritisiert, dass die Annahme gerichtsfreier Räume gegen die Rechtsschutzgarantie aus Art. 20 Abs. 1 der griechischen 759 Sørensen, in: FS Andersen, S. 398, 406 ff. Ebenso i. E. auch GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1808/Rn. 70. 760 Foighel, in: Individual Rights, S. 187, 189. 761 Merikoski, in: Gerichtsschutz, S. 185, 189 f. 762 Gesetz Nr. 498/1999. 763 Hierzu sowie zur Vorgängerbestimmung im Legislativdekret 170/1973 weiterführend GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1811/Rn. 82; Tsatsos, in: Haftung, S. 187, 210 ff.; ders., in: Gerichtsschutz, S. 277, 283; Vilaras, RHDI 52 (1999), S. 19, 23. 764 Tsatsos, in: Gerichtsschutz, S. 277, 284 unter Verweis auf das Urteil StR 796/ 1931.

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Verfassung verstoße.765 Erst recht sei es danach unzulässig, das Staatsratsgesetz analog auch auf zivilrechtliche Staatshaftungsklagen anzuwenden. Denn da die politische Handlungsfreiheit der Regierung durch sekundäre Ersatzansprüche nicht unmittelbar berührt werde, fehle in diesem Bereich von vornherein jede Rechtfertigung für eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle.766 Die Frage, ob bei unterstellter Zulässigkeit entsprechender Klagen im weiteren auch ein materieller Anspruch auf Schutz beziehungsweise Schadensersatz bestünde, wurde bislang in der griechischen Literatur allerdings noch nicht tiefergehend untersucht.767 In Irland besteht weithin Einigkeit darüber, dass das heutige Recht grundsätzlich keine dem britischen „Act of State“ vergleichbaren justizfreien Bereiche mehr kennt.768 Die weitergehende Frage nach materiellen Schutzansprüchen scheint hier demgegenüber noch weitgehend unerforscht geblieben zu sein. Auch im italienischen Recht ist die Frage nach der Existenz und Klagbarkeit diplomatischer Schutzansprüche bislang weder ausdrücklich geregelt noch sonst geklärt.769 Einschlägige Hinweise lassen sich insbesondere nicht bereits aus Art. 35 Abs. 4 der italienischen Verfassung entnehmen, wonach die Republik unter anderem auch die italienische Arbeit im Ausland schützt („tutela il lavoro italiano all’estero“). Denn sowohl der rein objektiv gefasste Wortlaut als auch der systematische Zusammenhang mit den übrigen Absätzen dieser Norm zeigen, dass an dieser Stelle allein eine allgemeine arbeits- und sozialrechtlich motivierte Berücksichtigungspflicht zugunsten der italienischen Gastarbeiter festgelegt werden sollte.770 Die weitergehende Frage nach diplomatischen Schutzansprüchen lässt sich demgemäß nur aus 765

Dagtoglou, in: Introduction, S. 21, 45; Efstratiou, in: Grundgesetz, S. 119, 166; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 87. 766 Tsatsos, in: Haftung, S. 187, 210 ff. (m. w. N. zum Streitstand). 767 Ein Anspruch auf diplomatischen Schutz dürfte sich jedenfalls nicht schon aus Art. 108 Abs. 1 der griechischen Verfassung ableiten lassen, wonach der Staat „für das Griechentum im Ausland sorgt“ und die Bildung sowie die gesellschaftliche und berufliche Förderung der im Ausland arbeitenden Griechen gewährleistet. Ähnlich wie schon bei Art. 42 der spanischen Verfassung scheint es sich bei dieser Bestimmung vielmehr allein um eine objektive politische Berücksichtigungsklausel ohne spezifischen Zusammenhang zum diplomatischen Schutz zu handeln. Dies wird auch durch den neu geschaffenen Art. 108 Abs. 2 unterstrichen, der die allgemeine politische Vertretung der Auslandsgriechen durch einen speziellen „Auswanderungsrat“ regelt. 768 GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1813/Rn. 92; Kelly, in: Gerichtsschutz, 425, 427. 769 Ferrari Bravo, in: Protection diplomatique, S. 87, 87 ff. 770 Vgl. zur praktischen Bedeutung des Art. 35 Abs. 4 als bloßer Arbeitsschutznorm etwa Perlingieri/Balletti, in: Commento, Art. 35 Rn. 5.

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allgemeineren rechtlichen Überlegungen heraus beantworten. In der italienischen Literatur finden sich dazu allerdings nur äußerst vage Hinweise. So führt Arangio-Ruiz in seiner diesbezüglichen Untersuchung beispielsweise aus: „It does not seem that Italian nationals enjoy a ‚diritto soggettivo‘ (full right) to diplomatic protection by the state. I am inclined to believe, however, that some legal (judicial and/or administrative) remedy against inaction or inadequate action by the executive could perhaps be asserted in given circumstances.“771 Tatsächlich sind gesicherte Feststellungen zu der Frage, ob das italienische Recht heute noch justizfreie Bereiche kennt und ob dazu gegebenenfalls auch der diplomatische Schutz gezählt werden muss, kaum möglich. Zwar wurde die Figur entsprechender „atti di governo“ in zwei gesetzlichen Bestimmungen aus dem Jahren 1889 und 1924 ausdrücklich anerkannt.772 Die Rechtsprechung legte diese Bestimmungen jedoch in der Folgezeit äußerst restriktiv aus, ohne dabei klare Abgrenzungslinien aufzuzeigen.773 Teile der Literatur verweisen überdies auf später geschaffene Rechtsschutzgarantie in Art. 113 der italienischen Verfassung, die inzwischen keinen oder jedenfalls nur noch begrenzten Raum für derartige justizfreie Bereiche lasse.774 Wenngleich damit für Italien insgesamt keine abschließende Aussage zur Existenz subjektiver Schutzansprüche getroffen werden kann, ist doch zumindest von Interesse, dass vielfach geringere Vorbehalte gegenüber sekundären Ausgleichsansprüchen als gegenüber unmittelbaren Schutzklagen zu bestehen scheinen. So wird in der Literatur zum Teil argumentiert, dass den Gerichten nach Wortlaut und Sinn der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen allenfalls die unmittelbare Aufhebung, nicht aber die inzidente Überprüfung von „atti di governo“ verboten sein könne.775 Auch in der Praxis lassen sich entsprechende Differenzierungen nachweisen: In den letzten Jahren erließ das italienische Parla771 Arangio-Ruiz, in: Individual Rights, S. 365, 370 („Es scheint nicht so zu sein, dass italienische Staatsangehörige ein ‚subjektives Recht‘ auf diplomatischen Schutz durch den Staat genießen. Ich bin jedoch versucht, anzunehmen, dass gegen das Untätigbleiben oder unzureichende Tätigwerden der Exekutive unter bestimmten Umständen vielleicht einige rechtliche (gerichtliche und/oder verwaltungsinterne) Abwehrmöglichkeiten geltend gemacht werden können“). Ähnlich vage auch Ferrari Bravo, in: Protection diplomatique, S. 87, 87 ff. 772 Hartwig, in: Kontrolldichte, S. 59, 76; Rumpf, Regierungsakte, S. 92 f. In der frühen italienischen Literatur wurde auf dieser Grundlage z. T. auch der diplomatische Schutz dem justizfreien Bereich zugeordnet, vgl. Duez, Actes du gouvernement, S. 91 f. unter Hinweis auf eine entsprechende Stellungnahme von Ranelletti. 773 Hartwig, in: Kontrolldichte, S. 59, 76 f.; GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1808/Rn. 69. 774 So etwa Bachelet, in: Gerichtsschutz, S. 469, 474 f. – A. A. demgegenüber Galeotti, Judicial Control, S. 89 ff. 775 Vgl. Hartwig, in: Kontrolldichte, S. 59, 77 (m. w. N.). Ähnlich i. E. auch Arangio-Ruiz, in: Individual Rights, S. 365, 370.

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ment wiederholt bereichsspezifische Gesetze, mit denen es im Ausland geschädigten Staatsangehörigen ausdrücklich (nur) ein Recht auf finanziellen Ausgleich zuerkannte.776 Im luxemburgischen Recht, das sich traditionell stark am französischen System orientierte, ist die Figur des acte de gouvernement demgegenüber bis heute klar anerkannt.777 Zwar war der luxemburgische Conseil d’État bislang noch nicht unmittelbar mit Fragen des diplomatischen Schutzes befasst. In der luxemburgischen Rechtslehre wird jedoch angesichts der bisherigen Entscheidungspraxis vielfach darauf verwiesen, dass die „rapports du Souverain avec un État étranger“ wohl generell zum Kernbereich der „gerichtsfreien“ Regierungsakte gezählt werden müssen.778 Tatsächlich besteht angesichts der bisherigen Entscheidungspraxis wenig Anlass für die Vermutung, dass der luxemburgische Conseil d’État in Fragen des diplomatischen Schutzes grundlegend anders entscheiden würde als die französischen und belgischen Gerichte. Weder eine unmittelbare Klage auf Schutz als die Geltendmachung entsprechender Haftungsansprüche hätten insoweit voraussichtlich reelle Erfolgsaussichten. Auch in der niederländischen Literatur wird ein einklagbares Recht auf diplomatischen Schutz vielfach abgelehnt. Als Grund dafür wird vor allem genannt, dass es bislang keine ausdrücklichen Anspruchsnormen dieses Inhalts gebe. Beschwerden hinsichtlich der Schutzgewähr könnten daher allenfalls an den – mit politischen Schlichtungsfunktionen betrauten779 – Ombudsmann gerichtet werden, nicht aber an den Richter.780 Ähnlich äußerte sich 1983 auch die niederländische Regierung: „The question whether nationals can require the authorities of their country to protect their interests abroad, is not answered in the affirmative in international law [. . .]. Neither can the rules of Dutch municipal law, in the Government’s view, lead to such a claim. Having regard to the practice of interstate relations, the question of whether and how far the protection of a national’s interests should be withheld as being incompatible with the interests of the State, must as a 776 Vgl. insbesondere das Gesetz Nr. 16 v. 26.1.1980 über den Schadensausgleich in den früher italienisch beherrschten Gebieten im Ausland, abgedruckt in RDI 66 (1983), S. 238 ff. – Dazu vertiefend in der Literatur Castro-Rial Garrone, REDI 1988 II, S. 177, 179; Giardina, in: Droit international III, S. 113 ff.; Tanzi, RDI 66 (1983), S. 102 ff. 777 GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1811/Rn. 81; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 104 f.; Welter, in: Gerichtsschutz, S. 679, 686. 778 Arendt, in: Haftung, S. 447, 465; Schockweiler, Contentieux administratif, Rn. 74. 779 Zur Rolle des Ombudsmannes im niederländischen Recht Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 110. 780 Kooijmans, Internationaal publiekrecht, S. 105.

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rule indeed be a matter for the authorities to decide from case to case.“781 Zweifelhaft ist allerdings, ob diese Position die niederländische Rechtslage tatsächlich zutreffend beschreibt. Denn bemerkenswerterweise gelangte das Berufsgericht von Den Haag nur wenige Monate nach der eben genannten Regierungserklärung zum praktisch gegenteiligen Ergebnis:782 Nach niederländischem Recht treffe den Staat grundsätzlich die Pflicht, im Ausland inhaftierten niederländischen Staatsangehörigen diplomatischen Schutz zu gewähren. Bei der Bestimmung des angemessenen Schutzniveaus genössen der Staat und seine diplomatischen Vertretungen zwar ein weites Ermessen, dessen Überprüfung primär dem Parlament obliege. Die niederländischen Gerichte könnten allerdings einschreiten, wenn das auf diese Weise gewährte Schutzniveau substantiell geringer oder anders ausfalle, als dies bei vernünftiger Betrachtung hätte erwartet werden dürfen. Da eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem Urteil in der niederländischen Diskussion nicht stattgefunden zu haben scheint, ist ein gesicherter dogmatischer Stand in dieser Frage kaum zu bestimmen. Zusammenfassend kann jedoch festgestellt werden, dass sich in der niederländische Rechtspraxis immerhin bedeutende Indizien für ein einklagbares Recht auf ermessensfehlerfreie Schutzgewähr nachweisen lassen. Das österreichische Recht erkennt den Opfern einer Völkerrechtsverletzung demgegenüber bis heute weder ein einklagbares Recht auf diplomatischen Schutz noch entsprechende Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche zu.783 Die Gründe hierfür sind vielfältig und sowohl prozessualer wie materiellrechtlicher Natur. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass das österreichische Recht keine umfassende gerichtliche Kontrolle aller Akte der öffentlichen Gewalt vorsieht, sondern die statthaften Klagegegenstände in 781 Erklärung v. 8.3.1983, abgedruckt in NYIL 15 (1984), S. 344 („Die Frage, ob Staatsangehörige von den Behörden ihres Heimatstaates den Schutz privater Interessen im Ausland verlangen können, wird im Völkerrecht nicht in bejahendem Sinne beantwortet [. . .]. Auch die im nationalen niederländischen Recht enthaltenen Regeln vermögen einen solchen Anspruch nicht zu begründen. Angesichts der Praxis zwischenstaatlicher Beziehungen muss die Frage, ob und inwieweit der Schutz von Privatinteressen eines Bürgers in Widerspruch zu den Interessen des Staates stehen könnte, in aller Regel tatsächlich von Fall zu Fall von den Behörden selbst entscheidbar sein.“). Auf Anfrage des Verf. bestätigte die niederländische Botschaft, dass diese Erklärung bis heute die offizielle Regierungslinie wiedergebe. 782 Court of Appeal of The Hague, abgedruckt in: ILR 1994, S. 342, 345. 783 OGH, ÖJZ 1964, S. 462, 463; Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht, Rn. 382; Seidl-Hohenveldern, in: Individual Rights, S. 26, 31; ders., AJIL 70 (1976), S. 763 f. Auf Anfrage des Verf. bestätigte Anfang 2003 auch das österreichische Außenministerium, dass eine Klage auf diplomatisches Tätigwerden nach nationalem Recht unverändert ausgeschlossen sei. Der betroffene Bürger könne allenfalls eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die verantwortlichen Entscheidungsträger einreichen.

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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Art. 130 ff. der österreichischen Verfassung784 enumerativ eingrenzt. Gerade das außenpolitische Regierungshandeln kann deshalb nur in wenigen Fällen unmittelbar zum Gegenstand eines gerichtlichen Nachprüfungsverfahrens gemacht werden.785 Anders als in Frankreich ist der diplomatische Schutz allerdings in Österreich kein per se gerichtsfreier „Regierungsakt“.786 So hielten es die österreichischen Zivilgerichte in der Vergangenheit grundsätzlich durchaus für zulässig, Fragen der diplomatischen Protektion indirekt im Rahmen von Sekundäransprüchen auf Schadensersatz oder Entschädigung zu untersuchen. Die entsprechenden Schadensersatzklagen scheiterten erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung, weil die Gerichte hier regelmäßig das Vorliegen der jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen verneinten. Denn da es im österreichischen Recht keinen Anspruch auf Schutz gebe, liege in einer Schutzversagung auch kein Rechtsgutseingriff, für den der Bürger Ausgleich verlangen könne.787 Zum gleichen Ergebnis gelangte ein völkerrechtliches Gutachten, welches das österreichische Außenministerium Anfang der siebziger Jahre in Auftrag gegeben hatte.788 Darin wurde vor allem auf den Umstand verwiesen, dass es in Österreich – anders als in Deutschland – weder eine subjektivrechtlich geprägte Verfassungstradition noch ausdrückliche Anspruchsgrundlagen im Bereich der diplomatischen Protektion gebe. Stehe aber dem österreichischen Staatsbürger schon kein Anspruch auf Schutz zu, könne es erst recht keine Haftung für die Nichtgewähr oder fehlerhafte Ausübung diplomatischer Aktivitäten geben. Für Portugal ist im hier untersuchten Zusammenhang vor allem Art. 14 Hs. 1 der Verfassung von Interesse, wonach portugiesische Staatsbürger, die sich im Ausland aufhalten oder dort wohnhaft sind, in Ausübung ihrer Rechte den „Schutz des Staates“ genießen.789 Wenngleich bei der Schaffung dieser Norm – ähnlich wie schon in Spanien und anderen traditionellen Auswanderungsstaaten – vor allem die spezifischen Probleme der Gastarbeiter im Vordergrund standen, wird Art. 14 Hs. 1 inzwischen vielfach 784

Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) v. 1.10.1920 in der Fassung von 2002. Öhlinger, VVDStRL 56 (1997), S. 81, 87 f.; Polakiewicz, in: Kontrolldichte, S. 94 f. und 102. Vertiefend zur Auslegung von Art. 130 ff. B-VG Oberndorfer, Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 61 ff.; Winkler, in: Gerichtsschutz, 835, 849 ff. 786 So ausdrücklich Seidl-Hohenveldern, in: ÖHbVR I, Rn. 706. Vgl. allgemein zur Diskussion um die Existenz gerichtsfreier Hoheitsakte im österreichischen Recht auch Polakiewicz, in: Kontrolldichte, S. 94 f.; Oberndorfer, Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 67 f.; Winkler, in: Gerichtsschutz, 835, 851 f. 787 OGH, ÖJZ 1964, S. 462, 463; OGH, ÖJZ 1970, S. 151, 152. Ebenso speziell für das österreichische Amtshaftungsrecht auch OGH, ÖJZ 1969, S. 152 f. 788 Abgedruckt in ÖZöR 27 (1976), S. 357 ff. 789 „Os cidadãos portugueses que se encontrem ou residam no estangeiro gozam da protecção do Estado para o exercício dos direitos“. 785

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weitergehend auch als allgemeine Anspruchsnorm für den diplomatischen Schutz verstanden.790 Zweifelhaft ist allerdings, ob der einzelne in diesem Rahmen tatsächlich mehr als nur sekundäre Entschädigungsansprüche geltend machen kann, wenn ihm im Einzelfall keine ausreichende diplomatische Unterstützung zuteil wird.791 Einschlägige Gerichtsurteile zu dieser Frage existieren bislang nicht. Auch in Schweden hat sich bislang noch keine gefestigte Rechtspraxis im Umgang mit individuellen diplomatischen Schutzwünschen entwickelt. Zwar verpflichten die einschlägigen schwedischen Rechtsbestimmungen alle staatlichen Behörden und Außenvertretungen ausdrücklich dazu, die Rechte und Interessen schwedischer Bürger im Ausland zu schützen.792 Unklar ist jedoch, ob sich daraus weitergehend auch klagbare Rechtsansprüche des einzelnen ableiten lassen. Das schwedische Schrifttum plädiert in dieser Hinsicht zum Teil für eine differenzierende Lösung: Der einzelne könne zwar eine Entscheidung, mit der ihm der schwedische Staat diplomatischen Schutz versage, nicht unmittelbar gerichtlich angreifen. Ihm müsse jedoch zumindest ein Schadenersatzanspruch zugesprochen werden, wenn sich die Schutzversagung im nachhinein als evident rechtswidrig erweise.793 Andere Autoren halten demgegenüber auch Staatshaftungsansprüche im Bereich der auswärtigen Gewalt grundsätzlich für ausgeschlossen.794 f) Ausblick: Der Beitrag der Beitrittskandidaten zu einem gemeineuropäischen Schutzmodell Die schrittweise Aufnahme der dreizehn offiziellen Beitrittskandidaten in die EU wird den Kreis der vergleichend zu berücksichtigenden Rechtskulturen in den nächsten Jahren beträchtlich vergrößern. Es lässt sich allerdings 790 So etwa von Andrés Sáenz de Santa María, ADI III (1976), S. 321, 324; Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, Rn. 80 – Zurückhaltender demgegenüber Canotilho/ Moreira, Constituição, Art. 14 Rn. B I, die diese Norm eher als allgemeinen Auftrag zur Förderung und Berücksichtigung der Interessen portugiesischer Gastarbeiter verstehen. 791 Nach GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I S. 1198, 1813/Rn. 93 sind unmittelbare Klagen gegen diplomatische Akte im portugiesischen Recht grundsätzlich ausgeschlossen. Auch die portugiesische Botschaft bestätigte auf Anfrage des Verf. im Frühjahr 2003, dass bei unzureichenden Schutzaktivitäten allein die Möglichkeit einer Entschädigungsklage bestehe. 792 Statens offentliga utredningar, Consular Assistance, S. 3 ff. unter Hinweis auf das Verwaltungsverfahrensgesetz und entsprechende Verwaltungsvorschriften. 793 Eek, in: Festskrift Sundberg, S. 87, 101. Vgl. auch die vergleichende Übersicht zum skandinavischen Rechtsraum bei Seyersted, ScStudL 12 (1968), S. 120, 129 ff. 794 So etwa Petrén, in: Haftung des Staates, S. 543, 550.

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nur schwer prognostizieren, welche Impulse hiervon speziell für den Bereich des diplomatischen Schutzes ausgehen werden. Dies gilt umso mehr, als sich bislang noch in keinem der Beitrittsstaaten eine gefestigte Protektionspraxis entwickelt zu haben scheint.795 Bemerkenswert ist immerhin, dass die betreffenden Rechtsordnungen vielfach ausdrücklich verfassungsrechtliche Regelungen zum Auslandsschutz vorsehen. So bestimmt beispielsweise Art. 36 der polnischen Verfassung: „Während des Aufenthalts im Ausland hat der polnische Staatsbürger das Recht auf Schutz seitens der Republik Polen.“796 Auch nach der ungarischen Verfassung ist jeder ungarische Staatsbürger „berechtigt, während seines gesetzmäßigen Auslandsaufenthalts Schutz durch die Republik Ungarn zu beanspruchen.“797 Ähnliche, wenngleich stärker objektiv ausgerichtete Bestimmungen finden sich auch in Bulgarien798 sowie in den drei baltischen Republiken Estland799, Lettland800 und Litauen801. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang überdies auf eine Reihe paralleler Regelungen in den Verfassungen von Slowenien802, Rumä795 Eingehend zu den geschichtlichen Ursachen hierfür Malenovsky, in: Protection diplomatique, S. 93, 93 ff. 796 „Podczas pobytu za granica obywatel polski ma prawo do opieki ze strony Rzeczypospolitej Polskiej“. 797 Art. 69 Abs. 3 der ungarischen Verfassung: „Minden magyar állampolgár jogosult arra, hogy törvényes külföldi tartózkodásának ideje alatt a Magyar Köztársaság védelmét élvezze“. Die näheren Einzelheiten dazu regelt das Gesetz XLVI/2001 über den konsularischen Schutz: Danach haben sowohl ungarische Staatsbürger als auch Unionsbürger ausdrücklich „Anspruch auf konsularischen Schutz“ (§ 3 Abs. 1 bzw. 5). Zweifelhaft ist allerdings, ob entsprechendes auch für den diplomatischen Schutz gilt und ob im Streitfall über die in § 19 Abs. 4 angesprochenen verwaltungsinternen Beschwerdemöglichkeiten hinaus ggf. auch gerichtliche Schritte möglich wären. 798 Vgl. Art. 25 Abs. 5 der bulgarischen Verfassung: „Die im Ausland lebenden bulgarische Staatsangehörigen stehen unter dem Schutz der Republik Bulgarien.“. 799 Vgl. Art. 13 UAbs. 1 der estnischen Verfassung: „Igaühel on õigus riigi ja seaduse kaitsele. Eesti riik kaitseb oma kodanikku ka välisriikides.“ („Jedermann soll das Recht auf Schutz durch Staat und Gesetz haben. Der estnische Staat soll seine Bürger auch in ausländischen Staaten schützen.“). 800 Art. 98 S. 2 Verfassung der Republik Lettland: „Ikviens, kam ir Latvijas pase, ârpus Latvijas atrodas valsts aizsardzîbâ, un viòam ir tiesîbas brîvi atgriezties Latvijâ.“ („Jeder, der Inhaber eines lettischen Passes ist, wird im Ausland vom lettischen Staat geschützt und hat das Recht auf freie Rückkehr nach Lettland.“). 801 Art. 13 S. 1 der litauischen Verfassung: „Lietuvos valstybe globoja savo piliecius uzsienyje.“ („Der litauische Staat soll seine Bürger im Ausland schützen.“). 802 Vgl. Art. 5 S. 3 der slowenischen Verfassung: „[Der Staat] sorgt für die angestammten slowenischen Minderheiten in benachbarten Staaten sowie für die slowenischen Arbeitnehmer im Ausland; er fördert deren Beziehungen zur Heimat“. Gegen ein subjektives Recht auf Schutz dürfte hier neben dem Wortlaut vor allem sprechen, dass die betreffende Regelung systematisch nicht dem Grundrechtskapitel, sondern den objektiven Staatszielbestimmungen zugeordnet wurde.

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nien803 und der Türkei804. Zweifelhaft ist allerdings, ob sich aus diesen Bestimmungen tatsächlich auch ein einklagbares Recht auf diplomatischen Schutz ableiten lässt.805 Dies gilt vor allem für die drei letztgenannten Verfassungsnormen, die dem Wortlaut nach eher allgemeine sozial- und kulturpolitische Fragen als spezifische Ansprüche im Bereich des diplomatischen Schutzes im Blick zu haben scheinen. Selbst für die eingangs zitierten Bestimmungen der polnischen bzw. ungarischen Verfassung ist eine subjektivrechtliche Auslegung keineswegs gesichert. Auch hier bleibt vielmehr zunächst abzuwarten, ob die traditionelle Zurückhaltung gegenüber subjektiven Schutzansprüchen806 nunmehr unter dem Eindruck der zwischenzeitlichen politischen und verfassungsrechtlichen Umbrüche tatsächlich aufgegeben wird. g) Zwischenergebnis Eine einheitliche europäische Verfassungstradition im Bereich diplomatischer Schutzansprüche ist nach alledem nicht ohne weiteres nachweisbar. Zwar besteht im Ausgangspunkt durchaus Einigkeit über die Notwendigkeit, die eigenen Bürger vor völkerrechtswidrigen Schädigungen durch dritte Völkerrechtssubjekte zu bewahren. Die Frage, ob es sich bei diesem Ziel um eine echte Rechtspflicht unter Einschluss korrespondierender Beistandsansprüche der betroffenen Individuen handelt, wird jedoch in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich beurteilt: • Eine Reihe von Ländern gewährt geschädigten Staatsangehörigen das Recht, unmittelbar gegen eine mögliche Schutzversagung zu klagen. Das zentrale Problem der Bewahrung einer ausreichenden außenpolitischen Gestaltungsfreiheit der Regierung wird dabei durch eine entsprechende Begrenzung der Anspruchs- und Kontrolldichte gelöst. Der individuelle 803 Vgl. Art. 7 der rumänischen Verfassung: „Der Staat unterstützt die Festigung der Verbindungen mit den Rumänen, die außerhalb der Landesgrenzen leben, und wirkt für die Wahrung, Entwicklung und Äußerung ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität, unter Beachtung der Gesetzgebung des Staates, dessen Bürger sie sind“. 804 Artikel 62 der türkischen Verfassung: „Der Staat trifft die notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Einheit der Familie der im Ausland arbeitenden türkischen Staatsbürger, der Erziehung ihrer Kinder, ihrer kulturellen Bedürfnisse und ihrer sozialen Sicherheit, zum Schutz ihrer Bindungen an das Vaterland und zur Hilfestellung bei ihrer Rückkehr in die Heimat“. 805 Skeptisch dazu Bennouna, UN-Dok. A/CN.4/484, Rn. 48; Dugard, UN-Dok. A/CN.4/506, Rn. 80; Malenovsky, in: Protection diplomatique, S. 93, 96 ff. 806 Vgl. für die kommunistische Zeit beispielsweise Skubiszewski, in: Individual Rights, S. 416, 433 (bzgl. Polen); Pál, Külpolitika 87/4, S. 12, 31 (bzgl. Ungarn). Eingehend zum Ganzen und speziell zur tschechischen Rechtslage Malenovsky, in: Protection diplomatique, S. 93, 93 ff.

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Schutzanspruch ist in diesen Rechtssystemen nicht auf ein unbedingtes diplomatisches Einschreiten gerichtet, sondern allein auf eine rationale und ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Schutzbegehren. Dies gilt insbesondere für Deutschland, wo ein solches Anspruchsverständnis traditionell besonders ausgeprägt war. Auch die britische und niederländische Rechtsprechung orientierte sich in den letzten Jahren zunehmend an vergleichbaren Modellen. • Andere Mitgliedstaaten entziehen Fragen des diplomatischen Schutzes demgegenüber grundsätzlich jeder Form gerichtlicher Kontrolle. Die Berührung außenpolitischer Gestaltungsinteressen führt hier also schon zu einem absoluten Prozesshindernis auf Zulässigkeitsebene. Als Grund dafür wird regelmäßig vor allem die besondere Sensibilität der betroffenen Materie und das Fehlen ausreichender rechtlicher Maßstäbe angeführt. Staatsangehörige der betreffenden Staaten (vor allem Frankreich, Griechenland, Belgien und Luxemburg) haben damit im praktischen Ergebnis bislang keine Möglichkeit, gegen eine Schutzversagung vorzugehen. • Eine weitere Gruppe von Staaten, zu der neben Spanien und Österreich auch Portugal, Italien und Schweden zu zählen sein dürften, verneint zwar die unmittelbare Klagbarkeit von Schutzansprüchen auf der Primärebene. Die meisten dieser Staaten gestehen ihren Angehörigen jedoch verschuldensunabhängige Ausgleichsansprüche auf Sekundärebene zu, wenn der gebotene Schutz entgegen legitimer Erwartungen ausbleibt. • Für die verbleibenden Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten lässt sich bislang keine eigenständige Schutzpraxis feststellen. Immerhin jedoch scheint die größte Zahl dieser Staaten den Bereich der auswärtigen Beziehungen nicht grundsätzlich von gerichtlicher Kontrolle freistellen zu wollen, sondern zumindest im Ausgangspunkt von der Zulässigkeit entsprechender Klagen auszugehen. Insgesamt lassen sich damit aus der nationalen Praxis zwei zentrale Weichenstellungen herauskristallisieren. Unterschiedlich beurteilt wird zum einen, ob der diplomatische Schutz überhaupt Individualrechte berührt. Soweit diese Frage bejaht wird, werden dafür verschiedene, sich überlagernde Erklärungsmodelle herangezogen: Neben grundrechtsdogmatische Herleitungen treten vielfach auch staatsangehörigkeitsrechtliche Überlegungen, Vertrauensschutzaspekte und nicht zuletzt traditionelles Verfassungsgewohnheitsrecht. Ein zweites Problem berührt demgegenüber im Kern das Verhältnis von Exekutive und Judikative: Inwieweit unterliegen außenpolitische Fragen überhaupt richterlicher Kontrolle? Auch hier lassen sich große nationale Unterschiede feststellen. Einige Staaten plädieren für einen völligen Ausschluss der Justiziabilität, andere differenzieren zwischen Primär- und Sekundärebene, wiederum andere beschränken lediglich die materielle Kon-

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trolldichte. Welcher dieser widerstreitenden Wege der am besten für die EG geeignete ist und welche Bedeutung dabei speziell den Gemeinschaftsgrundrechten zukommt, lässt sich an dieser Stelle noch nicht abschließend einschätzen. Eine fundierte Antwort auf diese Frage ist erst möglich, wenn dabei auch weitere einschlägige Erkenntnisquellen in Betracht gezogen werden, so vor allem die Parallelbestimmungen in Art. 20 EGV und Art. 46 Grundrechtecharta sowie die Auslegungsgrundsätze der EMRK. 3. Art. 20 EGV/Art. 46 Grundrechtecharta als weiterführende Erkenntnisquellen Als weiterführende Erkenntnisquelle kommen zunächst Art. 20 EGV und Art. 46 Grundrechtecharta in Betracht. Zwar regeln beide Normen ihrem unmittelbaren Gegenstand nach allein Fragen der Schutzgewähr durch die Mitgliedstaaten.807 Möglicherweise verbürgen sie dabei jedoch allgemeine gemeinschaftsrechtliche Grundsätze, die als solche auch für die EG selbst Geltung beanspruchen könnten. Der genaue Regelungsgehalt von Art. 20 EGV und Art. 46 Grundrechtecharta ist in der Literatur bis heute umstritten. So werden diese Normen in der französischsprachigen Diskussion zum Teil als Indiz dafür angeführt, dass das Gemeinschaftsrecht keinen Raum für subjektive Schutzansprüche lasse: Schon der Wortlaut mache deutlich, dass es nicht um ein einklagbares subjektives Recht des einzelnen gehe, sondern allein um den indirekten „Genuss“ eines staatlichen Vorrechts.808 Demgegenüber wird im deutschsprachigen Raum zum Teil die Ansicht vertreten, dass aus den genannten Artikeln umgekehrt sogar ein einklagbares und unmittelbar anwendbares Recht auf Schutz abzuleiten sei.809 Zwar verweise Satz 2 des heutigen Art. 20 EGV ausdrücklich auf die Notwendigkeit weiterer mitgliedstaatlicher Vereinbarungen. Trotz dieses Ausgestaltungsvorbehalts sei die Anordnung jedoch hinreichend klar und bestimmt, um subjektive Rechte zugunsten der einzelnen Unionsbürger zu begründen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund des „Gemeinschaftsgrundrechts auf effektiven Rechtsschutz“, das 807

Vgl. dazu bereits oben S. 45 ff. Magnette, Citoyenneté européenne, S. 184 f.: „Le citoyen de l’Union ‚bénéficie‘ – il n’est pas question de ‚droit‘ – de la protection des autorités diplomatiques et consulaires des autres États membres [. . .]. Il s’agit d’un ‚bénéfice‘ et non d’un ‚droit‘ parce que de déclenchement de la protection diplomatique est un acte discrétionnaire des États, que les citoyens ne peuvent lui imposer et dont ils ne peuvent obtenir l’application par la voie judiciaire“. 809 Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 327 f.; ders., Schutzpflichten, S. 666 ff. Ähnlich aus französischer Sicht aber auch Puissochet, in: Protection diplomatique, S. 115, 118 f. 808

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

221

eine subjektivrechtliche Bewehrung der „Pflicht zum diplomatischen Schutz“ gebiete. Selbst in Mitgliedstaaten, die wie Frankreich von einer rein objektiven Schutztradition ausgingen, könne ein Unionsbürger daher unmittelbar kraft Gemeinschaftsrechts Protektionsansprüche geltend machen.810 Beide Positionen bleiben bei näherer Untersuchung erheblichen Bedenken ausgesetzt. So spricht gegen den völligen Ausschluss individueller Schutzansprüche schon der Umstand, dass sowohl Art. 20 EGV wie auch Art. 46 Grundrechtecharta differenzierend auf die jeweiligen Regelungen für den Schutz eigener Staatsangehöriger verweisen. Eine solche Bezugnahme wäre weitgehend gegenstandslos, wenn das Gemeinschaftsrecht tatsächlich einheitlich eine rein objektive Schutzkonzeption zu Grunde legen würde. Ebenso wenig geben Art. 20 EGV und Art. 46 Grundrechtecharta den Mitgliedstaaten in diesem Rahmen aber auch ein bestimmtes positives Schutzkonzept vor. Die Festlegung der konkreten Bedingungen für ein diplomatisches Tätigwerden bleibt vielmehr schon dem Wortlaut nach allein dem nationalen Recht überlassen. Gleiches gilt auch für Art. 20 S. 2 EGV, wonach die Mitgliedstaaten die „notwendigen Regeln“ vereinbaren. Ziel dieser Vereinbarungen ist dem systematischen Zusammenhang nach nicht die Angleichung der unterschiedlichen Schutzsysteme, sondern allein deren wechselseitige Öffnung für die Bürger anderer Mitgliedstaaten. Ebenso wenig lassen sich im Übrigen auch in der Entstehungsgeschichte des heutigen Art. 20 EGV Anzeichen dafür nachweisen, dass die bestehenden Unterschiede in den nationalen Schutzsystemen durch inhaltliche Mindeststandards vereinheitlicht werden sollten.811 Auch das „Gemeinschaftsgrundrecht auf effektiven Rechtsschutz“ rechtfertigt auf dieser Grundlage kein abweichendes Ergebnis: Ein Anspruch auf effektiven Rechtsschutz kann überhaupt nur dort zum Tragen kommen, wo materielle Rechte des einzelnen in Rede stehen.812 Fehlt es daran wie im vorliegenden Fall, bleibt für entsprechende Rechtsschutzgedanken von vornherein kein Raum. Zu Recht werden Art. 20 EGV und Art. 46 Grundrechtecharta nach alledem von der weitaus herrschenden Ansicht nur im Sinne eines subjektiven Rechts auf Gleichbehandlung verstanden: Beide Bestimmungen gewährten nicht das Recht auf diplomatischen Schutz, sondern bloße Teilhabe daran, wenn und soweit ein solches Recht im betreffenden Mitgliedsstaat bereits existiere.813 Das Gemeinschaftsrecht gebietet demzufolge keine Anglei810

Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 328; ders., Schutzpflichten, S. 667 f. und

952. 811

Vgl. zur Entstehungsgeschichte bspw. Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 5. EuGH Slg. 1968 S. 679, 694; Tonne, Effektiver Rechtsschutz, S. 404. 813 Gautier, in: Constantinesco/Kovar/Simon, Art. 8c C.E. Rn. 12; Haag, in: Groeben/Schwarze, Art. 20 EG Rn. 11 f.; Hatje, in: Schwarze, Art. 20 EGV 812

222

4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

chungen der materiellen Schutzstandards in den einzelnen Mitgliedstaaten. Auch die in der Literatur verschiedentlich geäußerte Erwartung, die Einführung des heutigen Art. 20 EGV werde zumindest faktisch zu einer Annäherung der Schutzpraxis führen, hat sich bislang nicht erfüllt. Grund dafür dürfte neben der geringen Zahl praktischer Anwendungsfälle814 vor allem sein, dass die beteiligten Regierungen die Gefahr eines „protection shopping“ beim schutzfreundlichsten Staat frühzeitig erkannten und ihr durch eine Turnusabrede konsequent entgegenzutreten suchten.815 4. Ansprüche auf diplomatischen Schutz aus der EMRK Schon an früherer Stelle wurde darauf hingewiesen, dass die EMRK nach heute weithin anerkannter Ansicht nicht nur Abwehrrechte, sondern grundsätzlich auch positive Schutzpflichten („positive obligations“) verbürgt. Fraglich ist allerdings, ob der Konvention konkret gerade auch ein individueller Rechtsanspruch auf diplomatischen Schutz durch den eigenen Heimatstaat entnommen werden kann. Hinter der damit angesprochenen Problematik verbergen sich bei näherer Untersuchung zwei notwendig voneinander zu trennende Fallgruppen. So kann die den betroffenen Individuen zugefügte Verletzung zum einen daraus resultieren, dass ein anderer Konventionsstaat gegen die in der EMRK niedergelegten Bestimmungen verstößt. Die abzuwehrenden Völkerrechtsverstöße können zum anderen aber auch von dritten, nicht unmittelbar an die EMRK gebundenen Staaten ausgehen. In beiden Konstellationen stellt sich jeweils die Frage, ob (und gegebenenfalls inwieweit) die so verletzten Individuen einen in der EMRK wurzelnden Anspruch auf Schutz durch ihren Heimatstaat haben. Hinsichtlich der erstgenannten Fallgruppe besteht in der Literatur weithin Einigkeit darüber, dass die EMRK keine derartigen Schutzansprüche begründet.816 Denn das verletzte Individuum verfüge hier nach Art. 25 EMRK bzw. Art. 34 des 11. Zusatzprotokolls über die Möglichkeit, selbst Rn. 11 ff. und 18 f.; Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 22 und 31; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 257; Kluth in: C/R, Art. 20 EGV Rn. 16 f. und 23; Magiera, in: Grundrechtecharta, Art. 46 Rn. 10 f.; ders., in: Streinz, EUV/EGV, Art. 20 EGV Rn. 11 f.; Monar/Bieber, Unionsbürgerschaft, S. 53; Obwexer, ecolex 1996, S. 323, 327; Ruffert, AVR 35 (1997) S. 459, 472; T. Stein, in: Der diplomatische Schutz, S. 97, 104 f. 814 Accorsi, Citoyenneté européenne, S. 41. 815 Hilf, in: G/H I, Art. 20 EGV Rn. 24. Kritisch dazu T. Stein, in: Der diplomatische Schutz, S. 97, 105. 816 Bleckmann, in: FS Bernhardt, S. 309, 314 f.; Geck, in: ZaöRV 17 (1956/57), S. 476, 512 f.; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 164; Oberthür, Anspruch, S. 7; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 37.

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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eine Individualbeschwerde einzulegen. Es könne sich daher auch ohne weitergehende staatliche Hilfe in ausreichendem Maße gegen das Verhalten des Verletzerstaats zur Wehr setzen, zumal ihm dazu inzwischen sogar der unmittelbare Zugang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eröffnet wurde. Ohnedies fehlt jeder konkrete normative Ansatzpunkt für die Annahme, dass die EMRK in solchen Fällen einen weitergehenden Anspruch auf diplomatischen Schutz durch den Heimatstaat vorsehen könnte. Die in der EMRK und dem 11. Zusatzprotokoll genannten spezifischen Zulässigkeitsvoraussetzungen für Individualbeschwerden sprechen im Gegenteil klar gegen eine solche Ausweitung des Abwehrinstrumentariums. Sie könnten den ihnen zugedachten steuernden Charakter nicht bewahren, wenn die betroffenen Individuen beliebig zwischen einem diesen Schranken unterliegenden Vorgehen und weitergehendem diplomatischem Schutz durch den eigenen Heimatstaat wählen könnten.817 Näherer Untersuchung bedarf jedoch die zweitgenannte Fallgruppe von Völkerrechtsverletzungen, die durch außenstehende Drittstaaten begangen werden. Tatsächlich lässt sich hier schwerlich argumentieren, dass das geschädigte Individuum selbst bereits über ausreichende Abwehrmöglichkeiten gegenüber dem Verletzerstaat verfüge. Mangels objektiver Rechtsschutzmöglichkeiten lässt sich Wiedergutmachung in diesen Fällen vielmehr häufig erst durch diplomatische Schutzmaßnahmen des jeweiligen Heimatstaates erreichen. Umgekehrt spricht die fehlende Bindung des Verletzerstaats an die EMRK nicht von vornherein gegen die Möglichkeit konventionsrechtlicher Abwehr- und Schutzansprüche. So könnte man etwa argumentieren, dass die Konventionsstaaten nicht nur im Innen-, sondern auch im Außenbereich jeweils für den bestmöglichen Erhalt der konventionsrechtlich geschützten Güter und Interessen ihrer Staatsangehörigen einzutreten haben. Bleibe der betreffende Staat in solchen Fällen untätig, verletze er damit selbst die EMRK. Zweifelhaft ist allerdings, ob sich ein solcher Handlungsauftrag tatsächlich im Konventionsrecht nachweisen lässt. Eine ausdrückliche Festlegung dieses Inhalts findet sich weder in der EMRK noch in einem der nachfolgenden Zusatzprotokolle. Möglicherweise lassen sich entsprechende Schutzpflichten aber durch Auslegungen der einzelnen Menschenrechtsverbürgungen gewinnen: Könnte etwa das in Art. 3 EMRK enthaltene Folterverbot oder die Eigentumsgarantie aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls ihrem Sinn nach nicht auch außenpolitische Konsequenzen von den einzelnen Konventionsstaaten fordern? Für ein dahingehendes Verständnis spricht vor allem, dass die von einem Drittstaat ausgehenden Völkerrechtsverstöße faktisch zu erheblichen Beeinträchtigungen der als schützenswert anerkannten Rechtsgüter führen kön817

Bleckmann, in: FS Bernhardt, S. 309, 314.

224

4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

nen. Dieser Umstand gewinnt weiter an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass der EGMR Schädigungshandlungen, die von Dritten ausgingen, in anderen Zusammenhängen bereits mehrfach in den Anwendungsbereich der EMRK einbezogen hat. Der Gerichtshof stellte in diesen Fällen jeweils ausdrücklich klar, dass die Konventionsstaaten prinzipiell auch zur Abwehr indirekter Rechtsgutsbeeinträchtigungen verpflichtet seien.818 Auf der anderen Seite darf nicht übersehen werden, dass sich die hier untersuchten Konstellationen in einer Hinsicht grundlegend von diesen Vergleichsfällen unterscheiden: In allen vom Gerichtshof entschiedenen Fällen stand jeweils fest, dass der verklagte Konventionsstaat die Möglichkeit gehabt hätte, durch ein rechtzeitiges Eingreifen das schädigende Privathandeln sicher zu unterbinden und die in Rede stehende Verletzung damit aus eigener Kraft abzuwenden. Diese Ausgangslage aber ist im Bereich des diplomatischen Schutzes regelmäßig nicht gegeben. Angesichts der prinzipiellen Gleichordnung aller Völkerrechtssubjekte und des ergänzenden Gewaltverbots in den internationalen Beziehungen lassen sich Rechtsverletzungen hier vielmehr grundsätzlich nicht durch einseitige Interventionen verhindern. Diplomatische Schutzmaßnahmen können einen Verletzerstaat also bestenfalls risikomindernd beeinflussen, ihn aber keinesfalls gegen seinen Willen zum Unterlassen der jeweiligen Schädigungshandlung zwingen. Rechtfertigt dies allein aber bereits den völligen Ausschluss jeglicher grundrechtlichen Schutzansprüche? Die damit angesprochene Problematik beschäftigte die Europäische Menschenrechtskommission (EKMR) erstmals Mitte der siebziger Jahre, als ein britischer Bürger rügte, dass ihn seine Regierung nicht ausreichend vor politischen Zensurmaßnahmen der UdSSR bewahrt habe. Nach Abwägung der widerstreitenden Argumente gelangte die EKMR zu einem bis heute prägenden Ergebnis: Die Konvention verbürge kein Recht auf diplomatische Protektion oder sonstige individualschützende Maßnahmen gegenüber den Behörden eines anderen Staates.819 Ein solches Recht könne insbesondere nicht aus Art. 1 EMRK abgeleitet werden, dem zufolge „die Hohen Vertragsschließenden Teile [. . .] allen ihrer Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen die in Abschnitt I dieser Konvention niedergelegten Rechte und Freiheiten zu[sichern]“. Zwar knüpfe diese Bestimmung bewusst nicht an das Staatsgebiet, sondern allein an die Ausübung eigener Herrschaftsgewalt an. Ein Konventionsstaat sei deshalb unter Umständen auch für schädi818

Vgl. dazu bereits oben Fn. 638. EKMR DR 14, S. 117, 123 f. Seither ständige Rechtsprechung, vgl. EKMR DR 40, S. 291, 293 f.; EKMR DR 54, S. 201, 203 sowie die unter veröffentlichten EKMR-Nichtzulassungsentscheidungen Nr. 12920/87 v. 13.12.1988, S. 3; Nr. 13613/88 v. 8.9.1988, S. 3 f.; Nr. 25045/94 v. 12.4.1996, S. 3; Nr. 38985/97 v. 9.9.1998, S. 4; Nr. 38698/97 v. 21.5.1998, S. 4 f. 819

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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gende Handlungen oder Unterlassungen verantwortlich, die außerhalb seines Territoriums geschähen oder sich dort auswirkten.820 Voraussetzung für eine solche Verantwortungszurechnung sei jedoch in jedem Fall, dass die gerügte Verletzung im Kern durch ein souveränes Tun oder Unterlassen des Konventionsstaates hervorgerufen worden sei. Der bloße Aufenthalt des „Opfers“ im Herrschaftsraum eines solchen Staates oder das Unterlassen diplomatischer Abwehrmaßnahmen genüge dazu nicht.821 In einer Reihe weiterer Entscheidungen wandte die EKMR diese Grundsätze auch auf andere Sachverhalte an: Der Anwendungsbereich der Konvention werde jedenfalls nicht allein dadurch eröffnet, dass ein Konventionsstaat – wie im Falle der deutsch-polnischen Annäherung – trotz vorausgegangener Menschenrechtsverletzungen später wieder freundschaftliche Kontakte zu dem betreffenden Verletzerstaat aufbaue. Denn die Anwendung der EMRK setzte eine direkte und ausreichend kausale Beziehung („a direct and sufficient causal relationship“) zwischen dem Beschwerdegegenstand und der gerügten Rechtsverletzung voraus, die jedenfalls nicht allein durch nachfolgende Freundschaftsbekundungen oder völkerrechtliche Verträge begründet werde.822 Ähnliche Überlegungen lassen sich im Übrigen auch in der Rechtsprechung des EGMR selbst nachweisen. Grundlegende Bedeutung hat hier vor allem das „Soering“-Urteil aus dem Jahre 1989, in dem der Gerichtshof ausdrücklich feststellte, dass die Konvention nicht für drittstaatliches Handeln gelte. Kein Konventionsstaat sei deshalb dazu verpflichtet, die 820

Vertiefend zur daraus folgenden Abgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs der Konvention EGMR Publ. Ser. A Vol. 310 S. 23 f./Rn. 62; EKMR DR 2, S. 72, 73; DR 2, S. 125, 136 f.; Frowein, in: Frowein/Peukert, Art. 1 Rn. 4 ff.; Lombaert, in: Exceptions préliminaires, S. 137 ff. – Zum Sonderproblem der Anerkennung konventionsrechtswidriger ausländischer Gesetze und Entscheidungen darüber hinaus Engel, RabelsZ 53 (1989), S. 1, 33 f. 821 EKMR DR 14, S. 117, 124: „It has therefore concluded that [. . .] the act or omission forming the substantive basis of the alleged violation of the Convention must be one falling within the jurisdiction of the Contracting State, at least in the sense that it constitutes an exercise of ‚jurisdiction‘ by that state or a failure to exercise lawful jurisdiction in the sense of sovereign power. It is not sufficient that the ‚victim‘ alone is within that state’s jurisdiction. Accordingly, even though [. . .] Article 10 of the Convention guarantees the right to receive and impart information ‚regardless of frontiers‘, this does not imply any right to intervention in respect of the acts of a non-contracting state for which the Contracting State is in no way responsible.“ (Hervorhebung v. Verf.). 822 EKMR DR 12, S. 111, 128 f. Ebenso die unter veröffentlichten EKMR-Zulässigkeitsentscheidungen Nr. 24928/94 v. 20.11.1994, S. 4; Nr. 22353/93 v. 18.10.1995, S. 5; Nr. 25045/94 v. 12.4.1996, S. 3 f. – Hilfsweise verwies die EKMR in den beiden letztgenannten Entscheidungen zudem darauf, dass die Konventionsstaaten im Bereich der internationalen Verträge ohnedies über einen weiten Ermessensspielraum verfügten.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

EMRK-Verbürgungen gegenüber außenstehenden Staaten durchzusetzen.823 Der Anwendungsbereich der EMRK sei hier erst eröffnet, wenn eine der Vertragsparteien durch aktives Handeln (im konkreten Fall durch Auslieferung eines von Folter und Todesstrafe bedrohten Individuums) selbst gefahrschaffend wirke.824 Die gleichen Prämissen legte der EGMR Ende 2001 im Fall „Al-Adsani“ zu Grunde. Darin stellte er fest, dass die EMRK nicht schon dadurch verletzt werde, dass ein Konventionsstaat folternden Drittstaaten auf seinem Gebiet gerichtliche Immunität zubillige.825 Hier wie dort sei ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen dem konventionsstaatlichen Handeln und der materiell gerügten Menschenrechtsverletzung nicht ersichtlich. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die in der EMRK verbürgten Menschenrechte im Bereich der Außenpolitik nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein Konventionsstaat unmittelbar kausalen Einfluss auf die Wahrung geschützter Rechtsgüter und Interessen nehmen kann. Die bloße Möglichkeit, durch außenpolitische Schritte zur Verringerung der von Drittstaaten ausgehenden Verletzungsrisiken beizutragen, genügt in diesem Zusammenhang dagegen nach ständiger Rechtsprechung beider Straßburger Gremien nicht. Ein Anspruch auf diplomatischen Schutz aus der EMRK scheidet damit von vornherein aus.826 Erst recht kann der Konvention vor diesem Hintergrund auch kein Anspruch auf Nachprüfung diplomatischer Schutzentscheidungen durch die nationalen Gerichte entnommen werden, worauf die Menschenrechtskommission mehrfach hinwies. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK gewähre das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz nur dort, wo das nationale Recht selbst bereits einschlägige Ansprüche vorsehe.827 Zudem sei der Streit über die Ausübung diplomatischer Schutzrechte auch nicht unmittelbar entscheidend für „zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen“, wie dies von der EMRK gefordert werde: Die staatliche Di823 EGMR Publ. Ser. A Vol. 161, S. 33 f./Rn. 86: „Further, the Convention does not govern the actions of States not Parties to it, nor does it purport to be means of requiring the Contracting State to impose Convention standards on other States“. 824 Ebd., S. 35 f./Rn. 91: „In so far as any liability under the Convention is or may be incurred, it is liability incurred by the extraditing Contracting State by reason of its having taken action which has as a direct consequence the exposure of an individual to proscribed ill-treatment.“ (Hervorhebung v. Verf.). Ebenso für den Fall einer aktiven Auslieferung schon EKMR DR 14, S. 117, 124. 825 EGMR, Urteil 35763/97 v. 21.11.2001, Rn. 35 ff. . 826 So i. E. auch Bleckmann, in: FS Bernhardt, S. 309, 315; Peukert, in: Frowein/ Peukert, Art. 1 des 1. ZP Rn. 43; Randelzhofer, in: M/D, Art. 16 Abs. 1 Rn. 37; Ress, in: Protection diplomatique, S. 121, 139 ff. – Kritisch demgegenüber Szczekalla, Schutzpflichten, S. 862 ff. 827 EKMR Zulässigkeitsentscheidung Nr. 12822/87 v. 9.12.1987, S. 4 f. .

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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plomatie könne allenfalls mittelbar zu einer zivilrechtlichen Wiedergutmachung der entstandenen Schäden beitragen.828 5. Wertende Zusammenschau: Existenz und Reichweite diplomatischer Schutzansprüche gegenüber der EG Die vorangestellten Überlegungen zeigen eine überraschende Vielzahl unterschiedlicher Lösungen im Umgang mit diplomatischen Schutzansprüchen. Nahezu jede Rechtsordnung beantwort die beiden oben herausgearbeiteten Grundfragen (Inwieweit berührt der diplomatische Schutz überhaupt Individualrechte? Inwieweit unterliegt seine Ausübung richterlicher Kontrolle?) auf andere, eigenständig kombinierte Weise. Einheitliche gemeineuropäische Grundtendenzen lassen sich dabei nur in begrenztem Umfange nachweisen. Gleichwohl sind zusammenfassende Schlussfolgerungen für die Behandlung der aufgeworfenen Fragen auf Gemeinschaftsebene keineswegs ausgeschlossen. Denn der konkrete Umfang der Gemeinschaftsgrundrechte ist ohnedies nicht durch bloß empirische Auswertung der europäischen Parallelrechtsordnungen zu bestimmen. Nach den vom EuGH entwickelten allgemeinen Herleitungsregeln kommt es vielmehr auf das Ergebnis eines wertenden Rechtsvergleichs an.829 Entscheidend ist dabei nicht, ob ein bestimmtes Konzept von allen Mitgliedstaaten geteilt wird, sondern ob es sich seiner Natur nach bestmöglich in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaftsrechtsordnung einfügt. Mit dieser Maßgabe soll im Folgenden zunächst untersucht werden, ob die oben dargestellte gemeinschaftsrechtliche Schutzpflichtendogmatik auch ausländische Gefahrenquellen einschließt [a)]. Zu prüfen ist in diesem Rahmen sowohl die Existenz unmittelbarer Beistandsansprüche [aa)] als auch die Ableitbarkeit sekundärrechtlicher Regresspflichten im Falle unzureichender Schutzaktivitäten [bb)]. Soweit danach grundsätzlich Raum für entsprechende Ansprüche besteht, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage nach deren Justiziabilität. Inwieweit unterliegt der hier untersuchte Bereich trotz seiner außenpolitischen Bezüge gerichtlicher Kontrolle [b)]?

828

EKMR Zulässigkeitsentscheidung Nr. 13613/88 v. 8.9.1988, S. 4 f. . 829 Vgl. schon oben Fn. 629 zur generellen Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

a) Ausländische Gefahrenquellen als Teil der gemeinschaftsrechtlichen Schutzpflichtendogmatik Die Frage, ob die Grundrechte dem Einzelnen grundsätzlich Anspruch auf Schutz vor ausländischen Gefahrenquellen vermitteln, wird nach den vorangehenden Ausführungen von Rechtsordnung zu Rechtsordnung unterschiedlich beantwortet. So werden solche Ansprüche von den Organen der EMRK grundsätzlich abgelehnt, während sie umgekehrt in der deutschen und zunehmend auch in der spanischen Rechtswissenschaft gerade als essentieller Bestandteil der Schutzpflichtkonzeption verstanden werden. Vergleicht man die von beiden Seiten vorgebrachten grundrechtsdogmatischen Argumente, sprechen die besseren Gründe für die letztgenannte Position. Denn tatsächlich besteht kein Anlass, hier von den sonst allgemein anerkannten Überlegungen zur Herleitung grundrechtlicher Schutzansprüche abzuweichen. Erkennt man nämlich im Ausgangspunkt an, dass den grundrechtlichen Rechtsgütern eine so hohe Bedeutung für die freie Entfaltung der menschlichen Würde und Identität zukommt, dass sie in jeder Lebenslage effektiv geschützt werden müssen, können ausländische Gefahrenquellen hierbei nicht pauschal ausgeblendet bleiben. Eingriffe von Seiten anderer Staaten können sich vielmehr ebenso freiheitsgefährdend auswirken wie hoheitliche Maßnahmen des eigenen Heimatstaates. Das betroffene Individuum ist daher gerade hier in besonderem Maße auf Schutz und Fürsprache angewiesen, wenn die ihm zuerkannten grundrechtlichen Wertpositionen nicht ihrer originären Substanz beraubt werden sollen. Gegen diese Überlegungen scheint zwar auf den ersten Blick zu sprechen, dass das Verletzerregime grundsätzlich nicht an die internen Grundrechtsverbürgungen eines anderen Staates gebunden ist. Doch träfe dieser Einwand gleichermaßen auf die klassischen innerstaatlichen Schutzfälle zu, bei denen die maßgebliche Gefahrenlage von privaten Dritten ausgeht. Auch hier ist der Risikoverursacher regelmäßig nicht direkt zur Wahrung der Grundrechte verpflichtet. Die Abwehr von Gefahren, die durch solche nicht unmittelbar grundrechtsgebundenen Akteure ausgelöst werden, ist also gerade typisch für die gesamte Schutzpflichtkonzeption.830 Auch das von der Europäischen Menschenrechtskommission und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeführte Argument, den Heimatstaat treffe prinzipiell keine Risikoverantwortlichkeit für drittstaatliches Verletzungshandeln, vermag nicht zu überzeugen. Denn wiederum unterscheidet sich die Ausgangslage nicht grundlegend von innerstaatlichen Parallelkonstellationen, in denen die betreffenden Gefahren von privater Seite ausgehen. Die „Risikoverantwortlichkeit“ des schutzpflichtigen Staates beruht in bei830

So zu Recht schon Klein, in: Der diplomatische Schutz, S. 125, 129.

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den Fällen nicht auf dem Vorwurf, dass er die maßgebliche Gefahr aktiv geschaffen habe und damit zum Garanten kraft Ingerenz geworden wäre. Sie ist vielmehr alleiniger Ausdruck einer umfassenden Einstandspflicht für den Erhalt der betroffenen Grundrechtsgüter.831 Denn diese Güter verkörpern die materielle Legitimationsgrundlage des gesamten Staatswesens. Sie sind hierfür von so fundamentaler Bedeutung, dass der auf ihnen aufbauende Heimatstaat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen muss, drohenden Verletzungen – gleich von welcher Seite – rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Der Umstand, dass die tatsächlichen Einflussmöglichkeiten auf andere Staaten dabei angesichts des völkerrechtlichen Gleichordnungsverhältnisses beschränkt sind, steht dem nicht entgegen. Tatsächlich sind auch im innerstaatlichen Raum zahlreiche Situationen denkbar, in denen der hoheitliche Einfluss auf grundrechtliche Gefahrenlagen begrenzt bleibt. So kann ein Staat seinen Bürgern beispielsweise prinzipiell keinen absoluten Schutz vor terroristischen Angriffen oder familiärer Gewalt gewähren. Es wäre dogmatisch wenig überzeugend, die Herleitung grundrechtlicher Schutzpflichten hier schon im Ausgangspunkt davon abhängig zu machen, ob das betreffende Risiko „sicher“ abwendbar ist. Richtigerweise ist allein der Umfang der Schutzpflichten anzupassen: An die Stelle einer absoluten Abwehrpflicht tritt in solchen Fällen das Gebot, im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten risikomindernd tätig zu werden. Nichts anderes kann demzufolge auch für die hier untersuchten Auslandsgefahren gelten. Das Fehlen sicherer Abwehrmöglichkeit entbindet den Heimatstaat also keinesfalls davon, sich mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zumindest um eine Reduzierung der grundrechtlichen Risiken zu bemühen. Dies gilt umso mehr, als die Übergänge zwischen bloßen Risikoverringerungs- und tatsächlichen Abwehrmaßnahmen im völkerrechtlichen Bereich fließend sind. Schon „unverbindliche“ Maßnahmen wie beispielsweise das Einfrieren von Entwicklungshilfegeldern können unter Umständen einen erheblichen faktischen Druck auf den Verletzerstaat ausüben und diesen zu einem Einlenken zu bewegen. Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus die Abschreckungswirkung eines entschlossenen diplomatischen Vorgehens in Bezug auf künftige Verletzungshandlungen. Unabhängig vom Ausgang des konkreten Einzelfalls geht von solchen Maßnahmen in jedem Fall ein Warnsignal für die Zukunft aus, das je nach Lage des Falles sowohl das Verletzerregime selbst als auch mögliche Nachahmer durchaus von weiteren Übergriffen abhalten kann. Es spricht vieles dafür, diese grundrechtsdogmatischen Überlegungen auch auf die Gemeinschaftsgrundrechte anzuwenden.832 Denn der auf dieser 831

Dazu ausführlich schon oben S. 178 ff.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

Ebene verbürgte Schutzauftrag wiese erhebliche Lücken auf, wenn ausländische Gefahrenquellen dabei prinzipiell ausgeklammert blieben. Dies wäre umso problematischer, als die EG gerade im Bereich der Außenpolitik vielfach an die Stelle der Mitgliedstaaten getreten ist. Wichtige völkerrechtliche Einflussmöglichkeiten (wie insbesondere die zentralen handelspolitischen Druckmittel) sind heute vollständig vergemeinschaftet.833 Der Einzelne ist damit gerade hier in besonderem Maße auf ein schützendes Eingreifen der EG angewiesen.834 Ein Ausschluss dieses zentralen Bereichs aus der gemeinschaftsgrundrechtlichen Schutzpflichtendogmatik stünde zudem in Widerspruch zu Art. 2 dritter Gedankenstrich EUV, in dem die gesamte Union ausdrücklich auf das Ziel einer Stärkung des Schutzes der Rechte und Interessen der Angehörigen aller Mitgliedstaaten hin verpflichtet wird. Zu Recht leitete das EP daraus in seiner Stellungnahme zum „EMRK“-Gutachten ab, dass es „Sache der Gemeinschaft sei, dem Unionsbürger einen Schutz seiner Grundrechte zu sichern, der demjenigen gleichwertig sei, den er als Staatsbürger gegenüber staatlichem Handeln genieße.“835 Zwar bedeutet dies nicht, dass die Gemeinschaftsgrundrechte stets an dem weitest gehenden nationalen Schutzmodell auszurichten sind.836 Doch wäre es in jedem Fall problematisch, ganze Politikbereiche und die mit ihnen verbundenen Beistandsmöglichkeiten vollständig von Schutzpflichten auszunehmen, wenn diese Bereiche zuvor (wenigstens in einigen Rechtsordnungen) als grundrechtsgebunden galten. Dies gilt umso mehr, als selbst Mitgliedstaaten, die Auslandsgefahren nicht explizit als Grundrechtsproblem behandeln, ihren Bürgern inzwischen vielfach bestimmte Schutzansprüche auf diesem Gebiet einräumen. So ist vor allem auf die jüngere Rechtsprechung im Vereinigten Königreich837 und 832

So andeutungsweise schon Bleckmann, in: FS Steinberger, S. 1087, 1092 f. (anders noch in CMLR 17 (1980), S. 467, 483); Reszel, Feststellung der Schädigung, S. 18; Suerbaum, EuR 38 (2003), S. 390, 409; Szczekalla, Schutzpflichten, S. 677. 833 Siehe dazu schon oben S. 105 ff. 834 Kaddous, Droit des relations extérieures, S. 177; Folz/Vedder, EJIL 8 (1997) S. 519, 521. 835 Stellungnahme des EP in EuGH Slg. 1996 I, S. 1759, 1773/Rn. 28. 836 So zu Recht Kühling, in: Europäisches Verfassungsrecht, S. 583, 590; Pernice/Mayer, in: G/H I, nach Art. 6 EUV Rn. 49. 837 Tatsächlich ließen sich die Vertrauensschutzüberlegungen des britischen „Abbasi“-Urteils in ähnlicher Form auch auf das Gemeinschaftsrecht übertragen. Anknüpfungspunkte für ein derartiges „Schutzvertrauen“ gäbe es – wie oben im Ersten Teil gezeigt – in vielfacher Hinsicht. So ließe sich für den Fischereibereich beispielsweise an die Antwort von Kommissar Kinnock auf EP-Anfr. H-0411/00 (Sitzungsprotokoll EP v. 16.5.2000 ) anknüpfen: Danach wacht die Kommission darüber, dass die „Rechte aller Fangschiffe auf den offenen Meeren“ gewahrt bleiben. Ähnliches gilt für den Handelsbereich, wo die Kommis-

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den Niederlanden hinzuweisen, wonach den betroffenen Individuen zumindest ein Anspruch auf willkürfreie Entscheidung zustehe. Ähnliche Grundüberlegungen lassen sich aber auch in Spanien sowie in der wissenschaftlichen Diskussion zahlreicher weiterer Mitgliedstaaten (darunter insbesondere Frankreich, Dänemark, Griechenland, Italien, Portugal und Schweden) nachweisen. Zwar verlagert sich dort die Diskussion aus prozessualen Gründen vorwiegend auf das sekundärrechtliche Kriterium des „ausgleichspflichtigen Sonderopfers“. Im Kern jedoch geht es auch in diesem Rahmen allein um die Frage, ob der Staat das getan habe, „was getan werden müsse“.838 Zumindest dieser Kerngedanke eines subjektiven Rechts auf ermessensgerechte Entscheidung über die Gewährung von Auslandsschutz ist danach im europäischen Raum so verbreitet, dass er auch auf der Ebene der Gemeinschaftsgrundrechte nicht schlechthin negiert werden kann. aa) Primäre Beistandsansprüche Damit lässt sich die eingangs aufgeworfene Frage nach der Existenz und Reichweite primärer Beistandsansprüche in Fällen des diplomatischen Schutzes zusammenfassend wie folgt beantworten: Die von einem grundrechtsgefährdenden Völkerrechtsverstoß betroffenen Individuen oder Unternehmen839 haben Anspruch darauf, dass die Gemeinschaftsorgane ihr Hilfsbegehren berücksichtigen und ermessensfehlerfrei bescheiden. Grundlage dieses Anspruchs sind unmittelbar die Gemeinschaftsgrundrechte selbst: Sie legen der EG gerade auch in Bezug auf die von dritten Staaten ausgehenden Gefahren Schutz- und Risikoverminderungspflichten auf. Ein weitergehendes unbedingtes Recht auf Schutz lässt sich aus den Gemeinschaftssion zu ihrem Schutzauftrag beispielsweise ausführte: „The number of commercial defence cases being opened against Community exporters is increasing and there is now a clear need for a more ‚pro-active approach‘ from the Commission to help the EU firms subject to these cases. [. . .] It is clear that the Commission, in terms of expertise and its role as representative of the Community in the WTO, is in a good position to offer assistance in these cases, both for the firms concerned and Member States“ (Kommission, Overview of third country trade defence actions against the community (Stand: 4/02) , S. 3). In Anlehnung an das „Abbasi“-Urteil ließe sich daher durchaus argumentieren, dass es die normale Erwartung jedes Betroffenen seien könne, in derartigen Fällen nicht von der Gemeinschaft im Stich gelassen zu werden. 838 So beispielsweise das spanische Tribunal Supremo in seinem Grundsatzurteil von 1986, REDI 1988 II, S. 175, 176. 839 Sofern man diese prinzipiell als Träger der Gemeinschaftsgrundrechte anerkennt, was in der wissenschaftlichen Diskussion nicht unumstritten ist. Vgl. dazu zuletzt die umfassende Studie von Crones, Grundrechtlicher Schutz; Ehlers, in: Europäische Grundrechte, § 13 Rn. 26; Schwarze, EuZW 12 (2001), S. 517, 518 f.

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grundrechten dagegen nicht herleiten.840 Denn ein solch absoluter Anspruch stünde nicht nur in Widerspruch zu den oben dargestellten gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten. Er würde auch ausblenden, dass die Gewährung von Schutz häufig zu einer Beeinträchtigung widerstreitender Gemeinschaftsbelange führt. So können die eingesetzten Druckmittel je nach ihrer Intensität zu einer deutlichen Verschlechterung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dem betreffenden Drittstaat führen und möglicherweise auch neue Gefahren für die noch vor Ort befindlichen Individuen auslösen. Ein unbedingter Schutzanspruch brächte damit im Ergebnis unübersehbare außenpolitische Risiken für die EG mit sich. Überdies hat die Praxis gezeigt,841 dass sich Schutzfälle häufig nur durch den flexiblen Einsatz unterschiedlichster Druckmittel und Verhandlungsstrategien lösen lassen. Die Gemeinschaftsorgane bedürfen demgemäß auch im Interesse einer effektiven Lösung gewisser Einschätzungs- und Ermessensspielräume bei der Entscheidung über das konkrete Schutzbegehren. Die so umrissenen Beistandsansprüche gelten grundsätzlich für alle Situationen, in denen den Gemeinschaftsorganen ein diplomatisches Einschreiten objektiv möglich ist. Elementare Voraussetzung ist daher stets, dass die EG im konkreten Fall sowohl innergemeinschaftlich zuständig als auch völkerrechtlich schutzbefugt ist. Die in den vorangehenden Teilen untersuchten Grundsätze zur objektiven Schutzberechtigung der Gemeinschaft sind insoweit auch für die subjektive Ebene von zentraler Bedeutung: Sie wirken hier unmittelbar anspruchsbegrenzend. bb) Sekundäre Regressansprüche im Falle unzureichender Schutzgewähr Fraglich ist, ob die EG weitergehend zu sekundärrechtlichem Regress verpflichtet ist, falls sich der von ihr gewährte Schutz als unzureichend erweist oder sie völkerrechtlichen Beistand trotz konkreter Abwehrmöglichkeiten sogar völlig ablehnt. Entsprechende Ersatzansprüche könnten sich möglicherweise aus Art. 288 Abs. 2 EGV / Art. 41 Abs. 3 Grundrechtecharta ergeben. Danach ist die Gemeinschaft verpflichtet, nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, Ersatz für die durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schäden zu leisten. Schadensersatzpflichten in diesem Sinne kommen insbesondere in Betracht, wenn die Gemeinschaftsorgane die oben hergeleiteten grundrechtlichen Schutzpflichten 840 A. A. offenbar Szczekalla, Schutzpflichten, S. 677; ders., EuR 34 (1999), S. 325, 333 f. 841 Vgl. dazu schon oben S. 131 ff.

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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rechtswidrig-schuldhaft verletzen. Denn es ist allgemein anerkannt, dass die Gemeinschaftsgrundrechte schützende Amtspflichten im Sinne des Art. 288 Abs. 2 EGV begründen.842 Schuldhafte Verstöße gegen die aus diesen Grundrechten abzuleitenden Handlungsgebote sind deshalb dem Grunde nach ein klassischer Haftungsfall. Gleiches gilt nach herrschender Ansicht aber auch, wenn das betreffende Organ beziehungsweise der betreffende Bedienstete rechtswidrig-schuldlos handelte.843 Tatsächlich scheint dem Verschuldenserfordernis in der Rechtsprechung des EuGH spätestens seit Anfang der siebziger Jahre keine eigenständige Bedeutung mehr zuzukommen.844 Auch der weit gefasste Wortlaut des Art. 288 Abs. 2 EGV spricht eher für eine umfassende Rechtswidrigkeitshaftung der Gemeinschaft als für eine bloße Verschuldenshaftung: Er fordert grundsätzlich allein einen durch die betreffende Amtstätigkeit verursachten Schaden, nicht aber ein weitergehendes Verschulden.845 Problematisch ist in den hier untersuchten Fällen allerdings das weitergehende Erfordernis eines unmittelbar kausalen Zusammenhangs zwischen dem Handeln beziehungsweise Unterlassen der Gemeinschaftsorgane und dem eingetretenen Schaden. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist insoweit der Nachweis erforderlich, dass der gleiche Schaden nicht auch ohne das rechtswidrige Verhalten auf gleiche Art und Weise eingetreten wäre.846 Ein solcher Nachweis ist in den Fällen des diplomatischen Schutzes jedoch regelmäßig kaum möglich. Denn es ist zumeist ungewiss, ob (und gegebenenfalls wie) der Verletzerstaat auf entsprechende Druckmittel der Gemeinschaft reagiert hätte.847 Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass dem 842

Berg, in: Schwarze, Art. 288 EGV Rn. 39; Gilsdorf/Niejahr, in: Groeben/ Schwarze, Art. 288 EG Rn. 43. 843 v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 EGV Rn. 110; Borchardt, in: Dauses II, P.I Rn. 257; Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 39 ff.; differenzierend Gilsdorf/Niejahr, in: Groeben/Schwarze, Art. 288 EG Rn. 47 ff. – Für verschuldensunabhängige Ersatzansprüche speziell im Bereich des diplomatischen Schutzes Carrera Hernández, RIE 23 (1996), S. 539, 550 f.; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 338 f.; ders., Schutzpflichten, S. 690 ff. 844 Vgl. bspw. EuGH Slg. 1971, 325, 337/Rn. 10; Slg. 1975, S. 533, 546 ff./ Rn. 16 ff.; GA Capotorti, EuGH Slg. 1978, S. 1226, 1232 f./Rn. 5. 845 Auch aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Mitgliedstaaten dürfte sich keine reine Verschuldenshaftung ableiten lassen, vgl. Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 40 f. 846 So beispielsweise im oben dargestellten „Odigitria“-Fall: EuG Slg. 1995 II, S. 2025, 2050 f./Rn. 65 ff. In der Literatur statt vieler v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 EGV Rn. 107. 847 Tatsächlich verneinte GA Lenz (EuGH Slg. 1993 I S. 2170, 2180 f./Rn. 59 ff.) in einem ähnlich gelagerten Fall die Schadenskausalität, da unter den konkreten Umständen vollkommen unklar sei, ob sich die drittstaatlichen Behörden auf die Forderungen der Kommission eingelassen hätten.

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

Einzelnen nach den oben hergeleiteten Überlegungen grundsätzlich kein Anspruch auf den Einsatz bestimmter Schutzmittel zukommt. Erforderlich wäre deshalb bei strenger Betrachtung sogar der Nachweis, dass jede ermessensgerechte Schutzentscheidung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu geringeren Schäden geführt hätte. Das damit angesprochene Problem ließe sich nur umgehen, wenn man – ähnlich wie die spanische Rechtsprechung848 – im hier untersuchten Bereich einen sehr viel weiteren Kausalitätsbegriff zu Grunde legte und es für die Haftung der EG bereits ausreichen ließe, dass ihr Einschreiten möglicherweise zu geringeren Schäden geführt hätte. Es ist allerdings zweifelhaft, ob ein so erweitertes Verständnis vor dem Gerichtshof Bestand hätte. Eindeutige Rechtsprechung speziell zum diplomatischen Schutz existiert bislang nicht. In innergemeinschaftlichen Parallelfällen blieben der EuGH und seine Generalanwälte jedoch bislang eher zurückhaltend. So verneinte das Gericht wiederholt eine eigenständige Haftung der EG für gemeinschaftsrechtswidriges Fehlverhalten der Mitgliedstaaten: Werde der betreffende Mitgliedstaat selbständig und ohne Veranlassung durch ein Gemeinschaftsorgan tätig, könne sein Verhalten der Gemeinschaft nicht haftungsbegründend zugerechnet werden.849 Wenn danach aber schon das Unterlassen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EGV oder anderer innergemeinschaftlicher Aufsichtsmaßnahmen nicht haftungsbegründend wirkt, muss gleiches erst recht auch für das Unterlassen „bloßer“ diplomatischer Schutzmaßnahmen gegenüber dritten Staaten gelten. Auch hier fehlt es danach regelmäßig an einem unmittelbar kausal verursachten Schaden. Zweifelhaft ist, ob das Gemeinschaftsrecht neben dem bislang behandelten Bereich der Rechtswidrigkeitshaftung weitergehend auch Entschädigungspflichten für rechtmäßiges Verhalten kennt. In der Literatur wird die Existenz derartiger Ansprüche zunehmend bejaht.850 Zum Teil wird eine solche Rechtmäßigkeitshaftung dabei ausdrücklich gerade auch für den hier untersuchten Bereich angenommen: Die EG sei zur Entschädigung der Betroffenen verpflichtet, wenn sie im Einzelfall bestimmte Schutzmaßnahmen 848

Vgl. oben S. 204 ff. EuGH Slg. 1990 I, S. 2181, 2185/Rn. 13 ff.; Slg. 1987, S. 3005, 3026 f./ Rn. 18 ff.; EuG Slg. 1998 II, S. 3377, 3404 f./Rn. 67; GA Dutheillet de Lamothe, EuGH Slg. 1971, S. 341, 347 f.; GA Warner, EuGH Slg. 1975, S. 1184, 1190 f. – Demgegenüber hielt GA Roemer (EuGH Slg. 1961, S. 471, 517 f.) das unterlassene Einschreiten der Hohen Behörde gegenüber dem Mitgliedstaat noch für haftungsbegründend kausal. Vertiefend zu diesem Parallelproblem v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 EGV Rn. 55 ff. und 79; Czaja, Außervertragliche Haftung, S. 112 ff. 850 Eingehend dazu Haack, Außervertragliche Haftung; befürwortend darüber hinaus bspw. auch Berg, in: Schwarze, Art. 288 EGV Rn. 51 ff.; v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 EGV Rn. 94 ff.; Gilsdorf/Niejahr, in: Groeben/Schwarze, Art. 288 EG Rn. 89 ff. – A. A. demgegenüber noch Borchardt, in: Dauses II, P.I. Rn. 249 f. 849

C. Anspruch auf diplomatischen Schutz durch die EG

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unterlasse, weil sie (ermessensfehlerfrei) von einem Überwiegen der betroffenen Gemeinschaftsinteressen ausgehe.851 Der Gerichtshof blieb in dieser Hinsicht bislang deutlich zurückhaltender und ließ die Existenz einer generellen Rechtmäßigkeitshaftung sowohl allgemein wie auch speziell im Kontext des diplomatischen Schutzes852 ausdrücklich offen. Er entwickelte allerdings vorsorglich bereits einen Katalog konkreter Tatbestandsmerkmale, an die eine verschuldensunabhängige Rechtmäßigkeitshaftung jedenfalls gebunden sei: „Soweit der Grundsatz einer solchen Haftung im Gemeinschaftsrecht anerkannt sein sollte, würde diese jedenfalls voraussetzen, dass drei Voraussetzungen – tatsächliches Vorliegen des angeblich entstandenen Schadens, ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Schaden und dem den Gemeinschaftsorganen zur Last gelegten Handeln sowie Qualifikation des Schadens als außergewöhnlicher und besonderer Schaden – nebeneinander erfüllt sind.“853 Nach diesen Grundsätzen muss eine Rechtmäßigkeitshaftung der EG in den hier untersuchten Fällen des diplomatischen Schutzes von vornherein ausscheiden. Denn regelmäßig fehlt – ähnlich wie schon oben – bereits die vom EuGH ausdrücklich geforderte Schadenskausalität. Überdies lässt sich die vom Opfer der Völkerrechtsverletzung erlittene Einbuße auch nicht als „außergewöhnlicher und besonderer Schaden“ im eben genannten Sinne verstehen. Erforderlich dafür wäre nach den Feststellungen des Gerichtshofs, dass die Einbusse „eine besondere Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern gegenüber den anderen unverhältnismäßig belasten (besonderer Schaden) und die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken, die der Tätigkeit in dem betroffenen Sektor innewohnen, überschreiten würde (außergewöhnlicher Schaden), ohne dass die dem geltend gemachten Schaden zugrunde liegende Regelung durch ein allgemeines wirtschaftliches Interesse gerechtfertigt wäre.“854 Ein derartiges unverhältnismäßig belastendes „Sonderopfer“ liegt jedoch in den hier angesprochenen Fällen rechtmäßiger Schutzversagung von vornherein nicht vor. Denn das Gemeinschaftsrecht gewährt nach den vorangestellten Überlegungen allein einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung. Ein weitergehendes Recht auf diplomatisches Einschreiten besteht demgegenüber gerade nicht. Bei dieser Ausgangslage erwächst dem Einzelnen kein „besonderer Schaden“, wenn das Ergebnis des (in sich fehlerfreien) Abwägungsvorgangs zwischen den widerstreitenden Individual- und Gemeinschaftsbelangen negativ aus851 Carrera Hernández, RIE 23 (1996), S. 539, 550 f.; Szczekalla, EuR 34 (1999), S. 325, 338 f.; ders., Schutzpflichten, S. 690 ff. 852 Vgl. dazu zuletzt etwa EuG Slg. 2001 II, S. 3597, 3651/Rn. 171. 853 EuG Slg. 2001 II, S. 3597, 3651/Rn. 171; EuGH Slg. 2000 I, S. 4549, 4574/ Rn. 19. 854 EuG Slg. 1998 II, S. 667, 696/Rn. 80; bestätigt durch EuG Slg. 2001 II, S. 3597, 3651 ff./Rn. 172 ff.

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fällt.855 Dieses Ergebnis wurde vom Europäischen Gericht Erster Instanz in der Rechtssache „Dorsch Consult“ ausdrücklich gerade auch für den Bereich der Außenpolitik unterstrichen: Der Einzelne habe Einbußen, die ihm von den Gemeinschaftsorganen aus übergeordneten außenpolitischen Gründen auferlegt würden, grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen.856 Diese Überlegungen gelten entsprechend auch für den Bereich des diplomatischen Schutzes. b) Justiziabilität von Schutzentscheidungen auf Gemeinschaftsebene Zweifelhaft ist, inwieweit die so hergeleiteten Ansprüche im weiteren auch gerichtlicher Nachprüfung unterliegen.857 So stellt sich zunächst die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht dem einzelnen überhaupt geeignete Klagearten zur Durchsetzung einschlägiger Begehren zur Verfügung stellt [aa)]. Zu untersuchen ist darüber hinaus, ob einer gerichtlichen Nachprüfung möglicherweise entgegensteht, dass die dabei zu beurteilenden Fragen unmittelbar die Gestaltung der gemeinschaftlichen Außenpolitik betreffen [bb)] aa) Einschlägige Klagemöglichkeiten Einschlägige Klagemöglichkeiten zur Durchsetzung diplomatischer Schutzansprüche könnten sich zunächst aus Art. 230 Abs. 4 EGV ergeben. Danach kann jede natürliche oder juristische Person Nichtigkeitsklage erheben „gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen.“ Inwieweit aber ist die vollständige oder teilweise Zurückweisung eines individuellen Schutzbegehrens als eine solche individualbezogene „Entscheidung“ anzusehen? Fest steht im Ausgangspunkt jedenfalls, dass nicht jedes Schreiben eines Gemeinschaftsorgans, mit dem ein Antrag seines Adressaten beantwortet wird, eine Entscheidung im Sinne des Art. 230 EGV darstellt.858 So sah der Gerichtshof in der schriftlichen Ablehnung individueller Wünsche nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 226/88 Abs. 2 UAbs. 2 EGV) durch die Kommission 855 A. A. Szczekalla, Schutzpflichten, S. 677 i. V. m. 691 ff., der von einem unbedingten Schutzanspruch auszugehen scheint. Tendenziell wie hier dagegen Wenig, in: G/H IV, E.6 Art. 21 Rn. 18. 856 EuG Slg. 1998 II, S. 667, 698 f./Rn. 86 ff. Dies gelte erst recht, wenn er sich selbst in die betreffende „Hochrisiko“-Lage gebracht habe, vgl. S. 697/Rn. 83. 857 Ablehnend etwa Kokott, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 281 EGV Rn. 25. 858 So ausdrücklich EuG Slg. 1996 II, S. 351, 372/Rn. 50.

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noch keinen statthaften Klagegegenstand in diesem Sinne.859 Ein solches Schreiben sei vielmehr allein als unverbindliche Mitteilung über das Ergebnis einer internen Vorbereitungshandlung anzusehen. Ähnlich beurteilte er auch einen Fall, in dem die Kommission auf eine kartellrechtliche Individualbeschwerde hin erklärt hatte, sie wolle den gerügten Gemeinschaftsrechtsverstoß nicht ahnden: Die Weigerung, Dritten gegenüber ein Untersuchungsverfahren zu eröffnen, mache den Beschwerdeführer noch nicht zum „tatsächlichen Adressaten“ einer rechtsverbindlichen Entscheidung.860 Auf der anderen Seite sah der Gerichtshof die Erklärung der Kommission, sie wolle nicht in dem gewünschten Sinne tätig werden, in einer Vielzahl anderer Fälle durchaus als eine solche Entscheidung an.861 Dies betraf gerade auch Fälle, in denen die Antragsteller die EG um Beistand in außenpolitisch relevanten Fragen ersucht hatten. So hielt der EuGH einen Kommissionsbeschluss, mit dem Gemeinschaftsunternehmen Schutz vor völkerrechtswidrigen Dumping- oder Subventionsmaßnahmen verweigert wurde, grundsätzlich für mit der Nichtigkeitsklage angreifbar.862 Ähnlich beurteilte er die Rechtslage bei anderen unzulässigen Handelspraktiken: Lehne die Kommission hier ein Einschreiten ab, stelle dies gleichermaßen eine unmittelbare Entscheidung zu Lasten der jeweiligen Antragsteller dar.863 Warum aber hielt der Gerichtshof derartige Ablehnungserklärungen in einigen Fällen für „Entscheidungen“ im Sinne des Art. 230 Abs. 4 EGV und in anderen nicht? Untersucht man die Rechtsprechung des EuGH genauer, wird deutlich, dass der Grund hierfür offensichtlich vor allem auf subjektivrechtlicher Ebene zu suchen ist.864 So konnten die Betroffenen in den letztgenannten Fällen jeweils darauf verweisen, dass ihnen im maßgeblichen Sekundärrecht ein Antrags- und Beteiligungsrecht zuerkannt worden war. Diese Rechtsposition drohte durch die Ablehnungserklärung der Kommission leer zu laufen. In dieser Hinsicht handelte es sich deshalb tatsächlich um eine unmittelbar rechtsgestaltende „Entscheidung“ gegenüber den Antragstellern. Demgegenüber fehlten vergleichbare Berücksichtigungsansprüche in den erstgenannten Fällen. Die Betroffenen hatten hier, worauf der Gerichtshof explizit hinwies,865 grundsätzlich keinerlei Anspruch auf eine Einbeziehung ihrer Interessen in die weitere Entscheidungsfindung. Die Ab859 EuGH Slg. 1989, S. 291, 301/Rn. 10 ff.; Slg. 1990 I, S. 1555, 1557 f./ Rn. 4 ff.; Slg. 1990 I, S. 2181, 2184 f./Rn. 10 f.; Slg. 1992 I, S. 3935, 3942/ Rn. 20 f.; EuG Slg. 1995 II, S. 2865, 2875 f./Rn. 33 ff.; Slg. 1996 II, S. 351, 374/ Rn. 55 f. und 375/Rn. 58 ff. 860 EuGH Slg. 1982, S. 2277, 2291/Rn. 16. 861 Vgl. die zusammenfassende Übersicht bei Stotz, in: Dauses II, P.I Rn. 71 ff. 862 EuGH Slg. 1983, S. 2913, 2935 f./Rn. 27 ff. (seither ständige Rechtsprechung). 863 EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1831/Rn. 22. 864 So auch Booß, in: G/H II, Art. 230 EGV Rn. 36.

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lehnung des jeweiligen Beistandsbegehrens hatte ihnen gegenüber deshalb auch keinerlei unmittelbaren Regelungsgehalt, wie dies für eine „Entscheidung“ im Sinne des Art. 230 EGV erforderlich gewesen wäre. Auf dieser Grundlage sind auch die hier untersuchten Fälle des diplomatischen Schutzes klar einzuordnen: Die (vollständige oder teilweise) Ablehnung eines diplomatischen Beistandsbegehrens ist danach jedenfalls dann als „Entscheidung“ anzusehen, wenn die Antragsteller im betreffenden Einzelfall auf gemeinschaftsgrundrechtliche Schutzansprüche verweisen können. Denn wenn schon die Ablehnung bloß sekundärrechtlicher Antragsund Beteiligungsrechte im Wege der Nichtigkeitsklage angreifbar ist, muss gleiches erst recht für die Ablehnung grundrechtlicher Berücksichtigungsansprüche gelten. In beiden Fällen verfügen die Antragsteller über ein subjektives Recht auf Einbeziehung ihrer Interessen in die Entscheidungsfindung und werden durch die Zurückweisung ihres Begehrens in geschützten Positionen betroffen. Nicht anders als in den bereits entschiedenen Spezialfällen des Außenhandelsschutzes ist daher auch die Ablehnung anderer, grundrechtlich fundierter Schutzanträge im Wege der Nichtigkeitsklage angreifbar. Dabei kann der Gerichtshof in Eilfällen gegebenenfalls auch die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen (Art. 243 EGV). In Betracht kommt darüber hinaus möglicherweise auch eine Unterlassungsklage gemäß Art. 232 Abs. 3 EGV. Danach kann jede natürliche oder juristische Person „vor dem Gerichtshof Beschwerde darüber führen, dass ein Organ der Gemeinschaft es unterlassen hat, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme an sie zu richten.“ Der praktische Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist allerdings nicht allzu groß, wenn man die Ablehnung eines Einschreitens mit der hier vertretenen Ansicht bereits als selbstständig mit der Nichtigkeitsklage anfechtbare „Entscheidung“ begreift. Art. 232 Abs. 3 EGV erfasst damit praktisch nur noch den Fall, dass ein Gemeinschaftsorgan auf ein grundrechtlich fundiertes Schutzbegehren entweder überhaupt nicht oder nur ausweichend reagiert.866 Auch hier besteht gegebenenfalls die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes nach Art. 243 EGV. Schließlich steht den Betroffenen auch die Möglichkeit einer Schadensersatzklage nach Art. 235 EGV offen, falls sie trotz der vorgenannten materi865

Besonders deutlich in EuG Slg. 1996 II, S. 351, 378 f. Rn. 71. Ähnlich schon EuGH Slg. 1989, S. 291, 301/Rn. 10 ff.; Slg. 1990 I, S. 2181, 2184 f./Rn. 10 f. 866 Zu einem solchen Fall und den in diesem Rahmen vom Schutzsuchenden zu beachtenden vorprozessualen Aufforderungspflichten EuG Slg. 1999 II, S. 1407 ff.; EuGH Slg. 1999 I, S. 8333 ff. Allgemein zum Verhältnis zwischen Art. 230 und 232 EGV EuG Slg. 1996 II, S. 2863, 2878/Rn. 43; Gaitanides, in: Groeben/ Schwarze, Art. 232 EG Rn. 20 ff.; Wohlfahrt, in: G/H Archivband, Art. 175 EGV Rn. 3 und 11.

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ell-rechtlichen Probleme867 schutzbezogene Sekundäransprüche geltend machen wollen. Dabei handelt es sich grundsätzlich um einen selbstständigen Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten. Eine Schadensersatzklage kann sich also selbst dann als zulässig erweisen, wenn der Kläger zuvor nicht gegen die betreffende Schutzversagung vorgegangen war.868 Allerdings dürfte ein solches Verhalten regelmäßig gegen die – auch im Gemeinschaftsrecht geltende869 – allgemeine Schadensminderungspflicht verstoßen. Dies kann je nach Lage des Falles die anteilige Kürzung eventueller Ersatzansprüche oder weitergehend sogar die Verneinung eines ausreichenden Rechtsschutzinteresses zur Folge haben.870 bb) Außenpolitisch bedingte Nachprüfungsgrenzen Der Gedanke, dass die Gestaltung der auswärtigen Politik eine besonders weit reichende Flexibilität und Handlungsautonomie der handlungsbefugten Akteure voraussetze, ist unter den Mitgliedstaaten weit verbreitet. Vergleichbare Überlegungen gelten grundsätzlich auch für die Gemeinschaftsebene: Nicht weniger als die nationalen Entscheidungsträger bedürfen auch die Organe der EG gewisser außenpolitischer Gestaltungsspielräume, wenn sie gestaltend im Völkerrechtsverkehr tätig werden. Inwieweit aber ist eine juristische Kontrolle derartig „politisierter“ Entscheidungen überhaupt möglich? Die Antworten der Mitgliedstaaten auf diese Frage fallen unterschiedlich aus: Eine Reihe von Staaten erklärt Schutzentscheidungen ganz oder zumindest teilweise zu „gerichtsfreien Hoheitsakten“ und schließt eine gerichtliche Nachprüfung so schon auf Zulässigkeitsebene aus. Andere Mitgliedstaaten setzen demgegenüber erst auf Begründetheitsebene an und gehen dort von einer Rücknahme der richterlichen Kontrolldichte aus. Fraglich ist, welches dieser beiden Grundmodelle auf Gemeinschaftsebene zu Grunde zu legen ist. Für ein einschränkendes, am erstgenannten Modell des „acte de gouvernement“ orientiertes Verständnis trat in der Vergangenheit vor allem die Kommission ein. So argumentierte sie im Fall „Adams II“, „ein Einzelner könne von der Gemeinschaft keinen Schadensersatz mit der Begründung verlangen, dass sie ihn nicht gegen Maßnahmen geschützt habe, die ein Drittland auf seinem eigenen Hoheitsgebiet getroffen habe. Im Übrigen sei die Art und Weise, wie die auswärtigen Beziehungen wahrgenommen wür867

Siehe oben S. 232 ff. EuGH Slg. 1966, S. 815, 826; v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 Rn. 43. 869 EuGH Slg. 1992 I, S. 3061, 3136 f./Rn. 33. 870 v. Bogdandy, in: G/H II, Art. 288 Rn. 44 ff.; Gilsdorf/Niejahr, in: Groeben/ Schwarze, Art. 288 EG Rn. 76. 868

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den, der richterlichen Kontrolle entzogen, denn die Frage nach dem wirksamsten und geeignetsten außenpolitischen Vorgehen zähle nicht zu denjenigen, die juristisch beantwortet werden könnten.“871 Die Generalanwälte beim Gerichtshof plädierten demgegenüber regelmäßig für das zweitgenannte Konzept einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Besonders deutlich wurde dies im Fall „Maclaine Watson“, wo sich Generalanwalt Darmon ausdrücklich gegen eine Übertragung des französisch-rechtlichen „acte de gouvernement“ auf die Gemeinschaftsebene aussprach.872 Denn dieser Begriff könne nicht beanspruchen, ein gemeinsamer Rechtsgrundsatz der Mitgliedstaaten zu sein. Er werde selbst in seinen Herkunftsrechtsordnungen zunehmend kritisch betrachtet und sei dort spürbar im Rückzug begriffen. Zudem seien die Klagemöglichkeiten des Einzelnen vor dem EuGH ohnedies schon stark genug limitiert. Zwar könne und dürfe sich die richterliche Kontrolle nicht auf rein politische Fragen erstrecken. Hierzu reiche es jedoch aus, die Nachprüfungsdichte auf Begründetheitsebene bzw. im Rahmen der Klagebefugnis zu beschränken. Ähnlich argumentierte in den nachfolgenden Jahren auch Generalanwalt Jacobs:873 Zwar müsse der EuGH der besonderen politischen Dimension der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen ausreichend Rechnung tragen und Rat bzw. Kommission in diesem Bereich deshalb ein relativ weites Handlungsermessen zugestehen. Dies schließe es jedoch nicht aus, außenpolitische Entscheidungen zumindest auf offensichtliche Beurteilungsfehler hin zu überprüfen. Denn erst auf diese Weise werde „ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Rechten des einzelnen und den Entscheidungsbefugnissen der Gemeinschaftsorgane geschaffen.“ Der EuGH schloss sich dieser Sichtweise in einer Vielzahl einschlägiger Entscheidungen an.874 Wiederholt bekräftigte er dabei gerade auch die Justiziabilität von Schutzentscheidungen im Handels- und Fischereibereich. So stellte er schon 1983 fest, dass der Beschluss der Kommission, nicht 871 Kommission, Stellungnahme in EuGH Slg. 1985, S. 3595, 3600/Rn. 12. Ähnlich für eine Nichtigkeitsklage auch dies., Stellungnahme in EuGH Slg. 1983, 2913, 2922; dies., Stellungnahme in EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1804 ff./Rn. 10 ff. 872 GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I, S. 1797, 1806 ff./Rn. 55 ff. 873 GA Jacobs, EuGH Slg. 1998 I, S. 3659, 3683/Rn. 89 f. hinsichtlich der Entscheidung über die Aufkündigung eines völkerrechtlichen Vertrages. 874 Vgl. dazu schon die umfassende Rechtsprechungsauswertung von GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I, S. 1797, 1806 ff./Rn. 55 ff. sowie von Castillo de la Torre, GJ de la C.E. 1997 D-28, S. 7, 20 ff. In jüngerer Zeit zudem etwa EuGH Slg. 1998 I, S. 3655, 3705 ff./Rn. 51 ff. Auch das EuG ging im eingangs geschilderten „Odigitria“-Fall wie selbstverständlich davon aus, dass die außenpolitischen Ermessenspielräume erst auf Begründetheitsebene zu berücksichtigen seien (Slg. 1995 II, S. 2025, 2037/Rn. 22 und S. 2041 ff./Rn. 35 ff.). Dabei handelte es sich (entgegen Lagondet, Europe 1/97, S. 9, 10) keineswegs um einen bloßen Einzelfall.

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gegen subventionierte Einfuhren aus dritten Ländern einzuschreiten, trotz seiner außenpolitischen Implikationen prinzipiell gerichtlicher Kontrolle unterliege.875 Denn man könne den Betroffenen „nach dem Sinngehalt der Grundsätze, auf denen die Artikel 164 und 173 EWG-Vertrag876 beruhen“, nicht das Recht verweigern, „gerichtlich alles geltend zu machen, was die Prüfung ermöglicht, ob die Kommission die [. . .sekundärrechtlichen. . .] Verfahrensgarantien beachtet hat, ob sie offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen oder es unterlassen hat, wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen [. . .], oder ob sie in ihre Begründung ermessensmissbräuchliche Überlegungen hat einfließen lassen.“ Dem Richter sei insoweit „die Ausübung derjenigen Kontrolle übertragen, die ihm gewöhnlich angesichts eines Ermessensspielraums der öffentlichen Gewalt zusteht, ohne dass er dabei allerdings in die Würdigung eingreifen kann, die [. . .nach dem maßgeblichen Sekundärrecht. . .] den Gemeinschaftsbehörden vorbehalten ist.“ Ähnlich beurteilte der Gerichtshof später auch die Frage, ob die Weigerung der Kommission, schützend gegen unerlaubte Handelspraktiken eines Drittstaates vorzugehen, von Seiten der betroffenen Gemeinschaftsindustrie angefochten werden könne. Die Kommission hatte eine solche Klage – wie schon in anderen Fällen – für unzulässig gehalten:877 Zum einen bezweckten die in Rede stehenden völkerrechtlichen Handelsvorschriften nicht, dem einzelnen individuelle Rechte zu gewähren. Zum anderen müsse die Kommission nach dem maßgeblichen Sekundärrecht auch nur einschreiten, wenn sie zu dem Schluss gelange, dass dies „im Interesse der Gemeinschaft“ notwendig sei. Sie verfüge insoweit über einen Ermessenspielraum politischer Art, der grundsätzlich keiner gerichtlichen Kontrolle unterliege. Generalanwalt van Gerven hatte sich demgegenüber in seinen Schlussanträgen klar für die gegenteilige Ansicht ausgesprochen.878 Denn soweit der Schutzanspruch – wie hier879 – unmittelbar im Gemeinschaftsrecht wurzele, komme es überhaupt nicht darauf an, ob die verletzte Völkerrechtsbestimmung dem Einzelnen subjektive Rechte verleihe. Das Erfordernis einer Völkerrechts875 EuGH Slg. 1983, S. 2913, 2935 f./Rn. 30. Später bestätigt durch Slg. 1985, S. 849, 866/Rn. 16; Slg. 1988, S. 4193, 4223/Rn. 6; Slg. 1989, S. 3919, 3950/Rn. 8 sowie eine Fülle weiterer Urteile. Vertiefend dazu Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 99 ff.; Herdegen/Richter, in: Kontrolldichte, S. 209, 237 ff. 876 Heute Art. 220 bzw. 230 EGV. 877 Kommission, Stellungnahme in EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1804 ff./Rn. 10 ff. Vgl. hierbei speziell zum diplomatischen Schutz Fn. 13. 878 GA van Gerven, EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1811 ff./Rn. 18 f. 879 Konkret ging es seinerzeit um die sekundärrechtlichen Handelschutzbestimmungen der VO 2641/84. Dazu sowie zu weiteren Anspruchsgrundlagen im Sekundärrecht später noch ausführlich auf S. 245 ff.

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verletzung sei vielmehr eine rein objektive Anspruchsvoraussetzung, deren Vorliegen vom EuGH jederzeit überprüft werden könne. Auch der Verweis auf gegenläufige außenpolitische Gemeinschaftsinteressen schließe eine gerichtliche Nachprüfung nicht von vornherein aus. Die Befugnis einer Behörde könne nur dann als nicht justiziable „politische Ermessensausübung“ qualifiziert werden, wenn die maßgeblichen Schlüsselbegriffe rechtlich nicht definierbar seien. Dies sei bei der vorliegenden Schutzfrage jedoch nicht der Fall. Denn die Entscheidung der Kommission sei in erster Linie an einen rechtlich definierbaren Normenbestand (den Verstoß gegen internationale Rechtsvorschriften) gebunden. Das Interesse der Gemeinschaft spiele nur die Rolle einer zusätzlichen Bedingung, die die Kommission ausnahmsweise noch dazu veranlassen könne, das Verfahren nicht einzuleiten. Selbst in dieser Hinsicht sei das Ermessen der Kommission jedoch nicht völlig ungebunden. Sie habe nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung vielmehr darzulegen und zu begründen, warum das „Interesse der Gemeinschaft“ keine weitergehenden Schritte erfordere. Eine richterliche Kontrolle sei hier unter den gleichen Einschränkungen wie bei anderen Ermessensentscheidungen möglich. Die Verweisung auf das Interesse der Gemeinschaft als ergänzende Bedingung (neben der Verletzung des Völkerrechts) beschränke also allein die Dichte der richterlichen Kontrollbefugnisse, schließe eine Nachprüfung aber keinesfalls aus. Diesen Ausführungen folgte später im Kern auch der EuGH: Das Gemeinschaftsrecht verleihe den gemeinschaftlichen Wirtschaftsteilnehmern die Befugnis, sich bei der Kommission über unerlaubte Handelspraktiken dritter Staaten zu beschweren. Es müsse ihnen folglich auch möglich sein, durch den Gerichtshof nachprüfen zu lassen, ob die Kommission bei ihrer Entscheidung das maßgebliche Völkerrecht zutreffend angewandt habe. Darauf, ob die betreffende Völkerrechtsnorm unmittelbar wirke oder nicht, komme es in diesem Zusammenhang nicht an.880 Aus der vorgenannten Rechtsprechungslinie scheint allein die 1985 ergangene „Adams II“-Entscheidung881 herauszufallen, der im Kern der Folgende Sachverhalt zu Grunde lag: Stanley Adams, maltesischer Mitarbeiter eines in Basel beheimateten Pharmaunternehmens, hatte der Kommission vertrauliche Informationen über wettbewerbswidrige Geschäftspraktiken seines Arbeitgebers zugespielt. Er war deshalb in der Schweiz zu einer Haftstrafe verurteilt worden und hatte darüber seine gesamte berufliche Existenz 880

EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1830 ff./Rn. 15 ff. Die Frage, ob inwieweit darüber hinaus auch die Gewichtung widerstreitender Gemeinschaftsinteressen der gerichtlichen Nachprüfung unterliege, wurde vom EuGH bereits aus tatbestandlichen Gründen offen gelassen. 881 EuGH Slg. 1985, S. 3595 ff. Grundlegend dazu Hunnings, CMLR 24 (1987), S. 65 ff.

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verloren. Adams sah in diesen Verfolgungsmaßnahmen einen Verstoß gegen das zwischen der Schweiz und der EG vereinbarte Freihandelsabkommen. Er verklagte die Kommission deshalb vor dem EuGH auf Schadensersatz: Diese habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Fall vor den gemeinsamen Freihandelsausschuss zu bringen. Überdies beantragte er, festzustellen, dass die Kommission das Freihandelsabkommen zu kündigen habe, falls es ihr nicht binnen einer angemessenen Frist gelinge, die Schweiz zur Beachtung der maßgeblichen Vertragsnormen zu veranlassen. Der EuGH wies die Klage insgesamt ab. Denn die Entscheidung über eine Befassung des Vertragsausschusses könne vorliegend „nur im Hinblick auf die allgemeinen Interessen der Gemeinschaft aufgrund einer im Wesentlichen politischen Beurteilung getroffen werden, gegen die ein Einzelner gerichtlich nicht vorzugehen vermag“.882 Hinsichtlich des zweitgenannten Feststellungsantrags sei überdies festzustellen, dass ein solcher Antrag „die Befugnisse des Gerichthofes im Rahmen eines Verfahrens nach den Artikeln 178 und 215 Absatz 2 EWG-Vertrag883 offensichtlich überschreitet und deshalb als unzulässig zurückzuweisen ist.“884 Diese Ausführungen scheinen auf den ersten Blick nur schwer mit der sonstigen Rechtsprechungspraxis vereinbar. Verneinte der EuGH hier ausnahmsweise doch die Justiziabilität der angesprochenen außenpolitischen Fragen? Eine vertiefte Untersuchung zeigt indes, dass dieser Schluss nicht gerechtfertigt wäre. Denn tatsächlich bezweifelte der EuGH auch in diesem Fall nicht, dass das außenpolitische Vorgehen der Gemeinschaftsorgane grundsätzlich justiziabel sei. Er hielt den erstgenannten Schadensersatzantrag vielmehr allein für unbegründet. Denn unter den konkreten Umständen des Falles habe der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Befassung des Gemischten Ausschusses.885 Auch der nachfolgende Feststellungsantrag scheiterte nicht daran, dass der Klagegegenstand die Außenpolitik der Gemeinschaft betraf: Entscheidend war aus Sicht des EuGH vielmehr, dass das insoweit begehrte Klageziel – die Kündigung des Freihandelsabkommens – weit über einen bloßen Schadensersatzanspruch hinausreichte. Insgesamt bestätigte damit auch diese Entscheidung, dass die Gestaltung der auswärtigen Politik durch die Gemeinschaftsorgane grundsätzlich richterlicher Kontrolle unterliegt.886 882

EuGH Slg. 1985, S. 3595, 3600 f./Rn. 15. Heute Art. 235 und 288 Abs. 2 EGV. 884 EuGH Slg. 1985, S. 3595, 3601/Rn. 18. 885 EuGH Slg. 1985, S. 3595, 3601/Rn. 16. Grundrechtliche Schutzansprüche wurden vom EuGH in diesem Zusammenhang nicht erörtert. Offen blieb deshalb auch, inwieweit sich Adams als Drittstaatler überhaupt auf derartige Ansprüche hätte berufen können. Vgl. zum Parallelproblem im deutschen Recht Elbing, Anwendbarkeit der Grundrechte, S. 240 ff. und 258 f.; Stern, Staatsrecht III/1, S. 134 f. Fn. 142. 886 Castillo de la Torre, GJ de la C.E. 1997 D-28, S. 7, 19 f. 883

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4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

Das damit vom EuGH vorgegebene Verständnis verdient grundsätzlich Zustimmung. Es gewährleistet einen bestmöglichen Ausgleich zwischen den Rechtsschutzinteressen der unmittelbar Geschädigten und den Gestaltungsinteressen der völkerrechtlich handlungsbefugten Gemeinschaftsorgane. Tatsächlich wäre der völlige Ausschluss einer gerichtlichen Nachprüfung außenpolitischer Schutzentscheidungen heute in rechtsvergleichender Hinsicht kaum noch zu rechtfertigen.887 Die vorangestellte Untersuchung der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme hat vielmehr deutlich gemacht, dass sich der Gedanke einer gerichtlichen Kontrolle der auswärtigen Politik im europäischen Raum zunehmend durchsetzt. Dies gilt selbst für Staaten, die – wie beispielsweise das Vereinigte Königreich oder die Niederlande – traditionell von der Existenz gerichtsfreier Räume ausgingen. Ein hiervon abweichendes Verständnis auf europäischer Ebene wäre schwerlich begründbar. Dies gilt umso mehr, als Art. 47 der Grundrechtecharta nunmehr für die Gemeinschaftsebene ausdrücklich das Gebot effektiven Rechtsschutzes verankert: Jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat danach ausdrücklich das Recht, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Dies muss gerade dann gelten, wenn – wie hier – grundrechtliche Schutzansprüche des einzelnen in Rede stehen. Der (vor allem im französischen Rechtsraum verbreitete) Einwand, ein solches Verständnis verkenne den besonders sensiblen „politischen Charakter“ der auswärtigen Beziehungen sowie das Fehlen konkreter rechtlicher Maßstäbe in diesem Bereich, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Denn auch die Lösung des EuGH leugnet nicht, dass die Außenpolitik nur in eingeschränktem Maße juristischer Kontrolle unterliegen kann. Sie verzichtet jedoch sehr viel stärker als das französische Modell auf pauschalierte Bereichsausnahmen. Tatsächlich sind selbst die „hochpolitischen“ Fälle des diplomatischen Schutzes in Teilbereichen durchaus justiziabel, wie der oben vorangestellte Rechtsvergleich gezeigt hat. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in einer Vielzahl anderer Mitgliedstaaten gehen die Gerichte zunehmend dazu über, Schutzentscheidungen anhand einer Reihe konkreter rechtlicher Maßstäbe zu überprüfen. Auch auf Gemeinschaftsebene lassen sich vergleichbare rechtliche Kriterien herausarbeiten. Dazu zählt zunächst die Frage, ob das jeweilige Gemeinschaftsorgan bei seiner Entscheidung die maßgeblichen Zuständigkeits-, Verfahrens- und gegebenenfalls Formanforderungen eingehalten hat. Denn in dieser Hinsicht besteht von vornherein kein Anlass für eine verringerte gerichtliche Kontrolldichte.888 Auch hin887

So schon GA Darmon, EuGH Slg. 1990 I, S. 1798, 1813/Rn. 94 f. So auch Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 100 ff.; Hailbronner/v. Heydebrand und der Lasa, RiW 32 (1986), S. 889, 894 (jeweils für den Spezialfall der sekundärrechtlich begründeten Beistandsansprüche im Handelsbereich). 888

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sichtlich der inhaltlichen Erwägungen ist eine gerichtliche Nachprüfung grundsätzlich möglich. Dies gilt insbesondere, falls zwischen den Beteiligten umstritten ist, ob in der Sache überhaupt eine Völkerrechtsverletzung vorliegt: Diese Frage ist rein rechtlich zu beantworten und wurde vom EuGH deshalb zu Recht für vollständig justiziabel erklärt.889 Nur eingeschränkter Nachprüfung unterliegt dagegen die Abwägung widerstreitender Gemeinschaftsinteressen. Hier muss sich die rechtliche Würdigung angesichts der notwendigen außenpolitischen Gestaltungsspielräume darauf beschränken, offenkundige Ermessensfehler auszuschließen. Die Maßstäbe einer gerichtlichen Ermessensprüfung in diesem Bereich wurden schon 1989 von Generalanwalt van Gerven herausgearbeitet:890 Zunächst sei zu prüfen, ob sich die Kommission im Rahmen der Materie halte, für die ihr eine Ermessenbefugnis eingeräumt wurde. In einem zweiten Schritt sei zu untersuchen, ob die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, von denen die Ausübung der Befugnis abhängig gemacht wurde, feststünden und richtig qualifiziert worden seien. Schließlich sei die eigentliche Ausübung der Ermessensgrundsätze anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze zu überprüfen, und zwar insbesondere anhand der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, des Gleichheitsgrundsatzes, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Begründungspflicht. Diese Überlegungen dürften den Prüfungsumfang der Gemeinschaftsgerichte auch in diplomatischen Schutzklagen891 bis heute zutreffend umreißen.

II. Sekundärrechtliche und vertragliche Schutzansprüche Schutz- und Beistandsansprüche gegen völkerrechtswidrige Maßnahmen eines Drittstaates folgen jedoch nicht nur aus den Gemeinschaftsgrundrechten selbst. Als Anspruchsquelle kommt vielmehr auch das EG-Sekundärrecht in Betracht. Besonderes Augenmerk verdienen in diesem Zusammenhang die einschlägigen Verordnungen des EG-Außenhandelsrechts (1.). 889 EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1830 ff./Rn. 15 ff. – A. A. insoweit die deutschen Gerichte, vgl. oben Fn. 673. 890 GA van Gerven, EuGH Slg. 1989, S. 1781, 1811 ff./Rn. 18 f. 891 Dies gilt sowohl für primäre Beistands- wie für sekundäre Schadensersatzklagen. Zwar meint Castillo de la Torre (GJ de la C.E. 1997 D-28, S. 7, 43), dass im zweitgenannten Fall allein die interne Kompensation entstandener Schäden in Rede stehe und besondere Einschränkungen der Kontrolldichte daher nicht geboten seien. Dieser Einwand vermag jedoch nicht zu überzeugen. Gerade die spanische Rechtsprechung zeigt deutlich, dass die Gerichte auf Sekundärebene letztlich die gleichen Fragen wie auf Primärebene beantworten müssen. Überdies kann die Gefahr sekundärer Schadensersatzforderungen die außenpolitische Gestaltungsfreiheit der Gemeinschaftsorgane faktisch ebenso stark einschränken wie unmittelbare gerichtliche Ge- oder Verbote auf Primärebene.

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Fraglich ist darüber hinaus, ob sich vergleichbare Schutzansprüche möglicherweise auch unmittelbar aus einzelnen völkerrechtlichen Abkommen der EG herleiten lassen (2.). 1. Einschlägige Schutzverordnungen im EG-Außenhandelsrecht Die Europäische Gemeinschaft hat gerade im Außenhandelsbereich in den letzten Jahren eine Vielzahl sekundärrechtlicher Vorschriften erlassen. Teil dieses Regelungswerks waren drei grundlegende Handelsschutzverordnungen gegen Dumping892, Subventionen893 und andere Handelshemmnisse894. Dabei sind im hier untersuchten Rahmen vor allem die beiden letztgenannten Verordnungen von Interesse. Denn anders als beim „Dumping“, für das sich primär der private Exporteur selbst verantwortlich zeichnet,895 geht es bei der Abwehr von Subventionen oder anderen Handelshemmnissen unmittelbar um das völkerrechtswidrige bzw. völkerrechtlich angreifbare Verhalten eines anderen Staates. Gegenstand der Antisubventions-Verordnung ist dabei speziell der Schutz vor unlauteren staatlichen Einflussnahmen auf die Exportpreisbildung (Art. 1 ff. VO 2026/97). Demgegenüber hat die Handelshemmnis-Verordnung einen sehr viel umfassenderen Auffangcharakter. Ziel ist hier allgemein Bekämpfung aller von einem Drittstaat eingeführten oder beibehaltenen Handelspraktiken, gegen die nach internationalen Handelsregeln vorgegangen werden kann (Art. 2 Abs. 1 VO 3286/94). Angesichts dieser unmittelbaren Berührungspunkte zum diplomatischen Schutz sollen nachfolgend zumindest die wesentlichen Verfahrensstrukturen beider Verordnungen dargestellt werden.896 892 VO 384/96 des Rates über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern v. 22.12.1995, ABl. 1996 L 56, S. 1 ff. 893 VO 2026/97 des Rates über den Schutz gegen subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern v. 6.10.1997, ABl. 1997 L 288, S. 1 ff. 894 VO 3286/94 des Rates zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln v. 22.12.1994, ABl. 1994 L 349, S. 71 ff. 895 Vertiefend zum Begriff und den wirtschaftlichen Hintergründen des „Dumping“ etwa Nettesheim, in: Europäisches Außenwirtschaftsrecht, S. 197 ff.; Wenig, in: Dauses II, K.II Rn. 1 ff. 896 Im Schrifttum existiert bereits eine Vielzahl umfassender Untersuchungen zu beiden Verordnungen (grundlegend etwa Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 9 und E 10; Bourgeois, in: Groeben/Schwarze, Art. 133 EG Rn. 87 ff.; Lukas, in: G/H IV, E 7; Müller-Huschke, in: Schwarze, Art. 133 EGV Rn. 54 ff.; Rydelski, EG und WTO Antisubventionsrecht, S. 25 ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachwei-

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Antisubventionsverfahren nach der erstgenannten VO 2026/97 werden von der Kommission grundsätzlich897 erst auf schriftlichen Antrag der Betroffenen hin eingeleitet. Antragsbefugt sind dabei nicht nur natürliche und juristische Personen, sondern auch sonstige Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit, soweit sie im Namen eines Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft handeln (Art. 10 Abs. 1 VO 2026/97). Wird ein solcher Antrag gestellt, prüft die Kommission in einem ersten Schritt, ob genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen und ob der Antrag von den Gemeinschaftsherstellern gleichartiger Produkte in ausreichendem Maße unterstützt wird (Art. 10 Abs. 3 und 8 VO 2026/97). Je nach dem Ergebnis dieser Vorprüfung weist sie den Antrag entweder zurück oder eröffnet innerhalb von 45 Tagen ein vertiefendes Untersuchungsverfahren (Art. 10 Abs. 11 ff. VO 2026/97). Entscheidet sie sich für die letztgenannte Variante, sind eine Reihe grundlegender Publizitäts- und Anhörungspflichten zu beachten: Die Kommission muss den Eröffnungsbeschluss im Amtsblatt bekannt geben und allen interessierten Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen (Art. 10 Abs. 13 ff., Art. 11 VO 2026/97). Sie muss darüber hinaus auch das Ursprungs- bzw. Ausfuhrland selbst informieren und gegebenenfalls mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung konsultieren (Art. 11 Abs. 6 f. und 10, Art. 13 VO 2026/97). Vom Ergebnis dieser vertiefenden Untersuchung hängt ab, ob die Gemeinschaft weitergehende Schutzmaßnahmen beschließt. Ein Einschreiten der Gemeinschaft setzt dabei kumulativ voraus, dass eine unzulässige Subventionierung vorliegt, dadurch ein „Wirtschaftszweig der Gemeinschaft“ geschädigt wird, und das Gemeinschaftsinteresse Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schädigung erforderlich macht. Liegen diese Voraussetzungen vor, schlägt die Kommission dem Rat die Festsetzung entsprechender Ausgleichszölle vor (Art. 15 VO 2026/97). Vorbereitend dazu kann sie schon während des laufenden Verfahrens vorläufige Zölle einführen (Art. 12 VO 2026/97). Fehlen dagegen eine oder mehrere der erforderlichen Sanktionsvoraussetzungen, wird das Verfahren eingestellt (Art. 14 VO 2026/97). Dabei ist der Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin über die wichtigsten entscheidungserheblichen Tatsachen und Erwägungen zu unterrichten (Art. 30 VO 2026/97). Bemerkenswert ist, dass die Verordnung selbst auch ausführliche Vorgaben über die Konkretisierung widerstreitender Gemeinschaftsinteressen enthält. Art. 31 Abs. 1 S. 1 VO 2026/97 legt dabei als allgemeines Leitprinzip fest: „Die Feststellung, ob im Interesse der Gemeinschaft ein Eingreifen erforderlich ist, stützt sich auf eine Bewertung aller Interessen, einschließlich sen). Eine gleichermaßen umfassende Darstellung ist hier von vornherein weder möglich noch beabsichtigt. 897 Nach Art. 10 Abs. 10 VO 2026/97 kann die Kommission nur „unter besonderen Umständen“ auch von Amts wegen ein Verfahren einleiten.

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der Interessen des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft, der Verwender und der Verbraucher; eine Feststellung gemäß diesem Artikel wird nur getroffen, wenn alle Parteien Gelegenheit erhielten, ihren Standpunkt [. . .] darzulegen.“ In der Praxis wird eine solche Beeinträchtigung der Gemeinschaftsinteressen zumeist großzügig vermutet, wenn sich die im Antrag erhobenen Vorwürfe bestätigen und es sich nicht nur um einen unbedeutenden Einzelfall handelt.898 Ähnliche Strukturen sieht die Handelshemmnis-Verordnung 3286/94 vor: Auch hier können grundsätzlich alle natürlichen oder juristischen Personen sowie bestimmte Wirtschaftsvereinigungen Untersuchungsanträge an die Kommission richten (Art. 3 und 4 VO 3286/94) und damit ein vorgeschaltetes Konsultationsverfahren erzwingen. Gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass genügend Beweise vorliegen und ein Einschreiten im Interesse der Gemeinschaft erforderlich ist, gibt sie die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens bekannt. Andernfalls teilt sie dem Antragsteller die Einstellung des Verfahrens mit (Art. 5 Abs. 3 und 4, Art. 8 Abs. 1 VO 3286/ 94). Bemerkenswert ist, dass das Gemeinschaftsinteresse hier bereits in einem sehr viel früheren Stadium zu berücksichtigen ist als bei der eben untersuchten Antisubventions-Verordnung. Grund für diese Vorverlegung der Abwägungsprozesse war nach allgemeiner Ansicht die Sorge, dass schon die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zu negativen Gegenreaktionen und Handelsbeeinträchtigungen von Seiten des betroffenen Verletzerstaats führen könne.899 Diese Befürchtung wog verständlicherweise gerade bei der VO 3286/94 mit ihrem weiten Auffangcharakter besonders stark. Der weitere Verfahrensgang ähnelt wiederum dem eines AntisubventionsVerfahrens: Je nach dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens trifft ein aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzter Ausschuss auf Vorschlag der Kommission die erforderlichen Beschlüsse über handelspolitische Schutzmaßnahmen (Art. 7, 12 ff. VO 3286/94). Entscheidend ist dabei, dass das Gemeinschaftsinteresse ein Einschreiten erfordert und ein kompletter „Wirtschaftszweig der Gemeinschaft“ bzw. eine größere Zahl von Unternehmen der Gemeinschaft nachteilig von dem betreffenden Handelsrechtsverstoß betroffen ist (vgl. Art. 12 Abs. 1 i. V. m. 2 Abs. 3 bzw. 4 VO 3286/94). Ähnlich wie schon bei der Antisubventions-Verordnung wurden diese Voraussetzungen bislang auch hier zumeist großzügig im Interesse der Antragsteller ausgelegt.900 Der wiederholte Verweis auf originäre 898 Bourgeois, in: Groeben/Schwarze, Art. 133 EG Rn. 100. Allgemein zur Ermittlung und Gewichtung des Gemeinschaftsinteresses auch Rydelski, EG und WTO Antisubventionsrecht, S. 58 ff. 899 Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 9 Rn. 103; Müller-Huschke, in: Schwarze, Art. 133 EGV Rn. 166. 900 Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 9 Rn. 156 ff.

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Gemeinschaftsinteressen darf also nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Handelhemmnis-Verordnung zugleich eine erhebliche individualschützende Komponente aufweist. Dies gilt umso mehr, als sie den Geschädigten bereits auf formaler Ebene eine Vielzahl unterschiedlicher Antrags-, Anhörungs- und Informationsrechte während des gesamten Verfahrens zuerkennt.901 Soweit den geschädigten Privaten nach den Verordnungen Mitwirkungsbefugnisse oder Verfahrensgarantien zustehen, können sie gegebenenfalls auch Klage vor dem Europäischen Gericht Erster Instanz beziehungsweise dem EuGH erheben.902 So ist eine Klage im Rahmen beider Verordnungen bereits dann zulässig, wenn der Antrag auf Einleitung eines Untersuchungsverfahrens zurückgewiesen wird. Klagemöglichkeiten bestehen darüber hinaus aber auch dann, wenn zu einem späteren Zeitpunkt das Untersuchungsverfahren selbst eingestellt wird oder die beantragten vorläufigen oder endgültigen Maßnahmen ganz oder teilweise unterbleiben. Dabei können die Betroffenen grundsätzlich alles geltend machen, „was die Prüfung ermöglicht, ob die Kommission die [. . .durch die Verordnungen eingeräumten. . .] Verfahrensgarantien beachtet hat, ob sie offensichtliche Fehler bei der Würdigung des Sachverhalts begangen oder es unterlassen hat, wesentliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen [. . .], oder ob sie in ihre Begründung ermessensmissbräuchliche Überlegungen hat einfließen lassen.“903 Im Vergleich zu den oben untersuchten grundrechtlichen Schutzansprüchen enthalten die Handelsschutz-Verordnungen sehr viel detailliertere Vorschriften über die Berücksichtigung privater Belange und den Ausgleich mit widerstreitenden Gemeinschaftsinteressen. Sie können insoweit vielfach entscheidende Indizien liefern, wenn die Behandlung grundrechtlich geprägter Schutzansprüche Schwierigkeiten im Detail aufwirft. Es spricht beispielsweise vieles dafür, die sekundärrechtlichen Bestimmungen zu Anhörungsund Begründungspflichten in wertender Zusammenschau auch für grundrechtliche Schutzfälle fruchtbar zu machen. Umgekehrt bleiben die Gemein901 Vgl. über die bereits erörterten Mitwirkungsbefugnisse hinaus vor allem die in Art. 8 Abs. 4–6 VO 3286/94 normierten Informations- und Anhörungs-/Konfrontationsrechte. Dazu vertiefend Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 9 Rn. 116 ff. 902 Vgl. dazu bereits die vergleichenden Rechtsprechungsnachweise oben S. 236 ff. In der Literatur überdies etwa Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 99 ff.; Berrisch/Kamann, in: G/H IV, E 10; Hailbronner/v. Heydebrand und der Lasa, RiW 32 (1986), S. 889, 890 ff.; Müller-Huschke, Festung Europa, S. 197 ff.; Rydelski, EG und WTO Antisubventionsrecht, S. 95 ff. 903 EuGH Slg. 1983, S. 2913, 2935 f./Rn. 30. Später bestätigt durch Slg. 1985, S. 849, 866/Rn. 16; Slg. 1988, S. 4193, 4223/Rn. 6; Slg. 1989, S. 3919, 3950/Rn. 8 sowie eine Fülle weiterer Urteile. Vertiefend dazu Adam, Kontrolldichte-Konzeption, S. 99 ff.; Herdegen/Richter, in: Kontrolldichte, S. 209, 237 ff.

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schaftsgrundrechte von zentraler Bedeutung für die in den Verordnungen vorgesehenen Abwägungsprozesse: Verletzt der betreffende Handelsrechtsverstoß im Einzelfall grundrechtliche Belange eines Gemeinschaftsunternehmens, muss diesen Belangen im Rahmen der sekundärrechtlichen Abwägungen auch ein entsprechend erhöhtes Gewicht zugesprochen werden.904 Gemeinschaftsgrundrechte und handelsschützendes Sekundärrecht ergänzen sich damit wechselseitig in ihrer jeweiligen Schutzfunktion. 2. Schützende Bestimmungen in Gemeinschaftsabkommen? Zu untersuchen bleibt abschließend, ob sich entsprechende Schutzansprüche unter Umständen auch unmittelbar aus den völkerrechtlichen Gemeinschaftsabkommen heraus ableiten lassen. Der EuGH schien eine solche Herleitung im oben angesprochenen905 „Adams II“-Urteil grundsätzlich für möglich zu halten. Er führte darin aus: „Zu dem Vorbringen, die Kommission hätte sich an den aufgrund des Freihandelsabkommens eingesetzten Gemischten Ausschuss wenden müssen, ist zunächst festzustellen, dass eine dahin gehende Verpflichtung dem Kläger gegenüber jedenfalls nur dann bestanden hätte, wenn die Schweiz eine Bestimmung dieses Abkommens dem Kläger gegenüber verletzt hätte.“906 Eine vertiefende Begründung für diese Prämisse enthielt das Urteil nicht. Der EuGH ging vielmehr unmittelbar dazu über, die materiellen Bestimmungen des Freihandelsabkommens auf ihre Schutzrichtung hin zu untersuchen. Er stellte dabei fest, dass sie allein dem objektiven Zweck dienten, gerechte Wettbewerbsbedingungen zwischen den Vertragsparteien zu gewährleisten. Der Kläger habe folglich nicht dargetan, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, zu seinem Schutze den Gemischten Ausschuss anzurufen. Rechtsdogmatisch erscheint das konkrete Vorgehen des EuGH in diesem Fall kaum haltbar. Denn der Versuch, gemeinschaftsinterne Schutzpflichten unmittelbar aus dem materiellen Vertragsrecht heraus zu legitimieren, ist von vornherein nicht tragfähig: Warum sollte der Verstoß einer dritten Partei gegen einzelne Abkommensbestimmungen die (hieran gänzlich unbeteiligte) Kommission automatisch – das heißt ohne ergänzende Heranziehung beispielsweise grundrechtlicher Überlegungen – zu einem schützenden Eingreifen zwingen? Nach klassischem Völkerrecht mag sich das betroffene Individuum in einem solchen Fall zwar möglicherweise gegenüber dem 904 In der Praxis dürften grundrechtliche Belange in einfachen Handelsschutzfällen allerdings nur selten berührt sein, vgl. dazu v. Heydebrand und der Lasa, Der gerichtliche Rechtsschutz, S. 142 f. 905 Vgl. oben S. 239 ff. 906 EuGH Slg. 1985, 3595, 3600/Rn. 15.

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Verletzerstaat auf die unmittelbare Wirkung des Abkommens berufen und in diesem Verhältnis gegebenenfalls auch Schadensersatzansprüche geltend machen können.907 Beistandspflichten anderer Vertragsparteien aber vermag ein solcher Rechtsverstoß für sich genommen nicht auszulösen. Tragfähigere Anknüpfungspunkte für derartige Schutzpflichten könnten sich allenfalls aus Abkommensbestimmungen ergeben, die den Gemeinschaftsorganen selbst bestimmte Verhaltenspflichten auferlegen. Dabei ist im hier untersuchten Zusammenhang vor allem an die in nahezu allen Gemeinschaftsabkommen enthaltenen Streitbeilegungs- und Schiedsklauseln zu denken. So bestimmt beispielsweise Art. 8 des Fischereiabkommens mit Gabun908: „Mögliche Streitfragen über die Auslegung oder Anwendung dieses Abkommens sind Gegenstand von Beratungen zwischen den Vertragsparteien“. Speziell für Aufbringungsfälle sieht Ziff. 9 Abs. 2 des Vertragsanhangs darüber hinaus die Durchführung einer Konzertierungssitzung zwischen der Kommissionsdelegation und den örtlichen Behörden vor. Überdies kann die Gemeinschaft jederzeit dringende Konsultationen verlangen, wenn sie der Auffassung ist, dass die Anwendung des für Aufbringungsfälle vereinbarten Verfahrens Probleme aufwirft (Ziff. 9 Abs. 6 Vertragsanhang). Vergleichbare Schlichtungsmechanismen finden sich auch in den meisten Handels- und Kooperationsabkommen der Gemeinschaft, so etwa in Art. 98 AKP-Übereinkommen909: Danach ist im Falle von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Abkommens der gemeinsame Ministerrat oder Botschafterausschuss zu befassen. Gelingt es dem Ministerrat nicht, die Streitigkeit beizulegen, kann jede Parteien eine schiedsgerichtliche Beilegung beantragen. Zweifelhaft ist allerdings, ob den von solchen Streitfällen betroffenen Individuen gegenüber der EG jeweils auch ein unmittelbarer vertraglicher Anspruch auf Nutzung der angesprochenen Konsultations- und Schiedsprozeduren zusteht.910 Zwar bilden die völkerrechtlichen Abkommen der EG grundsätzlich einen „integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“.911 Konkrete Individualan907

Vgl. hierzu etwa PCIJ, Publ. Ser. B, Vol. 15, S. 17 ff. ABl. 1998 L 308, S. 4, 5. Ähnliche Bestimmungen finden sich in allen Fischereiabkommen der EG, vgl. Kommission, EU-Dok. SEC(2000) 1943, Ziff. II. (abgedruckt unten S. 261 ff.). 909 ABl. 2000 L 317, S. 3, 40 f. Vgl. auch das in Art. 96 gesondert hervorgehobene Konsultations- und Sanktionsverfahren für Menschenrechtsverletzungen sowie die generelle Pflicht zum politischen Dialog (Art. 8). 910 Diese Frage stellte sich schon im eingangs geschilderten „Odigitria“-Fall, wo die Klägerin tatsächlich eindringlich auf das im Fischereiabkommen mit GuineaBissau vorgesehene Konsultationsverfahren hingewiesen hatte. Der EuG hatte sich mit dieser Frage seinerzeit allerdings nicht näher auseinandergesetzt, da aus seiner Sicht bereits objektiv kein Vertragsverstoß feststellbar war (EuG Slg. 1985 II, S. 2025, S. 2052 ff./Rn. 74 ff.). 908

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sprüche lassen sich jedoch nur aus solchen Abkommensbestimmungen herleiten, die eine unbedingte und eindeutige Verpflichtung zum Gegenstand haben912 und zugleich bezwecken, dem Einzelnen ein Recht zu verleihen.913 Beide Bedingungen werden von den hier untersuchten Klauseln nicht erfüllt. So fehlt es vielfach bereits an der Existenz unbedingter Pflichten: Die Vertragsparteien verfügen regelmäßig über weite Einschätzungsund Ermessenspielräume hinsichtlich der Einleitung von Streitbeilegungsverfahren.914 Überdies dienen die in Rede stehenden Bestimmungen grundsätzlich nicht dem Schutz des einzelnen, sondern allein dem objektiven Zweck einer geordneten Vertragsdurchführung. So finden die betroffenen Individualinteressen in Art. 98 AKP-Übereinkommen nicht einmal Erwähnung. Selbst die hochspezialisierten Aufbringungsvorschriften im Fischereiabkommen mit Gabun zielen nicht ohne weiteres darauf ab, dem einzelnen subjektive Beistandsansprüche zu vermitteln. Zwar sieht Ziff. 9 Abs. 2 S. 3 des Vertragsanhangs vor, dass der betroffene Reeder vom Ergebnis der verpflichtenden Konsultationssitzung und allen weiteren Maßnahmen im Zuge der Aufbringung zu unterrichten sei.915 Aktive Antrags- oder Einflussnahmerechte aber werden ihm bezeichnenderweise auch hier gerade nicht zuerkannt. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass die Bestimmungen der Gemeinschaftsabkommen für sich genommen grundsätzlich keine diplomatischen Beistandsansprüche einzelner Geschädigter begründen. Ein subjektives Recht auf diplomatischen Schutz durch die EG lässt sich vielmehr in aller Regel nur aus den Gemeinschaftsgrundrechten beziehungsweise innergemeinschaftlichem Sekundärrecht ableiten.

911 So bspw. EuGH Slg. 1982, S. 3641, 3662/Rn. 13; Oppermann, Europarecht, Rn. 1719. 912 . . . also unmittelbare Wirkung entfalten, vgl. dazu EuGH Slg. 1972, S. 1219, 1228 f./Rn. 20 ff.; Slg. 1987, S. 3719, 3752/Rn. 14; Slg. 1998 I, S. 3655, 3701/ Rn. 31; Krück, in: Schwarze, Art. 281 EGV Rn. 27 ff.; Vedder, in: G/H Archivband, Art. 228 EGV Rn. 47 ff. Speziell für die gemeinschaftlichen Fischereiabkommen auch Churchill, EEC Fisheries Law, S. 74 f. 913 Weiterführend zum Verhältnis von „unmittelbarer Anwendbarkeit“ und „subjektiven Ansprüchen“ bspw. Vedder, in: G/H Archivband, Art. 228 EGV Rn. 52. 914 Schon EuGH Slg. 1972, S. 1219, 1228 f./Rn. 20 ff. betonte die „große Geschmeidigkeit“ derartiger Streitbeilegungsvorschriften und verneinte deshalb die unmittelbare Anwendbarkeit des GATT-Abkommens. 915 ABl. 1998 L 308, S. 4, 9.

D. Ergebnisse des vierten Teils

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D. Ergebnisse des vierten Teils Schon für den klassischen diplomatischen Schutz durch den eigenen Heimatstaat stellte sich die Frage, ob aus der objektiven Schutzmöglichkeit auch eine subjektiv einforderbare Schutzpflicht folge. Das Völkerrecht verhält sich in dieser Hinsicht neutral: Es überlässt – wie die jüngsten ILCBeratungen zeigen: bis heute – grundsätzlich jedem Staat selbst, ob er den konkret Geschädigten individuelle Beistandsansprüche einräumen will. Entsprechendes gilt für die hier untersuchten Schutzmöglichkeiten der Gemeinschaft: Der Umstand, dass die EG objektiv zur Protektion einzelner Individuen befugt ist, bedeutet nicht notwendig auch, dass den Betroffenen ein korrespondierender Anspruch auf Schutz zusteht. Ob der Einzelne ein Tätigwerden zu seinen Gunsten verlangen kann oder nicht, ist vielmehr grundsätzlich erst durch Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts zu ermitteln. Für den Kernbereich des „funktionalen Schutzes“ eigener Bediensteter sind entsprechende Beistandsansprüche unmittelbar aus dem Europäischen Beamtenstatut ableitbar. Schwieriger ist dagegen die Frage zu beantworten, ob weitergehend auch andere natürliche oder juristische Personen Anrecht auf ein schützendes Einschreiten der Gemeinschaftsorgane haben. Als Anspruchsgrundlage kommen hier im Wesentlichen nur die Gemeinschaftsgrundrechte sowie in Teilbereichen auch das innergemeinschaftliche Sekundärrecht in Betracht. Dem erstgenannten Herleitungsweg steht dabei nicht entgegen, dass die Gemeinschaftsgrundrechte ursprünglich vor allem als Abwehrrechte entstanden. Denn es sprechen überzeugende dogmatische Gründe dafür, aus ihnen weitergehend auch positive Handlungsaufträge und Schutzpflichten abzuleiten. So ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Gemeinschaftsgrundrechte eine fundamentale Werteordnung verkörpern. Auf ihnen gründet sich alle der Gemeinschaft übertragene Hoheitsgewalt. Es wäre mit der grundlegenden Bedeutung dieser Werteordnung unvereinbar, wenn der einzelne Angriffen von dritter Seite schutzlos ausgeliefert wäre. Dies gilt umso mehr, als solche Drittangriffe angesichts der Verflechtungen der modernen Gesellschaft häufig nicht minder beeinträchtigend wirken als hoheitliches Handeln. Ähnlich wie für die EMRK lassen sich damit prinzipiell auch für die Gemeinschaftsgrundrechte objektive Schutzaufträge und korrespondierende subjektive Beistandsrechte nachweisen. Dies gilt auch dann, wenn die betreffenden Grundrechtsgefahren konkret von dritten Völkerrechtssubjekten ausgehen. Zwar handhaben die einzelnen Mitgliedstaaten derartige Situationen im Einzelnen durchaus unterschiedlich.916 Erkennt man jedoch im Aus916

Vgl. dazu bereits das Zwischenergebnis oben S. 218 ff.

254

4. Teil: Individuelle Schutzansprüche gegenüber der EG?

gangspunkt an, dass den grundrechtlichen Rechtsgütern eine so hohe Bedeutung für die freie Entfaltung der menschlichen Würde und Identität zukommt, dass sie in jeder Lebenslage effektiv geschützt werden müssen, können ausländische Gefahrenquellen hierbei nicht pauschal ausgeblendet bleiben. Der Umstand, dass die Abwehrmöglichkeiten der EG im völkerrechtlichen Gleichordnungsverhältnis von vornherein begrenzt sind, steht dem nicht entgegen. Er enthebt die Gemeinschaftsorgane nicht der Pflicht, die ihnen eingeräumten Handlungsmöglichkeiten zumindest risikomindernd einzusetzen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Entscheidung über die Einleitung diplomatischer Schritte häufig in Konflikt mit widerstreitenden außenpolitischen Gemeinschaftsinteressen gerät und insoweit zu komplexen politischen Abwägungsprozessen zwingt. Die von einem grundrechtsgefährdenden Völkerrechtsverstoß betroffenen Individuen oder Unternehmen können vor diesem Hintergrund kein unbedingtes Recht auf Schutz geltend machen. Sie haben in solchen Situation indes einen grundrechtlich verbürgten Anspruch darauf, dass die Gemeinschaftsorgane ihr Hilfsbegehren berücksichtigen und ermessensfehlerfrei bescheiden. Dies gilt umso mehr, als sich der Kerngedanke eines subjektiven Bescheidungsrechts zunehmend auch auf mitgliedstaatlicher Ebene durchsetzt. Sekundäre Regressansprüche im Falle unzureichender Schutzgewähr haben dagegen auf Gemeinschaftsebene praktisch kaum Erfolgsaussichten. Vor allem der hierfür erforderliche Kausalitätsnachweis dürfte regelmäßig nicht zu führen sein. Prozessual unterliegt die Entscheidung über die Gewährung diplomatischen Schutzes grundsätzlich sowohl auf Primär- wie auf Sekundärebene der Kontrolle durch den EuGH. So steht den Geschädigten insbesondere die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 Abs. 4 EGV gegen die betreffende Versagungsentscheidung zu. Unterbleibt eine solche Entscheidung, ist gegebenenfalls Untätigkeitsklage nach Art. 232 Abs. 3 EGV zu erheben. Schließlich kommt auch eine Schadensersatzklage gemäß Art. 235 EGV in Betracht, wenngleich hier materiell regelmäßig nur geringe Erfolgsaussichten bestehen dürften. Die Berührung der auswärtigen Beziehungen bildet in jedem Fall – anders als insbesondere im französischen Rechtsraum – kein prinzipielles Zulässigkeitshindernis für individuelle Schutzklagen. Der besonderen politischen Sensibilität derartiger Fragen ist vielmehr erst bei der Bestimmung der richterlichen Prüfungsdichte Rechnung zu tragen. So ist dem Gerichtshof insbesondere untersagt, korrigierend in die der Schutzentscheidung zu Grunde liegenden politischen Abwägungsprozesse einzugreifen. Auch das gemeinschaftliche Sekundärrecht gewährt zum Teil vergleichbare Schutzansprüche. Zentrale Bedeutung haben in diesem Zusammenhang

D. Ergebnisse des vierten Teils

255

vor allem die grundlegenden EG-Handelsschutz-Verordnungen. Sie räumen geschädigten Wirtschaftsteilnehmern insbesondere das Recht ein, die Kommission zum Einschreiten gegen unzulässige Handelspraktiken anderer Staaten aufzufordern. Gemeinschaftsgrundrechte und handelsschützendes Sekundärrecht stehen dabei nicht in einem gegenseitigen Ausschlussverhältnis, sondern ergänzen sich wechselseitig in ihrer jeweiligen Schutzfunktion. Demgegenüber begründen die Bestimmungen der Gemeinschaftsabkommen für sich genommen grundsätzlich keine diplomatischen Beistandsansprüche. Dies gilt selbst für die speziellen Aufbringungsbestimmungen in den gemeinschaftlichen Fischereiabkommen: Sie regeln allein den völkerrechtlichen Rahmen möglicher Schutzaktivitäten, legen jedoch selbst keine korrespondierenden Individualrechte fest.

Fünfter Teil

Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit Nach klassischem Verständnis galten grundsätzlich nur Staaten als befugt, diplomatische Schutzrechte auszuüben. Zwar setzte sich in Folge des „Injuries suffered“-Gutachtens zunehmend die Auffassung durch, dass ausnahmsweise auch internationale Organisationen zu vergleichbaren Schutzaktivitäten berechtigt sein könnten. Dies galt jedoch nur, soweit konkrete Übergriffe gegen einzelne „Organisationsbedienstete“ in Rede standen. Weitergehende Schutzbefugnisse internationaler Organisationen wurden demgegenüber bis in die jüngere Zeit hinein vielfach für ausgeschlossen erklärt oder allenfalls als rechtspolitisches Postulat angesehen. Die vorangehende Untersuchung diente dazu, dieses klassische Verständnis aus heutiger Sicht am Beispiel der Europäischen Gemeinschaft zu überprüfen. Dabei hat sich gezeigt, dass die EG in der Praxis längst eine sehr viel weitergehende Schutzrolle wahrnimmt als vielfach angenommen. Zwar weist ihr der EG-Vertrag derartige Protektionsaufgaben nicht ausdrücklich zu. Die Gemeinschaft kann sich insoweit jedoch auf implizite Annexkompetenzen von erheblicher Tragweite stützen. Denn zahlreiche außenpolitische Kompetenzbereiche – wie etwa die praktisch bedeutsame Handelsund Fischereipolitik – sind inzwischen vollständig aus dem mitgliedstaatlichen Bereich herausgelöst und vergemeinschaftet worden. Wichtige völkerrechtliche Einfluss- und Druckmöglichkeiten, die früher von den Staaten selbst zum diplomatischen Schutz ihrer Bürger genutzt werden konnten, stehen damit heute nur noch der EG zur Verfügung. Könnte die Gemeinschaft von diesen Instrumenten nicht auch gezielt zum Schutz der Opfer völkerrechtswidriger Übergriffe Gebrauch machen, entstünden schwerwiegende Schutz- und Effektivitätslücken gegenüber dritten Verletzerstaaten. Die EG muss deshalb zumindest dort eigenständige diplomatische Schutzbefugnisse einsetzen dürfen, wo ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der jeweiligen Verletzungshandlung und korrespondierenden gemeinschaftseigenen Außenbefugnissen besteht. Dies gilt nicht nur für die vollständig vergemeinschafteten Politikbereiche (wie die Fischerei und den Außenhan-

A. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

257

del), sondern gleichermaßen auch für die parallelen außenpolitischen Zuständigkeitsfelder der EG. Keine eigenständigen Schutzrechte stehen der EG dagegen dort zu, wo in der Sache allein mitgliedstaatliche Kompetenzbereiche betroffen sind (wie etwa in klassischen Enteignungsfällen): Hier bleiben grundsätzlich allein die jeweiligen Heimatstaaten schutzbefugt. Die Gemeinschaftsorgane können in diesen Bereichen allenfalls unterstützend tätig werden, wenn und soweit sie dazu von den Mitgliedstaaten durch einen entsprechenden GASP-Beschluss aufgefordert werden. Die EG verfügt also – anders als die Mitgliedstaaten – prinzipiell nicht über umfassende Schutzkompetenzen.917 Angesichts dieser Ausgangslage stellt sich die Frage, wie sich die EG und ihre Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen Schutzbemühungen bestmöglich koordinieren können. Hierzu bietet sich vor allem die verstärkte Nutzung bestehender Koordinierungsstrukturen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. 11 ff. EUV) an. Tatsächlich verfügen die Mitgliedstaaten im Rahmen der EU bereits heute über ein ausgeprägtes Instrumentarium zur gemeinsamen Lösung diplomatischer Schutzfälle, das sie etwa im Fall Salman Rushdie auch erfolgreich zum Einsatz brachten. Die Einbindung der EG in diese Strukturen wirft dabei keine prinzipiellen Schwierigkeiten auf.918 Das damit umrissene mehrstufige Schutzsystem ist trotz seiner bislang einzigartigen Wesenszüge grundsätzlich auch völkerrechtsgemäß. Dies gilt sowohl für die Schutzzusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP wie auch für die eigenständigen und unterstützenden Schutzaufgaben der EG. Zu beachten ist allerdings, dass die Mitgliedstaaten dabei an die aus dem grundlegenden Nichteinmischungsprinzip resultierenden Beschränkungen gebunden bleiben. Der kollektive Einsatz von Zwangsmitteln ist deshalb nur in bestimmten Situationen zulässig. Die EG selbst unterliegt dagegen keinen vergleichbaren Beschränkungen: Sie kann vielmehr die Rechtspositionen ihrer Mitgliedstaaten erforderlichenfalls auch mit Repressalien unterstützen, solange dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.919 Den einzelnen Geschädigten steht in vielen Fällen ein korrespondierender Anspruch auf Schutz zu. Grundlage hierfür sind vor allem die Gemeinschaftsgrundrechte, die ihrer allgemeinen Funktion nach nicht nur Abwehr-, sondern auch aktive Schutzfunktionen verbürgen. Dies gilt auch in Bezug auf den „hochpolitischen“ Bereich drittstaatlicher Risikoquellen. Zwar hat 917

Dazu näher bereits S. 20 ff. (mit Zusammenfassung auf S. 115 f. und S. 124 f.). Weiterführend hierzu S. 126 ff. mit Zusammenfassung auf S. 146 f. 919 Dazu vertiefend S. 148 ff. mit den entsprechenden Zwischenergebnissen auf S. 163 f. 918

258

5. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

der vorangehende Rechtsvergleich deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten hier traditionell unterschiedliche Prämissen zu Grunde legen. Erkennt man jedoch im Ausgangspunkt an, dass den grundrechtlichen Rechtsgütern eine so hohe Bedeutung für die freie Entfaltung der menschlichen Würde und Identität zukommt, dass sie in jeder Lebenslage effektiv geschützt werden müssen, können ausländische Gefahrenquellen hierbei nicht pauschal ausgeblendet bleiben. Die Gemeinschaftsgrundrechte gewähren deshalb zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung des Schutzbegehrens. Dieser Anspruch kann trotz seiner unmittelbar außenpolitischen Bezüge grundsätzlich auch vor dem EuGH geltend gemacht werden. Ergänzend kommen in bestimmten Sonderfällen zudem sekundärrechtliche Schutzansprüche in Betracht, so vor allem im Außenhandelsbereich.920

B. Ausblick auf den Verfassungsentwurf des Konvents Die damit aufgeworfenen Fragen verlieren durch den Mitte Juli 2003 vom Europäischen Konvent verabschiedeten Verfassungsentwurf921 nicht an Relevanz. Sie stellen sich hier vielmehr sogar mit zunehmender Intensität. Denn nach den Vorstellungen des Konvents sollen die bislang getrennten Bereiche von EG und EU künftig zu einer einheitlichen Europäischen Union zusammengeführt werden.922 Die so geschaffene Union neuer Prägung wird durch Art. I-6 Konventsentwurf ausdrücklich mit Völkerrechtsfähigkeit ausgestattet. Sie tritt damit im Verhältnis zu Drittstaaten umfassend an die Stelle der bisherigen Gemeinschaft bzw. Union (Art. IV-3 Konventsentwurf). Besonders bemerkenswert ist im hier untersuchten Zusammenhang, dass die neue Union im Konventsentwurf bewusst als gestärkter außenpolitischer Akteur mit eigenständigen Instrumenten konzipiert wird.923 So sieht Art. I-27 Konventsentwurf das Amt eines speziellen „Außenministers der Union“ vor, der zugleich Mitglied des Rates wie auch der Kommission ist. Ihm obliegt sowohl die Leitung und Koordination der europäi920

Vgl. weiterführend oben S. 165 ff. mit Zusammenfassung auf S. 253 ff. EU-Dok. CONV 850/03 v. 18.7.2003, zuletzt geändert im Juni 2004 durch den Europäischen Rat (EU-Dok. CIG 86/04 v. 25. Juni 2004). 922 Siehe dazu bereits die Vorarbeiten der Konventsarbeitsgruppe III „Rechtspersönlichkeit“, dargestellt in ihrem Schlussbericht (EU-Dok. CONV 305/02 v. 1.10.2002). 923 Siehe dazu i. e. Art. I-15, I-39 f. und III-193 ff. Konventsentwurf. Zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen vgl. vor allem den kommentierten Vorentwurf des Präsidiums (EU-Dok. CONV 685/03 v. 23.4.2003) sowie den Schlussbericht der Konventsarbeitsgruppe VII „Außenpolitisches Handeln“ (EU-Dok. CONV 459/02 v. 16.12.2002). 921

B. Ausblick auf den Verfassungsentwurf des Konvents

259

schen Außenpolitik wie auch die Außenvertretung der Union (Art. III-197 Konventsentwurf). Zugleich werden die bisherigen Kommissionsaußenstellen zu eigenständigen Delegationen der gesamten Union aufgewertet (Art. III-230 Konventsentwurf). Sie üben ihre Tätigkeit unter der Leitung des Außenministers der Union aus und sollen sich aus Beamten der Kommission, des Ratssekretariats sowie abgeordnetem Personal der nationalen diplomatischen Dienste zusammensetzen.924 Es fällt gerade vor dem Hintergrund dieser gestärkten außenpolitischen Strukturen auf, wie wenig Aufmerksamkeit der Konventsentwurf der zunehmenden Europäisierung des diplomatischen Schutzes widmet: Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Art. 20 EGV bzw. Art. 46 Grundrechtecharta sinngemäß in die neuen Art. I-8 Abs. 2, Art. II-46 und Art. III-11 zu überführen.925 Ergänzend dazu erteilt Art. III-207 (ebenso wie bislang schon Art. 20 EUV) den diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten sowie den Delegationen der Union den Auftrag, sich an der Durchführung dieser Bestimmungen zu „beteiligen“. Nähere Einzelheiten zu Art und Umfang einer solchen „Beteiligung“ sowie zur Einbeziehung eigener völkerrechtlicher Einfluss- und Druckmittel der Union sucht man im Konventsentwurf allerdings vergebens. Hier bleibt auch weiterhin nur ein Rückgriff auf die oben hergeleiteten Grundsätze und impliziten Begleitkompetenzen, um die sich in der Praxis stellenden Probleme zu lösen. Trotz dieser Regelungslücken spricht allerdings vieles dafür, dass die praktische Bedeutung europäischer Schutzinitiativen mit Verwirklichung des Konventsentwurfs deutlich zunehmen wird. Denn durch die Fusion der bislang auf EG und EU verteilten Außenbefugnisse weist die künftige Union eine einzigartige Kompetenzfülle gerade auch in Fragen des diplomatischen Schutzes auf. Zugleich eröffnet die Aufwertung der Delegationen und die Schaffung eines eigenen europäischen „Außenministers“ die Chance, die Sichtbarkeit und Einheitlichkeit europäischer Schutzmaßnahmen weiter zu erhöhen. Die Union neuer Prägung kann auf diese Weise deutlich stärker als bisher eigenständiges diplomatisches Profil gewinnen, und zwar sowohl gegenüber dritten Staaten als auch gegenüber den Unionsbürgern. 924

So nach dem Willen des Europäischen Rates nun ausdrücklich Art. III-197 Abs. 3. Ebenso zuvor bereits der Schlussbericht der Konventsarbeitsgruppe VII „Außenpolitisches Handeln“, ebd., S. 6 f. und 33. Vertiefend Fassbender, AVR 42 (2004), S. 26, 26 ff.; Thym, AVR 42 (2004), S. 44, 44 ff. 925 Eine Neuerung stellt allein die in Art. III-11 Abs. 2 Konventsentwurf vorgesehene Ermächtigung des Ministerrates dar, die zur Erleichterung des diplomatischen und konsularischen Schutzes notwendigen Maßnahmen durch ein Europäisches Gesetz festzulegen. Der Ministerrat hat dabei das EP anzuhören.

260

5. Teil: Zusammenfassung und Ausblick

Es ist vor diesem Hintergrund von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass der europäische Grundrechtsschutz im Konventsentwurf selbst ebenfalls eine erhebliche Aufwertung erfährt. So wird die Union neuer Prägung künftig in allen von ihr verantworteten Kompetenzbereichen an einen verbindlich niedergelegten Grundrechtskatalog gebunden sein (Art. I-7 i. V. m. Teil II Konventsentwurf). Der Entwurf betont darüber hinaus deutlich den Charakter der EU als einer Wertegemeinschaft, die sich unter anderem auf den Grundprinzipien des Respekts der menschlichen Würde, der Freiheit, der Gleichheit und der Achtung der Menschenrechte gründen soll926. Diese grundlegenden „Werte der Union“ sind ausdrücklich gerade auch in den Außenbeziehungen zu gewährleisten, wie Art. III-193 Abs. 2 lit. a Konventsentwurf festhält. Vieles deutet insoweit darauf hin, dass Fragen des diplomatischen Schutzes künftig verstärkt auch unter grundrechtlichem Blickwinkel an die EU herangetragen werden. Die Einbettung solcher individuellen Schutzinteressen in eine gemeinsame europäische Außenpolitik bleibt insoweit auch in Zukunft eine Herausforderung von erheblicher praktischer und wissenschaftlicher Relevanz.

926

Vgl. insbesondere die Präambel und Art. I-2 Konventsentwurf.

Anhang: Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen über die Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten im Rahmen von Fischereiabkommen mit Drittländern Dokument SEC(2000) 1943 vom 29.11.2000 I. Einleitung In den letzten Monaten wurden wiederholt Fischereifahrzeuge unter der Flagge eines Mitgliedstaats („Gemeinschaftsschiffe“) von den Behörden eines Drittlandes wegen angeblichen Verstoßes gegen die in den betreffenden Gewässern geltenden Fischereivorschriften aufgebracht. Die Kommission wurde in diesem Zusammenhang gelegentlich von Flaggenmitgliedstaaten aufgefordert, sie bei der Bearbeitung dieser Vorkommnisse zu unterstützen oder das Recht des Drittlandes, seine Bestandsvorschriften zu ändern, anzufechten. Außerdem erwarten auch die Schiffseigner ein sofortiges und durchgreifendes Vorgehen der Kommission gegenüber den Behörden des besagten Drittlandes, um die von diesen verhängten Strafen abzuwenden oder zu mildern. Die Kommissionsdienststellen halten es unter diesen Umständen für angezeigt, noch einmal die diesbezüglichen Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten zu klären. Es sollten keinerlei Missverständnisse über die Pflichten der Mitgliedstaaten herrschen, in allen Fällen sicherzustellen, dass Schiffe unter ihrer Flagge Fischerei verantwortungsvoll ausüben und ihre Bürger diplomatischen Schutz genießen. Auch muss klargestellt sein, welche Maßnahmen bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Gemeinschaft und einem Drittland hinsichtlich der Anwendung eines Fischereiabkommens ergriffen werden können. In diesem Dokument wird Folgendes angesprochen: • die Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten bei der Wahrung der Interessen von Gemeinschaftsschiffen und • die Grundsätze, auf denen die Beziehungen der Gemeinschaft mit Drittländern im Bereich der Fischerei basieren.

262

Anhang

II. Zuständigkeiten der Kommission und der Mitgliedstaaten Die Aushandlung von Fischereiabkommen ist – mit Ermächtigung des Rates und nach den vom Rat erstellten Direktiven – Aufgabe der Kommission. Nach Abschluss und In-Kraft-Treten des Abkommens ist die Kommission für eine reibungslose Umsetzung zuständig. Hierunter fallen die finanziellen Bestimmungen des Abkommens, Lizenzanträge und -aussetzungen, Konsultationen nach einer Festnahme sowie die Weiterleitung von Fangmeldungen und die Bekanntgabe von Änderungen der Bestandserhaltungsregelung. Außerdem verhandelt die Kommission im Namen der Gemeinschaft auf Sitzungen des Gemischten Ausschusses und in den Konsultationen, in die die Vertragsparteien laut Abkommen z. B. bei Auslegungs- oder Anwendungsdifferenzen eintreten müssen. Ferner ist es Aufgabe der Kommission, Verstöße gegen das Abkommen sowohl von Seiten des Drittlandes als auch von Seiten der lizenzierten Gemeinschaftsschiffe zu überwachen. Doch die Kommission ist nicht allumfassend zuständig. Auch die Schiffseigner und die Flaggenmitgliedstaaten tragen Verantwortung. Einschlägige Bestimmungen in den Abkommen Fischereiabkommen mit Drittländern enthalten eine Reihe von Vorschriften, die von den Fischereifahrzeugen eingehalten werden müssen. Je nach Abkommen können diese die Maschenöffnungen betreffen, Schongebiete, Schonzeiten, die Einfahrt in und die Ausfahrt aus der Fischereizone, Umladungen, Beobachter, Fischereiinspektoren, Fangmeidungen, die Anheuerung von Seeleuten, die Anlandung der Fänge, den Verkauf von Beifängen und die Nutzung von Häfenanlagen. Nur in einigen Abkommen ist ausdrücklich festgehalten, dass die Gesetze des Drittlandes auch für die Fischereitätigkeiten der Gemeinschaftsschiffe gelten. Aber wenn eine solche Bestimmung fehlt, wird dasselbe Ziel dadurch erreicht, dass sich die Gemeinschaft als solche verpflichtet, die Einhaltung dieser Gesetze durch die Gemeinschaftsschiffe sicherzustellen. Auch Artikel 62 Absatz 4 des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 („Übereinkommen 1982“) enthält eine solche Forderung. Die Fischereivorschriften werden mitunter vom betreffenden Drittland im Laufe einer Fischfangsaison geändert. Auch wenn solche Änderungen der Bestandserhaltungsvorschriften den Eignern von Gemeinschaftsschiffen gelegentlich Probleme bereitet haben, steht doch fest, dass die Abkommen diese Möglichkeit in unterschiedlichem Maße vorsehen. So ist in allen Fällen vorgeschrieben, dass das Drittland Änderungen im Voraus mitteilen muss, aber bis auf eine Ausnahme1 ist hierfür keine feste Frist vorgegeben. Die meisten Abkommen verlangen außerdem, dass die Änderungen auf wissenschaftlichen und objektiven Kriterien beruhen müssen und Gemeinschaftsschiffe nicht diskriminieren dürfen. Praktisch alle südlichen Abkommen enthalten eine Bestimmung, wonach das Drittland die Bestandserhaltungsregelung ändern kann, wenn sich die Bestandslage geändert hat. Im Gegenzug allerdings wird verlangt, dass die 1

Abkommen mit Marokko 1995–1999.

Anhang

263

Vertragsparteien sich zusammensetzen, um alternative Fangmöglichkeiten oder eine Kürzung des finanziellen Ausgleichs zu vereinbaren, wenn die neue Regelung die Fangtätigkeiten beeinträchtigt. Im Allgemeinen ist das Drittland demnach ausdrücklich befugt, wenn auch innerhalb bestimmter Grenzen, die Bestandserhaltungsregelung zu ändern. Bezeichnenderweise schreiben alle Abkommen Konsultationen zwischen den Vertragsparteien vor, wenn die Auslegung oder Anwendung der Abkommen Schwierigkeiten aufwirft. Solche Schwierigkeiten können im Zusammenhang mit der Aufbringung eines Gemeinschaftsschiffes auftauchen, aber auch unabhängig hiervon. Im Zuge der Verabschiedung neuer Bestandsvorschriften durch das Drittland etwa können solche Konsultationen angezeigt sein, wenn strittig ist, ob sich die Bestandserhaltungsmaßnahmen tatsächlich auf wissenschaftliche Kriterien stützen oder es die veränderte Bestandslage, die Auslöser für die Änderung der Bestandserhaltungsregelung war, tatsächlich gibt. Die Gemeinschaftsschiffe sind laut Abkommen gehalten, Kontrollen zuzulassen und zu erleichtern und etwaige Anweisungen der Kontrollbehörden des Drittlandes zu befolgen. Nach einer Kontrolle auf See oder im Hafen können die Drittlandbehörden beschließen, das Schiff aufgrund eines Verstoßes gegen geltendes Recht festzuhalten und eine Geld- und/oder andere Strafe zu verhängen. Im Allgemeinen ist im Abkommen festgelegt, welches Verfahren im Falle der Aufbringung eines Schiffes einzuhalten ist. So ist das Drittland in der Regel verpflichtet, der Kommission die Umstände der Aufbringung und die Gründe hierfür mitzuteilen.2 Die Kommission leitet diese Information an den Flaggenmitgliedstaat weiter. Bestimmte Abkommen3 sehen ferner vor, dass die Kommission an einer Konsultationssitzung mit dem Drittland teilnehmen sollte. Zweck einer solchen Sitzung ist es, die Umstände zu klären, die zur Aufbringungen geführt haben. Einige Abkommen4 sehen ein Verwaltungsverfahren vor, um etwaige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Lässt sich die Streitigkeit jedoch nicht im Rahmen eines solchen Verfahrens beilegen und stimmt der Schiffseigner der Zahlung einer Geldstrafe nicht zu, so müssen Schiff und Besatzung freigegeben werden, sobald eine Bankkaution hinterlegt wurde. Der von den Behörden festgesetzte Betrag muss in angemessenem Verhältnis zum mutmaßlichen Verstoß stehen. Die Kaution wird je nach Ergebnis des anschließenden Gerichtsverfahrens freigegeben oder verrechnet. Bestimmungen in den Abkommen über die Freigabe von Schiff und Besatzung gründen sich auf Artikel 73 des Übereinkommens 1982. Dieser Artikel 73 ist 2 Alle südlichen Abkommen fordern eine solche Notifizierung. Die nördlichen Abkommen enthalten mit Ausnahme der Abkommen mit Estland, Lettland und Litauen (die verlangen, dass die eine Vertragspartei die andere Vertragspartei „über die weiterhin ergriffenen Maßnahmen“ unterrichtet) keine näheren Bestimmungen für den Fall einer Aufbringung. 3 Bestehende Abkommen mit Kap Verde, Äquatorialguinea und Gabun und vorläufige Protokolle für Angola, Côte d’lvoire und die Republik Guinea. 4 Abkommen mit Marokko 1995–1999; bestehende Abkommen mit Gabun, Guinea-Bissau, Madagaskar, Sao Tome e Principe und vorläufige Protokolle für Angola, Côte d’Ivoire und die Republik Guinea.

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ebenso wie Artikel 292 über die sofortige Freigabe von Schiffen und Besatzungen in allen Fischereiabkommen, die die Gemeinschaft mit Drittländern schließt, implizit berücksichtigt. Rolle der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Schiffseigner Im Falle der Aufbringung eines Gemeinschaftsschiffes sind folgende Szenarien denkbar: Die Auslegung oder Anwendung des Abkommens wirft keine Schwierigkeiten auf, da es hier keine Streitpunkte gibt (siehe Punkt 1), oder aber die Aufbringung deckt Schwierigkeiten auf, weil die Vertragsparteien hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des Abkommens unterschiedlicher Auffassung sind (siehe Punkt 2). 1. Aufbringung mit unstrittiger Auslegung oder Anwendung des Abkommens Gewöhnlich wirft die Auslegung oder Anwendung des Abkommens keine Schwierigkeiten auf, und eine Aufbringung führt automatisch zur Einleitung eines Verwaltungs- und/oder Gerichtsverfahrens im Drittland. Lässt sich die Freigabe des Schiffes nicht über ein im Abkommen vorgesehenes Verwaltungsverfahren erreichen, so folgt in der Regel ein Gerichtsverfahren. Verantwortlicher Vertreter des Schiffes ist im Verwaltungs- ebenso wie im Gerichtsverfahren der Schiffseigner oder der Flaggenmitgliedstaat. Denn mit der Aufbringung bzw. dem Festhalten des Schiffes handelt das Drittland gegen Eigentum, (i) das einem oder mehreren Privatunternehmen gehört und (ii) über das ein Flaggenmitgliedstaat durch die Verleihung der Staatzugehörigkeit Hoheitsgewalt ausübt.5 Dieser Aspekt der Hoheitsgewalt wird in der Kontrollverordnung6 aufgegriffen, wonach es Aufgabe des Flaggenmitgliedstaats ist, für eine ordnungsgemäße Überwachung der Tätigkeiten seiner Fischereifahrzeuge in Drittlandgewässern zu sorgen, um die Einhaltung der [anwendbaren] Gemeinschaftsvorschriften sicherzustellen. Die Vertretung im Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die Stellung der Kaution und die Forderung nach Freigabe des Schiffes oder Entschädigungen für eingebüßte Fangzeit werden von den Parteien mit dem größten Interesse an dem betreffenden Schiff, nämlich finanziellem Interesse (z. B. Schiffseigner oder Bank) oder Hoheitsinteresse (insb. der Flaggenmitgliedstaat), am geeignetsten wahrgenommen. In solchen Fällen obliegt es dem Schiffseigner oder Flaggenmitgliedstaat, angemessene Schritte einzuleiten, wobei die Kommission vorzugsweise unterrichtet werden sollte. Schiffseigner und Besatzung sollten direkten Kontakt zu ihren Behörden aufnehmen, wenn sie diplomatischen Schutz wünschen.

5

Artikel 94 Absatz 1 des Übereinkommens 1982. Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2847/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 zur Einführung einer Kontrollregelung für die Gemeinsame Fischereipolitik, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2846/98 des Rates vom 17. Dezember 1998. 6

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2. Aufbringung mit strittiger Auslegung oder Anwendung des Abkommens Sollten die Gründe und Umstände der Aufbringung deutlich machen, dass die Auslegung oder Anwendung des Abkommens strittig ist, so müssen die Vertragsparteien des Abkommens zur Beilegung dieser Schwierigkeiten Konsultationen aufnehmen, unabhängig von den Routineverfahren im Anschluss an eine Aufbringung (siehe Punkt 1), die in vielen Fällen schon abgeschlossen sein dürften, bevor die Konsultationen beginnen. Die Konsultation kann ergeben, dass das Drittland das betreffende Schiff mit Recht aufgebracht hat. Andererseits kann die Kommission im Rahmen der Konsultation aber auch zu dem Schluss gelangen, dass das Drittland das Abkommen falsch ausgelegt oder angewandt, d.h. gegen die Bestimmungen des Abkommens verstoßen hat. Ein schwerwiegenderer Verstoß oder eine Reihe von Verstößen des Drittlandes können möglicherweise, als sozusagen letztes Mittel, zur Aufkündigung des Abkommens durch die Gemeinschaft führen. So weit ist es in der Praxis allerdings noch nie gekommen. Mit Ausnahme eines neueren vorläufigen Protokolls7 sehen die Abkommen eine Aussetzung der Gemeinschaftszahlungen nicht ausdrücklich vor. 1998 wurden die Zahlungen in einem Fall8 aufgrund eines bewaffneten Konfliktes ausgesetzt, der Fischfang unmöglich machte. Diese Aussetzung war aber direkte Folge des Konflikts, der im Drittland ausgetragen wurde, und der damit verbundenen Risiken, die Gemeinschaftsschiffe an der Ausübung von Fischerei unter normalen Bedingungen hinderten. Soweit Fangtätigkeiten von Gemeinschaftsschiffen nicht im Rahmen von Fischereiabkommen der Gemeinschaft stattfinden, sondern etwa im Rahmen einer privaten Lizenz, ist die Kommission sowieso nicht beteiligt und trägt keinerlei Verantwortung im Falle einer Aufbringung dieser Schiffe. Verbesserungsvorschläge Im Interesse größerer Klarheit der Fischereiabkommen halten es die Kommissionsdienststellen für angebracht, dass die Kommission sich darum bemüht, die Bestimmungen über (i) die Verfahren im Falle einer Aufbringung und (ii) Änderungen der Bestandserhaltungsvorschriften des Drittlandes bei nächster Gelegenheit und so weit wie möglich in allen Abkommen zu vereinheitlichen und gegebenenfalls genaue Fristen festzulegen. Soweit zutreffend, sollte die Kommission sich auch darum bemühen, den Informationsfluss vom Drittland zum Flaggenmitgliedstaat über die Gründe und Umstände der Aufbringung bzw. der Änderung der Bestandserhaltungsvorschriften des Drittlandes zu verbessern. Welche Aufgaben hierbei der Kommission und welche den Mitgliedstaaten zufallen, ließe sich möglicherweise klären, indem, soweit erforderlich, bestimmte Verfahrenseinzelheiten in die Abkommen selbst aufgenommen werden. Außerdem sollte sich die Kommission bemühen, die Mitgliedstaaten im Einzelfall über ihr Vorgehen und ihre Beteiligung umfassend zu informieren. 7 8

Für Côte d’Ivoire. Guinea-Bissau.

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Anhang

III. Fazit Die Gemeinschaft ist Verfechterin einer verantwortungsvollen Fischerei.9 Sie macht hierbei keinen Unterschied zwischen Fischfang in den eigenen Gewässern und Fischfang in Drittlandgewässern oder auf Hoher See. Als Vertragspartei des Übereinkommens 1982 erkennt die Gemeinschaft die souveränen Rechte von Drittländern zur Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone an. Die Fischereiabkommen, die mit bestimmten Drittländern geschlossen wurden, um die Bedingungen des Zugangs von Gemeinschaftsschiffen zur AWZ oder ausschließlichen Fischereizone jener Länder zu klären, schränken in keiner Weise die ausschließlichen Rechte dieser Länder ein, ihre Ressourcen nach eigenem Ermessen zu bewirtschaften. Falls die Bestandserhaltungsmaßnahmen von Drittländern die Rechte von Gemeinschaftsschiffen in den betreffenden Gewässern beeinträchtigen, so existieren im Rahmen der bestehenden Abkommen bereits geeignete Verfahren zur Lösung solcher Probleme, auch wenn einige Aspekte noch vereinheitlicht und klarer formuliert werden müssen. Auch die Bestimmungen, welche Verfahren im Falle einer Aufbringung einzuhalten sind, bedürfen der Vereinheitlichung und größerer Klarheit. Unter der Bedingung, dass solche Änderungen vorgenommen und der Informationsfluss und die Transparenz verbessert werden, halten die Dienststellen der Kommission die gegenseitig vereinbarten Verfahren für ausreichend, das Gemeinschaftsinteresse zu wahren.

9 Beleg hierfür sind unter anderem der Beitritt der EG zum Übereinkommen von 1982, die Unterzeichnung des New Yorker Übereinkommens und die Annahme des FAO-Einhaltungsübereinkommens.

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Benesˇ-Dekrete 107 Bulgarien 217 China 96, 132 COREU-System 133 Cotonou-Abkommen Siehe AKP-Staaten Dänemark 209 Delegationen der Kommission 17, 41, 46, 62, 69, 77, 110, 162 Deutschland 188 Dialog, Kritischer 131, 140 effet utile 60 Einzelermächtigung, Prinzip 28, 43, 59, 184 EMRK – Beitrittsgutachten des EuGH 98 – Grundrechtsdogmatik 178, 181 – und diplomatischer Schutz 23, 222 Entschädigung Siehe Anspruch auf Schadensersatz Entwicklungshelfer 42, 94, 118 Entwicklungshilfepolitik 94, 97 EPZ 130, 138 Erga-omnes-Pflichten 153, 166 Ermessen 18, 189, 201, 231, 239 Estland 217 EuGH Siehe Gerichtshof, Europäischer Finnland 210 Fischerei 17, 75, 77, 79, 82, 84, 88, 119 Frankreich 194 Fremdenrecht 20, 25

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Stichwortverzeichnis

GASP Siehe Außenpolitik, Gemeinsame Gegenmaßnahme, Völkerrechtliche Siehe Repressalie Gemeinschaftsabkommen 17, 51, 56, 62, 75, 88, 91, 100, 250 Georgien 41 Gerichtshof – Europäischer 17, 34, 43, 49, 56, 60, 63, 79, 98, 176, 233, 236, 250 – Internationaler 25, 40, 53, 65, 73, 76, 112, 153, 156, 165, 168 Gesandtschaftsrecht der EG 49, 68, 140 Griechenland 210 Großbritannien Siehe Vereinigtes Königreich Grundrechtecharta, Europäische 48, 171, 174, 220 Grundrechtsdogmatik 171, 178, 188, 208, 222, 227 Guantanamo Bay 110, 201 Guinea-Bissau 17, 79 Handelspolitik 51, 78, 80, 83, 89, 103, 145, 240, 246 Handelsschutz-Verordnungen 80, 240, 246 Helms-Burton-Act 83, 89, 117, 145 Honduras 136 IGH Siehe Gerichtshof, Internationaler ILC 23, 166 Implied power Siehe Kompentenz, Implizite Indien 96 Individuum – als Schutzsubjekt 116 – Rechtsstellung im Völkerrecht 21 Injuries suffered-Gutachten 25, 40, 53, 65, 73, 76, 112, 156, 168 Interventionsverbot Siehe Nichteinmischungsprinzip Irak 130

Iran 130, 138 Irland 211 Israel 42, 94 Italien 211 Ius cogens 153, 166 Jurado-Urteil des TAOIT 168 Justiziabilität 17, 189, 194, 199, 204, 208, 236 Kanada 82, 87 Kausalität 18, 192, 206, 233 Klagemöglichkeiten Siehe Justiziabilität Kohärenzgebot 142 Kolumbien 42, 96, 102 Kommission 17, 41, 77, 79, 87, 102, 120, 132, 138, 144, 162 Kompetenz – Ausdrückliche 49, 51, 53 – Implizite 53, 56, 62 – Kraft Natur der Sache 55 Kompetenzverhältnis 65, 91, 105 Konvent 258 Koordination unterschiedlicher Schutzaktivitäten 126, 129, 142 Kuba 81, 132 Laos 110 Lettland 217 Liberia 111 Litauen 217 Lomé-Abkommen Siehe AKP-Staaten Luxemburg 213 Marokko 75, 79, 110 Mediatisierung des einzelnen 21 Menschenrechte 23, 96, 153, 165 Menschenrechtsbeobachter 99, 118 Mitgliedstaaten – Diplomatischer Schutz gegenüber 112

Stichwortverzeichnis – Kompetenzverhältnis zur EG 91, 105 – Nationale Rechtslage 187 – Schutzkoordination 129 Nationalität Siehe Staatsangehörigkeit Nichteinmischungsprinzip 148 Nichtregierungsorganisationen 42 Niederlande 213 Odigitria-Urteil 17, 43, 79 Organisation, Internationale 25, 37, 50, 54, 156, 168 Organkompetenzen 120, 132 Österreich 214 Osterweiterung 107, 216 Pakistan 136 Parlament, Europäisches 41, 49, 87, 96, 108, 122, 136, 138 Polen 217 Portugal 215 Rat 87, 89, 103, 120, 129, 132, 138 Rechte, Subjektive Siehe Anspruch Rechtsnatur – der EG 27 – der EU 126 Rechtsschutz Siehe Justiziabilität Repressalie 65, 73, 105, 151, 161 Resulting powers Siehe Kompetenz kraft Natur der Sache Retorsion 65, 73, 105, 150, 160 Reziprozität 91 Rumänien 217 Rushdie, Salman 130, 138 Russland 42, 136 Sanktion, Völkerrechtliche Siehe Repressalie / Retorsion / Wirtschaftssanktion Schaden 192, 206, 233 Schiffe 17, 75, 77, 82, 119

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Schutz – Diplomatischer – Definition 20 – durch die EG 17, 43, 142, 156, 170, 227, 246, 250 – durch die EU 128 – gegenüber Mitgliedstaaten 112 – im Konventsentwurf 259 – im Rahmen der GASP 129 – im Völkerrecht 20, 148, 165 – in Art. 20 EGV/EUV 45, 130, 134, 220 – in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten 187 – in der EMRK 222 – in der Grundrechtecharta 48, 220 – mittels des EG-Außenhandelsrechts 246 – mittels Gemeinschaftsabkommen 250 – Funktionaler 25, 40, 55, 73, 168 – Konsularischer 20, 45, 78, 142 Schutzanspruch Siehe Anspruch Schutzinstrumentarium 62, 131 Schutzpraxis 17, 41, 79, 81, 87, 89, 92, 95, 102, 109, 117, 129, 131–132, 136, 138, 145 Schweden 216 Seerecht 64, 82, 84, 89 Seychellen 110 Slowenien 217 Spanien 204 Staatsangehörigkeit 24, 31, 44, 93, 188 Staatsbegriff 28 Streitbeilegung, Völkerrechtliche Mittel der 64, 73 Südafrika 110 Sudan 132 Supranationalität 37 TRIPS 81 Türkei 110, 217

300

Stichwortverzeichnis

UdSSR 83, 90 Ungarn 217 Unionsbürgerschaft 32, 41, 44, 116 Unternehmen 81, 116 USA 81, 83, 89, 91, 110, 129, 145, 201 Vattel, Emer de 22 Vereinigtes Königreich 23, 199 Verfahren in Schutzfällen 123, 132, 144, 246 Verfassung, Europäische 258

Verträge, Völkerrechtliche Siehe Gemeinschaftsabkommen Vertriebenen-Problematik 107 Völkerrecht 20, 54, 148, 165 Völkerrechtspersönlichkeit – der EG 36, 49, 156 – der EU 126 Wirtschaftssanktionen 65, 105 WTO 78, 80, 90, 143 Zypern 72, 110 Zypernkonflikt 72